Skip to main content

Full text of "Handbuch der Geschichte Oesterreichs, von der ältesten bis zur neuesten Zeit. Mit besonderer Rücksicht auf Länder-, Völkerkunde und Culturgeschichte"

See other formats


Google 


This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project 
to make the world’s books discoverable online. 

It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 
are our gateways to {he past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover. 


Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book’s long journey from the 
publisher to a library and finally to you. 


Usage guidelines 
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 


public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to 
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying. 





‘We also ask that you: 


+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individual 
personal, non-commercial purposes. 





and we request that you use these files for 


+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine 
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 


+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 


+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of 
any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance in Google Book Search means it can be used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe. 






About Google Book Search 


Google’s mission is to organize the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers 
discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web 
alkttp: /7sooks. google. com/] 














Google 


Über dieses Buch 


Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei — eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 


Nutzungsrichtlinien 


Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 


+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 


+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 





+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 


+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 





Über Google Buchsuche 


Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|'http: //books .google.comldurchsuchen. 























Igrones, (vramn% 3 ger Bibliotheir 
Kırter von (Yar- u; der P1bNO 


von Walter v. Sehmid 
Handbuch 


Gefhihte Oeſterreichs 


von der älteften bis zur neueſten Zeit. 


Mit befonderer Nückficht auf Länder, Völkerkunde und 
Eullurgeſchichle 


bearbeitet 


von 


Dr. Kranz Ritter von Krones, 
o. 3. Pꝛoicſſor der Sterreibtigen Geſ dichte an der Univerſität su Gras, rorreſp. Mitglied der 
t. k. Atademie der Winenſchaften zu Wien. 


Dritter Band. 


Berlin. 
Verlag von Theodor Hofmann. 
1881. 


4 
FAR 4 
I Fe 


= 


 Döss 
K75 


1, 3 


Alle Rechte vorbehalten. 


Inhalt des TIL Bandes. 


Zwölftes 9 Bad. 


Inneres Staat3leben vom Schluſſe des I0. Jahrhunderts 
bi3 1526. Grundzüge der Verfaſſungs-, Rechts- und 

enlturgelhiäte der drei Ländergruppen. . 
A) Deutſche Erbländer. . . 

L. Berfafjungszuftande und äußere Rechtsgeſchichte der: 
ſelben. 1. Stellung der Länder zum deutſchen Reiche. 2. Nechts- 
denkmäler: a) Reichsgeſetze; b) Privilegien der deutſchen Kaiſer und 
Könige; c) Landrecht, geineinbeutfche und provinzielles, Landhand— 
veiten, Landtagsabſchiede Libelle, Dorf: und Stadtrechte. 3. Terri— 
torialentwidlung , Verwaltung nnd Ständemefen, die Fudenfchaft. 
I. Epochen der materiellen und geijtigen Qulturge- 
\Sichte. 

B) Böhmische Tändergruppe. . 

L.Berfaffungsentmwidlung und äußere Rechtsgeſchichte. 
1. Stellung zum deutſchen Reiche. 2. Rechtsdenkmäler des Land— 
und Gemeinderechtes. 3. Territorialentwicklung, Verwaltung, Stände— 
und Landtagsweſen. Die Judenanſiedlungen und Rechte. II. Haupt: 
epodhen der materiellen und geiftigen Cultur. 

C) Ungarifhe Ländergruppe (mit Einſchluß Dalmatienß). 

J. Geſchichte der Verfaffung und der äußeren Rechtsver— 
hältniſſe. 1. Die ungarifche Reichsgeſetzgebung. 2. Die Sonder: 
rechte Siebenbürgeng , Croatiens, Slavoniend. 3. Comitats- und 
Ammunitätenwejen, die Juden. 4. Die Berfaffungs-: und Rechts: 
verhältniffe .Dalmatiens. II. Die Epochen der Gulturent: 
widlung des ungarijhen Reiches. Vergleichender Rückblick. 


Dreizehutes Buch. 
Die Zeiten Ferdinand's I u. Maximilian's IL (1526- 1576). 
. Die Machtverhältniſſe Europa's und der allgemeine Gang der habs— 
burgiſchen Politik bis zum ſchmalkaldiſchen Kriege 
. Die Erwerbung der Kronen Böhmen und Ungarn . 
. Der Kampf um Ungarn bi8 zum Großwardeiner gen 1538, mit 
Einſchluß der eriten Türfenbelagerung Wiens, 152 nen 
. Der jchmalfaldiiche Krieg und Böhmen . 
. Martinuzzi und die fiebenbürgiiche Frage . 
. Ferdinand I. und der Proteftantismus in Deutſch⸗ deſerreich Vvöhmen 
und Ungarn. Der Sefuitenorden .. 
Das Kaiſerthum Ferdinand's J. und das Trienter Goncil . 
Das Haus Ferdinand's I. und die inneren jlaatlichen Versätmife 
Die Erbtheilung und Ferdinand’3 I. Tod . 
. Marimilian II. Deutihland und bie Nachbarmächte . 
10. Der Proteſtantismus in den deutſchen Erbländern, Böhmen und b Ungarn 
. Ungarn und die polnischen Königswahlen . . . . 
12. Marimilian's I. Audgang. Rüd: und Vorblick 


u nm WD m 


pa 
na DO 


Seite 


y 


112 


Fe 


Tierschutes Rauch. 


jıltın Muhulgph II sun Sn one tan. . 
Warduodpte DE nunnen jtite Prudaten um Inn 
Sr bentfehe Auhbufrage nun Maler Muzuden IE o sh oae, Ins, \ 2 E 
Sir pelmiphe Bhnefenge eo, Murzaın uno Zitbenbitrgen, u 
rs rhennfugesg Bau TE. hr ten; tar landen u 
a "deli in ben beim bentpchrn Viablunten; nie laudensira Ze 
Fulſnlhunderts . g⸗ 315 
3 


ns aaAunxrukitrge ste zbluſſe bra 16, 


nad Vounetellerieicdh open IA6h To, 


Salon Mrd pobtihbe Vewrqung im Ungermteiche OO ig; 218 
SON —p—bcr onniben Erblanube Dia zum Miener Frieden I 34 
Zr erse de: dababitigichhen Nüder lttätus ort, 3256 
>, See testoeioll Tele), Ba . 38 
N. = 3. Tesesar Serdinand's Il, und bie Anfänge * 
N " x " “ ’ “ “ » ® e ® U} U} 392 
unfschntes Buch. 
u» > iz, Non > IL und Det dreißigrährige 
wo.“ ARTEN AN. 0, ı 3 Sg 
> n N A DE I FEUER ET Io N les, 1 1 
- Ä RE . in — —X —X und die 02 
2 \ . N ou X l l . , J 
ren NN Id Xe PNZSNDERU BE a Net Ri y de 
[ ” . .ı)z 
“ N » Fr % . “x vi J 125 
" n > N . r X Ks: [ FAN “a . “.n 23 HR 
\ ’ d si = 
N N \ m 
N . N nu: — a Jd Fe +42 
INS BR 
> N N. —R NN x IX» ‘ 
[) “ .. 
” > ⁊ N N En N 14 
an 
a... vr Nu. 
x x x 
x d 
—* 
“ ” x . * - 
n ” * » 
* 
“x n x - 
= ” x ⁊ "x X 
J 
= . —Vd ** ni 
\ . >. \ \ 
* \ SL ı 
N 
— 


| 
{ 
| 





Zwölftes Bud. 


Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrhunderts bis 1526. 
Grundzüge der Verfaflungs-, Rechts- und Eultnrgefchichte der drei 
Kändergruppen. 


Siterafur. 


a) Deutfd-öflerr. Sündergruppe. Vgl. die Literaturangaben in Pütter, 
Lit. d. deutfchen St.:R. (1776—86), 4. Bb. v. Klüber (1792); Weber, Lit. 
der deutichen St.:Geich., I. (1800); die Repertorien von Walther (1845) und 
Koner (1852 —1856); Dahlmann-Waitz, 4 A. (1875); E. Eofta, 
Bibliographie der deutichen Rechtsgeſchichte (1856) (mit Nachtrag), berüdiichtigt 
beſonders die öjterr. Terhältniffe; Mohl, die Geh. u. Literatur der Staats: 
wiffenfchaften. In Monogr. dargeſt. (1855—1858). Homeyer, Die beutfchen 
Mechtsbücher des M.:N. u. ihre Handſchrr. (1856), ©. 356 fſ., 457 fi. Die 
biblioth. juridica von Engelmann für die v. 1750 bis 1848 erſch. Werke 
(1849) und ihre ort. v. Wuttig f. d. 31. 1848—1867, von Roffberg f. 
d. 31. 1867—1876, I. Bd. 

1) Semeindeutides: O. Stobbe, Gefch. der deutjchen Rechtsquellen 
(1860, 1864) ; die älteren Sammlungen v. Goldait, Lünig, Ludwig, Senden: 
berg (bejonder3 wichtig f. d. öfterr. Rechtsgeſch.), Georgifjch; die Monumenta 
Germaniae, Leges (1. Gapitul. bis 5. A. des 10. Jahrh.), 2. (Nachtr. u. Reichsgeſ. 
bi8 1313), 3—5. (Leges, 3. 8. Alam. Bajuv. Langob. . ... Böhmer’3 
Regeiten und Acta imperü (Ficker, Stumpf) und jeine frühere Arbeit: Deutſche 
Reichsgeſetze v. J. 900 — 1400 nachgewieſen (1832). Deutiche Reichsacten, 1., 
2., 5. v. Weizjäder (1868, 1874); Franklin, Sententiae curiae regiae 
(1870). 

Rechtsdenkmäler des deutſchen Mittelalters, 5. v. Daniels, 
Gruben und Kuehns (Berlin 1857 ff.) (darunter: Schwabenfpiegel und Sachfen: 
jpiegel v. Daniels). Schmwabenfpiegel(R. v. Lafiberg, Wadernagel, Gengler, 
Laband) über die Handſchr. Rodinger, Spiegel deuticher Leute, h. v. Ficker (vgl. 
Sitzungsber. der Wiener Akad. hiſt. Kl., 23. Bd. [1859)). Yon demf. : Ueber die Eut⸗ 

Krones, Geſch. Oeſterreichs. IIL 1 


2 . Viteratur zum XII. Buche. 


ſtehungszeit des Echmwabenipiegel3 (1874). Für die gemeindeutfhen Stadt: 
rechte beganı Gengler die Samınlung: Codex Juris municipalis (rermaniae 
f. 1865, 1. Bd.; vgl. |. Grundriß: Deutihe Stadt-R. des Vi.-A., theils ver;., 
theils volljtändig (1852) u. Gaupp, Deutſche St.:R. des Mittelalters (1851., 
2). Die Meisthümer gab (1540- 1842) in 3 Bon. X. Grimm, das Weitere 
die Münchener hiſt. Comm. heraus, D., 6. bearb. v. R. Schröder (1863 bis 
1809). Urfunden 3. Geſch. d. d. R., h. v. Lörſch u. Schröder, I. (1874). 
Die allgem. Handbücher über deutjche Reichs: und Rechtsgeſchichte v. Fihhorn, 
5. A. (1845, 1844); Zöpfl, 4.9. (1871, 1872) (reich an Piteratur); Walter, 
2. A. (1857). Fon den Fürzeren Hodb. durch Literaturnachweiſe bejonders handlich 
G. Philipp's, 4. A. (1859), und Schulte, 3. A. (1873. Tas Werf von 
Daniels (1859 fi.) Gur Hälfte Regeſten deutfher Neihsgeichichte, 
nad) Häberlin's Werke zumeift). Die Verfaſſungsgeſchichte Deutichlands befitt ihr 
grundlegende Verf an Maik, D. Vf.“G., 1.—T. Bd., bejonders die beiden 
legten Bände, cuch u. d. T.: Die deutſche Reichsverfaſſung v. d. Mitte des N. 
bis 3. M. des 12. Jahrh. (1875, 180) G.B. 7. Bd., 1.—12. Abſchn., über 
die Territorialverhältuifie und Amtögewalten). Vgl auch Mittermeier, Grund— 
fäße des gem. dentſchen 'Frivatrechtes u. ſ. w., 7. A. (1847) (reiche Lit.-Angabe); 
Kraut, Grdr. z. orlej., 9. WU. (1872) (desgl.). 

Für Die ſtaatsrechtl. Verhältniſſe der jüdlichen Alpenländer befonders wichtig: 
Fider, Forſchungen 3. Reichs: und Rechtsgeſch. Italiens, I Yde. (1863 -1874) — 
ungemein reich in Angabe v. Tuellen u. Literatur. — 3. Geſch. d. Landeshoheit: 
Berchtold, die Entw. der Yandeshoheit in D. in d. Per. von Friedrich IT. bis 
1294, I. (1:63). Zur Geſch. d. Territorien: Landau (1854); Maurer (1851 
bis 1866); Thudihum (1860) Ueber Benefizialmefen: Roth (1850); 
über Feudalität u. Unterterthanenverband: Roth (1863). 3. Heich. des Stände: 
mweiens: die Merfe von Montag (1812>— 1514); Hüllmann (2. Q., 1830); Fürth 
(Minijterialen, 1836). Tie Werke tiber Sbenbürtigfeit von Göhrum (1846) 
und fürjtlihe Eritgeburt von Schulze (18511, Nitzſch, Minifterialität und 
Bürgertfum i. 11. u. 12. Jahrh. (1859) (vgl. ſ. jtaufischen Studien), Ficker, 
Vom Heerihilde (1862); Ficker, Nom Reichsfüritenftande, I. (1861). Ueber 
das Ratriziat in den deutſchen Städten: Roth v. Schredenftein (1856); 
O. Stobbe, Tie Juden in Teutichland während des Mittelalters (1866). — 
3. Seid. des Städteweſens: C. Hegel (1847 f.) (2. Bd.); Arnold (1854); 
Maurer (1869-73, 4 Bde.); Heusler (1872). 

Bäueriſche Anjiedlungsverhältniffe, Toorfweien: Waitz (Altdeutſche Hufe 
1854); Hanfjen, 3. eich. der Feldſyſteme in Deutſchland (Zeitichr. j. Staats: 
wifl., 1869 —1870); Maurer, Geſch. d. Torfverf. i. D. (1869-- 1866) u. Geſch. 
d. Fronhöfe u. j. w. (1862— 1863). Vgl. auch Kindlinger, Geſch. d. deut: 
ſchen Hörigfeit (1818). Tie Werfe über Geſch. der deutichen Landwirthſchaft v. 
Anton (1799—1802) u. Langethal (1847 - 1556, fortg. i. Raumer's hift. 
Tſchb., 1863). 

Ueber Ortsnamen die Werke v. Köritemann, Ortsnamen. N. A. 
(1871), Roth, Bacmeiſter; Arnold, Wanderungen deutſcher Stämme (1875, 
wo fi) auch reiche Literatur findet). 


iteratur zum XII. Buche. 3 


Gerichtsweſen: Siegel, Geſch. der d. Gerichtäverf., I. (1857); Franklin, D. 
Reishofger. i. M.:A. (1867—69); Stölzel, Entw. des gelehrten Richterth. i. d. 
Territorien (1872). 

Kriegsweſen: Stenzel (1820); Tarthold (1855), v. demſ. Georg v. Frunds— 
berg (1333); Reuder (1860-64); J. 2%. Mone, i. d. Ziſchr. f. ©. d. Ober: 
Rheins (13.—17. Ih.). 

Gewerbe u. Handel: Maſcher, D. deutſche Gewerbeweſen (1566); Schön: 
berg: 3. wirthjchaftl. Bedeutung des deutſchen Zunftweſens i. M.:A. (1868); 
3 ®. Stahl, D. deutſche Handwerk, I. (1874). Die Anffäke von Mone i. 
d. Ztichr. f. G. d. O.-Rh. in viefen Heften. Fiſcher, Geſch. d. deutjchen Han: 
dei, 2. X. (1793 -97); I. Falke, & d. d. H. (1859, 1860) (vgl. A. Beer’s 
Geſch. des Welthandels). 

F. Culturgeſch. i. AUg.: A. v. Eye und J. Falke, Kunſt u. Leben der 
Vorzeit v. Beg. des M.-A. bis z. A. d. 19. Jahrh. (1855 jſ.), 3. Aufl. (1868 ff.) 

Wach smuth, Geſch. deutſcher Nationalität, 3 Bde. (1860— 1862), worin ſich 
auch die deutſch-öſterr. Länder und die Deutſchen des böhm.-mähr. Sudetenlandes 
und der Karpathengebiete berückſichtigt finden). Zeitſchrift f. deutſche 
Culturgeſch. h. v. Müller und Falke, ältere und neuere Folge. 

Ueber die deutſche Kunſt i. Allg.: Förſter (1851 — 1863). Baukunſt: 
Otto. Eine mittelalterliche Kunſttopographie Deutſchlands, bearb. v. W. Votz 
(1862, 1863). Ueber die Bauhütten: Janner in Regensb. Lyc. Progr. 1871. 

Nationale Literatur: Gervinus, I—3, n. h. v. Barth (1871 -73); 
Wackernagel (1851—1872); Vilſlmar, 16. Aufl. (1874); ferner die neueſte 
Bearb. d. Grundriffes der deutichen Lit. v. Koberjtein durch Bartſch (1872 
bi3 1873, in Bezug der Yiteraturangaben) und die Arbeiten über hijtor. Quellen: 
funde des M.⸗A. v. Wattenbad und Lorenz. 

Ueber das Schulmejen: Meiner's Verfafjung und Verwaltung deutjcher 
Univ. (1801, 1802); Raumer, Geſch. d. Pädagogif, 2. A. 





2) Deutſch-öſterr. Länder. Allgemeines an Tuellen und Bebelfen: 
Codex austriacus, h. ſ. 1704, mit Suppl. die alten Satungen bi3 Maria 
Iherefia und dann die jpateren umfaljend. Birk's Regeſten z. Lichnowski's 
Geſch. d. Haujes Habsburg. Fontes rerum austr., II. Abth. Diplomata, 
und die von Chmel 5. Monum. habsb. Tal. E. Gojta, Tuellenfunde ;. 
öjlerr. Rechtsgeſchichte in Mone's Anz. f. Kunde d. Vorzeit (1856), ©. 48 
fi. RPearbeitungen: E. Röffler, Portrag über die Behandlung der öiterr. 
Rechtsgeſch. (1847), mit Anhang (bahnbrechend); Chabert, Bruchftüde einer 
Staats- und Rechtsgeſchichte der deutich:öjterr. Länder i. TIL un. IV. Bde. d.“ 
Denkſchr. d. Wiener Afad., hiſt.-phil. Section (Die beite Grundlage f. d. älteſte Epoche; 
nad) dem Tode des Verf. herausgegeben); 3. Biſchoff, Oeſterr. Stadtrechte 
und Privilegien (1857) (reiche Pitt.) F. F. Schrötter, Abhandlungen aus dem 
diterr. Staatsrecht (1762 — 1766), I. von den sreiheitäbriefen, ſammt e. Einl. 
i. d. öfterr. Seid. (1762), LI. von den Titem und Reichderzämtern des Erzh. 
Teiterreih (1762), ITL von den Erbhuldigungen und Kleinodien (1763), IV. 
von den vorzüglichen Rechten der öfterr. Landeshoheit (1765), V. von der Erb— 


folgeordnung wie auch Vormundſchaft (1766). . 
1 


4 Literatur zum XII Buche. 


Kronmes, Umriſſe des Geſchichtslebens ber beutich-öjterr. Ländergruppe in 
feinen jtaatlihen (Srumdlagen vom 10. bis 16. Jahrh. (1863), eine Erſtlings— 
arbeit, mit allen Schwächen einer jolden, aber bisher der einzige Nerfuch, das 
weitſchichtige Material der äußern und namentlid der innern Geſchichte der 
ganzen Ländergruppe zufammenzudrängen und nanıentlid) die bis 1862 erfchie- 
nene Literatur zu verwerthen und möglichit genau zu verzeichnen. Tas Merk 
gliedert jich in folgende Abſchnitte: 1) Die öfterr. Tonaualpenländer in ihrer 
ftaatliden Ländergeſchichte vom X. biß an den Schluß des XIII. Jahrh., 
2) die innere territoriale Gliederung der öfterr. Donaualpenländer bis 
in da8 XVI. Jahrhundert. 3) Allgemeine Entwidlung der Landeshoheit 
unter den Habsburgern in den öjterr. Ländern bis zum XVI. Jahrh. und in 
die erſte Hälfte deijelben (1526). 4) Die Landeshoheit in ihrem Verhältnifje zur 
Verwaltung, nachgewieſen in der deutjch:öfterr. Ländergruppe (Gameralver: 
waltung u. Finanzweſen, Gerichtsweſen, Heermweien). 5) Ueberblid der mittel: 
alterliden Gejeßgebung und Rechtsbildung in der deutfchen Länder: 
gruppe bes öſterr. Staates. 

Die Specialliteratur am Schlufie der einzelnen Hauptab— 
ſchnitte der folgenden Skizze. 


b) Böhmen, Mähren, Schleſien. Die Literaturangaben bei Weber, I., S. 348 
ff., f. die ältere Epoche; für die Zeit bis 1850 bei D. Elvert a. a O. 
1) Cuellen: Balbin, Miscellanea r. Bohemiae (aus dem Nachl. publicirten 
auch Rienger und Graf Nuerjperg); Dobner, Monum. Beh. et Moraviae, 
Codex diplom. et epistolaris Moraviae, h. v. Boczef, Chytil, Brandl 
(8. Bd. [1874] geht bis 1355). Archiv tesky, h. v. Ralady, die Pa- 
mätky arch. mistop. u. db. Prävnik. Erben-Emler, Regesta dipl. h. 
Boh. temp. Premyslid. (reicht bis in die Zeit Wenzel’3 IL). Die bahnbrechende 
Samntlung und Fritiichde Behandlung der Stadtrehte Böhmens und Mäh— 
tens von Franz Röffiler. 2 Bde. (1853—1867), 1. Bd. Böhmen, 2. Bo. 
Mähren u. d. allg. Titel Nehtsdenfmäler Böhmens und Mähren. 
Monumenta rerum Bohemico - Moravicarum et Silesiacarum, sectio II. 
Leges et Statuta, liberI. Kniha Towatowska (Tobitſchauer Rechtsbuch), h.v. 
Demuth (1858). Die Landtafel Mährens, h. v. Demuth (Prachtwerk, daraus 
beſonders: Geſch. d. Landtafel des Markgrafenth. Mährens 1857). H. Jirecef, 
Codex juris Bohemici, I. Bd.; t. Premyslidarum (1867), II., 2., Jus terrae 
atque jus curiae regiae saeculi XIV. (1870), TII., 2.. Jus terrae saeculi XV mi, 
(1420— 1500) (Prag 1873), IIL, 3., M. Victorini a V%ehrd opus bohem. 
de jure terrae Bohemiae, 11. IX. (1874); Emler, Reliquiae tabularum 
terrae regni Bohemiae, |. 1870 fi.; Brandl, Kniha Rozmberskä (das 
Buch des Herrn von Rofenberg), v. demſ., Glossarium illustrans bohemico- 
moravicae historiae fontes (ein vorzugsmeife rechtögejchichtliches Neallerifon in 
deuticher Sprache) (1876). Materialien und Borarbeiten für die Dorfmeis- 
tbümer Böhmen-Mährens v. Chlumecky im 17. Bde. des Arch. f. öſterr. G.; 
Schleſinger in d. Mitth. f. Geſch. d. Deutſchen in Böhmen, 1877. 


Literatur zum XII. Buche. 5 


Bearbeitungen: M. Goldaſt, Comm. de Bohemiae regno, ll. XVI. 
(Franfi. 1526), 2.9. v. Schmink (1719); Stransky, de republ. Bojema 
(1627), 3. A. (1713). Deutſche Bearb. v. Gornova, 8 Be. (1792 ff.); 
Balbin, Epitome (1677). Miscellanea historiae regni Bohemiae (1679 bis 
1688) (8 Stüde), das X. von Riegger, 5. in j. Mater. z. alten und neuen 
Statiftif (1787 ff.), vgl. deſſen Archiv (1792 5.); Monfe, über die ältejten 
Munizipalrechte der K.-St. Brünn u. f. m. mit allgemein vechtsgefchichtlichen 
Anm. (Olmütz 1788); Has ner, Geſch. d. böhm. Landtafel (1824); Balady, 
Hülfsmittel 3. Kenntniß des altböhmijchen Rechtes in ber böhm. Muſ.Ztſchr. 
(1835). 

F. Röſſler, Quellenkunde der Rechtsgeſch. Böhmen-Oeſterr. Blätter f. Lit. 
u. K. (1846), Nr. 46. Legis:Glüdfelig, Ausz. aus f. Geſch. des böhm. 
Staats- u. Privatrechtes in der öfterr. polit.:jur. Zeitfchr. (1847), 3. Seit, ©. 177 
bis 217 u. 261— 280 (bei. abgedr. 1847, Wien). Vgl. den Abjchnitt in H. 
Meynert, Gejch. Oeftererreihd, III., S. 102—106, 299—221, 412--447, 
782—808 (von Legis: Glüdjelig?),. Palacky i. f. deutfhen u. czechiſchen 
Bearb. d. Gefch. Böhmens (insbeſ. I., 2., 1862); Röſſler a. a. O.; F. Biſchoff, 
Oeſterr. Stabtr. u. Privil. (auch f. Böhmen, Mähren, öfterr. Schl.); Tomas 
ſchek, Deutſches Recht in Defterreich auf Grundlage bes Stadtrechte v. Iglau 
(1859), Recht und Berfaffung der Markgrafichaft Mähren im XV. Jahrh., 
mit e. Einl., über die Geſch. des böhm.-mähr. Landrechtes in j. Gegenjaße zum 
beutihen Weichbildrechte (1863); Kalouſek, Ceske stätni pravo (Böhnt. 
Staatsreht) (1871), vgl. Einige Grundlagen des böhm. Staatsrechtes, 2. . 
(1871); 3. Hanel, O vlivu prava n&mecköho v Cechäch a na Morave 
(Bom Einfluffe des deutfchen Rechtes in Böhmen und Mähren) (1874). %. Die 
Gefch. des Städteweiens u. Bergbaues bahnbrechend: E. Graf v. Sternberg, 
Umriffe einer Geſch. der böhm. Bergwerke (1836— 1838); 3.2. Hübſch, Verfud 
einer Geſch. bes böhm. Handels (1849). 

Eine Maffe rechts: u. culturgefch. Stoffes für Mähren und Schlejien ent: 
halten die voluminöfen Arbeiten des unermüblihden d'Elvert in den Gec- 
tionsſchr. u. i. Notizenbl. des Vereins f. Landestunde Mährens u. |.w. Schmidt 
von Bergenhold, Geſchichte der Privatrechtägefeggebung und Gerichtsverfaſſung 
im 8. Böhmen (1867); Maasburg, Geſch. Darſt. der Entw. des Inſtitutes 
der öft. Bücher in Böhmen (Lit.Nachw.) (1877). (Specielleres im betrefjenden 
Abſchnitte.) 

Ueber Schleſien in ſ. mittelalterlichen Verbande mit der böhm. Krone, 
abgeſehen von den an anderer Stelle (J., 378) cit. Werken, z. B. Tzſchoppe, und 
Stenzel, Urkundenſammlung; Grünhagen, Regeſten u. ſ. w.; Stenzel, 
Geh. Schleſiens .... Fliegel, quae sit ratio juris ducalis in veteribus 
documentis Silesiacis, diss. inaug. (Breslau 1864), u. Franke, De eo, 
quo Silesiae ducatus saeculo XIV. cum regno Bohemiae fuerint conjuncti, 
nexu feudali. Breslauer Inaug.-Diff. (Tppeln 1865). Vgl. auch Wegmeijer 
Durch die fchlef. Geſchichtsquellen bis 3. 3. 1550, 5. v. Grünhagen f. das Ein= 
zelne (Ber. f. Geſch. u. Alterth. Schlej.) (1876). 

Ueber d. Verf.-Verhältniß Oeſterr.“Schleſions: d'Elvert (1853), 


6 Literatur zum XII. Buche. 


Dudif, Kopestzky, Lepar, abgejehen von den öfter cit. Monographien v. 
Biermann über Troppau und Tefhen. Wuttke, die Entwidlung ber öjfent- 
lichen Verhältniſſe Schlefiens, vornehmlich unter den Hab3burgern bis z. J. 1740 
(1842 —43). Die Ichlefiihen Stände, ihr Wirfen und Werth in alter und neuer 
Zeit (1846). (Einzelheiten bei den betreifenden Abjchnitten.) 

c) Ungarifhe £ändergruppe. Quellen: Decreta regum Hungariae f. b. 
16. Jahrh. u. K. Ferdinand I. durch Moſſöczy und Telegdi gefanımelt und f. 
1697 mit dem Tripartitum des Verböczy (1517 abgeſchl.) als Corpus Juris 
Hung. vereinigt abgedr., I Auflagen. Dazu Bencfif. Repert. juris publ. 
priv. et crim. Posonii (1821 fol.) Dazu lieferten G. M. u. Nil. Kovachich 
wichtige Nachtragsarbeiten: a) Lectiones variantes decret. comitialium (1816). 
b) Sylloge decretorum comitialium (1818). c) Epicrisis monumentorum .. 
(1817). Die bahnbrechendjie Arbeit war v. d. (ältern) G. M. Kovadid: 
Vestigia comitiorum mit Suppl. (1790 — 1801), dazu Formulae solennes 
styli curialis (1799) und Codex authenticus juris tavernicalis (1803). Auch 
Katona's hist. crit. r. Hung. enthält den ganzen Wortlaut der Reichsdecrete 
im Terte. ©. Fejér, Codex diplom. r. Hung. (1844 mit 45 Bden. abgeſchl., 
bi8 1458), dazu der Codex dipl. Arpadianus continuatus vd. d. Peſther Akad. 
dur 8. Wenzel h.; Step Endlicher, Die Geſetze des h. Stephan u. ſ. 
Nachfolger (Ladislaus u. Coloman) (1826) u. die widhtige Sammlung: Monum. 
Hung. Arpadiana, 5..v. Tſchudi aus dem Nachl. Endlicher’3 (1849), 2. A. 
Leges et Constit.; Mihnayu. Liner, Das Ofner Stadtrecht (120-1421)., 
eine ausgezeichnete, das ganze mittelalt. Stadtrechtsweſen Ungarns umfaſſende 
Arbeit. 

Bearbeitungen. Aus der großen Maſſe der Werke über das Jus 
publicum Hungariae ſeien nur hervorgehoben die älteren Arbeiten in latei— 
niſcher Sprache v. F. A. Kollar, M. G. Kovachich, Hajnik, Kelemen, 
Frank (auch in magyar. Sprache), Cziräky; die an Literatur reichhaltigen 6Spe- 
cimina juris publ. Hung. (1854 ff.) von Virozſil; ſodann die in dentſcher 
Sprade von Groſſing (1786), Rofenmann (1792) (Iofephiner), Gufter: 
mann (1818) und Viro zſil, dad Staatsrecht des K. Ungarn, 3 Bbe. (1865 
bi 1866), in magyar. Sprade von Suhayda, Récſy und Havad. Von 
befonderer (Krimbdlichkeit für die mittelalterlihe Staatsgeſchichte das 
Werk von Bartal de Belehäza: Commmentariorum ad historiam status jurisque 
publici Hungariae, 11. XV. (1847 —48) und die bei aller Abjtrufität der Anlage 
und Darftellung gemifjfenhafte Arbeit v. Em. vo. Krajner, Die urfprüngliche 
Staatsverfaflung Ungarns feit der Gründung bes Königthums biß 3. J. 1382, 
2 Bde. (Wien 1872). Ein furzer brauchbarer Grundriß v. %. Schuler-Libloy, 
Tas ung. Staatsredht (Wien 1870). 

Siebenbürgen fpeiel: (Vgl. Schuler:Libloy, Siebenbürgiſche 
Rechtsgeſchichte, I. Bd., 2. A., mit reicher Literatur). Die älteite, arpadijche 
Epoche befikt ihre Quellenfammlung in den Urk. h. v. Teutſch u. Firnhaber 
in ben fontes rer. austr., 2. Abth. (1859). Vgl. A. L. Schlözer, it. 
Sammlungen z. Geſch. der Deutfchen in Siebenbürgen (1795); 3%. C. Eder, 
de initiis juribusque primsevis Saxonum commentatio (1792); Bedeus 


*iteratur zum XII. Buche. 7 


v. Scharberg, Die Verfaſſung des Großfürſtenthums Siebenbürgen (1844) 
und Schuler:Libloy o. a. Werf, 1. A. (1355). 2gl. auch bie Pit., I. Bd., 
S. 468 -470. 

Croatien-Slavonien (Dalmatien): De juribus municipalibus 
et statutis Regnorum Dalmatiae, Croatiae et Slavoniae (1830), Kuful: 
jevit, Jura regni Croatiae, Dalmatiac et Slavoniae (1862) (3 Bbe.) und 
Diplomaticki sbornik, I. (1874). A. v. Reutz, Berfaffung u. Rechtszuſtand 
ber dalmatiniſchen Küftenjtädte und Injeln i. M.⸗A. (Dorpat 1841). Vgl. die 
Lit., J. Bd. ©. 470, und IL, ©. 70. (Specielleres im betreffenden Abjchnitte). 


Inhallsüberſicht. 


A) Deutſche Erbländer. 
L Verfaſſungszuſtände und äußere Rechtsgeſchichte derſelben 
1. Stellung der Länder zum deutſchen Reiche. 2. Rechtsdenkmäler: a) Reichs⸗ 
gejege; b) Privilegien der beutfchen Kaifer und Könige; c) Landrecht, gemein: 
deutſches und provinzielles, Landhandveſten, Yandtagsabjchiede, Xibelle, Dorf: und 
Stadtrechte. 3. Territorialentwidlung, Verwaltung und Ständemeien, die Juden: 
fhaft. II. Epochen der materiellen und geiftigen Eulturgejdidte. 


B) Böhmiſche Tändergruppe. 

L Berfaffungsentwidlung und äußere Rechtsgeſchichte. 1. Stel: 
lung zum beutfchen Reiche. 2. Rechtsdenfmäler des Land- und Gemeinderechtes. 3. 
Territorialentwidlung, Verwaltung, Stände: und Landtagsweſen. Die Judenan: 
fiedlungen und Redte. II. Hauptepochen der materiellen und geiftigen 
Gultur. 

C) Ungarifhe Ländergruppe (mit Einſchluß Dalmatienz). 

I. Geſchichte der Berfaffung und der äußern Rechtsverhält— 
nijfe. 1. Die ungarifche Reichsgeſetzgebung. 2. Die Sonderredhte Siebenbürgens, 
Groatiend, Stavoniens. 3. Comitats- und Immunitätenweſen, die Juden. 4. 
Die Verfajlungs: und Rechtsverhältniſſe Dalmatiens. II. Die Epochen der 
Eulturentwidlung ded ungarifhen Reiches. Bergleihender Rüdblid. 


Grundzüge der Verfaffungs-, Rechts⸗- und Eulturgeichichte der 
drei Ländergruppen vom 10. Jahrh. bis 1526. 


Das fechfte Buch, der „Hiftorifche Boden Oeſterreichs“, bildet 
die breite Grundlage diefer Inappen Skizzen. Ein Handbuch der 
Geſchichte Defterreichs kann nicht zugleich eine Verfaſſungs-, Rechts: 
und Eulturgefchichte diefer vielgliedrigen und geftaltungsreichen Staaten- 
bildung fein wollen, das find Aufgaben, deren gedrängtefte Löſung 
eigener Compendien bedarf. Aber es muß in Grundzügen den 
Entwidlungsgang des innern Lebens jener Beitandtheile 
zu zeichnen verfuchen, aus denen der ftaatlihe Organismus erwuchs, 
und darin den Schlüffel zur Erkenntniß des Verfaffungs:, Rechts⸗ 
und Gulturlebens des ſpätern Gefammtjtaates bieten, das Eigen: 
thümliche und Verwandte in diefem Entwidlungsgange zur Geltung 
bringen. | 


A. Deutſche Erblande. 


I. Verfaffungszuftände und äußere Rechtsgeſchichte 
derſelben. 


1. Wir haben in dieſer erſten Skizze Wort und Begriff: Ber: 
fafjung, im doppelten Sinne anzuwenden. Zunächſt handelt es fich 
um die Stellung diejer Länder zum deutſchen Reiche, 
beffen Glieder fie waren, und dann um das Maß der reidhs- 
ämtliden und landesfürftliden Gewalt in den einzelnen 
Ländern im MWechfel der Zeiten. Vor Allem müſſen wir als leitendes 
Geſetz der bezüglichen Wandlungen feithalten: daß in diefen an der 
ſüdöſtlichen Umfangslinie des deutſchen Reiches gelegenen Ländern 
die Entwidlung dynaſtiſcher Gewalten früh und mit bejonderer Stärke 
bervortritt. 

Wenn wir von den Anfängen des deutſchen Wahlreiches 
(911) ausgehen, jo begegnen wir jämmtlichen Ländern dieſer Gruppe 
als Beitandtheilen des großen bayeriſchen Stammherzogthums. Die 
erite Entgliederung knüpft fi an das epochemachende Jahr ber baye- 
riſchen Empörung (976). Die Oſtmark bleibt allerbings bie 1156, 





10 XIL Aud: Inneres Staatsleben vom Schlufje des 10. Jahrh. bis 1526. 


ehten Kreiheitsbrief vom 21. September 1156 einen Vorrang 
vor anderen Standesgenofjen durch die Verbriefung weiblicher Er: 
folge, durch die volle gerichtliche Autonomie, durch die Beichränfung 
der Vflicht, Königliche Hof: und Neichstage au befuchen, auf Die Gren- 
zen des nachbarlihen Bayerns und nicht minder durch das Recht, 
einen Nachfolger im Herzogthum für den ‘all des Crlöfchens Des 
eigenen Haufes vorzujchlagen (jus affeetandi). 

Die allodiale Maht der Traungauer fpiegelt ſich 
in der Georgenberger KHandvefte vom 17. Auguft 1186 und zwar 
in dem eriten Theile, der die Erklärung zu Gunften der Babenberger 
enthält, und nicht bloß „das Herrengut, die feiten Pläte, das Land 
und die Dienſtleute“ (dominicalia, munitiones, terram, ministe- 
riales) dem Vetter 9. Leopold V. von Oeſterreich als Hinterlaffen: 
haft, im Kalle des Ablebens Dttofar’s VI. (VIII.) ohne Erben, 
zufpricht, jondern ausdrüdli auch das Herzogthum (ducatum) der 
Eteiermarf der Perjonalunion mit dem öfterreichifchen vorbehäft. 
Nenn mın aud) das Legtere nicht ohne Zuftinnmung des Reihsoberhauptes 
und deifen Belehnung aefchehen konnte, fo war bei dem Umſtande, 
daß ſich die Grenzen der Eigenmacht des legten Traungauers mit 
denen feiner herzoglichen Gewalt dedten, nicht leicht an eine bezüg: 
liche Verweigerung zu denfen. 

Am Kärnten gab es neben dem Herzogthum, ähnlich wie in 
Bayern, ein Pfalzgrafenamt, aus dem einit großartigen Domänen: 
befig der deutſchen Kaijer hervorgegangen, an deſſen Stelle dann in 
eriter Linie ausgedehnte reichsunmittelbare Beſitzungen oder Immu⸗ 
nitäten der Hoditifte Ealzburg und Banıberg traten. In Krain 
beitand feine gefchlofjene reihsämtliche Landesgewalt eines weltlichen 
Fürſten, ebenjo wenig in Iſtrien, allmo im dreizehnten Jahrhunderte 
das Markgrafthum (marchionatus) der Patriarhen von Aquileje, 
die Grafichaft (contca, comitatus) der Görzer, der Autonomie der 
großen Stadtgemeinden an der Küfte, wie Trieft, Capo d’iitria, Pa⸗ 
renzo, Pola u. A. gegenüberfteht und diefe außerdem der Schuß: 
und Zwingherrſchaft Venedigs verfallen. 

Ganz eigenthümlich entwickelt ſich die äußere und innere Ver: 
fafjung Tirols, einer Mujterkarte geiftlichweltlicher Machtgebiete, 
unter denen das Trienter, Brirener, Churer und Salzburger Bifchofs- 
land, die Beſitzungen und Grafſchaften der Welfen, der Andeche- 
Meraner, der Eppaner, der Tiroler und Lurnfeld- Görzer Grafen 
obenanftehen. Reichsrechtlich war das Gebiet Tirols, joweit es dem 
Sprengel Brirens und Salzburgs unterjtand, im Verbande mit dem 
Herzogthum und der Pfalzgraſchaft Bayern, und in Hinficht bes 





12 XU. Buch: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahıy. bis 1526. 


aber die unaufhörlichen Neibungen der Bürger mit den Biſchöfen 
von Trient, das Tridentinifche mit Oberitalien verketten, und That: 
ſache ift e&, daß K. Friedrich II. duch die Bildung des Ge: 
neralvicariates für Ezzelin, das die ganze Trevifaner Mark und 
das Veroneſiſche ſammt dem Tridentinifchen einjchloß, eine vorüber: 
gehende Trennung des leßtern von Deutichland (j. 1236) bewirkte. 
Der Biſchof von Chur hatte bei feinem Schiedſpruche von 1282 Die 
faftifhen national=politifhen, nicht die reichsrecht— 
lihen Berhältniffe vor Augen. An diefes Jahr Tnupft fih dann 
auch die Anerkennung Tirols als einer Grafichaft des Reiches, als 
eines gejchloffenen Territoriums. 

Seit dem Ausfterben der Babenberger (1246) und dent gemein: 
deutfhen Zwiſchenreiche (1250— 1373) fommt es zu Uebergangs⸗ 
verhältniffen, ohne daß principielle Aenderungen in der Stellung 
diefer Länder zum beutfchen Reihe Play griffen. Zu jenen Ueber: 
gangsverhältnifien zählt die otafarifche Annerion Oeſterreichs und 
ber Steiermark, für welche er nichts deſto weniger einen Nechtstitcl 
in dem Belehnungsbriefe K. Richard's vom Jahre 1262 juchte, und 
die Ermwerbung Kärnten» Krains von Jahre 1269 — 1270. Die 
Nürnberger Reichsſatzung vom Jahre 1274 erklärt jämmtliche jolche 
Veränderungen als nicht zu Necht beitejend. 1276 giebt der Wiener 
Novemberfriede alle diefe Länder in die Hände K. Rudolph's I. als 
erledigte Reichslehen. 1282 kommen Defterreih, Steiermarf und 
Krain (letteres dem formellen Beſitzrechte nach) mit Turfürftlicher 
Genehmigung an Rubolph’s I. zwei Söhne, feit 1283 an Albredt I. 
allein. 1327 wird das Recht der weiblichen Erbfolge durch kaiſer— 
lihe Gnade dem Grafen von Tirol nnd Herzoge von Kärnten, 
Heinrich, Exkönige Böhmens, zugeftanden. Die Habsburger erwerben 
Kärnten (1335) durch zweimalige Faiferliche Belehnung (1330, No: 
vember, und 1335), Tirol durch Erbſchaft, und nachträglich folgt 
die Geſammtbelehnung mit diefem, ſowie den andern Ländern durd) 
K. Karl IV. im Jahre 1364. Solche Gefamnttbelehnungen ertheilte 
1298 K. Albrecht I. feinen Söhnen, desgleichen 1309 K. Heinrich VII., 
1348 K. Karl IV. den Habsburgern. Sie wiederholten fich unter den 
jpäteren Königen und Kaifern, während das Haus Habsburg an 
Befig zunimmt und durch die neue Erwerbung der deutjchen Könige: 
und Kaijermürde (jeit 1438 und 1440) in eine doppelt günftige 
Stellung gerät. 1453 ertheilt K. Friedrich ILL. feiner Linie den 
erzherzoglidhen Titel, der dann ftändig im Haufe Habsburg 
blieb. Der Ausbrud „Haus Defterreich” taucht in der zweiten Hälfte 
bes 15. Jahrhunderts bemerfbarer auf, wird aber häufiger erft feit 





14 XII Buch: Inneres Staatsleben vom Schluſſe des 10. Jahrh. bis 1526. 


2%. Wir habe nun das Maß der reichsämtlicdhen und landes- 
fürjtlihen Gewalt in den einzelnen Ländern und deſſen rechtliche 
und gejegliche Feſtſtellung kurz zu erörtern. Die Zeugnijfe oder 
Rechtsdenfmäler dafür bilden a) die allgemeinen Reichsſatzungen, 
b) die Privilegien der deutichen Kaijer und Könige, c) die Land: 
bandfeiten, Yandtagsabjchiede und Libelle. A. Zuden allgemeinen 
Reichsſatzungen, welche für unjere Skizze maßgebend find, zählt, 
abgejehen von den beiden Goncordaten des deutichen Reiches mit 
dem römiſchen Stuhle von 1122 zu Worms und 1448 zu Wien 
und der zmijchenläufigen Neceptationsurfunde K. Albrecht’s II. von 
26. März 1439 zu Bunften der Neformationsdecrete des Bajeler 
Goncilesa) die Lehensjagung K.Lothar's II. von 1136 gegen 
die Veräußerung der Lehen ohne Erlaubniß des Lehnsheren, 1154 
von K. Friedrich I. erneuert, b) die wichtige Gonititution des 
Leptgenanten über das Regalienrecht von 1158, c) die goldene Bulle 
Friedrich's II von den Rechten und Freiheiten des Clerus von 
1231, d) die wichtige Neihsfagung von 1220 ‘zu Gunften der 
Yandeshoheit oder des Regalienrechts der geiftlihen, 
e) die Wormjer Eatung des Kaiſerſohnes Heinrich vom 23. Sas 
nuar 1231 zu Sunften der landesfürfilichen Gewalt gegen die Städte: 
verbindungen, Pfahlbürger, Mundmannen und die willfürliche Befeſti— 
gung der Städte ohne Zuftimmung der Landesherren. — hr gegen: 
über ſteht f) der ziemlich gleichzeitige Reichsabſchied vom 1. Mai, 
wodurd den adeligen Dienft: und Lehnsmannen der Landesfürften, 
den jogenannten ministeriales terrae, d. i. den Landſtänden, 
wie jie nachmals hießen, das Recht der Theilnahme an der Landes: 
gejeggebung und der Berathung in Landesangelegenheiten eingeräumt 
ericheint, g) der kaiſerliche Freiheitsbrief zu Gunjten der Zandes- 
hoheit der weltliden Fürften vom Mai 1232 d. Udine, 
welchen die Beftätigung der Wormjer Satungen in Januar zu 
Ravenna voranging. h) Der Nürnberger Reichsabſchied und die dantit 
zujammenhängende Sagung Nudolph’s I. vom 9. Auguft 1281 über 
die Ungültigkeit aller fett 1245 durch feine Vorgänger eingeleiteten 
Beräußerungen von Keichsgütern, i) 1500 — 1502 die Beitellung 
eines Neichsregimentes und dem entgegen eines Hofrathes für Die 
öfterreichifchen Erblande mit der Befugniß, einen beſtimmten Kreis 
von Neichsangelegenheiten gerichtlider Natur vor fein Forum zu 
ziehen. Tamit hängt die Verordnung vom 24. Mai 1518 zufanımen, 
welche den Hofrath aus dreizehn Perſonen öſterreichiſcher Zuftändig- 
feit und fünf Mitgliedern aus dem Reiche zujammengefeßt. k) Der 
Kölner Reichsabſchied vom Jahre 1512, wodurch die politifche 





16 XII. Bud: Inneres Staatsleben vom Schlufje des 10. Jahrh. bis 1526. 


Cäjar und Nero, „des bejonderen Lieblings der Götter” (!), beitä= 
tigt und mit befonderen reiheiten für den Herzog Ernſt als „vor: 
derſten Fürſten der Chriftenheit” (1) vermehrt und, abgejehen von 
dem minder belangreiden und gleichfalls unrechten reiheitsbriefe 
K. Heinrich's vom Sahre 1227 (Privil. Henric. minus), welcher 
den Babenbergern den Gebrauch eines bejondern Diadems zugeiteht; 
zu der Unterfchiebung der wichtigsten Urkunde, des großen Fride— 
ricianijhen Freiheitsbriefes (privil. fridericianum majus), 
von gleihem Datum mie der echte, deſſen bereits oben gedacht wurde. 
Der unterjchobene Freiheitsbrief jegt in den 88 9, 10 das Erbredit 
nach der Primogenitur in beiden Geſchlechtern und die Untheilbarkeit 
des Hausbejiges feſt. Lebteres hängt mit der Hausordnung Albredyt’s I. 
(j. 1298), insbejondere aber mit der Albrecht's II. von 1355 Hifto- 
riſch zuſammen, indem dort entiprechend der Gejammtbelehnung auch 
die Gleichberechtigung aller Brüder, beziehungsweife Söhne, ausge: 
fprochen erjcheint und Rudolph IV. dieſem einheitsgefährlichen Prin— 
cipe entgegenwirken will. Dies Beitreben erfcheint wieder in der 
Hausordnung Rudolph’s IV. von 1364, welche von der Untheilbarkeit 
der Länder, dem gleichen Befigrechte der Brüder, aber audy von der 
„oberiten Herrihaft” und größten Gewalt des Welteiten handelt. 
Der 8 19 des Majus jpriht dem Herzoge Defterreihs das freie, 
uneingeſchränkte VBerfügungsrecht über das Land im Falle des erben- 
lojen Hinjcheidens zu, jchließt alfo jeden Heimfall des Lehens an das 
Neid aus. Nach den 88 1, 2, 13 erjcheint Defterreich wie nur zum 
Scheine oder der bloßen Form nad als Neichslehen. Denn das Reich 
foll den Herzog unterjtügen, er dagegen braucht nur mit zwölf Mann 
(!) Heeresfolge gegen Ungarn zu leiften; jediweder andern Xeiltung 
iſt er entbunden. Er braucht nicht außerhalb feines Landes die Zehen 
zu nehmen und er empfängt ſie im fürftlichen Ornate zu Pferde 
figend (!). Der Herzog von Oeſterreich ericheint als „Pfalzgraf“, 
„Reichserzjägermeilter”, als Erfter der Fürften nach den Kurfürften, 
zur Nechten des Kaiſers (8 15), frei von jeder Gerichtögemalt des 
Reiches (8 6, 7), das Feinerlei Zehen im Lande befiten darf (8 54), 
denn der Herzog ilt der ausjchließliche Lehnsherr dajelbit; er belehnt 
nut dem Gerichtsbanne, er allein ift Inhaber der Negalien, jo des 
Jagdrechtes (Mald: und Wildbannes), der Fiichereien und Waldungen. 
Was er in feinen Landen verfügt, daran kann weder der Kaifer, noch 
irgend eine andere Gewalt etwas verändern (8 8), dem hat man 
in Allem und Jedem zu gehorchen (8 14). Ueberdies dehnt vor- 
jorglih der 18.8 alle diefe Privilegien auch auf alle weiteren Län- 
dererwerbungen aus. 





18 XIL Bud: Inneres Staatsleben vom Schlufje des 10. Jahrh. bis 1526. 


C. Nun kommen die landrechtlichen Satungen und Landhand- 
jeiten an die Reihe. Zunächſt muß hervorgehoben werben, daß ſich 
das aus den Volks- oder Stammredten, den kaiſerlichen Satzungen 
und aus der Fülle der Weisthümer und lebendiger Rechtsgewohn⸗ 
beiten namentlich im 12. und 13. Sahrhunderte entwidelnde gemein: 
deutſche „Landredht” (Privat:Straf-Proceß und öffentliches oder 
gemeines Recht, bürgerliches Recht, jus civile) und „Lehnrecht“ für 
Süddeutfchland im Laufe des XIII. Jahrhunderts feine buchmäßige 
Zufammenftellung als jogenannter „Schwabenſpiegel“, d. i. Spiegel 
faijerlihen und gemeinen Land: und Lehnrechtes, er: 
lebte und vom Ende diefes Sahrhunderts an feine wachjende Be: 
deutung gewann. Die Zujammenjtellung der Handichriften des 
Schwabenfpiegels zeigt am beiten, wie ftarf er in unferen Ländern 
verbreitet war. Bon Intereſſe ift es auch, daß in Innsbrud außer 
einer Handjchrift des „Eleineren Kaijerrechts‘ auch noch ein „Spiegel 
deuticher Leute“ an’s Licht trat, welcher gewifjermaßen ein Bindeglied 
zwiihen dem (ältern) Sachſen- und (jüngern) Schwabenipiegel ab⸗ 

iebt. 


Wir haben nun des beſondern oder provinziellen 
Landrechtes, der Landhandfeſten, der Landtagsabſchiede und Li⸗ 
belle zu gedenken. 

Defterreich beſitzt das älteſte und ſchriftlich überlieferte Land⸗ 
recht aus der Zeit von 1295—1298 wie das Schlußergebniß des 
langen bigigen Streites der Meinungen ziemlich unfehlbar darlegt; 
und zwar in einer fürzern und längern Faſſung, welche letztere 1298 
einer, vor dem 21. November über Albrecht's I. Anregung von 
den öfterreichifchen Zandherren vorgenommenen, Revifion des Land- 
rechtes, als Entwurf einer öfterreichifchen Landesordnung, den Ur⸗ 
Iprung verdankt, während in der fürzern Faſſung die frühere und 
eigentliche Rechtsaufzeichnung vorliegt, jenes Landrecht, von welchem 
ed ausbrüdlich beißt, „das find die Rechte nad) Gewohnheit des 





— —— 


Rudolph's IV. Das Urkundliche über Salzburg in Kleinmayer's Juvavia, 
Meiller'3 Reg. der Salzb. Erzb. ; über die älteften Immun.:Verhältnifje von Ba f: 
fau, Regensburg, yreifing, Bamberg in dem oft erwähnten reichhalti: 
gen Werke von Hirſch; über Trient und Briren bei Bonelli, Sinnader; in 
Kink's Vorleſ. über Geſch. Tirols, und insbefondere in Durig's Abb. „Beiträge 
3. Geſch. Tirols id. Zeit Biſchofs Egno von Briren (1240—1250) und Trients“ 
(1250 — 1273) in d. Zeitjchr. des Ferdinandeum (1860) (144 ©.). Weber bie 
Stellung Gurks die Arbeit von Hirn: Kirchen- und reichsrechtliche Verhält: 
nifje des ſalzb. Suffraganbisthfums Gurk im Jahreßbericht des Ob.:Gymm. in 
Krems (1872). 





4. IT Puü mies Zuumsieler om Zdirte yes Le. JahtsS. bis 1526. 


mit zu Mr 1237, Dur Ne (eornahermr Duudteite gewiſſer⸗ 
user ze 203 uch 12m: Freiheiten wermeber exjcheint. Bald 
15 1377 ecsul zur Mrirerlihe reiberibrter und tauchte erit 
wıer „ei ur. " 

Te ırı23.0%43 Eriteriiche Beſtoͤtigung der Georgen: 
jesıe: Zearste nz le faderen Jutigen 11249, W. April, Cre⸗ 
mim: —T ze irre: der m ihre Rechte um? Freiheiten bejorgten 
Zune, ze Azıı Tem mosolobimiihen Yandtrteden vom 3. De⸗ 
ac 1273: Bios. falzı die Dundrerte Dieies Kökius vom 18. Ye 
eu 1277, ır waolser re undgertellt, ala Wiederholung des 
Feuer eeeiietierss non 1237, aber nicht obme Ab- 
neärızer Neserıl3 item damals Die landitündiice Freiheit 
= Seescms 7° zer Döbermfe, von weldem ne fit 1283 im 
we 13er Ercde m \mereiie der lundesrüritlichen Gewalt 
eruernater urıteih. Rufis derto weniger zeigt Albrecht’ I. Ur: 
ca, wz or Mir 1292 su Frieiach ausgentellt, wie der kluge 
Leierzzier, er r& wire ebtrogen lieh, jegt als Sieger über den 
Art: 2er Termärkisen Zandberren, dem Weſen nach die väter: 
ee Gurt sr berritigen für gut fand. Unter den anderen mittel: 
zer er Eugen det Hatermärtiicben Geſammthandfjeſte jei noch die 
serernitde Urkunde vom 18. Januar 1414 erwühnt, an 
ze 7£ 22 Zesihundertjährige Brauch knũpfte, ſich von jedem 
zur 023 Anich Der Erbhuligung eine neue Schriftliche Be⸗ 
“ern: ver Lorbeerreiheiten ausftellen zu laiſſen und die „Refor⸗ 


zum ser Yortbenzuet” K. ‚sriedrih's vom 6. November 1445 
„me Zur uns WKörkät“ betreten. 


m jencrer Zeit gelang es endlich, das mittelalterlide 
ZEr!TEStter Steiermarf in jeiner Entftehungszeit und Weſen⸗ 


sor Bezinn der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts aufgezeichnet 
iein; jedentalls aber inateitens vor 1425. Seine zahlreichen Hand: 
iqrinen Seseuaen Teınen GGebrauch nicht nur in der Steiermarf, jon: 
bern auch in Kärnten und wohl auch in Rrain. Wiſſen wir ja doch 
aus ber Chronif des Abtes Johannes von Tiktring, dab um 1338 bie 
Kärntner (gewiß aud; Die Krainer) den gemeinjamen Herzog Albrecht II. 
um ein, dem iteiermärfiihen gleiches, Landrecht baten. Ferner fpricht 
für jeine Bedeutung der Umitand, daß wir diejes ſteieriſche Landrecht 
nod im 16., 17. Jahrhundert abgeichriehen und den Sammlungen 
der widtigiten Landesfreiheiten einverleibt finden. 

In den Landhandfeſten Kärntens und Krains, bie 
uns in Druden aus den Jahren 1492, 1580 ff. vorliegen, begegnen 





> II 4 “mc Zuumiieter som Zdirte Bei t. Sich. I II 


zer inte a wer Ten Reime aim Nie Urfunde von 
13%, Lier Ju Luzlesttzseren eleazmlih Nr Suilicunı an das 
mas FEcaau: Arurrte Rcultaſch uxd den Seremberoer Jobamn 
fexzh. md ie: Seren des cite Swan Deinrih ı* 1335) 
mistetel- Zar r36ı ser Txrriheruncetriet Sud’ 3 des „Brunden- 
juzıes” 0m u 1342 md der utoße Areibeitsbrier H. Ru 
ish s IV. som ihre 1353, ibn Die Terrzcerumisurfunde 
ACAA?ñCMCæ!âexs som zieiden Jeitruntte voraugtua. iur die Aus: 
MAC 3 Zurtehts bat Die Handieite D. Seorold's IV. vom 
i£4 unicher Rereb, ver Allem dadurch. dab fie des Verbülmiß 
3er Serııcertzz ;a u Untertbanen regelt. As „eries von den 
Suiwer zur Loriebelt er londestürnliden Gerdhrmigumg erlanienes 
zımiesswigg” Jar ver Bo;ener Sandragsabidhied vom 8. Ja: 
zu 142, x zer Tie Zeiten Herzog Sigiemund’s (1446 bis 
14": REXAMAMIS (jet 140) ericeinen dur widtige lundes- 
TIäsTintse Sczungen bkdeuriam, jo die Yandtagsabichieie von 
16, 14257, steioudere aber (1490— 1506) die „Getug md Ord⸗ 
ZIL22T :e serzäten Malensrechten und anderer nottirttigen bendeln des 
— eiccit Tirol“, — zugleich das älteite landestürit> 
Iıh:rigriihe Straigeiegbud (Raleñzordimg) der Deut: 
jterr. Zänserarurme. Reine geringe Wichtigkeit bat auch die Yandes- 
wereswuezsorduung von 1511, welde ĩichon in die Klare ber 
"zenzurer Sandlibelle zählt, auf die wir jegt zu iprechen fommen. 

ZurS die Abtretung der Rordoitede Tirols, d. i er Herr⸗ 
warn Kırrzn, Rizbübel und Rattenberg, an Bavern im Schar⸗ 
t Arien ron 1359 batte daielhit bie zum Rüdtalle dieies Ge: 
sıeizs wer Mor 1. das baneriihe Landrecht, oder die jogenannte 
„Eı$'zza* in achtundzwanzig Raviteln vom Jabre 1346, Geltung. 

Aac tn bier der Ort, der verwandten Sagungen ded Salz: 
szz::r Hosntiitlandes zu gedenken und zwar: des Yandiriedens 
sea cbre 1244, weldben Salzburg mit den Radbam: Bayern, 
Ereis, Erärt, Pañau, Regmsburg, Freiſing und Yamberg ſchloß; 
ser Schkuraer „Zühmebrief“ zwiihen dem Erzbiihore und den Bür: 
era su Zalibura, der horlich verwandte Landfrieden Erzbiſchofs Fried⸗ 
r6's II. don 1323, denſen 47. Artifel und über das Borhanden: 
zeretenieim älterer Salzburger Statutarrechte belehrt und der Vundes⸗ 
briei der Zandiden Salzburg vom Jahre 1387 während ber Ges 
tangeribant des Erzbiihois Piligrim. Die Sachlage wieberhofte 
ñich beim Abichluie des iogenannten „Zaelbundes“ nom Jahre 14 
bei dem ——— Erzb. Eberhard's III. 

Während die gewöhnlichen Landtagsabſchiede oder Bee 





234 XI. Buch: Inneres Staatleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


b) Wir haben nun eine zweifache Gruppe von Rechts— 
quellen kurz zu erörtern: die Dorf- und Marft: oder Ge: 
meinderehte, gemeinhin Dorf, Weisthümer oder Panteidinge 
genannt, und die Stadtrechte, aljo die örtlichen Statutarredhte, 
unferer Ländergruppe. Ihre nahe Verwandtichaft, aber zugleich den 
Unterfchied dörfiſchen und ftädtifchen Gemeindeweiens zeichnen die 


v. Meiller's Abdrude der beiden Faflungen des Landrecht? im X. Bde. des 
Arch. f. K. öfterr. Gefch., welcher eine danfendmwertie Sammlung babenbergiicher 
Privilegien und Stadtrechte enthält: Röſſler's bahnbrechenden afad. Vortrag 
im 11. Bde. der Sitzungsber. d. Wiener Akad., phil.-hift. KL; Zieglauer’3 
Abh., ebenda im 21. Bde; Siegel's Unterfuhungen im 25. Bde. (1860); 
Hafenöhrl im 36. Bde. des Arch. f. K. öfterr. G. (1866) und in ber Mono: 
graphie: „Defterr. Landrecht im 13. und 14. Jahrhunderte“ (1867); endlich 
Luſchin in der Grazer Univerfitätsjchrift v. 1872: „Die Entftehungszeit des 
öfterr. Landrechts“. Röſſler erfannte zunächſt die wahre Natur diefes Rechts 
ald Entwurfs in zwei Faffungen, und indem er nachmwies, daß es weder ber 
Zeit Otafar’3 II. (1252—1276) noch der Rudolph's I. (1276—1282) angehören 
fönne, wohl aber Anhaltspunkte für die Periode 1283— 1308, namentlich 1295 
bi3 1298 vorlägen, localifirte er auch die Abfafjungszeit. Zieglauer fprad 
fi für den Zeitpunkt 1287 — 1295 als maßgebenden aus, mad Meiller im 
25. Bde. der Sikungßber. phil.=hift. KI. entichieden zu widerlegen ſuchte. Siegel, 
deffen Verdienſt in einer neuen eingehenden Unterſuchung ber Frage beruht, 
unterſchied die kürzere Faſſung als einfache Aufzeichnung des Nechtes, wie e8 in 
einer beitimmten Zeit galt und die längere ald Entwurf einer Landesordnung, 
als zwei Necenfionen, welche dem 3%. 1237 angehörten. Hafenöhr! beftritt 
Died und ftellte als Entftehungszeit den weiten Raum der Jahre 1276-—-1330 
bin. Siegel entgegegnete darauf im 55. Bde. der Sitzungsberichte (1867). 
Luſchin begründete in quellenmäßiger Unterfudhung die Andeu— 
tungen Röſſler's, monad die beiden Denfmäler mit den von Albrecht I. 
angeregten Revilionsarbeiten d. %. 1298 zujammenhängen. 

Ueber die ſteiermärkiſchen Landhandfeſten ſ. Zahn's eriten Jahres: 
bericht des Landesarchivs der Steiermark v. 1870; Luſchin's Auff. i. 9. Jahrg. 
d. Beitr. 3. K. ſteierm. G.Qu. (1872) und die ältere Arbeit v. Leitner über 
die Erbhuldigung in der Steiermart im 1. H. d. Mittb. des hiſt. V. f. St. 
(1850), wonach der Ausdrud Landhandfeit hier ſ. 1501 den Anfang nahm, 
Veber das ſteierm. Landrecht den fachfundigen Bearbeiter beffelben:: F. Bifchoff 
in dem v. hiſt. V. f. St. h. Werke: Steierm. Landredit des Mittelalters (Graz 1875). 

Die weitere Literatur in Krone’ Umrifien u. |. w., ©. 426 ff.; vgl. 
Anm, ©. 359 ff. Für Tirol noch immer maßgebend die gründliche Arbeit 
von Rapp im IIL, V., VIIL 9. d. Beitr. z. G. v. Tirol und Rorarlberg 
f. die Geſch. d. Fibelle u. Marimilian I.; Zeibig's Abh. im XIII. Bde. 
„des Arch. f. K. öſterr. G. Vgl. V. v. Kraus’ ſchon oben cit. Arb. über bie 
fänd. Bewegung N.-Oefterreiche. 





236 XII Bud: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


Es ift, wie die Urkunde des Stadtherrn des letzten Andechs⸗Mera⸗ 
ners, des Pfalzgrafen Dtto II. (F 1248), bejagt, „das von jeinen 
Borahnen ererbie, auf feine Zeit hinübergebrachte Recht“. Borarl: 
berg befist neben den Gemeindemweisthümern von Rankweil, Sulz, 
Damüls, Dornbirn, Hohenems, Luftenau, Montafon u. U. ftadtrecht- 
liche Satungen für Bregenz und Feldkirch; erftere aus dem 14. Jahr: 
hunderte. 

An Maffe der Weisthümer und rechtögefchichtlicher Bedeutung 
der Stadtprivilegien fteht an der Spike der gejammten deutſch-öſter⸗ 
reichiichen Ländergruppe die Oſtmark, Niederöfterreid. Seine 
Dorfrehte, gemeinhin Banntaidinge, auch Bergtaidinge genannt, 
zeigen am beiten, wie reich fih auf einem folchen von Anfiedlern 
verjchiedenfter Herren und Gegenden durchkreuzten Boden das Weſen 
der Dorfrechte entwideln mußte, wenn fie gleih in den auf uns 
überlieferten Denkmälern nicht über das 15. Jahrhundert hinaufgehen. 
Eines der rechtsgefchichtlich bedeutendften niederöfterreihiichen Pantai⸗ 
dinge ift das Holenburger von 1563, da es an der Grenzſcheide 
der eigentlichen Landſprachen oder Dorfrehte und der Markt: und 
Stadtrechte fteht. Denn gleich der erfte Artikel bejagt, Holenburg 
genieße alle Rechte und Freiheiten anderer ummauerter Städte und 
Märkte. Auch das Ebersporfer und Heiligenfreuzer (in 
„drei Sprachen” getheilt und 120 PBaragraphen ftarf) verdienen 
bejonders hervorgehoben zu werden. 

Das ältefte ftadtrehtliche Denkmal ift das der bifchöflichen 
Burggemeinde St. Pölten (Fanum Sti Hyppoliti), verliehen von 
Biihof Konrad III. von Paffau aus dem Sabre 1191. Doch muß 
ih das ſtädtiſche Gemeindeweſen der uralten Orte Krems und 
Stein, welches erftere jhon 1125 als „gefreite Stadt” (civitas) 
auftritt, und Wiens, das auch ſchon 1137 in diefer Weiſe genannt 
erſcheint, ebenjo früh entwidelt haben. 

Miens ältefte Stadtrechtsurfunde von 1221, welche einerjeits 
mit der ältern Sagung von Enns (1212) zulammenhängt, anderer: 
jeits einen Fortihritt in den Einzelbeftimmungen offenbart, ift nicht 
die ältefte ftädtii he Sabung überhaupt; da wir ſchon aus dem 
Sabre 1208 das landesfürftliche Privilegium H. Leopold’s VI. für 
die bevorredhteten Zünfte der flandrifchen Tuhmader und Münzer 
befigen. Das Stadtrecht von 1221 zeigt ein bereits namhaft ent: 
mwideltes, aber noch landesfürftlih bevormundetes Gemeindeweſen. 
Der Taijerlihe Gnadenbrief vom April 1237 (erneuert April 1247), 
welcher Wien zur freien Reichsſtadt erhob und alle Einwohner der 
Stadt als perfönlich frei erflärte, alle Civil- und Eriminalflagen, 





298 XL. Bach: Inneres Staatöleben vom Schlufje des 10. Jahrh. bis 1526. 


Grenzen beſchränkten Autonomie und landesfürjtlihen Bevormunduug 
findet fih in der weitläufigen Stadtordnung Ferdinand’s I. vom 
12. März 1526, worin eine Reihe früherer ftadtrechtlicher Satzungen 
als unzeitgemäß aufgehoben erjcheinen. Daß in Wien jchon früh: 
zeitig das Bedürfniß einer Sammlung ftädtiicher Weisthümer oder 
Schöffenſprüche gefühlt wurde, beweift die Urkunde H. Friedrich’s 
des Schönen vom Sahre 1320, worin den Wienern geitattet wird, 
ein NRehtsbuh, das fogenannte Eiſenbuch, anzulegen, worin fie 
ſchreiben jollen, ‚‚alle die Recht, die fie mit gemeinem Rat und pai 
dem aide, den fie Uns gejworen habent, erfunden” Eine nicht 
officielle Sammlung, das „Stadtrechtsbudh” vom Jahre 1435, 
in 149 ziemlich weitläufigen Artikeln, jpricht gleichfalls für ein 
ſolches Bedürfniß. 

Obſchon wir nun Nachbildungen des Wiener Rechts in ander: 
weitigen Stadtrechten Niederöfterreich8 begegnen, 3. B. ift dies beim 
Stadtrehte Heimburgs vom Sahre 1244, bei den Privilegien von 
Krems und Stein jeit 1305 der Fall, jo ift auffällig genug ein Rechte: 
zug oͤſterreichiſcher Städte und Märkte mit Wien als Oberhofe nicht be⸗ 
legbar ,; abgejehen von einem vereinzelten Beifpiele, betreffend das 
Städtchen Eggenburg (Urkunde vom Jahre 1458). Daß einzelne Rechts: 
gutachten auch augerhalb des Landes eingeholt wurden, beweiſt der 
Fall vom Jahre 1505, indem die Iglauer in einem jchwierigen Falle 
des peinlichen Rechtes fich beim Wiener Stadtrathe anfragten. Diefer 
befragte diesfalls die Hochſchule und gab dann feine Rechtsweifung 
ab. Ein zweites Univerfitätsgutachten wurde 1403 in einem Beſitz⸗ 
ftreite einer geiftlichen Körperſchaft mit dem Landesfürften abgegeben. 

Die zweitbedeutendfte Stadt Niederöfterreihd, geraume Zeit 
wohl auch zur Steiermark gerechnet, W.-Neuftadt, unter K. Fried: 
rich III. (1440 — 1493) defjen Lieblingsfig, gebietet über eines 
der bedeutendften Stadtrechte, deſſen vorliegende Faſſung gewiß nimmer 
der babenbergijchen Epoche, fondern dem 14. Sahrhunderte angehört, 
wenngleich ſchon K. Rudolph I. im Sahre 1277 die Stabdtfreiheiten 
erneuerte und mehrte und K. Otafar II. im Sahre 1253 eine an: 
geblich goldene Bulle K. Friedrich's II. beftätigt haben fol. Weber: 
dies befigen wir aus den Jahren 1281 und 1285 Berbriefungen 
der Handels: und Gemwerbsfreiheiten diefes in den Verfehrsverhält: 
nifjen des Alpenlandes an der Semeringer Hauptitraße jo bedeutenden 
Ortes. Das W.-Neuftädter Necht, welches bejonders in den Beſtim⸗ 
mungen liber die Befugniß der Bürger zu ftatutarifcher Geleßgebung, 
über Burgrecht oder Civilrecht, Verfahren in bürgerlichen Streitſachen 
und polizeilichen Angelegenheiten, Hervorragendes bietet, äußert mannig⸗ 





30 XI. Bud: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


vom Sabre 1278; es iſt jedenfalls früher ausgebildet als das von 
Linz, der jüngern Hauptitadt des Landes. Doch finden wir den 
Markt Perg ſchon 1269 im Beige der gleichen Freiheit, welche 
Enns und Linz genießen. Die Zoll- und Mauthfreiheiten von Enns 
und Linz erhielt 1228 der Ort Ottensheim. Im Salzkammer— 
gute gingen in Bezug des Marftrehts Laufen, Gmunden und 
Hallitatt (1311) Iſchl voran, das erit jeit 1392 ſich emporſchwang. 

Das benachbarte Hochftiftland Salzburg mit feinem ur: 
alten Dorfleben in den Tauernthälern der Gaftein, Rauris u. f. w. 
und in den Thalftufen der Salza: Pongau, Pinzgau, mit den Haupt: 
bezirfen Mitterfill und Salfelden, gleichwie in dem Lungau am Ober: 
laufe der Mur, bietet Dorfweisthümer hohen Alters, wenn auch ihre 
vorliegenden Schriftdenfmale oft jüngern Urjprungs find. Die Stabt- 
rechte der erzbiichöflihen Reſidenz reichen in ihrer älteften Beftäti- 
gung bis in’s 13. Jahrhundert zurüd. Zu den mwidtigften zählen 
die Urkunden des Metropoliten Rudolph aus den Jahren 1286 und 
1287. Kaiſer Friedrich ILL. ertheilte den Salzburgern im Jahre 1481 
ein Privilegium der freien Raths- und Bürgermeifterwahl. Der 
Kampf zwijchen der autonomielüfternen Stadtgemeinde und ihrem 
geiftlichen Herrn erfüllt das ganze 15. Jahrhundert und zeigt in den 
Sahren 1511 und 1513, in den Tagen des E. Leonhard’s von 
Keutſchach (1495—1519), das ganz beftimmte Streben der Bürger, 
reihsunmittelbar zu werden, ich der erzbiihöflichen Gewalt 
ganz zu entziehen. 1511 zwang der genannte Erzbiſchof feine bür- 
gerlichen Unterthanen, fich des Faiferlichen Freibriefes von 1481 zu 
begeben. Unter feinem Nachfolger Matthäus Lang (1519— 1540) 
gipfelte dieſer Rechtsſtreit, ſchloß 1523 in Folge des jogenannten 
„Lateinischen Krieges” mit dem erzwungenen Verzichte der Salzburger 
(1523) auf alle bisherigen Freiheiten, Gewohnheiten und Gebräuche 
und flammte dann wieder in der Empörung des Jahres 1525 auf. 

Wenden wir uns den inneröfterreihijhen Ländern 
zu. Die Dorfmweisthümer und Marftredhte Kärntens und Krains 
harren noch einer umfafjenden Sammlung und wilfenichaftlichen Bear: 
beitung. Von bejonderer Bedeutung erjcheinen in Krain die Goloni- 
fationsprivilegien der Freifinger Bilchöfe als geiltliche Groß- 
grundbeliger im Lande für die bayerifchen und kärntniſchen Anfiebler 
auf Bisthumsgrunde, defjen Vorort das alte Lad (Lonka) oder 
Biſchofslack wurde. In ihnen fpiegelt ſich am beiten die Bevorzu- 
gung der Kärntner Coloniſten. Diefe Urkunden reichen bis in’s 
14. Jahrhundert erfter Hälfte zurüd. Auch die bijchöflichen Frei- 





32% XIL Bud: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


funden des 14. Jahrhunderts bedacht, welche auf ftäntifches Gemein: 
wejen deuten, ohne daß eigentlihe Stadtrechte vorliegen. Ungleich 
wichtiger zeigt ſich diesbezüglich der Freiheitsbrief 9. Rudolph's IV. 
von Habsburg für die von ihm gegründete Stadt Rudolphs- 
wert (1365, 7. April). Darin ift befonders vom Halsgerichte 
oder von der peinlichen Gerichtsbarkeit diefer Gemeinde mit Bann 
und Acht die Rede, welches Recht noch im eriten Decennium des 
19. Jahrhunderts durdy Umreiten des Banngerichtsbezirts und Ge: 
ſchützſalven erinnerungsweije gefeiert wurde. 

In der Görzer Grafſchaft entwickelt ſich das ftädtifche 
Weſen jeit dem 14. Jahrhundert. Görz felbit erhielt ftädtifche 
Privilegien vom Grafen Heinrich II. im Jahre 1307; fein Markt: 
recht ift älter, es Tnüpft fich fhon an das Jahr 1210. Die Markt: 
ftatuten von Cormons beginnen mit den Sahren 1436, 1453 
und 1460. 

Von hervorragender Bedeutung erſcheint das Statutarweſen 
Iſtriens. Während die einftigen Vororte des binnenländiichen 
Noritum an die römische Vergahgenheit nur durch ihre Trümmer 
mahnten oder fpurlos verſchwanden, andererfeits, wie Poetovio und 
Celeja, ähnlih den Orten Ufernoritums (3. 3. Obilabis — Wels, 
Lentia — Linz, Laureacun — Lord — Enns, Comagene = Tuln, Bin: 
dobona — Wien u. f. mw.) von mittelalterlihen Neugründungen ge: 
wiſſermaßen aufgejogen erſcheinen; — jenes aus der karantaniſchen 
Epoche zur erzbifchöflichen Stadt Pettau, diefes zum grundberrlichen 
Orte Eilli wird, der erft um die Mitte des 15. Jahrhunderts die 
Ningmauer, das Symbol ſtädtiſchen Weſens, empfängt, nahmen die 
iftrifhen Küftenorte des Adriameeres ihre römische Vergangenheit 
im Rechtsleben als mittelalterlic) gefärbten und umgeltalteten Rechts- 
brauch hinüber. Dielen Gedanken einer uralten Grundlage des 
bürgerlichen Statutenweſens ſpricht am nachdrücklichſten das Stadt: 
reht von Pola (Pietas Julia) aus dem Sahre 1431 aus, 
deſſen beigegebene Rechtsbeſchlüſſe (Parti, prese nel consiglio del 
comun et uomini della città di Pola) von 1367 anheben. Der 
ältefte uns erhaltene ftadtrechtliche Freiheitsbrief ift der vom Jahre 
1321. PBarenzo ließ feine durch feindliche Zeritörung der Stadt 
vernichteten und zeritreuten Statuten um 1363 jammeln. Unver: 
fennbar erfcheinen als Grundlagen das römiſche Recht und der 
Rechtsbrauch Venedigs, unter deffen Botmäßigfeit Parenzo 
jo gut wie Pola gerieth. Eine Sammlung der Statuten von 
Cittanova knüpft fih an das Jahr 1450; zeitlich und inhaltlich 
verwandt find die von Rovigno und Montona. 





34 XII. Bud: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


Ausdrud gemeindeuticher Rechtsanſchauungen zu gelten haben, fußten 
dann die provinziellen Land: und Gemeinderechte Oeſterreichs, Salz- 
burgs, Steiermarfe, Kärntens, der deutfchen Anfiedlungsbezirfe Krains 
und Deutichtirols in feinem Haupttheile. 

Bon untergeordneter Bedeutung in Bezug feiner Ausbreitung in 
den deutjch:öfterreihifchen Landen erſcheint die Wirkſamkeit des ale: 
manniihen oder ſchwäbiſchen Stammredtes; doch erſcheint es 
für die ganze Landſchaft um den Arlberg, im Vorarlbergifchen, im 
tiroliſchen Lechthal, im Ober-Innthal, im Vintſchgau und deſſen 
Desthal:Stubayer Nachbarſchaft, von Belange, felbft im Eifad- und 
Pufterthale, nur daß im Tirolifchen begreiflicher Weife feine Bejonder: 
heiten in dent vorherrſchenden bayerifchen Rechtsbrauche allgemach vers 
ſchwammen. Das fränkiſche und ſächſiſche Stammredt darf als 
dur Coloniſation örtlih verjprengt angenommen werden, ohne 
daß eine genaue urkundliche Firirung durchführbar wäre. So finden 
ih Spuren im Valſugan in der Gemeinde Pergine (Perſen); auf 
den Gütern des bambergifchen Hochſtifts, namentlich in Kärnten dürfte 
an oftfränkifche Einwanderer und deren Rechtsbrauch zu denken fein. 
Eine um jo größere Wichtigkeit behauptet das longobardiſche 
Stammredt und dann nad) feiner Romanifirung ale lombar: 
difher Rechtsbrauch für den Süden Tirols, wie dies die alten 
Statuten des Trienter Bisthumlandes offenbaren. Auch für Iſtrien 
hatte es Bedeutung. In den dortigen Städten kam dann ſpäter 
mit der venetinnifchen Oberherrichaft auch venetianifches Rechtsweſen 
immer mehr in Aufnahme. 

Abgeſehen von der lebendigen Fortdauer römiſcher Rechtsan- 
Ihauung im Küjtenlande der Adria mußte hier auch die Necep: 
tion des römiſchen Rechts zunächſt eintreten, während dieſe 
in den nördlichen Alpenländern ſich erſt in der Schlußzeit des Mittel: 
alters in der gelehrten richterlichen Praris Bahn brad) und, wie der 
Inhalt der Bauernbeichwerden im Jahre 1525 zeigt, fchlechtes Blut 
im LZandvolfe machte. 1460 fchrieb der Brirener Biſchof Cufanus 
an den herzoglichen Rath Weineder: Der Herzog (Siegmund) folle 
Lehrer „des gejchriebenen Rechts“ berufen, damit er wiſſe, was 
Rechtens jei. Dies war allerdings eine hämifche Bemerkung; doc) 
binnen einiger Jahrzehnte machte ſich das gejchriebene, gelehrte Recht 
als landesfürjtlidyes immer mehr geltend. Im Süden galt Dies 
Recht Jahrhunderte früher. So verlangte 3. B. der zwiſchen Trieit 
und den Habsburgern im Jahre 1382 abgefchloffene Grundvertrag, 
daß die beiden Vicare des Stadthauptmanns bes kanoniſchen und 
des römiſchen Rechts kundig feien. 


XIL Puh: Inneres Staarsieben vom Schlurie des 10. Iabrh. bis 1526. 35 


Beachtenswerth eriheinen einzelne Rechts-Bewidmungen. 
Das vorarlbergiiche Felbfirdy erhielt 1239 ſein Marktrecht nach dem 
Mutter der reihefreien Stadt Lindau am ſchwäbiſchen Ufer des 
Bodenſee's; die Stadt Til im ofttirolifchen Bezirfe Reutte im Jahre 
1327 das Stadtredht der ſchwäbiſchen Reichsitadt Kaufbeuern, was 
auch auf Rechnung des uralten Zuiammenhangs diejer Gebiete mit 
dem Schwabenlande fommt. Gleiches Intereſſe erregen einzelne That: 
ſachen, weldhe den Zujammenbhangvon Rechtsanſchauungen 
in Rechtsdenkmälern der Alpenwelt mit dem fernen deutichen Norden 
darthun. So ftimmt 3. B. das Innsbrucker Stadtredt in einigen 
Punkten mit dem Lübeder zujamen, und die alten Richter und An- 
wälte Tirols pflegten bei dunfeln oder widerjprechenden Stellen der 
Landesordnungen die Commentare des Lübeck'ſchen Rechtsbuches zu 
Rathe zu ziehen (wie dies ein Kemmer des alten tiroliihen Rechts 
behauptet). Minder auffällig ericheint natürlich die bedeutende Menge 
von Handſchriften des Schwabenjpiegels als ſubſidiärer Rechts: 
quelle in den deutjch-öfterreihiichen Ländern. *) 


*), Literatur zur Gefch. der Stadtrechte und Weisthümer (vgl. die allg. 
Lit. IL, S. 66062). 3. Biſchoff, Oeſterr. Stadtrechte u. Privil.; Chabert 
a. a. D.; Krone, Umrijfe u. |. m. (Literaturnachweife und Materialien 
S. 408—410, 4341—448, Anm. ©. 461-—466 ; 474—480). 

Tirol: Hormayr's Werfe über Tirol; Rapp a. a. O.; Kinf, Codex 
Wangianus (Einleitung). Die Weisthümer bearb. v. Zingerle. — Oeſter— 
reich u. d. E.: Hormayr, Denkw. d. St. Wien (Urkundenanhang); Würth, 
D. Stadtrecht v. W.-Neuſtadt, Sep.⸗A. (1846); Tomaſchek, Die Rechte und 
Freiheiten der Stadt Wien, 1. Bd. (1877) (als J. Abth. der Geſchichtsquellen 
ber Stadt Wien). Die Weisthümer, vgl. Kaltenbäck's Sammlung (1846 
bis 1848) und Arch. f. K. öſterr. &, XI, XII, und die von Zahn im 
XXV. Bde. ebenda. — Ober-Oeſterreich: Die Weisthümer bearb. v. Lambl 
(früher von Meiller, 7); Reg. der Stadt Enns v. Oberleitner, Arc. f. 
K. öfterr. &., XXVI. Bd. — Salzburg: Die Weisthümer b. v. Siegel 
u. Tomaſchek; z. Geſch. v. Salzburg d. Urk.:Anh. d. Iuvavia u. d. Publ. 
des V. f. Landeskunde; auch Kleinmayerns, des Verf. d. Iuvavia, unpart. Abb. 
von dem Staate des 5. Erzſtifts Salzburg und deſſen Grundverfafjung (1770). 
— Steiermarf: Die Weisthümer, 3. Herausgabe gefammelt, bearb. v. Biſchoff 
unter linguiftiicher Beihülfe Schönbach's (vgl. den 1. u. 2. Bericht über 
Weisthümerforſchungen in Steiermark v. Biſchoff i.d. Sikungsb. d. k.k. Akad. 
d. Wilf., hiſt. S. [1876, 1877]); die Privil. von Graz und Brud, 5. v. War: 
tinger (1836, 1837); vgl. W's. Abh. über „Märkte, die einjt Städte waren 
und jo genannt wurden” fteierm. Ztichr., n. F. 1835, die Priv. v. Radkersburg, 
b. v. Hofrichter (1832). — Kärnten: Arch. f. Sübbeutfchland (v. Hormayr) 
I; Ankershofen's Reg. i. Arch. f. K. öſterr. &. (1849) u. f. Auff. in 

3* 


36 XII. Bud: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


3. Wenden wir uns nun der Entwidlung der Territorial: 
verhältniffeund des Berwaltungsorganismus zu. Die, 
breitere Grundlage diefer kurzen Skizze bot das ſechſte Buch dieſes 
Werkes: „Der biltorifhe Boden Oeſterreichs“ (I., ©. 297—376). 

Die territoriale Entwidlung der Landichaften und der davon 
bedingte Verwaltungsorganismus erjcheint in der mittelalterlichen Zeit 
in drei Epochen gegliedert. Die erſte reiht von der Karolinger- 
zeit bis beiläufig zur Mitte des zwölften Jahrhunderts und Tann 
ale Epoche der Gauverfafjung gelten; die zweite und dritte 
fließen in einander über. Die vorlaufende zeigt die Auflöſung 
der Gauverfaſſung und die Ausbildung der geiftlihen Immu- 
nitätögebiete, andererſeits der dynaſtiſchen Grundherrſchaften, wäh: 
rend bie dritte und leßte Epoche die Durhbildung der landes- 
fürftliden Gewalt und des ihr entſprechenden Ver: 
waltungsorganismus offenbart. Als beiläufige Beitgrenze 
zwiſchen diejen beiden Epochen mögen die Jahre 1220—1356 gelten; 
wir wählen fie deshalb, weil 1220—1230 die reichsgeſetzliche Feſt— 
ftellung der Landeshoheit, der geiftlichen und weltlichen Reichsfürſten 
vor fih ging und 1356 die goldene Bulle an der Schwelle des 
Zeitraumes fteht, in welchem die landesfürftliche Territorialgewalt 
immer entfchiedener den Weg zur Alleingeltung einjchlägt, die an- 
deren reichunmittelbaren Gewalten geiftlicher und weltlicher Art zur 
Anerkennung der politiihen Abgefchloffenheit des Landes oder zum 
Aufgeben ihrer Ausnahmeftellung nöthigt und ihr Gegengewicht nur 
in dem gleichen Scrittes ausgebildeten Ständewefen findet. 

Die Gaue ald Amtögebiete, d. i. „Gaugrafichaften“ im Be: 
reihe unjerer Donaualpenländer, kamen bereits zur Sprache, mo 


Chmel’3 öfterr. Geſchichtsforſcher L, 2.; Herrmann in ber färntn. Ztichr., V., 
VI. H., über St. Veit u. Klagenfurt, Carinthia (1858), Nr. 45, 46, u. Gmünb. ; 
Hohenauer, Friefah (1847). — Krain: Richter in Hormayr's Arch. (1829) 
und in Klun’3 Archiv, 2., 3. Heft, S. 140 f., über Laibach. Vgl. E. Eofta 
i. d. öfterr. BU. f. Lit. n. Knuſt (1855), Nr. 43; Mitth. des hiſt. V. f. Kr. u. f. w., 
die Gitate in Dimig’ Geſch. Krains, L, S. 236 ff. Ueber die Freifinger Ur: 
Tunden f. die Krainer Colon. den Aufj. v. Zahn in den Mitth. des hiſt. V. 
f. Krain 1861. Ueber Görz vgl. Czörnig's Hauptwerf. — Iſtrien und Trieft: 
die Arbeiten v. Kandler: Codice istriano; Statuti municipali del comune 
di Trieste, che portano in fronte l’anno 1150 (1849); storia del consiglio 
dei Patrizi di Trieste (1858). Pola: stat. munic. Trieft (1843); Parenzo: 
St. m., ebenda (1846); Rovigno in d. Istria (1851); Cittanova: ebenda (1851). 
Weber die Statuten ber oflabriat. Infeln: Notizen in dem reichhalt. Werke v. 
Sandi, Principi di storia civile della Republ. di Venezia, II, 1. 





38 XL. Bud: Inneres Staatäleben vom Schlufje des 10. Jahrh. bis 1526. 


Serzogthümer, Marten, Gaugrafichaften und deren Unterbezirfen 
faum im Allgemeinften, geſchweige denn im Einzelnen, nachweisbar. 

Die thatlächlichen Erjcheinungen diejer beiden Epochen auf dem 
Boden der deutjch-öfterreichifcehen Länder treten verhältnigmäßig früh 
auf, da dieſe, an der ſüdöſtlichen Umfangslinie des deutſchen Reichs 
gelegenen Länder fich einerfeits der Ausbildung geiftlider 
und weltlider Herrihaften auf Koften und an Stelle der 
Gaugrafihaften durch Schenkungen und Freiheitsbriefe der deutfchen 
Krone jehr bald eröffnen, andererjeits die Habsburger zu Beligern 
der Hauptländer im Verlaufe von beiläufig fünfzig Jahren geworden 
(1276, eigentlih 1282—1363), vermöge ihrer bedeutenden Haus: 
macht, und dann als Inhaber der Reihstrone ihre landesfürft: 
lide Gewalt gleihmäßig und zielgerecht auszubilden in die 
Lage Tamen. 

Fallen wir in’s Auge die Folgen jener Auflöjung des Gau: 
wejens, jodann die Geltaltung reichgunmittelbarer Territorien geift- 
liher und weltlicher Art und endlich die Ausbildung der einheitlichen 
landesfürjtlihen Gewalt und zwar in ihren Rüdwirkungen, jo er: 
geben ſich nachltehende Erjcheinungen. Der Gau wird Befik geift- 
licher Smmunitäten, entweder durch bloße Schenkung des bezüglichen 
Grundes und Bodens an die Hodhitifte, oder durch gleichzeitige 
Uebertragung der Grafſchaftsrechte an diefelben (3. B. an Salz: 
burg, Aquileja, Trient). Vornehme, begünftigte Gejchlechter 
behaupten die gaugräfliche Gewalt erblih, erlangen Gauboden als 
Lehnsbefit, verbinden ihn mit ihrem Allodialgut, erweitern ihr Gut 
durch Kauf, Tauſch oder andere Mittel, und erjtehen bald als mäch- 
tige Dynaftieen, welche aus der Vogteigewalt über Hochſtifte und 
Klöfter Durch dauernde Innehabung, ja Erblichkeit, bedeutender Kirchen- 
leben, als Nutgenüßen der Bogtei, wachienden Gewinn ziehen — und, 
auf ſolche Weiſe emporgefommen, ſchließlich Würde und Geltung 
von Reihsfürften erlangen. Man denke nur an die Eppenfteiner, 
Traungauer, an die Lavantthbal:Sponheimer Grafen, an 
die Grafen von Tirol und an die Görzer. Andem der Gau 
jeinen Charakter als reichsamtliher Verwaltungsbezirt in jolcher 
Weiſe verlor und herrfchaftliches Gebiet wurde, büßt er auch in der 
Regel feinen Namen ein, oder erhält fich derjelbe nur als Gegen: 
namen bis auf unjere Zeiten. Die Tleineren Gaubezirfe, an welche 
urjprünglich gedacht werden muß, die Zehentichaften oder Defanieen, 
deren Name fih im Tiroler Lande örtlich lange als „Techeney“ 
behauptete, verfielen zunächſt diefem einem Zerjegungsproceile der 
Gauverfaffung. Sie find auf dem alteröher deutichen Boden der 





40 XH. Bud: Innere Staatäleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


Hoheit: und Immunitätsrechte zumendet. Dazu treten die an Zahl 
mächtig anwachtenden Landesklöſter mit ihrem fich rafch mehrenden 
Grund und Boden. Die Herzoge, Dearfgrafen und Grafen, zu 
erbliden Zandesfürjten geworden, erwerben nicht nur felbjt immer 
mehr an meltlich - geiftlidem Lehnbeſitz, ſondern verleihen von 
ihrem eigenen Gute immer mehr an die wachſende Zahl ihrer 
Dienitmannen (Minifterialien), was ebenfo bei den geiftlichen 
Großgrundbefigern, Hochſtiftern und Klöftern der Fall ift. Weltliche 
und geiftlide Grundherren wetteifern endlich mit den LZandesfürften 
in der Befiedlung der noch unbebauten Bodenmaffe, in Anlagen 
von Dörfern und in der Ausgeftaltung ihrer Lieblingsfite, Bfalzen, 
Reſidenzen, der wichtigen Handelspläge und Grenzorte, zu Märkten 
und Städten, an deren Spite die landesfürftlichen privilegirten 
Vororte mit mwachjenden Immunitätsrechten oder joldhen Freiheiten 
treten, welche ihren Befig und ihre gemeindlihe Autonomie fördern. 

So vielgeitaltig erſcheinen die Belitverhältniffe und die ihnen 
entiprechenden Lebensfreife und Gewalten in diefer Epoche der Terri- 
torialverfaffung.. Der Landesfürſt (Erzbiſchof und Bifchof mit 
Reichaunmittelbarkeit, Herzog, Markgraf, Graf mit Reichsfürſtenrang) 
ericheint als Inhaber der königlichen Gewalt: und Nubungsrechte 
oder Regalien. Er handhabt den hohen Gerihtsbann in wid: 
tigen civilrechtlihen Fällen und ſchweren Verbrechen, die an Leib, 
Leben und Gut greifen (den Blutbann oder die höhere, peinliche 
Gerichtsbarkeit), perſönlich oder durch feine ämtlichen. Vertreter nach 
„Landrecht“ an beftimmten Zeiten in offener Schranne. So hielten 
j. B. die öfterreihifchen Markgrafen-Herzoge ihr Gericht zu drei 
Zeiten an den herkömmlichen Wahlftätten: Tuln, Mautern, Neuburg 
(Klojter-Neuburg). Er bezieht dafür die entfallenden Gerichtsgelder, 
Bußen, „Wändel” oder „Peenen“ (poena), auch „Blutpfennig” 
genannt (denarii de judicio). Die Ausübung des höhern Gerichts- 
bannes im Lande fteht nur ausnahmsweiſe den hierzu durch das 
Reich oder durch landesfürftliche Einräumung Berechtigten zu. So 
wahrt das kaiſerliche Privilegium von 1156 den öfterreichifchen 
Herzogen ausdrüdli ihre alleinige höhere Gerichtsbarkeit, welche 
feine, „weder geringe noch hohe, Perfönlichkeit‘ beeinträchtigen dürfe. 
Dagegen fteht die niedere Gerichtsbarkeit, aljo die Juris— 
diction über geringere Klag- oder Straffälle, deren Buße 3. B. nicht 
über ſechs Scillinge (das mittellateinifche solidos) Geldes betrug, 
und welche man fpäter patrimoniale Gerichtsbarkeit nannte, ben 
geiftlich-weltlihen Grundherren zu. So fagt eines ber älteften und 
wichtigſten Landrechte, das öfterreichifche, vom Schluffe des 13. Jahr⸗ 





4% XI Bud: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


zwanges, der Waarenniederlage und des Vorfaufs, an den 
Strömen auch Stapelreht (jus stapulae) genannt, den Kandel 
zwiſchen Deutihand und Stalien, Weit: und Oſteuropa, desgleichen 
den levantinifchen Tranfitohandel, als Gejchäftsfreunde Venedigs, 
vermittelten. Man unterjchied Waſſer- und Weg: oder Straßen: 
Mauthen und Zölle („naſſe“ oder „Talte” und „trockene“ Mauthen 
und Zölle). Die Landesfüriten übten Dies Recht durch eigene Beamte 
und deren Diener aus, oder verpadhteten es an ihre Städte, oder 
geitatteten diefen, eigene Mauthen zu errichten. Auch private Grund: 
herren fuchten fic) dies gewinnbringende Recht immer mehr anzueignen, 
was von den Landesfürſten zu Gunften ihres Negales oft ernitlich 
befämpft wurde. 

Auf das Net, Juden als abgabenpflicdhtige Kammerfnechte 
zu halten, werden wir als ein dantals wichtiges Regale anderorten 
zu ſprechen Tommen. 

Zu den maßgebenditen Befugniffen der landesfürftlichen Gewalt 
zählte altersher das Recht, zunächft für den Kriegsbedarf außer: 
ordentlihe, allgemeine Auflagen (Contributionen) von 
Fall zu Fall nach wechjelnden Grundfägen zu erheben: als Grunb-, 
Gewerbe-, Einfommen-:, Kopf: oder Leib, Klaffen: oder Stände: 
ftener. Regelmäßige, fejtbemeijene, allgemeine Steuern gab es nicht. 
Dagegen floffen regelmäßig in die landesfürftlichen Kammern die 
Srundzinfe von den Domänen, die Steuern landesfürftlicher Städte 
und Märkte, die Einfünfte von der durch den Landesfüriten geübten 
Beihirmung vor Hoditiften und Klöftern (Vogtei, advocatia eccle- 
siarum) u. ſ. mw. Je weiter in die Vergangenheit hinauf, deſto 
mehr überwogen die Zinfe oder Abgaben in Naturalien (3. 3. 
Marchfutter — Pferdefutter, Vogthaber u. ſ. w.). 

Der Landesfürſt gebietet ausſchließlich zur Vertheidigung 
des Landes als des ihm anvertrauten Reichsgebietes über den 
Heerbann. Dieſe Heerbanns- oder Wehrpflicht regelt genau das 
oben angeführte öſterreichiſche Landrecht. Dem Aufgebote zur 
Landesvertheidigung haben alle Grundherren, weltliche und geiſtliche, 
mit ihren Mannen und Grundholden Folge zu leiſten, ebenſo die 
Bürger und Bauern des Landesfürſten. Jeder leiſtet dem Heeres— 
folge, deſſen „behauſter Mann’ er ift, d. i. auf deſſen Grund und 
Boden er feßhaft erſcheint. Rüftzeug und Pferd hat jeder felbit zu 
beftreiten und zu erhalten. Wer von den Berpflichteten die Heeres- 
folge weigert, büßt mit Geld. Dagegen dürfen die Mannen ihrem 
die Heerfahrt nicht leiftenden Herrn die „Heeriteuer” verjagen. Bei 
Kriegszügen des Lanbesfürften außerhalb der Landesgrenze entfällt 





44 XII. Buch: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


bei all’ feiner Vielartigfeit nach der einen und andern Richtung hin we⸗ 
fentlich vereinfadht. Die wachſende Ausbildung der landesfürftlichen 
Hoheit läuft parallel mit dem allmähliden Verfhmwinden der 
reihsunmittelbaren geiftlihen und weltlichen Sonder: 
gewalten. Die ausländifchen Kirchenvorjteher bequemen fich zur 
Anerkennung der Oberhoheit der Landesfürften in Hinficht ihres in- 
ländiſchen Beſitzes, die landſäſſigen Hochitifte begeben ſich wichtiger 
Smmunitätsrechte, wie wir dies einerjeits in den habsburgifchen 
Verträgen des 14. und 15. Jahrhunderts mit Salzburg, Aquileja, 
Freifing, Bamberg, Chur u. f. w., andererjeits in den WMaßregeln 
des öfterreihifchen Haufes gegen Briren und Trient, namentlich unter 
9. Rudolph IV. (T 1365) erkennen. Die Inhaber reichsun- 
mittelbarer Graffchaften fterben aus oder bequemen jich zur Anerkennung 
babsburgischer Landes: und Lehenshoheit. So giebt es feine unab- 
bängigen Gewalten mehr, und das Hofgericht des Lanbesfüriten 
über die eigenen dienſt- und lehnspflichtigen Mannen überflügelt an 
Bedeutung das Landgeridht. Der Begriff der Negalien entwidelt 
fih und wird immer ftrenger, und ebenjo erweitert ſich der Kreis 
der „fiscalifchen Handlungen‘ oder der Thätigleit des Kammerprocu⸗ 
rators. Der Staatshaushalt bedarf der Raitkammern (Rechnungs: 
fammern, Staatsbuchhaltung). Befonders drüdend geftaltet ſich das. 
landesfürftlihe und überhaupt grundherrlide Sagd:, Wald: und 
Fifchereirecht; vor Allem der Wildbann, die ftändige Klage der 
Bauernſchaften. Die Säte der Mauthen und Zölle werben thunlichit 
erhöht, die Münze, für deren befjere Prägung und Werthfeftigung 
H. Rudolph IV. Vieles that, verfällt namentlich im 15. Jahrhundert 
einer wachlenden Verſchlechterung; die allgemeinen Steuern werben 
häufiger. Die Abgaben der landesfürftliden Städte erhöhen 
fih dur die Aufhebung der Steuerfreiheit der Häuſer und Höfe 


G. db. Bergm. i. Lavantthale, Oeſterr. Arch. (1833), N. 94 f. Vgl. Luſchin, 
münzgeſch. Porit. a. a. DO. 

Salzmonopol: Koch-Sternfeld, d. deutichen, insbeſ. bayer. u. öfterr. 
Salzw. i. M.:A. u. f. mw. (1836). Vgl. Kurz i. Hormayr's Arch. (1816) u. 
i. ſ. G. Oeſterr. u. Friedrih db. Sh. Mauth u. Zoll: Kurz, Delterr. Han: 
belögeich. des M.:A. (1822). — Einſchlägiges Material über al’ diefe Momente 
in ben verfchiebenen Werfen db. Provinz.-Geſch. von Pritz, Muchar, Herrmann, 
Dimitz, Czörnig, Hormayr, Egger u. f. w. — Kriegsweſen: Kurz, Defter. 
Militärverfaffung in älterer Zeit (1825) u. Geſch. db. Landwehr i. O.⸗Oeſterr. 
(1811); Schlager, Wiener Skizzen I. 1836 u. N. F. ILL 1846. 

Vgl. über d. Ganze auch: Krones’ Umriffe a. a. O., S. 277—374 u, 
Belege, 375—400. 





46 XII Bud: Innere Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


„Ober-Oeſterreich“ (Tirol, Vorarlberg) und „Border: Defterreich” 
(oder die ſchwäbiſch-elſäſſiſchen Vorlande). Die Finanzen beforgen 
Hoflammer (der in Tirol eine „Schaglammer” vorangegangen war, 
mit einer Controlbehörde, dem „Gegenſchreiber-General“ feit 1492 
zur Seite) und Raitkammer, legtere die oberſte Staatsrechnungsbe- 
börde, aus welcher dann die Staatsbuhhaltung erwuchs. Unter 
der Hoffammer der einzelnen Ländergruppen ftehen Vizthum (Vice- 
domini), Münzmeifter, Mauth: und Zollbeamte, Rent: und Forft- 
meifter, Amtleute, Pfleger der Domainen u. ſ. w. Das Gerichts: 
wefen verjehen Hofgeriht, Landgerichte oder landesfürftlihe Bann⸗ 
gerichte mit den Land» und Bannrichtern, Pflegen u. ſ. w. Die 
Lande ſelbſt erjcheinen nach Vierteln, Thälern, Herrichaften, Gerichten 
u. ſ. w. geographiich-politiich gegliedert. *) 

Noch haben wir einige Bemerkungen über das Berhältniß 
des Staates zu den firhlidhen Gemwalten auszufprechen, 
wie es fih am Schluffe der mittelalterlihen Epoche herausftellt. 
Es ift unvertennbar, daß dic Habsburger mit Geſchick und 
eiferner Zähigkeit darauf hinarbeiteten, einerjeits den Päpften Zu- 
geitändniffe bezüglich der Beſetzung der Landesbisthümer abzugewinnen, 
andererjeits, was bereits angedeutet worden, die auswärtigen Hoch: 
stifte wie Ealzburg, Paſſau, Freifing, Bamberg, dahin zu bringen, 
fih auf Koften der Sonderrechte ihrer Reichaunmittelbarfeit in ben lanb- 
Ichaftlichen Bermaltungsorganismus zu fügen, bezüglich ihrer Güter im 
Lande die landesfürftlihe Gewalt anzuerkennen. Gerade die Zeiten K. 
Friedrich's III., des Vaters Marimilian’s I., zeigen, wie entichieden 


— 





*) Literatur. Außer den Monograpbieen von Lichnowski, Kurz, Huber, 
Buchholtz, Geſch. Ferdinand's I. (Einleitendes über Maximilian's I. Organi- 
jationen); über Geſch. d. Habsburger bie cit. Werfe (II, ©. 575—77) 3. Geld. 
Marimilian’d I. und die Werke über öfterr. Provinzialgefhichte. Heß, über 
db. Burgredht im 11. Bde. des Arch. f. K. öjterr. Geſch, ©. 761 ff.; Springer, 
Geſch. Nachw. bes Jagdregales i. den öjterr. 2. im öfter. Arch. v. Riedler, 
Nr. 153, 154; Bidermann, Geh. d. landesf. Behörden in und für Tirol 
(Ar. 1. ©. Tirold [1867)); A. Jäger, Tie ftänd. Verf. Tirol® (1848) (Heer: 
wejen); Schlager, Wiener Skizzen aus dem M.:A., 2.R. (1836). Die Wiener 
Hofſchranne v. 1370. Ueber das fteierm. Rüftwefen im M.:A. in den Mitth. 
bed hiſt. ®. f. Steierm., 18. 9. (Kinnaft, Krones). Ueber K. Friedrich's TIL 
firhlihe Politif. Vgl. auch die neuejte Abb. Dr. %. M. Mayer’s (55. Bb. 
bed Arch. f. öfterr ©. [Wien 1877]), „Die Abdanfung des Erzb. Bernhard v. 
Salzburg u. ſ. m. (1477— 1481), welche biefe Epifode der öfterr..ung. Geſchichte 
auch aus neuen Materialien beleuchtet. Mayer leugnet, daß Bekenſlöer's Flucht 
einer ber Gründe des Krieged zwiſchen M. Eorvinus und K. Friedrich geweien fei. 





48 XII. Bud: Inneres Staatöleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


ficiale und im fpätern Lehnsſyſteme des deutſchen Kaiſerreichs der 
größte Theil des Adels in einen Beneficial: und Lehnsadel um, der 
mindere, ärmere Edelmann wird Vafall des höhern, reihern Herrn 
und jo geht es bis zum Throne hinan; denn auch die erften Reichs⸗ 
fürjten ftehen in Lehensverhältnifien. 

Wenn wir die nach den Abftufungen des Wehrgeldes, d. i. 
der Sühnung des Todtichlages mit Geld (in Schillingen, solidi), ge: 
gliederten Ständeverhältniffe, zur Zeit der Geltung der germanifchen 
Stammredte und karolingiſchen Capitularien, alſo bes 7. bis 10., 
mit denen der Ausbildung des jogenannten Heerjchildes im Lehns- 
ftaate des deutſchen Reiches vom 12. und 13. Jahrhunderte jche- 
matifch zufammenftellen und Hierbei einerfeit® das bajuvariſche 
und allemannifhe (ſchwäbiſche), beziehungsweije das lom— 
bardiiche Geſetz ala das für unfer deutjches Alpenland damals maß: 
gebente, andererjeits den Shwabenjpiegel vor Augen haben, 
ale Ausdrud ſüddeutſcher Nechtsverhältniffe, fo ergiebt fi, unter 
Rückſichtnahme auf das ſpecifiſch heimathländiihe Urkundenweſen, 
nachſtehendes Doppelbild der Ständellaffen: 

a) Für die ältere Epoche: 

1. Der Fürft oder Herzog. 2. Die Bornehmen, Mächtigen, hoch: 
adligen Großgrundbefiger (illustres, nobiles, clarissimi, potestativi 
homines). 3. Die „mittleren“, „guten“ Leute (mediocres, boni homi- 
nes, bonae fidei, von gutem Bermögenscrebit), edle Leute von mittlerem, 
erbeigenem Beſitze. Das find die beiden Klaſſen der Edelfreien, der Ed⸗ 
linge, welche wir unter den Deutjchen, Slaven und Romanen unjerer Al: 
penländer vorfinden. 4. Die „minderen“ Leute (minores), das „Volt, 
welches dennoch frei iſt“, wie es im bayerifchen Geſetze (II., 8 3) beißt, 
die Mafje der „Volksfreien“, „Gemeinfreien‘, oder die Heerbannpflich- 
tigen (homines exercitales, herimanni, arimanni). 5. Die durch Hand- 
ſchlag (manumissio) oder durch Schriftliche Erklärung (per chartam) 
Freigelaffenen oder Freigemachten (frilassi, liberti). Das ift 
die Mittelklaffe zwiichen den Eigenfreien (ingenui, liberi homines) 
und unfreien Leuten, zu welcher noch eine Uebergangsklaſſe tritt, 
gebildet aus den durch die Langobarden in Oberitalien und in der 
nördlichen Nachbarſchaft des Alpenlandes (Südtirol), untermorfenen 
romanifhen Bauern (aldiones), und den in gleiche Verhältniffe 
durch die bayerisch-fränfische Herrſchaft verjegten gemeinfreien Slaven 
Karantaniens und der nördlichen Nachbarſchaft, wohin auch Die 
Reſte römischer, d. i. romanijcher Bauernbevölferung im öftlichen 
Bojoarien (Dber:Oefterreih, Salzburg, Nordtirol), die „abgaben- 
pflihtigen Romanen” (romani tributales) zählen müflen; — ferner 





50 XIL Bud: Inneres Staatsleben vom Schlufſe des 10. Jahrh. bis 1526. 


(capitulare de villis), die Urfunden der Fürften und Kloſter. Denmach 
begann das Handwerf gemeiniam mit der langjam ſich entwidelnden 
Kaufmannſchaft, beide der Dutterboden des „Bürgerthums“, d. i. der 
um die Pfalz des Königs, der geiftlihen und weltlichen Fürſten 
angefiedelten und von der ſchützenden Burgmauer umgebenen Gewerbs- 
und SHandelsleute, — in den niederen Standesverhältninien der 
Leibeigenihaft und „Hörigkeit“; es wurzelte in perlönlidh- 
dinglidher Unfreiheit; auf dieler Stufe befand es ſich zur Zeit der 
von uns jfiszirten Epoche. Es ift die Zeit, wo der Ausdrud „Mi- 
nifterialen”, d. i. Dienende, den Xeibeigenen und Hörigen zunächſt 
bezeihnete und doch auch ſchon alle Dienftverhältniiie bis zu den 
höchſten, Königs: und FFürftendienften, zu umfaſſen begann. 

Mit großer Strenge Hält das Geſetz den Begriff der freien, 
ehelichen Geburt und der Ebenbürtigfeit feit; das Kind 
gemifchter Che folgt der „ſchlechtern Hand“, d. i. gehört der mindern 
Standesflafje des betreffenden Gatten an. Und ebenſo ſchroff bildet 
fih die Anihauung von der an befitimmten Erwerbszweigen oder 
Geſchäften haftenden Unehrlichfeit aus, doch tritt das unehrliche 
Gewerbe in jchärferen Umriſſen erſt in der zweiten Epoche hervor. 

Hier bezeichnet der „Heerſchild“ die nach der lehnsmäßigen 
Heerespflicht geordneten Rangklaſſen. Den „eriten Schild“ hebt der 
König. Tann folgen 2. die geiftlichen, 3. die weltlichen Fürſten, 
welche ihre Lehen unmittelbar vom Reiche haben; 4. die Grafen 
und Freiherren als reichsmittelbare Lehnsträger geiftliher und welt: 
liher Fürjten. Das find die beiden Klaffen der Höchitfreien oder 
Immerfreien (Semperliberi), die Großvafallen (im Süden Valva- 
sores genannt); 5. die rittermäßigen Leute (milites), das find 
die adeligen Mannen, welche ber Klaffe der mittleren’ Leute der 
eriten Epoche gleichfommen und das berittene Heergefolge der Fürften 
und Herren bilden; mohl zu unterfcheiden von dem „Ritterſtande“ 
(ordo equestris), einer alle Klafjen der Freibürtigen bis zum Throne 
hinauf umfafjenden moralifchen Körperfchaft. Denn der Gemeinfreie 
jo gut, wie der König fonnten den Ritterfchlag oder die „Schwertleite” 
eınpfangen. Im 6. Schilde ftehen die Dienftmannen der Herren, 
welche aud) als „Knechte“ (vgl. das engliihe knight) urkundlich 
bezeichnet erjcheinen. In der 7. Klafje, ohne eigentliches Heerſchild— 
recht, ſtehen alle ehelidy geborenen Freien. | 

In diefe Klaffe trat insbejondere der durch die Einficht der 
Könige, Fürften und Herren von den materiellen und politifchen Vor- 
theilen eines Fräftig entwidelten Städteweſens immer mehr in feinem 
Gemeindewefen gefreite und erftarfende Bürgerftand, die öpurger 





52 XII. Bud: Inneres Staatsleben vom Schlujje des 10. Jahrh. bis 1526. 


und der Borftädte fcheiden gleichfalls Vorrechte des erjteren. Vom 
Lande ftrömen immer mehr Leute herbei, um die Grundunterthänig- 
feit mit der ftädtifchen Freiheit, ald Handwerker zumeift, zu ver: 
taujhen. Auch fehlt es nicht an zahlreichen „Ausbürgern“; benn 
alle Landesklöſter beinahe und viele edle Herren und Ritter 
haben Höfe und Häufer in der Stadt, find in ihr behauft, ohne in 
der Stadt jelbft regelmäßig zu wohnen. Diefe Höfe und Häufer 
waren vielfah nach „Burgrecht“ oder „bürgerlihem Rechte” (jus 
civile), gegen Grundzinfe und anderweitige Leiftungen dem Nutz⸗ 
genuffe von Bürgern übertragen worden. Dieje „ewigen Zinſe 
und Leiftungen, welche den landesfürftlichen Bürger einem an= 
dern Herrn überdies „unterthänig” machten, erklärte Herzog Ru⸗ 
dolph IV. (F 1365) zu Guniten der Verwandlung des Nutzge⸗ 
nufes in bleibendes Eigenthum für ablösbar und überdies jämmt- 
liche geijtlihe und adelige Hausbefiter als jtabtiteuerpflichtig, was 
fie früher niht waren. Das mußte für die gleichartige, einheitlichere 
Entwidlung des Bürgerftandes ebenfo vortheilhaft fein, als im Inter⸗ 
effe des berzoglichen Kammerfädels die Steuerfraft der Stadtgemeinde 
erhöhen. An einen analogen Entwidlungsgang haben wir auch bei 
den anderen landesfürftlichen Vororten der anderen Habsburgerpro⸗ 
vinzen zu denken. 

Wir befigen für Die Rangordnung der Stände am Schluffe 
des Mittelalters die beiten Anhaltspunkte in den Steuerman: 
daten der Fürften und der Landtagsbeſchlüſſe. So erjcheinen im 
dem Abſchiede des Vöolkermarkter General:Zandtages ber drei 
inneröjterreihijchen Länder die Geiftlihen nad folgenden Kate: 
gorieen geordnet: Bilchof, Abt oder Aebtiſſin, infulirter Probſt, Hoch: 
meifter, Kommenthur des deutichen oder des Johanniterordens, Prior, 
Guardian, Erzpriefter, (Dechant), Pfarrer, Probſt, Altarift, Vicari, 
Gejellpriefter (d. i. Kaplan). Die Laienwelt gliedert fih in: 
Graf, Freiherr, Herr, Edelmann und Edelfrau, Reifiger und Knecht, 
Bürger, und zwar: 1. Lagerherr (Großhändler), 2. Kaufmann, 
3. Handwerker ; Bauer mit Eigengut (Ruftifalift), Amtmann (Pfleger), 
Grundholde oder unterthäniger Bauer (Dominikalift), Dienftbot und 
„Dienern” (Time), Tagwerker, Handwerfsfneht und den Schluß 
macht der Jude. (Der „Zechmann“ und das Mitglied einer „Bruder: 
ſchaft“ erſcheinen darin als Steuerfategorie, nicht ald Standesflaffe, 
gerade fo wie „Knab“, „Jungfrau“ und „abgeſpentes“, d. i. von 
der Bruſt abgejettes Kind.) 

Wir haben nun des Ständeweiens als Landesvertretung 
zu gebenten. Sie entwidelt fi aus dem Dienft und Lehnsverhält- 





54 XI. Bud): Inneres Staat8leben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


3098 für das Wiener Schotten:Klofter vom Jahre 1158, in welcher 
Wien als das römijche Faviana aufgefaßt ericheint. Da machen 
den Anfang als Zeugen die Aebte von Heiligenkreuz, Melt und 
Göttweih, denn die höhere Geiftlichkeit geht immer voran. Dann 
folgen „aus der Ordnung der Vornehmen“ (ex ordine nobilium) 
die Grafen von Plaien und Gars und die Herren von Perg, Klamm, 
Pernegg (in Steiermark), Algersbadh, Vilbach, Aift und Rechperg, 
ſämmtlich reichsfreie Herren. Dann folgen die abeligen „Minifte- 
rialen” des Herzogs, und den Schluß machen die herzoglichen Kapläne 
(capellani, welche feine Kanzlei, capella, beforgen) geijtlichen Standes, 
darunter die Pröbfte von Traiskirchen, Böllau, Zwettl, Miſtelbach. Auch 
9. Leopold's VI. Urkunde von 1202 unterfcheidet die „reichsfreien“ 
Zeugen (liberi) von Ameinspah, Pernegg, Falkenberg, Grießbad) 
von den „Minifterialen“, unter denen der von Hintberg (Himberg), 
Ort, Wildon, und Liechtenftein (letttere beide Steiermärfer) auftauchen. 

Im 13. und 14. Jahrhundert verjchwindet allgemach der 
Stand der Reichsunmittelbaren Defterreichs, es gilt nunmehr Landes: 
minifterialität al& Landesvertretung, und das Landtagsmwejen bildet 
fih aus. 

Bon bejonderm Intereſſe erjcheinen die analogen Verhältniſſe 
der Steiermarf. Der legte Traungauer, 9. Otakar VI. (VILL.), 
Ipricht in der wichtigen Erberflärungsurfunde und zugleich Landhand⸗ 
felte vom Sahre 1186 von den „Minilterialen des Landes“, ihren 
Rechten und Freiheiten; in der zweiten Urkunde ſpricht er von 
„Minifterialen‘ oder „Landſaſſen“ (comprovinciales) und unter: 
ſcheidet „Minifterialen” und „eigene (hörige) Leute“ (proprii). Die 
reichite Ausbeute für die Gliederung der fteieriichen Landesminiſte— 
rialität bietet fi in der Urkunde der Göffer Verfammlung vom 
27. Zuli 1274. In der Zeugenichaft jtehen voran 1) der Land: 
bifehof der Steiermark, der Sedauer; ihm folgen 2) der „Graf“ 
von Pfannberg (die alten Pernegger, Peggauer und die Sounefer, 
ipäter Grafen von Cilli, waren aud „Reichsfreie“), 3) die „Herren“ 
von Stubenberg und Liechtenitein, an der Spige der „Miniſterialen“, 
mit Herren: Charafter. Dann eriheinen 4) die Hauptpfarrer von 
Pöllau, Straßgang und Rapotenfirden, dann folgen 5) die ritter: 
mäßigen Leute des Steierlandes und andere vornehme ritterliche 
Herren”, 6) die „Klienten“, d. i. adligen „Knechte“ als Dienit- 
und Lehensmannen, 7) die Vertreter landesfüritliher Städte und 
8) die landesfürftlichen Pfleger oder Amtsleute (officiales). Am 
ausgebildetſten erjcheint die Ordnung in dem großen Rüjtungsaus- 
ſchreiben oder Lanbesaufgebote K. Friedrich's vom Mai 1446, worin 





56 XI. Bud: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


Bintihgau So gewann allein in Tirol der jogenamte vierte 
Stand, der Bauer, feinen Antheil in der Landesvertretung. *) 


Das mittelalterlihde Judenthum und AJudenredt. 


Einer gejonderten Betrachtung behielten wir die Stellung 
der Sfraeliten im mittelalterlihen Staatsleben der 
deutſch-öſterreichiſchen Kändergruppe vor. Dieſes kosmo⸗ 
politiſche Volkselement, dem das chriſtliche Abendland bei Abſperrung 
von jeder productiven Arbeit, Schmach, Hohn und Gewaltthat mancher 
Art, die gefährlichſte Waffe, die Geldſpeculation, in die Hand drückte, 
tritt hier gewiß ebenſo zeitig auf, wie in den anderen Reichsgebieten. 
In der für das Uferland der Donau maßgebenden Zollordnung des 
letzten Karolingers, Ludwig's des Kindes, vom Jahre 905 wird 
ſchon der Juden als Handelsleute gedacht. Die erſten urkundlichen 
Zeugniſſe für den Beſtand der Juden im Lande Nieder-Oeſterreich 
greifen allerdings nicht über das 12. Jahrhundert hinauf; aber das 
weit höhere Alter und die numeriſche Bedeutung iſraelitiſcher An- 
fiedlung dajelbit in allen bedeutenden Orten, vor Allem ald Kammer: 
knechte oder Regale der Marfgrafenherzoge, bezeugen am beiten die 
wichtigen Judenſatzungen oder Ordnungen Kaijer Friedrich's LI. 
vom Auguſt 1238 und H. Friedrich's des Streitbaren vom 1. Juli 
1244 für die Stadt Wien. hr Inhalt lehrt, wie das financielle 
Spnterefje an der Steuerfraft, Handelsthätigfeit und Geldmächtigkeit 
der Judenſchaft die Machthaber zu ausgedehnten Maßregeln des 
Rechtsſchutzes bemog, welche den Sfraeliten vor jeder Gemaltthat 
und Kränkung bewahren jollten. Der Jude fteht mit dem Chrijten 
vor Gericht gleich, er hat Eidesrecht, Kämpenrecht, d. i. das Recht, 
fih mit den Waffen im gerichtlihen Kampfbeweije vertreten zu 
lafien. Er fteht unter berzoglicher Gerichtsbarkeit, die ein eigener 
Sudenrichter handhabt. Seine Synagogen und Leichenäder werden 
als umverleglih erflärt; Mord und leibliche Beihädigung, Raub, 








*) Literatur. Außer den ©. 1 und 2 angeführten gemeindeutichen Monogra= 
phieen, den am Schlujje des vorhergehenden Abjchnittes cit. Monographieen und 
den Werfen zur Provinzialgejchichte Oeſterreichs — F. W. Unger, Geſch. d. deut- 
ſchen Landftände (1844), wo fi) auch die ältere Lit. verzeichnet finde. Roc— 
finger in der Ginleitung zum Werke des Frh. v. Lerhenfeld, Die altbayer. 
landitänd. Freibriefe (1853); Hiftor. Actenftüde z. Geſch. des Ständeweſens 
in Tejterreih (1847); Krones, 3. Quellentunde u. Geſch. des jteierm. Land: 
tagsweſens. Beitr. z. K. fteierm. G., 2., 3., 6. Zahrg.; Egger, Die Entw. 
ber alttirol. Landſchaft. Innsbrucker Gymn.:Progr. (1876). 





58 XII Buch: Inneres Staatsleben vom Schlufje de 10. Jahrh. bis 1526. 


Hartberg, im Oberlande und ebenjo in der mittlern und ſüdlichen 
Landichaft, zu Graz voran, in Voitsberg, Marburg, W.:Feiftrig, 
Fridau, Fürltenfeld, Radkersburg, Cilli, in der erzbifchöflichen Stadt 
PBettau und an anderen Orten. Die Juden erreichten namentlich 
in der Steiermark eine ungemeine Verbreitung und jociale Wichtig: 
feit, wie die mafjenhaften Schuldbriefe des 14. und 15. Sahrhunderts 
in dem LZandesardhive bezeugen und auf der andern Seite die Klagen 
des Bruders Ambrojius vom heiligen Kreuze und des ungenannten 
Chroniften von Leoben über die Judenſchaft im 14. Jahrhunderte, 
die wachjenden Befchwerden der Stände im 15., ihr Sturmlauf . 
gegen den zähen Kaijer Friedrich III., der die Juden als jene 
Kammerknechte zu jchügen und feitzuhalten bemüht war. Schon 
1377 hatten die öfterreichiichen Herzoge zu Gunjten der in Steier- 
mark und Kärnten behauften Juden eine Handfeſte erlaſſen, welche 
1396 beftätigt wurde. Von Intereſſe ift der Vertrag 9. Ernſt's 
des Eijernen mit jeinem Better 9. Albredt V. vom 28. October 
1423, deſſen bejonderer Artikel die hriftlichen Unterthanen vor jü- 
diſchen Wucherzinfen bewahren fol. Wir müſſen nämlich bedenken, 
daß zu Anfang des XIV. Jahrhunderts der Zinsfuß auf einer 
Höhe von 72—86 Percent ſich bewegte, in der zweiten Hälfte aller: 
dings etwas — auf 65 Percent herabſank und dann noch immer 
auf 43 Percent fich ftellte, was jeit 1492 gejetlich wurde. 

Nicht minder erregt unſere Aufmerkſamkeit die Beſchwerde des 
Salzburger Erzbiſchofs gegen H. Ernſt über deſſen Bedrüdungen 
des Handels der Pettauer Juden, indem er namentlid ihren Wein: 
verkehr nad) Krain und Kärnten und ihren Waarenhandel mit Be: 
nedig durch miderrechtlihe Mauthabgaben beſchwere. Man fieht 
daraus am beiten, wie das financielle Sinterefje der Machthaber an 
der Steigerung ihrer Einkünfte und die erwünjchte Möglichkeit, die 
Juden namentlich in den allgemeinen Steuern häufig heranzuziehen, 
auch die Kirchenfürſten der Anfiedlung und Hegung der Iſrae⸗ 
liten geneigt machte. Diejer Gefichtspunft erklärt auch die uden- 
colonieen in den Tiroler Bilchofsjtädten: Briren und Trient 
im 15. Jahrhundert. Auf dem wichtigen Handelsplage Bozen 
waren die Sfraeliten gleihfallde zu Hauje und ebenjo an anderen 
Orten des Landes. 

In Kärnten waren namentlich die alte Hauptitadt St. Veit 
und das betriebjame Völkermarkt Heerde der Judenanſiedlung. 
Auch in dem falzburgiihen Frieſach und insbejondere in dem 
bambergifchen Wolfsberg tauchen .fie früh auf. Krain blieb ihnen 





— 


EN oa mn. See Sabawür nei 10. Jchch B R 


Ce BE 2 eigen Enltnrgeidiäte 
Nur. ne Ta ar Im beb materieller 
AN. _ -. DD pri: Deterreid iR 
N N. 
NN. Tr FIETIEN Yufierluss 


iD UV INN 2 —-1 x rY.: 2% De rg = Jovrenihum der 
WANN AN a N N Ferm erigsenn Tür bie Bunhel: 


- PEROEEE EEE 

hd. Ni I ee ee Fra u — —u— als . 
Ä F Tirols, 8 

WMSR.a.d ee Nun. cr Ne RE Sozsrinerat u 

— Na 8 ar.’ 22 J. nr 7 . en zZ 


Fe RZ. Auumtthälern 
WMererhe PER are ee Bu m m“ u, Imr it met pörfilde 
MU Nun Nena “ Km ruacmbei, bei 
Uehla Rbar MN ON ve MW —— 7 


WE ae eo NN on as N Pi zer mem made, gennisel 
ul AR) — N Neo» .. 


ya 


Nanustem De Nom N Dome öuieellt ‚castellum) 
UND Stade immun van... nmTR!. Seinen, jalb 
burgerUchen BAD dauerX S2. 2258x zz mac hist aus DR 
verichtedenen Onelen auı Ms 2°. >m :;wırrerridaft u 
unjeren Yandern endtad na NL Sum 5. Rad, 2. Wu) 
jondern laßt and bearerten wm vun m . 
wie raſch ſich z. U. Me Qanathar na 22 mm 


—X —XRX 7 Arde canp 
Keller Halle Das deufiche „unse! Ss Art m Iusrarhbs, Kur 
und Schankbuden der vommhen Stra 32 Frrliden Armed⸗ 


Lungen erweiterten. Kam doch md vlos Dura za. ENOTIER, } 
verhältnißmäßig mehr Durch Die Heiratben unr Errmuinare Dei roi⸗ 
ſchen Yegionsjoldaten römiſches Weien sur (Seirun and Iıorrnaba- 
ſprachforſcheude Romaniſt entdedt in den aeaenmarzaen Trıisnamei 
Rorarlbergs ımd Tirols eine Menge abgeichlitrenert, umgeftal- 
leter romaniſcher Benennungen. Hatten ſich doch aud in Me 
vorrömiſche Alpenwirthſchaft römiſche Bezeichnungen eingejchlichen, 
gleichwie umgekehrt der Nömer keltorhätiſche, germaniſche, daciſche 
Worte ſeinem Sprachſchatze einverleibte, welche er nicht leicht durch 
eigene erſetzen konnte. 

Mie trummerhaft auch ber Nachlaßder romiſchen Cultur— 
malt vach ber Hölferwanderungsepodye erſcheinen mag, er konnte doch 


keuchtbar n; der Slave, der Vaſuvarier, der Ale 
ofer aweſen ebeudort au, wo deſſen Bebin- 


) der Boden bereite friiher her bes 





62 XII Buch: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


und Bajuvarier rotteten es nicht aus, es verihwanm langjam 
mit und in dem übermächtigeren Volksthum und noch im 16. Jahre 
hunderte hörte man da und dort ladinifche oder romaniſche Sprache, 
wo es jeßt jheint, als ſei fie da nie gefprodhen worden. In ben 
beftehenden romanifchen und ſlaviſchen Ortſchaften wurde der Deutſche 
das immer ftärfere Mifchungselement; überdies aber umgab er die 
Niederlaffungen der älteren Bewohnerſchaft mit immer mafjenhafteren 
Neugründungen. Große Waldgebiete werden durch feine raſtloſe 
Arbeit, mit Art, Feuer und Schwert für das Menſchendaſein erſt 
gewonnen, und auf eine ſchon erftorbene „Culturgeſchichte“ folgen 
derartig oft zwei weitere, jo daf der Hiftorifer ähnlich dem Geologen 
mit dem Hammer urkundlicher Forſchung und mit dem Bohrer der 
Sprachwiſſenſchaft arbeiten muß, um die Geheimnifje des „Bodens“ 
der Gejchichte zu ergründen. 

Das Anwachſen der deutſchen Anfiedlungen in den Do» 
naualpenländern zu berechnen, wird bei dem ftets mafjenhafter ans 
ſchwellenden Urkundenftoffe ver Länder (Klöfter, Gemeinden, Einzelper= 
onen), bei den wachjenden Nefultaten ber Ortsnamenforfehung, der hiſto⸗ 
riſchen Topographie und Archivswiſſenſchaft immer annähernder bes 
rechnet werben können. Hier möge bie gelegentliche Andeutung Platz 
finden, daß in Nieder-Defterreich um 1100 etwa 60 Pfarren, um 1200 
beiläufig 110 Pfarren, alſo bedeutendere Niederlafjungen, abgejehen 
von den kleineren eingepfarrten Ortsgemeinben, gezählt werben. 

Hier ift ums auch ein Ruhepunkt geboten, um einer äußerſt 
bedeutfamen Thatfahe zu gedenken, welche ſowohl für die Stände: 
als auch Culturgeſchichte von Belange ift und insbejondere feit den 
großen Kreuzzügen im 12. Jahrhunderte als deren mittelbare 
Folge zu Tage tritt, — die Hebung der bäuerifhen Beſitz— 
verhältniffe, dort, wo ſchon günftige Vorbedingungen beftanden, — 
namentlich im Lande Defterreih und Tirol, durd die örtliche 
Berfplitterung des großen adeligen Befiges. Zahlreiche 
Grundherren kehrten nicht mehr heim von den Kriegs: und Pilger 
fahrten in’s gelobte Land, nicht wenige verarmten dadurch. Ueber— 
dies bezeichnet das 12. und 13. Jahrhundert die Epoche des Aus: 
fterbens großer reichsunmittelbarer Gefchlechter, die in unferen Ländern 
begütert waren (3. B. Schala-Burghaufen, Bogen, Peilftein-Plein, 
Falfenftein u. A.), und vom 13. auf das 14. Jahrhundert mehren 
ſich die Anzeichen der gleichfalls feit den Kreuzzügen durch den über: 
handnehmenden Lurus hereinbrechenden Verſchuldung abeliger, überdies 
vielföpfiger Gefchlechter. Die mit al! dem zufammenhängende Ver— 
äußerung, Zerfplitterung bes Güterbefiges, leiftete der Pachtung, ja 





4 I Eı$ \rrews Zuumdeler E hi I 


m serien eurem ur Art 15 (um ie Der 
wmitiı: m mar Grurtsme beburteem, und vie viel 
made eu mn em Bere Leoben 2eensıez Tirols aroß- 
azre Samt zum mes Zerceger Umer-Inibdal. Denen 
Brenn 2m 1444146 Inwerumiliie Berisicung erbielten. 
Auch Te Yrmark im Eriätrbei, m Tartusan, bei der 
K:cenier iSahione: erbiziien 1453, u Rattenbera 1453 umb 
zı Eint'S2cre 147% Bergichqungen. Für den Bergbau auf Salz 
m? den Lem wrocindenm Salinenkerrieb mure das Bud des 
Sxinmoms um? Ei „Kid und Geieg Des Berges— m Hall 
meszcehen!. 

Zu den ülteren Berztzuiogungen :üblen (1342. 1344) Die 
Salsburer ud rer Aen Die Kärntner. St “eonhbard 
kengt rom Jebre 1325, das humberaiie Iolisbera ron 1344 
bis 1366, des ialzburgiiche Hüttenberga vom Jabre 1494 auf 
(Srundiase alter Sasımam, Zins von 1455 an — törmlide Berg: 
regsntenten. 

Eine bobe Bedeutung für die Geſchichte des Bergrechtes be 
beuster auh die Zteiermarf durd die Zhladpminuer Berg 
erdnung ron 1405 und durdb die Murauer Sagungen für den 
torder: und innerbergiihen Eiſenbau. 

Mas die metailiibe Ratur des Bergbaues hetriift, io wog ber 
Abbau edler Metalle in den Tauem 1Gattein, Rauris, Ober⸗ 
Pinzgauſ und im Lande Tirol, der Ciienbau in Änneröfterreidh 
rot. Hier waren das taliburgiihe Hüttenbera in Kärnten ber 
reichine Ersboden, das Yorder: und Innerberaiihe (Nordernberg 
und Eiſener:) su beiden Zeiten des „Erzberges“, im Lande Steier, 
die hervorragenditen Citenreviere. Kärnten bara überdies eimen 
Schas von Bleiersen (Bleiburg, Bleibera, Karel). In Krain 
war Eisnern die Dauptrunditätte des nüglichiten Metalle. Adria’s 
Luediilberreihtihum wurde eritt am Zchlune des Mittelalters (1490) 
entdedt. 

Tas Tauerngebiet zeiat am beiten in feinen zahlreichen Spuren 
uralten Bergbaues, wie viel davon ſchon im Laufe des Mittel: 
alters veriallen war und veriholl. Weberbaupt war zur Zeit des 
15. Jahrhunderts eine neberhatte Speculationsiudt im Glüde: 
iviele des Bergbaues an der Tagesordnung und Itand mit der Er- 
giebigfeit des Bergiegens im umgefehrten Verhälmiß. Ein klaſſiſcher 
Boden dieles Treibens darf Tirol in den Tagen 9. Zigismund’s 
genannt werden. Auch in Kärnten gab es viele Fremde ala Ver 
juder des Eijen- und Bleibaues, namentlich Venetianer. Daher 





er, XII Fu \nneree Ziaa:öeher nom Zieht Des 1 er. Ichrt. bie .".. 


het, Stern: Micoitern, Tun, Wien, Heimprra. Te 
alte ZSreiner Meutkierene, enge der augrühriicnern Isacıen: 
resitter, 'prıht ron ber „inmiden“ Reutmermsciierm: reset, Dem 
Haurigemürze Des Ahrmeisizere, (solaemmurel, \namer, Gewürz⸗ 
neiten, Wustermiisen. Keebiumen Crmrine, un? Den „örtehrichen“ 
Waaren: Setden;zrugen, Lermurmomen, Sindel, Yrietieraemendern, 
Soriwerbiätern, Zcrier. ren Dcustmone Der Wiinelmerrbandel 
Ieneniae beide. rn norPiüniger Mıcnma Fonme cd Ken 
bed über Wesensturc feiern Yon en liet Die Strafe lilmmärz 
gegen Krener.-hecnotz, wm Thore Des wichtanen briicen 
Ayermxe ne Km meizer Züden, überichrin don Scmeringa, 
en beien vum Zeormen "ir Me Rerderachtt der midmate Urt 
wurdt, Durs.ar tee Mürion me Krud a. d. WM. und haa dann 
zum obern Muriseen ern, xı Zezum, \udenbura ror Allem en 
Handel merzer vermitmier. 

Ueber Un: mork %52 tern der Handelsweg rom Minmal Der 
har erinie at sem Mermerd, und her Die (sehirastenfe nad 
RAzrrtien. ur keribru tu Trieiad, Den aunman gelegenen 
Im ın einen Brusfdnine des (Sebirges, und lief dann aeaen Er. Weir, 
Sce um jdn“ ze Acustmauib Der italteniſchen Waaren ericbeint 
und un Szne linmniih on der Tonauitraße gegen Villach Ienfte. 
ah nrurs Sandelebidiumung bob "ch er im 16. Jahrhunderte, 

hu über den Yoitl in Auinahme fam. Yon Yillad 
9 Me weiide Sonbelentraße Qeaen Terris, Malboraberto, über den 
lot. doniatel: Ponteba, in's Friauler Yand an Wr Fella nad 
Ienire an er Klauie und meiter nach (Senona (Rlemaun) und 
uder Fercuatic⸗ res Treviio. Auch Kolhbfermarkt vermittelte 
pen Hander mit Italien cur der iur \nneröiterreich wichtigen Straße, 
meide ensrieiiz Die Tonau hinaui gegen Marburg in Unteriteiermarf, 
——— surf Das Yarantıbal über Wolisbera, St. Andraͤ genen 
Obdad in Tberieier abımeiate und ſudwarts von Volkermarkt über 
Kar! sum Marteren ir, um jenteits Deitelben auf Dem Moden 
Krains nes Krernburs, vaibad su ziehen und dann vn Wip— 
rad uber Heittgintreu: nach (Horz und von da in’s Frianliſche 
abzubiesen, an deiten vasunınfutte Marano cinen wichtigen Stapel: 
pier ateab. Yon Grr: :59 eine Straße länas der Küſte gegen 
Vionteicone am aledramicen Merten und weiter am Küſten⸗ 
jaume nadı Trien, das «inzrieiis mit Krain nordoitlih durch einen 
Handelemeg aegen Adelsbera, Zirknig, Ober-Laibach und weiter 
nad Laibach, andererieits an ber Küite mit din Städten des ve 
netianiichen Yitriens und länas der Lena landeinwärts mit Piſino 


r 
ie 


_ 


2! '£ ner 





a 275 27 ir... Zuw. mer nm Dot oe wol CIE 2 

Bruno Bi o.2 om nme N.TAO LIMIT Domes 
m... or 0m, Nm 27T alt 2.2 "ori ı Dom 
te Eile. tet NETTE MT NRINT PS m —-g 
AUT lTEmUToN Lorg ir Veremmur mi en_m nz or per 


Sum: mmmlimit Te MIT SI: LiICEXRBDAMàNGAX. 
DZ ALE 1ez ri DrTiimamet LII TOT OS ATT- non 
ν SLENLITELIILen #92 9 MIWET Te IImMT art emerer 


eu an DETWET TO NT EREnteT Dur Sormoe® 
wmuet Dort NIIT N EN Date oT Bei nam 

De zume ZT er 32 12.2, mu Acmzz nz az Iiem 
erieiztieimitän, 07 1rzuniemmen Done Iron 23 00 wür 
Emm ıii BIeieT. 


werte WU . _ir.22002 SI? ur INT 


AL ar DIL WIITeLIl2. rue lemmes2 IT ı T: 7 
ererzenı 2 Tun Wnmuzmisvur T Dohiseoa 
te De ig Prem 3 ZHTLELI MI MT. EIER I. m 
nl; 0 Dur WT Miet CTTETLITTET TUT wer Do Ziroken: 


Wie 22 mE Miet. n Lara hııza 22 STIIT Ir 


T 
ARM. NIIT wm Get MOTTO RMIIBAIc. (DE 


⸗ - 
.. . » .o » . Fu: [1 un Pıao - LTY} vs. [_ I 
uni Zı., „mmietspo Iuro wem Anemortornie — ————— 
y _ ..: eo ef „00. = -_ .® ter — · = Pr 3 Bi r 
“na PETE Zu m an. — .. .o =. Zee. - ans Be T u “u "un. dia XAZ 
. m ers - . Fa |. > - 
"SI NM. TIAT. 27T ILZ a r.2 „KT SET. T VTVſCẽ. Lv 
- “ hi - 
TEN nun In 
Lo 7 - - 
- - 1 won AB... » „u »_ ,- — m u 1) 0 . m» ⸗ 
hen Det ME _ILMITT LT ZZ... Ti’I1T[e 
TH u LPT Er BET 1 Bur Be .- = ⸗ ⸗ von > .... ir  . —ms Do, 1 urn, 22 
.4 Fl -''. . 26— 22 denen u 22 =» am mn m en „lu. ..'. — a" 
„eo: wm uo® 2 0.8 = --—._.n .. . vn n - .ne.= Zoo. nn ne un. n * 
De u ur er Be zo 2 — 2 22 “ " no 224 . 622 u nm ar mu. STEILE 
—R 4 RP \e Bu muy - .n 0; u... v, .  .—n. m ’u neo,.. . — rn m. FD au 
“ - -. — nu vum wo—_. - u. — 5 land mn. - mn a. 0 on u un m on in. 
ma v1. nu os >» vv. - Di no nn.“ Du 7007 -m mn un dm oa La 1 
m... -. —— ..0 . =. .. nmau0ne 2. .o'’ı,. a. - .—h “u. =. Pay ran 
- — nn — - - .ı. 
ZuZ Wi DATE ETTe. 1TI SATTE DLMT OWmTIInI IT FTIR 
‘4. . da vo. Lau] . T - —— va u — -»man m >»... = - ..- ur mn nam nn. 
- Pi - m .. _ Pu 2 « - 0 .in 1} . Nun .,. urn FRE Fee Zus 
=. .. ®. .'. Tone en 2 ..; man ® Dr. . a, mim — A, nF — “u. en und 
[1 "nn... .". » m srun m .n .'. we... — 2... De non. Jnute =.» “uma6 {RR 
„un TIT" un Da In NUITIT IE DNTUN ZLUETII era 
“-orın tom on . u. — .. » -- om Dans u an — — N 
LITT net el UT ZI OMITITGT Tun m PR wart 
sur Tel RITTIIT „eieriiert ann” 
„ - ve. “.n nn 2... m... | w - - un. nm u > = ,_ .. " 5ñ 
- “ um .. Dr Tr - m mn 2. mm u 0 2 [ea aa m 
1. 2.2 er mac nun TUreoeds 
f} . 1 - eo m. 08 P ..g ” . y - „. I nr I; ne - m " — u ne 4 Ir 
. u um n,—- Faser \ PFT EEE Per NE a 4 on 2 — —— 
| . - Pr >.“ = “m . - no da } 
zi vor er Wa ° x rem Wo... 1.) m:lampı:#: Sun 
" ” 5 - 2 m . . 5 1 
un. „(er zack nr —14 Sobrh men bit sono. Mori 


ers: Irsen 25 Grice ılAblı 
Erg, Koma zur Roman zu (18,1: T. Rümmel, 


XII. Bud: Inneres Staatöleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 69 


Die Hauptmomente des geiftigen Eulturlebens fnüpfen fi 
zunächſt an die Klofteritiftungen ber einzelnen Länder als Pflegeftätten 
des Unterrichtes der Firchlich gelehrten Bildung und religiöfen Dich: 
tung. Benedictier in eriter Reihe und Eifterzienfer erfcheinen 
da maßgebend, denen fich regulirte Auguftiner Chorherren, 
Brämonftratenfer und dann die jüngeren Orden, Dominicaner oder 
Predigermönde, Franzisfaner, Minoriten anfchließen, abgeſehen von 
Carmelitern, Karthäufer u. A., welche im Verhältniß zu den erft- 
genannten Orden für das geiftige Gulturleben als von untergeord- 
neter Bedeutung erjcheinen. 

Im Donaulande Defterreih, wo bereits ob der Enns in der 
Agilolfingerzeit Klofterjtiftungen (Mondfee 747, Kremsmüniter 
777) beitanden und im 11. und 12. Jahrhunderte fieben andere 
bedeutende Klöfter, voran Lambach, St. Florian und Garften 
(1032— 1112), und jenfeits der Enns die reich dotirten Schöpfungen: 
Melt (985? geftiftet, 1089 —1116 Benedictinern übergeben), Gött- 
weih (1083), KIl.: Neuburg (1133 von regulirten Auguftiner 
Chorherren befiedelt), die Gilterzienferitifte Heiligenkreuz und 
Zwettl (1136, 1139) erwuchſen, — äußert fich deshalb ein reges 
klöſterliches Schul: und Literaturleben. Für die geichichtliche For— 
fhung bilden die Traditions- oder Saalbüder der Klöfter, 
ihre Urbare und Todtenbücher (Nefrologien), vor Allem ihre 
Jahrbücher, die ältefte und mwichtigite Duelle. 

Melt wird ſeit 1123 die Meutterquelle einer annaliſtiſchen 








Die Anfänge deutjchen Lebens in N.-Defterreich während des 9. Jahrh. (Habilit.: 
Schr., Leipzig b. Teubner), reich an Detail und Kiteratur. Die Arbeiten über 
Tirol von Steub (vgl. auch f. Polemif mit Innama-Sternegg), über 
orarlberg von Bergmann, über dad Tauerngebiet von Koch-Sternfeld. 
„Ueber Bedeutung und Urjprung deutſcher Ortsnamen in der Steiermarf”, e. 
furze Studie v. Krones, erſch. i. dem Album „Baujteine” v. Schrey (1372) 
und dv. bemjelben die Skizzen: „Ein Thalgau des fteirifchen Dberlandes im 
Wechſel der Jahrhunderte” in ber Zeitfchrift „Heimath“, 5. v. Roſſegger (1877), 
Mai, Juniheft u. Sep.:A.; Mayer im 6. Hefte der Topographie v. N.:Dejter- 
veih (18731. Urkundl. Beitr. 3. Geſch. des jteierm. Zunftwefens v. Zahn 
in ben Beitr. 3. 8. fteierm. &. (1877). Ueber den Bergbau f. die Fit. im 
Abſchn. von der Staatsverf. u. Verwaltung. Insbefondere: A. Jäger, Beitr. 
3. tirol.:jalzburg. Bergw.-Geſch. (1875), Arch. f. K. öfter. G., 53. 8. 2. 
Geſch. des Handel3 außer der oben cit. allgem. Lit. nod Roman Zirngibl, 
Geſch. des bayer. Handels (18317), ferner die geſch. Prov.-Kiteratur; insbeſ. Pritz, 
Zauner, Pichler, Muchar, Herrmann, Dimis, Gzörnig, Hormayr, Egger u. U. 
die Monogr. 3. Geſch. Wiens. Reiches Urk.-Material in Meiller's Reg. in ben 
Anhängen 3. Lichnowski's Geſch. d. Haufes Habsburg u. A. m. 


70 XII Bud: Inneres Staat3leben vom Schlufje des 10. Jahrh. bis 1526. 


Geſchichtſchreibung auf Grundlage der Weltchronik Hermann’s 
des Lahmen, einer Leuchte des wilfenichaftlich bedeutenden Schwaben: 
kloſters Reichenau, des Rivalen St. Gallen, und während die 
Melker Annalen felbjt uns bis in das 16. Jahrhundert das Geleite 
geben, verzweigen ſich Abjchriften und Fortiegungen der Melker 
Annalen, Mondfee und Göttweih ausgenommen, das jeine eigen- 
ftändige Annaliftit hatte, in alle genannten Klöfter. 

. Einer der bedeutenditen Gelchichtichreiber des Mittelalters, Otto, 
Biſchof von Freifing (T 1158), der Babenberger Fürftenfohn 
und Gifterzienjer, hatte jeine Yaufbahn als jugendlicher Probſt von 
Klojterneuburg begonnen. Seine Werke nahmen ihren Weg nad 
Deiterreih. Melt, Göttweih zeigen die Aufnahme und Pflege 
jener geiftlihen Dichtung des 11. und 12. Jahrhunderts, welche 
im Frankenlande gepflegt wurde und jo bald in kärntneriſchen Klöjtern 
bodenftändig erjcheint. Die Dichtung von Anegenge (Anfange), 
das Melker Marienlied, die drei Gedichte der Klausnerin (Inclusa) 
des Melker Klofters, Frau Ava (T 1127), Heinrih von Melt, 
ein öfterreichiicher Adeliger, der nad) manchen Stürmen die Zufluchts- 
jtätte in der Mönchszelle fuchte und (1153 — 1163) das tiefjinnige 
Gedicht „von des todes gehügede“ (om Gedähtniß des Todes), 
ein Memento mori, jchrieb, verdienen Cmwähnung als wichtige 
Denkmäler alter Dichtung. 

In Kärnten, wo e8 alte Klölter gab (Oſſiach, im 9. Jahr⸗ 
hundert erneuert, Lieding, St. Baul, St. Georgen am Längenſee, 
Millftatt und das fpäter jteiermärfifche Benedictinerflofter St. 
Lambredt im Thajagraben, 1103 geftiftet), und wo, feit 1071, 
das Gurker Bisthum anhebt, eritand die jogenannte „Wiener 
Geneſis“, eine bibliihe Tichtung ehrmürdigen Alters, die Millſtätter 
Sündenflage, Heinrich's Litanei, das St. Lambrechter Gebetbuch, die 
St. Lambrechter Marienſequenz. St. Lambrecht zeigt überhaupt, wie 
durd) die jüngiten Korichungen nahe gelegt wird, einen ſehr Frucht: 
baren Zujammenhang mit der Dichtung des deutichen Mittelalters. 
Diefem Benedictinerjtifte gehört als Abt der berühmte Hartmann 
an, früher Probft des St. Blafienklojters im Schwarzwalde und 
Abt von Göttweih, mit Heinrih von Melf unberechtigter Weile zu 
Söhnen der Tidhterin Ava gemacht, — ein ftarfer Verfechter der 
gregorianiichen Kirhenreform (F 1114). 

Unter den Klöftern der Steiermark eröffnet den Reigen die 
Nonnenabtei Göß, eine Stiftung der Aribonen, aus dem Gejdjlechte 
der Pjalzgrafen Bayerns, vom Jahre 1004. Ihr folgt Admont 
im Ennsthale, eine Gründung Erabiſchofs Eberhard von Salzburg 





72 XII. Aub: inneres Sroatsiehen ccm Sue eb Je Sabrb. 3 TOM 


Liehtenitein, mit feinem „„tauendient” und „Anmis” ı7 1275), 
iit ein Steiermärfer, von Bebzutuna in der Seihidıe MS Yan 
und wohl aelitten am Hoie des !egten Rabenbergers, dem ır einen 
wehmüthigen Rachrui sollt. Er in zualeib Das Protorop des in 
Nerfehrtheiten gipielnden BRinnedienites. Der Cbsmann und mu: 
milienvater, dem es überdies nicht an Geltung im rolinidben Leben 
der Heimath aebridt, durchzog Me Alpenlande rom Rorden der 
Donau bis in den welichen Süden, einmal als Köonia Arms, das 
andere Dial als „Konigin Kenus“, überall bereit, Yanıen zu brechen 
und Ringlein eussutbiilen. Tem Schreiberlein dictirt er Yieder und 
Brieie an eine ĩprode, Liitenreiche Herrin, deren Waidınmiter Ulrich 
su trinfen bereit itt, um Deren (Sun er ſich unter Bertler und 
Austägige miiht, Der zu getallen er ich bei einem Grazer Arte 
die wulnigen Lippen ausickneiden und mit ttinfender Heilſalbe ein- 
reiben läßt u. i. m. Tie Zeitaenoren heurtheilten dies anders als wir. 
Man begrüft ihn ron Zeitz der Genonſen allen Ernites als Königin 
Tenus, Frauen bilden ortlib das dienende Geleite des Ritters im 
‚stauenkleide. Noch fuhren die Adeligen aeme in ihrem Areiie 
Namen, weldhe denen der Tarelrunde bes Königs Artus, der Helden 
in den besüglihen minelhochdeutichen (Selängen entipreden. 

Toh Ser Ulrich, der in der Zeit des Niederganges rinerlich⸗ 
hoñſcher Tichtung und der beiieren Tage der Winneiinger ſteht, 
dern mir auch icinen Landsmann und Zeitgenonen Herrand von 
Wildonie beizahlen muiien, mehricheinlih aud, einen der Soun: 
efer (irater Eidlier, Seren Konrad, und den Ztadeder, aud einen 
Steierer, betigt angereririts Emit und (eilt genug, um im „Itwitz“, 
in ber lehrhaiten Tihtung von den Gebrechen der Frauen und 
ber junem Zipre Les Nitterthums feiner Zeit, den Tert zu leſen. 
Zchrieb bu4, iton hundert Jahre früher Heinrih von Melt 
neben Dom, worin er bie Lermeltlihung und die Geldiucht des 
Klerus geiielt, uler bie Schleppen und Schminfgelichter der rauen. 

Uridi's von Liechtenitein jüngerer Zeitgenoite und Yandsmann 
it Der Leridiſjer Der großen Reimchronik, der Tienitmann und 
eitrige Anwalt ner Liechte nitriner, insbeiondere Herrn Otto's, Ulrich's 
Zohms, Ott otar (willkürlich von Hornek genannt), der Schüler 
Vieiſter Konrad's von Motenburg in der Dichtung, welcher allerdings 
beſſer zu „jagen“ als zu „ſingen“ verſtand, aber eben darum mit 
ſeinent Werte non mehr als 30,000 Toppelverien, bei aller Partei- 
lichkeit, eine unihägbare Geſchichtsquelle uns hinterließ, deren Geleite 
wir von 1246 bis 1309 nicht leicht entbehren können. Er über: 
bietet darin weit den älteren „Janjen Enenfel” aus Wien, ben 





ge [ur 2 2 v [20] 2 >» 
L 7 - = 7 * z u... £ 27 “ Zn a 222 _ ass —o rı - um 
. - - — — .m - nn op m - - eo m ® o.,- - u N nem 
- . ⸗ n -ünı a ⏑ 2 “0 i = - 000. nn... T - - Nam. u On 
— .-. = ” = .r — m v ⸗⸗ x — une, — - ” u = — ⸗ 
—  " um m -. mu ,—.a "u — mu. — 
⸗ — v— |. um on u a 4 [2 — — -- - . m — —— — aM 
”. m. - ..:. - — — —— — —— wa m — a 0 we nn am Lu} 
o,.ygo a .._- on m gm 4 vos . = — u - 0m " v 
P — - - - . „m —_ m 2 — in „ns = - “un as 27 —2 > ns 
“ . . "oe m.s v - . 3.0. — ” v— - {m - — - ® - n-m@& 
- [7 .. - an. % .. [ ur Kg 1 . — — 25 nn.” 
‚ . .. [ Zu: - [> 2 . [ Im md. — men — —⸗ 
2 - wm. m an L 1 -. m a ee En 21 
- “ 
“ - - - — “ .. - m ..—n 
.. - -.. - ... ” wm un en — — SET 
. u... nm. 5 ... " iur m. „.. .—_ ®@ — - u m - m ⸗ I un m m a men, 
-. .. = - u". nu un u m — un nan u — — 4 .Lar 
u... Mm - ©“. - ‘ L Ba ...- ——4 > .2 © .. - = na ã—— - .- 
" — a —“ 7 a mm - „uw 2. — | dd dm dm m m— m ww x m — ER, 
.-.. — * 
... u." . - De > .o sl =. — ,c 
„ . ’ - - -". m - — mu nor — — 2* 285 ———— u u Bun un A 
⸗ - - - 
..... us ” -_— um ..- “ "m .—u wm m. = um 0 mn m m m m . 
„” ’ „.. ji 75 - = .u 2-7 uni . . N om L — an % =.“ Rn: 
- um - 
-„ r > 24 — *9 irn [ u SE Zr J “ .. -—. - a6 
- _ - . =. 2.0 ⸗ — u. m en |] en 4 
(2 ..... ..- .o. L Im re u nm nn 1 > «. In .e.. m “tn [2 3. 
„ ji an a,u0 = 224 II. m. ... “oe zoo 0.‘ mu 2.00 7 
. r} 2 = - ..0_ . . 2 » F — 01 u 5 [2 m num .a* m. nn m we d » a q 597 
0 [ u BE Br Br En Er Er Br Zr ur} D 7 - [7 = nm ms“ —-— —,;,- nn om .. — an u itT 
» - DU >; - [1 Ks 
„ms. Pe .. „eo. . » - m... ..0ar - L m eounm um nu sog man 
DIET Ber Zur Zur ur Be «7 = . 2 “en “r ..= u. .m. nn wesen > „um riun 
- | * —_ [} . 
...0. . 0. Pr - » 2 E De Br er") = m nun -  ma.m — a % N 
- r . = pe 5 — mu 8 m muB a. sen m. U .n5 1 er N 4 24 1. Ken 
. - . — - - 18 
M — U} P} - u... .. m 0 nm. -.—.:-— | - ——— — — 
- “7 — . m. om - —* 2 2 Leni. anne ‘m TR Ru. 
⸗ —— 2 -_ -®» .,in 0. 5 mn. — Wen ı: N) 
.. .. 0. - - ..53 non . man. = — 22 Bo | re Wr IrT en ne 2 n 
- - — 
‚ - . w 2 2 .w >» um. .mma96®%» = a2 m 0 m u ern 
5 — * Par” eur - ..u tn en Lad We DE _. —— — ark 
- - = - - 
[ . a .. .. m. wm m m u wu = un L} m > | vr; — ame -o. .. 
w ” .. ‘ Find ⸗2 2 — 7 Du Fine [ ⁊ 7 C » u a 2 r 7 KWIZTT und rur 
. Pr EEE — 23 —V — wu” - m. m id! „un Som non (uımemen Nubö: 
... mon. zu nuna”. Zn — u. ran cn ... a >. a wu un sl um - 
. ” 


irn: atwen es on un Darum ]440— 130% Nr namizer Vicrrer 


rem an Serzarerı mir Iamer „Wammert an) „irtectien 
Winnie, ar nomun uni on@mirun Brenn her Wchrung. 
Ze maiitzie Dir Meschriamiet ann Ziulbil: 
ir. fhr 2m Hioom menltur an, wi ns Vhors Yoruange 
ne mann ost hg „Miben rin Run — Das Trivium 
nme, Shurbons Derzeit und Camreriem Art bment, 
Kareatzz, Ist ur Merıeom am tbeinndcen Zune gelehrt 
miven. Zr kenn grmgr De Bohorsten Zalsbura, mo 
22 2 ,teNenr Annalen unegr Yonderenmiese mi Anklangen an 
5 


33 9772 Frtannenenftandn und das Renedic:mert. cirer St. Peter, 


[2 2.1 ro iereimeie „Vereruderunzsius”, en Zdas fur alte 
[arte Zoruts ums hiſtoriſche Narıonsfunds, angeleat wurde Die 
Er:rertZioaleron Zt Veter wdich ichon ieit den Tagen des 


.n Grisitire, Arno, des Freundes und Schulers Alkum's. Im 
l 2. rhunterte bereugaen Die Urkunden das Gedeihen dir Convent— 
Ya ak Mremsmuniter, Gottweih, Melk, Garſten, 
tern ung Admont; deren Vorhandeniein bald auch in den 
anzetem Miierm, wie Yambad, Mondſee, Michelbeuern, 
Zeitentatten bei den Schotten in Wien, besenat wird. Bald 





JE III FA  nmeens Zresisiben som Eb.unie 5 Pi Scbry bis Sn 


im MNBeinne Finer entmidlungstähigen Bibliothef oder „Liberei“, wie 
er bamalsz if, mit Stiitungen ausgeitattet, die den Iamen „Bur: 
fen Churzay fuhren, 3. 3. Lamm-, Brüden:, Tauls-, Roſen-, 
Vilien, Polen (oder ZLanfota:) Burta, zu denen Goderien und 
Armenhanier fur Studenten traten, zählte die Wiener Hochſchule 
hereits in ben erften Drei „sahrzehenten ihres Beitandes viele Schüler 
von Nah) und Kern und berühmte Theologen als Lehrer, To Heinrich 
vom Längenſtein aus Seifen (7 1379) und Heinrih von Noyta 
(| 1397). In der eriten Hälfte des 15. Jahrhunderts waren 
Thomas Ehendorſer von Haſelbach (7 1464) als Theologe und 
bie hberuhmten Nealitten Johannes von Gmunden (F 1442), Georg 
von RPeuerhach (1461) md bald aud Johann von Königsberg 
(teyriomontanıs, 7 1176), Yebrer und Yorbilder eines Koperni- 
fs, ‘rotefforen von anerfannten Rufe. Gleichzeitig begann 
auch der Einſluß humaniſtiſcher Strömungen, welde dann 
mit Aeginn Des 16. Jahrhunderts durch die Stiftung der „‚gelehrten 
Donaugeſellſchaft“ (sodalitas danmubiana) in Wien das rechte Bett 
handen md Das geſunkene Weſen der Univerſität wieder hoben. 

Maximilian's 1. dieobezügliche Beitrebungen fanden an dem 
Magiſter der freien Münfte und Universitäts Zuperintendenten Bern: 
hard Rerger. ano Stainz in Zteiermarf, und an den beiden Näthen 
und Nenenten: Krachenperger (Gracchus Pierius) und Fur— 
magen eifrige Forderer. Es kam zu Berufungen bumaniftifcher 
Yehrfrafte, an Deren Spitze der gelehrte „Wanderprediger des Hu— 
maniemus“ und pocta Inurentus von K. Friedrich's III. Hand, 
Konrad Colten GPidhel), geſtellt werden muß. Bald erſcheint der 
Vranfe Svießhaimer oder Spieſthamer (Uuspinianus), der Ve— 
netianer Merononme Valbi (Halhus), der Trieſtiner Ronomi (Bo- 
mens) die Ingolſtadter Collegen des Celtes: Andreas Stibor 
Naben) md Johaunn Stab (NStahins), daun Watt (Vadianus) 
ans der Ochweiz. Vogehrn und mancher Andere, namentlich aus 
dem wehchen Juden. von denen Emer und der Andere ebenſo raſch 
verrweand ale er gekommen war. denn Der Gehalt war klein, und 
m der Regel dunſe man keu Gollegiengeld erheben. Der Mino— 
war zn Water und poeta lanreatus Raulus Amaltheus tollte 
U Non Otunden zagtide uber Voetik nnd Nieten leten tur eine 
Jabresſbetatdina von DO ONENEN VOR opne Conearenaeld. 

Die etebrie Denausfceldait welche ſon vor Celtes' Ein— 
vet m Wien deurnd und Nm ungarzchen Ra di Söbanın Nina 
vn Vera gg Uland zum Praiudemen Date, cumoidelte ſich 
Antara Mo adiien Jahrbundertd nad dem vorsuasmwerien Aus: 





- a ag k u "ir = - “ pP r 
Bi, sheisterkitde, on run Ir Dloscı sum.s "Ti 727° 
enidme Hz urtenr.ım RM; zumizı lm (mies mame IT NZ 


)..;e= . Inn" -..n..—.-n Tan. r nn. 


- m; .|a,. > 
Fr  “ — [m [ GRgEEr Er u wlan 0 un'a . on 20 -—- us - 
N — 
ur rwmtien rar Zrmame. 8: 
„rm » u. Le} Hama „ = wei gun ” N. 
. « “ 
„non Ana» ur DW 7 nn 0m 5. na. u a 


. ⸗ 1 — u — [| — 
— . . —— CE 7 [_ u ram von - mo u 2 
ware — 22 Mualmian, ın zIunm  1aluı au Zinn 
X ya 
. - on we X qa > bimnı% - 3 
LG wu. use ww ‚E zn. “aa {om m! m mu aa m .„iT Dun 


wu 2750 (-; ‚me. », . .ueij: es mer Y-ıssmmen,yr Te pe. 


an 24 — — Iueomaln atım ⸗ ee Ver — en lm sum 


L,'- - - Di“ %. ... 4 28 
Ir omiren mir ur Ira) sin K22? 


unn an Insm N 


eo re —XX —* — * 


33 >» zu’; zu WM; muss * 
nennen „un um dam mu „mes. a, em 
[2 


2 
Ti» -£ Tor 


— 
157 —— — — ———— * rar suniar Tie 2er ——— ==> 


a - 32 >» >; 25. = —— — Pi v » 1* = - 
Burn ın mr Zırı tr andern Za unter . Autrbunmm Er: 


—— « ö 
.- 4 2 .. 5 21 > ” n “ om m‘ Bu . 
Kigır zürgıım ıın Zahlun Semi ar! vaiensrunz 33 Be: 


were, Malz, Shaun, Mummerlu, Zoran: vu Ye<inı zu SZ! 
vr 


m n sufsähren sı.arım Mer 
lernte ir um — des cruen Mirzelatters, 
.. . II. akrkarern, mriiien Sh Becuſculen, Koftertünen. 
mite merken br, Tarot muen So lange der Halzbau vor: 
BJ 2:2 11. Nabrbunderts und nod tnäter, 

örmizgin. Kdar Mirmann ron Tatau errante 

Krrbm mie zn brtiisen Zreintauten, Die er auffubren lie; 
in zyd in Neker:Zeterteih. Huch Die romaniichen Kircbenbauten 
ber irren nike iemer dunfräiden Steinmegarbeit in dDietem Aufmande, 
mie tebe Me lsorbit, der „Deutiche“ Bauttnl, vom 13. bis 15. Jahr⸗ 
Ganzer: entmier un) immer mehr in Yaienhand, erheiidt. Die 
tuntmarire Zreinbau: und Zteinmegarbeit wurde der 
Schwerpunk: nes \nitutes der Ba uhutte oder treien Genonen: 
iharten Dis Kirchenbaues. An ihrer Spitze iteht der Meiſter; ſein 
Stellvertreter tı der „Larlierer”, der über die (seiellen wacht. Die 
Bauhütte hat ihr (seieg, ihre Yebensordnung, ihre Werkgeheimniſſe, 
ihre Zeichen. Sie vragt den Baudenkmalen entlegenſter Räume den 
Stempel der (Sleihartiafeit auf. Die romaniſche Bau: 
tuntt, die im Züden der Tonaualpenländer von Oberitalien (Friaul, 
Acuileja,, im Norden von Banern- Schwaben vorzugsweiſe beeinflußt 
eriheint, wid im 14. Jahrhunderte ganz der Gotbif, welche aud) 
ke: uns Herrliches und Figenartiges auf die Nachwelt vererbte. Aud) 
bet uns fann man Bauſchulen und Bauhütten in Thätigfeit gewahren; 
ielkit in kleinen Irten. Man denke nur an Murau in Oberſteier. 
Auf der Meitter- und Geſellentagſatzung in Regensburg von 





Pr „= I 2.11 nn 07T LIL .E m 2. 
Smile LO MI: nr im man 
ia won ıL TIL I Tr 22 0 2 art sr 
LET. HIN mmiT mm mm Sm Wie 
= =. 2 LI Ten DT Ti mr 
mau nen zz ru umt-rı 0, . 
_ re lau mi Sein ru -mı_ Vzmmuis u 
un ALT ul mu mi Loc 3: as 7 
.. 52. BETT ms Wi — m. Mur Won: 
n. . a DEI N 7. 77 2m Immer Zemmmimne 
. 2 2 7 nun „manmpar ur Deo 
Dr 2 = mmmmm: viTz !2 TImT2T ommme: 
un. LUTmTatir 1 un Ir vr S7zum 2 We 
“DIN nm oo Temen MS 22 FO II RTengner 
A, oT amnm TI onen sur mmnmie oO RINaTmo Berg 

Kuren oz. mn om nm Tım om 2. 

LIE oT oo wr nm. Lime LT OCT 73 2272.28 
ee TE LET IT . De Timo 
ne ent oo migre 2: ME Oo 3 AUDIT N. 22.121717: 
u-1 Zi... mu eurnmieetnan %7 TI zn Nee 
nme Ne 7 Teil: Setzt 2 ma rn 
Lo lee. DITILZEI Liter] WITT 70» mg kezim 1 
ZummärTiet To ve oT DE wer Sera Immer ur ©: 
mer. Lim Fra ve Zırıiı. 2ı°2z_1": er Lem Nr 
= ..,o ⸗ ————— a Teer m — ı . , 
Zn. Kine, jemer om ont —.-:!ı mm 
MIET TUI DT Zaire mus 
Zinni Laie > Tee] ITS Ns Ir: 
UNST WIgeT een arm ZI sm N Rz mamma 
un unT dee Ta ν STUT InTogT x 
nee... o nleraber ut ww. la — vum 8 
Zu vier Ernie ir Ile Spmer num Di tm Sei 
ein usime  inE 720 _rFmum Mo ll Kur Tel 
um te LIE ZiiTeT irn oo nz: RIITERLDTIZ "cz 30 
mus et MLTUIEWELD ST o women ze be — 
Sram . wartlit Zuie TI 22 o Ham Sale 
fee el Bel:t.. IN QLTITIZE 0II.Ie Aromen ÜR 
wa ler mer lale Lra 147) MIT a2 TUT IE De’ 
ES Kl TILL aT LE MIT 2a: Lernen ir 
Bor "na Toon en N.22m 3 Zeiızm eis Ne m 
wur mel unter Lem mag Fuernnmonim, TEN SINN INT 
wg Sundern wo mınlaın Itar Birzelsrtez 

dein Malen, zu 6 Zerittrun: ia amenm Nano gegen 


XII. Bu: Innere Staatsleben vom Schluffe des 10. Sahrh. bis 1526. 81 


Verfehrtheiten der Geiftlichkeit und der Laienwelt ihre Stimme erhob. 
Die Reimchronik Dttofar’s ift auch in diefer Richtung eine 
ftoffreihe Duelle, ebenjo wie die Helblingsdihtungen, ber 
Teihnermd Sudenwirt. Aeneas Silviußs in feiner „Ge: 
Ihichte K. Friedrich's III.” (bis 1458) widmet dem Wiener Volfg- 
leben jeine ſcharfe Beobachtung, während fein Zeitgenoffe, der Reim 
dihter Mihel Beheim aus der Pfalz, in feinem „Buche von den 
Wienern“, als Rebellen gegen den Kaiſer, feinen Brodherrn, ein dickes, 
oft geſchmacklos mwiderliches, aber culturgefhichtlich und ſprachlich koſt⸗ 
bares Pamphlet, vorzugsweile für das Jahr 1462, liefert. Auch 
Ebendorfer hat Vieles von folchen Notizen eingeftreut und einer 
der letzten Ausläufer mittelalterliher Chroniftif, Unreft, der naiv 
empfängliche Genoſſe bemwegtefter Zeiten, bietet eine Sundgrube un: 
geſchminkter Urtheile über ftaatlihe Mißwirthſchaft, gejellfchaftliches 
Elend, unbotmäßige Adelige, aufftandluftige Bauern, gleichwie über 
Kirchenfürften, die ihren Beruf verfermen. *) 


*) Literatur. Brandes, Der Benedictinerorden in ſ. melthiit. Bedeutung. 
Tübinger fathol. Quartalichrift (1851); Günther, Geich. der liter. Anftalt in 
Bayern (reich an Belegen) (1810-1815); Niedermayer, Das Mönchthum in 
Bajuvarien (1859); Kirchl. Topogr. v. N.:Oefterr. (3. B. Zwettl von Fraſt, 
Lilienfeld von Beniſchka); Zeißberg, Arno v. Salzburg. Sitzungsber. d. Afad. 
d. W., 43. Bd.; G. Frieß, Studien über das Wirken der Benedictiner in Defter: 
reich f. Eultur, Wiff. u. Kunft. Seitenftetten in N.-Defterr., Gymn.:Progr. 
(1868—1870); Keiblinger, Geſch. des Benebdict.:St. Melt (1851 ff.), ein 
ftofflicd bedeutendes Werf; Koll, Das Stift Heiligenfreuz (1834). Kremsmünſter: 
bi. Beſchr. von Hartfhneider, Urfundenbuh von Hagn. Admont: Geſch. 
von Th. Weimayer und Fuchs; eigentlich” urkundlich jeßt von Wichner 
bearb. (1874, 1876) (biß8 ©. des 13. Jahrh.); Hohenauer, Kirchengeſch. 
Kärntend; Eihhorn, Neugart, Hiekinger, Kirchengeih. Krains i. Arch. 
f. Klun und in den Mitt. des 5. V. f. Krain.; Toscano d. Baner, Na: 
tionale Pit. Tefterreih8, I. (einz.) Band, ein in Plan und Ausführung ver: 
fehlte, aber nicht unbrauchbares Werl; Diemer, Deutſche Geb. des 11. u. 
12. Jahrh. (1847), Geneſis, Grodus (1867); Heinzel, Heinrih von Welt 
(1867); Scherer, Geſch. d. deutſchen Dichtung im elften und zmwölften Jahrh. 
(Quellen u. Forſch. 3. Spr. u. K. G. d. germ. V.) (1875). — (Für die Bedeu: 
tung ber inneröfterr. Klöfter, insbeſ. einzelner Flöjterlichen Mittelpunfte im Kreiſe 
mittelhochd. Dichtung und Profaarbeit bieten Die germanift.: Arbeiten meines 
Freundes und Collegen Schönbach, in Graz, viele Aufichlüffe.) 

Weinhold's literar.-hift. Abd. im VIL, VIII., IX. Hefte der Mitth. 

des hiſt. V. f. Stm.; Ulrichs v. Liechtenjtein A. v. Lachmann, mit Anm. v. 

Karajan; vgl. Tied’3 Pearbeitung des Frauendienſtes und Falke, Geſch. 

des H. Liechtenftein, I.; Ottofar’3 Reimchronik: Shadt, Jacobi; O. Lorenz 
Krones, Geſch. Oeſterreichs. III. 6 


82 X. Bud: Inneres Ztaatöleben vom Schluſſe bes 10. Jahrh. bis 1526. 


B. Böhmifhe Ländergruppe. 


1. Vertafiungsentwidlung und äußere Rechts— 
Geſchichte. 


Stchuung zum deutſchen Reiche (Verhältniß Mährens und Schleſiens 
Stmer. 2 KRechtsdenkmäler. Land- und Gemeinderecht. 3) Territorial⸗ 
:2.2nz. Berwaltungs-, Stände: und vandtagsweſen. Die Judenanſiedlungen 
Inden:techie. 11. Hauptepochen der materiellen und geiitigen Cultur. 


1. 1. Tie Stellung Böhmens zum deutihen Reiche erjcheint 
2.2 Ne eines vehens, deſſen erblicher ober „durch ben Volkswillen 


. Leie TR i. M. A., 2., 6.; Zingerle, Tirols Antheil an ber 
. „ronee i. Mei. Innsbr. Eymn. Progr. (1851); N. Pichler, Ueber 
Teerı des MR. in Tirol (18050); Oswald v. Wolkenſtein, h. v. Beda 
23 47val. Bergmann [1848]. Heinrich d. Teichner: Karajan 


il, D. örerr. Didaktiker P. Suchenwirt ſ. L. u. ſ. W., Kreniſer Gymn. 
714. Ueber die Geſchichtſchr. die an Ort und Zelle gebotene Lit. ber 
EEE :oren. 

Suter das Schulweſen des M. A. in N.-Deſterr., abgeſehen von Frieß 
>. Zbmiecder, Tie Venedictiner Ordensreiorm im 13. u. 14. Jahrh. 
u j8c7; A. Maver, Tiegeütige Cultur in N.-Oeſterr. (1871); Peinlich, 
Fa, 15 atad. Hamm. 3. Graz (Stamm. Progr. 18067 . . . Wiener Univer: 
ri: sont Nihbad, I, II. (1865, 1877) Ueber die sodalitas Danubiana: 

zcabad i. d. öſterr. Zeitſchr. i. E. u. Str (18371; Haus wirth, Stand 
de: A, unter K. Mar, Schotiner Enmu. Progr. ı 1893) (ogl. ſ. Hausgeſch. 


. m» & 


- & 
un 48 


des SZchotrentloiters ISoS]1, Haſelbach ü. Euspinian, \ojephit. Gymn.⸗Progrt. 
1275 insbei. Aſch bach über Geltes 1. 6. Bde. der Sitzungsb. der Wiener 


ar 25. Bot. Geich. d. Wiener Univ. II.; Wattenbach, Tas Scrift- 
rm M. A. U185 Dir Eitelberger Heider, Mittelalterliche Kunſtdenkmale 
> er. Raderitants. (Val. Die ältere Arbeit von Tichiſchkah. Die Mitth. 
Farreromm i. Wrb, vo. Saudentm, Die Mitch. und Jahrbücher bes Wiener 
rd N an B. XI. H. d. Minh Sameiinarn Perger, Ter Tom zu Et. 
zorers in Wien mit Korwort von yeililmaiız Terger, Die Kunſtſichätze Wiens 
ve. Tchiſchta's Arb. v. IN Isis u. 1. Wei. Wiens 11847) 
arg Ueber Die Ambraier Sammlung: Trimiier (1819. Köchel, 
se Tfise der Munt am ortert. Hoie v. Schlus Des 15. Jabrh. bis Mitte des 
In Bratieri. Yandesiunde N. Toter. : Son, 

Ti Zamminng der Zuassburger Synodalbeichrüſſe von Talbam (Conc. 
Salisb.v. Ausz. in Zauner's Chronit v. Zuizburg. Ueber die Wiener Synode 
von IC mir beoonderer Rückſicht aui Die Judenirage: Rärwald in Bert: 
heimer's iiraclit. jabrb. (ISSN, [Sb — — Füdinger, lleber einige Refte 


.! 


ur F 1 


XII. Buch: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 83 


zu holen hat und deffen urfprüngliche, ſchwankende, Tributpflicht fpäter 
durch einen urkundlich geregelten Lehensdienſt, die Alternative: ent: 
weder 300 Mann zur Romfahrt der deutfchen Könige zu ftellen, oder 
300 Silbermark zu zahlen, fich eriett zeigt. ES geſchieht dies in der 
wichtigen Urkunde des Staufen Friedrich II. vom 26. September 1212, 
mwodurd) überdies das premyflidifche Erbfönigthum nach Erftgeburts- 
recht (vgl. die Urkunde vom 26. Juli 1216 und die von 1231) 
anerfannt und das bejcheidene Maß der Tonftigen Zehenspflichten, 
fo wie die autonome Landeshoheit des böhmischen Königthums, aud) 
in Hinficht der Inveltitur der Bifchöfe, feitgeftellt erfcheint. Die Kur: 
ftimme des Böhmenkönigs, als Mundſchenken des Reiches, 1273 
beitritten, 1290, 26. September, jedody wieder endgültig anerkannt, 
erlangt durch die goldene Bulle Karl’s IV. vom Jahre 1356 den 
erften Rang unter den weltlichen Wahlfürften, da Böhmen ein „vor: 
nehmeres Glied des Reiches” ei. 

Seit der Erhebung des (973 gegründeten) Brager Bisthums zum 
Erzbisthume (1344) hörte auch das nod) 1228 von den Premy-: 
ſliden urkundlich anerfannte Recht der Krönung des Böhmenfönigs 
durch den Mainzer Metropoliten auf. Die Krönung, deren ältefter 
Ritus aus der legten Premyjlidenzeit ftammt und unter Karl IV. 
nah franzöfiihem Muſter ausgebildet erjcheint, wurde nun eine 
Function des Prager Erzbiſchofs. Aus diefem Anlaffe ließ K. Karl IV. 
als Erſatz für die unter feinem Vater in Verluſt gerathene Premy: 
flivenfrone eine neue anfertigen und in der Wenzelsfapelle aufbe- 
wahren. Das gab jpäter Anlaß zur Benennung „Wenzelöfrone”, 
womit aber erit in unſeren Tagen ein jtaatsrechtlicher Begriff in 
Verbindung gebracht wurde. 

Die Verpflichtungen des Böhmenkönigs als Vafallen gegen das 
deutfche Kaiſerthum wurden von K. Friedrich III. in der Gnaben: 
urkunde vom 21. December 1462 auf die Hälfte (150 Mann zur 
Romfahrt oder 150 Darf) herabgemindert. Andererjeits erjcheint 
es begreiflich, daß wir Böhmen, in jeiner nationalpolitifchen, beſon— 
ders jeit den Huflitenfriegen gefchärften Eonberitellung, von der 1512 
begründeten Kreiseintheilung Deutſchlands ausgeichloffen finden, ob: 
Ihon damals einzelne Stimmen für die Einftellung Böhmens und 


der Vagantenpoejie in Defterreih, Sitkungsber. ber Afad. d. W., Wien, XIII. 
Bd., 314—339; Michel Behaim's Bud) von den Wienern, h. v. Karajan, 
2. a. (1867); Karajan, Ueber den Leumund der Teterreicher, Böhmen und 
Ungarn in den heimiſchen Quellen des M.:A., Sikungsber. der Ak. d. W. 
(1863), 42. Bd. Ueber Unreft: Krones a. a. O. 

6* 


3* 
| 
f 
mi 
s 
9 
* 
IA 
LAT] 
ri 
4) 
ie 
{ 


Ber 21m Zune Du _ AImr. DE Sr 


wei zmrtisern Irwerionmt 2: 1). zer iD Sem: loc TON 
ne — nm op ap | m. au —. me " » 5 = ẽ 3 2 
I A miramteen Sruretı Teumzhchäherae oe ⸗ 
aller er Iren Bm Se Ted: 


27] 
Armen mir ıtz mr Doısreseitın Zırei\unc Rob: 
sıre x Su Immer me Nirz.znm“ ‚Mirrsı nur die 


stemmtmen Ir mr Ir? Sun: ma mini Inchee (io Di 
“To wem nad Immekomıt on mm ne REeasede IDT: 
morers SIT, nern mehr oo om une Sırllamg 
m wm vom erm Wurtiimlımm E: mn m ®nirrnd 6 
Sram rom (erit „Jet Murarize) 
„mer. Eur wa Zeriizzrsicteilsecrtzenz, Ns Ertichen 
um ——ı—! Tekhmmsiom 25 mu Roden Mübrens, 
aımu me Amin Zımieriim mio zmammem α Farenn, 
u! mm ren Da ım Wan m mn m sure Yorcbmnae 
ur mihtaem Tanuttm mem ni Immo Ns haben 


GGECC...” nt mir mnr on Im Ieriesen ur murden Raiter: 


sent naceet, u.su 18) un> 11>-2 25 Didren em rei: 
ET LT In 2rtrrareum man TUN 
Mer: wein ae Dust Isar Mond mir ee 


gramm Lem) Domkar L mann. 8 a inc Bossummmnalber: 
MI am. ui m mr Intmsem Betinzunz Nr Tiromtolge 
Sers,s 1 ım Nam Ilie sms Nm Sa „Warfaraf 


Suisıırge malarn ro etzmmki ur zone on) Vornebmen 
Kirmemse 22 Bull ae arumlımmin Sites Anis Toolbar! L 
I WmTim „meinem. 2 a Fo nes fr TION - 222) den 
Mei. Iuımms 2.2 Morzızzdng ın ME Sous De Nübmen: 


m n P - mm - son — 
eum;z Lıdir., 282er 1.221227 dom smeirzetanmen Sohn 


Almen our 1.3 en Inundasme, hmm, 17 1238. m 
Durst rm Loser Min. um Yin er Sc Bene, 
ECCGAGCCC 7 120. um 1047-1253 er seele, Tiemot Ute: 
Bun Il on Katar ur *n2m, — worum Mann cr 13533 — 1349 
ur Au Zıın £ Sımamma «rin Yunmiarı Mur ılV) m 
Bufın Inn attzerı. müs Mi weniger bebeurice ch Die immer: 
WE zumırı Zu_unr Ürıma on) eranze 13401411 aud 


mi 2utım or ler Dulomr ame matanticzen Deutes Jobann's 
Funnz um nm Ziim UNE Iris un Z2Nzlam Den ent: 
Sgrikbenien Aust, Morormsrzuerier Insuauraldirlom 
8. Jssarere'z vn 1311 om Brunner Hu digungetage in's Auge 
su toren. 

Unsmeirelbert mwebrten die Urkunden Karl's vom 7. April 1348 


ä 


XII. Bud: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 85 


und 27. September 1355 die Lehensabhängigfeit Mährens „von 
den Königen und der Krone Böhmens” ; in der erjteren Urkunde 
werden das Markgrafthum Mähren und das Herzogthbum 
Troppau (aus einer mähriichen Zupe erwachſen) als Erblehen 
der Könige und des Reiches Böhmen erflärt; 1411 fällt Mähren 
an die Hauptlinie, an Karl’s IV. Haus, zurüd, und K. Sigismund 
verleiht am 4. October 1423 als König Böhmens das Markgraf: 
thum Mähren feinem Schwiegerfohne 9. Albredt V. Dennoch 
fühlten die böhmischen Stände am beiten die thatjächliche Sonder: 
ftellung und das autonome Selbftgefühl der Mährer, bei aller for: 
mellen Zehensabhängigfeit und Zugehörigkeit an die Krone Böhmens, 
heraus, und wir möchten weit weniger Gewicht darauf legen, daß 
fie (1437, 27. December) in der Wahlcapitulation Albrecht’s V. (II.) 
darauf drangen, Mähren folle der böhmischen Krone zurüdgeitellt 
werden, und Albrecht jene Urkunden ausliefern, in welchen ihm Sigis- 
mund Mähren verjchrieben, — als vielmehr auf die Thatſache d. 
%.1453. Ladislaus P. ließ fich nämlich zuerit ala „mährijcher Mark- 
graf“ und dann als „König Böhmens“ huldigen. Auf die bezüglichen 
Vorwürfe der Böhmen: die Mährer jeien ein Glied des Königreiches 
Böhmen und Vaſallen der Böhmen, antworteten jene: Sie feien wohl ein 
Glied der Krone Böhmens, aber ebenfo frei geboren wie die böhmijchen 
Herren. Diefe nehmen nun ihre Vorwürfe als übereilt zurüd und 
erflären: Die Mährer ſeien vollfommen frei, vollkommen gleich und 
nicht ihre Vajallen, fondern ihre lieben Brüder, Verwandte und guten 
Freunde. Ja wir dürfen aud) wohl behaupten, daß Karl IV. eben 
mit Rückſicht auf die autonome Stellung Mährens, zur Zeit der 
Bildung der Iuremburgiichen Nebenlinie Mährens, im Intereſſe der 
eigenen Hauptlinie und zur Schwähung Mährens zwei entjchieden 
willfürlicdhe Verfügungen traf, nämlich die Trennung Tropp— 
au’s und des BisthHums Ol mütz, als unmittelbarer böhmifcher 
Lehen, von der „Marfgrafihaft” Mähren. Auch KR. Georg P. fand 
e8 für angezeigt, im Jahre 1464, den 13. Januar, den ftaatsredht- 
lihen Verband Mährens mit der böhmijchen Krone ausführlich zu 
beurfunden. Die autonome Sonderftellung Mährens fand in den 
Ereigniffen der Folgezeit eine immer größere Feſtigung. Denn jeit 
1469 bahnt ſich eine thatfächliche Trennung von Böhmen an, welde 
bis zum Tode Mathias Corvinus’ dauert (1490), und es ift bedeut- 
am, daß K. Friedrich III. in der Lehensurfunde für den Ungarn: 
fönig als „König von Böhmen“, vom 13. December 1477, aus: 
drüdlih des „Markgrafthums Mähren” gedenft. Wie unleugbar 
auch der ftaatsrechtliche Verband Mährens mit Böhmen, das Ver: 


“5 XII. &u£: Inneres Zraarsieben vom Schlniie des fr. Jahrh. bis 1526, 


baltniß sum bohmiſchen Königreiche, als Gliedes zu einem größeren 
(genen, im den Urkunden bervortritt, — ebenſo entjchieden macht 
ib die ebenbürtige Stellung des Marchlandes neben Böhmen, 
jeine innere Autonomie, geltend, wir haben feine ſtaatsrecht- 
Lie und formell anerfannte aber eine Factiihe Berjonalunion 
vor uns; denn Mähren bat jeine eigene Verfaſſung und lebt nad) 
eigenen Geſetzen. In Mähren waltet der Böhmenkönig als Marl: 
graf des Landes und empfängt als ſolcher die Huldigung gegen 
Bereidung auf die Rechte und Freiheiten des Landes. 

Tas jtaatsrehtlihe Verhältniß des mittelalter: 
lihen Schleſiens zu Böhmen entwidelt fih in der Zeit von 
1289 bis 1355. Zunädjt wird Kaſimir IL, Serzog von Oppeln 
und Beuthen, Lehensträger des Böhmenkönigs (1289, Januar) ; 
dieſem Beifpiele folgen Natibor und Teſchen (1291, 17. Januar). 
1327 (18. Februar bis 5. April) leiſten dem Luremburger Johann 
die piaſtiſchen Fürſten von Falkenberg, Koſel, Teſchen, Oswieczim, 
Ratibor, Oppeln, 1329 (Mai) die von Steinau, Liegnitz, Sagan 
und Oels den Vaſalleneid. 1331 (September) brachte Johann einen 
Theil des Glogau'ſchen durd Kauf, die Stadt Glogau jelbit durch 
Waffengewalt und Liſt an fih. 1336, den 19. Auguft, fühlte fich 
Bolko von Münfterberg gleichfalls zur Huldigung gezwungen, und 
der Biſchof von Breslau erſcheint 1344 als Inhaber des ihm vom 
Könige Böhmens lehensmäßig aufgetragenen Gebietes von Grottfau, 
jomit in diejer Beziehung als Yajall Böhmens. Nur der mächtigfte 
Fürſt Schlefiens, Bolko (Boleslaus), von Schweidnig und Jauer 
fonnte feine Selbjtändigfeit behaupten, bis nad) jeinem Tode 
K. Karl IV. als Schwiegerſohn in der Yage war, dieje SFürften: 
thümer anzuerben (1353, 4. Juli). Eo vollzog jich, keineswegs 
als Ausfluß der Anſprüche böhmiſcher Herrſcher auf eine Lehens— 
hoheit über Polen (wie ſolche aus den deutſchen Königsurkunden 
von 1158 und 1212 für Böhmen gefolgert werden könnte), oder 
der vorübergehenden Perſonalunion Böhmens und Polens (1290 
bis 1300 bis 1305), ſondern in Folge der natürlichen Anziehungs— 
kraft eines mächtigen jtaatlichen Körpers der Nachbarſchaft auf Heine 
mit einander im teten Hader lebende, Herrichaftsgebiete, ohne eini- 
genden Schwerpunft, — die lehensmäßige Einigung der 
Fürſtenthümer: Liegnitz, Brieg, Münjterberg, Oels, Glogau, 
Sagan, Oppeln, Falkenberg, Strelig, Teſchen, Koſel, Beuthen, Steinau 
und Auſchwiz (Sowieczim) mit der Krone Böhmens, wie dies 
Karl's IV. Urkunde vom 9. October 1355 ausjpridt. Der König 
Vöhmens nimmt die ſchleſiſchen Fürſten als „erlauchte Fürften und 


XII. Zu: Inneres Staatäleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 87 


feine Getreuen” ‚in feinen Schuß und Schirm” auf und verspricht 
fie „in allen ihnen zujtehenden Rechten und Freiheiten zu erhalten 
und zu ſchützen“. — Die Fürlten Schlefiens befigen in ihren Landen, 
als wahren Zehen, landeshoheitlihe Gewalt mit allen deren Attri- 
buten, hohe und niedere Serichtägewalt, die Regalien und den Heer: 
dann; fie jchreiben fi) wie zuvor „von Gottes Gnaden”. So blieb 
es bei allen weiteren Wandlungen Schlefiens im 15. und 16. Jahr: 
hunderte, deren an anderer Stelle gedacht wurde (j. J., S. 436 
bis 438). 

1498, den 28. September, erlangten die Schlefier die urkund⸗ 
liche Zufiherung K. Wladislaw's, daß der böhmiſche König zum 
oberiten Sauptmanne Schleſiens feinen Andern als irgend 
einen ſchleſiſchen Fürften beftellen ſollte, daß nur fchlefiiches Land: 
recht für jchlefiihe Rechtshändel competent fei, der Böhmenfönig 
ohne Zuftimmung der Schlefier feine neuen Zölle im Lande auf: 
rihten dürfe u. ſ. mw. Gerade die ungebührlichiten Gegenforderungen 
und Errungenschaften der Böhmen vom Jahre 1510, 11. Januar, 
feitigten die Schlelier in ihrem politiichen Selbitgefühle, und den 
18. September 1522 fam es zur Erneuerung der Urkunde von 1498. 

Auch die beiden Lauſitz, obſchon allda böhmiſche Adelige 
als Landeshauptleute auftreten, erjcheinen 1355, 1370 als einver: 
leibt dem Reihe Böhmen, aber auh im Beſitze landſchaftlicher 
Sonderredite. 

Der Iuremburgifche Böhmenftaat aus Böhmen, Mähren, Schlelien, 
Laufig zufammengejegt, abgejehen von Brandenburg und Luxemburg, 
bietet überhaupt das Bild einer dynaſtiſch geichaffenen Ländereinheit, 
welche weit mehr das Geprägederperjfonalenalsrealen 
Union an ſich trägt.*) 


2. Die Rehtsdenfmäler Böhmens, Mährens und 
Schleſiens, jo weit legteres hier in Betracht gezogen werben 
kann, jcheiden Sich, abgejehen von ftaatsrehtlichen oder Reichs— 
gejegen, in land» und gemeinderechtliche (förperjchaftliche) Satzun— 
gen, deren eriteren wir auch Pie Privatbearbeitungen landesüblichen 
Rechtes beizählen müfjen. 


"Literatur. Außer den oben S. 4—6 angegebenen Werfen: Die Mono: 
graphieen von Dümmler, Gieſebrecht, Wait, Köpfe, Wilmans, Hirſch, Steindorii, 
Foto, Jafle, Raumer, Prug, Abel, Winkelmann, Schirrmader, D. Lorenz, Kopp, 
3 Geſch. des oftfränkifchen und des deutſchen Neiches, u. ſ. w.; über die Kur: 
fimme Böhmens von Lorenz, Bärwald, Schirrmacher, Wilmans. Weber Mähren: 
Dubil, d'Elvert; über Schlefien: Röpell, Stenzel, Grünhagen, Biermann u. N. 


88 XII. Ruh: Inneres Staatsleben vom Schluſſe des 10. Jahrh. bis 1526. 


An die Spige Stellen wir als höhere Reihe die Erbfolge: 
ordnungen der Herricherhäufer Böhmens, deren mir theilmeile 
bereitö gedachten: das Senioratserbfolge-Geſetz von 1055, die Ein: 
jegung des Erbkönigthums nad Eritgeburtsreht von 1212 und 
1216, die Erbordnung 8. Johann’s von 1341. Bon bejonderer 
Michtigfeit ericheint die goldene Bulle Karl's von 1348 über bie 
Erbiolae der ebelihen Leibeserben beider Geſchlechter, 
im Zuſammenhange mit den luremburgiſch-habsburgiſchen 
Erbverträaen von 1364 und 1366. König Georg, der Wahl: 
fonig Bohmens, ohne Erbrecht, fand ſich bewogen, im Antereile der 
Gründung einer eigenen Dmmaſtie, die aber nicht zu Stande fam, 
1465, 25. September, die habsburgiich-luremburaiichen Erbverträge 
aufzuheben, Dagegen Karl's IV. Erbſatzung von 1348 zu erneuern, 
wie Dies aud 1510, 11. Januar, 8. Wladislaw in feinem Ma: 
jeitätsbriere that. In zweiter Linie ſtehen Die jeit der luremburgi- 
ſchen Epoche angebabnten Inauguraldiplome der böhmiſchen 
Herrſcher nir Bohmen und Mähren (1310, 1311, 1347, 1436, 
1438, 1453, 1471, 1509). 

Der Charafter einer Reichsſatzung für Böhmen und Mähren war 
auch Der ſogenannten Majestas Corulina zugedacht, einen ausrühr: 
lichen Getegentmurte in 109 Kaniteln, der die Rechte Der Kirche in Sa— 
ben des Wlaubens, Div des Koniges mahren, Das Gerichtsweien refor: 
miren (mt 3%, Kapitel wird das Ordale Des alühenden Eiſens und Die 
Ianerprobe verboten), das Güterweſen, Die Yandesvertbheidiaung regeln, 
Die Waldungen ſchutzen, Das Deimfallrecht Der Krone und das Erbredt 
des Einzelnen ordnen, das Strafrecht verbeitern und insbeiondere 
der Wi!!kur Des Grundherrn gegen den Unterthban 
feuern ĩellte. Die Oppoſition Der Stunde gegen Dieien Reform— 
enteruri, Der, ton im Jahre 1346 vorbereitet, nie formliche Ges 
ſesestrait erlanazte. bewog den Konig, im October 1355 ihn törmlid) 
cuizubeben, ohne daß jedoch Die Grumdfage Diefes EDictes in der 
Folaezeit sbre Anwendung veriehlten. Mit Urkunde vom 6. Octo— 
ber 1355 erktart auch Markarai Johann H. von Mahren, daß er 
Die ter dem Namen Majestas Carolina befannten Geietze als 
durdaus unwirtiem und abgethan betrachten wolle. 


Inden: wu die enzernen Landegeege an Beerten Mabren üdergehben, 
MENGE min der ogenanntent Nedisbiiser SM Tie mmatgchenden 
Prive:beardei:uugen des guingen \Nanliests om submit Srrade aus Der 
mitteiniteriben Grade und sin Bobmen: a des Sogenämme Roienbderger 
Neßrabub oder „das Buch des alten Herrn von Neunk. D 2. des Landes⸗ 
abdertãmmerers Boõbmens: Peter von Rosenberg. 131° iin: hadte „Yandes: 


XH. Bud: Inneres Staat3leben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 89 


ordnung” in der Form eines fogenannten Nichtfteiges aus ber Zeit von 1348 
bi3 1355; c) die Rechtsauslegung des Landrechtes durch den Herrn Andreas 
von Duba (1343—1394 oberjter Landrichter), eine jehr bedeutende Arbeit, den 
beiden vorgenannten überlegen. Eine trefjliche Yeiftung für ihre Zeit, aus dem 
Ende des XV. und Anfange de8 XVI. Jahrhunderts jind die „Neun Bücher 
des Mag. VBictorin von WXehrd vom Landrechte Böhmens“, deren Verfajfer 
in der Zeit von 1450—1520 lebte und 1482—1484 al8 Dekan der philojophi- 
chen Facultät auftritt. Sie befigt einen bejonderen Werth durch die jurijtijche 
Behandlung des Landtafelweſens. 

In Mähren mwurde bie bebeutendfte Trivatarbeit über das Landrecht von 
Herrn Etibor von Gimburg und Tobitſchau (Towadow), 1464 Hoftichter 
und 1469 Landeshauptmann Mährens (-- 26. Juni 1494), geliefert, das jogenannte 
„Zobitihauer Buch” (Kniha Towacowskä), und faın in den Sahren 1480—1494 
zu Stande. Aus dem Gedächtniſſe aufgezeichnet von einem Manne ohne gelehrte 
Bildung und Rechtsſchulung, Fonnte fie ein um fo treueres Spiegelbild des 
überlieferten Gewohnheitsrechtes werden und insbeſondere einen tiefen Einblid 
in die jeudale Herrlichfeit Mährens, des Landes der „eijernen Barone”, gewähren. 
Alle Seiten des Rechtslebens berührt die Arbeit und genoß ein folches Anfehen, 
daß fie als Grundlage der gedrudten Yandesordnungen feit 1935, ja theilmeije 
nod 1628 benußt erjcheint. 


Bei Ländern von fo alten und reich entwideltem Städtewejen 
wie dies in Böhmen, Mähren und Schlefien der Fall, mußte fich 
begreiflicher Weife eine große Fülle alter und inhaltlich bedeutender 
Stadtrechte entwideln. Sie eritanden alle durh den Eintritt 
deutichen, vorzugsmweije ſächſiſchen, aber auch ſüddeutſchen 
Anfiedlerrechtes in die ſchon bejtehenden böhmiſch-mähriſch-ſchleſiſchen 
Burgftädte und auf dem Boden unmittelbarer Eolonijation durd) 
den Landesfürſten und die geijtlich-mweltlichen Grundherren. In ihm 
verſchwammen die örtlihen Elemente des ältern flandriiden 
Ansiedlungsrechtes, und fein Einfluß erjtredte ſich auch auf 
das ſlaviſche Dorf: oder Gemeinderedt. Die Colonijation 
der Freidörfer nad) deutſchem Rechte entwidelte ſich regelmäßig auf 
dem Wege der Zocation oder Beſiedlung durd) einen VBertrauensmann 
(locator), der dafür beitimmte Befugnifje: die Erbrichterei mit Nutzun⸗ 
gen verjchiedener Art (Schank, Fleiſcherei, Bäderei, Mühlenbetrieb 
u. ſ. w.) erwarb. Diefe nad) „Schulzenrecht“ gegründeten Ortichaften 
(scultetia) bildeten gewilfermaßen die Vorftufe der Stadtgemeinden 
und erſcheint in Schlejien am maßgebenditen. Die beiden 
Grundelemente des deutfchen Colonijtenrechtes waren das Recht der 
Freiwahl des Ridters und Pfarrers der Gemeinde, 
wozu fid) dann bürgerlide Ausnahms- und Nutzungsrechte ge- 
fellten. 


96 XIL Buch: Inneres Zraarsleben vom Schluſſe des 10. Jahrh. bis 1.26. 


Die mabgebenditen Stadtrehte Böhmens und Mährens lanen 
ich ihrer Metenbeit zufolge in nachltehende Hauptflaijen zer 
fällen: a) in ſolche, welche als die verhältnigmäßig älteiten aus ge- 
miichten, fandriihen, ſüd- und mitteldeutichen, Grundlagen zur 
eigentbümlichen Geſtaltung gelangten ; b) in die reinen Nadıbildungen 
des ſächſiſchmagdeburgiſchen Nedtes und c ) in ZStadtredhte, 
deren Grundzug ſüddeutſcher (bayeriich:oitfränfiiher) Natur üt. 
Dabei muß auch der Geltung der bezüglichen Städte als Tberhöfe 
gedacht werden. 

Wir beginnen mit Bohmen und zwar mit dem Rechte der 
Prager Altftadt, um ibm das Yeitmeriger folgen zu laflen, als Re 
präſentanten der zweiten Nlaite, der auch das Gräzer (Nöniggräger) 
angehört; dann fommt für die Dritte Nategorie Eger an die Reihe. 
Als geſondertes Beiſpiel ſtädtiſcher Entmwidlung mag Brür dienen. 
In Mähren wollen wir die Tronung umfehren — und Brünn, 
Znaim, Timus, Freudenthal, Braunsberg, (Glaz), Jglau, (Leobſchütz) 
und Goding mögen in ihrem Rechte beleuchtet werden. Fur Schle⸗ 
jien muß eine ſummariſche Aufzählung der älteiten Städtegrün⸗ 
dungen nach tüchliichen Rechte aenügen. 

Tas Recht der Trager Altſtadt ging aus den Freiheiten bervor, welche 
Die eriten ırlandriihen?ı Anstedler der Altitadt am „lUierrande” ıpuaric) der 
Moitau durb Wratislaw Il. um Iımih und insbeiondere dann hundert Jahre 
Iparer unier Zobesiam II. 1175 — 11, > erwarben. Tie königlichen Keitärigungs- 
urtunden Wenzel's I. von 1251 und Trafar's IL. (12751 zeigen den mwachienden 
Fintus deu: ichen Rechies. Aus der Zeit Dieies entichiedenen Förderers ſtädtiſcher 
‚erecbeit und Deuiichken BSürgerweſens ſitammt das ausrüubrlidhe Nltprager Stadt: 
red: Tie !öniatichen Urkunden umd Freibricie von 1237 — 1.372 beleuchten die mäch⸗ 
nge Fammifiuna des tadeschen Weiens, insbeiondere Die neunzehn Brieie Karl's IV., 
des Hauprgenners bürgerlihen Wohlirandes und Schöpters Der Neuſtadt. Tb 
tie Krager Keinſeite, Das Werk der Anñedlungsthätigkeit Dtakar's II., nad 
dem Redbte der Aumädter oder unmittelbar nach Magdeburger Rechte ausgeſetzt 
mar. aß: 5 nicht mir Sicherheit enticheiden. Die Prager Altſtadt war ber 
Eberdoe Für ne Reibe von Städten des Landes, die ſich nicht mir Genauigkeit 
eitſrehen saßı doch witien wir. daß z. B. Ehrudim. Nymburg. Vrachatic (beide 
sc — Lass, Tore, Veraun mm Laer, Rokvezan u. N. nach Alntüdter Rechten 
auseeiegt waren. 

An der Spitze der Städite mit magdeburgiſchem Weichbildrechte ttebt Yeit- 
METTE. bereits MO urkundlich genamm und allem An'ſcheine nad von Wenzel L 
nur Tenticben beitedele. Karl IV, beitatigt 1.348 der blübenden Ztadt den 
Wenuf der „Gewohnhezten und rehetten” von Magdeburg. Yeimterie warb 
jeit 8. Jodaun der Tberbor für den weitgedebnten Kreis aller Orts-Gemeinden, 
weiße nad Dem gleichen. alio nad Magdeburger Rechte. ausgelegt waren, 
während irũder die Neibtabelebrungen unmittelbar bei dem Magdeburger Schöffen: 


XII Bud: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 91 


gerichte eingeholt zu werben pflegten. K. Wenzel feitigte dies Durch das förmliche 
Verbot vom Jahre 1387, ſolche Rechtsbelehrungen außerhalb der 
Landesgrenze zu juhen. Zu diefem Rechts-Kreiſe zählten an dreißig Orte, 
darunter beiſpielsweiſe Bilin, Brandeis, Jitſchin, Tetſchen, Teplitz, Komotau, 
Laun, Raudnig, Rodebrad, Jungbunzlau, Münchengrä;, Schludenau. 

Auch der alte Zupenort Gräz im obern Efbegebiete, ſeitdem es Leibge: 
dingſtadt der Königsmittwe Rychſa oder Elifabeth, Wenzel’3 II. Gemahlin, ge: 
worden, „Königin-Grätz“ (Königgrag genannt), erhielt Magdeburgerrecht, allem 
Anjcheine nach feit Dtafar I, Intereſſant iſt e8, daß fich zu den hierortigen 
Schöffen die Chrubimer, Leitomyjchler (1259 mit Gräzer Rechte bewidmet), Glazer, 
ja ſelbſt Die Leitmeriger mit Anfragen um Rechtsbelehrung wandten. 

Als Hauptvertreter des örtlich bejchränften bayerifch = oitfranfifchen Stabt- 
rechtes, deſſen Mufterorte Regensburg und Nürnberg genannt werden 
können, erjheint Eger, die Burgftabt der deutſchen Kaijer (1183, 1203), mit 
Otakariſchem Freiheitäbriefe vom 4. März 1266, dem 1291 das Privilegium 
Wenzel's II. und 1342 die wichtige Urfunde Karl's IV. folgte. An der leßteren 
wird der Stadt Eger das Recht der übrigen föniglichen Freiſtädte, insbeſondere 
aber da8 Brünner Recht ertheilt. Egerer Recht überging 1352 auf die Stabt 
Flibogen. j 

Eined der hervorragenditen Beifpiele freiſtädtiſcher Entwidlung aus grund: 
berrichaftlichen Verhältniſſen bietet der uralte Grenzort Brür (d. i. „Brücke“ bei 
Gnevin, wie der Ort alteröher genannt erjcheint) am vormals bedeutenden 
Kummerner See, einem der interejjantejten Vertreter eines Flußſee's, deſſen Wand- 
lungen den Geologen fo gut wie den Hiſtoriker anregen ; in der Kette der ge= 
ſchichtlich ehrwürdigen Srenzorte Taus, Pfrimberg, Tachau, Kulm, Bilin und 
Kaaden (Kamburg). 1226 vermachte der Grundherr von Gnevinmoſt (Brür, 
Brüde = most), Kojata, Sohn des Srabis, jeinen ganzen Befig für den Todesfall 
der Wittwe ber Kirche von Zderas. 1248 (?) fällt Brür an den König. 1273 
erſcheint Brür als Föniglicher Burgort mit Straßenzwangs- und Niederlagäredht, 
deutfche Richter und Schöffen zeigen ſich (1281) in ihrer Amtöthätigfeit, und 
1372 ergänzt Karl IV. die Freiheiten der wichtigen Stadt, welche wohl, in Ge: 
jelihaft mit Saaz, Kaaden, Yaun und Kommotau, jächlijch » magdeburgiiches 
Recht genoß. 

Mähren (die Troppau-Gräzer Provinz eingerechnet) tiberragt Böhmen in 
Bezug auf Alter und Fülle der Stadtrechte und Weisthümer. Gehen wir von 
der Gruppe aus, welche ſüddeutſches, bayerifch-ojtfränfiiches Weſen offenbart, fo 
gebührt den Brünner Staruten die erjte Stelle. Ein Zupenort, Fürſtenſitz, 
jo günftig für den Handel gelegen, daß wir an frühe Anfieblungen denken müfjen 
und nicht bloß deutichen, fordern auch walloniſchen Inſaſſen (Galli) begegnen. 
Seit 1243 entwidelt fi) das Brünner Stadtrecht zum bedeutendjten im Lande, 
und der Oberhof von Brünn zählte an fünfzig Orte, wo Brünner Necht galt 
und die da Belehrungen fuchten. Zu den hervorragenditen gehören Boskowiz, 
M. Budwitz, Bifenz, Hradifh, Weißkirchen, Eibenſchiz, Auſpitz, Koftel, Proßnitz, 
Tiſchnowiz, Ung.:Brod, Saar. 

Die alte Burgitadt Znaim erhielt von Otafar II. Wiener Recht. Be: 


923 XII. Buch: \uneres Ztaatsieben vom Schluiie des 10. \abrh. bis 1526. 


greiſlichen Weiſe ericheinen in ben ipüteren Freiheitsbrieien Znaims, 3. B. von 
120, „Aechte von Brünnſund Iglau“ als verwandter Art verliehen. 

In Die Klaſſe der Stadtrechte jächſiſch-nagdeburgiſcher Weſenhen fällt das 
Kedyı von Tlmür, ichon im 12. Jahrhundert enwickelt, und zwar, mie bie 
Urkunde von 1228 beragt, bereits vom Martgraien Wladislaw Heinrich (1195, 
122323) vurheilt. Yittan und Prerau (1245, 1256) hatten Tlinüger Recht, und 
das LKeirbot Mt. Fohann's vom Jahre 1326, jächſiſches Recht auferhalb bed 
Yandes einzuholen, Jollte die Siadt su einem Tberhofe machen. Run faben 
ich) aber Die Dimüner ſelbſt genöthigt, von reslau, wo das Magdeburger 
Hecht volltonnmmen heimiſch war, dasielbe zu leiben, und über Karl's IV. el: 
jung überſandien es Die Arestaner (1351) den Olmützern, indem tie fich even: 
tuelle Rechtobelehrungen vorbehielten. Martgraf Johann feitigte dann 1352 das 
Anjehen Olmüte' aloe ausſchlieſſtlichen Dberhofes Mährens in Angelegenheiten des 
ſüuchjiſch magdehurgiſchen Mechtes. 

Aelter als das Dlmüber Recht magdeburgiſchen Weſens, überhaupt als das 
älteſie dieſer Art in ganz Böhmen und Mähren erſcheint das Freudenthaler 
in Der Troppauer Provinz vom Jahre 1213 (1233, 1247 beſtätigt). Ihm ſchloß 
ſich an dieſem Boden das Troppaner jet 1221 und das Braunsberger 
a, laut Der Urkunde Dev Gründers dieſes Städichens, Riſchois Kruno (Braun) 
von Olmün, Des coloniſtenireundlichen Zeitgenoiſen und Staatsmannes Ota⸗ 
kar's II. Eleichen Schlages war auch das Glazer, wie dies am üicherſten 
aus der Urkunde Karl's IV. von 13i&s erhellt 

Der Reigeniührer ſener Siadtrechte, welche eigenſtändig, allerdings unter 
dem Cinſuüße ſrandriſcher Koloniſtenireiheit, gemeimdentichen und ins: 
bryondere daprumdb onmänkichen und Sachticben Rechtes erwuchſen, iſt Dad von 
\alan. Der alltenen und berühmteſten Berastadt am muührich- böhmischen Ge⸗ 
ware. Zubon Ph mu das Iglauer Schiedsgericht in Bergſachen von bohem An: 
eben. An das Jabi Ta dpi sich De Ausbildung Des Iglauer Stadt und Berg: 
tebted, weiches in Bobmen z. B. Deuirchbrod, Kuttemberg, Cbotebot 
erhierten. Das Zimmer Zrad und Vergiecht br eine Rachdildung des Ig⸗ 
mung. Mahlen, RVobhmen, Shleſten erkaunten diee Stadt als Oberhof in Berg: 
rechistragen au. Zube om Sachien Setzen das uralte Freiberg, Annaberg. 
Nie Min Zbeanae cn Momntaniachen ibre Recbesbelebrungen wid Iglau. 
Dom da tunwendiie tapodn: Besmabis augebatime ßvSerggeſesgebung 


Mamensonntd BNemso imo sir os tur age Mitteteutopa masgedend. 


Zi hip onsautdeoaıe Do Diva Voarars IL ser, Remel’s IL 07 
und yoga Dogvormen Boyslmes Say clore--[ÜÖlı. Deutich— 
D.ı>a TUN menu. irn lerap Due) 

dot open zebrom gu Das Kran vor Yoabıkls um 
Pond ent menu Bao ccf azspder, Bermendodurftio mit dem Ig 


N 


a. an Du. G: tunde Dttar 3zII. gen 127 Spar von der Bernitigung 
IN FRA TO BEL FI 61] BASEL Tu u Wolle std redete tr Rddim.T. Fruͤher t0ch dauchen 
urtutdehe Zungen tt der mährnchen Ztadt 8S2 nug aur und zwar tet 
LS und auch da Yuben wir an Grutidiagen sn denken, weiche Den um Rechte 
non Iglau und Leobdſchiite gleichartig und gieichen Hertommens "ind, 





94 XII. Buch: \uneres Staatsleben von Schlufje des 10. Nahrh. bis 1526. 


3) Tie älteiten gemeinſlaviſchen Grundlagen der 
Territorialverfaijung Böhmen: Währens (Schlefiens) bilden 
die Jupen, den deutihen Gauen und Gaugrafichaften vergleichbar. 
Zunächſt eriheint nämlich die Zupe als Bezirk, wo die Familien 
und Geſchlechter als die niederen und höheren Ginheiten der Volks— 
ſtämme oder der Gefolaichaft (kmen, plk, pluk, pukoleni) feßhaft 
wurden, mit dem Gejchlechtshaupte (Zupan) an der Spige, deſſen 
meiit befeitigter Wohniig der Vorort der Zupe war. Der Zupan 
ericheint als der Richter, Heerbannführer, beziehungsweiſe Prieſter, 
der Zupengenoſſenſchaft, daher kndz im Slaviſchen den Fürſten und 
dann den Prieſter bedeutet. Die Zupa (lat. suppa, regio, districtus) 
umſchloß die jogenannten ujezdy (ambitus, circuitus), die Einzel: 
gebiete, oder Dorfmarfen: Ackerboden, Weide, insbefondere aber den 
in alter Zeit weitaus überwiegenden Wald und die eigentlichen Ge- 
meindeqründe (obec). 

Mit dem Schluſſe der heidnijch:patriarchaliichen Zeit, insbefon- 
dere jeit der Feſtigung der premyjlidiichen Herzjogsgewalt mit Bo: 
leslaw I. und TI., in der andern Hälfte des 10. Jahrhunderts 
briht die zweite Epoche der Jupenbildung an, die eigent: 
lie Zupenverfaſſung beginnt. Die alten Zupen werden Amtsbezirke 
wie die Baugrafichaften; der Zupan, berzoglicher Yandesbeamter auf 
der ZJupenburg (hrad, mesto), wenngleich mächtige Familien diefe 
Würde erblich behaupten, und jeit Wladislaw IL. (1140—1173) ins: 
befondere prägt ſich dies in der „Kaſtellaneiverfaſſung“ aus. Der Ober: 
beamte der Kajtellaneien in politiich-milttärijcher Beziehung ijt der Zupan 
(pruefectus, castellanus, comes. suppanus aud) rector provinciae), 
dem der Heerbann der Jupe, vor Allem die Burgmiliz (milites, prae- 
sidium castri; panose) unterjtehen. Die landesfürftlichen Einnahmen 
vom herzoglichen Grunde und Boden zunächit, dem aud) alles unvertheilte 
und noch unbebaute Gebiet, die „Mark“, im engern Sinne zugehört, 
verwaltet der Kämmerer (komornik. camerarius), und für bie 
Domänen insbejondere erſcheint der berjoglicde „Hof: Maier” (vladar, 
villieus) beftellt. Die Gerichtsbarkeit in der Zupe verjteht der 
Jupenrichter, Cudal auch sudi (ezudarius. judex, judex provin- 
eine). mit den älteſten Nechtserfabrenen und Vornehmiten des Be: 
zirfes, Der darum auch cuda (in Schleſien, deutich umformt: Czaude) 


weich, v. Iglau (Ne); Grünhagen, Breslau unter den Piaſien als deut⸗ 
ſches Gemeinweſen (18611: Grünhagen, Les colonies wallonnes en Silesie, 
partieulierement a Breslau (Acad. royale de Belrrique, T. XXXIII.. 1867 
Sep.A.; Röpell, Ueber die Verbreitung bes Magdeburger Rechtes. 





- = ".ı = ⁊ “TE. TE _ 
Buecher ae \omız: eo mir um le = Im 
ent De ML TILSTOTIENT OT TEL IE IT TI an ur un, 

Erz —* zn .- IT WII 
em tun. u El. gt. or um m mr 


—8 OT nit ler Nm 
eo Nomen .ů JITm Zr wer 3 . 
Pe ur.nn® 2* A. la, Lu I 
um tar, LIT: L = 2.’ CT Te Tür: 
> - Le 
rt ereignete SEWTETITE 28 ZIMULII Dumm _= 
ULDLent me ν DEI ITIIIIE TI T Temen more 
. ” -. ” u . om . w. PA — [ >. 
zen em nei ve Diet LITE IV Dell Ina 0 a2 
mente Zu def wo ze Srin ımm ur: el) meter 
oc —7 ven. a Fee -. „_: 73 TI | 
N Lei 4 k I.e — - rT_. a. — nn ds — un nn m 
wit zer rap eiatt ze Teiler 25T DIE Word, 
a Por 1313 DR Led ah un * zur. m ı m 22% =. —— ** 
« 23 — — — u un - = .. 
n —* ji T.! L .” 7 Y 7 “ui ._ .7 ⸗ 3 ... .__] see oe ad 
tn te tn dl. sır Flesır mem 72 mL INT 
Zerron wer net wer In et Kim rom IT sch 
-u D - nn 1 - - 
1 2 . Malen mu, 23 STIıI?’®ı#3: 
ur en Erna med m um Beim Amimsım, m NE 
m .. an - Bu 2 - e °..; — 4 or. u out = UT} re 
Pa —4 22 - — „ns = « um n nn 
“. . * —X 1 
run. Don met urn wor mu: Frimm:r Zusrus ne Reh 
5 L} . - “a m 1 
—* a , Mi Io zıinya er em 
. u . . =. _——— — 
12 —— a m mir m 2.232 Siem ·Monrnten 
Pi P > 


Zeruriersn.tam 2 Arımz Snbeiume Tl erectionum) 
sen 2 ntrmem Berinmenzstidem ılıbrı 
Be .n 22 leiımnm mu Nr sur Nlrte des 14. 
„uri. tier: 137- ar: 13511411 ur! 1420, wo Denn bie 


„tem, un ier Autieniiii ging 

Zr: ni) ner alter zuren las sch rer Bobhmen nit 
ur. malen Kat reriioenen worikungen ſchwankt ie, mit 
Muenir zur nz settiiten Jendlungen, tischen runtundrünfzig und 
zzrirzzreen © Merimum und Minimum. Ter %erjuch, Die 


t:r Eintbeilung nad Eriprzeitertbumern (Archidiaconaten) 
uns T-canatern mit Der Zuven- und Gudenemtbeilung in genaue 
Ueberrinitimmung zu bringen, bleibt errolalos, wenn aud eine An: 
zahl von Archidiaconaten und Tecanaten ſich einpaſſen läßt. Im 
14. Jahrhunderte laſſen ſich elf Archidiaconaten mit jiebenundbfünfzig 
Tecanaten urkundlich feititellen. Vergleiht man bie jeit Karl IV. 





98 XI. Bud: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


Die Entwidlung des Ständemejens in Böhmen : Mähren 
zeigt in den älteften Grundlagen zwei Rangklaffen der Hochadeligen: 
die Stammbäupter (lech, lesi, lateiniſch lecho, in den frän: 
fiihen Annalen auch regulus — fleiner König, Fürlt) und die Ge- 
ihlehtshäupter (vladyka) oder Gefolgihaftsführer. Ihnen reiht 
fih der urjprünglid an Zahl bedeutendite Stand der edelfreien 
Grundbefiger (zeman) an. Die Bezeichnung kmet jchließt 
den Begriff des Alters und der Würde in fi und Kmeten beißen 
einerfeits die „Alten, „Würdigen” im Rathe des Fürften, joviel wie 
Grafen, Ritter, Zupane, ſpäter die hochadligen Beifiger des Land: 
rechtes, andererjeitd auch die FSamilienhäupter im Stande der Ge- 
meinfreien, der Bauern (sedläk, rolnik), und endlich überhaupt den 
Bauer. Es entſpricht in diejer Beziehung ganz dem magyarifchen 
jobbägy in deſſen mwechjelnder Bedeutung und beiläufig auch dem 
„Graf“, comes, des deutſchen Mittelalters. Das jlavijche starosta, 
hospodär bezeichnet ja auch fo gut den Fürften ale den Amtsver⸗ 
wejer und den einfahen Hauswirth, Wirthichafter. 

Die Unfreien oder Hörigen (chlap, sluh und slurka, 
dewka, robotnik, clovek = homo; jpäter auch otrok — Sklave) 
mehren fich ebenjo wie in Deutfchland durch Verarmung und Schub: 
bevürfniß der Gemeinfrein und der Zemanen, jo daß die Grund: 
unterthänigfeit, Hörigkeit, den ganzen Bauernitand in fi jchließt 
und weit härtere Formen annahm, wenn aud das Sflaventhum 
der heidniſchen Epoche an fi durch die Kirche, der man viele Leib: 
eigene „zum Seelenheile” oder „Seelgeräthe“ ſchenkte (daher duse- 
nici), im 10. und 11. Jahrhunderte gemildert erjcheint. Wie wir 
ihon oben angedeutet, trug die deutihe Colonifation zum 
weſentlichen Umſchwunge der bäuerlichen Berhältniffe insbefondere 
jeit dem 13. und 14. Jahrhunderte bei, und zwar durch das Anz 
jiedeln der Bauernichaften mit Friſtjahren der Steuerfreiheit (daher 
Ihota — Freiung) und unter Erbpaditverhältniiien. Die Haupt: 
maſſe des ſlaviſchen Bauernftandes blieb grundunterthänig, aber in 
Leibeigenichaftsverhältniifen bärteiter Art begegnen wir ihr erft jpäter. 

Aber auch in der Klaſſe der Höchſtfreien oder Hochadeligen 
hatte ſich im Laufe der Jahrhunderte eine mächtige innere Wand⸗ 
lung vollzogen. Die Lechen oder Vladyken im urſprünglichen ie, 
die Stamm: und Geichlechtshäupter, als deren letzte Bertreter wir 
die Slavnif und Wrsowcen anfehen dürfen, erlöſchen ah 
ihre Nachkommen ericheinen im Dienjtverhältniß +" 
zogen als Zupane, Landes- und Kronbeamte; bir 
und jpäter das Lehens weſen ergreift mm 





100 XIL Bud: Inneres Staatsleben vom Schluije des 10. Jahrh. bis 1526. 


des Grundherrn, und, was noch wichtiger war, jeit 1498, die Auf- 
bebung der Freizügigkeit der Tienjtleute aller Klajien, 
welde nun von den „Losbriefen“ ihrer Herren abhängig wurden, 
behaupteten ſich auch zumeiit in der Bertretung der höchſten Lan: 
desämter Böhmens (Oberſt-Burggraf, Landmarſchall, Hofrichter, 
Kämmerer, Landrichter, Kanzler, Landſchreiber und Unterfämmerer) 
und Mährens (Landeshauptmann, Oberſtkämmerer, Marſchall, 
Landrichter, Landichreiber, Hofrichter und Unterfämmerer). Aus- 
ſchließlich Kronbeamter (urednik krälorsky) war der unter 8. Wla- 
dislaw I. (F 1173) eingeführte Brocurator oder Fiskalis, im 
Gegenjage zu den Zandesbeamten (ufednici zemsti). 

Faſſen wir das böhmisch » mähriihe Landtagsweſen in’s 
Auge, jo begann es mit den in allen wichtigen Fällen einberufenen 
Berfammlungen der Vornehmſten des Landes am Hofe der Herzoge 
und Könige als ihres Beirathes. ine geregeltere Entwidlung der 
Landtage (snem) als Thätigfeitsäußerungen der Landesvertretung 
fällt in den Schluß der Premyfliden — und in die Quremburgerzeit. 
Den eriten Stand bilden die Prälaten, die Biſchöfe voran, dann 
die Herren, die Ritter und Knechte und die landesfürftlicden Städte. 
Durh den Huflitenfrieg wurde der Prälatenftand Hinter den 
Herrenitand als zweiter gedrängt, nur jtand, 3.8. in Mähren, 
der Biſchof von Olmütz an der Spige der Unterjchriften des Land- 
tagsbeſchluſſes. Weberhaupt blieb die politiiche Bedeutung des Prä- 
latenftandes ſeither äußerit gering. Der Höhepunkt des Landtags: 
weſens jällt in die Schlußzeit des Mittelalters, vom Huſſitenkriege 
an (1420— 1526), und dauert bis zur Schlacht am weißen Berge 
(1620). 

Im Kreife des Bauernftandes müſſen wir noch einer bejondern 
Erjeheinung gedenken, der jogenannten Freiſaſſen (svobodnici, 
dedinici, näpravnici) Böhmens, das find Gemeinfreie, im Beſitze 
von Freigütern königlicher Schenkung, über welche eigene Bücher, 
FSretfaffenbücher, geführt wurden. In Mähren verhielt es ſich ähn— 
lih mit den Gerichts- oder Landboten (puhonci von puhon 
— geridtlihe Vorladung), welche nämlich Freigründe zum Nutzge⸗ 
nuſſe inne hatten.*) 


*), Literatur. Adgejehen von den ©. 4—6 aufgez. Werfen: Palacky, 
dejiny när. tesk., L, 2.; Herm. Ziretef, Ueber die böhm. und mähr. Zupen 
in den Pamätky archaeol a mistop., IL, HL 9. (1857); Tomel im Cas. 
desk. Mus. (1858), 2. H. (gegen Palacky und Siredek, welcher aber auch von 
Palacky abwih); J. Kalonfer » mappe historica, Prager 





102 XIL ud: Inneres Staatsleben vom Schluiie bes 10. Jahrh. bis 1526. 


meinde derart an, daß fie eine Smagoge errichtete. König Johann, 
der bei teinem itarfen Geldbedürfniß nicht jelten der finanziellen 
Dientte der Juden bedurfte, gewährte ihnen ſchließlich Schub. 
Die ſcharfen Terorbnungen der Prager Eynode von 1348 wandten 
ih gegen die Juden vom firdliden Standpunfte aus, im gemeinen 
Tolte regten fi jociale Gährungen wider die ilraelitiihe Geldwirth- 
ſchaft. Karl IV. ichüste die Juden als königlide Kammer: 
Inehte. Tie Tage Wenzel’ IV. riefen in Prag jo manchen 
Sturm gegen die Judenſchaft hervor (3. B. 1386, 1389); auch in 
Mähren begegnen wir dieſer Eriheinung. 1399 traf der erzbijchöf: 
lihe Bann den Unterlämmerer, der ſich der jüdiihen Kammerknechte 
annahm. Tie Vollswuth war entfefjelt, die Juden wurden ver: 
trieben, ihre Häuier zeritört. Aber jie behaupteten dennoch ihren 
Beitand mit Zähigfeit. Ten ſtürmiſchen Volkswünſchen trug im 
Zahre 1410 Erzbiihor Konrad mit dem Gebote Rechnung, daß alle 
zehn Jahre alten Schuldverſchreibungen jüdifher Gläubiger mull und 
nichtig jeien. Tie Gefahren für die Juden wiederholten jich; jo 
wurde im Jahre 1422, 1448 die Judenſchaft ausgeplündert. Inter 
K.Ladislaus Poſthumus wurde die Verbannung der Yiraeliten aus 
Brünn verfügt (1454). Unter dem Jagellonen Wladislaw, der durch 
ein Gejeg vom Jahre 1494 den jüdiihen Gejchärtsbetrieb einengen 
jollte, dajjelbe jedoch 1497 wieder aufzuheben fi) bewogen fand, regten 
fih 1503 neue Gewalticenen des Hafjes gegen die Juden in Prag. 
1506 wurden fie aus Budweis für immer verbannt, und 1507 
“ drangen die Stände in den König, die Juden für immer des Landes 
zu verweilen. Diejer jedoch hatte den Yuden im Jahre 1501 einen 
Verficherungsbrief für ewige Zeiten ausgeftellt, und die Stände 
zwangen ihn, daran feitzubalten. Piljen und Budweis hatten da: 
gegen vom Könige das Recht der Fudenverbannung erlangt. Prag 
blieb der Hauptiig der Juden; bier bildeten fie eine bedeutende 
Gemeinde unter Vorſtehern und Xelteiten. Wo es in Böhmen und 
Mähren Eynagogen als Bethaus und Schule gab, wurden altersher 
grundbücherartige Vormerke über Eigenthums- und Prandrechte der: 
jenigen geführt, welche fih durch die übernommene Verpflichtung 
für den Bau und die Erhaltung der Eynagogen zu jorgen, das 
ausichließfihe Recht auf einen Sitz daſelbſt erworben hatten, — 
die jogenannten Echulfefjelbücher. *) 

*) Bl. außer den allg. Werfen von Grätz und Jo ft über die jüd. Geſch.: R. 
von Herrmann, Geld. der Ziraeliten in Böhmen v. d. älteften Zeit biß 1803. 
Palacky, Dudik (1818). Röpler, Rechtsdenkm. B. u. M.; Tome, Geld. 


XII Bud: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Xahrh. bis 1526. 103 


IL. Die mittelalterlihen Eulturepodhen der böh— 
miſchen Reichsbildung, insbejondere Böhmens, laſſen fich 
beiläufig in drei gliedern, deren erite mit der Mitte des 12. Jahr— 
bunderts jchließt, die zweite mit den Tagen Karl’s IV. (} 1378) 
endigt, während die dritte in die Zeit der beiden jagelloniichen Kö— 
nige Böhmens (1471—1526) ausläuft. 

In der eriten diefer Epochen, welche aus der „mythijchen” Zeit, 
wie der ehrwürdige und ehrliche Cosmas die Periode vor 894 tref: 
fend bezeichnet, in die chrijtliche Premyflidenherrichaft des 10. Jahr: 
hunderts einmündet, fejleln zunädft die urfprüngliden An— 
fiedlungsverhältnisfe des Slavenvolfes in Böhmen, Mähren, 
Schleſien den Blid des Culturhiftorifers. 

Die ſlaviſchen Drtsnamen in ihrer älteften Form zeigen 
zunächſt den Gefchlechterverband an in dem Auslaute ici, ſpäter ice 
oder ic, 3. 3. Branovici, Bohuslavici, Bratretici, Cernowici. 
Liutomerici, Domaborici, Dalesici u. ſ. w., oder die einjtigen 
Gauftämme, 3. B. Charvatici, Slovenici, Dudleby u. N. 

Diele jpiegeln die vorzugsweiſe Beichäftigung, 3. B. Becväfi 
(Böttcher), Kovarı (Schmiede), Mlynarı (Müllner), Strelei (Schüßen, 
Jäger), körperlihe Eigenthümlichkeiten, Bräuche der Anjiedler, oder 
den Spott der Nachbarn über fie ab, Hlupohlavi (Dummköpfe). 
Drevohryzy (Holznager), Suchomasly (Trodenjchmälzler) ; wie über: 
haupt der Volkshumor, harmlojer und derbiter Art, auch in der 
Bildung der Perjonennamen eine große Rolle ſpielt. Wie überall, 
bildete endlich eine Hauptmafje der Namen die Lage der Ortichaften 
an den Flüffen, in Wald und Au u. ſ. m., 3. B. Lucane (luh = 
Au), Bukovane (buk—= Bude), Zarybnici (hinter dem Fijchteiche 
mwohnende) u. ſ. w. Die Burgorte der Stamm: und Gejchledhts: 
häupter, insbejondere der Herzoge, im Lande und an der Grenze, 
die Dertlichfeiten an wichtigen Fluß: und Straßenftellen, endlich Die 
Klöfter, deren wir in Böhmen bis 999 drei (Benedictiner), — mit 
dem ehrmwürbigen Btewnow (993 mit Mönchen aus einem römijchen 
Klofter befegt) an der Spige, — im elften Jahrhunderte drei, im zwölf: 
ten jchon dreizehn des Benedictiner:, neun des Brämonitra: 
tenjer-, drei des Gifterzienferorbens zählen (in Mähren 
drei, darunter Raygern, feit 1048 als Tochterftift Btewnow's), 
erwachfen zur höhern Bedeutung. Die Kirche vor Allem ijt nicht 
müßig im Erwerben und Urbarmachen wachlender Schenkungen, und 


Prags; d’Elvert, Geh. Brünns, u. die anderen Monogr. 3. Geſch. des Städte: 
wejend. Galerie der Sipurim, Prag 1847. 


104 XIL 225: \smeres Z:2zrölchen cu Shizme ses 1. aid. 5 1326. 


tie Durdaus wurden Monche, namentlich die Citersienter, leiten 
geräuihlos aber wirfiam kleine Ströme Deunidber Annwdler in's 
Sand, die ñch ebenio in Den bersouliden Kralzen md auf den To: 
mänengrünen anzulammeln beuinnen, uls tmiter aut geitlich-welt- 
lihem Herricharts boden. 

Bis in's 9. Jabrhundert widen die Zeugniñe über den böb- 
miſchen Elbe- und Donanbandel ;urüd: die Yeinmeriger Ur⸗ 
funde von 1057 ipricht von griechiichen und jüdiichen Handelsleuten. 
Roh ruben größtentheils die Rerallikire im böbmiih-mäbriihen 
Erzboden und warten reuerer Bebebung; nur die Goldtmüicen find 
uralt. 

Raub int das Land, raub die Bewohner, die Zeit aemultiam. 
Tie Blu- und ;samilienrade iprießt ürnig; die Steinigumg des 
ebebredyeriihen Weiles eims Wreowcen durch die Sinpenglieder 
des Ghemannes uebt vor den Augen des obnmädtigen Biſchofs Adal- 
bert vor sich und er erlebt die arauie Nusrottung Teint groben Fa⸗ 
milie der Zlarnif durch 9. Boleslaw II. (7 999: aut den Rath 
der Wreowcen, melde bundert Sabre tpüter (1108) das gleiche 
2005 erreiht. Tie ipärlide Bildung rubt in ven DHänden des 
Klerus, der iein Schulwiſſen aus der Fremde bolt. Tier älteite 
Chronitt Böbmens aus der wichtigen Uebergangszeit vom Jnveiti- 
turitreite bis zu den Tagen Sobeslam's J. Cosmaus, der Prager 
Dechant, tucte jeine Bildung in Lüttich. Trotz Der gregorianiſchen 
Kirchenrerorm dart Cosmas (7 1125) feiner Gattin Yozena, der 
treuen Lebensgehũlññn, einen warmen Rachruf in feinem Werte zollen, 
und der Zobn dieſer Prieiterehe it Deinrib Zdik, der nad: 
malige Biſchof ron Tlmüg, für jeine Perſon ein itreng firdhlicher 
Eiferer der neuen Rihtung. Tie Wenzelö:!eaenden, Das Leben des 
beiligen Adalbert, die Annalütif des Prager Tomberrenitiftes, Die 
Reite der ubrbücer von Kloiter Hradiſch in Mähren — bevor e& 1151 
den Benedictinern entriien und Pramonitratenierm übergeben ward, 
— iind die bedeutenditen Leiſungen einbeimiiber Geſchicht— 
ihreibung. 

Ueber die volfstbümlidhe, czechiſche Literatur, d. i. 
über die Aufzeichnungen ſlaviſcher Erif und Yurif, läßt ſich fein 
tiheres Urtbeil tällen, da die Echtheit des Bruchſtückes vom „Ge 
richte Yibuna’s” (Libusin süd) und der „NKöniginbofer Hand⸗ 
thrirt” (Krälodvorsky rukopis) nod immer nicht aegen jchwer: 
wiegende Angrine ertolgreich vertheidigt und erwieſen werden fonnte. 

Was ih Ichon jeit dem 11. Jahrhunderte immer entichiedener 
angefündigt, der Anſchluß Böhmens an Deutihland in 





"2 KILL Ex&: Inneres Z:aaisiehen vom Schlume des Itt. Jahrh. bis 1526 
= Fr und jelbit der ;yortieger Der Königsſaaler (Zbraslam) 
Sersrtzzcucien, der Deutiche Kittersienier, Peter von Zittau, 
2.2 32 jenem volitiih und cuttur geichichilich bedeutendem Werke, 
das 27 Stom̃ülle die älteren Yeittungen eines Tincenz; von Prag 
zu Gerlab von Müblbauien, geitgenonen der legten Jahr: 
szene Der Senioratserbiolge (bis 1198), und die Fortſetzer 
des Cosmas (1125—1283) weit uberbieter, — nicht bloß die 
Prosetborheiten, das Añ̃enthum der böhmiſchen Junker in Kleider-, 
Sat: umd Haartracht, Tondern auch die Zitte, lieber das Deutſche 
u radesrechen, als Die eigene Mutteriprace zu pflegen. Diele Span: 
nungen entladen ih unter dem eriten Yuremburger Johann in 
den bertiaen Conflicten mit den bohmiſchen Waronen, und die deutſch⸗ 
teendlibe Gelinnung bricht auch in der Geichichtichreibung Des Abtes 
era durch, welder ebenſo wie Talimil Otakar's Coloniſten⸗ 

reundlichkeit zum Schaden der Landeseingeborenen herbe tadelt und 
in der Chronik des Domherrn franz, welcher im Gegenſatze zur 
Chronif des Peter von Zittau ein wahres Jerrbild der Zeiten Jo: 
bann’s icut. 

Eine Zertöbnung der nationalvolitiihen Erreaungen mit den 
Anteretten der Herrſchaft und des Yandes bewirkt der landesbürtige 
Nachiolger Johann's des „Fremdlinas“ auf dem Throne, Karl, der 
weltlaurige Derricher, unter welchem unbeitreitbar Das mittelalterliche 
Culturleben Böhmens ſein aoldenes Zeitalter feiert, ebenjo 
wie Mähren das jeiniae unter der Herrſchaft des Bruders 30: 
bann Heinrid. 

Es it der Höhepunkt dörfiſch-ſtädtiſchen Anſiedlungsweſens, 
gewinnreihen Berabetriebes, deſſen Hauptgebiete uns der „hiſto⸗ 
riihe Boden“ Böhmens (I. Bd., S. 339 ff.) fernen lehrte. Groß 
in die Handelsbewegung; mit den Städten Des öſterreichiſch- 
baneriſch-ſchwäbiſchen Tonautbales (Wien, Regensburg, Augsburg, 
Ulm), mit dem oſtiränkiſchen Nürnberg, mit Sachſen und dem ganzen 
niedern Elblande, vor Allem jedoch nah Oſten bin über Breslau, 
und nordwärts an die baltiiche Küſte zu den Hanſeſtädten und ſüd— 
ortlih Durch Das Teichener Gebiet und den Jablunkauer Paß oder 
über das mähriihe Gemärfe nad Ungarn, berridt der regite Verkehr, 
denen Herz Die Prager Altitadt bleibt. Tas aewerblihe Leben 
gedeiht vielgeitaltia, denn derjelbe Herrſcher, welcher mit Glück die 
Pilanzung der Nheinrebe um Melnik verſucht, ziebt aus dem Aus: 
lande gewerbtüdhtige Leute, jelbit Feinledergerber aus Calabrien, 
orientaliihe Teppichwirker u. j. m. heran. Das iſt Die zweite 
DBlüthezeit des reihen ftädtiihen Patriziates, das ſchon in 


XD. Bud: Inneres Staatöleben vom Schluſſe des 10. Jahrh. bis 1526. 107 


den Tagen des böjen Zwijchenreiches (jeit 1306—1310) in Prag 
und Kuttemberg feine geringere politiihe Rolle fpielen konnte, als 
bie mächtigſten Feudalherren fie fpielten, und jetzt Leute zählte, welche, 
wie der befannte Prager Rothlew, einen Reichthum befaßen, der 
dem der Augsburger Fugger Ipäterer Zeit gleichlam. Dieſem 
materiellen Woblftande, welcher in Böhmen auf beiläufig 950 Ge: 
viertmeilen nad) 100 Städten, 300 Märkten, 260 Burgſchlöſſern, 
30,360 Dörfern und 170 Klöftern fich vertheilte und ähnliche günftige 
Verhältniſſe in Mähren (1371 gab es hier an 30 landesfüritliche 
Städte und Märkte) offenbart, ftanden aber auch die Entwidlungen 
der Kunſt und Wiſſenſchaft ebenbürtig zur Seite. 

Schon das Kunftgewerbe wie die Zunftordnungen Karl’sIV. 
offenbaren (Goldſchmiede, Schilderer oder Schildmaler und ihre Ge— 
Ihäftsverwandten,; Satzung vom Jahre 1348), zeigt diefen höheren 
Trieb des geichäftlihen Lebens. Die italieniihe Mofaifarbeit und 
Glasmalerei blüht. In der Burg Karlftein, diefem Prachtbaue 
des Quremburgers, häuften fich die Schöpfungen farbenfräftiger Holz: 
tafelmalerei; in vielen Kirchen erftanden Funftgefchichtlich bedeutende 
Wandgemälde oder Fresken. Meiſter Dietrich und Meiſter Niklas 
Wurmjer von Straßburg müjjen hier genannt werden, desgleichen 
Thomas von Mutina (Modena). Cine böhmiſche Malerjchule ent: 
widelt fi, und fein geringer Erfolg begleitet fie in der Holzmalerei 
und insbejondere in den reihen Miniaturen ber foltbaren Perga— 
menthandichriften jener Zeit. Denkmäler des Erzguſſes der Gebrü- 
der von Klufjenbach verdienen Erwähnung. Am großartigiten 
verewigt fich aber die faroliniiche Kunftepoche in ihren Baudenk— 
malen. Die berrlihen gothiſchen Bauten Prags und Karliteing 
nüpfen ji) an diefe Tage und Namen, wie der des Baumeiſters 
Peter Barler (parlier, nit: Arler) aus Gmünd, Sohn des 
Heinrich von Boulogne, aus der Kölner Bauhütte, bleiben unver: 
gängli in der Geſchichte der Baufunft; denn Prag, Köln, Kuttem: 
berg erinnern in wichtigen Bauwerfen an die Schule diejes Meilters. 

Für die Wiſſenſchaft — deren Segen Karl, der Freund Be: 
trarca’s, Boccaccioß’, der Verfaſſer einer eigenen Lebensbeſchreibung, 
durch die eigene Jugendbildung empfinden lernte, — ſchuf er als 
großartige Pflegeftätte die Prager Hochſchule (1348), die erite 
und befuchtefte im deutjchen Reiche und im ganzen centralen Europa. 
Nah dem Mufter der Pariſer Univerfität eingerichtet und in vier 
Nationen gegliedert, in die bayerische, jächfiiche, polniiche und böh— 
miſche, und ſeit 1360 befjer geregelt, 309 fie bald aus ganz Europa 
Schüler heran, deren Zahl zwiichen 8—15,000 fich bewegt und für 


108 XH. Bud: Inneres Staatäleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


Prag eine neue Duelle des Wohlftandes und weltftädtifchen Lebens 
wird. Doh gab es fchon früher zu Prag und in den anderen 
Bororten geiftliche und Stadtſchulen. Karl war Utraquift in Bezug 
jeiner Iprachlichen und nationalen Haltung; die ſlaviſche Literatur, 
das ſlaviſche Kirchenthum ſelbſt intereffirten ihn; aber das Haupt: 
gepräge des Hof: und bürgerlihen Lebens war deutih; er jah im 
Deutihen das wichtige Bindemittel zwiſchen Böhmen und Deutſch— 
land, deſſen Kaifer er war. Gewiß iſt es eine zutreffende Anfchauung, 
wonach die aus der Miihung des Meiſſniſchen und Defterreichiichen 
gebildete Kanzleiſprache der Luremburger, unter den Habsburgern 
als Nachfolgern im Reiche, die Grundlage des Neuhochdeutichen 
abgab. 

Es ergreift den Geſchichtsfreund mit Wehmuth, wenn er dieje 
Errungenidhaften in der dritten Eulturepoche verfallen ſieht. 
Selbit wenn man fich bemüht,. den czechifch-nationalen Standpunft 
einzunehmen und die gewaltige Kraft Böhmens in den Huffitenfriegen, 
den mächtigen Aufſchwung flavifchen Weſens in Gefinnung, Brauch 
und Sitte anerfennt, — muß man doch den Preis viel zu hoch 
finden, um den dies Alles erfauft wurde. Wir wollen nicht von 
dem Vandalismus des Glaubens: und Bürgerfrieges im Bereiche 
der Kunftichöpfungen ſprechen; aber der ftarfe Niedergang des ma: 
teriellen Wohlitandes, die Schwächung des Bürgertfums in feinen 
Lebensfräften, die fpätere Verknechtung des Bauers und dem gegen- 
über die Schrantenlofigfeit feudaler Standesanfprüdje, die Verrohung 
des Lebens, das Aufgehen aller geiftigen Kraft im Glaubengitreite 
und Gezänke, geht Hand in Hand mit dem unfeligen Nationalhaffe 
zwiſchen Slaven und Deutjchen, der der Tarolinifchen Zeit fremd war. 
Die Czehifirung der Vororte Böhmens, die Prager Altitadt an 
der Spike, war weder in materieller noch in geiftiger Beziehung 
ein Gewinn; das zeigt Kuttemberg am beiten. 

Die Zeiten Wenzel’8 (1379 — 1419), die Vorhalle der Huffiten- 
friege, zehren noch von der bejlern Vergangenheit, als deren Aus: 
läufer der wadere Thomas von Stitne betrachtet werden kann, 
ber gemüthvolle Sittenmaler feiner Tage. Ihre geiftige Nahrungs: 
fraft fam auch Huß und Hieronymus felbft und ihrem Kreiſe 
bei ihrem Auftreten zu Statten. Welch’ gewaltiger Abſtand zwiſchen 
dem liniverfitätsleben Prags vor 1409, in welches Jahr das ver: 
bängnißvolle Reformedict Wenzel’s fällt, und zur Zeit der Huffiten: 
friege, als die Hochjchule vom Range einer Weltbildungsanftalt zur 
Stellung einer Zandesuniverfität und Schleppträgerin des Kampfes 
ber Leidenfchaften herabſank! Wie formlos und ideenarm ericheint 





110 XUH. Bud: Inneres Staatöleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


Geſchlagenen zu ertragen. Wenn aber ein Wladifa einem Schlech— 
tigen oder ein Bürger einem Wladiken oder Schlechticzen eine 
Obrfeige zu geben wagen würde, dann foll dem Schlagenden die 
Hand augenblidlih abgehauen werden. Wenn aber ein Bauer 
ober Reibeigener (chlap) einen von den vorgenannten, die über ihm 
ftehen, obrfeigen würde, dann darf der Geohrfeigte mit 
dbiefem Bauer nah Gutdünfen verfahren (prout sibi 
videbitur expedire).” 

Das nationale jlaviihe Weſen Hatte allerdings im Berfehre, 
in Wort und Schrift, jeit den Huſſitenkriegen einen mächtigen 
Aufſchwung genommen (jo auch in Mähren beionders feit 1480), 
aber feine geiftigen Früchte konnten — bei aller Kraft und Biegjamteit 
der eifrig gepflegten Sprache — unter ſolchen Berhältniffen weber 
an humanem Gehalte, noch an edler Form gewinnen, wo feine An- 
lehnung an den aufitrebenden Humanismus ftattfand. Wo er Plat 
griff, war es die Gelehrſamkeit, welche vom Nationalen den ſprach⸗ 
lihen Ausdrud borgte.e Nur in der böhmiſch-mähriſchen 
Brüdergemeinde, in der friedlichen, arbeitiamen Unität, lagen 
Elemente einer nicht zu unterfchägenden literariihen Cultur volks⸗ 
thümlicher Art. Aber auch da fiel der Schwerpunft der theologifchen 
Gelehrſamkeit zu. 

Dagegen darf die fosmopolitifche Bebeutung des böhmifch- 
mähriſchen Slaventhums nicht unterjchätt werden. So wie die böb- 
miſche Kriegsfunft, feit Zizfa’8 Tagen jelbitändig entwidelt, bis zum 
Emporfommen der Taktik des deutjchen Lanzknechtweſens und der 
Schweizer Söldnerei, ganz Dfteuropa, ja auch das weitlihe maß: 
gebend beberricht, erjcheinen die böhmisch- mähriichen „Brüder: 
rotten” als Kämpen in allen Zanden und ihre Führer erlangen mit- 
unter hervorragende Lebensſtellungen. Man braudt da nur an 
Yisfra von Brandeis, an Yan Witomwec von Hteben, an die Führer 
der Schwarzen Legion des Corvinen Matthias zu denken. Böhmijche 
Söldnercolonieen erjcheinen im ungarifchen Berglande feßhaft und 
behaupteten lange ihr SKelchzeihen, jo im Gömör:Honter Comitate. 
Viel Tommt der Böhme in der Welt herum; ein Doppeldentmal der 
Nitterfahrt Leo's von Rozmital, Schwagers K. Georges, 1465 
bis 1467 durch das ganze Abendland unternommen (vgl. II. ©. 421), 
zeigt, wie reich deren Erlebniffe waren und wie forgfältig namentlich 
der böhmiſche Berichterftatter über fie Buch führte. 

Noch möchten wir mit einigen Worten des Auffommens der 
Buhdruderkunft in Böhmen, ale Signatur des neuzeitlichen 
Umſchwunges der geiftigen Cultur, gedenken. Die erite bekannte 





112 XU. Bud: Inneres Staatsleben vom Schlujfe bes 10. Jahrh. bis 1526. 


C. Ungarifhe Ländergruppe (mit Einſchluß Dalmatiens). 


I. Geſchichte der Berfaffung und der äußeren 
Rechtsverhältniſſe. 


1) Die ungariſche Reichsgeſetzgebung. 2) Die Sonderrechte Siebenbürgens, 
Croatiens, Slavoniens. 3) Comitats- und Immunitätenweſen; die Juden. 
4) Die Verfaſſungs- und Rechtsverhältniſſe Dalmatiens. II. Die Epochen 
der Culturentwicklung des ungariſchen Reiches. 

Vergleichender Rückblick. 


Die älteſten Grundlagen der ungariſchen Reichsverfaſſung ſind 
einerſeits das erbliche Herzogthum der Arpäden als „Erſten“ 
unter ihres Gleichen, den Stammhäuptlingen — wie dies Con—⸗ 
ſtantin, der Purpurgeborene, als Hauptquelle für dieſen Zeitraum 


der mittelhochd. Lit. i. B. im Verlage des Ber. f. ©. d. D. i. B., in Comm. 
b. Brockhaus (Leipz. 1876), I. Bd., heraus; Palacky, Würdigung der böhm. 
Geſchichtſchr. (1830) und Lorenz, Deutfchlands mittelalt. Gefh.-Ou., 2. Ausg. 
— Ueber Karla IV. Eulturthätigfeit: Riegger, Mater. 3. ©. u. Stat. Böhmens. 
Ueber die Kunftentwidlung Böhmen ſ. in den Abhandl. der böhm. Geſ. d. 
Wiſſ. die Abhandlungen von Dlabaë (1775), Balacky (1836), Wocel (1845, 
1847, 1852, 1853) (vgl. Casop. tesk. mus. 1847. IL); Schottfy, Die Faro: 
liniſche Zeit cc. (1830), die Arbeiten von Mikowec, Alterth. u. Denkw. Böhmens, 
IL, D. (1858 ff.); Die fönigl. Burg Karlftein in Böhmen (1858); Legis-Glück— 
jelig, Illuſtr. Chronik v. Böhmen, 1, 2 (1853— 1854); Woltmann, Deutjche 
Kunft in Prag. Ein Vortrag. (Leipzig 1877); Srueber, Die Kunſt de M.:A. in 
Böhmen (1871. ff.); Hübſch, Verfuh einer Geſch. des böhm. Handels :c. 
(1839); Tomek, Geſch. d. Prager Univerfität (1849); Ungars Abb. vom 
Zuftande der Schulen x. vor der Errichtung der Hochſchule in Prag, in den 
Abb. d. böhm. Geſ. d. W. (1785); Zap, Verfud einer Geſch. d. bild. Künſte 
in Böhmen (1863) (Sep.:A.); Wenzig, Studien über Ritter Thomas von 
Stitne (1826) und Blicke über d. böhm. Volk, |. Geſch. u. Liter. (1855); Ka: 
rajan, Ueber den Leumund der DOefterreicher, Böhmen und Ungarn, |. o.; 
Chlumeczky, Karl v. Zierotin u. ſ. Zeit (Einl. Charaft. d. 15. Jahrh.); 
Veber die Reife Rozmital’s f. Horfy, Des böhm. H. Leo v. R. u. Bl. 
Denfwürbigkeiten und Reiſen . Brünn (1824) 2 Bde. Die Nubl. beider . 
Denkmäler von Schmeller i. d. Bibl. des lit. Per. z. Stuttgart, 7. Bd. 
(1844), mit Einl. und Indices. Aufſatz v. 1827, in den Jahrb. des böhm. 
Muf., „Tagebuch der Boten K. Georg’3 an den franz. K. von 1464.” Zur 
Geh. d. Buchdruckerkunſt: die Abd. von Dobromsfy und Ungar in 
den Abhandl. d. böhmiſch. Gef. d. Will, (1782 u. 1795); ferner Mitt. des &, 
für Geſch. d. Deutfhen in B. (1866), 4. u. 5. Heft. 





114 XII Bud: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


T 945), als deffen Schwiegerjohn bifchöfliche Sitze in feinem Neiche 
gründete und die Krone und die Weihe (vom Papite) empfing“. Wir 
begreifen vollfommen, daß der Ungarnfürit bei dem römischen 
Stuhle feine Rangerhöhung und Krone nachſuchte, daß Pabſt Syl⸗ 
vefter II. (Gerbert) fich beeilte, dem Bewerber huldreich entgegen: 
zuflommen, und daß bei der perjönlichen Stellung des damaligen 
Kaiſers und PBapftes zu einander ein bezüglicher Intereſſenſtreit 
unmöglid war. Stephan vermied fo die Bafallenftellung zum 
deutfhen Reihe, in welche Böhmen gerathen war und wiber 
welche fein Verwandter, Zeitgenofje und Mitbewerber in Rom, der 
PViaftenherzog Boleslam Chrobry, lange anfämpfte, aber er fcheute 
auch den kirchlichen Anſchluß an Ditrom oder Byzanz, wie un: 
leugbar auch die Spuren griechiſchen Kirchenthums im alten Ungarn 
find; er blieb unabhängig von der deutfchen Kirchengewalt und ge: 
wann bedeutende Zugeſtändniſſe des Papſtthums in ben 
firhlichen Angelegenheiten Ungarns, als „apoftoliiher” König. Daß 
er jein Reich dem Stuhle Petri .ald Lehen auftrug, ift ebenfo 
unzweifelhaft, als die vielbeitrittene Echtheit der |ylveftrinifhen 
Bulle vom Jahre 1000 (vgl. II., 66); dafür aber feitigte Das 
Anjehen der Kirche die Erblichfeit des arpädiichen Königthums, und 
die Gegenleiltung des ‚von den Optimaten rechtmäßig ermwählten 
Nachfolgers”, wie es in der Bulle heißt, nämli die bei der 
Thronbefteigung durch feine Gejandten auszufprechende „Obedienz 
und Ehrfurcht“ gegen den römiſchen Stuhl war, abgejehen vom 
damaligen Zeitgeilte, durchaus feine drüdende Verpflichtung. 

Unter dem Nachfolger Stephan’s fam es zu einer Art Con: 
currenz zwiſchen dem deutfchen Kaifertbum und Rom bezüglich der 
Cherherrlichkeit Ungarn gegenüber, insbejondere 1044—1046, als 
fih K. Beter, Stephan’s Neffe, förmlich als Vaſallen R. Hein: 
rich's III. befannte, aber zu feinem Conflicte; denn diefer Salier 
war des Papſtthums gewaltig und ſandte überdies die ihm von 
K. Peter übergebene „vergoldete Lanze” als Ehrung nad) Rom, 
um gemiljermaßen den Anjprüchen der Curie gerecht zu werben. 
Doch mit der deutichen Oberhoheit war es bald vorbei, und bie 
päpitliche Lehensgewalt, vom Könige und den Reichsgroßen Ungarns 
als bloße Form betrachtet, erfcheint als ein titularer Anſpruch nicht 
maßgebend für das Weſen der Thronfolge und Königswahl. Aller: 
dings verjuchten ein Gregor VII. den Königen Salomo, Gejja und 
Ladislaus d. H., ein Urban II. dem K. Koloman gegenüber, im 
Einne der ſylveſtriniſchen Bulle die päpitliche Oberhoheit feftzuhalten, 
aber fie brachten es nicht über die formelle Wahrung diejes Ans 


‘ 


XI. Buch: Inneres Staatäleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 115 


ſpruchs hinaus; es kam ihrerjeits zu feinem enticheidenden Eingreifen 
in die Geſchicke Ungarns. 

K. Bela IV. ſah fih dur die Mongolennoth zu einem be⸗ 
dingsweiſen Lehenseide an Kaifer Frievrih IL. (1241) ver: 
anlaßt. Da die Bedingung, Leiftung von Kriegshülfe, nicht erfüllt 
wurde, ließ fih Bela IV. durch den Papit diefes Lehenseides ent⸗ 
binden. Als dann K. Rudolph I. jene thatfählih und formell ge: 
löfte Lehensauftragung Ungarns an das deutfche Reichsoberhaupt 
wieder hervorſuchte, um nad) dem Tode des kinderloſen Ungarn: 
lönigs Ladislaus IV. (1290) das Karpathenreich als „heimgefallenes 
Leben” feinem Sohne, dem Habsburger Albrecht I., aufzutragen, 
erflärte PB. Nikolaus IV. dem erfteren durch feinen Legaten, daß 
der römiſche Stuhl in dieſer Verleihung eine Beeinträchtigung feiner 
eigenen Rechte gewahren müſſe. Am entfchiedenften und ſchroffſten 
mahte PB. Bonifaz VIII. das Verfügungsreht über Ungarn als 
heimgefallenes Lehen des römiſchen Stuhles zu Gunften des Angio- 
vinen Karl Robert gegen den lebten Arpäden Andreas III. und 
den ptempflibiichen Wahlkönig Wenzel (III.) als K. Ladislaus V. 
geltend, ohne jedoch damit durchzudringen. Auch jein zweiter Nach: 
folger, P. Clemens V., überzeugte fi) durch die Sendung des 
Kardinals Gentilis, daß die ungarifhen Stände Karl Robert nicht 
als Lehensempfänger des römischen Stuhles, Tondern als König 
ihrer freien Wahl anzufehen gewillt waren, unbejchadet feines feit 
dem Ausiterben des arpädiihen Mannsftammes maßgebenben groß⸗ 
mütterlichen Erbrechtes. 

So ſchloß ſich an die arpadiſche Erbmonarchie, deren 
Primogeniturfolge im 12. Jahrhunderte von dem byzantiniſchen 
Hiſtoriker Kinnamos ausdrücklich geleugnet, im 11., 12. und 13. Jahr: 
hunderte zu Gunjten der Seitenverwandten und zwar der Brüder des ver: 
ftorbenen Herrichers, ähnlich wie bei den ſtammverwandten Petjche: 
negen oder Biffenen, wiederholt unterbrochen erjcheint (man benfe 
nur an Bela I., Ladislaus I., Ladislaus III. und Stephan IV., 
Bela III. und Andreas II.) und obihon im 13. Jahrhunderte 
auch urkundlich betont (Bela IV. heißt primogenitus regis Hun- 
gariae und P. Gregor X. beglückwünſcht 1272 Ladislaus IV. als 
im Beſitze des Erjtgeburtsrechtes), einer geſetzlichen Feititel: 
lung entbehrt, — überdies früher durd die wiederholten Zu: 
weilungen eines Neihedritttheils als Apanagegebietes an die Seiten: 
verwandten des Herrichers eingeengt wurde, — das angioviniſche 
Königthbum: durh Erb: und Wahlredht, und gewinnt 
einen unleugbaren Aufſchwung, wie ihn 3. B. das Gejet vom Jahre 

8e 


116 XU. Bud: Inneres Staatsleben vom Schluffe ded 10. Jahrh. bis 1526. 


1330 über die Unverleglichfeit der Töniglihen Majeſtät und die 
Ahndung jedes Hochverraths wider diefelbe, die jogenannte lex regia 
Karl Robert’s und die Machtfülle eines Ludwig I. Deutlich offen- 
bart. Er vermag es, die Thronfolge feiner Tochter Maria durd: 
zujegen, die von den Ungam als „König“ (rex) betitelt erjcheint, 
während ihr Gemahl Sigismund zunächſt nur als Beihüger und 
Hauptmann des Reiches (tutor, capitaneus regni), als Gemahl 
der Königin, dann als Mitkönig aufgefaßt wird und nad) Maria’s 
Tode (1395) um die volle Anerkennung feines Königthums bis zum 
Sahre 1404 ringen muß. Sein Schwiegerjohn und Nachfolger 
Albrecht wird als Wahlkönig betrachtet und ftellt das erite uns 
befannte Snauguraldiplom aus. Gleiches gilt von dem Ja: 
gellonen Wladislam I., dem Gegenkönige der Regentenwittwe Elifa- 
beth, Sigismund’ Tochter, und ihres Kindes, des Albrechtiners 
Zadislaus V. (VI.), deſſen Erbkönigthum dann feit 1445—46 all- 
gemein anerkannt wurde. Nach deſſen Tode tritt 1458 mit Mathias 
Corvinus das reine Wahlkönigthum in Kraft und die Herr: 
jchergewalt in ihren Höhepunkt, von welchem fie unter dem neuen 
Wahlfönige, dem Jagellonen Wladislaw IL, und deſſen Sohne 
Ludwig II. (1490- 1526), wieder beruntergleitet. 

Die ftaatsrehtlidhe Stellung der Nebenländer ber 
europäiſchen Krone in der mittelalterlichen Epoche läßt diefelben 
in verjchiedenen Abhängigkeitsverhältnifien erjcheinen. Im ftrengften 
Sinne Brovinz durch Occupation des Landes jeit Zadislaus L., 
denn Stephan’s Eroberung des Landes ermangelt giltiger Beweiſe, 
war Siebenbürgen. Durch linterwerfungsvertrag mit 
den Zupanen oder Gau: und Geſchlechtshäuptern und nicht durch 
nadte Waffengewalt erworben erjcheint das „Reich“ (regnum) „Sla⸗ 
vonien’, d. i. das heutige Croatien-Slavonien, feit Ladislaus L., 
dem Schwager des Chormwatenfönigs Demetrius (Zwonimir). Wie 
die Dotationsurfunden des Fünffirchner Bisthums nachweijen, dehnte 
erit Zadislaus I. die ungariſche Reichsgrenze über die Drau gegen 
die Eave aus, und in den nächſten Verband mit Ungarn traten bie 
Gebiete BPozega, Veröcze und Valpo (Xalfo), die fogenannten 
„Drautheile“ (partes Dravanae), welche auch den zwölf Comitaten 
„Niederungarns“ im Sinne des 15. Jahrhunderts reichsgefeglich 
beigezählt werden. Syrmien finden wir feit Stephan II. als er: 
oberte Landichaft einverleibt, ala Grenzcomitat ohne jede Sonder: 
ftelung. Das eigentlihde Croatien, jenfeits der Save, und das 
dalmatiniſche Küftenland gedieh gleichfalls durch Unter 
werfungsverträge als „Reich Croatien und Dalmatien’ an die unges 





— — . - m. - 2 = “ » = -. 
--. II Sin ν s um mal, 


ums m WI OMÜECENELT Re Istes Umzoot Seninnen. 


S. 2.2 SmERET OT Tem Sermsisex lebendig 
euer (m: Bematlle: "u — KT um un Reiche: 
Sam mmrm l- Some: sm zmniiirre,. rlich 

- - - = 2 - 
I’ 7.2.7207 20 ZUTTUMIITITTe II ZIUL[T Scurtbe⸗ 
Zemsant. ma‘ Linsumn 

Iu$ıe rem rm. Dmannn D J2Iın sl mn: nordetiesge 

* 

Il ort ma melimrime |l2 vs mem LE IL Niger 
oo 2, mir ımr,ı Room mmumurı Dumm: m “ur 22m :ıbm 
lır me lmumrmriem mem ran Irhr meinızser Ierimen: 22: Ber 
m mmmemnm warmen ME mei Mut BILL Lu or Fırkord, 
So zm rer omıyr yromneme mern aıLı Zm "sr: Mag 
Su. Ir mern. Zum: 2207 Burtoomaster man 2b. 25: xxxer 
y Immer: — Dorimb vetre Dumas ze Nom m 
Bere cm netemimn I 0 rumiiee mmnchs Urtemums, 
.-' „müÜrmeririm wire Dermeteinıe Funlar mare Nom 
— 7. „nm em mu ,ron Zi 2 Duo 5 .._ >ı * 2 _ im . <: 
Pre ae Bus goonmi Denme m Wuen im Tem re Btr.sömung 
Irlo nenne om.e ui stm. mr ee m ad nme Som 
emo mr TI 1 mern 00 ro rind Drrsriıreaärie 
ISımır or 2) IÜmentihe v2. > vom nn 122 Re 
ums 2 »,erehdosen Tom DLIDmworamen Ind zu Demi: 


.. 
1J 
— 
— 
J 
u 
4 
I 


— 
AND ——312 2422 OIIII TE DUDT Ta 
-—— Pr pa ze on. — "an Rn Fe —2 — 3 — 4313 
—— —R . -. . mau. .. - .o. DD ce er ve .. mm... - —2 — 
m —⸗ — 3 22 m * m on 
> = - - . =, - - mw 


umomroe re mehr sm ormunsdonIE  Tonpok Meike 


„eo: a be Pi FE * nd si tr © 
-_ ser he Derıne Du ee > warme 22° 7222 8 
uluınt Lente et NEN The wire 2__ Sy Dee 
em2.ı2 : Bere |) ze Tora m me bmriılo Ne Omehemd 
„ut: Irmemiltee ,.n Irmer.n nn zr um Tim 


2.2 rel lamen arm. mbrlrern ha Insert os Jene Terme 


else mt Ye Il wemio"n Stinite Le pmetdanrzer Fortiagen 
ml re om Prod no 2 eemhe or nr zer Sndkaez romgebüber 
mr — mir Do (im 21er, Buntanrstm DET MR DONE 
I me _eımigrtmao .. N Sem mi Iscom 
un. mein, Rom rin .n. [Moin ra Ge 
Zu ımI era me nie 2Llenemoeno met Nr m 82 des 
zenmm Ani 2 012 .he Dit Lo2 0 DIR 62t ZIGDERg, 


m. _.- ” 2 .. . —X q“ . 


„uk .n-e ” .-. .. 


Ile Kazsımiarı irrt cn: lm . 3 Furt ne NSieberben 


XIL Buch: Inneres Staatsleben vom Echluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 119 


ftellung des halb vertilgten Chriſtenthums, fcheint nicht ficher nachweisbar zu fein. 
Bon Bela I. befiten wir nur eine Münz- und Marktordnung. Erſt Ladis— 
laus I. erichließt in feinen Gejeken von 1078— 1094 den belehrenden Einblick 
in eine Herrſcherthätigkeit, welche die zerrütteten Grundlagen der Verfaſſung 
Stephan's I. aufzurichten bemüht ift, die chriſtliche Glaubens: und Kirchenorb- 
nung ſchützt und durch ſcharfe Strafen den Geift wilder Gemaltthätigfeit befänıpft. 
Beſonders jtreng erjcheint die Sühnung des Diebſtahls. Der pflichtfäumige 
Richter wird zur Strafe wie ein Slave verkauft und büpt Alles ein, feine Söhne 
und Töchter außgenommen. Noch höher muß man die Gejetgebung Kolo: 
man's anſchlagen; nur müffen wir bedauern, fie bloß aus ben ziemlich lücken⸗ 
haften und unbeholfenen Auszügen des Mönches Alberich zu fennen. Als Grund: 
zug der Legiälation Koloman's erſcheint die Abficht einer den geänderten Verhält⸗ 
nijfen angepaßten Wiederherftellung der Staatdordnung Stephan's L., 
insbeſondere der Befigverhältnijfe, dev Comitatsverfajjung, des Ständeweſens 
und der Majeitätsrechte. Die Saßungen über Gerichtäwejen verrathen das Re: 
formbeitreben Koloman’s zu Gunjten einer möglichſt gleihförmigen Ordnung 
des geiftlich- weltlichen Gerichtsweſens in den Provinzialfgnoden. Offenbar hatte 
Stephan diefe Einrihtung ber deutihen Nachbarichaft entlehnt. Im Unter: 
ſuchungs- und Beweißverfahren zeigen die Satzungen Koloman’3 einen mefent: 
lihen Fortſchritt. Bemerkenswerth unter den Strafgefegen bleibt die Sapung 
über „Heren und Zauberer” (de strigis et maleficis). Allerdings jcheint der 
rihtigere Wortlaut zu fein: „Von Heren und Zauberern, Die es nicht find 
(qui non sunt), gejchehe feine Erwähnung”, — ftatt, wie ed gemeinhin gelefen 
wird, „weil es ſolche nicht giebt” (quia non sunt), immerhin zeigt auch in 
biefer Faſſung das Gefeß eine beachtenswerthe Rüdfichtnahme auf den Mangel 
eine zureichenden Thatbejtandes und die Häufigkeit falfcher Beſchuldigungen in 
biefer Richtung. Die geiftlicde Gerichtöbarfeit erfcheint erweitert und genauer 
feftgeftellt, wie bie auch einer Epoche entſprach, in der wir zwijchen dem un- 
garifchen Königthum und dem römischen Stuhle ein Concordat (1106?) ab: 
geihlofien finden, wonach im Allgemeinen die Krone ber geiftlichen Inveſtitur 
der Prälaten entjagte, aber bei der Wahl, Abjegung und Überfegung Firchlicher 
Würdenträger und in Hinficht der Auftragung der Regalien an lebtere ihren 
Machtkreis feithielt. 

Eine neue bedeutende Lüde in den auf und gekommenen Reichögejegen 
reicht bis über die Mitte der Herricherzeit Andreas’ II. 

Selbft aus der für die innere Entwidlung der inneren Qerhältniffe Un- 
garns wichtigen Epoche Béla's III. (1174— 1196) erhielt fich nichts. Wir 
erfahren nur, daß diefer in Sonftantinopel erzogene Arpäbe das jchriftliche Rechts: 
verfahren mehr einzubürgern fich befliß und gewiß auch die byzantiniichen 
Anfhauungen von der Machtfiille des Herrſcheramtes mit auf den Thron 
brachte. 

Es bildet fomit die befanntejte aller Sabungen, bie goldene Bulle An— 
breas’ II, Ungarns magna charta libertatum von 1222, den Ausgangspunkt 
unſer Betrachtungen. Sie ward unter ähnlichen Verhältniffen erzwungen wie das Pri— 
vilegium des englifchen K. Johann's (ohne Land) im Jahre 1215, nur mit dem wefent: 


120 XIL Buch: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


lichen Interjchiebe, daß in England das Baronat die Zugeftändniffe der Krone ent- 
rang, während hier in Ungarn als Reformpartei der Reichsadel und der Kle- 
rus, den Thronfolger Bela an der Spike, erfcheint, welcher die drückende Willkür 
der Magnaten und höchften Reichswürdenträger und die finanzielle Mikwirth- 
ſchaft des ſchwachen Königs bekämpft, ihn aus den Händen einer gemeinſchäd⸗ 
lihen Dligardie reißen und bie ftändifchen Rechte ebenſo als die Belitrechte der 
Krone wahren will. Die einunddreigig Artifel der goldenen Bulle laſſen ſich 
nad fünf Hauptgeſichtspunkten gliedern. Der erjte betrifft die politifche, 
judicielle und financielle Reichsverwaltung. Alljährlich am 
Stephandtage (20. Auguft) fol in Stuhlweißenburg unter dem Vorſitze des 
Königs ein Reichs: und Gerihtätag abgehalten werben ($ 1); eö wird die Ges 
richtsbarfeit des Palatins und Hofrichters (judex curialis oder curiae regis) 
gleichwie der Comitatsgrafen geregelt, die vom Könige aus Geldnöthen fo oft 
beliebte Verpachtung der Münz:, Salz: und Steuerämter an Sfmaeliten und 
Auden verboten und biefe Ämter dem Adel vorbehalten. Gäfte (hospites) und 
Freunde dürfen nicht ohne Genehmigung des Neichgrathe8 (consilium regis) 
mit Landesämtern begabt werden. Der zweite Gejichtäpunft ijt der Schuß Der 
perfönlicdhen Freiheit des Abeld, der Nation im politiiden Sinne, gegen 
jede Verhaftung ohne gerichtliches Verfahren und Urtbeil, eine Habeascorpus- 
acte Ungarns ($ 2). Die Befig: und Erbrechte der Einzelnen gegen 
über der Bejugniß der Krone, Schenfungen zu machen und SHeinfälle ein: 
zuziehen, finden ihre Feſtſtellung in einer dritten Reihe von Beitimmungen; 
bamit hängen die Normen über die Giebigfeiten an die Krone, über die Steuer: 
freiheit der Reichsadligen und des Klerus ($ 3) zufammen. Sehr wichtig er: 
jcheinen die Eatungen über die Heeresfolge (im $ 7). Abm zufolge giebt 
ed einen boppelten Heerbann, den allgemeinen, ſpäter insurrectio generalis 
genannt, bei Reichögejahr, durch freinden Angriff, auf eigene Koſten und den 
königlichen Heerbann im engern Sinne für aufmwärtige Kriegözüge, zu welchem 
Die Reichsedelleute (servientes) und Gomitatsinhaber (qui comitatus habent) 
nur für Sold mitzuziehen verpflichtet find. Der vielberufene einunddreißigfte Ar: 
tifel endlich behandelt dag Zwangsmittel des bewaffneten Wider: 
ftande3 gegen einen Verfaffungsbruch der Krone, das verhängnißvolle 
Anfurrectionsredt. Er lautet wörtlih: „Sobald aber Wir (db. i. der König) 
oder einer Unjerer Nachfolger in irgend einer Zeit diefer Unferer Anordnung 
zumwiderhandeln wollte, jo haben gemäß diejer Vollmacht ohne Gewärtigung der 
Hochverrathsſtrafe (sine nota alicujus infidelitatis), ſowohl die Biſchöfe als 
die anderen Würdenträger (Jobagiones; im dreißigſten Artikel erfcheinen als 
foldhe vier: der Palatin, der Banus, der Hofrichter des Königs und der Königin), 
und die gefammten und einzelnen Edeln des Reiches, die Gegenwärtigen und Zus 
fünftigen, das innmerwährende Necht, Widerftand und Einſprache wider 
Uns und Unjere Nahfommen zu erheben (resistendi et contradi- 
cendi Nobis et nostris successoribus in perpetuum facultatem).” 

Wir begreifen, daß Andreas II. die Turhführung diefes wichtigen Reichs⸗ 
geſetzes zu vereiteln beflifjen war, und daß andererjeitö die Kirche, des Königs in 
vielen Dingeu mächtig (1232 ſchloß Andreas II. mit bem römiſchen Stuhle ein neueß 





1223 X. Bud: Inneres Staatsleben vom Schluſſe des 10. Jahrh. bis 1526. 


bei gutem Willen für die financiellen und militärischen Forderungen ber Krone 
erhalten will. Das Reichsgeſetz vou 1384 ift eigentlich nur eine Beitätigung des 
vorgenannten. 

Die bewegte Zeit K Sigismund’s des Luremburger8 (1395 —1437) 
ift nicht arm an Reichsgeſetzen. Die ſechs Decrete dieſes Königs von 1404, 
1405 (2), 1411 und 1435 (2), abgejehen von dem nur angedeuteten Temes⸗ 
värer Tecret von 1398, haben vorzugsmeife Amneftievorfchriften (1404), bie 
Hebung des Föniglihen Städteweſens als politiichen Standes, die Wiederher- 
ſtellung der Freizügigkeit des Bauers (1405), Strafgejeße (1405), Regelung bes 
Abgabenwejens (1411), der Rechtspflege (1435) und die Reform des Heerweſens, 
der Injurrection, im Auge (1435). Mit dem lektangeführten Geſetze fteht der 
wichtige Entwurf vom gleihen Xahre über die feit den Angiovinen eingeführte 
Verpflichtung geiftlicher und weltliher Würdenträger zur lehensmäßigen Gefolg: 
THaftsjtelung (Banderialmiliz, von bandiera — Banner, daher Banderia- 
Iiften = Bannerberren), die Gliederung des Föniglichen Heeres und die Reichs⸗ 
feltungen im Zujammenbange. 

Das Decret K. Albrecht's des Habsburgers von 1439 erjcheint ftreng 
genommen als Jnauguraldiplom zu Guniten der ftändiihen Rechte und Frei⸗ 
beiten, anbererjeit3 als eine Summe von Verordnungen über die Bebeutung 
des Palatinates, die Banderialverpflihtung, die Generalinfurrection, Amterver- 
gebung, Abgaben: und Münzweſen. Die Sakungen aus der Zeit der NRegent- 
Ihaft Elifabeth’3, der Tochter Sigismund’3 (1440—1442), und des jagello- 
niſchen Wahlkönigs Wladislaw J. (1440—1444) fanden jpäter Feine Aufnahme 
in bie officiele Sammlung des Gorpus Auris. Die Decrete Wladislaw's find 
nichts deſto meniger rechtsgeſchichtlich wichtig, abgeſehen von dem Theile, der 
als Beſtätigung früherer Decrete zu gelten hat, durch die Wahrung des könig⸗ 
lichen Oberaufſichtsrathes (placetum regium) den päpſtlichen Bullen gegenüber 
(vgl. die ſcharfe Verordnung Sigismund's von 1404 wider die bullati), Ein⸗ 
ſchränkung der geiſtlichen Gerichtsbarkeit in Unterthansſachen, Verpönung aller 
Gewaltacte und Wiederherſtellung der Freizügigkeit der Grundholden. 

Die reichsſtändiſchen Satzungen der Zeit nad dem Tode dieſes 
Jagellonen bis zur Uebernahme der Regierung durch den Albrechtiner Ladislaus 
P. (1444—1452) verrathen 1445, 1446, 1447 deutlich genug das Beitreben 
der Landesvertretung, nicht nur bie Reichöverwaltung, bie Rechte ber Guber: 
natur und der Reichsvertheidigung zu orbnnen, fondern auch aus der Sachlage 
für die eigene privilegirte Stellung ausgiebigen Nuten zu ziehen. Die Decrete 
Ladislaus’ P. (1452, 1454) drehen ſich um die Anerkennung der ftänbijchen 
Freiheiten und Die Regelung der brennenditen Frage der Reichsvertheidigung 
gegen den Grbfeind, den Türfen. Den Charafter des ftändifhen Zwiſchen— 
tegimentes trägt das Reichsgeſetz vom Januar 1458, als Michael Szilägyl, 
ber Obeim des Corvinen Mathias, die Reichsverweſung führte. Dem gegen: 
über bemweijen bie ſechs Decrete der glänzenden Herricherepoche des Letztgenannten 
(1462, 1464, 1471, 1478, 1481, 1486), welche im Corpus Juris ihren Plat 
fanden, und die acht anderen, welche darin übergegangen erjcheinen, wie es 
der König von eiferner Willenskraft verftand, den Forderungen ber Stände ges 





124 XH. Bud: Inneres Staatsleben vom Schlufie des 10. Jahrh. bis 1526. 


u. |. mw. ftatt.) Das Statutarreht der Szefler umfaßt eine ver: 
hältnigmäßig geringe Anzahl von Privilegien, darunter das wichtigite 
von K. Mathias aus dem Jahre 1473 zu Gunften der Abgaben: 
freiheit der Szeller und über das Verhältniß der beiden unteren 
Ständellaffen (Primipili und pixidarii) zu der höchiten (Primores, 
vgl. 1. Bd., S. 564), — und Satungen der Szeller Stuhl:Ver: 
fammlungen (3. B. von 1451 zu Täfärhely, 1505 zu Udvarhely, 
1506 zu Agyagfalva). 

Am reichiten entwidelte fih das Statutarredht der Sachſen 
Siebenbürgens ; zunächft der Hauptanfiedlung in der Hermannitädter 
Provinz. Die älteften Freiheiten der flandrifchen Anfiedlung unter 
K. Gejja II. (F 1161) liegen nicht vor; dafür bietet der große 
Freiheitsbrief K. Andreas’ IL. vom Jahre 1224 die eigentliche 
Grundlage des ftaatsrechtlichen Dafeins der Deutichen Siebenbürgen®. 
Seine ſechszehn Artikel erflären alle Sachſen dieſes Gebietes als 
Ein Volt unter Einem ſelbſtgewählten Richter, dem Königsrichter 
oder Sadhjjengrafen von Cibinium oder Hermannftadt; bejchränfen 
die Abgaben an die Föniglihe Kammer auf einen Jahreszins von 
500 Marf nah der von K. Bela III. feitgejegten Geldwährung; 
feben als Heerbannspflicht Die Stellung von 500 Wann innerhalb 
des Neiches, von 100 Mann außerhalb deſſelben, bei perjönlicher 
Kriegsfahrt des Königs, andernfalls von fünfzig Mann feſt; räumen 
den Sadjen die Freimahl ihrer Pfarrer, Mauth- und Zollfreiheit, 
das Nutungsreht auf Wald, Wafler und Kleinjalz ein; erklären 
die Unveräußerlichleit des Sachfenbodens und bejchränten die Laſt 
der Beherbergung des Königs und feines MWoimoden, als Landes: 
beamten Siebenbürgens, auf ein bejtimmtes Maß. — In dem 
Reichsdecrete K. Andreas' III. vom Jahre 1291 beziehen fich einige 
Artikel auf die Rechte und Pflichten des Sachſenadels Eieben- 
bürgens als der gleichen mit denen des anderweitigen ungarifchen 
Reichsadels. Karl Robert beftätigte 1317 das Andreanum von 
1224; die neuen Satungen dieſes Freibriefes erhöhen den Kammer: 
zins von 300 auf 1200 Mark; dafür entfällt jede weitere Befteue- 
rung, jeder Zollzwang und die Heerbannspflicht außerhalb der Landes: 
grenzen. Dieſe Beitätigungen wiederholten fi) 3. B. 1366, 1441, 
1453 ... . Sm Sahre 1369 verlieh K. Ludwig auch ben beiden 
Stühlen Medgyes (Mediafh) und Self (Scelf) die Hermann: 
jtädter Freiheit. 

Das zweite Hauptgebiet der Sachſen Siebenbürgens, das Bur⸗ 
zenland oder ber Kronftädbter Diftrikt, erlangte feine dem 
Andreanum nachgebildeten Freiheiten im Jahre 1353 dur) N. Lud⸗ 





126 XI. Bud: Inneres Staatsleben vom Schluffe bes 10. Jahrh. bis 1526. 


Sigismund’s, zur Zeit des Banates Grafen Hermann’s II. von 
Cilli.*) 


3. Die beiden Hauptkreiſe, in denen ſich das Staatsleben des 
ungariſchen Reiches bewegt, ſind das Comitat (Geſpanſchaft) und 
die von deſſen Amtsgewalt ausgenommenen Bezirke und Körperſchaften 
oder die Immunitäten. Das Comitat, magyariſch megye (in 
älterer lateiniſcher Form: mega), erwuchs theils aus den bei der In⸗ 
vaſion der Magyaren vorgefundenen Zupen der pannoniſchen Slaven, 
theils aus den durch die Beſitzergreifung des Landes gebildeten An⸗ 
ſiedlungsbezirken der einzelnen Stammgeſchlechter (nem — generatio). 
Für die erſtere Thatſache ſprechen die ſlaviſchen Grundformen einer 
Reihe von Comitaten (z. B. Zemlun = Zemplen, Novigrad = 
Neogräd, Nitra, Byhor = Bihar, Krasna, Bezprem — Velzprem 
u. A.) und insbejondere der Umſtand, daß die magyariiche Benen- 
nung des Comitatsporftandes: Fö-ispan, „Obergeſpan“, unftreitig 
mit dem flavifchen Zupan zujammenhängt. Da nun die aus der 
ſlaviſchen Epoche herftammenden Geſpanſchaften in der Regel eine 
„Burgitadt” als Vorort hatten und die von den Magyaren ge⸗ 
ſchaffenen Comitate derjelben auch nicht entbehren Tonnten, jo er: 
Icheint dann der Ausdrud värmegye (vär — Burg) im Magyari- 
ſchen typiſch für Gomitat. 

Die ältefte beurfundete Geſchichte der ungariſchen Comitate zeigt 
diefelben bereits in jener Form, welche K. Stephan I. den fränkiſch— 
deutihen Gaugrafſchaften nadjgebildet, nämlich als Burg: 
grafichaften (värmegye), als adminiftrative, judicielle und militä- 
riihe Amtsbezirfe (daher auch) parochia genannt), mit einer oder 
mehreren Eöniglichen Burgen als Mittelpunften. Wir haben dabei an 
zwei Klajjen von Comitaten zu denken, an foldhe, wo ber 


*) Literatur. Außer den ©. 6 angef. Werfen: PB. Szlemenic’3 
Geſch. unferer Gejeke vom Anbeginn unferes Reiches bis zum Ausſterben ber 
Arpaden und 2. A. unter den Königen aus gemifchten Häufern (magyariſch: 
im 6. u. 7. Bde. der Jahrbücher: evkönyvek — ber ung. Af. d. W. [1845, 
1846]); Czech, Die Jnauguraleide und deren urfundliche Spuren unter ben 
Arpaden, ebenda 3. Bd. (1838); Knauz, Tie goldene Bulle (magyariih: im 
9, Bde. des törtenelmi tar (1861); E. Schwab, Tie Stellung des König- 
thums unter Koloman, dem päpftlihen Stuhle und der ungariſchen Verfaſſung 
gegenüber. Programm bed Gymn. zu Kaſchau i. Ungarn (1858). Bübdinger, 
Ein Buch ung. Geſchichte (1058—1100) (1866); A. Bufztay, Die Ungarn u. 
ihr Nationalweien, I. (einz. Band). 





128 XI Bud: Inneres Staatöleben vom Schlufje des 10. Jahrh. bis 1526. 


Haus und Hof, welche Koloman, der Wiederheriteller der Einrich- 
tungen 8. Stephan’s, von der Zinszahlung der acht Denare befreite. 
Zwiſchen diefen Semeinfreien und den unterthänigen Leuten bildeten 
id Mittelflafien bedingt-freier Leute, und zwar 5) 
die Burgbewohner (cives castri), entweder zum Kriegsdienfte (ex- 
ercituatio) und zu Staatsfrohnen (opus) oder als Entgelt dafür 
zur Zahlung von acht Denaren (pro libertate et opere, d. i. für 
den Genuß der perjönlichen Freiheit und anftatt der Frohnen; auch 
liberi denarii genannt) verpflichtet. Zu ihnen müfjen wir auch bie 
Anwohner der königlichen Pfalzen oder Höfe ftelen, die mit der 
dem Slaviichen entlehnten Bezeichnung udvornici (dvur = Hof), 
„Hofhörige“ verjehen erjcheinen. 6) Die königlichen „Gäſte“ oder 
Anſiedler (hospites, accolae regis), entweder zum Striegsdienfte oder 
zu acht Denaren verhalten; 7) die Töniglichen Freigelajjenen (liberi 
a rege) mit vier Denaren befteuert, denen in Bezug der Abgaben: 
pflicht die „freien Gäſte“ (hospites liberi) und die Slaven gleich: 
geitellt werden, „die auf fremden Ländereien oder Gütern arbeiten”. 
8) Die Freigelaffenen privater Herren, insbejondere die „unbehauften 
Beiſaſſen“ (civiles exdomarii, maqgyariſch Sellyer, jpäter zsellyer 
genannt). Die Gemeinfreien und dieſe Mittelklaſſen gehören der 
allgemeinen Kategorie der „Gemeinen“ (Vulgares, maqyariſch: 
köznep) an. Diefer müfjen auch 9) die perſönlich und dinglid 
Unfreien, Leibeigenen oder Sklaven (servi, mancipia, magyariſch: 
rab und szolga, vgl. das ſlaviſche sluga, der „Hörige“; zu: 
jammengefeßt: rabszolga) aller Arten zugerechnet werden. 

Ebenſo wie in Deutichland und in der böhmischen Reichsgruppe 
haben wir als Urſachen unfreier LXebensitellung: Unterjodhung der 
uriprünglichen Bewohner, Kriegsgefangenichaft, Verluft der Freiheits- 
rechte Durch Verbrechen, gänzliche Verarmung oder freiwilliges Auf: 
geben der Vollfreiheit durch Eintritt in Dienft und Schuß des An⸗ 
dern — uns vor Augen zu halten. Jedenfalls ift anzunehmen, daß 
in Folge der Occupation Ungarns durch die Magyaren die Maſſe 
vorzugsweile Jlavijcher Landleute zu grundunterthänigen Bauern, 
Haus: und Hofhörigen, der magyariichen Eroberer wurden, während 
der ſlaviſche Adel fih mit den neuen Herren vermijchte, abgejehen 
von jenen namentlicd) norbwärts gelegenen Gebirgslandjichaften, welche 
erit jpäter occupirt, in der Hauptmaſſe der Bevölferung nichtma- 
gyariſch blieben — und, wo fich die hergebrachten Verhältnijje, nur 
theilmeije gewandelt, auch in der magyarijhen Epoche forterbten. 
Haufen von Kriegsgefangenen wurden ald Grundholden und Haus⸗ 
leibeigene angeſiedelt. Dazu trat, als ſich das erobernde Volk bem 


XII. Ruh: Inneres Staatsleben vom Schluſſe des 10. Jahrh. bis 1526. 129 


Friedens: und Culturleben bequemte, aus ihm jelbft ein gemeinfreier 
Bauernftand, der im Laufe der Zeiten immer mehr der Grund: 
unterthänigfeit verfiel, und die oben erwähnten ihrer Freiheit verluftig 
gewordenen oder jich -ihrer jelbit begebenden Elemente aufnahm. 

Andererieits mwirften Urſachen der gleichen Art, wie joldhe in 
den beiden anderen Yändergruppen zu Tage treten, auf die Zerſetzung 
der Unfreiheit, auf die Heranbildung der früher aufgezählten Mittel: 
klaſſen halb» oder bedingtfreier Leute und insbejondere auf die Her: 
ftellung vertragsmäßiger Zujtände der Grundunter: 
thanſchaft, als deren wichtigſter gejeglicher Ausdruck die Frei— 
sügigfeit des ungarischen Bauernftandes (libera migratio colonorum) 
angejehen werden muß. Wolfswirthichaftliche und financielle Inter— 
eſſen, das Bedürfniß des Königthums, maßgebend für feinen Be- 
gründer Etephan I., die Nähr: und Wehrkraft eines großen, dünn 
bevölferten Reiches zu jtärfen, die Einnahmen der Krone zu fteigern 
und die großen Burgländereien, Pfalz- oder Domänengründe ertrags: 
fähiger zu machen, führten zu maſſenhaften Anjiedlungen aus: 
ländifher Gulturförderer und Arbeitsfräfte, der 
„Fremdlinge oder Gäſte“, vorzugsweiſe bayerijcher, flandrijchniever: 
deuticher und ſächſiſch-mitteldeutſcher Abſtammung, die unter aejeglich 
günstigeren Verhältniffen angefiedelt werden mußten. Tas Göleiche 
thaten die reichbegüterten Kirchen und auch die weltlichen Großgrund- 
befiger aus eigenjtem Intereſſe, und dieſes Colonatsrecht mußte 
auch auf die einheimischen bäuerlichen Verhältniſſe eine günjtige 
Rückwirkung üben. 

Hier joll noch einer dritten Betrachtung Raum gegeben werden. 
Gerade jo wie in den beiden anderen Kändergruppen die Miniſte- 
rialität, das TDienftverhältnig, alle Schichten der Bevölferung 
oder Ständeklaſſen bis an die Stufen des Thrones durchdrang, mar 
e8 auch in Ungarn der Fall. Der analoge Ausdrud für Minifte: 
rialität wurde in der magyariihen Epradie das Jobagyonat. 
Urfprung und Bedeutung des Wortes Jobagy (jobagio), das jeit 
K. Bela III. im urfundlichen Gebrauche auftaucht, ift troß aller 
bisherigen Verſuche nicht endgültig aufgehellt; die Erklärung durd) 
jobb-Agy, „beileres Lager“ — „beſſere Herkunft”, genügt, abgejehen 
von der Echwierigfeit, diefe Erklärung durchzubringen, ſchon darum 
nicht, weil die ältere Schreibung des Wortes jouhagy (ioubagio 
latinifirt) damit nicht gut ftimmt. Die entjchieden glücklichſte Deu— 
tung iſt die, welche in dem Worte eine Zulammenfegung aus jö 
(ältere Schreibung jou. gut) und bagya — bäty& (gegenwärtig: 
Bruder, Landsmann; urjprünglich vieleiht Mann im focialen Einne) 

Krones, Held. Oeſterreichs. ITI. 9 


130 XH. Bud: Inneres Staatsleben vom Schlufje des 10. Jahrh. bis 15206. 


erblidt; jomit jobagy als ‚bonus vir“ im mittelalterlichen Sinne, 
Mann von guter Lebensftellung, auffabt, was für die Annahme des 
hierbei maßgebend gewordenen Begriffes dienſtlicher Lebensitel: 
lung ſpricht. Insbeſondere entwidelt fih unter Koloman die Mi: 
nifterialität. Eine alte Quelle (der II. Anhang zur Chronif des 
Kéza) jagt daher auch: ‚König Koloman hat die in Dienftverhält: 
niffen befindlichen Leute (conditionarii) fo vielartig geftaltet (ad 
tantas maneries variavit)”“. Die Thatfache, daß die höchften Hof: 
und Zandesbeamten: Palatin, Banus, Hofridhter des Könige und 
der Königin u. ſ. w. „Jobagionen“, jpäter „Barone“, als Brädicat 
führen, ebenjo wie die adeligen Burgmannen; daß von befiglofen 
Sobagionen die Rede ift, Jobagionen der Kirche, Jobagionen des 
Königs und der Königin in Burgitädten angeführt, auch die fremden 
Anfiedler jo benannt werden, und endlich, nachdem diefe Bezeichnung 
während des Mittelalters in al’ den obigen Fällen und Anwendungs: 
arten gejchivunden, Jobaͤgy, die Gefammtbenennung des grundunter: 
thänigen Bauers bleibt; jobägysäg joviel wie Unterthanjchaft bejagt, 
während paraszt mehr den Bauer im phyfiichen, jocialen Sinne als 
Adersmann im Auge bat, unterftügt ausgiebig dieſe Auffaffung. 
Die wachſende Bedeutung der Minifterialität zeigt ſich aber aud) 
darin, daß der vonatarifche, dem Könige lehensmäßig verpflichtete 
Adel allgemach die Mafje des Neichsadels, der Nobiles, Vornehmen 
im allgemeinen Sinne ausmadht und in der goldenen Bulle von 
1222 kurzweg als Dienftmannen (Servientes) bezeichnet erjcheint, 
andererjeits die beiden Klaſſen des Hochadels als Barones und Co- 
mites regni, d. i. als Neihswürdenträger und Geſpanſchaftsgrafen 
(Obergejpäne), gegliedert auftreten, und der Ausdrud Comes — Graf, 
Richter, genau fo wie in Deutjchland ebenjo gut die oberften Ge: 
waltträger (comes palatinus, comes curiae, comes comitatus) ala 
auch den Dorfrichter bezeichnen Eomnte. 

Wir haben nun der Amtswirkſamkeit des Comitats 
in jeiner ältejten Urganifation und der geſchichtlichen Wand: 
lungen jeines Wejens zu gebenfen. 

Mir Sprechen hier von den eigentlichen Gomitaten oder Gefpan- 
haften, nicht von den königlichen Burg: oder Pfalzgrafichaften, deren 
es mehrere in einem Gomitate geben Fonnte. Der Comitatsgraf 
oder „Obergeſpan“ iſt der adminiftrative politiſche Vorſtand, der 
Einnehmer der königlichen oder ftaatlichen Gefälle (NRegaleinkünfte), 
der Oberrichter der Gefpanfchaft, im Namen des Königs, ber, 
wie die Gejeßgebung Koloman's nachweiſt, bei dem häufigen 
Wechſel jeines Aufenthaltes auch ſelbſt im Comitate als oberfter 


XIL ud: Inneres Staatsleben vom Schlume des Ic. \abrb. bis 1526. 131 


Richter ericheint, oder durch feinen Pfalzgrafen, den Ralatin, eine 
miſſatiſche Gerichtsbarkeit ausüben läßt, — und endlich der Führer 
des Comitatsheerbannes. Als Stellvertreter in Dieter Amtswirkſam⸗ 
feit, wie einen ſolchen auch andere Reihswürdenträger batten, ericheint 
der uriprünglihd vom Comitatsgraten frei ernannte Vicecomes oder 
„‚Untergeipan’ (maan.: alispän). 

Bon einer Reihe der Abaaben an die Krone, melde im 
Großen und Ganzen mit den gemeindeutihen und böhmiſchen Fönig- 
lichen Gefällen oder Regalien ſich zuiammenitellen laſſen, oder einen: 
thümlich ſich geitalteten, wie die Rauchtangiteuer (füstpenz. denarli 
fumarii), dann Rortaliteuer, hatte der Comitatsaraf einen beitimmten 
Antheil (ein Trittheil durdichnittlich) ; Das Uebrige lieferte er in be: 
flimmten Terminen der königlichen Kammer ab, an deren 
Epige wir dem Magister Tavernicorum. magvariih: tärnok-me- 
ster, Schagmeiiter (dem Slaviſchen entlebnt), begeanen. Gegen Ende 
des Mittelalters taucht auch ein Reihsichagmeiiter (Thhesaurarius) auf. 
Kammerbeamte (Camerarü) verſchiedener Art bejorgten die einzel: 
nen Zweige der ;yinanzvermwaltung. 

Zum Behufe der Comitatsgerihtsbarfeit eritand bald 
eine Gliederung der ganzen Geſpanſchaft in Gerichtsbezirke ( distrietus. 
magyariſch: Järäs) mit bejtimmten Maljtätten oder „Stühlen (szek), 
welche Bezeichnung für die polititche Eintheilung des Sachſen- und 
Szellerbodens Ziebenbürgens maßgebend wurde und bei den unga: 
riihen Slovaken das Comitat jelbit bezeichnete (stolica). Der Deutſch— 
ungar nannte auch die dem ber: und Vicegeipan untergeordneten 
Boriteher dieſer Gerichtsbezirfe Stuhlrichter, während als ma— 
gyariſche Benennung szulga-birö (szolga — ſlaviſch: sluha = Diener, 
dienender Richter, urjprünglid im Lateiniſchen: judex pedaneus, 
megalis) eritand. 

Wie in den deutichen Gaugrafichaften und in den böhmiſch— 
mähriſchen Zupen oder Stajtellaneien gewahren wir in den Comi: 
taten Ungarns allgemad) die oberjte Amtsgewalt, aljo die Oberge— 
Ipanfchaft, als Ehrenamt nd Einnahmequelle in den Händen 
mächtiger Magnaten, nicht jelten auch in biihöfliher Hand, wie 
dies bei dem Graner Comitate jtändig blieb. Sie wird in der 
Regel erblich und nicht ſelten förmlich dDynastiich, zum Schaden 
des Bedrückungen ausgejegten Comitatsadels und der Kirche. Leber. 
große Schenfungen, VBerpfändungen, VBeräußerungen königlicher Bur: 
gen und Pfalzgründe an jene Neichsgroßen oder aufitrebende Günſt- 
linge fürftlider Huld ſchwächen das Vermögen der Mrone, mitbin 
die Staatsgewalt, zum Vortheile einer überwuchernden Dligardie. 


3 


132 XII. Buch: Inneres Staatsleben vom Schluſſe des 10. Jahrh. bis 15%. 


Aber es Fehlt nicht niht an reformirenden Rückſchlägen, 
die das alte Gleichgewicht wieder herſtellen. Auch die gefreiten 
Bezirfe und Städte, die Jmmunitäten, deren gleich unten 
gedacht wird, äußern ihre, die urjprünglichen Comitatsverhältnifje 
wejentlidh zerſetzende Wirkung. Nichts deito weniger überdauert 
das Geſpanſchaftsweſen das Mittelalter, es ericheint an deſſen Schluſſe 
als autonomer Adelsbezirf, dejien eigentliche Leitung in den 
Händen des jebt aus dem Mittel des Geſpanſchaftsadels 
gewählten Vicegeſpan ruht, und wir ſprechen noch in der Gegen: 
mwart von der Gomitatsverfafjung Ungarns, auch tragen die Comi— 
tate noch) im Großen und Ganzen diejelben Namen wie in den Tagen 
Stephan’s J. und jeiner Nachfolger, wenn wir aud) eine Anzahl 
der alten Gomitate (urjprünglidy im 11., 12., 13.—16. Jahrhundert: 
72) und Gomitatsnamen vermifjen. *) 

lebergehen wir zu den Immunitäten. 

Bisthümer und Klöjter erjcheinen in Bezun ihres ge— 
Ichlojjenen und reihögeieglich vor jedem Eingriffe geſchützten Beſitzes 
als Immunitäten; aber von der Gerichtsbarkeit des Comitats waren 
ihre Hinterfajfen oder Unterthanen nur theilweife und zwar in civil: 
gerichtlichen Fällen befreit, was ja auch beim Reichsadel der Tall 
war, dagegen blieb in der Regel dem Gomitate die Criminalgerichte: 
barfeit über die Kirchen- und Stlofterleute. Die geiltlihen Perſonen 
jelbjt waren den geiftlichen Gerichten zugewieſen, aljo vollfonmten 
eremt von mweltlicher Gerichtsbarkeit und nur als Inhaber weltlichen 
Gutes und Reichsſaſſen der königlichen Aurisdiction unterworfen. 
Die privilegienmäßig am meifter bevorzugte Neichsabtei war die 
von Martinsberge (Monast. Scti. Martini de s. monte Pannonie). 

Als gefreite oder privilegirte Diſtricte lernen wir 





*) Literatur. Außer den E. 6 angegebenen Werken: Pfaler, jus geor- 
gicum r. Hung. (ſehr gründfih) (1820); Ralugyay, Megye alkkotmany 
(die Comitatsverfaſſung) (1844; PRerger, a magyar hazaja rögenten (1831) 
(mit e. Abb.); Botka's Abh. über die Somitate im Budapesti szemle (1869), 
TI. Seft, und in den „Szäzadok‘; die Unterluhungen von Mätyıs über 
das Zeitalter des Anonymus und die damalige Yandesverfajjung. Tas ſchon 
citirte und bei aller Formloſigkeit jtoff: und gedanfenreiche Werf von E. Kraj: 
wer unterzieht das (SomitatSmejen einer jelbjtandigen und jcharfen Unterſuchung. 
Xgl. auch jeine Abhandlung a ınagyar nemes joszär stb. (Das ungarijche 
Adelsgut in jeiner Natur bis zum Zeitalter Verböczy's mit Sinblid auf dad 
ausländiſche Recht (1843), worin d. Vf. zu bemeilen ſucht, daß der ungarijche 
Reichsadel fein echtes Eigengut, jondern nur den erblichen Nutzgenuß gejchenkten 
rundes, alfo nur ein dominium utile von Haufe aus, zufolge f. Dotation, bejaß.) 


XII. Bud: Inneres Staatöleben vom Schlujje des 10. Jahrh. bis 1526. 133 


in der mittelalterlichen Epoche unter geiftlicher Herrichaft, die Graner 
Prädialiſten- oder Lehensmannen : Bezirfe von Vajta, Berebely, 
Bacsa u. N. fennen. K. Bela IV. jhuf zwei privilegirte 
Bezirke, den von Turopolje zwiſchen der Save und Kulpa 
und den der zehn Zanzenträgerorte in dem Zipfer Comtitate, 
als Gebiet einer gefreiten Töniglichen Lehensmiliz, meifthin das „kleine 
Zipſer Comitat” genannt. 

Auch die alteingewanderten Petſchenegen oder Billenen 
(Bessenyö) ftanden als „Lönigliche Leute” mit ihren eigenen Grafen 
und Richtern unter Oberaufficht des Balatins. Die jeit 1239 ange: 
jiedelten Kumanen oder Bolowezer (vgl. das magyarijche Palöcz) 
erhielten als Stunen und Salzen (Bogenjchügen) eine bejondere Stellung 
unter dem Palatin als ihrem Obergeſpan und Richter. 

Bon bejonderer Wichtigkeit erfcheinen jedoch die Tönigliden 
Sreiftädte und Yreidörfer. | 

Wir haben in der nadhitehenden Erörterung dreier Hauptklafjen 
freiftäbtiicher Bildungen zu gedenken, jolcher, die ſich in der älteften 
Zeit auf königliche und biſchöfliche Bfalzorte mit gemifchter 
Bevölkerung zurüdführen laſſen; folcher, wo ausschließlich die deut: 
Ihe Anfiedlung für die Entwidlung deutichen Freithums maß: 
gebend wurde, und endlich jener, die von Haufe aus deutihe Frei— 
dörfer, eine Genoſſenſchaft gleichberechtigter Gemeinden mit jtädti- 
ſcher Freiheit daritelen. In Bezug der Rechtsbildung werden 
wir bei den erfteren ein gemifchtes Recht mit vorzugsweije ſüd-— 
deutſcher Grundlage, bei den anderen insbejondere ſächſiſches 
Recht, beziehungsmeile flandrijches Necht, maßgebend jehen. 


Wir beginnen mit der erjten Gruppe, ohne dann jene Gintheilung als 
jeſtes Echema betrachten zu wollen. Es find zunädit die Fisthumsjige Ungarns, 
Gran an der Spike, die urfprüngliche Arpädenrejidenz — denn hier thronte 9. 
Gejſa, der Nater Stephan's I. — Neutra, Bekprim, Sjanad, Fünfkirchen, 
Raab, 'Bäacs, Kalocja, Frlau, Waizen, Großwardein und dazu tritt 
Stuhlweikenburg, die Krönungsjtadt der Könige und der ältere Borort Un: 
garns, bevor dies Alt: Rejth oder Ofen wurde, — an denen wir die erjte Entwidlung 
eined größeren national gemilchten Gemeinweſens beobachten können. Doch nur 
einzelne von dieſen Pfalzorten zeigen den Fortſchritt von bejcheidenen Anfängen 
böriger Aürgerjchaft und Grundinterthänigfeit zum freijtädtiihen Weien. 

Toran geht Stuhlweißenburg (Alba regalis, Szckesfehervar) Die 
Stadtireiheiten Stuhlweiſtenburgs fenuen wir, auffällig genug, nicht aus 
dem urſprünglichen Freiheitsbriefe dieſes Vorortes jelbit, ſondern vielmehr aus 
den Privilegien der Bürgergemeinden, welche damit belehnt wurden, alſo Stuhl— 
weißenburger Recht erhielten, wie z. B. Neutra (125%), Raab (12711, Eiſen— 
ſtadt (1279) und zwar hier als Muſterrecht in allen nicht beſonders verzeich— 


134 XI. ud: Inneres Staatsleben vom Echluffe bes 10. Jahrh. bis 1526. 


neten Fällen, Szatmär (1230), deſſen deutſcher Vorort „Némety“ bereits 
als bayerifche Golonie der Gattin Stephan’ I., Gifela, Ende des 10. Jahrhun- 
dert gilt, u. A. Auch einzelner Rechte Stuhlweißenburgs wird gedacht, 3. 2. 
in der Urkunde Bela’3 IV. von 1238 für Tyrnau bezüglich) der Zahlung 
bes föniglichen Stadtzinjes (tributum), und der Handelsfreiheit, mie dies noch 
in Stabturfunden bed 14. Jahrhundert? der Fall if. Die Grundzüge ber 
Stuhlmeißenburger Freiheiten tragen deutſches, verzugsweifes ſüddeutſches 
Gepräge; denn an bayerifche Golonifation muß bei ganz Weftungarn biesfeit 
der Donau in erjter Linie gedacht werden. Aus der wichtigen Urfunde K. An: 
dreas’ II. für den Klojterort des heiligen Benedict an der Gran vom Jahre 
1217 gebt hervor, daß damals der Stuhlweißenburger freiheit (libertas civium 
Albensium, Albensis) bereit ebenbürtig die Peſth-Ofener zur Seite jtand, 
die libertas Budensis. Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts tritt überhaupt 
diefe Tooppelitadt in den Pordergrund, und der (Finblid in ben Freiheitsbrief 
von 1244 zeigt deutlich die Uebereinjtimmung bes Peſt-Ofener Stabtrechtes mit 
dem älteren von Stuhlweißenburg. Komorn z. %. erhält 1265 Ofener Frei: 
heit ; in der Gnabenurfunde Karl Robert's für Dedenburg (1317) erfcheinen 
Stuhlmeißenburg und Ten ald Muſterrechts-Orte neben einander. Das Ofener 
Recht entwidelte fi) zu einer umfangreihen Compilation, welche, in den Tagen 
K. Sigismund'3 (um 1421) abgeſchloſſen, auch eine ausführliche Satzung „von 
ber Kaufleut und aller Handwerker Rechten” liefert. 

Für Weſt-Ungarns Bergland gewann früh die Bedeutung eines 
Muſterrechts die Freiheit von Karpfen (libertas Carponensis) und ihr reiht 
fi dann feit der Mitte des 13. Tahrhunderts die Shemniker (libertas Ba- 
nensis) an, um fo tonangebender, je ftärfer babei die Geltung dieſes letztge⸗ 
nannten Ortes als blühender Bergjtadt in's Gewicht fiel. Die Rechte von Karpfen, 
welche wir nır aus einer Beitätigungsurfunde des Jahres 1244 kennen, zeigen 
Feinerlei mwejentliche Abmweihung vom Stuhlweißenburger und Ofener. Auch bie 
jreidörfifchen Grundlagen des Schemniker Rechts liegen vor dem Jahre 1244, 
allein jeine eigentlich maßgebenden Beſtimmungen verrathen eine fo greifbare 
Nahbildung des Mähriſch-Iglauer Stadt: und Bergrechted, wie an an⸗ 
berer Stelle ſchon angedeutet wurde, bag mir jie als ein abgeleitetes ober ber: 
übergenommenes Statut der Mitte des 13. Jahrhunderts zumeifen müſſen. 

Im oftungariihen Berglande taucht Kaſchau feit 1261 als gefreiter Ort 
urfundlih auf und ald er unter Andreas’ III. zur eigentlichen gefchloffenen 
Freiſtadt geworben, erjcheint die mıit Mauern umgebene Stadt im 14. Jahrhun⸗ 
derte nicht bloß als politifher Vorort bes ganzen Gebietes, fondern aud 
mit feinem Rechte als Mujterort für manche Bewidmungen; io für die deutſchen 
Nachbargemeinden: Kperies, Bartjeld, Zeben im Särofcher Komitate, Lub⸗ 
lau in ber Zips; während Kafchau ſelbſt 1347 ein Marftprivilegium mit Ofener 
‚sreiheit empfing und Bartjeld im Jahre 1370 in die Zahl der königlichen 
Städte aufgenommen erjcheint, mit ausbrüdlicher Bemerkung, daß es die Rechte 
mit Kajıhau und Ofen tbeile. 

Eine eigenthHümlide Miſchung von NRedtszujtänden muß fih in Gran: 
entwidelt haben, wo wir das Wefen einer biichöflichen Stadt mit dem Streben 


XII. Buch: Inneres Staatäleben vom Schluffe bes 10. Jahrh. bis 1526. 135 


ber Bürger nad) freiftäbtiichen Gerechtſamen nicht jelten im Zuſammenſtoß ge: 
wahren und als „Bürger“ Staliener [Latini] und Armenier, neben königlichen 
Hofhörigen in der Vorſiadt, auftauchen fehen. Für freijtädtiiche Cinrichtuugen 
ſprechen Urkunden des 13. Jahrhunderts 3. 2. die vom Jahre 1280; auch 
K. Ludwig I. begünitigte ſie. Deutfche Bürgerelemente finden fich beijpielsmeije 
in ber Urkunde von 1320 bezeugt. Zu ben älteren und ausführlicheren Stabt: 
rechtsurkunden zählen noch die jür Fünfkirchen (1235), Beregſzäſz (Yup: 
rechthäza) von 1247 und Felfzafz („Halbſachſen“) vom Nahre 1272, Teßtere 
zwei Orte im Bereger unb Ugocjaer Gomitate, 

Ton befonberer Wichtigkeit erfcheint jedoch die Urkunde des leuten Arpäben 
für Preßburg (1291). Die Stadt begann als uralter Töniglicher Burgort, 
deſſen Anwohnern bereit3 1165 die Freiheit vom Burgdienft gewährt wurde. 
In der Urfunde von 1291 heißt e8 nun, daß ber König den nad) ihrer ger: 
fireuung wieder vereinigten „Gäſten“ von Prefburg die reiheiten der könig— 
lihen Stadt in Allem und Xebem verleihen molle. 

Eines der hervorragenditen Gebiete freijtädtifcher Entwicklung auf dörfi— 
ſcher Grundlage und zugleich ein privilegirter Tiftrict, eine Immunität, nad) 
Art des Sachienlandes Siebenbürgens, begegnet ung in dem Zipſer Sadjen- 
boden, deſſen hiftoriiche Natur an anderer Stelle ausführlichere Würdigung 
fand (I. 523—529). Wir haben e8 bier nur mit den Rechtsdenkmälern zu thun, 
Sie find in dreifacher Beziehung für uns belehrend. Einmal bieten fie die beiten 
Auffchlüffe über den Rechtsbeſtand Fönigliher und privater Kreibörfer, welche 
nah Schulzenrecht (jure scultetiae) gegründet maren, ſodann tritt ums 
eine geſchloſſene Körperjchaft oder Ginheit von vierundzmwanzig könig— 
lihen Orten, „Städten“ (universitas XXIV. opp. regalium Scepusii) mit 
Grund und Boden gleichberechtigt entgegen, in der wir auf älterer, verjchollener 
flandrijcher Grundlage mitteldeutiches, ſächſiſches Coloniſtenthum und Rechtsweſen 
ausgebildet finden, — und endlich haben wir es da mit einem förmlichen deut- 
ſchen Landrechte zu thun. 

Als bedeutende Schulzenprivilegien erſcheinen in der Nachbarſchaft die von 
Budlein (1244, 1256, 1289), Gniejen (1286), die wir mit dem von So: 
Iyomfö (1295) am Zips-Gömörer Gemärfe und Gybe (Geib) in der Liptau 
von 1265 am beiten vergleichen können. Die Zugeftändnifje an einen ſolchen 
Irtsgründer oder Solontjator und dann Erbſchulzen find dieſelben, wie wir 
ihnen 3. B. in den jchlefiichen und böhmiſch-mähriſchen Urkunden begegnen und 
ebenjo gleichartig die Nechtäverhältniije der Gemeinden. Der TJubleiner Grb: 
ſchulze Heinrich erhält in der Beitätigungsurfunde von 1289 die Befugniß, ben 
nad) „deutſchem Rechte” gejegten Goloniftenort nach dem Rechte von Krafau 
und Sendomir zu verwalten; denn die Scultetie war eine Schöpfung Xoles- 
law's von Kleinpolen und jeiner Gattin Kunigunde, der Tochter K. Bela’s IV. 
von Ungarn, auf ihrem Leibgedinge. Er erhält beitimmte Nutzungsrechte: Mühl: 
tet, Fleiſcherei u. ſ. m. zu ausichließlich erblichem Betriebe. Die Anſiedler 
leben nad) „Magdeburger Rechte” mit zehnjähriger Abgabenfreiheit, nach deren 
Ablaufe die Zahlung eines Grundzinfes eintritt. Ter Schulze hat auch den 
böhern Gerichtsbann über Verbreden, von deſſen Wändeln oder Bußen die 


136 XII. Buch: Juneres Staatsleben vom Schlufje des 10. Jahrh. bis 1520. 


Srundherrin zwei Drittheile, der Erbſchulze ein Trittheil bezieht. In der Regel 
iehlt diejen Erbſchulzereien die höhere Gerichtsbefugniſe; fie verfügten bloß über 
Die niedere Jurisdiction der gewöhnlichen grumdherrichaftlichen Dorigerichte. 

Die gemeinjamen greiheiten der vierundzwanzig Regalorte 
des Zipjer Sadhjenlandes fennen wir in der urſprünglichen Gejtalt aus 
dem ;Freibriefe X. Stephan's V. vom Jahre 1271. Hier wird als Jahreszins 
die Summe von 300 Mark Silber, die Fönigliche Heeresfolge mit fünfzig Mann 
feſtgeſetzt. Die Zipjer haben das Recht der Eigenwahl ihres Richters oder 
„Grafen“, ber Freiwahl ihrer Pfarrer; (Figengerichtsbarfeit unter dem Schutze 
des Königs; Fiſch-, Jagd:, Waldrodungs: und Erzbaurecht. Norort und könig— 
liche sreittadt erjten Ranges wurde Yeutichau, wie der wichtige Gnadenbrief 
Karl Robert’3 vom Jahre 1317 für das Zipjer Sachſenland bejagt. 13 Neben— 
bublerin Leutſchau's erſteht Kasmarf, deifen ältejte Kreiheit vom Jahre 1269 
einen bedeutenden Markt vorausjegen läßt. Hier erjcheint, neben dem Urtsrichter 
oder Meier, für den höheren Gerichtsbann über Tiebjtahl, Zehent, Blutdinge 
und Münze der Tönigliche Richter, mit zwei Trittheilen von dem Bußgeldern, 
während ein Drittheil jenem zufallt. 

Die Rechtsgewohnheiten der Zips als Landrecht erwachſen zur Zeit 
K. Ludwig's I. in jchriftliher Abjajjung als jogenannte „Wilfür der Sachſen 
in dem Zips”, oder, wie man ed aud nennt, als „Yeutichauer Rechtsbuch“. 
Um das Jahr 1370 abgejchlojjen, zählt dies Laundrecht 93 Artikel, in denen wir 
ebenjo gemeinjächjiichen Grundſätzen als deutlichen Analogieen mit dem jieben: 
bürgiihen Statutarrechte begeguen. 1505 erſchien ein Zujagartitel, in Folge eines 
gemeinjamen Bejchlujjes der eng verbündeten „günfitädte“: Kaſchau, Yeut: 
ihau, Bartfeld, Eperies und Zeben, melde drei legteren jich im Jahre 
1347 ausdrüdlih die „Zipier Freiheit“ bejtätigen liegen; 1516 eine weitere (Fr: 
gänzung und 1566 ein „jüngeres Landrecht“ dazu, wie es ſich auszugsweije im 
Göllnitzer Formelbuche von Jahre 1574 Findet. 

Göllnitz zeigt Sich jeit 126 als Fönigliche Freiſtadt und Vorort eines 
zweiten privilegirten Bezirfes im Süden des Zipjer Sadjenbodens und des 
gleichnamigen Komitates, den wir als die „Gründe“ oder „Kründner Orte“ bei 
der Schilderuing des hijtoriichen Bodens Ungarns feinen lernten (I., S. 512 bis 
513). Seine Rechtsurkunden meijen ſchon auf die Lage K. Zela’s IV. zurüd. 
(#8 beſaß neben dem Banmmeilenrechte auch eine höhere Gerichtsbarkeit in berg: 
rechtlichen ;zragen und erjcheint im Yaufe des 14. und 15. Jahrhunderts als 
Montan=:Tberhof für die Srubenorte des oftungarijchen Berglandes: Schmöl: 
nig in den Gründen, den nächjtbebeutenden Urt, Sglau im Zipſer Yande, Rud— 
nof, Jäſzü, Zelfibanya in der Abaujvärer und Nojenau in der Gömörer Ges 
ipanichaft. 

Für das nordöftlide Ungarn hatte im 14. Jahrhunderte die „Freiheit“ 
von Kroß-S;öllös in ber Ügocjaer Geſpanſchaft die Bedeutung eines Muſier— 
rechtes, jo 5.2. für die Marmarojcher Golonijtenorte: Nist, Kult, Tech 
und Hoſſzumezö. Szöllös ſelbſt hatte jchon unter Andreas II. deutſche Colo— 
niſtenelemente. 


XI. Bud: Inneres Staatöleben vom Schluſſe des 10. Jahrh. bis 1526. 137 


Für den Zuſammenhang der Stadtgemeinden Ungarns, als deut: 
ſcher Anfievlungsorte, mit dem Auslande in rechtshiſtoriſcher 
Beziehung, haben wir mandyerlei Anhaltspunkte. Die Zipjer Sachen 
holten ihre Nechtsbelehrungen zu Magdeburg oder Breslau; in 
Sillein war Teſchner, alfo auch Breslau-Magdeburger Recht heimiſch. 
1379 verbot K. Ludwig I. den Gebraud) fremden Rechtes zu Gunjten 
des heimiſchen, und die Silleiner nahmen die Freiheit von Karpfen 
an; fehrten aber wieder 1382 mit königlicher Bewilligung zum 
Zeichner Rechte zurüd, um dafjelbe zwei Jahre fpäter abermals mit 
dem Karpfner zu vertaujhen. K. Sigismund’s Reichsgeſetz 
von 1405 (4. Artitel) verbot ein= für allemal jede Nechtsberufung an 
das Ausland. Dennod blieben die Fäden des Zuſammenhanges 
gezogen und mindeitens juchten die Deutichen Ungarns ihre Belehrung 
in deutſchen Rechtsbüchern nad. 

Ein Zipjer Rechtsbuch, noch aus dem Jahre 1628, in Kirchdrauf, 
dem ältejten Vororte der Zips, bewahrt, bemweilt, dap man den Sachſenſpiegel, 
das Magdeburger Schöfjenrecht, das „Kaiſerrecht“, das Leipziger Schöffenredht — 
im lebendigen Gebrauche hatte, und auch das Landrecht der Siebenbürger Stamm— 
genofjen zu Rathe zog. Das Kaſchauer Rathsarchiv bejigt ein Exemplar 
des Schwabenfpiegels und zwar vom ‚Jahre 1430 aus der Kategorie der „regel: 
mäßig” abgefaßten und verfürzten Bearbeitungen. 

Kaſchau jtand überdieg mit Ten, der Stadt mit ſüddeutſchem Rechte, im 
innigen Nerfehre; jein Nathsfchreiber (Sromer copirte im 16. Jahrhunderte das 
Ofener Stadtrecht, welches vielfach auf dem Schmwabenfpiegel fußt. Nichts dejto 
weniger müljen wir bei dem politiſch-rechtlichen Verbande Kaſchau's mit Yeutjchau 
und den Schärofcher Schmeiterjtädten, bei jeiner tonangebend mittelbeutjchen, 
ſächſiſchen Bevölferung zunächft an den Gebrauch des ſächſiſchen Rechtes denken, 
wie dies insbejondere die Notizen ber Protofolle über die „gehegten Dinge“ und 
die Rathsordnung der Kaſchauer vom Jahre 1404 darthun, ein im jet: 
nem Idiome und inhaltlid) bedeutfames Stüd, das jeine ſächſiſche Heimbürtigkeit 
nicht verleugnen kann und die Sprache des jchlefiichen Yandredites von 1350, 
ebenfo wie ber Zipjer Willfür von 1370 redet. Die Göllniger nahmen in 
ihre Rathsordnung die erjten NIX Artikel der Kaſchauer wörtlid auf. 


Wenden wir uns Siebenbürgen zu. Weber das flandriſche, 
d. i. niederrheinische Anſiedlungsrecht der erjten Coloniſten in den 
Tagen K. Gejja’s II. (priores Flandrenses) haben wir in 
fichlihen Urkunden der Jahre 1191—1199 nur Andeutungen, 
nicht Aufſchlüße, wie bedeutend wir aud) diefe Colonijation annehmen 
müffen, da der Bericht über die Einfünfte des Arpäden Bela ILL. 
von 1184— 1186 bejagt, er bezöge von den „fremden Gäſten Ultra- 
iylvaniens” 15,000 Mark (!?) Zinfung. Als „erſte (deutiche) An: 
ſiedler“ des Landes bezeichnet eine Urkunde K. Andreas’ Il. von 


133 UL 8:2: Inneres Staatsleben vom Schluſſe des In. Jahrh. bis 1526. 


.zizz 1205 die Anſaſſen von Narafo, Chrapundorf md 
*% 23 ıprımi hospites reeni); Das wären alio noch vorflandriiche 
Zssonen, und die Urtsnamen vermeiten vielleiht auf das Alpen: 
„=: Crrerreids als Heimath der Fremdlinge, da Orts- und Gegend: 
zenennumcen wie Krafau (Steiermarf), die vielen Graben (in Ober⸗ 
Zerzted, Karmen, Nieder:Teiterreib, Grabendorf in Steiermarf) 
zı> Kamsau (Teiterreih und Steiermarf) Analogieen bieten, über: 
Res :. B. Der alte von den Mongolen hart beimgeluchte Anjied- 
‚unzsort Toropfo, laut Beitätigungsurfunde des legten Arpäden vom 
‚cr? 1291, „von oiterreihiichen Yeuten aus Eiſenwurzel“ gegründet 
zur, die man für den Zweck der Eilenbütteninduftrie (pro ferri 
zabricis) in's Land berier. Ein alter Deutihort war auch Rüetel, 
zie Ihon eine Urkunde 1204 bezeugt, und ebenjo die lange vor 
2er Mongolennoth blühende Bergitadt Rodna. Wir beiigen jedoch 
zn all’ dieien Orten feinerlei rechtsarichichtlih wichtige Denkmäler, 
einzelne kurse Urkunden abgerechnet. Auch in den jieben Stühlen 
des Zactenlandes treten die Stadturfunden, 3. B. Hermannjtadt$, 
en Bedeutung begreifliher Weite binter den allgemeinen }yreiheits- 
Erier, das Andreanum von 1224, zurüd. Die erite bedeutende Ur: 
funde für Sermannitadt vom Jahre 1370 verleiht dem Richter oder 
Zabienaraten, den Geichworenen und Gälten Die eigene, in wenigen 
Fällen beichränfte (Serichtsbarfeit und der Ginadenbrief von 1384 
das ausichlieglihe Handelsrecht im Stadtgebiete. Die Freiheiten 
von Kronitadt fnüpfen ſich beionders an das Privilegium K. Lud⸗ 
wig’s von 1353. Bald darauf enthalten jie Ofener Marktredit. 
st. Sigismund förderte und bekräftigte 1395 Diele Gnaden. Für 
Biſſt ritz ericheint zunäcit die Urkunde von 1366 maßgebend, welche 
der Stadt Das Recht der freien Nichterwahl einräumt. Im Ma— 
anarenlande Siebenbürgens war Klaufenburg (v. Culos, Kolos) 
ein Ort mit deuticher Altbürgericaft, denn ſchon im Privilegium 
vom Jahre 1291 für Thorenbura (Torda) wird den hierortigen 
Gatten als Ertag für deren in Verluſt geratbenen alten Freibriefe 
das Nedit von Kolos (Tees und Zek) verliehen. Stephan V. 
ertheilte den Klauſenburgern einen Gnadenbrier, den 1316 Karl Ro: 
bert beitatiat, und 1405 umgab N. Sigismnnd die Stadt mit Mauern, 
Wällen und Thürmen, erflärte fie den fönialichen Freiſtädten ale 
ebenbürtig und verwies ihre Bürger zur Nechtsbelehrung an die 
Oberhöfe der Geſchworenen zu Biltrit und Hermannſtadt. 

Isir haben mur noch des Städteweiens Slavoniens (Sla- 
vonien-Eroatiens) zu gedenfen. Hier tritt zuerſt als Coloniftenort 
Warasdin uns entgegen. Der Freibrief N. Andreas’ II. vom 


XI. Buch: Juneres Staatsleben vom Schlurie des 10. Jahrh. bis 1920. 139 


Jahre 1209 beweiit deutlich, daß wir es mit einer Anſiedlung nad) 
deutichem Rechte zu thun haben, ba darin non der Freiwahl des 
Richters, „welchen jie richtardus zu nennen pflegen“, die Rebe iſt. 
Um bie Burg Valkow (Valpo) jiedelten ji) Gälte an, deren Frei: 
heiten ihren Unterihied von den Burgjobagnonen kennzeichnen (Be: 
Rätigungsurfunde von 1244). Am beveutenditen erwuchs als jtädtifche 
Anſiedlung die am Berge Grech (offenbar : Gradec — Burgberg) „in 
Agram‘ deren die Gründungsurkunde Bela’s IV. vom Jahre 1242 
gebenft, eine jeiner eriten Regierungshandlungen nach der furchtbaren 
Mongolenfluth. Es ericheinen darin gemeindeutiche Coloniſtenrechte. 
Eine zweite Urkunde vom Jahre 1266 ergänzt fie und lohnt jo den 
„Gäſten“ die Erbauung der Burg am Berge Gred. So ermudıd 
im Bereiche der jlaviihen Biihofsitadt Agramı eine Freiltadt nad) 
deutichem Muiter. *) 

Die Reichsvertretung Ungarns durch die privilegirten 
Stände, die „Nation im politiihen Sinne, entwidelt ſich aus den 
Anfängen des 10.—13. Nahrhunderts, wo wir nur an den Beiratl 
der Krone (senatus, consilium regis) und gelegentlihe Ständever- 
fammlungen zu denken haben, jeit der goldenen Bulle, insbejondere 
aber ſeit Ladislaus dem Kumanier, regelrechter zu allgemeineren 
Reihsverjammlungen von immer entjchiedener legislatorifcher 
Wirkſamkeit. Dies ijt bejonders in den Tagen Sigismund’s der 
Fall, der außerdem Verfammlungen freijtädtiicher Abgeordneten berief, 
aus denen die Tavernicalverjammlungen hervorgingen, und 
fo das „Tavernicalrecht“ jeine Ausbildung fand, d. i. das Reichs: 
reht der Städte, die man jeit Aladislam dem Sagellonen als Ta: 


*) Literatur. Dam. Furhoffer, Monasteriologia regni Hungariae: 
recogn. ad fiden fontium revocavit et auxit M. Gzinûr. T. I. Monast. 
Ord. Si. Benedieti (1858, T. IL, Sacrae domus (1560); Kovachich, 
Codex authient. juris tavernicalis statutarii ... . . Budae 1803; Albrecht, 
Dad ungar. Munizipalweſen; im 14.3. des Taſchenb. j. vaterl. Weich. (1832); 
Wagner, Jurisdictio tavernicalis (183-4115 Krones, Zur ältejten (Keich. ber 
oberungarifchen Freiſtadt Kaſchau im 1. Bde. des Arc. j. K. öſterr. G. (186-4) 
uud deutſche Geſchichts- und Rechtsquellen aus Oberungarn ebenda, 31. Bd. 
(1865); Schwartner, de scultetiis per Hunpariam quondam obviis ( Budae 
1815). Sehr viel chronologiſch geordiretes Material enthält der IT. Rand der 
Öiterr. Ethnographie von Czörnig und beziehungsweiſe auch Biſchoff: Teiterr. 
Stadtrechte und Privilegien. Ueber die Zips ſiehe die Literatur im I. Bde., 
b. Bud, hiſtor. Boden; desgl. über Siebenbürgen, Groatien:Slavonien. Kachel- 
mann, Geſch. d. oberung. Bergſtädte (1*855). Eines Hauptwerkes: Michnay- 
Lichner, Ofener Stadtr., geſchah bereits Erwähnung. Ipolyi: Neuſohl. 


140 XII. Buch: . Inneres Staatsleben vom Schlujje des 10. Jahrh. bis 1526. 


vernical: und Berjonaljtädte zu unterjcheiden begann, je nachdem jie 
dent Tavernicus oder dem königlichen Perjonal (personalis regiae 
praesentiae locumtenens) zugemwiejen waren. Im 15. Jahrhun- 
derte, bejonders jeit 1445, tritt der Einfluß des ftändigen Reichs— 
rathes in den Vordergrund. Die Blüthezeit des ſtändiſchen Ein: 
flufjes, aber aud) die ſtürmiſch bewegteſte Epoche des Landtagsweſens, 
fällt in die Tage der Jagellonen Wladislaw und Ludwig; wo wir 
Magnatenverſammlungen und Reichsadelscongrefje, neben gemein: 
jamen Tagen, mit einander im Hader erbliden. 

Für das Kriegsweſen oder die Heeresverfaſſung bilden 
die goldene Bulle, die Banderialverfafjung der Luxemburger und 
Eigismund’s und die Thätigfeit des Corvinen Mathias die Haupt 
epochen.*) 

Auch in Karpathenteiche jpielte der Jude eine wichtige Rolle. 
Die Anfiht, daß er mit den Magyaren aus dem Chazarenreiche 
in Ungarn einwanderte, ift wohl nicht gut haltbar. Wir haben 
gewiß an die gleichen VBerhältniffe zu denken, wie die waren, unter 
welchen jich der betriebjame Siraelite in der deutſchöſterreichiſchen 
Ländergruppe und in der böhmischen einfand; er ericheint ale Händler 
und Mäkler im „hunniſchen“ Lande, im Lande „Agar”, wie er e8 
nod) im 13. Jahrhunderte in feiner Sprache nannte. 


Die erite urfundlihe Nachricht von der Yebens: und Rechtsſtellung ber 
Juden Ungarns bietet die Gejeßgebung 8. Yadislaus’ d. H. (4 1093). Ihre 
Beitimmungen jind durchwegs Firdhlich=focialer Natur. Der Jude ijt nicht bes 
rechtigt, ſich eine chriſtliche rau oder Magd zu halten, und findet dies jftatt, 
jo muß Dieje entlajien werden. Der am Sonntage arbeiterrde Jude verliert 
zur Strafe jein Arbeitswerkzeug. K. Koloman's Tecrete beweijen, daß ber 
Nude in Ungarn bereits jtarf ſeßhaft war und die Krone jeine Rechtsverhältnifje 
ordnen mußte. Der de, heißt es im 78. Gap. des eriten Buches der Decrete 
diejes Königs, darf Gründe kaufen, er muß sich jedoch an einem Biſchofsſitze 
aufhalten. Gr darf ferner, ıwie das vorhergehende Kapitel bejagt, Aderbau 
treiben, jedoch mur mit heidnijchen Sklaven. Würde ich jedoch der Zube an: 
maßen, einen Ehriſtenſklaven zu Faufen, oder zu verfaufen, oder im Dienjte zu 
halten, jo ijt er verpflichtet, ihn, bei Strafe, binnen der gejeglidhen Frijt auszu⸗ 
liefern. Aeußerſt billig ericheint die Satzung über Taufchgejchäft, Kauf und Ver: 
fauf zwiſchen Juden und Ehriſten. Bei einem Tauſche tritt von Weiten ber 


*, Yireratur. Kereſztury, de veteri instituto rei militaris hungar. 
ac speciatim de insurrectione nobilium, Pars I. (unica) (1790); Bardofy 
(Schmaud), animadv. hist. crit. diplom. in opus de insurr. nobilium uact. 
Keresztury cum recensione apocrisium de banderiis hungaricis, Viennae 
anonymo auctore 1785 edit. etc. (Budac 1792); PBiringer, Ungarns Ban: 
berien und deſſen gejetm. Kriegäwejen überhaupt (Wien 1810). 


XI. Rudy: Inneres Staatsleben vom Schluſſe des 10. \ahrh. bis 1526. 141 


Fhriiten die gerichtliche Bürgichaft (vadimonium), von Seiten des Juden das 
Zeugniß (testimonium) ein, als dasjenige Rechtsmoment, das den Kandel zum 
abgeichlofjenen macht. Bei Kauf und Verkauf zwijchen Juden und Chrijten 
findet durch gemischte Zeugen die (Fintragung der Waare ſammt ihrem “reife 
in der Urkunde jtatt, die als Handelövertrag die Namen des Käufers, des Wer: 
käufers und der Zeugen enthielt. Unter Andreas II., dem jchlechteiten Fi— 
nanzmirthe und ewig von Geldnöthen bedrangteır Arpaden, kamen Nuden 
neben Nsmaeliten als Kläubiger des Königs in den Velik des verderblichen 
PBahtes aller Regalien, der Steuer, des Dreikigit, des Zolles u. ſ. w. 
Dagegen wendet jich Die goldene Bulle mit einer Icharfen, dem Könige abgerun: 
genen Satung. Nichts deſto weniger blieben die \uden im Lande als bedeu: 
tende Finanzmacht. Um das Jahr 1225 erjcheint beiſpielsweiſe der Jude Iheha 
(Thehanus) an der Weitgrenze Ungarıs Rejjenyd als „Graf“ (Ortsrichter?) 
und Grundbeſitzer, welcher in dem arpädijchbabenbergijchen Uebereinfommen eine 
Bürgſchaft für die Zahlung von 200 Mark Silber übernimmt und gegen den 
(1228) Graf Simon von Arragonien um das Hut Nüdiger's (terra Rutukeri) 
bei Oedenburg Klage führt. Münzmeilter war damals der Nude Garhene, 
Kammergraf der Nude Samuel. An Komorn, damals nod) offener Ort, erfcheint 
der Iſraelit Henel als „Graf“ mit jeinen Söhnen Rolvelin, Oltman und Unkelin. 

1232 mußte Andreas II. im jogenannten Bereger Koncordate der 
Kirche den Eidſchwur leiiten, in Zufunft „weder einen Juden, noch Asmaeliten, 
noch Sarazenen zum Rorjteher der Kammer-, Finanz-, Salz: oder Steuerämter 
zu ernennen, noch auch anderen Vorſtehern an die Ceite zu geben, oder ihnen 
font öffentliche Memter zu übertragen”. Sie jollten fortan durch äußerliche Ab: 
zeichen von den Chriften unterjcheidbar fein. Tas Halten chriftlicher Tienftboten, 
Heirathen mit Chriiten werden verpönt, und zur Aufrechthaltung al’ deſſen fol 
der König jährlich einen ftrenggläubigen Magnaten ernennen, der auf die Ritte 
eines Bifchofs, in defien Sprengel Juden, Heiden oder Nömaeliten wohnen, da: 
ſelbſt Umſchau halte, die chriſtlichen Knechte und Weiber ihnen entreiße und Die 
Schuldigen, welche der König überdies zur Sflaverei verurtheilen wird, mit Ent: 
zieh ung ihres Vermögens beitrafe. 

Bela IV., der als Thronfolger mit zu denen gehörte, welche gegen die ſchäd— 
liche Finanzberrichait der \uden und Ismaeliten eiferten, jah fi) durch ſtaatswirth— 
ſchaftliche Bedürfniiie zu ihrer Tuldung als „Kammerknechte“ bewogen, erlangte 
vom B. Gregor IX. die Erlaubnißz, Afraeliten die Föniglichen Gefälle zu ver: 
pachten und verlieh im toleranten Geijte jener Zeit den Juden Ungarns einen 
Freibrief vom d. December 1251, dejjen Anhalt den öſterreichiſchen Inden— 
fakungen ©. Friedrich's II. vielfach nacdhgebildet fich zeigt. Die Juden er: 
feinen darin vor dem Geſetze ben Chrijten gleichgehalten und in ihren Cultus— 
intereſſen geſchützt. Diejer Freibrief erlebte bis 1494 nicht weniger als eli 
Föniglihe Bejtätigungen. Die Juden finden jih Ende des 13. Jahrhunderts 
urfundlih in Gran als Bewohner einer eigenen Gaſſe, zu Preßburg, in 
Trencfin, und ebenjo müffen fie in den anderen Nororten als ſeßhaft 
angejehen werben. Beſonders Tag ber Weinhandel in ihren Händen. Der 
Trud ihrer Geldherrſchaft, von mander Stadt jchon früh angellagt, 


142 X. Bud: Inneres Staatsleben vom Schlufje des 10. Jahrh. bis 1526. 


beitimmte K. Ludwig I, den Freund des Städteweſens und eifrigen Kirchen: 
manı, zur Berbannung der Juden. Unter Sigismund famen jie wieder 
empor. Gr ftellte nicht weniger als vier (Snabenbriefe für die Judenſchaft 
von Stuhlweikenburg, Belt, Ofen, und Prekburg aus. An dem erfteren 
vom Jahre 1396 erfcheint der „edle Jude Salomon, ber Gaſt unferer Stadt 
Stuhlweißenburg“ (nobilis Salomon judaeus hospes civ. nostrae Albensis) 
alö derjenige, welcher diefe Betätigung der Freiheiten jeiner Glaubensgenoſſen 
ermwirfte. Sigismund beftätigte auch 1436 den Freiheitsbrief Bela’8 IV. Eelten 
tauchen (Fmeuten gegen die Nuden auf. 1454 fam es in Tyrnau zur Verbren- 
nung von zwölf Juden und zwei Franuen berjelben aus Anlaß des alten Wahns, 
der an den Mord von (hriftenfindern glaubte. Hier zu Tyrnau lebte auch 
damals der erite befannte rabbiniiche Schriftiteler Ungarnd, Eiſaf. Nach dem 
Tode 8. Mathias’, bei defjen zweiter Hochzeit (1476) die Stuhlweißenburger 
Juden viel Prunk entwidelten, vegte fich der Volkshaß da und dort jtärfer. 
1495 plünderte das Volk die Ofener Judenſtadt. Kurz zuvor (1494) batte 
Wladislaw II. das Privilegium Béla's IV. betätigt auf Bitten des Juden 
Mendel, des Vorſtehers (praefectus) der Audengemeinde. In den zur Zeit Wla- 
dislaw's ausgebildeten Tavernicalſatzungen werden aud die Rechtsverhältniſſe 
der Iſraeliten geregelt. Auch unter Ludwig II. nahm ſich die Regierung der 
Juden an; ſo erklärte eine Urkunde von 1520, gegenüber der Forderung der 
Ofener, die Hebräer ſollten eigens gezeichnete Kleider tragen, das ſei in Ungarn 
nicht üblich. Der Beſtand der Iſraeliten in Ungarn erſcheint immer mehr auf 

breiter, geſicherter Grundlage.“) 


Wenn wir dieſem Abſchnitte eine kurze Skizze der äußern 
Rechtsgeſchichte Dalmatiens beifügen, ſo geſchieht dies aus 
dem Grunde, um das innere Sonderleben einer im Mittelalter mit 
der ungariſchen Reichsbildung wechſelvoll verbundenen Landſchaft zu 
zeichnen, für welches ſich im Rahmen der ungariſchen Rechtsgeſchichte 
der Platz nicht finden ließ. Die politiſche Geſchichte dieſes 
eigenartigen Küſtengebietes in ihren älteſten Grundlagen und ewig 
ſchwankenden Beziehungen zu Ungarn bis zu der thatſächlichen Auf: 
löfung des Verbandes mit diefem Keiche im 15. Jahrhunderte fand 
an verjchtedenen Stellen des vorliegenden Werfes (I, ©. 158— 161, 
II. 75—80, 177—179 und 214—215) ihre gebrängte Würdi— 
gung. 

“\Yiteratur. Außer den allgemeinen Werten von Grätz und Joſt ü. 
G. der Iſraeliten, da8 Uuellenmaterial f. Ungarn im Corpus Juris H., in 8o: 
vachich, Sylloge decret. u. Vestigia comit.; Fejèr, Cod. diplomat.; 
Fényes, Magyarorzäg statistikäja, I.; (Krones) die politijch-jociale und 
reichögejeuliche Stellung der Niraeliten in Ungarn .. . . Peſt-Ofener Zeitung 
(1860) Nr. 29. 31 unter der Chiffre X. K.; Y. Löw, Die jüdiichen Wirren 
in Ungarn und ber jüdiiche Congreß in Ungarn; Gzörnig, Ethnographie 
Oeſterreichs, II. Rd.; Hunfalvy-Schwicker, Fthnographie von Ungarn. 


XI. Bud: Inneres Staatsleben vom Schlufje des 10. Jahrh. bis 1526. 143 


Ueber die. Grundverträge der Krone Ungarns mit 
Dalmatien unter Koloman feit 1102 find wir nur unvollftändig 
unterrichtet. Für die Abmahungen nit den chorwatiſch-dalmatini⸗ 
ihen Zupanen haben wir nur das alte Chroniſtenzeugniß, demzu— 
folge dieje zu feinerlei Abgabe ihrer Unterthanen, wohl aber ver: 
pflichtet jeien, im Falle eines feindlichen Einfalles über Aufgebot 
des Königs, jeder mit mindeitens zehn bewaffneten Reitern auf 
eigene Kojten bis an den Draufluß, dann aber nad Un: 
garn hinein auf königliche Koften, zu dienen. Als Inbegriff 
der alten Rechte der croatijhen und flavonifhen Bane 
jeit der ungarischen Herrichaft über das Land jcheinen nad: 
ftehende gelten zu können: Die Befugniß, die Urkunden des Königs 
mitzufertigen, die königlichen Schenfungen, mit ihrer Einwilligung ge- 
macht, zu beftätigen, Jmmunitätsprivilegien ihren unterthänigen Orten 
zu verleihen, die Grafen oder Zupane und die Webte zu beitellen 
und felbft Schenkungen Fleineren Ausmaßes zu verfügen. 

Die Verträge K. Koloman’s mit Zara, Trau (1108), Arbe 
(1111) und vor Allem mit Spalato (1103) beweijen, daß er thun= 
lichſt den kirchlich-politiſchen Autonomieverhältnijfjen 
Dalmatiens Rechnung zu tragen befliſſen war. 

Was die ungariſche Oberverwaltung Dalmatiens be— 
trifft, ſo haben wir an wechſelnde Zuſtände zu denken. Die Prioren, 
Tribunen und Richter der Städte, die Zupane oder Grafen der 
Landbezirke ſtanden unter dem Banus auch Herzog von Croatien— 
Dalmatien, wohl auch unter dem Palatin (z. B. Beluſch, dem 
Schwager K. Béla's II., 1152), der ja ſpäter auch den, allerdings 
bald leeren, Titel „Richter Dalmatiens“ führte. Mitunter ſehen wir 
Dalmatien als Apanagegebiet von einem arpaäͤdiſchen Prinzen 
verwaltet, 3. B. von Andreas II. (1198—1204), als jüngern 
Bruder K. Emerich’s. Seit 1274 tauchen als Statthalter des croa⸗ 
tiſch⸗ dalmatiniſchen Küftenlandes die jogenannten Bane am Meere 
(bani maritimi) auf, welde Würde meiftentheils jeit 1293 Die 
Brebir an fih bradten. Die älteitn Ständeverhältnifje 
der chorwatiic) » ungarifhen Periode zeigen ung a) Cdelfreie oder 
Vornehme, darunter die Zupanen, b) Bemeinfreie, c) be: 
dingt Freie, das ift perjönlid) Freie und grund: oder Dienit: 
unterthänige, d) $reigelajjene, meilt „zum Seelenheile” der 
Sklaverei entlajjen, und e) Sklaven oder Leibeigene, 3. B. durch 
Verarmung, Schuldenverhältniß, deren Verkauf zu hindern Zwonimir 
in feinem Krönungseide vom Sahre 1076 der Kirche veriprad). 

Die venetianischen Acten von 1349—1353 geftatten uns einen 








146 XII. Bud: Inneres Staatsleben vom Schlufje des 10. Jahrh. bis 1526. 


geſchickt den wachſenden Dsmanenftaat fich befreundet zu machen be: 
fliffen war, an feinem hervorragenden Handelsplage eines Confuls 
entbehrte, überdies gemwinnbringenden Bergbau in den gepachteten 
Gruben Rasciens zu Srebernik, Janowo, Kratowo, Nomwobrdo trieb, — 
Raguſa bietet die zahlreichiten und wichtigiten Beilpiele von Han: 
delsverträgen mit der italienischen und iſtriſchen Nachbarſchaft; 
fo 3. 8. 1166 mit Piſa, 1188 mit Rovigno, 1199 mit Ancona, 
1201 mit Bari, 1203 mit Termoli, 1208 mit Malfetta in Apulien 
u. U. Venedig war au früh eiferfüchtig auf die Handelsblüthe 
Ragufa’s, das bemeilt 3. B. das Verbot des Dogen von 1226, ra- 
guſiniſche Waaren direct oder indirect im Bereiche zwiſchen Zara 
und Ancona zu kaufen, und grollte den Ragufinern ale Förderern 
und Hehlern der flavifchen Piraterie der dalmatinifchen Küſte. 

Für die Gliederung der Unfreiheits= und Hörigfeits:- 
verhältnijfe der dafmatinifchen Küften- und Snjelgemeinden läßt 
fi am meiften aus den Statuten von Zara, Traü, Raguſa, 
Gurzola und Cattaro an Belegen gewinnen. Zu unterft ftanden 
die eigentlichen Sklaven, Knechte (Mägde), verfäufliche, vererbliche 
Leibeigene (vlastaci in Cattaro); höher die gemietheten oder ge⸗ 
dungenen Knechte (pactualis, mercenarius, ſlaviſch: pristaw). Dann 
gab es Tsreigelafjene (franchi) in mannigfachen Dienjtverhältniffen. 
Schlägt der Knecht einen Freien, heißt es im Statut von Cattaro, 
jo wird er gepeitjcht, thut er dies einem Edeln, jo erhält er die 
Brandmarfe auf beide Wangen gedrüdt und wird aus der Stadt 
gepeiticht. Erfüllt der gedungene Knecht, die gemiethete Magd, fagt 
das Geſetz von Gurzola, die vertragsmäßige Verpflichtung nicht, fo 
werden beide nadt durch die Stadt gepeitfcht und müfjen dann nichts 
deſto weniger ihre Zeit ausdienen. 

Die verhältnißmäßig günftigfte Lebensftellung erlangten die zins- 
pflidtigen Bauern oder Colonen; beſonders in der venetianifchen 
Cpode. Sie befaßen Erb- und Eigenthbumsredt, Klage: 
recht und eigenen Gerichtsſtand (Slavengraf in Cattaro). 

Die firdliden Verhältniſſe Dalmatiens zeigen uralte 
und zahlreihe Bisthumsgründungen, in ihrer Mehrzahl mit jehr 
kleinen Sprengeln und Einkünften, da die Städte die Anhäufung 
von Grundbeſitz in der Hand nicht gerne ſehen. Vom 4. bis zum 
10. Sahrhunderte unferer Zeitrechnung entftanden die Bisthümer 
Bara, Arbe, Macarsca, Rifano, Raguſa, Spalato, Cattaro, Stagno, 
Nona; ihnen ſchloſſen fih im 11. und 12. Jahrhunderte: Kin, 
Baravechia (bis 1125), Traü, Scardona, Bubua, Lefina; und 
1294 Sebenico an. Die bebeutendfte Metropole war die von Spas 


XTIL Bud: Inneres Staardleben vom Schluſſe bes 10. Jahrh. bis 1926. 147 


lato, in den Jahren 1187 —1200 mit mehr als zehn Suffraganen. 
Ragufa griif mit feinen Interfirhen nah Albanien, Bosnien, 
Servien, Montenegro (Zaculmia) ein. Zara gelanate 1154 zum 
Range eines Erzbisſthums. Das Bisthum Leſina hatte Die meiiten 
Inſeln unter fih; man nannte daher jeine Vorſteher „Inſelbiſchöfe“. 
Sehr ftarf war die jchismatijche Kirchenitrömung von Bosnien: Serbien 
berüber. Zu den älteiten Klöftern zählt das der Benedictinerinnen 
zu Zara, angeblid 906 geftiftet und 1066 erweitert; beſonders 
feit 1091 von Bedeutung, und das Echmeiterfloiter zum heiligen 
Doimo in Traü vom Jahre 1064. Im 13. und 14. Jahrhun⸗ 
derte mehrten ſich namentlih Tominifaner: und Syranzisfanerflöfter. 
Der Klerus hatte auch die gefammte Literatur in Händen, wie Dies 
z. DB. die Gelehrtengeſchichte Raguſa's darthut.*) 


JH. Die Gulturepoden des Ungarnreiches laſſen 
ſich beiläufig nad) folgenden Zeitmomenten auseinander halten. Die 
erite Schließt mit Ladislaus I. (F 1095), welcher die Errungenjchaften 
Stephan’s I. neu befeitigt; die zmeite läuft bis zum verhängniß: 
vollen Einbruhe der Mongolen (1240). Die dritte bat ihren 
Höhe: und Ausgangspunkt in den Tagen des zweiten Angiovinen 
Ludwig d. Gr. (T 1382); mährend die vierte zwijchen die Tage 
Sigismund’8 und den Tod des Corvinen Mathias (F 1490) ein- 
geftellt werden darf und in der fünften (1490—1526), der Zeit 
des Verfalles, die unerquidlichen Tage der Jagellonen uns entgegen 
treten. Wenden wir uns der älteften Culturepoche zu. — Aus dem Cha: 
zarenreiche, wojelbit „türkiſche“ Einflüſſe das uraliſch-finniſche Volks: 
thum der Magyaren in Lebensbrauh und Sprade Stark berührten 
und fie daher auch in den Augen der Byzantiner, des Kaifers Leo, 
der ihre Streit: und Lebensweiſe, des „purpurgeborenen” Conftantins, 


*) Literatur. Abgefehen von den bereits wiederholt citirten Sammlungen 
und Werten von Öyurifovics, Kufuljevid, Ljubic, Reukıf. 1, II. Bd.): 
Ratfi, borba juznih Slovenu za drzavnu neodvisenost u XI. viekn (Kampf 
der Sübdflaven für die ſtaatl. Unabh. im 11. Sahrh.) im Rad jug. akad., 30., 
31. Heft (1875); Bras nieè, municipija u hvratsko) drzavi za narodne di- 
nastije (die Municipien des Groatenjtaates unter der nationalen Tynaftie), ebenda 
‚32. H. Die rechtshiſt. Arbeiten von Bogiſiè, zunächſt fein bibliogr. Abrik 
über gejchr. Geſetze des jlav. Rechts. (Ngram 1872). Ueber Ragufa aufer der 
Monogr. von Engel: die urfundl. Arbeiten von Matlovid und Yjubit im 
VO. und IV. 9. de Rad. Ueber d. Klirchengefch.: yarlati i. Illyr. sacr. 

10* 


148 XI. Bud: Inneres Staatsleben vom Schlufje des 10. Jahrh. bis 1526. 


ber ihr Staatswejen bejchreibt, zu „Türken“ ftempelten, — dringen 
die Söhne der ſcythiſchen Steppen an die bulgariſche Donaugrenze 
vor, überfchreiten diefelbe und werden endlich nach einem mehr als 
zehnjährigen Kampfe Herren des größten Theiles Pannoniens. — 
Mit Slavenjtämmen ſchon altersher in Berührung, erfcheinen die „Un: 
garn’ im Theiß- und Donaulande, ähnlich) wie einft die Germanen 
auf dem Boden des Römerftaates, als weit rohere Eroberer, Schüler 
der Unterworfenen. Eine große Fülle ſlaviſcher Bezeid: 
nungen auf allen Lebensgebieten erfcheint in der magyarijchen 
Sprade feither eingebürgert und ſpricht am beften für diefen Cultur: 
prozeß: mögen wir den Aderbau, Gewerbe, Handel, Schifffahrt, — 
die gewöhnlichen Xebensbedürfniffe, Haus und Hausgeräth, Kleidung, 
den phyſiſchen und gejelichaftlihen Menichen, die Pflanzen: und 
Thierwelt — oder Staat, Kirche, Kriegsweien, Münze und Maß 
dabei nad) dem bezüglichen Wortvorrathe mujtern. 

Leider haben wir für die wichtige Zeit der Anfiedelung 
des Magyarenvolfes in Ungarn feine nationale Duelle höheren 
Alters von dem Schlage des naiven, ehrlichen Cosmas, der Die 
Volksſage achtet und die Gejchichte ebenfo wenig als die Weber: 
fieferung fäliht. Denn, was von dem fogenannten Anonymus 
diesfalls zu halten, beleuchteten wir an anderer Stelle (I., 54—57); 
die Fritifchere Haltung der neueften magyariſchen Forſcher in der äl- 
teften Geſchichte des eigenen Volkes neigt ſich immer mehr dem ent: 
ſchiedenen Verdicte des Auslandes zu, aus dieſer trüben Quelle 
dürfe man nimmer die Grundanfhauungen über Gefchichte Ungarns 
Ihöpfen. Der gewifjenhaftere Chronift Simon Kéza gehört erft 
dem Schluffe des 13. Sahrhunderts, den Tagen Ladislaus des 
Kumaniers (F 1290), in jeinem Leben an und ftoppelte fo gut 
wie der jpätere Marcus, fein Nachtreter in gleicher Arbeit, aus 
gleiher Duelle (man vgl. auch das jogenannte Chronicon Poso- 
niense, die Preßburger Sammelchronik, in der fogenannten Wiener 
Bilderhandjchrift, welche bis 1330 reiht und ald Chronicon Bu- 
dense 1471 zum Abdrucke gelangte) aus Mythe, Weberlieferung 
und felbft aus dem Nibelungenliede die Anfänge der Ma- 
gyaren in Ungarn zufammen.. Thuröczy, der Gejchichtichreiber 
in der Zeit der Corvinen, thut das Gleiche. Immerhin find fie 
in dem biftorifchen Theile ihrer Compilationen brauchbarer als der 
Anonymus und die Anhänge (Appendices) zu Kéza, namentlich 
der über die „edlen Ankömmlinge Ungarns“ (de nobilibus ad- 
venis Hungariae), ein bei allen Srrthümern willfommenes Ber- 
zeichniß der fremdländiſchen Anfiedlungselemente Ungarns jeit Herzog 





150. XI. Bud: Inneres Staatsleben vom Schluſſe des 10. Jahrh. bis 1526. 


zum Seidenthum und der alten Uncultur im eigenen Bolfe aufzu: 
räumen fich gedrungen fühlte. Es war nicht fo lange ber, daß 
(1046) der große Sturm gegen das fremdbürtige Chriftenthum los⸗ 
brach und in jeinem Wiederaufflammen (1061) dur Bela I. blutig 
gedämpft werden mußte, — daß Sohann, Vathas’ Sohn, und fein 
Anhang „das Haar nach Heidenart ſchor“ und den alten Göttern 
Pferdeopfer und Weihtranf (äldomäs) darbradite. 

Treten wir in den zweiten Zeitraum (1095—1240). Die 
Gejeggebung Koloman's, „des Bücherkundigen”, erfcheint in jeder, 
alfo auch in culturhiftorischer, Richtung als eine, Ergänzung und Er: 
weiterung der Zegislation feiner Vorgänger Ladislaus’ und Stephan’sl. 
Ungarn eröffnet fich dem erften großen Kreuzzuge ala Durchzugs- 
land; es bleibt ein folches und wird in eine Culturftrömung getrieben, 
deren Gewinn, insbejondere der materielle, die wachjende Handels: 
bedeutung der ungarischen Donauftädte, nicht gering angeichagen 
werden darf. Tiefer in die Maffe der Nation dringt der Eultur: 
fortfchritt nicht leicht und noch weniger raſch; die Zeiten nad) Kolo- 
man, voll des Krieges und Parteikampfes, waren dem um jo weniger 
günftig, und fo mag das Bild, welches ein bedeutender Geſchicht⸗ 
Schreiber diefer Zeit, der Babenberger Fürftenfohn Otto, Bilchof 
von Freijing, als Kreusfahrer im Jahre 1147, von dem da— 
maligen Ungarn entwirft, bei all feiner Abneigung gegen dieſen 
Nachbar Deutichlands, der Wirklichkeit nicht zu ferne ftehen. Jeden⸗ 
falls Hatte der Kern der Magyaren noch den Typus der finnischen 
Race mit türfifchen Beimifhungen; noch lebte er am liebiten auf 
der ebenen Steppe in Zeltdörfern mit jehr einfachen Lebensbebürf- 
niſſen; das Königthum habe patriarchalifche Gewalt; der König dürfe 
den ungehorjanıen Amtsträger durch feine Gerichtsboten feftnehmen 
und vor feinen Richterituhl ſchaffen laffen. Dort aber, wo fich der 
Magyare mit dem Slaven oder mit anderen Anfiedlern in Maffe 
miſchte, war fein Racentypus im Schwinden oder in ftarfer Ber: 
ſetzung; bejonders aber mußte bies im Kreife des höheren Adels, 
dem jo viele Fremde eingebürgert wurden und ſich mit den alten 
Geſchlechtern verfippten, bemerkbar werden. 

Ein ungarifcher Forſcher (Stephan Horvath) unternahm bie 
ziemlih undanfbare Aufgabe, den alten Magyarengefchlechtern auf 
die Spur zu kommen und jo die Nachlommen der bei Kéza mit 
108 bezifferten Gejchlechter (generationes) der arpädifchen Invaſion 
zujammen zu bringen. Die aus verjhiedenen Jahrhunderten müh⸗ 
jelig zufammen gellaubten Namen laſſen fich nicht bloß zahlreich 
ergänzen, ſondern bieten gar Feine Bürgjchaft für ihre angebliche 





152 XHO. Bud: Inneres Staatdleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


Sn Ungarn felbft liefen damals Friefacher Pfennige neben by: 
zantiniſchen Goldmünzen, abgejehen von den einheimijchen Währungen, 
und die Silbermarf wurde wie in der weltlichen Nachbarjchaft in 
Viertinge (ferto) gejchieden. Doch kommen auch Goldviertinge (fer- 
tores auri) vor. Schon Stephan’s I. Gefeßgebung jpricht von 
diefer Goldwährung. Die erite eigentlihde Münzordnung gehört 
Bela I. an. 

Unter Andreas II. gewahren wir einen ftarten Verfall der 
Kronfinanzen, höchft zerrüttete ftaatswirthichaftliche Verhältniſſe. Er: 
freuliher ift das Fräftige Gebeihen des Städte: und Anfied-: 
Lungsmwefens, das ſchon die königlichen Heere unter Stephan LI. 
füllen half und ſchon vor dem 13. Jahrhunderte den ganzen Berg: 
bau in Händen hatte, und nicht unberechtigt erfcheint die Bemerkung 
des ſpäter lebenden polnischen Chroniften Dlugoſch, der Haß der 
Magyaren habe fih gegen die erfte willensftarfe Gattin des Königs, 
die Meranerin Gertrude, gelehrt, weil fie nicht bloß ihre deutſchen 
Brüder, fondern auch das beutfche Stäbte- und Anſiedlungsweſen 
fo entſchieden begünftigte. In der That finden wir 3. B. ihren 
tirolifchen Begleiter, Probft Adolph, in der Zips als Goloni- 
jator thätig und feinen Bruder Rutger von Matrai dajelbft 
nach urkundlichem Zeugniffe angefiebelt. Die adeligen Hauptfamilien 
der Zips, die Görgey und Berzeviczy, ftammen von adeligen 
Anfieblern ab, die ihre Prädicate nad Zipfer Befigungen Garg 
(Görgö) und Berzevicze führen. 

Hier ift auch der Drt, des damals ſchon ſtark entwidelten 
Kloſterweſens Ungarns zu gedenken. Zunächſt wie überall bür- 
gerte fih der Benedictiner-Orden ein mit dem ältejten, am 
reichiten dotirten und angejehenften Klofter, der „Erzabtei”, am 
Martinsberge. Er brachte es in Ungarn während des Mittelalters 
zu zweiundneunzig Klöftern und zehn Nefivenzen. Ihm folgte im 
12. Jahrhunderte der BPrämonftratenjerorden mit zweiund⸗ 
vierzig Klöftern und Probfteien und bald der der Cijterzienfer, 
die Bela III. insbejondere begünftigte. Er zählte jpäter dreiund⸗ 
dreißig Klöfter. Dazu famen ale Regularfanonien ſechs vom 
Orden des heiligen Grabes, neun andere mit dem Rechte, die Al: 
mugen oder Chorpelze zu tragen (super pelliciti), und einundzwanzig 
Klöfter des Auguftiner-Eremitenordens. Bon den geift- 
lihen Ritterorden hatten die Sohanniter neunzehn Commenden 
im Reiche, darunter das bedeutende Priorat zu Vrana, die Tempel: 
herren dreizehn Manferien. Die culturhiftorifch bebeutendite Rolle 
fpielten 1211 — 1224 die beutfchen Ordensritter, als fie Lebens: 








XIL Bud: Inneres Sıaaälchen vom Ecqhluñe des 10. Jahrh. bis 1526. 155 


Art der Heiden mit auigelötien herabhängenden Haaren und in weib- 
lihen Kleidern verkehrten, zu ihrem Heile wieder zurechtzubringen.” 

Der Schluß der Arpädenzeit und die Tage des wirrenvollen 
Zwiſchenreiches (1301— 1398, waren nicht darnach angethan, das 
Gulturleben auf fichere Grimdlagen eines geſetzlich geordneten Reichs: 
friedens zu Stellen. Tieie zeigten ſich erit ſeit Karl Robert's Siegen 
über die Oligarchie möglid. Und dod blieb ihr mächtigſtes Haupt, 
Mathias von Giäf, trog der Rozgonyer Schlacht (1312), in 
welcher feine Anhänger erlagen, unbeſiegt. Er fonnte 1315 auf 
eigene Fauſt eine Fehde mit Johann von Böhmen anfangen und 
ausfechten, im Waagthal gerürdtet herriden und bis an jeinen Tod 
einen wahrhaft föniglihen Prunf entfalten. Er, der Güſſinger 
Heinrich, Ladislaus Apor, der Wojwode und Gewaltherr Sieben: 
bürgens, und Omodé Aba, Karl Robert’s eigennügiger Anhänger 
und Palatin, den die erbitterten Deutſchbürger von Kaſchau im 
Aufftande erichlugen (1311), weil fie an ihrem Freithum und an 
der Krone ebenjo feit hielten wie die Zipjer Sachſen, ihre Nachbarn, 
find jo recht hervorragende Typen ber Magnatenoligarchie, welche 
-Rarl Robert allmählich bezwang. 

Mit ihm, dem Sohne eines freigebildeten, genußjüchtigen Hofes, 
dem Vertreter der jtrammeren Lehensmonarchie, kommt ein 
KönigthHum auf den Thron Ungame, das die patriarchaliichen, 
einfacheren Formen des erlojchenen Erbhaufes der einheimiichen Ar: 
päben verbannt, prunfvoller, gebieterijcher auftritt und Ungarn in 
vielfeitigere und politiiche Culturbeziehungen fegt. Am beiten laffen 
fih die Errungenfchaften der angioviniihen Culturepoche Ungarns - 
in den Tagen feines Sohnes Ludwig d. Gr. überjchauen. 


Wir wollen zunädit Handel und Gewerbe hervorheben. Der Handel 
läßt fi) nach vier Hauptrichtungen verfolgen. In die ungarifche Donauſtraße 
liefen drei wichtige Handelöwege zufammen: der Tevantinifche von der untern 
Donau ber, der italienijche, den bie dalmatiniichen Küſtenſtädte und das croatiſche 
Littorale unter der Concurrenz Venedigs vermittelten und der Binnenhandel ber 
fübliden Donauländer, der an der Savemündung den Cingang nach Ungarn 
batte Aus den binterfarpatbhiichen Landſchaften bewegte jich der Handelszug 
durch das Burzenland über Kronjtadt, durch den Hermannſtädter Sachjen: 
boden weiter nad) Ungarn, um wieder in die Donauitrafe einzumünden. Weft: 
wärts 309 fich der Handel über Gran, deffen Handelsſatzungen aus den Tagen 
Ladislaus' des Kumanierd von Bedeutung find, und Preßburg an ber Do: 
nau nach Dejterreih und umgekehrt. Die Nordrichtung des ungarifchen Zwi— 
ſchenhandels bejchrieb zwei Weggeleije, Tyenau, Irencfin, Skalitz waren 
Vororte des mähriſch-ſchleſiſchen Handelszuges, mit Breslau als wichtigſtem 
Knotenpuntte, während Kaſchau, Eperies, Bartfeld, anbererfeits Leutſchau, 


156 XII. Buch: Inneres Staatsleben vom Schluffe bes 10. Jahrh. bis 1526. 


Lublau, den Handel mit Kleinpolen vermittelten unb befonder8 mit Kralau in 
Gefchäftsbeziehungen ftanden. Peſth-Ofen erſcheint als natürlicher Mittelpunft 
dieſes Handelsnetzes. Die ungarifch-galizifche Salzftraße Tief über Nagy-Mihäly 
im Zempliner Comitate. 

Siebenbürgen befaß für den Sübhanbel an dem Törzburger, für ben 
Nordhandel an dem Paſſe von Rodnna wichtige Wege, deren Zollfagungen unter 
bem Wojmoden 'Stibor aus dem Jahre 1409 dies beweiſen. Dieſe Zölle trugen 
jäbrlih an 7000 Goldgulden. 

Müffen wir ben ungariichen Handel des Mittelalter vorzugsmeife als 
Durchzugshandel (Tranfitohandel) dur Zoll, Dreißigften, Mauth, Waarennieber: 
lage und Verkaufsrecht gewinnbringend nennen, fo wog auch ber active Handel 
mit Robftoffen gegen die Induſtrieerzeugniſſe weit vor. Ungarn mar fein gemerbe- 
treibendes Land, wenn wir auch in den beutfchen Vororten, beſonders in Ofen, 
Neujohl, Kaſchau, Leutfhau, — in Hermannftadt, Kronftabt, 
Biſtritz das ftäbtifche Gewerbe auf einer ziemlichen Stufe der Ausbildung ge⸗ 
wahren unb überhaupt in ben deutfchen Anfiebelungen das Kleingewerbe blühend 
benfen müffen. Im Sachſenlande Siebenbürgen? gab e8 z. B. Pulver: und 
Büchſenmacher hundert Jahre früher als in England. Die Zinngießerzunft in 
Markt:Schelfen zählte mehr als hundert Meifter. 

Von allen Gewerben gedieh am felbftänbigften und beiten jeit jeher das 
der Loh- und Weißgerber; ja lettered Handwerk erhielt auch bei den Deut: 
fen den Namen Srcherei, von dem magyariſchen irha. Daher nannte man 
auch in Frankreich im 16. Jahrhunderte eine beftimmte Leberforte „ungariſches 
Leber”. Bejonderd war der Nlaun (timar, timsö) bei der ungarifchen Leber: 
bereitung im Gebrauche. Auch bie Kürfchnerei blübte früh bei der Maſſe 
des einheimifchen Raub: ober Pelzwerkes und ber Vorliebe der Ungarn für Pelze 
und pelzverbrämte Kleidung. Aus dem jlavifch:ungarifhen csuba wurde das 
deutſche „Schaube”, auß Dem magyarifchen hosszükö ober hosszü köntös daß beut- 
ſche „Hoſeke“, ein langer Belzrod. Berühmt und alt war dad Meſſerſchmied⸗ 
handwerk ber Deutichen in ber Zips, im mweftungarijchen Berggebiete, im 
Sadjenlande Siebenbürgens. Ihre Zunftverbindung erjcheint ſchon im 14. Jahr: 
hunderte beurfunbet. Zu ben bebeutendften und älteſten Innungen gehörten 
auch die Goldſchmiede; fchon 1015 erwähnt, und bejonbers in Fünflirchen, 
Scheninitz, Neujohl, woſelbſt auch der Glodenguß früh nambaft wurbe, in ber 
Zips, im Sachſenlande Siebenbürgens oft genannt, mo e8 eben Goldgewinnung 
gab. Damit King meift die Siegel: oder Petichaftftecherei zufammen. Als Ver: 
treter biejed Kunftgemerbes kam 1455 ber Deutſchungar, Albrecht Dürer’ 
Bater, nad) Nürnberg und gründete Hier feinen Hausftand. Auch bie Glas⸗ 
indujtrie taucht fhon im 14. Jahrhunderte, befonderd aber im 15. auf. 
Später fam befonders die Kutjcheninduftrie empor. 

Vebergehen wir vom Handwerk zum Kunftgewerbe und zur Kunft, fo 
fteht im 14. und 15. Jahrhunderte die Baufunft voran. Am Schluſſe ber 
Arpädenzeit und unter den Angiovinen beginnen ja bie eigentlich ummauerten, 
befefligten Plätze, an Stelle der mit Paliffadenzaun und Erbwerken verjehenen 
alten Burgen und Städte, die Stadtceitabellen mit dem „Schabhaufe”, 





158 XII. Bud: Innere Staatöleben vom Schluffe bes 10. Jahrh. bis 1526. 


flifen war. Kunſt und Wiffenfhaft am Hofe trägt ganz fremd: 
bürtigen Charakter. Italieniſche Gelehrte und Meifter umgeben den 
König; fein Hiftoriograph ift der Italien: Anton Bonfin von 
Ascoli, der eine Geihhichte Ungarns nach dem Muſter der Hiftorio- 
graphie des Livius jchreibt, vol Rhetorik und höfifchen Lobes; ein 
zweiter Italiener, Ranzano, liefert ein Handbuch der Geichichte 
Ungarns in gedrängter Form. Ein dritter Staliener Galeotto 
Marzio aus Nami in Umbrien, Mediciner, Humanift, poöta lau- 
reatus, und Mathematicus, ebenfo jarkaftiich als fpinthifirend, über: 
dies troß feiner Wohlbeleibtheit ein gewaltiger Ringer, hinterließ uns 
als Bibliothefar und Gelehrter, Hausgenoffe des Corvinen, ein Buch 
von feinen „Morten und Thaten”, eine intereffante Anekdotenſamm⸗ 
lung. Und bier finden wir (cap. 17, 28) zwei bezeichnende Aeuße- 
rungen: „Deutiche, Böhmen und Polen”, bemerkt er, „ſchreiben 
manchmal in der Mutterſprache, meift wohl lateiniſch; Ungarn allein, 
das chriftliche nämlich, ſchreibt nur lateinisch” und weiter äußert er, 
die magyariſche Sprache Einge im Munde des Bornehmen in Laut, 
Ausſprache und Wort gerade jo wie in dem des Bauers. Dies 
will befagen, daß es damals noch feine magyarijche Literatur, feine 
magyarifche Sprache der Gebildeten, Teine magyariſche Schriftipracdhe 
gab. Sn der That befitt die magyarijche Literatur der vorcorpini- 
ſchen Zeit außer Stüden kirchlicher Proja und Poefie, bejonders 
im jogenannten Palatincodere des 14. und 15. Jahrhunderts hand⸗ 
Iohriftlich enthalten — und ähnlichen Proben aus den Tagen K. Ma: 
thia®’ Feine nolfsthümlidhe oder höfiſche Dichtung und 
ebenjo wenig eine Laienproſa in ihren Sprachdenk— 
mälern. 


Wohl Haben wir beftimmte Spuren hiſtoriſchen Volksgeſanges, ber ſich 
von Mund zu Diund fortpflanzenden gefhichtlichen Lieder über populäre 
Greignijje des 14. und 15. Jahrhundert? und beliebte Perfönlichkeiten wie Toldi, 
K. Mathias, Berifzlö, Both u. A., — aber es fehlt durchaus an gefchloffenen 
Literaturfreifen, an gefchulter Vertretung ber einzelnen Richtungen und vor Allem 
an Interefje für Die Pflege der eigenen Sprache, bes eigenen Schriftthums in 
den maßgebenden Kreijen bei Hofe, im Magnaten: und Adelftande. Denn bie 
gelehrten Ausländer, die Platonifer Baubinus und Torquatus, die Naturhiftorifer 
und Nerzte Julius Aemilius und Montagna, die Mathematiler Niger, Regio: 
montonus, Nimerius, die Romanijten Niklas Barius und Donatus Aretin waren 
Hofafademifer und die Preßburger hohe Schule oder das Ardhigymnafium, 
von Mathias geitiftet, Fonnte feinen tiefer greifenden Einfluß üben. Die Grün⸗ 
dung ber Ofener Univerfität konnte Mathias nicht mehr fertig bringen. Die 
Ofener Buchdruckerei des Ladislaus Gereb, 1472 in's Leben tretenb, zu 
deren erfte Leiftungen (1473) ber Abdruck der fogenannten Wiener Bilderhand⸗ 





160 XII. Bud: Inneres StaatBleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


Neufohl, Bartfeld u. A. fparten das Geld nicht für Stadtſchulen und Lehrkräfte; 
noch weniger die Hermannftäbter und Kronftäbter. Nach Großſchenk berief 
man 1430 den buch: und fchreibfundigen Meifter Heinrich Halbgebachſen aus 
Regensburg als Nector. Die deutſchen Incunabeln, aber auch die Venetianer 
Erftlingsdrude, machten bald den Weg in's Sachſenland. Bald lieft man von 
beutfchen Siebenbürgern als Drudern in den Tfficinen zu Mantua, Venedig 
und im beutichen Reiche. 


Diefe Culturzuftände verſchwinden nicht in der Zeit vor der 
Mohäacſer Schlacht, fie fegen ſich fort, aber es Fündigt fich der 
materielle Verfall eines friedlofen Reiches an, das jeine rich: 
tige Steuerung immer mehr einbüßt. Diejer Verfall äußert ſich an 
höchſter Stelle in der wahrhaft traurigen Lage des Hofes, der oft 
am Nothwendigiten Mangel hat und unter beiden Sagellonen um 
Kleine Darlehne förmlich betteln muß, während die oberiten Finanz: 
beamten ihren Sädel füllen. Aus dem NRechnungsausmweile des da⸗ 
maligen Finanzminiſters (Tihesaurarius), Sigismund Ernuſth, 
Biſchofs von Fünfficchen, über Einnahmen und Ausgaben vom 
1. Sanuar 1494 bis zum legten Jahrestage 1495 entnehmen wir 
den Stand der Kroneinfünfte mit 136,634, Dagegen der Ausgaben mit 
138,884 Gulden, aljo einen Abgang von 2250 Gulden. Vergleichen 
wir dies Ergebniß mit der Abſchätzung der Einkünfte des König: 
reiches Ungarn aus den Jahren 1452—1457, die fih im Archive 
der Eiczinger zu Aspern an der Zaya u. d. T. „ain koſtliche ze= 
dein, was die Iron und das funigreich zu Hungern vennt und gult 
haben”, von Fundiger Hand, wahrſcheinlich von Ulrich Eiczinger 
felbft, findet, jo heißt es hier, daß ein Jahr die Salzgült allein 120 
bis 125,000 „rother” Gulden eintrug und die anderen Einkünfte 
erjcheinen auf nahezu 176,000 Gulden veranjchlagt. — Im Jahre 
1502 mußte 8. Wladislam zur Beftreitung feiner Hochzeitsauslagen 
2000 Gulden leihen, dem Graner Kapitel dagegen ein Dorf ſchenken, 
während der Graner Primas Bakäcs fünfundzwanzig fette geiftliche 
Pfründen an fi gebracht hatte. Der ganze Bergjegen 3.3. war: 
dert in gewinnſüchtige Privathände. 

Zu den bedeutendften Unternehmern zählen die Thurzo's (Thurſo's) von 
Bethlenfalva in der Zips, die aus Defterreich eingewandert fein follen. Georg 
von Thurzo war 1452 die Hauptperfon in Leutſchau. Sein Enfel Johannes IL, 
Beſitzer der Zipfer Erzgruben, Iernte in Venedig die Kunft der Metallfcheidung 
nicht ohne Lebendgefahr, inben er ſich wahnſinnig ftellte, um in ihre ftreng ges 
wahrten Werfgeheimnifje eindringen zu können. Durch Vermittlung bes Fünf: 
Tirchner Bilchofd Sigmund Ernft (Hampo), eined getauften Iſraeliten und das 
maligen Schaßmeifters, erwarb er 1494 den Kupfergewinn ber Neujohler Gruben 
von bem Herzoge Johannes Corvinus. 1499 warb er Kämmerer von Krems: 





162 XU. Bud): Inneres Staatäleben vom Schluffe des 10. Jahrh. bis 1526. 


Rückblick. Wenden wir nochmals das Auge dem gejammten 
Entwidlungsgange des innern Staatslebens der drei Yändergruppen 


Ung. überf. v. Dur (1875); Karajan, Ueber den Leumund der Defterr., 
Böhmen und Ungarn i. d. Wiener afad. Sigungsb., 42. Bd. (1863); Cornides, 
Bruchftüde 3. Geſch. der ſtädtiſchen Cultur und des Gewerbfleißes in Ungarn; 
b. v. Engel. Vgl. Cſaplovic's Arhiv des K. Ungarn, I, 425 ff. Die 
baugeichichtlichen Abhandlungen von Em. Henfzlmann in ILL, VI, VII. Bde. 
der öfterr. Revue (1865); A. Lechner, Deutiche Etädtebilder aus Oberungarn, 
(ebenda 1864), I. f. Verſchiedene Monograpbieen über Kirchenbauten Ungarns 
und Siebenbürgen in den Mitth. der Gentralcomm. z. Erd. mittelalt. 
Pandenfm. Tas magyar. Organ f. ſolche Abh. ift feit 1859 die Veröff. der 
arhäolog. Gommiffion (az archaeologiai bizottsäg kiadvanyai); bejonders 
werthvoll die Abb. v. Spolyi, Römer, Henſzlmann, TZorma, Kubinyi 
u. X. und f. 1869 die Alterhumsdenfmale Ungarns: Magyarorszägi regeszeti 
emlekek (Henjzlmann, Römer); desgl. v. HenfjImann und Römer ber: 
ausg. Mürepeszeti kalanz (Wegweiſer der alterth. Kunſt, 2. Bd. (Mittelalt. 
Baufunit, 1866). Ueber die Literaturverhältniffe fiehe: Wallaj;fy, Conspectus 
reipublicae literariae in Hungaria (Budae 1808); Toldy, a magyar nemzeti 
irodalom törtenete (Geh. d. magyar. Literatur, 1. A. 1850 ff.), Geſch. ber 
biftorifchen Dichtung der Ungarn vor Zrinyi, Situngsber. der Wiener Afad. d. 
Wiff., II. Bd.; az 6 6s közepkori m. n. i. tört. (Geſch. der alten und mittel: 
alt. Nationaflliteratur der Magyaren), 3. U. (1862). Zur Geſch. der Staats: 
finanzen Ungarns am Ausgange des Mittelalterd — insbeſondere die Einleitung 
Engel’s z. 1. Bande der Geſch. ded ung. Reiches und feiner Nebenländer (1797), 
©. 1—210, und Birf, zur Finanzgeſch. des K. Ungarn unter K. Ladislaus Poſth. 
(3 BU. 8%. VBgl. Frafnöi (Frank) im tört. tar XXII 1876 3. 3. 1525. 

Siebenbürgen. Außer der fchönen Arbeit von Teutſch: Geld. d. 
Siebenb. Sachſen f. d. ſ. V., 2.X. (Leipzig, 1874). Die deutſche culturhift. 
Lit. in dem trefflichem Werfchen von Teutſch, Abriß d. Geſch. Siebenbürgen, 
zunächſt 3. Gebr. f. Studien, 3. X. (Kronjtadt, 2 H.); vgl. 8. Köväry, Erdelyi 
törtönelme (Siebenbürgifche Geſchichte) (1859); Aler. Bethlen, Grundlinien 
3. Culturgeſch. Siebenbürgens. Hormayr's Arch. (1822). Teutſch, Bir. z. Geſch. 
Siebenbürgens v. Tode K. Andreas III. bis zum Juli 1310. Arch. des hift. 
V. f. Siebenb., J., Bir. z. G. ©. u. d. K. Karl Robert, ebenda, II., und unter 
K. Ludwig I. im Ar. f. K. öfterr. &., II. 2b. (1850); Schuler v. Libloy, 
Mater. 3. fiebenb. Rechtögeich. (Hermannitadt 1862); G. Seivert, Die Stabt 
Hermannftadt (LEIN; A. Gräfer, Umriffe 5. G. der Stadt Mebiafch (ebenda 
1862); J. M. Salzer, 3. Geſch. d. ſächſ. Volfefhulen in Siebenb. — Gymn.: 
Progr. v. Mediajh., 3. 1861, 1862. Stephan Horväth, Vertheidigung ber 
ungarifchen Könige Ludwig bes Gr. und Mathias Corvinus in Betreff ber un: 
gariichen Sprache wider die Anlagen und Erdichtungen des Prof. Schwartner 
(1815); v. demf. rajzolatok a magyar nemzet legregibb törtEntcböl (Zeich- 
nungen aus ber älteſten Gejch. bes Magyarenvolkes) — (nicht ohne Geift, aber 
barod und verworten, wie Alles auß biefer Feder). — Preisſchrr., ſämmtlich im 





XII. Bud: Inneres Staatzleben vom Schlufje des 10. Jahrh. bis 1526. 163 


oder Neihsbildungen zu. Bot ſchon das äußere Staatsleben be- 
deutjame Wechjelbeziehungen, neben belangreichen Gegenjägen einen 
unverfennbaren Parallelismus dar, welcher mitunter einer völligen 
Congruenz, den zeitweiligen Berfonalunionen, den Pla räumt, jo 
treten auf dem Gebiete von Berfaffung, Rechtsweſen und materiell: 
geiftiger Cultur die Analogieen noch enticheidender in den Border: 
grund. So zeigt fih in Hinficht der Neichsverfaflung und ihrer 
zeitlichen Wandlungen zwiſchen Böhmen und Ungarn eine augenfällige 
Verwandtſchaft. Bis zum Beginne des 14. Sahrhunderts haben mir 
es in beiden Reichen mit der erblichen Herrichaft einheimiſcher Dyna= 
itieen zu thun; dann kommt es beiderjeits nach bewegten Tagen raſch 
wechjelnder Zwijchenregierungen zur Gründung einer Monarchie 
fremder Herrjcherhäufer durch Wahl, in Böhmen der Quremburger, 
in Ungarn der Angiovinen, bei welchen lebteren in den Augen der 
Reichsitände nicht die Verwandtſchaft mit den Arpäden, aljo das 
Erbrecht, jondern die Wahl den Ausschlag giebt. Beide Dynaitieen 
gründen wieder ein Erbreid. In Böhmen und Ungarn wädjlt der 
ftändifche Einfluß vom 14. in’s 15. Jahrhundert; er erlangt immer 
mehr Bürgfchaften feiner verfaffungsmäßigen Freiheiten und Rechte, — 
in beiden Neichen bahnt die Gubernatur den Weg zum Throne; in 
Böhmen wird der Neichsverwejer Georg Podiebrad, in Ungarn der 
Sohn des Gubernators Johannes, Mathias Eorvinus, Wahlfönig. 
Beiden Emporkömmlingen gelingt jedoch nicht die Gründung einer 
Dynaftie. Am beichränfteften erjcheint das duch Wahl geichaffene, 
dann erblih gewordene Königthum der Sagellonen Wladislam II. 
und Ludwig II. in den beiden durch PBerjonalunion verbundenen 
Reichen. 

Die Grundlagen des Vermwaltungswejens aller drei Länder: 
gruppen: Gau — Grafſchaft, Zupa — Kaftellanei und Comitat = 


magyar. Sprade: Hetenyi, „Bon dem Einfluffe unferer Städte auf die Ent: 
willung unferer Nation“ (1841); Koſſovich's und Mid. Horväth's ein 
Ganzes bildende zwei Arbeiten: Gejchichte de8 Gewerbes und Handels in Ungarn 
vor dem Beginne des 16. Jahrh. (1842); J. Vaſſ, Der einheimifche und 
ausländiſche Schulbeſuch im arpädiſchen Zeitalter (1862); Fraknéi (d. i. 
Frankl), Die ungarländiſchen Lehrer und Schüler an der Wiener Univerſität 
im 14. und 15. Jahrh. (Ertekezesek a tört. tudom. körcböl — Unter: 
fud. aus dem Kreife dev Gefchichtswiffenichaften, 3. 8b. (1873). Bal. f. 
Monogr. in niagyar. Spr. Der beimilhe und ausländiſche Schulbeſuch i. 
16. Jahrh. (1873); F. X. Schier, dissert. de reg. Budensis biblioth. 
Mathiae Corvini ortu lapsu . . . 1799 (vgl. Budik in d. Wiener Jahrb. d. 
Lit. 88. Bd. Anzbl.). 
11? 


164 XII. Bud: Inneres Staat3leben vom Schluſſe des 10. Jahrh. bis 1526. 


Burggrafichaft, erjcheinen einander verwandt; die ungariihe Comi⸗ 
tatsverfaffung insbejondere der deutjchen nachgebildet. Das Lehens- 
weſen, germanifchen Urjprungs und romaniſch-deutſch in jeiner 
Ausbildung, durchdringt alle drei Ländergruppen, wenn auch in ver- 
fhiedenen Formen. Die grundbücherlide Evidenzhaltung des un 
beweglihen Eigenthbums findet in Böhmen- Mähren die frübhefte 
Ausbildung. In Ungarn, wo die Unveräußerlichfeit des adeligen 
Erbgutes, die Apiticität, die freie Güterbewegung unmöglich mad, 
aber auch die Ereditverhältniffe erjchwert, juchen wir das Grund: 
buchsweſen in der Form der Landtafel vergebens. 

Gleiche Verwandtſchaft gilt von der Gliederung der Hof: und 
Zandesämter aller drei Rändergruppen der politifch = administrativen, 
financiellen und Juſtizverwaltung. Am dauernditen behaupten ſich 
diefe Grundlagen im ungariihen Reiche, deshalb trägt jein Ber: 
fafjungs- und Verwaltungsweſen verhältnigmäßig am meilten conjer: 
vatives, hiſtoriſches Gepräge. 

Im ftaatlihen Rechtsweſen tritt das, was wir die Ausbildung 
des Landrechtes nennen, am früheften in der deutjch - öfterreichifchen 
Ländergruppe auf, dagegen verfügt Böhmen: Mähren über ältere, 
umfaffende Privatbearbeitungen des landesüblichen Rechtes. Am 
jpäteften zeigt fich eine jolche Arbeit in Ungarn, das Tripartitum 
Verböczyanum; überdies zeigt fi) darin ſchon der formelle Einfluß 
des immer allgemeiner Einfluß übenden römiſchen Rechtes, mande 
weſentliche Lüde und Willkür. — Den mächtigen Einfluß deutjcher 
Rechtsanſchauungen verräth die ganze Gejetgebung des piemyflidi- 
ſchen Böhmens und arpädilchen Ungarns, bei allem ihrem natio- 
nalen Gehalte. Am durchgreifendſten zeigt fich jedoch die Wirkjam- 
feit des deutſchen Dorf: und Stadtrechtes in beiden Reihen; es 
beherrrſcht ein großes Neichsgebiet und wirft auch auf die ſlaviſchen 
und magyarifchen Grundunterthänigfeitsverhältniffe mächtig wandelnd 
ein. In allen drei Ländergruppen ift das 14. Jahrhundert die 
Blüthezeit des Städtewejens. Die Lage des Bauernitandes ver: 
fchlimmert fi) gegen das Ende des Mittelalters, in den Reichen 
Böhmen und Ungarn fündet fi immer entjchiedener die Leibeigen- 
ſchaft und ihr gegenüber die Magnatenoligardie an. 

Auch in den Eulturepochen der drei Reichsbildungen finden wir 
Berwandtes. Die günftigiten Zeiten find das dreizehnte Jahrhun⸗ 
dert in feiner erſten Hälfte, im nächſten die Epoche Albrecht’s IL 
und feiner Söhne für Defterreihd (1330—1386), Karl’s IV. für 
Böhmen (1346—1378) und Ludwig's I. (1342 — 1382) für Un- 
garn ; die ungünitigfte das 15. Jahrhundert, aber reich an Gegenſätzen, 


XII. Bud: Inneres Staatsleben vom Schluffe des 10. Jahrh. biß 1526. 165 


neuen Ideen und jocialen, meltbewegenden Fragen. Was aber 
vor Allem die Betrachtung feffelt, ijt die Erjcheinung, daß alle 
drei Ländergruppen Stätten deutjcher Culturarbeit in wechjelnden 
Formen wurden, in Handel und Wandel, im geiltigen Bildungs 
weien und Kunitleben unter einander und mit dem deutſchen Reiche 
zufammenhängen. 


Dreizehntes Bud. 
Die Beiten Serdinand’s I. und Marimilien’s II. (1526—1576). 


Siteratur der allg. Quellen und Hülſsmitlel. 


(gl. Dahlmann-Waitz, 3. (4.) A., und Schmidt-Tavera, Bibliogr. d. 
öfterr. Geſch, II. (1858), 9. 3. Geſch. Karl's V. und Ferd. IL.) 

Die allg. Zeitbücher von Carion, Seb. Frand.... Schardiuß, 
hist. opus etc.; i. d. A. v. 1673: Schardius redivivus: scrr. rer. germ. varii 
T. IV. (IL, III. Bd. die Zeit Karl’3 V. u. Ferdinand's J., insbefondere: epi- 
tome rerum gestarum ab anno 1558—1564; epitome r. g. s. Maximiliano IL 
ab anno 1554 - 1572); Joh. SIeidanus, de statu religionis et reipublicae 
Carolo V. caesare; vollit. 1556. ff., bei. die mit guten Arm, verfeh. U. v. 
1785/86; Kilian Leib Annales (1502 — 1548) (der Schlußtheil in Döllinger’8 
Sammlung); M. Freher, germ. scrr., 3.%. von Struvius (1717), III. 3b.; 
A. Doria, furzer Inbegriff der merfwürbigen Begebenheiten, welche jich z. Zeit 
K. Karl's des Fünften in der Welt zugetragen Haben (bis 1558; in Goebel: 
Btr. 3. St.:G. v. Europa unter Kaijer 8. d.%., m. e. Vorr. v. Frh. v. Senken: 
berg, 1767). Die Fortfeßer des Sleidanus: Lon dorp (bi8 1609) (1619—1621); 
Schadaeus (biß 1619) (1620, 1621). 

Sehr wichtig find die italienischen Zeitgenoffen: Guicciardbini und be- 
ſonders für bie ungar. Verhältniffe: Givio (Paulus Jovius), historiarum 
sui temporis 11. XLV. v. 1494—1547. 2gl. Urfinus Velius (Vel), Casti- 
gationes in Paulum Jovioum. (2gl. die Speciallit. w. u.) 

Bon den öfterr. Jahrbüchern klöſterlicher Geichichtichreibung reichen bloß 
die Melfer Ann. Mellic. im XI. Bde. der Monum. Germ. bis 1562: von 
ber deutſch-öſterr. provinziellen allgemeinern Chronographie: Kirchmayr von 
Ragı, der Tiroler, in die Zeiten Ferdinand's I. hinein. Ueber die böhm. 
und ungar. Hiftoriogr. vgl. die Lit. der einzelnen Abjchnitte. 

Biographieen Ferdinand’3 I. von Alf. Ulloa, vita del Imperador Ferdi- 
nando J. (Venet. 1565); Lud. Dolce, vita di Ferd. I. (1563). Die orat. 
(panegyr. Lit. jiehe bei Weber, ©. 134 fj., und Schmidt:Tavera a.a.D.; Mari: 
milian’s II. Marc. Bydzovius a Florentino: ziwot Czysarke Maximiliane 
(Leben des 8. Dar IL.) (Prag 1589). Die Paneg. v. Lotichius (1562), Fri⸗ 





168 Literatur zum XIII. Buche, 


berg jun.); Pütter's Werke, M.L. Schmidt, Geſch. d. Deutfchen (1778 fi.), 
Wiener X. 1783/93 (Schlußband reicht bis z. ſchmalkald. Kriege). Neuere Geſch. 
der Deutfchen v. ſchmalkald. Kriege an, 6 Bde. (1785/93) (bi8 1657; fortgei. 
v. Milbiller.. .) © 4 Menzel, Neuere Gef. d. Teutfchen v. der Re— 
form. bis 3. Bundesacte. Neue A. 6 Bde. (1854 f.). K. Hagen, Deutſche 
Geſch., 2. Bd. (1854 f.); K. F. Souhay, Deutfchland während ber Refor— 
mation (1868). 

Bor Allen die Monograpbieen: Robertfon, Geich. Karl's V., aus dem 
Engl. von Remer (1792—1796) (engl. Orig., 1769 ff.); Ranke, D. G. i. 3.9. 
der Ref. (Gef. Werke, 1—6, 1867, 1868). Vgl. die Aufſ. in Bift.polit. Zeitfchr. 
(1832, 36) I. Ueber die Zeiten Ferdinand's I. und Marimilian’s II., jet in ber 
Monogr. „Z. deutichen Geſch. v. Religiondfriege bis z. dreißigjähr. Kriege”, gef. 
W., VII 2b. (1868). Fürften und Völker v. Südeuropa im 16. u. 17. Jahrh. 
(2., 4. Bd.: die römiſchen Päpite, ihre Kirche u. ihr Staat im 16. u. 17. Jahrh., 
3 Bde). Tal. ſ. franzöſ. und engl. Geihichte, vornehmlich im 16. u. 17. Jahrh. 
(1856—1; 1859—69 erſchienen). Häuffer, Bortr. über Geſch. des Refor: 
mationszeitalterd, 5. v. Oncken (1868); F. Buchholtz, Geſch. der Reg. Fer: 
dinand's I. (Wien 1831—1838) (9 Bde; der 9. Urfundenband), Hauptwerk. — 
Jokell, Geſch. Ferd. I. (Wien 1842) (unbedeutend); de Leva, Storia docu- 
mentata di Carlo V. in correlazione all’ Italia, IL, III, Bo. (1864, 1867 
Venezia), reicht bi3 1545. (Pgl. Gregorovius, Geh. Roms, 8. Bd. [1872], 
und Reumont, Geld. Roms, IH. Bd.); Droyfen, Geſch. ber preuß. Po- 
litik, II. 2b. 

Itinerar (beurf. Aufenthalt3orte) Karl's V., h. v. Stälin in den 
Forſch. z. dentſch. Geſch, V. Bb., 536 — 589; Ferdinand's I. h. v. Gevay 
(Wien 1843); Stälin, f. d. 3. v. 1521—1564. Forſch. 3.0. G., L, ©. 384 
bis 397; Nachtrag 647. 


Inhaltsüber ſicht. 


1. Die Machtverhältniſſe Europa's und der allgemeine Gang der habs⸗ 
burg. Bolitif bis zum fchmalfaldifhen Kriege. 2. Die Ermwerbung der Kronen 
Böhmen und Ungarn. 3. Der Kampf um Ungarn bis zum Großwardeiner 
Frieden, 1538, mit Einſchluß der eriten Türfenbelagerung Wiens, 1529. 4. Ver 
ihmalfaldifche Krieg und Böhmen. 5. Martinuzzi und die fiebenbürgiiche Frage. 
6. Ferdinand I. und der Proteftantismus in Deutſch-Oeſterreich, Böhmen und 
Ungarn. Der Sejuitenorden. 7. Das Kaifertfum Ferdinand's I. und das 
Trienter Concil. 8. Das Haus Ferdinand's I. und die inneren jtaatlichen 
Berhältniffe. Die Frbtheilung und Ferdinand's I. Tod. 

9. Marimilian II. Deutſchland und die Nachbarmächte. 10. Der Pro— 
teitantismus in den beutjchen Erbländern, Böhmen und Ungarn. 11. Ungarn 
und die polnifchen Königswahlen. 12. Marimilian’s II. Ausgang. NRüd- u. 
Vorblid. 





170 XII. Bud: Die Zeiten Ferdinand’3 I. u. Marimilian’s II. (1526—1576). 


feine wichtige Bundesgenoffenihaft juhhen. In Sfandinavien 
bahnt der Sturz des Unionskönigs Chriftian’s II. (1523) und das 
Emporfommen der ſchwediſchen Waſa's mit Guftav I. (1523 bis 
1560) eine ganz neue Ordnung der nordilhen Machtverhältnifje 
an, ohne noch auf die große Politif Europa’s entjcheidenden Einfluß 
zu üben. Polen, unter dem Sagellonen Sigismund I. (1506 
bis 1548), die ofteuropäishe Macht erften Ranges, erjcheint durch 
fein Eingreifen in die ungariihe Frage als eine der wichtigiten 
Nahbarpotenzen für Deutjeh: Habsburg, aber nicht minder für Karl V. 
als Kaifer des deutſchen Neiches und Gegner der Pforte. Ruß: 
land, unter Wajiliei Imanomwic (1505—1534) und Iwan Wafi: 
liewic, dem „Schredlichen“ (1534— 1584), dem erjten NRurifiden, 
der officiel den Titel „Czar“ als bleibenden einführt, macht fich 
als raftlos aufitrebendes Reich dem Abendlande immer bemerkbarer, 
und jeine alte Feindſchaft mit Polen veranlaßt Habsburg, die jeit 
Mar I. angebahnten und nie ganz abgebrochenen Beziehungen zu 
erhalten, wie dies die Sendung des befannten Diplomaten Sigis- 
mund’3 von Herberftein nad) Polen und Rußland vom Jahre 1527 
andeutet. 

Allen diefen Mächten ift weit voraus an kriegeriſcher Angriffe- 
politif die Türkei, fie jteht unter Sulejman II., dem „Prächtigen“ 
(1519—1566), im Höhepunfte äußerer Erfolge, welche in der ftoß- 
meijen Unterwerfung eines Drittheils Ungarns und in dem Geltend- 
machen der Schußherrfchaft über den Beſitz des Gegenfünigs Ferdi- 
nand’s I, Johann Zäpolya, gipfeln. Wien und mit ihm 
Deutſchland erjcheinen mehr als einmal, insbejondere 1529, 1532 
von der Türfengefahr bedroht und von den unjäglihen Schäden 
osmaniſcher Beutezüge wiſſen die ſüdöſtlichen Erblande Deutſch-Habs— 
burgs, von den Laſten des Türkenkrieges alle Herrſchaftsgebiete Fer: 
dinand's I. zu erzählen. In diefer großen allgemeinen Ge: 
fahr lag aber auch zugleih ein Einigungsmoment der 
einzelnen Zänderintereffen; die Gemeinſamkeit beitimniter Laſten bildet 
ein eiſernes Band gejammtitaatlicher Verpflichtungen, mie ſehr ſich 
auch Alles gegen die wachſenden Abgaben und Aufgebote fträubt, 
und namentlich die der unmittelbaren Gefahr ferner ftehenden Pro⸗ 
vinzen oft ungemein zurücdhaltend ericheinen. Es giebt feine poli- 
tiiche Frage von jo hervorragend europäischer Bedeutung wie damals 
die Türfenfrage; verfettet fie fi doc mit allen Staatshändeln 
erjten Nanges: mit dem Kampfe zwifchen Karl V. und Sranz I., den 
der Titel eines „allerchriſtlichſten Königs’ nicht mehr hinderte, ziemlich 
offen Bundesgenofje des Sultans gegen Habsburg zu werden, — 





172 XII. Bud: Tie Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’8 II. (1526 —1576). 


gefunfene Nebenbuhlerin Venedigs, 1522 von den Kaiſerlichen bejekt, 
1527 wieder von Frankreich unterworfen, findet 1528 an dem See: 
beiden Andreas Doria den Befreier und kaiſerfreundlichen Dogen 
(T 1560), und die Kriegögaleeren der Republik jpielen bei den 
großen Unternehmungen Kaifer Karl’s V. wider Tunis und Algier 
(1535, 1541) die Hauptrolle; es wird dann immer feiter an Spanien 
gefnüpft. Mailand, durd die Schladt bei Pavia (1525, 24. Fe: 
bruar) abermals dem jüngern Sohne Ludovico Sforza’s, Francesco, 
als faijerlihem QVafallen übertragen, möchte gern, von Frankreich) 
aufgeitacdhelt, eine jelbjtändigere Rolle jpielen; aber die Verſchwörung 
des mailändiichen Herzogs wider Karl V. mißlingt kläglich, Franz I. 
giebt 1529 im Frieden von Cambray jeinen Furzfichtigen Bundes: 
genofjen preis und diefer muß froh fein, nad) fußfälliger Abbitte 
von dem Kaiſer Mailand als Gnadengejchent zu erhalten. Nach 
Francesco’8 Tode (24. October 1535) wird Mailand förmlich |pa- 
nifhe Provinz. Das Kleine Herzogthum der Gonzaga zu Mantua 
war politijch bedeutungslos. Die Hauptmadt Oberitaliens war und 
blieb Venedig, allerdings bereit3 an der Grenze feiner Blüthezeit, 
damals unter den Dogen Antonio Grimani (1521—1523), Andrea 
Gritti (1523— 1539), früher Bailo (Botjchafter) der Signoria bei 
der Pforte, deffen natürlicher Sohn Ludovico dort bald als Renegat 
und Günftling des einflußreichen Großveziers Ibrahim eine wichtige 
Rolle jpielte, und Pietro Lando (1539 — 1545). Wie immer 
eiferfüchtig auf den nachbarlihen Habsburger und jegt mehr als je, 
wo ihre Doppelmacht Stalien einzufchnüren drohte, vertritt Venedig 
mit Franz I. Papſt Clemens VII. in der Liga von Cognac ver: 
bunden, und auch jpäter von Fall zu Fall verftändigt, die Politik 
des „Fiſchens im Trüben“, wie Karl’s Beichtvater fich einmal aus: 
zudrüden beliebte, und ift mit allen Künften ſchlau berechneter Staats- 
funft bemüht, den Türken gegenüber fi in guter Laune zu erhalten 
oder das osmaniſche Kriegsgemwitter von fich ab- und den Habsburgern 
zuzumwälzen, ohne jedody dem Kanıpfe um Morea (1537—1540) 
entgehen zu fönnen. Der florentinifhe Staat, nad der 
wirrevollen Zeit (1527— 1530) wieder in den Händen der Medici 
(Nlerander M., Gatte der natürlihen Tochter K. Karl's V., Mar: 
garethe, wird im Aufitande ermordet, den 6. Januar 1537) und 
nad) abermaligen Erjchütterungen in der feiten Hand Coſimo's „des 
Großen” (1537—1574), bildet den politifchen Negulator Mittel: 
italiens, während die Herridhaft der Efte in Ferrara und ebenfo 
Parma und Piacenza jeit B. Julius II. (1512, 1514) der Er- 
oberungspolitif des Nirchenftantes ausgeſetzt erfcheinen. Erft 1530 





174 XIII. Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s II. (1526— 1576). 


Vereinigung von Florenz und Bologna mit dem Reihe. Die Ge: 
fahr ging an dem Papſtthum vorbei, denn Karl war contervativ- 
fichlih und fein Hauptfeind war Frankreich. Auch der Papſt traute 
nicht diefer Macht und kam es noch vor dem ‚Damenfrieden” zu 
Gambray zwiſchen Karl V. und Franz I. zum Ausgleihe mit Rom 
im Tractate von Barcelona (29. Juni 1529) und im Frühjahr 
1530 zur Bolognejer Kaijerfrönung. Jedenfalls war der moralifche 
Erfolg auf Seiten des Raijers, nicht jo der politijche, denn Clemens VII. 
ſchwankte Angefihts der „ſpaniſchen“ Vorherrfchaft wieder zu Frank— 
reich hinüber, bejonders 1533, in welchem Jahre die Verbindung 
feiner Nichte Katharina von Medici mit Heinrich von Orleans 
(RK. Heinrich II. von Frankreich) befiegelt wurde. 

Der Nachfolger auf dem römischen Stuhle, Baul III. (ler. 
Farneſe) fand an den Vertretern Karl’s V. und erdinand’s IL, 
den Cardinälen Mathäus Lang und Bernard Kles, Freunde, denn 
er Ichien während der Sedisvacanz die Einberufung des allge: 
meinen Goncils nicht zu jcheuen, an weldhem dem Kaijer und 
Seinem Bruder jo viel lag, und das Clemens VII. ſo fehr gefürchtet 
und ferngehalten hatte. Aber der neue PBapit, der dem Nepotis- 
mus jchranfenlos huldigte, und unter welchem der Jeſuitenorden 
jeine mweltbewegende Thätigfeit begann, war dem Gedanken des kirch— 
lihen Ausgleiches mindeſtens ebenjo fern, als das entjchiedene Zuther- 
thum. 

Portugal, Spaniens Nachbar und mit deſſen Hofe ver: 
ſchwägert, verfolgt unter der glücklichen Regierung K. Johann's 
(Joao) III. (1621 - 1557) ausſchließlich feine gewinnbringende 
Welthandelspolitik. Die Schweizer Eidgenoſſenſchaft 
erſcheint ſeit 1321 immer mehr durch Glaubensſpaltung entzweit; 
ſie iſt nimmer, wie in den Tagen K. Maximilian's J., eine maßge— 
bende Macht in allgemeinen europäiſchen Fragen. Zürich, Bern, 
Baſel, Schaffhauſen und St. Gallen treten als Anhänger des neuen 
Glaubens unter Führung Zürichs und ſeines geiſtlichen Hauptes 
Huldrich Zwingli als Bündler des ſogenannten „chriſtlichen Bürger: 
rechtes“ den altgläubigen Cantonen: Luzern, Uri, Unterwalden, 
Schwyz, Zug, Freiburg und Wallis gegenüber und ſchließen mit 
Karl V. und Ferdinand J. (1518) ein Bündniß. Die blutige Ent— 
ſcheidung bei Kappel, Zwingli's Schlachtentod (1530, 25. Juni), 
hatte allerdings den „zweiten Landfrieden“ zur Folge, aber behob 
nicht die Verbitterung der Parteien. 

Den Schluß bildet naturgemäß Deutſchland. Denn bier 
lagen die für Oeſterreichs Geſchichte maßgebendften Antriebe ber 


XII. Bu: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Maximilian's II. (1526— 1576). 175 


kaiſerlichen Politik. Vergleihen wir ſchon im Jahre 1525 die 
Stellung der Glaubensparteien zu einander, jo war es voraus: 
fihtlih, daß es an Gegenbündniffen nicht fehlen werde. Der vom 
Legaten Campeggio vermittelten Regensburger Cinigung 
(6. Juli 1524) geiftlicher Fürften, fodann Erzh. Yerdinand’s und 
der bayerijchen Herzoge folgt 1525 die Dejjauer Zujammenkunft 
des Mainzers, des Brandenburgers und der Braunfchmweiger Herzoge 
Heinrich und Erich, aljo aud ein Katholikentag. Dem gegenüber 
erhebt fi 1526, 2. Mai, das Torgauer Bündnifß der Evan: 
geliichen mit dein Heißiporne Philipp, dem heſſiſchen Landgrafen, 
an der Spige, der den zögernden Kurfürften von Sadjen, 
Johann, „den Beitändigen”, mit fich zieht. Das find die Aus- 
gangspunkte der weiteren Läufe des deutfchen Reichslebens. Die 
jogenannten „Pack'ſchen Händel’, ‘die Denunciation eines angeblichen 
katholiſchen Waffenbundes, der zu Breslau getagt habe durch Dr. Otto 
Bad, und der Zandfriedensbruh des jähen Heſſenfürſten als un- 
mittelbare Folge (1528) zeugen am beiten von dent tiefgehenditen 
Mißtrauen des evangelifhen Theiles, welcher jeit dem Speierer 
Reihstage vom April 1529 als „‚protejtirend‘ wider das Wormſer 
Edict von 1521 zunächſt gegen das bezügliche Interimsmandat des 
Kaijers, den Parteinamen „Proteſtanten“ führt. Schon im Noventber 
dieſes Jahres verzeichnen wir den erſten Schmalfaldner Con— 
vent, kurze Zeit nach dem Abſchluſſe des „Damenfriedens“ (vom 
5. Auguſt 1529) zu Cambray, zwiſchen Karl V. und Franz L.; 
wenige Wochen ſpäter, als eine große Gefahr an Habsburg-Oeſter⸗ 
reich und Deutſchland, die erſte Türkenbelagerung Wiens 
vorbeigezogen war. 

Der Kaiſer, ſeit 22. März 1530 in der Lombardei und zu 
Bologna gekrönt, mit Frankreich im Kampfe verharrend und wider 
das politiſch gedemüthigte Papſtthum zurückhaltend, meidet beharrlich 
einen ernſtlichen Zuſammenſtoß mit dem Libertätsgelüſte der evan— 
geliſchen Fürſten in politiſchen und Glaubensſachen; das „allgemeine 
Concil“ ſoll gewiſſermaßen das Sicherheitsventil für die Glaubens— 
ſpannungen abgeben und die deutſche Königswahl Ferdi— 
nand’s I. die Stellung des Bruders als Reichsgehülfen feſtigen. 
Ihr Gelingen am 5. Januar 1531, — die Krönung zu Aachen 
folgt den 11. Januar — war ein Mlarmruf für die Schntalfaldner 
und die bayerijhen Wittelsbacher, die Nebenbuhler Habs- 
burgs bei der böhmischen Wahl Ferdinand’s, und die Verbündeten 
Johann Zäpolya's, feines Gegenfönigs in Ungarn. Ende 1531 
ift das bewaffnete Schmalkaldner Bündnig unter Hefjens und Sachſens 


176 XOL Bud: Die Zeiten Ferdinand's J. u. Marimilian’s II. (1526— 1576). 


Führung fertig gebradt. Die Türken: und Franzofengefahr zeitigt 
25. Juli 1532 den erjten, Regensburger, Religionsfrieden, — 
einen Nothbehelf, einen faulen Frieden. Die Schmalfaldner ſtehen 
mit Frankreich, mit Zäpolya, den Bundesgenoffen Sulejman’s, des 
Türfenfaifers, im innigen Verkehre und zu Salfelden (28. Sa: 
nuar 1534) vollzieht ſich eine fürmliche Einigung der Schmalfaldner, 
ihres Schüglings, des vertriebenen Herzogs Ulrih von Würtemberg, 
Frankreichs und der fatholifchen Bayernherzoge. Der Heſſe ſchlägt los 
(Mai) und Ferdinand opfert im Kaadner Frieden (29. Yuli 1534) 
Würtembergs Belis. Ja es gelingt den Habsburgern (11. Sep: 
tember) der Linzer Ausgleich mit den Bayernherzogen, worauf 
es 1535 (30. Januar) zum fogenannten „neunjährigen Kaiferbunde” 
Karl’s V., Ferdinand's I., der Bayernherzoge, der Brandenburg- 
Hohenzollern und einiger Bischöfe in Donaumörth fommt. 

Dem rühmlichen aber für die Folge unfruchtbaren Flottenzuge 
des Kaifers gegen Tunis (Suli, Auguft 1535) folgen die von 
Franz I. im Mailändiſchen angezettelten Wirren. Der dritte 
Krieg mit Frankreich und Ferdinand’s Türfengefahr, das 
vergebliche Ringen um den Alleinbefig Ungarns (1537) beftimmt 
den Kaijer, feinen Bruder zum Frieden mit Zaͤpolya (1538, Fe: 
bruar) zu drängen und felbft den zehnjährigen Waffenitillitand in 
Nizza (1538, 10. Juni) mit Franz I. abzufchliegen. Denn der 
Broteftantismus erlangt durch den Tod des Tatholiichen Herzogs Georg 
von Sachſen (18. April) und (1539) den Uebertritt Joachim's II. 
von Hohenzollern Brandenburg vom Katholicismus (31. October 1539) 
neue Kräfte. Ueberdies nehmen die Genter Unruhen (1540) 
den Sailer und die neuen Bewegungen in Ungarn K. Ferdinand I. 
vollauf in Anſprnch. Das nad) Mantua, dann nach Bicenza vom 
P. Paul III. ausgejchriebene Concil (1537) war ein ebenjo 
bodenlofes Erperiment als das Sagenauer Religionsgejpräd 
(1540), unter Serdinand’s I. Vorfige, und die unerquidliche, ge: 
ſpannte Sachlage ſpinnt ſich jeit 1541—42 weiter. 

Der zweite Flottenzug Karl's V. gegen die Barbaresken (Dc- 
tober, November 1541) nah Algier jchließt ohne Glüd; der 
vierte und legte Franzoſenkrieg bridt los (1542—1544). 
Neue nterimszugeitändniffe jollen die Broteftanten, die Schmal:- 
faldner, von denen Morig von Sachſen fi trennt und „kaiſer⸗ 
lich” wird, für die Waffenhülfe des Reiches gegen Frankreich und 
die Türken gefügiger maden, der Vergleich K. Ferdinand’s mit 
Churf. Johann Friedrih von Sachſen (1542—1547) dies erleich⸗ 
tern (1544, 11. Mai). 





178 XIO. Buch: Tie Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’8 IL. (1526—1576). 


2. Die Erwerbung der Kronen Böhmen und Ungarn. 3. Der 
Kampf um Ungarn bis zum Großwardeiner Frieden (mit Eins 
ſchluß der erfien Türtenbelagerung Wiens). 


Literatur. a) Böhmen: Bartoſch v. Prag (1524 — 1531) in db. 
czech. Trig.:A. v. Erben und i. d. lat. Ueberſ. v. Höfler (ſ. o., II. 650); 
Hajef v. Liboczan, Kron. teska (bis z. Krönung Ferdinand's I), neue A. 
v. Shönfeld (1819); Ritiuß von Sprinzenftein, Oratio in corona- 
tionem Ferdinandi I. Bohemica a. 1527 dicta (Vienna 1541), vgl. d. gleichz. 
Nachricht in Buder, Nützl. Sammlung veridh. Schriften (1735, ©. 521—531). 

Zimmermann, Geih. Böhmens unter Ferdinand I. (in czech. Sprache), 
2 Bde. (182021); Sfalla, Ueber die Wahl Ferdinand's 1. z. böhm. K., Progr. 
d. U.:Realich. z. Auſpitz (1871). Die beiten Abh. über die Wahl Ferdinand's: 
A. Rezek im Casopis Cesk. Mus. (1876), 3., 4. Heft., u. Vortrag über 
Bayerns Action gegen Ferdinand I. vor feiner Krönung z. Könige von Böhmen 
(1876, E. böhm. Geſ. d. Wiſſ., Sitzungsber. v. 10. Juli), desgl. Casopis 1817. 
©. 54—65, von denen nur zu bedauern, daß fie nicht in einer ausführlicheren 
deutihen Monographie vorliegen und DO. Gluth in den Mittheil. des 2. f. 
G. d. Deutſchen i. B. XV. Jahrg, Nr. IL, IV. (1877). 

b) Ungarn: Georgius Syrmienfi3 (Szeremy György), Hoffapları 
Zäpolya’s, Denkw. im barbarifchen Latein (1484—1543), h. v. Wenzel; Monum. 
hist. Hung., I. A., 1. (1857); Berantius (Brankid, Dalmatiner, Erlauer B., 
dann Sraner Primas, geb. 1501 zu Sebenico, + 1573), Opera hist. ed. Wenzel; 
12 Bde., Monum. hist. Hung., 1. A. (1857 — 1875). Chronifen, Correfpondenzen 
u. ſ. w. in latein., theilm. in magyar. Sprache. Das Stüd: de rebus gestis Jo- 
annis Regis Hung, 11. I., 5. fon v. Kovadich in den scrr. min. rer. hung., 
II. 39 bi8 82; Joh. Mid. Brutus (Renet., geb. 1517, + 1592), hist. Hung. 
(1490—1552) (theilweife erhalten), h. v. Toldy; Monum. hist. Hung. (1863 
bis 1867), 3. Bde; Zermegh Joh., rerum gest. inter Ferdin. et Johannem 
Hungariae reges comm., 1662 herausgegeben; e. N. in Schmandiner’3 scrr. 
rer. hung., Il., 382--415 (mit Bel’3 Anm.) F. Forgäch de Ghymes 
(geb. 1510 z. Ofen, 1556 B. v. Großwarbein, + 1576 als Kanzler Stephan 
Bäthory’3), histor. sui temporis, ll. XXIL., rer. hüng. et transsylv (1540 
bis 1572) mit den Anmerf. des Simon Forgäch und Nik. Sitvanfi, 6. v. 
Fidel Majer, mit Einl. v. Toldy; Mon. hung., 16. Bd. (1866). Die geläufigite 
Quelle blieb des fpätern Iſt hvanfi, Nicol., hist. regni Hung. (1490— 1600) 
(ſ. w. u.). 

Scheſaeus, Chrift. (Schäßburger; Siebenb.), Ruinarum Pannonicarum, 
11. IV. (Vitembergae 1573), vgl. Eder, scrr. rer. transs. (u. Chronol. hist. 
Pannoniae ad. Rud., II. Imp. carminice descerr., Francof. 1596). Desgl. 
Ambrof. Simigianus (b. Eder) und Mi. Sigler, Chronologiae rer. 
hung. Transsilv. et vicin. reg. IL duo, in Bel: Adpar. ad hist. Hung. 
1735) 43—88; reiht biß 1566). Chronicon Fuchsio-Lupino-Ol- 
ardinum (vgl. Album Oltardinum, 1526—1629), 5. v. Trauſch (Kronft. 


XIII. Bu: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s IL. (1526—1576). 179 


1848). Deutſche Fundgruüben z. Geld. Siebenbürgens, 5. v. Grf. J. Ke- 
meny, 2 Bde. (Klaufenburg 1839), I. Bd. (I. Chron. des Hier. Dftermayer 
[1520 —1561], &. 1—69), IL. Bd. Mähr. Landtagsverhandlungen, die An- 
[prüche des Job. Zäpolya auf Mähren betreffend (1526—1531) (S. 1—85). 

Ton den Ausländern: Jovius (Paolo Giovio, Biſch. v. Nuceria) und 
Gaip. Ur. Velius (Schlefier: el), de bello Pann., 11. X., 5. v. Kollar mit 
Urfundenand. (1762); Herberftein, ©. v., Rayttung m. Lebens, fontes rer. 
austr., 1. A. I; Tomaſich, Chronicon breve Regni Crostiae, ber. v. Ku: 
fuljevic im Agramer Arkiv za pov£&stn. jug., IX. (13—34). Centorio 
AscaniodegliHortensii, Gommentarii della guerra di Transsilvania, 
1526—1560 (Vinegia 1966—1570). 

Gorrefp., Acten u. Urk. (Pal. d. allg. Verz. oben, dazu: Ribier, 
lettr. et mem. (1666) u. State papers, VII—XI. 3b. Sigism. Aug. Polo- 
niae regis epistolae etc., 5. v. Menden (1703); vgl. Acta Tomiciana, 
IX. Bd. Pray, epistolae procerum regni Hung., 3 Voll. (1806); 9. Ge: 
vay, Urfunden und Actenftüde 3. Geſch. der Verhältniffe zwiſchen Dejterr., Un: 
garn u. d. Pforte i. 16. u. 17. Jahrh., 3 Bde. (1833—1842) (Hauptwerf); dazu: 
Legatio J. Haberdanacz et Sig. Weichselberger ad Suleimanum I.... 
1523 (Viennae 1837); St. Genois u. Schepper, ©. U. Dfiel de, Mis- 
sions diplomatiques de Corneilles Duplicius de Schepper, dit Sceppe- 
rus, ambass. de Christian II, de Charles-Quint, de Ferdinand I. et de 
Marie, reine de Hongrie. Gouvernante des Pays-Bas de 1523 — 1555 
(Bruxelles 1356), 4°; v. Muffat, K. A., Correjpondenzen und Xctenftüde z. 
Geſch. d. polit. Verhältnifje der Herzoge Wilhelm und Ludwig von Bayern zu 
K. Johann v. Ungarn in den Quellen u. Forſch. 3. bayer. u. deutichen Geſch., IV. 
(1857) (Hauptwerf); Theiner, Monum. ad Hist. Hung., Il. Bd.; Nicolai 
Olähi (geb. 3. Hermannftadt 1493; 1553 —1568 Graner Erzb., 1526—1543 
Secr. der K. Maria), Codex epistolaris (1526—1538), 5. v. Spolyi (1876); 
Monum. comitialia regni Hungariae, 5. v. Fraknöi (Frankl), I. (1526 
bi8 1536 (1874), IL. 1537 — 1545 (1875); Monum. Comitialia regni 
Transsylvaniae, h. v. Alexander Szilägyi, I. 1540—1556 (1876). 

Katona, hist. crit. r. Hung., 20. Bd.; Engel, G. d. U. u. Geſch. 
des ung. R. u. ſ. N., II; Fefiler, bearb. v. Klein, 3. Bd.; Horvätb, 
3. Bd.; Szalay, 4. Bd.; Buchholz, DIL, IV. Bd. — Teutſch, Geld. d. 
Siebendb.; S. Hammer, III. Bd., Zinfeifen, II.3b.; Jaszay, a magyar 
nemzet napjai a Mohäcsi vesz utän (Die Tage de Magyarenvolfed nach dem 
Mohäcfer Unheil), I. (einziger Band 1526, 1527), eine Außerft gründliche Monogr. ; 
A. Sindely, Ueber die Erbrechte des Haufes Habsburg auf die Krone v. U. 
i. d. 3.0. 1526—1687, Arch. f. öjterr. ©, 51.3. Vgl. Col. Welleba, Be- 
gründung des Eucceffionsrechtes der Habsburger auf ben ung. Thron durch 
Mar I, Wien, Schottner Gymn.:Progr. (1870). Weber den Sachſengrafen 
Marfus Bempflinger f. die AbH. im Arc. f. ſiebenb. G. u. 2. (1858, 1859) 
und die Monogr. v. Fabrit ius (1874), Sep. A. aus den Ertekezesek, V. Bb.; 
K. Schuller über dad Bündniß Zäpolya's mit Franz v. Frankreich, Arch. f. 
fiebenb. ©. (1857). Der. über Gritti’8 Ende, ebenda (1856). Weber bie 

12* 


180 XII. Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s II. (1526— 1576). 


Staatsmänner Ferdinand's f. Bergmann, Medaillen ... I. (1844) (einz. 
Biogr., 3. B. Cles, Rogendorf ꝛc.). Boigt: Kakianer, in Raumer's hift. 
Taſchb. (1844); Wittftod im Biſtritzer Gymn.- Pr. 1860, Gapejius im 
Hermannftäbter 1856. — Ueber Berislavie, Chriftopp Frangepani: bie 
Abb. v. Meiid im Rad der Agramer Afab., III, XVIIL—XXII. 2b. 

Chronica, Türfijde und Ungarifche, oder kurze hiſt. Beſchr. aller deren 
zw. bem Erzh. Oeſterr. ... und dem Türfen gef. Kriege, ſowohl in Ober- u. 
Unter - Ungarn als Siebenb. (1526—1662) (Nürnberg 1663); Robrmojer, 
Diplomat. Verhandl. zm. Ferd. I. u. Joh. Zäpolya, Czernowitzer Gymn.-Progr. 
(1862, 1864); Edlbader, Die Politif der Herzoge von Bayern gegen Karl V. 
u. Ferd. J.; Lisfe u. Kraus ſ. o. ©. 177, Anm.; Balcar, Daritellung der 
Kämpfe Ferd. I. mit den Osmanen unter Berüdj. gleichz. Err. i. d. Moldau, 
(Suczawa, Gymn.:Rrogr. 1871). NRarapat, Turski boji vXV. in XVI. 
veku (Türfenfriege im 15. u. 16. Sahrh.); Matic. slav. ın Laibad (1871) 
Sep.:A., 159 ©., eine fleißige Zufammenftellung der Daten v. A. bis 1561. 

Die geſammte Bibliographie zur Gejdhichte ber Türfenbelagerung 
Wiens, 5. v. Kabdebo (1876), vgl. Schmit:Tavera, S. 110—115. 


2. As die Botichaft vom Falle K. Ludwig's II. in der 
Schlacht bei Mohäcs nah Böhmen gelangte (September 1526), 
zuerſt gerüchtweife, dann in beftimmter Form, ftanden die Böhmen 
der Thronfolge gegenüber in vier politifchen Gruppen, wie fie ſich 
jeit 1524— 1525 immer deutlicher herausgebildet hatten. Die eigent: 
liche „Herrenpartei”, welche dem fünftigen Zandesfürften gegenüber 
ihr Machtprivilegium, ihre Loſung: „Du bit unfer König, wir find 
Deine Herren”, entgegenzuhalten entjchloffen war, — die „Kuttem— 
berger” Partei, ſchaart fi wie früher um Herm Lew Rozmital 
auf Blatna, den Schwager K. Georg’s, den weltkundigen, güter- 
mächtigen und ränkevollen Dann, feit 1507 im Befite des Oberft- 
burggrafenantes, der oberften Landeswürde, zu welcher er wieder 
gelangt war. Der vereinigten Alt: und Neuftadt Brag war er ficher, 
denn bier hatte jein Gefinnungsgenoffe, der begabte Emporfümmling 
Paſchek von Wrat, das Heft noch immer in feiter Hand. Der Roz- 
mital'ſchen Herrenpartei ftand die „Koliner“, der utraquiftiiche Adel 
gegenüber, unter Herrn Johann von Wartemberg (1525 Oberſtburg⸗ 
graf) und dem oberjten Kanzler Herrn Adam von Neuhaus, der 
fih, wenngleih Rozmital's Schwiegerjohn mit dem „Landesverweſer“ 
von 1525, Fürften Karl von Münjterberg, als Seele der 
„königlichen Partei” betrachten konnte. Ihr in dem Widerftreben 
gegen die Dictatursgelüfte Lew's von Rozmital verwandt, erjcheinen 
die Herren von Roſenberg: Soft, Peter und Heinrich, denen der 
Neuhauſer eng befreundet war, die Neffen bes ältern Herrn Beter v. 
Nofenberg, Thon aus Groll über die Miterbichaftsgelüfte Herrn Lew's, 





182 XIIL Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’3 II. (1526— 1576). 


dahin, das Erbrecht der habsburgiſch-luxemburgiſchen und jagellonifchen 
Hausverträge und das feiner Gattin in den Hintergrund zu ftellen 
und ſich von den Ständen „als König und Königin gefallen und 
annehmen zu laſſen“, durch welche Formel der Ausdrud „wählen zu 
lafjen” vermieden werden follte. Interpretirten doch die Stände die 
vom Karlftein herübergeholten Reichsurfunden, vor Allem die faro: 
linifhe Erbfolgejakung vom Jahre 1348 dahin, daß Prin- 
zejlin Anna, Ferdinand’s Gemahlin, noch bei Lebzeiten des Vaters aus- 
geftattet und vermählt (vgl. den Wiener Tractat vom Sahre 1515), 
fomit dem römiſchen Rechtsgrundfage der Delation des Erb- 
rechtes zufolge aus demjelben getreten jei, während K. Ludwig, 
erit dann, nach Wlapdislams Tode zum Könige Böhmens „angenom: 
men”, erbenlos, dahingejchieden wäre. Es war dies Eophiftil, der 
die mährifchen Stände (25. Oft.) durch die Erklärung: Anna fei eine 
geborene Erbin der Markgrafſchaft Mähren thatjächlic) wider: 
ſprachen. Die Gejandten Ferdinand’s erklärten daher aud) Angefichts 
der Sachlage, daß ihr Herr ſich nur um die Wahl bewerbe. 

Eine zweite wichtige Thatjache liegt darin, daß die Löſung der 
Wahlfrage vorzugsweife von dem Umitande abhing, welcher Thron- 
bewerber den ftändifchen Forderungen und insbejondere der Gewinn: 
ſucht der tonangebenden Ständeführer Auslangenderes biete. Die 
„Saffranzetteln” der Bayern, d. i. das PVerzeihniß der Summen, 
die al8 „Handjalbe” zu verwenden wären, find ein Beweis dafür, 
und mas die Sendboten Ferdinand’s zufagen mußten, zeigen am 
beiten die drei Verfchreibungen, welche fich der zähelte der ‚„Rönigs- 
macher“, Herr Lew von Rozmital, ausftellen ließ. Unter den 
ſtändiſchen Wahlcapitulationspunften jpielte neben der Verbürgung 
der Compactaten die Uebernahme der Landesſchulden durch 
den neuen König eine Hauptrolle. So gelangten die Vertreter 
Ferdinand's durch Fluges Beharren und Nachgeben an’s gewünſchte 
Ziel. Das Ergebniß des geheimen Wahlactes vom 23. October — 
am 24. Ictober verkündet — war die Wahl Ferdinand’s und 
die bittere Enttäufhung der noch am 23. Detober irregeführten 
Bayern. Das Hiſtörchen von dem Winfe des Herrn Berla noch 
am 23. October für den, der das „Botenbrod“ bei Ferdinand ver: 
dienen wollte, jcheint nad) Allem unbegründet. Doch auch noch nad) 
der Wahl hoffte Herr VBretislam von Swihau (Swihowsfy) und 
fein Genoſſe Johann von Kolomwrat, der die Wiener mit Ferdi— 
nand’s Wahl unzufrieden fand und mit einem Agenten Zäpolya’s in 
Verbindung trat, die Krönung Ferdinand’s hintertrieben und Lew’s von 
Rozmital Rückfall zur bayerischen Partei ermöglicht zu fehen. Gleiches 





184 XII. Zu: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian's II. (1526—1576). 


Maria und der Palatin Hatten den Reichstag nah Komorn 
auf den 25. November einberufen, denn eine Verjammlung auf dem 
Rakoſchfelde war nicht räthlih. Die Ereigniffe in ihrem rajchen 
Gange vereiteln die Komorner Wahlverfammlung, denn bald hatte 
3&polya’s übermädhtiger Anhang Gran, Ofen, Vyſſegrad, Stuhlweißen: 
burg beſetzt; Ende October hält Zäpolya jeinen Einzug in Ofen, 
nachdem er drei Tage zuvor die letzte vergeblihe Werbung um 
Maria’s Hand ergehen ließ und die Antwort entgegen nehmen mußte: 
ihr Bruder habe zu Heimburg gefhworen, um die Krone Ungarns 
Alles einzufegen. Der Wojwode entbietet die Stände nad Stuhl: 
weißenburg. Die Regentin (31. October) verbietet den Beſuch 
deſſelben; jchon am 27. October jendet der Habsburger den Dr. Markus 
Bed von Leopoldsdorf, nieberöfterreichiichem Kämmerer und die Räthe 
Sigmund Weirelberger und Philipp Breuner, um in Stuhlweißen: 
burg feierlichen Einfprud gegen eine Wahl Zapolya's zu erheben. 
Sie fand am Tage ber Beifegung K. Ludwig's II. ftatt; Stephan 
Berböczy, mit dem habsburg-feindlichen Beſchluſſe von 1505 zur 
Hand, Führt das große Wort, und den Botfchaftern Ferdinand’s 
wird fein Gehör gegeben. Am 12. November fette der Erlauer 
Biſchof Vardai dem Wojwoden die Krone auf, die dann Peter 
Berenyi, als Kronhüter, in Verwahrung nahm. 

Einige Tage früher (7. November) hatte Ferdinand ein Kleines 
Heer in Heimburg zufammengezogen, um fi Dedenburg’3 zu ver> 
fihern. Ueberall hin, an den Bapft, nah Bolen, Frankreich, 
Benedig, an die deutichen Fürsten, vor Allem an die bayerijchen 
Wittelsbaher gehen die Eilboten K. Johann's, um ihn als 
Herriher Ungarns anzufündigen. Sein Anhang war ohne Frage 
der jtärfere. Denn zu ihm hielt das fiebenbürgifche Magyaren und 
Szellerland, das öjtliche und centrale Ungarn; die Magnatenichaft 
und die Kirchenfürften YUngams — allerdings dur die Mohäcſer 
Schlacht jtarf gelichtt — in ihrer Mehrheit. Ale Kerdinand’s 
entfchiedenite Anhänger erjcheinen Biſchof Szalahäzy von Veßprim, 
Brodarics, Bifhof von Syrmien, Johann Tahy, Adminiftrator des 
Johanniterpriorats Vrana, der Probſt von Fünffirchen, Ladislaus 
Macedoniai, der Domherr von Stuhlweißenburg, Niklas Gerendy, 
und der nachmalige Primas von Ungarn, Niklas Diäh, der „Wal: 
lade”, Verwandter der Gorvinen, Geheimfchreiber der Königin. 
Den Reigen der weltlichen Herren eröffnet Palatin Bäthory, ihm 
folgen Banus Franz Batthiäny, bei Maria beliebt, aber ein zwei: 
deutiger politijcher Charakter von einer gewifjen Unerfättlichkeit, über 
welche die Correfpondenz Ferdinand’s mit feiner Schweiter ſich ausläßt ; 





186 XII. Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimiltan’3 II. (1526— 1576). 


it das Ergebniß dieſes natürliden Compromiffes. Bon 
Karl V. ift dabei nimmer die Rede; man wählt nicht zwijchen den 
beiden Habsburgern, jondern Ferdinand allein, und in deſſen Ver- 
fiherungsbriefe an die ungariihen Stände vom 29. Juni 1527 heißt 
es ausdrüdlich, er fei „lauter, frei und unbeeinflußt (spontanee) 
zum wahren und rechtmäßigen Könige Ungarns angenommen, gewählt 
und verfündet worden (assumti, electi et publicati fuissemus)“. 
In der Werbung an den Polenkönig (December 1526) betont 
ber Habsburger allerdings auf das Nachdrücklichſte das Erbredt 
der Gattin und fein vertragsmäßiges Nedt. 

Frangepani hatte die Zäpolyaner Slavonien-Croatiens nad) 
Kreuz und dann nad Dombro berufen. Hier wird am 8. Januar 
1527 Zäpolya als König ausgerufen, Frangepani als „Banus“ gegen 
Batthiäng gejegt, mußte jedoch eidlich geloben zwiſchen den beiden 
Thronrivalen zu vermitteln. Die Bevolmädtigten des Habsburgers 
hatten dagegen den croatiihen Wahltag nah Czettin berufen. 
Hier, und nit zu Koprainig (October 1526) wie Marino Sanudo, 
der venetianifche Diplomat und Gejchichtichreiber berichtet, fand im 
Januar 1527 die Mahl Ferdinand’s ftatt. Der Biſchof von Knin, 
die Grafen von Korbavien, die Zrini, und Frangepan (Deglia- 
Modruſch), Ehriftoph’s Blutsverwandte, waren hier die Hauptperjonen. 
Bald gelingt es Ferdinand, den wilden Serben, Jovanden „Schwarzen“, 
einen Abgott feiner Genoffen, als Bandenführer im Süden gegen 
Zäpolya zu gewinnen und in Slavonien erklärten fich für ihn der 
übermüthige Thomas More und Beter Berislavic (Berislo) 
ein tüchtiger Kriegsmann. Es gab nun zwei PBarteilönige, 
wenn auch Erb: und Vertragsrecht den Habsburger als den redht- 
mäßigern erfcheinen ließ. Wie die Dinge lagen, war jchwer zu 
glauben, daß eine friedliche Löfung der Königsfrage Ungarns 
möglich ſei. 

Den Gang der weiteren Creigniffe ſoll der nächſte Abjchnitt 
erörtern. Die chronologiſche Ueberſicht an feiner Spige foll 
die Einzelerjcheinungen aneinander reihen und der Tert der Erzählung 
den wejentlichften Ergebniffen gerecht werden. Der ungarische Thron: 
bandel war eine europäifde Frage von breitejter Verzweigung 
und wie bejcheiden die Mittel Ferdinand’s waren, beweijen nicht 
bloß die Vorftellungen an feine Schweiter, wie ſchwer ihn die Wahl: 
foiten mit 90,000 Ducaten träfen, das den Banus Batthiäny ver: 
bitternde Hinziehen des Lieblohnes feiner Parteigängerihaft, endlich 
auh die ernitlihen Mahnungen des kaiſerlichen Bruders zum 


XII. Buch: Die Zeiten Ferdinand’3 I. u. Maximilian's II. (1525— 1576). 187 


Ausgleihe mit dem „Wojwoden“ Zapolya, mit denen er feine 
Sendung von 100,000 Ducaten in Wechieln begleitet, fondern aud) 
der ganze Verlauf der Kriegsjahre jeit 1527. 


3. Chronologiſche Weberfiht der Ereigniffe im Throntampfe um 
Ungarn von 1527 bis zum Großwardeiner Frieden 1538. 


1527, 27. März, 24. April: Erflärungen der Könige Ferdinand und Johann 
zu Gunſten der Einftellung ber beiberfeitigen Feindſeligkeiten. 26. April: Sen: 
dung Hieron. Lasky's durch Zapolya an Franz I. 28. April: 2. croat. Landtag 
zu Gzettin. Quni: Olmützer Friedenscongreß und polniſches Schiebs: 
geriht. 9. Juni: Ankunft des franzöſiſchen Gegenboten Rincon in Ofen, (2. Juli: 
Feierliche Verkündigung des Bündniffes Franfreihs, Venedigs und K. Johann’) 
29. Juni: Manifeit Ferdinand’ an die Ungarn. 31. Auli: Heerfahrt deijelben. 
1.—29. August: Ganz Weitungarn von Altenburg bi8 Ofen in Ferdinand's Hand. 
24. Auguft: Hatvaner Gegenmanifeit Zäpolya’s. Ferdinand jchreibt den Reichstag 
auf den 29. Sept. aus. 27. Sept.: Nicla3 v. Salm’3 Sieg bei Tarczal — Tofai. 
Tod Ehriftoph’3 Frangepani von Warasdin. Perenyi’3 Abfall von Zäpolya; 
beögleihen der Bilchöfe von Erlau, Fünfkirchen und Gjanad. 4. Oct.: neue? 
Gegenmanifeft Zapolya’3 aus Großwardein. 7. Oct.: Ofner Beftätigung 
der Wahl Ferdinand's. 3. Nov.: Stublmeißenburger Krönung Ferdinand's 
und feiner Gattin. (Ferdinand's Aufenthalt in Ofen biß 6. Febr., in Gran big 
283. Febr. 1928 Rückkehr nach Defterreih.) 1527, 22. Dec. — 29. Febr. 1528: 
Lasky, Zapolya’3 Agentin Conjtantinopel. 26. Dec.: Sendung Sigis- 
mund sSHerberftein’3 nad Polen durch Ferdinand. Zaͤpolya's Feldherr Bodö 
i. O. U. von Török und Pekry geichlagen. 

1528, 21. Januar: Ofner Reichſtag der Anhänger Ferdinand's. Februar: 
Gegenbotjhaft Ferdinand’ an den Sultan: Habordansky (Habor: 
danacz) und Weirelberger. Zäpolya gegen Kaſchau, Niederlage bei Szinna 
durch Katzianer (Fels, Thurn) — geht über Homonna nad) Polen-Tarnow. — 

17. März: Einfegung der Statthalterfhaft Ungarns durch Ferdinand. 
13. April: Zäpolya's Schreiben an die deutichen Reichsjtände. Neger diplomat. 
Verkehr mit den bayrijchen Fürſten. 26., 27. April: Verhandlungen mit Dr. Pad, 
als Bevollmächtigten des Landgrafen Philipp von Hejjen. 16. Mai: Sendung 
ded Dalmatiners, Biſchofs Statileo dur Zäapolya an Frankreich und England. 
25. Sept.: Sieg der Zäpolyaner unter Athinay und Bäthory bei Sarospataf. 
Wendung zu Gunſten Zäpolya’d. 15.—23. Sept.: Ferdinand in Preß: 
burg. 28. Oct.: Bündnig Zapolya’3 mit Kranz I. Dec. (Januar 1529): Land 
tage zu Brünn, Prag, Wien, Graz, Klagenfurt, Annöbrud in Betreff ber 
Türkenhülfe. 

1529, 20. März: Die Sendboten Ferdinand's vom Sultan entlaſſen, An— 
fündigung jeines Kriegszuges. 10. Mai: Aufbruch des Sultans. Frühjahr be- 
ginnen die langen Kämpfe der Sachſen Siebenbürgens gegen Zäpolya’s Feldherrn, 


188 XIH. Buch: Die Zeiten Ferdinand's L u. Marimilian’3 II. (1526—1576). 


Stephan Bathory. 20. Zuni: Zujammenfunft de Sultand mit Zapolya zu Mo: 
häacs. 3. Sept.: die Türfen vor Ofen. 27. Sept.: Anfunft Sulejman’s vor 
Wien. 10.—15. October: Beftürmung Wiend. 16. Oct.: Rüdzug des Sultans. 
29. Oct. vor Tfen. 16. Dec.: Wiedereintreffen in Gonftantinopel. 21. Dec: Ele: 
mens VII bannt Zapolya. 

1530: X. Habordanacz’ Attentat auf Zäapolya aus Privatradde. 21. Januar: 
Päpſtliche Kreuzbulle gegen die Türfen. 27. Mai: Ferdinand entjendet 
Joh. Lamberg und Niclad Juriſies als neue Sendboten an den Sultan. 
Ende Aug.: Vermüjtender Heereszug des Paſcha's v. Semendria, Mohammed. 
31. Oc.: W. v. Rogendorf, Ferdinand's Feldherr von Ofen. 
19. Dec.: Rüdzug nah Gran. Lasky wird Wojwode Siebenbürgens und Gritti 
„Subernator” Ungarns. Nov.: Erfolgloje Kriedenshbandlung zu Poſen 
ftatt Breslau. Beſchluß eines Waffenftillitandes v. 13. Dec. 1530 — 13. Dec. 1931. 
(Lasky nah Gonftantinopel Frühj. 1531). 22. Dec.: Nüdreife der Sendboten 
Ferdinand's aus Conftantinopel. Der Türkenfrieg nur aufgejchoben. 

1531, März: Die Convente der Mittelpartei (P. Perenyi) zu Ba— 
bocfa und Belavar. Manifeſte der beiden Könige gegen die auf den 18. Mai 
einberufene Veßprimer Ständeverjammlung. K. Johann's Berufung des Land- 
tags nach Stuhlweißenburg (21. Mai.) Seine jortdauernde Verbindung 
mit ben bayerifhen Fürſten und den Shmalfaldnern. Zäfanyer 
Novemberverfammlung der Mittelpartei. 5. Nov.: fendet Ferdinand den I. Lam: 
berg u. Leonh. Nogarola nah Gonjtantinopel. 

1532, 1. Januar: Die Mittelpartei am Tage zu Keneſſe am Plattenſee. 
Einberufung des Tages nad) Berenhida auf den 12. März. Verbote der beiden 
Könige. 23. April: Aufbruch des Sultans. Juni: Vor Eſzek Peter Perenyi 
gefangen; fein Sohn bleibt &eifel. 5. 10. Aug.: Die Türfen vor Güns. 
Kafim:Beg nah N. Defterreih voraus. 29. Aug.: Letzter Sturm anf Güns und 
ehrenvolle Gapitulation des N. Jurifit, der Güns behauptet. 31. Aug.: Aufbruch 
bes Sultans. Kriegsbotſchaft an Karl und Ferdinand durch Lamberg und Noga— 
role. Tas Reichsheer dedt Wien. Kämpfe im Wienerwalde mit Kafim:Beg, 
ben Schärtlin von Burtembach niedermirft. Einbruch des Sultans in die Steier: 
mark. Kakianer und Weirelberger folgen ihm. 12. Sept.: Die Türfen b. Graz 
(Gefehte db. Graz, Marburg....) 12%. Sct.: Sulejman wieder in Belgrad. 
15. Tet.: Friedensanträge Zapolya’s. Geheime Sendung Hieronymus von Zara 
dur Ferdinand an den Sultan. 

1233, (E 1532 — A. 1533) Katzianer's und Weirelberger’3_ Einfall in 
Bosnien. 7. Febr. Friedenscongreß zu Preßburg. 12. April: Der türk. 
Tſchauſch und die Sendboten des Kaijerd und Ferdinand's, Kornelius van Schepper 
und Hieron. von Zara (Zaray) nach Conjtantinopel. 21. Sept.: Rückkehr. Oct.: 
Sendung des Vespafian von Zara. Januar 1534: Rückkehr. 

(1534) 14. Febr.: K. Schepper als faif. Sendbote von Prag nad Conſtan— 
tinopel (13. Juni Rüdreife). 9. Juni: Rundfhreiben Ferdinand's. 
Vebertritt bedeutender Magnaten zu feiner Partei. Krufit ver: 
theidigt Cliſſa tapfer gegen die Türfen. Gritti ald Bollmadtträger 
des Sultans. 18. Juni: Nach Siebenbürgen aufbrechend. 11. Auguft: Ge: 





190 XIIL Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s II. (1526— 1516). 


herrichaft verfallend rügien. Dagegen wurzelte 8. Johann mit 
Allem und Jedem im Lande, während K. Ferdinand dem Haufe 
angehörte, gegen welches ſchon jeit Decennien in Ungarn ftarte Ab: 
neigungen geſtanden; er war dem Polenkönig verjchmägert, der dem 
Habsburger ebenfo wenig Ungarn als Böhmen gönnte, ja 1526/1527 
auf Schlefien den Blid begehrlich gerichtet hielt und gerüchtweile 
mit dem vormaligen Hochmeifter, jest Täcularifirtem Inhaber des 
preußiichen Ordenslandes Albrecht von Hohenzollern, den Tauſch 
mit dem neapolitanifchen Fürftenthum Bari antragen wollte. Frank: 
reih, England, Venedig, der Papit und von den deutſchen Fürften 
die bayerijhen Wittelsbacher wurden feine Gönner und diplo- 
matiſch Verbündeten. Ja, ſelbſt der vertriebene Herzog Ulrich von 
Würtemberg ſuchte den böhmischen Herrn Albredt von Sternberg, 
einen Geſchäftsträger zwiſchen Zäpolya und Bayern, zu vermögen, 
auch ihn mit dem ungariichen Wahlkönige in Verftändigung zu jegen. 
Swihowsky und ein dritter böhmifcher Cavalier, Hanns von Kolowrat, 
„geheimer Rath” KR. Johanns, waren Vermittler in dem diplomati- 
ſchen Verfehre des Münchner Hofes mit Zapolya; von bayrifcher 
Seite erſcheinen insbefondere Ritter Kaspar Winzerer, Konrad Pos: 
niger, Dr. Jörg Weinmeifter, von Seite K. Johanns dann Minkwitz 
und Lobotzky beichäftigt. Schon im April 1527 war ein Bündniß auf 
20 Jahre verhandelt worden. Zaͤpolya wünjchte in den ſchwäbiſchen 
Bund aufgenommen zu werden, gerade jo wie er dann mit den 
Schmalfaldnern Seit 1532 in wachſende Verftändigungen trat. 

Schon ihm Juli 1527 erſchien ein franzöfiicher Botſchafter 
(Anton Rincon) mit franzöfiicher, englifcher, päpftlicher und vene- 
tianiſcher Vollmacht, um im Namen der Auftraggeber mit K. Johann 
ein Bündniß gegen die Habsburger abzufchließen. Wie jehr fi 
England für al’ diefe Dinge, beider damaligen Abneigung 
Heinrih’s VIII. und Woljey’s gegen die Habsburger, erwärmte, 
zeigen die diplomatiſchen Gorrefpondenzen der engliſchen Geſchäfts⸗ 
träger Johann Wallop, des Ritters Gregor Cafalis, des Wilhelm 
Knight u. N. 

Aber von al’ dieſen befreundeten Mächten hätte nur Polen 
und Frankreich enticheidend zu Gunften Zäpolya’s eingreifen 
fönnen. Doch auch diefe ließen es bei diplomatiſcher Hülfe be: 
wenden ; jie warteten und wogen ab. Polen jpielt den Sciebe- 
riter auf dem Olmützer Ausgleihscongreffe vom 5. Juni, wo Die 
beiden Vertreter der Gegenkönige, Zäpolya’s Sendbote Probſt, dann 
Biſchof Statileo (Statilius), der Dalmatiner, und Ferdinand’s 
Bevollmädtigter, Dr. Widman, fi abmühten, das befjere Recht 





192 XII. Buch: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian's II. (1526-— 1976). 


getheilt haben fol, und jenes Mannes gefunden, welcher den Groß: 
vezier zu beherrſchen verſtand. Es ift der uns befannte Renegat Yu = 
dovico Gritti, der Baftard des Dogen Alvifio, dem Venedig als 
einflußreichftem Vermittler die Hände vergoldet und den auch bald K. 
Johann als einen Gewaltigen im Rathe des Großherrn nit Ge— 
ichenfen, Ehren und Würden überhäuft. Gritti’s Rolle in Ungarns 
Thronfrage ift ein Gewebe großer und verlogener Entwürfe, auf 
die wir noch eingehen müſſen. 

Wie grell ſtach von der feinen Art des geriebenen Diplomaten 
Lasky, der Alles der Gnade des Großheren anheimftellt, das gerade, 
nahezu derbe Weſen des Botichafters K. Ferdinand’s (1528), Ha: 
bordanacz, ab, der in Geſellſchaft Weirelberger’s nach Conftanti- 
nopel abging und das gute Recht jeines Herm auf Ungarn ohne 
alle Umfchweife verfoht. Die Antwort, welche die lange zurüdge- 
baltenen Botichafter an Ferdinand mitbefamen — war eine Kriegs: 
erflärung an den „König der Wenden”, denn der ungariiche Königs: 
titel blieb dem Habsburger verfagt; Ungarn habe der Padiſchah 
dem Zäpolya, jeinem „getreuen Diener”, gejchentt. 

Gewiß hätte der Sultan mit dem „Beſuche Ferdinand’s vor 
Wien“ nicht jo leicht Ernft gemacht, wenn es 1527—28 Ferdinand 
gelungen wäre, unter dem Eindrude des damaligen Mißgeſchickes 
und der Flucht Zäpolya’s nah Polen, ganz Ungarn unter fein 
Scepter zu einigen. Doch das gelang nicht, denn dazu reichten feine 
beſchränkten Kriegsmittel, feine überdies den Ungarn verhaßte 
Söldnermacht nicht hin; im deutfchen Reiche lieh die Oppoſition den 
Werbungen 8. Johann's willig das Ohr, und Zäpolya’s Anhang 
war wohl eingejchüchtert, aber nicht verſchwunden. Die Mieberbe- 
lebung der Thatkraft diefer Partei im Oberlande ift das Werk eines 
der bedeutenditen Emporfömmlinge, des Pauliner Eremitenmönches 
Georg Uljejjenid oder Martinuzzi, des „Bruders Georg”, 
wie er gemeinhin genannt wird. Wir werden jeines Lebensganges 
dort gedenken, wo fein Daſein dem Höhepunkte zuftenert. 

Die Säros-Patafer Septemberihladht von 1528 er: 
Öffnet die günftigere Wendung der Dinge für Zäpolya und ein Jahr 
jpäter fteht der Sultan mit feinem gewaltigen Heere vor Wien. 
Es war einer der entjcheidenden Momente in der Geichichte Habe: 
burg : Oefterreihs und fonnte auch für Wefteuropa, zunächſt für 
Deutjchland verhängnißvoll werden. Daß fih Wien, wo ein Heer 
von 20,000 Fußknechten und 2000 Reitern, zujammengejett aus 
Fähnlein des Reiches und aller Erbländer, unter der Überleitung 
bes Pfalzgrafen Philipp und der eigentlichen Seele der Vertheibi- 


XIII. Buch: Tie Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’3 II. (1596— 1576). 193 


gung, Niklas, Grafen von Salm, neben Eck von Rei— 
ſchach und dem trefflichen Zeugmeilter Wlrih Leiſſer, — im 
Vereine mit der Bürgerichaft — des furchtbaren Yeindes zu erwehren 
wußte, welcher in jechzehn Lagern an 25,000 Gezelte bezog und fünf 
ftarfe Stürme madte, war ein Creigniß, das nicht hoch genug 
angeichlagen werden kann. Nur jchlecht verhehlte der Sultan, der 
„wahre Kaiſer“, wie ihn Ibrahim den Eendboten Ferdinand's gegen: 
über nannte, feinen Unmuth über das Mißlingen des Unternommenen, 
wenn er 1529, den 10. November, an die Venetianer jchreiben ließ: 

„Ich eroberte Buda, eroberte Ungarn und gab die mir in die Hände 
-  gefallene Krone defjelben an Zäpolya; aber es war nicht meine 
Abficht, diefe Dinge zu juchen, fondern abzurechnen mit dem Könige 
Ferdinand”. In diefen Worten liegt aber zugleich der ungemeſſene 
Stolz, die orientaliiche Hyperbolif, welche das ganze Karpathenreich 
als dem Großherrn zu Füßen liegend bezeichnet. 

Der moraliihe Eindrud des Türkenzuges dur Ungarn von 
1529 und der Wiener Belagerung hätte den günftigiten Rückſchlag 
für die Sache Ferdinand’: in Ungarn üben müfjen, wenn er 
über große Machtmittel verfügt hätte. Denn Zapolya’s Verhältniß 
zum Großherrn compromittirte jeine Sache in den Augen jener nicht 
unbedeutenden Ständepartei, welche immer ernftlidder den Nuin des 
Vaterlandes inmitten des Parteikampfes und Angejichts der türfiichen 
Gewaltpläne ermog. Aber er bejaß diefe Macht nicht, und To ge: 
wahrte eben jene Partei das einzige Heil nur in ber friedlichen 
Auseinanderjegung beider Gegenkönige. Diefen Anfchauungen giebt 
das Schreiben des Graner Erzbiihofs Paul VBärday an den 
Erlauer Bifhof vom 25. Januar 1530 Ausdrud, worin fid) ber 
Nrimas als den Dienjte Ferdinand's treu ergeben bezeichnet, Doch 
unbeijchadet feiner Ehre und des Wohles Ungarns. Nur der Friede 
und die Befeitigung des Reiches Tönnen dafjelbe vor dem Joche ſchmäh— 
licher Herrihaft der Ungläubigen bewahren. Es begannen 1530 
Friedensverhandlungen und der Gedankengang des Kaiſers und au 
der Königinmwittwe Maria begegnete ſich jchon damals in dein Nathe 
an Ferdinand, Frieden zu machen. Aber wie war ein aufrichtiger 
Friede möglih, auf weldher Grundlage follte er gewonnen werden? 
Konnte Ferdinand an die Möglichkeit eines Friedens denken, er, 
welcher fein Recht auf die ganze Herrichaft ebenjo zähe fefthielt, wie 
Zäpolya feine Anſprüche; an einen Frieden, bei deſſen Verhandlung 
das zweidentige Polen mithelfen wollte, zu welchem ber Sultan 
jeine Zuftimmung heuchelte (9. Juli 1530 an den König von Polen) 

xrones, Welch. Defterreiche. III. 13 


194 XIII. Bud: Tie Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’3 II. (1526— 1576). 


und unter Einem doch jchrieb: er habe die Abficht, gegen alle Wider: 
facher mit einem noch größern Heere, als je eines war, auszuziehen, 
der Sultan, welcher doch nur im felbjtmörderifchen Kampfe Ungarns, 
im Streite der Gegner der Dritte, — Gemwinnende — jein mochte, 
an einen Frieden, gegen welchen Frankreich, Venedig, die deutichen 
Freunde Zäpolya’s und namentlich die bayeriſchen Herzoge einge: 
nommen waren. Nrbeiteten doch dieſe an neuen Bündniffen, und - 
nicht gleichgültig erjcheint der damalige Plan Herzog Ludwig's, ſich 
mit der Wittwe des ungariſch-böhmiſchen Königs, der Habsburgerin 
Maria, zu vermählen, wie wenig auch an die Verwirklichung dieſes 
Planes zu denken war. 

Wir dürfen es Ferdinand nicht verargen, wenn er es noch 
einmal mit dem Schwerte verſuchte, wenn er Ofen durch den Rog— 
gendorfer einnehmen wollte (Spätherbſt 1530). Das Mißlingen 
diefer Unternehmung gab allerdings den Friedensftimmen neues Ge: 
wit und war Waffer auf die Mühle Gritti’s, des „Gubernators“ 
Ungarns durch die nahezu demüthige Huld K. Johann's. Gritti’s 
(1530—1531) Sendſchreiben an den Kaiſer verrathen den 
Gedanken des ehrgeizigen Schlaufopfes, der die Rolle der Wiittel- 
perion zwilhen dem Sultan und Ungarn vortrefflih zu fpielen 
weiß und die Maske des Anmwaltes der Chriftenheit vorhält, um 
durch die Ausmalung der neuen furdhtbaren Gefahren, die derfelben 
drohen, die Habsburger einzuihüchtern. Der Sultan wolle Wien 
und Neapel angreifen, Jchreibt er im Sanuar 1531; nur in der 
Abtretung Ungarns durch Ferdinand liege das einzige Mittel, Die 
großen Gefahren abzuwenden. Was fagte doch Großvezier Ibra— 
him, Gritti’s Gönner und Bertrauter, den Botichaftern Ferdinand's 
vom Jahre 1530? Dem Sultan gehöre Ungarn, mit nicht geringerem 
Rechte auch Ferdinand's Beſitzthum in Deutichland, denn er habe 
es mit dem Schwerte in der Hand durchzogen. Denke Karl V. 
daran mit der Pforte anzubinden, jo brauche er nicht weit zu gehen, 
der Sultan werde ihm jchon entgegenfommen; 

Es fehlte Ferdinand nicht an Friedensgeneigtheit; er hatte bei 
den Verhandlungen zu Bofen erklären laffen, fih auf die Grundlage 
des Dedenburger Friedens zwiſchen Mathias und K. Friedrich III. 
(1463) jtellen zu wollen, ſich mit dem ungarifchen Königstitel und 
mit dem Erbrechte auf Ungarn zu begnügen, falld K. Johann ohne 
männliche Leibeserben verjtürbe.. Aber die noch weiter gehenden 
Forderungen Zäpolya’s betrafen nicht nur die Herausgabe des ganzen 
ungarijchen Beliges Ferdinand’s, jondern auch die des Leibgedinges 
der Königswittwe Maria. Diefe und noch andere unannehmbare 





196 XIII. Au: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s II. (1926 — 15706). 


Aber Ferdinand mußte das Herz bluten, als das große 
Neihsheer, ohne eine bedeutende That auf ungariichem Boden 
zu verjuchen, fich auflöfte, und die 8000 italieniſch-ſpaniſchen Hülfe- 
truppen feines Bruders zur entjeglichen Landplage wurden. Auch 
in Böhmen und Mähren wollte man nichts für den Ungarnkrieg 
thun, wie Ferdinand in dem trüben Schreiben von Villach, 21. Dec: 
tober 1532, an feine Vertraute, Rathgeberin und Mittlerin zwijchen 
den Hababurgern, Königin Maria, andentet. 

Er verlegt jih nun gezwungener Weife auf neue Unter: 
handlungen mit feinem Gegner und mit der Pforte. Im No— 
vember 1532 trafen am AInnsbruder Hofe der Geſandte des Kaijers - 
Cornelius van Schepper, der Abgeordnete des Polenfönigs 
und der Botſchafter K. Zohann’s, Kun Smil von Kunftat, ein mäh— 
riiher Edelmann, zujammen. Längſt war aber vor Allen geheim , 
ohne Wiſſen Ungarne, des Kaiſers, ja jelbit Maria’, der Fuge Dal- 
matiner Hieronymus von Zara (von den Ungarn Zäray ge: 
ſchrieben) nah Konftantinopel abgegangen, um direct, ohne jede 
ftörende Zmwifchenvermittlung, mit dem Großherrn un den Frieden 
zu handeln. Bis zum Eintreffen feiner endgültigen Botichaft follten 
der Faiferlihe Gejandte und Zapolya’s Gejchäftsträger in Innsbruck 
zurüdgehalten werden. Andererſeits verhandelte Katzianer auf 
der Schüttinjel mit den wichtigſten Räthen K. Sohann’s, feinem 
Kanzler, Erzb. Franz Frangepani von Kalocſa, und Verböczy u. N. 
eine Waffenrube. Der in Innsbrud fi langweilende Echepper, 
defien Zehrungsgelder aufgebraucht waren und der mit den kaiſer— 
lichen Friedensmahnungen nur auf Achtelzuden ftieß, bricht einmal 
in dem Schreiben an Granvella über die „haleftarrigen Dummköpfe“ 
los, die Jih nicht jo wie die erfahrenen Räthe K. Johann's capaci- 
tiren ließen. Die Ungarn warteten auch unmuthig auf den (Fe 
bruar 1533) anberaumten Altenburger Friedenscongreß. 
Als diefer nun wirklich — und zwar in Preßburg — eröffnet wurde, 
überrafchte nicht wenig, am unangenehmiten den König Johann, das 
Erſcheinen des türfifchen Tſchauſch (25. Febrnar 1533) in Ofen 
mit der Friedensbotichaft des Großherrn. Der Congreß löſte ſich 
nun auf und am 22. März empfing Ferdinand den türfifchen Send: 
boten mit den Friedensbedingungen. Schon am 21. Januar hatte 
aber Hieronymus von Zara feinen Sohn an Ferdinand mit den 
Punctationen abgejendet. Der Eultan adoptirt Ferdinand als 
„Sohn“, Ibrahim den Habsburger ale „Bruder“; beide Gegen: 
könige behalten ihren Antheil Ungarns, den Gritti in Bezug der 





198 XIU. Buch: Tie Zeiten Ferdinand's I. u. Maximilian's II. (1526—1576). 


Döczy und Urban Batthyäany aufgeftachelt, als „Widerſpenſtigen“ 
überfallen und tödten ließ, füllte fein Maß. Längſt hatte ihm 
Ihon K. Johann mißtraut, aber er fürdhtete und braudte den Ge— 
waltigen; die Bevorzugung der Ausländer Gritti und Lasky ver: 
anlagte den Abfall jo manches wichtigen Ungam von der Sache 
Zäapolya’s; die Gewaltthat an Gzibaf: erichien als Vorbote des 
Schlimmſten. Stephan Majläth mit dem Comitatsadel Sieben: 
bürgens erhebt fih gegen Gritti, diefer muß fih in Mediajch 
einihließen, da flüchtet er in die Moldau, wird eingeliefert und 
enthauptet (22. October 1534). Das war das Ende des kühnen 
aber ränfevollen Dlannes. 

K. Johann hatte jih auf den Hülferuf Gritti’s nicht jonderlich 
beeilt, jo eben ließ er ja bei der Pforte auf die Abberufung Gritti’s 
binarbeiten und ſetzte auch Lasky als Mitſchuldigen am Tode Czi⸗ 
baf’s in Haft. Aber der Tod Gritti’s, wie wenig 8. Johann 
auh Grund hatte, dies Creigniß zu betrauern, brachte ihn bei der 
Pforte in Ichlimmiten Verruf. Soliman und Ibrahim waren wüthend, 
bejonders als fie vernahmen, Zäpolya habe Majläth zum Wojwoden 
Siebenbürgens ernannt; um fo leichter gelang es Ferdinand, bei 
dem Eultan wieder Boden zu fallen, da er durch das Verſprechen 
von 1000 Tucaten den einflußreichen Oberdolmetih Junis-Beg, 
einen italieniſchen Renegaten, für fi) gewann, denſelben, welchen 
der Eultan mit der Unterfuhung des Falles Gritti und zur Heim: 
holung jeiner Schäge nach Ungarn aborbnete. Nogarola überbrachte 
nad Gran jenen Zohn an Junis-Beg. Einen Monat früher (17. Sep: 
tember) waren noch Conföderationsprojecte zwiſchen K. Johann, 
Bayern und Heſſen verhandelt worden, aber der Kaadner Friede 
(1534, Juni) hatte doch den Dingen die rechte Spitze abgebrochen, 
es war überdies zu einem Ausgleiche zwiſchen den Wittelsbachern 
und Habsburgern gekommen, und wenn auch die Herzoge (1534, 
25. September) dem K. Johann entbieten ließen, dieſer Ausgleich 
hindere ihre „gute Freundſchaft“ mit ihm durchaus nicht, ſo begriff 
doch K. Johann, daß er von den deutſchen Freunden nichts Greif: 
bares zu erwarten babe. Dies Alles machte ihn dem Ausgleiche 
mit dem Gegner um jo geneigter. 

Ueberdies hatte jeit 1531 eine jogenannte Mittelpartei der 
ungariihen Stände Zäapolya jo gut wie den Habsburger immer 
nachdenfliher gemacht. Inwieweit ſich ihrer der reiche Magnat 
Peter PBerenvi bedienen wollte, ob er ſelbſt mit türkiicher Gunit 
bie ungariſche Krone, die er zu hüten hatte, ſich auf’s Haupt ſetzen 
vollte und in diefen Entwürfen vom Sultan 1532 feftgenommen und 





20 XIIL Eu: Tie Zeiten Ferdinanb's L u. Rarimilian 3 II. 1:8 1376. 


immer nit ganz die Schuld Katzianer's an dem Terluite der ent: 
ſcheidenden Türkenſchlacht vor Eiſeg aufgehellt. Tenn die Uneimia: 
keit in der Heeresleitung, die Inſubordination der Unterfeldherren 
und großer Proviantmangel waren nicht weniger daran betheiliat, 
Daß Katzianer, eigentlid) ſchon bei Kopreinig geichlagen, aus dem 
Heerlager bei Sara floh; aber ſein Benehmen dabei und ſeine inätere 
Holle werfen einen ſchweren Schatten auf dieien fraineriihen ;veld- 
hauptmann, der nidt die ttarfe Seele eines Juriiic, eines Nad- 
folgers im Amte, beſaß. 

So fommt, Hinter dem Rüden der Pforte, im tiefiten 
Geheimnig, — denn K. Johann hatte ſonſt von der Torte Das 
Schlimmite zu befürditen — der jeit Ende 1537 in Großwardein 
durh die Sendboten des Kaiſers und Ferdinand's, Weſe und 
Leonhard von Vels mit den Räthen Zäpolya’s: Erzbiichof Frau—⸗ 
gepan, Biſchof Statileo, dem Großſchatzmeiſter und Großwardeiner 
Biſchof Martinuzzi, den Biihöfen von Bäcs und Fünflirden, To: 
dann mit Peter PBerenyi und Kanzler Stephan Xerbögzy, raitlos 
negocirte ‚zebruarfrieden des Jahres 1538 zu Stande, ein widhti: 
ges, aber unfruchtbares Ergebniß diplomatijcher Künite. 

Tie Hauptpunfte dieſes Friedens iind folgende: „Karl V. und Ferdinand I. 
nehmen 8. Johann zum „Bruder“ auf. 2. Tie Habsburger werden zur Wieder: 
gewinnung Belgrad's und ber anderen (Srenzieitungen bes Ungarnreiches behülflich 
fein. 3. K. Johann entjagt jeinem Bündniſſe mit dem Sultan und anderen 
Gegnern Habsburgs und wird eine Botſchait an K. Franz. I. von ‚sranfreich 
um bes Friedens und einer Allianz gegen die Türken willen entjenden. 4. Würde 
Zäapolya im NHeirathsialle einen Sohn erhalten, jo werde diejen Ferdinand mit 
einer feiner Töchter vermählen. 5. Ferdinand und Zäpolya führen den Königs: 
titel von Ungarn. 6. Ter Statusquo bleibt erhalten, SIavonien, 
Groatien, Talmatien fallt an Ferdinand, Siebenbürgen behält 
ZAapolya auf Yebenszeit. 7. Nach dejien Tode, ob er nun einen 
Sohn oder feinen binterläßt, fällt das ganze Reih an Ferdi— 
nand, eventuell an feinen Sohn und deſſen gejeglihe Erben; 
im Ermangelungsfalle an Karl V. und deſſen männlide Nad: 
tommen. 8. Würde Karl’s Yinie mit ihm erlöfcden, fo erben bie etwaigen 
Söhne oder Nachkommen Zäpolya's das Reid) Ungarn und falls es auch jolche 
nicht giebt, tritt das bebingungslofe Wahlrecht der Strände ein. 9. Die unga— 
riſchen Reichsſtände befräftigen biejes Abfommen und erneuern alle fünj Jahre 
ihre Beitätigung. 10. Ter eventuelle Sohn Zapolya’3 erbt die gejammten 
väterlichen (Hüter, die zu einem „Herzogthum Zips“ erhoben werden. 11. Kaiier 
und König verpflichten fich, diefen Herzog zu jchirmen. 12. Stürbe K. Johann 
ohne Sohn, jo kann er über Die Hälfte jeiner Liegenichaften verfügen, die andere 
Hälfte fällt an den Kaifer zur beifern Reichövertgeidigung. 13. 14. Zäpolya's 
tinderlofe Wittwe und etwaigen Töchter fänden ihre Verforgung burch die Habs: 


XHL Bud: Lie Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s II. (1526— 1576) 201 


burger, 415. Ferdinand verbürgt die Nechte und ‚Freiheiten des andern ihm 
eventuell zujallenden Theiled vom Ungarnreidhe. 16. Tie beiden Könige jprechen 
gegenjeitige Amnejtie aus und liefern die Gefangenen aus. 17. Sie leiiten fich 
wedhjeljeitig Hülfe. 18. Sollte K. Johann aus feinem Reichstheile vertrieben 
werden, jo forgen die Saböburger für jeine Erhaltung. 19. Für das ganze 
Reich wird ein gemeinjamer Palatin gemählt. 


4. Der ſchmalkaldiſche Krieg und Böhmen (1546-47). Die 
deutſche Frage (15471555). 


Literatur. Die ältere bei Schmit: Tavera, J., 2., ©. 6076. Die 
wichtigſte Actenſammlung v. Hortleder... . „Handlungen und Ausſchreiben“, 
1. A. 1617, 1618, 2 Bde, 2. A. 1645. Sleidanus, de statu relig. et 
reipublicae Carlo V. Caes. Argent. (1555); vollft. X. 1556; 5. v. Böhmer 
mit vielen Anm. (1785—1788), 3 Bde. Vgl. die Monogr. über Sleiden 
v. Baur (1843); die Abb. v. Kampſchulte i. db. Forſch. 3. deutſchen G., 
IV. ©. 57—73. Geiger über ſ. Briefe an den Cardinal Joh. v. Bellay 
(1542 — 1547), ebenda IX., 167— 201; Die ältere Geſchichtſchr. b. Freher, scrr. 
rer. germ., III.; Schardius, redivivus, 1II.; Mencken, IIL; Seb. Schertlin 
v. Burtenbad, Nutobiogr., h. v. Schönhuth (1858), vol. Herberger, Seb. 
Sch. v. 3. u. f. a. d. St. Augsburg gefchr. Briefe (1852). D. fpan. Geſchicht⸗ 
for. 2 d’Aoila y Zuniga (commentario. . . 1548 ff.), deutſch bearb. 18653. 
Saſtrowen, Autobiogr., h. dv. Mohnike (1824); W. Lanze, Leben u. Ihaten 
... Philippi Magnanimi, Landgr. 3. Hejfen, 5. in db. Zeitſchr. d. V. f. heil. 
Geſch. Suppt., II. (1841); Goebel, Btr. 3. Staatsgeſch. v. Fur. u. K. Karl 
db. zünften, ber. m. 2orr. v. Senfenberg (1767); Meteranus, historia 0. 
Beſchr. aller Kriegshändel u. |. mw. unter Reg. Caroli V..... (Hamburg 1596) 
Die nenejte, wichtigjte Actenfammlung: U. v. Truffel, Beitr. 3. Reichsgeſch. 
(1546— 1551), I. 1873, IH. 2b. (1546— 1551, Ergänzungen) 1875, der II. Bd. 
(1552 — 1555) noch nicht erih. Vgl. d. allg. Samml., insbeſ. Yanz, Gachard, 
Buchholk, 5.,6.,7. Bd; Häberlin, neuefte Teutiche Neichshiit., J. Ranke, 
Droyjen, die Monogr. v. Rommel (Philipp v. H.), Langenn, Voigt 
Morig v. ©); Maurenbreder, Karl V. u. d. deutfchen Proteſtanten 
(1545— 1555) (1865). Vgl. Forſch. z. d. G., IIL, ©. 2831—311 (3. J. 1543), 
und die Polemik zw. Maurenbrecher und Druffel i. d. hit. Zeitjchr. v. Sybel, 
17., 18. Bd.; Stern, SHeinri VIII. v. England und der ſchmalkald. Bund 
(1540) (Forſch. z. d. &., 489-509). Ueber die Gefangenſchaft des Heſſen die 
ält. Arb. v. Mogen (1766) und v. Wernher (K. Karl’s V. Ehrenrettung 
.... Nürnb. 1782); K. dv. Heijter, Die Gefangennehmung u. Gefangenſch. 
TH. d. Gr. (1547—1552) (1868); J. Voigt, Mfgr. Albr. Alkib. v. Branden: 
burg:Kulmbad) (1852). 

Nalentinitfch, Ueber den Verſuch K. Karl's V., feinem Sohne Rhilipp 
die deutſche Kaijerfrone zu verfchafien (Graz, k. k. O.-Realſchul., Progr. 1873). 


202 XII. Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’3 IL (1526—1576). 


D. Schönherr, Der Einfall des Kurf. Morik v. Sachen in Tirol (1552) 
(Innsbr. 1868 im Arch. f. Geſch. Tirols, IV.). 

Böhmen. Zimmermann a. a. O.; Buchholg a. a. O., VI. 2b; Gin: 
bely, Geſch. d. böhm.mähr. Br., I., vgl. ſ. Gejch. der böhm. Finanzen; K. 
Zieftrunf, odpor stavuvr Cesfkch proti Ferdinandovi, I. L. 1547 (Die 
Oppofition ber böhm. Stände gegen Ferd. I. i. 3. 1547). Cine danfensmerthe 
ardhivalijche Arbeit über die Süterconfiscation in Böhmen v. 3. 1547 und deren 
Folgen veröff. Rezek in czech. Sprache in den Pamätky archaeol. a mistop. 


Der ſpaniſche Schriftiteller Petrus Martyr jchreibt in einem 
jeiner Briefe über das römisch-deutfche Kaiſerthum: „Aber, daß wir 
die Wahrheit jagen, was ift e8 Kaifer zu fein? Sagt doch, iſt es 
etwas Anderes ala der Schatten eines jehr hohen Baumes, — ein 
Sonnenftrahl durch das Fenfter dringend, um das Haus zu erlcuchten; 
verſucht es doc, wenn hr könnt, ein Unzchen nur von diefem Lichte 
in die Hand zu fallen und fortzutragen. Macht Euch doch aus 
diejem Lichte Seidenfleider zur Bekleidung, füllt damit Euere Tafeln. 
Nicht einmal eine anftändige Familie fann der Kaifer aus dem 
Reichseinkommen erhalten, gejchweige denn Heere zur Zurüdmweijung 
erlittener Unbilden”. 

In diefem Hohne des Romanen, des an andere Macht und 
Herrichaftsbegriffe gewohnten Spaniers, ruht leider manches Korn 
berber Wahrheit. Mit der deutjchen Reichsgewalt war es jo meit 
gekommen, daß ſich das römiſch-deutſche Kaiſerthum in einem böfen 
Zirkel bewegte. Strebte ein Neichsoberhaupt auf Grundlage ftarfer 
Hausmacht nach monarchiſcher Gewalt, fo ftieß es mit der Oligarchie 
der Fürften zufammen und beſaß er feine ſolche Hausmacht und 
Energie des Herrſchens, jo ward das Kaiferthum von den Einzel: 
gewalten bald an die Wand gedrüdt. Nun jtand aber an der Spike 
des Reiches ein von Haufe aus mächtiger Herricher von Flugem, 
planreihem Sinne und wenn nicht ſtarkem, ſo doch zähem Willen. 
Der Schwerpunkt jeiner Macht Tag außerhalb Deutichlands, ihn 
hierher verlegen wollte er jeßt, da er die Hände frei befam; den 
Herrn zeigen, den Fatholifchen Kaifer. Die Zeit der Zurüdhaltung, 
der Selbtverleugnung war vorbei, aber wie immer folgte auch jeßt 
der „ſpaniſche“ Karl den Geboten der klugen Umficht, nicht dem 
ungejtümen Drange der Leidenjchaft. 

Schon im Jahre 1538 Hatten die Proteftanten einen Gewalt: 
Ihritt des Kaijers bejorgt. Das war zur Zeit als Dr. Mathias 
Held als Geichäftsträger des Kaiſers und mit Umgehung Ferdi: 
nand’s in Deutſchland's katholiſchen Kreifen thätig war. Maria, 
die Schweiter der Habsburger, nit minder als Ferdinand über 





204 XIII Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’3 II. (1526— 1570). 


jers als König von Böhmen Johann Friedrihen den Krieg an. 
Das iſt der Zeitpunkt des Eintretens Böhmens in den 
ihmalfaldiichen Krieg.*) 

Wir müſſen weit zurüdbliden, um die Stellung des damaligen 
Böhmens zu dem ganzen Handel richtig beurtheilen zu können. 
Betrachten wir vorerft den Gang der böhmiſchen Glaubens: 
frage feit der Thronbefteigung des Habsburgers. Ferdinand zeigte 
bier zunächſt den Politiker. Der MWillkürherrichaft des Hoffärtigen 
Utraquismus unter Paſchek's Führung, welche fo lange den Man: 
daten K. Ludwig's II. getroßt, wird im September 1528 ein Ende 
gemacht. Mit Palchet’s Regimente ift es aus; 1529 wird fein 
Helfershelfer Cahera (9. Auguft) verbannt. Er ftirbt verheirathet 
zu Ansbah ale Schenkwirth. 1530 trifft auch den jtarren Paſchek 
das 2008, Hlawſa und die Mitverbannten des Jahres 1525 er: 
ſcheinen wieder eingebürgert. Sonſt aber begreift Ferdinand, daß 
der ftarre, proteitantenfeindliche Utraquismus immer näher dem Ka: 
tholicismus rüde, je mehr ihm, dem „privilegirten“ Kelchnerthum, 
die Brüderunion über den Kopf zu wachſen droht; daher be: 
günftigt auch der König diejen Fatholifirenden Utraquismus in feiner 
Halbheit. Aber er hütet fih vor aufreizenden Gemwaltacten gegen 
die ftarfe, meitverbreitete Secte der „Brüder“, er nimmt nur in 
geeigneten Augenbliden Stellung gegen fie. Der bedeutendite Kopf 
berjelben ift jet Augufta, geb. im Sabre 1500 zu Prag, der 
Sohn eines Hutmaders, feit 1524 Mitglied der Brüderichaft, 1532 
bereits im engern Rathe, welcher bald, angeregt durch die Augs: 
burger Gonfejlion von 1530, an die Ausarbeitung der eigenen (1532 
bis 1533) denkt. Unter dem Beifalle Luthers und Melanchthon's 
nähert ſich die Union in Hinficht der Rechtfertigung und der Prieſterehe 
immer mehr der proteftantiichen Auffaſſung. Als die Brüder dem 
Könige 11. November 1535 die Confeſſion überreichen ließen, mar 
derfelbe höchlichſt erzürnt über dieſen Verſuch einer durch frühere 
Geſetze rechtlos erklärten, ja verfolgten Secte, Duldung und Aner— 
kennung zu erlangen. Er habe nur den Schutz der Katholiſchen 





——— — 


*) Literatur. Ueber bie böhm. Verhältniſſe erſchienen noch folgende 
Zeitihr., Aufſ. im Casopis Cesk. mus., 42., 43., 45. Bd., über die Streitig- 
feiten der böhmifchen Stände mit den Fürſten von Liegnitz (1545 —1546) und 
über die Urfachen der graujamen Verfolgung der böhm. Brüder i. d. J. 1547, 
1548, ferner über den Aufenthalt K. Ferdinand's I. i. J. 1547 zu Leitmeriß 
nad) der Mühlberger Schlacht von K. Tieftrunf. Von dem wichtigen Zeit: 
genofjen und Memoirenſchreiber Sirt von Ottersdorf handeln bie Abb. v. Riff 
und Jiretek, ebenda, Jahrg. 1861. 


XLI. ud: Tie Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s IL (1526— 1570). 205 


und Utraquiften beichworen und wilfe, was in der Landtafel ſtehe. 
Etwas milder wurde die zweite und dritte Deputation empfangen. 
Das geihah noch vor Auguſta's Seniorate. 

Es war, wie die unerquidlichen Neligionsdebatten am Prager 
Februarlandtage 1539 in Anwejenheit Ferdinand’s zeigen, den Utra— 
quiften nicht nur um vollitändige Gleichberechtigung, jondern aud) 
um ein feites Bündniß mit den Katholiichen gegen die „Zectirerei“ 
zu thun. In der That Fonnte das Kelchnerthum, deſſen ftändifcher 
Führer Hans von Pernjtein war, während als geijtliches Haupt, 
Administrator, Johann Miftopol auftritt, ein entjchiedener Gegner 
der Brüder, — mit dem Inhalte des Schreibens Ferdinand’s von 
1539 an den PBerniteiner zufrieden jein, denn es enthielt feinen den 
Utraquismus verlegenden Gedanken; ja die Utraquiſten Tonnten 
daraus maßvolle Haltung in Glaubensjadhen lernen. Nichts war 
überhaupt dem Könige unleidliher, als leidenichaftliches religiöſes 
Gezänte. Das mußte der unduldjame Higfopf Miftopol empfinden, 
als ihm in Folge feiner heftigen Synodalpredigt (3. Juli 1546) 
das königliche Verbot erihien, je wieder die Kanzel zu betreten. 
Die Brüder, deren Senior 1537 Augufta geworden, der außerge: 
wöhnlich begabte, jtrenge, eiferne, aber auch herrichlüchtige Mann, 
der mit Quther, Bucer und Calvin (Jeit 1540) in Verbindung 
trat, und namentlich im Galvinismus die verwandtelte Richtung er: 
blidte, — brachten es aud am Landtage vom Sahre 1545 dahin, 
daß man fie nicht mehr mit dem abgebrauchteften Kegernamen „Bi: 
farden” bezeichnen durfte. Wenn nun K. Ferdinand als ſtreng— 
gläubiger Verfechter Firhlicher Einheit das üppig aufjchießende Cecten- 
wejen in Böhmen niederhalten wollte, wenn er der Lehre Kaspar 
Schwenkfeld's (geb. 1490 zu Oſſek bei Liegnitz, FT 1561) vom 
„inneren Chriſtenthum“, den zahlreichen Wiedertäuferfractionen (3. B. 
Gabrieliften, Philippiften, HSutitn, Habromaniten, mit ihrem 
Haupte Dubcansky u. ſ. mw.) abhold war und es an ftrengen Man— 
daten nicht fehlen ließ, darf uns dies nidyt Aunder nehmen. “Der 
ftrenge Protejtantismus ſelbſt haßte tödtlich alle diefe Richtungen 
der kirchlichen Freigeifterei. 

In der Brüderunion ſtak das religiös-dbemofratifche 
Element des böhmijchen Staatslebens gerade jo wie in den damaligen 
czechiſchen und czechiſirten, vielfach dem Brüderthum geneigten Städten 
Böhmens das jocialdemofratiiche, politisch unruhige Weſen. Seit den 
Huffitenkriegen ift dies bemerkbar, bejonders dort, wo mit dent deut: 
ſchen Altbürgerthum auch die conjervative Bejchlechterherrichaft und 
mit ihr die Wohlhabenheit ſchwand; Prags Altjtadt liefert hierfür 


206 XII. Buch: Die Zeiten Zerdinand's I. u. Marimilian’s II. (1526— 1576). 


das beite Beispiel. Eine verwandte politiihe Stimmung und con: 
fejlionelle Berwandtichaft findet fih in dem Fleinen Adel. Des: 
halb jpielten Unität, die Städte und ein Theil der Nitterjchaft, 
für welche legtere die Kreistage insbejondere den Boden politifcher 
Thätigkeit abgaben, die eigentliche Rolle in der Bewegung der Sahre . 
1546— 1547. Ta fie den Charakter auch eines Glaubensfampfes 
trägt, jo begreifen wir, daß auch die evangeliih gefinnten Deutjch: 
bürgergemeinden, wie Kaaden, Leitmeritz, Saaz mit czehifchen Städten 
in der Oppofition zujammengingen. 

Noch müfjen wir aber ver allgemeinen politijden Frage 
gedenken. Daß es in Böhmen und Mähren an politifch Unzufrie- 
denen nicht fehlte, bezeugt die brieflihe Aeußerung des Zeitgenofjen 
Verantius über die Botſchaft böhmifcher und mähriſcher Utraquiften 
an Zäpolya, die ihm, dem Ungarnkönige, auch die Krone Böh— 
mens antrugen, denn Ferdinand veracdhte die Compactaten, verfolge 
die Utraquiften, vernadjläffige und bedrüde Böhmen. Die Botjchaft 
traf jedoch den König Johann nimmer am Leben. 1545 Spricht 
ein kaiſerlicher Botichafter von ſolchen Beziehungen Böhmen-Mährens 
mit Ungarn. Nähere Aufihlüffe fehlen uns. Doch genügt dieje 
Angabe, um die Sachlage von 1540—1546 zu fennzeichnen. Eie 
war jedenfalls Fritiih, aber der Habsburger ihr in Allem und Jedem 
gewachſen. 

Seit dem großen Prager Brande, der auch das werthvollſte 
Zeugniß der Rechtsvergangenheit Böhmens, die Landtafel, vernichtete 
(1541), hatte der Habsburger auf die Feltigung feiner Tüniglichen 
Macht geräufchlos aber entjchieden losgearbeitet. Es war fein gerin= 
ger Gewinn, daß Ferdinand in dem Majeftätsbriefe vom 4. September 
1545 jagen durfte, ihm jei die Krone Böhmens erblich verfallen, 
und er auf diefer Grundlage von den Ständen erwählt und erkannt 
worden, und daß ſpäter die Stände den Artikel des Neverjes von 
1526, bei Lebzeiten des Königs dürfe fein Nachfolger nicht gekrönt 
werden, fallen ließen. Auch im Gerichtswejen, in der Organifation 
der Kreisverfammlungen ließ der Regent ein ftrammeres Regiment 
verjpüren. 

Nun war der Sommer 1546 gefommen, der jhmalfal: 
diſche Krieg brad los. Ferbinand bedurfte der Truppenwerbung 
in Böhmen für feinen Antheil in dem entjcheidenden Kampfe. 
Endlich brachte er durch jein perjönliches Erſcheinen (28. Juli 1546) 
den Prager Landtag zum Aufgebote gegen den Türken oder wen 
immer, der Böhmen oder deſſen Kronländer gefährde. Inzwiſchen 
hatten fich die Häupter der Schmalkaldner, Johann Friebrih von 











, -.. er Pu - ü ..- - ou 
: .. J 8* N . 
" An \ - = . 2 Ta 7⁊. 72 a Fi m. -ba Le Bau n a nm - - — 





3 - . D by - 
DEI 3 u. Sr -- on ag .» = zum -soeo—m ... «UN rn m m. w - 
Va u tin. N oda ve. pp | «Ln. .. .. Zu rin — — Seel 
Sn zo +% 2 * ne - > 1 
— - r D “rer [2 I 5 Er EV u BT wyP:% ua u 18 ya „u mn wur L ⸗ - era »ↄ q 
- n m - Rama. ed m > CK} aan ann ri. 3 »- nun. =. Pa ı_ -.. N_..U 
aur — zu. > vr -_...„- eg % 90 urn . ers wm 0 yM“ Ju 5 . un. Ts . —XX vu „» 
wıRrm on un. nm “a ou TIT 21 m. - -—— ran . en - - .- - L_..a [1 In 
ST Erese m: — - Term ps .— N ıvo u. - PEUET. 
u) "ZUTRITT MGXCGEC CXRNF TEITET I IIE wine IT 
T - - u. — - - - 
war: nm s„., rn on “u. ..; nm win Lu wu 7 — mn ve „ my _ 
u'sa-b.n-n. -. Beh 2 —X — — — — 44 » — — k — 0 — . 0 - 1. U \ 
. empor 278* —E — V ..., - 0. Qi +. u. u Bon m... 3 .._ 
N. ah an [I 75 7% „E wur. dis. -U.. N. u. — — hu. .' .! - „E.. \. "a0 & C — 
u... u... m... 71 * J a. ar 1. mp8 u v [CT u non ....——. “- 1 
Pu VG Kara 226 IL — — ——3 nn’. .un.m mla.- du eo! -eTıI 
Saure 2‘ E ner - n . F 4 
 ..———. via ..... R ya... u - v.9.r... up ' m ..- u 0» »9 qy. seo .o ® m ye 
.- e ak dom ..- n „Lu -.- —L — L — — mu . m nm. — 2 nm 
* - a um — he - - 
N ve » a. "Bumuu wom .. “n . «a - „ nu „w —F eu... .. [7 u... .. „em > - 
„ih "u nr - 2 m... un n N, - untn.. o..—m .. —4 m '. - 
“ - m — - 
..r ge „mr mv. una %y u. [ —. um Pr m u m oo um 
une „I. u. DET we "Ausm Gas "u. u — “oo nn. . m 2... 2008000... „ln, 
Se I nur —m v.. . ung nn = m. .. Ey TE — .r - nr ——— 
— 2 — un = weh. er „urn —— a — — — men I Ve — —— 
.. u. m. „...n. 7 ⸗ u. 00 r 4 vw. voVe ev I Zu "7 [} — mn 0 -_ DL 2 . X 
„I. tt T .. .u—m in mon nam 2224 2*. un rm. 7 =... 1. „vY 
a -_ - 5 
> ıUwmme wu - .. mm 96 vous 29 UT} a be u "3 vo. - >- "m 
“. mn .-se - "ıh m ct :rndänataa.n -h “ P ut -" 1 — — ui - in, .:223 
—t —RX s...g —3J - .. vr oo LT} Ps m sımre0 = ug >» - 
.ır DR SEE BEE * — — u tu an. Pe "Sa BEE EEE ... LIT 
- . „ D 
.:. u... ..„- y “. ge. us . -. « mg “ Ar ng un 1 0. a m. .» » 
„ Im. "en “ Lu vb. — “I. an ... 7, ®. z. tunen un! — ⸗ — NA Tee 
me sab u . w..„e.„n...,. © - — — 2 .- 
au I... Br m es... Duahueı .m u. 
- — B 
.> so. un } in np | —— +0 -.-_m  u.outm ..y.— - - [er “ .... 
124 sm: m. .h Vo m.ndbe.n, u... - d—2 m .2 u a - Pi “ 1...» -"khoamsl 
= " - “ a nm 
—XX mu. 2 - .. ⸗44 — d — a,» 
12 Pa on. . re Fe "n— u 260 > . .” — — 8.10. -" 0. UM. 
— - 
=. [4 ...g:8, y. von or -.9 .. = su. v.— . - 7 n- — 2— . > 
Rn 2 rate - — msn munnub .'0..n san nn... 0- - -.“ . -= -. Dr - 
- %“ . . ® u es“ - - u. ww... L ui 2 — * se u - — = 
. BB Ra rn “ne - - .,— ... m seoom . .. -. \_, 5 27 7 St 
- : : . s - : — 
oo vun m op eyeon yore y »3 .- vn .. 
4 85 wem: an u n- umaıum “.- - x .— — — 2 ⸗2 Dr — Fe 
dem ug.“ DU Zu ya v Dauın 0 ...- BL Crel 7 - - "um. a nn eo 1 
m'ab nenahın .. no... m m .a-.n > 7 I x. „.. nm La un. . -—. -.- ic 
m En‘ > = 2 
. um = 80 ..:— „nn 98 FE. d — . u .... .. m. a. m. 
— Mn udn Mm . a. a. Be & \..- .. .— \_ v.B - ns [1 n-ason 13 
Lionır- "au. mn „— Vammn sam. — - r m ern. 23 9 —8 -n u age vw 
mn m 0 Tale. zum .. m. ne mom —2 — *— mn. - - - un nm - - 
R— n LY 2 -.- >» .yrusumu zu, a ee ww 22e8 ”, 0 nn “u yo... m 
_.. - - ... - urn ' m. .8 mu m. Bu -. - anun - .. nn. - you! | 
m — we voran — — 2 * m .- 2 za m y.— - 
u... .n = -tBatsan hr — |... a. u ann ..—: 
„am un un0- DL 7 vr .urnuene -  -—u m un. mn — ⁊ — -uo R wu. .. X —— 
m .. u Boa m s..o.— any znı9 - m ı ... - m [} - . ” unbe mu & m 
n oo.“ - Lo, L Cu 77 em "ww. .-—-” De .— m — 2 u, 
Broram ' ... - — u. - .. \... - oo.m nom mern — — 7 
2 = ‘ 
PERLE 1 an 2 ” - o..— [ Juno u .’ — as ® — - n-. mug.“ gun» 
Yu .n..n — “ mn ru... ne nun m 9. h 2 8 X 
— 
u ws. wu. — — — 2 - m wa - 8* * ". wur ER er 7 ”-_ av. —XR 
.b ran 6 an m un. 08 u - — 22220 an. zu on .mn m - - "um m San - 5 PR X 9 
.. PO "none un: —— Der ya nm . „ — „8 - -. un.“ —— 
Pe \.- m. ..2-8 — man m “u. n“ ...m a - [} nahen. m 
” — - 
Pen . u - . =» — | — 22 — — seaon — Pu vr 
[ ..u [ .. ... BR — [nn = ⸗ nom " u. .m.n = ® - m n.ann0 2 manan -.. 
mm ou nr u yon wm 9 u. — J — 
..u ... mu.» D n.= „.. — om ... m mm -_ 
" en m DR Zu © — — = eo. mi — ⸗ zn v.— — 7 . - . 272 
22— - . — “.. — . un nn. um m,uun .. . . - 
. - .. Dr "rn m 22 - - hen a] Druii va — —— Per Wr » = 
“0 — = . um, .-. — —2 7— - 22 0 „.. “ai. 
_ ⸗ “ 
... .—_ "'n8-® 00 m (+onedm -as . om um — — I - ⸗ oo 
2 u Ti. - - a. nm nme — EL TOYS - — 1 . ..un . . 
-. r mr. au mn st name = — -- — un. .. . .— . . — ⸗ — — —E 
—8R 22 mu. "i.n — 2222222 — — nn — ⸗— FE 
- 0 Fin ” .. ⸗ —X Cr — . m.“ u . — - —  —. m 
Pr . - [2 .... .. — 2 22 — u mu .. - .... wu. Bu L } Pa) > 
— - » . ” u -— .m m... “" was “or met 
- a: » ” > n = r nm wu. » „zn. —ſ — — - - nn. n nn... 0 8- 
. D 
.. ww wo. ym - J .»,- -—...e  .- =. 0. — * 2 
n —* ... na nn «m u ⸗ un m in — 20 .u.. “om. a6 [3 mu.0o 





919 XIII. Zug: Tier Zeven Gerrtenent sg J. x. Dermihens IL 1... 
wurde nad) ichmwerer Rerterhart aus er Zieht aepeiichı und nermmeien 
Seine Aufzeichnungen inieen eme mdrzae, mennaled eimemne Be 
fdichtsquelle jener Taue. 

Als gebuin an (yrungkerg erideinen ſedeundzwancic ZiöRk, 
Prag voran; ferner Furtungwanis aus Lem Herren- um Mer: 
ftande, darunter: vier Etiide, vie Krajit, smei Üsarıenbero. cm 
Lobkowic, zwei Zulvtten u. A. Ter Werth Dee confiscırıen Sumzs 
dart auf BU4,,UU, Ziad Yukemsicher Groicen, etwa zehn Wilbnmen 
(Zulden unſeres Gelag, wrenidiant merden. Allerdingas tab 
fih die Krone wurd erorierarinite bald su sabircihen Ver- 
äußerungen uenetliet. mewWisn zurten wir den maıerielilen 
(Gewinn vieler Stenteeiens, Sur nie Mrone nid unieribäpen. 
Aber undleich buber ir wer zeolıtıide Ertolg. Tas Jabr 
1547 bezeidiniet einen wwidermeengen Zieg des landestüriticen 
Principo uber zus ureido un: rginand wußte ihn auszuwerthen 
Und mod) Eins nur nude orerrichen werden, Der Niederaang 
ber Unitat in Bohmen, gene Ger Wonig vergaß nicht, Das in Den 
Brudergemeinben Lrigiorn, Ned use acgneriide Stimmung Taltete. 
Mähren, Dus yon Ken Cerigmiiien unberührte Land mit Der Trarten 
Adelsherridyant, vis er Mitt meſjach, beireundet iſt, aur Deren 
Gutern, wie Denen Ger redjtentetsen, gie Wiedertäufer su Dante 
waren und blieben,  entd,eint tyelan als Der eigentliche Heerd nes 
Krüderthumo, das nun mit met mehr Hedjt das „mähriiche” beiten 
kann. 

Wenden win nun Gen lid zunzachlage in Deutſchland 
nach Dem Wluhlberger "uar 11% Matlers, dem die Unterwerfung 
und plößlice Yerangentk gung 10% “anbarajen von Heſſen (19. Juni) 
folgte. Marl V. hun un Sorrs Santiclunne zu fein. Wan über: 
ſchüßl Die Traamıte eines Ortolass.  "ochem Die Thatſache, daß er 
am Augsburger "zepteneber Hadyslaus 11547) Die Unterwürtigfeite- 
erflärung ber Paoteltanten unſer Das 145 im Tecember einberufene 
und Mad) einen »ibung mem erlaube I rienter Concil nidt 
durchſebt db Kurfnrſft Minesz nem "Zudjen nur die Anheimitellung 
ber Neligionstade an mg Mater beuniftt, baf Das jogenannte Auge: 
burger Fufertin (B., Do Man 1246) zögernd angenommen, 
dann heftig angegtuſen nn ach un me Matbolifchen mißmuthig 
bekritelt erſcheint, funnfe ln ale Mint nlenen, weld) zäher, unüber⸗ 
windlicher Gegnen be eulſihe Glanben«ſfruüge ſei. Aber er ſollte 
Durch ein zweites, fernen Inmerjlen iünſchen entquellendes Wagniß 
den Gegenſaß zunſchen Arien Wehrnsglelen und der deutſchen Sach— 
lage noch ſtärker heranapiıhlen, 





212 XIII. Euch: Die Zeiten xerdinand SL u. Marimiitan’s IL ı 172 — löse). 


den Nampi für den Slauben, aber aub für die Tligardie 
bes Fürſtenthums gegen Karl V. plant, — den 9. März 1551 
fommt es zu der eriten urfundliden Ausgleihung der ent: 
zweiten Arüder. hr zufolge joll Ferdinand in jeder Weite dahin 
wirken, dat nad Karl's Tode und ;yerdinand’s Erhebung zur Kaiſer⸗ 
würde die deutihe Königswahl Philipp’s einträte. Stürbe ;yerdinand, 
jo wird Philipp die Kaiſer-, Marimilian die Königsfrone Deutſch— 
lands tragen; doch wird letzerer ganz wie jein Water bei Lebzeiten 
Karl's die Verweſung des Reiches in Händen haben. Cine zweite 
Zereinbarung enthielt die VBerbürgung ;yerdinand’s zu Guniten des 
Heihsvicariates Philipp’s in Italien. Auch Mari: 
milian icheint nad) den Correipondenzen Maria's von jeinem zähen 
Wideripruhe allmählidy abgelaſſen zu haben. ebenfalls aber hielten 
serdinand und Mar Alles für eine Zwangslage in der beitimmten 
Vorausſicht der Unausführbarfeit der Taijerlihen Pläne und darin 
jollten fie Recht behalten. Ungemein zögernd hatte ſich ;yerbinand 
zu den Unterhandlungen mit den Fürſten für Philipp herbeigelaffen, 
und der Kaijer ſelbſt mußte bald eine allgemeine mehr oder minder 
verbrämte Ablehnung des Projectes erfahren. 

Schon im Februar 1551 beſprachen ſich die Kurfürjten Moriz 
von Sachſen und Johann von Braunjchweig zu Dresden über 
ein Bündniß zu Guniten des Slaubens und der gefangenen Fürjten 
von Sachſen und Heilen. Aber Hinter diefem Titel jtaf ein größerer 
Anichlag wider die Gewalt des Kaiſers. Man jette fi mit Eng: 
[and in Verbindung, aber ohne greifbaren Erfolg. Beſſer ging 
es in Frankreich, denn dieſe Macht lauerte auf ein jolches Bündniß 
zu eigenftem Vortheile. Der Rheingraf Philipp, Georg von Rede: 
rode und Neifenberg waren die Unterhändler; von franzöfiicher Seite 
Biſchof Jean du Freſſe. Dan überbietet ſich gegenjeitig in hohlen 
Redensarten, an die fein Theil ernftlich glaubt. Den 5. October 1551 
ilt der Hauptvertrag mit Heinrih II. u Lochau ratificirt. Von 
gleihem Datum iſt die wichtige Bündnißurfunde von Friedewalde 
in Heſſen, in welcher die Fürften von Medlenburg, Brandenburg- 
Bayreuth, Helfen und Moriz „das tyranniihe Joch beitialifcher 
Knehtichaft von den Häuptern fchütteln zu wollen“ — erklären. 
Meß, Toul und Verdun hat Frankreich dabei als Preis im Auge. 
Daneben hält fürjorglic der vorſchauende Moriz das gute Einver: 
nehmen mit dem Kaiſer aufrecht, und deſſen noch immer nicht 
gehobenes Zerwürfniß mit Ferdinand und Mar bietet 
dem Kurfüriten die erwünfchte Gelegenheit, mit ben Deutfchhabe: 





214 XIII Bud: Die Zeiten Ferdinand's L u. Marimilian’s II. (1526— 1576). 


K. Ferdinand über den Ausgleich, den er doch nicht ernſtlich wollte. 
Den 18. Mai fteht er fjelbft mit ſtarkem Kriegsvolfe an der Pforte 
der Tiroler Alpen bei Füllen, rüdt vor die Chrenberger Klaufe 
(19. Mai) und erobert fie. Der Kaijer, in Gefellichaft jeines in- 
zwijchen angelangten Bruders und des noch immer gefangenen 
Sachſenfürſten, welcher jedoch bald (27. Mai) frei wird, — flüchtet 
nun, ſchwer leidend, in einer Sänfte; Ferdinand eilt nach Deiterreich, 
Karl V. oftwärts über den Brenner in’s Puſterthal; erit zu Villach 
im Kärntnerlande fühlt er fich fiber. Moriz hat den Weg durch 
Tirol frei; die Meuterei in jeinem Heere verichaffte dem Kaijer einen 
Vorſprung. Ferdinand ftellte jeden Widerftand gegen Moriz ab, 
damit das Land verjchont bleibe und Moriz es bald räume Die 
Vermuthung, Moriz babe Tirol für ſich erobern und unter 
franzöſiſchem Schuge behaupten wollen, hat jedenfalls feinen 
feften Entwurf im Auge. Denn ſchon den 25. Mai war er aus 
dem Lande, den 29. jein Kriegsvolf, welches, troß des freien Durch— 
marſches, am Wege fürchterlich im Lande hauſte. Eine intereflante 
Sclußepifode ift ber Aufftand der Schweizer Erzknappen, 
angeblih aus Entrüftung über die Preisgebung des Landes. 

In Paſſau unterhandelt K. Ferdinand mit Moriz über ben 
Frieden. Den 5. Juli begiebt ſich diefer nah Villach zu Karl V, 
Der Kaiſer fühlt immer mehr, daß die Leitung der Dinge im Reiche 
jeiner Hand entwunden jei; zögernd willigt er in die Abmachungen 
und entbietet in’s Frankfurter Lager feinen Beſcheid. So kommt 
Ende Juli 1552 der Paſſauer Vorfriede zu Stande; das 
Werk Ferdinand's, den aber die Fürften von ihren Vorberathungen 
möglichſt fern hielten, — und mit fcheelem Auge vom Kaiſer an- 
gejehen, der nun wieder den Kampf gegen Franfreidh auf: 
nimmt und dann von Met in bie Niederlande reijt (1553), um 
bald den Tod Moriz’ von Sachſen (11. Zuli) zu erleben. Mit 
diefem Fürften war ein bedeutender Menſch aber kein malellojer poli« 
tiiher Charakter vom Schauplatze abgetreten. 

Noch einmal taucht der Plan mit der deutſchen Königs: 
wahl Philipp's auf; es war dies zur Zeit, als Karl und Fer: 
dinand fo verftimmt gegen einander waren, daß legterer in ben 
Heidelberger Bund vom 29. März 1553 trat, deſſen Mit: 
glieder, der Pfälzer, Albreht von Bayern, Chriftoph von Würtem- 
berg u. A. gegen die „ſpaniſche Politik” des Kaijers Stellung nehmen 
wollten. Am Hofe Karl’ V. redete man Bösliches über den Bruder. 
Die Fortdauer des nieberländifchen Krieges mit Frankreich, die Er: 
kenntniß der veränderten Sachlage, das im September 1553 zwijchen 





216 XI. Buch: Tie Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s II. (1526—1576). 


ung. f. 0.) Die Fleineren Gefchicätäquellen z. Geſch. Siebenbürgens, ;. B. 
Mindizenti Gabor, Kämm. Zäpolya’s, z. 3. 1540; ſ. im Erd. tört. tär 
(Geſch.-Arch. Siebenb., I.); Bornemisza (Dfener Bürger) z. % 1541 (Ofens 
Einn. durd) die Türfen), 6. v. Szalay in Mon. Hung. hist., III. Abth., II. Bd.; 
Seb. Tinöbi (+ 1584) oder „Lantos Sebestyen“ — der jeine bijtor. Reim— 
chronik: Cronica, v. Tode Zaͤpolya's an, in 2 Büchern dem K. Kerdinand wid: 
mete. Die Orig.-A. v. 1554 3. Klaufenburg gebr., fehr felten. Der Inhalt aud) 
in dem Werfe von %. Buday, Magyorsz. polg. hist. valö lexicon a 16szaz. 
vegeig (Lerifon z. bürgerl. Geſch. Ungarns bis z. E. d. 16. Jahrh.) Großw. 
1804 f., II. Bb., enthalten. Auch das Chron. Sieul., die S;efler Chronik, 
ift f. dieſe Zeit Hiftor. Cuelle Die Ephemerides Olahi (1552 — 1550); 
Sig. Thorda (1554) u. a. Fl. Qu. b. Kovachich serr. rer. Hung. minores, 1.; 
Podhradczky gab 3. Geh. Martinuzzi's 2 ung. Ghron. heraus (Peit 18353) 
(Ket eredeti magyar Kron.); Sambucus (Zjämbofy), Lerzius in Schardius 
scr. rer. germ., II. Die Diplom. Relationen Auger Gislen Busbek's 
(Gej.:A. Lugd. Batav., 1633), Botſchafters Ferdinand's I. ſ. 1554, und Die 
Sammelwerke 3. Geh. des Türfenfr. v. Reusner (1547)... . Iſthuänffi 
a. a. D.; Wolfg. Bethlen, histor. Pann. Dacicarum, 11. X. (1526— 1601), 
Drig.:N. zu Kreuſch gedr., fehr jelten. N. A. vo. Benfö 5., 6 Bde. (1782 bis 
1793). 

Epistolae imperatorum et regum Hungariae Ferdinandi I. et 
Maxim. II. ad suos in Porta Ottomanico oratores, ed. F. de Miller 
(Reit 1808) (Seitenft. z. Pray, ep. proc. Hung.). 

Török- magyarkori tört. emlekek (Monum. hist. temp. turc. hung.), 
b. v. d. ung. Akad., 5. v. 9. Szilädi und Aler. Szilagyi 1863 ff., I. 3b. 
.... (Inder dazı 1875). Vgl. Horväath, Magyar regestäk im törten. 
tär, 9. Bd. (1861), und Szilägyi, Briefe und Staatsurf. 1552 bis 1623; 
ebenda, 19. Bd. (1874). 

Hauptquellen für die Gef. Martinuzzi’s u. f. Zeit — abgeſ. von 
dem, was die Procekacten bei Buchholtz, 7., vgl. 9. Bd., und die anderen 
Quellenſchr. bieten — müſſen bezeichnet werden Theiner, Monum. Slav. mcrid., 
I. ;. J. 1551—1553 (aus vatifan. Urf.), S. 9I—42, und Kemeny — Ok- 
many tära (Arhiv d. Jam. Kemenyi), h. v. Szathmäry im tört. tar, 
18. Bd. (1871), S. 10—19. Ausfagen Johann's Kemeny über die Ermordung 
Martinuzzi's 3. Dedenburg v. 16. Mai 1553. 

Schreiben des Großward. Biſchofs, wie das Fürſtenthum Sieben- 
bürgen mit geringer Mühe überf. u. erobert werben könnte, desgl. d. Schr. 
Ferdinand's I. an ſ. Sohn Dear. II. (1561) (Arch. f. ſiebenb. Geſch. u. Lit. 
[1853], S. 289— 292). Ueberfiht des ganzen im Bei. K. Johann's (II.) von 
Eiebenbürgen befindl. Reiches u. |. w. Gefandichaftsbericht des Andrea Gromo 
an Gosmo von Medici, ebenda 1855 (S. 1—74). 

A. Bedet, histoire du ministere de card. Martinusius .. .. . Faris 
1715 (flüchtige, veraltete Arbeit; vgl. FZume&e, hist. göner. des troubles de 
Honzrie et Transsylvanie ..... . Paris 1608). 

Die ausführlichſte Biogr. Martinuzzi's von M. Horväth (Hatvani), 





918 XII. Bud: Die Zeiten Ferdinand's L u. Marimilian’s II. (1526—1576). 


K. Johann, feinen „Bajallen und Diener“ aufgebraft, — aber 
auc nicht beiferer Freund dem Habsburger als vordem. 

3äpolya hätte gern unter dem Schatten des Großmwardeiner 
Friedens, gefichert vor Habsburg, ſich auch weiterhin der äußerlich 
guten Beziehungen zur Pforte erfreut, bejonders jet, wo er mit 
der Gründung eines Hausſtandes, einer Dynaftie, Ernſt gemadht. 
Andererjeits grollten Viele von Ferdinand’s Anhange der Permanenz- 
erflärung des Doppelfönigthums in Ungarn durch den Großmwar: 
deiner Vertrag, und am Preßburger Ständetage mußten bie 
Bevollmächtigten Ferdinand’s bei ihrer Werbung um Geld und 
Truppen, wie jo oft, zu hören befommen, Ungarn habe längft Blut 
genug für die Vertheidigung der Chriftenheit vergoſſen und erwarte 
ftattlihe auswärtige Hülfe, zu der Ferdinand verpflichtet fei. Die 
Ungarn beftanden auf der endgültigen Richtigftellung des Großwar⸗ 
deiner Friedens im Vereine mit den Ständen des Zäpolya’ichen 
Ungarns und Siebenbürgens. Die Sendung Lasky's von Ferdi- 
nand’3 Seite und Martinuzzi’s Million (October, November 
1534) waren ein Wettlauf um die Gunſt Soliman’s und der Zorn 
des Padiſchah bei Lasky's Meldung des Großmardeiner Friedens, 
wobei die zwei Könige Ungarns „Betrüger“ jeien gejcholten worden 
— und der Sendbbote des Habsburgers Förperliche Berftümmelung 
oder Kerkerhaft in drohender Ausficht gehabt haben fol, — ſchien 
das Schlimmite für beide Theile befahren zu laflen. Ferdinand 
ftrebte daher auch die Verlängerung der türkifchen Waffenruhe und 
einen Vertheidigungsbund mit dem Gegenkönige an. 
Sorglich verfolgte K. Karl V. die Dinge in Ungarn, und das Bild, 
das ihm fein Gelandter bei Zaͤpolya, K. Schepper, von der ver- 
worrenen, babsburgfeindliden Sadlage in Ungarn entwarf, das 
allgemach Beider Könige müde ſei; die Botichaft von einem Mag: 
natenbunde wider Ferdinand, der bis nah Defterreich, 
Steiermarf, Böhmen und Mähren fich verzweige und hier an 
dem Berniteiner ein Ligahaupt befäße, diefer Bericht, wie zweifel: 
haft auch jeine Duelle und übertrieben der Inhalt erjcheinen mag, 
enthielt fo mande unleugbare Wahrheit. Aber nicht minder ge= 
fährdet erjcheint damals die Sache Zäpolya’8 im Siebenbürger: 
lande. 

Wir müſſen bier zunächlt einen Rüdblid auf die politijche 
Haltung des Sachſenvolkes jeit der Mohäcer Schladht und 
dem Aufkommen des Gegenkönigthums werfen. Den emitlichen 
Drohungen Zapolya's (15. Mai 1527) zum Troge waren bie 
Sachſen, — gegen bie Beſchlüſſe des Ofener Märztages und bas 





320, XIII. Lu: Tie Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’3 I. (1536 — 1576). 


vartei ‚serdinand’s in Oberungarn, und Alerius Thurzö unter: 
ftügt, dringen zu Hagenau in Ferdinand, jich mit jeinem bewaffneten 
Einſchreiten zu ſputen. Ferdinand berieth ſich mit jeinem Bruder; 
der vorſichtige Karl warnte und entbot Schepper zu Zäpolya nad) 
Siebenbürgen. Eo blieb Alles in der Schwebe, Majläth und jein 
Anhang behaupten ſich unbezwungen. 

Krank lag alsbald K. Johann in Weißenburg, dann in Mühl: 
bach; jeine Kräfte ſchwinden; die Nachricht, Königin Iſabella habe 
ihm einen Sohn geboren (6. Auli 1540 zu Tfen), mar das legte 
freudige Ereigniß. Neun Tage rang er — ſprachlos — mit dem Tode. 
Zuvor hatte er jedod den Negentichaftsrath für feinen Sohn 
beitellt. Der erite darin, als Rathgeber der Negentenwittwe und 
des Knaben, follte Martinuzzi jein, neben ihm Zäpolya’s Verwandter, 
der jerbiihe „Ban“ Petrovic, Valentin Török, Biſchof Eſzéky von 
Fünfkirchen, Verböczy und Verantius (Wrancic), der Neffe des Biſchofs 
Gtatileo erſcheinen gleichfalls in der nächiten Umgebung des todt— 
franfen Königs, der nicht mehr an den Großmwardeiner Ber: 
trag, jondern nur an die Zufunft des Eohnes und an die 
Gönnerſchaft des Sultans dadte. Er bejchwor fie, in dieſem 
Sinne zu handeln. Den 23. Juli war Zapolya eine Leiche. Im 
Alter von neunundfünfzig Jahren verjchied der Mann, deſſen Kopf 
zu ſchwach war für die Krone, mweldhe er trug. Er iſt der lebte 
Ungarnkönig, der in Stuhlmweißenburg bejtattet wurde. 

Zwei Jahre vorher hatte einen der namhafteſten Feldoberſten 
Ferdinand's, Hanns Katzianer, das Verhängniß ereilt. Er jtarb 
als Flühtling zu Koſtajnica von der Hand eines Zrini. 

Der wichtigſte Mann der neuen Regierung des unmündigen 
Johann Sigmund Zäpolya iſt der jchon oft genannte Biſchof von 
Großmardein und Neichsichagmeiiter des verftorbenen Königs: Georg 
Utjeſſenich, der Sohn des Serbo:Croaten Gregor und der welch: 
bürtigen Anna Martinuzzi. Um 1482 — 1484 zu Kamijac in 
Groatien geboren, verlebte er jeine Jugend auf dem Schloſſe des väter: 
lichen Dienſtherrn, Johannes Corvinus, des Königsſohnes, Hunyad, 
in Siebenbürgen. Die Auferbung der corviniſchen Güter brachte 
ihn in das Magnatenhaus Zäpolya (um 1504). Der ehrgeizige 
Jüngling erachtete den geütlichen Stand als die dankbarjte Laufbahn 
für den Mittellojen, Kleinbürtigen. Eo trat er mit 26—23 Jahren 
in das Pauliner Eremitenklofter St. Lorenz bei Dfen und empfing 
erſt bamals gelehrte Bildung. Immer vormwärtsftrebend, das Vor: 

taher Lebeno⸗ in verjchloffener Bruft bergend, welt: 
eute und eiferner Willenskraft getragen, 





222 ATIL Zud: Tie Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s II. (1526 — 1376). 


unterliegt feinem Zweirel. Nun wird Heeresmaht des Habsburgers 
(im Tctober 1540) gegen Tien beordert; Leonhard von Fels 
und P. Perenyi führen fie. Aber Meutereien und blutige Zwiſte 
der deutihen und ungarischen Krieger, Kälte und Regen zwingen 
(16. November) zum Rüdzuge; doch bleibt Stuhlweißenburg, Täta, 
Tapa, Viſſegrad in ;serdinand’s Hand und Peſth beiegt der tapfere 
Haudegen Ttto von Tiesfau auf Finſterwalde. 

Tie Schwierigkeiten für den Regentichaftsrath, insbeiondere für 
Martinus;i, wachſen. Allerdings fonnte er auf die Pforte rechnen, 
ließ ja doch der Sultan den Botichafter Ferdinand's förmlich ge- 
fangen ſetzen; aber noch war die Türfenhülfe weit und ihr Preis 
bedenklich. In Siebenbürgen rührt ſich Majläth wieder, er läßt 
Anfangs 1541 Ferdinand durdy die Drei Nationen zum jyüriten 
des Landes ausrufen. Aber Bruder Georg verliert die Umſicht 
feinen Augenblid. Er weiß, die Pforte rüftet; in Siebenbürgen 
tieht ih Majläth bald vereinjamt, man traut jeiner Sache wenig; 
an den PBapit, an die deutichen Fürſten, an die deutichen Erbländer 
der Habsburger jendet Martinuzzi Schreiben, welche dieje gegen Fer— 
dinand’s Pläne als verhängnipvolle Aufreizungen der Pforte wider 
die Chriitenheit einnehmen jollen. Der Habsburger, der den unauf: 
rihtigen Anträgen Jiabella’s und ihren Stlagen über Martinuzzi 
feinen Glauben jchenfen kann, entbietet an Stelle des erfranften 
Fels, mit äußerſter Anjtrengung jeiner bejchränften Kriegsmittel, 
Wilhelm von Rogendorf als Feldoberiten gegen Ofen (April 
1541). Man findet es leider ungleich befeftigter als im Jahre 1530. 
Martinuzzi vertaujcht jegt den GBeiltlihen und Staatsmann mit dem 
Krieger, er iſt die Seele der Vertheidigung; denn er weiß, der 
Sultan ſelbſt rüde zum Entjag heran. Iſabella, welche nun in der 
That mit der lLlebergabe Ofens an Ferdinand Ernit zu machen ich 
entichlojten hatte, die jich des „Mönches“ entledigen wollte, muß 
fich feinem Willen fügen. Nichts beirrt ihn, er waltet rüdjichtslos, 
eiſern. 

Rogendorf hatte feine glückliche Feldherrnhand. Vollends ver: 
darb Alles ſeine väterliche Schwäche für Chriſtoph Rogendorf, 
ſeinen Sohn (geb. 1510), einen wahren Glückspilz, der als Gatte 
der Wittwe des Sachjenherjogs Friedrich (T 26. Februar 1539), 
der Gräfin Elifabeth von Mansfeld, den Kopf hoch trug und von 
den alten Rogendorf zum jchwierigften und enticheidenditen Hand— 
jtreihe, zur Ueberrumpelung Ofens, mit Hülfe der hiejigen 
reihen Bürgerpartei, auserjehen wurde. Der junge Mann erntet 
Schmach. Martinuzzi ift wieber Meiiter der Stadt. Schon er: 





394 XIII. Bud: Tie Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s II. (120 — iin 
der den Eultan nach Conitantinopel mit neuen Anerbietungen tolgt, 
erfährt die demüthigendite Behandlung. 

Schlimmer itehen die Tinge als je; jegt erit treten die Folgen 
der verhängnipvollen Toppelwahl in Ungarn vom Nahre 1526 — 27, 
die Rückwirkungen der Anlehnung des veritorbenen X. Johann an 
die Pforte zu Tage. Vielfah grollt man nun dem Mönche, der 
das Aergſte verichuldet habe. JIſabella iſt tief befümmert, ihr Vater, 
der Polenkönig, iſt telbit auf ihre Stellung zur Pforte ichlecht zu 
ſprechen. Aber auch Martinuzzi möchte einlenfen; er nähert ji 
dem Habsburger, aber nur jo, daß er jich den Meg zur Pforte 
nicht verrammle. Zo kommt es zu Gyalu (1541, 29. December) 
und zu Weiſſenburg (1542, 26. Juli) zu Ztipulationen im 
Sinne der (Sroßmwardeiner von 1538. 

Ta verjudt nochmals ‚serdinand den Angriff auf das neue 
türfiihe Ofen. Ten Kriegsjug erörmet Leonhard von Fels; 
dann folgen die lange ſäumigen Neihstruppen, — die „eilende Reichs: 
hülf“ — unter dem Kurfürjten Joahim II. von Brandenburg. 
Heben ihm ericheinen der zmanzigjährige Moriz von Zadjen, verjuchte 
Söldnerhauptleute, wie der „Eleine Hey” (Konrad von Bemelbera). 
Es rüden die Päpſtlichen unter Aleſſandro Vitelli vor Ofen; Kaspar 
Zeredy, Peter Perenyi ttoßen dazu mit ihren Neiterbanderien. Cs 
war längit der September 1542 gekommen. Kläglich endigt die ganze 
Unternehmung; Te enttäujcht bitter die Anhänger Ferdinand's, Die 
Türfengegner in beiden Lagern. Nicht minder Ichlechtes Blut macht 
die Verhaftung und Einferferung Beter PBerenyi’s in ungari- 
ſchen Kreiſen. Dan hatte ihn des Einverſtändniſſes mit den Türfen 
geziehen. 

Tas Scheitern der Unternehmung Ferdinand's entfernt den Hof 
des jüngern Japolya von allen Abmachungen mit Yerdinand. Die 
(Syaluer, die Weipenburger Abmachungen bleiben unfrudtbar und 
den 2%. Tecember 1542 ſpricht Ferdinand gegen feinen Bruder den 
Verdacht aus, Martinuzzi, der „Mönch“, wolle Herr Siebenbürgens 
werden. 

Ter neue, fünfte, Heereszug des Sultans nad Un 
garn (1543, Juli— September), zu welchem Frankreich 300,000 Du: 
caten beijteuerte, verichlimmert nur die Sachlage. Martinuzzi beeilt 
id), dem Padiihah im Namen jeines Hofes unmwandelbare Treue 
zu geloben - - und das ſchwache Heer Ferdinand’s, das endlich im 
ES pätiommer bei Preßburg ſich jammelt, löjt ſich bald auf, trogdem 
Ferdinand jelbjt in jeiner Mitte ericheint. Ende October zieht So⸗ 
liman als Sieger heim. 





326 XII Fuß: Tie Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s II. (15%—1576} 


Nebenbubler, Petrovics vor Allen, denen ſich die Königimmutter 
ſelbit anichloß, in dem unverhohlenn Mißtrauen der Pforte gegen 
Martinuzzi;: Die politiihen in der Erkenntniß von der Gemein: 
ibädlichkeit der Spaltung des Ungarnreihes und ber immer rüd: 
fichtsloferen Annerionspolinf der Türfen. Schon 1544 wear be 
Vorichlag aufgetaucht, den jüngern Züpolya für den Verzicht anf 
Ungarns Krone Durch Die ichlettichen Fürſtenthümer Oppeln, Re 
tibor und Sagan zu entichädinen. 

Man mir der ealalauen Geichmeidiafeir und tählernen Feſtig⸗ 
keit Marius ĩtit 154» mit rüdbaltloier Yemunderung folgen. 
Alen Gegendeſtrebunzen der Königin, des Terrorics u. I. zum Troß 
weiß er Me Weriondisungen mit Ferdinand im Gunae su erhalten. 
Schon Antanıs 154% umerbanten De Berolmäcrigten Ferdinand's 
— Zalm, (Seat? Isemer, Andress Raͤthorn, Th. Nadasdu, Damals 
Set: und yanmarzttr NWormsmiisa, Sibrik — mir mm Mönde. 
Selm und Zrardelarn tkiken su Nrirbäator Ne YVräliminarien 
ed, Die mitrznine Tom SER in Wien din Dingen nachforſchen; 
ws dr Zutan Mormrurts on durd Sahila und Teıoric 
enrabrr, enden: Ir nid werzen, der Me Verbairung Nruber 
Werts anordnen  Warzmussts Wim wird immer bedenflicher. 
derdinand von cm werient, Ferm Bunt? su verlieren, if 


nad auker Sion. De zuelsdunseme Der ahnen Es it Die 


4 
% —XR “nenn a" — —R Ta nee 2528 —2 * 
Mir rt .. T er .. .E er: „eo “mut arm —* R Dam . MT IrTanmumgen 
weten been habttermiden Ürimm  wrbror! voran De 


ade dan and 
RFJ 


vw Mm Wuskierur L mUTENTEN Sad: u zädrigen. 
Ende Amber 13m mar een om Smiesssrir, Sdlicklid 


Yedahıt, med Kern V. zei MWzaiberı wromın ml, um 
* 
J 


“u may [9 


Iran T nung. ——4 > 45 2;7 3137 —X 2* 22 


a too im nn Mm m —— — 18 nn se Sa Na 7. 52t — NRoeschrens 
en an Ardunn. 

Nr mie -. u — lan nae . —— 5 > Sy n n ... ni 

„8 “ DW re} »=" samn Pd 1 -. 7 . om —— a u MEITZUIS De 
Turm Mu Nimm u Wmes im Arury um Meile 
ham Me Mom in MIlaeum Siinmamiemanam om \oacaa 


un usa XAZñ.A Gr 2 MBeursern,. ran 


ons nn san Je 


= = . -. = - 3 - ⁊ — 5 mus nn. Rn m 2 - 
rum [ > IT ur, u * on .; - > ar | NEIN Pb he Pos de -. “Tal 
WITZ 2m a Tr ZSumeioum mm Jar mi,  “ere Nmals 
Es S. I M. Au mr un Mnn: Netz Nr 
m 


Iran ar) zu Atem ma 2 rer u read mtr Ni 


un un ed sam 
⁊ 


Mirne: 2: Nmle 7 N Zar mu nm MM IRoXSMCMAMG.SAIA 


Na Nr um crı ee = wma Zu. — 1m We 


Mm! me yzarrmer A mm Tieren Ira 
Ar Smiı me Orn A In m 





ge XIII. Suh: Zıe Zeiten Ferdinand's J. u. WMerimiiian’3 IL (191576 + 


mit wr Ersbersoain Nobanna Hart. Am Auautt verließ Jiabella, 
itrer adränk und dem Monde ebenio todtreinn als Petrovics, ihr 
center Genone, das Ziebenbürgeriand, um die Reiſe nad Ti: 
Unser anzutreten. Bei Zilab, an der Grenze, Toll tie in Die Rinde 
eins Baumes bie Horte: „Zo will es das (Seihid. Jiabella.“ (Sic 
jata volunt. Isabella.) eingeichnitten haben. 

So mar ein lanae angeſtrebtes Ziel ron Habsburg erreicht; 
ber (3roß vardeiner Friede tritt gewiſſermaßen in verjüngter Gentalt 
in’s Leben. Zu Felvincz übernahm Caitaldo die ungariihe Reichs: 
frone, die jeit mehr als 20 Jahren in ZJäanolna’s Händen war und 
tender rie sur beiieren Obhut nah Wien. 

Ter Dann, der das Alles vollendet, Martinuszi, itand auf der 
Höhe seiner Lebenserfolge. Tie Tankbarfeit Ferdinand's lieb auf 
ih nit warten. Schon das Jahr 1550 Itellte die Ernennung 
sum (Sraner Primas, als Nachfolger Yärdan’s, in Ausfcht; 
jegt wurde in Kom über den Cardinalshut für Martinuszi 
unterhandelt und nicht ohne Erfolg; den 12. Tctober 1551 fommt 
es bereits zur Tenomination unter beſonderen Begünitigungen. 

Nom mußte mit der gegenwärtigen Haltung Martinuzzi's zur 
Türkei zufrieden fein, kannte aud) feine entichievene Haltung dem 
Alatholicismus Siebenbürgens gegenüber, wie vergeblich es aud) 
idien, deiien wadjiende Toppelherrichaft, das Lutherthum und Die 
reformirte Kirche, einzudämmen. 

Martinuzzi war der Civilſtatthalter der neu gewonnenen 
Herrſchaft Ferdinand's, der Wojwode Siebenbürgens mit 20,000 Tu: 
caten Einkommen; ihm zur Seite erſcheint als Landescommandant 
Caſtaldo; nächſt ihnen bekam Thomas Nädasdy die wichtigſte 
Stelle zugewieſen. Der Mönch und der Soldat, der Kroat:Iingar 
und der Welſche, übernahmen das ſchwere Stück Arbeit, dieſe Herr⸗ 
ſchaft gegen die überlegene Türkenmacht zu vertheidigen. Denn die 
hohe Pforte war über den Vertrag von Mühlenbach wüthend. Der 
Sultan erließ ein donnerndes Schreiben an die Stände Eieben: 
bürgens, ließ im ſchweren Zorne über die Wendung der Dinge den 
Abgeſandten Ferdinand's, Malvezzi, in die ſchwarzen Thürme ſperren, 
mit denen auch Lasky und Majlaͤth Bekanntſchaft gemacht hatten, 
und erklärte als „Cberherr Eiebenbürgens”, die ganze Mühlenbacher 
Uebereinkunft für null und nichtig, denn der junge Zäpolya jei ber 
„Sclave des Sultans“ und fein „Sandſchak in Siebenbürgen“. 

Die weiteren Creigniffe bis zum verhängnißvollen 27. December 
1551 find noch immer eine der ſchwierigſten Aufgaben hiftorifcher 
soridung, das Problem der Schuldfrage Martinuzzi’s. 





930 ZIH. Bud: Die Zeiten Ferdinand’3 I. u. Marimilian’s II. (1526— 1576). 


vezier Ruſtem und dem Sultan felbft, dem er Jahrestribut zuſagt 
— allerdings mit Vorwiſſen Nädasdy’s — mit Mehemed Szokoli, 
— das Preisgeben Cjanads an die Türken, nachdem ſchon Becje, 
Becsferef und andere Kleinere Feitungen in deifen Händen lagen, 
Die Weigerung, das Lager Bäthory’s vor Lippa zu verſtärken, und 
als diefer wichtige Ort von den Osmanen bejett wird, die Ablehnung 
der Cooperation mit Gajtaldo und vor Allem der Geheimverkehr 
mit dem türkiſchen Befehlshaber von Lippa, Uloma-Beg. Auch die 
Ausfagen der peinlich verhörten Ungarn, Kaspar Péſty und Emerich 
Imre, deren erjterer Geheimjchreiber Martinuzzi's mar, desgleichen 
manche gewichtige Beichuldigung in dem ſpäteren Procefje und Die 
Angabe des zu Graz den 15. März 1553 vernommenen Haupt: 
manns, Caftaldo habe den Mönch gewarnt und fat drei Monate 
mit der Ausführung der Gemaltthat gezögert, — erjcheinen ala Be: 
laftungszeugnifle. 

Nichts ift ſchwerer, in der Beurtheilung einer ſolchen gefchicht: 
Iihen PBerjönlichkeit, wie dies Martinuzzi war, als die Scheidung 
defien, mas ureigenem Willen, berechnender Abficht und mas der 
treibenden, zwingenden Macht der Verhältniffe zugefchrieben werden 
darf, den Grenzpunft herauszufinden, welcher zwiſchen der gedachten 
Möglichkeit eines entſcheidenden Schrittes und der thatlächlichen Ver: 
wirflihung eines joldhen liegt. Wir find meiſt verfudht, den ge— 
Ihichtlihen Charakter abſtrakt, einfeitig, modellartig zu behandeln 
und doch lehren Biychologie und Erfahrung, daß die Motive einer 
That ungemein mwechfelnde, gemifchte fein können, in und außer ung 
liegen, und daß auch der entſchloſſenſte Charakter Stunden des 
Schwankens zwiſchen den Geboten der Pfliht und des Ehrgeizes 
durchzumachen hat, — daß auch der Selbitjüchtigite den Antrieb 
empfindet, jeinen eigenen Vortheil mit dem der Allgemeinheit, feines 
Landes und Volkes zu verfetten. Wir können rüdhaltslos den Apo= 
logeten Martinuzzi's zugeitehen, daß er, der beveutendfte Kopf jener 
Zeiten und Kreije Ungarns, die Unmöglichkeit eines offenen Kampfes 
gegen die Pforte einſah und ſich und jein verdedtes Spiel als den 
rihtigen Mann und das rechte Mittel zur Rettung des Landes be⸗ 
tradhtete, daß ih die Annahme, er habe türfiiher Bafallenfürft 
Giebenbürgens werden wollen, weder mit jeiner geiftlichen Lebens 
ftelung noch mit den thatſächlichen Bedingungen zufammenreimen 
läßt; — aber ebenjo entjchieden müſſen wir betonen, daß ihm, 
den feine Vorliebe für die habsburgifche Herrſchaft befeelte, feine 
ältere Dienftpfliht an Ferdinand knüpfte, — ihm, bem Politiker 
der Opportunität, der überall die erfte Rolle ſpielen mallte, bes Ge⸗ 





LiLa=.__ iz aan „um: ll ıL Pom.io: _ +—. 
NIIT eier DIET NICHT A T TI NG 
mio. Kuna Vomıo m Tr wa or Ne 
aTLUunı III OMET Deliem LE ll or Wurst: 
Seren EI na. a lu zur nos 
Demand: med 2 TI . tXXECC. =: 
vun u: de nn . Wr Di 255 7ex⸗ 
men Sn w mumn Ir comme 5. a mE 
wur Dre. ner 

Men va Sm —: I SUWLrüime 
nn el: mm mau. Immer „CRC me ae TEN 
Kewesı.t, 2Im we Ioroı IT wmzwrı 32: wide 
wit zım lm ze om Mir»: Ser Teer vr Zum 
wel Mid. vieemior se Sr 
PR ww lmm werom m Zıır vv wm: Nr 
nut ms Bummlemm Set Tıcm vu Ri: 
Anh Sursee s Larirmiıs Mumie Kisten erh, 
1. rm 2 m aemtmmm wer 75. Neem 
vıı Mic: va zum m wu Iran rim \ Ser Texiaten 
wanäere me WI eur Me Tante len 
Bemosm ann we Ya Daumen Mn AfAſA.ce Ärıen, u 
sr 0m Zımmm ;y lem: m ZU 0 


a » [ur 77 | . nn SV — m... nam L_ 7 
rn em, Ta mem: mm u Nom Qu Nr 


wider m Dumm, has me Sorte Bra Koi if 
wı Eıke —α Narr: mr lonrma ge 
were 1554 un am Rümeaminn me Wim Hr Ihre Sade. 
Iern we,® mir re Door Iren Sımsmunr Grinee, une 


Imer mn m Rute un en erkinken Ir ihren Furuen- 


17.722, wa, art m Tarn mn N Wüfsminnma Sieben 
wallırs art ullnsime arten u \amıen Cetrz2,)a’s Yage 
weile nd nen: Scan Nr Rrtson> der Sietler nad 


u, vuem.ch WD niekraedlagen, zer ein böles 
n. Zen VZichrt Sesubiies Sot dnerpott meuter, an arollt 
ser Assarizt un! Teiner Sotdatesta: 8 wur nid füne Schuld, 
lariaer 22 körkunı Der Lerbäimine, Daß Die Sace Ferdinand's 
ermzr VEietzr and. Wergetien wir nicht aub den werbineniß: 
zz Umid runa, der “bh 1552 im Deutiben Reiche rollicht. 
‚rantreids TDiplomatie arbeiter in Volen und bei der Piorte 
gem ben Habsburger. Schon im Seniember 1554 wandte id 
Ger Sachwalter K. Heinrich's II. bei der Piorte. Jaaues Cum: 
Gray, an die Stände Siebenbürgens zu Guniten der Reitauration 
der Zapolya's, und in Polen begegnete ſich darin die Thatigkeit des 





234 XIIL Eu6: Te ce Ssemarırs 1 ı Mıcmiun 3 IL 15 1556) 


Auch zwirken der Eizrie zur Aertizıed idlevoten uch lang- 
arhmige Ierhandlsuwe, F vr Ascıymwı 1554 der aelchrie Tiolomat 
Auger Gislea rom —— ceH erteuder uud bedeutender 
Lriemtalit, als faiterlier Urt m me für mue Tamals 
bot der Türtenfrier zu Kerken imrupre Yysrrceen, minder er⸗ 
wind wur die Kiewererbetue: Rırtzm's, des babrächtiaen Ge 
waltmenicen, sum Gmwfrwizre. Tem a Imatiu abaeſchlonenen 
Rarrenitilltande stolze mrih, muhöem Fusint volle eben Jahre 
um den Frieden gehandelt, unier wa Teiemme Ali's der Abichluß 
eines jolden aus adır Jabre 11562, 1. Sertemterı Es bleibt der 
gegenwärtige Beñtzniand ruht, umd Die Fiorte emprängt einen 
Jahrestribut von 30,0) Tucuten. 


Bevor wir ron Unaam m dieſer Epoche Abichied nehmen, 
möge ein Lieberblid Des Ganges ver Slaubenstrage”) bier ſeine 
Stelle ñnden. 

*, Kirerarur. Batthianod, A v. iBrihorn, leges eccles. reeni Hung. 
et provinciarum adjacentium. 3 Voll. (Beinenburg : Karläburg 1.S5; ©. 
D. TZeutid, Urkundenbuch d. evangel. Yandestiche A B. in Siebenbürgen 
(Sermannttade 162), I.; 4. kabö, Monum. evangelic. A C. in Hung. 
(Fer 1763) u. Codex evangelicarum utriausque coonfess. in Hung. et Trans- 
sylv., I. (ins®, Bgl. aud des Neiuiten C. Zaguer, Anal Scepus. IL 
(Matricula Molleriana etc. Mater. 3. Kirchengeich. d. Zipsı 

X Ribini. Memorabilia eccl Aug. Confes:. in regno Hungariae 
a Ferdinando L u. a. Ferd. III. recens. (Pos. 17871: u. sort. a Leop. 
M. u. a. Carolum VI.. ebenda 1739. Lampe (eigentlih: Paul Ember aus 
Tebreszin, 7 1407), hist. ecclesiae reformatae in Hung. et Tran«sylv! (Trier 
172%), Shmal, Adversaria ad ill. hist. ecclesiaram evang. hung. pertin. 
1,65; M. Klanitius, Christ. saec. XVI. per Hungariam in religione 
tolerantia ſammt ber Confessio civitatum regal. Hung. super. v. 1549 ( Reit 
Ion); zranz Bari; von Papa v. Papay, Dr. d. Meb. u. magyar. Gram⸗ 
matifer u. Yerilograph, Rudus redivivum s. brevis rer. eccles. Hung. et Tran» 
ylv. comm. (Zzegebin 1655, Zürih 1723); M. G. Haner, hist. eccl. 
Transsylv. (Itanti. u. Leipzig 1694); 3. Sam. Klein, Nachrichten von den 
Lebensumit. u. Schr. evang. Trebiger i. a. G. des K. Ungarn (1739). Ueber bie 
reform Kirde die magyar. Monogr. v. 5. Töth (1808, 1812. Tie wich: 
tigften Schickſale ber evangeliihen Kirde a. E. in Ungarn . . . (Leipzig 
1824). Historia ecelesise evang. A. C. add. in Hung. (1830). A Luthe- 
ranunok ellen 1125 &vbe iktatotl törvenybozäsba be nem folyt a K. k. 
papshg;, n&mely &szrevstekkel a Magyarorachgi reformatio bejövetelere 


XIII. Buch: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s II. (1526— 1576). 935 


Wir fahen bereits in den Tagen vor der Mohächer Schlacht 
den neuen Glauben im Karpathenreihe im kräftigen Aufleben be 
griffen und eben durch die Folgen dieſes entjcheidenden Tages auf 
feinem weitern Entwidlungsgange begünftigt. Denn im Kampfe der 
Barteien konnten die vorbereiteten Strafgefege der Jahre 1524 bis 
1525 nicht wirkſam werden, und Ferdinand’s politiiche Klugheit 
duldete den Proteftantismus, der gerade unter feinen Anhängern 
wichtige Gönner fand. Ueberdies hatten in der Türkenſchlacht fieben 
Bilhöfe den Tod gefunden, und bald jehen wir bedeutende Bis- 
thümer als erledigt in der Hand weltlicher Nußnießer, jo das 
Erlauer bei Peter Berenyi, das Cjanäder bei Peter Verufic; So: 
bann Sarrazin (Saracenüs) hat Fünffirden, Valentin Török 
Neutra, Paul Bafics Raab und Franz Dobö Siebenbürgen: Weißen: 
burg inne. Wie überall kreuzt fih auch in Ungarn » Siebenbürgen 
auf dem Gange der Reformation die reine Vorliebe für den Glauben 
mit materiellen Intereſſen, und der Kampf wider die alte 
Kirche ericheint zugleich als Verſuch, möglichit viel Befit der todten 
Hand zu entreißen. Das mußte den Adel, aber auch jtädtiiche 
Communen loden. Daß diefe vor Allem Deutichitädte waren, iſt 
leicht begreiflich, denn ihnen räumte altersher die deutjche Eoloniften: 
freiheit das Recht ein, fih den Seelforger jelbit zu wählen. 
Auf diefe Weiſe konnte ſich geräufchlos und durchgreifend die Pro: 
teftantifchwerdung der deutſchen Anfievlungsgebiete vollziehen. 

Im Sabre 1527 ſchrieb Luther an die Wittwe des ungariich: 
böhmischen Königs, die Habsburgerin Maria, einen Brief, worin 
ſich folgende bezeichnende Stelle findet: „Hätten die Biſchöfe das Evan- 
lium angehen laffen, es müßte jegt alle Welt des Gejchreies jein: 
daß folcher Fall über Ilngerland kommen wäre, der lutheriichen 


(Auf die gegen die Lutheraner im 3. 1525 verhängte Gejehgebung nahm die 
t.=f. Seiftlichfeit feinen Einfluß; mit einigen Bemerfungen über den Eingang der 
ungarischen Reformation.) E. Schrift v. fathol. Seite. Majlath (Graf Xoh.), Tie 
Religionswirren in Ungarn, 2 Bde. (Regensburg 1845); Révéſz, Devay birö 
Mätyäs elsö magyar reformätor eletrajza &s irodalmi müvei (Lebensabriß und 
Literaturwerfe des erſten magyarijchen Neformators Mathias Pirö von Teva) 
(1863). Tie o. cit. Abh. über Pempflinger „mit bejond. Rückſicht auf die Ausbr. der 
Reformation” v. Fabricius (1874 Ertekezesek. Sep.:X.), desgl. Schwider, 
Bard. Martinuzzi u. d. Reform. i. U. u. Siebenb.: |. 0. Keorg Bauhofer 
(Merle d’Aubigne), Geſch. d. evang. K. in Ungarn (Berlin 1854); U. Fabô, 
Gemälde aus ber Geſch. des ung. Proteitant. (Reit 1868); F. Baloch, A ma- 
gyar protest. egyhaz tört. reszletei: Details der Gef. d. prot. K. i. U. 
(Debreszin 1872). 


. 2 „ur MEITDLE ommliend 5—57 
eat Et mu din Zen man ha Ducmeent Däsem ri u 
Bet pt eg ur urat, 42T N man Shen ar TE Tun, 

her er wen Ünnöniim un: Lursmeen Nes Loisrnonnamd 

A „etz Inım Sılm Zuräan nullerr, Mikzı) Sit: 
mar Dirt, Demenmu: Teremäoe, Mi Sramssfaner 

f 282 . Zuızın GCRAG. MUSA. Zrtarır, mr VAer 
Bir en Beiduuriminm Nadel Zairtar un? ir ebnrendtte 
Kerl wefen armen, Marin Bir au: Terz ôGBSicden⸗ 
eur, mn Boemar DÄeraı 2erannıı om ürr bBeizitz islzubeme: 
zen ssn, 12° Sm Sae zutlerkum mu hisı arız Ind Bet 
wie Sutıeewriz Äyinner Melantibon war, en? milter onrönalid 
“= re, mann me Intrize un? Teomiter Bamiar om Br re 
wire jm Iymer 2 Daurtmüge leb nrormminin aminaitdecairinl: 
"Ay: ve kulesttden Olanwsens wurte Die Vorort des Yıuber: 
erg, pie me GCalrıniemus, wurden m Twente Uibe!d, 
Zirnzeymtnt, MWunfacs und des Den mE Mt: Te: 
Erarsır. Gear fas nertlite Teustäunsam, wober Der Leut— 


Asa: Menter uni Zistrptarrer («. 1513 — 1522 Jobann 


Zerbs', Suur Zreligrzer in Kaidau, endlihb Beittzater Dir K. Ma: 
v2, rn Gezans Ger Ketormetion, ſtammte, un) ichon nach 1520 


(nass unz aus Mrefeu in Bartield ieine reformatarnide Tbäng- 
Ir Zrzurn, ericheinen aunadit Johann siicher aus Nremmßg 
3329 zn Zeutiheu vertrieben, und (Seorg Yeuticher ıyeudiicer) 
„rt „zu Zeutihau“, noch iruher Martin Ciriaf aus Leutichau 
earstzen, milder bald, mie io mander Andere, an Dem Nororte 
eure tft Lehre, su Wittenberg, tudirte. Raſch nahm in den 
nz en Gahrschenten im nördlichen Teutihungarn der Froteitan= 
zes Ion Autidmung; io in der Zins, in den Zäroicer 
Gratidstehten Cveries, ZJeben, Bartfeld, motelbit dus erite 
suis: (symnatum von Anteben unter dem bervorragenditen 
rrrehtee 005 Zutherihums, Leonhard Stödel (geb. in Bartfeld 
1,10. 3556 1538 in Wittenberg; 1539 Pfarrer in Eisleben; 
izbamn in ber Heimat: 1539-—1560), eritand, dem dann ähnliche 
Annaiten zu Eperies, Kaſchau, Leutihau, Oedenburg, Freiburg, 
Kuishl an Die Zeite traten. Leonhard Stödel entwarf aud im 
(gets re Auashurger Contetlion das erite Slaubensbrefennt: 
mit, bee tonialiden Freiſtädte Cherungarns (Natdaı, 
Yruattdyau, Bartielny, Eperies und eben) vom Jahre 1549, das 
mienerholte Tuloungsertlärungen ſeitens K. Ferdinand's erlebte. 
Berlantig zehm Juhre ipäter (1558) reiften im Bereiche der welt: 
ungariicdien Bergitäbte, zu Kremnit und 1559 u Schemnitz 





938 XIII Buch: Tie Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s IL. (1526—1976). 


hänger des alten Glaubens und mit ihnen die magyariich-zäpolya- 
nich gefinnte Partei. 1530 jtellt jih Kronjtadt im YBurzenlande 
der Hauptitabt des Königsbodens an die Zeite. 

Es mar dies gerade zur Zeit, als K. Johann, mächtiger als 
früher geworden, dem Sachſenlande hart zujeßte, und der neue Biſchof 
Eiebenbürgens Statilius (T 1542) gegen das Luthertfum mit 
leidenjchaftliher Schärfe vorging. a, Kronſtadt überflügelt ſeit 
1542 an reformatoriicher Bedeutung den Scweiterort. Es war 
dies in den Tagen des neuen Bilchofs Georg (Martinuzzt), 
der, injoweit der Staatsmann dem Sirchenfürjten Raum ließ, die 
Cindämmungsverjude zu Gunjten der katholiſchen Kirche einleitete. 
Sie fonnten Angefihts der ſtaatlichen Wirren, der herrichenden geit- 
jtrömung und des Umſtandes nicht durchgreifen, daß der Adel fi 
immer mehr der Reformation zuneigte, — die Magnatenfamilien 
Bocsfay, Dobö, Kendy bald den Reigen eröffnen, der Probſt 
von Weifjenburg, Emerich Bebef, weltlich wurde und jich verehelichte, 
der einflußreichfte Nathgeber der Königin-Regentin Sjabella, Petro— 
vich, ale Gönner des neuen Glaubens erjtand. Einer der eifrigiten 
Prädicanten im Geilte Luther’s und Melandthon’s, Stephan Ki 
von Szegedin, aud) „Szegedy“ genannt, als reifer Mann in Witten: 
berg zum Glaubensprediger gebildet, erfuhr 1541 vom Bilchofe 
Georg harte Mißhandlung, und die ftrengjten Züchtigungen an Leib 
und Leben jtanden den Verkündigern der neuen Lehre bevor. 

Ihr hervorragendites Werkzeug wurde auf dem Sadjjenboden 
Johannes Groß, geb. 1498 zu Kronſtadt, der ſich in Folge 
wunderbarer Rettung vom Waſſertode durch eine Hollunderftaude 
(„Hontert” im jiebenb. Deuti) den Namen „Honter” beilegte. 
1519 wurde Wittenberg feine geiltige Heimat, Luther und Me: 
lanchthon feilelten ihn für immer. Erſt 1533 fehrte er aus der 
rende, zulegt aus Bajel in’s Vaterland zurüd. Ihn begleitete 
das wichtigſte Mittel für die Verbreitung einer neuen Gedanferuvelt, 
eine Truderpreife. Bald 309 Honter das ganze Burzenland mit 
fich fort in die Reformation. Das ganze Sachſenvolk fällt ihr zu. 
Die ſchwerſte Zeit der Prüfung, das Jahr 1543, in melden Marti: 
nuzzi auf die ftrengfte Beſtrafung der Keßer drang, ging unſchädlich 
vorüber, denn die anderen NRäthe der Königin arbeiteten gegen den 
„Mönch“ mit Erfolg, Schon 1544, den 25. November, Tonnte auf 
dem „Conflur” der Sadjjenjtühle der Beichluß gefaßt werden, da 
fait alle Städte das reine Wort Gottes aufgenommen, jo follten 
aud die noch darin zurücgebliebenen brüderlich aufgefordert werben, 
fih der Glaubenseinheit zu fügen; das Jahr darauf wurben bereits 





 . - nr (tuıuı __ lueumı:_L  -.-". 
4 - . U} - .n- ” - — — - — 
Ar ”. ⸗ — “Ten .- ” - ..” =. 7 — 20 —— % u 
.: mu to Ten un LT mei: men mim Tu 
- L .. - »" m a —22 ⸗ —R —— — u. Day 
u. . m’ a LT wu ni. =. = — m “a0 —a un in Tr: m 
. “ ” - 4 - - . a... - — ve .— „m —— |. vu u. 
= ..a u. - ” nm. a —. — — PT“ .. 
mn Tı. .. 
.. - . “ur... 2 > . .. m um14 m on x, „en u. — u — Kun / 
⸗— - —..» ="1e f’ a uw" - m"... .. - — - uni m GB 
„Ps“ . 1-.8 vu. . m... .6,u ... .. N nm .. -._. 
[7 ”.. “.'m LITT 277) mn... m’... m — — -AS — — m  -- 7 
BET. nn 6 am: er In Le IE —0 
ut Zorenitin,t jemo DULT Dialer IT ID TE 
yo” ._.. nr u... .. ⸗— up — — os . — — | —X 3 
* 2 02.0 ... 1“ on. net. . — — 1.0 .”’> m — — u du — 
q Pu | [1 23 e. 7 .. - —⸗ .. .  — — 00 - v.u,* 
® J ——— —9* “ * E 2... 2.1 .. —— —42 „mal .cT A 
9 dei L = ® >» RR vw no > bt - 
“u tie ne Weruunda „mn De Innmuen DI ZI.TE: 
11 .+* .. 0.0 on... — .. 4 ..... ya = u rn m ” - “ =, er 
⸗ ® . «sen “ “ a. .’ o in -dma —— . 1 «al LU} - — Z!CrT ut 
m. vi 2. ee ia —— *.2 “Lu ZT IX 
= “4-00. ” [] n u. ” - 2 
KENNE Se NLSLUTIERSRETEND — T Ta MEI 
27 wer Deo l 2 DIT SJITTIEN 
re Dim. ie Ile MT LITZT T CI. 
« = = -. = ——— — Tan .. - 
rt et ae oT TI" — SI DIT zu SIIIIE: 
Sue " ⸗ — nn. nu. . = ı 
wbreeiin SRLSTITLED Leise TU Der Te 
rn 1 wa Anwesen Sur mm Ze Zei 
. vay. [1 n ” . . - — 2 g- = u 
(4 ‚1 ...h .1.5 % rd i. 24 nn FE a „I vr. 2 — 2 le . . TM.C 7 
2 — 
ν ν: — > mı Zızırız 
se 4 “ P - — - - 
tur nu num eh mem 
um naie ET UI Ler mo nn — 
way henn wenntsen  Waııı Blıntrıız. oz Si. 
s ⸗ f — -. - —— 
(reisen Beowiz, wo Dir ı2 ent 23 Sem 
waren u, wine vd geianı "ım_ıa Dur mE ZiIoate. 
⸗ = „ —— ... [w} 52 . .. - D — - 
zy’r 2 a . . an Men =: 222 2*277 .f. ns Zu zum ns sur 
. ⸗ ⸗ ⸗ or ..: m. . — — 2 
Sauer ul Beuıriımın Zuhre me vis mt Zımmme. Se 


“ swun Saul - 05 % nun anasunu.a DE — Umuzmsz 


0. os. 385 . =: —————— u Ib, mm, ** "msn u 
® 


DRS Zu zZ. r} 2, 223 Doz Top w Burn he; nu Buraı' hen 


a3 .. m 07 cl ortsuakcnde ann ... saw u eb 


Bu 20 1278 — Se BAmemit elmn auf m Neumerkter 
Wersenze neue Zucker 1571 225 Bürzerreti, un? 3 Nee Trans 
Iron 2 euatlamie Bririel Der meitzchentten Glcubensâ- 
rsurtwurs, sier cuh zer ausgebebnteiten Glaubenstteibeit. 


XI. Bud: Die Zeiten Ferdinand’3 I. u. Marimilian’3 II. (1526 —1576). 241 


6. Ferdinand I. und der Proteftantismus in den habsburgiſch⸗ 
Deutfhen Erblanden. Die Unfänge des Jeſuitenordens. 


Literatur. (Abgejehen von ber allg. Literatur, f. Einl. u. 1. Abſchn. 
u. V. Bd., ©. 625—628.) Raupach, Evangeliſches Oeſterreich — Erläutertes 
evangeliſches Oeſterreich — Presbyteriologia austriaca (Hamburg 1732 bis 
1741, 5 Bde. zuſ.). Zweifache Zugabe z. d. evang. Oeſterr., ebenda (1744) 
(vgl. kurze Nachrichten v. Leben u. Schr. H. B. Raupach's, ebenda 1746); 
Waldau, Geſch. der Proteſt. in Oeſterr, Steierm., Kärnten u. Krain, 2 Bde. 
(Anſpach 1784); 3. P. Miller, De ecclesiae Evangelicae in Austria sub 
Ferdinando I. et Maximiliano II. statu succincta narratio (Gottingae 1783) 
(20 S.); A. Klein, Gef. des Chrijtenth. in Dejterr. u. Steierm. (Wien 1842) 
(4., 5. Bd.); Bergmann, Mebaillen, II. Bd. (1857). 

Geferreih 0. u. u.d E. Raupach, f. 0.; Marian Fiedler und der 
Herausgeber Wendt v. Wendtenthal, Tejterr. Kleriſey (1788) (Thl. IV, 
3. IX): Die kirchl. Topogr. v. N.-Sefterr.; Keiblinger, Geſch. v. 
Melt, II; Stülz, Geſch. d. Chorh.“St. St. Florian (1833); ©. d. Eifterz.:St.; 
Wilhering, Ein Bir. 5. Landes: und Kirchengeich. Defterreichs (1840); Pritz, 
Geh. d. ehem. Kl. Garften und Gleink i. O.-Oeſterr. (1841) (vgl. f. Geſch. 
O.⸗Oeſterr., IL); Hagn, Wirken d. Beneb.: X. Kremsmünjter f. W., 8. u. 
Augendbildung (1848); Hauswirth, Geſch. d. Abtei u. I. F. zu ben Schotten 
in ®ien (1858): Zopogr. v. N.-Teiterr. (1873), 6. H.: Mayer, geiftige Cultur. 
Smets, Wien im Zeitalter der Reformation (Preßburg 1875); Weiß, Geſch. 
Wiens, II.; Aſchbach, Geſch. der Wiener Univeriität, II. (1877). Vgl. auch 
Bergmann, Namensverz. d. Jüngl. aus ben öjterr. Erbl., weldde v. X. 1502 
bi 1560 3. Wittenberg ftub., mit geſch. Frläut. in Schmidl's öfter. Bl. f. 
2. u. 8. (1844), II. Cuart., 25—29, desgl. A. Stölzel, „Die Entwidlung 
des gelehrten Richterthums in deutſchen Territorien” (Stuttg. 1872) $ 2 (Bezieh. 
Deutfchlands z. auswärtigen Hochſch.). 

Steiermark. Waldau u. Klein f. 0.; Robitſch, Gel. des Pro: 
teftantiömus i. d. Steierm., 1. A. 1859 (v. fathol. ©.), desgl. die reichhaltigen 
Daten in Peinlich's Geſch. ded afad. Gymn. in Graz (Progr. 1866, 1869 ff.); 
Krones, 3. Seid. u. Tuellenf. des fteierm. Landtagsw., II. Epoche (1522 
bis 1564) i. d. Beitr. 3. 8. fleierm. &., IV. Jahrg. N. Luſchin, Studien 
3 Geſch. des jteier. Adeld im XVI. Jahrh. Mitth. d. hiſt. V. f. St., 23. 9. 
(1875). Zur Charafterijtif eines der Hauptträger der Neformation in Inner: 
öfterreich dient auch der intereffante Briefmechjel bes ch. Hanns Ungnad 
mit Herz. Albredt von Preußen; 5. v. Boigt im XX. Bde. des Arch. f. 
öfterr. ©. 

Aärnten. Waldau, Klein; Megifer, Khärndten. Shronif, II. (1612); 
N. Lebinger, Die Reform. u. Gegenreform. i. Klageufurt (Rrogr. des f. Gymn. 
1867, 186%). VBgl. Herrmann, Hbb. d. G. K., II., u. Gzermwenfa, Die 
Khevenhüller (1867). Vgl. Kärntn. Zeitſchr, VI. (1831). 

Fran. Baldau, Klein; Balvafjor, Ghre bes H. Kr., XV. Bud; 

 Rrones, Geſch. Oeſterreichs. III. 16 


949 XII. Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’3 II. (1526— 1576). 


Elze, Superintendenten d. evang. K. in Krain (Wien 1863); Artifel „Truber“ 
i. Herzogs NRealencyklop. f. Theol. u. K. Suppl. III.; Timig, Urkunden 3. 
Reform.Geſch, Krains (1HI0— 1634). Mitth. des Hill. V. f. Kr. u. Sep.⸗A. 
(1868) (Wichtige Sanımlung) (vgl. Mitth. 1864, 1867) und Il. Thl., ©. 193 ff., 
f. Geſch. Krains — der gehaltvollite und jelbjtändigfte Theil des ganzen, gründ: 
lichen Werkes. Vgl. au Schnurrer, Slavifher Bücherdrud in Wirtemberg 
(Tübingen 1799); Kopitar, Grammatif d. flav. Spr. i. Kr., 8. und Steierm. 
(Laibach 1808); Safarit, Geſch. d. ſüdſlav. Pit., 6. v. J. Rirelef, I. 1864; 
Radies, Herbart VIII. v. Auersperg (1528 - 1575) (1862). Ehronol. Darit. 
d. m. d. Et. Rudolphswerth betreij. Taten, Brogr. des R.:Siymn. (Laibach 1868). 
Kojtrencie, Urkdl. Btr. z. G. d. protejt. Pit. d. Südſl. (Wien 1874). 
Tirol. (Vgl. die zeitfchr. Tetaillit. im Huber'ſchen Verz. d. Tirolentia 
im Arhiv f. G. u. A. Tirol u. i. Sep.⸗A.). Dazu die im II. Bde, S. 027 bis 
628 verz. Lit., indbefondere Sinnadher, 7. Bd. Ladurner, VBartlma T:ofjer 
v. Lüjen o. d. p. Bauernrebell 1561— 1562 (Tir. Ardiv, 3.9.) Gymn.-Progr.; 
Egger, Geſch. Tirols, 2. Bd. Pal. auch die ftofflih wichtige Monogr. von 
Sugenheim, PBayernd Kirchen- u. Volkszuſtand v. A. des Ib. bis E. des 
18. Jahrh. (Gießen 1842), über Zujtände, Die den Deutfch:öjterr. verwandt waren. 
Lit. 3. G. der Jeſuiten i. Sefterr. Joann. Stöger, scriptores pro- 
vinciae Austriae Soc. J. 3. (Viennae et Ratisb. 1856); Soder, hist. prov. 
Austrise S. J. (Viennae 1790); Yuchholg, 8. Bb.; Klein a. a. O., 4. Bd. 
Vgl. die o. cit. Lit. des Protejtantismus: Raupach, Waldau u. f. mw. Bein: 
lich's cit. quellennäßige und ftoffreiche Hejch. des afad. Gymn. in Graz; desgl. 
die gleichfalls al Programm 3. Nahresberichte deifelben 1875 erjchienene Mo: 
nographie: „Die Egkennperger Stifjt“ zu Graz im XIV. u. XVI. Jahrh. 
Bliden wir nad) dem Entwidlungsgange der Reformation in 
den Erblanden der habsburgifchen Herrihaft. Hier mar die Empfäng: 
lichkeit für die kirchliche Neuerung groß genug. Sie zeigte fi in 
den Stadtgemeinden jo gut wie im Adel und erfaßte auch raſch den 
gemeinen Mann, wie wir dies in der Gejchichte des großen Bauern: 
frieges vom Jahre 1525 erfuhren. Welcher Anficht man auch fein 
mag, die Achtung vor der herrichenden Kirche war allgemein gejunfen, 
wie der Klerus jelbit, in deſſen Schooße fi aud) Freunde der Nefor: 
mation regten. Mit diefer Zeititimmung der Laienwelt ging Hand in 
Hand der gemeinichaftlide Drang nad) freier Bewenung auf dem 
Boden religiöjer Erkenntniß, welcher das neue Evangelium die Bahn zu 
brechen verfprad), der Hang zum Neuen und, wie überall, jo aud) hier, 
die Gewalt materieller Intereſſen. Tas grundherrliche Streben nad) 
größerem Einfluffe in firhliden Dingen und nicht minder der An- 
reis, das große weltliche Gut der Kirche zu entwinden, die Säcu— 
larijationsgelüfte — dürfen als gewichtige Motive für die Stellung 
des Adels in der Kirchenfrage nicht unterihäßt werden. Diejem 
mädtigen allgemeinen Zuge der Zeit gegenüber erweiſen fih aud 





244 XII. Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’3 II. (1526—1576). 


dem „graufamen Behemoth” und „mweitäugigen Leviathan”, ſammt 
Frau nad Wien gelangt und durfte bier unter ungeheurem Zulaufe 
gegen das Klofterleben und den Cölibat Losziehen; aber die Heftig- 
feit feiner Ausfälle machte ihn bald unmöglich; denn der Wiener 
Biihof Johann Schmid (Faber) aus Leutkirch in Schwaben fuhr 
mit der Ercommmunication dazwiſchen. Schon 1524, ein Sahr nad) 
der Veröffentlihung des erzherzoglichen Edictes (12. März 1523) 
wider das Luthertbum, gab es einen Blutzeugen der evangelifchen 
Lehre unter den Wienern jelbit, Kaspar Tauber, einen Mann 
von Anjehen und Reichthum, welcher als Gegner katholiſcher Dogmen 
auftrat, zur Unterzeichnung eines jchriftlihen Widerrufs gebracht 
wurde, denjelben jedoch bald auf's Entjchiedenfte mündlich zurüd: 
nahm und am 17. September 1524 den Tod durch das Schwert 
gefaßten Muthes erlitt. In feiner Kerkerhaft Teifteten ihm zwei 
Geijtliche, gleichfalls der Glaubensneuerung beinzichtigt, Gejellichaft. 
Alle Orden beinahe zeigen Anhänger der Reformation, die Klöfter 
veröden, und die Verfuche, den Ausfall durch Fremdländiihe Mönche 
zu deden, haben nicht die beite Wirkung. Der Abt von St. Do: 
rothea in Wien vereheliht ih. Die Chorherren von Gariten 
zeigen fih durdaus reformationsfreundlid. In Gmunden war 
der Meßprieſter und Stadtſchullehrer Schilling feit 1524 ein eifriger 
Lutheraner, zu Steier der Franzisfanermönd Kalirt. Daß fich der 
Zandesverwejer Ober-Oeſterreichs, Ciriat von Polheim, für ihn 
verwendete, als 1526 der Berbannungsbefehl des Paſſauer Biſchofs 
Ernit eintraf, war ein Zeichen der reformationsfreundlichen Stimmung 
des mächtigen Landesadels. Schrieb ja doch Luther ſchon 1524 
einen Brief an Bartholomäus von Stahremberg. Die 
entſchiedenſte Stübe des neuen Glaubens wurde jeboch der junge 
Herr Chriſtoph Jörger auf Tollet, dem ſchon 1525 der - 
Wittenberger Neformator den Prediger Michel Stiefel, einſt 
Auguftinermönd zu Eßlingen in Schwaben, empfahl. Stiefel wirkte 
bis 1527 von Tollet aus eifrig für das Lutherthum, dem auch bie 
Mutter Förger’3 mit ganzer Seele ergeben war. Bald erjcheinen aud) 
die Puchheim, Zelking, Roggendorf, lektere Ferbinand’s 
bevorzugte Günftlinge, — die Hardegg, die Ofterburg, Rofenburg 
und andere Abdelsfamilien dem neuen Glauben ganz oder in einzelnen 
Gliedern ergeben. Daß aud die „Sectirer”“ der Reformation, vor 
Allem die allgemach jo vielgeftaltige Wiedertäuferei, der Ana: 
baptismus, ihre Wurzeln in’s Land fchlugen, ift ſelbſtverſtändlich. 
Der Hauptvertreter der weitgehendften Richtung, Dr. Balthaſar 
Hubmaier aus Friedberg in Bayern, einft Profeſſor und erfter 





246 XI. Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Maximilian's II. (1526—1576). 


der gütermädtige Hofmann von Grünbühel, Freiherr auf 
Strehau. Sedenfalls ftaf in den ftändiichen Landtagsforderungen 
von Sanuar 1533 und 1536: es mögen gelehrte Prediger zur Aus- 
rottung und Verhütung der aufgenommenen undhriftlichen Selten 
beitellt werden, minder katholiſcher als vielmehr orthodor pro: 
teftantiicher Eifer gegen den Anabaptismus ; denn jchon 1541 
haben wir es mit einer entichieden reformationsfreundlidhen Haltung 
der fteiermärtiihen Stände zu thun; die Landſchaftsſchule von 
1544 überging ſchon 1553 an den eifrigen Lutheraner Pica, der 
allerdings bald dem königlichen Verbannungsbefehle weichen mußte, 
und 1552 war jchon die Frohnleihnamsproceffion in Graz unmöglich. 
Ebenfo diente um 1550 bereits die Zandhausfapelle zu evangelifchen 
Kirchenzwecken, mit Balthafar Schelhin als erjtem Landichaftsfaplan, 
und 1558 überließ Seifried von Eggenberg feine Stiftskirche 
den Zandftänden, da fie eines geräumigeren Gotteshaujes bedurften. 

Nah Kärnten bradte hauptjählic die Verbindung der bier- 
ländiichen Erzfnappen mit den jalzburgiichen ſchon um 1520 den re= 
ligiöjen Gährungsftoff in das deutiche Kärnten. Vor Allem jchloß 
ſich Villach an den neuen Glauben; denn bereits im Jahre 1526 
finden wir einen lutherijchen Prediger an der Stadtpfarrfirche, ohne 
daß fi) der damalige Lehensherr, Sigmund von Dietricjitein, da- 
wider gejegt hätte. Völfermarft, St. Veit und Klagenfurt 
gerathen in die gleiche Strömung. Die Kirchenvifitation von 1528 
ergab, daß die Mehrzahl der Landesbeamten offen oder heimlich dem 
Luthertfum anhinge. Hand in Hand mit Steiermärkern und Krai- 
nern ftreben die Stände Kärntens nah kirchlichen Conceſſionen 
des Landesfüriten und gegen Ende der Regierung Ferdinand’s 1. 
(1563) fommt es zur Gründung einer landſchaftlichen Schule 
der „Weisheit und Frömmigkeit” in Klagenfurt (Collegium sapien- 
tiae et pietatis, auch schola prov. Claudifori genannt), an welcher 
zunächſt Martin Knorr aus Böhmen wirkte. 

Sm Krainer Lande gewinnt die reformatorifche Glaubens 
bewegung eine doppelte Wichtigkeit als religiöje Thatſache und 
als national-ſprachliches Entwidlungsmoment, und in 
legterer Beziehung gewinnt fie eine nicht zu unterfchägende Wichtig: 
feit für das ganze flovenijche Inneröfterreich und die ſprachverwandte 
croatiſche Nachbarſchaft. Ihr Heerd ift Laibah, und Tübingen 
im ſchwäbiſchen Lande ihre Hauptwerfftätte; ihr Träger aber Pri-: 
mus Truber. 

Geboren 1508 zu Rafchiza bei Auerjperg, ein Grundunterthan 
ber angefehenften Adelsfamilie des Landes, brachte ſich der arme 





248 XIII. Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’3 II. (1526— 1576). 


Dingen ihren Lauf, denn feine Mandate blieben lahm gelegt. Im 
Sahre 1552 war Truber nah Kempten als Pajtor überjiebelt; 
drei Sahre jpäter machte er mit dem Erzbiihof von Capodiſtria, 
PB. Vergerio, der als Freund des Lutherthums jein Bisthum 
und Vaterland verlaffen und in Würtemberg eine zweite Heimath 
gefunden hatte, Belanntichaft, denn diefer ftrebte eine ſlaviſche 
Bibelüberjegung an. Unter manden Schwierigkeiten begann 
Truber, der allerdings weder des Hebräiſchen noch Griechifchen 
mädtig war, die Evangelienüberjegung aus dem Lateiniſchen und 
feit 1560 trat er in wichtige Beziehungen zu dem proteftantenfreundli- 
hen Kaijerjohne und Thronfolger Ferdinand’s J. Marimilian (II.), 
und befreundete fi mit dem Freiherrn Hanna Ungnad, der 
in Folge des Keligionsmandates Ferdinand’s 1558 dem Vaterlande 
den Rüden fehrte und eine zweite Heimath in Würtemberg fand. 

Ungnad verwendete das Einkommen jeiner ihm verbliebenen 
Güter für SHeritellung windifcher und croatiſcher Bibelterte durch 
Truber und defien Gehülfen, den Sftrianer Stipan Sftrianin, 
oder Stephanus Conſul aus Pinguente in Sftrien und den Prieſter 
Anton, Sohn des Dalmatiner Alerander Dalmata. Marimilian 
förderte durch Vermittlung des Ambros Fröhlich” mit Aufmunterungen 
und Geld das lobwürdige Unternehmen. 

Die krainiſchen Stände riefen Truber nad) dreizehnjähriger Ab- 
mejenheit in’s Land zurüd. Hier wirkte er vom Juni bis Auguft 
1561 mit entjchiedenem Erfolge; begab ſich jedoh dann wieder in 
Begleitung der beiden Türfenflüchtlinge oder Uskoken, des Serben 
Popovich und des Bosniers Maleſchevaz nad Tübingen zu: 
rück, um fih dem Lieblingswerfe feiner veformatorischen Thätigfeit 
zu widmen. Erſt im Sommer 1562 bewogen ihn die Krainer Stände 
wieder zur Heimreile. Der Laibacher Biſchof Petrus verfuchte aller: 
dings Truber’s Aufenthalt in Laibach unmöglid zu machen; aber 
die Stände hielten die I hügende Hand über ihm und auch die Gönner: 
haft Marimilian’s war von Nuten. Ungnad felbft, welcher mit 
allen Mitteln den windifchen und croatifchen Bücherdrud in Tübingen 
förderte, erlebte nicht mehr die Herausgabe des Hauptwerfes, der 
windiſchen und croatifchen Bibel; er ftarb den 27. December 1564. 
Truber, nad Ferdinand's I. Tode durch deffen Nachfolger, Erzh. 
Karl, verbannt (1565), erjcheint noch einmal 1566 auf Furze Zeit 
in der Heimath, um dann für immer von ihr zu fcheiden. Er ftarb 
1586, 29. Juli, auf feiner würtembergiichen Pfarre Derendingen . 
im 78. Lebensjahre in geiftiger Frifche, geachtet und geliebt. Ton 
1566— 1584 Hatte er rüftig an feinen windifhen Glaubensbüchern 


XIH. Zu: Te dasıı eramanıs La Nie. ms L 20-0 0.02% 


gearbeitet. Tee me mımiike Kim farm 22m Tamm: 


Sondsmanmm HBestı Tı.mztiı us fiir nn Zum, !er 
Schütling, 1355 — 1572 31 Limımmr mir. wi mer owmulummruris 
der Staͤnde Kecars, BAS mr ZSumrmimis Diet im "eo: 
Wirttenlerr m wer ITmuı nz Zu Zutte nz 22 
em würdiges TeTA. mT Moss m Zumorin or ern? 
des Zufsammemermtrs wer o Zuimie Wr Du: 


teranttteet DErTe ls Zur wm Net WE oe 2 mm 


om en F 5 ————— .. U. FE .- 
Rorliufsr, ser "zen: mem N 2 ten 22 0 Tem 


le. Es nr ma Keim wi ozmermumer Irimmz mn 107 


fl - En m 


And x Trier mem Ta ma Puerto nern. Taurzomıe 
Rermuermm. Ei 82m wa Bımıı ma Doomiın mer miten 
lie Szl2ı222ıım or Immer Se Hinz oe Juni en 
Rerzer:s. me 13 Korpmz min Teutä.on mn. wine gerezz 
geht „se His wirtzer va Zirei Irnier 02 eomierite 
Dümz 38 ZEzmL 2 Swmicı Sant vor Imım ontonr Det kun 
uud 92 zuerna s2 U Ier Zum we LITE Te IL DDeT 
lau: 2er. wei’S or we Zope les Derrz ıı0 28 

ar Zimt A mim. Mi tin om ont Tee Fan Dur 


Dee zmuersie ein 022 . | 
Brno ı Ioom mm wi Wine we ums al Dr: Bert 


Dr - - = 


ZIEL TA T mem net ern IT. II DET. 
Wer Eure m: wriren 7-0 mr 12 TLDTe mie 
Biere Zungen 00 NL TIeENI DIE 7 ti De im. re 
wit wi ut Lo mm ——8 


rer, m. 2 8 Nom Dumm) ont onen tot yon 


wa Mist. In ee int Tate u 


— 
22 .. wu. " a. - 
. . “.- - - -. oo.“ 
——2— - - “-. - . . f 
-— u 428* os ...— .. ⸗ . „new .. > "bo - 
sur SI 207270 Dei DT ET anne! une. 


i nom oO MTLU N WI er Dee aMIE MIT 


ee wem ver Ieilaramat in Er 
DI Ir en. un one teen Bet DIT ON ei 6 
EM Wer Sue Gem oo Tom nem Fromm OTUGTIIE 
EZ wmer "oo. ensielileet TI mm, mPrimonm 
2 m0r we Tele YUoT. TI mm 2 27 
ziert: ı1 nimm. nu et etment LT 


eher Zemunier V-rmiuenr NSıyenmser LITT 


250 XIII. Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’3 II. (1526 — 1576). 


(der katholiſche Chronift Kirhmayr ſpricht von mehr als taujend 
Hinrihtungen und findet diejes Verfahren viel zu hart) haftet er im 
Lande, zwiſchen welchem und der Hauptitätte des Anabaptismus, 
Mähren, mwojelbit der Tiroler Huter wirft, das Haupt der ſchwei— 
zerifchen Wiedertäufer in Tirol, „Georg vom Haufe Jakob“, ein 
fühner Schwärmer, engere Verbindungen feitigt. Ccheiterhaufen, 
Blod und Pfahl jcheinen vergeblih an der Ausrottung zu arbeiter; 
Schwaz und Hall, dann das Pujterthal find Hauptheerde der Wieder: 
täufer. Selbjt die grauenvolle, unmenſchliche Hinrichtung Huter’s, den 
e8 aus Mähren in die Heimath trieb (1535), fchredt den Anabap- 
tismus nicht; geräufchlos arbeitet er an feinem geordneten Beltande, 
und die geſetzliche Macht verſucht nun, ihn mit gelinderen Mitteln 
zu befämpfen. 

Ja gerade die Steigerung der gemeinen Nothlage, des Pauperis- 
mus, jeit 1559—60, kräftigt ihn, und aus dem Kreije der Wieder: 
täufer, welche neben friedlicher, arbeitſamer Mehrheit einzelne wilde, 
communiftifche Tollköpfe zählen, erjteht ein alter Landsfnecht, BartImä 
Doſſer, der mit den Bufterthalern Jörg Mayr und Chriftian Wacht: 
, lechner 1562 nichts Geringeres plant, als den Umſturz der Dinge 
im Lande, die Vernichtung der Obrigkeit, des Adels und der Geiſt— 
lichkeit, der befigenden, privilegirten Klaffen, aljo einen neuen Bauern: 
rebell, der jedoch im Keime, Ende 1561 bis Anfangs 1562, erſtickt 
wird. — 

Im reihen Bürgerftande ber Vororte zählt der evan- 
liiche Glaube nicht wenige Anhänger. Zu ihnen zählt Lucas 
Geizfofler, deſſen zeitgefchichtlich wichtiges Tagebuch den Lebens: 
gang eines ſolchen weltläufigen Batriziers und Ereigniſſe ſchildert, 
welche, wie 3. B. die Bartholomäusnadht (1572), weit über die 
Marken Tirols hinaus lagen. *) 

Wir haben des Ganges der proteftantiichen Bewegung in den 
einzelnen Erbländern gedacht und haben nun berjelben als eines 
wichtigen Momentes im ſtändiſchen Leben im Verhältniffe der 
Landſchaft zu dem Landesfüriten zu gedenten. War die Türfennoth 
das eine wichtige Bindemittel, ein an Stärke mit den Jahren 
wachſender Intereſſenverband, jo erfcheint als folcher nicht 
minder der Protejtantismus. Dort einigte die Nothwendigkeit, fich 
in die Laſten zu theilen und gegen die fteigenden Kriegsforde: 
rungen des Landesfüriten Stellung zu nehmen, — hier das Be: 
ftreben, Glaubensfreiheit zu erringen, die Vertreter der einzelnen 


2) A. Rolf, Lucas Geizkofler u. ſ. Selbftbiographie (1873). 


Länder, und ar: Ns HE zebrmden Yasizut: Ian ine: 


rallandınae Timıı:r αA Ürissırmer., 
benen mein aus Ye inter x) Iıbomigen Kom: 
lande Beissom muuum, zum 3 m Schaurigen cm 


Snterenenlaunztee,. =: Nie sam: Sala mr winkmunmmur 
ifre Gele und True _.umen zın mr ναν er: 
dinand's in Sluhemstinzen bin u muten un, Anmorm: 


ſeits juchen Die heturmtin . un Hlauiınee 


genojien Teuzii&!lzurs nes uni wablms u lm 


md an Karen Erranamitionn in 7 Bunnmetiz Iube. 
haben. 5 — M mr Tu Ne zmıcim Ichın 
Ferdinands und a Cuusottemnn ms Yommhonnemu: on Taoie: 
land als —e— Dir Humstinmir: Mae Huzen IIE oO TIETILm 
Sabsburgers on den Irene Ber Crane .. & >s 
contelioneilen Sebrumatriis rer Scan. 

Schon un — l54n Lenin Ya art mann immense 
Sandicharten = wrönart I. ne unsern mt Coon ume, 
wie jolde Tir: 5 Üsm vwiınser zelın! 
(1530, ;sehrucr his 1538 1 mel As m BWeztım Nır 22 
zum Weiten des Er&iiien Heim: imma emibnlider u: a une: 
bruder Ausitasisrrica 115532, ans mm a Beim ıldir 3rı ir 
es ſchon idhörtkre Isırıe senicen Heimun: un en Ainımtnaen, 
weldye über ne Iihierbiizun: er „Kemiizzser — 1524 
in Glaubensſaden Klasse Abm Uriet ut er wunmerir: 
bie Aleingultisteun mr 22 Milva ms „berntsccm 
Glaubens“. 153% im Armemisr wirt für „ebrzz Erarmiamm“ 
und ein „enetch- ser Iemmacnnum* von en Ziinen Jiız 
entihieden das Eon zmemmm, mr mt um Kılimmmmmem 
(Juli 1541), cam Kaddbaıaı u Kesensbunz 
zwanzig Abgeordnett ner Kürnt nimeriumeciiim winlr un! IT 
Etädbte: Eim, Zin:, Canz, Ycmealur:, Zırn. Grm, Aurdırz 
burg, St. Ken und Lattas srisıemm warm, ir MI vu 
md Prager ——— sem CCœocœoer. Tesmier ID 
Januar 1541 42 is emt.iie Aııenunz sa Gurten Ne „wem, 
unverfälicten Gamerer sa". om Aerrennan!e muetmn SU 
damals als em: Gimnz is Eranzi > 
Georg, Sraten a Stmuunier:, Yieen 
von Eberspart, S. x 2. Yin, Eirteri um een: draus 
von Stahrembers, Cu ca Kebemtän, u Zmamnınm 802 
—* von Zoned, ter. Sam eLzurimenn, Iteen Lın MAUME 

und den Rämmer Dcnrs : n & sro. 


U} 
[Zw 2 07 0 2 22 -» — s „Leon tıımto eo 


- — — 
sa u FT %: ———— 


252% XII. Qu: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’3 II. (1526— 1576). 


Noch entichiedener treten die Stände 1547 auf, indem fie, in 
der Stadt Steyer eigenmädtig verjammelt, ihre Abgeordneten für 
den Augsburger Tag wählen. 1555, im Lctober, fordern die 
niederöfterreihiichen Stände, darunter au die Görzer, auf dem 
Wiener Ausfhußlandtage Slaubensfreiheit, und wie abweh— 
rend fih auch K. Ferdinand verhält, er muß mit den Thatjachen, mit 
der thatſächlichen Vorherrichaft des Proteftantismus rechnen. Seine 
Stellung als Kaiſer (ſeit 1558) drängt ihn jelbft zur Erfenntniß, 
die Glaubensjpaltung könne nur durch angeftrebte Zugeftändniffe 
des römiſchen Stuhles behoben werden. 

Vor dieſer Schlußepodhe der Negierung Ferdinand’s tritt ein 
neuer Orden von weltgefhichtliher Zukunft in’s Leben, das jtärffte 
Küftzeug der alten nad) Wiedergewinnung der Alleinherrichaft ftre- 
benden römischen Kirche, — die Geſellſchaft Jeſu, der ftramm 
gegliederte, kriegeriſche Orden Loyola's, die eigentliche ſtreitende Kirche, 
welche an die Stelle innerer Wiedergeburt und des Glaubengfriedens, 
den auch der Proteftantismus nicht ſucht, die Macht des äußern 
Erfolges ſetzt. Schon bei den Anfängen des Trienter Concils tauchen 
feine eriten Stügen, Salmeron und Lainez, dajelbit auf. Der Sa- 
voyer Faber und der Spanier Bobadilla erfcheinen in Deutichland. 
Aber als Letterer, von Ferdinand aufgenommen, gegen das Interim 
eifert, wird ihm der Failerlihe Hof verboten und er aus Deutich- 
land gewiejen. Jajus aus Annecy in Savoyen, einer der fieben 
Gründer der Geſellſchaft Jeſu am Mont Martre zu Paris (1536), 
Salmeron und der von aber für die Gejellihaft gewonnene Nym: 
weger Caniſius (eigentlih: Peter de Hondt, geb. 1521, T 1597) 
wirfen in Bayern, zu Ingolſtadt. Ferdinand will den Legtgenannten 
zum Biſchofe Triefts erheben; aber das ift nicht der rechte Platz 
für den Mann des Glaubensfampfes. Da erklärt im December 1550 
Ferdinand an Loyola feinen Entihluß, die Geſellſchaft Jeſu nad) 
Wien zu berufen. Nicht um des Glaubenzftreites willen faßt der 
Habsburger diefen folgenſchweren Gedanken, ihn leitet die Anjchauung 
von der Nothwendigkeit, die Kirche, an der er gläubig feithält, den 
Katholicismus in jeinen Yanden aus deilen Verjunfenheit zu erheben 
und dazu eignet fich allerdings der junge, aufitrebende Orden, der 
mit großem Blide für die Zukunft tüchtige Köpfe für alle Aufgaben 
jeiner Miffion mit Glüf zu werben weiß und ebenjo gut über 
Spipfindigfeiten der Theologie bei den Disputationen, als iiber Reiz- 
mittel für den grobfinnlichen Geſchmack des gemeinen Mannes verfügt. 

Ende Mai 1551 treffen zehn Drdensbrüber unter Führung des 
Lanoy in Wien ein. Bald erfcheint auch Jajus und übernimmt 


XIH. Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’3 IL. (15961576). 253 


die Lehrkanzel der ſcholaſtiſchen Theologie; dem früh Hingeſchiedenen 
(1552) folgt Sanijius im Amte. Er ſchlägt das Wiener Bis- 
thum aus; weit höher muß ihm die Stellung als Provinzial des 
Drbens Für Deutſchland und das Wiener Univerſitäts-Rectorat gelten. 
Befriedigung gewährt der Curie die großartige Verbreitung des ge: 
ſchickteſten Rüftzeuges der katholiſchen Glaubenslehre, aus Canifius’ Fe: 
der, bes römischen Katechismus (summa doctrinae christianae), defjen 
Auszug insbejondere, der Kleine Katechismus, als wirkſamſter Hebel der 
Tatholifchen Neftauration, bis 1686 volle 400 Auflagen erlebt und 
in alle Spradyen überjegt wird. Nicht bloß der Proteftantismus, 
auch die römische Kirche ſucht fich jebt der Drudpreffe zu bedienen, 
um die Heiligthümer des Glaubens und deſſen Grundfäge in Scheide— 
münze für ‚bie Allgemeinheit umzuſetzen. Das Wiener Sefuiten: 
oymnafium "von 1552 eriheint als Mujteranftalt der nun ganz 
von der Geſellſchaft Jeſu beherrſchten „Lateinſchule“; auch die Uni: 
verfität, deren Reform um 1554 in Angriff kömmt, wird allmählich 
ganz in ihre Hand gelegt. 

Bald tauchen die Genoſſen Loyola's auh in Prag und Inne- 
brud auf. Immer weiter dehnt fih die Wirkfamfeit des Ordens 
in der neu gewonnenen „öfterreichiichen Provinz”. Seine Shüchternen 
Anfänge in Ungarn, unter dem Graner Primate Nikolaus DIäh’s, 
laſſen fich erft jpäter würdigen. 


7. Das Kaiſerthum Ferdinand's I. und das Trienter Concil 

(1558 — 1568). 8. Das Haus Perdinand’s I. Die Inneren 

ſtaatlichen Berhältniffe. Die Erbtheilung und erdinand’s 
Tod (1564). 


Literatur. (Bgl. bie allg. Lit. u. die zu Abſchn. 1. u. 4.) Litterae 
secretiores Ferdinandi I. pro obtinenda Eucharistie s. u. in gratram Maxim. 
IL. Boh. regis 1560... Helmstadii (1719). Briefe des Card. Con 
mendone (1569), h. v. Giovanni; Miscell. di storia Ital. VI. (Turin 
1865). Reiman, Der Streit zw. Papſtthum und Kaiſerthum i. 3. 1558. 
Forſch. 3. d. Seid. 5, ©. 1—18; Sendung bed Nuntius Commendone nad 
Deutfhland 1561; ebenda 7, 585—627. Ueber die consult. imperat. Ferd. L 
jussu constit. de artt, reform. conc. Trident.; ebenda 3, ©. 235—281 und 
über die relatio Hosii (de 3. von Ermeland), ebenda 186—193. Vgl. 
j. Abh. in Sybel’s hiſt. Ztſchr. (1873) S. 24—39. (Sidel’8 Publ. ſ. m. u.); 
F. Ortloff, Geſch. der Grumbach'ſchen Händel (Jena, 1868—1869). (Ngl. 
bift. Stiche. v. Sybel, 21. Bb., 199—203.) 


254 XIIL Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s IL. (1526— 1576). 


Ueber das (Trienter) Soncil die Werke von Paolo Sarpi (1619), Sp. 
Tallavicini (1656), Le Plat (1781 f.), Pland (1791 ff), Raleottus (1842)... 
Döllinger, Beitr. 3. polit., kirchl. u. Eulturg. ſ. o. I. Bd. (1862); Sidel, 
3. Seid. des Concils von Trient (1559 — 1563), Actenſt. aus öjterr. Arch. 
(Wien 1872). Das NReformationslibell des K. Ferdinand I. v. J. 1562 bis 
3. Abjendung nad) Trient. Arch. f. K. öjlerr. G., 55. Bd. (Die fit. ü. Max II. 
ſ. m. u.) vgl. 2. Bod., ©.139— 172; Theiner, Acta genuina s. c. oe. 1874. 1.2. 

Ueber Ferdinand's I. Familie |. Buchholz a. a. O., 8. Bd., über Phi— 
lippine Welfer die Auff. in Hormayer's Tafchenbuch (1847, 1848), (fie u. i. 
Kinder aus d. Ehe mit Erzh. Ferdinand II. betr.) 3. innern Geſch. d. Reg. Fer: 
dinand'3 I. vgl. Buhholk, 8, 9. Bd, Bidermann, Geld. d. 5. Gef. St. 
dee, J.; Oberleitner, Defterr. Finanzen und Kriegsweſen unter K. Ferd. I. 
v. J. 1522—1564. Ar. f. K. öſterr. &., 22. Bd., ©. 1—231; Firnhaber, 
SHofitaat i. %. 1554, ebenda 26. Bd.; 3. Chmel, Antwort auf e. Rathſchlag 
der o. öfterr. Reg. z. Innsbruck v. 1562, ebenda II. 137--172; Die Leichen 
eben z. Ehren Ferdinand's verzeichnet b. Schmit:Tavera II., S. 135 —6. Val. 
auch den Auff. in Hormayr’3 Arch. I. 1817, ©. 60 f. 


Erit Ende Februar 1558 bradten die Sendboten Karl’s V., 
der Dranier und der Reichs-Vicekanzler Seld die förmliche Ab- 
dankung Karl’s V. vor die Kurfürften. Diefe legten Ferdinand I. 
eine neue Wahlcapitulation vor und fchloffen eine neue Einigung 
(18. März). Der Sljährige, hartfinnige, den Habsburgern abge: 
neigte Papit Baul V., voll des Grolles über den Augsburger Re— 
ligionsfrieden und Ferdinand's Glaubensduldung, erklärte fih in 
dem Confiftorium der Cardinäle jehr entihieden gegen den Schritt 
Karl’s V., von dem „Jedermann wilfe, daß er des Verftandes nicht 
mädtig ſei“ (!). Ferdinand's Sendbote, der Oberſtkämmerer 
Frh. Martin von Guzman, fand daher mit der Anzeige der Nach: 
folge feines Herrn im Kaiſerthume und der gewährten Audienzerflärung 
feine freundliche Aufnahme. Das Cardinalscolegium verlangte, Fer: 
dinand folle die Beitätigung beim römischen Stuhle nachſuchen, fi 
von den Anfchuldigungen der Broteftantenfreundlichkeit, der fegerifchen 
Gefinnung feines Erftgeborenen u. |. w. reinigen, den fchuldigen 
Gehorfam geloben und den berfömmlichen Eid leiften. Der Papft 
Tcheint noch weiter gehen zu wollen; da legt fih Philipp II. 
von Spanien in’s Mittel und Dr. Seld rüftet zu einer möglichft 
gemäßigten, aber in manchen Stellen ganz unverblümten Schrift 
wider die Anmaßungen des Papftthums gegen den neuen „erwählten 
römiſchen Kaifer”, wobei ihm die Forſchungen des fleißigen Aven⸗ 
tinus (Thurnmayer, T 1534) zur Grundlage dienten. 

Paul III. ftarb, ohne die Hand zum Ausgleiche geboten zu 
haben; ber gefchmeidigere, milder und weltflüger geartete Mediceer 


XIUL #25: Ir Lo T. 0 — 335 


Rins IV. (1559-1555 wir u dem Sie. An dr naeiiden 


Kirche ama ein weinmtrsir Ansmei2 or: Ne mklak 
Heitiafeit Tanl’s III. Serie en ehrfiien Bud erir Tears 


land md tel mir ne renztstbniiden, nabeiehiin Korer mer 
dinand I. berbeifübren. So cr formt & wem Ententen Noms 
m der Kaiſerrraze. Ten 25. Tesenixr 1559, neh rierrmionuttiihr 
Racan; Fapıı geworden, irrikt Vius IV. ieine Bereimiiliofet im 
Saminalcontitorium aus, Ferdinand enzuerkernen ı30. Decemder). 
Ten 10. Februar 15650 eridbein Grat Sirione Arco, iputer 
Chernlämmerer ımd Ratb Des Kaiters, als Rotrichaiter in Nom und 
läßt ſich nad längerem Sträuben berbei, der Teriberung der Ebr 
erbietung und Hochachtung nob das bedenklichere Rort „Geboriam“ 
(obsequium) beisurügen. Ten 17. Februar mar Alles acordnet. 

Die ſchwerſte Sorge Ferdinand's war jedoch noch nicht erledint 
— der Glaubenstriede. Tom drobenden Türkenkriege aeünuitiat. 
batte er den Ausſchußlandtag der niederöfterreibiichen Provinzen 
1556 im Januar nah Wien entboten und hier aenualam erfahrt, 
wie entichieden die Abgeordneten der proteſtantiſch uelinnten Stände 
fd an den Augsburger Reliaionsirieden zu klammern 
gedachten. Immer rüdiihtsloier machte jih in feinen Rathe die 
Anſchauung geltend, man müre den Laienkelch und die Rrieiter: 
ehe geitatten, dann käme man über die Glaubensipaltung leicht 
hinaus. Dies fam ſogar im Gardinalsconclave vor der Wahl 
Pius IV. zur Eprade. Es jollte ih nun zeigen, melde Stellung 
der neue PBapit zu dieſen Zugeitändniiten einnehmen würde und wie 
es mit dem Concile erginge. 

Die Trienter Kirhenverjammlung in ihren bisheriarnt 
Schickſalen erjcheint jo recht als Spiegelbild des päpitlihen Miß 
trauend gegen die Concilidee und der Abneigung des Proteitantis: 
mus wider eine Smode, in welcher nach feiner Vorausſetzung der 
KRatholicismus die Rolle des gekränkten Vaters übernehmen würde, 
der Proteſtantismus bie des verlorenen reuigen Sohnes zu jpielen 
hätte. Bor 15 Jahren (1545, 13. December) in der St. Vinilius: 
kirche eröffnet und dann fechsmal ſuſpendirt und prorogirt, war fie 
1552 erft zur 15. Sigung gelangt und ging dann wieder auseinan- 
der, ohne einen proteftantiichen Fürften in ihrer Mitte geſehen zu 
Haben. Im Sabre 1547 einer Seuche wegen nad Bologna 
übertragen, was allerdings den Herzenswünſchen der Curie entiprad), 
finden mir fie feit 1. Mai 1551 wieder in Trient in der Rirche 
St. Maria Maggiore. Dftern 1560 neu eröffnet, aber nur von 
neun Bilchöfen bejucht, mußte fie abermals verjchoben werden, und 


956 XII. Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s II. (1526— 1576). 


nicht anders im December defjelben Jahres, als ſchon an zweiund⸗ 
neunzig Bilchöfe beifammen waren. 

Kailer und Bapit wünſchten die proteitantiichen Fürften zur 
Beihidung des Tridentinums zu bewegen. Bon Seiten Pius IV. 
war 1561 dieſe Rolle den gewandten Legaten Francesco Commen⸗ 
Done und Zaccaria Delfino zugedadt. Der Naumburger 
Fürftenconvent vom Januar und Februar 1561 erklärte den 
kaiſerlichen Geſandten: im Trienter Concile Tein allgemeines erbliden 
zu können, den Legaten dagegen, nur der Kaifer, als Oberhaupt des 
Reiches, jei berechtigt, eine jolche Synode einzuberufen. Die Miffionen 
Gommendone’3 und Delfino’s an einzelne Fürftenhöfe Hatten feinen 
befleren Erfolg. In Erfurt fam e8 zu einer Entſchuldigungsſchrift 
der Proteftanten an den Kaiſer, daß man das Concil nicht bejchide 
und zu einer förmlichen Ablehnung defjelben. 

So ſchließt fih das Tridentinum in jeiner legten und wid): 
tigften Phaſe zur katholiſchen Kirhenverfammlung ab, 
deren Beichlüffe den ganzen dogmatiichen Bau der ecclesia romana 
mit eiferner Feltigfeit aufführen. Gegenüber der Zerfahrenheit des 
Vroteftantismus, der überwuchernden afatholifden Sectenbildung 
eriheint diefe Einheit und Einförmigfeit des römiſch-katholiſchen 
Glaubens ein großer äußerer Gewinn; man mußte ihn jedoh um 
einen noc größeren innern Verluft erfaufen: denn nun erjcheint 
der Slaubenszwieipalt unverjöhnlih, das katholiſche Kirchenleben 
kryſtalliſirt, und die Theorie päpftlicher Allgewalt eritarkt in einer 
Weile, die am beiten zeigt, wie ſtark fchon dabei die Geſellſchaft 
Jeſu in ihren Vertretern betheiligt war. Und doch ſchien auch dies 
Concil in den Augen des römischen Stuhles gefährlich, da die beiden 
romanijchen Nationen, Spanier und Franzofen, mit ihren Ne: 
formationsartifeln den Curialiften in die Dueere famen und am 
KRaiferhofe der Ausgleichsgedanfe Hand in Hand mit ber bee ber 
Kirchenverbeflerung ging. Ferdinand wünſchte ernſtlich Verftändi- 
gungen im Glaubengftreite, Concejfionen an den Proteftantismus; 
er wünjchte darum auch vor der legten Eröffnung des Tridentinums 
ein neues Concil: zu Koftnis, Köln oder in einer andern durch 
ihre Entfernung von Italien günftiger gelegenen deutichen Stadt. 
Der römiſche Stuhl hatte das Gutachten des Kaiſers in Händen, 
worin der Laienkelch und die Prieiterehe auf's Dringlichite empfohlen 
wurden. Cein Botjchafter in Rom, Prospero Arco, Bruder des 
Scipione, und die Concilgefandten: Sigismund von Thun, Anton 
Brus aus Müglig in Mähren, Biſchof von Wiener-Neuftadt, dann 
Erzbiſchof von Prag, Georg Draskowich, Biſchof von Fünffirchen, 





258 XII. Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’3 II. (1526—1576). 


Schon feit April 1563 nahm der Legat Morone das fchwierige 
Merk, den Kaiſer zu bearbeiten, in feine gefhidte Hand. Den 21. 
diefes Monats war er in Innsbruck eingetroffen und bier ſetzte 
ed namentlih im Mai Vorjchläge, Replifen und Duplifen ab. Der 
Cardinallegat fträubt fich beharrlih, auf die Reformfrage einzugeben; 
er giebt jedoch immer abfichtlicher zu erkennen, Ferdinand könne auf 
directe Zugeftändniffe der Curie reinen; dagegen jei der 
baldige Schluß des Concils eine Dringlichleitsfrage. Man wolle 
nicht über den October hinaus zufammenbleiben. Nur ungern gab 
Ferdinand das Concil preis, das am 3., 4. December 1563 mit 
der 25. Seſſion fein Ende nahm; er hatte faum den Laienkelch 
als Zugeſtändniß durchgeſetzt, und bald zeigte es fi, wie wenig 
Rom, der Trienter Sorgen ledig, jeinen Wünſchen in der Kirchenfrage 
entgegenlam. Nur die utraquiftiide Communion wird zugeftanden, 
wie die päpftlicden Breve vom April 1564 an Salzburg, Aquileja 
und Prag beweifen, von der facultativen Priejterehe ift nicht weiter 
die Rede. Die Einführung der Trientiner Beſchlüſſe in 
feinen Zanden erlebt Ferdinand nicht mehr; auch 1586, unter feinem 
Enkel Rudolph IL, kommt es nicht dazu. Selbit im 17. Jahrhun⸗ 
derte finden wir bloß das Ehedecret der 24. Concilſeſſion von kirch⸗ 
liher Seite zeitweilig veröffentliht. Eine formelle Einführung ber 
Beſchlüſſe erfolgte auch) damals nicht, wenn fie auch thatjächlich Gel- 
tung fanden. 

So war die Glaubensfrage ein dorniger Pfad des jehsjährigen 
Kaiſerthums Ferdinand’s I., und eben jo unerfreulich drohte ſich 
ber böfe Grumbacher Handel zu geitalten, als die Genoffen 
des oftfräntifchen Ritters Wilhelm von Grumbach defjen allerdings 
gewaltthätigen Lehensherrn Melchior Zobel, Biſchof von Würzburg, 
erſchlugen (1558, 15. April), Grumbach, 1553 ein Helfershelfer 
des Kulmbader Markgrafen Adalbert, nad Frankreich floh, und 
von da aus 1563 einen Einfall in’s Würzburgiſche, aljo einen 
Landfriedensbruch, in Scene fegte. Nun mußte Ferdinand über den 
Frieblojen die Acht verhängen. 


8. Die glüdliche Ehe Ferdinand’s I. mit der jagellonifchen 
Anna, einer Frau, deren hausmütterliches, jchlichtitrenges Wefen am 
beiten in der uns überlieferten Ordnung zum Ausbrude gelangt, 
welche fie für die Erziehung und Beköftigung der Prinzeffinnen aus- 
ſpricht, gab fünfzehn Kindern, drei Söhnen und zwölf Töchtern das 
Leben. Sechs Prinzeffinnen des Haufes Defterreich ſchloſſen Ehen, 
welche es mit Bayern, Jülich, Mantua, Polen, Ferrara 


XIII Sa$: Tx iemwr ermen ir Semiri D. „ri! DI 


web Zr3'!czce zZ 2 EMAMAMMI: Yondce 
Felimi& beraricm einer em Tu Cie nm Drier Tode 
Yumnı mi fen B.i1::&: V. srır Aorın Su mer an: 
mairz ver Dnbirt Ber wie seen Frartenar Ten gi 


huras ;u Qeverz - Erst zn Nu om Nee Age ermur- 
genanyme Urteny Aeromcıts: L sum con 16 Merz Meer 


Zodbum em hericmes Erkeede ce med Ian Rode wi 
Sahrkempere nie ı le 2 WERNE ei uradarie. 
Ton Berexiuz: eriben: our ie zmre Ede NT Turin Taber 
Katbarimı, Fire des Koummamr SvtaJ8 XTar, wit g. Sigi: 
mund Auaurı zox TEolen, den iegien Auxlmen, und nit 
minder iaen Ye caderen Serbendngen Me ralinide Tendenz It: 
reihe, Die vermanhricbattiichen Beziebungen mir Italien zu medren 
und zu fertizem. 

Die Geibide Des Hanies rubum aut den drei Söhnen. Der 
Critgeborene, Mar, der ven Namen des Großvaters aufitiicht (ed. 
31. Juli 1527 , bilder mit ſeinem leiwnsluitigen Deien, feiner pro: 
teftantiihen Geñnnung und dem trüb bervortretenden Zuge nad 
Selbttändigfeit einen Geaenitand ihwerer Zoraen des itrenalchigen, 
tatholiſch⸗ irrenaaläubigen Waters. Am aneliten tritt Dies in dem 
ſcharfen Ermabnungsichreiben Ferdinand's I. vom 14. Februar 1547 
an den zwanziajährigen Mar bervor, und der Gegenſatz der von: 
feſſionellen Anichaumgen Beider, in den Mannesjahren Des Thron: 
folgers immer entichiedener, verliert erit acaen das Ende er Ne: 
gierung ;serdinand’s I. an Schärfe, da dieier jelbit um des Glaubens⸗ 
friedens willen und Angeſichts des jittlichen Verfalles im katholiſchen 
Kirhenweien, die Bahn der Reformvorſchläge und Zugeſtändniſſe 
betritt; Marimilian II. dagegen dem unausgelegten Drängen bes 
Vaters, den förmlichen Trohungen, ihn ebenio zu erniedrigen, als 
er ihn emporgehoben, in Bezug jeiner proteitantiihen Haltung nad: 
giebt. Er ſelbſt erwähnte der heftigen Scenen mit dem Vater (1560) 
in vertraulichen Briefen. 

Don anderer Art zeigt fich die Unannehmlichkeit, die der Zweit⸗ 
geborene, Ferdinand (II.), geb. 14. Juni 1529, der Liebling des 
Baters, diejem verurſachte. Es war die Entdedung der gebeim ab: 
geichlofienen Ehe des Erzherzogs mit Philippine, der jchönen, 
feingebildeten Tochter des reihen Patrizierhauſes der Augsburger 
Welſer, deren Factorei zu Venezuela an der Küſte Sildamerika's 
zeigt, wie weit der Großhandel ſolcher reihsftädtiicher Geldmächte griff. 
Durch diefe Ehe Freuzte der Sohn den väterlichen Plan, ihn mit einer 
Tochter des Franzöfifhen Bourbonenhofes zu verbinden, 

1:* 


260 XIIL Bud: Die Zeiten Ferdinand’3 I. u. Marimilian’s II. (1526— 1576). 


Breznic, dann Bürglig, das böhmiſche Kronſchloß, waren 
die Aufenthaltsorte der Geliebten und jeit 1557 Gemahlin des Erz- 
herzogs. Hier famen 1560 —62 die Pfänder diefes weltfcheuen, ehe⸗ 
lichen Glüdes, zwei Söhne und ein Zwillingspaar zur Welt, die, um 
den Schein zu wahren, als „Findlinge“ gelegt, gebracht und getauft 
wurden. Der Erzherzog, an Brag als Statthalter gebunden, konnte 
nur zeitweilig, wie als Gaſt, den häuslichen Heerd bejuchen. Eine 
Hauptrolle in diefer Idylle fpielt die kluge Muhme Philippinen’s, 
Ratharina (Tochter des reihen Jakob Adler, Bürgers der Reichsſtadt 
Speier, vermählt mit Herrn Georg von Zoran oder Logichan, 
deutſchen Vicefanzlers, den wir ſchon 1527 —1528 als Diplomaten 
Ferdinand’s in Polen und Ungarn finden und um 1551 als tobt 
anfehen dürfen), eine der ſchönſten Frauen ihrer Zeit. Es war Phi: 
lippine Welfer, die Gattin und Mutter, welche (1561) den unhalt- 
baren und unleidlichen Schleier dieſes verborgenen Familienlebens 
mit entichloffenem Muthe vor den Augen des Vaters ihres Gatten 
lüftete. Ferdinand I. ftand der Gewalt der Thatſachen gegenüber, 
die Bitten und Thränen der jchönen, beredten Schwiegertocdhter er: 
weichten ihn; er gewährt dem Ehepaare Berzeihung, er anerkennt 
die morganatifhe Ehe, aber in der Urkunde, die darliber ausge: 
fertigt wird, müſſen die Gatten emwiges Schweigen eidlich geloben. 
Ihre Kinder dürfen weder Titel noch Wappen des Hauſes Oeſter⸗ 
reich führen, fondern nur fchlechthin „von Defterreih” (d’Austria) 
heißen. Ein Erbrecht gebührt ihnen erit dann, wenn der ganze 
Mannsitamm der Dynaftie erlöjche. 

So kam es erit 1576, lange nad) dem Tode des Raifers, zur 
Veröffentlihung der Che, indem B. Gregor XI. den Erzh. Fer: 
dinand, feit zwölf Sahren bereits NRegenten Tirols und ber Vorlande, 
feines Eides entband. 

Der Jüngſte der Söhne, Erzh. Karl, fam den 3. Suli 1540 
zur Welt. K. Ferdinand’s Inſtruction für den Hofmeifter und Er: 
zieher des Prinzen (1550, 10. September) zeigt am beiten die 
ftrengen Grundfäge, nad) denen Graf Leonhard von Harrach ver: 
fahren follte. Erzh. Karl galt bei den Zeitgenoffen in feiner Jugend 
durchaus nicht ala jener energifche Katholif, als welcher er in der 
jpätern Zeit erjcheint. Der engliſche Agent Mundt berichtet Ende 
1559 an den engliſchen Staatsfecretär aus gleich zu erörternden 
Gründen, der Prinz fei dem älteften Bruder Marimilian gefinnungs: 
verwandt. Chriftoph von Würtemberg bezeugt dies auch (Februar 
1560) und erwähnte, Erzh. Karl habe dem Vater das eibliche Ge- 





262% XI. Bu: Die Zeiten Ferdinand’3 I. u. Marimilian’3 II. (1526—1576). 


den Erzherzog nahm und feinen Zugeftändniffen an die Proteftanten 
beharrlih in den Weg trat. *) 

Die Zufunft feines Haufes ordnete Ferdinand durch die tefta- 
mentarischen Verfügungen vom 17. September 1532 (Xinz), vor der 
in Ausfiht genommenen Entſcheidungsſchlacht mit den Türken, ferner 
vom 1. Juni 1543 (Prag), denen fidh codicillarifhe Verfügungen 
vom 4. (und 14.) Februar 1547 und 10. Auguft 1548 (Augsburg) 
beigejellten. Die widtigfte Hausordnung knüpft fih an den 
25. Februar 1554 (Wien); denn fie verfügt die Dreitheilung 
des ganzen Befiges unter die Söhne, die Bildung dreier 
Linien, feine glüdliche Maßregel, welche an ältere Vorgänge mahnt. 
Der Erftgeborene, Mar II., befigt das Hauptland Deiterreih, Ungarn 
und Böhmen, ihm ift die deutſche Kaiferfrone und die Oberleitung 
des Haufes zugedadht. Der Zweite, Ferdinand (II.), erhält Tirol 
und die Vorlande zugemiejen; der Dritte, Karl, Inneröfterreich, mit 
der GSteiermarf als Hauptlande. Ein weiteres Cobdicil vom 
10. Auguft 1555 enthält ernfte Mahnungen, vor Allem an Mar, 
in der Glaubensfrage. Er folle feine Frau („Eure heilige, eheliche 
und fromm Gemahl“) gut behandeln; die Einigkeit des Hauſes 
wahren, wohlmollend gegen die Schweitern fein, fie nicht an Ketzer 
verbeirathen u. ſ. mw. 

Das Staatswefen Defterreihs unter Ferdinand I. zeigt 
Anläufe zur größern Centralifation der Verwaltung, beffern Gliebe- 
rung der Verwaltungsbehörden, die mwachjende Bevormundung des 
landesfürftlichen Städteweſens und den Fortſchritt polizeilicher Staats: 
gewalt. Vor Allem mußte das Kriegsweſen die wichtigite Seite der 
Regententhätigfeit abgeben. So kommt es zur Schöpfung des Hof: 
friegsrathes, der eigentlichen Gentralbehörbe, zu den Anfängen 
des croatifch = flavonischen und inneröfterreihiichen Vertheidigungs- 
ſyſtems, der füböftlihen „windifhen” Militärgrenze. Für die 
Geſchichte des Steuerweſens bildet die Epoche Ferdinand’s eine 
reihe Duelle, denn Kriegsgefahr und Kriegebebürfniß ließen den 
Fürften und die vielgeplagten Länder nicht zur Ruhe kommen. 

Die Fäden der eigentlichen Regierungstunft liefen in dem Ge: 
beimrathscollegium der Geheimräthe zufammen; es war bie 
Minifterconferenz des Erzherzogs, Königs und Kaiſers. 


®) Ueber die obigen Heirathöprojecte vgl. die Abh. in Hormayr's Tichb. 
(1848), ©. 55. f.; Schloffberger in den Forſch. z. deutfchen Geſch., V., 
©. 1—69 (1865); Wertheimer in ben Ertekezösek b. ung. Afad. (1875) 
(Sep.:X.); im Allg. auch Hurter, Geſch. K. Ferdinand's IL u. f. Eltern, J. 8b. 





964 XII. Bud: Die Zeiten Ferdinand’s J. u. Marimilian’3 II. (1526— 1576). 


Amtsverwalter der Burghauptmannihaft Steger, längft zugehörte. 
Den Einfluß in den wichtigſten Geſchäften theilte Hofmann mit dem 
Schwaben Georg Bienger von Rottened aus Ulm (geb. um 
1500, T 1577), Zögling der Wiener Hochjchule, der er als Doctor 
der Rechte, dann geheimer Hoffecretär zu Innsbruck und, was 
eben nicht häufig war, des Franzöliihen mächtig, dann nach dem 
Tode des Cardinalbiſchofs Cles als Vicekanzler und bald als ge— 
heimer Rath (jeit 1547) immerdar wohl geneigt blieb und mit 
Sigismund von Herberftein, einem bereits oft genannten Diplomaten 
erften Ranges, Dr. Philipp Gundl aus Paſſau und dem Wiener 
Domherrn Ambros Salzer aus Preßburg zu den damaligen Leuchten 
der Univerfität gehörte. Auch Gienger’3 Stammgenofjen Dr. Jakob 
Jonas (F 1558), früher Profeffor des Hebräifchen zu Tübingen, 
feit 1541 geadelt, der eifrigfte Sefuitengönner, und Joh. Alb. von 
MWidmannjtet aus Nellingen verdienen als Berfonen von Gewicht 
Erwähnung. Gleiches gilt von Johann Trautfon, Frhr. von 
Spredhenftein, Kaspar Freiheren von Bolheim und Wartenburg, 
Geheimrathe, Kämmerer und Landeshauptmann Über : Defterreichs 
T 1533), von dem ältern Hanns Fernberger von Egenburg 
(T 1553), Oberitfecretär, Vicedom- und Erblämmerer in Oberöfter: 
reich, von Hanns Leble (Löble), Taiferlihem Rathe, Burgvogt zu 
Enns und Pfennigmeifter (F 1536), Leopold Heyperger, Ferdi: 
nand's I. KRammerdiener, dann Hofzahl-, Schatmeifter und Burg: 
graf in Wien -(F 1557), deren Einzelne noch in die marimilia- 
nifche Epoche zurückreichen. — Bon Kriegsmännern hatten den größten 
Einfluß bei Hofe die Herren Leonhard II. von Colonna:Fels 
(Völs, Vels), Neffe Leonhard’s I. (F 1530), eines wadern Landes⸗ 
und Fürftendieners in jchmeren Zeiten Tirols. Seit 1528 oft in 
Kriegs: und Friedensjachen Ungarns genannt, ſodann in der Türfen- 
belagerung Wiens galt Leonhard IL. auch viel im Rathe Ferbinand’s. 
Sein Genoffe, und als folcher noch mächtiger bei Hofe, war Wil: 
helm I. von Roggendorf (geb. um 1481, T 1541), den wir in 
den verjhhiedenften glänzenden Zebensftellungen und Staatsgefchäften 
feit 1503 bereits vorfinden. 

In den böhmischen Angelegenheiten genoſſen das königliche Ver⸗ 
trauen als oberfte Landeswürdenträger Hof: und als Verwaltungs 
beamte Oberftburggraf Sohann von Lobkowic auf Tyn, UOberft: 
hofmeifter Hanns Lobkowic, der älteite auf Zbirow und Tocnil 
und deſſen Vorgänger Wilhelm von Riefenberg-Swihow, ben 
Ferdinand mit Gunft und Ehren überhäufte, Oberft-Landesfämmerer 
Adam von Sternberg, Johann Martinic, Burggraf am Karl: 





266 XUL Bud: Die Zeiten Ferdinand's L u. Marimilian’3 II. (1526—1576). 


und dem Landeshauptmannne, welcher zur Entrüftung Ferdinand’s 
den Eid verlag, den er als Markgraf Mährens gejchworen, brachte 
man unter den Augen des Königs einen demonſtrativen Fadelzug. 
Ferdinand’s I. Lebensgang iſt höchit bedeutfam. “Der 
Sohn des Spanischen Landes, in deutſche Gebiete verpflanzt, bequemt 
fih immer verjtändnißreicher deutſcher Lebens: und Regentenan- 
ſchauung. Sn der zweiten Hälfte feiner Herricherzeit wiegen die 
beutichen Räthe und Bertrauten vor; die einflußreichiten Perſonen, 
ein Dietrichitein, Feld, Roggendorf, Hofmann u. X. find Freunde 
des PVroteftantismus. Cr felbit, der ftrenggläubige Katholit, wird 
von der Nothwendigkeit einer Reform der katholiſchen Kirche durch: 
drungen, er will allen Ernites durch bedeutende Zugeſtändniſſe ben 
Glaubenzfrieden gründen. Sein angeborenes Feuer, feine geſprächige 
Lebendigkeit, die Spanische Härte, wie fie im Anfange der Regierung, 
3. B. am Wiener - Neuftäbter Gerichtstage, auftritt, weichen immer 
mehr dem feften, zähen Wollen, ruhiger Freundlichkeit und billiger 
Strenge, die nur felten übergreift. Minder bedeutend angelegt als 
fein Bruder, aber praktifcher, harmonifcher in feinem ganzen Weſen 
und darum auch gejchmeibiger dem Zwange der Berhältniffe gegen: 
über, ungemein mäßig im Lebensgenuffe, haushälteriſch, ſparſam, 
aber auch freigiebig, mo es galt, dienstwillige Ergebenheit zu lohnen 
oder zu gewinnen, fern jedem Glaubensfanatismus und jeder Selbit- 
überfhägung, aber beharrlih in feinen geklärten Lebensgrundſätzen 
und Ueberzeugungen, — zählte diejer Herricher wenig Feinde, vielmehr 
einen großen Kreis billiger Beurtheiler, ergebener Diener und Ver: 
trauten, als er, zmweiundjechzigjährig, den 25. Juli 1564 aus dem 
Leben ſchied: — keine ungewöhnliche, große Erjcheinung, aber eine 
geichichtliche Verfönlichkeit, die man verftehen und achten lernt. 


9 Marimilian II. Deutfhland und die Nachbarmächte. 10, 

Der Proteftantismns in den Erbländern, in Böhmen und Uns 

garn. 11. Ungarn und die polniſche Frage. 12. Marimilian’s IL. 
Ausgang. Rüds und Borblid. 


Literatur. Vgl. die Quellen u. Geſchichtswerke z. Abſchn. 1—8. 

Dazu: H. Languet, hist. descr. susc. a Caes. Maj. executionis 
contra S. Rom. imp. rebelles ....... 1567 (Schardius IV.), vgl. J. 
Blafel, 3. Herbert Languet, I. Thl. (Oppeln 1872) (Diff.); Petr. Lotichius, 
panegyrici tres de laudibus Maximiliani I, (1562); Nic. Friſchlin, 
panegyrici tres de laudibus Maximiliani IL. et Rudolphi D. (1577); Dan. 





268 XI. Buch: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s II. (1526— 1576). 


Marim. I. z. röm. K., in Schmidts Stich. f. G. 8. Bd.; DO. Krabbe, David 
Chyträus (Roftod 1870); Czerwenka, Geſch. d. evang. K. in Böhmen, II. Bd. 
Bol. au d. o. cit. Werk v. Klein, I. 

Ungarn. Feſſler-Klein, II., Szalay, IV., Horväth, III. Szilägyi, 
Seh. Siebendb. i. magyar. Sprache, J.; Szalay, Btr. z. ©. d. XVI. Jahrh. 
(Adalekok a magyar tört... ..), v. Zanfo, Lazarus, Freih. v. Schwendi 
(Wien 1871). 

Polnifhe Frage Thad. Pilinski, Diff. über d. poln. Interr. v. 
1572 bis 1573 (1861); Reimann, Die poln. Königswahl v. 1573 (in Sybel’s 
bift. Ztichr. 1864, ©. 68—128); Hüppe, de Poloniae post Henricum inter- 
regno 1575—1576 (Breslau 1866). 


9. Siebenunddreißig Jahre zählte der Erftgeborene Ferdinand’s, 
als er fein Erbtheil, die Herrichaft des Landes Defterreich, der Reiche 
Böhmen und Ungarn antrat, des deutfchen Kaiſerthums fich unter: 
wand. Hinter ihm lagen die Sahre der Jugend und’ erften Mannes: 
zeit. Vieles, Freudiges und Herbes, war durch feine Seele gezogen. 
Bor Allem hing dies mit feinem religiöjen Entwidlungsgange zu: 
ſammen. Als der Vater die unliebfame Entdedung machte, der erite 
Lehrer Marens, Auguft Schiefer (Severus), fei ein Schüler und 
Anhänger der Wittenberger Reformatoren, entfernte er ihn (1539) 
vom Hofe, aber der zwölfjährige Knabe erhielt an Peter Collatinus 
einen Erſatz, auch in religiöfer Richtung, denn der neue Lehrer war 
mit Camerarius, dem Genofjen und Biographen Melanchthon’g, eng 
befreundet. So mwurzelte bald das „Lutherthum“ im Herzen Mari: 
milian’s, denn überall in den Landen, auch am Hofe wehte pro- 
teftantische Luft, und diejes Gelüfte des Sohnes, vom alten Glauben 
zu weichen, das Bischen Jünglingstrog und die manchmal überfchäu- 
mende Lebensluft, ein leichtfertiges, ftrengen Sinn verlegendes Weſen 
machte dem Vater Sorgen und führte zu Verftimmungen und vor: 
übergehenden Zerwürfnifien, deren Nachwehen lange fühlbar blieben. 
Den 13. September 1548 ward die Ehe Marimilian’s mit der 
Tochter K. Karls V., feiner Baſe Maria, einer Frau häuslichen 
und frommen Sinnes abgejhloffen; doch es wuchs erft mit der Zeit 
ein innigeres Verhältniß und wurde das befte, troß Marimilian’s 
perfönliher Abneigung gegen das fpanifhe Wejen. 
Bald darauf (1548—49) übernahm Mar die ſpaniſche Statt: 
halterſchaft und gab fie auf, als das Project des Faiferlichen 
Oheims und Schwiegervaters zu Gunften der Thronfolge Philipp’s LI. 
in Deutichland die deutihen Habsburger erbitterte. Doch glichen 
fih wieder dieſe Spannungen aus. 

Die Reformation befaß an Marimilian feinen entſchieden werk⸗ 





270 XI. Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’3 IL (1526— 1576). 


älteften Söhne Rudolph und Ernſt, offenbar auf kaiſerlichen Wunsch, 
an den ſpaniſchen Hof zu längerem Aufenthalte. Als Mar Ende 
Juli 1564 feinem Vater in der Führung des Haufes und im Kaifer: 
thum folgte, umgaben ihn ſchon zahlreiche Sprößlinge, ſechs Söhne 
und zwei Töchter, die zu ihren Jahren kamen. 

Wichtige Lebensaufgaben harren des neuen Herrichere. Die 
deutſche Glaubensſrage fteht voran. Aller Augen find auf 
ihn gerichtet, man erwartet einen proteſtantiſchen Kaifer, deflen förm⸗ 
lien Abfall vom katholiſchen Glauben. Daß es nicht fo kam, daß 
Marimilian bei allem Wohlwollen für den Proteftantiemus, die 
Traditionen der habsburgiſchen Politik nach außen feithielt, war 
eine bittere Enttäufchung für die Iutheranifchen Kreiſe. Dean darf 
den Grund nicht bloß in der Scheu Marimilian’s vor den unbe- 
rechenbaren Folgen eines jolchen Schrittes, in dem ftarfen Einfluffe 
des eng verwandten ſpaniſch-habsburgiſchen Hofes ſuchen; 
er lag aud und zwar vornehmlich in feinem weichen vor dem fa- 
natischen Glaubenzftreite zurüdichredenden Gemüthe, in feiner Frie- 
densliebe und in der Bejorgniß vor den politifchen Uebergriffen des 
deutſchen Proteitantismus auf Koften des Faiferlichen Anſehens. 

Mit allem Ernite betrieb Mar die Erledigung der päpftliden 
Zugeftändniffe im Intereffe des kirchlichen Ausgleiches. Schon 
1565 lag es Far am Tage, daß von der Curie nichts zu hoffen 
ſei. Das bewies die Sendung des Cardinals von Altemps, der 
gegen die Unionsverjuche des Kaifers arbeiten jollte, die Haltung 
bes neuen PBapftes Pius V. (des Dominicaners Michel Ghislieri), 
welcher den 7. Sanuar 1566 die Tiare erwarb, die Miffion des 
Sardinallegaten Commendone nad Augsburg, um den Kaifer 
abzuhalten, auf dem beabfichtigten Neichstage einen Beichluß über 
Zulaffung der Priefterehe durchzubringen. Dem entgegen gab Mari- 
milian dem Verlangen der Curie, die Beichlüffe des Tridentinums 
überall verkünden zu laſſen und den Verlauf „Leßerifcher Bücher“ 
bintanzubalten, feine Folge. 

Welche Ausfichten inneren Friedens bot aber die Religions: 
frage in Deutſchland felbft? Lutheraner und Calviner haßten 
fih bitterer als den Katholifen. Seit der edle höher blidende Me: 
lanchthon unter den kränkenden Berdächtigungen der ungeberbigen 
Iutheranifchen Eiferer vom Sclage eines Mathias Flacius Illyricus 
(eigentlid Frankovich aus Albona in Sftrien, geb. 1520; 
1544 Brofeflor in Wittenberg; 1557 zu Jena — ftarb als ruhelofer 
Mann des Streites 1575) und der Jenenſer Theologen — er fei 
Kryptocalvinift, dem längft verftorbenen Werkgenoſſen im Tode ges 


XI si. fr ion mem i_ ı Bemisri I 7.7.20] 


islgt mer ‚ine. 5. ri, um namen Ücemrz In 
piä:;:iier KRrr’icter Kemaz ıli se zirenen Ice. 
Sie Instl ven mt eiebmor Sormime .1mM3—i583: vom 
fera ge ver Ferro: Sruemt vor Core 2 Termin 
serie. mce de Vene Smrern min Demeone omhabue, 
berdies p2 'nr manner Sormeoer me Mesrant der 
Surberoner aroer De Kanne I MOON rasen ZEN ie 1562 
die Hederns her Segieer mern, — mir om cn Aımboren 
der ıbeoinziber Sort ırr mehrer Ieeerunzsmund mh 
verfen, wir er Salbe Iren memhiid Dam mo seit 
1565 — 1598 Ne nem merandttcihe Arc. der ch anlimdiaenn 
Hbiall per Kierır:crre zur Der iaiier deeriän, melder 
die Zummubiern des miden Trmeizmsen: tür Sb bar und 
den Kniter in ie nei Ticne Sa amider Dee Srmmıng und 
Die Hülteistwermam SEens Drang, 8 “nm Die muciende 
ilnat peuticber Auen zu Gunnen NT Sugenotten im 
snichen Glaubenstriege Geit 156%). Am dedenklichnen für die 
Rritif der taiſerlichen Mabreaeln wurden jedob die Grumbad'ihen 
Händel und der damit verbundene Gorbaer Krieg (1567) der 
Erneftiner gegen den albredtinüben Kurfüriten von Zadien. Tie 
entiegliche Hinrichtung Grumbadı's als Yanniriedenshreders und Auf: 
wieglers in Geiellihait Dr. Bed’s (13. April 1567) war ein mill- 
fommener Beweggrund für die proteitantibe U ppnoiitionspartei 
im Reiche, ihrem Grolle über den Kaiſer ald einen „zweiten Julian“, 
einen papiitiich gewordenen Feind des Evangeliums Luft zu machen, 
— beſonders als im Jahre 1550 (12. Rovember) die älteite Tochter 
Marimilian’s, Anna, die zweite Gattin 8. Philipp's von Spanien 
wurde und die zweitgeborne Tochter Eliſabeth (26. November) dem 
franzöfüchen K. Karl IX. die Hand reichte. Wie grell ſticht 
das Lobgedicht A. Strobl’s auf Marimilion vom Jahre 1560 
von dem jchmähenden Inhalte der politiichen Dichtungen vines 
Clebitius (‚„Nahtigal” und „Grabſchrift“) ab, deren Berfaffer Dia— 
ton an der Heidelberger Chrijtlirhe war. Im Gefühle, die Glaubens: 
frage fei und bleibe gründlich verfahren, zog fih Marimilian IL. 
immer mehr von ihr zurüd und jeine legten Beitrebungen im Reiche 
hatten die Königswahl jeines Eritgebornen Rudolph im Auge, 
die auch 1575, 27. October, jtimmeneinig vor fi ging. 


10. Wir verfolgten den Gang der Reformation in ben brei 


Hauptgebieten der Herrichaft Ferdinand’s und müflen und den Stand 
der Blaubensverhältnifje allda unter K. Max LI. vor Augen 


9723 XI. Bud: Die Zeiten Ferdinand's L u. Marimilian’3 II. (1526- -1576). 


halten. Wie es fich damit in den Landen jeiner beiden Brüder 
verhielt, wird anderorten zur Sprache kommen. Hier möge zunädft 
bes Landes Defterreich gedacht werden. Die Maßregeln Mari- 
milian’3 II. verrathen den erniten Entſchluß, den Gedanfen der 
Glaubensbuldung entſchieden zu verwirklichen. Die Maßregel vom 
5. September 1564 verfügt den Wegfall des Tatholifchen Glaubens: 
befenntniffes bei den Promotionen der Wiener Univerfität. Eine 
andere Verordnung verbietet jeden priejterlichen Angriff gegen das 
Abendmahl unter beiden Geftalten. 1565 wird ben Sefuiten 
Seminar und Convict der adeligen Jugend entzogen, welches legtere 
1560 K. Ferdinand in der alten Landſchaftsſchule gegründet hatte, 
und von 8. Mar II. den Ständen zur Bildung der Jünglinge vom 
Herren: und Nitterftande übergeben. Aber ebenjo entſchieden wies 
der Kaiſer als Landesfürit die Klagen über die Maßregeln bes 
Paſſauer Dfficials, als Gewaltträgers des Sprengelbifchofs, und ihre 
Forderung zurüd, es möge die augsburgiſche Confeſſion als bie 
einzig wahre und echt Tatholifche zur Geltung kommen. Mar er: 
klärte, der Religionsübertritt ſei dur) das Reichsgeſetz der landes⸗ 
fürftlihen Gewalt unterordnet. Auch verbot er den Wienern, 
ih als vierter Stand mit den Abdeligen über Glaubensfadhen zu 
verständigen, als jie der Landmarihall Wilhelm IL. von Roggen: 
dorf dazu einlud, und ftellte als Grundfaß hin (17. December 1566): 
daß ihm allein ſolche Verftändigung mit feinen Stabtbürgern vor- 
behalten bleibe. In der That hielt auch die Wiener Gemeinde an 
diefer Stellung den adeligen Ständen gegenüber feit. Das Sahr 1568 
zeigt uns zwei Maßregeln des Kaijers, welche fein Wohlwollen gegen 
den Proteftantismus, aber auch feine Billigkeit nach der entgegen- 
geſetzten Seite kennzeichnen follten. Das Andringen der evangelifchen 
Stände am Wiener Landtage (1568) bemog K. Mar IL. zum 
Verſprechen der freien Religionsübung an den Adel Defterreich’s 
auf defien Gütern, im Haus und Schloß, unter der Bedingung, 
daß man fih von Seiten der Evangelifchen über die Kirchen: 
ordnung einig. Denn auch in das Land Defterreich war ber 
ärgerliche Streit eingedrungen, den Flacius erwedt hatte. Viele feiner 
Anhänger fuchten bier ihre Zuflucht. 1566 unterzeichneten 19 flacia- 
niſche Prädicanten ihr Belenntniß; Ziegler und Joſua Opitz, 
die Gefinnungsgenoffen Haubold’s und Berifterius’, wurden dann ihre 
Chorführer und der Landmarjchall begünftigte diefe Nichtung. Nun 
fam es durch die Stände zu der Berufung des berühmten Theologen 
David Chyträus aus Roftod, dem ber Kaiſer den gleich bedeu⸗ 
tenden ſächſiſchen Theologen Joachim Camerarius, Profeflor 





974 XIU. Bud: Die Zeiten Ferdinand's L u. Marimilian’® II. (1526— 1576). 


wälzen. Der Pernfteiner jperrt alle ihre Berfammlungshäufer. 
Erzh. Ferdinand II. als Statthalter hat die Weifung zu den 
ftrengften Maßregeln gegen die Brüder. Ihr Haupt feit Roh's Tode 
(F 1547) — Augufta — Sieht fih bald im Gefängniß (25. April 
1548), die Löniglichen Verbannungsbefehle (den 13. Mai) zwingen 
feine Glaubensgenoffen zur Auswanderung. Diele finden im Lande 
Bofen gute Aufnahme; doch müfjen fie bald weichen und ziehen nach 
Königsberg. Noch jchlimmer drohen die Zeiten zu werden, bejonders 
feit der böhmischen Königswahl Marens (1549, 14. Februar). Nur 
in Mähren behauptet fi die Unität ungefährdet. Wir willen, 
wie allda (April 1530) die Stände entichieden gegen jeden landes- 
fürftlihen Eingriff in die Glaubensfreiheit auftraten. Auguſta und fein 
Freund Bilek ſchmachten in ſchwerer Haft im Kerker zu Bürglig, den 
die Fürſprache und werkthätiges Mitgefühl einer edlen Frau, Philip: 
pine Welſer, zu lindern ſucht. 1554 verbreitet fich das falfche 
Gerüht von der Hinrichtung des Erftgenannten. Neue Mandate 
eriheinen; nur zu Sungbunzlau, in dem Vororte diefer Genofjen- 
ſchaft, halten fich die Brüder gefahrlofer. Es ift die Zeit, mo auch 
der Sejuitenorden unter Führung des Canijius feine Thätigfeit 
beginnt (1555, April), unbehindert duch Grol und Hohn mit zäher 
Ausdauer und kluger Umficht fein Convict (1556), fein Seminar 
in Prag (1559) gründet. 

Die proteftantenfreundlihe Gefinnung Marimilian’s II., des 
Kaiſerſohnes und Thronfolgers erfüllt die gemaßregelten Brüder mit 
neuen Hoffnungen. Ihr Sendbote Jan Blahoslam ſucht zweimal 
in Wien durh Pfauſer auf Mar einzumirten (1555). Die Hoff: 
nungen find aber auf lange Sicht geſtellt. Doch beſſert ſich die 
Sadlage; Ferdinand I. betritt ja felbft die Bahn der Zugeftänd- 
niſſe an den Broteltantismus; wenn er gleih in Böhmen am 
Kelchnerthum feitgehalten willen will; feine Strenge gegen die 
„Sectirer” ftumpft ih ab. Ein wirkſamer Anwalt der Brüder 
wird der faiferliche Hofarzt, dann Leibmedicus Marimilian’s IL, 
Johann Crato von Srafftheim, der Breslauer Bürgersfohn 
(geb. 1519), Schüler Wittenbergs und Luther's Tifchgenoffe, dann 
in Leipzig und Padua zum Arzte gebildet und von Augsburg nad) 
Breslau, endlih nach Wien (1560) überfiedelnd und hier jeit 1563 
ſeßhaft. Crato ift eine Marimilian II. verwandte Natur. Blahos- 
law chreibt einmal über ihn: „An Crato fann die Frage geitellt 
werden, zu welcher Confeſſion er fich befenne. St er ein Calviner, 
ift er ein Zutheraner? Nichts von alldem. Uns will er mit Anderen 
verbinden, jelbft fteht er wie ein Baum vereinfamt in der Wüſte.“ 





276 XIU. Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Maximilian's II. (1526— 1576). 


wird die legte, auf böhmischem Boden gejchriebene evangelifche Con: 
fejlion dem Kaiſer überreicht, welcher auch die heftigen Predigten des 
tatholiihen Probites von Altbunzlau, Wenzel Fronto mipbilligt. 
Zwiſchen dem 22. Auguft und 2. September der Landtagsjejlion 
lag die Entſcheidung. Das erjte Mal lehnt Mar die evangelijche 
Confeſſion höflich ab; aber ebenjo wie ihn die Geldbemilligungsfrage 
angelichts der äußern NReichsnöthen und der polnifchen Frage längit 
in die Enge trieb, fo war es jeßt überdies die Wahl feines Erſt— 
gebornen Rudolph zum Thronfolger. So kündigt der Kaiſer am 
2. September die rüdhaltslofe VBerfiherung zu Gunften ver freien 
Glaubensübung der Evangelifhen an. Fünf Tage Ipäter begannen 
die Verhandlungen über die Wahlcapitulation, den 22. September 
war Rudolph bereits gefrönter König Böhmens. Den gewonnenen 
Erfolg ſuchen gleih die Proteftanten zu feftign. Es kommt zur 
Wahl von 15 Glaubensdefenforen aus den 3 Ständen. 
Hiermit war die Schugwadht des neuen Glaubens geboten. Aber 
jo wie in Defterreih begann auch in Böhmen die Zeit der Irrun—⸗ 
on: Das Weberjchreiten der Schranfen des Bewilligten auf der 
einen, die Einengung der Zugeltändniffe auf der andern Geite. 
Ueber die Glaubenszuftände im Ungarnreiche ift wenig zu 
jagen. Wir verfolgten fie bereits in ihrem Hauptgange bis über 
die Tage Ferdinand’s I. hinaus und haben hier nur Einzelnes nad): 
zutragen. So erjheint in der Schlußzeit des Trienter Concils das 
Schreiben des Primas Nifol aus Olah an die Kirchenverfammlung von 
höchſtem Belange (1563, 25. Mai), da darin mit ſchwerwiegenden 
Belegen für die Geftattung der Priejterehe als nothmendiges Heil- 
mittel eingetreten wird. Weſentlich neue Erjcheinungen find nicht 
zu verzeichnen; nur feitigt fich der Afatholicismus beider Lager, der 
Salvinismus im Magyarenthum, das evangeliihe Bekenntniß in den 
Deutichitäbten und im Slovakenvolke des Oberlandes. Bezeichnend 
it, Daß der Erprobit der Zips, Horväth von Lomnicza, in feinem 
. Teftamente K. Mar zum Bormunde feiner ehelichen Kinder beitellt. 
Anders, um fo wechfelvoller erjcheint die politiide Sad: 
lage des Ungarnreides. 


11. Wie immer, wenn der Thronwechjel eintritt, knüpfen ſich 
viele Wünfche, berufene und unberufene Erwartungen an denjelben. 
So war ed auch ber Fall, ald Mar II. dem Later im Reiche 
Ungarn folgte, der Proteftantenfreund, der leutjelige ſpannkräftige 
Herrſcher in der Volltraft der Jahre. Aber die Getheiltheit des 
Neichsbefiges , die ſtarke Machtitellung bes alten friegsluftigen Sul: 


XIIL Buch: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian's IL. (1826.-1876) 277 


tans Zoliman im Ungarnlande, der nie raitende Parteifrieg und 
das eingewurzelte Mißtrauen der Magyaren wider die „Deutiche 
Herrſchaft“, der Groll gegen das „deutiche Söldnervolk“ — waren 
Verhältniffe, in denen jih Maximilian II. nit jo zurechtfinden 
fonnte, um den überdies widerfprechenden Erwartungen zu genitgen. 
Rur ein kriegeriſcher, rücdjichtslofer König und durchſchlagende Er: 
folge waren da am Plate. Aber im Syeldlager fühlte ſich Mari: 
milian II. nicht heimisch und jcheute kühnes Wagniß im Kampfe. 
Auch fehlte ihm das große Geſchick Tyerdinand’s in praktiſchen 
Staatsfragen. Weberbies gebrach e8 namentlih in’ der erften Zeit 
und auch weiterhin an ausgiebigen Kriegsmitteln; die Geldnoth blieb 
die Klippe der bejtangelegten Unternehmungen. 

Tas wußte am beiten jein waderer Syeldhauptmann Yazarıs 
von Schwendi zu beurtheilen, an deſſen Namen der Krieg mit 
den Zäpolyanern ſeit 1565 geknüpft erjcheint. Der Abkömmling 
eines Schweizer Adelsgejchlechtes, das, nach der Sempadjer Ent: 
ſcheidungsſchlacht (1386) in’s Schwabenland eingewandert, hier eine 
neue Seimath fand, trat Lazar, 1522 zu Schwendi an der Roth 
im würtembergifhen Amte Laupheim geboren, in Faiferliche Dienfte. 
Mit 28 Jahren bereits oberfter Kriegscommiflär, in den weitern 
Beitläuften als tapferer Streiter vor Magdeburg und Meb genannt, 
jpäter in Spanischen Dienjten unter Egmont und dem Mansfelder, 
fo 1558 bei Grävelingen, trat feit 1561 Lazar von Schwendi mit 
K. Ferdinand I. in Unterhandlungen über feinen Eintritt in deutich: 
babsburgifche Dienfte, doch führten fie erft unter Mar II. zum 
Abſchluß. Ein Mann von Bildung, der auch die Feder zu führen 
verftand und gewichtige Nathichläge niederichrieb, in Feld: und 
Staatsiahen, ja auch für die evangelifche Glaubensſache, der er 
eifrig anhing, das Wort Mug und männlich nehmen durfte, verdiente 
er fih bald das Lob der Unbeſtechlichkeit und eines menjchlichen 
Kriegers. Seine Tüchtigkeit in der Führung eines buntichedigen, 
oft ſchlecht oder gar nicht befoldeten Söldnerheeres verdiente nicht 
die übereilten Schmähungen der magyariichen Oppoſition.“) Er 





*) Denn nicht blind war Lazar Schwendi für bie politiſche Sadjlage in 
Ungarn. In jeinen „Bedenken, was wider ben Türken vorzunehmen und wie 
man jich verhalten möge“, eine Denkſchrift v. J. 1566, bie in feiner Apologie: 
„Summariſch gemeiner Bericht, von dem anno (15)66 bis in 67 verfloffenen 
hungariſchen Kriegsweſen mwiber ben Grbfeind“ ihre Ergänzung findet, heißt es 
> 8 .... „bieweil den Ungarn ohnediß das beutfhe Regiment 
verdbadt und verhaßt, fo würbe fi (Fuer Majeftät, fondern Zweifel aus 
faiferlidem Gemüth und Verſtand deſto mehr aller faiferliden (Frzeigung und 


978 XII Buch: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’8 II. (1526—1576). 


und (jeit 1568) fein Nachfolger in der Feldhauptmannichaft, Herr 
Hanns Rueber von Pirendorf, aud Proteftant, Hinterließen 
bei den Deutjchen des Oberlandes ein gutes Andenken. 

Anfang 1565 war Schwendi von Wien nach Eperies gekommen. 
Den Kämpfen gegen die Zäpolyaner unter dem waffentüchtigen 
Stephan Bäthory, die bejonders um Tofaj, Szatmär, Kövär, 
Nagy: und Felfübanya ſich entfpannen, folgten bald Friedensunter- 
bandlungen; denn Mar II. ſuchte den Ausgleid mit Sigmund 3ä- 
polya, wie er auch die Waffenruhe mit der Pforte im Sinne des 
Friedens von 1562 zu erhalten bemüht war, im Gegenfate zur 
Kriegsluft einer Ungarnpartei, deren Seele Niklas Zrinyi mar, 
der Meifter des Kleinen Krieges wider den Türken. 

Sigmund Zäpolya fpielte Doppeltes Spiel; er ſchließt durch 
Bäthory und Stanislaus Nifodi, den Geliebten feiner verftorbenen 
Mutter, der verwittweten Iſabella, mit dem Bevollmächtigten Mari- 
milian’s, Schmendi, Frieden ohne Wiſſen der Pforte; verzichtet auf 
ben Königstitel, erfennt Marimilian’s Oberherrihaft an und verbürgt 
ihm den Anfall feines Beliges bei kinderloſem Hingange, gleich: 
zeitig aber fuchte er durd; Georg Beles, die Gunft der Pforte 
als „erwählter König Ungarns”. Stephan Bäthory arbeitete für 
den weiteren Krieg im Rathe Zäpolya’s und die harten Worte 
des Sultans gegen den Sendboten Marimilian’s Mid. Czernowié, 
jpäter (28. Juni) der Tod des Veziers Ali und Mehemed Szokoli's 
friegeriihe Gefinnung fündigten einen neuen Waffengang des alten 
Sultans an, der noch am Abende feines Lebens Großes gegen 
Habsburg zu vollbringen hoffte. Gleich die erſte freundliche Haltung 
der Pforte hatte den Fürjten Siebenbürgens veranlaßt, um Abände- 
rungen des Szatmärer Geheimvertrages in Wien feilihen zu laſſen 
und als dann Marimilian II. widerſtrebt, ja die Uebereinfunft mit 
Zäpolya dem Sultan eröffnen läßt, um den Fürften Siebenbürgens 
blos zu ftellen, kommt es zum Bruce. Schwendi, Andreas Bäthory 
und Franz Zay, dann der Führer der Jähfifhen Hülfstruppen, 
Gleifenthal, liegen gegen Sigmund Zäpolya und Haſſan Paſcha an 
der Theiß und Szämos im Felde. Der Tadel gegen Schwendi's 


Milde gegen ihnen befleißen und ihnen genießen laffen: denn bereits ein Gejchrei 
unter ihnen gehet, ald ob Euer Majeftät die Zeit ber, meil fie regieret, feinen 
Ungarn ein Gnad erzeigt habe: bie gegen verheißt der Weida (Joh. Sigm. 
Zäpolya) jedermann goldene Berge und gibt auch was er vermag, das verur- 
fachet ihm einen großen Beifall.“ 

Das „Bedenken“ findet ſich volinhaltlich bei Janko 2. Schw. ©. 53—67; 
d. summ. gem. Bericht b. Koch B. ;. G. Mar. IL, J. S. 86—109, 





980 XI. Bud: Die Zeiten Ferdinand's L u. Marimilian’s II. (1526—1576). 


fterblichen Reſte Zrinyi’s an den Tag legte, ſchwindet die Erinnerung 
an die Ermordung Kabianer’s von Zrinyi’s Hand, an das Unruhige, 
Habgierige im Weſen diejes croatifch-ungarifchen Yandherrn; ein ſolcher 
Tod abelt das ganze Leben im Andenken der Nachmelt. 

Dem Szigeter Drama, das durch viele Federn der Zeitgenofjen 
feine Verherrlichung gefunden *) ftellt fich feine Waffenthat des ſtarken 
Raiferheeres an die Seite, das zunächſt bei Altenburg und Komorn 
(jeit Mitte Auguft) Stellung nahm und dann vor Raab lagerte. 
Daß Sziget nicht entjegt wurde, daß die große Armee auseinander: 
ging, fiel den Ungarn ſchwer auf's Herz, und die vorhandene Un—⸗ 
zufriedenheit wuchs. 

Der neue Sultan Selim I. ift dem Frieden mit Mar II. geneigt; 
Dagegen regt ſich Frifcher der Kampf Schwendi's in Oſtungarn mit S. Zaͤpo⸗ 
lya, dem Bundesgenofjen und Vafallen der Türken, mit denen nun der 
Kaiſer den Ausgleich eifrig unterhandeln läßt, jo daß den 17. Februar 
1568 gegen den Wunfch des Fürften Siebenbürgens ein Friede auf 
8 Sahre zu Stande fümmt, der gegen ein jährliches Ehrengeſchenk 
von 30,000 Ducaten an die Pforte den leidigen Stand der Macht— 
verhältniffe im Ungarnreide im alten Stande läßt. Berantius, 
Teuffenbach und Wyß vollbrachten als kaiſerliche Sendboten das 
ſchwierige Werk, das nicht auf den Dank Ungarns rechnen konnte, 
und auch den Kaiſer nicht befriedigte, da die Erklärung des Groß: 
veziers zu Gunften der Wahlfreiheit der Siebenbürger nach Zäpolya’s 
£inderlofem Tode die Ausfichten auf diefes Land kreuzten. 

Auf dem Preßburger Tage (uni 1568), den Mar II. 
jelbft eröffnete, brady der Unmuth der Stände ſchon gegen die 
deutſche Sprache der Regierungsanträge als unerhörte Neuerung los. 
Man glaubte, der Kaifer wolle der Forderung des Augsburger 
Neichstages in einer Hinficht nachkommen und obſchon Marimilian 
diejes Mißverſtändniß zu befeitigen fich mühte und die Stände endlich 
dem Steuerbegehren nachkamen, wuchs die unerquidliche Stimmung. 
Sigmund Zapolya hegt bedenkliche Zukunftspläne. Er ftrebt die 
türkische Vermittlung an, um die Hand der Schweiter des Franzofen- 
königs Karl IX. zu geminnen und fih den Weg zum Throne 
Polens offen zu halten, wenn der letzte kinderloſe Jagellonenkönig 
aus dem Leben fchiede. Franz Forgäcs, der Großmwarbeiner Bifchof 


*) Literatur. Die Belagerung E;iget’8 findet ſich zeitgenöfjifh von 
Forgach, XVI. B.; ECambucus, de Gyulae et Szigeti excidio (f. ſ. N. des 
Bonfinius), Budina (Schwandtner I.), Bizarus, Ulloa u. A. erzählt. Vgl. 
Szaͤmosközy und Iſthvaͤnffy (XXIII. Bud). 


XIH Sf. Ir ca en L — x 


Eier Rınz, wir 23 xerinlter derer um ar Trrmaraliedı 
zus >. Samakertnirern dee Nur Nerertins und Der! 
Berre umvalzu wur. im Jiananr's vSager ader: Geotz 
Bocs kei, vr Anz ns Wernbinzikdun urn. weint Me Ri. 
veraxäcten Ich. Boiciia uud Sterdan Tode, kim Schmint. 
für den zit ansnchtsteien Wlan, Nr Subtuner vom uanurikbm 
Throne ;u dringen und ch demelben zuzurübren 1 156D), Schwendi« 
Radyrolxr im Ulercommunde Nordungarn. Sans Rueder. erdielt 
durch Georg Rakczo. Teremmm umd Kälniin die Anzeige der Ver 
ihwörung; ſelb von der Prorte lichen Warnungen an den Kaiſer 
ein, der nun teines Amtes aegen die Weichuldiaten dandelte. Tier 
Preßburger Augunt-Landtag aeitaltet ch umter dieſem Eindrucke 
gänttiger als die früheren für die Forderungen der Regierung. 

Ja das Mißlingen des ſiebenbürgiſchen Planes. als deſſen 
angebliher Sauptanttitter Kaspar Belein uilt, bewog Dielen, 
den entgegengeiegten Weg, den Ausgleich Sigmund Jäpolua’s mit 
Marimilian, einzuſchlagen. So kommt es am Mühlenbacher 
Beſchluſſe vom 1. Jamar 1579, zur Weißenburger Admachung 
des Fürſten mit den Ständen über die Bedingungen des Friedens: 
werkes, denn die Haltımg der Pforte in letzter Zeit verſprach nichts 
Gutes dem jüngern Zäpolya umd feinem Lane. Boͤlkeſy eilt nad 
Brag zum Kaiſer und begleitet diefen nah Speier. Er und ber 
Polniſche Botichafter Konarski vollzogen allda die Stipulationen mit 
Mar II. — Johamn Sigmund verzihtet auf den ungarifchen Könige: 
titel; doch bleibt er als fouveräner Fürit Siebenbürgens und „Herr 
der Theile Ungarns“ (partes adnexae) Bihar, Mittelſzolnok, Kraßna 
und Marmaroſch und eben jo fein eventueller Nachkomme. Beide 
Theile jchließen ein Schuß: und Trutzbündniß, das begreiflicher Weife 
vor der Pforte geheim bleiben fol. Würde der Fürft Johann 
Sigmund von den Türken verdrängt werden, fo erhält er zur Ent- 
Thädigung die ſchleſiſchen Fürftenthümer Oppeln und NRatibor. 
K. Mar wirbt für ihn um die Hand feiner Nichte, der Tochter 
Albrecht's V. von Bayern. Im Falle des erbenlofen Hinfcheidens 
bes Fürften dürfen die Siebenbürger fi den Nachfolger wählen, 
der den Titel „Wojwode und königlicher Statthalter der verbundenen 
ungarischen Reichstheile” führen fol und zum geheimen Trenefchwure 
an den König Ungarns verpflichtet iſt. Daß dabei Kaspar Velefy 
on fih dachte, ift unzweifelhaft. Die bezüglichen Zuſicherungen 
Marimilian’s werden begreiflih, denn nur fo ließ ſich die Loſung 
Siebenbürgens von der Gewalt der Pforte und die Schutzhoheit 


9829 XIIL Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’s II. (1526—1576). 


Ungarns durchführen. Kühl, zögernd, wurde diejer Vertrag von 
den Ständen Siebenbürgens aufgenommen; denn unter ihnen hatte 
Stephan Bäthory, der Gegner Békeſy's, großen Einfluß. Vol 
Berdruß, daß der ftipulirte Heirathsplan an der Weigerung Bayerns 
fcheiterte, in bejtändiger Furcht vor Racheplänen der Pforte ftarb 
der langeher kränkelnde Fürft mit 31 Jahren (14. März 1571). 
Der herbe Tadel Forgäcs, der feine Ausjchweifungen rügt, iſt nicht 
minder bedenklich ala das Lob jeiner Tugenden durch Michael Brutus; 
aber das Land fonnte nicht über ihn Hagen. Diefer Todesfall ließ 
aber die Ernte Békeſy's nicht reifen; denn Schon am 25. Mai 1571 
ericheint Stephan Bäthory als Wojwode gewählt, der unangenehmite, 
der für Marimilian erftehen fonnte. Der Verſuch des Kaifers, durch 
die Erneuerung Beleiy’s das Geſchehene zu durchfreuzen, mißlingt, 
und jo findet ih Mar bewogen, mit Rüdfiht auf die drohende 
Haltung der Pforte und das Aufdämmern der polniſchen Thron: 
frage, der Anerkennung Bäthory’s Raum zu geben, als dieſer die 
Anerkennung des Speierer Vertrages und Huldigung anbot. 

Das ift der Anlaß zur Betrachtung des PVerhältniffes zwijchen 
Marimilian II. und dem letten Jagellonen, der in finder:, liebe- und 
freubdenlofer Che mit der vermwittweten Schweiter des Habsburgers 
ſeit 1553 verbunden war. Der Schwager des Habsburgers wünſchte 
die Kurfürftenmwürde im deutjchen Reiche als Oberherr Preußens ; 
er ließ durch ſeine Botſchaft die Gefahren dem Kaifer ausmalen, 
welche der ruſſiſche Czar bereite. Swan II. Waftliewic ftrebe ein 
Bündniß mit der Pforte an; er baue auf dem baltischen Meere 
eine Flotte, Türken und Tartaren follten Ungarn und Mähren 
überfallen; Dänemark hetze den Czaren gegen Schweden und Polen. 
Auch die Umtriebe des päpftlichen Stuhles zu Gunften einer Er: 
neuerung der deutſchen Ordensmacht wurden in Umlauf gejekt. 
Maximilian II. hatte alle Urſache, dem polniſchen Schwager äußer: 
lich feinen guten Willen zu bezeugen; denn er hätte ben Kinderloſen 
gern für die habsburgiſche Thronfolge gewonnen. Der Kaifer nahm 
dabei den zweitgebornen Sohn Erzherzog Ernit in Ausſicht. Darüber 
ſollte zwiſchen König und SKaifer in Breslau verhandelt werden, 
doch blieb Mles in der Schwebe. Da ftarb den 7. Suli 1572 der 
legte Jagellone; es begann das polnifhe Wahlreich und eine 
neue europäifche Frage. 

Drei Schweſtern hinterließ Sigismund Auguft, die jüngite, 
unvermählte Anna, Katharina, Schwedens Königin, und die branden- 
burgiſche Kurfürftin Hedwig (F 1573), deren zweite Tochter 
Sophie, feit 1564 die Gattin Wilhelm’s von Rofenberg wurde, 





284 XIII Bud: Die Zeiten Ferdinand's I. u. Marimilian’8 II. (1526— 1576). 


hauſes kann nicht durchdringen. Wilhelm von NRofenberg und 
Stephan Bäthory werden auch genannt, aber jie bewarben ſich nicht 
ernftlih. Nom und Commendone treten den Rüdzug an; man will 
ſich's nicht mit dem Hofe der Valois verderben, der jo eben die 
Ausrottung der Hugenotten im Auge hatte. So fomnt es im 
Mai 1573 zur Wahl des Anjou; eine Thatfache, die jelbit in 
Deutihland. als Kränkung der nationalen Ehre empfunden wurde. 
Aber nicht lange gab es einen Franzojen auf dem Throne Polens, 
denn der Tod Karl's IX. (1574, 30. Mai) beftimmt R. Heinrich, 
bei Nacht und Nebel, jo zu jagen, aus Polen zu entweichen. Den 
19. uni entflieht er aus Krafau nah Wien und die dafige Auf: 
nahme, das Geleite nach Sttalien follten ihm bemeifen, daß Max LI. 
fih alles Grolles entjchlagen habe. Am 1. September zu Rheims 
als K. Heinrich III. gekrönt, fendet er nun Botſchaft nad) Polen und 
hier wird nach langem GStreite Anfangs October K. Heinrich als des 
Thrones enthoben erklärt und auf den November die neue Wahl gelegt. 

Wieder fteigen die Hoffnungen Oeſterreichs. Allerdings 
arbeitet die Pforte für Stephan Bäthory, den Wojmoden Sieben: 
bürgens; der Czar, Rojenberg, Alphons von Carrara erjcheinen als 
Candidaten genannt, es bewarb fi der Schwede, aber die öfter: 
reichiſche Sache von dem Breslauer Bifchofe Gerſtmann, insbejondere 
jedoch von B. Andreas Dudith und Johann Cobenzl vertreten, 
gewinnt an Feftigung, obſchon neben Erzherzog Ernſt aud) der Tiroler 
Ferdinand, Marimilian’s Bruder, vertreten erfcheint. Die Zborowski, 
Czarnowski und andere Mächtige Polens find für Defterreich, während 
der rührige Johann Za mojski, Caſtellan von Belz, der bei der Wahl 
Heinrich’S gegen die Wahl eines Piaften eintrat, jegt für dieſelbe 
eifert. Es werden nun von der antihabsburgiihen Partei zwei 
piaftiihe Candidaten, Johann Koftla, Palatin von Sandomir, und 
Andreas Tencin von Belz, aufgeftellt und als der Senat Beider 
Wahl verworfen und die Litthauerpartei vernehmlich die Warſchauer 
Mahl Marimilian’s, unterftügt von der Mehrheit der Mag- 
noten und des Reichsrathes, den Gnejener Brimas an der Spike, 
durchgeſetzt hatte (merkwürdig genug am gleihen Tage und zur 
gleihen Stunde, an welden der franzöfiihe Prinz zum Könige 
ausgerufen wurde), jtellt die Gegenpartei die Jagellonin Ama 
als Regina Poloniae auf und erklärt ſich auf Zamojski's Betreiben 
endlih für Stephan Bäthory, den Fürften Siebenbürgen®. 
Für diefen hatten die Sendboten Georg Blandrata und Martin 
Berzeviczy gewirkt und namentlich durch Zamojsfi und den Krakauer 
Kaſtellan Zboromwsti die Galizier, Belzer und ſämmtliche Piaſten⸗ 


XI. ud: Te Seoer semncenm 5 L x Rarmihar's IL ı 15.26 1506). 285 


freunde aemrunn Tie Rrarı meter Bari lag im Reichsadel, 
bie der murrabühee m nen Zenaiorten Rolens. So murben 
in der Daribauer Bura Rarimiion, aut mem Markte Anna und 
Sterhan Bärhorn als Konige ausgeruien (14. December 1575). 
Au beide Nabltimige ididten mm die Parteien ihre Sendboten. Aber 
ber Audrieiomwer Zaa «ine im Febrnor 1576 den wachſenden 
Abfall von ner Sade Barimilian's, togdem Dudith und Wilhelm 
von Roſenberg ihre ganze Bereviamfeir aufboten, Marimilian an die 
Unterzeidenumg ver Kablcavimlarion (Der pacta conventa) die Be 
reitwilligfeu Imüupiie, ieinen Sohn Era mit der Jagellon in Auna 
zu vermählen und Alles veriudyie, Baıhorn von der Rebenbublerichaft 
abzumabnen. Bärhorn batıe ic jedoch längit beeilt, die pacta con- 
venta zu ımiereicdnen und die Reite nach Polen anzutreten, wurde 
am 1. Mai 1576 zu Krakau gefröont und vermählte iih Tags 
darauf mi Anne So überholten widrige Ereigniſſe die Pläne 
Marimilian's II., und der Tod riß ihn aus dem Geben, noch bevor 
er die verhängnitvolle Wahl zwiidhen einem Kriege mit Bathory 
und der dietem verbünbeten Prorte und dem Verzichte auf die Krone 
Bolens getroren hatte. ”) 


12. Zu den legten Lebensarbeiten Marimilian's II. zählte die 
deutihe Königsmwahl jeines Eritgeborenen. Sein vertrauter 
Ratgeber Lazar von Schwendi drang darauf in jeinem Gutachten 
über die Haltung des Kaiſers zu dem immer weiter um fich greifenden 
Kriege in den Niederlanden. Tie Wahl erfolgt, wie bereits an an- 
derer Stelle zur Sprache fam, den 27. October 1575. Der neu 
ausbrechende Türfenfrieg in Ungarn (feit 1574), die VBerwidlungen 
mit Bäthory, dem glüdliheren Bewerber um Polens Krone, lafjen 
die Hülfe des Reiches wieder nothwendig erjcheinen. Auch in Böhmen 
fol gegen die überhandnehmende Firhliche Neuerung ein Damm ge: 
jegt werben. 

Krank war Marimilian II. auf den Regensburger Tag (Juni 
1576) gelommen. Am Tage bes Reichstagabſchiedes, 12. October, 
ftarb er ruhig, gefaßt, den Thronfolger an der Seite, nad) längerer 
Unterredung mit demfelben. „Meine glüdlichjte Stunde iſt gefommen“, 
ſprach er im Angefichte des Todes, und d'Aalmazon, der Botjchafter 


*) Piteratur. 3. Geſch. d. poln. Thronbewerbung Marimilian’s II. vgl. 
no: Ranke, Franz. Geſch. L; Droyfen, Gef. d. preuß. Pol., IL, 2.; 
Märder, Sophie von Rofenberg (1864); Herrmann, Geſch. d. ruff. R., TIL. 








288 XII. Bud: Die Zeiten Ferdinand's J. u. Marimilian’s IL. (1526— 1576). 


feiner Zeit in die folgende hinüberlebten, vermißten ihn immer 
fchmerzlicher am Throne und wurden auf diefe Weife feine beiten 
Apologeten. 

Nicht ohne tieferes Sinnen geht man an der Epoche von 1519 
bis 1576 vorüber, um fich der nächſten zuzumenden, die zwiſchen 
den Jahren 1576 und 1618 liegt. Dort feſſelt ein großartig be- 
wegtes Geſchichtsleben auf allen Gebieten menjchlicher Intereſſen das 
geiftige Auge und inmitten defjelben eine ſchwungvolle, zielgerechte 
Volitif des Haufes Defterreich, die nur in den legten Decennien an 
diefem Schwunge Manches einbüßt. Anders ift es mit der %olge- 
zeit beftellt; — einer an bedeutenden Verhältniſſen und Männern 
ärmeren, einer jchwülen, unerquidlihen Zeit, voll elektrifcher Span: 
nungen, die nach gewaltjamer Entladung ringen. Das Haus Habs- 
burg entbehrt des fichern Steuermannes; innerer Unfriede, äußere 
Gefahren ftellen eine ſchwere Prüfung in Ausficht, die es nicht be- 
ftehen werde. Daß es Ddiefelbe beitand, findet in der einigenden 
Macht der Intereifen, für die Theile des Staatsganzen, in der Un- 
einigfeit der Gegner und in dem feiten Glauben der Dynaftie an 
ihren Sieg feine Erklärung. 


Bierzehntes Bud. 
Die Zeiten Rudolph's IL. und Mathias’ (1576—1618). 


Allgemeine Literatur. 


Quellen. (Urkundenſammlungen, Gejchichtichreiber u. |. mw.) Lünig, 
T., Reichsarchiv; Yondorp, Contin. Sleidani (bis 1609). 3 T. (1619--1621); 
von demf. der rom. K. Maj. u. des 5. R. R. Acta publica..... mit Fort]. 
von Mayer von 1546 — 1641 (Frankfurt 1669— 1667) und weiterhin (bis 
1691) 12 Bde. o. Ander v. %. 1702, 4. A. (Tüb. 1739—41); D. Schadäus, 
Sleidani continuatio, Pars 1—4 (deutjch bis 1619; zur Ueberf. des Sleidanus 
ſ. 1. u. 2. Th. nad Lautenbach und Beuther.) (Straßburg 1620 ff.); 
(#ottfried (vgl. Abelin), hiſt. Ehron. bi8 1619 (Frankf. 1630 ff.); Leh— 
mann (de pace relig. acta publ. et orig., bis 1613 erſch., Frankf. 1707), 
suppletus et continuatus biß 1648, II. 3b. bis in’s 18. Jahrh. (1710 ff.); 
Meteranus novus mahrhajite Beſchr. ꝛc. reicht bis 1630. (Den Kern bilden 
die Aufz. des E. van Meteren über den nieberl. Krieg u. d. deutſchen Reichs— 
jahen, Arnheim 1620 f. u. Amſterdam 1640 f.) P. Piasecii chron. gest. 
in Europa ab a. 1576—1646 (1648) (Amijt. 1648); D. Ehyträus, Chron. 
Saxoniae et vic. orbis, 1. N. Greifsw. 1590, die 3. X. Leipzig 1611 (reicht 
bis 1611); Xittorio Siri, Memorie recondite (1601 —1640), 1. A. 1640 ff. 
(Raris u. Won). N. A. i. Franz. v. Requier (Paris 1757 — 1758). Die 
Fortjſ. eridien u. d. T. Mercurio overo hist. di correnti tempi. 

Mich. Eitzinger, Beichreibung ... . (1597); C. Ens f. u. Speciallitera: 
tur Franz CH. Khevenbiller (+ 1650), Annales Ferdinandi o. wahrhafite 
Beſchr. K. Ferdinandi IL... . Geburth, Aufierziehung ꝛc. (1578— 1637) (1.1. 
Regensburg 1640— 1646, 9 Thle., reiht biß 1622; 2. A., Leipzig 1716— 1726, 
durh 3 Ve. Tert u. 2 Bde. Bildniſſe verm., reicht bis 1637). Kritif Kheven— 
hiller's v. D. Runde „Ueber die gegenmw. Beſchaff. der Khevenhill. Annalen“. 
Deutſches Muf. (1777), 2. Bd., ©. 403—417. — Derf.: Khevenhiller's Ferdin. 
Jahrb. i. e. pragm. Auszug gebr. u. bericht. (Leipzig 1778 bis 81), 4 Thle. 
(reiht nur bis 1597). 

%. Barvitius (Rubolph’3 II. Secr.), Divi Rudolphi Imp. epp. ineditae 
... ber. von Grafen Pace (Wien 1771) (beb. blog Papſwahlen, die poln. An- 

Krones, Geld. Oeſterreichs. IIL 19 


290 Literatur zum XIV. Buche 


geleg. u. etwas v. Türfenfr.; Ang. Gisl. Busbequiiepp. ad Rudolphum II. 
imperat. ab a. 1582, Paris, scrr. (Lugd. Bat. 1623 f.). 

Nic. Friſchlin, Panegyr. Rudolpho R. regi dicatus (Tub. 1577) 
(vgl. D. Strauß über N. Friſchlin); Petri Lotichii rer. germ. sub 
Mathia, Ferd. II. et III. gest. (Frankfurt 1646, 1650). Außer den Monogr. 
v. Gambſius, den Ranegyrifen v. Miräus, Helvicus ....B & Struve, 
Diss. de Rudolpho II. et Mathia Imper. Imm. ®eber, Sylloge rer. prac- 
cip. temp. Mathiae Caes. in Europ. gest. (Gießen 1701). 

Allg. Hülfsmwerfe (vgl. XIIL. Bud). Häberlin, D. R.G., X. bis 
XXII., die ®Werfe v. Ranfe, Droyien, Raumer, C. A. Menzel.... 
Hurter, Geh. K. Ferdinand's IL u. f. Eltern (1.—8. Bd. reiht v. 1564 
bis 1619); Maijlath, Geſch. des K. Oefterr., II. Bd. Die Speciallitera- 
tur am betreffenden Orte; insbeſ. 4., 6. Abjchnitt. 

Nachtrag z. XL. B., ©. 267: Reitzes, 3. Geld. d. relig Wand: 
lung Mar II., mit bish. ungedr. Urk. aus b. ftäbt. Arc. 3. Wien (1870). 


Inhaltsüberficht. 


1. Rudolph II. und jeine Brüder. 2. Die deutſche Reichsfrage und 
Kaifer Rudolph II. (1576-1600). 3. Lie polnifche Thronfrage (1986—87), 
Ungarn und Siebenbürgen, ber Türfenfrieg bis 1600. 4. Die Verhältniffe in 
ben deutſchen Erblanden; die Glaubensfrage und der Bauernfrieg am Schluffe 
des 16. Zahrhunberts. 5. Tirol und Inneröſterreich von 1564 — 1600. 
6. Die religiöfe und politifhe Bewegung im Ungarnreiche (1600-1606). 7. 
Die deutihen und böhmiſchen Erblande bis zum Wiener Frieden. 8. Der Thron: 
fampf ber babsburgifchen Brüder (1606—1611). 9. Mathias und Minijter 
Khleſl (1611-—-1617). 10. Inneröjterreih; die Thronfolge Ferdinand's II. 
und die Anfänge der großen Krije. 


1. 8. Rudolph II. und feine Brüder. 


Ueberiht: Marimilian's II. Familie (15 Kinder, 6 unmündigen 
Alters gejtorben). 

Söhne: 

2. Rudolph I. geb. 18. Juli 1552. K. v. Ungarn 25. Sept. 1572, 
K. v. Böhmen 22. Sept.; röm.:deutfcher K. 1. Nov. 1575; Kaijer 12. Oct. 1576. 
> ımvermählt 20. Janunar 1612. 

3. Ernſt, geb. 15. Juni 1553; 1577 Statthalter des Landes Vefterreich 
u. Ungarns; 1591, Januar, bis 1593 Verweſer 0. Regent Auneröjterreichs, 
ftatt des minderjährigen Ländererben. 1593 DO. Statthalter der jpan. Nieder: 
lande. + bier 20. Febr. 1595 unvermählt. 

4. Mathias, geb. 24. Febr. 1557; N. Oct. 1577 als Oberftatthalter 
v. e. Partei i. d. fpan. Niederlande berufen. 13. Januar 1578 Ginzug in 
Prüffel; 1581, Juli, legt er die Stelle nieder; Rückkehr nach Oeſterr. (im Herbſte). 
— Linzer Internirung. — 1590 Statth. v. Defterreih. 1594 Statth. u. O.⸗ 
Feldherr i. Ungarı und Vertreter des Faif. Bruders im Reiche. 19. Nov. 1608 
K. v. U. 23. Mai 1611 K. v. B., 13. Juni 1612 Wahl z. Kaifer, 24. Juni 
- Krönung; ſeit 4. Dec. 1611 mit Auna, T. Erzh. Ferdinand's (II.) v. Tirol, 
aus deſſen 2. Ehe verm., F kinderlos 20. März 1619. 

d. Maximilian (III.), geb. 12. Oct. 1558; 1585 gewählter deutſcher 
Ordensmeiſter, gew. z. K. Polens 22. Aug. 1587; gefangen b. Pitſchen 25. Ja⸗ 
nuar 1588; Verzicht auf den poln. Königstitel im Beuthen-Bendziner Frieden v. 
28. Juli 1589, 1593 bis z. Sommer 1596 Regent o. Verweſer Inneröſterreichs, 
1595 Hochmeiſter des deutſchen Ordens, im März 1596 z. Feldoberſten in Ober: 
Ungarn ernannt. 1602, 3. Juli, v. Kaiſer R. zum eriten Verweſer o. Guber—⸗ 
nator Tirols u. d. Vorlande beſtellt, j. 1612 Regent, F 1618, 2. Nov. 

6. Albrecht, geb. 13. Nov. 1559; Gardinal 1577; 1583 Statthalter v. 
Rortugal; 1594—1598 Erzb. v. Toledo und Prima von Spanien; 1595 O.⸗ 
Statth. der ſpan. Niederlande, 1593, 6. Mai, verlobt und 1599, 18. April, 
mit der T. Philipp's II., Clara Iſabella Eugenia, vermählt und mit den fpan. 
Niederlanden, Burgund und Charolais belehnt (6. Mai 1598 PVerzichtrevers der 
Infantin; ©. Albrecht's interim. Stellvertr. 1598,99 in den Niederlanden: Garbi- 
nalbifhof Andreas, S. Erzh. Ferd. II. v. Tirol). + kinderlos 30. Nov. 1633. 

1. Wenceslaus, geb. 10. März 1561; 7 als Grofprior des Faitil. Johan: 
niterordens 22. Sept. 1578. 

Töchter: 

1. Anna, geb. 2. Nov. 1549, 7 26. Dec. 1580; Gem. ſ. 12. Nov. 1571 
K. Philipp's II. v. Spanien. 

2. Glifabeth, geb. 5. Juni 1554, + i. Wiener Klofter 22. Januar 1592; 
Gem. K. Karl's IX. v. Frankreich (+ 1574, 30. Mai). 

19* 


2923 XIV. Bud: Tie Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576---1618). 


Gleichzeitige Gewalthaber. Päpſte: Gregor XIII. ( Buoncompagıri ) 
1572, 7 1585; Sirtus V. (Peretti), 7 1590; Urban VIIL (Gajtagna), 
nach 12 Tagen; Gregor XIV, (Sfondrai), T nah 24 Zagen (E. 1590); 
Innocenz IX. (Kachinetti), gew. 5. Dec. 1591, 7 30. Dec.; Glemens VIL. 
(Aldobrandini), geb. 30. Januar 1592, F 1605; (Xeo XT.); Paul V. (Borgheje), 
1605, + 1621. — Sultane: Murad IIL., + 159%; Mohamed TIL (+ 1603). 
Ahmed L, + 1617; Muitafa L, 1618; Oman IL, + 1622. — Gzaren: 
Swan II. Waſilieiwiè, 1584; Feodor L., ; 1598; Boris Godunow bis 1605. 
Haus Romanom |. 1613. 

Spanien:Rortugal: Philipp IT., + 18. Sept. 1508; Bhilipp III. 
Frankreich: Heinrich III., erm. 1. Aug. 1589, der legte Valois; Heinrih IV. 
der erfie Bourbon, ern. 1610, 14. Mai. Ludwig XIII. England: Elijabeth 
199° — 16035 Schottland, Safob V., Stuart, 1589—1603, in England 
1605, + 1625. 

Tänemarf:Normwegen: Friedrich IL, 1559 — 1588; Chriſtian IV. 
(1588—-1648). Schweden: Haus Waſa (1577 Erich XIV. vergiftet): 8. Io: 
bann (1568—1592); f. :Thronfolger I. Sigismund auf d. poln. Thron |. 1587 
und zugleich in Schweden bis 1604. KarlIX., + 1611; Guſtav Adolph. Polen: 
K. Stephan (Bäthory), 7 1586; Haus Wafa: Sigismund (1587— 1632). 


Rudolph II., der ältefte der Söhne Marimilian’s II., die 
zu ihren Jahren famen, trug den Namen des Ahnherrn Jeines Hauſes 
und eines der bebdeutendften Herzoge des habsburgiſch-öſterreichiſchen 
Etammes ; aber ihm war nicht ihre politiiche Begabung, ihre Willens: 
traft beſchieden. Die entjcheidendfte Lebenszeit, in welcher der Cha- 
after ſich bildet, verlebte er am ſpaniſchen Hofe Philipp's II., 
jeines Ohms und Schwagers. Von dort hatte er tief greifende Ein: 
drüde von königlicher Allgewalt in ftaatlihen und Glaubensdingen, 
fteifer Förmlichkeit und düfteren, abgejchloffenen Herrſcherthums mit: 
gebracht, — nicht aber auch das, was an dem jpanifchen Herricher 
bei aller Verkehrtheit des Grundgedanfens anerkannt bleiben muß, 
bie unermüdliche Arbeitsfraft des Regenten im Großen und Kleinen. 
Die melandoliihe Gemüthsanlage, die rege Empfänglichkeit für 
Wiffenihaft und Kunft, welche ebenjo wie feine jeltenen Sprad): 
kenntniſſe (Deutſch, Böhmisch, Spanish, Franzöfifch, Italieniſch, La: 
tein) an feinen Großoheim und mütterlichen Großvater, Karl V., 
erinnern, verbanden ſich nicht mit defien großem politiichen Blicke 
und Thatendrange,; ihm war aud) nichts von dem rührigen, leut- 
jeligen Wefen des Vaters eigen, wohl aber deſſen empfindliches, 
zögerndes, ſchwankendes Weſen; nur fteigert es fich früh bei jener 
Gemüthsanlage und den unangenehmen Eindrüden der Herricher: 





294 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's IL. und Mathias’ (1576— 1618). 


nächſten Verwandten, jeinen Brüdern, bald zerfallen, nicht gefürchtet, 
wenig geachtet und unbeliebt, — er jah nicht die lange fich anmeldenden 
Gefahren — und ebenfo, wie er drei Decennien lang mit Heiraths- 
gedanken ſich trug, um dennoch einfam, unvermählt, mit bitteren 
Erinnerungen an feine natürlichen Sprößlinge, zu fterben, — konnte 
er es nie über's Herz bringen, diefen Gefahren mannhaft zu begegnen, 
bis es längit zu jpät war. 

Kürzer können wir uns über Nudolph’s Brüder faffen, fie find 
nicht in ſolchem Grade fo eigenthümliche pſychologiſche Erjcheinungen, 
feine jo problematijchen Naturen. Erzh. Ernft erjcheint als ſtreng⸗ 
gläubiger Katholif von geradem Weſen und regem Pflichtgefühle 
in feinen hohen amtlichen Stellungen. — Dem nädjitältern Bruder 
de3 Kaiſers, Mathias, war ein ehrgeiziger Sinn gegeben, aber 
mittelmäßige Anlagen. Praktiſcher angelegt als Rudolph, gejchmei: 
dDiger, aber ſchwächlich an Körper und Seele, wie diefer, bedurfte er 
eines ſtärkeren Geiltes zur Verwirklihung hochitrebender Gedanken, 
wie er ihn dann feit der Uebernahme der Statthalterfchaft Deiterreichs 
an dem Biſchofe Khlejl fand. Sein eriter felbftändiger Schritt in’s 
große Leben war die verunglücte Einmifhung in die niederlän— 
diſchen Wirren, als ihn eine Partei dafelbit, unzufrieden mit 
Spanien, aber auch mit dem Prinzen von Dranien ald Nueward, 
in’s Land rief.” Seine Nolle, undanfbar, aber feinem Charakter 
nicht abträglich, war bald ausgejpielt, denn Epanien war über diejen 
Schritt höchlichſt erbittert und anbererjeits trieben die Norditaaten 
(1581, 26. Juli) zur fürmlichen Losjagung von der ſpaniſchen 
Herrſchaft. Mathias muß nun aus dem Lande meichen und für 
dieſe Miffion gegen Willen und Willen feines Taiferlicden Bruders, 
bes Familienhauptes, unternommen, durch die Ungnade Rudolph's 
und längere Internirung büßen. Das glich ſich allerdings äußerlich) 
wieder aus, ja die Paſſivität Rudolph's häufte allgemach auf ihn 
die einflußreichſten Stellvertretungen, aber die gegenfeitige, vielleicht 
angeborene Abneigung blieb, und eben diejer Einfluß, die Ereignifje 
in ihrer zwingenden Gewalt, auf der andern Seite die Unthätigfeit 
Rudolph's Ienkten dann den Blid Mathias’ einem verhängnißvolln 
Ziele zu und ließen auch die anderen, jüngeren, Brüder, Marimilian 
und Albert, den Gedanken faſſen, daß Mathias der eigentliche thätige 
Leiter des Haufes ei. 

Von diejen beiden dir fräftigere Charakter, ja von Allen der 
entfchloffenfte, war Erzb. Marimilian (III.), ber es nie vergaß, 
daß fein faiferlicher Bruder ihn fo bald in der polnifhen Thron: 
frage preisgab und dem bei feinem thätigen, bis zur äußerften 





296 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576— 1613). 


Then Haufe. Ale übrigen Kur: und Neichsfürjten weltlicher Art 
gehörten dem evangelifchen oder reformirten Bekenntniſſe an, jenes 
mit Kurſachſen, diejes mit ver Kurpfalz an der Spite. Nun 
aber übertrat (1582) auch Gebhard, Erzbiichof von Köln, zur neuen 
Lehre und verehelichte ih. Sein Plan, auch unter diefen Verhält: 
niffen das Erzitift zu behaupten, jcheiterte zwar, ‚und es gelangte 
der bayeriſche Prinz Ernit durch Wahl und Warfengewalt "zum Be- 
fiße Kurkölns (1584); aber bald wiederholte fi in anderer Form 
der Streit zwiſchen Broteftantismus und Katholicismus im Kanıpfe 
um das Bisthum Straßburg (1584). Daß in beiden Fällen 
die Fatholiiche Partei fiegte, beweiſt, wie fehr fie ihre Kräfte an- 
ſpannte, um nicht aus den widtigiten Stellen gedrängt zu werden 
und wie jie dabei von innern Zwiejpalte der Evangeliſchen und 
Keformirten begünftigt wurde. Wir dürfen bei Unbefangenheit des 
Urtheils nicht leugnen, daß die katholiſche Partei allen Anlaß hatte, 
fih feiter zu verbinden, denn fie bejorgte eine förmliche Ver— 
fehbrung der früheren Rechts- und Beligverhältnijie. 
Die proteftantiichen Adminiſtratoren Fatholiicher Bisthümer, wie z. 3. 
der Magdeburger, alfo fürmliche evangelifche Biichöfe, wollten Rang, 
Si und Stimme im Neichstage behalten, was ebenjo begreiflich 
erjcheint, als das Widerſtreben der Katholifchen, welche nur der fa- 
tholiſchen Hand die Rechtmäßigkeit eines ſolchen Anſpruches zuerfannt 
willen wollten. Ebenjo ‚ftrebten die Reichsſtädte immer mehr den 
kirchlichen Umſchwung an, und auf dem ganzen Boden Deutjchlands 
wachſen die Säcularifationen in größter Fülle, allerdings aus Natur: 
nothwendigfeit, aber um fo ftörender für die Katholiſchen. Als daher 
der Cardinalbiihof von Trient, Ludwig (Freiherr von Madruzzo, 
T 1600), jeit 1582 dreimal als päpftlicher Legat Gregor’s XIII. 
und Sirtus’ V. jeit 1582 in’s Neich kam, konnte es ihm nicht ſchwer 
fallen, die Katholiihen auf die Gefährlichkeit diefer Vorgänge zu 
verweiſen und zur feiten Einigung zu mahnen. 

Auf der andern Seite Elagten die Protejtantijchen über Die 
Parteilichfeit des vorwiegend katholiſchen Reichskammergerichts, 
des Taijerlihen Reichshofrathes, benahmen fich gegenüber den 
Taijerlihen Geld: und Truppenforderungen für den Türfenfrieg 
Ihmwierig, und nirgends erjcheint ihr Mißtrauen gegen die Reſtau— 
rationspläne des „Papismus“ greller, als in dem Anfämpfen gegen 
die Einführung des verbefjerten oder fogenannten gregorianiſchen 
Kalenders (jeit 1583). 

Bei dieſer Epannung war bereit der Keim zu dein beiden 
großen Fürjtenbündnifien gegeben, deren eines, das Bündniß der 


XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576— 1618). 297 


Reformirten, die jogenannte Union, die „Eorrefpondirenden” — 
wie fie fi) nannten — bald nad) jenem Torgauer Fürftentage (1591, 
13. Februar) beftimmtere Geftalt gewinnt, auf welchem ſich der 
ſächſiſche Kurfürft Chriftian I. (1586, F 1591) und der Kurpfälzer 
Johann Kafimir, Oheim und Vormund Friedrich's IV. (bis 1593), 
mit Brandenburg, Heſſen, Braunſchweig, Anſpach, Mecdlenburg und 
Magdeburg über ein Bündniß einigten. Denn gleich liefen wieder 
die Wege Sachlens und der Pfalz unnahbar auseinander; die leßtere 
ftellt fih an die Spite des Bünbniffes, das 1594 zu Heilbronn, 
1598 zu Frankfurt als „Union“ anhebt. Später wird ihre Seele, 
oder doch ihr planreihfter Führer, Chriftian, Fürft von An: 
balt-Bernburg, die. redhte Hand des Pfälzer Unionhauptes. 
Um dieſelbe Zeit erwuchs aber auch den Katholifchen der bedentendite 
Führer. Herzog Marimilian von Bayern (geb. 1572), dem 1597 
jein Vater Wilhelm die Regierung abtrat, weitaus überlegen dem 
furpfälziichen Vetter und jpäter das Haupt der Liga. 

Und zwiſchen den fich bildenden Heerlagern der Parteien, in- 
mitten der fteigenden Reichswirren jah der Kaijer mit verſchränkten 
Armen aus der Ferne zu. Aber ihm war auch der jchlaue Gedanke 
nicht eigen, den Kampf zu jchüren und als Dritter den Nugen zu 
ziehen. 


3. Die polnifhe Thronfrage. Ungarn und Siebenbürgen; der 
Zürfentrieg bis 1600. 


Literatur (vgl. XIII. Bud; insbef. Abſchnitt 11). Die poln. Thron: 
frage: Caro, Das Interregnum Polens i. J. 1587 und die Parteifämpfe der 
Häufer Zborowski und Zamojski (Gotha 1861); E. v. Mayer, Tes Olmützer 
B. Stan. Pawlowski Geſandtſchaftsreiſen nach Polen (1861); Sieniamwsfi, 
De interregno, quod fuit in Polonia post Stephani regis discessum, pars D. 
de comitiis ad novum regem elig. a. 1587 .... habitis, Bresl. Diff. 
(1869) (ber ſich befonder8 an Szujski, dzieje Polski, III., in Bezug der 
Quellen und der Auffaffung lehnt und gegen Caro und Mayer polemijirt), Das 
Urfundtihe in Dagiel, Cod. dip. Polon., I. u. b. Giampi, bibl. crit., L 
Veber die anderweitigen Quellen j. d. cit. Monographieen. 

3. die Gef. Ungarns: Pray, epp. procerum, III. Urkundl. in Hat: 
voni (Horväth) Brüffeler Ar. (Monum. Hung., II. A.), 3. 3%. — n. 
Simonyi, Londoner Arch, Monum. Hung., V. %.; Török-magyar. 
ällamokmänytär, 5. v. Szilädi u. Szilägyi a. a. D. Die Briefe 
Stephan Baäthory's v. 1576— 1585, 5. von Otvös i. 8. Bde. des Magyar. 
tört. tar; Kovachich, Vestigia comitiorum Suppl. III.; Katona, XXVII, 


298 XIV. Buch: Die Zeiten Rudolph's 11. und Mathias’ (1576— 1618). 


XXVIHI Bd. (worin auch das Tagebuh Zavodſzky's, vgl. Bel, Adpar. 
ad hist. Hung., u. Sebaftian Tökölyi's Aufzeichnungen benüßt erjcheinen). 

Die zeitgenöſſ. Chroniken, abgef. v. d. in Kovadid, ser. rer. hung. 
minores abgedr., v. oh. Déôcſy (Decius) aus Barona (h. v. Toldy i. 17. Bde. 
der scr. Monum. Hung. 1866) (159%2—1598, lat.); Gr. Stephan Illéshäzy 
(1592— 1603); Franz Mikö v. Hidveg (1594— 1613) (h. v. Kazinczy im 7. Bde. 
der ser. Monum. Hung. 1863, in magyar. Spr. geſchr.). Tie von Toldy 
u. d. N. Sarospataki magyar kronika (1523— 1615) herausg. Jahrbücher jind, 
wie er jelbjt fpäter einfah, dem Math. Laszlö o. Laczkö von Szepii zuge: 
börig, richtiger gejagt, mit deſſen Chronik identiſch. Diefe gab mit anderen ma: 
gyarifch gejchr. zeitgen. Nahrb., 3. B. dein Memoriale des Franz Szabö, Graf 
Emer. Milo in den Beitr. 3. fiebenb. Geſch. (Erdelyi tört adatok, I.) heraus. 
Szämosközy ſ. 0.1, IT., vgl. S;alärdi, siralmas magyar kron. (trauernde 
ung. Chronif) (Reith 1852). Hauptquellen find überdies f. Siebenbürgen: 
Wolfg. Bethlen (IV., V.) f. o. daS Chron. Fuchsio — Oltardo - Lupinum 
(ſ. 0.); Iſtſthuanffy, das in Sf. Kemeny:- Traufhenfels „Zundgruben” 
(ſ. 0.) Geſammelte; Miles, fiebenb. Würgengel (1670); Katona a. a. O.; 
Telller: Klein, 4; Majläth, G. d. Magyar., 3., 4. Bd., Geſch. Deiterr., 
2.28. VBgl. auh Engel, Geſch. d. Nebenl. d. ung. R., 4. Bd.; Horväth, 
3. Bd; Szalay, 4. Bd.; Teutſch, Geh. d. fiebend. Sachſen; Szlägyi, 
Sammer, 5. Bd.; Zinkeiſen, 3. Bd.; Pray, dissert., VII., in annales 
Hung.; Hatvani(Sorväth), Raizok a magyar tört., ©. 502—511 (Actenm. 
Tarit. d. Verſchwörung gegen Sig. Bäthory, 1594); Gf. Kemeny über bie 
gef. Bündn. K. Rubolph'3 II. und Sigismund Bäthory's im Ü’) magyar ınuz. 
(1855). Vgl. j. Abb. über den wallach. Wojw. Michael im tört. tar, II. 
(1857). Die fpeciellere Fit.:Ang. i. Teutſch, „Abrik d. Geſch. Siebenbürgens“, 
3. Aufl. Tas Quellenmäßige 3. Geih. d. Türfenfriege in d. Sammlung 
v. Reusner, rerum memorab. in Pann. gest. — Ortelius redivivus: 
Chronologia o. hijt. Beſchr. aller Kriegsempör. u. |. w. i. D.: u. U. Ungarn, 
auch Siebenbürgen mit den Türken v. 1495 bis gegenw. Zt. (Nürnberg 1604) 
3 Ihle. Qal. auch Hormayr's Arch., 13. Bd., und das für die ganze Geſch. 
d. Türfenherrfhaft in U. wichtige Werf v. Salamon, A magyarorz. a török 
höditäs koräban. (1864). Vgl. aud) die Monographien: GabIman, Mans- 
feldiana militia Hungara. (Frankf. 1597); über Adolph v. Schwarzenberg: Ber: 
ger, d. Fürſtenhaus Schwarzenberg, Defterr. Revue, XI., XII. H. (1866), Sep.:N. 
Mörarh, Ber. 3. rhein. Linie des F.“H. Schw., Berg’fcher Geſch.-Ver. 1877. In 
jüngfter Zeit bietet die Monogr. Schuler von Libloy’8 „Aus der Türken— 
und Jeſuitenzeit vor u. n. 1600, hiſt. Darftell., zumal Fürften- und Volksgeſchichte 
i. d. Karpathenländern“ (Berlin, Grieben, 1877) manches Belangreiche. 


Chronologiſche Ueberjidten der Ereignifje Siebenbürgend 
und Ungarns (1576—1600). 
Siebenbürgen. 15:6: Chriſtoph Bäthory, Nachfolger feines Br. 
Stephan’s, des poln. Wahlf., in der Wojwodſchaft Siebenbürgen (1579, 
26. März, Albert Huet, geb. 1537 als Sacdfengraf, vom Fürftenwojmoden 


XIV. Buch: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576—1618). 299 


anerfannt). 1581, 28. Mai: + Chriftoph B., Nachfolger j. 9j. Sohn Sigis- 
mund — Regentihaft — 1585 Statthalter Johann Géczi (+ 1588) (1586, 
13. Dec., FR. Stephan ®.). 1588, Dec.: Mediafcher Landtag; Sturm gegen 
die Jeſuiten. Verbannung derfelben. 23. Dec.: Regierungsantritt Sigi3- 
mund B.'s. Beziehungen 3. 8. Rudolph II. und dem Papſte. 1590, Nov.: 
Einführung des gregorian. Kalenders. 1591, 10. Juni: Albert Huet’3 Apologie 
f. die jächliiche Nation am Weißenburger Tage, 1594: Sigismund B.'s Geheim: 
fendungen an K. Rubolph II. Die Verf hmwörung gegen den Fürften. 27. Juli 
zieht jich derfelbe nach Kövar zurüd. Auguft 27., 29.: Der Tordaer Bluttag. 
1595, 28. Januar: Prager Bündniß und Erbvertrag mit 8. Rubolph IL., 
von den ung. Ständen beftätigt. 5. März: Sigismund B.'s Verlobung mit 
Maria Ehriftina, T. Erzh. Karl’ v. Inneröfterreih; 6. Aug.: Weißenburger 
Hochzeit. Sigismund’ Reife nad) Prag u. Inner-Oeſterr. October, fiegreiche 
Känpfe Bäthory's und des wall. Wojwoden Michael gegen die Türken. 
Machthöhe Bäathory’s. 1597, 23. Dee.: Neuer Prager Vertrag. 
Gefjion Siebenbürgend. 1598, 23. März: PVerlautbarung der Abmachung. 
10. April: Abdanfung ©. Buͤthory's. Aug.: Sig. B. wieder Regent. 1599, Aug.: 
Neuer Gejlionsantrag an d. K. (Aprib, Cardinal Andr. Batbory (29. März: 
Huldigung der Stände). Michael, Wojwode der Walladei, gegen 9. 
Bathory. Ter Gardinal:Wojwode 1599, 29. October, vor Hermannjtadt ge: 
ihlagen, den 3. Nov. getöbtet. 

Angarn. 1577: Die ung. Krone nad) Prag gebracht. 1578, Aug.. Sept.: 
Preßburger Tag. Erzh. Karl z. O.-Befehlshaber der croat.:wind. Militärgrenze 
u. Erzh. Ernft zum Statthalter Ungarns beftellt. 1581—82: Preßburger Tag; 
K. Rudolph's II. perjönl. Erjcheinen.  deögl. 1582 — 83. 1583, 11. Januar: 
(Frneuerung des Türfenfriedens auf 8 Jahre. 1592: Neuer Ausbruch der Yeind: 
jeligeiten. 1593: Reichstagsbeſchlüſſe Angefichts des Türkenfrieges. 

N. 1594: Erz. Mathias Statthalter. Kämpfe mit dem Großvezier 
Sinan Paſcha und deſſen Unterbefehlshaber. Feldhauptmannſchaft des Grafen 
Karl v. Mansfeld feit Oct. 1594. 1595: Sieg der Kaiferlihen 4. Aug. vor 
Gran — Tod des Mansfelderd (14. Aug.). Erzh. Mathias O.:Befehlähaber. 
15%, März: Erz. Marimilian z. O.-Befehlshaber ernannt; |. Stellvertreter 
Graf Adolph v. Schwarzenberg und Feldhauptmann dießfeit der Donau: 
Niklas Palffy. 13. Oct.: Erlau von den Türfen erobert. 23. October: Der 
Sieg der Kaiferlihen bei Mezö-Kerefztes verwandelt fi zum Schluſſe 
in eine Niederlage. 1598, März bis October: Schwarzenberg’3 und Pälffy's 
Erfolge und Groberungen. 1599, Sept.: Erfolglofe Unterhandlungen mit dem 
neuen Großvezier Ibrahim. 


300 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph'3 II. und Mathias’ (1576— 1613). 


Der Tod des polniihen Wahlkönigs Stephan Bäthory (13. De: 
cember 1586) *) eröffnet dem Haufe Habsburg neuerdings Die Aus: 
fiht auf den Thron Polens. Die wichtigſten Männer Angefichts 
der Entjcheidung waren der Kronfanzler Zamojsfi, Verwandter 
des veritorbenen Königs, ein entichiedener Gegner Oeſterreichs, und 
befien Rivale Zborowski, der Kaftellan von Gnejen, mit Gorka, 
dem Palatin von Poſen, der Wahl Erzherzog Marimilian’s (III.) 
ergeben. Aber auch die anderen Habsburger, jeine Brüder, Ernit, 
dem die hohe Geiftlichfeit gewogen war, für deſſen Erhebung bereits 
1572 durch den Faijerlichen Vater gearbeitet wurde, und dem gegen 
, wärtig der Kaifer und der ſpaniſche Hof am meiften geneigt ſich zeigten; 
Mathias und ihr Better Ferdinand, Erzh. Karl’s Erftgeborener, 
bewarben fi). Gerade diefe mehrjeitige Bewerbung war dem Haufe 
Habsburg nicht günftig. Ueberdies candidirten der ruffiiche Czar 
Feodor, Cardinal Andreas Bäthory (Bifhof von Ermeland feit 
1589), der mit feinem ältern Bruder Balthafar, als Neffen Stephan 
Bäthory’s, des Polenkönigs, im Sejuitencollegium zu Pultusk eine 
Erziehung gefunden, — und der jchwediiche Kronprinz Sigismund, 
wie wir willen, der Sohn einer Sagellonin und K. Johann's III., 
dem fih Zamojsfi und fein mächtiger Anhang, endlich auch der 


*) Das Haus der Bathory von Somiyo in feinen letzten 
Auslänfern. 


Andreas, Sratvon Stephan „der Ehrifloph, Fürſt- Eliſabeth, Gattin Nä- 
Szatmär, Sza: Großfüßige“ (na- Wojwode Sieben: das di's. Als Wittwe 


bolcs, Comm. v. gylabü), Fürit bürgeng, wegen Verbrechen ;. 
Großwardein, Siebenb. Wahl: + 1581. ewigen Kerker verurth. 
7 1563. fönig Polens, (1611). 
7 15886. — —— 
— — en. sSigismund, Fürſt-Woiwode Sieben: 
Stephan, Palthaſar, Andreas, bürgens, - 1613, März, 
v. Großw., 1594 hin- d. j. Cardi⸗ ſ. Gattin Chriſt. v. Oeſterr., 
dann gerichtet nalbiſchof, 1651; 
Judex⸗ als Ver⸗ 1599 als ſ. Schweſter Griſeldis, mit dem poln. 
Curiä, ſchwörer. Fürſt Sir Magn. Zamojski verheir., 7 1590. 
+ 1601. benbürgens Oheim v. mütterlicher Seite war 


ermordet. Stephan Bocskai, Kanzler Rathory's, 
geb. 1557, - 1606 als Kürit Sieben: 


— — — — ” R - 
1. Andreas. 2. Gabriel, Fürft bürgens u. Titungarns. 
Siebenbürgens 


| 
Sophie, Gem.: (16081613), 
Georg Raföczy II., ermordet 
Fürſt Siebenbür: de Dct. 1613, 
gens, er legte Baͤthory. 
T 1661. hory 


XIV. Buch: Tie Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576— 1618). 301 


Gnefener Erzb. Karnkowski als Neberläufer von der öfterreichichen 
Partei anſchloſſen. So konnte denn auch der Faijerlihe Orator 
Stanislaus Pawlowski, Biſchof von Olmütz, die Sachlage 
nicht beherrſchen, und die Verſuche der Oeſterreicher, Zamojski zu 
gewinnen, ſchlugen fehl. So fam es den 19. Auguft zur Wahl 
Sigismund’s Waſa, welche aud die Sympathieen der Curie 
für fich hatte, da Schon der Vater, K. Johann von Schweden (1580), 
heimlich zum Katholicismus übergetreten war, und acht Tage ſpäter 
zur Gegenmohl Marimilian’s dur die Magnaten: MWoronedi, 
Gorka, Zborowski, Martin Oftrorog von Lemberg, den Kaftellan 
von Kamieniec, und die beiden wichtigen Litthauerführer Nadzivil. 

Co mußten bald die Waffen zwilchen dem Waſa und dem 
Habsburger entſcheiden. Mearimilian beeilt fich zum Kriegszuge nad 
Krafau (October 1587), das bereits feinem Gegner gehuldigt. Bei 
Bicfe, den 28. Januar 1588, am fchlefifch - polnifchen Gemärfe 
gefchlagen und gefangen, befindet fich der Erzherzog in feindlicher 
Hand und muß bis zum Frieden von Beuthben-Bendzin in der 
Warſchauer Haft verbleiben. Unter päpftlicher Vermittlung fchließt 
der Kaifer (9. März 1589) zu Beuthen den Präliminarvertrag mit 
K. Sigismund, worin er im Namen Marimilian’s (III) auf den 
polniichen Thron verzichtet. Im Mai und Juli erfolgt die beider: 
jeitige Beſchwörung des Friedens; den 14. Eeptember wird Mari: 
milian frei, aber er grollte dem Bruder, der ihn und feine Sache 
preisgegeben habe. 

Die polnifhe Thronfrage bildet eine wichtige Epifode der Ge- 
ſchichte Defterreihs, aber ihr Ausgang war unfrudtbar für das 
Haus Habshurg. Folgenreicher geftalten jich feine Beziehungen zu 
Siebenbürgen. 

Auf diefes Land, deſſen Rüderwerbung den Händen Maxi— 
milian’s II. entihlüpft war, übte die polnische Königsmwahl feines 
Fürften-Wojwoden Stephan Bäthory feinen geringen Einfluß. 
Folgte ihm auch fein Bruder Chriftoph in der Würde, fo blieb 
doh Stephan eine Art Schußherr Siebenbürgens. Es war die 
Beit, daß an die Spibe der Sachen Siebenbürgens als Sadjen: 
graf Albert Huet trat, ein waderer, beredter Dann, dem die 
Bertretung der Nechte und Freiheiten jeines Stammes am Herzen 
lag. Die Zeiten waren leidlich; fie blieben es nod), ala der minder: 
jährige Sigismund Bäthory dem Vater in ber Herrichaft 
folgte, zunächſt von einem Dutzend ftändiicher Räthe geleitet, dann 
von dem wadern Gécz y vertreten, der als Gubernator im gejegneten 


302 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph'3 II. und Mathias’ (1576— 1618). 


Andenken Siebenbürgens blieb. Nicht lange darauf Itarb Sigis— 
mund’3 Oheim, der Polenkönig Stephan, und bezeichnend ilt es, 
daß er dem Neffen feine Lieblingsihöpfung, die Sejuitencolonie 
im Lande, zu Schu und Schirm wider die wachjenden Angriffe 
der „Arianer” (Unitarier), Calviner und Lutheraner an’s Herz legte. 

An anderm Orte werden wir der Verbreitung der Geſellſchaft 
Sefu im Karpathenreiche gedenken, hier genüge die Andeutung, daß 
ihr Schulwefen im Lande gedieh, ihre wachſende Thätigfeit die Furcht 
vor dem „Papismus” im Lande mwedte und ſchon am Mediaſcher 
Zandtage einen heftigen Sturm der afatholiichen Stände herauf: 
beihmwor. Es fommt zur Verbannung der Jeſuiten; aber 
nur mit Widerwillen läßt ſich der junge Fürft das Decret abringen, 
und das Verharren des politiich einflußreichen Ordensbruders Al: 
fonjo Cariglia als Beichtvaters an feiner Seite fprach Klar 
genug für Sigismund Bäthory’s innerjte Gelinnung Das ge: 
harniſchte Auftreten der Stände am Tordaer Tage in dieler 
Angelegenheit war feine freundliche Begrüßung des Antritts des 
felbitändigen Fürftenregimentes Sigismund Bäthory’s, und dieſen 
Eindrud konnte aud) die ziemlich raſche Annahme des gregorianischen 
Kalenders durch die Stände der drei Nationen nicht ganz verwilchen. 
Zwiſchen diefen Nationen bürgert ſich wieder Unfriede ein. Ma: 
gyaren und Szekler erlauben ſich Unbilden gegen die „privilegirten“ 
Sachſen; die mannhafte Schugrede Albert Huet’s befämpft 
am Weißenburger Tage die Hoffart der nachbarlichen Landſaſſen, 
melde in feinem Stamme ein „Lriegsrechtlich erworbenes Eigen: 
thum“ erbliden wollen, die Nachkommen der von den „Hunnen“ 
vertriebenen „Sachſen“. Wie naiv und vergriffen auch die biftorijche 
Deduction der langen Rede Huet’s im Gelehrtenlatein fih an: 
läßt, ihr Kern war gut und von treffender Schärfe. Huet verficht 
das gute Recht der Sachſen und ihren Ruhm als Nähr: und Wehr: 
Traft des Landes. — Gegenüber dem Spotte, die Sachſen jeien nur 
Zuzügler, „Schufter, Schneider und Kürfchner, nicht Kriegsleute und 
Reichsvertheidiger”, ruft der Sachſengraf dem jungen Fürften zu: 
„Arbeit jei Gebot Gottes und es ſei weit rühmlicher, Kürfchner, 
Schufter und Schneider zu heißen, ald Dieb, Mörder und Lotter”. 
Dennoch verftünde der Sachſe, wenn es Noth thäte, auch die Waffe 
zu führen. Der Edelmann ſolle fih an Tugenden edel dünken. 
Der Fürft ſei Herr des Landes und dürfe nicht dulden, daß man 
die Sachen fränfe, die dann gern für ihn in den Tod zu gehen 
bereit feien. Es find dies Ausführungen, deren Grundgedanfen aud) 
ein deutfher Chronift Klaufenburgs entwidelt (1568), 





304 XIV. Buch: Die Zeiten Rudolph'3 II. und Mathias! (1576—161R). 


dolph beichleunigen. Es ift die Zeit der ftolzeiten Lebenspläne 
Sigismund’s. Tie Abmachung mit dem Kaifer mahnt an die Ver: 
träge von 1570. Kaiſer und Fürft verbinden ſich gegen den Türken 
in Krieg und Frieden und zwar im Einvernehmen mit den Wojwoden 
der Wallachei und Moldau, welde damals E. Bäthory’s 
Oberherrlichkeit anerkennen (j. w. u.). 

Siebenbürgen gemwährleiftet Ungarns Oberhoheit und bleibt im 
disherigen Gebietsumfange. Stirbt Sigismund Bäthory, für deſſen 
Vermählung mit einer Tochter Erzh. Karl’s II. der Kaiſer fich 
verbürgt, ohne männliche Leibeserben, To fällt Siebenbürgen an 
Die ungarifche Krone und wird jammt den oftungarifchen Antheilen 
von einen Siebenbürger als Wojwoden verwaltet. Bald darauf 
begiebt fi) der Großmardeiner Hauptmann und Biharer Obergeſpan 
Stephan Bocskai, der Diann einer glänzenderen Zukunft, nad) Graz 
zur Brautwerbung und Maria Chriitina reift nah Weißenburg, 
woſelbſt die unjelige Hochzeit mit dem Fürften Eiebenbürgens ftattfindet. 

Ein eigenthümlicher Flud) laftet jedoch auf dem Weſen Sigis- 
mund Bäthory’s; es ift, abgejehen von jeiner Neigung zur Veritellung, 
die launenhafte IInbeftändigfeit, die ſich nie des Belites eines Gutes 
zu freuen vermag, jondern fich deſſen mit krankhaftem Ueberdruſſe 
zu entäußern ſucht, um dann gleich wieder mit fieberhaften Be: 
gehren deſſen Rückerwerbung anzuftreben. Er vernadläßigt feine 
Gattin, er hält jich diejelbe fern, um in der Trennung nad) ihr 
leidenschaftlich zu verlangen, ebenjo ergeht es ihm mit Siebenbürgen 
jelbit. Schon 1594 fchrieb er (wie es heißt) an feinen Ohm, den 
Cardinal Andreas Bathory, er wolle nad) Stalien, um da ein Still: 
leben zu führen und feinem Vetter Balthajar das Fürſtenthum zu: 
wenden. Allerdings ſchwankte hier der Boden unter feinen Füßen, der 
Türfenfrieg im Herbite 1595 von dem Fürſten und dem wallachiſchen 
Waida Michael fiegreich geführt, nahm auf dem ungariichen Schau: 
plage 1596 eine jchlimme Wendung. Bäthory’s Stellung als Fürft 
iſt doppelt bedroht, da befällt ihn nach einem neuen vergeblichen An: 
laufe zum Türfenfriege Ueberdruß an der Herrichaft. So kommt es zur 
neuen Abmachung mit K. Rudolph, durch den Jeſuiten Alfons Cariglia 
vermittelt, welche den Eintaufh Tppelns und Ratibors, der immer 
wieder auftauchenden Aequivalente für Siebenbürgen, und einer Rente 
von 50,000 Thalern für Bäthory präliminirt. Auch die Eheſcheidung 
und der Gardinalshut bewegten als jeltiame Wünſche jein unflares 
Gemüth. Im nächſten Frühjahre wird der unerwartete Vertrag verfün- 
digt. Inzwiſchen mar aud) am Kaijerhofe der Plan aufgetaucht, den 
Erz). Marimilian als Fürften Siebenbürgens aufzuftellen, doch 





306 XIV. Buch: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576—1618). 


Emportömmling, Aaron (1591) gefolgt und mit Siebenbürgen, 
mit dem Kaijer in Beziehungen getreten; der römiſche Stuhl betrieb 
ein Waffenbündniß zwischen Siebenbürgen, der Moldau und Wallachei ; 
im SHintergrunde barg fih die kirchliche Unionsfrage; die 
Gejelichaft Jeſu, welche jeit 1595 das Verbannungsbecret bejeitigt 
fieht und in Siebenbürgen wieder feiten Boden faßt, arbeitet an der 
Bekehrung der Nicht:Unirten zum römiſchen Glauben. 

Die bedeutendſte PBerfönlichkeit in dieſen Zeitläuften ift un 
ftreitig Michael, der wallachiſche Wojwode, Eohn des früheren, 
brittlegten Gemwalthabers Petraſchko (F 1587), das Prototyp einer 
reichbegabten Barbarennatur von eiferner Willenskraft und Stirne, 
der als Banus von Strajowa, den Wojwoden Alerander (1591 
bis 1592) verdädtig, nach Siebenbürgen floh, von bier aus der 
Pforte und der engliihen Diplomatie empfohlen, den Großvezier 
Sinan Paſcha beitah und Mlerander ftürzte, um dann ale „Michael 
Wajda der Tapfere” jein Gewaltregiment anzutreten. So fommt, 
zur Zeit als der Türfenfrieg in Ungarn nit ungünftig anhub 
(1593) und P. Slemens VIII. die Mostowiter, Serben und Bul—⸗ 
garen zum Kampfe gegen den Türken aufmahnen ließ, Taiferliche 
Sendboten die Koſaken von Einfällen in die Moldau abbringen 
follten, auch das Waffenbündniß Sigismund Bäthory’s, 
Aaron’s und Michael’s (1594, November) zu Stande. Bald 
hört man aus Bukureſcht und Jaſſy von Niedermegelungen der Türken; 
vom Ausbruche des Krieges mit der Pforte, in welchem fich namentlid) 
Michael tapfer behauptet. Nun will die Pforte die Moldau und 
Wallachei in türkiſche Statthalterichaften (Kaimakamate) verwandeln. 
Aaron aber war vor den Kojafen in die Wallachei geflohen, bier 
von den Siebenbürgern (1595, 19. Mai) gefangen und in ihr Land 
geichleppt worden, wo er zu Vincz (1597) ftarb. Es ift die Zeit, 
in welder Sigismund Bäthory der Machthöhe zufteuert, denn 
er nimmt nun den Titel „König von Siebenbürgen und 
Rascien, Wojwode der Moldau und Wallachei” (!) an, er beför: 
dert Stephan „Rezwan” („Winzer“) — au „Hofman” genannt, 
den Sohn einer Moldauerin und eines Zigeuners, (einjt in polnifchen 
Kriegsdienften, dann Wertrauter des MWojwoden Aaron, — zur 
‚Ufurpation der Gewalt in der Moldau, und wird von diefem als 
Oberherr anerfannt. Auch Michael, vom Türken bedroht, findet 
fih damals durch den Vertraa vom 20. Mai 1595 in dieje Rolle; 
er Ichwört dem Abgeordneten Sigismund’s den Eid der Treue, bringt 
jeine Familie nach Hermannjtadt in Sicherheit und führt dann, mit 
Siebenbürgern und Moldauern verbündet, den Eriftenzlampf gegen 





38 XIV. Buch: Die Zeiten Rudolph's IT. und Mathias‘ (1576—1618). 


Bir Haben nım der Berhältnifje Ungarns zu gedenken. 
IH Schwerpunkt ruht im Türkenkriege. Wir müſſen daher um 
des alljeitigen Verſtändniſſes der Sachlage willen uns den Beltand 
der Türkenherrſchaft vor dem Ausbruche des Krieges und die Aus- 
bildung des ungarijch-öjterreichiichen Bertheidigungsiyitems vor Augen 
halten. 

Unter Sultan Eoliman II. (T 1566) finden wir 25 Sand: 
ihafate auf dem Boden Ungarns und der ſüdlichen Nahbarichaft 
mit Ofen-Peſth, Gran, Stuhlweigenburg, Fünffirhen, Szegizärd, 
Siflös, Mohäcs, Pozſega, Veßprim im weitlihen Donaugebiete, 
Neogräd und Hatvan, an der Echwelle des weitungarifchen Berg: 
landes; Cſanad, Temesvär, Lippa und Becskerek im ſüdöſtlichen 
Lande als vornehmften Stützpunkten, denen fich jenjeits der Donau 
im Süden Belgräd, Szendrö u. A. anreihen. Ueber zwei Dritt- 
tHeile Ungarns jehen wir aljo die osmaniſche Herrichaft aus: 
gedebnt. 

Ihr gegenüber und mit Rüdfiht auf das Weitergreifen der- 
jelben war die Bildung eines Grenzwehrjyftems ein Gebot 
der Nothwendigteit nicht bloß für Ungarn-Croatien (oder im ur: 
ſprünglichen Sinne Slavonien), jondern aud für das unaufhörlich 
bedrohte Inneröfterreih. Der gewöhnliche Weg der Türfeneinfälle 
führte aus Bosnien nach Hocheroatien und von da weiter in die 
Gotſchee, in's Krainerland, nad Sftrien, Görz oder, an der Save 
und Drau hinauf, nach Unterfteiermarf und Norbfrain, wo die 
Grenzorte Gurkfeld und Rann wichtige und immer gefährdete Ueber: 
gangspunkte bildeten. 

Schon in der mittelalterlihden Epoche, wie Manche annehmen 
bereits unter Bela IV., ficherer feit K. Ludwig I., lange vor ber 
Türkengefahr, bildete Zengg (Senj) einen wichtigen Vertheidigungs⸗ 
plag, ala Vorort einer eigenen Zupe. Mathias Eorvinus, ber 
bereits mitten in der Strömung jener Gefahr fland, gewahrte in 
den hochländiſchen Thalungen Croatiens: Likka und Krbava — 
wichtige Gebiete für ein Vertheidigungsiyftem und fiebelte bier 
türfenflüchtige Sübflaven an, die, unter den Hauptmann von Zengg 
geftellt, die Freiheit ihres nichtunirten Belenntniffes genofien, wenn fie 
es nicht verzogen, ald Predawci (Webergetretene) fatholifch zu werben. 

Zu Anfang des 16. Jahrhunderts gab es ſchon ſerbiſche 
Flüchtlinge um Kopreinig, Belavar, St. Georgen (Sv. v. Juri) 
in Oberjlavonien. Hier entſtand das nicht unirte Klofter Marta: 
ein religiöfer Mittelpuntt dieſer Tchismatifchen Anfiedler. 

Unter den beiden legten Sagellonen bildet bie Eroberungspolitit 





310 XIV. Buch: Die Zeiten Rudolph's IL und Mathias’ (1576 - 1618). 


Sept kündigt fi auch immer deutlicher in ben ftändifchen 
Acten der Krainer und Steiermärter die wachſende Ausgaben: 
poft für die Grenzwehren an; ein Hauptgegenftand der Landtags: 
handlungen. Es waren nothwendige Opfer, deren Größe von ber 
Gefahr des Augenblides abhing. Gleichzeitig treffen wir aud) 
Schon die Anfievlung bosniſch-croato-ſerbiſcher Türken: 
flüchtlinge (Uskoken = Entfprungene) in der Metlif (Möttling), 
am Kart, in der Umgebung von GSidjelburg (Schumberf), vor 
Allem um Zengg an. 1533 vertaufchte Kagianer feinen Poften mit der 
Feldhauptmannſchaft in Ungarn, Hanns Püchler (22. Auguft 1533) 
trat an feine Stelle. 

Seit 1536 wuchs das Befeftigungswefen ber Vertheidigun gs⸗ 
grenze, welche von Zengg über den Rücken der kleinen Kapella 
zur Unna, dann bis zu deren Mündung in die Save, an dieſer 
bis zum Ausfluffe der Lonja und an der Ilsva in gerader Linie 
zur Drau lief. Die topographiichen Momente famen an anderer 
Stelle zur Sprade (I. Bd. 360— 365 und 495 — 96). 

Katzianer's Niederlage auf dem Zuge vor Efjeg (1537) war 
einerfeits ein großer Schlag, mußte aber andererſeits nacdhalti- 
gere Anftrengungen zu Gunften der Grenzwehren bewirken. Dieje 
Epoche Tnüpft fih an die Beitallung des beftverdienten Niklas 
Aurific zum oberften Feldhauptmann der niederöfterreichifchen und 
windifhen Lande, dem Erasmus von Thurn als Hauptmann von 
Bihac und oberfter Hauptmann über alle croatiihen Grenzorte, 
ferner Sigmund von Weichfelberg als Kapitän von Agram an 
die Seite geftellt wurden (1537, 19. October). Damals Tam es 
zur erjten bleibenden und privilegirten Nieberlaffung türfenflüchtiger, 
nit unirter Serben unter ihrem angeltammten Wojwoden im 
Slavoniſchen, insbejondere zwiſchen der Drau und obern Caſma, 
und jo begann alsbald auch der erite feite Kern der „mwindifch-fteieri- 
Shen Militärgrenze”, oder der Warasdiner, oder Kopreiniger, wie 
fie nad) den beiden Hauptorten genannt wurde. Ferdinand unter: 
hielt außer den Bejagungen in den einzelnen feiten Plätzen auch 
300 leichte Reiter und ebenfo viel Najadiften als Bemannung der 
Flottil- Schiffe (Naſaden). Man entließ nun auch die allgemein 
verhaßten jpaniihen Söldner oder „Spanioler”“. 1539 trat an 
Thurn’s Stelle der vielverjprechende Hanns Lenkovie, während 
bald darauf (Anfang 1540) Hanns Ungnad in der oberiten 
Feldhauptmannſchaft ven Juriſie ablöfte. 

Für die Stellung ber windiſch⸗inneröſterreichiſchen Militärgrenze 

ben bie Jahre 1555—1558 enticheibend. Am Eillier Aus: 





312 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576—1618). 


Den Banıs ernennt der König und biefem ift unmittelbar bie 
croatifche Grenze unter der Oberaufficht des Generalates zugewieſen 
Ein inneröfterreihifher Hoffriegsrath wird zur Noth: 
wendigkeit. Karlftadt, 1578 im Baue begonnen und zu Ehren 
des Erzherzogs benannt, erwächſt zum Hauptorte der croatifchen 
oder Banalgrenze, neben Warasdin, dem älteren VBororte der 
windifhen Grenze. 

Wir fönnen nun der Angelegenheiten Ungarns und der Wechlel- 
fälle des Türtenfrieges kurz gedenken. Das perfönlide Er: 
jcheinen des Kaiſers auf den Landtagen von 1580 — 1581 und 
1582 — 83 machte die immer wieder erneuerten Klagen über bie 
ausländiiche Soldatesfa und ihre Heerführer etwas veritummen und 
die Stände bewieſen fi) den Forderungen der Krone gegenüber 
gefügiger. Daß der Kaifer dann Sahre hindurch feine Ständever- 
fammlung einberief, Hatte feinen Grund in dem Wejen Rudolph's 
und in dem Streben, dem von den Ungarn eifrig in feiner Wirf:- 
famteit verfochtenen Neichsrathe weniger Einfluß zu gewähren, 
andererfeit8 den Beſchwerden der Landesvertretung auszumweichen. 
Bald zeigt fich der Türfenfriede unhaltbar, denn der Großvezier 
Sinan Paſcha wollte den Krieg. So mußte wieder ein Reichs: 
tag einberufen werben, der nicht ohne Schwierigkeiten verlief. 

Der Türkenkrieg ging im Jahre 1593 — 94 nicht ungünftig 
für die faiferlihen Waffen in Scene, denn der Mansfelder, 
aus den Niederlanden berufen, war der Stellung als Feldhauptmann 
durchaus gewachſen, und‘ fein Tod nach dem entjcheidenden Siege 
bei Gran ein bedauerlicher Verluft, den Erzh. Mathias ebenfo 
wenig wie jein Bruder Marimilian erjegen konnten. Das Jahr 1595 
nahm für die Türken eine verhängnigvolle Wendung, auch das 
nächſte verfprady den kaiſerlichen Waffen Günftiges bis zu dem ver: 
bängnißvollen Schlage bei Mezöfereßtes vor Erlau, wo der Rene: 
gat Mohamed Cicala die Niederlage des Türkenheeres, unter 
perjönlicher Führung des Sultans, durch feinen Reiterangriff auf 
das plündernde Chriftenheer in einen Sieg verwandelte. Der 
wichtigite Punkt an der Schwelle des öftlihen Berglandes, Erlau, 
war bereits feit zwei Wochen in Türkenhand und die fpäteren Er: 
folge Schwarzenberg’s und Paͤlffy's gegen Raab, Palota, Veßprim, 
Täta u. a. D. vermochten diejen Verluft nicht auszugleichen. Unter 
furdhtbaren Verwüſtungen der Osmanen, welche der ſlavoniſche 
Renegat, Großvezier Ibrahim, entbot, und der Sardar Mo: 
hamed Satunbichi befehligte, verfloß das Kriegsjahr 1597 ohne 
entſcheidenden Erfolg. Günftigere Ausfichten erſchloß das nädhlte, 


XIV. Buch: Die Zeiten Rubolph’3 II. und Mathias’ (1576—1618). .313 


den kaiſerlich- ungariſchen Waffen, unter Führung des wackern Reiche: 
grafen Adolph von Schwarzenberg, von der rheinischen Linie 
des alten Haufes, und feines tüchtigen Waffengenofien Niklas 
Palffy, deren Eroberungen wir oben bereits kurz berührten. 
Selbft ihr Dctober- Angriff auf Ofen verfpradh Erfolge. Wie 
wenig enticheidend dies auch Alles war, wie entjetlich auch die 
Tartaren Ober-Ungarn verheerten und die Söldner des jchneidigen 
Generale in Oberungarn, Georg Bafta, zum Nüdzuge nad) 
Kaſchau zwangen, — noch weniger konnten fich die Türken glänzen: 
der Waffenthaten rühmen; am wenigften der Großvezier ſelbſt, als 
er im Herbfte 1599 an die Spitze der Heerführung trat. Troftlos 
immerhin war der Ausblid in die Zukunft eines unberechenbaren 
Krieges, den bie trügerifchen SFriedensangebote des Großveziers nur 
zu verjchleppen, nicht endigen zu wollen fchienen. *) 


* 


4. Die Berhältniffe im Laude Defterreih. Die Slaubensfrage 
und der Bauerntrieg. 


Literatur (vgl. die Bit. z. XIII. Buche, 10. Abſchn.) Hammer: Purg: 
ftall, Geſch. des Cardinals Khlefl (1847 fi.) (4 Bde. mit maffenhaften Urkdn.); 
DOberleitner, die evangel. Stände Defterreicha unter Marim. IT. u. Rudolph II. 
(1564 — 1597) (1862); Kerfhbaumer, Garbinal Khlefl. (1865.) 

Ueber ben Bauernfrieg: Lind, Ann. Claravall. (Zwettl); Santhaler, 
Fasti Campililienses (Lilienjeld); RPreuenhuber, Ann. Styrenses (Steyer); die 
firhl. Topogr. v. Nieder:De,, 3.8. die Abth., welche von Zwettl u. Lilienfeld 
handeln; M. Fiſcher, Merkw. Schickſ. des Stiftes Klojterneuburg (1818). 2. Bd.; 
Hormayr's Ar. (1816, Nr. 144, 1835 Nr. 241— 242) (Rich. Strein’3 Guet— 


*) Literatur. Ueber ben Beſtand der Türkenherrſchaft in Ungarn: 
Hammer, Tas oSman. Reih 1.; Staatöverfaffung u. Geſch. bes osman. R.; 
Salamon a a. D. Die magyar. Ueberf. e. türf. Hdſchr. der Wiener Hofbibl. 
„ſicherſter Weg zur Erkenntniß der Städte und Reiche” aus dem A. bes 17. Ihrh. 
v. Gabr. Balinth in Szäzabof 1870, ©. 233 f. 

3. Geſch. d. Milit.- Grenze fiehe die Werfe von Hitzinger, Fraas, 
GzÖörnig, Ethnogr. des öſterr. K. IL; Utiefenovit, Vaniéek; die Aufj. v. 
Kufuljevi& im V., VIII, IX. 2b. des Arkiv; Oberleitner, öjterr. 
Finanzen u. Kriegsw. im Arch. f. K. öjterr. #. XXII. Bd. Ehmel, Habs— 
burg. Archiv 1846. 2. H. (vgl. Notizenbl. 1855, 1858); Buchholtz, Geſch. 
Ferd. J. 8., 9. Bd.; Hurter, Seh. 8. Ferd. II. u. f. Eltern. I. Bd.; 
Rabdics, Herbart VIII. v. Auersperg (1862); Muchar, Geſch. d. H. Stm. 
8. Bd.; Dimitz, Geſch. Krains II.; Krones, Bir. z. K. d. ſteierm. Land— 
tagsw. 2. Epoche a. a. O. 


314-XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576— 1618). 


bedundhen wegen ber Paurn Aufitand ao. 1598) u. Tafchenb. 1846, ©. 102 f. 
K. Haſelbach, der nieberöft. Bauernfrieg v. E. des XVI. Jahrh. (1867). Vgl. 
auch Kurz, Bir. z. G. des 8. De. o. d. E., Prig, Geſch. O.-Oe., I. Bd.; 
Czerwenka, Die Khevenhüller, Tberleitner a. a. O. 


Die Verhältniffe des Glaubens im Lande Defterreich hinterließ 
Marimilian II. in einer unhaltbaren Schwebe. Denn der Ausſchluß 
der Jandesfürftliden Städte von dem Genuſſe freier Religions: 
übung galt diejen als unerträgliche Beſchränkung und war natur: 
gemäß auch dem proteftantifchen Adel ein Dorn im Auge. Auf der 
andern Seite war nun aber die gegenwärtige Regierung, der Kaiſer 
und deſſen Statthalter Erzh. Emit, eifrig katholiſch und feit 
entichlofjen, über die von Mar II. verbrieften Zugeltändnifje nicht 
um eines Haares Breite hinauszugehen, vielmehr nad) Thunlichkeit 
die Neftauration des Katholicismus herbeizuführen. Das Alles ließ 
fhon 1577 Irrungen zwijchen der Regierung und den Ständen 
unvermeidlich werden und das Reformationsdecret der Regie: 
rung vom Jahre 1578 galt den Proteftanten als Loſung eines 
Kampfes, in welchem der jeit 1567 auftauchende Klofterrath, der 
Biſchof von Wien und der Paſſauer Metropolit, durch feinen Official 
das eine Princip, und die Horner Berfammlung der akatho— 
lifhen Stände feit 1580/81 das andere Brincip vertraten, eines 
Kampfes, in welchem jedoch eine wichtige Waffe den letteren zur 
Verfügung ftand: das landtägliche Bewilligungsreht den Geld: 
und Aufgebotsforderungen der Regierung gegenüber. Wie erregt 
die Stimmung in den landesfürftlicden Orten war, beweiſt am beiten 
die Scene zwiſchen den Bürgern Wiens als Bittjtellern und dem 
Erzh. Emit im Jahre 1579. Die ftändifch beichloffene Viſitation 
der proteftantifhen Gemeinden ergab in Nieder-Oeſterreich 
(1580) den Beitand von mehr als 100 Drtichaften im Viertel o. 
M.:B., von nahezu ebenfo vielen im Viertel u. M.⸗B., an 
90 im Biertel 0. W.:W. und an 50 im Viertel u. W.“W. — im 
Ganzen gab es aljo nicht viel weniger als dritthalb Hundert 
berrichaftlihde Dörfer und Märkte des evangelifhen Glaubens, 
welcher allerdings auch in katholiſchen Patrimonialgemeinden um 
fih griff und leidige Streitigkeiten veranlaßte, überdies den Gegen: 
ja der orthodoren Zutheraner und Flacianer zeigt, und feit 1583 
auch unter den jtark verbreiteten Flacianern eine ärgerliche Spaltung 
offenbart. 

Aber auch in der fatholiichen Sphäre treffen wir auf einen hödhit 
bemerfenswerthen Gegenjaß. Der Kloſterrath, ſeit K. Rudolph II. 
aus weltlichen und geiftlihen Mitgliedern zujammengefegt, verfocht 





316 XIV. Bud: Die Zeiten Rubolph’3 II. und Mathias’ (1576—1618). 


Aber noch eine bedeutungsvolle Erfcheinung taucht am Schluſſe 
des Jahrhunderts (1594— 1597) im Lande Defterreih ob und 
unter der Enns auf — der Bauernfrieg. Im Ober:Vefterreid) 
tritt das religiöfe Moment ftärfer in den Vordergrund, in Nieder: 
Defterreih das fociale, hüben und drüben ift aber der Hauptton, 
das Anfämpfen der Grundunterthänigfeit gegen ein Uebermaß ihrer 
Laſten wider die Grundherrſchaft, unverkennbar, ein Wiederaufleben 
der großen Bewegung des Jahres 1525 — 26 in engeren Kreilen. 
Sedenfalls zeigt es ſich deutlih, daß die tiefliegenditen Keime foci: 
aler und religiöfer Unbotmäßigfeit durch die fiegende Gewalt damals 
nicht entwurzelt werden konnten. 

Beginnen wir mit Dber-Defterreidh. Die Widerfeglichkeit 
ber proteftantenfreundlichen Unterthanen des Collegiatitiftes Spital am 
Pyhrn zu Windiich - Garften, gegen die katholiſche Reſtauration 
(1586) erjcheinen als Vorboten der oberöfterreichiichen Bewegung. 
Seit 1594 kündigt fie fich deutlicher an. Sie beginnt zu St. Peter 
am Windberge (Mai), wo die Bauern den Probjt Georg von 
St. Florian bedrohen: wenn er ihnen nicht „einen“ deutſchen Herrgott 
reihen wolle, jo möge er ſich nur gleich entfernen. Im September 
hat der Aufftand bereits das ganze Mühlviertel ergriffen. Der 
Aufruhr wählt weiter; den 12. Juli 1595 verfammeln fich Die 
Stände zur Berathung von Gegenmitteln, den 24. Auguft erjcheint 
das kaiſerliche Patent, das alle Zufammenrottungen verbietet. 
Der Auffitand erfaßt das Hausrudviertel, allgemach erjcheint das 
ganze Land in Aufregung. Die Bauern, in Kurzem bis an 3000 
unter Waffen, einigen fi) über eine Beſchwerdeſchrift an den Kaiſer 
gegen die Herrichaften. Die Stände rüften und bejchuldigen die 
Heineren Landftädte der Mitwifjenichaft am Aufruhr. Unterwerfungs- 
termine werden gejeßt (November 1595), es kömmt zu blutigen 
Gefechten bei Zell, Griesfirhen, Neumarkt; neuerdings erjcheint 
(6. December) ein Taiferliher Erlaß; als letzte Unterwerfungsfrijt 
wird der 10. Januar 1596 verfündigt, doch noch im December des 
Jahres bedrohen die Bauern Steyer, Enns ift voll Beforgniß. In⸗ 
deſſen hatte im Wefentlihen Schon Gotthard von Stahrenberg 
den Aufruhr abgethan. 

Der niederöfterreihiihe Bauernkrieg iſt gemifler: 
maßen eine Wiederholung und Fortſetzung des Aufruhrs im Lande 
o. d. E. Während aber hier zunächſt katholiſche Pfarrer und geift- 
lide Grundherrſchaften angefeindet erjcheinen, find es in Unteröfter: 
reich vor Allem die Herrenſchlöſſer. Die Grunbobrigkeiten hatten 
fih gewöhnt, die Kriegshilfen den Bauern rüdjichtlos aufzulaften; 





318 XIV. Buch: Die Zeiten Rudolph’3 II. und Mathias’ (1576— 1618). 


Die erzherzogliche Regierung entwidelte eine große Rührigkeit 
in der Befämpfung des Aufitandes, auch die Stände ließen es an 
Gegenmaßregeln nicht fehlen, nur ijt die Engherzigkeit und Eelbit: 
fuht unverkennbar, mit der ſich die Grundherrſchaft wider alle 
gründliche Behebung des Uebels, gegen zeitgemäße Conceſſionen 
jtemmt. Die Hauptarbeit in der Bewältigung des Aufitandes hatten 
die Oberſten Kollonitjh und Morawsky (Moraczky); leerer 
iprengte die Zufammenrottung, mit Pögjtall als Mittelpunfte, dort 
wo der Aufruhr zunächſt begonnen (März — April) auseinander. 
An Hinrichtungen ließ man es nicht fehlen. Doc, beweijen die 
taijerlihen Maßregeln, das Reſcript vom 8. Mai oder das fogenannte 
Interimale für DOberöfterreih, daß die Regierung die 
Nothwendigkeit einer Einfchränkung oder genaueren Normirung der 
grundherrlichen Forderungen einfah und den focialen Charakter der 
Bewegung nicht verlannte. 

Der Bauernfrieg felbit gab Anlaß zu gegenfeitigen Anklagen 
der Slaubenstheile. Die katholiſche Reitaurationspartei, mit Khleſl 
an der Spige, gewahrte darin die ſchlimmen Früchte des proteitan- 
tiichen Libertinismus und Ketzerthums, die evangelifchen Stände 
binwieder die leidigen Folgen der katholiſchen Gewaltmaßregeln, des 
„tyranniihen Papismus“. Die Regierung wurde um Freigebung 
des Glaubens allüberall, aber vergebens, bejtürmt. Bemerfenswerth 
ift die Rolle der Landſtädte ober und unter der Enns. Beſon— 
ders dort war der Proteftantismus Regel; auch nad) dem Ausgange 
des Bauernfrieges leifteten alle Vororte des Traunfreifes, Goifern, 
Hallſtadt, Iſchl u. ſ. w. Widerftand gegen die Refatholifirung. 
Lange fträubte fih Stadt Steier, und die ftrittigen Verhältniffe in 
Linz ſchleppten fih in’s nächſte Jahrhundert hinüber; denn bier 
wurzelte das ſtändiſche Regiment; man läßt das erzberzogliche 
Slaubenspatent vom LZandhaufe abnehmen, fünfzig Bewaffnete die 
Wache beziehen und erklären, in Glaubensjahen habe die Landjchaft 
freie Hand. 

Auch die niederöfterreihiichen Landftädte zeigen in den Jahren 
1586 — 98 eine ſtarke Parteinahme für den evangelifhen Glauben. 
Sehr hartnädig äußert dies der freifingifhe Marltt Waidhofen 
an der Ybbs; Krems, das 1578 refatholifirt worden war, ent: 
windet ſich der Glaubensfefjel wieder (1581); ebenjo ber Schweiter: 
ort Stein und troß aller Strafmaßregeln behauptet fid) die ver: 
hohlene Anhänglichleit an das Lutherthum. 

Fallen wir die confeffionellspolitiihen Zuſtände bes Landes 
Defterreih am Schluffe des 16. Jahrhunderts in’s Auge, jo ift es 


- XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576—1618). 319 


unverkennbar, daß fie einer Entſcheidung entgegentrieben. Die 
Regierung zeigt in der Erledigung der ftändifchen Begehren vom 
Sabre 1599 den ernitlichen Entſchluß, den Proteftantismus möglichſt 
einzufchnüren. Khlejl, in feiner Doppeleigenfchaft als Adminiftrator 
ber beiden Bistümer W.-Neuftadt und Wien (feit 1598), und 
Domprobit Pöttinger, Vertreter des Erz). Leopold von der 
ſteiermärkiſchen Habsburgerlinie, der (1598) mit zwölf Jahren Coab: 
jutor des Baflauer Biſchofs geworden, — arbeiteten entjchieben in dieſer 
Richtung. Die päpftlihe Bulle vom Jahre 1600 verbot bei Strafe 
des Bannfluches die Aufhebung der Communion unter beiden Ge— 
ftalten; dies war das deutlichjte Anzeichen der päpftliden Re— 
tractationen gegenüber den früheren Zugeftändnifjen. In dieſer 
Richtung begegnen fih Kirche und Regierung, — im Gegenjage zu 
der Sachlage in den Tagen Ferdinand’s I. und Marimilian’s II. 
Es handelte fih nun darum, ob die Tandesfürftlihe Gewalt in dem 
bevorftehenden Schlußfampfe mit dem ftändifchen Principe, der con: 
feffionellen und politiihen Oppofition, die Machtmittel und die 
ftramme einheitliche Thatkraft werde aufbieten fünnen, deren es bei 
der Gefchloffenheit und dem Selbitgefühle der adeligen Landſchaft 
bedurfte. Daran war jedod) billig zu zweifeln. Denn wie die Dinge 
lagen, gab e& eine Doppelregierung: das Wiener Regiment 
des Erzherzog : Statthalters Mathias mit den Räthen Unverzagt, 
Khuen, Meggau, Herberitein, Thum, Krenberg, Preiner an der 
Spige, denen Bifchof Khlefl immer mehr den Rang abläuft, und 
ben Brager Kaiferhof. Die Gegenſätze Tonnten nicht ausbleiben 
und fie ſchärften fich, als äußere Gefahren und mächtige innere Be- 
wegungen der Zwietracht im Haufe der Söhne Marimilian’s II. 
zur tief gehenden Zerrüttung des Staafswejens die Hand reichten. 


5. Zirol und AInneräfterreih v. 1564—1600. 


Literatur. 1. Tirol. Brandis, Geſch. d. Landeshauptl. Tirols, IV.A.; 
Weißegger, Hiltor. Gemälde o. biogr. Schild. aller Herrfcher u. Prinzen des 
dchl. Erzh. Habsburg v. Rudolph I. bis M. Ther., 4. Bd. Die biogr. Auff. 
über Erzh. Ferdinand (IL) und PBhilippine Weljer in den Almanachen: Klio 
u. Euterpe v. Jahre 1804 und Urania (1818 ff.); I. Mid. Welſer, Nadır. 
über Philippine Welfer v. Angsburg, Gem. des Erzh. v. Deiterr., Landesf. in 
Tirol 1548— 4580 (1864); Hormayr’3 Arch., L., IL; Zoller, Geld. u. 
Tentw. d. St. Innsbrud (2 Bde. 1816, 1825), 1., 2 4; A. Brimiffer, 
Kurze Nachricht von dem k. k. Raritätenfabinete zu Ambras in Tirol. Mit 


390 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576—1618). 


158 Lebensbefchreibungen . . . . Innsbruck (1777); vergl. Die k. k. Ambrafer 
Sammlung (Wien 1819) 9. Jäger, Beitr. z. ©. db. Verhandl. über bie 
erbjällig geword. Grafſch. Tirol nad dem Tode des Erzh. Ferd. II., Arch. f. 
öfterr. Geſch, 50. 3b. (1873). Bonelli, Monum. eccl. trident. u. Notizie, 
3.3d.; Durig’3 Auff. im Progr. d. Innsbr. O.-Realſch. (1863—64); Bider— 
mann, Die Italiener i. tirol. Prov.-Verbande (1875). Sinnader, 7. Bd.; 
J. B. Schöpf, Joh. Nafus, Franzist. u. Weihbiſch. v. Briren (1534— 1590), 
Bozner Gymn.:Progr. (1860); A. Wolf, Lucas Geizkofler (1873). 

2. Steiermark, Räruten, rain. Zeitgenöſſiſche confeifionelle Streit: 
ſchriften: a) proteftantifche von David Rungius (1601), Bericht u. Erinnerung 
von der tyrann, bäpjtifchen Verfolgung bes h. Evangeliü in Steiermanrf, Kärndten, 
Krain; A. Hanauer (Hanaverus), Vera solida et perspicua relatio historiae 
tristissimae persecutionis, quae in illustri Styria eiusque metropoli Graecio 
contra orthodoxos etc. furore Jesuitorum instituta et peracta est (1601); 
b) fathol. Hauptſchrift: Jakob Rofolenz, (Stainzer Probft) Gründlicher Gegen: 
beriht auf den falſchen Bericht und vermeinte Erinnerung Davidis Rungii 
u. ſ. mw. u. fein Diarium u. gründl. Bericht von der in den %. 1598—1601 in 
Steyerm., Kärnten und Krain vorgen. Iandesfürftl. Reformation (Beides Gra; 
1607). Dal. au den Auff. in Hormayr’3 Arc. (1817), ©. 269: „Die 
Springer und Werfer in U.-Steier”; Raupach, Waldau a a. O.; Cäſar, 
St. u. 8.:8. d. Stm., 5., 6. Bd.; Hurter a. a. D., 1.—4. Bb., Robitſch 
a. a. D.; Bergmann, Medaillen, IL Bb.; Kindermann, Bir. 5. Vater: 
landskunde f. Inner:Defterr. Bewohner, 2 Bde. (1790 f.), 1. Religiongzwift zw. 
Erzb. Karl u. den fleier. Ständen (bezieht ſich vorzugsweife auf die Präbicanten 
Homberger und Krater); 2. Schr. des Gen. Franz Borgia an Erzb. Karl L, 
die Jeſuitenniederlaſſung in Graz betreffend; 3. Fragment e. Chronif d. Stabt 
Klagenfurt; 4. v. Muchar, Ur. z. Geld. d. fteir. Neform., Horm. Arch. 
(1819), Nr. 109 ff.; Ilwof, €. Epifode a. d. Gel. d. Gegenref. i. Stm., 
Mitth. des hiſt. V. f. St., 12. Heft. 

Peinlich, Geld. des akad. Gymn. i. Graz a. a. O.; Luſchin, Bilder 
aus der Reformationsgeih. in Steierm.: 1. M. Caspar Kratzer, Zeitichr. f. 
deutſche Culturgeſch, Neue %. (1873). Vgl. auch die Arbeiten über Kepler, 
3.2. v. Reitlinger u. 4. Herrmann, Hbb. d. Geſch. Kärntend, 2. A., II. Bd. 
(1853); Lebinger a. a. O.; Aeljchfer, D. Gegentef. i. Kärnten. Kämtn. 
Volkskal. (1873); Kindermann f. o.; Ezerwenfa, Die Khevenhüller. 

Für Krain bilden die Vorarbeiten und das Werk über Geſch. Krains 
von Dimiß, IL. Bb., die gegenwärtig befte Darftellung bed Reformationszeit⸗ 
alters in Krain, aus vielen handſchr. Quellen gefchöpft. 

3. Geſch. des Bauerntrieges v. 1573: Rabit, Herbart VIIL von 
Aueröberg 1528— 1575 (1862); Krones, Actenm. Bir. z G. be winb. 
Bauernaufit. v. J. 1973 in den Btr. z. 8. fleierm. G., V. 3. (1868). Die 
volftändigite Materialfammlung in Raëki's Monographie, veröff. i. 7. Bde. 
ber Starine, Agramer Akad. (1875) im Sep.-A. (187 Actenft.). 


X1V. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576—1618). 321 


Eirol in den Tahren 1564—1602. Ferdinand v. Tirol (vgl. XII. B., 
A. 8), geb. 14. Juni 1529 zu Linz, + 24. Sanuar 1595. 

1. Gem.: Philipp. Welfer („Freiin von Zinnenburg”), geb. 1527 zu 
Augsburg (ihr Vater und die beiden Oheime 1532 vom Kaifer in den Ritter: 
itand erhoben); 1547/48 Belanntihaft mit Erzh. Ferdinand II.; 1557 Che; 
1561 v. 8. Ferd. I. anerf.; 1576, Aug., Aufhebung des Ehegeheimniffes durch 
ben römiſchen Stuhl; + 13. April 1580. 

Kinder diejer Ehe: 1. Andreas, geb. 15. Juni 1558 auf Schloß 
Breznic in Böhmen; 1576 Cardinal-Diacon; 1580 Coadjutor bed B. Briren ; 
1587 Adminiftr. der Kl. Murbach und Lüders; 1589 Biſch. v. Koſtnitz; 1591 
Bifhof v. Briren; 1598 Statth. der jpan. Niederlande; 7 12. Nov. 1600. 
2. Karl, geb. 22. Nov. 1560 auf Schloß Bürglig in B. — „Marfgraf von 
Burgau”; 1578 kämpft in den Niederlanden; 1594—1604 kaiſ. Feldhauptmann 
in Ungarn; 1601 verm. mit Sibylle, Prinzeſſin v. Jülich; + 12. Nov. 1627. 
3.0.4 Philipp u Marie, Zwillinge, geb. 7. Aug. 1562 ebenda; ftarben früh. 

2. Gem. feit 1582, 14. Mai: Anna Katharina, T. des Herz. Wilhelm 
v. Mantua; F 3. Aug. 1620. 

Kinder der 2, Ehe: 1. Anna, geb. 4. Oct. 1585, F 15. Dee. 1618; 
feit 4. Dee. 1611 Semahlin 8. Mathias’. Die zwei jüngeren Schweſtern 
« jtarben bald; die eine al3 Kind, die andere als Nonne. 


Als Erzherzog Ferdinand II. die Herrihaft Tirols und der 
Borlande perſönlich antrat, waren bereits dritthalb Jahre über den 
Tod feines Taijerlihen Vaters Hinmeggegangen, und von dem neuen 
Landesherrn ale Statthalter Böhmens zu Prag verlebt wor- 
den. Den 17. Januar 1567 hielt Erzh. Ferdinand LI. feinen Ein- 
zug in Hal und Innsbruck und froh wurde deſſen das Land; die 
widerjpenftigen Roveretaner und ihre Nachbarn, welche nur von 
einer Taiferlichen, nicht fürftlich-tirolifchen Abhängigkeit etwas wiſſen 
wollten, waren längit (Frühjahr 1567) gezwungen, fich diefer Son: 
derbeitrebungen zu entjchlagen und den Unterthanseid zu leiften. 

Die dreigigjährige Herrſchaft Ferdinand’s in Tirol offenbart 
dreierlei bedeutfame Erfcheinungen: das Wiederaufleben der alten 
Streitfrage über das Verhältniß der Hochſtifte zum Lande, die 
lebhafte Erörterung der Finanzlage im Schooße der ftänbifchen 
Berfammlungen zwiſchen der Landfchaft und dem Fürften und das 
Durchgreifen der katholiſchen Reftauration. In allen drei 
Erſcheinungen macht ſich ferner die Kräftigung des landesfürft- 
lihen Anſehens und Einfluffes als Endergebniß geltend. 


No zu Anfang der Herrichaft Ferdinand's IL. lagen beide Landesbisthümer, 
Briren und Trient, in Einer Hand und Cardinalbifhof Chriftoph von 
Madruzzo beeilte fih, nah K. Ferdinand's I. Tode von K. Marimilian DI. 
(1564, 2. Aug.) ein Eremtionsprivilegium zu erlangen. 1567, 14. Nov., gab 

Rrones, Gef. Oeſterreichs. W. 21 


3323 XIV. Buch: Die Zeiten Rubolph’8 II. und Mathias’ (1576— 1618). 


er zu Gunften feines Neffen Ludwig das Trienter Hochſtift auf. Dieſer hatte 
allerdings Furz vorher (11. Oct.) zu Inndbrud nach längerem Sträuben mit 
dem neuen Randesfüriten ein Uebereinfommen abgeichlofjen, worin er die ſämmt— 
lichen der Landeshoheit Habsburgs günftigen Verträge zwiſchen dem Hochſtifte 
Trient und der Grafſchaft Tyrol (jeit 1363) anerfannte, — benütte aber bald 
die bezügliche Weigerung des Domcapiteld zu einem geharniſchten Proteite und 
zur Beſchwerde bei ber Eurie und dem Kaiſer. Erzh. Ferdinand IL. blieb jedoch 
jeſt, ließ fi) auch durch die Mahnungen Roms nicht beirren, Trient — allwo eine 
ſiarke Bürgerpartei ihn als „Befreier” begrüßte — mit Kriegsvolk bejegen und 
hatte die Genugthuung, daß, als fein faiferlicher Bruder Mar II. die verwidelte 
Angelegenheit 1571 vor den Reichstag brachte, die fog. „Speyrijche Notel“ zu 
feinen Gunſten entſchied, was von dem Kaifer 1. Det. 1576 neuerdings gegen 
die Beſchwerden des Garbinalbifchofs beftätigt wurde. Erſt 1578—79 kam es 
zu gütliden Verſtändigungen zwiſchen beiden Theilen und zum halben Siege 
jedweder Partei. Der Trienter fügte ſich nämlich den Pflichten der Landitand: 
haft, erflärte jedoch, daß feine Nachfolger an feinen Unterthänigfeitseid nicht 
gebunden jeien und erlangte (1577) von K. Rubolph II. die Beitätigung des 
obenerwähnten ;zreiheitäbriefes, zu Gunſten gerichtlicher Reichsunmittelbarkeit 
(jus de non appellando). Auch bei Briren fegte e8 Verwidlungen ab. Unter 
dem Coadjutor (ſ. 1552) und Verwandten bes Cardinalbiſchofs Chriſtoph v. 
Madruzzo, Thomas (+ 1578, Juli), Grf. von Spaur (+ 25. Februar 1591), 
traten fie allerding3 wenig hervor, wohl aber unter befien Nachfolger Andreas 
von Dejterreich, dem Erftgeborenen Ferdinand's II. aus der Ehe mit Phi: 
lippine Welſer. Hier fanden ſich alfo Vater und Sohn als Landesfürſt und 
Biſchof gegenüber und vergebens mahnte Erfterer den bitigen Kirchenfüriten 
ab, die gefammte höhere und niedere Gerichtäbarkeit und Huldigung des ge: 
fammten im Bisthumslande feßhaften Adels in Anſpruch zu nehmen. That: 
ſächlich allerdings Tonnte der Carbinalbifchof feine „unerhörten Neuerungen”, 
wie jie die Landſchaft nannte, nicht durchfegen, aber der Form nach überdauerte 
ber bezügliche Streit lange die Regierung Yerdinand'3 II. 


Die Landtage Tirols in diefem Zeitraume zeigen am beiten, 
wie jehr die Stände bemüht waren, die wechlelnden Geldopfer ab: 
zuwehren, — jo insbefondere 1573 die Uebernahme der landesfürit: 
lichen Kammerjchulden, 1582, 1586 die Zahlung des Schenfpfennigs, 
der Nebenhülfen (jährlich 30,000 Gulden) und der Vermögensſteuer 
und 1594 die außerordentlihe Leiftung für den Türkenkrieg, — 
aber al’ ihr zähes Sträuben, ihre Vermahrungen, ihr Pochen auf 
das ihnen 1573 endgültig zugelicherte Selbftbefteuerungsredt 
fonnten nur Ermäßigungen der Anſprüche des Zandesfürften bewirken. 

Erzh. Ferdinand II. trat, getreu feiner bezüglichen Erklärung 
bei Webernahme der Herrichaft, von den Innsbrucker Vätern der 
Geſellſchaft Jeſu, und von feinem Vertrauten Johann Nas aus 
Eltwangen in Oſtfranken, Weihbiſchof von Briren (J 1590), einem 





324 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's IL und Mathias‘ (1576—1618). 


hold dem Gedanken einer Erbtheilung, als von der Anficht ge: 
leitet, daß ein feiterer Anſchluß an die übrigen Länder, unter 
Wahrung der provinziellen Einheit und Autonomie, Vor: 
theile in politifcher, adminiftrativer und finanzieller Richtung bieten 
müffe. 

Die drei offenen Landtage, weldhe der Kailer 1596—1601 
einberief, deren eriten Erzh. Mathias, den zweiten Cardinalbiichof 
Andreas, den dritten Erzh. Marimilian als Stellvertreter des Kaiſers 
eröffneten, bieten das Schauspiel ziemlich erregter Verhandlungen, 
in denen die Landichaft nicht bloß das Gebahren des verjtorbenen 
Fürften einer fcharfen Kritif unterzog, jondern vor Allem jeder 
Mehrbelaſtung zum Vortheile der habsburgiichen Kriegsführung in 
Ungarn wider die Türken beharrlich widerftrebte ; gerade aber am 
legten der drei Landtage ergab ſich eine leidlihe Verftändigung 
zwijchen der Regierung und den Vertretern Tirols und bewies, duß 
Erd. Marimilian II. den Ständen willlommen war. Der 
Prager Endvergleid vom 5. Februar 1602, durch welchen die Un- 
theilbarfeit Tirols und der Vorlande feſtgeſetzt erſcheint, die Ein: 
fünfte zwischen der öfterreichiichen und fteiermärkfifchen Linie in dem 
Verhältniß von 5:4 getheilt wurden und die Vermwejenichaft unter 
beiden Habsburgerzweigen abwechſeln jollte, bejcheerte den Tirolern 
und DVorderöfterreihern in der Perjon des genannten Erzherzogs 
einen feiner Aufgabe gewachjenen Negenten. 


Inner Geferreih von 1564—1602. Erzb. Karl, geb. 3. Juni 1540, 
+ 10. Juli 1590 (vgl. XIII, 9%. 8). Gem. f. 26. Aug. 1570: Maria, T. 
H. Albrecht's V. dv. Bayern, Schweſter H. Wilhelm's; + 30. April 1608. 
Kinder auß diejer (Fhe: 


3. Marie Chrijtine, geb. 10. Nov. 1574; 6. Aug. 1595 verm. mit 
Eigismund Bäthory, Fürſten von Siebenbürgen (vgl. XIV. 2., 3. A.); 
+ 6. April 1621 ald Nonne zu Hall. 

b. Ferdinand (IIL), geb. 9. Juli 1578 (vgl. wm. u 10.9. u. XV. B.). 
Geſammterbe der habsb. ö. LU. j. 1619 u. Kaifer. 

8. Georgia Marimiliana, geb. 22. März 1581, + 20. Sept. 1597 als 
Verlobte 8. Philipp's III. v. Spanien. 

10. Marimilian Ernft, geb. 17. Nov. 1583, 7 19. Febr. 1616 als Deutjch: 
Ordens-Comthur. 

11. Margaretha, geb. 25. Dec. 1584; 1599, 18. Apr. verm. mit K. Phi⸗— 
lipp IH. v. Spanien; + 3. Oct. 1611. 

12. Leopold, geb. 19. Oct. 1586; Bilchof v. Paſſau 1605 — 1625; 
v. Straßburg 1607—1625 (f. w. u. XV. 8.). 


XIV. Bu: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576—1618). 325 


13. Maria Magdalena, geb. 7. Oct. 1587; feit 19. Det. 1608 verm. mit 
Cosmo IL Medici, Großh. v. Toscana ; + 1631, 1. Nov. 

14. Gonftanze, geb. 24. Dec. 1588; feit 11. Dec. 1605 verm. mit Sigis— 
mund III (Waſa), K. v. Polen (+ 10. Juli 1631). 

15. Karl, geb. 7. Aug. 1590; 3. v. Breslau 1608; B. v. Briren 1613; 
Hoch: u. Deutfchmeifter 1619; + 26. Dee. 1624. 

Bewegter als in Tirol und den Vorlanden ericheint das ſtaat⸗ 
lihe Leben Inner-Oeſterreichs, die leitenden und treibenden 
Kräfte defjelben offenbaren härtere und zähere Kämpfe, äußere und 
innere Gefahren greifen bier tief ein und das Ergebniß der ganzen 
Epoche zeigt fih als mächtige Wandlung des geſammten politijchen 
und firchlichen Weſens der genannten Zändergruppe, vor Allem des 
SHauptlandes Steiermark, auf welches wir in unferer Darftellung 
den Grundton legen müfjen. 

An anderer Stelle war bereits des jüngiten Sohnes K. Ferdi: 
nand’8 I., Erzherzog Karl’s II., gedacht. Als ihm das väterliche 
Erbe zufiel, ſtand diefer Habsburger im 24. Lebensjahre, an der 
Schwelle des eigentlihen Mannesalters. Obſchon ftreng katholiſch 
erzogen (Propſt Hafenberg hatte den bezüglichen Unterricht geleitet), 
war Karl dennoch, wie wir anläßlich des englifchen Heirathsprojects 
zu bemerken Gelegenheit fanden, confejjionellen Zugeltändniffen grund: 
jäglih nicht abgeneigt; überhaupt ſchien fi auch in ihm etwas von 
den Anſchauungen des Vaters über die Nothmendigfeit des kirch— 
lichen Ausgleiches, aber auch von der Unantaftbarkeit lanbesfürftlicher 
Rechtsgewalt in Firchlich- weltlichen Dingen zu verförpern. Neifen 
nad Frankreich, an die italienischen Höfe von Ferrara und Mantua, 
auch Madrid hatten feinen Gefichtsfreis erweitert und der Umitand, 
daß er im Jahre 1562 für einige Zeit, als der kaiſerliche Pater 
zu Regensburg weilte, die Regentihaft in Ungarn und den 
öfterreihifhen Ländern übernahm, 1563 dem ungarijchen 
Krönungslandtage vorjaß, — mar der Einweihung in den 
Emft politiiher Lebenspflichten fürderlih. Karl war eine praktische 
Natur, ohne Schwung; aber Feftigfeit, beharrliche Arbeitsfraft und 
der fittenftrenge Sinn für häusliches Leben blieben ihm eigen. Noch 
bevor der Vater aus dem Leben ſchied, trat Erzh. Karl die Huldigungs- 
reife nad) Steierinarf, Kärnten und Krain an. Hier überall, wie 
wir willen, mar der Proteftantismus unter den adeligen Ständen 
in den Vororten mächtig, aber auch im offenen Lande weit ver: 
breitet. Die Landſchaften zeigten ſich entſchloſſen, die übliche Eides- 
leiftung des neuen Herrn zu Guniten der Nechte und Freiheiten der 
Länder in diefem Sinne abzuändern. An Stelle des herkömmlichen: 


326 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias (1576— 1618). 


„So helfe mir Gott und alle Heiligen” — jollten am Schluſſe die 
Morte und „das heilige Evangelium” treten und neue Zugeſtändniſſe 
afatholifcher Glaubensfreiheit den Negierungsantritt einweihen. Mit 
Feitigfeit verwahrte fih der Erzherzog gegen jede ſolche Neuerung ; 
dies erfuhren die Steiermärker (20. März 1564), Kärntner (10. April) 
und Krainer (28. April) jattfam, als fie mit folddem Begehren an 
Karl herantraten. 

Cs war vorauszufehen, daß es bald zu mündlichen und jchrift: 
lichen Kämpfen zwiſchen den Landichaften und der neuen Regierung 
fommen werde. Denn der Erzherzog wollte feinen Schritt von der 
traditionellen Bolitit der Habsburger in der Kirchenfrage zu Guniten 
des Proteſtantismus weichen, der römische Stuhl arbeitete unabläffig 
an einer Befeitigung des noch 1564 erneuerten Zugeſtändniſſes Der 
utraquiftiihden Union und vollzog dies thatfählid 1566; anderer: 
feits fühlte der neue Herricher nur zu bald, daß in den Beitrebungen 
der Stände zu Gunften des Evangeliums auch das Ankämpfen 
wider die landesfürftlide Gewalt und ihre Maßregeln ſich 
berge. Dagegen fühlte fid) aber der Proteftantismus als der that- 
ſächlich herrſchende und nicht bloß geduldete Glaubenstheil, und die 
Türkengefahr, die wichtige, aber auch ſchwierige Stellung des Erz 
herzogs als Oberbefehlshaber der windifch = croatiiden Grenze (vgl. 
XIII. B., 3. 11., XIV. B., 3.) nöthigte ihn, ſich des guten Willens 
der Stände verfichert zu halten, die ja, um ein geläufiges Bild zu 
brauchen, die Schnur des allmädjtigen Steuerfädels und das Heft 
zum Aufgebote in der Hand hielten. 

Außerdem war auch Karl nicht blind für den tiefen Ber: 
fall des katholiſchen Klerus in den Landen, wie er am 
grelliten aus den Rifitationsprotocollen des Patriarchates Aquileja 
für die füdlichen Gebiete hervorgeht, und auch für die oberen Lande 
in den Salzburger Synodalacten, in den biſchöflichen Maßregeln 
und vor Allem in den erniten Vorwürfen feine Belege findet, die 
der Erzherzog jelbit Anfangs 1568 der Verſammlung der Fatholijchen 
Geijtlichkeit in Graz über die Mißwirthſchaft in kirchlichen Dingen, 
Vernachläſſigung des Gottesdienftes, über das Leerftehen der Klöfter 
und den Verfall aller Sitte zu maden dringliden Anlaß fand, 
allerdings ohne fihtlihen Erfolg. Weberdies war Karl noch 1566 
gemillt, an dem Zugejtändnifje des Laientelches feitzuhalten und allen 
gegneriichen Eifer in der Praris zu verbieten, wie dies am beiten 
aus feinem Schreiben vom 3. Januar 1566 an den Görzer Pfarrer 
Math. Marzina hervorgeht. 

Aber bie Stände Inner : Defterreich verſpürten bald bie fefte 





398 XIV. Buch: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576—1618). 


Geldbewilligung an die Zulaflung von Prädicanten in die Städte 
und Märkte, der Erzherzog bezeichnet legtere ale ausfchlieglih ihm 
unterthänig. Kein Theil will nachgeben, endlich verichiebt man die 
Srledigung der Glaubensſache auf den nächſten Landtag, bewilligt 
aber die Geldforderungen nur unter der Bedingung, daß, wenn es 
zur Vergewaltigung nur Eines Prädicanten Täme, die Verordneten 
der Landſchaft die Pflicht Hätten, jede Zahlung einzuftellen. 

Sm diefen erregten DVerhandlungen liegt gewifjermaßen die 
Signatur aller weiteren; zwiſchen Landesfürjten und Ständeichaft 
währt ein Krieg, den nur Waffenitillftände und zweifelhafte Com⸗ 
promifje unterbrechen. 

Die katholiſche Actionspartei, als deren Seele wir den Kanzler 
Wolfgang Schranz bezeichnen dürfen, gemann nun aber bald mächtige 
Berbündete an der Gemahlin des Erzherzogs und an dem Orden 
der Geſellſchaft Jeſu. 

1571, den 26. Auguſt, wurde die bayeriſche Maria dem Habsburger an— 
getraut. Er gewann an ihr ein treues, häusliches Eheweib, die ſorgliche Mutter 
einer bedeutenden Kinderſchaar; aber mit frauenhafter Inbrunſt der römiſchen 
Kirche unbedingt ergeben, wollte ſie auch die werkthätige Bundesgenoſſin ihres 
unbedingten Sieges werden. Man würde irren, wollte man den Erzherzog bei 
der folgenſchweren Berufung der Jeſuiten in's Land und in den weiteren Maß— 
regeln zu Gunſten der katholiſchen Reſtauration am Gängelbande ſeines Ehe— 
weibes denken. Karl war zu viel Mann und Charakter, als daß er eine der 
eigenen Ueberzeugung widerſtrebende Richtung eingeſchlagen haben würde; aber 
die Gattin und die Umgebung ſuchten ihn raſcher vorwärtszudrängen. Schon 
im Januar 1570 Hatte ſich Karl an das Wiener Jeſuitencollegium um Faſten⸗ 
prediger gewendet. Pater Stephan Rimel, dann Salvator Gantabrus erfcheinen 
‚in Graz; im Mai 1571 auch der redegewandte Forſter. Das Märchen, e8 habe 
Kanzler ®. Schranz die erfien Jeſuiten, al3 Ritter verfleidet, in die Grazer 
Hofburg geſchwärzt, mag gleichzeitig im Volkshaufen entftanden fein und jeden: 
fall3 regte fich bald tiefe Crbitterung gegen bie „ſchwarze Brunſt“ als Vorboten 
„papiftiicher Ränke und Gemaltthaten”. Auh an den Ordensgeneral 
Franz Borgia wandte jich der Erzherzog, Doch gab ihm der Gecretär Hiero— 
nymus Natali nur allgemeine Zufidherungen, denn die Ordensleitung wollte zu— 
nächſt die Sachlage und die Stimmung am Hofe gründlicher ausfundichaften. 
Am Herbite 1571 erfhien der Wiener Provinzial Magnus in Graz. Es handelte 
fi) um die bleibende Stiftung eine8 Sejuitencollegiums in ber Landes- 
bauptitadt; der erzherzogliche Kammerjädel mar jedoch nicht gut beitellt. Die 
Prälaten jollten nun herhalten und waren von biejen Zumuthungen nicht gut 
erbaut. Dem Reuner Abte wurde das Gejchäft des Gelbfammelns übertragen, 
doch entſchlug er fich ſchon 1574 der undankbaren Aufgabe Auch der Salz— 
burger Erzbiſchof kam folhem Anfinnen minder freundlich entgegen. 


Der Landesfürft war längft entichloffen, den Jeſuiten als Vor: 





330 XIV. Buch: Tie Zeizen Rudolph's IL end Marhies ı 15. — Ins). 


Um io mehr beeilte tidy der proteftantiiche Adel, dieien bedenk⸗ 
fihen Erideinungen zu begegum. Schon am 1. Juni 1574 konnte 
er jeine Höhere Schule im Paradeis zu Graz, im Eggen— 
berger Stift, das 1568-1569 erworben und binnen vier Jahren 
zu dieſen Zweden ausgebaut war, als einen „Samen: und Vilanz- 
garten der Religion“, deiien ſich „das ganze Yand trörten” solle, 
erörmen und bald auf das Gedeihen derielben umter tũchtiger Leitung 
fernher geholter Lehrmeiſter mit Befriedigung hinweiſen. Auf der 
andern Zeite wurden am Bruder Auguit:Zandtage dem Erzherzoge 
lange Beihwerdeichriiten wider die Jejuiten „als neuen und uner: 
hörten Orden, der Alles verborben habe” unterbreitet und darin 
geklagt, daß im Lande eine jürmlide Jnquifition ihre arge Wirth: 
ſchaft beginne. Karl vertheidigte die Jeſuiten, welche bereits 155 
Gollegien beiäpen, und wies die Zumuthung inquiſitoriſcher Map: 
regeln mit Entichiedenheit zurüd. 

Der „Kampf um den Glauben“ wird 1575— 76 in der Steier: 
marf, in Krain und Kärnten zwiſchen den Landſchaften und dem 
Fürſten ergebniglos geführt. Wenn fi dennod 1578 der Erz: 
herzog zu bebeutenden Zugeitändniften veranlaßt jah, ſo lag bie 
Urjade in politiſchen DBorgängen, deren wir nun im Zu: 
fammenhange gedenken mütjen. 

Die Türltengefahr Inneröfterreide ruhte nit. 1570 
hatte ein neuer Beutezug der Osmanen in die Poik ftattgefunden ; 
bald hieß es wieder, die Türken rüjteten zu wiederholten Einfalle 
Dazu geſellte ſich 1572 — 73 der Ausbruch eines gefährlichen 
Bauernfrieges. 

Die croatiich : jlavonishe Bevölkerung am füdlichen Gemärke 
des Steierlandes, im Diten Krains und in der croatiihen Nachbar: 
ſchaft befand ji) angefihts der Türfennoth und der wachſenden 
Laſten der Grundunterthänigfeit in gedrüdter, grollender Stimmung. 
Es bedurfte nur eines örtlichen Anitoßes und der Aaitation ent: 
ſchloſſener Unruhſtifter, um diefe Stimmung zur unjeligen That 
aufzuftacheln. Das ganze darüber jeßt vorliegende Actenmaterial 
bezeichnet die Gemaltthätigfeiten des Magnaten Franz Tahy, 
Pfandinhabers der croatifchen Grenzherrihaft Soſſed, und feine 
mehrjährigen Irrungen mit der Gemeinde Stupica als nächſten 
Anlaß des Aufitandes, der fi) dann von Kaifersberg aus in die 
ſüdöſtliche Steiermark erftredte, andererfeits in das Waraäbiner 
Gebiet Croatiens weiter eindrang und das norböftlide Krain er: 
faßte. 


XIV. Buch: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576—1618). 331 


Zunächſt Hatten die Gemeinden ber Herrihaft Soſſed (Szomizebvär), 
Stupica, Werbowec, Stupnif im Frübjahre 1572 bei dem Kaifer als Könige 
Ungarns die Abhülfe ihrer Beſchwerden gegen ben tyrannifchen Pfandherrn an— 
geſucht. Doch zogen fie bald den Aufitand vor, an deſſen Spike fich ein fühner 
Mann Elias Gregorit (auch Illia, Hellia gefchrieben) aus Ribnik in ber 
Metif, zu Werdomec anläjlig, ftellte; er hatte gegen die Türken gedient und 
war einigemal in ihre Hände gefallen, daher er auch den Beinamen „Pribeg“ 
(Ueberläufer), führte. Matko Gubec (Gobec) aus Stupnica, Swan Paſſa— 
nef (Bafanicz) und man Magait traten an feine Seite; aud der Piarrer 
zu Werdowec erjcheint als einer der Haupträdelsführer und fein Haus als 
Berathungsplak der Aufitändiichen. Die Überleitung ſcheint Gubec angejtrebt 
zu haben, denn es hieß, die Bauern wollten ihn zum „Könige” aufmwerjen, wie 
auch der Pertraute des Gregoris, Michael Guffetit, ausſagte. Es mag 
dies aber eben jo Gerede fein, wie das Hiſtörchen vom „Bauernkaiſer“ Illia 
(d. i. Eliad Gregoric). Emiſſäre regten nicht ohne Erfolg die windifche Bauern: 
ſchaft zum Losfchlagen auf. Bald bangte den unvorbereiteten Landſchaften vor 
den nad) Taufenden zählenden Bauernhaufen. Von Rann aus, dem naturge- 
mäßen Mittelpunfte eines ſolchen Aufitandes, drang das Heer des Gregorit 
gegen Montpreis-Hörberg vor; feine Genofjen follten Gurffeld an der Save 
zum Waffenplape machen und die Einwohner des Landftädtchens Famen ihmen 
willig entgegen. Auch in Groatien follte die Bauernſchaft weit und breit in ben 
Aufftand getrieben werden. Bezeichnend ijt Die Ausfage verhörter Bauern: 
„man babe die Auffchläge, die Tacz (Verzehrungsſteuer) u. A. abthun, die 
wideripenftigen Grundberren bejiegen, fodann zu Agram eine Faijerliche Stelle 
aufrichten, alle Gefälle, Zinfen und Steuern ſelbſt einfordern und die Grenzen 
verwahren wollen, da die Herren barum gar nicht fragten. Es jtedt darin das 
wie immer unflare Programm einer politifch=focialen Bewegung. Im 
Januar 1573 ausbredend, wurde ber Aufitand nicht ohne Mühe im Februar 
bewältigt. Die Bauernhaufen erlagen vor Gurkfeld der Usfofenmiliz unter 
Thurns Führung, vor Peilſtein (8. Februar) den vereinigten croatifch-fteier- 
märkiſchen Schaaren unter Alapi, Zrinyi, und Georg von Schrattenbacdh; gleiches 
2008 ereilt die Haufen bei Ofi& u. a. a. DO. Endlich war denn doch Die ge— 
ſetzliche Macht, das Landesaufgebot, die Söldnerfhaar bes Kaifers den Friegs- 
untüchtigen Schaaren überlegen. Die Hauptleute werben jtrengen Strafen 
aufgeipart. Die entjeglichjte traf den Gubec zu Agram; er erlitt die Martern, 
unter denen einjt Dözia feine Seele aushauchte. Gregorit büßte gemeinfchaftlic) 
mit Georg Gruſſetiẽ zu Wien das Verbrechen der Empörung. Wie immer zog man 
bie Furchtbarkeit des Strafens der gründlichen Bejeitigung gerechter Beſchwerden 
vor, an denen es auch vor dieſem Aufitande nicht fehlte. Dennoch gab ſich in 
manchem Urtbeile gleicher Zeit die volle Erbitterung über Tahy's grundberrliche 
Trevel fund und als im November von neuen Unruhen die Rede war, verjuchte 
man, — wie e8 der Erzherzog längft eindringlich betont hatte — Die Unter: 
ſuchung ber fchreiendften Gebrechen, eine Revifion ber Urbare und ber grunb- 


herrlichen Gerichtsbarkeit. 


33% XIV. Bud: Tie Zeiten Rudolph's IL und Mathias’ (1576- 161. 


Ein ſchweres Jahr kam 1575 über Inneröſterreich: bei 
Budaſchki an der Radonja erlag der wadere Heerhaufen des 
Grenzoberſten und Landeshauptmannes von Krain Serbart VIII. 
von Auersperg im ungleihen Kampfe mit dem beuteluitigen 
Sandſchakbeg von Bosnien (22. September), der tapfere Führer 
und mander Genofje, 2000 Mann, fielen unter den Streichen des 
Feindes, Viele geriethen in Gefangenichaft, darunter aud) Herbart’s 
Sohn, Wolf Engelbredt, der 1577 wie jo mander Andere mit 
großem Gelde gelöit werden mußte. 

Seit langem hatte man feinen jo ſchweren Echlag erlitten. So 
wuchſen des Erzherzogs landesfürftlide Eorgen und die Grenz: 
gefahr ſchob die Glaubenszwiſte gewijjermaßen in den Hintergrund. 
1577—78 an die Epige der gefammten Grenzwehrverfaſſung geitellt, 
mußte Karl fich des guten Willens der Inneröſterreicher verjichern. 
Ehon am Regensburger Reichstage (1576) betonten die 
Ausſchußgeſandten den Anſpruch auf Reihshülfe ale Deutſche und 
Glaubensgenojjen und bei ven Wiener Berathbungen (5. Auguit 
bis 24. September 1577) ließen fie den Erzherzog das Gewicht ihrer 
Stellung in der Grenzfrage verjpüren. 

Am folgenfhweren Bruder Generallandtage Inner— 
öfterreihs (1578, Januar, Februar) erzwangen die Stände die 
mündliche Erklärung des Erzherzogs (9. Februar), daß er ſich mohl 
die volle Gewaltbefugniß in den landesfüritlihen Städten, Märkten 
und Gütern vorbehalte, aber „nicht der Meinung jei, die Prädi— 
canten und Schulen in Graz, Laibach, Klagenfurt umd 
Yudenburg zu vertreiben”; er wolle die Bürger aud) nicht be- 
ſchweren in ihrem Gemiffen und wie bisher ihnen von der Religion 
wegen nicht ein Härchen frümmen. Für das Alles bürge fein Wort. 
Gelang es nun aud den Ständen nit, eine urfundlide, die 
Nahfolger des Landesfürften bindende Erklärung 
zu erlangen, fo gemwahrten doch die Stände in jener mündlichen 
Zufage eine günftige Erledigung ihrer Beſchwerden, einen Sieg, den 
fie ansgefochten, und verewigten ihn durch die Denkmünze, deren 
Gepräge die bebeutungsvollen Worte: „Gaudet patientia duris“, 
„Geduld überwindet das Schwerfte”, trug. 

Aber gerade das Bruder Religionslibell bildet einen verhäng: 
nißvollen Wendepunkt in der Stellung der proteitantiichen Land⸗ 
Ihaften, einen faulen Frieden, die Duelle leidiger Gehäffigkeiten. 
Denn das Gemwährte ftand in feinem Verhältniſſe zum Begehrten 
und im MWiderftreite mit den thatſächlichen Errungenſchaften des 
Proteftantismus; dagegen regte er das katholiſche Parteilager zu 





334 XIV. Aud: Tie Zeiten Rubolph's IL und Mathias’ (19:65 —161%). 


Grenzvertheidigungsfrage abermals die frühere Taktik aufnehmen 
wollten, antwortete Karl darauf mit der Aufhebung der Bruder 
Zugeitändnijje, welche der Protejtantismus weit überidhritten habe. 

Wohl nöthigte die Geld: und Kriegsfrage den Erzherzog, einen 
Augenblid wieder einzulenfen. 1581, 3. Februar, erflärte er, es 
jei „aus gemwichtigen Urſachen das Tecemberpatent (1580) aufge 
hoben und Alles beim Alten belaſſen“, das war aber nur eine furze 
Waffenruhe. Karl ſah fich immer mehr in dem Gedanken an die 
katholiſche GBegenreformation beſtärkt. Tie Maireile nad) 
Prag, in Begleitung der einflußreihen Räthe Georg Khevenhüller 
und Johann Kobenzl, nah Tresden, von da nad) Prag und dann 
zurüd nad) Brud a. d. M., der hierortigen Zuſammenkunft mit der 
ipaniihen Braut Erzh. Albrecht's und Ferdinand von Tirol folgte 
das SHerbitedict gegen die proteitantijchen Bücher, deren an 12,000 
verbrannt wurden und der gegenreformatoriiche Erlaß an den Grazer 
Stadtratd vom April 1582. Im Herbſte zeigt die Verhaftung umd 
Geldbuße des Bürgermeifters Straßberger, des Stadtrichters Holzer 
und des Stabtichreibers Pangrießer, wie entſchieden der Erzherzog 
einzugreifen gewillt war. Das hatten aud die Abgeoröneten der 
proteftantifhen Stände Ipnneröfterreiis auf dem Augsburger 
Reichstage erfahren, wohin fih Karl im Mai 1582 begab. 
Ihre Beſchwerdeſchrift, die Verwendung glaubensfreundlicher Reichs: 
ftände, änderten nihts am Entſchluſſe des Landesfüriten, deflen 
Kath nunmehr durch den allmädhtigen Kanzler W. Schranz und 
den erzberzoglihen Beichtvater, über Anregung des bayerifchen 
Hofes, von den akatholiſchen Elementen gründlich gereinigt wurde. 
Ebenjo lohnt Karl die reihsfürftliche Interceſſion kühl und ſcharf 
ab. Als die proteftantifchen Stände fi) gegen den gregorianijchen 
Kalender heftig abwehrend verhielten, zwang fie Karl durch 
energiihe Maßregeln zur Annahme defjelben (1583). 

Schwül und erregt war die Stimmung in Graz, es febt Rei: 
bungen, Schlägereien ab; ein proteftantiicher Localdichter, der 
„Eyſenpeiſſer“, ſprach von einer geplanten „parifiichen Hochzeit“, 
von einer Wiederauflage der Bartholomäusnadht gegen die Evan: 
geliihen. Das war nun allerdings eine bodenloje Hyperbel; aber 
die Haltung des Erzherzogs wurde immer Tchroffer. 

Bald beginnt die katholiſche Gegenreformation ihr 
Werl. Die landesfürjtlihe Glaubenscommijlion: Regierungsrath 
Dr. Jöchlinger, Primus Wanzl, ein Mann von Einfluß bei Hofe, 
und der Vertreter des Salzburgers, Erhard, tritt in Oberfteier 
ihre Wanderung an; der neue Sedauer Bifhof Martin Brenner 





336 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's IL. und Mathias' (1576--L6IN). 


Maßregeln und fuchte nach einer Verjtändigung zum gemeinjamen 
Vorgehen. Als 1590 der Erzherzog in Graz die Gegenreformation 
ernftliher in Angriff nehmen wollte, gab es bedenkliche Gährungen, 
der Nuntius Malajpina mußte fi) vor der Straßenjugend auf das 
Dad) der Stadtpfarrfirde flüchten und wurde auf offener Straße 
mit Waffen bedroht. Schwer fiel dies Alles dem fränfelnden Landes: 
fürften auf’3 Herz. Er ſuchte Heilung der förperlichen Gebrechen 
im Bade zu Mannersdorf bei Larenburg und begab ſich zu dieſem 
Zwede mit der ganzen Familie im Mai nach Uefterreih. Während 
jeiner Abmwejenheit jegt es immer mehr Tumulte in Graz ab, jo 
bedenklich fteht Alles, daß Karl an die Rückkehr denfen muß. 
Körperlich gebrochen, ftirbt er den 10. Juli 1590, kaum heimgekom— 
men, und wie die Dinge lagen, jchien jein Lebenswerk gehemmt 
und verfolgt. In jeinem legten Willen fand ſich allerdings Die 
bebeutjame Stelle — jein Nachfolger folle „das ſchädliche Secten: 
wejen im Lande jo viel wie möglich ausreuten”, ein Ausdrud, 
den ein fpäteres Codicill fallen ließ; jedenfalls war dem Erben die 
Wiederaufnahme der katholiſchen Neftauration an’s Herz gelegt. 
Die Sahre der inner-djterreihifhen Regentſchaft 
und der Minderjährigfeit des Grftgeborenen, Ferdinand, 
1590 —1595, ericheinen gemwillermaßen als Feuerprobe der inneren 
Lebenskraft zweier Principien, die mit einander in zähem Kampfe 
lagen, der katholiſchen Fürjtengemwalt und der proteftan- 
tiihen Ständeautonomie. Die religiöjen Intereſſen waren 
ber Schauplag eines Streites, in welchen beide Theile um das 
Map ftaatlihen Einfluffes rangen, und in der That zeigten fid) Die 
drei Lande jett, bei dem neuen Herrenwechiel zu einem gemeinjamen 
und möglichft geharnifchten Vorgehen entichloffen. Als daher bie 
vormundfhaftlide Regierung unter Führung Kaiſer Ru: 
bolph’3 II. als Hauptes der Familie: die Erzherzogin-Wittwe Maria, 
Erzh. Ferdinand von Tirol und Herzog Wilhelm von Bayern — 
ven Erzh. Ernft zum Statthalter beitellten, waren die drei Lande 
entſchloſſen, fich Jolidarisch auf den Boden der Bruder Pacifi— 
cation vom Sahre 1578 zu ftellen, und den Grazer Berathungen 
entiprang die Botichaft an den Kaifer, deren Beſchwerden insbejon- 
bere gegen die Sefuiten und die Erzherzogin-Wittme gerichtet waren. 
Der Kaijer nahm begreifliher Weiſe die Angejchuldigten in Schuß, 
verwies den Ständen ihre „hitigen Anzüge‘ und ertheilte ben 
18. Januar 1591 dem Erzh. Ernſt die Vollmacht zur Gubernatur. 
Der Statthalter Hatte am Grazer Februar - Landtage einen 
harten Stand; wohl trat er mit Feſtigkeit auf, aber die Stände: 





in XIV. Banb: Tie geiten Rudolph's IT. und Mathias’ (1576 - 1601814. 


ſPracjtwation (158) ſchien ihre Hebung im protettantijchen Geijte und nad) dem 
eMiuſter der deuiſchen Schweſteranſtalten notwendig. Die innigen Beziehungen 
Kto gu übingen und zum Schwabenlande, Die wir aus der Geſchichte 
des imo Sruber klennen, veranlaßten die Nrainer Strände zu der Bitte (19082) 
an den Mürtemberger vVandesfürſten, ihnen den „gelehrten Doetor Nicodemus 
Friſchlin“ als Leiter der Schule zu überlaſſien. Schon den 27. Juli erſcheint 
der bekannte Humanii and Dichter in Laibach. um bier ſeines neuen Amtes zu 
walten und fſühlt dub bald ganz heimiſch. YVeider konnte der rast: und rırbeloie 
Mann nicht lange wirgebatten werden: ſein bewegliches Naturell trieb ihn bereirs 
Ist ans dem Lande. 

Zehn Jabre ſpater im Frühiommer ODE. zog ſein jugendlicher randsmann. 
Jobannes Kepler ans Tübdingen im dev stetermarfiichen Hauptſtadt ein, an 
deren dendichaeitiche Zetsche die Stande berufen baten. er wirkte bei 
wre Verotdung nt Dem Unterrichre im Der Aritdmettk. Rhetorik und in den 


wmametan derraus der Thopeer der moderner Auronorzie Schg Sabre rich ur) 


a 
vnpıb st Na N und Kabtender dre: der Wer erbertete der case Far an 
N daderdrecdenden Ideen die das Geder;ute des Werbsugdt, wie "& ten 
Werongeens Serriıognsdbrpe babe un bin zn de;en ser Beer 
nd Dein Bere Inder des Jodt: Wilken an Muh bestes, uns 
wild Bet o.znge \ehor Ne Jeebhertßre Zus Sıoa 'on Teiee um) 


Wwoweron Von des Jaeres 15255. Sa Sara 


d ZU 5 ..... „Nm 


2 u] 2 ’ mb 3 X 
» eds) SUN _«< here kur uvng sanı 8m ann» „LU. Dunorımm 0} . mt 
s " ıh % & . u ”» En sn ....— = vun... * 28 [un 
Im dental Pr vun .eo wu in “u Sau.onm Zz. ——— a vun „Lu: 
. 294 88 N DR mu. 0... won ne Sao x - 
v A x. a > 7 7 — Rd Si GR Se mr u nu aBeun ER .7 - XL 522*27 

» C. —W— ea Non . Burro-ını nn ınm N 0-m% [2% 

SI ONND NDS IN UST NN STUDIS UN) 7 I—— 
- - . - - - - 
& .n we. , .o. « X —XRELX } m m... nz .. m a 1 Nora . 
Yon a an a ‘ „unesen ia . .. „Lu No. - -.—. —8 — —.22 
X > = > — 
u _ S X “ ” - -.. wa, wo ne 5, -.. ur . 

* RX Ad nr % \ n ” L cs . z „sı u.a» Sam .o X II ILILAT IN sun o._ 
Ni nn Sen Pe \ vo Nor Sy I. — — ⸗ 2 — = 
1 “.- „oe Y U} au. .n a Wu 0 wum Saanm a —88 —222 — we 

- - 
a — —R “ —RXX — Lu — ⸗e ⸗ m. m 
Ni‘ ba Se vx Ban in \ x 7 u _ -.-a.. .n 0 vn nu ... = u... 1708 
A5 18 * — 2 88. d - m 0 u, oo... 3 
Di - ® < -&a - “ [1 ne. ba Sabo mu. — — = — ee er peu A 
N. . * —* B ven at 20 = —— F =, = mw om - .. Sn vous u 
PR ı& > m » — sr ou. = - m - > - wm tm u m m: -w sun m [2 U » - = 

” . - ® "a .o > rum. .. 2 - mn vo —* 3 
Stat) Nut. hm AT ı SIE. De „IN 22 
“- “ 3 ⸗ DE Eu wur Tr u...“ ... 

Sn, R .. .. — Tan - ” u... Ta . 2 RE „su 

-. [ . a | 222 > .n- "u. -. -- en - ne... Dr 

= n. & X - [} - „bb = [7 L 7 - nn sm - 1“ 
u... .y00r u “_ ” - > a - Rn - u .0: - - “u os 
N na T - » U “ = .. X. . .> — a 
= * 
23 ° = Si wu ren 
N 1 » bi u‘ . “ .. ® - - PET 2 5 Basın LT” . nn “_ er 
won DOSE UL IIND NUITLIT DET NLLDMNITI NDS CNT 
u - h “ - 
at v .. re ” 77 -“ . a ... 2 - —* —8 ⁊ - : —— Z . \ N 2 . 
> - % LLLRGET | 
1 1 y.. n. 8* a —* ⸗ u.“ 
* 8 —— . vo... f I 2 wu - = — » u n - SS. 
n 52 cI x - Ba. n*. .- u m na 0 u - » —3 N 


4 
. Ter m alarm ti Im 


XIV. Bud: Die Zeiten Rubolph'3 IL. und Mathias’ (1576—1618). 339 ‘ 


nur Einen felig machenden Glauben, dagegen feine Verpflichtungen 
gegen den Proteftantismus. Schärfer noch als der Bater faßt er 
die Fatholifche Rejtauration als Gemwiffenspfliht auf und ge 
wahrt in ihrer rüdfichtslofen Durhführung das einzige Mittel, der 
landesfürſtlichen Gewalt eine unangreifbare Stellung zu fichern. 
Der Glaubenseifer und das Gelbftgefühl des Herrichers geben feinem 
andern politiihen Bedenken Raum. hm zur Seite fteht die 
Regentinmutter, deren Glaubensgefühl der Sohn theilt, ein 
Rathscollegium eifriger Katholifen, mit dem Oberſthofmeiſter 
Balthafar Frh. von Schrattenbah an der Spike, und es fehlt nicht 
an Männern des Hoh= Klerus, welde zur Durchführung ber 
gegenreformatorifchen Idee Umſicht und Thatkraft vollauf befaßen. 

Bevor jedoch Ferdiand an fein jchwieriges Werk ging, mußte 
er fih bei dem Kaijer diesfalls rechtfertigen. Denn erregter als 
je war die Stimmung der drei Landſchaften, die erften Reftaurations- 
maßregeln der Regierung ftießen da und dort auf entjchloffenen 
Widerftand; in langen Beſchwerdeſchriften fuchten die PBroteftanten 
Inner⸗Oeſterreichs den Prager Hof gegen das Grazer Willfürregiment 
einzunehmen. Der Erzherzog juchte dem Kaifer feinen Standpunft 
far zu machen. Die Bruder PBacification fei für ihn nicht bindend, 
der Protefteftantismus babe fich ſelbſt über fie hinweggeſetzt; fein 
landesfürftliches Anfehen bebürfe der Wiederherftellung, denn ein 
Geift der Empörung gehe durch die Lande, ale wolle man eine 
„Republid nah Schweizer oder Holländer Art” anftreben und maß: 
[08 feien die Eingriffe der Stände in das Patronats- und Vogtei⸗ 
recht des Fürften. Der Prager Hof beitritt nicht die Zwangslage 
bes Landesfürften, die Berechtigung der katholiſchen Neftauration, 
aber er warnte vor den unberehenbaren Folgen gewaltiamen Ein: 
ſchreitens. Ferdinand jedod war ſolchen Bebenklichfeiten, die auch 
fo mander im Grazer Regimente hegte, unzugänglich, überdies war 
auch die Wiener Regierung und ihr bifchöfliches Haupt Khleſl mit 
dem Auftreten Ferdinand's ganz einveritanden, wie feine Correſpondenz 
mit ber Negentinmutter und deren Einladung nah Graz erweilen. 
Die Reife nad Stalien (April 1598) follte ihn für die Auf: 
nahme des jchwierigen Werkes Träftigen. Er reift über Venedig 
nad) Loretto, an den befannten Wallfahrtsort, mo er das Gelübde 
abgelegt haben ſoll, die Kegerei auszurotten, zu Ferrara traf er 
mit dem Papfte zufammen und weilte aud) in Rom; über Florenz 
kehrte er dann wieder heim. 

Es war ein entſcheidender Augenblid für die Gejchide Inner⸗ 


22* 


"340 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576— 1618). 


öfterreihe. „Man erwartet die Zurüdkunft unfers Fürften aus 
Stalien mit Zittern”, johrieb am 11. Sumi 1598 Kepler ahnenden 
Geiſtes an feinen Lehrer und Freund Mäftlin in Tübingen. Syn 
der That fjollte es nun zur durchgreifenden Wandlung der Ber: 
hältniſſe kommen. 

Wir müſſen hier innehalten, um die kirchlichen Zuſtände Inner— 
Oeſterreichs zu würdigen. Unſer Führer iſt ein verläßlicher Gewährsmann, 
Monſignor Francesco Barbaro, damals (1593) vom P. Clemens VIII. zum 
Viſitator der öſterreichiſchen Provinzen der aquilejiſchen Diöceſe beſtellt, in ſeinem 
Berichte an den römiſchen Stuhl. Barbaro fand die Klöfter im argen Ber: 
falle, den Landklerus durchweg im Concubinate (manchen Seelforger in 
öffentlicher Ehe), dem Lafter der Trunfenbeit jehr allgemein ergeben, vielfach roh 
und unmiffend. Dagegen jei das proteftantifhe Pradicantentbum un: 
gemein rührig und von den Ständen materiell gefördert; deshalb jei es noth— 
wendig, den Landſchaften die Verwendung ber Steuergelder in dieſer Hinficht 
thunlichſt zu verleiden. In Krain ſei der ganze Adel dem Kekerthum ergeben, 
fo auch die große Mehrzahl der Bürger; die Bauern aber hielten am heiligen 
Glauben feft, eine Erfcheinung, welche auf den Gonjervatismus des Land- 
mannes binmeift, aber auch mit dem bedeutfamen Antagonismus zwifhen 
Adel: und Bürgerthbum, andererfeits Bauernfhaft fi berührt. 
In der gleichzeitigen Aeußerung eined Krainer Abdeligen: „Wenn uns Türken 
und Venetianer nicht umbringen, fo werben es unfjere Bauern thun“, jpiegelt 
er fi) am beften ab. Ueberdies bemerft Barbaro an anderer Stelle, daß gerade 
die Noth des Lebens die fändige Türfengefahr das Landvolk frömmer made. 
In Steiermark, befagt der weitere Bericht, gebe es neben der großen Mehr: 
beit proteftantifchen Adels doc eine gute Anzahl Katholifche; die Bürgerſchaft 
fei zur Hälfte feerifch, die Bauern durchweg Fatholifh. (Wir dürfen dabei nicht 
vergeflen, daß Barbaro nur den aquilejiihen Sprengel der Steiermark, aljo das 
windifche Unterland Fennen lernte.) In der Salzburgiſchen Diöcefe, Mittel: und 
Dberfteier ftänden die Dinge ganz andere. An Kärnten feien Abel, Bürger: 
ſchaft und die Mehrheit der Bauern ketzeriſch. Aehnlich haben wir uns die 
Slaubensverbältnifje in Mittel: und Oberfteier zu benfen. 

Wir müfjen diefen Andeutungen Barbaro’3 über bie Firchlichen Zuftände 
noch eine Bemerkung anjchliegen. Inmitten der römijchen Kirche und des 
Proteftantismu3 treibt auh das Schwärmerthum üppige Keime. Wie 
einft die Noth der Zeit und friedenſuchende Gemüthsangſt die Geißler ober 
Flagellantenſchaaren wachrief, jo eritand damals auf dem Boden bes flovenifchen 
Kraind und Unterfteierd die ſeltſame Secte der „Springer, Werfer, Stifter oder 
Marterer”. Die Windin Maruſcha, als Vifionärin, gilt als Urheberin dieſes in 
Manchem an das extreme MethodiftentXum Amerifa’3 mahnenden Wahnwitzes. 
Aus katholiſchen Bauernkreiſen bervorgebend, fordert er bald das Einſchreiten 
der Kirche unb ber geſetzlichen Macht Heraus, denn die Zahl der Schwärmer 


Pe behr- m. Mfeunez, Karner⸗Vellach, im Gebiete von 
Leonhard in ben windiſchen Büheln, 





349 XIV. Bud: Die Zeiten Rubolph’3 II. und Mathias' (1576— 1618). 


pfarrer, Lorenz Sonnabender, jchon zur Zeit des Ingol—⸗ 
ſtadter Aufenthaltes Hofcaplan und Günftling Ferdinand’s, den aller: 
bings die heftigen Angriffe der Prädicanten und GStiftslehrer nicht 
wenig reizten, und der Leibniter Pfarrer, dann (1596) Stainzer 
Probſt, Jacob Rofolenz, ein wichtiges Glied der Glaubens: 
commiffion und ihr Gefchichtichreiber, der dem fpäteren Projecte 
eines Grazer Bisthums perfönlih jehr nahe ftand. Keine 
untergeordnete Rolle war den Jeſuiten-Rectoren, Hauer und 
Neulich, zugewiefen. Dem Lavanter an Begabung in weltlich-Fird)- 
lihen Dingen ebenbürtig, aber jchneidiger in feinen Weſen war 
der Laibaher Biſchof, Thomas Krön (Chrön), geb. zu 
Laibach 1560, Sohn eines proteftantiihen Rathsherrn und Neffe 
Sitnik's, der dann als Negierungsrath in Graz auftaucht; an der 
Wiener Hochſchule gebildet, durch ein Krankheitsgelübde für den 
geiftlihen Stand gewonnen und bald Laibacher Domherr geworden ; 
1547 als ein hoffnungsvolles Rüftzeug der katholiſchen Kirche zum 
Landbiſchofe Krains ernannt. Im Einvernehmen mit der Gefell: 
ſchaft Seju, deren erfte Niederlaffung zu Laibach 1596 erfolgt war, 
ging Krön an die Katholifirung im nächſten Kreife und bei der 
großen Gegenreformation der nächſten Zeit war ihm eine der eriten 
Stellen zugedadt. Die Biſchöfe von Freiſing und Briren als 
Großgrundbefiger im Krainer Lande halfen mit und das Batriarchat 
Aquileja verfügte Vifitationen in gleicher Richtung. 

Der geiftlich = weltliche Feldzug gegen den Proteftantismus be= 
gann jest im größeren Maßſtabe. Der kaiſerlichen Nichtintervention 
mußte fih Erzh. Ferdinand zu verfichern. 

Das erite landesfürftlihe Decret vom 13. September 1598 
verfügt die Ausmweifung der lutheriſchen Prädicanten 
binnen vierzehn Tagen aus Graz und allen landesfürftlichen Orten; 
der Befehl wird Angeſichts der Gegenvoritellungen zehn Tage jpäter 
erneuert und verſchärft; das dritte, drohendſte Decret vom 28. Sep: 
tember, dem Hauptmann Paradeiſer mit 300 Kriegstnechten 
nöthigenfalls Nahdrud geben jollte, hat die gewünjchte Wirkung. 
17 Brediger verlajfen noch vor Sonnenuntergang Graz; binnen 
acht Tagen follen fie auh das Land räumen. Den 22. October 
erging an die Laibacher die gleiche ftrenge Weifung. Der December 
brachte endlich das Entſcheidendſte, den erzherzoglichen Befehl, daß 
die Bürger fämmtlider landesfüritlider Städte zur 
fatholiichen Lehre zurüdtehren, oder nach Verkauf ihres unbeweg: 
lichen Gutes und Abgabe eines Zehnten auswandern müßten. 

Der Erzherzog war auf Widerftand gefaßt, und die Stände 





344 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's IL. und Mathias’ (1576—1618). 


in den drei Ländern, zunächſt in der Steiermark ihren Bekehrungs⸗ 
feldzug. Es war feine leichte Arbeit, wie die Ecenen in Eiſenerz, 
in Aufiee, im Ennsthale, zu NRadfersburg, — Neu: 
marft und an anderen Orten verrathen. Mit gemijchten Empfin: 
dungen lejen wir den Bericht des Apologeten der Gegenreformation, 
des Probftes Jacob Rofolenz. Ihm entnimmt man am beiten bie 
Ausbreitung und Zähigfeit des Proteftantismus im Lande. In 
Graz jelbft führte der erzherzoglihe Befehl vom 27. Juli des 
Sahres 1600 die Entſcheidung herbei. Vier Tage fpäter mußte 
fich jeder Bürger bei Strafe von 100 Ducaten in der Stadtpfarr⸗ 
firhe zum heiligen Blut einfinden, wo aud der Erzherzog mit 
glänzendem Gefolge erihien. Nachdem der Bijchof Brenner die 
Belehrungspredigt gehalten, mußte Jeder Stand und Glauben an 
geben. Die Mehrzahl erklärte fih für den Katholicismus. Für 
die Unentichiedenen wurde ein zweiter Termin feitgefet. Am 
8. Auguft hatte die Bürgerichaft einen feierlihen Glaubenseid 
abzulegen. 10,000 lutheriſche Bücher wurden unter dem Schloß: 
berge verbramt. Schon früher hatten die ftrengiten Verordnungen 
zu Gunften der Retatholifirung des Magiftrats, der 
Innungen, des Bürgerrehtes Platz gegriffen. Im Großen 
und Kleinen blieb dies Form der örtlichen Gegenteformation allüberall. 
Im Krainer Lande war Bischof Krön die Seele der harten Maß: 
regeln und fie griffen 1600—1602 durch; in Kärnten jegte fie 
der Stedauer Kirchenfürft Brenner 1601— 1602 mit Erfolg in Scene, 
wenn auch noch 1604 viel zu thun übrig blieb. 

Die Denkſchrift der innersöfterreihifhen Stände 
vom 24. Februar 1600, als Antwort auf die lanbesfürftlihe Re⸗ 
jolution, bielt den Stein im Rollen nit auf. Sie ftammt aus 
einer Zeit, in welcher die Gegenreformation erjt in der Steiermart 
gründlih aufgeräumt hatte und die beiden anderen Länder noch 
weniger davon berührt erjchienen. Mehr nody als ihre umjtändliche 
Vertheidigung des Glaubens und feiner Freiheit, ald die Zurüd: 
weilung der Anwürfe gegen die Loyalität der Stände und das Be: 
nehmen der Brädicanten fefleln uns die Ausführungen, daß fi 
Steiermark und mittelbar auch deffen Schwefterlande auf Grundlage 
des rudolphinifchen Privilegiums von 1277 unter dem „Schutze bes 
heiligen römischen Reiches“ befänden, von welchem fie als Lehen 
berrührten, daß alle drei Länder eine politiihe Union und das 
Band gemeinjamer Intereſſen umſchlinge und daß man ihnen die 
Appellation an den Kaifer, als das höchſte Haupt und den 
Aelteiten des Haufes Defterreich, Überdies ald Monarchen der Chriften=. 





346 XIV. Eu: Tie Zeiten Rupsiph 5 IL und Martins‘ 1576 —151Fı 


lichen Streites, der bei all’ feinen Echattenieiten die Geitter weckt 
uud nährt, tritt aus dem Felde politiicher und geittiger Interehen 
en mehaniihes Stillleben der drei Zande ein und fördert 
ihre Abichliegung vom großen Strome der Ereianite, nicht zu eigenem 
Zortheile und nidt zum Beten des Ganzen. Tas geiftige Leben 
ftagnirt, wie überall, wo es an Bewegung, an Stormediel gebridt, 
und die rudweiien Auswanderungen, volfswirthichattliden Einbugen 
au Arbeitskraft und Imtelligen;, die Schwächung deutſchen Volks⸗ 
thums in ben windiihen Zandestheilen erzeugten Nachtheile, deren 
Gewicht fein geringes war und noch fühlbarer wurde. 


Ucberiht bes widrigtien örıliden Ganges der Gegenreiormation, 
III —1IR. 

1. Eteiermart. (Eraz 1599— 16.) 

1539 Habt, im I hberlande: Leoben, Gilenerz, Aufſee, Schlabming, 
Rorenmann, Wald, Kallwang, Reumarft. In Unterfteier: Mured, Radfers: 
burg, Klöh, Halbenrain, Windiſche Bũhel (Springeriecte), Windenau, Pettau, 
si, Sachſenield, Windiſchgräz, Mahrenberg, Arniels, Leibnitz. 1600 Frühj.: 
Shertteier: Peggau, Frohnleiten, Prud a. d. M., Leoben, Knittelield, Cr. u. 
KA. Lobming, Obdach, Weißkirchen, Zeyring, Unzmarkt, xrauenberg, Neumartt, 
St. Leonhard, Heiligenſtadt, Spital, Ranten, Echöder, Payerdori, Er. Georgen, 
Eı. Lorenzen, St. Ilgen, Er. Gäcdilia, Et. Rupredt, Etadt Murau. Kainach— 
tbal: Voitsberg, Poik, Hirihegg, Mabriadh, Ligiſt. 1600, Mai: Dit-Steier- 
marf: Hartberg, Anger, Burgau, Feldbach, Fürſienfeld, Gleisdori, Pirkfeld, 
Si. Rupredt a. d. R., Stubendberg, Waiz. Tberjteier: Eijenerz, Radner, 
Admonı, St. Gallen, Hieflau, Irdning, Liegen. Mürzthal: Mitterndori, 
Mürzufhlag, Kapienberg, Kinbberg. 

2. Kärnten. 1601—1602. 

Gmünd, Spital mit 11 Nachbargemeinden, Bailthal: 16 Orte; Millſiatt, 
Weiſſenfels, Gurt, Straßburg, Et. Veit, Wolfsberg, St. Andrä, Völkermarkt, 
Feldtirchen, Villach, Klagenfurt. 

3. Arain. 1598—1602. 

Wippad, Krainburg, Laibach, Etein, Rudoliswerth, Möttling, Laas, 
St. Sanzian, Krainburg, Radmannsdori, Kronau, Weiſſenfels, Aſſling (Hamnter: 
gewerföleute). In Veldes hatte bereit der Brirmer Bilchof die Rekatholiſirung 
burchgeiührt, desgleihen ber Freiſinger auf jeinen Bejikungen. 


XIV. Bud: Die Zeiten Rubolph'3 II. und Mathias’ (1576—1618). 347 


6. Die religiösspolitifhe Bewegung in Ungarns Sichenbürgen, - 

1600 —1606. 7. Die deutfhen und böhmifhen Erblande bis 

zum Wiener Frieden (1606). 8. Der Thronkampf der habs⸗ 

burgiſchen Brüder, 1606-1611. 9. Mathias und Minifter Chleft, 

1611—1617. 10. Die Thronfolge Ferdinand’s II. und die An⸗ 
fänge der großen Krife, 1617--1618. 


Literatur. 6. Vgl. 0. die allg. Quellen: und Monographieenlit, z. 
XIV.2.; 3. A. das Duellenmäßige insbeſ. Iſtvy anffy XXXIIL; ®. Bethlen 
XIII; Hidvegi Mikô (1594—1613) in den Monum. Hung., 7 Bd.; Laczko 
(Särospataki); Illyéshäzi; Szamosközi (II. Bb.); P. Böjthy, de 
rebus gestis Gabrielis Bethlen, b. Engel, Monum. Ungrica; Val. Drugeth 
(Homonnay) Diarium, b. Szirmay, Notit. hist. comit., Zempl. I.; 3a: 
wodszky, Diarium (1586—1624) und Bocatius (poeta laur. u. Kaſchauer 
Stadtrichter, Ztgen. Bocskay's, in Bel.: Adpar. ad hist. Hung.). Die Zipfer 
Quellen in Wagner’8 Anal. Scepusii s. et prof, 1-4. Bd. (biefer Theil 
der Leutichauer Chronik blieb noch Mſer.); die fiebenbürg. in den Samm- 
lungen von Kemeny-Traufcenfels, Miks. Bon kath. Seite die Chronik des 
Pethö (—1626), fortgej. u. 5. von Spangär. Intereſſ. Material enth. auch 
Kovachich, Sammlung ungebr. Stüde und scrr. minores. Für bie Geſch. 
Siebenbürgen in den eriten 7 Decennien bes 17. Jahrh. wird der Schäßburger 
Ratbichreiber ©. Krauß in feiner fiebenb. Chronik v. 1608—1665 eine Quelle 
erften Ranges (j. d. X. in ben Fontes rer. austr.). 

Bon deutſcher Seite der bereits citirte Ortelius redivivus u. C. En: 
rerum hung. historia ... . u. a. a. 1604 (Coloniae 1604); fortgej. —1608 
(ebenda). Daran fchließt fi: succincta nuperi motus austro-hungarici nar- 
ratio u. fama austriaca (1627) u. X. 

Die Quellen 3. Gef. d. Jeſuitenordens i. Ungarn jener Tage, zunächſt 
in dem eigenen Organe be Ordens: Litterae annuae societatis Jesu. 
(1581— 1614 in mehreren Abtheilungen, e. 3. Rom, Florenz, Neapel, Antwerpen) 
und Socher, hist. prov. austr. S. J. ſ. o. 

Ueberdies: Benigni, Mofes Szelely, Fürſt von Siebenbürgen (im fieb. 
Volkskal. 1843); Joh. Nagy (Värfalvi), ausführl. Abh. in Szazadok, 1869 
über denſ. Gegenftand (vgl. 0. d. Monogr. v. Schuler:Kibloy); Podhradzky, 
Das Leben Illéshäzy's im Magyar muzeum (1856,VI.); Frankl (jet Fraknöi), 
Päzmäny Peter es kora (Peter Paʒman u. ſ. 3. 1570— 1621), A., I. Bd., 1868, 
ein Hauptwerl. Bon bemf.: ein Aufſatz über den Wiener Frieden v. J. 1606 
in ben Györi füzetek, h. v. Räth und Römer, III. H.; desgl. über dieſen 
Gegenftand: Hatvani (M. Horväth) in den Raizok, 512 fi. (ausführlich); 
%äfzay, p. a. sz. k. v. szavazatjoga gyüleseken (das Stimmrecht der k. 
Freiftädten auf den Neichstagen) (1842 bef. f. die Zeit von 1582 ff.); K. von 
Horväth:Hajnik d. fürjtl. Haus Efzterhäzi (Defterr. Revue, 1865, 4. Bd.). 

F. Kazy, S. J. hist. regni Hung., I. (1601 — 1637), ged. 1737 3. 
Tyrnau (eig. fol Timon, ſ. Ordendbr., der Bf. fein); Katona, hist. crit., 


Ir. ı ıXIL &ı. Zul m: Erg. ir m RR IL z ©. Ums 
: Fazrä:h Dr. Z;:zier IV.; 
: I Z;:lärz!, —* —XR 


43% 
E 
M 

: 

x 
—3 
. 


—— u ER. . 
zus '. Ze: ıs. I9— 112, "Erag, 1363 ã. (Tie 221 Fire erider :u 
Simerızs erizmmeise Izmmene barır nah der Daa Me ung Yır 
3. u weutr Ze: Gaben Für Die Reteubrung der Meran :uwien Cinbeln 
zu Amer Nase We. 3.7. Ban), ; Reibsgrit. 2.2. Zahl Nubeisy 5 IL 
Ss 5 Bol Aerdinands ILı: über das Zerbeizen Ber Union zur öfter. wand. 
Eewegung Zgeli d. Ari. „Tie Gründung d. Umion“ : Treut Jabrb. 33 Di) 
un %. Eranb i; Geh. d. 5. Unruhen u Iren i. ı Rırammenb. 
mit d. furpräl: Tom. , gute Arbeiten gelieiert. ıiRremier. 


e 


C. Realid. 
Im: Danfa, Tie Gorreip ;w. &. Rubolpb IL. en ung. K. Rab. dem 
Erzh. Leopold u. Albrecht — Abb d. böhm. Bei. o. W. (II 47) S. 4. U 
aud bie Kr :u Ir. 

4 Gindely über den önerr. Reichstag zu Yinz i. 3. 1614, Sigumgäber. 
b. Biener At. Hit Kl, 40. Ed. Ueber die ung.:jiebenb. Verb. i. bie Lit. 3 6,, 
terner bie wichtige Abd. v. Firnhaber in den Wiener afad. Sitzungsberichten. 
bit. pH. Kl. 2%, A. 2b; und die ausi!. GFinleinung von Salamon ; \. 
Monogr. Kit magyar diplomata a tizenhet szäzadböl. (;wei ung. Tiplomaten 
1627, (Peith, 1267, (Tie Abh. v. A. Zzilägyi ĩ. XV. 2) 

11. Ranke a. a T. (vgl aud bie !ir. des XV. A.) u Gindely, 
Weich. d. böhm.-m. Brüder, 2. B., und die Wahl X. Ferdinand's IL, Situngsb. 
b. Wiener Atab., 31. 2b., und Geich. bes 30jähr. Krieges, I. A, (1869); 
Stieve, ber Uriprung des breißigjähr. Kr. I., der Kampi um Tonaumwörth 
(ir75y; und das bereits cit. widhtige Werk von Ritter, Geid. d. Union, 
Il, Kand. 

(Hin ziemlich ergiebiges Verzeichniß „der Zeit: und jlugichriiten aus der erjten 
Hälfte des XVII. Jahrh.“ (aus dem bezüglichen Rorrathe der Univ.:Ribl. u. 
ber Joann. Bibl. zu Graz, dann des jteierm. L.⸗ ne ), veröfl. v. Zwiedinel: 
Sudenborft im Jahresprogr. der Grazer L. O.Realſch. (1876). Qgl. aud 
deſſen Monogr. über „Fürſt Ghriitian der Andere von Anbalt: Bernburg u. |. 
Dez 3. Inneröfi.“ (Graz, 1874), worin ich ergänzende Mat. ;. der Abb. 
von Krebs finde. (©. w. u. XV. Buch.) 

Tie ältere Literatur zur Geſch. der proteji. Bewegung der deutſchen 
und ber böhmifhen (Schlande in Weber's Lit. d. d. St. G. J. S. 241 f., 
271, N. 


6. Jenſeit der Leitha, im Ungarnreiche, regten jich die Stürme, 
welche bald mehr als je den Machtbeſtand Habsburg - Defterreidhs 





“oh. “ın Tlaoaıım Tılı3ıi_l_ mr Ted "700... 


. vo—. nn wir ed ed ee; .——; R— [ — | wa} 
Aha u ea . m m om wu m an Dom tn = 1— mu m m [U U 1 m 


_ - — L 
x... „ Zoo rriımmi ZA Io mon vr: Armeen 


-_.- 
„m. ))-: “ur — — —X u. ee. zo m a. =. 
un u mn. m .. 1 umin San un — nn — u. 2— — uno” 


- — 
ve. - 2. —— * — — — — u — % ach 
[7 Be er a. 0 an! Mn — 3 . 2 — — Kumn - 2m. =.Q: ann ——— 


— — .. ='’e nu — 8* er nn d u. = 


r 
u = dd — — od - u m 2m ar. u mw —— mon 
— 


- 
— u... 
q > — 8 .- ı_ un —— 1. en —— — —⸗ V⏑—⏑— — 
2 — uw) —. vr 3 2 —— 3 ..- — in a en nn —— m m Sk 2222 


— 3.2 =; ——“ u el dee — * — . vn 1} oem ng — — 
tn nn uw -.- — — 2 — u Win — au usa aan." — 2 22 —e. — 


22 . —— — — 


m. FE ” « —— 
— nm gm ii. m om .., [7 nn din ir u. — — ⸗ nn —— . 
H 3 ve X * 2 — uno “...m ._. SZ an 


na wu. .— ——— m. = 2.n m aüsyasrnn a ui ...——- un... [ 


— - 2 m —— — ms 22 —X — u a — mn x. — 4* 
gm —X — een 2 ». = = our 


— . nn. ..- 22 u... wu oa .. — * Non = uch 1 en un — .— "une un m. 


ser, 128 la (nm mir en « œÊT. 


L_ num un nn mn au m m .® nam ou [7 »-» m nam up «db Tu us 


220m um u — =. -ärızym la — — —2 =. as; — .B. um. Sue rare, 


—— —“⸗ - .. ——. n.. mu mE a ⏑⏑—⏑ m Du 22 2222 


77 3 neu ann ·46. m. m um ——— — om * u u dem 


— — —X 2 wo... .. mom © m .0on m... © —— [933 


arm Amızsmismus sutim an Zintm on Br Normung 


CL Ey 


wei mer Iemen . Eon N Ir Erle meräteren 


Simurı.he un m um Im an Tür 8 Eetgrtichen 
r2 2, Wurnkts rm Exrzınlerz.o: s Roß— 
Leuntintsire m) Zmulere. mie cher ls 3 bimiich 
zn a. A. eriiten Tom Orinein ırer Sterns sı NONTT, 

m es Mater 'ider NArtead: 
⸗ 2, ler are Did, Nur Sord und Beute 
Alm Re an Die Tabne Die $ Zssberm — un? mursuont sebrach 
es en Kmen, Lie Briee: S * Secdigen. 

Ter Krebeitaeden der run Ungerms lag mn 
ter Serrabienbait Des Dertikerbauies, \n — Sxsen, turstihrigen 
Matresein. Ter Kiter, einnzlizrerts in der Trzser Bura cine 
eAkishen, : semutbstrenf, jab Die Dinge nur mit frirtden Angen, 

anczte nur nad Dem Korie Anderer. Er mode die farboliiche 
(Heaenrerormarion Uncarns, um mit der Herrichait Des Prote⸗ 
tantizmus in Tier und Tielingam aud den Heerd der volitiſchen 
Lorartion u beieitigen, — und wußte ebenĩo wenig Die eigenen 
Viachtmitel ab:uichaden, als die zwickdienlichen Wege su wäahlen; 
er wollte ſich als Hirricer seinen und ſcon wußte man, in vertrauten 
Kreiten nit bloß, Tondern allaemein, mie ichlecht die faiterlichen 
Bruder auf Kudolvh II. zu iprechen waren, wie er ihnen migtraue. 
Anbererieits ließ er die wichtigiien Geichärtte in ben Händen bes 


er‘ enge Te mrgr .. "5; 3. nn, ——— cn ne. ; Stangen 
& 


XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576—1618). 351 


Wiener Hofes, feines Bruders Mathias. Es gab ein Doppel: 
regiment, und das war vom Argen. Einheit des Herrſcherwillens 
und erfolgreihe Thatkraft fehlten und gerade im Karpathenreiche 
mußte diefer Mangel des rudolphinischen Negimentes doppelt ver: 
hängnißvoll werden. 

Allerdings fchien um 1600—1602 die kaiſerliche Politik mit 
günftigem Winde zu fegeln. Die Pforte war unter dem neuen 
Serdar, dem Großvezier Ibrahim, einem ſlavoniſchen Nenegaten, 
nicht glüdlicher als unter dem früheren Oberbefehlshaber Moham: 
med Saturdſchi, der mit der Schnur für fein Mißgeſchick büßte. 
Bor Stuhlweißenburg erfodhten (15. October, 1601) die 
Raijerliden, unter dem Herzoge von Mercoeur und Roßwurm, von 
Erzh. Mathias unterjtügt, einen glänzenden Sieg, und wenngleich 
Erzh. Ferdinand v. Steiermark die Belagerung von Kaniſcha 
vorfchnell und fluchtartig aufgab, Stuhlweiffenburg wieder in Türken: 
band fiel (1602, 29. Auguft), jo hielt man doch in Weit: 
Ungarn die Türken in Schach; 1604 bequemte fich der neue Sultan 
Ahmed zum erfolglojen Friedensangebote und die Kaiferlichen unter 
Georg Balta nöthigten den Ofener Vezierpaiha Lala Mohammed, 
von Gran mit 70,000 Mann wieder abzuziehen. 

Ya, jelbit Siebenbürgens Wiedervereinigung mit 
der ungarifchen Krone jchien gefichert. Gerade hier aber brach die 
verhängnißvolle Bewegung los, welche das Habsburgifche 
Ungarn mit fi fortriß. Wir müffen nun diefer Wechfelfälle kurz 
gedenken. 


1599, 20. Nov., war ber fchlaue Gewaltmenſch Michael, der „Wallace“, 
zum faiferlihden Rathe, Statthalter und Obercommandanten Siebenbürgen er- 
nannt worden; es begann ein Wüthen mit falter Grauſamkeit gegen bie Ba- 
thoryaner, befjen die Sahrbücher des Landes ſchaudernd gedenken. Der Wütherich 
habe den Ständen auf dem Weißenburger Tage (Januar 1600) feinen Säbel 
gezeigt mit den Worten: „Sehet, ihr Siebenbürger, mein Privilegium!” Aber 
er war fchlau genug, bie drei Nationen durch verfchiedene Künfte feiner Herr: 
haft gefügiger zu maden, ja, er verftand ed, firenge Manndzucht zu halten. 
Als ihm am 11. Februar 1600 die erbliche Statthalterfchaft in der Wallachei 
zugefichert erfcheint, verfucht er fih au ber Pforte und Polen gegenüber 
zu deden. Die kaiſerlichen Vollmachtträger, David von Ungnad und Michael 
Szoͤkely (Zekel) durchſchauten bald Michael’3 Verhaßtfein, bie ehrgeizige Selbit- 
fucht des Wojwoden. Diefem gelingt der Feldzug in bie Moldau, bie Stände 
Siebenbürgens huldigen ihm (20. Juli 1600), der Kaifer, die Pforte ſenden 
ihm die urkundliche Anerkennung. Aber eben jetzt, ba ber Wojwode bie beutjche 
Reichsfürſtenwürde und bie wichtigften Grenzfeften Oft:Ungarns verlangt, wird 
dem Kaifer die Gefährlichkeit Michael's Mar gemacht; das ift ber Augenblid, in 


353 XIV. ud: Tie Zeiten Rudolph's IL und Mathias (176 — 1615, 


welchem Unzufriedene: Moies Ezetely, jein selbbauptmann, ber Mann 
der Zufuntt Gabriel Bethlen u. 3. auf den Sturz des Gewalrmenichen 
warteten. 

Georg Faita, Freiherr von Sult, ber kaiſerliche Feldhauptmann, ein 
Welicher von Caſtaldo's Schlage, kriegstüchtig, eiiern, rückſichtslos und abge- 
jagter Feind ber ehrgeisigen Plane Michael's, bie jeinen eigenen Wünſchen nad 
ber militärijhen Tictarur in Eiebenbürgen widerürebten. — verfiändigt Tıd im 
aller Stille mit den Gegnern des Balladen; ſchon den 23. Eeptember jteht er 
im Lager vor Thorda, um ben „türdhterlichen Abjichten” des Wojwoden zu be- 
gegnen, und bei Miriszlö (18. September 1660, sieht ſich Michael von 
Stephan Eſäky und Baita geihlagen und zur Flucht in die Wallachei gezwungen. 
In dieſem Augenblide ericheint der ruhelofe Eigismund Bäthory abermals 
im Lande Eiebenbürgen, um zum dritten Male in der allgemeinen Terwirrung 
bie leichtiinnig verfchleuderte Herrſchait an ſich zu reiten, während eine fieben: 
bürgiſche Deputation am Prager Hoie für Die Uebernahme der Herrſchaft durch 
Erzh. Marimilian III. oder eine Fürſtenwahl fih verwenden will. Sigis⸗ 
munb Bäthory will dem zjuvorfommen. Es gelingt ihm in der Ihar (27. März 
1601). Inzwiſchen war der planreihe Rojmode Michael nah im, dann 
nach Frag geeilt. Hier weiß er wieder den Kaijer für fi zu gewinnen, ja, 
Gerüchte gingen, der Kaijer fei entichlojjen, die Tochter Michael's, Florika, zur 
Frau zu nehmen, biefelbe, welche 1599 der ränfevolle Wojmobe dem aben- 
teuernden Sigismund Bäthory angetragen. Tie Ironie der Geſchichte läft nun 
Michael und Baita vereinigt den neuen Cindringling bekämpfen. Zei Goroſzlö 
(1601, 3. Auguft) erfechten jie den Sieg über Bäthory's Heer, das Moſes 
E;elely befehligt und wieder gebehrdet ſich der Wallache als Träger ber Toll- 
madt. Gr zettelt Verbindungen mit der Riorte an, ruft bie Gzefler zu ben 
Waffen; Bafta benutt dies jedoch zur Rechtfertigung feines Gewaltitreiches gegen 
den Wojwoden. Derfelbe wirb in feinem Lager von Baſta's Wallonen über: 
fallen und erfchlagen (19. Auguſt), und ber hohnvolle Nachruf der Zeitgenofien 
beweiit, daß man in diejer That des kaiſerlichen Generals eine Erlöjung von 
dem „Tyrannen und Räuber” erblidte Nun ijt der Faijerliche General Herr 
der Sadlage und Sigismund Bäthory entſchließt ſich (Juli, 1602), mit 
dem Kaijer einen neuen Vertrag einzugehen und als PRenfionär und Anternirter 
Rudolph's II. jein bewegtes Leben in Böhmen (in Raudnitz) zu ſchließen. 

Aber das eijerne Schredenäregiment Baſta's, deſſen Beichtvater Pater 
Marietti, aud der Gejellihaft Jeſu, dem Proteftantismus gefährlich werben 
fonnte, traf auf den alten Groll gegen die deutſche, papiſtiſche Herrſchaft, 
und ber ‘Pforte, die feinen Augenblid die Tinge aus den Augen verlor, mußte 
ed mwilllommen jein, daß der Wafjengenoffe Bathory'’s, Mofes Szefely, den 
Sturz der deutichen Herrichaft plante und zum Kampfe gegen Baita fich erhob. 
Zu günftiger Zeit, ald Bajta Kriegsvölfer nah Oſt-Ungarn entließ, fiel Mojes 
mit türfifch-tartarifhen Hülfstruppen aus dem Banate in’3 Land ein und wurde 
zum Fürften ausgerufen (April 1603); Bafta weicht aus dem Lande. Aber 
Scherban Radul, der Wojwode der Wallachei durch Baſta's Gunft, täujchte 
den GEmporlömmling; plöglich fiel fein Feldherr Raͤcz über ihn ber und vor 





354 XIV. Bud: Tie Zeiten Rudolph'3 II. und Mathias’ (1576— 1618). 


Unmuthe als Unger über die PVerfehrtheiten der Hofregierung 
Luft madt, — in den leidigen Handel. Während der Schlaufopf 
fih bei Zeiten nad) Polen zu drüden veritand und nur als Abweſen⸗ 
ber. verurteilt wurde, ereilte den Faijerlihen Perſonal Kerkerhaft 
und Gütereinziehung. Ylleshäzy’s Gejinnungs: und Glaubensgenofe 
Balentin Homonnay, aus dem reihen Magnatengeſchlecht 
Drugeth (Drugetto), defjen Altvordern einſt mit K. Karl Robert 
in’s Land gefommen, — eine „Säule” im Lager des calvinifchen 
Ungarns, rüjtet im Uberlande zur Auflehnung gegen die Ber: 
fügungen des Kaijers, vornehmlich in der Glaubensfrage. 

In der That war der Augenblid zur katholiſchen Reſtau— 
ration nicht glüdlih gewählt und der Stellvertreter Bafta’s, als 
Obercommandant Nordungarns mit Kaſchau als Waffenplate, Bar: 
biano de Belgiojojo, der doppelten militärifch-politifchen Auf: 
gabe nicht gewachſen. Als nun die Regierung vom Crlauer Bifchofe, 
der jeinen damaligen Sitz zu Jaͤßé (JOB) hatte, bearbeitet, — den 
Dom zu Kaſchau den proteftantiihen Bürgern entziehen ließ und 
dem Mandate vom 11. November 1603 die gewaltiame Ausführung 
(Januar 1604) folgte, widerhallten die Artjchläge, mitteljt deren 
die bewaffnete Commiſſion die Kirchenthür erbrach, in ganz Uber: 
ungarn als laute Vorboten der „papiftiichen” Tyrannei, welche 
fih auch ſchon im Zipfer Lande regte. Dieſem Creigniß folgte ein 
zweites, verhängnißvolles, auf politiichen Felde. Als nämlich der 
Preßburger Landtag vom Februar 1604 unter dem Vor: 
fige des Erzh. Mathias mit bitteren Klagen anhub und die Pro— 
teitanten ungeduldig über die vorenthaltene Erledigung ihrer Reli: 
gionsbejchwerden, unter feierliher Rechtsverwahrung auseinander 
gingen, wollte der Kaijer durch einen Machtſpruch die confeifionellen 
Gravamina von den LZandtagen verbannen und wählte die unzwed- 
mäßigfte, nämlich verfaffungswidrige Form, indem er 
(1. Mai) an die Beitätigung der 21 Nrtifel des Landtagsabjchiedes 
einen 22. eigenmächtig anſchloß, wonad) die Einbringung folcher 
Beichwerden fortan der Hochverrathitrafe verfallen jollten. 

Das war die richtige Loſung für die oberungarifhe Oppofition. 
Am Gülzécſer Parteitage erklären Valentin Homonnay und 
Genoſſen die Landtagsbeihlüffe als ungültig und ihren Wiberftand 
gegen Steuerzahlung und Truppenitellung als verfaflungsmäßig. 
Die oberungarifhen Malcontenten verftändigen ſich raſch mit Bocsfay, 
hinter welchem die Pforte fteht. 

Rafch drängen fich die Ereigniffe. Als Belgiojofo gegen Bocskay 
- x fieht er fi bald von ben Hajdukenmilizen verlaffen, deren 





356 XIV. BRuch: Tie Zeiten Rudolph's II. und Mathias' (1576— 1618). 


Szerenes beſchieden, um bier die „Beſchwerden der Nation zu 
prüfen.” Hier, den 20. April, wird Bocskay zum Fürſten Ungarns 
ausgerufen, im Hintergrunde fteht die Anerfennung der Pforte, das 
Atnameh Des Sultans, und Friegeriiche Beichlüffe, die Aechtung Aller, 
die es mit dem Vaterlande nicht halten würden, — erideinen auf 
der Tagesordnung. Das war die Zeit, in welcher die früheren 
Proſeribirten der Regierung, die „Märtyrer der nationalen Cache”, 
ihre Rechnung finden konnten. Der bedeutendite unter ihnen, Illés⸗ 
baad, jtand bereits im Mai 1604 vom Nrafauer Erile ans mit 
Erzh. Mathias in Correipondenz ; jept ſollte er bald als „Vermittler 
den „Retter des Hauſes Oeſterreich“ unterjtügen. Toc bevor wir 
den Faden der Ereigniſſe weiter jpinnen, müſſen wir den Blid nad 
einer Neibe verlanfender Thatſachen dirsfeit der Leitha zurüdlenfen. 
7. Das Haus Deutſchhabsburg ſtand mit dem Beginne des 

17. abrbanderts in der ungünſtigſten politiſchen Stellung. 
Die Madtverhaltniſſe Weſt; Europas hatten ſich verhängnißvoll ge⸗ 
wandelt, Die katboliſche Schweitermadt, Habsburg: Spanien, 
erleidet ſeit Dem sirieden von Vervins (1598) eine ſtarke Temütbigung 
zu Guniten Frankreichs. uneer dem Bourbonen Heinrich IV., ver 
ſeinen proteſtantiſchen landen acopfert batte, um Die geeinigte 
Made us States iur bdoddliegende Entwurie sur Veriugung su 
daden. ld gewinnt fen Ciedanke. Die Karte Europo's su ändern, 
een ERKNINE und Inien Badn. Die Serttüreenrng NT im: 
asien uud Narr Debsirsermaßt maß als Deunterieit toldber 
Ware er Dernen. pe Verdrudune — Il. ui Nr rretetten: 
sen sent Ns denen Auilerbums ın Tesdäland 
nr sutsorißt were Tin —8 char ze) TUENUNT U 
Ren me ynnten Way IL ve Wenci mi an 
ꝛt I BIRENT Arzlram LI Sum et TE mg: 
NORNN Sinus NT NAT N in uns 
Nr AMEN * IS zer SLIATUR MIN. wur men ur An’inırz 
z Run: Sur ua Nr yutmaun u Yu N 


un Sur Trmras urz aa Sort m: N — 
= T > 


asırın 
“6% 


NXmer WttremNam We Late 
Na Sr)... 2.ı2, Ertritin wer: * — 
Anz dur a nt ara: Tv sureıter Amor ir Immer 
ziızr ur Üsm mut jur Ne Narr Sm Tim.) I7ı 
Arrz.2 Sorry aa! nd Se nid ram DIE, 


Re wm « mar‘. um on en Szene 
Zen. IE NO um: Wenoet Sumee Nut Sun 


war Werunsrßäntnee. I me anche Kemmer nun 





oz 2. Zu Zanmer kıimal! L am Tuonss Te ini 
[4 - 


Yorm.er, wm roinzer Hau em Zznncier aa Zub: 
wiäleyte, went, Zr MILDE — sum 
zug, ne lu Run mi Doeiz: nn, Tms Ne rigenen Bee 
um wur nl: Mn miiımomder Nesmani ShanelaLl 

Sı (rmu ven mei Le u eu —X Seherreis Cimract 
une wemiduerme Solamı Taz rei manner Votchemnsmam 
skin. os Al ttrıme me Kool aan enden \vrmanbien 
Ken zer naciersen Wenzibelizzibe Zehen Sıriz. Andereriens 

arL urter wem mokaeenien ers Bias Ahies Der Ebr- 
ws er €. Aizikize, m Zimien, cut Konen des Amebens 
Aprz'zieg are Az su Imeien, ten Neschren, Me Rachiolgefrage 
ur. rum Art: t :& ziren, Durb dreſes Mißtrauen nur noch 
esrershen une gregen. Erb. Morimilicn IIL, der i. d. J. 
Ju) -- 1641 bas Aürıenibum Zichenburgen gerne m teine Hand 
umemmm hatte, ersite dem faiteriihen Bruder ob ieiner Diestalligen 
zeamerlunzn, veruriheilte me Serbaraie Kudolnb’s LI. und näberte 
nd ımmea mehr, als Ziatthalier Tirol& und der Norlande, dem 
oluren Bruber Viathias, als eigentlibem Träger der Huausinteretten. 
Ter heiermarfiihe Hot war aut den Charafter der failer: 
lichen Lolitit und das Laviren Rudolph's in der Frage Der inner: 
üfterreidiiihen (Hegenrerormation zu Guniten der Stände Tchlecht zu 
iprehen. Sicht wenig aber verdrog Alle die Günitlingswirtbicaft 
am VPrager Hofe, der allmädtige Einfluß, den ganz niedrige Crea- 
turen, wie ber Kammerdiener Philipp Cana, ausübten. 

!!or Allem aber machte die Nahrolgerirage den Vermandten 
br Kaiſers jrüh genug zu ſchaffen, denn Rudolph II. ſchien un: 
vermahlt bleiben zu wollen. Schon nad) Emit’s Tode (1593), als 
Mathias ber nächſte Anwärter der Nachfolge wurde, taucht dieſe 
‚frage auf, 1599 regte fie Erzh. Marimilian III. bei Mathias an. 
Im Jahre 1500 trafen die beiden Genannten mit Ferdinand von 
Steiermark in Schott wien zuſammen und verhandelten die Form, 
in welcher man dieſen heikeln Punkt mit K. Rudolph II. in's Reine 
bringen follte, Spanien intereſſirte ſich ſehr dafür. Sein damaliger 
Wotſchafter, Ton (Juillen de San Elemente, arbeitete am Prager 
Hofe an einer Löſung der Frage im Sinne jeiner Regierung und 
verehrte itarf mit dem kaiſerlichen Geheimſchreiber Barvitius (dem 
Plemonteſen Rarbice). Es follte nämlich gerade der jüngite der 
Heuder Albrecht's, der GGemahl der Infantin, als Nachfolger durch⸗ 
geſetzt werden, wie Die Madrider Iuſtruction vom October 1601 an 
ihn befagt. Auch ber Papſt blieb nicht zurüd. Clemens VII. 
ſcheich in der Sache eigenhändig an den Kaiſer (1601, 22. November), 





a0 NV, Bub: Die Seiten Rudolph's IL. und Mathias (1976—161R). 


in Yinz und beipreden bier Die fategoriihe Crflärung, der Kaifer 
möge Far Die gemeinſame Machıterbichaft entichieden und pflichtmäßig 
eintreten, Tonit mußten fie dafur foraen. Kbleil, der Ratbacher Mathias, 
war, wie ten Schreiben an den baveriihen Hot (2. Wai 1605) 
defant. abmatlidb fern acblichen, um „allem ungleichen Verdachte“ 
ans dem Wege zu geben. Als aber Die Eriberioae beim Kaiſer 
zorrraden.. erbiäten Nic Me unanddiae Antwort, ibn fürber mit 
ſdem Andringen veridonen au wollen. Sie vwerbandeln breimal 
racdadı: dena nuglas war Me von ihnen nad Prag überbradte 
Nndtrtt von 10, Decemder 160%, Es icdertert idr Ieriud, eine 
Surtartienvertammiang nad Mübidanten aut den 22, Auguſt 
sa raten u ie onen TmI cut den Mailer aussmüben, 
Trgewr derte Wostlen Tanzen Axerien Jodann Rotatß ı Focamıs) 
ame Ari ion ir vGOHABS. 1344 Sèu. rec:tor su Crwries, Kailer: 
der Doris jsureatıs Aurn Zuanrätr in Asidsu, nad Teanid- 
ar? ander! mi mar ıpn aufar® ar) 28 Getsnaenm nad Vrog 
Idee Annieider Ir Kıraıt Katar ar ur Toierlönıa abachn 
arm un TR ar ar Yilser Meat acmerie. Wu dlecht De: 
mie RD at Ned Wartos au Tsreiher mer. bene ein 
Sareiden zn der Vader nom 3. Isemäer 1808: er mac m den 
Ivwıher Zahn der Si, der Traxcam ar den eölrichtalls 
shar uncndi rin Carmen TA MOUhTt Mir Te Ielen 
vun det Kc.ieet Rn 

Nrir.ce ma ver bein cc nm Iso: du Geichn nes 
Demo Mit ever Örmricwiem:t Tız ıtrectiien Re: 
n.cıhrc se herr und der. welt er Naäare. Der mamer Er: 
hahinc cat nalen Da 'nert imen Brudere SE har Nil: 
Ir. mrisırıc Tai». di. Tahre Re Daumintolsiiertiichen 
erre. Dhaunacine nernande!t 1 Bayer Dr Sikt Kciwenr 
mm Set, hen Ber mikon nn sam Stund. Der Kaduer 
man cat Bm Den DD Traaierrorrunc ale MT. 
A nd rn Knachatte: 9er Ni Wonrme Mnıerm. 
m oem hal acht a der Tor. Seäcol um der 
ar nt SmmraPtdt oburadı., Din ahr m m Sdmak. 17 
ma Temikime >. c lc m7rsestachn I. den Deenme Iran 
NE GOTT ae der DSB Lerhand: unaer alt And hm: 
v. nt ot Ne hen ne intfiaftinnu m VOL Natuat mE 
SAL UL 

Sun. om trerıl.i..ninttnn. 6 Sehr Zi. 
wi NKazafar De dei De Drinvıaner. Ah. Sdilukartita., MT 
Kan tal. dN, Frieder terhd veuitiagen, I: Ztamdetat: Teeiter- 





362 XIV. Bud: Tie Zeiten Rudolph's IL und Mathias’ (13,65 - 1618). 


(ommunion unter beiden Geſialten bei Sırate des Ranntluches verboten batte. 
Erz. Leopold, Adminiftraror des Bisthums Paſſau, nahm, trot der Abmahnung 
Mathias‘, die Vollziehung bes papitliden Decretes übereittig in Die Hände und 
bewirfte nur, daß Zauiende von Karholiihen nun proteitantiich wurden, zum 
Aerger bes Wiener Hoi, dem auch die Mißachtung des landesrüuritlichen 
Auflichtärechtes nahe ging. Um bieielbe Zeit (LEM— 1601) brach ein gerährlicher 
Aufſtand im Salzkammergute, zufolge der fatboliichen Gegenrefor— 
mation, aus und wurde nur mühjam gedämpit. Erzh. Mathias, dem Khleil 
die Wege ber Staatöfunit vorichrieb, wollte (1603) die Zurüdnahme ber 
proteitantiihen (Wlaubenzfreiheit dem Kaijer einrarhen, denn die Haltung ber 
proteitantiihen Stände erichien ber Regierung bedenflider als je und dem 
Minitterbiichoie die Frrungenichait Ferdinand's von Steiermark in der (laubens: 
frage lodend genug. Als nämlich die Öiterreichiichen Proteſtanten 75 Kirchen 
und Filialen der fatholiiden Kirche ausliefern mußten, iandten lie aus ihrem 
Mittel (1603), den Herin Boligang von Hofjfirhen an alle proteitan- 
tiſchen Höfe Deutſchlands, um ſich deren Antervention beim Kaijer zu ver: 
jihern. Taf die Regierung dahinter noch mehr beiorgte, zeigte lich bald 
ba diefer Abgeordnete bald nad) feiner Rückkehr (A. 1604) gefänglich eingezogen 
murbe. Na, in ihrer GFingabe an den Kaifer v. X. 1614 erflären die Stände 
beider öjterr. Lande, daß fie fich (Fhren und Gewiſſens halber bein kaiſerlichen 
Religiongebicten nicht fügen Fönnten, jondern lieber Alles, jelbit den Tod zu 
erleiden gemillt jeien. — Da kam die Gefahr ded habsburgiichen Reiches 16045 
dem Gegenteformationsprojecte Khleil’3 in die Quere, ja bald ſieht jih Mathias 
bewogen, die Gunſt der Stänbe für fich zu gewinnen. Es fehlte ihnen nicht 
an bedeutenden Führern. Als der Erſte darunter darf wohl Frh. Andreas 
von Tſchernembl, auf Windel und ESchwertberg, genannt werden, ber lebte 
feines (Wejchlechtes, ein Calviner entichiebeniter Art, entichlofien, berebt, deſſen 
ſchriftlicher Nachlaß und Briefwechſel mit dem protejtantiihen Deutſchland den 
ftrammen Feudaliſten und Nerfechter ber Adelsoligarchie Far erkennen läßt; bie 
Sörger, die Stabremberg n. A. jtanden ihm zur Seite. 

Von bejonderer Wichtigkeit erfcheint die ſtändiſche Bewegung Mähren, 
des Landes der „eifernen Barone”. Hier gewahren wir zunädit den national: 
ſprachlichen Puritanismus in voller Blüthe, den Haß gegen das Teutiche, 
in der altſäſſiſchen Adelichaft audgeprägt, oder, mo ein ſolcher Haß mit welt: 
männiſcher Zildung unvereinbar blieb, doch ein abfichtlich betontes Norziehen der 
flaviiden Rede und Gorreiponden,. Wenn der alte Herr von Rernitein einem 
jeiner Söhne zürnt, ba er deutſch ſprach — „er möge lieber bellen wie ein Hund“, 
— jo iſt da3 ein Ausipruch nationaler Bornirtheit. Wenn aber ber weltmännijch 
gebildete, maßvolle Karl von Zierotin, nachmals Landeshauptmann, feine beutfchen 
Sprachkenntniſſe gern verleugnend, den beutjchen Vororten die beutiche Amts: 
correjponden; übel nahın, jo war die Ausfluß eined nationalpolitifchen unb 
autonomiftiihen Principg. Im mähriſchen Landrechte gab es nur Cine officielle 
Sprache, die jlavijche. Die Kraft des Adels wurzelte in alatholiſchen Geſchlech⸗ 
utraquiſtiſchen, proteftantifcehen Glaubens, vor Allem aber in ben Milk 
böhmijch-mährifchen Brüder, der Union. Im Landreiiie war mm 


XIV. Bud: Die Zeiten Rubolph’3 II. und Mathias‘ (1576—1618). 363 


zahl katholiſch und es ift Teicht begreiflih, daß bie politifche und nationale 
Oppofition vorzugämeife proteſtantiſch war, während die Katholifen mehr zur 
Regierungspartei zählten. 

Seit 1594 treten die Parteien einander fchärfer gegenüber, Die Katho— 
lifen, an ihrer Spike Sigismund von Dietrichftein und Yadislaus von Berka, 
Oberftlämmerer, welcher, in Spanien gebildet, am liebiten ſpaniſch fchrieb, ein 
eitler, fittenlofer, aber entſchloſſener, kluger Mann, erhielten einen gefürchteten 
Gegner an Karl von Zierotin, einen der erjten mäbrijchen Landherren. In 
der Brüdergemeindbe gut gejchult, im Auslande vieljeitig gebildet, auch mit bem 
Kriege als Waffengenoſſe der Hugenotten unter Heinrich IV. vertraut, war er 
heimgekommen und ftellte ji bald an die Spite der Autonomiften und Ber: 
fechter protejtantifcher Glaubensfreiheit. Als der frievliebenbe vermittelnbe Yandes- 
bauptmann Friedrich von Zierotin (1598) ftarb und ihm Joachim von Haugmik 
folgte, trachteten die katholiſchen Negierungsmänner obenanzukommen. Die 
Haltung bes Hofes, die Katholifirung der Liechtenjteiner, der wegen Unkenntniß 
der ſlaviſchen Sprache vergebens angefochtene Gintritt de8 Fardinalbiſchofs 
Dietrichftein in das Landrecht, waren günftige Ausfichten. Denn dieſer 
Kirchenfürſt mar ein entjchiedener und gejchicdter Träger der gegenreformatorijchen 
Idee. Man verfliht Karl von Zierotin (15991600) in einen Hochverraths— 
und Glaubensproceß, aus beim er allerdings gerechtfertigt hervorgeht, bringt bei 
der Beſetzung der oberften Landesſtellen mit Katholifen durch und mei enblid) 
ben Zierotin durch Wiederaufnahme der Sabungen K. Wladislaw's II. gegen 
die böhm.-mähriihen Brüder aus dem Landrechte zu drangen. Berka wird 
Landeshauptmann. Tas war aber auch der Höhepunkt ber (Erfolge diejer Partei 
und nun folgte der Rückſchlag. Seit 1603 ift K. v. Zierotin auf den Land: 
tagen thätig; die wachſende Schwäche bes rubolphinifchen Regimentes begünijtigt 
die Oppofition, bie ſchon den Gedanken des bemwaiineten Widerftandes faht; bie 
Sachlage v. %. 1606 bewirkt das Zufammengehen der mährifhen Berwegungb- 
partei mit den Teefterreihern und Ungarn. — 

Minder erregt war das Parteileben in Böhmen, doch bereitet fih auch 
bier eine Krije vor, wir brauchen nur die Jahrbücher böhmijcher Geſchichte 
(1602—1623) des proteitantifchen Zeitgenojien Raul Skala von Zhof durch— 
zublättern. Auch bier zeigten jich jeit dem wichtigen Yandtage v. J. 1601 einer: 
feit3 die Keprefiinmaßregein ber Regierung gegen ben Proteitantisinus und Die 
Brüderunion, andererjeitö die Aufregungen damwider im Wachſen, jo 1602 in der 
Stabt Prag, im Landredte. Um 1602 wurde ein „Mandat Jejus (Ehriſtus“, 
gezeichnet von dem „Gvangeliiten Johannes, Kanzler des Königreiches (hrifti” 
— und ein Lied zu Ehren Huiien’s in proteitantiich:nationalen Kreifen verbreitet, 
was allerbingd dem Herausgeber Zirt Ralma die Verbannung eintrug. Auf 
dem Landtage von 1603 erhob ſich der Ritteritand gegen das faijerliche 
Neligionsmanbat. Ald Vertreter der proreitantiichen Elaubensintereſſen wurde 
-- 107 Rubomwec von Budowa beitellt — ein erniter, tief angelegter Eha— 

2% bis zum Fanatismus, duch und durch Puritaner in feinem 
Böse, der von jeinen Reiſen auch die Kenntniß des Orientes 
für das Proteſiantenthum Böhmens bas, was 3Zdenko von 


364 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576— 1618). 


Lobfomic, der Gemahl einer Spanierin, nad bem Urtheile San Glemente's 
der beite Kopf jeiner Partei, für den Katholicismus war, — ein charafter: 
fefter Führer. Mehr auf die Vortheile höfifcher Beliebtheit Bedachı nahmen die 
Katholifen: Herr Karoslam Borita von Martinic, meilt Smedansky genannt, 
und der Sefchichtfchreiber feiner Zeit, Herr Stavata von Ehlum und Koſchun— 
berg, der Erbe der Neuhauſer, Gonvertit, — doch treten jie in ihrer Bedeutung 
erft fpäter hervor. Unter dem Herrenftande waren Mathias Thurn, Joachim 
Andreas Schlid, Leonh. Colonna-Fels, Wenzel Raupoma (Ruppa) Häupter 
der proteſtantiſchen Partei. Doch zunächſt muß der lebte der gütergewaltigen 
Roſenberge und ber Einzige des Hauſes, der vom Katholicisſsmus abfiel, 
Peter Wok, ein alter Wollüſtling und Freund der „Wiſſenſchaft, die den Stein 
der Weifen ſuchte“, und in regem Briefmechjel mit dem proteftantifchen Auslande 
ftand, erwähnt werden. Sein Wirken fchließt mit.dem Todesjahre 1612. 

Alles ließ fich zu einem energifchen Anlaufe gegen bie zwielpältige Regie: 
rung an, denn die Greigniffe jenfeit3 der March wirkten auch auf Böhmen 
zurüf und im Rathe des halb willenlofen, halb leidenſchaftlich erregten Herrſchers 
ftritten fih zwei Parteien, die entichiebenen Katholifen vom Schlage bes 
Lobkowitz, welche mit eiferner Gonfequenz den Proteftantismus befämpfen hießen 
und jolche, bei denen ber politifche Gefichtöpunft den religiöfen bei Seite ſchob; 
zu ihnen zählte 3. B. der Reichshofrathsſecretär Han ewald (Hunimwald). 


Das war die Sahlage, ale Mathias den 29. Juni 1606 den 
Inhaltihweren Wiener Frieden mit Bocsfay und der Wiener 
Inſurrection ſchloß. Sein erfter und midtigfter Paragraph hob 
thatfählih den verhängnißvollen rudolphinifhen Zufatartifel vom 
Sabre 1604 auf und gewährte dem Proteftantismus freie Religions: 
übung, allerdings mit der bedeutſamen Klaufel: „ohne Nachtheil ber 
katholiſchen Kirche”. Die übrigen Beltimmungen trugen, jo gut es 
ging, den Forderungen des „Fürften” Bocsfay und den politifchen 
Beſchwerden der Ungarn Rechnung. Siebenbürgen und adıt 
Comitate Oftungarns, den wichtigen Waffenplag Kaſchau 
eingerechnet, erjcheinen Bocsfay für Lebenszeit zugejprochen. Der 
Friede ſelbſt jolle auf einem neuen Tage im Auguft 1606 feine Be- 
ftätigung durch die Stände Defterreihe, Böhmen: und Mährens 
als defjen „Bürgen” finden. Voll Unmwillen über das eigenmächtige 
Gebahren jeines Bruders jandte der Kaiſer den Reichshofraths-Vice⸗ 
Präfidenten Strahlendorf nah Wien; er könne diefe „neuen, theil- 
weile gottlojen, theilmweife dem Eide und dem Gewiſſen zumiber: 
laufenden, die Chre und das Intereſſe des ganzen deutfchen Volkes 
verlegenden Artifel nicht annehmen”. Gebrängt dur die Macht 
ber Thatſachen, überliftet vom Wiener Cabinete entſchloß fich endlich 
ber Raifer zur Beftätigung des Wiener Friedens, aber 
unter einer Klaufel, über welche fi Mathias hinausſetzte. So 





366 XIV. Auch: Die Zeiten Rubolph's II. und Mathias’ (1576— 1018). 


parter im Neiche, und zunächſt die Kurpfalz, mit der die Erzh. 
Mathias und Marimilian in Correipondenz traten. Als Agent dieſer 
Bartei, der fich bildenden Union, zunächſt auf eigene Fauſt, ericheint 
Chrijtian von Anhalt geihäftig. Er ftand mit Peter Wok 
von Rofenberg in vertrauten Beziehungen, bei denen aud) per: 
fünliche Anterefjen fich geltend madten. Durch den Rofenberger und 
den Agenten Hod tritt der Fürſt von Anhalt mit Tſchernembl 
und Zierotin in Beziehungen, desgleichen auch mit den Führern der 
Ungarn, welchen er jedoch nicht ſonderlich traute; — obſchon 
Wok von Rofenberg gegen den Leibarzt Anhalts, Dr. Croll, ſich 
äußerte: „Ungarn nähert fi von jelbit dem Reiche, ohne das es 
nicht beftehen könne“. Anhalt war es auch, der zum Scheine für 
die deutiche Thronfolge Erzh. Marimilian’s warb und dies- 
falls mit Heinrih IV. ſich verjtändigt haben mag. 

Die eigentlihe Entwidlungszeit der Union und der Liga, 
unter welchen Namen wir die bewaffneten Bündniffe der pfälzischen 
Broteftantenpartei und der Fatholiichen Fürften, mit Bayern an der 
Spitze, unterfcheiden, wurde der Donaumörther Handel (1607), 
nämlich das eigennügige Einjchreiten Marimilian’3 von Bayern gegen 
die proteftantiiche Reichsſtadt Donaumörth, und ihre Geburtsjtunde 
der Abaujer Unionstag (1608, 4. Mai), wenngleid) erſt 1610 
zu Schwäbiſch-Hall (3. Februar) die feſte Ausbildung der Union 
und im Jahre 1609 (10. Juli) zu München, 1610 in Würzburg die 
Liga, das „Vertheidigungsbündniß” der Katholiſchen ſich vollzog. 
Jedenfalls richtete die fich entwidelnde Union — das Bündniß der 
„eorrejpondirenden Stände“, wie fie ſich eigentlih nannte, — jein 
Augenmerk auf die Verwidlungen in Habsburg-Oeſterreich, denn bie 
gelegentlihe Einmiſchung konnte den eigenen Intereſſen fürderlid) 
werden. Aber von einem beitimmten Plane des activen Eingreifens 
fonnte bei einer jolchen Föderation, welche erit den Boden ſich zu 
fihern und Mittel zu beſchaffen hatte und langfam, bedächtig vorging, 
noch nicht die Rede fein, jo daß wir, wie bereits gejagt, 1607 bis 
1610, ja aud) jpäter, den Fürjten von Anhalt in jeiner Agitation 
auf dent Boden Defterreichs nicht als Vollmachtträger der Union, 
jondern als Bolititer aus eigenem Antriebe und auf eigene Rech: 
nung anjehen müſſen. 

Wir können den Thronkrieg Rudolph’ IL. mit Mathias am 
beiten von dem verhängnißvollen Breßburger Januartage 
(1608) datiren, auf welchem Mathias mit den faijerfeindlichen Un- 
garn fein Bünbniß vollzieht und troß der Protefte der Sendboten 
Rudolph's II. zum „erblichen Gubernator” erwählt ericheint. Illées⸗ 


XIV. Aug: Tie Zeiten Rupoiph’3 IL end Nathias ı 1775 — 161). 367 


bäzy und Thurzõ fteben ibm zur Zeite. Bald darauf (Februar) 
erfolgt die koederation der Ungarn, Tenerreidher und 
Mährer, deren legtere Actionspartei umer Jierotin’s Führung (De- 
cember 1607) auf deñen Schlone zu Kotng ihre weitere Taftif berathen 
hatte. Auf das Reich und denen Mebiation zu teinen (Suntien baute 
Rudolph II. vergeblide Hormungen, wie der Erfolg teiner Votſchaft 
an den Regenshuraer Tag zeigt, ebenio mar ihm der Veriudh, 
eine Partei zu bilden, die Hajduken zu gewinnen, mißalückt. Die 
bewegten Märztage zu Brünn, die Thärigfeit Des oppoñtionellen 
ARumpfparlamentes in Aunterlig, die Lergeblichkeit der Genenanitren: 
gungen des faiterlih geinnten Zanreshauptmarmes Berka, das Er: 
folgloje der Sendung des Cardinalrürttbiikors Dietrichſtein und 
Slavata’s (29. März) nah Mähren, — ımd der Siea der Partei 
Zierotin’s am Eibenihüger Tage (Aril), wodurch der Ge: 
nannte nah Berka's Sturze und in Folge der Aechtung der Raiicr: 
lichen an die Spitze der äußeren Angelegenheiten trat, waren einander 
drängende Ereigninſe, welce in ihrer inneren Verkettung bemeiien, daß 
nächſt Ungarn das Mährerland der zweite Heerd der Beweanng 
gegen Rubolph II. war, dem fih Teiterreicdy naturgemäß als 
britter anreiht. 

Mathias entichliegt rich nun, Angeiichts der obnmädtigen Prager 
Gegenmaßregeln, Unterhandlungen und Trobungen (Dierribitein 
war zweimal in Wien erichienen) zum enticheidenden “osichlaaen mit 
ben ihm verbündeten Ständemehrheiten der drei Yünder. Seine 
Bruders Marimilian war er ſicher, des andern, Albredt, iniorern, 
als dieler von der ;serne den Tingen ibren Lauf ließ und am 
Prager Hofe ieinen Agenten und Aufparier bloß zum Hleitiaen Be: 
richterftatten verhielt. Nur der tteiermärfiihe Erzh. Ferdi— 
nand war aut das Zuſammengehen Mathias‘ mit der vroteitan: 
tiſchen Aufitandspartei ihleht zu ſprechen und nermahrte ib in 
einem „hitzigen Hanbdbriefel* gegen bas Benehmen PWatbias' zum 
Kaiſer, lenkte aber ipäter wieder ein. 

Dem franfen Gemüthszuitande Rudolph’s, dem wirren Wedſel 
von zorniger Aufwallung und Xerzagtheit, Hoffnung und lebens 
überdrüßiger Verzweiflung gingen die einander widerſprechenden Rath⸗ 
ſchläge feines Gabinets zur Seite. Vor Allem jollte dur den Nor: 
ihlag eines Congreſſes der Erzherzoge, unter Vorſitz Des 
Kölners und Herzogs Mar von Bayern, Zeit gewonnen, die Ver: 
mittlung der Reichsfürften und bewaffnete Hülfe Banerns, Zac: 
fens und Brandenburgs angeitrebt werben. 

Mathias, der bereits mit einem ſtändiſchen Heere der Ungarn, 


368 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576— 1618). 


Mährer und Defterreicher ſeit 19. April vor Znaim in Mähren 
ftand, blictte den Zwed der neuen Botſchaften Dietrichitein’s, Stern- 
berg's und Kolowrat's durh. Er forderte ſchon unummunden die 
Abdication Rudolph ’s und brauchte vor der furpfälziichen 
Mediation feine ernitlihe Sorge zu haben. Er war über Tre- 
bitſch, Iglau gegen Deutſchbrod vorgerüdt, ftand alfo Anfangs 
Mai auf dem Boden Böhmens, mweldhes Land trog innerer Gäh- 
rung es verſchmäht hatte, ungeachtet alles Drängens fich der Action 
der brei anderen Provinzen anzujchließen, ſich von ihnen „majorifiren“ 
zu laſſen. Am meiften hatte die Böhmen das eigenmäcdtige Auf: 
treten Mährens verdroffen, und diefe ablehnende Haltung veranlaßte 
Bierotin zur ſpäteren berben Bemerkung, er fenne die Böhmen, 
fie wollten immer und überall den „Kopf“ jpielen und Mähren die 
Rolle der „Schleppe” (ocas) zumuthen. 

Den 10. Mai befand fih Mathias vor Czaslau und jtellte 
feine kategorifchen Forderungen an den Faijerlichen Bruder, der, rath: 
und hülflos — denn Tilly, damals in Taiferlihen Dienften, 
verfügte bloß über 1200 Mann, — jogar nah Sachen flüchten 
will. Während die unerquidlidhiten Verhandlungen zwiichen Czaslau 
und Prag geführt werden, und bier der ſpaniſche Gejandte Clemente 
Alles aufbietet, um den kaiſerlichen Minifterrath gefügig zu machen, — 
fammelt fi ein ftändifches Heer der Böhmen, um die Zn: 
valion des Erzherzogs einzufhüchtern, vor Allem aber dem Sailer 
nahe zu legen, daß fein ganzes Heil auf Böhmen ruhe und er ben 
confejlionellen Forderungen der Stände nachzugeben gezwungen jei. 
Vom 23. Mai ab, an welchem Tage Rudolph II., körperlich und 
geiftig gebrochen, im Prager Landtage erſchien, befand er ſich 
nun in doppelter Zwangslage. Noch miderftrebt er den Landtags: 
poftulaten, noch verjucht er ſich den Forderungen des Bruders zu 
entwinden, deſſen Bevollmächtigte, Biihof Lépes von Veſzprim, 
Niklas Thurzö, Gundaker von Liechtenſtein, Tſchernembl, Zierotin 
Zahradecky und Andere, die Thronentſagung Rudolph's und 
fein Ruheleben in Tirol (26. Mai) forderten. Die böhmifchen 
Stände waren durch dieſe Botjichaft, deren bedeutenditer Sprecher 
BZierotin war, verjtimmt, Rudolph verfuht auf das Heer und die 
Ungarn insbefondere zum Abfalle von Mathias einzumirken; als 
aber der Erzherzog am 5. Juni gegen Sterbohol ('/, Stunde 
von Prag) vorrüdt und das Gerücht die Verftärfung feines Heeres 
bedrohlich jchildert ; die auswärtige Diplomatie (der Nuntius, Spaniens 
Botſchafter, Erzh. Albrecht's Agent u. A.) zur Nachgiebigkeit räth, 
und der legte Antrag Rudolph's: Er wolle auf Mähren verzichten 


E24: I2 oe Urs ll ae Roi lei. 369 


und Matbics wı Erivr Üiimers ferien, — eine Srareitlice 
Zurücdwätuna ri: ıl4.—2l. er ı etik cut Erb. Mari: 
milian als Were 2m, een Br Srenme und Erzh. 
Kerdinamd ein: rerniie Serum orzemeien tanen, — 
entichließt m& Katz: zur Hizzeiunz Üeherresis, Ungerns 
und Mübrens in tan Fre Vinsız im faamarnnten Cice- 
lauer oder Seerice.nr Tr 25 um Es mar eine der 


ſchwernnen mem —* —S— 

Allerdines bare Matızi fen contre Ziel ernst, cher 
die nähe Zutuar ir en Im, Ton Die Bundescenciien- 
ihait der Ztärde mt: —e—— Zuserändninen ertauit und 
entlohnt werden zmuSte, und 225 :u Lem inneren Sideriprude des 
fatholiiben Merriächtsruss zu? Nr Anirrade Dis Protenan- 
tismus die berenk.ide araze nS seteätz, ct Iharbies und fein Korb: 
geber Khbleil im Stonde ieien, I: reraiurionsren (semaiten :u be: 
ichwören, die ne gegen Audocb II. :u Hülie geraten batten. 

Tidn an den Cinslan:Yıekaner Kertrag zmiiben Kudo!rb 11. 
und Mathias treibt nd ja Zus Sterboboler Bündniß der 
Stände Tetterreibs, Ungarns und Käbrens (29. \uni 
1608), bald nah dem Aufbruche Mathias' — nach dem Plan⸗ 
Zierotin’s abgeihlonen. Es iellte die jene Grundlage einer con- 
itimmtionellen Veriañung der genannten Sander im teudal:arittofrati- 
iben Zinne werden. Dem Zierotin, Der dann immer mehr in 
die Bahn einer conierranvn Volitik einlenft und der radicalen 
Stromung aeaen die Monardie abaereiat dh zeigt, dachte auch 
ihon an ein Keibsrarlament, Tas die ttändiichen Vertreter der 
einzelnen Lãnder umianen tollte. 

Zunädit errang Währen, in teiner gänzlihen Sonderſtellung 
su Böhmen, auf dem Brünner Huldigungstage vom 30. Auauit 1608 
die volltändige Wiederh:riiellung des „itändiich-feudalen Staates“, 
begnügte ſich jedoch in der Glaubensfrage mit dem Toleranz— 
jtandpunfte Marimilian’s II., der dem Atatbolicismus bin: 
reihenden Spielraum bot. Um io mehr jtadhen dieſe Vortheile Den 
Deiterreichern in's Auge; auch ſie rechneten auf aleiche Zugeſtändniſſe 
und die Horner Teriammlung der proteitantiihen Autono- 
miften, unter Tichernembl’s Führung, madte der Regierung ſichwere 
Sorge, denn tie verlangte freie Keligionsübung, Beſtätigung jämmt: 
licher Syreiheitsbriefe und ausnahmsloje Amneitie. Aber acrade Die 
halb abwiegelnde, halb vertröftende Haltuna der Stände Ungarn« 
und Mährens gegenüber dem Aniinnen der Uefterreiher, man Tolle 


ans jolidariiher Bundespflicht für fie und „groen den 
Rrones, Geh. Öchterreihe. IIL 


370 XIV. Bud: Tie Zeiten Rudolph's IL. und Mathias’ (1576— 1618). 


Hof auftreten, — ſchließlich die Thatfache, daß die Defterreicher eine 
weitere Verzögerung der ungariichen Krönung zu Gunſten der eigenen 
Sade nicht durchzuſetzen vermochten, — bewies, daß die Sterbo= 
holer Einigung der Stände nicht To durchgegriffen hatte, um Die 
Intereſſenpolitik der einzelnen Länder in Allen und Jedem jolidariich 
zu geftalten und daß, wenn die gemeinfame Gefahr vorbei war, 
— der Separatismus, oder PBarticularismus, der Pro: 
vinzen wieder zu Tage trat. Andererjeits war die deutſche Union 
noch felbft zu ſchwach, um für die Defterreicher fräftig Partei nehmen 
zu fönnen, deren Sendbote Albredt Schent von Limburg (Ende 
October) die Kurpfalz und Genoſſen um Intervention anrief. An: 
halt felbit, ver Vollmachtträger der Union, überzeugte ſich ala Gaſt 
Peter Wok's von Rofenberg in Wittingau, es gäbe in Böhmen 
mehr „Furdt als Rath”; überdies mochte ihn verftimmen, daß 
bloß das Haupt der Defterreiher, Tihernembl, der Einladung 
des Rofenbergers Folge gab, während Zierotin fie abgelehnt 
hatte. Damals dachte au Anhalt an die Umwandlung der Länder 
Habsburg: Defterreichs in Provinzen mit einem Erzherzog: Statt: - 
halter und einem ftändifhen Parlamente als Beirathe. 

In dem verdrießlichen Handel der Horner mit Mathias merkte 
man auch, mie diefe durch die offene Drohung, den Kaifer als 
Schiedsrichter anzurufen, dag Wiener Kabinet einſchüchtern wollten ; 
dies bot dann der rudolphiniſchen Reftaurationspolitif 
eine willlommene Handhabe. 

Wir müflen nın den ungarifhen Berhältnijjen unjer 
Augenmerf zuwenden. Den naturgemäßen Ausgangspunkt bildet 
Siebenbürgen. 


Stephan Bocsfay hatte im Tec. 1606 eine Rarteiverfammlung nad} 
Kaſchau einberufen, beren Beſchlüſſe jich zunächſt gegen die Klauſel des 1. Artifels 
der Wiener Pacification („sine damno ecclesiae catholicae“ „ohne Nachtheil ber 
fatholiihen Kirche‘) Fehrten und die ganze Berfajjungs: und Verwaltungsfrage 
im national-proteltantifden Sinne zu regeln fi) bemühten (22. Dec.). Er konnte 
auch nicht den perjönlicden Groll gegen die Habsburger verwinden, ber ſich 
durch das Fehlſchlagen bes uriprüngliden Planes (N. 1606), die Hand ber 
Erzh. Marie Magdalene zu gewinnen, nur gemehrt haben mochte. (Cine 
Woche jpäter war Bocskay eine Teiche (29. Dec.), und der unermiejene Verdacht, 
fein Geheimfchreiber Kätay, beinzichtigt des Verkehres mit dem faijerlichen Hofe, 
babe ihn vergiftet, führte die Nicberjäbelung des Unglüdlihen auf ofienen 
Plage ohne Urtbeilsipruch herbei. Ter letzte Wille Bocsfay’3 (17. Tec.) 
batte jür Siebenbürgen die ftete Wahl eines Magyarın zum Fürſten als politijche 
Nothwendigkeit hingerellt und feinen Treund Valentin Somonnay in biefer 
Richtung empfohlen. Diejer bemühte jich auch gleih um die Gunſt der Piorte 


* XIV. Bud: Die Zeiten Rubolph'3 II. und Mathias’ (1576-1618). 371 


und trat im Drange ber Herrſchaftsgelüſte jo berausfordernd auf, day Die 
Siebenbürger barin ein Zeichen der Gemwaltpläne Ungarns gemwahrten, und, 
Angeſichts diefer Stimmung, Bocskay's Statthalter, Sigismund Räköczy, 
ungeachtet feines hoben Alters den Entſchluß faßte, feinem Schmwiegerjohne, 
Balentin Homonnay, das Spiel zu eigenen Guniten zu verderben. Wohl gelang 
e3 ihm, bie Siebenbürger für feine yürftenwahl am Klaufenburger Land— 
tage (17. Febr.) zu gewinnen, die Anerkennung des macdhtlofen Kaiſers zu er: 
langen, und den türfiichen Tſchauſch zu verleiten, den PBejtallungsbrief des 
Großherrn für Homonnay durch Einjtellung des Namens Räköczy zu fäljchen, 
— aber mın erhob fich ein neuer Nebenbublerr, Gabriel Bätborn, der 
Sohn Stephan’3 und Vetter des vormaligen Fürſten Siebenbürgens, Sigismund, 
angejehen und reich geworden durch die Erbſchaft der Bäthory von Kejeber 
Zweige, und fand an Gabriel Bethlen einen Förderer feiner Pläne. 

Valentin Homonnay verglich fi (Juni 1606) mit dem Schwiegervater, 
dem die Pforte die Anerkennung als Fürſten Siebenbürgens beharrlich verweigerte, 
aber Räköczy begriff num bald, daß er fi in feiner Stellung nicht behaupten 
fönne und räumte ben 5. März 1608 feinen Pla dem glüdlicheren Bewerber 
Gabriel Bäthory, den am gleihen Tage die Wahl der Siebenbürger auf 
den Thron des Landes berief. Den 24. Juli erlangte Bäthory die vertrags 
mäßige Anerfennung der Stände Oberungarns am Kaſchauer Tage, dem 
Illeshäzy, der mächtigite Maun im Rathe der Ungarn, vorfaß und, am 16. Aug. 
die von Bethlen erwirfte Beitätigung der Pforte. Tie Stände Siebenbürgens 
ratificirten den Vertrag (22. Sept.). — Raäföczy ftarb nicht lange darauf; doch 
batte er jeinem Haufe den Weg zu einer glänzendern Zukunft vorgezeichnet. 
Der in feinen Entwürfen getäujchte Homonnay folgte ihm 1609 im Tode, auch 
eine „große Säule des Glaubens“, deren Tod eine calvinifche Chronik — als Er: 
folg „papiftifcher Ränke“ verdächtigt und beflagt. So blieb Siebenbürgen mieber 
auf unbejtimmte Zeit der Yereinigumg mit Ungarn entzogen. 


In Ungarn aber lag die wichtigite Entjcheidung des habsburgijchen 
Bruderzwiftes, und der Preßburger Wahl: und Krönungs— 
landtag, den Mathias auf den 29. September 1608 einberief, wurde 
zum Schauplaße heißer Kämpfe der Autonomiften, andererjeits der Pro: 
teitanten mit den Verfechtern des Katholicismus mit der Regierung 
um die günftigfte Faſſung des nauguraldiploms. Mathias und 
Khleſl befanden ſich in der ſchwierigſten Lage, denn jene waren nod) 
vor Kurzem Verbündete gegen Rudolph II. gewejen und beherrichten 
die MWahlfache, während diefe, in Firchlicher Beziehung die Gefinnungs: 
genoffen des Wiener Hofes, auf die PBarteinahme der Regierung 
zählten; überdies verfuchte die Taijerlihe Diplomatie durd) 
Pactiren nach beiden Seiten, dem Erzherzoge den Gewinn des 
Zänderabtretungs:Vertrages gründlich zu erjchweren und auch Die 
öſterreichiſchen Proteftanten griffen Durch ihre Bertreter 
ftörend ein. Das Hauptverbienft, Mathias den Weg zur Krone 

24° 


37% XIV. Auch: Tie Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576 — 1618). 


geebnet zu haben, gebührt Illéshäzy, deſſen Tchlaues Auftreten Die 
Katholiichen in den Wahn bradte, cr ſei nahe daran, einer der 
Ihrigen zu werden; — doch mußte fich der neue Yandesfürit zu 
wichtigen Zugejtändnijfen bequemen, die das nauguraldiplom zu 
einer äußerſt wichtigen Verfaſſungsurkunde geitalteten. Tenn 
darin blieb die wichtige Beihränfung der proteftantiihen Glaubens: 
freiheit aller Reihsitände, die landesfürjtliden Urte eingeredhnet, — 
die bewußte Klauſel — weg, und. die andern Artifel wahrten nicht 
bloß die nationale Autonomie, jondern erneuerten das Verdikt des 
Wiener Friedens gegen die Niederlaffung und Beſitzfähig— 
feit des Jejuitenordens in Ungarn. 


Dies nöthigt und zu einer furzen Tarlegung der bisherigen Ge— 
ihide der Geſellſchaft Jeſu im Karpathenreiche. 

Die erjte Anfiedlung der \ejuiten unter dem Primas Oläh ſ. 1561 zu 
Tyrnau, dem Lieblingdfite der Graner Kirchenfüriten jeit dem Kalle ihres 
eigentlichen Nefidenzortes in Türfenhand und fortan dem vornehmiten Sorte 
und Heerde des Katholicismus, — hatte fich in den Tagen Mar’ II. nicht günftig 
gejtaltet, denn Yazar Schwendi war fein Freund des Trdens und der Pro— 
teftantismus griff im Tberlande immer mehr um fi. Der Tyrnauer Stadt: 
brand v. %. 1567 vernichtete das Jeſuitencollegium und jo entichloß fich ber 
bamalige Ordensgeneral, Kranz Borgia, den undankbaren Boden der Thätigfeit 
feiner &enofjen vorderhand aufzugeben. Nahezu 2 Jahrzehnte währt dieſe 
Selbitverbannung des Ordens, dein aber bald die Gunſt des Polenkönigs 
Stephan Pathory eine günſtigere Stätte jeines Wirfens in Ciebenbürgen 
erichlieft. Unter feinen Bruder Ghriitoph erlangen die Jeſuiten f. 1979 Die 
Aufnahme in Kolos-Monoſter, Klaujenburg und Weißenburg, wo 
fie Sollegien errichten und guten Zuſpruch haben; jpäter allerdings erzwingen 
die Rrotejtanten Siebenbenbürgens die Yandedverweifung des geiährlichen Ordens, 
doch bleibt fein Einfluß auf Sigismund Bäthory ungebrochen. 

1585 — 1587 befaßt der Orden auch eine „Reſidenz“ zu Großwardein 
‚ und eine „Mijiton” (die als jtändige und ambulante unterichieden werben) in 
S;zeplaf, an der äuferjten Grenze des türkiſchen Gebietes, wohin bie Jeſui— 
ten ihre Thätigkeit zu verpflanzen nicht ſäumten, und rechnete fie damals zu fei: 
ser „polnischen Provinz“. 

1589 in den Tagen des Trdendgenerals Claudius Aquaviva (1581— 1015) 
erlangten die Täter der Geſellſchaft Ieju einen neuen Halt an der Abtei Ihuröcz, 
im gleichnamigen Comitate des norbweitliheu Ungarns, durch die erfolgreichen 
Bemühungen des Kalocjaer Erzbiſchofs Georg Trasfovich bei dem failer: 
lihen Hofe, jo daß der Orden 1592 bereits 8 oberung. Domicile der „öjterreidji: 
fen Provinz” mit mehr als 300 Genojfen zählte. Der Unterricht, Die Ceeljorge, 
vor Alleın der Beichtſtnhl und der marianifche Gultus find ihre Waffe gegen 
ben berrichenden Proteitantismus und fie verftehen es diefelben mit Geſchick zu 
ſchärfen, — auch mit gelegentlichen Heilmunbern gläubige Seelen zu gewinnen, wie 


XIV. Bud: Tie Zeiten Rubolph’3 II. und Mathias’ (1076 - 1618). 373 


und die „Iahresbriere des Ordens erzählen. Denn nicht geräujchlos, fondern 
auf weitgehenden Ruf berechnet war jtets die Ihätigkeit der Geſellſchaft Jeſu. 

Schon droht der Reichstag v. J. 1593 fie aus dem Ihuröczer Probitei: 
gute zu verdrängen, aber die Gefahr wird flug bejeitigt; ebenjo gehen ſie 1594 
au3 einem jchiweren Proceſſe ungejchädigt hervor und greifen immer weiter um 
ih in ihren Mifltionen, die jchon bis in das Zempliner Gomitat fi 
erjtreden und jo manchen Grundherrn, manche verwittwete Edelfrau für ich 
gewinnen. Der Eefretär der ungariichen Soffanzlei, Tiburtius Himmelreich, 
ijt ein gefälliger Freund des Trdens und verſchaift ihm Tängit verfallene kirch— 
lihe Nußungen und Rechte Tas Kymnaſium der Ihuroczer Miffion 
(1588 von K. Rudolph IL. geitiitet) konnte ſchon 1596 die „Rhetorik“ eröffnen; 
in den Geſpanſchaften Thuröcz, Yiptau und Sohl zählt der Orden 
wachlende Beſitzungen. 

Sein Hauptjie wird ſ. 1598 der Ort Sellye in der eritgenannten Ges 
Ipanjchaft. Hier begegen mir al3 erſtem Rector dem aus der Geſchichte Sieben: 
bürgens mwohlbefannten Epanier Alphons Gariglia (Carigli). Die Könner: 
haft des Neutraer Biſchofs Franz Forgäch, nachmals Brimas von Gran, und 
anderer Kirchenfürjten erleichterte dem Orden feine Wege. Bis nad) Säros, in 
die Marmaroſch, nah Szätmär reicht jeine Miſſion; fie beginnt nun im der 
polnifhen Zips Ron 1600— 1602 hatte jid) die Schülerzahl zu Sellye auch 
von 200 auf 400 Studenten erhbht; namentlich iſt es die jüngere Adelsgeneration, 
die darin vertreten ’erfcheint und am 13. Febr. 1600 das Feſt der neubegrün: 
beten Marienbrüberichaft durch die große Tragödia „der Damascener‘ beging, 
woran fih am Charſamſtage die öfientliche Zelbitgeijelung von 16 Ordensgenoſſen 
ſchloß. Es ijt dies ein überall mwiederfehrendes Bild des für Die Außenwelt Flug 
berechneten Lebens der Zefuitenanjtalten. Yon bejonderer Wichtigkeit wurde bie 
Ordensmiljion in Leutſchau, dem Nororte der Zips, und in Kaſchau, wo fie 
über Aufforderung Erzherzogs Mathias 1604 ihre Thätigfeit begann, bald aber 
durch die Bewegung des Schluſtjahres an beiden Orten jeden Halt verlor. 

Denn nun ereilt die Trdensgenojjenichaft in Ungarn die förmliche Aech: 
tung duch den Wiener Frieden v. X 16506; vor dem jiegenden Pro: 
teftantismus flüchten ihre Mitglieder nach Teiterreih und, da auch hier ber 
Boden ungünitig, in's Bayernland. Dagegen batte Tie gerade in bem ver: 
hängnikvollen Jahre 1606 zu Agram, im (Grontenlande, feiten Fuß gefaßt 
und hier ein raſch aufblühendes (Follegium gegründet. 

Ten Graner Primatialſtuhl beitieg ihr Gönner Franz Forgäch 
und als fih das Inauguraldiplom v. X. 1608 abermald gegen die Jeſuiten 
mit einer jcharfen Beſtimmung wendet, tritt einer der bebeutenditen Köpfe des 
Ordens al3 Vertheidiger desjelben mit Wort und Feder in die Schranken, der 
Edeimanı Peter Päzmän von Panaß, geb. 1570, 4. Oct., zu Gr.⸗ 
Wardein, der Sohn calvmijcher (Fltern, den an den Collegium zu Klaujen: 
burg die Jeſuiten für den Katholicismus und ihren Trden gewannen. Nach 
Krakau ald IT jähriger Noviz gejendet, dann (1589) zur Weiterbildung und 
aus Geſundheitsrückſichten an's Collegium in Wien überjiedelnd, gelangte er 
von da 1592 nah Rom, erfcheint dann um 1597 als Rrofejfor am Grazer 


374 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576— 1618). 


Sefuitencollegium; 1602 finden wir ihn auf dem Gute des Neutraer 
Biſchofs NRadofhnia. Es beginnt alsbald jeine theologiſche Polemik mit dem 
Prädifanten St. Magyary, woran ji ber Beginn jener Fatholifhen Schrift: 
tellerei in der Mutterſprache Enüpft, die Paäzmän's Befehrungseifer fo 
ungemein förderte und ihm zur hervorragenden Bedeutung in der magyarifchen 
Literatur verhalf. 1607 verläßt er, auf der vierten und oberiten Stufe des 
Ordens angelangt, die Grazer Univerfität für immer, um in Ungarn, als Schützling 
und rechte Hand des Primas Forgäch, für jeinen Trden einzutreten. Cr wird 
das bebeutendjte MRüjtzeug der Fatholijchen Partei, mit dem fehonungslojen (Fifer 
be8 Convertiten, der den protejtantiichen Gegnern die Schmähungen mit gehäuftem 
Maße vergilt und einen wachſenden Einfluß in den Adelsfreijen jich erobert. 


Die Wahlcapitulation ward abgeſchloſſen und von Mathias 
feierlich beftätigt; Illéshaͤzy gelingt es, trog der Einſprache der 
Tefterreiher die Krönung herbeizuführen. Am 17. Nov. wird er 
jelbjt zum Palatin gewählt und am 19. d. M. Mathias gefrönt. 
Der Friede mit der Pforte foll erneuert werden, was thatfächlich 
(1610) bei der Pforte durchzujeßen gelingt. 

Nicht lange genoß Zlleshäzy der Früchte jeiner Beſtrebungen; 
er ſtarb ſchon den 5. Mai 1609, und nun begann neuerdings 
der Kampf der Katholifchen und Proteftanten um das Palatinat. 
Doc legtere drangen mit der Wahl ihres Führers, Georg Thurzö, 
(Sohn des Franz Thurzö und der Katharina Zrinyi) dur, den 
Khlefl minder fürchten au müffen glaubte. Der Fünfte diefes Na— 
mens in der Reihe feiner Geſchlechtsgenoſſen, geb. 1567, gebot 
Thurzö über eine nicht gewöhnliche Bildung und ein großes Anjehen 
bei den evangeliichen Glaubensverwandten, wie uns fein Biograph 
und Epilogift Abrahamides und der Geheimfchreiber Zamodsfi in 
dem zeitgejchichtlich wichtigen Diarium erzählten. 

Es war dies zur Zeit ale in Defterreich der Kampf des 
katholiſchen Gabinetes mit den proteftantijchen Ständen in der Glaubens» 
frage neu entbrannte. Mathias wollte da feine „erbherrlihen Rechte“ 
geltend machen; Erzh. Biſchof Leopold, Khleſl und der kaiſerliche 
Rath Althan, mit dem neuen ſpaniſchen Botſchafter im Bunde, 
zeigten ſich jogar entichloffen, gegen die „Legeriiche Horner er: 
fammlung“ und ihre drohende Haltung eine Verftändigung zwiichen 
Mathias und dem Kaiſer anzubahnen; aber die Partei der laviren- 
den Bolitifer im Wiener Rathe — die Trautjohn, Meggau, Molart, 
Harrach, Kiechtenftein — waren für Nachgiebigkeit, denn die Sach— 
lage ſei kritiſch; eine Erklärung der Horner zu Gunſten 
Nudolph’s II. könne gefährlich werben. Ueberdies ſetzten ber 
neue Palatin Thurzs, vor Allem jedoch Zierotin, das ganze Gewicht 


XIV. Buch: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias' (1576 -1618). 375 


ver Perfönlichkeit für Conceffionen an die öfterreihiichen Glaubensver- 
wandten ein, und am 14. März zeigte fich überdies eine längſt an 
gejuchte und Monate hindurch überlegte Botihaft der Union in 
Wien. Nah ſchlafloſen Nächten, in weldher Mathias in lebhaften 
Controverjen mit feinem Beichtvater klagte „es jei Schon jo weit mit 
ihm gefommen, zwiichen Seelenheil und Reich wählen zu müjlen” — 
entichloß er jich den 20. März zur Capitulationsrejolution, 
welche den Standpunft Marimilian’s II. in der Glaubensfrage offen: 
bart, aber, ebenjo wie diejer, die Etädte von den andern Ständen 
getrennt hält, welche Scheidung die Gemeinden jelbit insgeſammt, 
nur Ybbs und Zwettl ausgenommen, dem Adel gegenüber feit: 
zuhalten ſich bereit erklärten. Erzh. Leopold nennt in einem 
Briefe an feinen Bruder Ferdinand Wien den „Urt der Verdanım: 
niß“ und dieſe Urkunde eine „verfluchte verdammliche Rejolution“. 
Wir begreifen aber, daß die öjterreihiichen Proteſtanten unter 
Führern wie Tichernembl einer war, ſich mit dein Errungenen nicht 
zufrieden gaben, und die Ungarn — nad dem Wortlaute des 
Geſetzartikelb vom Jahre 1609, der ihre, mit den Ständen 
Defterreihg und Mährens, unter Zultimmung des Königs, abge: 
Ihlofjenen Bündniffe als bleibend rechtskräftig erklärte, — wieder 
zu interveniren ſich bemüßigt fanden. Das Gleiche geihah von 
Mähren aus. So kam es den 27. Februar 1610 zu einer neuen 
Refolution Mathias’, der auch den landesfürftlichen Städten als 
„drittem Stande” die freie Neligionsübung verbürgte, und das 
Princip der Gleichberechtigung bei der Aemterbefegung achten zu 
wollen ausfprah. Die urkundliche Form dieſer Zufiherung erſchien 
allerdings ungenügend und jedenfalls war es nur eine durch bie 
Umftände erzwungene Gabe, welche das Wiener Cabinet gelegentlid) 
zurüdzunehmen gewillt war. 

Jetzt aber lagen die Dinge jo, daß Mathias und Khleſl aller 
störenden Gegenftrömungen ſich entichlagen mußten, denn Rudoph II. 
der tief gekränkte Kaifer bot Alles auf, um den Beltand der jungen 
Herrichaft jeines Bruders zu erjchüttern. 

Zunächſt müſſen wir der Sachlage in Böhmen um 1609 
gedenfen. Sie wird von einem Zeitgenofjen mit den Worten treffend 
gezeichnet: „Man wolle in Prag ein böhmijches Horn aufführen“. 

Denn ähnlih wie die öfterreihifche Actionspartei Mathias 
gegenüber immer lauter den Anfpruch auf Erfenntlichleit erhob und 
mit begreiflihen Neide die Zugeftänbniffe des genannten Habsburgers 
an Mähren und Ungam anſah, — fühlte ſich der proteftantijche 
Böhme als Vertreter des einzigen Hauptlandes, welches von Rudolph 


376 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's IT. und Mathias’ (1576--1618). 


nicht abgefallen jei, und doch in der Glaubensfrage weit geringere 
Conceſſionen in Händen habe als das „abtrinnige” Mähren. Das 
jollte anders werden; man hatte ja den Kaijer in der Gewalt, er 
mußte den Wünſchen der Böhmen endlich) willfahren, wollte er nicht 
aud) dieje Provinz jeinen Bruder in die Arme treiben. Lag es ja 
doc) vielmehr in jeinem Plane, das Verlorene wieder zu gewinnen. 

Die Geihichte der Ertheilung des vielberufenen Majeſtäts- 
briefes an Böhmen jpielt fid) vom Januar bis Juli des Jahres 
1609 ab. Der Kampf um denjelben war zähe, denn die ſpaniſch— 
römijhe Partei im Nathe des Staifers, mit dem Gejandten 
Philipp's III. Zuniga und dem Nuntius an der Spige, die Zdenko 
von Lobkowitz, Slavata, Martinic, Attams u. A. widerriethen beharr: 
(ich jedes Zugeltändniß an die Ketzer. „Wenn Mathias jeinen Inter: 
thanen den Weg zur Hölle bahnt, — joll es darım Rudolph aud) 
thun“? — meinte Lobkowitz. Dagegen riethen die „Bolitifer”: 
Oberftburggraf Adam von Sternberg, Hagenmüller, Hanewald ... 
zu kluger Nacjgiebigfeit, denn die Staatsrailon erheiſche Opfer. 
Ebenſo begegnen wir im andern Lager zwei Parteien, deren eine, 
von Budomwec angeführt, die radicalen Kortjhhrittsmänner 
aus den Kreifen der Galviner und Brüder, wie: Thurn, Fels, Bubna, 
Raupowa und, in Hinficht politifcher Agitation, auch den zweideutigen 
Ränkeſpinner, Wenzel Kinsky von Wehynic einen wahren Menſchen 
für Mles — Anhänger der Ausgleichsidee — umfaßt, während Die 
Gemäßigten an den Zutheranern Stephan von Sternberg und Joach. 
Andr. Shlid ihre Vertreter bejiten; doch gab ſich diefe Bartei in den 
Augen der Stände durch den fälſchlich der Regierung zugejchriebenen 
Interimsvorſchlag eine empfindliche Blöße. 

Ende März ging es fehon jehr bewegt in Prag zu; Anſchläge 
der Negierung werden herabgerijfen, Stimmen, „der König tauge 
nichts, man mütje einen andern haben“, werden laut. Das Heft 
der ftändiichen Bewegung Hat der unerjchütterliche, ernjte Budowec 
in Händen, auf feinen Vorſchlag verſammelt man ſich im Neujtädter 
Rathhauſe. Am Hofe befämpfen fich die gegneriihen Anfichten. 
Auch fremde Einflüſſe machen fich geltend, die Unionsglieder, Kur: 
Pfalz und Brandenburg, empfehlen dem Staijer Nachgiebigfeit ; 
bejonders thätig ift die Botjchaft des Kurfürften von Sachſen, 
der überhaupt am meiſten kaiſerlich gefinnt erjcheint; es ift Dies 
Chriſtian II., leider ein Trunkenbold und unfläthiger Schlemmer, 
der fih rühmte, jeiner Zeit vom Kaiſer in Prag ſo gaftlich ge: 
halten worden zu fein, daß er nie nüchtern wurde Selbit 
K. Mathias fandte ein Schreiben an den Faiferlichen Bruder, von 


XIV. Buch: Die Zeiten Rubolph'3 II. und Mathias’ (1576— 1618). 377 


deſſen Aufrichtigfeit Rudolph II. wohl wenig erbaut fein konnte. 
Am meilten fürdteten die Stände den jtachelnden Einfluß des ſpa— 
niihen Gejandten, der von jeder Nachgiebigkeit abrieth und pa: 
niens Hülfe, offenbar Geld, in Ausſicht ſtellte. Daß Rudolph II. 
ihm am 11.12. Mai die erwartete Aubienz verweigerte, ließ erwarten, 
die vermittelnde Partei bei Hofe, insbefondere Hanewald jei durch: 
gedrungen. Die Rolle des verlogenen Hetzers zwilchen dem Hof und 
den Ständen jpielte Wenzel Kinsfy, der in vertrauten Kreijen 
das Project einer ſtändiſchen Republik entwidelt. Ende Mai 
erſcheint Erzh. Leopold, von KHagenmüller berufen, um einen 
Ausgleich zwiſchen Rudolph und Mathias zu bewirken. 

Den 29. Mai wird die geharniichte Denkichrift der afatholi: 
Ihen Stände der Negierung entgegen gehalten, welche immer nur 
Zeit gewinnen will und Beſchwichtigungsverſuche in Scene ſetzt. Co 
aufſtandsluſtig geitaltet fi) die allgemeine Stimmung, daß ein 
ſtändiſches Manifeft durd einen Ausfhuß von 30 Directo— 
ren, 10 aus jedem Stande: Herren, Rittern und Städten, die 
allgemeine Bewaffnung organiliren läßt, an deren Spike Graf 
Mathias Thurn, Fels und Bubna treten, eine Conföderation mit 
Schleſien angebahnt wird und das Gleiche Mähren gegenüber 
zur Sprache kommt; allerdings ohne Erfolg, denn hier vergaß man 
nicht der ſchroffen Haltung Böhmens in verflojfenen Jahre. An 
die Auflöfung des Landtags knüpfen ſich Straßenicandale, Ge— 
rüchte von einen bewaffneten Bündniffe mit der Union und dem 
Eintreffen Chriftian’s von Anhalt, der fi an die Spite einer 
revolutionären Regierunng stellen Tolle, fommen in Umlauf. 

Endlich dringt die vermittelnde Partei und Sachſen bei Nu: 
dolph II. dur, und den 9. Juli erfcheint der verhängnißvolle 
Majeftätshbrief, verhängnißvoll, da feine Bejtimmungen, auf 
den Neligionsfrieden Marimilian’s II. vom Jahre 1575 gegründet 
und ängſtlich den Ausdruck Proteſtanten vermeidend, nur vom „Utra— 
quismus” fprachen, nicht nur von den Wiünfchen der afatholifchen 
Bartei, fondern als ein Anahronismus auch von den thatjächlichen 
Verhältniffen überholt, den Keim folgenjchwerer Mißverſtändniſſe 
in fi bargen, und von den Katholifenführern wie Lobkowic, 
Martinic und Slavata als findhafte und erzwungene Nothmaß— 
regel ohne bindende Kraft angefehen wurden. Dies trat in dent 
heftigen Wortwechjel zwiſchen Martinic und Budowec klar genug 
an den Tag und was Lebterer Jenem vorwarf, er und feine Ge: 
nofjen jeien vaterlandsfeindliche Schleppträger der römischen Kirche, 
war der Ausdrud der berrichenden Meinung von diefen Männern 


378 XIV. Bud: Die Zeiten Rubolph'3 II. und Mathias’ (1576— 1618). 


in proteftantifchen Kreiſen. Andererjeits bot fih in ber Vebergabe 
des utraquiftiichen Confiftoriums und der Univerfität an die proteftan- 
tiihen Stände und in der Anerfennnung ihrer 30 Glaubens: 
defenforen eine bedenkliche Waffe wider die Regierung dar. Die 
Duelle folgenfchwerer Irrungen wurde jedoch der Artikel, der vom 
Rechte der Alatholiihen: Kirhen und Schulen zu errichten, 
handelt *), denn er ftellt die feite Schranke nicht ausdrücklich hin, 
welche das Reformationgzeitalter mit den Worte: Cuius regio illius 
religio — „Weſſen das Gebiet ift, deffen ift auch der Glaube” — 
zu bezeichnen pflegte. Zu der Schlußfcene fand fih aud Chriftian 
von Anhalt mit einer Botjchaft der Union ein, welche gegenüber 
dem Kaiſer in dem Donaumörther Handel flagbar auftrat. Jeden— 
falls war er erſchienen, um auch mit den Slaubensgenoffen und 
politiichen Freunden in Böhmen neue Fühlung zu gewinnen. 


Der Umftand, daß der Majejtätsbrief nur vom Utraquismus ſprach, und 
bie innere Nothwendigkeit einer kirchlichen Einigung der Evangeliſchen und der 
Brüder, auf Grundlage bes Glaubensbekenntniſſes v. J. 1575, als „utraquiftiiche 
Chriſten“, führte zur wichtigen Unionsurfunde v. 28. Sept. 1609; ihr folgte 
die Einrichtung des Confijtoriums (6. Oct.) und die Wahl der 24 Defenjoren 
bes Gonjijtorinms und der Univerfität, je 8 aus dem SHerren:, Ritter- und 
Bürgerftande. Tas Directorium des Defenjorates ward in die Hände bed Grafen 
3.4 Schlid gelegt, doch war er fein Freund ber Brüder. 


Die Jahre 1610—1611 vollenden die Geſchicke Rudolph's II. 
Es iſt die Zeit, in welcher er neue geheime Verbindungen mit den 
abgetretenen Provinzen anzufnüpfen bemüht ift und den verhängniß- 
vollen Entſchluß faßt, mit der Untermwühlung der ufurpirten Herr: 
Ihaft jeines Bruders Mathias eine Abänderung der Thron: 


*) Derjelbe lautet im beutjchen Terte: Im Fall auch jemand aus den 
vereinigten dreyen Staenden dieses Königreiches sub utraque über die 
Kirchen und Gotteshaeuser, deren sie allbereit im Besitz seyn und die 
ihnen zuvor gestaendig, dabey sie friedlich gelassen und geschützt werden 
sollen, esseyin Staedten, Maerkten, Dörfern oder anderswo, 
noch mehr Gotteshaeuser und Kirchen zum Gottesdienst 
oder aber Schulen zu Unterrichtung der Jugend aufbauen 
lassen wollte, werdensolches sowohlder Herrn- und Ritter- 
stand, als auch die Prager, Kuttenberger und alle andern 
Staedte gesamt und sonders iederzeit geraum und frey 
thun können, ohne aller maeniglichs verhindern. 

Ueber die Literatur des Majeftätöbriefed vgl. Pelzel, Hbb. d. G. Röhm. 
3. A. U. — böhm., deut., lat. Tert b. Slawata, L, 376 fi. Pal. Stäla, 
L, 243 f. 


XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576—1618). 379 


folge zum Nachtheile der eigenen Brüder zu verbinden. Allerdings 
war es im April 1610 zur Prager Fürftenverfammlung 
und zu einer Ausfühnungsverhandlung auf brieflihem Wege zwiſchen 
Rudolph und Mathias gekommen, doch war dies täufchender Schein, 
und auch die feierliche Abbitte der Erzherzoge Ferdinand und Mar 
im Namen Mathias’ (9. October) brach nicht den Stachel. Erzh. 
Leopold erſcheint am Prager Hofe als Berjönlichkeit, die bei dieſem 
Plane Rudolph’s in Ausficht genommen wurde. Ueberdies jollte 
die jeit dem Meajeltätsbriefe immer hoffärtigere Ständemadht ge: 
brochen und eine fatholifche Reaction eingeleitet werden; denn an 
Stimmen hiefür fehlte es nicht im Rathe des Kaijers. Allerdings 
haben wir dafür nur gegnerische Ausfagen, aber es it unſchwer 
einzujehen, daß Groll gegen feine Brüder und die afatholiichen 
Stände den Kaiſer beherrichen mußten. Das geeignete Mittel hiezu 
bot das jogenannte Bafjauer Kriegsvolf, feit der Jülich— 
Gleve’jhen Erbjhaftsjegqueitration*) durd den Kaifer, 
im Solde des Erzh. Biſchofs Leopold von Paſſau, denn dieſes 
Heer Eojtipieliger und zuchtlojer Miethlinge, 12,000 Mann ſtark, 
unter dem Befehle des Feldmarſchalls, Grafen von Althan und 
der 3 Oberften: Hoffe. R. Graf Alwin von Sulz, Graf von 
Trautmannsdorf und Lorenz Name, ließ fih jo am beiten 
beichäftigen und im faiferlihen Dienjte vom Lande Böhmen er: 
nähren. 


*) 1609, 25. März 7 Herzog Johann Wilhelm von Xülich = Cleve : Berg: 
Navensberg, blödſinnig geworden, unter Buratel, nach zwei Finberlofen Chen; 
Enkel K. Ferdinand's I. v. mütt. Seite. (1. Gem.: Jakobäa v. Baben:Baden, 
binger. 1597; 2. Gem.: Antonie von Lothringen, T. H. Karl's IL) 

Erbihajtsanmwärter: 

1. Joh. Sigmund, Kf. v. Brandenburg, Gem.: Anna, Muhme 9. 
oh. Wilhelm's. 

2. Wolfgang Wilh. Pfalzgr. v. Neuburg, Gem.: Anna, Schmeiter desſ. 

3. Joh. Georg J. Kurprinz v. Sachſen, Gem.: Magdalena Sibylla, 
Schwefter desf. (überdies Belehnungsanfpr. |. 1485 — 86 v. Sachſen 
feitgehalten). 

4. Die ſächſ. Erneftiner (1527, Sf. Joh. Friedr. I. verm. mit einer 
Muhme Joh. Wilhelm's: Sibylla. 

5. Tie Pfalzgrafen von Zweibrüden ala Söhne einer dritten Schmeiter 
des Erblaſſers: Magdalena. 

6. Karl von Deſterreich, Markgraf von Burgau, Erſtgeb. Erzh. 
Ferdinand's II. von Tirol, ſ. 1601 mit einer Muhme des Erb— 
laſſers vermählt. 

7. Die Grafen von Nevers, ſ. Engelbert, (+ 1506) Bruder Johann's II. 


380 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph’ IL. und Mathias’ (15076 —- 1618). 


Der Einbruch) des Pafjauer Kriegsvolfes (Ende 1610, X. 1611) 
in’s oberöfterreihiiche Land, das längere Zeit nicht wußte, ob es 
der Schauplag dieſer Feindſeligkeiten bleiben Tolle, das Auftreten 
des Herzogs von Braunſchweig, Ramée's Zögern, andererjeits 
Althan’s Vorauseilen nad) Prag, Mathias’ Zurückhaltung troß be= 
deutender Rüftungen, ließen erft jpäter erfennen, daß Rudolph die 
wahre Beitimmung ter Eöldner verjchleiern wollte, Mathias jedoch 
den Sachverhalt durchſchaute. Teshalb erhielten die Paſſauer freien 
Durchzug, um von Ober:Vejterreich weiter den Weg nach Böhmen 
einzufchlagen. Nun bot fi dem K. Mathias der beite Grund, der 
Ankläger jeines Taiferlihen Bruders zu werden. Allerdings jollte 
der Braunjchweiger Herzog Heinrich Julius als Bevollmädtigter 
Rudolph’s an Mathias (Anfang 1611) die Sadje officiell rechtfertigen, 
aber, wie begreiflich, ohne Erfolg. Als nun aber die Schaaren Ramée's 
(Ramauf, d. i. Raumauf, wie ihn der Bolfswig taufte) im 
Februar Böhmen von Weften her überjchwennmten, am 14. Februar 
am weißen Berge vor Prag ftanden und bald darauf die Kleinjeite 
bejegten, brach eine mächtige Bewegung in und um Prag los. Die 
vereinigte Alt: und Neuftadt betrachten das Paſſauer Kriegsvolf 
als Zandesfeinde, die Stände rüften ein Heer, große Bauernhaufen, 


— 





(+ 1521) Herz. v. Jülich-Cleve-Verg. Ueberdies erhoben aud) Herzog 
Seinrih v. Bouillon und der Reichsgraf v. Manderſcheid An— 
fprüche. 

Tie Hauptbewerber Pialz:Neuburg und Brandenburg beriefen ſich: Criterer 
auf die Erklärung der Kaijer Karl V. und Ferd. I. feit 1546, Diefe Länder feien 
Weiberlehen; legterer auf das Tejtament des Erblaſſers. Gegen ihren Provijio- 
ttalvergleih dv. 29. Mai 1609, verfügt der Kaijer die Sequejtration durch 
feinen Netter (Frzh. Leopold. Die Union arbeitet 1610 gegen den Kaifer; Leo— 
pold wirbt Truppen; Spanien fendet auch ſolche Heinrich IV.von Frank— 
reich will eben bei fo günftiger Gelegenheit losjchlagen und wird 1. Auguſt 1610 
erınordet. 1615 wächſt die Tenwidlung und erit 1624 kommt es zu einem ge: 
deihlicheren Erbſchaftsvergleiche. 

Literatur. Den Erbfolgeſtreit behandelt die franz. Monogr. von 
Roujjet (17383—3) im Ganzen; mit beſonderer Rückſicht auf Brandenburg: 
Preußen: v. Shaumburg (1859), und Haſſel (dissert. 1863); mit ſolcher 
auf Sadjen: Ritter (1873, afad. AbH.). Ueber das Paſſauer Kriegsvolf: 
bie Monogr. v. F. Kurz Schickſ. d. P. K. i. d. Beitr. z. G. d. L. o. d. E. 
4. Bd. (1809). Später (1851) erſchienen als Ergänzung (Prag) Schickſ. des 
paſſ. K. i. Böhmen bis z. Aufl, desſelben 1611. (Majlath, II., 332 jf., be— 
nutzte es noch i. Mſer.) Vgl. Hanka, Correſp. zw. K. Rudolph ꝛc. i. B. des 
paſſ. 8. 1845. Hammer, Khleſl, I. 


XIV. Bud: Die Zeiten Rubolph's II. und Mathias’ (1576— 1618). 381 


wie einft in der Hufjitenzeit, jchaaren fih wider die Eindringlinge 
zujammen. Ein Krieg zwiſchen den genannten Stadttheilen beginnt, 
und der Kaiſer, ein Gefangener auf jeiner Burg, den die Ausjagen 
des gefangenen Nathes Erzh. Leopold’s, Kranz Tengnagel (feit 
5. März bis 15. April 1611), in den Augen der Stände jchwer 
compromittirten (auh Martinic und Slavata wurden in jcharfes 
Verhör genommen), — mußte bald erfahren, daß die Stände 
zwei Gejandtichaften an Mathias abgehen ließen, um ihn durch die 
zweite Botichaft förmlich zum Beiltande aufzufordern. Es war das 
deutlichjte Anzeichen des Abfalles Böhmens von Rudolph II. Bald 
räumen die allerwärtsher bedrohten Söldner, vom Kaijer jelbit mit 
300,000 Gulden abgefertigt, die Hauptitadt, und ſuchen unter großen 
Vermüftungen den jüdlichen Ausweg aus dem Lande. 

Mathias war jedoh ſchon im Anzuge; den 15. März ftand 
er bei Iglau, den 24. dieſes Monats traf er vor Prag ein. Und 
nun jpinnt fih ein Ne von Unterhandlungen, Vermittlungen; eine 
deutijhe Fürſtengeſandtſchaft findet fih ein (23. April), 
und von allen Seiten beftürmt, ergiebt fich der hilfloſe Kaiſer in fein 
2008, auch der böhmischen Krone zu Gunsten des Bruders 
zu entjagen (Abmadhungen vom 11. April bis 15. Juni). Zu 
den Perlönlichfeiten, welche diejen Ausgang zu bejchleunigen ver- 
ftanden, gehörte der bereits befannte Agitator Wenzel Kinsky. 

Rudolph's II. Herrfcherleben war zur Neige. hm verbleibt 
ber Kaifertitel, die Prager Reſidenz, und 300,000 Reichsgulden als 
Ruhegenuß follen feinen Hofhalt beftreiten. Die Form einer frei- 
willigen Abdanfung jollte den äußeren Anjtand wahren ; richtiger 
aber zeichnet die Volfsüberlieferung den Gemüthszuftand Rudolph's II., 
der die Feder, womit er die erzmungene Abdankung unterjchrieb, 
zerbifjen und zu Boden geworfen habe, um dann auf den Balkon 
zu treten und einen jchweren Fluch zu Iprechen über Prag und Böhmen, 
das ihn jo undankbar verrathen. Noc einmal hoffte der tödtlich 
gekränkte Kaijer das Rad feines Geſchickes rüdläufig zu machen, ber 
Herzog von Günderode ſollte die proteftantiihe Union zur 
Bunbesgenofjenfchaft gegen Mathias werben; aber der Tod (20. Ja⸗ 
mar 1612) erjparte dem Unfeligen noch weitere demüthigende Ent: 
täufchungen. 

In der That liegt ein tragijches Moment in den angedeuteten 
Vorgängen. Es iſt nicht die Größe der gejtürzten Herrſcherperſön⸗ 
fichkeit, die erjchütternd wirkt, denn Rudolph II. war ein ſchwacher, 
gemüthskranker thatenlofer Fürft, — wohl aber der Gedanke an 
fein langfam vormwärtsfchreitendes Verhängniß, das er jelbit be- 


382 XIV. Buch: Die Zeiten Rudolph's IL und Mathias’ (1576—1618). 


jchleunigen hilft, an die Fülle bitterfter Erfahrungen, die er feit 1604 
einheimfen muß und welche in feiner gänzlichen Entthronung durch 
den Bruder gipfeln, endlid die Thatjache, daß jelbit die Stadt Prag, 
jein ausſchließlicher Sig, deſſen Gewerbs- und Kunftleben er bob 
wie Fein zweiter Herrſcher jeit Karl IV. zum rückſichts— 
lojen Gegner wurde. 

Eine richtige Weiffagung lag in einer zeitgenöſſiſchen 
politiijden Dichtung aus den Jahren 1605—1606, melde 
den Kaifer mahnt, ſich um feine Erbländer zu kümmern, Wien nicht 
zu vernachläſſigen und bald dahin zu kommen. Nicht lange werde 
er ſich ſonſt König von Ungarn fchreiben. Die Böhmen frügen gar 
nicht viel nad) ihm: 

„Tram nen nicht, ich rath's dir vürwar, 
Du ſteeſt bei inen in großer gevar. 
Gito, Gito, Tito bald auf Wien, 
So wird dein Regiment wohl jten, 
Wo ſolches nit bald wird gejcheen, 
So haſtus wahrlich überjehen.‘ 


9. König Mathias war nah der Prager Krönung vom 
23. Mai in die Laufig und nad) Schlefien gezogen, um bier die 
Huldigung der genannten böhmilchen Kronländer zu empfangen 
(Ende Auguft und September 1611). Der Tod Rudolph's LI. 
erſchloß ihm die Thronfolge im Reiche. Zu Frankfurt im 
Suni 1612 als Kaifer gewählt und gekrönt, fteht er am Gipfel 
der Wünſche; aber auch die Sorgen häufen fih. Die Ereigniffe in 
Siebenbürgen:Iingarn nehmen feine ganze Aufmerkjamteit 
in Anſpruch: der Sturz Gabriel Bäthory’s und Gabriel Beth: 
len's Emporkommen. 

Gabriel Bäthory — eben jo ſtarken Leibes als maßlos in Genußſucht und 
Herrſcherwillkür, bald verhaßt beim adeligen Magyaren, Szefler und dem 
Bürger des Sachſenlandes —, der „tolle Fürſt“, wie ihn auch bald der Türke 
nannte, — war dem Wiener Hofe begreiflicher Weiſe nicht genehm. Aber auch 
die Wojwoden der Moldau und Wallachei, Conſtantin und Radul Scherban, 
waren übel geſtimmte Vaſallen des übermüthigen Fürſten. Zwiſchen ihnen und 
dem Wiener Hofe kam es zu Verſtändigungen, wobei auch die Geſellſchaft Jeſu 
eine politiſche Rolle übernimmt. Die Verſchwörung des Hochadels, der 
Kendy, Kornis, Sennyey u. A. v. J. 1610 (März) mißlingt, die Meiſten ent: 
kommen, Einige verfallen der Rache Bäthory's; Sigmund Kornis und Szarmaſ— 
fäghy enttommen in die Wallachei. Bäthory will nun über ben ihm gefährlich 
bünfenden Rabul Scherban ald Gönner und Beſchützer ber Yiebenbürgifchen 
Aufftanbspartei herfallen. Zunächft muß er fich jeboch ben Rüden gegen Ungarn 


XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576—1618). 383 


decken und es kommt zur Daröczer Zufammenfunft mit PBalatin G. Thurzö 
(1610, 8. Juni); doch beſorgt er bald eine Waffenerhebung Ungarns und rüſtet 
ſtärker; Imreffy, ſein Bevollmächtigter, bahnt indeß einen Vergleich an. Nun ſoll 
die Heerfahrt gegen den Wallachen an die Reihe kommen. Auf dem Zuge dahin 
überraſcht er das wehrloſe Hermannſtadt, — denn wer „Siebenbürgen be: 
herrſchen wolle, müſſe die Thorſchlüſſel Hermannſtadts in der Taſche haben“. 
Mit Liſt und roher Gewalt entwaffnet er (17. Dec.) die Gemeinde, die um jeden 
Preis Hochverrätheriicher Pläne überwieſen merben fol. Der fluge „Hann“ 
(Bürgermeifter) von Kronjtadt, Weiß (geb. 3. Mediaſch 1569), ſchafft fich mit 
Geld Bathory vom Halfe, aber nur für den Zug nad ber Wallachei, welche 
Bäthory ſchonungslos verheert; denn dann hatte Kronftabt, deſſen Bürger „mie 
die Mäuſe“ abgejperrt und bewacht lebten, für die Mannichaftszehrung und die 
Wollujt des Fürften zu forgen; bie Apothefersfrau Balk zog den Selbitmord 
der Entehrung vor. Drum nannte der Pfarrer und Ghronift von Kronſtadt, 
EHriftian Lupinus (Wölflein) den Vorort des Burzenlandes „Neu-Babylon“. 
Im März kehrt Bäthory ald Sieger aus der Wallachei zurüd, im Mai follte 
ber Moldauer befriegt werden, doch kommt wieder Rabul Scherban an die Reihe, 
und im Juni fol Kronſtadt das Loos Hermannjtabts theilen. Vor dieſem 
Geſchicke bewahrte e8 die Umfiht und der Muth feines Führers Weiß, der fi) der 
Hajdukeuſchaaren des Fürſten entſchlug und Radul Scherban zur eiligen Hülfe 
entbot. Kronjtädter Wallachen und polnijche Reiter vernichteten dann (8. Juni) 
vor den Thoren der Stabt die Hauptmadht des herbeieilenden Bathory, der mit 
genauer Noth dem Berberben entrinnt. Sein Plan, von der Pforte auch mit 
ber Wallachei belohnt zu werden, war gefcheitert; die Türken jegten Michne 
als neuen Wojwoden ein, den Rabul aus dem Lande zu drängen bemüht ift. 

Nun wird wieder Hermannftadt die Rüftfammer Bathory’3 und der 
Zummelplaß feiner Gemwaltthaten. 

Hier erwartet er den doppelten Angrifj. Tenn auch der Wiener Hof 
und die ungariſchen Reihsitände hatten Krieg gegen den jiebenbürgifchen 
Wüthrich beſchloſſen; Sigmund Forgäcs war mit königlichen Schaaren in’s 
Land gefallen und reihte Radul Scherban die Hand. Allein die Pforte 
wollte und fonnte ihr oberherrliches Recht über Siebenbürgen nicht preisgeben, 
fie läßt ihre Truppen in’3 Land rüden. Radul und Forgäcs ziehen fi) nun 
(22. Aug. 1613) von Hermannſtadt zurüd; Gabriel Bäthory, deſſen Hajduken— 
‚seldderr Nagy inzwiſchen den ungariſchen Zuzug geichjlagen, fühlt jich wieder 
als Herr der Sadjlage. Seine Gegner machen am Rüdzuge in Kronftabt Halt, 
und Forgäcs läßt es dem ungarifchen Könige Treue ſchwören. Dies Alles joll 
nn das Yurzenland fürchterlich entgelten, denn bald ericheinen Bäthory 
und Omer-Paſcha vor den Mauern Kronftadts. Aber das kluge Wort jeines 
Verfechterd, Michel Weik, beſtimmt ben milden Türkenführer die unerträgliche 
Tyrannei bes yürjten nicht zu unteritügen, denn nur dieſer, nicht der osmaniſchen 
Hoheit wolle man ſich entichlagen. Als der Paſcha abzieht (12. Sept.), fühlt fich 
Bäthory nicht ſtark genug, die Stadt zu bezwingen, er läßt es nur ihre Vororte 
entgelten und tritt den Weitermarſch an. Aber feine Hajduken bebrängen Oſt⸗ 
ungarn, und bie allgemeine Stimmung Ungarns gegen den Krieg bejliimmt 


384 XIV. Buch: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576— 1618). 


König Mathias und den Palatin Thurzö zu Friedensverhandlungen mit Bäthory, 
mweldhe den Tofajer Ausgleich (27. Tec. 1611) herbeiführen. 

Das war der Höhepunft des Fürftenlebens G. Bäthory's; nun follte es 
bald abwärts gehen. War ſchon die Hinrichtung feines verdienten Hajduken— 
führer Nagy eine unfinnige That wahnwitzigen Argwohns, jo erwuchs ihm 
in der Perjon eines begabtejten Rathes und Sachwalters, Sabriel Bethlen, 
der gefährlichſte Gegner, als dieſen Die Beſorgniß vor einem Gewaltſtreiche des 
Türjten zur Flucht nach Teva und von da nad) Temesvär, an den Hof des 
dortigen Paſchas, beſtimmte. Wir möchten nicht in Abrede ſtellen dar Bethlen in 
Verbindung mit jener ıumzufriedenen Adelspartei Siebenbürgens ſtand, die das 
Schickſal ihrer Senofien v. X. 1610 rächen mollte, denn fein vorjchauender 
Geift dürfte die Unhaltbarfeit der „tollen Wirthſchaft“ Bäthory's längſt erfannt 
haben. Aber er war eim vorjichtiger Rechner. Nicht er, fondern der Bote des 
Fürften an die auch ſchon übellaunige Pforte, Andreas Géczy, wurde ber 
Anfläger und Nebenbuhler des Fürſten. Der Divan erflärt ſich fiir Geczy, aber 
der Zürfe wollte nicht viel eigener Mittel für das zweifelhafte Unternehmen auf: 
wenden, ſondern zunächſt die Sachlage und Stimmung des Landes abwarten. 
Aber die Tinge jtehen nicht am beiten fir Geͤczy und dejjen entſchiedenſte Ver⸗ 
bündete, die von Bäthory tödtlich gehaßten Kronſtädter. Denn der Fürſt weiß 
die Grenzpaſchas zu gewinnen, K. Mathias ſcheut die neue Einmiſchung und 
den Bruch des Friedens. Co fällt die Entſcheidung v. 16. Oct. 1612 vor den 
Mauern Marienburgs für Bäthory günftig aus. Geczy wird bald vom 
Strome der flüchtigen Wallachen und Raizen fertgerifen; Weiß fällt in ber 
Schlacht; mit ihm fterben auch 29 wadere Zöglinge der Kronjtäbter Lateinſchule. 
„Er that die Pflicht, die er dem Vaterland ſchuldig war‘, heißt ed auf ber 
Denkmünze der Kronftädter zum Gedächtniß ihres wadern Stabtrichters. 

Allein num fühlte auch Bäthory, es jei hohe Zeit zur Umfehr auf feinen 
gewaltfamen Wegen. Der „Hochverräther“ Bethlen mweilt als fein gefährlicher 
Anfläger in Temesvär, der Adel grollt indgeheim. Bäthory will fi nun der 
günjtigern Stimmung der Sachſen verfichern, mit ihnen Frieden machen. Gegen 
die Abneigung der Pforte jo ihn ein Bündniß mit Mathias und Ungarn 
deden, denn ber neue Großvezier, Nafuh, ijt Friegeriich gefinnt, daß erfuhr ber 
Wiener Botſchafter Negroni. So fommt e8 den 24. Dec. 1612 zum Vertrage 
Bäthory's mit Mathias. Darin erjcheint die Anerkennung ber Oberhoheit 
Ungarns, feitens Bäthory’8 und gegenfeitige Wafienhülfe verbürgt, überdies in 
einem geheimen Artikel Amneftie für Kronftadt und alle Empörer, Wieder: 
aufnahme der Jejuiten und der Schug der römiſchen Kirche durch ben 
Fürjten, zugeftanden. Der Preßburger Landtag (Febr. März 1613) und 
der von Hermannftadt (A. Mai) ratificirten dieſe Uebereinfunft, welche das 
freie Wahlrecht Siebenbürgens nad Bäthory’8 Tode anerkennt; am 
13. Mai erließ der Fürſt die Amneſtieurkunde. Auch Geczy wurde wieder in 
Gnaden aufgenommen. 

Aber ſchon im Sept. 1613 vollzog fi) das Geſchick Bäthory's; zu fchwer 
hatte feine Willtürherrichaft auf dem Lande gelaftet und jeden Glauben an eine 
aufrihtige Umkehr erfiidt. Den „Zollen” gab bie Pforte preis. Gabriel 


XIV. Buch: Die Zeiten Rudolph's Il. und Mathias’ (1576—1618). 385 


Bethlen war zu Conftantinopel am 1. Mai ald „König‘, d. i. Fürft Sieben: 
bürgend auögerufen worden; denn er verſprach den Türken Zend und Lippa 
auszuliefern. Wohl verſucht Bäthory den drohenden Sturm durch höhere An 
gebote (11. Juni) zu beſchwören. Die ſchlaue Antwort des Divans täuſcht den 
Fürften; er verfäumt audgiebige Rültungen. Mitte Auguft erwartet am eifernen 
Thore Iſkender-Paſcha den Zuzug des Tarterenchans der Wojwoden der Moldau 
und Wallachei über die Törzburger Gebirgsſenke, und noch im lebten Augenblide 
täuſcht ſich Bäthory über die Größe der Gefahr, bis es zu fpät wird. Den 
80,000 Mann Tartaren und Türken Fönnen die 10,000 zujammengerafften 
Krieger des Fürften nicht Stand halten; er zieht ih nah Klaufenburg zu: 
rück und flieht dann vor dem nachrüdenden Betblen nah Großwardein 
(Mitte October 1613). Hier empfängt er die Tosjagung der Siebenbürger von 
jeiner Gewaltherrfchaft (21. Det.); die Nachricht von Bethlen’3 Wahl am Klaufen- 
burger Tage (23. Oct.) erreichte ihn wohl nicht mehr, denn auf einem Spazier- 
ritte endet er (27. Oct.) unter den Streichen der Soldaten, welche zu dieſem 
Zwede Abaffy, ber Tofayer Commandant, von Niklas Forgäcs Bäthory zu 
Hülfe gefendet, Géczy und bie Hajdufenoberften Szilafy und Nadäanyi 
gedungen hatten. Privatrache Geczy’3 und die Furcht der Andern, Päthory 
wole Sroßmwarbein den Türfen übergeben, wirkten dabei zujammen. 

Das war der Ausgang des legtenvom Mannsftamme der Bäthory, 
— eines Geſchlechtes, das, aus der ärpäbifchen Vergangenheit herrüberragend, 
gerade in den letzten Jahren feines Beſtandes noch bedeutende Vertreter zeigt, 
bedeutend in ihren Anlagen und leider noch mehr in den Launen und Verirrungen 
der Leidenſchaft. Das Gräßlichite in biefer Richtung offenbart das Leben Elija= 
beth's, der Schweiter Ghrijtoph Bäthory's, die jeit 1603 als Wittwe Nädas- 
dy's auf dem oberungariſchen Schloſſe CSejthe ihre Mägde mit graujamiten 
Martern quälend in den entjeglichen Wahn verfiel, daß frifches Jungfrauenblut 
die förperlihe Schönheit erhöhe und num im Blute vieler geraubten Opfer zu 
baden anfing. Erit im Jahre 1611 kamen dieje granien Geheimniſſe an's Ficht und 
da3 Magnatengericht (1611) verurtheilte Das unmenjchliche Weib zu ewigen Kerfer. 
Die Nichte des Fürften Gabriel, Sophie, blieb der letzte meibliche Sprößling des 
Haufes und verlippte es mit den fpäteren Erben feiner fiebenbürgifchen Fürften: 
wiirde, den Räföczy’s. 


Zwei Tage nach jeiner formellen Wahl (25. October 1613) 
empfing Gabriel Bethlen Fahne und Keule aus der Hand 
Iſkender⸗Paſchas; doch mußte auch Arad den Türken geopfert werden. 

Der neue Fürft, der bereits jeit Bocskay's Tagen die Ver: ' 
hältniffe jeines Landes und die Bolitif der Nachbarjchaft, des 
Sultans und Kaijers, mit ſcharfem Geiſte erfaßte, hatte Feine leichte 
Aufgabe, die Grundlagen feiner Macht zu legen, Siebenbürgen zu 
beruhigen, die Unerjättlichfeit der Pforte abzumehren, und den Re: 
vindicationsplänen Ungarns und des Wiener Hofes die Spite zu 
bieten. Daß ihm am Mediaſcher Landtage vom Yebruar bis 


April 1614 die PBacification Siebenbürgens gelang, wat eine 
Krones, Geld. Oeſterreichs. III. 


386 XIV. Zug: Tie Zeiten Rubo!pp's IL umd Marhias' (15:5 151801 


Birfung einer nüchternen und Alles abwägenden Lebensmarime, die 
— baar jedes Idealismus, jeder moraliihen und conteitionellen Be- 
denflihfeit, — an geittiger Bildung und maßhaltendem Weſen ihr 
Steuer being. Ganz im Gegeniage zu Gabriel Bätborn, denen 
unerträglihe Tyrannei im heiten Blute und überibäumenden Kraft⸗ 
gerühle lag, — iſt Gabriel Bethlen der faltblütige, aroben iinnlihen 
Leidenĩchaften fremde Politiker, biegiam, aber aud hart wie Ztabl, 
der da weiß, der Erfolg ſei Meitter der Tinge, und der nur behaupte 
die Herrichart, welder im eigenen Sande ein aeieglihes Regiment 
führe, derien Wohlſtand fördere und die Außenwelt mit den Raiten 
der Liſt und Gewalt im rechten Augenblid zu befämpfen veritüunde. 

Die Geſandten Bethlens nah Linz, mojelbit ſich Kaiſer 
Mathias Anfang 1614 befand, erhielten eine ausmweichende Antwort; 
Bethlen jolle zuvor Großwardein als Pfand der Treue Siebenbürgens 
ausliefern und die den Türken zugeſprochenen drei Feſtungen nicht 
übergeben. Tie Gegenbotichaft des Kaiſers traf jedoh im Mai 
zu Klaujenburg auf eine entichloijene, dieten Forderungen ab- 
geneigte Stimmung der Siebenbürger. Ter Wiener Hof beichloß 
nun nah dem Plane des Miniiterbiihofs Khlejl und des Hof: 
friegsrathspräfidenten Mollart, die gefährliche Herrſchaft Bethlen's, 
des Türkenihüglings, zu untergraben. Valentin’ Bruder, Georg 
Homonnay, jüngit durch die Bemühungen des Aejuitenordens 
katholiich geworden, jollte als Gegner aufgeitellt werden; Radul 
Scherban und die Sachſen ſich gegen den neuen Fürſten ver: 
binden. Denn das ſchwer geprüfte Sachſenvolk war gegen Bethlen 
nicht ohne rund mißtrauiich, denn er, der Magyare und Calviner, 
zögerten nur allzu lange mit der Anerkennung des Freithums der 
ſächſiſchen Univerfität, für weiches diefe am Schäßburger Tage 
(Ende 1613) bundesmäßig eintrat. 

Aber der Geldpunft machte dem Wiener Hofe Sorgen und 
noch mehr die Abneigung des afathofiihen Ungarns, den Balatin 
an der Spite, gegen den ganzen Plan. Bethlen hinwieder konnte 
fih auf die Pforte verlajfen, deren Gegenbotihaft nad Wien jehr 
entihieden auftrat. So fonnte nur eine Gewinnung jämmtlicher 
Länder des Haujes Habsburg-Oeſterreichs für einen Krieg mit der 
Pforte und Bethlen eine günftigere Löjung der jchwebenden Frage 
herbeiführen. Dies war der Anlaß zur Cinberufung des Linzer 
„Reichstags“ vom Juli 1614, wie wir die dort ftatthabende Ver: 
jammlung der Abgeoroneten fämmtliher Länder des Haufes Habs: 
burg nennen dürfen. Daß fi dieſer Reichstag, insbefondere bie 
ungariiche Ständebotichaft, für den Frieden ausſprach, und die 





388 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576— 1618). 


die Drdnung und das Anſehen der Krone jenfeits ber 
Leitha zu ftügen. So begegnete ſich der grenznachbarliche Stand: 
punkt der Pforte mit dem politifchen der Regierung, und deshalb 
argmohnte auch die ungarifhe Ständeichaft in dem königlichen Auf: 
trage, die Hajdulen zu entwaffnen und einfache Landleute werden 
zu lafjen, feine an fich gerechtfertigte Maßregel geſetzlicher Ordnung, 
fondern einen Handſtreich deutſcher Machtgelüfte. 

Dem Wiener Türfenfrieden vom 1. December 1615 
folgte ein neuer Angriffsplan auf Bethlen’s Fürſtenthum. Der 
Wiener Hof hielt die Pforte mit Letzterem verfeindet und ſchob Georg 
Homonnay vor, der aud eifrig rüftete. Auch Radul Scherban 
jollte mit feinen Wallachen und gemorbenen Polen durch die Moldau 
vorbrechen; aber der ſchlaue Fürft Siebenbürgens wußte der Gefahr 
durch Auslieferung des bezwungenen Lippa an die Türfen und das 
geſchmeidigſte Entgegenfommen zu begegnen; er wurde der Pforte 
fihder. Homonnay hatte fein Kriegsglüd, eine andere Unter⸗ 
nehmung der Grenzhauptleute Dftungarns und des Siebenbürgers 
Särmajiägy mißlang. Bethlen fam in die vortheilhafte Lage, 
mit überlegener Macht vor Debreczin zu rüden und auf die Hint- 
anhaltung des Friedensbruches Beitrafung der Friedensitörer bei 
den Ständen Ungams zu dringen. 

Ebenjo zeigte fih die Pforte den neuen Senbboten des 
Kaiſers, Freiherrn von Czernin und Gallo, die zum erften 
Male mit vielem Prunke, Elingendem Spiele und der Kreuzfahne in 
Stambul einritten (1616), dadurch einen förmlichen Aufruhr erregten 
und in ftrengen Gewahrjam wandern mußten, — jehr ungnädig; 
Bethlen’s Gejandter, Balaſſy, fand einen günjtigen Boden. 

Lag auch der Schwerpunft der innern Politik Khleſl's in der ſieben⸗ 
bürgiſch- ungariſchen und türfiichen Frage, jo Dürfen wir nicht vergeffen, 
daß auch die anderen Herrichaftsgebiete manche ſchwere Sorge bereiteten. 

Im Lande Oeſterreich kommen die Zwiftigfeiten der Pro- 
teftanten mit der Fatholijchen Regierung nicht zur Ruhe. Gegenfeitige 
Bejchwerden, bei denen auf protgitantiicher Seite die Herren von 
Stahremberg und Jörger in den Vordergrund treten, jchärfen 
die unheilbaren Gegenjäge; die Verſuche der inneröjterreihiichen 
Proteftanten, durd) Verbindung mit den Nieder: und Über: 
Öfterreichern wieder Oberwaſſer zu formen, treten jeit 1610 bejonders 
immer mehr zu Tage. 

Noch gemwitterhafter erjcheint die Stimmung in Böhmen; die 
Folgen des Majeftätsbriefes melden fih an. Die geiftlihen Grund⸗ 
herren, jo der Prager Erzbiſchof Lohelius, wirken den Gelülten 





390 XIV. Buch: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576—1618). 


Marr Sittich (F 1619) eines Bayern bequemeren Kirchenfürften, 
erwedten Mibtrauen und Beforgniffe des Wiener Cabinets*). Da- 
zu fam die Führerihaft Bayerns in der Liga und jene 
Wendung des Jülich-Cleveſchen Erbitreites, derzufolge ber 
Pfalzgraf von Neuburg, Wolfgang, den Anſchluß an Bayern und 
die Liga fuchte, ja zu allgemeiner Ueberrafhung (25. Mai 1614) 
katholiſch wurde und ſpaniſche Hülfstruppen in's Land 309. 

Khlejl hielt es nun hoch an der Zeit, die Liga unter habsbur- 
giſchen Einfluß zu ftellen und Bayern hiedurch etwas an die Wand 
zu brüden. Eo fam es im Anjchluffe an den Regensburger Reichs: 
tag, zu einem neuen Bundesabfommen der Liga, wonach 
fie fortan in drei Kreife: Dejterreih, Rheinland und Bayern 
zerfallen, und die beiden eriteren unter der Direction öfterreichifcher 
Erzherzoge ftehen jollten. Dieje Dreitheilung des Directoriums 
empfand Bayern als eine diplomatiſche Niederlage mit tiefem Grolle, 
der dem Taijerlihen Hofe und namentlich deſſen Leiter nicht entging. 
Am meiften machte jedoh die hHabsburgiihe Thronfolge zu 
ſchaffen, denn die jpäte Ehe K. Mathias’ (jeit December 1611 mit 
der tirolifchen Erzherzogin Anna) blieb wie vorausfichtlich kinderlos, 
Erzh. Mar war unvermählt und Erzh. Albrecht theilte das Loos 
des jetzt älteiten regierenden Bruders. Co jchien der mit Nadh- 
fommenjchaft bebachte Eörperlich rüftige E. Ferdinand von Steier: 
marf der Berufenfte, die Gefammterbichaft des Haufes anzutreten. 

Am Regensburger Reidhstage (1613) gaben, wie ber 
eigene Bericht Khlejl’s an den Papſt vom 19. Juni 1616 darthut, 
zu der angedeuteten Succeflionsfrage die geiltlichen Kurfürften die 
Anregung. Ein Jahr darauf leitete zu Linz Erzh. Mar Verzicht 
auf fein Erbrecht zu Gunften Ferdinand’s, und alsbald ließ auch 
der Kaiſer durch den genannten Erzherzog mit dem Bruder in den 
Niederlanden negociren. Nun kamen aber die ſpaniſchen 
Gegenanfprühe in die Quere. Abgejehen davon, daß 
K. Philipp ILL. zunächſt felbjt an die Erwerbung der deutſchen 
Kaiſerkrone dachte, ließ er nun durd feinen Botichafter Zuniga 
für den Zmeitgebornen, Infanten Carlos, dahin arbeiten. Als 
Enkel Marimilian’s II. machte er aber ein näheres Erbredt auf. 
Böhmen und Ungarn geltend, als es die fteiermärfifche Habs- 
burgerlinie befäße; und als er dies fallen gelaſſen, nahm er wieder 
das Land Defterreidh o. u. u. d. E. in Anſpruch. Khleſl jelbit 

*) Vgl. bie um 1615 verf. Arbeit v. Joh. Steinhaufer über „Leben, 


ng und Wandel” be Erzb. Wolf Dietrih (+ 1617), 5. v. W. Han- 
im XIIL ©... ⸗» Saljb. Landeskunde (1873). 


XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias' (1576-1618). 391 


war nicht ſowohl der Erbfolge Ferdinand’s von Steiermark, als 
vielmehr deſſen energiſcher Mitregentſchaft abgeneigt, die "den 
durch feine Herrichaft über den Schwachen Kaifer verwöhnten Khlefl 
eine ftarfe Einengung feiner Minijterthätigleit befahren ließ. Dar: 
aus erklärt fi das doppelte Spiel Khleſl's, der auf der einen 
Seite das ganze Project durchzuführen fic) den Anſchein gab, anderer: 
jeits jedoch alle möglichen Schwierigkeiten hervorjuchte und die ganze 
Angelegenheit im langjamften Schritte hielt. 

Dies erfannte zeitlich” genug der energiiche Erzh. Mar, wie 
fein Schreiben vom 15. April 1616 bemweift, worauf Khlefl, fürzlich 
Gardinal geworden, ziemlich hitzig antwortete. Es waren Zeilen, 
verhängnißvoll für feine Zukunft, denn fie erzeugten in dem Erz: 
berzoge einen tiefen Groll gegen den allmächtigen und hoffärtigen 
Emporfönmling, dem fein Herr felbft Mäßigung empfehlen zu 
müſſen glaubte. Khlefl’s Denkſchrift an den Kaifer, vom 14. Juli, 
erörtert allerdings ziemlich gewandt die ODpportunität der Sn: 
angriffnahme derrömifhen Königswahl Ferdinand’ 
vor feiner Anerfennung als Erbfolger in den habsburgifchen Landen, 
Dagegen die Inopportunität der Schritte in letzterer Hinfiht. In 
Ungarn jei der Palatin Thurzö (F Ende 1616) des Haufes Defter: 
reich größter Feind; der Adel und die Geſpanſchaft wollten nicht 
einmal den Namen Deuticher hören. Die Alatholiten Oeſterreichs, 
Böhmens und Mährens jeien eng verbündet, ein neuer böh— 
miſcher General:Landtag gebe nur Gelegenheit zu einer ftändifchen 
Sonföderation. Die Proteftanten haßten Ferdinand als „Sefuiten: 
knecht“. Die Stände jeien voll revolutionärer politiiher Grundfäge, 
fie fühlten fi al freie Stände, die nur den als Herm zu 
nehmen verpflichtet, der ihre Religionsfreiheiten beftätige. Zuvor 
müfje Kriegsvolf bereit gehalten und ber Türfenfriede befeftigt wer— 
den. Als römiſcher König werde Ferdinand leichter durchdringen 
ui. w Fo. 5 v. Khevenhüller, Khleſl's vertranter Schütz⸗ 
ling, dann Großbotſchafter in Spanien durch ihn geworden, ſchrieb 
als genauer Kenner der Verhältniffe in feinem zeitgenöffiichen Ge: 
Ichichtsmwerfe die bedeutjamen Worte: „Die successionem oppor- 
tune et inopportune sollicitirt und weil allezeit newe Entjchul- 
dDigungen und impedimenta durch den Cardinal Khlejl eingeftreut 
und das hochwichtige Werk auf die lange Bank gejchoben worden, 
haben fich der König von Spanien und die erwachjenen Eraherzoge 
darüber ftarf befümmert und des Carbinals Procediren zum Höchften 
empfunden und Daher alle Schuld auf ihn gelegt”. — 

Nun kam aber noch eine Angelegenheit dazu, welche den Groll 


3923 XIV. Es: Die Zeiten Rubolpyg3 IL und Maris (13:6 —I61Rr 


Aerbinand’s wiber Khleil mehrte. Ties nöthigt uns aamas aut Die 
Verhältniife Jnnerötterreihs einzugehen. 


19, Hier — zunächſt im Steierlande waren alle Teriude 
der noch immer ftarf proteftantiih geiinnten Stände 1603—1605, 
die aufgehobene Heligionsfreiheit zurüdzugewinnen und die Rüdtehr 
ber landesverwieſenen Slaubensgenofjen zu erwirten, an der Feitig⸗ 
feit des Landesfürſten und feines widtigiten geiitlihen Rathgebers, 
Georg Etobäus geicheitert. Gleiches Schidial hatte Die Beſchwerde über 
Die Semaltthätigleiten der Katholiihen und die Yandtagsdeclaration 
von 3606. Nur fo viel wurde erreicht, daB der übereifrige Apologet 
der (Gegenreformation, Probſt Nojolenz, die Anichuldigungen 
des Proteſtantismus in feiner Schrift gegen ven Paſtor Nunge 
(Itungius) feierlich) widerrufen mußte (1607, Februar). 1609 ver: 
ſuchte ein Ausſchuß lutheriſcher Stände dem Erzherzoge Vorttellungen 
zu machen, wie glüdlid; das Land der „Gewiſſensfreiheit“ und der 
väterlichen Negierungszeit war. Man fuchte dann immer mehr 
Kühlung mit den Ungarn unter Defterreidhern zu befommen, 
ftrebte die Laiferlihe Vermittlung an und wandte fich 1610 
an bie Mähren, unterhandelte mit den öfterreihiichen Glaubens: 
genoffen über gemeinfame Schritte und entbot eine Gejanbtichaft 
nah Wien, Ferdinand blieb jedoch unbeugjam. 

Nichts defto weniger ging es mit der Ausrottung des Pro— 
teftantisnuns nicht jo leicht. Nach 1611 zählten die PBroteitanten 
Kärntens im Golegium der ftändiichen Verordneten, troß des 
landesfülrftlichen Edictes, alle afatholifchen Landesbeamten zu ent- 
fernen, 3, die Katholiken nur 2 Vertreter. 1613 — zur Zeit, als 
Ferdinand die Statthalterfchaft in Ungarn führte und von feinem 
Bruder Erzh. Mar Ernft, öfterreichifcher Deutichordens:Gomthur, 
vertreten wurde, --- Magte B. Stobäus über die „Unmöglichkeit 
die feperifchen Lehren” auszurotten; im Ennsthale, bei Schladming, 
arbeitete eine ſalzburgiſche Commiſſion mit Bewaffneten an ber 
Sprengung proteftantifcher Zufanmenrottungen. Auch in Krain 
hatten 1614, 1615 neue Slanbenscommijlionen in Gurffeld, Neichen: 
berg, Möttling, Lichtenwald, Tſchernembl, Rudolphswerth, Land: 
ftraßb u. a. a. O. mit Ausweiſungen Lutheriſcher zu jchaffen. 

Brennender als die noch immer nicht ganz im Sinne Ferdi— 
nand's gelöſte Blaubensfrage erjcheint der ausbrechende Krieg mit 
Venedig. 

Seit dem babäburgifchen Iheilungävertrage v. 28. April 1521, welcher 
«id Ifereeichli die 8 Hauptmannidaiten: Görz, Gradista, Tuino, Zolmein, 


XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph's IL. und Mathias’ (1576—1618). 393 


Pleß, Aquileja, Porpeto und Marano bezeichnete, und dem Wormier 
Vertrage Karl's V. mit Venedig (1521, Mai), wonach Gradiska, Marano, 
Partiftagno und Ampezzo von ber venetianifchen Herrſchaft ausbrüdlich erimirt 
wurden — fam e8 unaufhörlih zu grenznachbarlichen Srrungen mit ber 
Signoria ala Belikerin Friauls, der Meeresfüjte im Weiten von Marano, und 
des Haupttheiles von Zitrien. 

1529, 1533—1535, wurde fleißig, aber ohne gründlichen Erfolg, an deren 
Behebung gearbeitet. Seitdem aber der Udineſer Sadia oder Scaccia, im 
Einverjtändnifje mit dem franzöfifhen Conſul, in Ubine, durch ſchlauen und 
fühnen Handſtreich (1542, 2. Zanuar) den der Republik unbequemjten Stüß: 
punkt des öjterreichifchen Küftenhandels, Marano, unter franzöſiſcher Flagge 
einnahm, und bie Venetianer die Gegenmaßregeln Defterreich3 mit der bewaff⸗ 
neten Erklärung: Man babe Marano den Franzojen abgefauft — lähmten, 
feßte e8 eine ganze Fluth von Streitichriften und Congreijen ab. Venedig war 
bemüht, Marano den wichtigen, ganz vom inneröjterreichifchem Lande umſchloſ—⸗ 
jenen Plab zu befeftigen ; fie gründen endlich, troß Faijerlicher und erzherzoglicher 
Proteite (1593) die Zeitung Palmanuova auf der Ebene Palmata. 

Dazu trat unter Erzh. Karl eine Firhliche Irrung. Derjelbe verlangte 
einen deutſchen Coadjutor des Patriarhen von Aquileja, ba diejer ganz unter 
bem Einfluſſe der Signoria jtand und meilt Venetianer war. Deshalb wollte 
auch Karl auf die freie Wahl bes Patriarchen durch das Tomcapitel dringen, 
mogegen Venedig jeine Patronatärechte feithielt. 

Ueberdieß fuchten die Tenetianer dur Verſchüttung des Iſonzocanals auf 
öfterreichiichem Gebiete (Fiumicello) unjern Handel zu ftören und jich der unbe: 
quemen Salinen Triejt’S zu bemächtigen. Die Signoria klagte über den 
Schmuggelhandel der Trieftiner. 

Bor Allem aber bildete den Hauptpunft der Streitigkeiten die feit Jahr: 
zehnten Lebendige Beichwerde Venedigs über die Gewalttbaten der in und um 
Zengg angefiedelten Uskoken, deren ſchon an anderer Stelle kurze Erwähnung 
geſchah. Zwiſchen dieſen fühnen und beutelujtigen Milizen, Die fich oft jelbit 
erhalten mußten, und ben venetianiichen Provveditore’3 mwährte ein erbitterter 
Heiner Krieg, der bejonders feit 1597 ſchonungslos wurde. Schon 1573 forderte 
Benedig die Ausweiſung der Uskoken aus Zengg; Deiterreich protejtirte, 
gab ſich viele Mühe, den Ausjchreitungen der wichtigen Miliz zu jteuern, aber 
ohne fichtlichen Erfolg, und fo lief denn ein diplomatiiher Kampf neben jenem 
verwüjtenden Kriege der Parteien einher. Erzh. Ferdinand 8 Grazer Regie: 
tung wollte den Kaifer Rudolph II. zur Ueberlieblung der Uskoken (landein- 
wärts) bewegen, ba er aber dafür in Zengg eine beutjche Beſatzung erhalten 
folte, wurde aus Allem nichts. Auch der Papit interejlirte jich jehr für bie 
Trage, denn die Uskoken waren im Türkenkriege ungemein wichtig. Sein Rath, 
fie nah Candia zu verpflanzen, Fonnte natürlich feine günjtigere Aufnahme 
finden, denn Dejterreich bedurfte ihrer felbit; auch fuchten fich die Uskoken Durch 
einen eigenen Sendboten, den Dominicaner Cipriano Guidi aus Lucca, in Rom 
zu rechtfertigen, der jehr Fed auftrat und — beöhalb eingeſperrt — als Flüchtling 
entrann. Die Verwidlungen wurden mit bem 17. Jahrh. immer ärger. Die 


394 XIV. ud: Die Zeiten Rudolph's II. und Mathias’ (1576—1618). 


Sendung bes Erzherzog Ferbinand nad Benebig, um gegen bie Feindſeligkeiten 
ber Republif Klage zu führen, wurden geharniſcht erwidert (1600, 28. Non.), 
die Rerhandlungen des nad) Zengg abgeorbnneten Commifjärd Rabatta mit dem 
iftrianifchen Provvebitore Gornaro — führten zu nichts Erfolgreihem; er felbft, 
ber gegen die unbotmäßigen Uskoken ſcharf verfahren wollte, wurde bald erbolcht. 
Venedig fand an den Türken einen Genofjen in den Beſchwerden; daher nad 
den Zfitvatorofer Frieden Dejterreich aut jtrengere Ordnung ſehen mußte. Da— 
gegen ſchickten die Uskoken einen ihrer Wojwoden, NE. Radich, nah Prag an 
den Kaijer, mit der Forderung, man möge fie ordentlich bejolden, ober ihnen 
Piratenfreiheit gewähren. Gründlicher Geldmangel des Hofes und bie Weigerung 
Inneröſterreichs, die morlaffiiche Trorfiteuer, die das croatijche Generalat brauche, 
ihnen zuzuwenden, vereitelten eine folche Löſung der Geldfrage. 

Die Gewaltſamkeiten auf beiden Seiten wuchſen, jeitdem die Signoria Die 
Häfen Zengg, DBucciari, Fiume förmlih blofirte, — und in den 
Handel zwiſchen Venedig nnd den Uskoken wurde Erzh. Ferdinand gezogen, 
als 1611 die erbitterte Signoria in Zara das Gejeg vermelden ließ, allen erz- 
berzoglihen Orten fei die Schiffiahrt unterfagt.; jedem venetianifchen Unterthanen 
fei es geftattet, Fiumaner umzubringen und gefangene Scifjäleute hätten 
12 jährige Galeerenitrafe zu erwarten. Die Uskoken brachen Fühn Die Blokade 
Zengg’3, fingen ben Rrovvebitore von Veglia, und der Wiener Vertrag 
vom J. 1613 zwifchen Inneröfterreih und Venedig änderte nichts an ber Sach: 
lage, denn die Usfofen blieben, wo und was jie waren. Der fede Raubzug 
der Usfofen auf das Gebiet von Sebenico, der Raubmord einer venetianifchen 
Galeere an einem Zengger Kaufiahrer verübt u. |. w., beleuchten die unverbejjer: 
lien Zuſtände. 

Abermals wird verhandelt und gerüftet, denn in ber Signoria wie zu 
Graz befämpften fich zwei gegnerische Anfichten; eine Friedens- und Kriegspartei 
(1613 — 1614). Beſonders Friegerijh war der Oberſt der croatijchen Grenze, 
Wolf Friedrich von Eggenberg, gefinnt und jeine jcharf begonnene 
Mufterung der Uskoken ließ es beim Alten. Seitdem die Benetianer Karlo- 
pago (Karlwang) und Novi durch Verrath einnahmen, Caftelnuovo und 
Gervolo bei Trieſt angriffen, die Usfofen dagegen Fianona, Rovigno an 
der Küſte des venetianifchen Ssitriens überfielen und bis BPalmanuova ftreiften 
(1614), — war der Krieg unvermeibli und 1615 eröfjnete ihn Venedig durch 
liftigen Ueberfal Cormons, Aquileja's und der ganzen Ebene bis zum 
Iſonzo. Nun mußte Ferdinand zu den Wafjen greifen und vor Allem das von 
Benedig (1616) belagerte Gradiska, wo der tüchtige Richard von Straſſoldo 
befehligte, entjeßen. In biejem venetianifchen oder Gradiskanerkriege (1616 bis 
1617), den wir nur in feinem Grgebnifjfe behandeln wollen, finden wir auf 
beiden Seiten eine buntichedige Armee von Söldnern (Spanier, Deutjche, Hol: 
länder, Korfen, Schweizer, Griehen, Wallachen, Albanejen u. |. m.) Unter 
dem (Senerale Grafen Trautmannddorf dienten die Steiermärfer, vom 
Frh. v. Wagen, die Kärntner von Auerſperg befehligt; 1617 griff auch Die 
Krainer Mitterfchaft ein. Spanische Truppen unter Maradas, Balthafar 
Zuniga und Dom Mathias (ein natürlider Sohn K. Rudolph's II.) fan- 


XIV. Bud: Die Zeiten Rubolph’3 IL. und Mathias’ (1576—1618). 395 


ben ſich ein. reimillige, wie ber Graf Duval von Dampierre, der mit einem 
Wallonen- und Hajdufenregimente erſchien, Albrecht E. von Waldſtein, der 
fpätere „Wallenjtein”, der „Friedländer“, — der Hefje Holzapfel (Melander), 
begannen bier ſich einen militärischen Namen zu machen. 

Der erjte Theil des Kampfes vor Gradiska ſchloß mit dem Falle der 
wadern beiberjeitigen Anführer iujtiniani und Trautmanndborf; — an ihre 
Stelle treten Giovanni de Medici, natürlicher Sohn des Großh. von Tos: 
fana und der Spanier Maradas, ein tüchtiger Soldat. — Der Hof von 
Spanien judhte den Frieden herbeizuführen, Venedig dagegen, reicher an Mitteln 
als die Gegner, den Kampf jortzufeten. Sein Botichafter in Wien, der Die 
Stimmung Khleſl's gegen Ferdinand und Spanien fannte, jollte Alles auf: ' 
wenden, um den Spaniern das Heft der Entwidlung zu entwinden. Allerdings 
hatte Khlejl den Krieg widerrathen, doch ift nicht unmahrjcheinlich, daß er deſſen 
Schäden dem Grzberzoge gönnte, daß, mie jeine Gegner ihm nachfagten, er 
„ben Ferdinand damit auszehren wolle, wie durch ein Fieber“. 

Nahdem im November 1616 Epanien einen Waffenjtillitand durchge 
fett, drängte e8, jelbji in einen Kampf mit dem von der Signoria unterſtützten 
Savoyenherzoge verwidelt, auf den Frieden. Ta ſich Gradiska behauptete, der 
venetianifche Handel nicht weniger Titt als ber inneröjterreichiiche, andererſeits 
Ferdinand vom faijerlihen Hofe wenig Unterftigung fand, überdies die Suc—⸗ 
ceffiongfrage eben damals !hrem Abjchluffe entgegenging, jo näherten fich beide 
Theile, um unter jranzöfijher und ſpaniſcher Vermittlung zu Paris, 
6. Sept. 1617 Frieden zu machen. 26. Sept. ratificirte ihn Khevenhüller zu 
Madrid im Namen des Kailers. Die Veberjiedlung der Usfofen von 
Zengg landeinwärts mar der Hauptpunft des Ausgleiches. Allerdings 
hatte Khlejl einigen Grund, iiber dieſen Frieden im vertraulichen Schreiben an 
Khevenhüller loszuziehen (30. Set. 1617), der der „fpanifchen Grandezza“ fo 
ſchlecht gerathen ſei, wogegen er ſelbſt ſchon vor 3 Jahren die Sache ganz 
anders erledigt haben würde, wenn man ihn nicht verdächtigt hätte; ja Ferdi— 
sand felbit war nahezu derſelben Meinung, aber hinter jenen Ausfällen jtaf 
hauptſächlich der Nerger des Miinijter-Sardinald darüber, daß man ihn bei Seite 
gelafien, und über Spaniens Allermeltögejchäftigfeit. *) 


Bom Eommer 1617 nimmt die deutſch-habsburgiſche 
Thronfolgeangelegenheit den rajcheren Gang; Khleſl muß den all: 
jeitigen Drängen nachgeben. Nachdem am legten Januar Erzh. 


*) Lit. 3. Geſch. des fog. Uskokenkrieges: Fauſtino Moisesso 
hist. dell’ ultima guerra in Friuli. (Venezia 1623); Minucio Minuci hist. 
degli Uscocchi (j. Hammer, &. des osm. R., IV., 211...): Theiner, Monum. 
h. Slav. merid., II. (ij. 0.); Nani hist. Ven. 24, 25; Khevenhüller, VIIL, 
Londorp, I. Le Bret G. Ital., IIL; Romanin, VI Bd.; Hammer, 
Khleif, III. 219 ji.; Hurter, ©. Ferd. IL, 2. Bd.; Schreiner, Gradiska 
in Erj u. Gruber, Encyflop., I. ©., 18. Bd.; Czörnig, ©. v. Görz, 739 ff.; 
Schels, Geſch. d. 2. des ö. K., VIII. 2b. 


396 XIV. Bud: Die Zeiten Rudolph’3 IL und Mathias' (1576—1618). 


Ferdinand dem neuen ſpaniſchen Gejandten Grafen Ognate die ge— 
heime Zufiherung gab, für die Verzichtleiftung Philipp’s III. — 
das nädhlterledigte Neihslehen Italiens der ſpaniſchen Krone 
zuzumwenden und in einer zweiten Geheimverjchreibung der männ: 
lihen Teicendenz Spaniens den Vorzug vor der eigenen 
weiblichen zuficherte, überdies den öſterreichiſchen Eljaß ver: 
ſprach, — erklärte ſich Philipp III. nun offen, 21. April 1617 für 
die Nachfolge Ferdinand's und feiner männlichen Sprofjen. 

Seit dem April 1617 nahm die böhmifhe Wahl und 
Krönung Ferdinand’s Alles in Anſpruch. Erzh. Mari: 
milian betrieb die Gewinnung der böhmischen Landesofficiere, 
nur Graf Heinrih Mathias von Thurn aus welichem, in 
Sinneröfterreich heimiſchen Gejchlechte, deilen Vater erſt die böh— 
miſche Landftandfhaft erworben, — der Burggraf vom Karlitein 
— befämpfte die Wahl und Krönung Ferdinand's als größte Gefahr 
der proteitantijchen Glaubenzsfreiheit. Auch andere Führer der Afatho- 
lichen, insbefondere Leonhard Fels und Wilhelm von Xob- 
kowic, eiferten dagegen. Aber der Hof, welcher den 3. Mai 1617 
mit der Nachfolge Ferdinand’s im Landtage hervortrat, beſaß feite 
Stüsen an den Katholifenführern, dem oberiten Kanzler, Zdenko 
von Lobkowic, dem Uberlehenshofrihter und Hoflammerpräfi- 
denten Slavata, dem Hofmarſchall Martinic und dem Oberft- 
burggrafen Adam von Sternberg. Meberdies jcheute der pro— 
teftantiiche Ständetheil vor einem Bruche mit der Regierung und 
dem beharrlichen Ankämpfen gegen die Succejlionsordnung zurüd. 
Dennoch aber wirkten die unverhüllten Drohungen Tatholijcher 
Stimmen: „Ein anderer König, ein anderes Gele!” und: „Werde 
Ferdinand regieren, jo käme fo mancher Proteftant in die Lage eines 
Wanderapoſtels“ — erbitternd. 

Den 9. Juni fam es zum ſtändiſchen Beſchluſſe: Ferdi- 
nand folle fih auch als gefrönter König bei Lebzeiten Mathias’ 
feinerlei Regierungshandlung anmaßen und, längitens vier Wochen 
nah dem Tode des Kaiſers, die unverbrüdliche Wahrung aller 
Rechte und PBrivilegien des Landes in die Hände des Oberftburg: 
grafen legen. Den 29. uni 1617 erfolgte die Krönung Ferdi— 
nand’s zum böhmijchen Könige, aber fie laftete wie ein Alp auf 
dem Gemüthe der Afatholijchen. 

An Ungarn madte der neue Ausgleich mit Gabriel Bethlen 
(Tyrnau, 31. Juli 1617) den Anfang, doch jollten einzelne Be- 
fiimmungen das Jahr darauf zu Gr. Käroly bei Szathmär ihre 
Feititellung finden. Den 16. Detober wurbe ber bebeutfame Wahl: 


XIV. Buch: Tie Zeiten Rudolph's II. und Mathias' (12576- 1618). 397 


landtag auf den Jahresihluß (23. December 1617) gelegt und 
bald darauf den Comitatsgrafen die Aufgabe geitellt, für die Thron: 
folge Ferdinand's zu arbeiten. Die Krankheit des Kaiſers ſchob 
die Ständeverjammlung bis in den März des nächſten Jahres bin- 
aus. Khleil, Molart und der Kanzler Ulm erſchienen als Bevoll: 
mädtigte; den Kailer vertrat Erzh. Ferdinand. 

Wie Fräftig aud) die afatholiihe Partei war, fie entbehrte 
nah Balatin Thurzö's Tode (Frühjahr 1617) einer jtranımen 
Führung. Eine feiner widhtigiten Bemühungen für die Urdnung 
des Augsburger Bekenntniſſes in Ober-Ungarn war die Veranitaltung 
der Silleiner Synode (6. Augujt 1610). 

Dagegen hatte der Katholicismus einen bedeutenden Bor: 
jprung gewonnen. Denn jein bedeutenditer geijtliher Anwalt war 
Peter Pazman geworden. 

Der römiſche Stuhl hatte ihm, unter Mitwirkung Khlejl’s, ſchon 
im Serbfte 1614 die Beitätigung des Jeſuiten-Collegiums 
in Tyrnau übergeben. Noch erlebte dies der Hauptgünner des 
Ordens Primas Forgäch. Ten 16. October 1615 ſchied er 
aus dem Leben; jein Bruder Niklas Forgäch, Juder Curiä 
und nad) Thurz6’3 Tode der erite Kron- und Yandesofficier, theilte 
die Vorliebe für die Geſellſchaft Jeſu. Nun handelte es ſich um 
die Bejeßung des Graner PBrimates. Forgäcs, Georg Homon= 
nay, Ladislaus Pethe und Niklas Ehterhäzy, der nachmalige Ba- 
latin, durch den jein Gejchleht emporfommt, ein Mann von hoher 
Begabung, bearbeiteten den Nuntius zu Gunjten Päzmän’s und 
wir begreifen, daß die Curie ebenfo wie der Drdensgeneral Diuzio 
Vitellescht bald einfahen, daß Puͤzmaͤn, auch bei Khleſl beitange- 
jöhrieben, der rehte Mann am rechten Plate ſei. Schon im De: 
cember 1615 jchrieb man an PBalatin Thurzo aus Wien: Päzmän 
werde aus dem Orden treten und zum Merger der Kirchenfürften 
Ungarns das Graner Primat erhalten. Am meilten mußte dies 
den Kalocſaer E. Napragy und den B. von Großwardein 
Telegdy kränken, die fich ftarf Rechnung machten. Am 25. April 
ernennt 8. Mathias den „ehrwürdigen B. Paͤzmaͤn“ zum Probfte 
von Thuröcz, um durch dieſe Einreihung in die Weltgeiftlichkeit 
ihn jener Würde fähig zu machen. Yazmäan’s politiiche Fähig— 
feiten verwerthet bald der Wiener Hof; die Sendung an Georg 
Homonnay, um ihn von den nußlofen Anjtrengungen gegen Bethlen 
abzumahen, bemeilt dies. Schon den 28. Ceptember 1616 ernennt 
der Kaiſer Paͤzmuͤn in öffentliher Audienz zum Primas; den 
12. März 1617 empfängt diejer das Pallium von Rom; — die Säule 


396 XIV. Zud: Zie Zeiten Ruboipb’5 IL und Mathias tn — 1H18ı 


des Katholicismus und der (Segenreformation war aerunden; aber 
auch ein wichtiger Unterhändler im Tienite Der Krone, dem wir bald 
(Ende Juni 1617, bei den Tyrnauer Verhandlungen mit Bethlen’s 
Senoboten begegnen. 

Zur Zeit, da der Preßburger Wahl-Landtag vor üch 
gina, bildeten die fatholiihen WMagnaten eine wichtige Zrüge der 
Kegierung; Eßterhäzy gewann Forgäcs zunädit für die Sache 
Ferdinand’s. Als aber den 23. Mär; die königlibe Propoſition die 
Stände aufforderte, ſie mögen jeinen Vetter als Throntolger „an- 
erfennen, verfündigen, ehren und krönen“ — bebarrte das Haus 
der Stände auf der trüheren Vornahme der Ralatinswahl und 
ihrer Beihwerden über Nerlegungen des Wiener ;sriedens; darin 
lag die afatholiihe Tendenz. Die Magnatentafel fügte sich endlich 
in der Mehrheit dieier Taftit des Unterhauies; allein die Krone 
drang mit der „Annahme und Perfündigung”“ des Thronfolgers 
vor allem Andern durch. Deide Häuſer beitanden jedoch darauf, 
dak zunächſt der Kailer das ſtändiſche Wahlrecht reichsgeieglid 
anertenne. Khleil fügte ih endlich zum großen Verdruſſe der Erzh. 
Ferdinand und Marimilien.e So fam es alſo dennoch zu einem 
AJnauguraldiplome; als dasjelbe jedoch nicht beiriedigte, be- 
mühten jih Primas Pazmän und der f. Perſonal Paäfay, auf 
Grund des Geſetzartikels von 1547, das Wahlreht als thatiächlich 
von den Ständen aufgegeben zu bezeichnen, während Eßterhäzy 
daſſelbe als etwas Selbitveritändlicyes erklärte. Endlich fam es 
den 15. Mai zur Anerkennung der Wahlcapitulation durch ;yerdinand, 
den 16. zur „Wahl“ deſſelben und ihr folgte am 1. Juli 1618 die 
Krönung. Sigmund Forgäcs war den 15. Mai Palatin geworben, 
Georg Homonnay Juder Curiä, Eßterhaͤzy Locumtenens in Nieder: 
Ungarn, — Männer der berrichenden Stirche. 

Tamals waren jedoh jhon im Böhmerlande und deſſen 
Nachbarſchaft, Mähren*) und Schlejien, jene Stürme ausgebrochen, 
die großen Creigniffen vorangehen follten. Eine tiefe Gährung hatte 
Deiterreich erfaßt und wer die Sadlage in Ungarn, die zu: 
wartende Haltung Bethlen’s überblidte und die Gegenfäge in 
Deutihland ermog, mußte ahnen, daß man am Torabende einer 
Krife jtünde, deren Gang und Grenzen fi nicht voraus beftimmen 
ließen. 

*) Zur (Eharakteriſtik des mähriſchen Stänbelebens bietet die in czech. Sprache 
abgefajite Monographie des Landesarh. Brandl über den Landtag db. 3. 
1612 (nad) Zierotin’3 Aufzeichn.), Brünn 1864, — gute Material. 


Fünfzehntes Bud. 


Serdinand II. und Ferdinand III. und der dreißigjährige Arieg. 
(1618— 1648.) 


Allgemeine Siteratur. 


Quellen. (vgl. XIV. Bu) — [f. auch Gryphius, de scrr. hist. sae- 
culi XV. illustrantibus (Lip. 1710); Droyfen, über Arlibanaeus, Go- 
dofredus, Abelinus, 2erl. afad. Abb. (1862); Erdmannsdörfer, 3. Geſch. 
u. Geſchichtſchr. des dreißigj. Krieges (ſ. hiſt. Zeitichr. v. Sybel, XIV. 2b. 1);] 
Londorp, (vgl. XIV. 8), Böhm. u. Teutfcher Krieg... . » 1617—1630 
(Ff. 1630); Nic. Belli, laures austriaca 1617—1626 (Francof. 1627); 
Fortſ. der hift. Chronik des %.2. Gottfried, 1618— 1659 (Franff. 1745-—-1751); 
Theatrum europseum, o. Beſchr. aller denkw. Geſch. u. ſ. m. ſ. 1617 
(bi3 1718 fortgef.), erjchienen ſ. 1635 3. Frankfurt; begr. v. %. Ph. Abelin, 
ber den 1., 2. Bd. lieferte. Die Fortf. v. mehr. Autoren. Gin hiftor. Journal, 
da3 vorzugsweiſe ben deutfch-prot. u. ſchwed. Standpunkt vertritt. Gegenftüd zu 
Kbevenhüller, (f. v. XIV. Buch); Die Fortf. des van Meteren: Mete- 
ranus novus, wahrh. Beſchr. des niederl. Kr. u. m. fonjt Denkw. i. d. ganzen 
Röm. R. . . gebt bis 1638 (Amfterdam 1640 f.); Lotichius, rerum germ. 
d. Matth., Ferdinandis II. III., imper. gest. 11. IV. (1617—1643), (Frankf. 
1646, 1650 f.); X. Bradelius (Brachel), hist. sui temp. rer. gest...... 
1618—1652 (Colon. 1652.); Leon. Bappus, comp. belli germanieci (and): 
Epitome rer. germ.) 1617—1643; ber Schlußtheil Fortſ. eined andern Autors; 
eine furze aber forgfältige Katholifenarbeit, H. v. Böhme (1760), mit guten 
Anm. n. h. v. Arndts (2. Th, Wien 1855—8); Eberh. Waffenberg, 
florus germanicus de vello inter imperat. Ferd. II. et III. et eorum hostes 
gesto ab a. 1619—1640 (Francof. 1640), (deutſche mit Anm. verf. Ausg. 
wertbvoller, 1647 in Amfterdam, nominell in Frankf. erſchienen); ©. Frey⸗ 
berger, Germania perturb, et restaarata .. . . (Francof. 1650 ff.). 

tämmermann, (Lamormain) ©. %. (Beichtvater Ferbinand’s II., Fer- 
din. U. R. J. virtutes (Vienn. 1637), aud 1638 fi. al3 Idea principis 
christiani aufgelegt (Cöln u. Wien), (au) im XII. 2b. der Ann. v. Kheven⸗ 
hüller abgebr.); (Scioppius, Caspar, + 1649), Classicum belli sacri. 


401 Sıterazm som IV Fum.: 


Ya... dan on Tiſ. Fome..e!, Cerete Damm m Saurier. In 
Bon. 0 De. a Karl arafla epmenp Zoran „mmentari: de 
eruii.i tarte veriittita oo ui me 2. Ani Tecrorm. dipvk- 
aut. Prirheon te deu ie Br. N Krank He. mm . "ANTINIDRIG 
L. C. be nm ane Bar nu: oe "Th Je. re dein ar 
Gel! irıpern « aela Arermane . rem: Ic \anr ı %kant und 
sure pemie — 1m. TC Mi... m Yo. FL De rd. iR Diem. 
ware, tg od TI . Beer mager Jam ar broar. Dee (Homn. ı 
graum 8. Beriur init, Tr rereiien. ihelccmıınm.nm . N. De 1). Sad. 
L. ı. Faro 1. PRerche:: maspe ' Lo pen. reg. 1. N.ıL.er an Den Tomres 
re». uusz 1. 8 W 

Yet. m ct: ner dd. Hermann — rt Ionpanc Ir4 : Gal. 
(spaler Irıerieie et 1,8. Bast. ele euer da Teru Il TIL * de. me 
Filme Vene Inde die mt d Ferm 11 Vene. I 72 mmäh aud 
nie De bed Fert 2 

G. Ber:.et Im riede: Der Dreitig.. Krieges "mare in na. Söll. 
Korıe: 2. bibiwar. Arveiter uber Kieubdonnnien . o.n.: \ Tre 
% Urern ID. pring,. Sriec. ©. Zamnuunne 2. hi tsedimten 1. Irpie:Tar: 
itelungen Hal: sit. liepe: singt 8. der. va ud 1. Swiidinch 
Ziternterin:: ATV Tud. 

%..g. Brrte ; mem. Des nreimg,. Areas unt de: Teuhbabäbırrger 
num  &i.!. 
— : rn Zeit ieh mio Dt am M.TnPıin . D. 
Terrer etw 1 ıll. m Narr Dmıc head: Tem dreitig;. Krieg 
ı mil. Stanpnunte bereuthie. Bm man Scchciit. Mate. od, 
Reid. Dei Deutid,. Neiches und De hen. Ferpmantd's II. Kde. VRtien 


Inu. as, Tu ZU:..0..!. .. n uL. 


gi IN NS Rhodan .ınpe- 8b: $erıpplp 


Anhaltenberlicht 


Tar Bl.remeiie der Feigniin nano — “7 2. Dee 


- 


enemine m. Yopnmer zur Linactn Matmet Sot um Du Sirrriet: 'KEng 
Sırfirerts 1 - Te Zonaar am weißer ba: nur De nn.inıd: dirchtitht 


8a 


hıkenkzei.en dom 1.2. Zbernstertndo me De Pcurrntriee 1. Int 

L . . .n ur pn Meimigiehnia Sties I>6..!Ttı w rries 
rc: ê unt me Tusacne 9, lee ni!: nr rcru 
ent end Ze Lrage: Arebe Ferdinent ID o Sam und Am 8 Ker: 
t rin IL wenig Kaborıı 2 Kur Per Zaner De green Meran In8T 
> ur 00, Te o menigenrig: Te cm Mm vSoder erite Ziactse und 


sn: Irerismart 


Ueberſicht der europäiſchen Mächte diefer Epoche. 


Deutfhland. (Die am meijten beteiligten Fürſten.) 

Kaijer Mathias, 7 10. März 1619; Ferdinand IL., gem. 28. Aug. 1619, 
+ 15. Febr. 1637. Ferdinand ILL. 

Wittelsbacher. a) Pfalz. 1610 Kf. Friedrich V., 1619, 26. Auguit, 
Wahlkönig Böhmen, geächtet 22. Januar 1621, + 1632, 29 Nov. zu Mainz. 
1623, 23. Februar Die pfälziſche Kur b) an Bayern. Herz. Mar, 1596 
bis 1651, erjter bairiich. Kurfürſt. c) 1612 — 1650 Ferdinand v. Baier, Kur: 
fürit von Köln. 

Sadfen. a) Mbrechtiner-Kurfüriten: Joh. Georg IL, 1611—1656. b) 
Erneftiner: Haus Weimar (Altenburg), Koburg; c) Sachjfen:Lauenburg. 

Brandenburg. 1608—1619 oh. Sigismund (1618 Brandenburg mit 
Preußen vereinigt); 1619 —1640 Georg Wilhelm. Friedrich Wilhelm 1640— 1688. 

Würtemberg. 1608—1628 Joh. Friedrich; 1628—1674 Eberhard IH. 

Baden:Durlad. 1622 Abdankung Georg Friedrich's. 

Heſſen-Kaſſel. 1592—1627 Moritz; 1627—1637 Wilhelm V. Heſſen⸗ 
Darmſtadt. Georg II. (1626—1661), Anhänger des Kaiſers u. db. Liga. 
Pfalz: Neuburg Wolfgang, 1614— 1653. Mecklenburg-Güſtrow und 
Schwerin. Die Herzoge Joh. Albrecht II. und Abolf Friedrih 1628, 19. Jan. 
geächtet; Wallenftein mit dem SHerzogthume belehnt; 1631 faktiſche, 1635 Faif. 
Keititution; 1636 an Shweben. Pommern. 1620—1637 Bogislam X. 
(XIV); 1628 gleichfalls vertrieben, das Land von ben Kaiferlichen beſetzt; 
1637 an Schweden Welfen. Kaus Braunfchmweig- Wolfenbüttel erlifcht 1634. 

Stalien. Päpſte: 1621 + Raul V.; 1621—1623 Gregor XV. (Lubo: 
vifi); 1623 bis 1644 Urban VIII. (Barberini). 1644—1655 Innocenz X. 
(Berfidi). Neapel-Sizilien-Mailand, fpanifh. Toskana. Haus Medici. 
1609—1621 Cosmo II.; 1621—1670 Fabdinand II. Savoyen. 1580—1630 
Karl Emanuel d. Gr.; 1630—1637 Pictor Amadeus I. Venedig. Dogen: 
1618—1623 Prioli, 1623—1625 Franc. Contarini; 1631—1646 Franc. Erizzo. 
Mantua. 1629 Erlöfchen der Gonzaga's. 

Spanien. 1621 + Philipp III; 1621—1666 Philipp IV. Minijterium 
Dlivarez biß 1648. Lostrennung Portugal’s 1640. 

Frankreich. Ludwig XIII., 1610-1643; NRegentidhaft Maria's von 
Medici Günftling Concini (Marquis v. Ancre), T 1617; Regent de Luynes 
+ 1621. Minifterium Riche lieu, 1624—1642. Mazarin 1643—1661. 

England. Haus Stuart. 1625 + Jakob J.; 1625—1648 Karl I. 

Holland ober die Generalftaaten. 1618 Sieg der Oranier und 
Gomariften. Sturz Olden-Barneveld's und ber Ariminianer. Oranier: Prinz 
Moris, Statthalter, + 1625; Friedrich Heinrid — 1647. 

Krones, Bel. Deſterreichs. III. 26 


402 XV. Bud: Ferdinand I. u. IH. u. d. dreißigj. Krieg (1613— 1642). 


Dänemark. — 1648 Ghriltian IV. 

Schweden. Ib11l—1632 Gujtan Adolph IL; 1632—1654 Chriftine. 
Minift.-Regent Arel C:renitierna. 

Polen. Haus Waja: oh. Sigmund 19857— 1632 (Tratendent Schwe⸗ 
dens); 1632 — 1048 Wladislam IV. 

Rufland Haus Romanow: 1613— 1645) Gzar Michael. 

Türfei. 16183--1623 Osman U.; 1623— 1040 abermal3 Murad IV. 


(Ebait). 


1. Der allgemeine Sang der Ereigniffe von 1618-1637. 


gl. außer der allg. Yiterarur noch insbeiondere ;. Trientirung über bie 
Stellung Teiterreih3 in diejer Periode die Monogr. von O. Yorenz;, Teiterreicha 
Stellung in Teutjchland wahrend der erjten Hälfte des dreikigi. Krieges. (Wien 
1358). Raumer IH: Gfrörer, Guſtav Adolf: Ranfe, Täpite II; 
Droyſen IH. 

Man iſt gewöhnt, die bewegte Epoche von 1618—1648 die 
Zeit des Dreißigjährigen Krieges zu nennen, und zwar aus 
dem combinirten Gejichtspunfte der gemeindeutihen und der Ge: 
Thichte des Hauies Habsburg. Tie einleitenden Jahre 1618—1620, 
der Aufſtand der proteltantiihen Böhmen und ihrer Geſinnungs— 
genoſſen in Mähren-Schlejien und Tejterreih, andererjeits die Schild- 
erhebung der ungariihen Alatholifen unter Bethlen’s Fahne gegen 
die Habshurgerherrichaft, und deren Rettung durh die Schlacht am 
weißen Berge (November 1620) bilden, ftreng genommen, eine in 
fih abgeſchloſſene Kataſtrophe, den „böhmiichen Krieg”, wie tie nad) 
der einen Rihtung gemeinhin genannt wird, während nach ber 
andern hin vom „Kampfe Habsburgs mit Bethlen um den Thron 
Ungarns“ geiprodden werden müßte. Beide Cpifoden der Geſchichte 
Defterreichs, deren eine im Zudetengebiete und im benachbarten Tonan: 
Iande ſich abipielt, während die zweite jenſeit ber Lejtha verläuft, 
ftehen mit einander im wejentlihen Zufammenbange, und wägt man 
die Gefahr ab, welche da und dort das Haus Habsburg bedrohte, 
jo war fie auf bem Boden Ungams feineswegs geringer, als in den 
weitlihen Landen Leiterreig. Vom Standpunkte der gemein: 
deutihen Geſchichte mußte jedoch der „böhmiſche Krieg“ eine 
erhöhte Bedeutung gewinnen, denn er verfnüpfte ſich mit den Glau- 
bens- und SHerrichafts:Interenen zweier famprbereiter Parteien im 
Reiche, deren Eine, die Ligiitiiche oder fatholiihe, durch Bauern 
vertreten, als Bundesmacht Habsburg, die Schlußentſcheidung zu 
deſſen Gunften berbeiführte, während die Andere, die proteitantiiche 
Union, auffällig gemig ihre Sache von ber ihres Hauptes, des 





404 XV. Buch: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigi. Krieg (1618— 1048). 


in Stalien abgeneigt ilt, und gegen Teutjch- Habsburg um die Vorherr- 
ihaft in Weiteuropa, und zwar zunächſt auf diplomatiſchem Wege, da 
Frankreich nod) die Hände durch den Hugenottenfrieg gebunden Hat. 
Es beginnt die jfandinaviihen Mächte gegen den Kaiſer und 
die Liga aufzubieten und gleichzeitig, im Einvernehmen mit England 
und Holland, bei der Pforte und Gabriel Bethlen durd 
Botichaften und Eubfidienangebote in derjelben Richtung zu wirken. 
Chrijtian IV. von Tänemarf, der Rivale des Echwedenkönigs 
Guſtav Adolph, der damals den Krieg mit Polen (1626— 1629) 
im Auge hat, wird von den Streben, als Bannerträger des Bro: 
teitantismus, Gebietserwerbungen an der deutichen Küjte zu machen, 
in den Strieg gedrängt, der gemeinhin der „niederſächſiſch-däniſche“ 
beißt, ji) mit den Kämpfen der faijerlichen Armee unter Wallen: 
ftein im Oſten Deutichlands und in Ungarn gegen den Mansfelder 
und Gabriel Bethlen (1626) verfnüpft und mit der Niederlage 
Dänemarks und des Protejtantismus endigt. 

Es ijt die Zeit der Occupation Medlenburgs und Pommerns 
dur) die Kaijerlihen, des Verjuches, eine Taijerlihe Flottenmacht 
zu gründen, aber aud) des verhängnißvollen Reftitutionsedifteg, 
jomit der Machthöhe Ferdinand's II. im Reiche, welde 
jedoch an der gegneriihen Politik Frankreichs, das durd ben 
mantuaniſchen Erbfolgefrieg jeinen Einfluß in Stalien zu verjtärken 
ſucht (1629— 1630), und an der Verſchwörung der Ligijten 
gegen das joldatiihe Regiment Wallenftcin’s und das 
von ihm getragene Kaijerthum jeine gefährliche Klippe findet. 
Der Regensburger Neichstag (1630), die erzwungene Entlaſſung 
Wallenjtein’s und der Bund Franfreihs mit Gujtav Adolph, führen 
den neuen großen Umſchwung herbei und eröffnen die zweite Pe— 
riode des Dreißigjährigen Krieges, der nun den eigentlid) europäi- 
ihen Charakter annimmt. 1630—1632 führt Schweden, mit dem 
zögernden Broteftantismus Deutichlands jeit der Zerſtörung Magde- 
burgs (1631) enger verbündet, gegen die Liga und fpäter gegen 
Wallenftein allein die Waffen, und gründet jeine Machtitellung in 
Deutihland, welche von Frankreich fcheel angejehen — eine Ent: 
fremdung beider Verbündeten berbeiführt. Der Schlachtentod Guſtav 
Adolph’s (1632) und der Sieg der Kaiferlicden bei Nördlingen (1634), 
zwiſchen welchen Ereigniſſen die Friedenspolitik, das ehrgeizige 
Streben und der Fall Wallenſtein's als Epiſode liegen, — 
nöthigen Frankreich zur engeren bewaffneten Allianz mit Schweden 
und den deutſchen Bundesverwandten. Bernhard von Weimar 
erſcheint im Solde Frankreichs als Bindeglied dieſer Allianz. 


XV. Buch: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 405 


Sachſen, feit 1618 entichiedener Gegner der kalviniſchen 
Pfalz und Union und im Einverftändniffe mit dem habsburgiſchen 
Kaiſerthum, auch 1631, gleihwie Brandenburg: Preußen, nur 
mit Mühe von Guftav Adolph zum Abfalle von Ferdinand II. ge: 
bracht, arbeitet, aus Bejorgniß vor der eigennüßgigen Einmifchungs- 
politif der fremden Mächte (Schweden und Frankreich) in die deut- 
Then Angelegenheiten an der Bildung einer Mittelpartei, und 
Ihließt zu Prag mit dem Kaijer Frieden (1635), zufolge deſſen 
jene beiden fremden Mächte ihre Anftrengungen verdoppeln, um die 
ſchwankende und verringerte eigene Partei, deren entichiebenftes 
Mitglied Helfen iſt, zufammenzubalten und zu verftärfen. 

Die Schlacht bei Wittftod (1636, 24. September) ftellt das 
militäriiche Mebergewicht Schwedens her, und vergeblich find die An— 
ftrengungen Ferdinand’s II., den Frieden mit Frankreich herbeizu— 
führen. Mit dem Tode Gabriel Bethlen’s (1629) war aller: 
dings ein bedeutender Gegner Habsburg-Defterreihs vom Schauplake 
abgetreten, aber jein Nachfolger Georg Raͤkéczy LI. hält Ungarn 
gegenüber die gleihe Politik feit, befigt an der Pforte einen Rück— 
halt, den Habsburg, unabläffig beftrebt den Türfenfrieden feſtzu⸗ 
halten, rejpectiren muß und wird bald von der ſchwediſchen und 
franzöfifhen Diplomatie für ein Waffenbündniß auserjehen. 
Der Tod Ferdinand’s (1637, 15. Februar) fällt in ein neues Kriegs- 
jahr, das den Kampf am Rheine und im nördlichen Deutjchland 
in vollen Flammen zeigt. Sein weiteres Ausfechten bleibt bie 
Schwierige Erbichaft Ferdinand's III. 


2. Der böhmifhe Aufſtand und die ungarifhe Bewegung. 
Mathias’ Tod und die Thronbefteigung Ferdinand's II. 
(1617—1620). 


Literatur. (Dal. XIV. Buch, Abſchn. 6—9.) 

Die ältere verz. b. Weber, ©. 147, 271—274 (Oefterreih), 398—412 
(Böhmen); insbef. von proteftant. Seite: Acta Bohemica, 1. A. 1620, 
2, verm. A. 1621 (reicht v. März 1618 bis z. A. 1619), die 3 andern Theile bis 
8 Nov. 1620 (1621, 1622); & Camerarius, de bello Bohem., 1618; 
Londorp, a. a. O., Fortj. de Sleidanus 1617—1621 (1621) und bellum 
sexennale civ. Germ. 11. IL, 1617—1622 (1622); Andrea Haberweſchl o. 
Haberwafchel von Habernfeld, Bellum Bohemicum (1625 u. 1645 3. Leyden 
gedr.) — (neue A. in czech. Bearb. mit Erläuterungen von E. Tonner, 
Prag 1867); am ausführlichften jedoch Skäla, a. a. O. 2. 3., 4. Bd. i. d. 


406 XV. Rud: Ferdinand II. u. III. u. b. breitigi. Krieg (1618— 1648.) 


A. v. Tieitrunf (Mon. bist. Ih. ed. Gindelvı: val. aud) d. Theatr. europ. 
ij. 16173 von Farb. Seite: A. Miräus, de rebus Bohemicis (yon 1621); 
G. 'ns, fama anstriaca. i. i. eigentl. Verzeichn. denkw. Geidichıen . . . . . 
II IT ıRöln 16271 ngl. Mit, Zelt ıBellusı (a. a. O. , Dad Kaupt: 
mert als wWegeniiüd in Zfäla — Zlavata, bh. v. \recef ra.a. TC.) 

Zeugeich. Publicationen actenmätiger Art. ı (Fine icier unabiebbare Manſe.) 

Saupsammiung: Yondorn, acta puhlica.. . nranft. a. M. 1621, u. A. 
4e68 mm Forn. — Bobemienn vatharticum ı 15. 

Gunzelnek aus beiden Yagern. Troretantiic: Apolsma ober Emichul⸗ 
NBaungsicnit .. . ın. d. däbm. Ständen ausgebend:, Rrag 1615 (auch bei 
vondord 1. u. Theatr. eur. I: Die andere Apologia ıurinr. tzechiſch eridh.) 
ned cs. And. geaen Me \einiten, Yraa 1619; finden ib auch in Der don ben 
ser. Ständen IN) Durd Baron Andnan nerant. Sammlung Hifor. Acten⸗ 
Eüder zz &» Zıöndrmriemns in DTeñerreich (Yapagı, non Mr Bert. d. Je⸗ 
In:zen aus Böhmen u. dei. Driadeen Th. europ. I. 2. J Avis: per böbem 
E Dido. Inh, Christian non®nhalrs u Ic, ber. od. Krauſe 
IS; vanıellar:a hispanica 2. Die „inanıche Qanzlei”. eine Sammiung €. 1622 
autarianaenr hattııer Gorten.. d. v. dem —* iniker “amrrarius, 
mie Ant Rores Scioppiani en elassien belli sacr Froissadü Id (FgL 
Beri.de: Me vorst minr Ende non & Müller. Tier sen Son Om 
Seas ı Brom Gnmd Pr Mmetig Kr Iriedad serde: ichet Frmm i 
rn !N: emae *nde: Ka riet mie: B. der utereßentt Anbang 
ın Klıınza ei des ven u Un — er Rame 3. Se id. Der abrrönert. 


Erönvebemeaunsr. J 2:18. Ich 2 Ts 17, — Een feıterl. el harter 
Erz Ayclon.apros.e Jesuex Rt mamn...... groscripta, 


u .ir,S Burda 0.8 Wer Tiesir var. 1 : irteiieiı anime 


t. Eimn. T urn u win Karım DD Wmohr Gran to nen Mer 
Seret mhenie and 00. onar Im Sade nd metmäaernoäen nem Srrıen 


Se Kr..ız Tara Boungazus, "© der Tri hesthron Sr. nme Dr 
hr s 1 che T Sur ? T [} uc.s. r £ u x 7 J . ” u . TE u —X 7 IS 
An. 8 srmäier DErT I. wei Irır Kıperverder Ira... 


je Ehartinot nm Wrung Me nr Poem Ciihorastpen Crhaitiähre 
Sariıı. Ser Am oomm Yanıc. Erımid: 733:. 7722 Cort.er 


r. . vor..imes 1. Sem a na co wer Der Gen. ir or 
Re me). SETS DrE OmNIT UV... za) \mndım 522 Im. co 
ETmPTinE gen Dirt ET DAOTeR Iren U ma ıTÜüÜ,. 


ERTISTIENE I: nu Ara FRrANETT tı Sanmir TE mene. 
I. worte TTS EN CR ende. Din. mr ia mar. sm 
Som IL LEN 157 BEE Ze GE pam) 2 SENSE, 
"an. An a Zur : Du i. m 
Far ne Som. Nrısc: Vi tar me Riesacres on pen Bam 
DE AT. Fe ont: ir Miro 
!ı.2 Mwsun 2 (woamen +7 Seuriciem sugmen ie Deeniminupe, 
mid. üt NND Prince in Susunm de Fuer Tan ne mes 
or DRG, m rzı7 ir Eenude TEINY: gem m mE an. 0:0: ie 


XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u.-d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 407 


erihien von einem ehem. kathol. Kriegsmanne bed Mansfelders die: Acta Mans- 
feldica, Gründtlicher Bericht von des Mansfelders Rittertbaten.. ... . . (1623). 
Bgl. darüber die Monogr. v. Reuß (f. u.) und E. Fiſcher: De Ernesti 
comitis de Mansfeld apologiis et de actis Mansfeldicis (Berol. 1865) diss. ; 
Breyer, Btr. 3. ©. d. dreigigj. Krieges (Münden 1812); Quellenſamml. f. 
Mähren (Schlefien); Quellenſchrr. z. Mähren? und Oeſterr.Schl., 
1. Section, Chroniken (auch u. d. T. Monum rer, Bohemico-Moravic. et Siles.) 
(Brünn 1861), 5. v. Dubif, Chlumedy, d'Elvert, (vgl. Chlumecky Regg. 3. 
G. d. M. Mähren) u. d'Elvert, Btr. 3. Geſch. d. Rebellion, Reform. dreißigj. 
Kr. o. die Neugeftaltung Mährens i. 17. Jahrh. Schrr. d. hift. Section d. Gef. 
für 9. u. L. XVI 2. (1867 Brünn); für Geſammtſchleſien die Publ. 
bes ſchleſ. V. in Breslau u. d. T. Acts publica, Verb. u. Corr. d. fchlef. 
Fürſten u. Stände 1618—1620, h. v. H. Balm, 3 Bde. (1865—1872). 

Monographieen: K.A.Müller, Fünf Bücher v. böhm. Kriege i. d. J. 1618 
bis 1621 (ſächſ. St. X.) al® III. Bd. der Forſch. a. d. Geb. d. neuern Geld. 
(Dresden 1841); Hurter, a. a. D.; Höfler, böhm. Studien, Arch. f. K. 
öfterr. ©., XII. Bd., Bezieh. Böhmens z. Deu. insbeſ. u. d. Vorfpiel 3. dreißigj. 
Kr., Abh. d. böhm. Ge. der Wiſſ. (1853), 5. Folge, 8. Bd.; Gindely, ſ. o. 
— inöbef. die afad. Abb. im 31. Bd. der Wiener Sikungsber., ph. hit. KI. 
u. I. Bd. ſ. Geſch. des breißigj. Kr., desgl. im 50. Bd. be Tasop. tesk. mus.; 
Soll, ebenda 49. Bd. (zeitgen. Nachr. z. G. d. Deieneftration 1618); B. Erb: 
mannsdörfer, Herz. Karl Emanuel I. v. Savoyen u. d. deutſche Kaijerwahl 
von 1619 (Leipz. 1862); Reuß, Graf Ernft v. Manzfeld im böhmifchen Kriege, 
1618—1621 (Braunſchweig 1865); Kraufe, Chriſtian v. Anhalt (1872); R. 
P. Wolf, Geh. Kurf. Mar. I. u. f. Zeit (Münden 1807 f.); Lipowsky, 
Friedrich V. v. d. Pfalz; (Münden 1824); Schreiber, Marimilian I., d. kath. 
Kurf. v. Bayern u. d. dreißigj. Krieg (Münden 1868); Krebs, Chriftian v. 
Anhalt u. d. Furpfälz. Politik a. Beg. des dreißigj. Kr. (Leipzig 1872) und 3. 
Geſch. d. Furpfälz. Politik a. Beg. bes dreißig. Kr., 1613—1619 (im Gymn.: 
Progr., Oblau 1875); Zmwiedined:Südenhorft, Fürft Ehriftian d. N. v. 
Anhalt u. f. Bezieh. z. Inneröfterr. (Graz 1874); Oberleitner, Beitr. 3. 
Geſch. des dreißigj. Krieges mit befond. Berückſ. des öfterr. Finanz: und Kriegs— 
weſens, 1618—1634 (Arch. f. K. öfter. G., 19. Bd.); Sieniawski, Die 
Regierung Sigmund’s III. in Polen (Progr. des Gymn. zu Schrimm, 1870, 
1874, II. A.); vgl. auch: H. Beder, die secretissima instructio Gallo- 
Britanno-Batava, ein Beitrag z. Kritik d. Flugſchrr. d. dreißigj. Kr., (Göttingen 
1875) (urfpr. Diff): Ueber die Stelung DOefterreidh: Spanien zur Pfalz; in 
Klein's Geſch. d. Ehr., 5. Bd., findet fih S. 279 f. ein interejj. Anhang von 
Actenftüden 3. &. Oberöjterr. i. &. 1619. (Chr. Puechner's Bericht). 

Ungar. fiebenb. Verhältniſſe. Vgl. XIV. Bud, 6.—10. Abſchn., 
insbeſ. a. Quellen: Die fiebenbürg. in den ſchon citirten Samml. v. Kemeny: 
Trauſchenfels u. Mikö; die Chronik v. Kraus: Chron. Fuchs. Olt. 
Lupinum II. Die ungarifhen: Zavodizfi, Leutſchauer Chronik, Pethö, 
die Werke des Nikol. Eſter häzy, h. v. Toldy (Peſth 1852, 1853) (mebr f. d. 
jpäte Zeit). Gorrefpondenzen: Pray, epp. proc. Hung., III. Bb.; Hatvani 


408 XV. Buch: Ferdinand II x. IIE u. b. Dreitig:. Krieg (1E1S— 1645 


(Sorvarh,, Früsiieler Urfob., IV. FB: Sorvärh, Regeteniammlung im fu. 
Ede, Des ort. tar lauf, Inc — it: Zeiiägni, Brieie u Sıaamurf. 
1552 — Jun); ebenda 1%. Ed. (li. Monperarbieen: Tran, Gabrielis 
Berhlen;i prineipatus Tran»-ylvaniae, 2 Ede. berausg. v. Miller (Tenh 
4A: Narone. hit. crit. H, XXIX. +3: Feiiler-Klein, Szalay, 
Sorväarh, a.a.T.: die Monogr. vd. Frankl, Zalamon \.T., Erxilägpi, 
Erd. tört. a. a. I. u. 1.265. in dem tort tar ı IV. 185, 1 über Die ‚relbzüge 
Feiblen’s 161%--1621 und Ertekezisek (IN rn, nA und IM, 8. 3%) 
i:ber Die Zbronbeitergnung: über Die Heichich:e der Yiindniiie Beiblen's (acıen- 
matige Feitr.ı: F. Näassay im Figzveliuezd tung. Beobachter 1839: Toldn, 
Leben Des K. Giterba:n im Tja» nemz. Künyvtäar (neuere Narionalbibl.) L.: 
. Ztalay, Pech. d. Fam. (kterbäin, R.v. Sorvarb i. d. Diterr. Repue 1365, 
4. Vd. mize Anh. v. Sajnit: Firnhaber, Acıenwüde ;. Aufttelung D. ung. 
(seid. des XVII. XVII. Jahrh., Arch. i. 8. ötterr. &, VID. Ab, 1-73; 
Tubit, xorihungen in Schweben ..... (Brünn 15521: Teutih, G. d. 7. 
Ziebenb., IT. 20. 


Ter Sefchichtichreiber des Jahres 1618 hat feine geringe Mühe, 
Die Fülle der einander drängenden Creinniife und freuzenden politi- 
ihen Actionen zu ordnen und mit Ilnbefangenheit wiederzugeben. 
Sie lagen in Juftänden vorbereitet, fie wurzelten in politiihen unb 
periönlihen Verhältniſſen, die wir, Tanf archivaliſcher Forſchungen, 
jest beſſer als früher zu erkennen in der Lage iind, welche jedoch 
nod) immer nicht durdjiichtig genug vor unſer Auge traten; über: 
dies ijt wie immer und hier mehr als ſonſt der Kampf der poli- 
tiihen Frinzipien von materiellen Rüdiihten und per: 
ſönlichen Leidenſchaften getrübt und aeht Hand in Hand mit 
einen den Culturfreund betrübenden Streite religiöſer Inter: 
eſſen, der auf beiden Eeiten feine Schonung fennt. 


sn Böhmen war der ichlimme Handel mit den Kirchenbauten zu Kloiter: 
grab und Araunau im (Wange, wobei Erzbiſchof und Abt als Grundberren 
gegen ihre proteitantiichen Unterthanen einjchritten, während die utraquiſtiſchen 
(Wlanbensdeienjoren für die Werechtigung jener Kirchen eine jcharfe Sprache 
führten. Tie ganze Angelegenheit war jo recht als Früfitein für den Maje: 
ſtätsbriei v. Jahre In und als (Kelegenheit zum Sturmlauie der ſtändiſchen 
Actionspartei gegen die kaiſerlichen Statthalter oder Regimentsräthe aus— 
erſehen, Deren Mehrheit (10) katholiſch war. 

Unter ihnen ſinden wir Die drei Männer, die durch ihre oitene Erklärung 
gegen den Majeſtätsbriei den Proteſtanten am wmeilten verhaßt fein mußten: 
Sb. v. Yoblomwic, Martinic und Zlavata. ei eriterem hält die Achtung 
vor jeinem (Sharatter dem Haſſe die Wage; Martinic galt aber als wohldienerijcher 
Söfling und Slavata überdies ald Convertit aus (Figenmub. Jedenfalls deutete 
man fo in proteftantifchen Kreifen ben UWebertritt zum Katholicismus, ben er 


XV, Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 409 


nach vierjährigem Aufenthalte in Italien (1597) zur tiefen Kränkung des eige: 
nen Vater vollzog, um dann nad) einer neuen weiten Reife durch Weſteuropa 
— die reihe Grbichaft ſeines Gönners Adam, des lebten der vielgenannten 
Herren von Neubaus (7 1604, 24. Januar) anzutreten. Meartinic und Sla: 
vata galten als die rührigften Werkzeuge der Reactionsverjuche Rudolph's II. 
und den Grfteren haßte der Graf Thurn, eines der einflußreichiten Häupter der 
Slaubensdefenforen, tödbtlih, dba er jet, als vorlautefter Opponent in der 
Thronfolgefrage, feinen einträglicheren Poften mit dem Amte eines Oberhoffehens- 
richters vertauſchen mußte und Martinic die Burggrafichaft am Karlitein erhielt. 

Schon im Jahre 1617 hatte auch der pfälzifche Hof und die Union 
-- vor Allem Anhalt, der rührigite Gegner ded Haufes Habsburg, die Sad): 
lage in Böhmen ausfundichaften laffen. Chriftoph von Dohna fand fie günſtig 
und am pfälzifhen Hofe, deifen Seele Camerarius war, jah man die Möglich: 
feit, die Krone Böhmens zu erlangen, immer näher rüden. War ja doch ſchon 
viel früher davon an dem engliſchen Hofe die Rede gemweien, und Jakob L., 
der Schwiegervater des Kurfüriten Friedrich, Hatte über die Bedingungen jeiner 
Mithilfe fo offen geſprochen, daß der ſpaniſche Gejandte davon Kenntniß erhielt. 
Durch den Strafen Ernft von Mansfeld, Sohn des Feldherrn Rudolph's II., 
im Türfenfriege und ſelbſt bis 1610 in Faiferlihen Dienften, die er dann als 
verbijfener Gegner verließ, Mansfeld, ben Kleinen, ftahlharten aber den Lüften 
ergebenen Kriegsmann mit eijerner Stirne, ſeit 1613 im Solde bes Herzogs 
Karl Emanuel von Savoyen, trat die Union mit dem Turiner Hofe in 
Beziehungen (j. 1616), da der Savoyer jelbit ſchon 1615 bei der Union an: 
Hopfen ließ und inmitten ſeines Kriege3 mit Spanien voll maßloſen Chrgeizes 
nach der deutfchen Krone Verlangen trug. Der planreihe und fieberhaft ge- 
ſchäftige Anhalt ergriff, mie Alles, jo auch dieſe Bundesgenoſſenſchaft mit Bes 
gierde, und zog die Pfalz in nähere Unterhandlungen mit dem Turiner Hofe, 
in denen beide Theile die Rolle von Gejchäftsfreunden fpielen, Die fich gegenjeitig 
ansbeuten wollen. Anhalt und das Heidelberger Babinet fparten nicht mit den 
abenteuerlihften Verjprehungen. Nah Mathias’ Tode fole der Elſaß 
an die Pfalz, Böhmen aber, ja auch Ungarn und ein guter Theil öfterreichiicher 
Länder an den Savoyer libergehen. Man wolle die „Affection“ der Böhmen auf den 
Herzog lenfen, wenn dieſer jeinegejammte Macht gegen Habsburg 
menden wolle; denn darum handelte es ji und nicht um jene nebelhafte 
Erhöhung des Herzogs. Um dieje Zeit näherte fich die Pfalz immer mehr aud) 
dem bayerifhen Hofe, um deſſen Spannung mit dem Wiener für eine will: 
fährige Haltung in den eigenen Entwürfen zu gewinnen; aber Herzog Marimilian 
durchichaute bald dieſe freundliche Zudringlichkeit und blieb kühl, verſchloſſen, bie 
Stellung der Liga zum Kaiferhofe fo gut wie zu der Union erwägend, welche 
Vegtern vor nicht langer Zeit (1617, 7. April) die Aufforderung K. Mathias”, 
vom Bündnijje abzulaffen, ziemlich entfchieden abgelehnt hatte. 


Das, was ſchon Sarpi zu Beginn des 17. Jahrhunderts er- 
fannte, die „Wolfen hingen ſchwer auf Europa hernieder”, die Nähe 
eines Weltkrieges, befchäftigt immer allgemeiner die unruhigen Gemüther. 


410 XV. ud: Ferdinand II. u. III. u. b. dreikigj. Krieg (1618—1648). 


Raſch drängen fi in Böhmen die Ereigniife des verhängniß: 
vollen Jahres 1618. Der Kampf der evangeliihen Ständeichaft 
mit der Regierung beginnt, jene erprobt ihre Angriffe:, dieſe ihre 
Widerftandsfraft. Tie adelige Actionspartei jucht fi der Gefin- 
nung der Städte, insbejondere Prags zu verlidern; den 8. März 
befchließen die Defenjoren Zujchriften an die Glaubensverwandten 
Mährens, Schleſiens und der beiden Lauſitz, um fich ihrer 
Mediation bei Hofe zu verfihern, vor Allem ihre bundesgenöffiiche 
Geſinnung auszuforichen. Den 20. März trifft die kaiſerliche Com: 
miffion zur Kirchenfperrung in Braunau ein; die Glaubensdefenjoren 
bereiten eine bemonftrative Ständeverjanmlung vor. Die Statt: 
halter beſcheiden fie auf die Burg (21. Mai), um bier das Taifer: 
lihe Handfchreiben von 16. Mai vorzulegen, das die Gebahrung 
der böhmischen Regierung in der fchwebenden Frage janctionirt. 
Stürmiſch geht es in Prag zu, man tobt gegen die Verfhwärzungen 
der Fatholifchen Statthalter, man bezeichnet das k. Refcript als er: 
liftet oder unterſchoben. Das Folgenſchwere, was dann eintritt, 
die Eturmdepitation der Stände vom 23. d. M. und die Serab- 
ſtürzung der Herren Martinic, Slavata und des 
Secretärs Fabricius aus dem Fenfter des Nathsjaales in den 
Aurgaraben, bildet den gewaltjamen Durchbruch der Kriſe, und zwar 
nicht durch Die Ueberwallung augenblidlicher Leidenſchaft herbei: 
geführt, jondern von jener Partei der Stände beſchloſſen, welche 
Das, was nicht mehr nad ihrem Sinne zu biegen war, zu breden 
ſich anſchickten. Erklärte man doch in der Rechtfertigungsſchrift an 
den Kaiſer dieſe Defeneftration als altböhmiſchen Braud 
gegen Yandesperrätber und juchte in langer Erörterung Be: 
lege aus der Bibel und der alten Geſchichte — den Sturz der Kö: 
nigin Iſebel und den tarpejiichen Wellen — berbeizubolen. 

Wunderbar ericbien der damaligen Seit der Umſtand, dab bie 
an 27 Ellen tier Derabaejtürzten mit dem Yeben davon Tamen. 
Auch Schuſſe wurden ihnen nachgeſchickt, doch Iraren ſie nicht. 
Fabriciuſs und Martinie, wenngleich verlegt, konnten mit fremder 
Hulie den am meiſten beſchädigten Slavata forticharten, ſich und ihn 
im Hauſe Polyrenas, dev muthigen und geiſtesgegenwärtigen Gattin 
ded abweſenden Amtsgenoſſen Vobkowie beraen, wo ſie als Staats— 
gejangene internirt bleiben ſollten. Fabricius entkam aus der Stadt 
und langte den 16. Juni in Wien an, Martinic flüchtete in Verkleidung 
uber Die Wengrenze nach Rayern; Slavata konnte erit am 24. Auguſt 
des nächſten Jahres in Gefelliihaft Adami's von Sternberg das Weite 





410 XV. Bud: Ferdinand IL. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 


Raſch drängen fih in Böhmen die Ereignifje des verhängniß- 
vollen Sahres 1618. Der Kampf der evangeliihen Ständefchaft 
mit der Regierung beginnt, jene erprobt ihre Angriffe:, diefe ihre 
Widerftandskraft. Die adelige Actionspartei jucht fi der Gefin- 
nung der Städte, insbejondere Prags zu verfihern; den 8. März 
beihließen die Defenforen Zufchriften an die Glaubensverwandten 
Mährens, Schlefiens und der beiden Zaufig, um fih ihrer 
Mediation bei Hofe zu verlihern, vor Allem ihre bundesgenöfftfche 
Gefinnung auszuforihen. Den 20. März trifft die Taijerliche Com— 
miffion zur Kirchenſperrung in Braunau ein; die Glaubensdefenjoren 
bereiten eine demonjtrative Ständeverfammlung vor. Die Statt: 
halter bejcheiden fie auf die Burg (21. Mai), um bier das faifer: 
lihe Handfchreiben vom 16. Mai vorzulegen, das die Gebahrung 
der böhmischen Regierung in der jchwebenden Frage fanctionirt. 
Stürmiih geht es in Prag z15 man tobt gegen die Verjchwärzungen 
ber katholiſchen Statthalter, mar bezeichnet das k. Reſcript als er: 
liftet oder unterfhoben. Das Folgenfchwere, was dann eintritt, 
die Sturmdeputation der Stände vom 23.d. M. und die Herab- 
ftürzung der Herren WMartinic, Slavata und des 
Secretärs Fabricius aus dem Yenfter des Rathsſaales in den 
Burggraben, bildet den gewaltfamen Durchbruch der Krife, und zwar 
niht durch die Meberwallung augenblidliher Leidenfchaft herbei- 
geführt, jondern von jener Partei der Stände beichloffen, welche 
das, was nicht mehr nad ihrem Sinne zu biegen war, zu brechen 
fih anſchickten. Erflärte man doch in der Rechtfertigungsichrift an 
den Kaifer diefe Defeneftration ale altböhmiſchen Braud 
gegen Zandesverräther und fuchte in langer Erörterung Bes 
lege aus der Bibel und der alten Geſchichte — den Sturz der Kö— 
nigin Iſebel und den tarpejiihen Felſen — herbeizuholen. 

Wunderbar erichien der damaligen Zeit ber Umftand, daß die 
an 27 Ellen tief Serabgeftürzten mit dem Leben davon kamen. 
Auch Schüffe wurden ihnen nachgeſchickt, doch trafen fie nicht. 
Fabricius und Martinic, wenngleich verlegt, Eonnten mit fremder 
Hülfe den am meijten beſchädigten Slavata fortfchaffen, ſich und ihn 
im Hauje PBolyrenas, der muthigen und geiftesgegenwärtigen Gattin 
des abwejenden Amtsgenoſſen Lobkowic bergen, wo fie als Staate- 
gefangene internirt bleiben follten. Fabricius entfam aus der Stabt 
und langte den 16. Juni in Wien an, Martinic flüchtete in Verkleidung 
über die Weftgrenze nad) Bayern; Slavata konnte erft am 24. Auguft 
des nächſten Jahres in Gefellihaft Adam’s von Sternberg das Weite 





412 XV. Buch: Ferdinand IL. u. IL u. d. dreißig. Krieg (1618— 1648). 


fanden die Nettung des Anjehens der Krone nur in rüchichtalojer, 
raiher That. Ten 8. Auli kehrt ;serdinand als jüngitgefrönter 
König Ungams nah Wien zurüd. Hieher hatte man auch den 
Zendboten des böhmiſchen Landtages (vom 25. Juni) an die Ungarn, 
den feinerzeit berühmten Arzt und Anatonıen, damals Univerfitätsrector 
Dr. Jeſſenius aus Prepburg als Gefangenen geſchafft und einem 
ſcharfen Verhöre unterzogen, dem er ſich leidlich entwand. Der Zweck 
jeiner Zendung war auf ein Bündnigder Röhmenmitlingarns 
Ständen und auf die Hintertreibung der Krönung Ferdinand's 
gerichtet. Er mußte ſich jedoch überzeugen, daß fein Illéshaͤzy, 
Zhurss an der Spige der Landſchaft ſtand, und mochte merfen, 
daß die Ungarn nod wenig Zympathieen für das böhmiſche Weſen 
empfanden. Tas hatte Schon ihr Kernbleiben von dem Prager General: 
landtage des Jahres 1615 angedeutet. Beſſer lagen die Tinge in 
Oeſterreich, wo es mädıtig gährte, in Schlefien, deſſen Stände 
ihon jeit Ende Juni 1609 mit den Böhmen zu gegenfeitiger Hülfe 
verbunden, am Fürſtentage vom Juli ſich ſehr entgegenfommend 
benahmen, dem Kaiſer bald Werbung und Durchzug der Truppen 
abichlugen, und im Nachbarlande Böhmens, in Mähren, wo fi 
bereits am 26. Juni im Landtage eine böhmijche Gejandtichaft ein- 
fand. Tenn, wenn aud) noch vom Einfluß, mar der bejonnene, 
coniervative JZierotin-nicht mehr im Belite der Landeshauptmann: 
ſchaft. Verbittert durch die Anfeindungen Khlejl’s, aber auch durch 
das Scheitern jeines Lieblingsgebanfens, eine ſtändiſche Real— 
union jämmtlider Länder Habsburg : Defterreidhs 
herbeizuführen, hatte diejer legal denfende Autonomilt den 
26. Febrnar 1615 bereits jeine Entlaſſung genommen. Jetzt, mo 
an die Mähren die Bundesforderung der Böhmen herantrat, der: 
jelben Böhmen, welche, jeder Selbitthätigfeit Mährens abhold, es nun 
in’s Schlepptau zu nehmen gedachten, bot Zierotin Alles auf, um 
bie Beſchlüſſe dahin zu lenken, daß Truppen bloß „zum Schutze 
des Landes” aufgeboten und Abgeordnete an den Kaiſer gefendet 
wirrden. Mit den beiden Negierungmännern, Cardinal Fürftbiichof 
Dietrichſtein und Karl von Liechtenſtein, begab er fid) nad 
Wien, um zu vermitteln. Aber wie die Dinge lagen — war eine 
ermittlung ein bodenlojes Werk. Denn bald vollzieht jich der 
Sturz Minifters Khleſl und die Striegspartei kommt obenan. 


Tas Aiener Ereigniß von 20, Juli 1618, der Sandjtreih der Gegner 
des noch vor Kurzem bei Mathias allmächtigen Mannes, war einer ber vielbe: 
ſprochenſten Vorfälle. Man braucht nur bie vertraulichen Briefe Khleſl's an 
Mathias, feine, die ganze Haltung des Kaijers hofmeifternden Ermahnungen zu 


XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 413 


lefen, um dieſen Ausdruck gerechtfertigt zu finden. Diefer begabte Emporkömm-— 
ling — von umfajjendem Blide für Staatsgejhäfte und eijerner Arbeitskraft — 
war feinem Herrn unentbehrlich geworden. Man muß gejtehen, daß er das 
Staatsſchiff in manchen Fritifchen Augenbliden geſchickt fteuerte, mit überrafchen: 
der Sachkenntniß einzelne KHauptgebrechen der Staatsmafchine erfannte, wie jich 
dies insbefondere in dem Federfriege Khleſl's mit der Hofkammer 
offenbart. Auch fremden Einmifchungen, wie dem hoffärtigen Gebahren bes 
neuen fpanifchen Giefandten, Grafen Ognate, der auch mitregieren und ver: 
walten wollte, verjtand er entfchieden zu begegnen. Ja obihon Khlefl den katho⸗ 
lichen Kirhenmann und Rejtaurationgfreund nie verleugnete, gemöhnte er fich Doch 
immer mehr, wo es unvermeidlich war, ben kirchlichen Standpunft dem politifchen 
zu unterordnen. Aber jein ehrgeiziges, hitiges Wejen, fein „unruhiges Gerebell“, 
über welches fein früherer Gegner, Kammerpräſident Unverzagt, ſchon 1598 jo 
ſcharf loszog, feine unüberlegten, ruhmredigen Aeußerungen zum Nachtheile des 
faijerlicden Anfehens, ber Mangel höfiſcher Schmiegjamfeit gegen bie ohnebies 
jeinem Einfluße abgeneigten Erzberzoge Ferdinand und Mar, und ber Abgang einer 
ber wicdhtigften Tugenden eine Staatsmannes, des Schweigen zu rechter Zeit, 
— aU dies mußte feiner Stellung verderbli werdeu. Die Auflage, er jei be: 
ſtechlich geweſen, ift von untergeorbneter Wichtigkeit. Jedenfalls Tiebte er das 
Geld, wie dies der Signoria befannt war. Bayern und Spanien vor 
Allem waren ihm abgeneigt. Seitdem er in ber Thronfolgefrage ein fo zwei: 
beutiges Spiel getrieben, und im venetianifchen Kriege fich äußerſt ſpröde be= 
nommen, haften ihn der Thronfolger und Erzh. Mar auß ganzer Seele, 
Ansbejondere war e3 ber Tettere, welcher ſchon feit 1617 Khleſl's Sturz berbei- 
fehnte und in brieflihen Aeußerungen, in Anfragen bei Yacultäten, ob man ſich 
eines jolchen Staatsverderbers nicht gewaltſam entledigen könne, den rückſichts⸗ 
loſen Grol zur Schau trägt. Tie Haltung in der böhmiſchen Frage und 
vor der ungarifhen Krönung machten in den Augen der Erzberzoge und 
ihrer Partei Khlefl’3 Map vol, und da man wußte, der Kaifer werde nie und 
nimmer feinen vertrauteften Nathgeber entlafjen, jo wählte man die Form einer 
gewaltfamen Befeitigung. Der Beſuch Erzh. Marimilian’3 (19. Juli) follte den 
Cardinalbifchof fiher machen; Tags darauf — obſchon von dem Günjtlinge 
Ferdinand's, Eggenberg, gewarnt — überrajchte ihn beim Gegenbefuche in ber 
Hofburg bie wohl geplante Verhaftung durch Gollalto, Breuner, Dampierre und 
Montecuculi d. K. Er mußte fogleich einen Reiſewagen befteigen und unse 
Bebedung den Weg durch Inneröſterreich nad) Tirol machen, wo er zunächſt auf 
Schloß Ambras und dann in Innsbrud, fpäter im Kl. St. Georgen: 
berg bei Schwaz, internirt blieb, um dann nah Rom beförbert zu werben, wo 
ihn als Häftling in der Engelöburg ein Proceß erwartete, ben ber Uditore 
Verospi birigirte, denn auch Khleſl's Firchliche Haltung war ein Gegenitand ber 
Anklage. Gr blieb dann, losgeſprochen, in ber Siebenhügelftadt bis zum 
Jahre 1627, und Fehrte bei gänzlich veränderter Sachlage nad) Wien zurüd, um 
wieder bei Hofe als Biſchof mohlgelitten zu fein. 

Es fehlte nicht an meift lahmen Spottgebidhten auf die geftürzte Größe. 





XV. Bud: Ferdinand II. u. IIL u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 415 


bat, als ließe ſich etwas von der kurſächſiſchen Vermittlung bei den 
Böhmen erwarten, — iſt ſchon auch der Krieg im Gange. 

Dem Kaiſer ftehen damals zwei tüchtige Generäle, beide Wal: 
Ionen, zur Verfügung; Graf Longueval von Bouquoi, ein alter 
methodiich langjamer Kriegsmann aus ſpaniſcher Schule, den der 
Madrider Hof dem Wiener überließ und der jüngere feurige Duval 
von Dampierre, der vor Gradiska ſich jo wader benommen. An: 
fang Auguft zählte das Taijerlihe Heer an 14,000 Mann; den 13. 
Auguft überſchritt Dampierre die böhmiſche Grenze und bald ftand 
er den jtändifchen Truppen gegenüber, zu melden dann Mans: 
feld mit favoyifch-pfälzifchen Söldnern ftieß, um von Ende Auguft 
ab als böhmiſcher Artilleriegeneral feine Beitallung zu finden. Doc) 
kam es zu feiner Entſcheidung zunädft, in kleinen Gefechten und 
beiderjeitigen Verwüſtungen verläuft der Anfang des böhmi- 
ſchen Krieges. 

Der Breslauer Landtag, den die Schlefier unter dem Vor⸗ 
wande drohender Türken: und Tartarengefahr einberufen hatten, doch 
nur das Unionswert mit Böhmen auf die Tagesordnung ftellten, 
zeigt am beiten die dort herrſchende Strömung, und mit Behagen 
Tchreibt Pawel an die Kurpfalz, au) in der Steiermart fei man 
ſehr „ſchwierig“, der Eggenberger dahin abgeordnet, um die Gäh- 
rung zu dämpfen. In der That lefen wir bald den Befehl der 
geheimen Kanzlei an die fteiermärfifhen Verordneten, das Land 
zu verwahren und die bezüglihen Verfügungen vom Schluffe des 
Sahres. 

Aber beiden Theilen, dem Aufitande und der Regierung, fehlte 
es an ausgiebigen Mitteln zu entjcheidenden Schlägen; die kaiſer— 
lichen Kaſſen waren leer, fremde Hülfe in weiter Ferne, da unge: 
riſche Gewitter im Anzuge. 

Die Böhmen hatten gleichſalls mit Geld und Kriegsbedarf 
ihre Noth; vor Allem aber gebrach es ihnen an kriegstüchtiger, ein- 
heitlicher Führung. Der Kurfürft von der Pfalz ſchwankte zwijchen 
ehrgeizigem Begehren und dem Bedenken, fi) vor der Welt mit der 
„Rebellion“ zu verbinden und der Notenburger Unionstag 
(September bis Mitte October 1618) bewies, daß man nicht viel 
risfiren und lieber fchreiben — als handeln wolle. Savoyen, 
das man jebt eifriger als je bearbeitet, ſoll mit Geld herhalten, 
aber e3 braucht lange, bevor der jchlaue Herzog ſich zu Subfidien 
herbeiläßt. 

In unerquidlicher Schwebe, unter verwüftenden einen Kämpfen 
zwifchen den Böhmifchen, unter Heinrich von Thurn und den Kaiſer⸗ 


— 


416 XV. Buch: Ferdinand II. u. II. u. d. dreißigi. Krieg (1613— 16481. 


(ihen, unter Bouquoi und Dampierre — in Südböhmen und Nord: 
öfterreich — naht das Jahr 1618 jeinem Ausgang. 

Aber gerade zum Schluſſe traf die Kaiferlihen Mißgeſchick. 
Den 21. November bemädtigt ſich Mansfeld, — wohlgemerkt im 
Solde des Herzogs von Savoyen, wenngleid mit böhmijcher Be⸗ 
ſtallung, — des wichtigen Pilſens, der dritten Stadt Böhmens ; die 
Kaijerlihen müifen Böhmen räumen, Thurn dringt in Oeſterreich 
ein; Bouguoi hält jih mit Mühe in Budweis. Schon um dieſe 
Zeit hatte eines der Häupter der Actionspartei, Raupoma (Ruppa), 
dem pfälziichen Nefidenten in Prag, Achaz von Toohna, mitgetheilt, 
man jei entjchlojen, mit dem Kaijer zu brechen und werde jeinem 
Herrn die Krone Böhmens antragen. Mansfeld ward nun zur 
enticheidenden Botſchaft nah Turin, der Geheimjchreiber des 
Markgrafen von Anipad), Balth. Neu, nah Benedig zur Allianz: 
verhandlung bejtimmt. Chriſtoph von Tohna follte an den Hof des 
Schwiegervaters Friedrih’s V., Jakob I. von England. So, 
hoffte Anhalt, werde jich ein weites Neg über dem Hauje Habsburg 
zulammtenziehen. 

Und in der That bedurfte die böhmiſche Nebellion fremder 
Unterftügung. Denn mit Neujahr 1619 fam Hunger und „großes 
Eterben” über die ftändifhe Armee, dagegen erhielten die Kaiſer— 
lichen Verftärkungen, und hatten, ohne alle Frage, befjere Führer — 
eigentlihe Eoldaten, nicht eitle Dilettanten, wie 9. von Thurn ein 
folder war; denn Mansfeld war wieder zum Diplomaten ge: 
worden, und außerhalb des Landes. Wer aber die Haltung 
K. Jakob's I. von England zur böhmiſchen Frage vor Augen 
bat, wie er den Hoffnungen des pfälziihen Schwiegerfohnes auf 
Geld und auf fonftige Unterftügung — bei „gutem Willen ber 
Böhmen”, — wenig greifbare Ausfichten bietet; wer ferner die 
Unterhandlungen der Pfalz und der Unirten insbejondere feit den 
Kreilsheimer Belhlüffen vom März 1619 mit Cavoyen bis zum 
Tractate von Rivoli (18.—28. Mai) verfolgt, den Anhalt 
mit Karl Emanuel abſchloß, und darin ein wahres gegenjeitiges 
Gaufelipiel, ein ſchwindelhaftes Verjprechen halb unmöglicher Dinge 
gewahrt; dann fieht, wie bald Anhalt jelbit, den Herzog Karl 
Emanuel „ehrgeizig, herrſchſüchtig, tyranniſch“ u. f. w. nennt, der 
nichts als Schulden habe, und dem göttlichen Strafgerichte entgegen: 
Taufe, — muß erfennen, daß die ausländifchen Freunde des 
Exhmifchen Aufitandes wenig ſichere Ausfichten auf thatjäch- 

Haterftügung F" Sachſen war fo gut wie faiferlih und 


XV. Bud: Ferdinand II. u. IH. u. d. dreigigj. Krieg (1618—1648). 417 


ber polnifhe König Sigismund III. dem Wiener Hofe befreundet, 
wie fein ſcharf abmahnendes Schreiben an die ſchleſiſchen Stände 
vom September 1618 bemeilt. 

Dennod bot das Zufammengehen fremder Bolitif mit dem alle 
Länder unmittelbar oder mittelbar ergreifenden Aufftande eine große 
Gefahr fürden Beftand des Haufes Habsburg, an deſſen 
fiheren Ruin Niemand feſter glaubte als Anhalt, der Allerweltspoli= 
tifer; doch auch Fühlere Beobachter fanden den Niedergang, ja den 
Zerfall Oeſterreichs mwahrjcheinlicher als das Gegentheil. 


Tenn im Sanuar 1619 rüfteten ſchon die proteftantifchen Adelsherren 
Oeſterreichs im Viertel 0. d. M.-B. und o. d. W. W. Gie hatten eben 
einen Tag vor der Prager Katajtrophe (2. Mai) ihre Beſchwerden geharnifchter 
als ſonſt vorgelegt, nach vier Wochen Wartens eine Deputation nach dem faifer: 
lichen Sommerfige zu Ebersdorf abgehen laſſen, beren Sprecher, Frh. A. Thon— 
rabI, jo unbotmäfig redete, daß ihn der Kaifer zurechtzumeifen für gut fand, 
Die Anjtrengungen der Regierung, die Gährung zu jtillen, eine Vereinigung der 
Stände beider Bekenntniſſe zur Eintracht und Ioyalen Haltung herbeizuführen, 
mussten Ungefiht3 der Gefinnungen ber Hauptführer: eines Tſchernembl, 
Karl v. Jörger, Gott). u. Rich. Stabremberg u. X. fcheitern. Tſcher⸗ 
nembl, der im vormurfsvollen Schreiben vom 6. Januar 1619 an Zierotin, ben 
Gegner des Aufftandes, die jichere Ausſicht auf eine allgemeine Conföderation 
ausſprach, fand an dem immeröfterreichifchen Crulanten Andrea v. Ungnad 
einen thätigen Qerbündeten. In Steiermart, Kärnten und Krain be 
reitete fich in der That diefe allgemeine Conföderation der Afatholifchen vor, 
denn der bezüglide Bundesbrief der Steiermärfer (1619, 20. Februar, Graz), 
Kärntner (4. März, Klagenfurt) und Krainer (Laibach) liegt vor und bejagt, 
bei aller formellen Wahrung des „politiſchen Gehorfams gegen den gnädigften 
König, Landesherrn und Landesfüriten” ein Zuſammenſtehen bis zum Aeußerften. 
Und daß überall der Glaube, die „chriftliche Libertät“ den Dedimantel der poli: 
tiihen Standeszmwede abzugeben hatte, lehren die vertraulichen Gorrefpondenzen, 
zeigt das richtige Urtheil Zierotin'3 über den Sachverhalt. 


Nichts ſchien der weitverzweigten Aufitandspartei günftiger als 
der Tob Kaiſer Mathias’, der den 20. März 1619 eintrat; 
nun war gewiffermaßen bie lette abwehrende Schranke gefallen. 

Der gichtkranke Kaifer hatte vom Herbfte 1618 ab wenig mehr 
gegolten, Alles Tief ſchon durd) die Hände des Thronfolgers; feine 
Vorgemächer ftanden öde. Es mahnte beinahe an die legten Tage 
feines entthronten Bruders. Kaum ein Halbjahr früher war aber 
aud) eine wichtige Stübe Ferdinand’, Erzh. Marimilian, aus 
den Leben geſchieden (2. November 1618). 

M. erlebte manche herbe Enttäufhung. Lange hatte ihn die Ausficht auf 
Polens Thron befchäftigt; noch 1597 fuchte er Unterftügung feiner Anjprüche 

Krones, Geſch. Oecfterreihs. ILL. 27 


418 XV. ud: Ferdinand IL. u. IIL. u. d. dreikigj. Krieg (1618— 1648). 


bei dem Czaren dev Mosfowiter, mit welchem Habsburg in bauernden 
diplomatiichen Beziehungen bleibe. Erſt 1998 gab Mar jede meitere Bemühung 
endgültig auf. Aehnlich erging es ihm mit Siebenbürgen. Statthalter und 
jeit 1612 Regent Tirols und der Norlande geworden, fand er endlid) einen 
größern jelbjtändigen Yebensfreis, ımd nicht gering war fein Einfluß in allen 
großen ragen des Habsburger Hauſes. An Tirol ſelbſt machten ihm der leidige 
Bityumshandel, der Mrai von Arco als unbotmäßiger Yajall, der Nernebiger: 
frieg mit Inmeröjterreih und nicht wenig die unvertilgbaren Regungen 
dev „Keberei“ im Yande zu jchajlen. Der Brirner Biſchof Flagte viel barüber. 
Hau und Schwaz ga:ten noch immer als jtarkjektireriich, ebenjo in den Orten Köſſen 
und Ylillerfee Die Bergfnappen, die dann freilicd das Yand räumen mußten. Auch 
ein Apoſtel des „neuen Evangeliums“, der Vindergejele Raul Löderer aus 
Mieders, bei Innobruck, taucht auf und findet Auhang. Tod waren Died 
nur vereinzelte Erſcheinungen, welche das von der Gegenreformation bem 
Katholieismus ganz zurückeroberte Yand in feiner firhliden Haltung nicht 
wandeln konnten. An gutem Willen, Die Yandbesangelegenheiten in's rechte 
Geleiſe zu bringen, ließ es der thätige Erzherzog nicht fehlen. Mit jeinem Tode 
jälle Tirol und Norderöfterreich dem (Kefammterbe des Thronfolgers Ferdinand 
zu. Doch waren darauf Ihen die Blicke Erzherzog Yeopold's, des Biihors 
von Paiſau und Strafburg, gerichtet. 


Die Thronbejteigung Kerdinand’s IT. volzieht ſich 
in einem Zeitpunkte, der nicht leicht verhängnißvoller ſein konnte. 
Röhmen ſteht im Aufruhr; in Mäbren, Schleſien greift er um tich, 
Die Patente, Die ibn beichwören jollen, die Erklärung Ferdinand's II. 
zu Gunſten Der Rechte und Freiheiten Böhmens (6. April 1619) 
bleiben wirkungolos. Die proteitantiichen Stunde Rieder-Oeſterreichs 
zögern mit Der Huldigung; noch entichiedener Die Über-Oeſter— 
reicher, welche Die Anipriüche Des einzigen noch lebenden Sohnes 
Marimihian's IL, Erzh. Albrecht's vorſchützen. Den 11.—19. April 
beiebiießen ſie den Beitritt sur bohmiſchen Confoderation und den 
Anſchluß an die Pialz, wenn Ferdinand mit Gewaltmaßregeln sin: 
arte, Narl von Jorger, Hauptmann Des Traunviertels, wirbt 
Truppen und bejeſtigt Die Vaſſe: auch die Steiermärker werden 
bearbeitet, wie Me Gegenweiſung Ferdinand's vom 1. Jet am 
beiten andenter. Anbalt wear alerdärns mir der Bewegung, nament- 
ib in Mahren. ihr zufrieden, -- „ib reis mich ſchier vor Une 
ui“ ichrieb er. Rob beit sch Bouswot in Budweis. Dob nur 
Die Trennung der uuverträgtichen Artegsbinotir Thum und Mars: 
jeld berpebrte ida vor dem Erdruücktwerder. Dafrur aber Doch 
Thurnu nach Vromer em und vis bier Me sosernden Geiinmints. 
genoſſen am Uimuser Tage wiit fh Fern: beld erfikeint et ver: 
wärend ın Rieder Defterreich, wo feiner Kiele harren. — Anrıng 


XV. Buch: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigi. Krieg (1618—1648). 419 


Juni ericheint er vor Wien, aber trog aller Ungunft der 
Berhältniffe forgte der Bürgermeilter Moſer für die Vertheidigung. 
Den 11. Suni findet fih eine Sturmdeputation von 16 pro— 
teftantischen Mitgliedern in der Hofburg ein, um an bittere Nor: 
würfe Zmangsforderungen zu knüpfen, deren fid) in diefer Yage der 
neue Herriher wohl nicht entjchlagen könne. Aber Ferdinand bleibt 
ftandhaft und das unerwartete Erjcheinen von Faiferlihen Reitern 
des Dampierre’fchen Regimentes unter Führung des Oberſten St. 
Hileire (Santhelier) am Burgplage verſcheucht die Dränger. 

Noch Steht Thum drohend vor der Stadt, aber der glüdliche 
Streih Bouquoi's gegen Mangfeld bei Netolic (12. Juni), der 
ihm den Weg gegen Prag öffnet, beftimmt die erjchredten Direc- 
toren und Thurn zum jchleunigen Rüdzug von Wien und zur 
Dedung Böhmens,. 

So hatte Ferdinand den Weg offen zu einem der nothwen—⸗ 
digften und entjcheidendften Schritte, zur Bewerbung um die 
deutihe Kaiſerkrone. Er eilt in das Reich, indem er feinen 
Bruder Leopold als Statthalter zurüdläßt. Die Reife führt ihn 
zuvörderft über Salzburg, wo er (6. Juli) mit dem englifchen 
Diplomaten, Lord Sames Hay, Viscount von Doncajtre, als „Ver: 
mittler” zufammentraf, nah München (14. Juli). Hier lag die 
wirfjamfte Hülfe, nur der Bayernherzog, das Haupt der Liga, ver: 
fügte über bedeutende Mittel. Wohl kommt es nur zu allgemeinen 
Vereinbarungen, aber deffen fonnte Ferdinand ficher fein, daß Par 
von Bayern der Verlodung der Pfalz, Nebenbuhler des Habsburgers 
zu werden, widerſtehen werde. Nicht Beicheidenheit und Jugend: 
freundfchaft, fondern nüchterne politiihe Einfiht und das Streben 
nad greifbaren Vortheilen vermehrten den Wittelsbacher zu candi: 
diren; es brauchte nicht erft Franzöfijcher Abmahnungen. Die 
Union verliert am Heilbronner Tage (Juni) nur Zeit mit Reden 
und Plänen; kläglich ift das Ergebniß des Heidelberger Tages 
(Mitte Zuli), man folle den Bayernherzog, oder den Habsburger Albrecht 
vorschlagen, würde aber Ferdinand gewählt, fi) der Mehrheit an- 
ihließen. So ſank dem Pfälzer im entjcheidenden Nugenblide der 
Muth zum Wagniß. Ende Zuli befindet ſich Ferdinand als König 
Böhmens am Wahlorte, in Frankfurt; die Neichswähler erjcheinen, 
nur Sachſen und Pfalz nicht perjönlid. Auch eine böhmiſche 
Gejandtihaft, die das Kurrecht für fih in Anfprud) nimmt, 
trifft ein; aber fie wird abgewielen. Den 28. Auguſt erjcheint 
Ferdinand als einftimmig gewählt. Die Einigfeit der geijtlichen 
Kurfürften ebnete Alles für Ferdinand. Daß er die Wahlcapitula- 


27* 


425 XV. Autren C. u rnneag.£rmer jet 


an Ar ‘ PP num>» yrpurın ; ne. .'. Dr > — 
22 17 zZ? m. „% nu 0 ) wa. - sen tz II < ds 1} 


beswir RE oeor, mn erer "Tem Zorn zur gem 


bepisur Betr Iıorm. m un wem Notııym m Ieren Rute 
emiinser keserun. Im 1a Zeumir ie Tz Ärtireeo: 
Ent fe Miomme wor er meer m Mersen un Tr mm 
nalen Isemın zur Ihar umt der wie ch 

iiber ieburte er mes Beton, en Ne Dinar no 
heim Tore "Elimmir ni ir Hz wurlanm, 


mir MW ihren m Ztl:liinmr m Cride- 
tun” 27 Demtiatetznte Snıeren. Im 23 ui veranmde 
Ka zir orte Lortsteratiineliermas in Trac: De Mährer 
une Selrız erttumen, eu Ns baufiger waren onmeend: Te 
Meals werte Acas zın Toben Zion in 15. Aut mern 103 
ont LRTINITELTTEN BUIIIREI DIINEN, MEI ITSI Om Din Srbanle 
lunzen die Kifzınz er) chötreähsts ter Sönder in Den Vorder⸗ 

⁊ 


Z’zımı rom 1% Augun elie Nom: 


ober ch es. ncd. Mit: gate, leinz Herrichait moylib su maden; 
bie nehrkeit Lejant Die erite und vemein: Die smeiie Frage. Den 
26. Auzutt Ichrzitet man nun sur verbänmnigroden Reuwabl nes 
Monizs von Bohmen. Fur den Savoner irrah nur Mansteld, 
für dien Sachſen erhoben Die beiden Schlid und Fels, Fuhrer der 
Lutheraner, die Stimme; Tanemarf und Gabriel Reiblen murden nur 
neberher genennt; Die große Mehrheit, von Hican, Budowa und 
Keuroma ceruhrt, war tür den Pfälzer. Ten 27. Muauit murde 
bie Abiegung yerdinand's feierlich rerfündiat und Die zmeite 
oder erögere Apologie der Böhmen tollte dieien Schritt vor Der 
eelt rechtfertigen. 

Ti ARachricht von der böhmischen Königsmah! des Tiälzers, melde Mirage, 
nmmmeikar rad ber Kaiſerwahl in Frankiurti eintra’, veriehlte die Wirkung; 
vom su var nelommen. An Sachſen aber mar man boppilt erkot auf 
tie drasz und or Lie feinem rolle geg:n bie „calviniichen Brandrichie“, 
„riipinsen“, „Läſterpoiaunen“ ireien Laui; is war bie Rraitiprade des Meli: 
gionobaſies im beiden Lagern. 

nur Zeiterreich waren Prager Feichlüiie ein Signal für die Nctions- 
yarnı, uch zu regen. 5 ſchien dies um io gelegener, als der Sturm aud 
„hon im Ungarn Iosgebrochen war. 

An ben jchlenichen Actenſammlungen jener Zeit finder ſich ein intereſſantes 
Actenitint aus ben Jahre 161%, das uns den Stand der ungariihen Kron- 
finan.rı ofienbart. Er entiprad) der kinanzlage in den öſterreichiſchen 
Grblanden in ben fehten Tagen Mathias’, als man nad) Held jahndere, bei 
den reinen Mäktern mit ichlechtem (riolge um Tarlehen warb, rüdjtänbige 


« 


XV. Buch: Ferdinand II. u. III. u. d. breißigj. Krieg (1618—1645). 421 


Befoldungen noch aus Rudolph's Tagen ſchuldig bleiben mußte, und kaum den Sold 
für das Feine faiferlide Heer aufzubringen in der Lage war. In diejer jtaatd- 
wirthſchaftlichen Nothlage Ungarns, welches die bedeutendſten Herrihaften 
Städte und Bergorte verpfändet, die widtigiten Waffenpläße: Kaſchau, 
&;. Andräs, Pudnok, Dnod, Tolaj, Kald, Ecſad, Szathmär — im Oſten des 
Landes halb wehrlos zeigt, anbererfeit® in dem Mangel eines ergebenen Heeres, 
wurzelte die Gefahr, von Ereigniffen überrafcht zu werben, die mit dem Verhalten 
bes neuen Fürſten Siebenbürgend und mit ber zweideutigen Stellung ber 
Pforte zufammenhingen. Gabriel Bethlen wußte, daß der Wiener Hof 
feiner nachbarlichen Machtſtellung abgeneigt fei. Die Nagy-Kärolyer Verband: 
lungen mit ihm, im Todesmonate K. Mathias’ (1619, 26. März) abgeſchloſſen, 
bernäntelten nur das gegenjeitige Mißtrauen. Daß die Forderung feiner Ab: 
georbneten, Ferdinand II. jolle ihm ben Fürftentitel zuerfennen, auf Bedingungen 
ftieß, konnte er als Beleidigung in Rechnung ftellen. Schon damals entging Die 
Sadlage im Weften der Leitha, die ganze auswärtige Conftellation ihm nicht, 
und rief weitgreifenbe Pläne gegen das Haus Habsburg wach. Aber er fahte 
nur ſichere Erfolge in's Auge. 

Ende Mai follte der Breßburger Landtag vor fich gehen, Palatin 
Forgäch den neuen Herrfcher vertreten. Das verzog fih, und ald Thurn mit 
böhmijch-mährijchen Truppen zwiſchen Skalic und Dedenburg jtand, forderten 
die Böhmen den Landtag auf, im Sinne der früheren ftändifchen Conföderation 
von 1606 zu handeln und ihre Truppen von ber Fahne Bouquoi's und Dam: 
pierre's abzuberufen. Wohl drängten bie Faiferlichen Feldherren Thurn zurüd, 
aber die ungarifchen Söldner Tiefen fpäter, als der Vortrab Bethlen's auftauchte, 
auf eigene Fauſt von bannen, um feiner Fahne anzugehören. Palatin For— 
gäch gab fih alle Mühe, den Standpunkt einer ftreng neutralen Stellung 
Ungarns zu wahren, aber nun brach im Landtage ſelbſt die Unznfriedenheit, der 
Glaubensſtreit los, und während die Regierungsmänner, Forgäch, Päz- 
man und Eßterhäzy mit ber Lanbesvertheidigung durchdringen wollten, 
jpradden die Thurzö's und Georg Räköczy, Sigismund’3 Sohn, mit Bethlen 
im Ginverjtändiffe jo gut wie die Magnaten ©. Szechy und Franz Perengi, für 
die Dringlichfeit der Sravamina. Kurz zuvor hatte der fchlaue Bethlen, — wie 
ſchon bei Lebzeiten Mathias’ — dem neuen Könige feine bedingte Hülfe aber: 
mals anbieten laſſen, um Ferdinand's Nachgiebigfeit zu erzwingen. Tie Ab: 
lehnung diejer bedenflihen Anträge macht ihm bie Hände frei. Der Pforte 
verjichert er ji) durch) feinen Gefandten Borfo3. In Oberungarn berrichen 
feine Slaubensgenoffen, feine Anhänger vor. Nur Einer ijt hier fein geſchworener 
Widerfaher, Georg Homonnay, vertrauter Freund Eßterhäzy's, der unter 
den Regierungsmännern am entfchiedenften gegen den Siebenbürger auftritt. 


Zur Zeit, ald die Kaiferwahl Ferdinand in Reiche bejchäftigt, 
briht Bethlen los. Seinen Anhängern in Ungarn meldet die 
Botihaft aus Kronftadt (18. Auguft) fein Erjcheinen. Ohne 
Schwertſtreich kann er den 6. September bis Kaſchau vorbringen. 
Homonnay muß bald nad) Polen flüchten. Hierher, nah Kaſchau 


pro wa Zimis gez Ildlanis, Sr mim De 
wenn Wisımtın mas mitr she: Sizun weme Nie, 
FR GE? BL 12% and ((y werelse Hinz.rae „wm mimehrsr | 
u Buiiks Moument Les Aulslurnses Score Beıslin we 
ent, Adszer Halacsy sum Azurmann Ubers-llazeme er 
een, Maliz'z jenkarctieute, Iren; Hbeleı Tıorzn, er 


2 

zu Dstbe Muh: Las gene Therland IS an de Kecımendmg 
WS Sa ar Bm meton Zuge in Der Yirtau sin rormurrärolle 
Mt anessherten bes habeburgireundlichen Kotententgs Zig: 
zur." SIT. auihalten ioll - - Dart er ielbſtbewußt antworten, er 
res rohtoeis Cnreingling, Tondern als «ngeladener Beireier; 
irl.zı am nsmmen, gäbe es diesteit Der Tonau feine Stadt, 
Ir. ir, Fam Aneligen, der gegen ihn te. Ten 9. Taober 
2, 0. zgenan, in Lororte des Ratholiciemus, empfängt er De 
Sr dr Getehonnen (Selandten Bohmens und Mährene. 
2 Pzwsien wet mit leeren Händen. Und nun entiender er Rhe 
ar #6 Neitern dem Grafen Thurn zu Hülfe. 

Lırkhura fann ihm nicht Widerſtand leiften, Denn mıt 
Let nf,fncchte unter Tiefenbad) fonnte der Statthalter, Erzh. Leopold 
sr Tehing auiſecingen. Am 14. Tctober it Bethlen Herr des 
Ursmumer, vb Yanbtagsortes, und mit fluger Zurüdhaltung fordert 
ı ben wehrloien Yalatin zur Ginberufung der jtändiichen Ro: 
venmfsrmerfanmmhng auf. Er telbit eilt weiter, um ſich mit Thum 
Lore Bien zu vereinigen. Vouquoi und Tampierre fonnten Dies 
dt hinbern. 

Wit größer war die Gefahr für Ferdinand’s Hauptitabt und 
Ni, als im Zummer Den 26. November lagert Bethlen bei 
Edienbenm. Aber im Rücken Bethlen’s, in Polen, hatten Althan 
wmv Homonnay Söldner geworben und Rüköczy erleidet bei 
Eiterplo am 22. September eine enticeidende Niederlage. Bethlen 
mu; nun Szecſy eiligſt nach Ober Ungarn entjenden ; er jelbit trennt 
ſich mim Thurn, nicht gewillt für die Sache Böhmens ein Wagniß 
zu beftchen; auch Thurn weicht nun von Wien zurück. — 

Aber noch ſchien der Höhepunkt der Gefahr für Ferdinand nicht 
erreicht. Einen Gegenkönig hatte bereits der Habsburger wider 
ſich, denn nach längeren Zögern und Schwanken ließ ſich der Kur: 
furht von der Pfalz durch den eigenen Ehrgeiz, den auch die Gattin 
theilte, Den Rath der Umgebung, in welcher der Hofprediger Schulze 
(Seultetus), ein zweiter Hoc, nicht wenig galt und durd den Be 
ſchluß der Rothenburger Unionsverjammlung (17. September), in 
weldyer Chrijtian von Anhalt das Wort jührte, zur Annahme 





424 XV. Bud: Ferbinand II. u. IH. u. d. dreißigj, Krieg (1618— 1648). 


in gerechter Bejorgniß vor dem Grolle der Pforte. Denn jeine 
Botihafter waren ganz bejtürzt über den Empfang beim Großvezier, 
ber ihrem Herrn fträfliche Eitelfeit und lügenhaftes Wejen vormwarf. 
Die Pforte war dem Uebermächtigwerden ihres Vaſallen abgeneigt. 

Bethlen und Ferdinand bedurften Zeit zu neuen Rüſtungen; 
fo kam die unhaltbare Waffenruhe und der faule Vergleich vom 
17. Sanuar 1620 zu Stande. Der Preßburger Reichstags— 
ſchluß ächtete aber die Jejuiten, die Zandesverräther: Pazmän, 
den Preßburger Probſt Balasfy, einen jcharfen katholiſchen Pole⸗ 
miler, der die Querelae Hungariae befämpfte, Georg Homonnay 
u. A. Efterhäzy folle ſich vor dem nächſten Reichstage verant- 
worten. Botichafter an Deutichland, Böhmen und die Pforte haben 
gedeih’iche Verbindungen anzufnüpfen. 

In der That fand das Bündniß Bethlen’s und Ungarns mit 
Defterreih und Böhmen ſchon den 25. Januar 1620 feinen 
Abſchluß. Bethlen arbeitet in Conftantinopel gegen die öfterreichi- 
ſchen Diplomaten Ceſare Gallo und Starzer, denen es gelun: 
gen war, eine eventuelle Anerfennung Homonnay’s als 
Fürften Siebenbürgens durchzuſetzen. Diefen rübhrigen 
Gegner ereilte jedoch bald im PVolenlande der Tod durch Vergif⸗ 
tung; ein Glüdsfall für Bethlen. Die Pforte bemeijt fich gnädiger ; 
das Ausland bietet Anknüpfungspunkte; mit Böhmen wird zu Brag 
der bejondere Waffenbund abgemadt (25. April). 

Unter günftigen Vorbedeutungen kann Bethlen Ende Mai den 
Neujohler Tag eröffnen, auf welchem Ende Suli die Taijerliche 
Botſchaft erjcheint, unter Führung des Generals Grafen Raymund 
Sollalto, der mit würdiger Entiehloffenheit den Thronfig in An- 
fpruh nimmt. Am 17. Auguſt verlafien fie und die polnischen 
Gejandten den Landtag, welcher zehn Tage jpäter Bethlen zum 
Könige Ungarns ausruft. Aber die Krönung vermeidet noch 
der Vorſichtige. „Schufter bleibe bei deinem Leiſten“, fol er dem 
allzu hitzig darauf drängenden Alvinczi gelagt haben. Zwiſchen 
der Varteimahl und der Krönung lagen Aufgaben, die noch zu löjen 
waren. 

Aber immerhin war das zweite Königreidy für Ferdinand mehr 
als halb verloren; das DVerderben Habsburg’ 8 — der terminus 
fatalis domus Austriae, der ftets vor Anhalt’s Augen ftand — 
ſchien ſich doch zu erfüllen. 


XV. Bud: Ferdinand IL. u. IH. u. d. dreißig. Krieg (1618—1648). 425 


3. Die Schlacht am weiken Berge und die kirchlich⸗politiſche 
Reſtauration. 


Literatur. Außer der z. 2. A. angeführten: 1) über die Schlacht 
am weißen B. ſelbſt und die verlaufenden Kriegsereigniſſe, die älteren, zunächſt 
zeitgen. Druckſchrr. bei Weber, a. a. O. ©. 407—409; Brendel, d. Schlacht 
am weißen Berge 1620 (Halle 1875), eine Quellenunterſuchung; Gindely im 
Casop. tesk. mus., 50, Bd. (1877): 2) Ueber die Folgen d. Schl. a. w. B. 
Bol. u. d. ältere Lit; Weber, a a. ©. 412—413. D. wicht. Quellen: 
Stransfy KRespublica Bojema, 1. A. 1634 (Leyden), 4. A. Franff., deutich 
b. v. Cornova, 1792 ff, Prag; Idea mutationum bohemo-evangeli- 
carum ecclesiarum (Amijterd. 1624), ftammt v. Prager Fred. Jacob Jacobäus; 
Historia persecutionum eccl. Bohemicae (Amfterd. 1648), geſchr. |. 
1632 v. Mehr., darunter aud Amos Comenius, Wengerz (Pieu: 
donym: A. Regenvolscius) Syst. hist. chronol. eccl. Sclavonicarum .... 
1. 9. 1650; 1679 n. U. u. d. N. Wengerfcius (Amfterdam); v. fath. ©.: 
Garaffa, Germ. restaur. u. Relatione a. a. ©.; Balbin, Miscellanea 
hist. regni Boh. IV. Ueber dieſen patriotifchen Geihichtichr. d. Geſ. Jeſu vgl. 
die Abh. von Rybieka im 45. Bde. des Cas. tesk. mus.; ferner Hanus, 
über Die vandalifhe Thätigfeit des Jeſ. Konias in der böhm. Lit., ebenda 
1863, L, II. A.; 

Peſchek, Geſch. der Gegenreformation in Böhmen (Leipz. 1843, 2. Lit. 
A. 1850); Legis:-Glüdfelig, Böhm. Chronik, ©. 160 fi; R. Reuß, la 
destruction du protestantisme en Boh&me, epis. de la guerre de 30 ans 
(extrait de la revue de theologie) (Strasbourg 1867); Ueber Comenius 
ſ. Balacky in der böhm. Muf. Ztſchr. (1829 TIL); Gindely, Ueber des 
Amos Gomenius’ Leben u. Wirff. i. d. Fremde, Situngsber. d. Wiener Af. d. 
W., hiſt. ©., XV. Bd. | 

Tieftrunf, Über d. polit. Zuftand Böhmens, bald nad d. Schl. a. w. 
B., Cas. tesk. mus., 47. Bd.; Kalouſek, Böhm. Staatsreht (1870, 6 A.); 
(i. czech. Spr.); Toman, Das böhm. Staatsreht u. d. Entw. d. öjterr. Reichs— 
idee, 1527--1848 (Prag 1872); Bidermann, Gef. d. öjterr. Geſ. St. Idee, 
I. Bd. (Innsbr. 1867). Ueber die gefellich. Verhältniffe Mährens v. 1620 veröff. 
Arhivar Brandl einen czech. geſchr. Auffag (Brünn 1866), (spoleini. pomery 
v nasi vlasti pred r. 1620). 

Ueber die Güterconfisc. f. den Ber. d. Comm. 1623 i. Arch. d. böhm. 
Geſch. 3. Bd., S. 177—182 u. Riegger, Mater. 3. Stat. v. Böhmen, 3., 
5. Theil; w. u. die Tilly: und Wallenjteinliteratur; die zahle. Mono: 
graphien 3. Geich. des böhm. mähr. Städtewefens (vgl. L Bd., ©. 377 
Lit.); insbeſ. v. Schlejinger, Hallwich, Lippert u. |. w. f. Böhmen; 
Wolny, d'Elvert f. Mähren; i. Allg. Majläth, G. Defterr., 3. Bd.; 
Pelzel, &. Böhm., 2. Bd. (reihe ältere Lit.); Schlefinger, Geſch. Böhm.; 
Knies, Wuttke, Üb. Schlefiend Stänbeverhältnifje; Hurter, Geich. Ferd. IL. 
3. Bd.; Brig, &. Oberöiterr., 25 Herrmann, ©. Kärntens, 2. (vgl. Tebin- 


& a. - = 
235 — u - — — —2 
2 — 5 er — 2 22222 
- - 3 - = - zn 
7 r —.. - = en EA \ 
- = — — - . 
I _ .— _ 2 . „a .L7 
.. . »- = - .- 7 * - 7 - - m ww - — m 7 
— . m .. - m » ©. - DV Bu Be ee Er 3 
. - | un - - - n - - .um — Bw 0. 2 — — — — vo u -. - — — r®. 
*2 — 2 MO. - - - mu amt .- — — ln. um || mn. . im Pe nd 
. - .. -. .. - — 82 =. we a m = nn “m m -——._ 
. - “ F — . om. . -.".. — ⸗— —— m. ne” 
- [2 - [u 2 - — |... - «J - - — — 2* —_ = .. - Da 
Bu -.- “ - - 2 - [3 = - 0m = — — “'o-=-. ⸗ 2 —— — om 
- - » - 
. -  -a rn 2 - — wm n 
2223 —48* — Teac: . Ta dazu 
.-. mon - — u... — — u. (m — 0, > — 2 DT nn J > 
z * Po De .. - ; — — T - Dep ven — — „72 
5 Par ver 2 Pe 7 .- on u — —— — — — — un ma 
” . - - . ” * 2 
Pe ” ⸗ = — — — — 0a — ⸗— —— „m... — — — — 
7 2 2 -_u.. 0 
[23 -A en -,.n. L } - „. _ ... — (| --,; — u b — e me u,_ 
Pr “ m - - - . — — .. — — — ug m 
Pr - =. im ...- zT gu. "mt ..— Pe . 7 — — u 
L mM. — 2 22 wu - = u Ta - — ⸗ — Er Du; .:  omummw m mu 
—X - - 
. o.- - 0m “ — * — m 0 mn: um. = — — |. a 23 
7 Lo 222 — — m - a -" . m. - —— > eo — — — — "sun. 
. " = . — 
nn » ya “ nl Loc m 7 un = mm — mm  .——— 1) .o— — — ⸗ 78* 
a... 4 nn” ou - -——.- — - — — 2— —2— m mn m Bu 
- on rm .. 8.-—j mw nun | ” um .— — eo. m 
- * * - . - ” ” _ . - 
PT w [1 ns Dur u 0 2 - Do = [ - us — m 0.» m. — 7 * m 60 . a. m 2 wi 5 
Fr ci -. .„.'- FE vo a=-. - - „. — ———% nm.= ma ma rede a son 
’ a⸗ * * + ” - ——n » . y 
— a. m. 00 — nr. — mm ——.— — m nam 0 cn —— a nun 
oo... nn m. m Eom or m 2— zn... — —— „3 .—. .o DU 7 * .— aa 
« Ly Z 27 mo. —" | rn une. - - n—| | u 6 non TCAMßM 
⸗ Dr 
. ” |: — .. Pa u u ee ee m... — — 8— *2 — . u. 
.. ’ « - we . — — mn — Io u... „ı un h. . ... m m0.o ti 
[4 - 
a1 9 . - . ||| - _ — nn DE sm m u tn m m =: mn vom mo wm 
⸗ ⸗ 4 2 - 8 
u. wo... ww n 2 2 ä u Jr aan vr man, ı — an = 908 wa a u. no. 
⸗ - = — 
f “. .u nr -o m. uw ru 3A Va mu w..um. sem = — u. —. 1... 
tan n. ars. [Ey ] un. nn ung an mm 2 -—..—“o muss w nu 'Tnu.nm nn ur -eobann 
„u 94 zZ .... wu A -mu.s B.:.-- mr ! nwe;. ——. s.io— .— .. un; : IL 
Yon u“ “, .. 2 — . —2— —— wu... “uorn bb m 
17° ‚” E27 .., ; un Don. .. ... 222 .— no. su”. ns .... keze⸗ 
Pr ef u DW) .... m de -_ u reg — — — nu Eee m oase ...qmunB se... 
4 ”“. } . eo = nn. . „n' 7 —— —— — — = “oo 
‚ e — ge Ey . =. 0. — -, -ıq mus pe “ .. — 
2. „ 7ı y“ .... c, A: a 0 mon ns Senna eva. ne.crtet, 
n 
D f} -L a [ — Pi - L. — 
„ p} vorn —024 mi name pP PN -——— m - ..—..- eu zuy,e eu - 
77 ‚2 Pr ty „Ts LIT ZEN u 4 an... En 02% a0. MAaLà rt: 
”. =» > ⸗ 2 — .,n . 57 * u 1: . .. om . m... = un, sar = + rs 
* Po’) Dre) m %. on“ 27 md = san ton %oa SICH 
4“ 1 » I mt... „osgc nn nlzezuss so. m u. (8 ach. tern > r: 
und ’ rd „nt Pr Sur gr pe Zah — a un san no Din 3 cRbÄMGVL T ä au - 
’ 2 “ - 12 - Fa . fr . 
. le. -eıı "0. 094% y. nn, zu - ny 2’ 20 a ıye a. sh “Rn - J % 7 - 
sısf di: “ı. ’ .. as verzel ce tr Kir Ten Ger MIT. der Anders⸗ 
4 
re — — 
⸗ 


⸗ 


Zie entereoden ber neuen Herrichaget waren mit Der Huldi— 
ami.gede nah, Mahren und Schleſien Februar 1520) vorbei, 

net jeut Thattrait su zeigen nad Innen und Außen. Aber 
in beit ichteuchen Willen, in dem untelbrändigen Weſen 
e—niih' mar hieiur nicht Kaum. Er ichmanfte zwiichen den 
naneotiertentoen Einiluſſen ſeiner Deutichen und böhmiichen Umge— 
ine, nie ſich bald idwel aniahb und im ewigen Hader lan. Ein 
lets Fuhr, von Yißwachs und endlojem Kriege veruriadt, Noth 
um Glenn hündigte Tich Immer prohender an, und ttand mit dem 
printtoollen Hfleben des Deutihen Mönigs und feiner englijchen 
Gattin in grellen GGegenſabe. Es fehlte an Geld, an Kriegsmitteln, 

bie Seeresleitung war vielföpfig; der militäriid) bebeutendite 


XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618-—1648). 427 


Stopf, Mansfeld, der Söldnerführer, hatte fein Herz für die 
fremde Sache und lag mit den Directoren in ewigem Streit; er 
durchblicdte auch wohl das Fadenjcheinige diefes ganzen Striegs- 
weſens. 

Und doch ſollte es bald den entſcheidendſten Kampf beſtehen. 
Denn der Gegner, der Habsburger Ferdinand, getragen von dem 
Bewußtſein angeſtammter Rechte und dem Glauben an die Zukunft 
ſeines Hauſes, einer Großmacht, die ſchon ſtarken Stürmen wider: 
ſtanden, wußte, was er wollte und ſollte. Das Bündniß mit 
Bayern und der Liga ſtand feſt, ebenſo der Preis der Kriegshülfe 
Marimilian’s, die Verpfändung Ober-Oeſterreichs und im 
Hintergrunde die Uebertragung der Pfalz und ihrer Kur 
an Bayern; in der That nichts Geringes; aber — wo es ſich 
um die MWiedergewinnung des böhmiſchen Neiches und den Gieg 
der habsburgifhen Monarchie und des Katholicismus diesſeit der 
Leitha und ebenfo um die Zukunft der eigenen Herrichaft in Ungarn 
handelte, durfte Ferdinund nicht lange abwägen. Sein Botichafter 
Khevenhüller und der bayerifche Agent, Dr. Leuder, bearbei- 
teten den ſpaniſchen Hof, der fi endli im Hochſommer aufrafft, 
um Ferdinand’8 Sache und mittelbar die eigene zu unterjtügen. 
Philipp III. rüftet ein Heer, um es unter Spinola, einem 
der beiten Feldherren, altipanifcher Schule, in die Pfalz einbrechen 
zu lafjen. Auch der Papſt muß endlih, von Bayern gedrängt, 
mit den Eubfidien für die Liga heraus. Polen it habsburgiſch 
gelinnt; es hatte bald nach Friedrich's Wahl ernftlich auf den Aus- 
glei) mit dem SKaifer bei den Böhmen gebrungen. Polen und 
Koſaken ftehen ala Soldtruppen für Ferdinand bereit und erjcheinen 
bald in Schlejien und Mähren. Ueber den beiden Laufig 
hält Sachſen die Hand. 

Friedrich, der Pfälzer, durfte dagegen auf eine ausgiebige 
Unterftügung von Seiten des englifchen Schwiegervaters nicht rech— 
nen. Jakob I. fandte allerdings 2000 Soldaten, einen bunt: 
Ihedigen Haufen Zuchtloſer, unter Grey’s Führung ab, verfiel aber 
jonjt ſtark dem Einfluffe der ſpaniſchen Politik und ließ nur un: 
fruchtbare Bermittelungsverfudhe in Scene jegen. Frankreichs 
Königshof war damals noch einer entjchiedenen Angriffspolitit gegen 
Habsburg-Defterreich fern, Venedig nur ein diplomatifcher Freund. 
Die Holländer zeigten fi) fühl und zurüdhaltend und die Zeit 
des jungen Schwedenkönigs, fih in die deutihe Frage zu 
ftürzen, war nicht gefommen. Zum Beiftande aufgefordert, konnte fich 
Guftav Adolph leicht mit den Gefahren entfchuldigen, die ihm der Papis⸗ 


498 XV. Qu: Ferdinand II. u. III. u. d. Sreitigi. Krieg (IHII— EAN). 


mus und ſein Rivale, der Tolenfönia, bereiten. Sachſſe n ſtand bereits 
mit Ferdinand im Einveritändnite, denn die Yaufig war ihm als 
Bundeslohn zugedacht, und wenn auch Kurfürſt Georg auf dem 
Mühlhauſer Fürſtenconvente (Mär; 1620) noch zögerte, 
auf die Aechtung dis Pfalzgrafen-Königs einzugehen, jo war Dies 
nur aus Bedenken über den Cindrud deinen in proteitantiichen 
Kreiſen geicheben. 

Was aber am unmiderleglichtten die innere Zerfahrenheit, den 
furzen Blid, überhaupt das Mortreihe und Thatenarme der Union 
fennzeichnet, find die Beichlüfe des Ulmer Tages vom 3. Juli. 
Hier mußte es der ichlaue Banernherzog, unteritügt von Frank— 
reis (Hejandten, dahin zu bringen, daß die Union, deren dama: 
liger Iherhauptmann der Brandenburger war, mit der Liga einen 
Jeutralitätsvertrag abſchloß, und hierdurch die Sache des Pfälzers 
in Böhmen preisgab, während Marimilian und die Liga in dieſer 
stage, Spanien bezüglich der Pfalz, freie Hand behielten. 

K. Friedrid war jomit auf ih, auf Böhnen, Mähren und 
Schleſien, ſoweit jie der protejtantiichen Bemwegungspartei angehörten, 
und auf die Sympathieen der Tefterreiher und Ungarn beichränft. 
Die ausgiebigite Hülfe konnte nur Gabriel Bethlen gewähren. 

Denn all’ die Correipondenzen über die Action der Oeſterreicher 
und der jteierijch = färntnischen Sejinnungsgenofjen: man wolle dem 
Mälzer zutallen, dem Bethlen die Päſſe öffnen, den Türken jelbit 
fi) als Schußherrn gefallen laſſen, — veritummten bald Angefichts 
der erniten Maßregeln Ferdinand's im Stammlande der Monarchie. 
Ten Niederdjterreichern wird ein peremptorijcher Huldigungs- 
termin gelebt; Die Mehrzahl fügt fi) den 13. Juli; die Seceſſio— 
niſten verſammeln ſich in Horn und Retz und trogen; den 12. Sep: 
tember trifft dann 31 vom del die Aechtung. Oberöſterreich, 
bem das failerliche ‘Patent vom 30. Juni die Augen öffnen joll, 
hört bald non dem Anmarſche des ligiſtiſchen Heeres unter Führung 
bes Herzogs von Bayern und feines Feldherrn Tilly. Der fünftige 
Iufaubherr Oberöſterreichs erfcheint den 3. Auguſt in Linz, ſetzt 
im Kamen des Kaiſers eine letzte Friſt der Huldigung auf den 
19. Auguſt und erzwingt ſie von der Mehrheit. 

Und nun bricht Das ligiftifche Heer zur bintigen Entſcheidung 
nenen Böhmen auf, nachdem es fich bei Nieder: Pölln (8. Sep: 
tember) mit der Meinen kaiſerlichen Armee unter Bonquoi vereinigt. 
Ein ſeltſames Geſchick führte da die beiden wallonifchen Landsleute 
zuſammen, Vonquoi und Johann Ticherflas von Tilly, 
beren Erſterer noch jüngft der Spanischen Krone gedient hatte, 


XV. Bud: Ferdinand IL. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 429 


während der Zweite (geb.. 1559), in jungen Sahren gleichfalls in 
ſpaniſchen Dienften, unter Alerander Farneſe focht und von 1595 
etwa bis 1610 den Habsburgern diente, um dann, als ftrammer 
Soldat und rüdjichtelojer Katholif von den zerfahrenen Verhältnifjen 
angewidert, bayrijch=ligiftifhe Dienfte zu nehmen. Der britte 
Wallone auf den damaligen Schauplage, ein waderer Krieger, 
Dampierre, war furz vorher als Soldat auf dem Kampfplatze 
gefallen. 


Denn bevor auf den Gefilden Böhmens gefchlagen wurde, hatte bereits 
Bethlen die Waffen ergriffen, feine Feldherren gegen Lackenbach (Lokhäza), 
den Sit feines bedeutenditen Widerſachers, Eßterhäzy, aufbrechen laſſen und in 
eigener Berfon Haimburg, den wichtigen Grenzplag an der Donau, berannt. 
Dampierre ſchlug jedoch die Schaaren Bethlen’3 vor Lackenbach, nöthigte ihn 
felbft von Haimburg abzuziehen, ftürnte dann gegen Preßburg und fand hier 
von einer Kugel frühen Tod. Gollalto konnte bei Petronell (11. October) das 
Teld gegen Räköczy nicht halten. 


Die Hülferufe Friedrih’s von Böhmen und Anhalt’s, der Haupt: 
ftüge des böhmischen Defenfionswerkes, an Bethlen gerichtet, bemeifen 
am beiten, wie es drüben ausfah. Es war ein Chaos, in welchem 
der Streit des böhmiſchen Kriegsrathes mit Mansfeld, deflen 
wiederholtes Entlafjungsgefuh ebenjo charafteriftiich ift, wie das 
Zurüdweichen der böhmiſch-mähriſchen Armee Friedrich's gegen Die 
Mitte des Landes, nachdem man die Bereinigung Bouquoi's mit den 
Ligiften zu hindern unterlaffen. Als ſchon die Entſcheidung mit 
großen Schritten nahte, Schloß fih Mansfeld in Pilfen ein, täufchte 
die Alliirten, namentlich Bouquoi mit der Ausficht auf Webergabe 
des feften Platzes und jeinen Eintritt in kaiſerliche Dienfte 
und hielt fie fo bis zum 25. October auf. Zur gleichen Zeit kün— 
dDigte er aber der böhmischen Krone die Dienjte auf. Zum lebten 
Male hatte er mit dem Generale Grafen Hollach (22. Uctober) 
eine gemeinfame Waffenthat vereinbaren wollen. Ein letter Antrag 
Anhalt's, den erprobten Kriegsführer feitzuhalten, kam nicht mehr 
zum Austrage', und Selbitverleugnung, moraliihes Pflichtgefühl 
fannte Mansfeld nit. Was galt dem fchlecht gezahlten Söldner- 
führer die verfahrene Sadhe der Böhmen! Nur ein Theil jeiner 
Truppen, darunter fein Leibregiment, focht bei der Entſcheidung mit. 

Don Rakovic hatte fi der Generaliſſimus Friedrich's und 
der Böhmen, Chriftian von Anhalt, zur Dedung Prags gegen 
den weißen Berg gezogen. Hier ſchlug er ein gut befeltigtes Lager 
auf. Er folgerte richtiger als der eigenfinnige Graf Thum. Schon 


nn” .. ® . .u - 
2.58: h, 4 ⸗ 0 - . ” — m... ’ — F. 2 — — 2* 
= - - 
L - - L } |. |u. m... 0: une“ ⸗ “vw en mt nn Im - u....-:.— 2 
nr ı. sn 7 “ur „m. Ta on. warn nn. on .T 1.277787 —. „TE 
“ . . 4. 7 “ ..% u mim Zus“ zw. ..; en-- soo m me en ". 
4 ,.. 3 2 ... D „to Pe ur ze = 0 mn nun N TI = 
— 2 ni ‘ n.. 5. ». 
“sr . . ..- _n u... va. u LE u ce 2 - % —X =. — vu — 
ur.’ = 7 37 4 “nr < Dem om n 0 .7 ann a TIT Lad. antee 
* —⸗⸗ ⸗4 e⸗ - 
2.. . - . —rE Ur ° Dur 7) — 7a ma . An“ pr 
Jr ” : \ . z Tu Anni mw en une Ze5 Anus CI u re \ 
[2 
L_} 
& sam a, 4” int; 0 Grm rt; 
ı”; 3 —W — — — | 7 Zr wur Cr Eu Er ey 2 .:- Or # Ab |. 
Du} 7 ⸗ 
— « - [ 
. wita 15:0 > 
2.8 „ . -'. LP} ” Jr N *.n [2 ur wn nn #& au u ale 1a a 
- - - . .-y . - - . 
( 7 253 —* .25 u | ...g um ur..." ., 742 na nen une an nn. 
Br Pr 2 22 Pr Pe Ra un. ai Val mn he 100 men Sau BK mans “.r.1, 
. * ® 
> . . PL SPR | non Mr; zw . ..n..a (12 1 l-- - 
ZA de um maıvnan Herz om Mina 2 Ulecrı 33 
. f} ⸗ 5 “ nd “ [4 L — — . P . - 
r „6. gu r m “ 5327 „® .. . - Pi 7 *22 — un 
»,, Zn „in . uno 24 32n rar 2 SI at za? Kaosimurı ⸗ Te 


— ’ . .5 as 2. 55 —E 25 = a nee r “ 
Mean nach Dans Miehl en En itarmid-tarieren NIIT AT — 


Um ro unzbentcbligen Kenlerznaritte gewend: umd 
pie Srhyralin Wrberiase Dir Armee des Piatters vorwarsen 
Ari, en rent Zuyn verwundet und in Setelidern Ztrrum's 


ur, 2, Aisinsestt geiongen genommen wurde, konnte Die allge— 
nee at lt sutcntnoonmen; nur die Mährer, unter wub: 
ums ter en an Thurns, barrten aus und ttarben meiſt Den 
nn 1 nern Fon Gen Ligiiten murde der nadımal5 io be: 
sub Vapgpenheim ichmer verwundet; doch genas er :n Praa 
in quſn burawrhid,ec Atloge, 

Ahnungeli,, pa bie Schlacht bereits geliefert, mar König 
zehn anmebrochen, um Tein Heerlager zu beſuchen. Anbalt, 
Shin une zonllech, Tpreengten flüdjtig einher und brachten ihm Kunde 
oo en Ulnſeil. Jam 5 Stunden reift newährte Der Tiegende 
Kuyanberene ment Nenergeichmetterten, der nur das Nöthigſie zu: 
bunten mit rau, Mindern und geringem Gefolge aus Prag 
entiluhh, un Ner uher Nymburg nad Breslau einidhlug, um 
ham ragen Glenn \ahres, enttbront und heimathflüchtig, den 
Wen ber Aeilin nach IBolfenbüttel, Hamburg und endlich 
ac Solana nehmen, wo ſich ihm zu Haag eine Freiſtätte dar— 
hit, Mitche Aulle quälender Gedanken mochte feine Seele bewe— 
war, unn mienyieſ harte ‘Worwürfe und Verwünſchungen mochten 
ben „Minferkönige“ in jene Verbannung folgen! 

Eine hunde Kampfes entjchied über die ganze Zufunft der 
Vanher mer böhmiſchen Mrone und die geſinnungsverwandten Leiter: 
reiche, Nuch holen Die Schlejier am Breslauer Fürſtentage 
(4. Tezember), bei Anweſenheit riedrich's auf die Mährer und das 
Nethlen'ſche Ungarn; ſie verfprachen tren auszuharren, „Leib und 
dt bis anf den heßten Blutstropfen zuzuſetzen.“ Doch all’ dieſe 
Köoſffnungen waren eitel, -- und balb verzmweifelnd hatte ;sriedrich 
feine oben ngedentete Flucht fortgeſeßt. 


XV. Bud: Ferdinand IL u. II. n. d. dreigigi. Krieg (1618— 1648). 431 


Aber die Hoffnung, aus der Tiefe feines Unglücks wieder emporzukommen, 
verließ ihn nicht. Der Friegeriide Markgraf von Kägerndorf, Johann 
Georg von Brandenburg-Anſpach, hielt an Friedrich's Sache feit und ſuchte ſich 
mit Gabriel Bethlen zu verbinden, der noch in Waffen gegen die Kaijerlichen 
tand. Von Hamburg aus fjchrieb den 18. Februar, 1621 Friedrid an ©. 
Bethlen: „Er möge nur den Krieg im Fluße halten und Dejterreih, Steier— 
mark und Kärnten gänzlich verwüften, Mähren zernichten und Schlefien niit der 
Nachbarſchaft in Grund verderben und zu Aſche brennen“ (!) Inzwiſchen dürfe 
Friedrich durch Unterjtügung ſeines Schwiegervaterd, K. Jakob's I., bes 
Dänenkönigs (mir deſſen Sendboten und den Vertretern Holland's, Eng: 
lands dann im März 1621 Friedrich in Segeberg zufammenfommt), des Kö: 
nigs von Schweden und der niederfähfiihen Kreisjtände (denen 
er am 2. März fchreibt) auf ein Heer von 20,000 Mann, auf die Mitwirkung 
Mansfeld's, der fich noch immer „treu und ritterlich” gegen ihn benehme (!) 
und auf den Bund der Generalftaaten gegen Spanien rechnen. In dieſem 
Briefe erjcheint bereit die politische Conjunctur der nächſten Jahre angedeutet. 
Tes weitern Krieges Bethlen's werden wir an anderer Stelle gedenken. 
Hier jeien zunächſt die Folgen der Schlacht am weißen Berge hervorgehoben. 


Wir haben bereits der Schlacht am weißen Berge in ihrer weit— 
tragenden Bedeutung gedacht. An die Niederlage der ſtändiſchen 
Oligarchie, wie ſie ſeit 1606 ihrem Höhepunkte zueilt, knüpft ſich 
diesſeit der Leitha der Niedergang des autonomen landſchaftlichen 
Lebens, wir möchten ſagen ſeine Verflachung, zu Gunſten der die 
öffentlichen Angelegenheiten ſtets mehr bevormundenden Staatsge— 
walt. Das warnende Wort des Autonomiſten K. v. Zierotin, die 
Stände möchten nicht zu viel anſtreben, um nicht Alles zu ver— 
lieren, ſollte ſich erfüllen. Das, was den Geſchichtsfreund ergreift, 
iſt nicht die Niederlage des übermüthigen, auf das Privilegium 
der Alleinherrſchaft pochenden Feudalismus, in ſeiner 
unduldſamen Einſeitigkeit und groben Mißachtung der bürgerlichen 
und bäuerlichen Intereſſen; — ſein Kampf mit der Monarchie war 
kein Vertheidigungskrieg gegen Tyrannei, worin es allgemeine, heilige 
Rechte des Volkes galt, ſondern ein Kampf um wahrhaftig unzeit— 
gemäße Alleinbefugnijfe, — deshalb hatte er auch einen fo 
fchnellen, vernichtenden Ausgang. Was uns tief bewegt, it Die 
Thatfache, daß die fiegende Macht wie immer in foldhen Zeitläuften 
des Nächeramtes waltet, und wenn der Kampf um das Recht aus: 
gefochten ift, die Unterliegenden als politijche Verbrecher zur Strafe 
zieht, daß bedeutende, perſönlich achtbare Männer an Leib, Gut und 
Ehre gebüßt werden, ihr Familienwefen dem Verderben überant: 
wortet erfcheint, daß der Sieg nicht bloß reinigendes Gewitter, 
ſondern zugleich zeritörende Fluth ift. 


- — ww 


4323 XV. zu: Tome In . rmeramur Mil—isen 


Der nım Des alım anntmammum Aria Biimems und Mäb- 
rens, inalstondare ir Zirülarie Krriirtan, Io Sunifiune 
Der Naticn imo rlmizenm Zinni, TerisomntT srmumscsı ein 
neue: merzälidge li yıanlmande ent nd, men ron 
fremoturtisın Alrtımimlizun JnrunlT, vun Terre Die 
Krone Murh Zkirkunzm mninmn Mans orııcer, zur Dem 
Die PANNE Las: Emmin, Ing: haar Seifen Raufls su erserben. 
Sun die 2 Mae Mir Dinträleliinen, zmıD: serNnm I. 
ſelbit in Der iinlinzarziritnn rin 1830 aut narım en Iritheil 


ter uterm: nge viraniälagge, rien Dal uner in Banden Der 
geldbedurittnen Masionmz, me leinirıczs ———— muß, 
um rat in den Binz vorn Barvummun an vranam, ale Ver: 
prliotungen su beglcichen umT udcrdies vn der Ferinniu At 
ihrer Vollmachtiräger und Bunt. menuntir Itamiae cusgebeutet 
wird. Neben Dielen ntuen Landicſen techn Dis anneimniiden fatho— 
lichen Herrengeſchle chter, denen die Krene variiibnr 7. mel te im 
den Taaen Der Sturme treu bieten, er idlcae, Me durs Ketho: 
liichwerdung und Yomalitar !hren Zortbeil zictzeitis u mihren ver: 
ſtanden. Es beaimmt na dir Guzerzerig in einselnen 
grogen Herrſchaftsbeſtanden antubeuren. 

Herber geſtaitet ich ader unſer Emrñnden, wein wir Die katho— 
liihe Renauration Bohmens ibre Sırbe ie bzsinmen ſehen. 
Wir wollen nit in Abrede teen, daß Dir Sieg des ttindiichen 
Protestantismus in der Schlacht am weißen Berge em fatosliichen 
Weſen eine emorindliche Feuervrobe bereitet und faum nit Gewalt— 
thaten geivart hätte, wir witten ſehr wohl, Das jenen Zeiten Die 
(sleubensduidung ferne ſtand und auch in vroicttantiichen Neichen 
Die berrichende Kirche es an Gewaltmaßregeln nicht fehlen ließ; 
aber jene Korausſetzung und Diele leidige Wahrheit mildert nicht 
den peinlichen Eindruck der Ihonungastoien Katholiſirung, 
welche der Ueberzeugung Feſſel anlegte, ſich mit dem Scheine ſtatt 
der innern Weſenheit des Erfolges mühte, und Tauſende von Fami— 
lien zwang, aus dem Lande zu weichen, wenn tie Dim EGElaubens— 
wechtel die Yuswanderung vorsonen; welche wider das proteitantiiche 
Bücherweſen einen vandaliichen Krieg begann und eine unabſehbare 
Fülle von leibliderundgeiftigerArbeitsfraitdemXande 
entjremdete, die zum Theile unerſetzlich blieb. Denn serade dag 
reid) entiwidelte Städteweien Röhmens und das deu:iche Bürgerthunt 
wurde von den Folgen der tateftrophe am büärteiten betroffen; aus 
feinen Reihen gingen die Schaaren der Erulanten bervor, welche 
dem benachbarten Zadjjen, den brandenburgspreußijchen Landen, dem 


XV, Buch: Ferdinand II. u. IH. u. d. dreißigj. Krieg (1618— 1648). 433 


Norden Deutſchlands Volkskraft und Gewerbfleiß zuführten. Waren 
biefe ſſtaatswirthſchaftlichen Einbußen an fi groß genug, 
jo wurde ein Erjag des Verluftes in der Folgezeit unmöglih, da 
gerade Böhmen: Mähren, in den Wirbel des nahen großen Krieges 
gezogen, wiederholt deſſen Heeritraße und Tummelplag wurde. Dem 
Böfen folgte örtlich das Schlimmere; die nationalöfonomifche Krife 
trat erjt dann recht grell zu Tage. 

War die fatholifche Reftauration in dieſer Richtung ein grober 
politifher Fehler, der ji rächen mußte, jo geftalteten fich feine 
Folgen noch in anderer Richtung verhängnißvoll. Die fiegende Ge: 
walt machte in den Augen der dem Beliegten ſtets geneigten Welt 
nicht bloß die Hingerichteten zu Blutzeugen jtändifcher Freiheit, fon- 
dern die Geächteten und Erulanten zu Märtyrern ihres politifch 
firhliden Glaubens. Der große Kreis der Gegner Habsburgs im 
Reihe und in den Nachbarſtaaten bejaß darin den willkommenſten 
Anlaß zur Verketzerung des öſterreichiſchen Herrſchafts— 
jyftems; die jchärfiten Federn, die fih in den Hanfeftädten, in 
Holland, in Skandinavien u. 0. D. gegen das Haus Defterreid) 
fortan in Bewegung ſetzten, gehörten dem Kreiſe der Flüchtlinge und 
Auswanderer an. 

Dazu tritt der große Nachtheil der nun vorherrſchenden gei— 
ftigen Abfperrung der deutjchen und böhmifchen Lande Habs: 
burgs vom Reiche, die doch feinen politiichen Vortheil dem Staate 
brachte und eine Entfremdung, eine begreiflihermweife jcheele, 
oft ungerehte Auffaſſung im Auslande nach fich 3009. 

Zwiſchen dem PBrinzipe der katholiſchen Reftauration Ferdi: 
nand’s II. und der Art feiner Verwirklichung müffen wir 
allerdings ebenjo unterfcheiden, als zwiichen der Abſicht und dem 
Endergebniffe der von diefem Habsburger angeftrebten Glau— 
benswandlung der Länder. Die Werkzeuge jener Reftauration ließen 
ihren eigenen Leidenichaften, ihrer Unduldſamkeit, ihrem Haffe, nicht 
jelten auch ihrer Gewinnfuht die Zügel ſchießen und verjchärften 
willfürlic die Befehle des Fürften. Ein Martinic und Slamata, 
die Männer der katholiſchen Legitimiftenpartei, 1618 die Opfer 
ſtändiſch-proteſtantiſchen Haſſes, waren ficherlich einer Schonung des 
niedergeworfenen Akatholicismus nicht geneigt. Karl von Lied: 
tenjtein, der Eonvertit, und Cardinal Dietrichftein, von der 
Bewegungspartei in Böhmen: Mähren gleichfalls geächtet, — jener zum 
Statthalter Böhmens, diejer zum Verweſer Mährens auserjehen, — — 
waren rüdfichtslofe Naturen, wenn auch nicht ohne ftantsmännischen 
Blid. Spanier, wie Don Balthafar Maradaz, der dann als 


Krones, Geld. Deſterreichs III. 28 


434 XV. Bud: Ferdinand IL. u. IIL u. d. dreißigj. Krieg (1618— 1643). 


Landescommandant in Böhmen erjcheint, ein jtreng-fatholiiher, an 
eijernen Gehorjam gewöhnter Soldat, und Don Martin de Huerta, 
von dem es heißt, er habe unmittelbar nach der Schladht am weißen 
Berge dem Kaijer gerathen, das „ketzeriſche Böhmenvolf“ zu ver- 
tilgen, Tannten feine Milde und Huge Schonung in dem ihnen 
wildfremden Lande. Die aus der Verbannung heimfehrenden Se- 
fuiten, die meijt frembländiihen Dominifaner und Kapuziner 
mwetteiferten in der Austilgung des Ketzerthums. Leute endlich vom 
Chlage eines Paul Mihna von Wacinom, der, vor Kurzem 
GSecretär bei Martinic, bald Hauptmann aller königlichen Städte 
wurde, mußten aus dem Confiscationsgeichäfte ungemefjenen 
Mugen ziehen und dieß um fo mehr, als fi in dem jeit 1620 
durch Mißwachs, Brandihäden und Krieg fürchterlich heimgeſuchten 
Lande die geldbedürftige Regierung trog der günitigften 
Bedingungen feine willigen Käufer raſch aufzutreiben in der Lage 
war und fi die fchlechteiten Terminzahlungen gefallen laſſen mußte. 
Unter ſolchen Verhältnifien konnte der Statthalter K. v. Liechtenftein 
1623—1624 für die Summe von 319,503 böhm. Grojchen jeche- 
zehn confiscirte Herrſchaften an fich bringen, der Dann der Bu: 
tunft, U. E. v. Walditein, (Wallenftein, der „Friebländer“), 
deſſen Verdienſte um die Herrihaft Ferdinand's (in bedrängtefter Zeit) 
nicht vergefjen blieben, mit feinen großen Gelbmitteln und dem ihm 
eigenen öfonomifchen Genie der reichte Grundherr Norbböhmens 
werden, was dann auf den Nofenberger Herridaften im Südoften 
des Landes die Eggenberger durch den allmächtigen Günftling 
und Premierminifter Zerdinand’s, Hanns Ulrich, und jpäter, alfo 
nicht feit der Schlacht am weißen Berge, fondern erſt in der zweiten 
Hälfte des 17. Sahrhunderts, die Grafen-Fürften von Schwarzen: 
berg durch Erbichaft und Kauf (1660—1719) wurden. 

Vergeſſen wir endlich nicht den Drud, den die Bolitif der 
katholiſchen Kirhe auf die Maßregeln des Regenten übte. 
Man darf Ferdinand II. mit Philipp II. überhaupt nit und 
gerade in der Richtung nicht vergleichen, die zur Parallele zunächft 
verloden könnte. Der ſpaniſche Habsburger erjcheint als die Ver: 
förperung des abjoluten Monarchenwillens in weltlich » firchlichen 
Dingen, während der deutjche Vetter zu leutfelig, lebensfroh und 
zu vertrauensvoll gegen feine Günftlinge, um Autofrat zu fein, — 
bis zur Vernachläſſigung politifcher Vortheile und monarchiſchen 
Anſehens — zunähft gehorſamer Sohn der Kirde ift und 
‘ihr gegenüber jene Ausdauer und Feftigfeit nicht offenbart, die ihn 
bei Fritiichen Lebenslagen auszeichnet. Dies zeigt die Gejchichte der 








XV. Buch: Ferdinand II. u. IH. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 437 


Genofje der böhmiſch-mähriſchen Brüdergemeinde nicht finden; er 
lebte, vereinfamt und gebrochen, zu Breslau, wollte aber doch auf 
heimiſcher Erde fein Leben fchließen nnd ftarb zu Prerau (9. Octo— 
ber 1636). Die Führung der Landesangelegenheiten lag nun überall 
in Fatholifchen Händen; die Bedrohten der Bewegungsepodhe waren 
nun obenan gefommen. 

Wir müffen nun der angedeuteten Zuftände in den ein- 
zelnen Ländern gedenten. 


Böhmen. Nach der Schladht am weißen Berge waren außer dem Egerlande 
und Elbogen no Pilfen, Tabor, Wittingau und Münchengräk in den Händen 
der pjälzifchen Partei. Mansfeld, der ſich auf Furze Zeit nach Deutfchland begab, 
machte den Ligijten und Kaiferlichen noch viel zu ſchaffen und ftand mit Gabriel 
Bethlen und den kriegeriſchen Marfgrafen von Jägerndorf in Verbindung, bis 
er endlich in bie Oftpfalz als ſchlimmer Gaft eindbrah und fein Oberjt ranzl 
Pilfen an Tilly übergab. 1621, den 13. März erfcheint die Faiferlihde Com: 
miffion ans Wien in Prag, dem Statthalter Fürſten Karl von Liechtenftein 
zur Seite Den 18. d. Mt3. erließ bdiefer die erfte Citation der abweſenden 
Führer des Aufjtandes. Um dieſelbe Zeit nahm der fähfiihe Kurfürjt den 
Grafen Andrea Schlid gefangen und ließ ihn (23. März) nah Prag fchaffen. 
Der fleine Krieg dauert fort. Dazu traten gefährlide Bauernunruben im 
Weiten Böhmens, die ſchon 1620 begonnen hatten. 

Am Suni 1621 wurden von ber kaiſerlichen Commilfion 45 Berfonen aus den 
drei Ständen als der Rebellion fchuldig zur Strafe des Tobes und des Ver- 
luftes der Stanbesehre und des Güterbefiges verurtbeilt; 13 davon (darunter Wil- 
beim Popel von Lobkowie der Aeltere und Baulvon Ritan) zum ewigen 
oder zeitlichen Kerfer, Einer zur Stadt: und Landesverweiſung auf ein Jahr begna⸗ 
digt. 283 Perſonen follten den Tod durch das Schwert mit Verfchärfungen er- 
leiden; darunter Graf A. Shlid, ®. Budowec von Budowa, Chriftoph 
Harrant von Boldic (böhm. Kammerpräfident), Kaspar Kaplir von Sulemic 
(Oberft:Landichreiber) und Diwiſch Cernin von Chudenic, Prager Schlof- 
bauptmann, der einzige Katholif, als die hervorragenditen der Zehn von adeligem 
Stande; Johann Kuttnauer von Sonnenftein, Bürgermeijter der Prager Altitadt, 
Joh. Schultis, Primator von Ruttemberg, Mar Hostiälel, Primator von 
Saaz, Simon Susidy, Primator von Schüttenhof; Theodor Sirt von 
S:ttersdorf (Nachfomme des Mannes der Bewegung von 1546—47) und Dr. 
Jeffenius von Sefenom, Rector der Prager Univerfität — als die Nennens- 
wertheiten der 18 Verurtbeilten vom Bürgerftande und Patriziate. 

Am Morgen des 21. Juni beftiegen das Blutgerüft vor dem Rathhaufe 
der Altftadt 24 Männer, deren Todesurtheil Ferdinand IL nad langem 
Kanıpfe mit fi felbft unterzeichnet hatte; als die Erſten Graf Schlid 
und Wenzel von Budowa. Zmölf der Hingerichteten, die alle gefaßten Muthes 
ftarben, waren Greije; der Aeltejte, Kaspar Kaplir, YOjährig, Budowa jelbit im 
Ater von 74 Jahren. „Diefe Hinrichtung,“ fchreibt der Zeitgenoffe Stäla, 


434 XV. ug: Arbınand IT. u. III. u. d. Breäcı. Array 1 1773-5, 


„murbe von einem und Benieber SSaririchtet Einen 4 Zranzen und iS 28 
mwanbt vollbracht, bar er bei feinem "rınzigen einen webibieb :E22 zur szer mu 

zchmertrin, mir bein ertien kapite er ihrer 1], mir Sim smeien . mu en 
m libreaen #.” Als er Sein blutiges Zert beendigt, zarte er ir Röp’e und 
A Ganbe zuſammen, um ire an den beiven Zeiten bes Früdenzhburres in einen 
Käfigen aufzuhüngen. Len 22. uni wurden mehrere Terionen vom Henker 
aus her "Ztadt gepeitſchi. 

an Kereiſe der (Mlaubensireunde bildere fi eine förmliche Yegende von Den 
lekten Stunden dieſer „Nutzeugen“ evangeliicher Yehre. Zımon Yomnictn von 
Nuh? verſaſite ein vielgeleſenes Mlagelied darüber. 

F.rı hurtuüdige Widerstand Fabor’s bis I. November 1621, die Geiähr⸗ 
lichteit Mausſeld's, bie Einbrüche Des Kägerndorier Markgrafen und Gabriel 
Mrerhlen ss Sortychritte in Mähren vom Herbſie 1621 bis in's Frühiahr 1622, 
von Allem aber bie Nothwendigkeit, Die geſetzliche Ordnung Angeiicht3 neuer 
Nanemmnhen (4.98, in Cuböhmen, um Röniggräß) und bed um sich grei- 
ſenden Munberwejens, herzuſtelleu, verzögerten die Durchführung 
besflichlich politiſchen Reftaurationswerfes, beijen Hauptphaſen wir 
hir bie Seit von 1620 1620 in Schlagworten andeuten wollen. 

150, den 0. Dezember kommt es zur Wiedereinführung der Jeſuiten. 
51, 1, Mary ergeht ein Schreiben des Kaijers an Yiechtenjtein und den 3. Juni 
das eiſſe Berbannumgsedict gegen Die Prediger, Profeſſoren und Lehrer des 
calumiſchen oder ſonſtigen „Seeten (Manbens“, die dem Pfälzer angehangen. Die 
ESachlage näthigt zur einſtweiligen Ziptirung dieſer Maſtregel. Ende 1621 ſieht die 
anche günſtiger, da auch Vethlen mit Ferdinand Frieden geſchloſſen (ſ, w. u.) 
1.4. Hezember 1621 wird Die Ausführung des Decretes vom 3. Juni anbefohlen; 
a RPrediger wandern and Prag, > duldet man noch. 21. Dezember 1621 
tom es zur bezüglichen Ueſchwerde Des jächſiſchen Kurfürſten, welche der 
öfter. vandhofmeiſter Adam dv. Aalditein 1622, 28. Januar. dahin beantwortet, 
daß ca ſuh aunadbit nur um Veſtrafung politiſcher Verbrecher handle. 
Tir augeburgiſchen Conſeſſionoglieder und andere Unſchuldige ſeien nicht ge— 
mir. Wan Rome dann zu NAufſchüben dev Verbaunnung Der lutheriſchen Geiſt⸗ 
beit, dia Vetober I. Den so. April 1622 ſolgt Die Uebergabe der Uni: 
Perditut und allgemach aller nadiiichen Schnulden an die Jeiuniten. 

m’ 2% Jule ?26. September gelangen Die kaiſerlichen Ediete Der Ner: 
dannung des PRiadicantenthumd amt Yande an din Werbiichor von Prag 
Wan von Mirach ale Nachtolger Dia alten Yohenidd und an den Ztattbalter. 
te’ erkenne zen. Mandate Die nun auch air Die Wetarboit: 
frrunga der protetantuchen Varenwelt abzwecken. Von beionderer Ri: 
ligtein st das vorn Nr Les Dat denelben die einze 
m Kedanbet: ürung angerubtr werden. Jin XLII. Yen mi) Biasphentie gegen 


rer Staltgamg” zregem 


We: die Juugerau und ade Derticen, deſgleiben die Zimimung des Int 
wide aka ei der Todeytiate dedrebts Darau am no ben, a Am 


div aerdetuin Jed iaundenswechteis Simitere Z Neonaten Be 
welnng BE Fedrugat frei ed zur Senetürng Der Tu: 
Sachhen der taudendrerorm. Nie Mirrgiieder mad ar Fertige. Saal 


XV. duch: Ferdinand IL. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 439 


Erzb. Harrach, Strahomwer Abt, Kaspar v. Queftenberg, Kapuziner Baler. Magni; 
b) Weltlide: Graf Dtartinic, Chriftoph Wratislam v. Mitrowic (Mitrowsky) 
u. Friedr. v. Talenberg. 

Die politifhe Reftauration gebt ihrem Abichluffe entgegen. Den 
10. Mai erfolgt die Wiederherftellung des Klerus als eriten tand- 
ffandes. Die „Verneuerte Landesordnung” des K. Böhmend., worin 
die Alleingeltung der römiſchen Kirche ausgefprochen wird, befiegelt die 
neue Ordnung des Königreichs. Der Kaifer verfügt den 29. Mai: die Wieder: 
erneuerung ber böhm. Landesprivilegien, den Majeftätöbrief v. J. 1609 aus: 
genommen, welchen Ferdinand II. mit eigener Hand zerſchnitt. Die Verordnung 
über den Huldigungseid der neuen im Lande eingebürgerten Standedperjonen 
und die Legitimation des neuen Adels zum Randtage (vgl. das ergänzende Patent 
v. 19. Mai 1629) bilden die Endpunfte diefer Reformen. 

Die kirchliche Reftauration greift nun entjcheidend durch. 1627, 
31. Juli (am Tage bes h. Ignatius von Loyola) erfcheint das Reformationsmandat, 
welches den Herren: und Nitterftand anmeift, in ben nächſten 6 Wochen 
Fatholifhen Religiondunterriht zu nehmen oder nah Ablauf 
dieſes Termines mit feiner bemeglihen Habe und dem durch Per: 
fauf unbeweglichen Gutes erzielten Gelde — gegen Abzug einer 
beftimmten Gebühr — audzumwandern. Der Auswanderung: 
termin wurde nachmals bis Ende Mai 1628 erftredt. Inzwiſchen erfloß 
auch die Föniglidde Refolution v. 17. Sept. 1627 betreifd der Ausfolgung bed 
Emigranten: Termögend für alle Föniglihen Städte des Landes, Budweis, 
Pilfen und Schlan ausgersmmen. Es wurden 4 Quoten für: a) Majeitäts- 
verbrechen, b) ausftändige Gontributionsrene, c) Privatforderungen und d) Ge: 
meindefhulden — in Abzug gebracht. Vermächtniſſe, Käufe und Theilungen 
unter der Hand follten feine Nechtöfraft haben. Den Reigen biefer Maßregeln 
ſchlieft das Decret vom M. Juni 1628. Es ſtellte als peremptorijchen Aus: 
wanderungstermin 6 Tage feſt. 

Die Wirkungen der Reſtaurationsmaßregeln nehmen bald 
große Dimenſionen an. Obſchou ſehr Viele ſich zum Schein-Katholicismus be— 
quemten, muß doch die Auswanderung um des Glaubens willen 
mafjenbaft genaunt werden. 

1623, 24. Juli bis 25. Sept. wanderten aus der Prager Altjtadt, aus dem Leit- 
meriger und Jungbunzlauer Kreije, dem Heerbe der Yrüdergemeinden, an 12,000 
Perſonen abeligen, bürgerlichen und geiftliden Standes aus. Seit Ende Juli 1627 
betrug die Zahl der Prager Frulanten täglih 70—80 Perfonen. Die Haupt: 
ausmwanderung v. &. 1628 läßt als Endergebniß — nad) den Aufzeichnungen 
des Fatholijchen Geſchichtſchreibers STavata — die Zahl von 36,000 Erulanten: 
Familien, darunter 185 adelige Geſchlechter, annehmen. Ihr jteht ein 
Geldwerth des confiscirten Gutes von IO—45 Millionen Gulden gegenüber. 

Zu diefen Auswanderermaſſen ftellten einzelne Orte bejonders hohe Con: 
tingente, jo Brag vor Allen, Kuttemberg, dad nun ganz verödete umd ver: 
arınte, Jungbunzlau, Leitmerig, Königgrätz. Die Einwohner von 
Lyſa äſcherten vor dem Eintreffen der Glaubensconmijjion den Ort ein, unb 


44. Er. 2: Term: T mn. ntoergmur Ieisoieis: 
mamumın zu. Sılır zeuiui I WI RI Saonzm zum Bibi, 
„en lern Wärimitltimssurlaan!. 121. Zen Do. Nm Rue: 
Surmer 2ın Zulen sermtoen lien tm oo ı2_ 7 zmariee Wo in 
es 2m Wenzmme zMazım,. Immer Zi: wären in Die 
madını II Jmı on lu mıefı Amzıınmı Bermui Teen Wide 
ers mantemmn ın Ias Sran)anluıgtS 2Tıl®.sa ıımm — Velbi 
Sa Mimisslaıı on ba landen &ütum amt za Iren. Jzrsıarın bie 
Zero, zumn Samlaız. — T22 ST2un'äöcerz m Die 
Resstst: \ürmiern azııeden Mmlanım Dizımı van oz Smland; 
emaleırrer: Zus pelabızım und gertiıden Roeie,n 

zn muntan zei: . Dan Ju! SeRscH 2:3 ——— en. Der 
Leztallgr yır Io la im Antterram gereufien Lira 2.0.28 Lu. erilcnlam.... 
nes Mus Sılı!, MIennanıın Sin ger2fum ur bismiiche 
wirt ar... Sunzan Ibranenr des dendes Flbmenm UÜriertais larrmmas... 05 
em Ani ann Dalgmeäi rer Sabern’giD Sr 2rärtäceher ‘. Serrı und 
Zuhil zın wolaregE. Nr fürn poker balausımte Brtındr und Siranitifer 
42. Zirznsts ler, 5 Respiiliva Bei-ma: 22. L Yanr ı. Bud und 
Ber anziben (Filiätareber der Sutzenkng: Sa, Titan: Sihlaggen- 


Ber. im vuladı ach em der keten wagen NN in Ne „wührbafte 
nee Zetrungt sugeibrieien merten Sort: "an Yanlamann Frineiru5 Derdient 
* ————— zen eꝛtauns ſind Aberdits Dir susfisriäte Sbroniit Der 
are Ir. lu Tau: Zac van 3bar. ba Feiäin von NDesdiec, der 
erie Serinszeker des Toimi und der Mai. Carina v. Lot: Andre, A. von 
Radonic, ber zweimel Indien beicht. Rad. Kins!r mibini, der in 
" Zpraden beimiih mer und iateinüich Dikieie, der Obron:t Wenze! Noindlo u. A. 
— Ter einer Zeir berühmte Kupicrſtecher Wenze: Roitar Iuchie in Holland 
und England sein Erod. 

Mir Diesen Erulanten HKüchtere alerdings cin Then der stazboltichen Yıreranır 
Föhrmens in's Ausland. Tie grötten Büchermaiſen, Dearunier eine bedeutende 
Anich: inkrfrecesıter nationaler DTruckwerke ianden zedoch 5 „Kexzeriſches“ ihre 
ſchonungsloie Lettilgung. Rühmte ich Doch, wie der geleurie Böhme Balbin, 
in Allem mehr Parriot als Jeini:, vorwurisvoll erwähnt, deſiſen Ordensbruder 
Konias, er habe viele Tauiende böhmiicher Bücher den Flammen übergeben. 

Mähren. 1620, 211. Tec. ging die Amneſtiedeputation Der mähriſchen 
Zrände nad) Arien ab. Ter Kciſer jagte Begnadigung den „Veriührten“ zu und be: 
traute din Sardinalbiihoi Tietrichitein mir der Unteriuchung der „Schuldigen“. Es 
wurde eine eigene Unteriuhungscommiiiion beitelt, und ſchon am 
11. \anuar 161 durch Tierrichitein eine Reihe wichtiger Maßregeln durchgeſetzt 
und zwar, im \ntereiie Des geiſtlichen Einfluſies, Die BVerechtigung Des Klerus 
sum Güterkauie und Die Landtags-Abſtimmung nicht nach Perionen, wie biöher, 
ſondein nad) den vier Ständen, die lebergabe der Jugenderziehung an die 
Jerniten, die Reviiion der Landesſtatuten und Die Katholiſirung Der 
Magiinate von Brünn, Olmüs und Sradiid. 

1521, 16. Januar erſcheint bereits Tietriditein zum Generalcom— 
mifjär für Mähren und zum Stellvertrtreter der Yandeshauptmann Zdenfo P. von 


XV, Bud: Ferdinand IL. u. IIL u. d. dreißig.. Krieg (1618—1648). 441 


Lobfomic (+ 1621, 20. März) bejtellt. 23. Januar erfolgt Die Wiedereinführung 
der Jeſuiten. Während der Abmwejenheit des Cardinal-Biſchofs (— 28. März) am: 
tirten der böhmiiche Kanzler und Mar v. Liechtenftein. Das Reſtaurationswerk 
begann. Doch legte die Bejorgniß vor dem Markgrafen von Jägerndorf und Gabriel 
Bethlen bis Ende 1622 einige Zurüdhaltung auf; bis die Gefahr durch ben 
Nikolsburger Frieden (6. Januar 1622) behoben wurde. Dem Garbinalbifihofe 
itand nun in8bejondere der in Dejterreich und Mähren landfäffige Sieg- 
fried von Breuner zur Seite. 

Den 11. Juli 1622 wurde das Unterfuhungstribunal unter Dietrich— 
ſtein's Borjige ernannt: Oberlandesrichter (dann O.L.-Kämmerer) Graf Leo 
Burian von Berka, die böhmiſchen Herren Wild. v. SIavata und Ghr. 
Wrat.v. Mitromic; die öfterreichifchen Herren und zugleich Landſtände Mährens: 
Giegfr. v. Breuner, (f. 0.) und H. v. Tiefenbach; drei rechtäfundige Mährer 
und drei öfterreichifche Regimentsräthe, nebſt den kaiferlichen Kammerprocuratoren 
aus Mähren: Joh. Matiaſchowsky und Joh. H. Stolz v. Simsdorf aus Schlefien. 

Die bi8 zum 2. Sept. vorgeladenen flüchtigen Nebellen wurden am 
8. Sept. 1622 in contumaciam verurtheilt. Der Landescommandant ber ſtän— 
diſchen Bewegung, Friedrih von Tiefenbach (Teuffenpadh), war bereitö den 
27. Mai 1621 in der Schweiz gefangen, dem Erzh. Leopold nad Innsbruck 
außgeliefert und bier enthauptet worden. Zu den am meijten Granirten gehörte 
der geweſene Landeshauptnann Lad. Welen von Zierotin und der Randes- 
fammerer Wilh. v. Roupomwa. Außer denen vom Ritterjtande begegnen wir ba 
auch bürgerlichen Amt3trägern aus Olmütz, Iglau, Znaim und Hradiſch. 
Der Kaiſer milderte alle 23 Todesurtbheile zu Confiscationen und, Kerfer- 
ftrafen; wie die Taijerlihe Erklärung vom 9. Nov. darthut, worin überdies ein 
ſechswöchentlicher Stellungstermin der Begnadigten angeordnet erjcheint. 

Die Fatbolifhe Reftauration Fnüpft ſich eigentlih an den Faijerl. 
Auftrag vom 17. Sept. 1622, worin die Landesverweijung der widerſpenſtigen 
Alatholiihen verfügt wurde. Das Novembermandat des Cardinals ergänzte dies 
in ber Weife, daß durch das Meijterrecht Fatholifcher Gejellen der Ausfall erilirter 
afatholifcher Arbeitäherren gededt werben jollte. 

Durch die Confiscationen, welche beiläufig an 300 Adelige und Bürger: 
lihe mit ihrem ganzen ober theilmeifen Bejige trafen, wurde ein Güterwerth von 
beinahe 5 Millionen Gulden fiscalifirt. K. Ferdinand nahm den 16. Dec. 1622 
bie den Frauen der Verurtheilten zugejchriebenen Güter auß und gab dem 
K. Erzb. Dietrichjtein den Auftrag zur nohmaligen Revifion des Grund: 
befitesundjorgfältigften Scheidung der Shuldigenvon den Un— 
ſchuldigen. Die bezügliche „General-Land-⸗“ oder „General: Erida =: Commilfion” 
unter Dietrichſtein's Präſidium begann im Febr. 1623 ihre Thätigfeit, die end- 
gültigen Urtheile erichienen dann Ende 1624 in dem Gonfiscationd: und Crida— 
Protokolle. Hiermit fam e8 zu der wichtigen Güterregelung, deren negative 
Ergänzung in dem k. Erlaffe v. 12. Aug. 1624 an den Tag tritt, worin den 
Atatholifen für alle Zeiten die Erwerbung von Grundbefig 
unterjagt blieb. Als die legten Arbeiten in der Güterfrageerfcheinen die comilfio- 
nellen Unterfuchungen des 3.1629, welche nach den 5 Streifen: (Brünner und Znaimer 


442 XV. 8u$: Ferdinen II. 2 II. 2. 2 reitigi. Arieg OBIS-LEAS, 


als bie eine, Iimäzer. Aglauer und Brehiser als z3weire (Sruppeı vor ih 
gingen. 

Karszermär i4wieriger mutie Yh die Refarboliiirung Mähren 
genafeen, bena sage Heim 5 die protettanzihhen Prädikanten, die „Ruich- 
prebiger”, wie bie Kegierung He nannıe, im Yande verborgen. Ter Garbinal- 
er bꝛi 0, uns Se Tomberrn 5. %. Plateis von Tlartentein, F. v. Hũttendori 
und .ı. :atob be Magni wirkten Da vereinigt. 

14,2%, 2. Januar befakl der Kaiſer die Ausweitung ber Afatboliichen aus 
den Kanbirädten, welchen legteren, 99. Dec., die wegen ihres Anichluited an 
ben Auinand über Ye verhängten (eldbuken oder Zaliter:Lieterungen erlaiien 
murben. (Ueber bie große Schuldenlait ber Städte Timüg, Brünn, Iglau, 
Snaim und Sradiih wurde nodh It} verhandelt. 

Als Kauptorte gegenreiormaroriiher Thätigkeit ericheinen be- 
ionbers die lororte des Anabaptismus, vor Allem Nikolsburg und jene 
Umgebung, Daun die Site der Zrüdergemeinden Fulnek, Kunitabt, Ras 
mieit, Hoitit, --- Die proseitantiihen Orte Sternberg und Römeritadt. In den 
Hauptitadten Yrünn, Olmütz, Iglau, Zuaim wirkte der Nejuitenorden 
mit feinen nen gegründeten (Sollegien und verbreitete ſeine Thätigkeit aller: 
wäris. 

Tie Emigration aus Mähren, i. X. 1627 auf dem Höhepunkte, war 
allerdings in der abfoluten Zitfer nicht jo majjenhait, wie dad böhmiſche Gru: 
lantenweſen, aber relativ nicht minder gro; jedenfalls veränderte ſich auch bier 
das ganze uriprünglidhe (Mepräge der Adelſchaft und made viele Orte 
veröden. DBeiipielsmweije erfahren wir aus Caraifa's Berichten, daR ſchon 1624 
von 20,(4)3 iedertäufern die Hälfte auswanderte (namentlich) nach Diten, 3. 2. 
nad) Ungarn), während die andere fatholiich wurde. Teer Ausfall dieſer fleißigen 
Bevölferung, die (Frilirung zahlveicher akatholiſcher Hemwerbsleute im Allgemeinen, 
blieb ein empfindlicher VLerluſt. 

Auch mancher Dann vo Geiſt wandte der Heimath für immer den Rüden. 
Ter befanntejte Darunter ift Xohann Amos Komensfn (Comenius), der ji 
1621 1621 unter wachſenden Schwierigfeiten als Prediger und Echulrector in 
Fuluek hielt, dann bei dem Herren von Zierotin und (Neorg Sadovsky von 
Sloupna ein Verſteck fand; endlih 1627 nach Liſſa in Polen auswanderte und 
bier 1632 als conjecrirter „Brüderbiſchof“ ericheint. Sein pädagogiid) = metho: 
diſches Genie verſchaifte ihm einen ehrenvollen Ruf nad) Yondon, nad) Schweden, 
endlich jeit 1682 die fejtere Stellung in Elbing, doch ohne daß er feiner Gemeinde 
in viſſa vergaß. 1650 bejchieb ihm Fürſt Keorg Räköczy II. von Sieben: 
bürgen zur Neorganijation der calviniichen Afademnie in Carospataf (O.-Ungarn), 
wojelbjt er 5 \ahre weilte, und jein populärjtes Werk, den Orbis pietus, nieder: 
ſchrieb 1 1657 3. Nürnberg gedr.); 165-4 auf kurze Zeit wieder in Liſſa, mußte er 
zum zweiten Dale fliehen und fand endlich 1656 in Amjterdam Vebensunterhalt 
und Mufe. 164,0 jtarb er in der Fremde, 78 J. alt. 

Ichlefien. Yon dem Piälzer Friedrich verlafjen, wandten ich die jchleiifchen 
Stände im Breslauer Yanbtage, 12. Januar 1621, an den Kurfürjten von Sadjien, der 
ihnen Unterwerfung anrieth und jeine Nermittlung zuſagte. In der That ſchickte er 


XV. Bud: Ferdinand IL. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 443 


den Sigmund Hübner nad Wien. K. Ferdinand erflärte jich (17. Zuli 1621) für 
Schlefien zur Einhaltuug des rudolphinifhen Majeftätsbriefes von 1609, 
aber wie Sachſen jelbjt vorfhlug, nur zu Gunften der Augsburger Confeffion, 
bereit. Die Fürſten von Liegnik und Brieg erhielten einen Citations- 
termin nah) Wien; der Markgraf von Jägerndorf, Joh. Georg v. Branden- 
burg-⸗Anſpach, blieb geächtet. Diefer bemächtigte fich der Stadt und Burg Glas 
und bebrängte Neifje. Der vertriebene Pfälzer ernannte ihn vom Haag aus 
(23. Mai 1621) zu feinem Seneralcommiffär und Bevollmädtigten. 
Der Markgraf, eine ſchlimme Landplage für Schlefien und Mähren, bejonders 
vom Juni 1621 an, trat bald (Dct.), mit Gabriel Bethlen im Bunde, 
wieder als Bebränger auf. 

Der Kurfürit von Sachſen erjcheint den 15. Oct. 1621 in Breslau und 
bewirft die Pacification Schlefiens, indem er am 8. Nov. als Stellvertreter des 
Kaiſers die Huldigung empfängt. Der Markgraf von Zägerndorf blieb inbefjen 
ungebändigt. Als jedoch im Januar 1622 Gabriel Berhlen mit dem Kaijer 
Frieden machte, entwih der Markgraf nad Oftungarn und fielen bald bie 
von jenem bejegten Orte in Faiferlide Hand. Am längiten wehrte jich der junge 
Thurn in Glatz (bis 26. Oct. 1622). Schlefiend Bebränger, die im Faijer: 
fihen Solde ftehenden polnifhen Koſaken, wurden endlich mit Erfolg ab: 
gewehrt ; doch erneuerten fih 1623 von Polen aus dieſe Gefahren. 

Die Zuftände Ober: und Niederſchleſiens, in welchem letteren der Prote- 
ſtantismus fajt ausfchließlih galt und an den Herzogen von Liegnik, Brieg, 
Oels und Bernftadt fürjtliche Stützen befaß, blieben in der Schwebe bis 
zum %. 1627/28. Dann aber begann auch hier die Gegenrejormation; ed 
war zur Zeit, ald der Kaifer die protejtantifche Gegnerjchaft im Reiche bewältigt 
batte. Der neue Breslauer Kirhenfürft, Prinz Karl Ferdinand, ein Sohn 
bes Polenkönigs, arbeitete an der Nefatholifirung des Gebietes von Grottfau 
und Neiffe, während der Faiferliche Burggraf und Kammerpräjident Hanni: 
bal von Dohna, auffällig genug Brodherr und Gönner des proteitantijchen 
Gelehrten und „Poeta laureatus” Martin Opiß, in den Gebieten: Oppeln, 
Ratibor, D.:Glogau, Neuftadt, Löwenberg, Glogau, Schweid— 
nis, Sauer — mit folder Rüdfichtslofigfeit auftrat, daß er und jeine be— 
waffneten Helferöhelfer den gehäjligen Namen „Seligmacdher” davon trugen. 

Eine Refatholijirung Schleſiens fonnte aber nicht durchgreifen, da 
eine Grilirung der vorherrjchenden Bekenner des Protejtantismus ebenjo un— 
möglich war als deren Erſatz durch Fatholiiche Bevölferung ; überdies mußte der 
ipätere Gang des großen bdeutichen Krieges und Sachſens Interceflion eine Wen— 
dung zur thatſächlichen Glaubensduldung herbeiführen. 

Bon den jchlefifchen Gebieten befand ſich das Herzogthum Troppau jeit 1614 
in der eigenthümlichiten Zwangslage, abgejehen von der jeit dritthalb Jahr: 
hunderten ſchwankenden Zugehörigkeit des Troppauer Landes 
(f. I. Band, VI. Bud, ©. 429 f.). Während nämlich die Stadt Troppau 
den Fürjten Karl von Liechtenſtein als Herrn anerkannte, weigerte ſich 
deſſen beharrlich die Landichaft und fuchte wieder die Anlehnung an Mähren, 
die Protection der Stände diefe® Landes und Böhmens nad, während bie 


444 XV. Luc: Ferdinand LI. u. I11. u. d. dreikigi. Krieg ı1618— 1648). 


Schleier über yolche ſeparatiniche Anmandlungen der Itoppauer Stãnde Klage 
führten. Ter Kaiſer yudte dur Anausichicehen des Frfennzniiied über bie ihm 
jelbft bereitete Kerlegenhei Iimmwegiulonmnen. Nun aber wirkte die Remwegung 
der Jahre Iulu— Ile auch auı Das Troppaner Ländchen zurüd und deſſen 
Stände wurden den u. Mai 620 durch den Beichluß der Füriten und Stände 
Ehjleiiens ibies von den Freslaner vandrage geächteien Herrn, bed Liechten⸗ 
ſteiners ledig. 

Nah der Schlacht am weißen Berge wurde nun aber Karl vd. Liechtenfiein 
nicht blo® für den Vollgenuß landeoberrlicher Rechie im Troppauer Herzogthum 
auserichen, iondern ibm auch das Yand des Martgraien von Iägerndorf, 39: 
bann !Yıcrg von Krandenbuig Anipach ingeinrochen. Die Troppauer 
Fandihai: teand üh ser m ichummiſer Lage. In Böhmen und Mähren 
Tecltet nen Der Krarende Arm des Kaiſers, Schleſien ward Dagegen glimpflicher 
bebantel:: Zie cenngingien Ironpancı Stände juchten num den Anſchluß an 
<tieiien ums Die Sädıniiche Intervention nah «1621. Endlich Tommt 
3.25 - je24 Der virwickete Handel zum Austrage. Tas Herzogthum Troppau 
wäört nun endgültig Schleſren sugewicien und andererſeits emprängt 
hrs Kar! d. viehtenitein, der auch als Herrog non Nügerndorf au gelten bat, bie 
Huldigung. Stin Tod (12. Febr. 1027) und die Viinderjäbrigfeit des Sohnes 
urid Erben fallen mit den CKräueln des dreißigjährigen Krieges zuſammen, welche 
roppau 1620. 27 arg heimiuchten. Tas geplagte Yand, als in die Sache Mans: 
ie10 $ und ieıner ‘Partei verilachten, verfällt der Strafe ber Rebellion 
und daran knüpien iſch icharie Makregeln zu Cunſten des Katholicismus, 
vor Alem ın den Zrädten Troppau und Jägerndorj 1630). 

Orherreih u. d. E. uch bier war „der geſammten öſterreichiſchen 
Ztände ofienes Manier an alle ıropäiichen Mächte über Kailer Ferdinand's LI. 
widerreditlihen und gemaltthätigen Regierungsantritt und verübte graujame 
Ferheerung der Erbländer“ v. X. 1614 als Seitenſtück der böhmiſchen Apologia 
sur Yostagung von der dynaſtiſchen Ziaatsordnung geworben, denn bie Be 
dingungen des Ausgleiches, die darin erichienten, waren für Ferdinand unannehm: 
bar, Tie proteitantiihe Actionspartei mußte Daher hier zu Lande in 
der Schlacht am weißen Berge io gut wie die in Böhmen und Mähren einen 
vernichtenden Schlag empfinden. Denn zwei Monate vorher (12. Sept. 1620) 
hatte ein faijerl. Pateni 31 Herren und Ritter, die jich der Huldigung am 
I. huni entzogen hatten, als Feinde des Fürſten und Yandes geächter. 

Aut ihren confiscirien Gütern begann zunächſt die katholiſche Reitan- 
ration; die Fiarre zu Horn, dem Berathungs: und Waiſenplatze des Pro- 
tenamtisnus, erhält der Jejuitenorden, deſſen Gollegium mit der Wiener Uni— 
verittat vereinigt wird (1622), jo dan bieje dann ganz in jeine Hände übergeht. 

Charatieriſtiſch iſt die Haltung Wiens in dieſen Zeitläuften. K. Ferdi— 
nand's II. Verordnung, daß nur katholiſches Glaubensbekenntniß zum Qürger: 
den ae a N Seh der tatholiichen Bürger auf 1000, die der bürger⸗ 

herabgemindert. Die Gemeinde ſchlug nun dem 
Sanbeöfüriten vor, im Burgfrieden nur Katholiten als (runbbeiiper zu dulden, 
moflir man jeden Alatholiken fern zu halten verſprach (1023). Taburd ent: 


XV. Bud: Ferdinand IL. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 445 


ledigte man fich der vielen unbequemen fremdländiſchen „Nieberläger” und der nicht 
bürgerlichen, vorzugsweiſe protejtantiichen Grundbejiker und es fam das fo: 
genannte Einftandsprivilegium Wiend zur Geltung, wofür die Bürger: 
haft dem Kaifer 50,000 Gulden auf Kriegsfoften verehrte. — Die Gegen: 
reformation Wien? fnüpfte fih an das k. Patent v. 4. Tet. 1624, das 
alle proteitantiihen Nräbdifanten und Lehrer verwied. Hernals, der Hauptfik 
der (1622, 17. April) geächteten Jörger, kam an dad Wiener Pisthum, deifen 
Leitung feit 1626 Cardinalbifhof Khlefl unter ganz veränderten Glaubens— 
zujtänden wieder übernahm. Die Patente v. 20. März 1625 fegten dem Slaubens- 
wechjel eine Zrift von vier Monaten. 16265 wurden ſämmtliche Behörden 
purificirt, dem zu Folge auch 28 Doctoren der Rechte und Mebicin zwiſchen 
den Katholicismus und der Auswanderung zu wählen hatten. 17 erklärten jich 
für den Glaubenswechſel, 11 wanderten aus. 


Jetzt begannen überhaupt die Ausmwanderungen. Nocd bot jich den 
Protejtanten Wiens und der Nachbarſchaft bis 3. 3. 1627 die Gelegenheit, den 
Gottesdienit in der Schloßfirhe zu Inzersdorf zu bejuchen. Nun erichien 
aber das gewichtige General-Mandat v. 14. Sept. 1627, das die Auswanderung 
Jämmtlicher Prädifanten und Lehrer anbefahl — und die Frijt bis zum 6. October 
war das legte Zugeftändniß. So wandelte ſich auch hier zu Lande das bisherige 
Weien de Adels und der Altbürgerfhaft vieler Orte, in denen wir 
nun Franziskaner, Minoriten, Rapuziner, Kameldulenfer, Paulaner, Auguſtiner 
— und andere Order ihre wiederhergeftellten oder neuen Site aufichlagen ſehen. 
Nichts defto weniger blieben Refte des Proteftantenthums im Lande, mie 
das fpätere Mandat v. 7. April 1632 zeigt, mit deſſen Vollzuge man jedoch innehielt. 


4. Ober⸗Oeſterreich und der Bauerufrieg v. 1626. 


Literatur. Hauptquelle: Khevenhüller, Ann. Ferdin., 10. Bd.; 
Garaffa, Germ. sacra. restaur. (Col. 1639). Anh. und Relatione (j. o.); 
Latomus (Meurer), Relatio hist. cont. (Francof. 1627) (vgl. Landorp, 
relatio hist. 1626). Theatr. europ., 4. Bd; Hohened, Die löbl. H. St. des 
Ertzh. Oeſterr. o. d. E., 3. Bd. (1747); F. Kurz, Beitr. 3. G. des L. o. d. €. 
(Leipz. 1805), 1.2.; 3. Stülz, Gef. des Gilterz.-Ki. Wilhering (Linz 1840); 
Hurter, Gef. Ferd. IL, 8. 9. 10. Bd.; Prig, G. des 8. Oeſterr. o. d. E., 
II. Bd., ſ. Geſch. d. Stadt Steger. (Linz 1837), und der KI. Sarjten u. Gleink 
(Linz 1841). Albin Ezerny, Bilder aus der Zeit der Bauernunruhen in D.: 
Defterr. 1626, 1632, 1648. (Linz 1876), mit zahlreichen archiv. Belegen. (Das 
Fadingerlied, entitanden 1626—1629, in 14 Strophen abgedr. in Hormayr's 
Ach. (1827), vollftändig in db. Münchner hiftor.-polit. Blättern, 33. Band. 
(1854). S. 945970); Wolf; Schreiber, ©. des Kf. Marimilian’s 1. 


446 XV. Buch: Ferdinand II. u. IIL u. d. dreißigj. Krieg (1613— 1642). 


Unter allen habsburgiſchen Erblanden war diejes Gebiet in 
feiner Ständeihaft am entichiedeniten akatholiſch (1619 Taken im 
Landtage nur 3 Katholiken: Meggau, Sprinzenjtein und Sal- 
burg) — und jest durch die allgemein verhaßte Verpfän— 
dung an Bayern in die ungejundelte Zwitterftellung gerathen. 
Der Herzog: Kurfürit Marimilian war Pjandherr, der Kaiſer Eigen 
thümer und eigentliher Landesfürt. Man grollte der Verpfän- 
dung, dem fremden Regimente. Doc wie jollte Ferdinand II. die 
15 Millionen Kriegskoſten an Marimilian aufbringen? Auch bie 
auf 12 Millionen ermäßigte Summe war für das Land uner- 
ſchwinglich. 

Bayern wollte die Gegenreformation nicht ſelbſt einleiten, 
das Odium follte der Kaifer, der Landesherr, tragen. Als jolcher 
nahm Ferdinand feit 4624 das Reformationswerf in Angriff. Die 
Commijfion: Dr. Georg Falbius, Abt von Göttweih, Hof: 
fammerrath 3.8. Spindler von Hofed, der Faijerliche Rath und 
Linzer Mauthamtmann Conſt. Grundemann von Falkenberg und 
der bayerijche Statthalter Adam Grafvon Herberftorf jollten 
den Taijerlichen Patenten vom Sommer 1624 gegen die akatholiſchen 
Prädifanten und Lehrer, vor Allem dem Reformationsmandate 
vom 4. October Nahdrud verleihen, das jene — als „ewige Heßer 
des gemeinen Mannes und Berbitterer des Gemüthes” — binnen 
8 Tagen aus dem Lande verwies und dem proteftantijchen Religions 
erercitium jeden weiteren Fortbeftand abjchnitt. Desgleichen hielt der 
Kaiſer den Ständen ihre bohverrätheriihen Beziehungen 
zu ©. Bethlen, dem Fürſten Siebenbürgens, die Aufhebung der 
Pforte durch ihren Vertreter Schallenberg und andere politijche 
Eünden im ftrafenden Tone vor. 

Sm Landvolke war der evangeliihe Glaube ebenjo einges 
wurzelt wie ein nagendes Gefühl der Unzufriedenheit vorhanden. 
Schon die Erhebung von 4000 Bauern bei Grießkirchen zu 
Gunften der von der Landſchaft und den Glaubensgenofjen mit 
NReijemitteln bejtverjehenen Prädilanten und Schulmeifter, welcher 
1500 Soldaten Herberftorfs ein Ende machen mußten, war ein 
bedenkliches Zeichen. 

Bevor die eigentliche Gegenreformation in Gang fam, warb 
die politifche Frage, der formelle Ausgleich zwiſchen den Stän⸗ 
den und dem Landesfüriten ausgetragen. 1654, 20. November 
hatte Ferdinand die bedingungslofe Unterwerfung in kürzeſter Frift 
gefordert, 1625, 27. Februar erihien die Pardonirungsrefolution, 
Mitte April leiftete die ftändifche Deputation kniefällige Abbitte im 





448 XV. Bud: Ferdinand IL. u. III. u. d. dreikigi. Kriea (1618 — 1648). 


vom Vfluge ließ nicht geme die Kehle troden, disputirte und 
raijonnirte gern über (Srundherrichaft und Itegierung. 

Herberjtorf. war ein ftrenger Gewalthaber, jcheel ange: 
ſehen als Aufpaffer eines fremden „eingedrungenen“ Herrn, bes 
Bayers. Die Härte, mit welcher er den Auflauf gegen Echloß 
Frankenburg, den Herrenfiß der Khevenhüller, ftrafte, (je 
zwei Ortsrichter ließ er um ihr Yeben würfeln, 17 gleih aufhängen) 
— erregte noch mehr den gehäuften Groll gegen das bayeriſche Re- 
giment. Und hinter diejen ($roll verjchanzte jih auch der Haß ge: 
gen die Katholiſchmacher. ‘a, obſchon im Ganzen der Adel 
keinen (srundb Hatte, mit der ihm felbit gefährlichen Bauernbeme: 
nung zu ſympathiſiren, Einzelne hingen doc) dantit zujammen. Se: 
denfalls war aber das Öjterreihijhe Emigrantenthum nidt 
unthätig, und die Wiener Negierung wurde bald auf Holländijche, 
bänijche und engliſche Aufwiegler in Ober-Oeſterreich aufmerf: 
jan, denn damals war das Zuſammengehen Mansfeld’s und Gabriel 
Bethlen’s gegen den Kaifer am engliihen Hofe bereits ausgemadt 
worden und follte im Sommer fid) verwirfliden. Bald ſprachen 
die Bauernrebellen von der Hilfe, die ihnen der Pfälzer und der 
Manofeld bringen werde. 


Schon den 2. Mai 1626 begehrte der Kaiſer von den Ständen 
Nieder-Oeſterreichs die Verwahrung der Bälle, Doch nimmt der Auf: 
ftand, bevor er allgemeiner wird, einen beſchränkteren Anfang; 
am verhängnißvollen Sonntag, den 17. Mai 1626, bricht er los. 
Sein Mittelpunkt wurde an der Verührungslinie des Hausrud- und 
Mühlviertels der Banernyof Stephan Fadinger's zu St. Agatha, 
bei Aſchach. Der Genannte, früher Coldat, dann Hutmader in 
Aſchach und endlich Bauer, eine kräftige willensjtarfe und beredte 
Perfönlichkeit, wie geſchaffen, an die Spike einer folchen Bewegung 
zu treten, Schlägt genen Aſchach 108, während jein Schwager, 
ber Miniwirth Chriftoph Zeller im Mühlviertel den Aufitand 
ordnet. Der Bauernhaufe wird bald 16,000 Mann Stark, jchlecht 
und recht bewaffnet, mit einigen erbeuteten Feldſtücken verjehen. 
Herberſtorf's Miperfolg genen Fadinger zwiſchen Pairbah und 
Waizenfircen macht feine Patente wirkungslos; der Haß der 
Rebellen gegen ihn wird in dem befannten „Fadinger-Liede“ durch 
die Reime ausgedrückt: 


„gu lauier Riemen wölln wir ihn ſchneiden, 
Damit ev nur Peyn genueg muß leiden.“ 


Bald brennt der Aufſtand an beiden Donauufern lichterloh. 


XV. Buch: Yerdinand II. u. IH. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 449 


Fadinger, bereits „Dberhauptmann der chriftlihen Armee“, der auf 
jeine Fahnen den Spruch fegen läßt: 
„Weil's gilt die Seel! und auch das Blut, 
So geb’ ung Gott ein’n Heldenmuth. 
„Es muß fein!” 

versteht das DOrganifiren des anfhmwellenden Bauern: 
heeres vortrefflih. Weber jedes Landesviertel wird ein Hauptmann 
geſetzt, Ausſchüſſe, Kriegsräthe, jelbit „geheime Räthe“, Broviant: 
meifter und Feldfchreiber werden ernannt, zu weldhen Würden mitunter 
auch Bürger und „ftudierte Leute“, auftauchende Prädifanten und 
Schulmeijter als Anhänger des Aufitandes erhoben erjcheinen. Er 
jorgt für Grenzwehren, Geihügwejen, militäriihde Drillung und 
Zudt, und weiß fi) auch durch ein dictatorifches Auftreten — wohl 
auch mit Hülfe jeines Stodes, — durch eine Leibwache durch das 
Gerücht, er ſei „gefroren“, d. i. hieb-, ſtich- und kugelfeſt, — das 
nöthige Anfehen zu geben. In Stadt Steier ſprach er zu den 
Bürgern von einem Thronlige, im Stifte Kremsmünfter bezog er 
die einſt für Kaifer Mathias eingerichteten Gemäder. Denn auf 
die „Fatholifchen Schelme und abgeftandenen Fiſche“, voran die 
Klöfter, war es in der wilden Bewegung abgejehen. 

Da das Bauernheer bald 70,000 Mann und 30 Kanonen 
zählte, die Städte — Wels 3.3. ſchon am 21. Mai — leicht 
bewältigt wurden, überhaupt auffallend geringen Widerftand 
leijteten und Serberitorf über wenig Truppenmacht und nod 
weniger über den guten Willen der ihm abgeneigten Stände ver: 
fügte, der Kaifer auch nicht dafür gerüftet war, andererjeitS Die 
Bauern erklärten, es ginge niht wider den Kailer, fon: 
dern gegen den Bayer, — überdies noch die Gefahr des 
Zufallens der Holzfnechte im üblichen Gebirge nahe ftand, — jo 
jolten Unterhandlungen mit der Bauernihaft den Sturm zer: 
theilen und beſchwören. Aber fie fruchteten nichts. Denn was die 
Bauern verlangten, konnte nicht gewährt werden. Der Aufitand 
wird immer gewaltiger, jelbft Enns ift bedroht; die mit Dr. Hafner 
nad Wien abgehende Deputation der Bauern, weldje der Kaijer 
zur Waffenſtreckung mahnen läßt, war jchlecht befriedigt. Den 
24. Juni erjcheint Fadinger mit feinen Bauern vor Linz und be: 
fteht auf der Auslieferung Herberftorf's, der ſeinerſeits wieder droht, 
würden die Bauern das Schießen fortjegen, die Ständeglieder den 
Kugeln bloßzuftellen. 

Hier aber ereilte den Bauerngeneral jein Verhängnig. Den 
28. Juni wurde ihm, als er zu Pferde die Belagerung muljterte, 

Krones, Geld. Ocfterreiche. IIL 29 


3 ⸗ — " ‚nu. . — gr 7 — — Eon 
wreue na Bann som Asım — Arme Sm on feiner 
„ a .. u. u. —-. .— wa. - - u ai Yu 
Kir ın Eis,2i win Fr ACC. 1627 Der 


 Lemarüırts Ber. Ziersıım ut zur Sbazlssenere 
ur m Zn ın ame perl an Im. Sal mu, Nr adelige 
zernsens Aa, Sieienzrer zn te Ay, und Sur „Zrudent“, 
mim Siam: un’slonn: 1m, zertazen uier Ion Ameben. 

Kcyenn Sa Kurtarn von Barem in den KRailer Drinat, den 
Kuitonz u beraten, Lie Gemer Ferdinand's umd Der Liga, 
Zansmart, her Lialzer voller Sormuncen die Ertoiae der Bauern 
heacuten, Witeuinger mit dem Kebillenheere Linz, aber neuerdings 
rcinlalns, bepranst, ruden neue Soldaten aus Bavern nad. Tie 
Baneenhauien beginnen ih zu lichten und zu lodern, es gebricht 
ihnen an Munition, an Zelbitvertrauen Der faiterlihe Cberit 
Brenner, aus HBohmen herbeieilend, ichlägt ein Bauernheer am 
so. Auguſt bei Xeontelden an den Tonauihanzen, und nöthigt 
bie Beſiegten zur Waifenſtreckung und fußfälligen Abbitte. Drei 
Lanbdespviertel ſchienen dem Frieden nahe, wie es der Ennſer 
Stillſſand vom 8. September in Austicht jtellte. Aber im Haus: 
ruckviertel bleibt das Wauernheer gewaltig. Herzog Adolph 
von Holſtein wird mit jeinen Söldnern, wahren „LZeuteichindern“ 
he Meihern, und der bayeriſche (Seneralwachtmeilter Lindl6 
niit 6000 Mann von 10,000 Bauern bei Bram geſchlagen. 

leder bricht mit doppelter SHeftigleit der Aufitand im Veühl- 
erde unter David Spat und im Süden der Donau los. Drei 
aruſjie Aanerulager bei Weibern, Efferding und Gmunden 
erheben ſihh. Cbert Yocbt wird bei Wels von den Bauern ge: 
\chlanen,, bei GGmunden werden Die Kaiſerlichen zuriidgeworfen. 

Da war ea endlich der befte Degen der ligiſtiſchen Armee, 
Wottiv. von Rappenheim, Herberſtorf's Stieffohn, der mit 
ROOO Failerlichen Söldnern, anterjtügt von Loebl und don Truppen, 
bie Malhlenſtein ans Ungarn entſendet, Die große Sefahr beichwor. 
Im Muhlvrertel war bereits im Petober aufgeräumt worden. 
Sen 3%, November ſchlug er die Bauern bei Efferding, aber 
noch nie dab er amt ſolcher wilder Todeoverachtung jtreiten, wie da 
die Vauern losinbren, „gleich valenden und wüthenden Hunden“. 
Der Sieg war ſaner; nicht leichter Der bei Gmuunden (15. November), 
won. tudente de Vauern fuhrte und vor der Schlacht den 
Röalm amtimmen hieß, daun eine Predigt hielt. Und noch zweimal 
mukte Pappenheim mit den Rauern vingen, bei Vöklabruck 


XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 451 


(19. November) und bei Wolfsed (30. November), wo ber 
„Student“ und fein Gehülfe, der Eder (Beder), fielen. An 10,000 
Bauern waren gefallen. Viele flohen über Böhmen zum Weimarer 
Herzoge Ernit, der zahlreiche öfterreihiihe Emigranten um ſich 
Ihaarte. Doch noch einmal, im December, mußten PBappenheim 
und 2oebl eine Bauernichaar zeriprengen. 

Das „Fadinger:Lied“, gemilfermaßen die gereimte Chronik 
des ganzen Aufſtandes, Tpiegelt in jeiner naiven Sprade am beiten 
den Wechjel der Geſchicke; — es ift zugleich der Klagegeſang ber 
reuigen Bauernſchaft, die das büßen muß „mas der Yattinger that 
fündigen” und fich überreden ließ, daß fie „möchten werden allefammt 
Freiherrn, die Landt auch ſelbſt regieren, gleihwie auch Die 
Schweizer.” 

Der Aufruhr war bewältigt, und mit Beginn des Jahres 1627 
nahm zu Linz die ftrafgerichtlihe Unterfuhung ihren Anfang. 
Sie lag in den Händen einer gemijchten, FTaiferlich - bayerischen 
Commilfion. Den 26. März büßte der adelige Bauernhauptmann 
Achaz Wiellinger mit 7 anderen Genofjen fein Vergehen durch 
den Tod von Henfershand, den 23. April wurden 6 andere, da— 
runter auch ein Prädikant, hingerichtet. Ein neues Refor— 
mationsedict gebot binnen 4 Wochen den Glaubenswechiel. 

Andererjeits hatte jedoch der ganze traurige Handel dem Kaifer 
die Rückeinlöſung Ober-Oeſterreichs von Bayern doppelt 
nahe gelegt. Bayern fträubte ſich, um endlich die obere Pfalz und 
den am rechten Nheinufer gelegenen Theil der Unterpfalz als 
Entſchädigung herauszujchlagen, und jo fam um 1628 der Ver: 
trag zu Stande, am 1. Mai wurde das Land dem Abte von 
Kremsmünfter als Eritem der geiftlichen Ständefhaft von Bayern 
ausgeantmwortet, die Huldigung an den Kaiſer am 28. November 
1630 geleijtet. 


Aber noch zweimal drohte dem Frieden des Landes Gefahr; 
denn in fo manchem Bauernberzen wucherte der Groll über das 
papiitiihe Regiment weiter fort; zu tief lagen die Wurzeln deſſen, 
was man nur fo obenhin zu befeitigen vermochte. Wir werden 
diefen Negungen in den Jahren 1633 und 1648 begegnen. 


Nachtrag z. Lit. d. 3. Abſchn. ©. 425. Der vollit. Titel der für die 
Geſchichte der Rückwirk. d. Schlaht am weißen Berge auf Mähren maßgeben: 
den Arbeit v. d'Elvert lautet: „Die Beltrafung d. böhm. Rebellion, insbeſ. 
die Sorrefpondenz Ferd. II. mit dem Fürſten Liechtenftein.“ Brünn 1368. 


— — — — 


29* 


Ger. Pazusz er er rrtcmernpg Rrug Ssthretres 
fu: Beim. zrI Seiner ss Bong 1 Tr - it 


- - = - 40. 
- L = [7 m m [0 Do 2 En 
‘ - - -. —— .- _.— = 
— .. — — Pe k 
- “- .. .. L 7 => = I 1 -. — Fu 
[7 n- n..a - — — — [3 
-» wu. — — .. — = — . 
- - - u - — -. . - m m 
. - - = » 
- a 
- “  - 3 2 _ - 2 mu ⸗ ae u oo 
_ ır3 zo: _i’ım ı L al m2e2 
’ . .v Zaun . - o-.. [% — = 
. > = “- — — — 2 2 en - „.- 
u m .- - - 7 u di, — 3 -- nm. 
© m m ns - — — —— u — 
Pi - - u - * ——— = -. s — und 
I 4 - | "an m —— — 
2 2 *27 » "onen m 
_ _ - on za — 
Da HM rrerm oo IT cc 7 _=ir 
‘“ PP Er 4* - - . .. >» — a num ne 
. - — u... LU Sn, =» mus - - 
—V 
rn „ET ...) 2.” »5 2 ı2 -2. 
nn er m ırmıa 2 numz B. 
L_ m -_- 
’ it 1-8 - z2 22 2 \_TI LX Sem sm, 
pe - - - ne ⸗ - 
Pr ” 3 4 - 1 2 22 52 2 -_ - "an. ..2 = “ z.n a 
* .. .. —— un R * 
⸗ ..3, . - - LE 177 <s ız - z sadı;, 
[2 . — n = 
‚> ' ..; £ DB ml: "8,02: WOTDITITE, 
N ⸗ ar} . PETER "r - — -2 a) P 
—4 4 7 “s — — — = . >» - | m m m „Ir - 
: er ... = a.” . - — 2 - ® 
W u, x, Taısırkim To nıunmuone Reumers 
⸗ - ’ ..— - -.. T Fa ⸗ L.s 8, -p 
* unse, *5222 Aero In. len, 
. - - uam 8 | 
is ‘ sıen (4 xr ram in wma Baccmann IN 
- . 254 ben To pi 
2 oe > 4, azur atmen Bun chen Lie alrere 
u. » ” 
Kun dmumaz2 Uraraen hie voea All, Valstein. 
"na 2 Dr ; 3 * 4 25 a) “ 4 
.t. F- u.#. ‘on, D an, 1:41.51 am — 1 173. 8. Jecker Q. Q. So 211 T, 


oe Hrn bemumbes aörtir sunzit Bird Di ne „Mbr. v. Wal: 
Free aus den J. I6Y7--Ie 3”, 3 Ih. Ferlin IS HH. Mit 

"2:0 7 bherühren Ich inhaltlich: Tie Fricte Malen. an den Hoifkr. 
"nd rare Uosialıo, ber. v. Fhlumecky in den :hrgg. d. Arch. i. Markgr. 
a Minen Ion, I, Anhang); Korreiv. d. Card. Tierrihitein mit dem 
td. sllalto 11625— 1630), h. v. Zrampier (Wien 185), worin 
thenersente auch Brieje Luſtriers' aus Konstantinopel (162. — 1627), Briefe 
ra Meartgrarn von Frandenburg 11023-155301 1. H. Schlick's, Grafen zu 
khean il 1628), veröifentl. finden; ferner gehört hierher Die von Aretin 
9 Fate, 6%, u. Lin, VII. Bd., 1jo— 700, 260-258 veröjl. Eorr. rich: 
bh V. v. d. Pialz, gen. der böhm. Aintertönig, mit j. Sem.” d. engl. Prinz. 
riutatheu. A. und Fiedler, Corr. d. Pfalzgr. Friedrich u. |. Gem. Eliſabeth 
und See. Math. v. Thurn (a. d. J. 1625- -1629), (Arch. j. öſterr. G., 31. 
»b. 14.15. In jüngſter Zeit geſellten ſich dazu die Public. von O. Lorenz: 
"re alleuſtein's meiſt. ü. Mecklenburg a. d. Z. v. 1627-1630 (GJahrb. d. 
Nr. medlend, Geſch., 40. Jahrg. (Schwerin 1876), S. NI—130; Schebed, 


XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 453 


Wallenſteiniana in Briefen, Mem. u. Urfl, (Briefe a. d. I. 1619--1632) — 
Mitth. d. Per. f. Geſch. d. Deutfch. i. Böhmen, XIII. 3. 1875. Pal. eine der 
jüngften Monographieen: Hunzifer, Wallenftein als Landesherr, befonders 
al3 Herzog v. Medienburg (Zürid 1875); Palacky, Jugendgeſch. Albrecht's v. 
Walditein, 3. eriteren nach echten Quellen geſchr. (AbH. in den Jahrb. d. böhm. 
Muf. II., 1, Brag 1831); ferner Aretin (j. u); f. Hutter, 3. Seid. Wal: 
lenitein’3 bi3 1629 (Schafffaufen 1855); Opel, Wallenjt. i. Stifte Halberjtadt 
1625— 1626 (Halle 1866, Diſſ.); Reihard, Die marit. Politif d. Habsb. i. 17. 
Jahrh. (Berlin 1867); Ranke, Seh. Wallenit. (Leipzig 1869) Sauptmwerf; Die 
Monographie von Schottfy, Ueber Wallenftein’3 Privatleben (München 1832); 
Förſter, Wallenſtein al3 Feldherr u. Landesfürft in f. öffentl. u. Privatleben 
(Potsdam 1834), W. als regierender Herz. und Landesherr (Raumer’s hiitor. 
Taſchb. 1834); D. Heyne, Der Kurfürftentag zu Regensburg von 1630 
(Berlin 1866). 

Wir verließen den gefährlichiten Gegner K. Ferdinand’s II. 
Gabriel Bethlen, unter dem forgenerregenden Eindrude ber 
Schlaht am weißen Berge. Nun fchienen die Rollen gemwedhielt ; 
der Bebrohte war der Fürft Siebenbürgene. Denn jegt wandte 
fi Ferdinand mit dem Edicte vom 10. Dezember gegen Gabriel 
Bethlen als Friedensbrecher und wider die Neujohler Beſchlüſſe, und 
obſchon der Fürft weitere Kriegsbereitichaft gegen Mähren zur Schau 
trug, mit dem Markgrafen von Jägerndorf in Verbindung 
trat, die Krone Ungarn’s von Preßburg auf das Altjohler Schloß 
bringen ließ, feite PBarteigänger den 9. Januar nah Tyrnau 
entbot, um über neue Rüftungen zu verhandeln, und der ſchon wäh: 
rend des Neufohler Tages mit dem Angebote der Friedensvermitt- 
lung geſchäftige Diplomatie Frankreichs zu verftehen gab, 
„er trage die Fahnen der Türken in der Tafche”, ließ er fich dennoch) 
zu Unterhandlungen herbei, welche dann 1. Februar 1621 zu Haim: 
burg, unter Vermittlung der franzöfiichen Sendboten, des Herzogs 
von Angoul&me und Depreur, begannen. 

Während bier erfolglos bis in den April verhandelt wurde 
und der Fleine Krieg an der Grenze Mährens und Oeſterreichs 
zwifchen Bethlen’s Feldherren und den Kaiferlihen unter Collalto 
und Bouquoi verwültend fortdauerte (Dezember 1620 bis Früh: 
jahr 1621), hoffte der Fürjt auf die Unterjtügung der Pforte. Auf 
feine Verbindung mit dem Pfälzer und deilen befreundeten 
Mächten wurde bereits oben hingewiefen. Aber die zweideu ige 
Haltung der Türken, die Loderung des eigenen Anhanges, das 
Zuſammenſchmelzen jeiner Truppenmacht und die Aufnahme der 
Dffenfive durch die Kaiferlihen, machte ihm einen Waffenitill: 
ftand wünjchenswerih, um Zeit für neue Rüftungen zu gewinnen. 





454 XV. Bud: Ferdinand II. u. IIL u. d. dreigigj. Krieg (1618— 1648). 


Der Kaiſer ging jedoch auf die Waffenruhe nicht ein; deshalb ließ 
Bethlen die wichtigften Punkte mit Beſatzung verjehen, wid) nad) 
Dftungarn zurüd und brachte die Krone des Reiches nad) Ecjeb 
in fihere Verwahrung. Die Kaijerlichen brachen nun erobernd in's 
weſtliche Bergland vor. 


Bethlen erhob fi) aber im Sommer 1622 mit neuer Kraft, 
feine Anhänger Stan. Thurz36 und Stephan Horväth lagen 
bald vor Neuhäufel mit den Kaiferliden unter Bouguoi im 
Kampfe. Hier erlag der alte mwallonifche General (10. Suli 1621) 
feinem Gejchide; er fiel den Hajdufen Bethlen’s in die Hände und 
wurde getödtet. Bis nah Steiermark und Defterreich ftreiften 
die Schaaren Batthiany’s und der beuteluftigen Türken. Bethlen 
jelbft jet fih im Juli von Kaſchau aus in Bewegung, vereinigt 
fih bei Tyrnau mit dem Markgrafen von Jägerndorf, läßt Preß- 
burg — aber vergeblid — angreifen und bricht dann nah Mähren 
bis Ung.-Brod ein. Aber zu Hug, un die Zufunft auf die Spitze 
des Echwertes zu ftelen und einen vortheilhaften Frieden von der 
Hand zu weiſen, bevollmächtigt er nun den reich begabten Emerich 
Thurz6 zu Unterhandlungen mit dem Kaifer, deijen Neitaurations- 
werf freie Hände braudt. In Nilolsburg treffen die Sendboten 
Ferdinand's: Cardinal Dietrichjtein, Breuner, Collalto, Paͤzmaͤn und 
Eßterhaͤzy mit Thurzö und deffen zwei Begleitern zuſammen. 


Nicht leicht floffen die Unterhandlungen. Emerich Thurzö vertrat die Sache 
Bethlen's mit vieler Entſchiedenheit. Der plößliche Tod des jungen Mannes von 
24 Jahren (19. October), au deſſen Stelle nun Stanislaus Thurzo trat, 
gefüigiger und im Kerzen Fein Verehrer Bethlen's, erleichterte die Uebereinkunft. 
Immerhin bot fie dem Fürſten Siebenbürgens genug. So fam am legten Tage 
des Jahres 1621 der wichtige Nifolsburger xrieden zu Staude Bethlen 
entfagt dem ungariichen Königstitel und liefert Die Reichäfrone aus. Tagegen 
erhebt ihn der Kaiſer al3 Herrn der jchlejiihen SHeriogthümer Oppeln und 
Ratibor zum Reichsfürſten; ſtürbe Bethlen ohne Söhne zu hinerlafien, jo folgt 
ihm jein Neffe Stephan in dieſem Erbe. 7 Geſpanſchafien Oſtungarns: 
Abauj, Bereg, Zemplin, Borſöd, Szabolcs, Ugocia u. Szatmär, 
mit dem wichtigiten Wake, Kaſchau, behält als Gebiete der ungarischen Krone 
tür jeine Lebenszeit; überdies als Pfandbeſitz die feſten Plätze Munfäcs und 
!ofaj, als Erbe die Nororte der vebenreichen Hegyallja: Tokaj, Tarczol und 
Kereptur. Der Fürſt verbindet fich zur Erhaltung der betreifenden jeiten Pläße, 
wofür ihm von der Tüürfenhülfe des deutſchen Reiches jährlich 50,000 
Gulden zugewandt werben. Ferdinand verpflichtet fich überdies zur allgemeinen 
Amneſtie und zur Aufrechthaltung des Wiener Friedens vom Nahre 1606, ber 
Zugejtändnifje K. Mathias’ vom Jahre 1608 und jener eigenen Wahlcapitulation 


XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigi. Krieg (1618—1648). 455 


und Krönungsurkunde aus dem Sabre 1618. Binnen 6 Monaten eröfinet er 
den Reichstag. 

So ſchließt fih an den Nilolsburger Frieden (31. Dez. 
1621) die Ausfiht auf einen Frieden ftiftenden Reichsſstag. Diefer 
Reichstag, nah Dedenburg einberufen (Sommer 1622), ift 
in doppelter Beziehung von ausnehmender Wichtigkeit. Hatte Schon 
der Nilolsburger Friede jo manchem Anhänger Bethlen’s die Augen 
geöffnet und ihn die mit den „Klagen Ungarns” nur geſchminkte 
Selbftfucht des Fürften Siebenbürgens erkennen laffen, mithin bie 
Zahl jener, die vorher feiner Fahne blindlings gefolgt waren, be= 
trächtlic” vermindern geholfen, fo gewann der Wiener Hof durch die 
Wahl Stanislaus Thurz6’s zum Palatin — an Stelle 
des veritorbenen ©. Forgaͤcs — einen Regierungsmann mehr, ber 
nun vollfommen mit Bethlen brach, und wenngleich von feiner her— 
vorragenden Begabung, dennoch nüglich werden konnte. Andererfeits 
begründen die Beichlüffe diefes Reichstages als Sanction der Nikols— 
burger Artikel die wichtige Bacification Ungarns, den Aus- 
gleich zmiichen dem Könige und den Ständen. Bei den neuen 
Schilderhebungen Bethlen’s ftand nicht mehr das oppofitionelle Un: 
garn, wie 1619—1630 Hinter der Fahne des Fürften. Das, mas 
er kurz vorher gegen feinen Bundesgenofien, den Markgrafen von 
Jägerndorf, geäußert hatte: „Sch Halte meine Hand auf Ungarn 
und mein Auge blidt fürwahr auf das Thor von Wien,” blieb 
zeitlebens fein leitender politifcher Gedanke, aber jo furchtbar wie 
1619— 1620 erſchien er nie wieder dem Habsburger Ferdinand. 

Doh wir müſſen zum Berftändniffe des Weitern unfern Blick 
den großen politiijhen VBerhältnifien zuwenden. Hatten im 
Frühjahr 1621 jeit dem Segeberger März:Congrefjie Dänemark 
und England beim Saiferhofe um die Miederheritellung des (22. a: 
nuar 1621 von Wien aus geächteten) Pfälzers als Kurfürften unter: 
handelt, — jo jtellte ſich jetzt auffällig genug auch Spanien unter 
dem Minifterium Dlivarez auf das Entjchiedenfte der Uebertragung 
der Pfalz an das Haus Bayern entgegen und bradte durch die 
bezüglihe Haltung feines, überhaupt vorlauten Botichafters Ognate 
den Wiener Hof in feine geringe Verlegenheit. Denn Yerdinand 
hatte bereits jeinem wichtigiten Bundesgenofjen im drangvollen Jahre 
1620 diejen Lohn insgeheim zuſprechen müflen, und nidht bloß der 
römiſche Stuhl arbeitet in dieſer Richtung zu Guniten des 
Ligiftenhauptes, fondern auch Frankreich, dem viel daran liegt, 
nicht bloß die ſpaniſchen Projecte einer Verheirathung zweier Prin— 
zeilinnen mit dem Prinzen von Wales (Karl I.) und deifen Neffen, 


456 XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1615— 1648). 


dem Erftgeborenen Friedrih’s von der Pfalz, zu Hintertreiben, Jon: 
dern auch den bebrohlichen Anlauf des Pyrenäenftaates zu neuer 
Machtſtellung thunlichit zu lähmen. Denn Spinola ftand feit dem 
Spätjahre 1620 in der Pfalz und in der Berechnung Spaniens 
lag e2, dieſes Land feitzuhalten, deſſen anderweitige Verleihung zu 
hindern, auch jeine Anjprüche auf Tirol und die Vorlande (ſeit Dem 
Sahre 1617) zu betonen und für den wieder losbrechenden Strieg 
mit den Generalftaaten eine ftarfe Stellung innezuhaben. Vie 
deutich-habsburgiihe Schweſtermacht follte daher mit der pfälziichen 
PVroteftantenpartei im Reihe und mit Gabriel Bethlen, jo gut es 
ginge, Frieden machen und Spanien an die Seite treten. 

Das Auftreten Mansfeld’s, des Baden-Durlacher Mark: 
grafen Friedrih Georg und Chriſtian's von Braunſchweig jeit 
1622 für den Pfälzer nöthigte ſogar Bayern, um die ligiftifche 
Sache mit Spanischer Hülfe zu halten, dem Madrider Cabinete 
die Anſprüche auf die Pfalz jcheinbar zu opfern. So fommt es 
1622 im Sommer zum vereinten Heereszuge Tilly’s und 
Spinola’s, der mit der Unterwerfung der Pfalz endigt. Noch 
am Regensburger Reihstage (Januar, Februar 1623) fträubt 
fih die fpaniihe Diplomatie gegen die Belohnung PMarimilian’s 
mit der Kurpfalz, die dennoch den 23. Februar ftattfindet und bald 
den Proteſt des Sachen und Brandenburgers im Gefolge hat. 
Allerdings lenkte Sachſen, dem die Ober: und Nieder-Lauſitz pfand- 
weije eingeräumt wird, bald ein und ertheilt (1624) jenem Vorgange 
feine Zuſtimmung. 

Und noch in einer andern Richtung muß Spanien feine ur- 
ſprünglichen Anſprüche aufgeben; denn Kaiſer Ferdinand findet fich 
veranlaßt, feinem Bruder Erzh. Leopold Tirol und die Vorlande 
als erblichen Beſitz zuzuwenden. Es deutet dies ebenjo deutlich die 
fih vollziehende Schwenfung der ſpaniſchen Politik an, wie das 
Aufgeben jener oben angedeuteten Heirathsprojecte. Spanien und 
Deutih-Habsburg finden fich wieder auf einem Wege und defto 
erflärlicher wird die Annäherung Englands an Franfreid, in 
welchem Staate nun bald die große antihabsburgifche Bolitif Rich e— 
lieu’s das Ruder führt. So jcheint, da England die Verbindung 
mit den Generalitaaten entjchiedener aufnimmt, eine Allianz 
Sranfreihs, Englands und Hollands gegen die beiden 
Habsburger Neihe im Zuge und ihr gehörten auch Venedig und 
Eavoyen ar. 

Die Politik der Weftmächte mußte jedoch unter dem Eindrude 
ber Siege ber kaiſerlich-ligiſtiſchen Sache im Laufe des Jahres 1622 


XV. Bud): Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigi. Krieg (1618—1648), 457 . 


einen wichtigiten Bundesgenoffen gegen Ferdinand an einer der ver: 
wundbariten Stellen ſuchen. Das war Bethlen, der jchlaue Fürft, 
der Meilter des Doppelipiels in der Politik. Der Fürft unter: 
handelt durch Toldaläghy und den Emigranten, Grafen Thurn jchon 
im Frühjahre 1623 mit dem neuen günftig gefinnten Großveziere, 
Mere Huffein, und die Abmahnungen Ferdinand’: an die Pforte 
ſcheinen vergeblih. Bald darauf ſchließt Bethlen’s Neffe, Stephan, 
mit den Vertretern Franfreihs, Englands und Venedigs einen Sub: 
fidienvertrag und der neue Kriegsplan wird zwiſchen dem Fürjten, 
Mansteld und Chriftian von Braunfchweig zur Vereinigung in 
Schlejien und zur Wiederheritellung des böhmischen Thrones 
Friedrich's von der Pfalz vereinbart. 

Gleichzeitig aber verfolgt Bethlen den entgegengejegten Plan ; 
er verjucht fi) dem Kaifer, der feinerfeits Alles aufbietet, um den 
Frieden mit Bethlen aufrecht zu erhalten, zu nähern und — wie die 
meilten Emporkömmlinge auf einem Throne — durch Heirathäver: 
bindungen mit einem erbgejeflenen Herricherhaufe eine „legitime“ 
Dynastie zu gründen. Der Tod feiner kinderloſen eriten Gattin, 
Sujanna Lörantfy (13. Mai 1622), legt ihm dieſen Gedanfen 
nahe, und jo erhält fhon im Sommer 1623 Bethlen’s Schwager, 
Michael Kärolyi, den Auftrag, beim Faiferlichen Hofe um die Hand 
der jüngern Tochter Ferdinand’ III, Cäcilia Renata, vor: 
fihtig anzuhalten. Was er dabei verjprechen läßt, zeigt am beiten, 
wieviel ihm an diefem Plane gelegen war, aber zugleich die innere 
VBerlogenheit dieſer Angebote. Er wolle dem Kaijer wider alle 
Feinde, jelbit im Reihe und — wenn erwünſcht — perſönlich Hülfe 
bringen, die Chriftenheit wider den Türken ſchützen, den Katholicis- 
mus begünftigen, ja wenn es Gott gefiele, und er die Wahrheit der 
fatholiihen Religion erfennen würde, jelbft ihr Anhänger werden, 
da er ihr jet ſchon wohlgeneigt jei. Er erwarte dafür außer der 
Hand der Erzherzogin auch den Königstitel. Wir fennen dieſe Zuſa— 
gen allerdings nur aus Eßterhäzy’s Aufzeichnungen, die er nad) den 
Mittheilungen Kärolyi’s entwarf und könnten durdy den Umſtand der 
Gegnerihaft zwiſchen diefem Gewährsmanne und Bethlen bedenklich 
werden. Aber die ganze Politif Bethlen’s, jeine in allen politifchen 
Fragen an Indifferentismus ftreifende religiöfe Toleranz — laſſen 
das Angebot allerdings als verlogen, aber in feinen möglichen Con: 
jequenzen durchaus nicht widerfinnig ericheinen. 

Als Werber bei Ferdinand hatte Bethlen bezeichnend genug den 
„Katholiten” Wolfgang Kamuthy auserjfehen. Der Nuntius und der 
ſpaniſche Botjchafter erfuhren von der diplomatiihen Action Beth: 


458 XV. Buch: Ferdinand II. u. III. u. d. dreitigj. Krieg (1615— 1648). 


len’s. Ter Sailer wollte den gefährlichen Nachbar durch eine ent: 
ichiedene Zurüdweilung nicht erbittern, er ſuchte ſich mit einer aus: 
weichenden, immerhin aber mehr ablehnenden Antwort zu helfen. Nun 
[egte Bethlen das Kriegsgewand an, und während Ferdinand neue Unter: 
handlungen in Neuſohl verjucht, bricht der Fürſt los, zieht mit einem 
80,000 Wann ttarfem Heere von Klaujenburg heran, während 
jeine Bevollmächtigten nad Neuſohl reiſen, erläßt, nad furzem 
Stranfenlager in Großmwardein? ein Manifeſt, das alle Schuld 
dem Kaiſer aufbürden joll, und jteht bald (September 1623) auf 
dem Boden des Ffüniglihen Ungarns. Mährend der Kaiſer und die 
Liga unter Tilly jeine Bundesgenoyjen im Reiche aus dem Felde 
Schlagen, liegt dem Fürſten ganz Weſtungarn offen und Das einzige 
verfügbare Heer Ferdinand's, ein paar Taufend Söldner und Kojafen 
unter Führung des Hieronymus Caraffa und Wallenjtein’s 
muß fid) begnünen an der mähriſch- ungariichen (Srenze zu lagern. 
Die Türken und Tartarın Bethlen’s haufen furdtbar. Aber fie 
wollen auch nicht länger im Felde dienen und die Ungarn im Heere 
Ihredt das Gerücht vom Anzuge Tilly’s, der am 6. Augujt den 
Mansfeld bei Ztadtloo geichlagen. Ties und die veränderte Hal: 
tung der Pforte, die jchlechte Ausſicht auf Hülfeleiſtung jeiner Alliirten 
beſtimmten Bethlen, auf Waffenruhe einzugehen und einen thunlichit 
vortbeilhaften Frieden zu ſuchen. 

Der Kaiſer ſtand zwiſchen zwei Anſchauungen und Parteien im 
Rathe der Krone. Sein erſter Günſtling und Miniſter, Eggen— 
berg und der ſpaniſche Geſandte vertraten die Friedens— 
partei, welche der neuen drohenden Pläne der Weſtmächte und auch 
des Wiederausbruches der Kämpfe im Reiche gewärtig, den Krieg 
mit Bethlen abgethan wünſchte, während Puͤzmän und Eßterhüzy, 
die Führer der ungariſchen Regierungspartei, die Wiederaufnahme 
des Strieges gegen den unberecheubaren Fürſten Siebenbürgens ver: 
fochten. ach längerem Zögern, als ſchon wieder der neue Kriegs: 
plan von Mansfeld am franzöſiſchen und engliichen Hofe verhandelt 
wurde, entichloß fich Der Kaiſer zum Ausgleiche mit Bethlen, der 
auch am Kaſchauer Ztändetage (März 1624) der Friedenstiebe und 
Türfenfurbt Oſtungarns inne ward. So kommt es den 8. Mai 
1624 zum Wiener Frieden, auf Grundlage der Nikolsburger 
Pacification. Oppeln und Ratibor giebt VBethlen preis, dafür er: 
bält er die Ecjeder Burgherrſchaft an Siebenbürgeng (Hrenze. 

Hinter der ‚sriedensgeneigtheit Bethlen’s ſtak aber nidıt bloß 
die richtige Abſchätzung der Sachlage und der fragliden Erfolge 
Dansfeld’s bei den Weſtmächten, fondern die ernjtlichere Wieder: 


XV. Buch: Ferdinand IL. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 459 


aufnahme des Heirathsprojectes. Zwei Wege faßt er dabei 
in’® Auge, die abermalige Werbung bei dem SKaijerhofe und die 
Sendung an den brandenburgifhen Kurfürften in gleicher 
Abficht, wobei ihm der Schwedenkönig Guftav Adolph behülflich fein 
ſollte. Ferdinand's perfönlihe und begreiflihe Abneigung gegen 
Bethlen als Freier und der Widermwille Cäcilia Renata’s, welche den 
Scherz des Baters, fie Fürftin von Siebenbürgen zu nennen, mit 
zornigem Erröthen und mit der Aeußerung, der Vater „wolle fie 
dem Teufel geben,” aufgenommen haben foll, trafen mit den Ein- 
flüffen der ungarijchen Regierungspartei von Ehterhäzy’s Anfchauung 
zuſammen, und der römiſche Stuhl, den Richelieu immer erfolgreicher 
beeinflußte, that das Seinige, eine folche Verbindung mit dem Ketzer 
Bethlen hintanzuhalten. 

Andererfeits bot die engliſche Diplomatie Alles auf, den 
Fürſten gegen ben Kaiſerhof einzunehmen. Minifter Eggenberg, der 
ungarische Kanzler Sennyei und der neue ſpaniſche Sejandte am 
Wiener Hof, Graf Uffuna, riethen nun dem Kaijer, jeve Kränkung 
Bethlen’s zu vermeiden und ihm eine Prinzejlin aus der deutichen 
oder italienischen Verwandtſchaft Habsburg's auszuwählen. Dan 
dachte zunächft an eine ſächſiſche Prinzeffin, dann Elopfte man bei 
Toscana an und endlih verfuchte man es mit einer Modene— 
ferin, desgleichen mit der Herzogin von Nevers, einer Prinzeſſin 
mantuanijcher Herkunft. Bethlen aber war entjchloffen, durch eine Ge: 
andichaft, den Kanzler Kovacjöczy an der Epite, um die Kaijer: 
tochter werben zu laffen und ertheilte jener die Weiſung, ſich ungün— 
ftigen Falles an den brandenburgifchen Hof zu begeben. Dieſer 
Tal trat ein und jo erfolgte die Werbung in Berlin, wo man 
nicht lange zögerte. 

Aeußerlich allerdings ſchien Gabriel Bethlen die möglichlt ver: 
blümte Abweiſung verſchmerzen zu wollen. Aber fein Sinn Itand 
anders. Zu neuem Waffengange rüften die Gegner des Kaiſers, 
ihon it die Wahl Ehriftian’s IV. von Dänemark zum 
Oberſten des niederfächfiichen Kreifes nahe (25. März 1625); man 
hofft von dem neuen enaliihen Könige Karl I. mehr Thatkraft. 
Bethlen correipondirt mit Thurn, dem Agenten des Pfälzers und 
diefer Jchreibt an den Fürſten aus dem Haag (2. April 1625): 
‚Marcus (Venedig) ftünde Schon in Waffen und ſuche aud) den Sadjjen 
dazu zu bringen. Achilles (Guftav Adolph) habe ein jchlagfertiges 
Heer, das er in Bewegung jeßen möchte, wenn er des Alngriffes 
Bethlen’s auf Dedenburg (K. Ferdinand) gewiß wäre’; auf vene: 
tianiiches Geld Fünne der Fürſt rechnen. 


Ay RU Trab verwncer, SI oa. III. u. d. bieie:gr. Areg (161 —Ivirı 


Hm Bethjlen in Zchah zu halten, mußte ſich ber Railer ber 
inne vetſichern. Ter Syarmater Friede vom 16. April 
1635 ernst Ten Vertrag von Jahre 1606 zwiichen beiden Mäch— 
ten. Wie Sicht en auch Vethlen fiel, bei der Pforte in Gnaden 
au bleiben, Denmod) war ihm Diefer Vertrag unbequem und noch 
meh Meran empfund er über die neue PBalatinsmwahl, die 

zittolge Ders Tohes St. Tyurzö's (1. Mai 1625) — am 25. 
Welohen ſeinen bebentennften Segner ımter den Magnaten Ungarns, 
Yıflas Ohterbäzn, an Die Spitze des translejthaniichen Staats: 
lebens jellte, nielleicht mehr noch als über Die Wahl des Erit: 
nehnrnten Aerhbinandb's zum Königellngarns (26. Nov.), 
her ſchöon am 8, Dezemher 1695 Die Krönung duch Pazmän folgte, 
ein ſeſchrift, ben noch kurz vorber Eggenberg und Päzman als in: 
upportimt hezeichnet hatten. 

VHas Jahr 1525 nerlieſ ohne Kampf mit Betblen, aber e8 war 
een Die fett der Rutungen. Die weiteren Creignifle Des großen 
Krieges unölhigen unn aber den Blick einer Perſönlichkeit zuzuwenden, 
die in der That den Mittelpunkt eines weiten Kreiſes weltgeſchicht— 
lider Thbalſachhen de es iſt Adalbert Euſebius von 
ala. der Wallemſtein des dreikigjahrigen Krieges. 


Vusg aitrhinrdent dlebie Das mit mackrigen. angeichenen Familien. 
den Narierihera nitie Hienburg Zlowata verichwägert. ſiets obenan 
Mad lege vudronieet SG SD und dad Pradteka! von mehr als zwanzig 
DosnPiaı nie Nadine Ye atsehentd De am! Nermanic als 
ie Worte N aan, AM den do Zurienbe Lass sur Welsi. 
u theme von Walditein 
Non. > Women. zesheniogopiifadr Sr Tosırsıcken Klauben 


Nr d 1 9 Ay u ® Isı rn || N, N rn u 


Met. hen on Nenn SIE Stinenäiten Did 2 Mi Murzer im 
En VE a ? . . * Pointe die Nail un Dr Shem Al. 
Door ,, Inı.taac N NEoatenmeardı: Alhime non 
Son Nomen ea. N Maubanse oe. hear Dir SUNGEn. 
' NONE NE aNe N nn Wd rm oon des TI 
wo N ron rn, a nern Vrob Sn ET bie 
IRa Kan) FEDER ZEN EL TSE EEE Te bonn on. mo N he. USD Sm 
TE — N vo N Non, Stone aa IIMERe 
er rn N: Miu N... rer Kor 
e f Y SE. ah wet nE. N. meh 

mn NN —W no ea Nor pri 
v. N . “ “ N it . we. th De 
. Veto N No und Dr NC 

Ar Pr Vu ehr rn, Hp an, a3 MAR 


DL Ben TEE EerEur Eu Zr Er tim Ra i “ — ar ert 


XV, Buch: Ferdinand IL. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 461 


„der Tolle von Raldjtein”, wie der Gefchichtichreiber Slawata den phantaftifchen, 
an Jugendluſt überſchäumenden Braufefopf nannte, alöbald mit den akademi— 
ſchen Gejegen in jtarfen Zmiejpalt — und trug endli das consilium abeundi 
davon. 

Seit 1620 begannen die großen Reiſen mit dem Niefenburger, unter Ob- 
but des Magijter8 Peter Verdungus (Pierting?) aus Franken, Mathe: 
matifers, Altronomen und Freundes Kepler'’3, durch Süd: und Weftdeutich- 
land, Holland, England, Frankreich und Stalien und erweiterten den Geſichtskreis 
des jungen, reichbegabten Jünglings, der die Ahnung fünftiger Größe in ber 
Ihmellenden Brust trug — unter dem jüdlichen Himmel, als Genofje der Uni: 
verfität Padua längere Zeit in Jtalien weilend, die geheimmißvolle Spradye der 
Sterne beuten lernte und dem reichen Verwandten, Adam von Waldſtein, 
auf den Vorwurf: er treibe e8 wie ein Fürſt, geantwortet haben joll — „mas 
nicht iſt — kann ja werden.“ 

Wie andere junge Kavaliere nahın er bald Kriegsdienfte, zunächſt 
unter dem jchneidigen Generale Baſta; bei der Belagerung Graus erjcheint er 
als Hauptmanı einer Fußcompagnie. 1606 nad Böhmen beimgefehrt, wurde 
er von feinem Verwandten, Karl von Zierotin, dem erzherzogl. Cabinetsrathe 
Joh. v. Mollart empfohlen und ald Kämmerling aufgenommen (1607). Zmei 
Sabre jpäter ftellte ihm der Meijter in Prognosticis, Kepler, das Horojfop: 
„Er babe ein unruhiges Semüth, mehr Gedanken als er äußerlich fpüren laffe; 
trachte nach Neuerungen durch außergewöhnliche Mittel. Nicht umfonft fei er 
unter der Conjunctur des Saturnus und Jupiter geboren, unter denjelben Ge— 
ftirnen, wie Zamojsfi, der Großkanzler Polens und die Königin Englands, Eli: 
ſabeth; — eine außergewöhnliche Natur befähige ihn zu hoben Dingen. Ehrfucht, 
Zrog und Verwegenheit könnten ihn leicht dahin bringen, der Führer milder: 
gnügter Neuerer zu werden. Viele und große Feinde werde er fich zuziehen, 
aber meiſtens ihnen objiegen.” — Die durch den Prager Erzbiſchof vermittelte 
Heirath des hochitrebenden, aber wenig bemittelten jungen Mannes mit ber be: 
tagte güterreihen Wittwe Lukrezia Nikeſſin (Neskowä) von Landef, einer 
vom Kreije der Zierotin’ihen Verwandtſchaft, und die baldige Beerbung ber 
grau (F 30. März 1614) und dann bie Sinterlajjenihaft jeineg 
Oheims, 4. Slavata, machte Wallenftein wohlhabend und — freier al3 zuvor 
in jeinen hochfliegenden Wünjchen. Er fonnte nun mit Glanz bei Hofe auf: 
treten und feine Leidenjchaft für den Krieg erfolgreicher bethätigen. Er verftand 
das Geheimniß der Defonomie, die daß Gelb ald Mittel zu bebeutenden 
Zweden zujammenzubalten weiß. So erſcheint er mit einem felbftgemorbenem 
Dragonerregimente 1617 im Benedigerfriege vor Gradisfa, dem Wallonen 
Dampierre zur Seite und hält fich wader. 

Als 1618 die große Rebellion in Böhmen und Mähren losbradh, 
hielt es der Soldat Wallenftein mit der ftreng faijerlichen Partei, und fchrieb 
jeinen Qettern, die im andern Lager ftanden, er werde jie mit Ruthen peitjchen 
lafjen, wenn fie in feine Hände fielen. Als Thurn 1619 Mähren terrorijirte, 
brachte Wallenftein die Landeshauptkaſſe mit 100,000 Thalern nad Wien und 
biefer Handſtreich wurde ihm bei Hofe gnädig vermerft. Er erſcheint dann 


463 XV. 32%: Wrtrzn IL. 2. III. 22 bern gun DIS 


un Erusurs auıng fe Kira: Malszunen Il. 52. Summe, m) tene 
Uruee zuzın Mans) un Ausiizy 220. Sur arı her Zimt: am merken 
Seze zei 7 bares Fenıiz.suzttiermerter Sb Yehırıeigitiichen 


Bess um, st’tın er geriinch Ben enttelrien Ram mt: mirmadie, io 


Es’ 23% /ea kasımanı or wrag men Bir fin sin Mann om Sorbee 18521 


D_ 2 - 
aut milcckem Son mu Fersen ım Lara. Mstieten Icio nur Semeral 
(Karat (dnamunesıs, aus Habmen Serbeisiien. um Möhren zrzen Neien Feind 


su Dein. 
Zeit der Frager Schlacht van N. Nanrımdar Ir mar De ge gelommen, 
wo die Tegente Raitzrmadı ibre !zeuen Anhänger entichnen meize und musßte. 


mar Keiner von Lenen, welche ch ın Die legıe Yinie Yellien: auch Keiner Derer, 
bie in nanziellen Runngctar blöde waren. Daid batte er 1.» (Anier angefauft, 
mit enem Heiammtermage von » Millionen; Beñechlichkeit der Scharmeiſter 
und vortheilhartte Terminzahlungen, bei Denen aucd mir ichlechtzem (#elde nicht 
geipart wurde, erleichterten den Handel: auch den tKitzerber:g ieines blöden Mün: 
beis, H. 4. Zmitidn, eignere er ſich unter vortbeilharten Bedingungen zu: des— 
gleichen Die große Herrichait Jitichin (132351. Schon im Jahre 1622 Harte 
Wallenitein Die Hauptherrichgait Friedland in Nordböbmen um den 
Zpotipreis von Int, na (Kulden Vehensaabe erworben. Hrosgrundbeiiger eriten 
Ranges, mit dem umratienditen Blicke für das Größte to aut wie für das 
Kleinite der Wirthichaitsbedüriniſie, des bauerlichen und bürgerlichen Yebens, feit 
T. Zevrember 1525 Fürſt „von Gottes (Ynaden, Regierer des Hauſes Walbitein 
und sciedland,” — bedurfte er nur noch einer ttandesmarkigen Heirath, die ihn 
mit der eintlurreichiten Kotiphare in Rermandtichart bradie. Dies erreichte er 
(Auguit 1654) Durch die Vermählung mit der Tochter des fait. Kämmerers, 
Graien Karl von Harrach: Niabella Katharina, Schweiter Leonhard Har— 
rach's, der durch ſeine Frau, eine Tochter des Premierminiſters Eggenberg, zu 
deiſen allmächtiger „Familie“ gehörte. Im September 1621 zeichnete er ſich ſchon 
als „Herzog von Friedland“; mit einem zuſammenhängenden Gütercomplere von 
mehr als 71 Quadratmeilen mit 9 Zrädten Friedland, Meichenberg, Nitichin, 
B. Yeipa, Arnau, Weißwaſſer, Turnau, Micha und Münchengrätz), jowie 57 
Schlöſſern und Törtern, dazu au vierthalb Tauſend lehensprlichtigen Grundſtücken. 

Zo trafen außergewöhnliche Begabung, (Fhrgeiz, Lebensklugheit, Reichthum 
und mächtige ‚yamilienbeziehungen zuſammen und ließen bei dem angeborenen 
Trange Wallenſtein's nach dem Großartigen, Außerordentlichen auch auferge: 
wöhnlide Wirkungen erwarten. 


Cs war im Frühjahre 1625 zur Zeit der neuen Rüſtungen 
der prälziichen Bundesmächte, als Wallenjtein — denn jo nannten 
ihn die Welichen — in Wien den Antrag jtellte, für den Sailer 
eine ftattlihe Armee zu werben und in einer den Staatsichag wenig 
brüdenden Weije zuerhalten. Ueber vie Höhe der Anträge Wallenjtein’s 
und den Gang der Unterhandlungen find wir nur gerüchtweije unter: 
richtet; jedenfalls aber hatten fie etwas Ueberraſchendes, Bebenkliches 


XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 463 


‘ und ſelbſt Eggenberg, Wallenjtein’s Gönner, war anfänglich gegen 
fie eingenommen. Dann aber trat der politische Gefichtspunft, die 
Gefährlichkeit der Staatslage und das Demüthigende der Ab: 
bängigfeit von der Kriegsmaht Bayerns und der Liga 
für den Plan, ein überlegenes Faijerliches Heer zu jchaffen, in die 
Schranken. So erſcheint Wallenitein bereits mit Beftallungsdecrete 
vom 7. April 1625 zun „Capo“ über alles Faiferliche Volk beitellt 
— nunmehr den 25. Yuli d.%. als „General-Oberſt-Feldhauptmann“ 
der ek. Armada, die er durch das Angebot reichen Handgeldes in 
wenig Monaten aus altgedienten Söldnern, allerweltsher „zujamnıen: 
gefchneit und geblaſen“ anmwerben und durdy junge zur Drillung be: 
jtimmte Mannichaft ergänzen läßt. Der Deutihe, Böhme-Mäphrer, 
Ungar, Kroat, Pole, Wallone, Italiener, Spanier, Schotte, re, 
Engländer findet ih da im großen Heerlager zufammen, mo e8 
einen leitenden Kopf giebt, der dieje bunte Welt ordnet, zufammen- 
hält — und ernährt. 

Man bat gemeinhin Wallenftein vor Augen, wenn man das 
fliegende Wort „der Krieg müfje den Krieg ernähren” lieſt; ſchwerlich 
ſprach er e3 zuerit aus, jedenfalls aber ijt die Kunit des „Ranzio— 
nirens” uralt, jo alt,. wie der Söldnerfrieg felbit. Nur wie Alles 
brachte auch dies der Friedländer an der Spige eines großen Heeres 
in ein großes Syitem und ließ es jo der Welt augenfälliger er: 
ſcheinen. Aber er verftand auch die wichtigere Kunft, in Freundes— 
und Feindeslande die Armee fo zu ernähren, daß der Bürger und 
Bauer allerdings „ganz erbärmlich” lieferte und zahlte, aber durd) 
die Strenge des Armeehauptes geichübt, in guter Ordnung anbauen 
und ernten, Haus und Hof behalten und feine Gemaltthaten zu bes 
jorgen hatte, fo weit fich jolche eben verhüten ließen. Khevenhüller, 
der nicht blind für Wallenftein’s Armeecontributionen ift, jagt: 
„Soldat und Bauer haben beifammen gelebt und alle Kriegsherren 
diefe Manier, Krieg zu führen vom Herzog von Friedland gelernt.“ 
Man bat immer nur die „wilde Soldatenwirthihaft des Friedlän— 
ders” vor Augen, den unvermeidlichen Krebsichaden des Söldner: 
weſens, — .aber man vergißt der Fundigen und kräftigen Hand, die 
noch Schlimmeres verhütet und einen großen, vielgliedrigen Körper 
zufammenhält durch perfönliches Anjehen, moraliſchen Credit und 
jenes organifatorifche Genie, das einen eijernen Kopf und den Blid 
des Falken bedingt. Sedenfalle war Wallenjtein als Armeeorga: 
nifator größer, denn ald Schlachtenmeilter und jo Stand auch die 
Kühnheit feiner politiſchen Entwürfe über dem Unter: 
nehmungsgeifte und namentlich über der Schlagfertigfeit des Kriegs: 


surrırı ll LIDL ..2 mcHeonre one, ; 
- - - IE, PURE u 


Ja 

er) 

we 
ya 
⸗ 
ei 
14 


.. D 2 u De zu ....- .— neo — ann 
TIorTe2. A. Tun uien —ı.. .“n unh „Te CGRC ——.n —— SEtel⸗ 


umsen. —2. Semi en N Ten nen DZ 
sUnzZen, -— nn 0: nn — 42* — 2 on. > Sir Ferch: 
nen Arırım.z, ir2i lualamien 28 WInar arme cn 

zen 4 * ar. 1E23 arm MIT Sartınızz Rarını 
an, n Bim: 
itsin Are: 


= 2 .2 zz SIND, "allen: 
I MI SL Mn unmımıdmamm nenne 


„se Ih 
‚!. 


io, 
[4 
[1 
’ 


3 2: wwiichen 


ur er ann iSen Armee, un® Tilln, 


LE} 
z31. 
ir 


vu —..- 


3 ..2. 


.y 
[Ar 
4 
de . 
Yı 12 0 


Jeallertiin, 
dem ‚eeitbirn 3 £ 
jebre, aber maheity ;z Geralt, 
num.ihen Min: lien, nl, ma es ln, \mfelıen u —8 n. — dieſer, 
isn im Ayreiinakter, der Kaslfer, Kan von Wudos, einfach, 
pruntias, ncheru cikenih in fiiner Yelenemere, la -elemitein, der 
Kolititet, der gern Die Welt Durd enmezeriih: Nustoruche blendet 
und irriruhrt, deſſen Muse grose Berbattnits be — dem im 
vacer der Trot:ttant ebento —S in, wie der Kaetholik, denſen 
Chreei: das Hechite für erreicht at hait, und Tiin, der bloße Soldat, 
der mwortizrae und ideenarme, aber ſichlagiertige General, Dem bie 
politiihen Dinge wenig —— ſind, der underbrüchlich ergebene 
Tiener der herrichenven Kirce, Denen ganzes Sein im Ariegsband- 
werk auigeht und der darin auch ieim Yebensideal finder. Schon 
Dieier (Hegentag der Perionlichkeiten lieh fur Die Länge um To me: 
niger ein ungeitortes Cinvernebmen erwarten, als Mar v. Bayern, 
das Haupt der Yiga und ihr Feldherr in dem neuen failerlichen 
Heere und Denen Haupte, meniger Die bundesgenoſmſche Hülfe, 
iondern weit mehr die Emancivation Des Kaiſerhofes von der ligi— 
itiihen Mrieasbereitihart und einen unbeauemen Nebenbuhler er: 
blidten, der überall den eriten Plaß in Anipruch nahm. Nor der 
Hand freilich lie die gemeiniame (Setahr das Dornige dieles Ver: 
hältnistes nicht io areitbar hervortreten. 

Tem aemeiniamen Kriegsiuge Walenitein’s und Tily's gegen 
ben niederiädhjfiichen Kreis und den Tanenfönig ohne enticheidende 
Zchlacht folgte das mwidtige Haager Bündniß der Gegner 
des Kaiſers und der Liga. In eriter Yinie waren da England, 
Holland und Dänemark verbündel. Schweden zeint ſich durch den 
:olentrieg aebunden und dur die Eiferiuht Dänemarks zurüd: 
gedrängt ; nichts Deito weniger hält es den lan einer Schilderbebung 
gegen den Kaiſer von Nordoiten aus feit, die Theilnahme Venedigs 
und Frankreichs an dem Haager Bündniſſe int problematijch, dagegen 
die Uebernahme des Krieges gegen ‚serdinand durch Bethlen gegen 


a 


: Nr = Fiennes- 


—X 
33 2 
he 
294 
n, 
+3 
[4 
—1 
4 
a 
134 
| 
Car j 
[| 
\ 


4% 
2 
3 t+ 





erento. LI. pam. Ir — lo, 


irn X: 0.9 


weten! m Täler Smilerzumg KBulemiers 2 umer 


. - 


Poezizt zz Sp werzmr wer IT sen Sure ur 7 
Zara wpe FT mare TE SEN Fraiert nee. 


in 15% sa Bar — Te mm — US 11.270202 om 
yonasıerı, Zi vet WI InUTTe ——q To 0 


nass kos nur Zr "mt 33 Tue hıwemmer [Sir ner 
u nu Mon zu Zu, Sm Aurar Zuerer — L. 2. 
or, Ds heteuke Zen wuete muı T2 I m Zah weimer: 
mar Wehe ss Tin Nantalnı Ser wage, N 
Versen WI 3 We Kr ZEIT. ar Se A 
ne nn Dit ocm me ur verällch 33 ze 
wenn iu, Tu Tem na Fans Sumumzen. Hr om Frames 
eym, en suchuten Iures zanz zuler fans Ze Ron ern 


un ke hm LTE ILLUTIERR. 

um —* nie mer Jurilen ten Ilocm un! Zeimlere Nr 
msteruen Tutoren messe, Wr Kaumarer so nımmens aaa 
sg nn, sen Mark sm Merl: ı4. Ze), Sören Rans- 
ie, ame Iuzmoets nurfaeheien war, um dann über as Meer 
und, Samen bensiomutsgen. Kabz Ser Küre, ki Jura, ereüte ven 
alpinen, enrueätaeten Bomem som Heiner Meralt, tecem Rörmer, 
fer warfen 'zrrle ber Zoos, ven 26. November, den er als echter 
Hans then schaden mnilte. 

2. riehe, ben Bethlen mit bem Haiter Ihliegt und su Yeutichau 
am 2 Lesentber 16,46 unterzeichnet, fihert Dem Fürſten allerdings 
me Kurtbpile ner ituheten ‚ertrage aus ben Jahren 1622 und 1624; 
born hen jererlichen Yulane Bethlen’s, nie wieder das Haus 
rierserßy oz beftiegen, jebem Bundniſſe gegen dasielbe fern zu 
hlesken, tie Jinnte gegen ben Mailer ninimer aufzuhetzen und telbit vom 
honsuhuhen Gehnste henniitziehen, jtaf, bei aller Nichtigkeit jolcher 
laarıt, noch Dar, Nrefenntniß einer Jliederlage jener Pläne, welche 
Helllen it ben anvern Hauger Kerbündeten getheilt hatte. Der 
lit © iehenbirgene wan jehndh ein zäher Gegner und blieb der 
rſuehte Aniwögenopne hri einde Ceſterreich Habsburgs an deſſen 
neürften rile. 

Weit uhen ie EGrenzen unſeres Staates in den deutſchen Nor— 
nenn blieben a bie weileren Ereigniſſe der Jahre 1627 bis 
Int erg Wolle (1696, Onde Wai bis Tctober) vom 
Wiener Höſe hetrirhenen Lerſtänbigung und engern Allianz des 
allen, Nanernonmbr puniens, das am 5. März den Frieden 
zu Nareelang mt Franfrelch neſchluſſen, Sollen große Unternehmunt: 
en ſolgen 21119 unn Mallenſtein werden bald bie Herren 











47. AV BE) Keymans L. III. 22 mein. mer I te 


Mrz nefzte 0 Tar Naanab ArrTı Denia or tem wenden nee Zimuemg: 
Yan gm ver ter Terra sur Zuße cm Ve zget,sen Türen Kamm my 
= — P 


weten 3 mar nn DTapd Wr um le 20 per 


.. . . ⸗ - “ . = no 
werke Torlern 0 ses Marssurge Welrımsmamens 200 esse 10080 0. 


Ben Area mus ses ter 1." 0 "Irmlanmeme Nırkemaue rennen 


zer ii, zu: dı cn Metzgeral.ma 207 er Rost Selen, 


I: tum nielerzemsmerne Kidemard 2er Trstenenten m 
Hals min wemer zur et und Sert zecmoriiien Auecroe Die 
milimmeniie Sırıkale ur Eimniiım: zebsım. Ter Asmmr nes 
Esonnuzgzs, 2er Zerzideiiiten Anteriße im Barkaliihen Sxzer Velbt 
ubet ve Bun 2 Katiunonen, andererzits De Berimmung der 
f-iteriiten uni rhiigen Armee, als Crecuticnsmäßte jeden Mider: 
Bons cegen 225 Edict su breden, werten Des ungun'tigite Licht 
eur zen zamıen Dandel. Frankreich, ichen aui dem beiten Wege, 
mit Schweden in's Reine zu kommen, konnte vol Schadeniteude 
die eine Hand Da:u bieten, Denn mit der andern lenkte es den mad: 
ienden Sturmlaui der Ligiiten gesen Yuallenitein und teine Armee. 
Wir Recht ichreibt Khevenhüller, der seitgenötttihe Diplomat 
und MHeihichtihreiber Des Haiterhores: „Alto it man aut dem 
Lege, melden der bewußte Kardinal (Richelieu) gewieſen, meiter 
rortgeihritten und der Kaiſer Hat durch das Neititutionsedict nicht 
nur bei den Proteſtanten die Liebe, Tondern aud bei den Hatholi: 
idhen, die es abriethen, die gute Meinung verloren. Tarauf be- 
aehrten bie Ligiiten vom Mailer die Abdanfung jeines Volkes und 
dabei ward das (yarını 10 fein geiponnen, daß es weder Troteitanten 
noch Katholiken gemerft.“ 

un gehätiigerer Form Iprady eine slugichrift Damaliger Zeit einen ähn— 
tihen (“edanten aus. Zie it an den Kaiſer gerichter und enthält tolgende 
Ziele: „uere Majeität willen, meld‘ ehriächtiger, mikgünitiger, unrubiger, 
Iiniger Kopi Tero Kruder Leopold it, aud dar derielbe einen brennenden 
Hab gegen 7. 8. M. und Tero Zohn heget; nicht minder it E. M. bekannt, 
wesmaten Kurbayern und Leopold's füritlihe Durchlaucht theils unter einander, 
theils mit ber Kron xtanfreidh vertraulid und itetig correipondiren, zu 
melden Feuer anch Kurtrier fleikig Tel zuichleppt. AFrit neulich wurde mir 
durch eine vornehme Perſon unter dem Ziegel des Geheimniſſes mitgetheilt, 
dat fersh. Yeopold und Sturbayern, im ‚all (#,. M. nicht al3bald einen den 
Kürten ermünichten ‚srieden jchafit -—- im Bunde mit Frankreich E. 8. M. zu 
befriegen entichloiien find und auch VRenedig hineinzuziehen, Hoffnung hegen.“ 

An der That itand Diarimilian von Hayern zur Zeit als ber Heidel- 
berger Yigatag abgehalten wurde, auf welchem die geiitlihen Fürſten von 
Mainz, Trier, Köln, Worms, Speier, Straßburg, Osnabrück, Fulda, Ealzburg, 
ber Teutſchmeiſter, Ramberg, Würzburg, Eichſiädi, Augsburg, Ellwangen und 
Kempten vertreten waren, mit Ludwig XIII. in Unterhaudlungen, und ein Zer: 





472 XV.Bud: Ferdinand II. u. UL u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 


. Als der‘ Friedländer im Jahre 1629, beichäftigt mit den 
Rüſtungen gegen das widerjpenftige Magdeburg, die entjchiedenite 
Gegnerin aller katholiſchen Maßregeln unter den. deutihen Städten, 
zu Güſtrow weilte, jprah er gegen Tilly von großen Plänen 
gegen den Türken, bei denen alle befreundeten Chriftenmächte mit: 
wirken follten. Aber mit ängftliher Haft trachtet er immer mehr, 
die Küfte gegen den Schweden zu befeftigen, der nun Schußherr 
Straljunds geworden war (Yuli 1629). Bon da drohte alle Ge- 
fahr, desgleichen auch von franzöfifcher Seite. Das wußte Wallenftein ; 
der Türfenfrieg war nur fo ein hingemorfenes Project, um die Ge: 
danken der Ligiften abzulenken. Im Winter von 1629—1630 ſucht 
er die Flottenunterftügung Dänemarks an, findet fich aber zurüd- 
gewiejen, denn nur dem Dänen und dem Schweden gebühre das 
Dominium auf der Oftjee. Das blieb die verwundbarſte Stelle Chri- 
ftian’s IV., wie fonjt er auch gegen Schweden eingenommen war. 

Diefe Arbeiten für die Abwehr G. Adolph's und das Dringen 
auf den Frieden im mantuanifchen Streite bilden die lebte Thätig- 
feit des Generalates Wallenftein’s. Seit November 1629 wächſt die 
Hoffnung Bayerns, den Kaifer in der Abdanftungsfrage ge 
fügiger zu machen, am Mergentheimer Convente (Frühjahr 1630) 
ſpricht man ſchon von der Reform des Ffaiferlihen Heeres unb der 
Uebernahme des Commandos durch den Kaijer, ein Mitglied des 
kaiſerlichen Hauſes (Leopold) oder einen der angejeheniten Reichs⸗ 
fürften (Mar v. Bayern). Vom Plane (Mai 1630), nah München zu 
gehen und ſich mit dem Bayernfürften zu verftändigen, fommt Wallen: 
ftein bald ab. Als man ihn Ende uni auffordert nah Negens: 
burg zu kommen, antwortet er von Memmingen aus, dort — in 
Regensburg — habe er nichts zu juchen; jein wahres Quartier 
würde er in der Sauptftadt Frankreichs zu nehmen haben. 

Als aber der Kaifer in Regensburg einzog, um die deutſche 
. Königswahl feines Erjtgeborenen durdhzufegen, war ihm eine herbe 
Demüthigung beſchieden. Die ganze Ligiftenpartei war dieſem 
Wunſche abgeneigt; jprah man doch in ihrem Kreife: nimmer 
einen Kaiſer wieder zu wählen, der zugleich König von Ungarn jei; 
auch an Ludwig XI. dachte man. Frankreich fendet auf 
ligiſtiſche Einladung als Helfershelfer das bedeutendite diplomatijche 
Genie an Richeliew’s Seite, den Pere Le Clerc du Tremblay, (Pater 
Joſeph, die „graue Eminenz“) und mit ihm Brulart. Die ganze 
Phalanr der Gegner Wallenftein’s hilft den Kaiſer beftürmen: nur in 
jeiner Entlafjung läge das Heil und die Eintracht im Reiche; immer 

yächer wird der Widerhhand der Eggenbergiihen Partei, immer 





474 XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 


mußte er bedacht fein, die Pforte von einem Separatfrieden mit dem 
Kaifer thunlichft abzuhalten, oder ihm. doch jede gegen fich gerichtete 
Spite abzubreden. So fam unter jeiner Mitwirfung der Szönyer 
Friede des Kaifers mit dem Sultan (1627, 12. September) zu 
Stande, auf Grundlage der früheren Verträge; aud) wieder nur 
eine Friftung fauler Zuftände, einer Doppelherrichaft auf Einem 
Reichsboden. 


Dem Palatin Eßterhäz y gegenüber ließ Bethlen ſchon im Mai 1627 Anträge 
machen, der Kaifer folle den Pfälzer wieder zu feinem Lande bringen, mit den 
protejtantifchen Fürſten Frieden machen und ſich mit ihm gegen die Türken⸗ 
macht verbinden. Eßterhaͤzy blickte das Verlogene folcher Anerbietnngen durch, 
die Faijerliche Diplomatie war nun bemüht, durch Enthüllung folcher Anträge bei 
der Pforte den Credit des gefährlichen Fürften zu erfchüttern. Wir kennen bie 
Antwort Bethlen’3 auf die Vorwürfe der Pforte (22. März 1628); es ijt ein 
langes Schriftftüd, worin er Alles als Verleumbung, Lüge brandmarkt, in einem 
Rückblicke auf die legten 26 Jahre der Gefchichte Siebenbürgens feine Verdienſte 
um bie Türfei aufzuzählen fi) bemüht und der Pforte entgegenhält, daß fie, 
wenn zugänglicher feinen Nathichlägen, 1619—1620 den Krieg mit Polen hätte 
vermeiden und durch einen raſchen Heereszug vor Graz 5 Reihe: Steier, 
Kärnten, Krain, Croatien und Slavonien leicht hätte unterwerfen können, ba 
er das Unternehmen gebedt hätte. Ganz Ungarn wäre ihm offen gelegen, aud) 
Wien feine Beute geworden. Die Pforte habe die großen Unterlafjungd: 
fünden des Jahres 1620 auf dem Gewiſſen. Und den 22. März fchreibt er, 
„unter vielen Thränen“ das ſchmähende Schreiben des Großveziers gelefen zu haben. 
„Bott ſei Dank“, heikt es darin, „wir find fein Rinderhirt, wir ftammen nicht 
aus alltäglihem Gejchlechte, ſondern unſer ganzes Gefchlecht ift jeit 1300 (1) 
Jahren aus wahrhaftigem und reinem Adel entiproifen und ſchon vor 200 
Jahren (!) waren mehrere fiebenbürgifche Wojmoden darunter”. Es iſt dieſe 
Stelle gegen die orientalijche Hofſart des Türken als Oberherrn berechnet. 

Neue Rüſtungen Pethlen’3 gegen den Kaifer waren von 1628 auf1629, 

im Ginverjtändnifje mit K. Guſtav Abolph, Frankreich, England und Holland, im 
Werke. Sie zu verdeden, war da3 neue Angebot an den Primas Päzmän, 
gleicher Art mit dem an Eßterhäzy, bejtimmt. Der Graner Erzbiſchof mochte 
bei jeinen Katholifirungsprojecten und dem Wohlgefallen an Bethlen's freund: 
liher Haltung gegen die Jeſuiten und die Belenner der römiſchen Kirche 
leichter berüdt werben. Aber auch Päzınan war mißtrauiſch. Die hollän— 
diſchen Botjchafter bei der Pforte, Karl Talleyrand und Jakob Rouſſel, 
juchten den Fürften in ihrem Geheimberichte v. 15. Mai 1628 gegen feinen 
„verrätheriſchen“ Vollmachtsträger Mikes einzunehmen und die Sachlage für 
ben Kaijer möglichit ungünftig barzuftellen, damit ſich der vorlichtige Bethlen um 
jo leichter zum Losichlagen gegen den Kaifer und den Polenfönig bequemen möge. 
Als bejonders wirkſam erjcheinender Trumpf wurbe die Mittheilung ausgefpielt: 
Die venetianifchen Botfchafter müßten, es fei in ber kaiſerl. Geheimcanzlei ein 
eeret audgefertigt worden, dad Wallenftein mit dem Yürjtenthume 





436 XV, Ruch: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigi. Krieg. (161IS— 1048). 


auk was Urſachen von etilich vedlich uud gerrewen Khayſ. Kriegs-Tbriiten..... 
MM. v. Friedlaud .. . . ... .. auß dem Mittel geraumer.... worden; c) Der 
Discurs dber Deo Friedlando actiones und gegebene vngleiche Trdonanzen 
anne TG et Io, (Aretin, Banerns auswärt. Verbältniſſe J. Urk. S. 337,) 
und «dd Ruddielicher und gründlicher Bericht der vorgemeiten friediandiichen vnd 
ſeiner Addaerenten abicheulichen Prodition . . . . . .· Mir ff, Mai. stenheit Wien 
negeden und nach reiben Uta. b. H. Kreinhanſen. kaiſerl. Poſtverw. in Bam: 
durg vertont. [6.33 des Nbevenhäülier, AI. Bd. etwas verändert auf: 
wegen, oder Mari ae Monog:. Die Ermordung Albbrecht's Di. v. 
Ne Giue ISLE) pernelvelt Boen Beribr mus dem perduellionis Chaos 


v Na ur N N. DO 


Nan un. > u “ np. . 3 » . 2 Ss 
Dar sdrurond der dan Din Ammann Dancmd Kulds Tat Subeit 
u. ® % " on. x ” v ı. v .n —ı 
an sd rn.) Alnpndnsm >. Upmormas —S — — much Zisnaig 
F 8 un Beau 8 rs 5— 
vora ν S.. .d. 20 SIND daν Weg Nemm Sselberngen 
> M 
wiss Nasltam Zevrma ven Narr su N Henburs Zser Ne 
x —X 2* “ ns ru. > 
d. EEE. NN nat X— wur Zzumwinet 0r. ba, Seeren: 
nn * — 
Sana a Vi ma Nvr Dis sm Szene Der NMucder 
I n. - “ 
x . . . un. ... - — 4 
Nu = & = un x 7 5 * un J San. nn .- .: ©, a .. en Sen Im 
“ - - . 
et Ns „Are, sa.ın Diaminss mut Sumossetn ın 
“ . ni u. —.. . — 
N sa I WIIIN DE No Ar Juenlns mis rım 32 
Win NL . X. 2. Nm Naın cs u RB, . 
* 225 e 
Fa N". Ant 122. ID: ren 23 2ITImer mer zb 
y — 2 
Sa . N t un x ML AXx > br . n 7 * - Ss a z mm 4 — ._ 
® } [7 >. 
Ueuh.ı  NS,, a a, u, si SD ıLT m. SL 
n n — - 
N. Date N T: . * SL. a Net 
sun - - . 2 
un >> x . . he I Time nm R.2222: 
by 1 . 
Sn NN a U. N. 1 R en >. - Multi 
d - — 
Ir I. J 3 s Sn n - = N > bu “- - I [% .—.. nd 
—R * J LP DS - - - ri 
EN & nu . = nn. - = - uw 
x 3 nn x 0 - 
y m > - [\ “u * 10. ı_ 7 3 mn > 
[1 — 
⁊ N x SS, ‘.. ’ - 7 ——* —' 
N RO “ % = * Ba > . = Sn - 
[1 - X y .L- 
N ⁊ X .. . » N = Sn. - = * — 
— = - Mn le = 
N a a‘ x —R < a = = PL Bu - 
L 3 Mm [mu eu 7 
1} —RO ⁊ Du) . > 
- [} " — — = - 
x u x > = » ” Ba - - e.e. 
. m nm m E — u m '..« 
** X X N * .“ 
[2 [7 na 
Ä x x = 2% “ - ...» nn. 
” —R 
—8 Pond ” = - n I » I > 
” x . * 
— —8 um 8 
= - - Fa Fa - m - en met 
- - f} - un - „””. 
» - D$ ⸗ * = ® . 
—R Lu) “ . m m im 





478 XV. Buch: Ferdinand IL u. III. u. d. breißigi. Krieg (1618—1648), 


fchon das Lager beiFrankfurt an der Oder hielt und den Branden- 
burger gezwungen hatte, ihm die Wege zu öffnen, mar mehr, als 
man in gegneriichen Kreifen erwarten mochte. Der Fall Magde— 
burgs jedoh (Mai), — die „Magdeburger Brandfadel“, — ward 
das günftigjte Ereigniß für Guftav Adolph. Nichts Tonnte Tilly, 
den greifen Feldherrn der Liga, härter treffen, als das 2008, Die 
wichtigste Feitungsftadt der Elbelinie erobern und unter furchtbaren 
Gräueln als Brandftätte hinter ſich laſſen zu müfjen, und zu fehen 
wie dies Ereigniß in feinen Wirkungen nun bald den mädhtigften 
- Broteftantenfürften, den Sachſen, dem Schwedenkönige in die 
Arme drängte. Anfang Juli überjchreitet Guſtav Adolph die Elbe, 
— in harter Zmwangslage weiß Kurfürft Johann Georg lange nicht 
guten Rath, endlich bleibt ihm Feine andere Wahl. Im September 
vereinigt fih das Heer der Schweden und Sadjjen, am Breitenfelde 
bei Leipzig kommt es (17. September) zur blutigen Entjchei: 
dung und zur eriten Niederlage des gefürchteten Schlachtenmeifters 
der Liga. 

Offen liegt nın dem Schmebenfönige ganz Süddeutichland und 
der Weſten, die Ligiften durchfährt ein gewaltiger Schreden, aber 
auch dem Kaiſer ift es bange, denn ſeit Wallenſtein's Entlaſſung 
verfügt Ferdinand über fein Heer, das fi mit Erfolg dem Feinde 
entgegenwerfen könnte; es war ebenjo auseinandergeftoben, wie es 
„zujammengeblafen“ war — und fo mander Söldner diente jebt 
der „victoriofen” Fahne Schwedens und Sachſens, deſſen Heer 
unter dem Kurmärker Arnim, einſt Wallenftein’s Unterfeldherrn, 
Thon im November fih zum Herrn Böhmens madıt. 

Bald waren Schludenau, Tetihen, Auflig, Leitmeris, Schlan, 
Raudnitz und Melnik in ihrer ziemlich jchonungslojen Hand. Bor 
Mitte des genannten Monats (11. November) war Prag ſächſiſch, 
ebenfjo Eger, Elbogen, Saaz, Kaaden, Brür, Komotau, Zaun; 
im Oſten Brandeis, Kolin, Kuttemberg, Königgräß, 
Neuſtadt und auch der mähriſche Grenzitrih. Zahlreiche Exu— 
lanten begrüßten dies Ereigniß als Vorboten eines Umſchwunges 
zu Gunſten der eigenen Sache. Es jchien, als follte unter ſächſiſcher 
Herrichaft die Schlaht am weißen Berge gemwilfermaßen ein Seiten: 
ftüd im protejtantiihen Sinne finden. So raid, wie damals — 
vollzieht fi die Bewältigung des Landes und unverhältnimäßig 
leichter, denn fein bedeutendes Heer fteht dem Feinde entgegen; ja 
in deutichen Gebieten an der Grenze, wie das Egerland, war die 
im Herzen noch immer proteſtantiſche Bevölkerung jachjenfreundlid). 

TZiefenbah und Gallas, die Taiferliden Generale, 





480 XV. Buch: Ferdinand II. u. IIL u. d. dreißigj. Krieg (1618— 1648). 


faiferlichen Armada zu gewinnen, nicht platterdings von fich wies, 
fondern in Unterhandlungen mit Schweden trat, die dann auch auf 
Sachſen rückwirken mußten. Tilly erhielt davon ſchon Ende 1630 
oder Anfang 1631 aus Hamburg ziemlih ausführlide Meldungen, 
die er den 21. Februar 1631 dem bayerischen Kurfürften mittbeilte, 
der jie auch durch Trautmannsdorf nad) Wien notificiren ließ. Tilly 
Ichrieb dann an Wallenjtein darüber als etwas, woran er nicht 
glauben fünne, und dieſer erklärte auch (14. März 1631) alle ſolche 
„Zeitungen“ für „unwahr“ und in einem Schreiben an den kaiſer— 
lihen Rath Dueitenberg als „gar zu alberne Poſſen“. Daß aber 
Unterhandlungen Itattfanden, deren Mittelperjonen jener Sejyma von 
Raſchin, Graf Thurn und Wallenitein’s Schwager, Graf Treta 
(Terzta) waren, fteht feit und daß ſich Guſtav Adolph zu einem 
eigenhändigen Schreiben an Wallenjtein berbeiließ, bürfte eben fo 
fiber jein, al das durch den Grafen Thurn vermittelte fchwe- 
diiche Angebot, Guitav Adolph wolle rechtzeitig 12,000 Mann und 
18 Kanonen dem Mallenjtein zufommen laſſen und ihm als einem 
Nicefönige Böhmens die Führung des Krieges gegen ben 
Kaifer von bier aus übertragen. Auch hat es jehr viel Mabr- 
fcheinlichkeit für ſich, daß Wallenitein durch jenen Seſyma dem Könige 
die mündliche Erklärung jandte, er wolle jih dann auf die failerlichen 
Truppen in Sclefien ftürzen, Böhnen, Mähren feithalten, vor 
Wien rüden, Minterguartiere in Uefterreich bezichen, die Donau 
überjchreiten, nach Inneröfterreich einfallen und den Sailer bis nad 
Welſchland jagen. 

Aber gerade in der bloßen Mündlichkeit dieler Erklärungen 
und in ihrer handgreiflichen Hyperbolik, die jo recht an die meilt 
abitchtlich bingeworfenen großen Worte Wallenitein’s, an die jonitigen 
„Boutaden” Des Wallenjteiner’s mabnt, wie er ſolche in vertrauten 
Geſprächen liebte, — merkt man am beiten, welche Kluft nod 
zwischen Dielen Beziehungen und dem Abfalle vom Kaiſer lag, und wie 
es dem Friedländer vornehmlich darum zu thun war, den Schweden— 
könig auszubolen, was er biete und anitrebe Auch 
Wallenſtein's Beziebungen zu Arnim, der fein Freund Schwedens 
war, ſtimmen damit. Endlich Darf man nicht überleben, Daß der 
Herzog von Friedland auch nach einer Entbebung mit dem kaiſer— 
lihben Oofe in Beziehungen blieb, dag der Kater ihn fortan noch 
jeinen „Beneral:Cberit:sseldbaupmann” nannte, ibm Gutachten über 
Die Operationen Tilv’s abverlanate und Wallenitein eine Bereit: 
willigkeit fundaab, dem Kater mit moblmeinendem Ratbe zur Dand 
zu fein. Auf Wallenjtein’s Empfeblung bin batte Ferdinand II. den 





Aus XV. Buch: Ferdinand II. u. ILL u. b. dreifigj. Krieg (1613— 1648). 


Arnim fam, wiſſen wir nit, aber daß derjelbe, wie jchon ange: 
deutet, fein Freund des ſächſiſchen Zwangbündniſſes mit Schweden 
fei, das mochte auch bei diejer Conferenz hervortreten. 

Mit welchen gemiichten Empfindungen nahm nun aber wohl 
der Herzog von Friedland das Drängen des Kailers auf, ihm wieder 
eine Armee zu bilden und an deren Spige zu treten? Taß er feine 
Kränkung und fein förperliches Leiden in den Vordergrund ftellt, 
und fich auf's Eprödeite benimmt, — daß er jich beharrlich weigert, 
nad Wien zu gehen, daß er, faum erjt (December 1631) durch Eggen: 
berg dahin gebracht, auf drei Donate den Oberbefehl zu übernehmen 
und mit feinem großartigen Organijationstalente ein neues Heer 
zu ſchaffen, gleich wieder zurüdtveten will, und neues Drängen, Be 
ſchwören, nee Angebote des geängitigten Kaiſers herausfordert, — 
finden wir bei dieſer Sachlage in feinem rüdhältigen und ehrgeizigen 
Weſen begründet. 

Ihm bot ſich darin die beſte Genugthuung für die jüngſte 
Verngangenheit; er hielt das Geſchick des Kaiſers in jeinen Händen, 
als am 5. April 1632 der alte Ligiſtenfeldherr gegen den anſtür—⸗ 
menden Schwedenkönig bei Nain am Lechſtrome feine zweite 
und legte Schlacht verlor und bald darauf feinen tödtliden Wun- 
den erlag. Denn ganz Bayern lan nun dem fiegenden Könige offen 
und wer kounte ibn vom öfterreichiicben Tonaulande abmehren, wenn 
dies nicht der Ariedländer tbat? ‘Die Yina war niedergeworfen, der 
Kurfurſt Mar ein Flüchtling im eigenen Yande Des Katjers Hoff: 
nungen anf Spanien, Polen, Dänemark tanden tief, und mas der 
Vertreter Philipp's IV... Cardinal Borata und Cardinalprimas 
Yarmar, als Bevollmachtigter Ferdinand'd II, am 6. März vor 
der Eardinalverſammlung vom Papiſte Urban VIIL auf ihr 
dringenden Anſuchen um Beiſtand zu Ghuniten Der katholiſchen 
Klein Deutſchland und ibres kaunerlichen Shußherrn — als 
Newest mubeven dekanten war der Kvelſte —— daß der 
Rartz drie Siece N Samedenkenigad IN wentger iarchte, als einen 
Trend der BRUNEI Gace der eden nur ade —. dem 
ee Nass wine Deich in Bun Biss Urden VIII. 
arseranst Dry DENE RASCH Syn Nur ide Qomalt: 

ala Nora Numero un gg ILS She auf: 
UNTEN N Nr Sue lyomur br Dre Arınle NT 
NEN Ten Nr Ws 

Sa DNS NEE INSTOSSPITT STONE IS 
DEN WU IIENERIDUN WIN NIND RU Ir Serssce 


te LEONE TS Die ı 3 S xx a ı% ir c —X . N . \ > s un Arm nen 1832 


o0 





484 XV. Buch: Ferdinand IE u. III. u. d. dreißigi. Krieg (1618— 1648). 


richtige und naheliegende Gedanke der Politik des Wiener Hofes und 
jeines ſtaatsmänniſchen Feldherrn. 

Die Sachſen hatten Böhmen geräumt, aber nun war der 
Schwedenkönig im Anzuge; der geängſtigte Kurfürſt von Bayern 
muß ſich Glück wünſchen, daß er die Vereinigung der Spitzen ſeines 
kleinen Heeres mit der Armee des Kaiſers (14. Juni 1632) bei 
Weiden erzielen und dann (30. Juni) bei Neumarkt die völlige 
Ueberführung der Truppen zu denen Wallenſtein's bewerkſtelligen 
kann; er war in ähnlicher Lage wie Ferdinand II. im Jahre 1620, 
aber fie war ungemein demüthigender, denn Mar mußte ſich an 
ben verhaßten Friedländer als feinen Netter anflammern. 

Zwei bedeutende Kriegsmeilter, Guſtav Adolph, das „Schwert 
Gideons“, wie ihn Joachim Kamerarius nennt, und der Friedländer 
— Sollten fih zum erjten Male mit einander meffen. Nürnberg, 
in jchwediicher Hand, und Wallenjtein’s raſch und vorzüglich be: 
feftigtes Lager vor der Etadt, im Umfange von dritthalb Meilen, 
in weldem nun 200 Fußregimenter, 300 Reiterſchwadronen und 
80 Geſchütze untergebradht waren, — find der Schauplatz der Kämpfe 
im Suli und Auguft 1632, welche nad) furchtbarem Ringen um die 
ſtärkſte Stellung des Friedländers, den jogenannten Burgftall — mit 
dem Abzuge des Schwedenkönigs und feines gelichteten Heeres in 
das Lager bei Fürth endigten (25. Auguſt). Zum eriten Male 
hatte jich der Sieggemohnte — wie Wallenftein dem Kaifer ſchrieb — 
„bei diefer Impreſa gewaltig die Hörner abgejtoßen”. 

Mber eine neue biutigere Enticheidung follte bald auf dem 
Boden Sachſens in offener Feldſchlacht ausgefochten werden. “Den 
6. November jtanden die Schweden vor Lützen, wo nun Wallen: 
ftein, von dem Gegner in feinen Berechnungen überrafcht, den Kampf 
aufnehmen mußte. Nocd war der kühne und jchlaue Pappenheim 
mit einem Theile der faiferlichen Armee abweſend. „Der Herr laſſe 
Alles liegen und Stehen und incaminire fi) zu mir” hatte ihm Wallen: 
ftein eiligjt entbieten laffen, doch konnte Bappenheim trog ftürmi: 
Iher Eile mit den Neitern erft inmitten der Schlacht eintreffen; 
fein Fußvolk erſchien noch ſpäter. Es war ein blutiges Ringen, der 
Kampf beider Feldherren würdig. Wohl fiel der Schwedenkönig von 
feindliher Kugel im Cturmangriff auf Wallenftein’s „ſchwarze 
Burſche“, die geharnifhten Wallonen, und nun nahmen Horn umd 
Bernhard von Weimar die Kührung der fchmerzerbitterten 
Schweden in die Hände, aber auch Pappenheim, der narbenbebedte 
Kriegsmann, fand den Soldatentod und der gichtkranfe Feldherr des 
Kaijers, der nur mit äußerfter Selbftverleugnung die Schlacht kalt⸗ 


XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 485 


blütig wie immer lenkte, trat den geordneten Rückzug an. Von 
einer entjcheidenen Niederlage des Friedländers Tonnte nicht geſpro— 
chen werden, denn DOrenftierna, der jchwediiche Kanzler, der feinen 
König immer und immer wieder zu einem Vorftoße gegen die Taifer- 
lichen Länder gedrängt hatte, äußerte fich felbft in einem Berichte 
dahin: „die Wallenſtein'ſche Armee fei zwar in Confufion, jedoch 
nicht jo geſchlagen, daß fie fich nicht redrejliren und mit anderen 
Truppen wiederum eine ſchöne Armee machen könnte, die ſchwe— 
diſche Armee aber trefflih geſchwächt und nidt mit 
einer Corporalſchaft vom Feinde gebeſſert (d. i. befier 
als der Feind).“ 

Immerhin hatte jedoch der Friedländer den Rückzug nach Böh— 
men angetreten und die furchtbare Strenge ſeines Kriegsgerichtes 
über pflichtſäumige Offiziere, deren ſo mancher mit Hinrichtung oder 
Entehrung büßte, wurde von ſeinen geheimen Gegnern als Groll 
über ſeine Schlappe gedeutet. In den romaniſchen Kreiſen des 
Generalſtabes begann man ihn „Tyrann“ zu nennen. 


Bevor wir die Schlußepoche des zweiten Generalates Wallen- 
ftein’3 behandeln, ijt es jedoch am Plage, der militärifhen Um: 
gebung des Friedländers, der failerlichen Befehlshaber unter 
jeinem Commandoftabe zu gedenten. 


Wir wollen hierbei nach Nationalitäten vorgehen und zunächit der Böhmen 
und Deutjchen, dann der Romanen umd endlich der Britten (ren und Schotten) 
im Generaljtabe Wallenitein’S gedenken. 

Zu dem böhmijch:deutihen Kreije zählten die Vertrautejten des Friedlän⸗ 
ders. Vor Allen jei der Schwager Wallenftein’s, Graf Adam Tröka (Lerjfa), 
genannt, der (Semahl ber Schwägerin des Friedländers, Gräfin Marimiliana 
von Harrad), ein entichlojjerer Mann, jeit 1630 Inhaber eine Regiments, 
da3 fi mit feinem Oberſten in der Lügener Schlacht tapfer hielt. Unter 
ben Berjönlichfeiten aus dem Reihe war die vornehmjte Prinz Heinrich 
Julius von Sachſen, der zu ben ausbauernditen Anhängern Wallenſtein's 
zählte. Als Vertrauter Wallenjtein’S, dem Tröka ebenbürtig an Ginflur, gilt 
jedod der Brandenburg: Weumärker Ghrijtian Freih. von Jlow (Illo), bereits 
1621 in kaiſerlichen Dienjten, 1631 Generalfeldwachtmeiſter, jeit der Yiißener 
Schlacht Feldmarſchall, eine der verläßlichiten Stüken Wallenſtein's. Zu biejen 
zählt auch Graf Heinrih Holke (Holf), Sohn eines adeligen Dänen von der 
boljteinjchen Inſel Alſen; 1627 im Heere Chriſtian's IV. am Zuge gegen Wallen- 
jtein’8 General, Grafen Schlid, gefangen, dann wieder frei, ein tapferer Kämpfer in 
Stralfund gegen Arnim (162%). Seit 1630 für Wallenjtein’3 Heer gemorben, 
dann unter Tilly's Fahne und jeit 1632 einer der Feldmarſchälle des Friedländers, 
ſchneidig, raſch in Allem und durch fein fchonungslofes Wefen als jchlimmer 
Gaſt allüberall verrufen, ein wichtiger Vertrauensmann Wallenftein’3, der in 


486 XV. ud: Ferdinand IL u. IIL u. d. dreifigj. Krieg (16IR— 1648). 


igm ben rüchtigen Solbaıen idyakte und ihn ungern durch den Tod (Eude Auguf 
1633, verlor. Zu ben beiten Zeichlähabern zahlte audy Johaun von Kor aber 
Bögen, Sohn eines Yüneburger Adeligen; 1615 im Solde der böhmitdhen 
Sıande, ipater unter ber Fahne Mansield's, jeit 1626 nad) der Teiiauer Schlacht 
in faiierliden Tieniten, 162% Gommandant auf Rügen, 16W—31 in idhlimmer 
Grinnerung bei den Pommern, Ecdleriern und in der Nieberlauiig. In ber 
Lügener Schlacht war er einer derjenigen, welche bie legten Angritie gegen bie 
Schweden leiteten. Der Kaiſer lohnte ihm 1635 mit dem Freiherrntitel und 
dem (Heneralmajorpatente. Auch Rudolph Freiherr v. Tieienbacdh (Teuffen- 
bad), Sohn des failerlichen (Venerals im Türkenkriege, Ehriſtoph (+ 159R), und 
Bruder Friedrich's, der als Anhänger der böhmiich: mähriihen Auiftandspartei 
1621, den 17. Mai zu Innsbruck den Tod von Henfershband erlitt, da bie Faii. 
Begnabigung zu ſpät eintrai, verdient Erwähnung, obihon er im zweiten Ce 
neralate Wallenitein’3 nit mchr als Kriegsmann wirkte. 1623 katholiſcher 
(Sonvertit geworden, erjheint R. v. Tiefenbach in ber Armee Wallenjtein’s, wirb 
nad deiien Enthebung (1630) dem Tilly als Feldmarſchall beigegeben und jchliekt 
zur Zeit ber ſächnſchen Occupation Böhmens jeine Tienjie im Felde, da fein 
förperlicher Zuſtand ihm die weiteren unmöglich machte. Auch jeien ber Norb: 
deutſche, Tberit Graf E. Georg von Sparr, jeit 1631 häufig genannt, fobann 
Johannes Ernſt von Scharfienberg, aus den Reihen des öſterreichiſchen Herren: 
itandes, 1625 Shrifter in Wallenitein’3 Armee, der im Jahre 1626 mit. Löbel 
und Pappenheim ben Bauernautitand Tber:Teiterreichd befämpfte und im 
deutihen Norden (1627—1628), dann in Wejtdeutichland (1633) gegen bie 
Schweden iocht, und der jchleiiiche Lutheraner Graf Hanns Schafgotſche an: 
geführt. 

(Finer der bedeutenbiten Köpfe unter den Generalen deuticher Nation war 
Hanns Albringer (von Aldringen, Baron v. Roſchitz, Graf v. Groß-Ligma), 
ein Sohn des Luremburger Landes, armer Leute Kind (geb. 1591). Seine 
Nugend verlief im Tienjte junger Gavaliere aus Franken auf einer Reife nad) 
Frankreich; dann wurde er Sekretär bes Generals Joh. Gaudenz von Madruzzo 
und dejien Bruders, des GSardinals, und begann feine militäriiche Yaufbahn im 
kaiſerlichen Heere als Gemeiner, um bereit3 1622 unter Tilly als Oberſt, 1625 
unter Wallenjtein als Oberſt und Generalcommijjarius thätig zu jein, bei ber 
Deſſauer Schlacht (1626) enticheidend mitzuwirken und in Norddeutichland 
viel verwendet zu werden. 1630 mit Kollalto im mantuaniſchen Kriege, bann 
unter Tilly's sahne, Tecember 1636 bereit3 Feldzeugmeiſter auf Wallenftein’d 
(smpiehlung — erſcheint er 1632 als Feldmarſchall im Kriege; die ‚Jeder führte 
er geichidt, und erfolgreicher als das Schwert galt ihm bie Methodik der Kriegs: 
führung. Von den anderen deutſchen Tberjten fein noch: Bed, Breuner, 
Mohr von Waldt und Wengler als die bedeutenderen genannt. 

Unter den Stalienern nimmt einen ber eriten Plätze ber Weljchtiroler 
Mathias Gallas, Graf von Campo und Meatarello, ein (geb. 1984). 
Tage Alerander Farneſe's, dann Waflenzögling des Obrijten, Grafen Ferdinand 
Madruzzo, Freih. von Baufremont, 1616 Hauptmann im Heere der Figiften, 
im pfälzifchen Kriege bereits Oberſt unter Tilly, 1625 von Wallenjtein als 





488 XV. Bud: Ferdinand II. u, ILL. u. d. dreikigj. Krieg (1618— 1648). 


Maradas (geb. 1560), Waffengenoſſe Bajta’3, Dampierre'3, Bouquoi's, 1621 
Reichdgraf, Cavalleriegeneral, Feldmarſchall, dann Yandescommandant Böhmens 
geworben — ſeit 1625 im Heere Wallenftein’d, — als verjtedter Gegner des 
Friedländers, der auf ihn auch nicht gut zu ſprechen war und jo den Groll bes 
ältern ſpaniſchen Waffengenoſſen und Amtsrivalen zur entſchiedenſten Gehäflig- 
feit jteigerte. 

Dem brittifhen Inſelſtaate gehörten drei wichtige Perjönlichfeiten 
an, zunächſt der Schotte Walther Leslie (Lesley), Sohn des Baronet v. Balqu: 
vahane, geb. 1606, durch Güterankauf in Steiermark landjäjjig geworden, feit 
1632 als tüchtiger Obriftlieutenant befannt, jein Landsmann und Waffenbruder, 
Obriſtlieutenant Gordon, Kommandant von Eger, und ber fatholiiche Irländer 
Walter Butler, aus altem Gejchlechte, einer der tapfern Qertheidiger Frant— 
furt3 a. d. D. (1631) gegen den Schmwedenfönig, Soldat von Bravour, mit aller 
Rüdfichtslojigfeit einer rauhen Soldatennatur, von mächtigen Ehrgeiz.*) 


Wir jtehen num vor einer der jchwierigen Fragen der Geichichte 
Defterreichs, die, ihrer Natur nach mit dem Falle Martinuzzi’s ver: 
wandt, an Größe der Verhältniffe und tragiiher Bedeutung jene 
Begebenheit des 16. Jahrhunderts weit überragt; es ift die jogen. 
Shuldfrage Wallenftein’s, der Mittelpunkt der Ereigniife, 
die fich feit der Lützener Schlgcht, nach welcher Wallenſtein die böh— 
miſchen Quartiere bezog, bis zum Frühjahre 1634 begaben. Laſſen 
wir die maßgebendſten Thatſachen ſprechen. 

Der Ausgleich Sachſens mit dem Kaiſer war bereits, 
wie wir ſehen, im Spätherbſte 1631 von Wallenſtein betrieben 
worden. Im Januar 1632 eröffnete Graf Trka dem ſächſiſchen 
Generale Arnim, der Kaiſer wolle ernſtlich den Frieden und ſei be— 
reit, das Reſtitutionsedict aufzuheben und in Bezug der geiſtlichen 
Güter Alles auf den alten Stand zu ſetzen. Sachſen aber zögerte; es 
kam nun zum Hinausdrängen Arnim's aus Böhmen durch Wallen: 
ftein, aber raftlos ftrebte der Friedländer, wenn nicht anders, durch 
die Schreden des Krieges und dazwiichen laufende Anträge den Sur: 
fürften vom Schmwedenfönige abzuziehen. Auch Chrijtian IV. 
von Dänemark ftand Ende 1632 betreffs der Friedensfrage mit 
Wallenjtein in Gorrefpondenz und ebenio war (Frühjahr 1633) 
der Landgraf Georg von Bellen: Darmitadt ein folcher Ver: 
mittler. Es war dies zur Zeit, als das jächliiche Heer unter Arnim 


*) Piteraturbehelfe f. das Biographiihe: Zedler's Univ. : Lerifon; öſterr. 
Nationalencyklopädie; Hirtenfeld-Meynert öjterr. Militärlerikon 
(AK) Bien 1850-1853; öjterr. Milit.Ztſchr., 3. 1808, 1812 — im 
Verbindung mit d. Geſch. Wallenſtein's; Bergmann's Medaillen, 2. Bd. Für 
weitere Kreife: J. E. Heß, Biogr. u. Autographen z. Schiller's Wallenſtein, 
nach geſch. Quellen bearb. Jena 1867. 





40 XV. Yud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreifigj. Krieg (1618— 1648). 


Marauis de Feuquières, Neffe des „Pater Joſeph“ (Le Clerc 
du Tremblan) ging begreiflicherweife auf Diefen Gedankengang Kinsky's 
ein, und als dieſer auf einene Fauſt als das beſte Mittel Hierzu die 
Erhebung Wallenſtein's zum Könige Böhmens bezeichnete, wurde 
zwiſchen Beiden eine Denkſchrift vereinbart, worin forderungen und 
Teripredbungen an den Herzog von Friedland gerichtet wurden. Ja 
Ss deißt, daß ſchon im uni 1633 Richelieu dem kaiſerlichen 
Feldherrn die bomniſche Krone, 1 Million Livres und ſeinen Bei: 
ſtand zun dern ließ und Du Hamel an Wallenitein beordert wurde, 
welcher Vetztere uber Die vorlauten Eigenmächtigkeiten Kinsky's ſehr 
ungedalren war. Gleichzeitig aber erfuhr der enaliide Geſandte 
Buch den ſchwediſchen Neicbsfansler Urenttierna, es ſeien dieſem 
durch Unterdändier Wallenitein’s beitinmte Erklarungen über ein 
Spamzenzien mt Schweden zugekommen. Ve in den Berbit 
IR werner Nele acbeimen Regotiationen. ser Sachĩen blieb 
BRUNNER Nrardenbura erferter 8 Hibs ſe cus, „als ja 
WN NR Naben serien Sadien und Brarerbarı von teinem 
emiiienn Sem) a fern, ut Nr Werie zu inb: 


2 
wuumusbo yo vertan, Um ο You bomser“ Grat 
Tauıe Nr Ed ommabeut, or Nasa SI Som SrieNiinder 
N d Neem: autın!astıen Tamm un, ır male 
ein sam Zadar an Sue weit m mm Nehme, ud 
wer. Nullen . Doemtieree 
I IS Zmimne Yall am Zahn Di 


NN II a — eure Sn St wc — 
[HN ISIS m wiltime ui 
sam. I Serturkinan mi Nulrtr ınıtmwez er 
Nu WN NohrTn mr VS rer rd min Mm FA I Nur 
en Sur N 


“ 
xı vet Do. Ih 002 Ziter Nr Tears Tor 
oc ao na nremzacı "= mo 
escort Neon ad wi — 
—D var NN Di Dear Some 
* No N. — vyydome Zr =. ana. 
EN — * yı Nr Zurarnt 
ara aerene m Ne uoho wuNng Don Mrz Mm 
un N nu. Au ’ ne: ı a u u... Sir 
Ru om ed N Ste, om Neon Sum mT 
FemNe sd None mr Doom Dave Ne Sean 
I Larerade Baneneit son no 8 0.00 set II CT 





499 XV. ud: Yerbinand II. u. III. u. d. dreifigj. Krieg (1618—1648). 


de igueroa y Cordova) mit 12,000 Dann Fußvolk und 1500 
Reitern nad) den öfterreihiichen Vorlanden aufbrah, um bier bie 
Schweden und ihre Verbündeten unter Horn, Bernhard von Weimar 
und dem Aheingrafen Ludwig abzuwehren, den mit Kaiſer Ferdinand 
gegen Sranfreih verbündeten Herzog Karl von Lothringen 
in jeiner argen Bedrängniß zu unterftügen, und als kaiſerlicher 
Feldherr, ganz unabhängig von Wallenſtein, mit aleiher Vollmacht 
zu commandiren. Als nun überdies Aldringer zu Feria jtieß, ent: 
brannte Wallenftein im hellen Zorn und proteftirte auf’s Schrofffte 
gegen diefe Verlegung feiner Machtbefugniſſe. Das Schickſal der 
ganzen verunglücten Unternehmung vechtfertigte allerdings dieſe 
feine Haltung, aber mehrte nur die Erbitterung Spaniens und den 
Uunmuth des Kaiſers. 

Das zweite Dial geſchah dies, als Don Fernando zu einer Unter: 
nehmung in den Niederlanden Tailerlihe Truppenmadt verlangte 
und auf Dbebarrlichen MWiderjtand Des Herzogs von Friedland traf. 

An erbittertiten zeigte fih aber der KRurfürit von Bayern, 
indem er, der ganzen Kriegsgefahr ausgejegt, unaufhörlich auf eine 
Action Wallenftein’s genen Schweden drang und als nad) der Ein: 
nahme Regensburgo durch Bernhard von Weimar (28. Oct. Dis 
5, Nov. 1633) Wallenftein endlich Ende November von Piljen 
wegen Fürth und Chamb aufbrad, bald deſſen abermaligen Rückzug 
nad Bohmen erleben mußte. Er gewahrte in Allem nur Die per: 
jonliche Gehäſſigkeit Des Herzogs. 

Die Veſchwerden Spaniens und Bayerns, die tadelnden Ztim: 
men in der eigenen Umgebung, zu Denen auc der damalige Hof: 
fricasratbspräfident, Graf Schlid, zäblte, und Das be: 
greifliche Nerlanaen, Die tatbielbaite Geſinnung des Cberfeldberrn 
und den Weit ſeined Heereb zu erforſchen, beitinumten Den Sailer, 
einen der begabteſten Kovie ſeines geheinten Natbes, Freiherrn Gerhard 
von Queitendberg im December 1633 an Wallnſtein zu ent: 
ſenden. um iom einen Winterieldzug sur Untlaitung des eigenen 
Vanded awuizutragen. In der Inſtruction wird Die wunde Stelle in 
dem ganzen Verhaltuſie zwiſchen Kaiſer und Wallenſitein Deutlich 
ana vernbreu: Er drobe dem kauernchen Anſeben Geiahr. „daß 
ar zau Waneniternngleicham enter Meittonia (errezem) an der 
Hand und on Alien Lande kerne ireie Dibrontien mehr ubria 
DIN. Dueſenderz'd Muſtzon bhatte aber forer undım Erfolg, 
we der Walnenitem am Li. December en Gutadten Teiner 
Übdriüen gegen einen Wurterieldzug udergab. Der Raller mußte 
Ry darin ingen (4. Decenber). entpiand dos ader nikt minder 





494 XV. Bud: Ferdinand IL. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 


Frankreich md Schweden. Tas, womit er früher nur jpielte, 
gewinnt für ihn eine ernitere Bedeutung. Die Unficherheit der 
Zukunft, das gereizte Selbitgefühl, der phantaftiiche Ehrgeiz laſſen 
ihn den Gedanken an den Abfall vom Kailer, an den Verrath faſſen. 
(Hegenüber dem Hofe und der Armee fpielt er nun ein Karte aus, 
den Entſchluß, abzudanken. 


Anfang Januar gab er ihn im Geſpräche mit P. Quiroga fund, am 12. Januar 
wurden ben Oberften, bei deren Berufung eine Auswahl getroffen worden fein 
fol, im Rilfuer Saupt: Quartiere die Vorjchläge bed Wiener Hofe be 
Tannt gegeben und zugleich die Abdankungsfrage vorgebradt. Sie erregte all: 
gemein Schreden und Verdruß, denn der ganze finanzielle Credit ber Armee, 
die Maſſe der Forderungen bes Heerkörpers an das Aerar, rubte auf bem Gene: 
raliſſimus. und Wallenſtein's vertrauteite Leute, Klom und Terzfa fonnten 
leicht Sich mit drei anderen Überjten als Teputation bei Dem Herzoge bevoll: 
mächtigen lajjen, die auf fein Nusharren drängen jollte. Lange ſträubte fi 
Walleuſtein gegen dieje Witte, denn feine Kränklichfeit und Die vom Hofe em: 
piangenen Kränfungen (disgusti) feien (rund genug, abzudanfen, endlich 
erflärie er sich zu einem Aufſchube des Schritte bereit, um zu jehen, ma3 ber 
Kot für Die Armee thue, überhaupt werde er ſich nicht ohne Vorwiſſen jeiner 
neldoberiten von dem Hetere trennen, Durch die Gegenforderung, man müfle 
bei ibın treu ausharren. auch im ralle jeiner Enthebung, war die Möglichkeit 
jeincd Bruches mit dem Kaiſer, wenn aud veridleiert ausge: 
inroden. 

Um dieielbe Zeit erbiclt der iranzöſiſche Sejandte Feuquières auf jeiner 
Rucreiſe nad Deutſchland einen Briei Kinsfn's, worin ber Eutſchluß Wallen⸗ 
ſiein's ausanıproden war, mit Frankreich in's Meine zu fommen. Aber die nun 
von Ricdelien vorbereiteten zwei Neriragsentmwürie, wonach Wallenitein 
entweder ala iörmlidber Mürter cin Heer von 14 — 15, 040 M. ſchlagfertig halten, 
oder mir dein ganzen Eewicdie jeiner Ziellung das Anterehie Frankreichs in Deurſch⸗ 
land wadren voute. Famen dei vedreiten Wallenſtein's nicht mebr sur Turdtührung. 
Auch mi Shmeden. das nah im lesien Augenblife Den Herzoge mifrraute, 
mar fon bindender Tradza: abgtichldeien. Beides ermaii. mic unidlüine Wallen: 
ten mar mas’ Rare Nibeisteit van Innerſtes bederridre. Er glaubte ber 
Yımee pardeı zu vern und mi che nocd ferne Die Zakhase beverriam zu 
tanrın - und Darm degegnere cr dd mu der Voreusſezung Des Niımer Kored, 
den du Beareiiıde \ardr var Mer Niigemalı Sek srıedländerd 
Pa: Dad Ders an onen DerNehicen Se war. Mün schrme Nöden: 
wagen weeneslishe Baammwa he det Ric Ga,la+ Tiivsemnt 
Nina oma aia Bistaunt Nans um Masse 

> \ Sure nt Dartnd 
N DEN SH in un m dIr. Men REN 
Run * us Aare Tai sun Sara su mährin IS zyrenge 
Vet. Die wingik Kursen dee Amamie MEIN =. cin,om.nrı. mm 





496 AV 2ud: Ferdinand II. u. ITI. u. d. dreikigj. Krieg (16181648). 


die Ausiihr auf Zuwendung der Krone Böhmens an Ballenitein 
in den Hintergrund geichoben, gan: anders als in ben lodenden Angeboten vom 
Auli 1633. Die Geructe: Yudmig XID. tolle Kaiier, Rallenitein König Teutid;: 
Iand5 werden, waren aus der Luit gegrifien. Frankreich wollte ben Friedländer 
ausnützen und Ddieier fich nicht ausnüuten latien, iremden Beiſtand erit im Aufer: 
nen alle auibieten. 


Unter den 40 Generälen und Überiten, welche den erften 
Pilſener Reversvom 12. Januar 1634 unterzeichneten, befand 
nd auch Piccolomini. Augenblicklich benadhridtigte er den 
Wiener Hot von den Pilſener Vorgängen. 

Während nun der baneriihe Agent Richel aus Wien jchon 
den 11. Januar ichrieb, der Kaiſer ſei zu einer enticheibenden Map: 
regel aegen den Herzog entichlonien, allein man müſſe jehr gemad) 
und behutiam geben und summum secretum beobadhten — und ein 
Patent des Naijers vom 24. Januar datirt vorliegt, worin 
er Zlallenitein enthebt, die Armeeleitung dem Generallieutenant 
(Gollas übergiebt, allen zu Pillen Reverjirten Amneſtie gewährt, aus: 
genommen dem Herzoge und zwei Perſonen (Illo und Troͤka), — 
zeigt Die ganze Actenlage, wie wir fie jest kennen, ziemlich unwider⸗ 
leglich, daß man auch nach Piccolominti’s Berichten aus Pilſen in 
Wien bie dortigen Vorgänge mehr als eine Confulion der 
Intereiien, denn als eine Conipiration anfah, und 
Eggenberg, Trautmannsdorf und Biihof Anton in den geheimen 
Conierenzen no für eine Beſchränkung der Bollmadten 
bes Herzogs als ein Heilmittel eintraten, dem ſich allerdings mit 
gutem Grunde Lamormain und Schlid als einem ganz wirkungs⸗ 
loien Erperimente entgegeniegten; — und ebenio unwiberleglid 
iheint es, daß jenes Patent vom 24. Januar entweder zurüddatirt 

— oder doch erit im Februar erlaffen wurde. Der Kaijer war 
forgenvoll, hatte ichlajloje Nächte und ließ Stirchengebete veran- 
ttalten, dag ihn Gott erleuchte. 

Eggenberg jelbit konnte nun dem ſpaniſchen Trängen nicht mit 
Erjolg widerſtreben; er jelbjt fühlte, daß etwas gejchehen müſſe. 
Am 1. Februar berichtet Richel, Eggenberg habe ihm gejagt, ber 
success in der Sache beitehe in secreto et celeritate. In acht 
Zagen horfe man zu willen, wie e& abgegangen. Das bezog ſich 
auf jenes geheime Patent und die bezüglichen vertrauten Weifungen 
an Hallas, PBiccolomini,Aldringer, Maradas, Collo: 
redo. Taß ein beftimmter Auftrag des Kaifers, ji 
Wallenjtein’s lebendig oder tobt zu bemädhtigen, nicht und nie 
vorlag, und die Aechtung des Herzogs erſt nachträglich zur 


XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 497 


Rechtfertigung feiner Ermordung officiel ausgefprodhen wurde, — 
eriheint erwieſen, ſoweit ſolche Dinge eben erweisbar find. 

Aber daß in der Umgebung des Kaifers der Anſchauung, man 
ſolle Wallenftein und jeine Vertrauten feitnehmen und verhören laffen, 
was Piccolomini gerne ausgeführt hätte, — die entjchiedene Er: 
klärung Ognates: man könne den Fsriedländer leichter mit einem 
Dolchſtoß oder durch Gift umbringen, früh entgegentrat und Eggen- 
berg, über deſſen „Hartköpfigkeit“ der ſpaniſche Gejandte noch Später 
Hagt, — nad) Richel's Depefche vom 9. Februar — beide Anſchauungen 
fritifirend, erflärte: „daß es eben jo leicht und weniger Gefahr, den 
Friedland glei umzubringen als zu fangen”, ift eben jo charafte- 
riſtiſch für die jih befämpfenden Gegenjäße bei Hofe, — 
als bezeichnend für den Spielraum der Thätigfeit der Faiferlichen 
Bertrauensmänner die hinzugefügte Bemerkung des bayerischen Ver- 
treters: „Den Crpeditoren jei aufgetragen worden, ficher und 
dexter (gejhidt) zu Werke zu gehen. Das wann und wie jei ihnen 
anheimgeitellt”. 

Noch den 13. Februar jchrieb der Kaifer an Wallenftein, in 
gewohnter Weiſe des Titels: „Hochgeborner lieber Oheim und Fürſt“ 
fih bedienend. Wallenitein, verhoffe fich der Kaifer, werde zur Ent: 
laltung Böhmens die Oberpfalz vom Feinde befreien; nöthigenfalls 
fole der Commandant Oberöfterreihs Bayern deden. Der Herzog 
möge die bezüglichen Eventual : Ordonanzen erlaſſen. Es war das 
legte Schreiben Ferdinand's II. an den Friedländer. Um 
diefe Zeit erließen aber auch ſchon Gallas, Aldringer, Mara: 
das, Piccolomini und Eolloredo Ordonanzen, denen zufolge 
Niemand Befehle vom Herzoge und dejjen Vertrauten Illo und Terzka 
anzunehmen habe. Dies befräftigte das zweite nun offene, vom 
18. Februar datirte und am 22. Februar durh den Drud ver: 
breitete Patent des Kaiſers (auch an die gemeine Mann: 
Ihaft gerichtet), worin in ausführlicher Erörterung Wallenitein als 
ber „ganz gefährlichen weit ausjehenden Gonfpiration und Verbünd: 
niß wider den Kaiſer und fein hochlöbliches Haus” angeklagt und 
des gröbften Undanfes geziehen, — des Obercommandos entjegt und 
die ber Faiferlichen Gnade verficherte Armee an jene oben angeführten 
„Generalperjonen” als Vollmachtträger gewieſen erjcheint. 

Um diefe Zeit ward eine Reihe von faiferlihen Schreiben an 
Herzog Heinrid Julius von Sachſen, an die Oberſten Bed, Breuner, 
MWengler u. A., an Gen. Schaumburg in Eljaß, an den böhmijchen 
Statthalter, an den oberöfterreichifchen Landeshauptmann Grafen 
Kufftein, an mehrere Ligiftenfürften u. ſ. w. ausgefertigt, 

Krones, Geſch. Oeſterreichs. II. 


498 XV. Ruch: Ferdinand II. u. III. u. d. dreifigj. Krieg (1618--1648). 


Vor dem Erlaſſe dieſes Patentes hatte Wallenftein die zweite 
Bilfener VBerfammlung der GSeneralperionen und Oberſten auf 
den 19. Februar einberufen. Der Herzog erklärte ihnen: er wolle 
nichts gegen den Kaiſer und die Religion — jondern den Frieden; 
aber Angeſichts des Schimpfes, den man ihm anthun wolle, müſſe 
er auf fie vechnen fönnen. Den 20. Februar fanı es jo zu dem 
zweiten Pilſener Neverje, worin erflärt wird, daß die Iinter: 
zeichneten and bei den erſten Reverſe (von 12. Januar) „nichts 
wider den Dienft und die Hoheit des Kaijers oder der Neligion” 
im Sinne gehabt; denn fie feien weitaus in der Mehrheit Tatho: 
liſch. Wen aber ihr Generaliffimus veriprede, einzig ihnen 
zum Bejten bei der Armee zu bleiben, jo jeien auch fie gefomnen, 
demgemäß, was fie unterjchrieben, bei ihm auszuharren, bis zum 
letzten Blutotropfen. Gleichzeitig erließ Wallenftein eine Proteſta— 
tion im gleichen Sinne. Die Oberſte Mohr von Wald und 
and Breuner wurden am 21. Februar nah Wien abgefchidt, 
um den Inhalt des Reverſes mitzutbeilen, und die Bereitwilligfeit 
Wallenſtein's, abzudanken, kundzugeben (mir feine Herzogthümer — 
duenti -- wolle man ibm belaſſen). Der Kaiſer hatte jedoch 
ſchon den Tag zuvor, 20, Februar, Gonfiscationsmandate an 
Gallas, Collerde, Sims u. N, die Güter des Friedländers, 
Terzta’s und Ilow'o betreffend, ausarfertiat. 

Dao Verhängniſß Wallenſtein's nabte mit aropen Schritten. 
Er lan im eigenen Nege amd der raſche Abfall feiner Armee 
bewirs, Daß er ihrer nicht Herr tet, wie er vermeinte. 


Bon der zwenen Wbener Boipredung hazzen ſich ferngebalten: Riccolomini, 


SD WR sites. in denen Schloe, Frauenberga, Ge zuſammen— 
raienn Zw leunten and ax June Gor und a DORIS Den Fommandanten 
ver daider mu Sa hen ordnen, J Hauupithen der Ärnie war für den 
KENT SSNSDEONTNSZUNSUBSHS den Dvernen Beſs Comrmmandenten von Prag, 
WSPICRID PT AN DER werven — cn Mendezooeusn iarimttichet 
Wand szcr std VO Det ao ach ont. su nad Vilſen 
NUraNdg. ev m der Amin. Vo 5 Piranie vom nun Die 
Kr ii DEN Wr NEO GUN NS SU WIE Tiridren Jen Als 
—B d. Saiten AND e die nano Bern Mercer „Aa base 
Non. Hand w Ren Ta Sei,ss cut Trug mar 

Imst Tage (o1. Fedbruar) drangte Vrinz Albert 


N v Fr RL “u 8 J Ü % x 4 u v 21 8 u 1 wir Neo; —X —Xæ— Wellewmtein 8 
un can Na a Daudeln Jdom fandte Eidsridat zur Gilbot: 
JR, II Cauriere Ren nad Neneneduraienun) zurüd: aber 


XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 499 


Trenftierna blieb mißtrauifch. Piccolomint dagegen ſchrieb (21. Februar) 
an Gallas „man müfje fi zufammenthun, um Wallenftein zu ver: 
folgen und aus Böhmen zu jagen, bevor ihm der Feind Hülfe 
jenden könne“. 

Die Aufgaben der Kaijerlihen waren ausgetheilt und wer den 
Aufbruch Wallenftein’s aus Pilfen nah Eger (22. Februar, 
10 Uhr Borm.) gegen Mies in’s Auge faßt, fieht, wie ifolirt der 
einft allmächtige Generalifiimus war; fein Befehl, daß nur ihm, 
Terzka oder Illo zu gehorchen fei, war von den Thatjachen längft 
überholt. Nur diefe Beiden und die Frauen Kinsky's und Terzka's, 
Herzog Heinrich Yulius und der Exulant Kinsty, 5 altfächfiiche 
und 5 Terzka'ſche Compagnieen bildeten fein Geleite. Feldzeugmeifter 
von Sparr blieb als Commandant in Pilfen zurüd, das am 24. Februar 
an Piccolomini übergeben wurde. Suys hatte Brag bereits bejekt; 
der bayerische Kurfürſt ſandte Truppen nad) Budweis. 

Nachmittags, den 22., auf dem Wege nad) Mies ftieß Wallen: 
ftein, krank, gebrochen, in feiner Sänfte weiter befördert, auf Butler 
mit feinen Dragonern und zwang ihn, fi) dem Marſche anzufchließen 
und nicht nah Pilſen einzurüden. Der Tatholifche re, wie fein 
Beichtvater Batrif Taaffe (nad Butler’s Ableben 1634, Ende 
December) berichtet, war ſchon durch die Weifung des Herzogs von 
Friedland, mit feinem Negimente die Hut der pfälziichen Päſſe auf: 
zugeben und auf den weißen Berg zu marſchiren, mißtrauiſch ge: 
worden. Jetzt nad) Mies, gegen die Ordre, mitzugehen gezwungen 
und mit den Fahnen des Negimentes, gegen militärifchen Brauch, 
von den Soldaten getrennt, Nachts in den Städtchen beim Gene: 
raliffimus internirt, — ſchickte Butler, um feine Loyalität zu wahren, 
am 23. Februar den Pater Taaffe an Piccolomini nah Pilſen 
mit der Erklärung feiner unwandelbaren Treue. Piccolomini forderte 
nun PB. Taaffe auf, To jchnell als möglicd) feinen Herrn aufzumahnen : 
wolle er raſch befördert werden, jo möge er Wallenftein todt 
oder lebendig mit ſich bringen. Er ſelbſt werde ihm dies 
mittheilen laffen. Taaffe fonnte erit am 24. Februar mit Piccolo: 
mini in Pilfen verhandeln. Was weiter Butler that, geichah, ohne 
daß er einen ſolchen Wink erhalten konnte. Auf dem Wege nad) 
Eger jol Wallenitein an Butler die glänzenditen Verjprechungen 
“ gemacht haben. Daß Butler aber zum Aeußerſten entſchloſſen war, 
beweilt dag Weitere. 

Am 24. Februar Abends traf Wallenftein in Eger ein und 
wurde von dem Sommandanten Gordon eingelafen, troßdem dieſer 
von Diodati die Gegenweifung empfing. Hier nahm Wallenftein feine 

32* 


500 XV.Bud: Ferdinand IL. u. IH. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 


Wohnung im Haufe der Wittwe des verjtorbenen Erulanten und 
PBatriziers Alerander Pachhelbel. Noch am Abend hatte er 
eine Conferenz mit dem Oberjtwachtmeifter Leslie und theilte ihm 
mit, daß er nun mit Sicherheit auf Schweden und zwar aufdie Truppen 
Bernhard’s von Weimar rechne. Den 25. Morgens bemühten fi) Ilow 
und Terzfa, die drei Oberften: Butler, Gorbon und Leslie dur 
Verjprehungen aller Art zu gewinnen und feitzuhalten. Leslie erhielt 
überdies den Befehl, eine Verjammlung der Bürger auf den 26. 
anzuberaumen, damit fie ihm geneigt würden und Geld vorſchößen. 
Gordon und Leslie wollten aus Eger entweichen, um der Zwangs⸗ 
lage zu entgehen; Butler hinderte dies; es ſei ihre Pflicht auszu- 
barren und dem Schlimmiten zu mehren. In der vertraulichen 
Belprehung ſprach nun der „nachdenfliche”, ſchweigſame Leslie 
das enticheidende Wort: „Laßt uns fie tödten, die Verräther!” 
(Auch diefe wichtige Mittheilung verdanken wir den unverfänglichen 
Angaben Taaffe's und ebenjo die Detail3 der Vorgänge am ver: 
hängnißvollen Abende und in der Nacht des 25. Februar.) Butler war 
nun der beiden Waftenbrüder fiher. Illo frohlodte über die nahe 
Ankunft der Schweden; nun galt rajches Handeln auf eigene Rechnung 
und Gefahr. 

Wir kennen die blutigen Vorgänge, Abends und in ber 
Naht des 25. Februars, ihre Tragif hat ein großer Dichter mit 
unfterblihem Griffel lebenswahr "und geſchichtlich treu verewigt. 
Abends 9 Uhr beim Faſchingsſchmauſe in Gordon’s Behaufung — 
erlagen Kinsky und Illo fogleih, Terzka nad) langer Gegenmwehr 
dem Meberfalle; den Nitimeifter Neumann tödtete auf der Flucht die 
Wache. Bor Mitternaht war auch Wallenftein eine Leiche. Was in 
feiner Seele vorging, ald er lautlos die Arme öffnete, um den 
tödtlihen Stoß der Partiſane Deverour’ zu empfangen — mochte der 
Gedanke fein: er verderbe durch den Zwieipalt jeines MWollens und 
Könnens, des Chrgeizes und der Pflicht, und diejen Zwieſpalt einer 
dämonijchen Natur, die der Fatalismus beherrſcht und die fich in in- 
neren Widerfprüchen verjtridt, hat die ganze Fluth der MWallenftein: 
literatur nicht Elarer gefennzeichnet, als dies der Dichter that. 

Und gerade der erichütternde Eindrud von dem Tode des Frieb- 
länderg, jo außerordentlicher Art, wie Alles an diejer Perfönlichkeit, 
— weckt gleichzeitig da8 Andenken an den Mann, wie er durch's 
Leben ging; fein ganzes Daſein zieht an uns vorüber, von reichen 
geiftigen Mitteln und großer Gunſt der Zufälle, nit von fittlicher 
Größe, aber von mächtinem Ehrgeize getragen, dem Eleinliche Eitel- 

ieh, ° und Mißtrauen jedoch immer zur Seite 


XV. Buch: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Serieg (1618—1648). 501 


ftanden. Aus dem wenig bemittelten Junker erwächſt das Haupt 
einer großen Armee, wie fie vor ihm der Kaifer nie befaß und auch 
weiterhin nicht zuſammenzuhalten vermochte, der planreichfte Staats: 
mann, in deſſen Kopfe unaufhörlich die Gedanken fieden, während 
das Herz kalt bleibt, der reiche Fürst, deffen Hofftaat im Jahre 1633 
an 900 Perſonen zählte, dem Grafen und Freiherren gerne dienten und 
dem die jorgfältigite Defonomie Mittel bot, mit fürſtlicher Frei: 
gebigfeit auch den kleinſten Dienft zu lohnen. Das Geihid knickte 
jeinen Lebensfaden gewaltjam, denn deſſen Verworrenheit ließ einer 
friedlicheren Löſung des Knotens nicht Raum. 

Der Leichnam des Friedländer8 wurde zunächſt auf die Citabelle und dann 
in Gejellihaft der drei anderen Todten, Troka, Slow nnd Kinsky nach Mies 
geſchafft. Wallenſtein's Wittwe ließ ihn dann in der Gruft zu Zitfchin beifeken. 
1639 gebot der Schwebengeneral Baner die Gruft zu öffnen und nahm den Schädel 
und ben rechten Arm als Siegeszeichen mit fih. Die Frauen Tröfa’s und 
Kinsky's, deren legtere, eine geborne Tröfa, mit der ganzen Sache vertraut ge: 
weſen fein jol, wurden nah Wiener-Reuftadt gebradt. 

Die That Butler’3, Gordon’3 und Leslie’ fol Anlaß zu Maffenduellen 
zwilchen der deutjchen und welſchen Officieröpartei ber Armee gegeben haben, 
worin jene für den ermordeten Generaliffimus Partei nahm, wie das Theatram 
europaeum erzählt. An 24 Obriften und Hauptleute, meiſt Deutfche und 
Böhmen, feien zu Pilfen unter ben ftrafenden Arm des Kriegsgerichtes ge- 
kommen. 

Das eigentliche Tribunal wurde in Regensburg aufgeſchlagen. 
Als gravirt ſchienen: Herzog Heinrich Julius, Generalzeugmeiſter Sparr, 
bie Oberſten Loſi, Mohr von Wald (deutſcher Ordensritter) und Oberſtlieute— 
nant Hammerle. Loſi und Hammerle wurden lebenslänglich eingeſperrt, die 
Anderen freigelaſſen. Das ſchlimmſte Loos erlitt General Schafgotſch, deſſen 
Oberſtlieutenant Freiberger zwei Regimenter förmlich zum Abfalle von Kaiſer 
verführte. Schafgotſch ſollte nun dafür büßen. Die Folter erpreßte ihm wider: 
ſprechende Ausſagen; doch betheuerte er ſtandhaft feine Unſchuld und ebenſo ent: 
ſchieden verwahrte er ſich gegen den Bekehrungsverſuch zum Katholicismus. Den 
Tod vom Schwerte des Henkers erlitt er mit Muth. 

Der Kaiſer mußte den Juſtizmord an Wallenſtein als ſolchen rechtfertigen. 
Dies geſchah durch officielle Schriften, deren wir bei der Literatur gedachten. 

Als Perfönlichfeiten, die des Lohnes gewärtig waren und ihn aud 
erhielten, müjfen alas, Piccolomini, Aldringer, Colloredo, Iſolani, Morzin, 
Butler, Gordon und Leslie, Trautmannsdorf, Hoffriegsrathpräjident Schlid und 
al3 der habgierigfte Quärulant Marcheſe Carretto di Grana hervorgehoben 
werden. Es gab nicht wenige darunter, welche dein Friedbländer Würden, Ehren 
und bedeutende Mittel verdanften, denn er wollte ein wahrer Sriegsfürft fein 
und einen glänzenden Kreis von tüchtigen Waffengenoffen an feine Perjon feſſeln; 
der Soldat war ihm, dem fürjorglichen Generaliffimus gewogen. Bezeichnend 
it e8, daß eine der zuverläjfigiten Quellen, ber Domberr Pappus, an den 


44 XV. XuUS: Admer: ILı OL 2er. mergi Krieg (16181048). 


kerm Ariesstrührer aus Gutav Adolph's Schule, bat Mühe fih 
ber Zadjien zu ermwehren, mährend die Nailerliben auch die Nhein- 
linie halten. 

Aber Witte Tecember ichläat Ban«er's ebenbürtiger Adlatus, 
Zoritentohn, die Sadıten bei Kirig a. d. Havel (17. Tecember 1635); 
bald nimm: Ludwig XIII. den Iseimarer Herzog Bernhard in 
franzötiihen Zold, und der Sommer 1636 zeigt Frankreich unter 
La Balette und Bernhard am heine, die Schweden unter Baner 
und Toriteniohn an der Elbe — im Vordringen. Nber nun breden 
Unruhen in Frankreich aus und der kühne Zommerritt Johann’s 
von Werth (Auguſt 1636) vor Paris verbreitet nicht geringen 
Schrecken; bald it der fühne Beutemader in Munde aller Fran: 
zofen. nticheidender hätte Gallas Einbruch in die Bourgogne 
September bis Tecember 1636) werden fünnen; aber er muß wieder 
zurüd. Frankreich weiß den Dänenlönig in der Neutralität 
feltzuhalten und jo kann denn Baner jorgenfreier losbrechen und bie 
Raiferlihen und Sachſen unter Hapfeld und dem Kurfürſten 
4. Dictober 1636 enticheidend bei Wittftod jchlagen. Es war 
keine Einheit in ihrer Heeresleitung und es hieß „daß nicht wenige 
Sachſen, im Herzen ſchwediſch, mit Taiferlihen Waffen fochten”. 
Vald loderte der Kampf an der Oder. 

Schwer fiel dies Alles dem Kaifer auf's Herz. Angefichts des 
wüſten, unabſehbaren Krieges lag ihm Alles daran, das, was er 
bereits im Sabre 1630 angeitrebt, durchzuführen: die deutſche 
Königswahl des Thronfolgers. 


Zeit Auguſt 1636 erſchienen zu Regensburg langſam die Wähler; ber 
Jrierer Kurſfürſt, ‘Philipp von Sötern, der Schleppiräger Frankreichs, far zu Linz 
gelangen. Wald erichien dev Kaiſer ſelbſt; ſehr gealtert, ergraut, bleich, Sorge 
um Antlin. Ihm gaben der Nuntius, der ſpaniſche Borjchafter, der florentinijche 
und Der polniſche Geſandte, Oſſolinski, das (Weleite, welcher Letztere bei ber 
Wahl jebr rührig war. Won Mitte Tctober zogen fich die Verhandlungen bes 
rigeutlichen Wahlgeſchäftes, in welchen der bayeriſche Vicekanzler Dr. Richel als 
Verfaſſer dev Entwurſes dev Wahlcapitnlation eine bedeutende Rolc ſpielte. Der 
Kane war ſeit Kurzem Schwiegervater ſeines Schwagers, des bayeriich: 
pfalziſchhen Knrſürſten Marimilian, geworden. Es lag ihm viel daran, 
Den durch den Tod der erſten Gattin Eliſabeth (11. Januar 1635) verwitweten 
kinderlogen Anne, deſſen Bruder gleichfalls Feine Kinder hatte, möglichſt 
enge min ſemem Hauſe zu verbinden. So gab er denn ſeine Nijährige Tochter 
Mara Anna Dem Gejahrigen Mittelobacher zur Ava. 

um Mar Drang bald Darauf, daß jeder Der anderen Kuriürſiten ebenſo 
wie der ſachnſde ein ſelbſtandiges Commando unter Dein Tberberebic eines kaiſer⸗ 
lichen Prinzen Delleiden möge Demnadch iolle die ganze Neichsarmee in eine 





504 XV. Bud: Ferdinand IL. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 


beiten Kriegsführer aus Guſtav Adolph's Schule, hat Mühe fich 
der Sachen zu erwehren, während die Kaiferlichen aud) die Rhein: 
linie halten. 

Aber Mitte December ſchlägt Banér's ebenbürtiger Adlatus, 
Torftenfohn, die Sachſen bei Kirig a. d. Havel (17. December 1635); 
bald nimmt Ludwig XIII. den Weimarer Herzog Bernhard in 
franzöfifchen Sold, und der Sommer 1636 zeigt Frankreich unter 
La Balette und Bernhard am Rheine, die Schweden unter Baner 
und Torftenfohn an der Elbe — im Vordringen. Aber nun breden 
Unruhen in Franfreih aus und der kühne Sommerritt Johann's 
von Werth (Auguft 1636) vor Paris verbreitet nicht geringen 
Schrecken; bald ift der fühne Beutemacher im Munde aller Fran: 
zofen. Entjcheidender hätte Gallas Einbruch in die VBourgogne 
(September bis December 1636) werden können; aber er muß wieder 
zurüd. Franfreih weiß den Dänenkönig in der Neutralität 
feftzuhalten und jo kann denn Baner forgenfreier losbrechen und die 
Kaiſerlichen und Sachſen unter Habfeld und dem Kurfürſten 
4. October 1636 enticheidend bei Wittftod fchlagen. Es war 
feine Einheit in ihrer Heeresleitung und es hieß „daß nicht wenige 
Sadjien, im Herzen ſchwediſch, mit Taiferlihen Waffen fochten”. 
Bald loderte der Kampf an der Oder. 

Schwer fiel dies Alles dem Kaiſer auf's Herz. Angefichts des 
wüften, unabfehbaren Krieges lag ihm Alles daran, das, was er 
bereits im Jahre 1630 angejirebt, durchzuführen: die deutſche 
Königsmwahl des Thronfolgers. 


Seit Auguft 1636 erfchienen zu Regensburg langjam die Wähler; ber 
Trierer Kurfürft, Philipp von Sötern, der Schleppträger Frankreichs, ſaß zu Linz 
gefangen. Bald erjchien der Kaiſer jelbit; fehr gealtert, ergraut, bleid), Sorge 
im Antlitz. Ihm gaben der Nuntius, der jpanifche Botfchafter, der florentinifche 
und der polnijche Geſandte, Ofjolinzfi, das Geleite, welcher Letztere bei der 
Wahl jehr rührig war. Ton Mitte October zogen ſich die Verhandlungen des 
eigentlichen Wahlgefchäftes, in welchem der bayerifche Vicefanzler Dr. Richel als 
Verfafjer des Entwurfes der Rahlcapitulation eine bedeutende Nolle jpielte. Der 
Kaifer war feit Kurzem Schwiegervater feines Schwagers, des bayeriſch— 
pfälzifhen Kurfürjten Marimilian, geworden. Es lag ihm viel daran, 
ben durch den Tod der erjten Gattin Eliſabeth (11. Januar 1635) verwittweten 
finderlojen Fürſten, deſſen Bruder gleichfalls Feine Kinder hatte, möglichſt 
enge mit feinem Hauſe zu verbinden. Eo gab er denn feine 24jährige Tochter 
Maria Anna dem 62jährigen Wittelsbacher zur Frau. 

Kurfürft Mar drang bald darauf, daß jeder der anderen Kurfürften ebenfo 
wie der ſächſiſche ein jelbftändiges Commando unter Dem Oberbejehle eines Faifer: 
lichen Prinzen befleiden möge. Demnach folle die ganze Reihsarmee in eine 





506- XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigi. Krieg (1618—1648). 


niſſen eine göttlihe Prüfung feines Glaubensmuthes erblidte, gerade 
fo wie er in der Gegenreformation ein Gebot kirchlicher Pflicht zu 
erfüllen entjchlojjen war. Und in diefem Sinne allein kann von dem 
ſpaniſchen Regentencharakter Ferdinand’s II. geſprochen werden. 
Bon romaniſchem Tespotismus, romanijcher Selbftfuht und Gerieben- 
beit ift jonit im Charakter, im Herricherthum dieſes Habsburgers _ 
wenig zu verjpüren. 


7. Yerdinand’8 Haus und Sof. 


Yiteratur. (Vgl. i. Allg. bie Liter. dieſes Buches, insbeſ. Kheven— 
büller.) Status particularis regiminis S. Caesareae Majestatis Fer- 
dinandi IL 12° b. Elzevir in Leyden (der erjte inhaltreiche Staatsſchematis⸗ 
mus des beutichen Kaijerhofes); die venet. Relationen im 26. Bde. ber 
funtes rer. austr.; Vehſe, Die europ. Höfe u. Cabinete. Oeſterreich, 4. Bd.; 
Majlarh, III. 2b; Hurter, Gef. Ferd. IL, 9. 2b. — u. Friedens: 
beitrebungen K. Ferdinand's (Wien 1860); Bidermann, Gef. db. öſterr. 
Lei. Staatsideen; V. v. Renner, Die Erbtheilung K. Yerdinand’3 II. mit 
ſ. Zrüdern (Innsbrud 1873). Ueber Eggenberg: Erſch u. Gruber’3 Encyelop. 
J. &., 31. Thl. (1838), Art.v. Stramberg (705—209); Steierm. Zeit: 
ihrift, 6. Bd. (Winflern, Biographien); Mittb. des bil. Per. f. Stm. 
1866 (Luſchin, Tie Münzen u. Medaillen d. Jam. Eggenberg); (Kreutter) 
Geſch. d. öſterr. Vorlande, 2. Bd.; Brandis, Geſch. d. Landeshaupileute 
Tirols; Sinnacher, 8. Bd.; Egger, G. Tirols, 2. Bd. 


Das Haus Ferdinand's II. 


I. Ferdinand II. 

1. Sen. (23. April 1600) Maria Anna, Schmweiter Marim. I. v. Bayern, 
+ 8. März 1616. 2. Sem. (4. Febr. 1622) Gleonore, Tocht. Herz. Vincenz v. 
Mantna (7 27. Juni 1655). 

Kinder, ſämmilich aus erjter Ehe: 

3. Johann Karl, geb. 1605, + 1619. 

4. Ferdinand (ILI.), geb. 13. Juli 1608, K. v. Ungarn 7. Tec. 1625; 
v. Böhmen 25. Nov. 1627; röm. K. 22. Dec. 1636 (dj. XVI. Bud). 

5. Maria Anna, Gem. (15. Zuli 1635): Ki. Marim. dv. Bayern (+ 1651), 
+ 25. September 1665. 

6b. Gäcilia Renata, Gem. (1637): Wlad., 8. v. Polen, +4. März 1644. 

7. Leopold Wilhelm, geb. 6. Januar 1614, 1625 Biſchof v. Paſſau 
u. Straßburg, 1627 v. Halberftabt, 1637 v. Olmütz, 1655 v. Breslau. Hoch: 
u. Deutſchmeiſter 1642. (} 20. Nov. 1662). 

Brüder des Kaijers: 

a) Leopold, geb. 19. October 1586; Biſchof v. Paſſau, 1605-1625; 

„1 “tor Tirols, 1619— 1625; Regent bes 


XV. Bud: Ferdinand IL. u. IIL. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 507 


Landes 1625, + 1633, 3. Sept. Gem. f. 26. April 1626: Claudia, T. Fer: 
dinand's I. v. Toskana, Wittwe des Prinzen v. Urbino. Regentin Tirols 1633 
bis 1646; + 25. Dez. 1648. 

Kinder: 

1. Ferdinand Karl, Erzh. u. Graf. v. Tirol, geb. 17. März 1628, 
7 30. December 1662. Gem. |. 1646: Anna von Medici, Tochter Cosmo’3 IL. 
(+ 12. Sept. 1676). 

Defjen eritgeb. Tochter: Claudia Felicitas, geb. 30. Mai 1653, 

- Erbin Tirols; Gem. f. 15. October 1673: Kaifer Leopold LI — 

+ 8. April 1676. 

2. Iſabella Glara, Gen. ſ. 1649 Karl’3 II. v. Nevers:Mantua (+ 1665), 
im Klojter: 1671—1685. 

3. Sigismund Jranz, geb. 18. Nov. 1630, 1646 Biſchof v. Augs- 
burg; 1653 Surf; 1660 Trient; tritt aus dem geijtlichen Stande, wird 
weltlih und ftirbt vor der Che mit Hedwig Auguſte v. Pfalz-Sulzbach, 25. Juni 
1665. (1663—1665 Lanbesfürft Tirols.) 

4. Marie Leopoldine, Gem. (2. Juli 1648): 8. Ferdinand II — 
+ 9. Aug. 1649. 

b) (j.506, a) Leopold!) Karl, geb. 7.Aug 159%; 1608 Biſch. v. Breslau, 
1613 v. Briren; 1619 Hoc: u. Deutjchmeijter, +26. Dec. 1624, als Statt: 
halter nah Portugal berufen, zu Madrid. 


Die Brüder des Kaifers, Erzh. Leopold, der feine halb 
geiftliche, halb weltliche Laufbahn jeit März 1619 ganz mit jtaat- 
lihen Gejchäften vertauscht Hatte und als Negent oder Verweſer 
Tirols jchwierige Aufgaben in fchwerer Zeit übernahm, und 
Erzh. Karl, der als Biſchof von Breslau jeine Laufbahn begann, 
dann als Kirchenfürſt von Briren, endlid als Hochmeifter des deut: 
Then Ordens ericheint, — traten, zunächſt der ehrgeizige, bewegliche 
Leopold, auf dem Regensburger Fürftentage (November 1622 bis 
April 1623) an ihren Bruder mit der Forderung einer Erbtheilung 
heran. Ende Eeptenber 1623 fand fich Erzh. Leopold zur maß: 
gebenden Verhandlung in Wiener Neuftadt ein. 

Der Kaifer hatte nicht lange vorher auf Grundlage des Ent- 
wurfes (vom 20. Suni 1616) ein Tejtament vom 10. März 
aufzeichnen lajjen, worin die Intereſſen der katholiſchen Kirche, die 
Bekämpfung alles Sectenwejens und auf der Grundlage der Primo: 
genitur fein älterer Sohn Ferdinand als alleiniger Erbherr erklärt, 
überdies die Untheilbarkeit der Monarchie bekräftigt ericheint. 
Ihm mußten dieſe Forderungen der Brüder ſehr unwillkommen ſein, 
da ſie eine vollſtändige Theilung der Erblande mit ge— 
nauen Ausweiſen über die geſammten Verhältniſſe des Staatshaus- 
haltes begehrten. Endlich entſchloß ſich Ferdinand II. zur Theilung 


508 XV. Bud: Ferdinand IL. u. IIL u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 


der ober- und vorderöfterreihiichen Lande; alles Uebrige jollte aber 
davon ausgejchloffen bleiben und die Brüder nur die Jahresſumme 
von je 100,000 Gulden beziehen. Erzherzog Leopold verfchmähte das 
Angebot, dagegen gab fih 23. October 1623 Erzherzog Karl damit 
zufrieden, als ihm der Sailer Ausfichten auf den Mainzer Stuhl, 
auf das Bisthum Paſſau erichloß und ihm die Grafſchaft Glaz, die 
Serzogthümer Oppeln und Natibor, nebſt böhmiſch-ſchleſiſchen Herr: 
fchaften, ferner die Markgrafihaft Burgau zuwies. Auch wurde er 
bald darauf vom ſpaniſchen Hofe als Statthalter nad 
Portugal berufen, auf einen Poſten, den der Kaiſer dem Erzh. 
Leopold zugedacht hatte, um deſſen Ehrgeiz und die noch unange: 
nehmeren Heirathsgedanken abzulenken. 

Leopold trat nämlich bald nad) der erjten nothdürftig ver- 
einbarten Webereinfunft vom 15. November 1623, wonach er ein 
Drittheil der ober: und vorderöfterreihiichen Lande als Beliter, das 
zweite al& Verweſer inne haben jollte, mit dem Cntichluffe, ſich 
zuvermählen, auf. Er hatte dabei feine Verwandte, die jugendliche 
ſchöne Mediceerin, Claudia Felicitas, Wittwe des legten Her: 
3098 von Urbino, im Auge, erklärte fich bereit, die von ihm noch 
innegehabten Bisthümer Bajjau und Straßburg an den jüngern 
Eohn des Kaijers, Leopold Wilhelm, feinen Neffen, abzutreten und 
erlangte bei dem päpſtlichen Stuhle mit leichter Mühe die Dispens 
von dem Ehehinderniſſe, das in den niederen Prieſterweihen, im jog. 
Subdiakonate, beitand. 

Den 24. September 1625 fam es zum endgültigen Ber: 
trage zwiichen beiden Brüdern, da der dritte, Erzh. Karl, inzwiſchen 
(24. December) gejtorben war. Leopold erhielt nun zwei Drittheile 
der fraglichen Länder: Tirol, Vorarlberg, die ſchwäbiſchen Herr: 
fhaften Burgau, Nellenburg, Hohenburg und die Landvogtei Schwaben, 
während das übrige Trittel: Breisgau, Sundgau, die 4 Waldftätte, 
der öfterr. Elſaß mit der Landvogtei Hagenau und die Ortenau 
Eigenthum des Kaiſers unter Leopold’ Wermaltung blieb. So 
wurde nım Leopold Yandesfürit, — 1625, den 18. December, 
traf die päbftliche Dispens ein und den 19. April 1626 jchloß ſich 
daran die Hochzeit mit der italienischen Prinzeſſin. 

Die Klagen Xeopold’s über unzureichende Einfünfte bewogen 
bald den Kaiſer, ihm am 6. Juni 1626 audy in dem ſich jelbft 
vorbehaltenen Drittheile das Recht der Huldigung und ſomit 
auch der Beiteuerung der Landſchaften zuzumenden, und am 24. Sept. 
1630 erhielt er endlich gegen Werzichtleiftungen anderer Art das 


XV. Bud: Ferdinand IL. u. III. u. d. dreigigj. Krieg (1618—1648). 509 


Erbeigentbum ſämmtlicher ober- und vorderöiter- 
reihiihen Lande. 


Als Leopold, ein begabter, vielgefchäftiger und mweltläufiger Mann, wäh— 
rend feiner Regierung von den Wechjeljällen des grojen Krieges öfters hart 
berührt, der Tatholiiden Kirche jo eifrig zugethan, wie fein Bruder, der Kaifer, 
— ben 13. September 1632 aus dem Leben ſchied, übernahm feine Wittmwe 
Claudia die Regentichaft für den unmiündigen Erjtgebornen Ferdinand Karl, 
welche 1633 (April) der Kaijer als tejtamentarijcher TChbervormund regelte und 
in biefer Eigenfhaft zu Gunften des landesfürſtlichen und Iandichaftlihen Staats: 
princip3 den Unabhängigfeitögelüften der Bilhöfe von Briren (Wilhelm von 
Welsberg, |. 1628) und Trient (Karl Emanuel aus der „Bilchofsfamilie” 
Madruzzo) entgegentrat. Die Regentichaft Claudia's, einer Dame von feiner 
Bildung, Geift und Thätigfeit, die auch ihre Mutterpflichten nicht vernadjläfjigte 
und der Kirche ergeben war, zieht ſich aus ben Tagen Ferdinand's II. in 
bie feine8 Sohnes Ferdinand's III. hinüber, unter wachſend ſchwierigen Ver: 
bältniffen, welche zu beherrichen die Aufgabe ihrer Räthe wurde, insbefondere des 
Kammerpräfidenten Iſaak Volmar und ihres begabten und einflußreichiten Günit: 
lings, des Hofkanzlers Bienner, eines Oberpfälzer (geb. 15883 zu Amberg), 
jeit 1630 Regierungsfanzlers, fpäter geh. Rathes und oberiten Leiterd ber Re— 
gierung. 1646, 10. Februar, übernahm Erzh. Ferdinand Karl die Regierung. 
Die war bald da8 Signal einer Verſchwörung gegen Bienner, den mächtigen, 
ſelbſtbewußten und eben fo jtrengen al3 eigenwilligen Mann, im Kreiſe der 
neidigen Amtsgenoſſen, deren Führer hiebei Bolmar und Dr. Schmaus wurden. 
Durch den Tod der Regentinmutter verlor er (1648) feine Stüße und nun brad) 
das Unheil ſchwerer Anklagen über den allerdings nicht vormwurfsfreien Staats- 
diener herein, der endlich, den 17. Juli 1651 — ohne Ueberführung und ohne 
Geitändnig — den Tod von Henfershand erlitt. 


Fallen wir das Hofwefen Ferdinand’s II. in’s Auge. 
Geine Seele bis zum ereignißreihen Jahre 1634 war Hanns 
Ulrich, Freiherr, dann Fürft von Eggenberog. 


Seboren in der Steiermark i. %. 1568, der Sohn Siegfried’3 und der 
Benigna Galler, im proteitantifehen Glauben aufgewachſen — mar es zunädjit 
das Kriegsleben in ſpaniſchen Dienften, bald aber da3 feinem Wejen zufagen- 
dere Leben am fteiermärfifchen Hofe, aus welchem er als vollendeter Welt: 
mann von feinjtem Verſtändniß für Die wechlelnde Sachlage, ald katholiſcher 
Gonvertit, und ſchon im Beginne des 17. Jahrhunderts als Günftling 
Ferdinand's IL. hervortritt. Seit 1619 wird er der allmächtige Mann bei Hofe, 
dad Haupt der herrſchenden „Familie“, defjen Umgang in Geſchäften und in 
vertraulicher Gefelligfeit dem Kaijer unentbehrlich bleibt. Die wichtigiten Ange- 
legenheiten laufen durch feine mehr gemwandte als eiferne Hand, und man fann 
fagen, daß, was Wallenftein zweimal als Generalifjimus im Heere, Eggenberg 
volle 19 Zahre am erzherzogliden und 15 Jahre am Faiferlichen Hofe galt, — 
daß er hier padrone mar, wie die Venetianer fagten. Er jah ſich auch von 


510 XV. Bud: Ferdinand IL u. II. u. d. dreißigi. Krieg (1618— 1648). 


der Sunjt des Herrn mit Glücksgütern und Würden förmlidy überfchürtet. 1622 
Ritter des goldenen Vließes, Inhaber der größten Rojenberger Herridhaft, Krumau 
und anderer durd die Gonfiscationen leicht erworbener Güter in Böhmen 
geworben, 1623 erblicher Reihsfürit, wenn auch ohne Eiß und Stimme 
im Reichstage, 1625 zum Herzoge von Krumau erhoben und nebenbei Graf 
von Adelsberg, (Küterbejiter in Steiermarf, Krain und Teiterreih, Inhaber von 
4 Landsämtern und Gubetnator der inneröjterreihifchen Lande, — im Ganzen 
mit mehr al3 30 Herrfchaften verfehen, — erfuhr der Premierminijter Ferdi: 
nand's, dem diefer den Brieftitel: „unſer Cheim und funders Tieber Fürſt“ zu 
geben gewöhnt war, erit Anfang 1634 die Wandelbarfeit höfiſchen Glückes. 

Mit dem Sturze Rallenftein’3 war auch der feinige — allerdings 
in fchonendjter Form — beitegelt. Der Kaifer fonnte jeinen, beſonders von 
Spanien und Bayern angefeindeten, Günftling nicht länger halten, und dieſer 
nahm feine (Fntlaffung, um bald darauf, 1634, 18. October, in Laibach als 
geitlirzte (Wröße zu fterben. Sein einziger Sohn, Hanns Anton, der Vorletzte 
bes Stammes der (Fggenberger, wurde Fürſt von Gradiska. 


9. U. Eggenberg's Nachfolger im Amte, in ftaatsmännijcher 
(Heltung, aber nicht im ganzen Einfluffe, wurde der Steiermärfer 
Hraf Trautmannsdorf. Neben ihm nennt für die lebtere 
Zeit der Staatsichematismus vom Jahre 1637 und der venetianiſche 
(Hefanbtichaftsberiht vom gleichen Jahre als Mitglieder des geheimen 
Hathes oder des Minifterconjeils die Geiltlihen: den Cardinal⸗ 
biſchof Dietridhitein, den Biichof Anton von Wien, einen Rhein: 
länder, den Lilienfelder Abt, einen Weltphalen, — und die 
Laien: Meggau und Breuner aus Delterreich, die böhmiſchen 
(Srafen Slavata und Schlid, den Kämtner Khevenhüller 
(Oberfthofmeifter der SKaiferin), den Görzer Werdenberg und 
die deutjchen Neichsgrafen Fugger und Mansfeld. Das einftige 
fliegende Wort: „Der SKaifer habe in feinen Reichen drei große 
Berge, Eggenberg, Uneftenberg und Werdenberg und drei Steine: 
Dietrichitein, Wallenftein und Liechtenſtein“ war von der Zeit bereits 
überholt: Eggenberg, Wallenftein vom Schauplage gewichen, Gun: 
daker von Liechtenstein ein „guter Alter“ (buon vecchio) geworden, 
wie die Venetianer Renier und Contarini fi) ausdrüden; nur Wer- 
denberg (F 1648) und Queftenberg, letterer als Vice-Hoffriegsrathe: 
präjident, ſaßen noch am Ruder der wichtigen Gejchäfte. 

Einer der alten Garde, Bernhard Hellfeld, Graf v. Meggau, 
bekleidet das höchfte Amt bei Hofe, das Überfthofmeifteramt. Die 
Angehörigen der Eggenberg’fhen „Zamilie”, Graf v. Thanhaujen 
und der neugeadelte Jakob Khiejel aus Görz, „Graf v. Gottfchee” 
— beibe ihm verſchwägert, ſtanden an ber Spige des Hof-Rammer: 

tab * her 33 wirkliche und 62 außerordentliche 


XV. Bud: Ferdinand II. u. II. u. d. breißigj. Krieg (16181648). 511 


Kammerherren, unter den letzteren Mitglieder der YFürftenhäufer 
Anhalt, Sachſen-Lauenburg, Liegnig, Münſterberg, Oldenburg, Waldau, 
Naflau, und im wirklichen Dienite 60 Edelleute und 10 Sanımer: 
Diener des Kailers zählte, die, wie der status imperii naiv-ironiſch 
bemerkt, dem Kaifer Alles, was fie jahen und hörten, hinterbringen 
mußten. 

Einer der Schwiegerföhne Eggenberg's, Bernhard, Karl Graf 
vn Harrach, Wallenftein’s Schwager, brachte es zum Amte des 
Oberithofmarihalls, während Graf Bruno von Mansfeld dem 
Hof-Maritalle als Oberhofitallmeifter vorgejegt war, mit einem viel: 
föpfigen Stabe und Hunderten von Pferden. 

Der Hofitaat zeigt Sich feinem Weſen nah auf jpanifchen Fuß 
eingerichtet, — äußerſt zahlreich an Perjonen und complicirt, da es 
neben dem Hofitante des Kaifers und der Kaiferin noch den des 
Thronfolgers und feiner Gattin gab. 

Die Hofkammer, jeit jeher die Jchwierigfte, wenn auch) nicht 
undankbarſte Amtsſphäre, zählte unter Ferdinand II. aud) einen hohen 
Geiftlichen, den Biſchof von Wien, Anton Wollrath, zu ihrem Prä— 
fiventen. In Verbindung mit ihr ftand der jogenannte Gonfis- 
cationsrath. 

Die wichtigſte Perfon des NReihshofrathes, mit dem 
Grafen Joh. E. A. Fugger von Kirchberg und Weißenhorn "als 
Vräfidenten an der Spite, war der Vicekanzler Freiherr Heinrich 
von Strahlendorff, ein im Labyrinthe der Reichsſachen ſehr 
bewanderter und in der Abfafjung von Gutachten geübter Kopf. 

Die Kirchenſachen verjah der geiftlihe Rath — in jeiner 
von 8. Mar II. heritanmenden Einrihtung, wogegen die confiden- 
tiellen Angelegenheiten des Kaiſers, — die Gewifjensfragen, von 
einem eigenen Gewiſſensrathe (1635 3. B., als der ‘Prager 
Friede verhandelt wurde, erjchienen in demjelben 2 Cardinäle, 2 
Biſchöfe, 2 Prälaten, 2 Dombherren und zwei Mitglieder eines jeden 
Ordens) in Behandlung gezogen wurden. 

Zu den einflußreichiten Perſonen für die Angelegenheiten der 
böhmifhen Krone gehörten (befonders nach dem Tode des ange: 
jehenften Fatholifchen Negierungsmannes Zdenko Adalbert Lobkowic 
[T 1628]) ohne Frage die 1618 defeneftrirten Loyalen: Martinic 
und Slavata; jener 1625—1638 Landeskämmerer, fpäter Landes: 
bhofmeifter,; unter Serdinand III. Oberftburggraf und Statthalter 
Böhmens (1638— 1649) — diefer jeit 1628 Oberfthoffanzler, alfo 
die leitende Kraft der böhmischen Hofkanzlei, — der er bis zu feinem 
Tode (1652) vorftand. Slavata und Otto Noftiz hatten am meilten an 


512 XV. Buch: Ferdinand IL. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 


der neuen Zandesordnung Böhmens „gehämmert”. Schon 
in den lebten zwanzig Jahren war jedoh Slavata ein ziemlich 
ſchwacher alter Herr geworden und weit mehr griffen die jüngeren 
Kräfte Georg Adam Martinic als Kanzler und Otto Noftizin 
das Getriebe der Verwaltung ein. Clavata wäre am liebiten in den 
Sejuitenorden eingetreten und gehörte auch zu den gläubigen Ber: 
ehrem des Schwindlers, Pater Hieronymus Gladich, der damals 
Deiterreih und Steiermark bereilte und jeinem Meijelefen munder: 
bare Wirkung zujchrieb. 

Unter den Regierungsmännern Ungarns jteben Palatin 
Eßterhäzy und der Graner Primas Pazmän in eriter Reihe; 
verkündet in allen fatboliichen Parteifragen und gleich eifrig in der 
Wahrung der ungariihen Standesintereifen. Toch begann bald nad) 
der Uebernahme des Palatinates dur Eßterhaͤzy — zwiichen beiden 
ein immer jcbärferer Antagonismus um die Geltung im politischen 
Leben, „um die leitende Stimme in den Staatsfragen. Es tritt Dies 
vornebmlih in dem Verhältniſſe der ungariicen „‚egierung zu der 
nebenbürgiihen ;rürjtenherricaft jeit 1630 zu Tage, auf melde 
wir in einem ſpätern Abjchnitte zu ſprechen fommen. 

Tie Grrotge Pazmän's im kirchlichen Yeben Ungarns fnüpien ji 
insbeiondere an die Zeit der politiichen Racification Ungarns im Jahre 1622 
— es rar eime unblurige Reitauration ded Karbolicismus als Siaatsreligion 
Ungams, des „marianiſchen Neiches“ und eine ihrer eriten Xiele Die Firdhliche 
Zergrrage, in welcher Richtung Paäzmän einen wichtigen Verbündeten an dem 
tzöierichen Beichtvarer Yamorınain fand, dem Cenoiten des Ordens, Dem aud) 
Tarmäan angebot? und dem Dieter teine ganze werkthãtige Zuneigung gewahrt barte. 
Achnlich wie ın den anderen Yandern der dabsburgiſchen Herrichait und im deut: 
ichen Reihe dandelte es ch um die „Rückerwerbung des ver kurboliicken Kirche 
Fnrremderen“. und Tasmäan mar da unerichöpflich in biitoriichen Rechts— 
tireln oYer Nahmeiien des GSüterdeſtandes lünart verihollener 
Kirchen und Klonen. 

Richr minder ei’ria iorgre er jedoch Für die Ausbreitung des ſtreitbaren Neiuiten: 
tdens. Der mie Überaü Ferdinand II. mi: ichrenkenloſer ‚sreigehigfeit begũn- 
—* Se ums 12— 1527 zur Sründung des glänzend dotirten Collegiums 
der Jeiuütten in Frekebrrg und do zur Katboliſtrung der vorzugsweiie prote: 
arten Kehsizgs und Kronungsrtadt, Inls—lirst shles rn das Ruaber 
Salegzen zu Der Beruh, auch im der poin:tden S:p> zu Kirchdrauf oder 


une n er Soamfunn sr grimder. glücte dem Fribrhore nihs Nor Allem 
"Aut noch Tazmir ın fer Igrmazer \etuisee \lnivertirär, neben dem 


“oalenum Der Serelichart Setu. im meiden wir im Jedre Di bern DD, 

In5T mehr ald Me Doupelte Jah! von Ürdensgenorien (4S vorinden, eine 

mehrere Fegeütee der rumiichen Kircheninteteſſen und eure Wonverotenichule des 
aanisihen Ahelä. 


XV. Bud: Ferdinand IL u. III. u. d. dreißigj. Strieg (1618—1648). 513 
A 


Am Ganzen waren zur Zeit des Primates Pazman’s die Jefuiten in zwölf 
Miffionen thätig. Gabriel Bethlen eröffnete ihnen den Weg nach Sieben: 
bürgen, nad) Weifienburg, Ubvärhely, Kolos:Monoftor. In Eroatien war 
Graf I. Draskovich ein großer Gönner der Gefellfchaft Jeſu. 

Das Befehrungsmwejen nah nter Pazmän's Primate einen mäd): 
tigen Aufjhmwung, in den Kreifen bes adeld vor Allem. — Für die Heran— 
bildung einer Priejtergeneration in Freng hierarchiſchen Grundjägen follte das 
deutſch-ungariſche Collegium in Rot und das Paznıaneum in Wien forgen. 

Neben Päzmän erjcheinen als eifrigfte Träger des neuen ftreitbaren Kirchen: 
regiments der Kalocjaer Erzbijchof und Neutraer Adminiftrator Johann Telegdy, 
der Waizner, Vejzprimer, endlich jeit 1629 Raaber Bifchof und feit 1639 unga— 
rifhe Kanzler Stephan Sennyey, der Großwarbeiner Emerih Loſy, ber 
Nejzprimer, dann Grlauer Biſchof Franz Ergelih, der Waizner Paul 
Almäfy, der Eyrmier Georg Nagyfaloy und vor Allem der begabte 
Kirhenmann, Diplomat und Memoirenfchreiber Nikolaus Dallos, Biſchof 
von Raab. 

Päzmän geizte nicht mit Geldſpenden für jeine weitgreifenden Kirchenzwecke, 
denn bie Mittel des Graner Erzbisthums erlaubten dies. Während der 21 Jahre 
feine Primates, 1616--1637, mochte eran 1 Million Gulden in dieſer Richtung 
veraußgabt haben. % 

Seiner ſchriftſtelleriſchen Thätigkeit geſchah bereit3 vorübergehend 
Erwähnung. Von den 84 Schriften, die er 1597 — 1636 abfaßte und die vorzugs— 
weiſe polemijcher Richtung find, erſchien weit mehr als bie Hälfte (22) in magya— 
riſcher Spradye. Die berühmtejte und für die Befehrungszmede Pazman's förder— 
lihfte war der fogenannte Hodoegus oder Kalauz (Wegmweijer), der, noch vor 
dem Brimate, (1613) veröffentlicht, bis 1637 die dritte Muflage erlebte. Sein Autor 
begriff fehr wohl, welchen Einfluß die Pflege der magyarifhen Sprade 
für confeffionelle Zmede im Lande babe; er lieh in dieſer Richtung die 
Wajjen von bem Hauptgegner, dem Galvinismus, dem „magyarijchen Glauben”. 
Pazman's vieljähriger Wafjengenofje im Streite gegen den Proteſtantismus, 
Thomas Baläsiy, ſchloß als Bifchof von Fünfkirchen ſchon den 16. März 
1625 fein polemijch bewegtes Leben. 


Im Februar 1637 war Päzmän’s Hauptgönner, K. er: 
dinand II., verichieden, — den 19. März folgte er ihn im Tode. 
An Fatholifchen Streifen Ungarns begriff man die Größe diejes Ver: 
fuftes. In unfern Augen iſt Päzmän einer jener Kirchenfüriten, 
die in der unumſchränkten Herrichaft der Fatholiichen Kirche ihre ein: 
zige Aufgabe erbliden. Er war der Ordensmann der Gejellichaft 
Jeſu auch auf dem Primatialftuhle geblieben, und daß er mit der 
Lebenspraris diefes Ordens national-magyariſches Weſen und ſtaats— 
männiſche Thätigkeit zu verquicken wußte, — ſicherte ihm ſeine be— 
deutenden Erfolge. 


Krones, Geſch. Delterreigs. IIL 33 


514 XV. Bud: Ferdinand II. u. ILL u. d. breißigj. Krieg (1613—1648). 


8, Ferdinand III. und der Schluß des großen Krieges. 
9. Der dreikigiährige Krieg auf Dem Boden der Länder Defters 
reichs und feine Folgen. 


Literatur. 8. Außer den fon bisher angegebenen Quellen u. Monogr. 
(inöbef. 3. 6. Abſchn.) die ältere Lit. über Ferdinand III. b. Weber, ©. 148—9, 
184; insbe. F. Waffenberg, Panegyricus Ferdinandi III. de pace ac 
bello (Köln 1617); 3. P. Lotichius, Austrias parva i. e. gloriae austria- 
eae ct belli nuper germanici compendiaria, ad nostra usque temp. deducta, 
(Frankf. a. M. 1653); Les affaires, qui sont aujourd’hai entre les 
maisons de France et d’Autriche 1648 (Paris 1662); Siri Mercurio (Ca- 
sale 1644) 1.,; Hippolithusa Lapide (Ghemnik), diss. de ratione status 
in imperio nostro Rom. Germanico (Germ. 1640, Freistadii 1647); vgl 
db. Abh. v. F. Weber i. d. bift. Ztſchr. v. Sybel, 20. Bb., 254—307. 

Urkunden u. Actenftüde 3. Geſch. des Kurfürften Friedrich Wild. v. Br., 
1 -6 Bd. (Berlin 1864—1872); Sam. PBufendorf, comm. de rebus sue- 
eieis (Utrecht 1686) und comm. de rebus gestis Fridr. Wilh. magni elec- 
torir Brandenb. (Berlin 1685); die venet. Relat., 5. v. Fiedler a. a. O.; 
Dispucci Ridolfi. (Dep. des Florent. Geſ. v. Regensb. NReichst. 1641), 5. 
v. Tourtual (Regensburg 1871); F. W. Barthold, Joh. v. Werth im näch— 
jten Zuſammenhange mit db. Zeitgeſch. (Berlin 1826); 3. Heilmann, Die Feld— 
züge der Bayern i. d. J. 1643— 1645 u. d. Bef. d. Feldm. 5. Sch. v. Mercy (Leipz. 
u. Meiſten 1851); M. Koch, Geſch. d. deutſch. R. u. d. Reg. K. Ferdinand's IIL 
(Wien 18651806), J. WA. Schmit, la guerre de trente ans en Lorraine 
tet 1685, recueil d’imprimds contemporains 2. V. (Nancy 1866-1868); 
vgl. Huhn, Geſch. Lothringens, 7, Lief. (Grieben's Bibl. f. W. u. %. 25. Bd., 
IN: F. Watt, Beitr. z. Geſch. d. dreitigi. Kr., I. (Die bayer. franz. Ver: 
bandlungen v. der Zuſammenkunft in Einſiedeln bis z. Ulmer Capitulation) 
Götting. Diſſ. 1875; Odhner, Die Politik Schwedens im weſtphäliſchen Frie— 
dendeongr. u. d. Gründung d. ſchwed. Herrſchaft in Deutſchland (Gotha 1877). 

3. Weich. d. weitpbäl. Friedens vergl. die Quellenwerke von: Pfanner, 
hiat, pacis Germ. Gall, Suer. Monast, atque Osnubr. tract. (Irenopoli 1679,) 
4. A. (Gotba 16907):; Adami, Amana pacis Westph. (Francof. 1698); 
U. d. T Hast, rolatio de pacifie. Osnabrugo-Monast. 1707, 5. v. Meiern 
wYeipiia KENT Die Noguneiat, seer touch. la paix de M. e. O...... 
WEI TRIS els erweit. A.nd. Mem. et negoe. seer. (Amiterdam 1710) mit 
den Drpenten der de Vanterte u. ſ. w. - 1684, A. la Haxe (Haag) 1725 fi.; 
Rougegnt. hist, de guerres et de neree, qui pröcederent le traite de 
Wertphalie a Wrd d. Men. den Grin. d'Avaur. Parts 1727. 1731) und 
tust, du traite de Westphalie. edenda IT 1. Deuntich v. Rambach ı falle 
INS KUN, wartner, Weſtpd. Ariedend. Ganıleo (ein. 1731-1738); 
Werern. Acta pacte Westph. . . Mannover 1744-1738 u. Nürmberg’iche 
anders Vmnunenedandung . . (Dann. Möttingen 1236 8): Dazu d. Unin.: 
Ru a 8 Nultder — Ale IA. G. deite Nudidlagemert); die Hand⸗ 
Lügen a NRaier, Putter. Senftenberg (INMA Die sorti. Der Seid. d. breikigi. Ser. 


XV. Buch: Ferdinand II. u. IH. u. d. dreigigj. Krieg (1618—1648). 515 


v. Schiller: Woltmann, „Geld. d. weitphäl. Friedens” (Leipzig 1809); 
Stödert, D. Admiſſion d. deutſch. Reichsſtände z. weitphäl. Friedenscongr. .... 
(Kiel 1869); D. Weſentl. des weſtphäl. Friedens auch im Diplom. Handbuch 
v. Ghillany und i. ſ. Europ. Chronik v. 1792—1865, I. Bd., 1865 (©. 
145—164); Droyfen, Geh. d. preuß. Bolitif, III. Q., 1. Bd.; Ranke, 
Franz. Geſch. II. 

9. Für die ung.-ſiebenbürg. Verhältniſſe. 

Pray, epp. proc.; Hatvani (Horväth) Brüffeler Urff. a a. DO. und 
im tört. tär, 10. ®b.; Török magyarkori okmänytär a. a. D., IV. 3b. f. 
1869 (—1639), V. ®b. 1870 (—1639 ff.); W. Otvös, rejtelmes levelek 
I. Räk. György koräböl (Geheimbriefe a. d. Zeit Georg R. I, Klaujenburg 
1848); Actes et documents pour servir à l’hist. de l’alliance de 
George Räköczy I. prince de Transsylvanie avec les Francais et les 
Suedois dans la guerre de trenteans.... h. v. 4. Szilägyi i. Auftr. d. 
ung. Afad. d. W. (Budapeſt 1874); 3. Kemenyi, Autobiogr. herausg. v. Rumy, 
i. |. Suellenfanmlung, 3. ®d. j. Monumenta (magyarifh); vgl. d. Arch. d. 
Fam. Kemeny, h. v. K. Szathmäry, Toldalaghy, Szalardy a. a. D.; die Werfe 
v. Eßterhäzy a. a. O. (ſ. Lebenv. Toldy, vgl, die Abb. i. d. öjterr. Revue, 1865, 
v. Horväth-Hajnik); Joh. Bethlen, comm. de rebus Transsylv. I.; bie 
ung. Chronik von Pethbö-Spangär; die Leutjchauer Chr. (Hdſchrr.); Kraus, 
Siebenbürg. Chronit (—1665), — mit einer trefil. Einl. ü. d. Schäßburger 
Chr. des 17. Jahrh. von Fabritius (fontes rer. austr. L., 3. 4. Vd., 186, 
1864). Die Sammlung v.Kemenyg:Traufchenfels, 2:3.; Katona, 32.33. Bd. 
(j. 1637— 1657); Horvath 3, Szalay 4, Feffler: Klein 4; Teutſch, ©. 
d. fiebenb. Sadjen, 2.; Szilagyi, Erd. tört. 2. 

3. Geſch. d. öjlerr. Länder in Bezug ber für fie maßgebenden Folgen 
bes dreißigj. Krieges: 

Die f. d. Geſchichte des breifigj. Krieges in den öflerr. Ländern wichtige 
Quelle: Pappus, a. a. DO. — 1642; die Fortf. v. 1642—1643 gedr. in db. 
2.4. des Pappus, 1643. — Die Quellenſchrr. 3. Geſch. Böhmens verz. von 
Pelzel, 2. Bd., 3. A.; 3. Geſch. Mährens v. d'Elvert in. hiftor. Lit.-Geſch. 
Mährens a. a. O.; die Quellenſchrr. z. Geſch. Mährens u. Schleſiens, J. Bd. 
a. a. O. (1861) u. d'Elvert's Bir. z. Geſch. d. dreißigj. Kr. (reich an Detail); 
ferner die Monogr. z. Geſch. d. böhm. Städte, insbeſ. Lippert: Leitmeritz; 
Pröckl, Drivok: Eger; Hallwich: Reichenberg. Ueber die Schweden: 
belagerung Prags (1648) ein guter Aufſ. in LegisGlückſelig, Chronik 
Böhmens J., S. 351—362; 396—409; d'Elvert, die Schweden vor Brünn 
1645 (Brünn 1845); f. Geſch. v. Iglau (1850); Bed, Geſch. von Neutit: 
fein (1854); Feil, Die Schweden in Oeſterreich (©. u. Forſch. z. vaterl. 
Geſch. 1849 J.); Pritz, Geſch. Oberöfterr.; Egger, Geſch. Tirol II.; Berg: 
mann, Geſch. u. Landeskunde Vorarlbergs; Kaifer, Geſch. v. Liechtenſtein; 
Kreutter, Geſch. d. Vorlande, 2. Bd.; Culturgeſchichtliches: Hanſer, Deutſch⸗ 
land nach dem dreißigj. Kr. darg. i. polit., mater. u. foc. Bez. (Leipzig, Heidel⸗ 
berg 1862); Inama:Sternegg, Die voltswirtbiaftlihen Folgen bes 
dreißigj. Kr. f. Deutſch. (Raumer, Bift. Tafchb., 1864); Seegenfhmitt, Zur 

33° 


BIG XV. £i£: zermen D. ©. UL er. Beeitis. &eg a Je18— 16er. 


Get, 2. rei. Rresss ın ya Mer Finen vn ı Runt, IV. Jabrg., 
z.2. +: & Est, Ertitiite Lime css Trered. I. Fr. Aus dem 
Ansaiser er BKeisımanan, Tezer— 48 Bien INS. Tienlerung und bie 
eminimen Ruser «2 dannze Miete VZiebere Arte ar ie irüberen Abichnitte 
er md uns ir men nür nahırıgsmere kenasen. 


— 
N 


Aa, TZer Täronrolger Ferdinend's II. uderkam eine ſchlimme 
Erki£er: pen großen, unabiehbaren Krieg. ob! icbienen Die Aus: 
sten des Kaiters auf den ;rricden nicht to ungünitig; denn jeit 
b:m Kesensburger Wahiltage, aut weldben der Vater Fer— 
ernend’s III. aud die Friedensſache neuerdings auf die Tages: 
orrrune e:iext hatte, und allmo Brandenbura:Freugen, ſeit 1636 
mi Zimscon im oñenen Bruche berindlich, von Kurmainz darin unter: 
‘eye, £> ‚riscensnegotiationen übernahm, fehlte es niht an Ver: 
mrlurssptciecten, und im Hochiommer 1637 ichien der Ausgleich 
mir Zeimescen nahe; aber teine großen Forderungen und noch mehr 
tan VNintrauen, andererieits das Arbeiten der franzöſiſchen Tiplomatie, 
um Zchrmeben und die Froteitanten in der Allianz gegen den Kaijer 
uns beiien Z:erbünbete feitzuhalten, — machten alle dieſe Anläufe 
wieder rüdgängig. 

Kir müſſen nun zu Guniten des Verſtändniſſes ber allge: 
meinen Zadlage der politiihen Verhältniſſe Sieben: 
bürgens gebenfen. 

Wir nahmen von ihnen mit dem Tode Gabriel Bethlen’s Ab- 
ſchied. Tie Hegentichaft feiner Wittme, Katharina, der branden: 
burgiichen ;sürttentochter, neben ihr Stephan Bethlen ale Mit: 
regent, und das unter ſolchen Verhältniſſen begreiflige Streben 
der Stände nad größerem Cinflujje, endlid die Oberhoheit der 
Pforte, deren wandelbare Yaune befannt war, und die — wie die Bot: 
ihaft Stephan Bethlen’s vom Regierungswechſel an den Divan 
(5. September 1629) in Begleitung von Gejchenfen im Werthe von 
etwa 19,000 Thalern zeigt, — aufmerfjam gemad)t wurde, man werde 
der deutichen Fürſtin nur jo lange gehorchen, als fie diejer Über: 
hoheit gefügig jei, — all’ dies läßt vorausjehen, daß die Herrſchaft 
der fremden ‚rau von feinem langen Beftande jein werde. Und 
dies um jo weniger, als Statharina, längit ſchon von dem Gerüchte 
als heimliche Katholifin gebrandmarft, überdies in ihrem all: 
mächtigen Günftling Etephan Cſäky einen ehrgeizigen Neben: 
buhler Stephan Bethlen’s zur Seite hatte, der nad) einem verun: 
glüdten Anſchlage (1630, Januar) aus dem Lande flüchten mußte 
und fortan als Störenfrieb galt, den es jelbft nach den Fürjten- 
ftuhle Siebenbürgeng gelüfte. Diefem Cjäly wird auch zur Laft 


XV. Buch: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 517 


gelegt, daß er, im Einverftändniffe mit der ungariſchen Regierung 
und deren Vertreter, Palatin EBterhäzy, die Fürftin beredete, falls 
jein Lieblingsproject, dur) ihre Hand Fürft Siebenbürgens zu wer: 
den, nicht verwirklicht werden fünne, — dem Gandidaten Ungarns, 
Pröpoftväry, gegen eine Entihädigung den undankbaren Thron zu 
räumen. | 

Stephan Bethlen verzweifelt an einer ihm günftigen Löſung 
der Angelegenheit und läßt nun dem einftigen Feldhauptmanne und 
oberungarifchen Statthalter Gabriel Bethlen’3, dem reichen Sohne 
Sigismund’s, der felbit einmal Fürft des Landes war (1607), Georg 
Raksczy, die Fürftenmürde antragen. Diefer greift mit beiden 
Händen darnad) und fucht fofort bei dem Ofener Paſcha die Gunft 
der Pforte zu gewinnen, indem er zugleich ein Heer bei Groß: 
wardein zufammenzieht. 

Aber da tritt eine neue Verwidlung ein. Die Stände Sieben: 
bürgens nöthigen (1630, 28. September) Katharinen zur Abdankung 
und wählen den Gubernator Stephan Bethlen einftimmig zum 
Fürften. Diejer trifft nun am 25. October in Tapia mit Räföczy 
zujammen und beide einigen fi dahin: eine neue Wahl möge 
entfcheiden. Der fchlaue, geldreihe Herr von Saͤrospatak (Refidenz 
der NRäföczy) bietet nun Alles auf, um die Stände für fi) zu ge: 
winnen, und es gelingt ihm, am Shäßburger Landtage nad 
langem Wahllampfe die Mehrheit der Stimmen zu erlangen (Ende 
November 1630). Am 22. December wird ihm feierlich gehuldigt ; 
Stephan Bethlen, der befcheidvenere Mann von geringerer Fähigkeit 
zu Ränken, zieht ſich in's Privatleben zurück; aber der Stachel blieb 
und die Unbilden, die ihm und jeinem Schwiegerfohn, Zölyomy, der 
neue Fürſt anthat, nährten den grollenden Wunſch Bethlen’s, 
Räkoöczy zu demüthigen. 

Raköczy's Fürftenthum eröffnet eine neue Phafe der 
Geſchichte Siebenbürgen-Ungarns. Beſchränkteren Geiftes ald Gabriel 
Bethlen, aber ihm an praftifcher Findigfeit nahezu überlegen, weit 
bedächtiger als diejer, weiß er den ſchwierigen Thron zu behaupten, 
ja denjelben erblich zu machen. 

Die Fürftin Katharina verließ — öffentlich Fatholifch geworden 
— Siebenbürgen und ging nad) Deutſchland, mo fie eine zweite Hei: 
rat) mit dem Lauenburger ſchloß. 

Zunädjft galt es, die Sicherung des Fürſtenthums der Pforte 
gegenüber; in der That erhielt Räköczy den 22. März 1631 das 
Atnameh des Eultans. Weit jehwieriger war aber die Stellung zu 
Ungarn. Efterhäzy war entihieden für eine raſche Vertrei- 


518 XV. Bud: Ferdinand IL u. UL u. d. dreißigi. Krieg (1618 - 1648). 


bung Raksczy's mit den Waffen in der Hand, und hatte die An- 
Ihauung K. Ferdinand's II. auf jeiner Seite, während Pazman, 
von dem ſchlauen Räföczy durch Vorjpiegelungen jeiner fatholifen- 
freundlihen Gejinnung berüdt, in Siebenbürgen das fruchtbare 
Zufunftögebiet ber Fatholiihen Propaganda erblidte, — auch ala 
Alfölder Ungar von Haufe aus — in der Unabhängigkeit Eieben- 
‚bürgens eine Art Eicherheitsventil gegenüber den „deutſchen“ Macht: 
gelüften gewahren zu müſſen glaubte. Außerdem war Päzmän 
Antagonift des Palatins in den Staatsfragen geworden. Aber auch 
die ungariihen Stände fträubten ſich gegen eine den Türfenfrieg 
berausfordernde Unternehmung; Pazman’s Anjhauung gewann die 
Oberhand und die Schlappe, welde ein ungarijches Obſervationscorps 
durch Stephan Bethlen und Zölyomi, damals noch verbienjtliche 
Stützen der räföczyiden Herrſchaft, erlitt, beſchleunigte den Abſchluß 
des Friedens mit Räföczy (1631, 13. April), der Sieben: 
bürgens und Oſtungarns Beſitz unter den gleichen Bedingungen zu- 
erfannt erhielt, welche einft Bethlen Gäbor erlangt hatte. 

Begreiflichermeije war der Blid der auswärtigen Mächte, 
insbejondere der Gegner Kaijer Ferdinand’s II., Frankreichs und 
Schwedens, auf den neuen Fürjten Eiebenbürgens als brauchbaren 
Bundesgenofjen gerichtet, und Raköczy begriff auch, daß ein gelegent: 
liches Zufammengehen, aber nur unter den günitigiten Verhältniſſen, 
von großem Gewinne fein müjjte. 

So fünnen wir ſchon vom Herbite 1632 an dieje auswärtigen 
Beziehungen Raköczy's verfolgen; damals aber war es die Pforte, 
bie ihn zu einer Cooperation gegen den Kailer, im Einverſtändniſſe 
mit Sachſen und Schweden, einfädeln wollte. Davon handelt eine 
Botihaft des Ofener Nezierpafha’s vom 12. September 1632 an 
die beiden Mächte. 

Doch blieb Alles Project, und Räfoczy Hatte auch feinerlei 
Willen, feine junge Herrichaft durch Wagniffe zu gefährden. Er 
fuchte lieber mit Puͤzmaͤn in reger Correipondenz zu bleiben und 
jich feiner Wohlmeinung zu verfihern. Aufmerkſam folgte er den 
auswärtigen Verhältniffen, er ließ fich fleißig über den Gang des 
nroßen Krieges berichten; noch mehr aber behielt er die Geſinnung 
der ſchwer berechenbaren Pforte, die ehemaligen Throncandidaten 
Prepoftväry, Cſaky und die Nachbarſchaft im Auge. 1635, den 
20. Juli, ſchwuren Fürſt Beſſaraba und 28 Bojaren urkundlich zu 
Bukareſt dem Siebenbürger Vaſallentreue; ſo ſicherte er ſich vor 
Unterſtüßung feiner Widerſacher durch die Rumänen. 

Aber das Jahr 1636 bereitete ihm eine ſchwere Prüfung. 





520 XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. breißigj. Krieg (1618—1648). 


worin die Wiederherftellung der Neichezuftände vor 1618 und die 
vollftändige -Nehabilitirung aller ihrer deutjchen Bundesgenofjen, an⸗ 
dererjeits der entſchiedenſte Kampf gegen den Kaifer und feine Alliierten 
als Hauptpunft und lodendfte Köder erfcheint, — wirft jedem Seperat- 
frieden entgegen, erklärt den Krieg in Permanenz und vereitelt Die 
Beitrebungen Ferdinand's III., die um diejelbe Zeit der Reichs: 
vicefanzler Graf Ferd. Kurt Schweden gegenüber vertrat, um 
dasselbe einem Seperatvergleihe geneigt zu machen und von Frank: 
reich abzuziehen. 

Bernhard von Weimar war bereits burch die Schweiz, an den Rhein, 
in Vorderäjterreih (Anfang Februar) eingefallen und fchlägt nun im zweiten 
Treffen bei Rheinfelden (3. März) den Faiferlihen General Cavelli und den 
Ligiftenführer, Johann von Werth, der ald Gefangener und fürmliches Schau: 
ftüd nah Paris wandert. Breiſach, von dem tapfern Feldzeugmeiſter Freih. 
Heinrich v. Rheinach bis zum Aeußerſten gehalten, von dem unjähigen Grafen von 
üritenberg nicht unterſtützt, kann au von Götz und Savelli nicht entjekt 
werden, da beide die Niederlage bei Wittenweyer (9. Augujt) erleiden; auch 
der neue Verfuch des Götz und Lamboy mißlingt und den 19. December muR 
Breifacd nach furdhtbarer Hungersnoth von dem tapfern Vertheidiger übergeben 
werden. Der Plan des Weimarerd, ein HerzogtHum am Rheine fiir ſich heraus: 
zuichlagen, drohte feine Verwirklichung. Der einzige Xichtblid auf Dem nord: 
weſtlichen Kriegsihauplake war der Sieg Hatzfeld's über den Pfalzgrafen 
Karl Ludwig bei Vlotho an der Weſer (17. Tctober). Aber nicht bejjer ergeht 
es ben Kaiferlichen an der Elbe gegen die Schweden. Der jäumige Gallas 
läßt fi) von Baner überrafchen und im Sommer aus Pommern und Medien: 
burg herausdrängen. 

So dringend ſchien die Gefahr, daß der Kaifer eine Zufammen- 
funft mit dem Kurfürften von Sachſen in Leitmeritz ſucht. 

Wieder rührt fih die Diplomatie; auch die päpftliche im 
Intereſſe des Friedens, aber ohne Erfolg. Der Kaiſer jucht die 
Verftändigung wit Dänemark, er will den durch Miniſter 
Schwarzenberg Defterreih näher gerüdten Brandenburger und 
feinen Schwager, den Bolenfönig fid) enger verbinden. 

Aber das große Wort behält der Krieg. 

Im Frühlonmer 1639 dringt Banner troß einiger Erfolge 
Hatzfeld's bis Böhmen ein, indem er Gallas vor fi hertreibt, den 
29. Mai fteht er vor Prag, wendet ih dann wieder nad) Sachſen 
und erjcheint abermals in Böhmen, um, wenn Bernhard von 
Weimar nad) Bayern vorbräde, mit ihn vereinigt nad) Dejterreid) 
gegen Wien die Straße einzufchlagen. — Allein der gefährliche 
Plan kömmt nicht zur Ausführung; Bernhard von Weimar wird 
von Richelien mißtrauiſch beobachtet, der Franzojengeneral Feuquières 


XV. Buch: Ferdinand IL. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618-1618). 521 


erleidet in Lothringen, bei Thionville, eine entſcheidende Niederlage 
durch PBiccolomini (7. Juni 1639). 

Bernhard von Weimar erliegt vor Neuburg (18. Juli) 
einem jähen, viel verdädhtigten Tode. Sein Heer fällt den lauern: 
den Franzojen in die Hände und nun beginnen fie ihr diploma: 
tiſches Spiel, um zwei Verbündete des Kaiſers, Lothringen und 
Bayern, in Verhandlungen eines Separatfriedens zu verftriden und 
mit Erfolg einerjeitS der großen Koalition: Spanien = England: 
Dänemark, andererjeits: Oeſterreich-Polen-Brandenburg, durch die 
ſchwediſch-holländiſche Allianz zuvorzufommen. Doc hatte es wieder 
den Anjchein, als jollte ein ſchwediſch-kaiſerlicher Separat: 
friede durch die Eiferfucht Schwedens gegen Frankreichs und Dren: 
ſtierna's Bejorgniffe vor Dänemark möglid) werden; denn als im 
Herbite fi in Böhmen die Schweden unter Baner, die Kaijerlichen 
unter Gallas und Schlid gegenüberftanden, wurde abermals in dieſer 
Richtung verhandelt; aber die ſchwediſchen Anſprüche griffen viel 
zu hoch. 


Inzwiſchen Hatte fich die Faiferliche Armee ergänzt, Erzh. Leopold Wil: 
helm, Ferdinand's III. Bruder, den Oberbefehl erhalten, und von Biccolomini 
unterjtüßt und geleitet, drängt er im Frühjahre 1640 den Schwebengeneral nicht 
nur aus Böhmen heraus, fondern nöthigt ihn bis Braunſchweig zurüdzus 
weichen, mo er Verjtärfungen fammelt, während bie Franzoſen einen neuen 
Rheinübergang (Dctober 1639) forciren, und mit den Ligiftenführern, dem Ge: 
nerale Sottfried Hugo von Ghelern (vormal3 in kurkölniſchen Dienjten) und 
dem trefjlihen Mercy, früher in lothringifchen Dienjten, in unentfchiedene 
Gefechte verwidelt wurden. Den Hauptitoß jollte dann im Frühjahre 1640 
Marihal Guébriant gegen die Wejer zu führen und jih mit Baner ver: 
einigen. Dem batten die faijerlihe Armee unter Erzh. Leopold Wilhelm und 
Piccolomini die Spige zu bieten. 


Vor die Kriegsereigniffe fällt jedoch der Nürnberger Kur: 
fürftentag (Febr. 1640), auf welchem ſich der kaiſerliche Send: 
bote Freih. Tobias von Haugwitz mit der Beſchwerde jeines 
Gebieters einfand, daß man denſelben als König Böhmens nicht 
eingeladen habe. 

Bedeutjamer als dies erjcheint die Thatjache, daß im Gegen: 
abe zu der freundlichen Haltung der anderen Kurfürften, Bayern 
gegen den Faiferlihen Hof jih ehr froftig benimmt. Es war 
Dies augenjcheinlich die Folge der jeit 1639 von Franfreid 
verjuchten Negotiationen mit Bayern, welche mindeitens die Folge 
hatten, daß Kurfürſt Pearimilian, ohnehin auf Spanien und 
dejjen bewaffnete Invaſion im Kurtrier'ſchen Gebiete ſchlecht zu 


522 Aw. 52: Serum: lILz2 UL 23 Rein. &ueg ı lei 1648, 


udn, nr: artteih gegeni: ber rom Arizze com entlattet wũnſchte, 
uns ertsrerists Bi verbintemde Rüdrirtuna Der ron Spanien und 
Er:im, lem Seiteriiden Horte berriebimen Nebabilitirung des 
sartristsnen etelsmwittelsbahiiden Bautes auf den 
rrürın zen Bavern. Dierimilian’s geheime Neuotiarionen mit 
Frarktz£ verkimmten aber die Nurfüriten, man beiclog, mit Frank—⸗ 
res zen va unterhandeln; Bavern becilte tich Daber, ieine leitende 
Ziälung im liginiihen Lager zu behaupten, indem es am Regens— 
burger Heihstage, wo ſich wohl der Kaiter, Tonıt aber nur bie 
Lertreter ber Furiten einranden (1640 Nuni, Serbit 1641) nicht nur 
kuch ifinen Bevollmädtigten, den Kanzler Dr. Richel, gegen bie 
gm MBeiier provonirte beihränfte Amneitie der geächteten 
TSgrwi:bn: und Franzoſen-Bündler die vom ;süriten = Collegium 
Kentragte allgemeine vertritt, mit den Kurfürſten fur die Unter 
handlung mir ‚sranfreih ſich ausipriht und uegen Spanien auf's 
Hettigtte losziehen läßt. Man jolle die Zpunier aus Teutich: 
land entrernen, — „man jolle auf ſie tchmeißen, wenn jte Das 
Zrieride nit wurden raumen”, lautete das unverblümte Verdict 
Nidrel’s, gegen beiten Wirfung ih die Kaiſerlichen vergebens 
jtemmten nnd erfolglos die Verdienſte der Schmweitermadt um Die 
ligiſtiſche Sache betonten. 

Tem Negensburger Reichstage hätte aber leicht der Kriegsgott 
übel mitjpielen fünnen. Tenn Suebriant und Baner kamen 
fo nahe vor Negensburg (21. Januar 1641), dag, wenn nicht plöß- 
liches Thaumetter das Tonaueis löite, der Schwede von Negenjtauf 
aus -- den NHeihstag überfallen und den Sailer als Gefangenen 
mit ſich geführt hätte. So mißlingt aber der kühne Handſtreich, 
(Hucbriant und Baner trennen fich wieder; letterer von den Kaiſer— 
lihen in's Gedränge gebradit, zieht von Eger über die Laufig nad 
Halberitadt und jtirbt hier (30. Mai 1641) im Lager. ul, 
Wrangel, Königsmark und Wittenberg übernehmen das Commando, 
dod) fehlte noch der eigentliche Erjat für Baner. Seine meuternden 
Söldner wurden von den jchlauen Franzoſen den Gegnern ab- 
geſchnappt. 

d'Avaux hatte (30. Januar) das Hamburger Bündniß mit 
Schweden erneuert, andererjeits der faiferliche Reichshofrath Lützo w 
mit Salvius neuerdings über den Frieden in Hamburg verhandelt. 
Frankreichs Diplomat jchlug nun Münfter nd Osnabrück in 
Weitphalen als Eongreßorte vor. 

Mit diefen Vorgängen hatten der SKaifer und der fort: 
bauernde Neichstag zu rechnen. Die beſchränkte Amneitie wird 





524 XV. ud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreitig;. Krieg (IH 1S— 1042 


ber jegigen öterreihiigen (Frblande zu eninehmen. Die eigentlide 
Reihsgemwalt ioll in den Zchoor eines tegeimäkig einzuberuienden Reichstages 
gelegt werden; ein :heidyszegiment, aus den Kurrüriten, Fürſten und Abgeord- 
neten der 'reien Z:adte :uiammengeiegt, und en Reichskammergericht, deren 
beider Erai:dent der Kaiter zu iein hätte, — waren mit der Verwaltung und 
Yandiriedenspiiege zu beirauen. Ueberdies iei eine ttändige Reihsarmee noth: 
wendig, aber fein gemierhetes oder unabhängiges Heer, wie das Walleniteiniche 
war, jondern ein vom :Keihe und deilen Ständen abhängiges. 

So iteht vor uns die Theorie des beutihen Ztaatenbundes 
unter dem Schutze der beiden freinden Mächte, mit einem von dauernder Erb⸗ 
jolge ausgeſchloſſenem Kaiſerthume als Erecutivbehörde des Fürſtenparlaments, 
und einem Milizenheer; — die Zeche des ganzen Projectes ſoll das Haus 
Deutſch⸗ Habsburg zahlen. Wir haben vor uns, logiſch abgeklärt und auf ſchwediſch⸗ 
franzötiichen Yeilten geichlagen, bie Politik bes einjtigen Wortführers der Union, 
des Fürſten von Anhalt, und in einer Richtung bereit3 das Ergebniß des meits 
phäliſchen Friedens vorgezeichne.. \n Wahrheit ſollte Teutichland die Koiten 
dieies Neformprojectes, das man aud) dem furpfäßziichen Tiplomaten Rusdorif, 
einen alten (Segner Tejterreihs, ſchwediſchen Politikern, ja dem Reichskanzler 
Trenitierna ſelbſt zuichrieb, tragen und dies füihlte der berühmtere jüngere Zeit: 
genoffe, Samuel Rufendorf, der brandenburgiiche Staatsrechtslehrer und 
Hiftoriograph, am beiten, wenn er jagte, das Project des Hippolithus jet nicht 
der Rath eines Arztes, jondern eines Henkers. 

Tie ältejte eigentliche (Kegenichrift mar der Antihippolithus des David 
Fratuscus, eines verfappten Stalieners, von Jahre 1652, die hauptfädhlich nur 
die Angriffe auf Habsburg zuriidzumeijen jucht. 

Die Kriegsfurie tobt weiter, ſchlimm fteht es mit den Aus- 
fihten des Kaijers und jeiner Verbündeten im Epätjahre 1641; 
die Spanier erleiden zu Lande in Italien und zur Eee gegen 
frankreich Verlufte, die Empörung Cataloniens bindet ihnen die Hände, 
und obſchon Erzherzog Yeopold Wilhelm und Piccolomini 
Herren des Wefergebietes ſind, — Lamboy, nad) Frankreich ein- 
breciend, den General Chatillon bei Sedan Tchläg. und den Loth— 
ringer bejtimmt, fein Schuß: und Trutzbündniß mit Yrankreid) 
jchnell zu löſen, Jo werdet ji das Kriegsglück; Lamboy muß bald 
wieder zurückweichen und erleidet dur) Suchriant bei Hülſt im 
Jülich'ſchen Niederlage und Gefangenichaft. 

Schon Stand aber auch der rechte Mann an der Epite der 
ſchwediſchen Heereoleiting, Bernhard Torſtenſohn (Graf von 
Ortala), und das jeit Jahren betriebene Bündniß mit dem Fürften 
Ziebenbürgens, Georg Nafocan, das drohende Cingreifen der 
Torte, ſammelt fih wie ein Gewitter im Oſten Habsburg-Oeſter— 
reicho. Das Nriegsjahr 1642 jollte eines der biutigiten werben. 

Torſtenſohn bricht duch Brandenburg nah Schlefien vor, 


XV. Bud: Ferbinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 525 


ſchlägt die Defterreicher und den Herzog von Eadjfen : Lauenburg, 
weldhe Glogau belagerten bei Schweibnig (Auguft 1642), wendet 
ih Jofort nah Mähren, deſſen Hauptfefte Olmütz der feige 
Miniati übergiebt, und zieht dann durch die Lauſitz gegen die Leip— 
ziger Ebene, während fi) Guebriant im nordweitlichen Deutſchland 
ausbreitet. Auf der fchlachtenberühmten Ebene, bei Breitenfeld, 
erleiden die Kaiferlihen unter Erzherzog Leopold Wilhelm und 
Piccolomini (2. November) eine enticheidende Niederlage, doch hin: 
dert ihn der ftarfe Verluſt an ausgiebiger Verfolgung der nad) 
Böhmen flüchtenden Gegner, die dann zu Rokyczan ftrenges 
Kriegsgericht über die pflihtjäumigen Offiziere halten. Sachſen it, 
in Feindeshand. 

Diefe Ereigniffe, andererjeits der vorausſichtliche Tod 
des ſchwer erkrankten Richelieu (1642, 4. December), dem nun 
Mazarin in der Leitung des franzöfiichen Staatsweſens folgt, 
beitimmten Ferdinand III., die Friedensverhandlungen mit Frank: 
reich wieder aufzunehmen. Der Dominikaner Georg von Herber: 
ftein begiebt ſich ſchon vor dem Tode Richelieu's nad) Paris, 
findet jedoch bei dem neuen binterhältigen Leiter der franzöfiichen 
Politik Feinerlei greifbares Entgegenfommen, denn Mazarin hält 
den Grundgedanken der Staatsfunft feines Vorgängers feſt. Er 
darf dies um jo mehr, als zwiichen dem Kaijerhofe und Marimilian 
von Bayern die Ablöfung der Kurpfalz für Karl Ludwig, den Sohn 
des unglüdlichen Friedrich (F 1632), und das Verhältnig zu Spanien 
ernſtliche Mißverftändniffe wachriefen und Bayern mit anderen 
Ligiften einem Separatfrieden mit Frankreich zuſteuert, an 
deſſen Stelle Ferdinand III. früher jo gerne einen Ausgleid 
mit Schweden gejegt hätte. 

Die Miflion des Kaijerhofes an Mazarin bemweilt, daß Ferdi: 
nand III. und fein bebeutendfter Rathgeber, Trautmannsdorf, 
diefen gefährlichen Sonderbeftrebungen zuvorfommen wollen, jeden: 
falld die Abjichten Bayerns durchkreuzten und dafjelbe zur neuen 
Annäherung an den Wiener und Madrider Hof zwangen. Während 
im Jahre 1643 der Frankfurter Reihbsdeputationstag 
(jeit 1. Februar) und die Wiener Conferenzen in der Vorbe— 
reitung des Friedens wenig Erfolg haben, der faijerlihe Diplomat 
Liſola nad) London abgeht, um in der pfälziichen Frage ein Ab- 
fommen zu treffen, andererjeits an den Congreßorten Müniter 
(Frankreich) und Osnabrück (Schweden) fi) langſam die europäiſchen 
Diplomaten zu einer nahezu vierjährigen Arbeit verjammeln, und 
die öfterreichiichen Vollmachtträger: Graf Ludwig von Naſſau und 


526 XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißig. Krieg (1618 — 1648). 


Relchshofrath Johann Crane für Münſter, Graf Zamberg und 
der tiroliiche Regierungsmann Iſaak Bolmar (ein fatholiicher Con: 
vertit) für Osnabrück beitimmt, dann ihre Rollen taujchend, 
die Eriten am Plate jind, denen erit 1643—1644 die fremden 
Gollegen folgen, — gewinnt der Krieg eine erhöhte Bedeutung 
durch die bevorjtehende Waffenerhebung der vom Kaijer aufgemahnten 
Nahbarmähte Schwedens: Dänemark und Polen, und auf der 
andern Seite durch die verdoppelten Auftrengungen Schwedens und 
Frankreichs, den Fürften Georg Räköczy I. und die Pforte gegen 
Habsburg-Defterreih in den Krieg zu ziehen. 


Toritenjohn und Hucbriant follen ſich die Hände reihen; Räköczy nad 
Meftungarn vorbredden, der Spätherbit, October und November, die Entſcheidung 
bringen. Aber die Niederlage der Franzoſen, dur den Ligijtengeneral 
Mercy bei Tuttlingen bewirkt (24. November), ftört diefen Plan; Räköczy 
(1643, 26. April, dur) den Weiffenburger Vertrag mit Schweden und 
Frankreich feſter alliirt; wird durch den (jeit 1638) Faijerlihen Feldherrn Götz 
auf oberungariſchem Boden in Schach gehalten, und wenngleich Torſtenſohn den 
neuen nach Erzherzog Leopold's Abdankung wieder ſeinem Ruheleben entzogenen 
kaiſerlichen Generaliſſimus, Gallas, über feine Abſichten täuſchen und bis 
Prag und Olmütz vordringen konnte und Brünn durch ihn gefährdet war, 
jo zwingt ihn nun das Nichteintreffen Räköczyns und der Einfall Däne— 
marks in das ſchwediſch-deutſche Küjtenland zum eiligen Aufbruche nordwärts, 
indem er Bejatungen in den eroberten böhmiſch-mähriſchen lägen zurüdläßt. 


Tas Sahr 1644 jollte dem Kaijer bittere Stunden bereiten. 
Der Sranffurter Deputationstag hatte in einer ftarken 
Uppofitionspartei längjt gegen die Beihaffung wachſenden Kriegs: 
bedarjes Einſprache erhoben und die Admiſſion der deutſchen 
Reichsſtände zum weſtphäliſchen Friedenscongreſſe mit Auflaffung 
des Deputationstages verlangt, der brandenburgiiche Gelandte am 
lauteften feine Stimme für den Frieden hören laſſen; eine ſchmähliche 
Finanznoth lähmte die Reichsmaſchine im Arbeiten und der fran- 
zöſiſche Botſchafter in Münfter (jeit Frühjahr 1644) d'Avaur, 
vermaß fi, in einer lateinischen Denktjichrift den Kaifer als Gegner 
des Friedens und den Eigennuß des Hauſes Oeſterreich vor dem 
Deputirtencongreffe an den Pranger zu ftelln. Bayern rüdt 
wieder den Franzofen näher und Schweden theilt mit ihnen die 
Ueberzeugung, unter den Mantel der Friedensgeneigtheit Durch den 
Krieg möglichſt vortheilhafte Ermerbungen herausichlagen zu Tünnen. 
Andererjeits durfte nicht erwartet werben, daß der Kaiſer und 
Spanien um jeden Preis die Waffen ftreden würden. Aber das 
Waffenglück war nicht auf bes Kaiſers Seite. 





538 XV. Buch: ‚yerdinand II. u. III: u. d. dreikigj. Krieg ( 1518— 164°). 


Ten Tag nad der Janfauer Entiheidung (7. März) eilt der 
Kaiſer von Prag nad) Wien zurüd, in das Her; des Reiches, um 
dem drohenden Verhängnis zu begegnen. Wie hart ihn aud das 
Kriegsunglüd getroffen, ihn und jeine Umgebung verließ nicht der 
Glaube an die Wideritandsfraft des Staates. Erzherzog Xeo: 
pold Wilhelm wird nad Tberöfterreid) entboten, um dem dro- 
henden Aufitande zu begegnen. Ter Kaiſer jelbit begiebt jich dann 
nah Regensburg, um die Reihshülfe aufzubieten. Eeine Gattin 
joll von Linz nad) Wien, um ein allgemeines Yandesaut: 
gebot zu fördern, Leslie beim Papite Hülfsgelder begehren, aber 
Innocenz X. jtand unter franzöſiſchem Einfluſſe. 

Ter Kaiſer jelbit fehrt den 20. März nadı Wien zurüd. Stän: 
diihe Geldhülfe der Erblande regt ſich, das niederölterreichiiche 
Landesaufgebot jammelt jih, 40,000 Mann ſtark, denn der zehnte, 
dann der fünfte Dann wird aufgeboten. Der Abt von Lilienfeld, 
Cornel Strauch, iſt unermüdlich thätig in der Beichaffung ber 
dringlichiten Geldmittel; Erzherzog Leopold Wilhelm tritt an die 
Epite des Aurigebotes, die Bürger Wiens bewaffnen ſich. 

Aber auch der Feind rüdt immer näher. Sein mwidtiger Stützpunkt 
SImüg fann ihm durch die faiferlichen ‚selboberiten Malpditein und Ratuit be 
Souches (einit in ſchwediſchen Tienjten) nicht entrijjen werden. Der Schweden⸗ 
general Wittemberg ſetzt \glau in Nertheidigungszuitand, Torſtenſohn's Schaaren 
bringen das ſüdweſtliche Mähren: Selowitz, Nifolsburg, die Maidiburg auf den 
Tolauer Pergen, eine uralte Grenzwacht gegen Tejterreich, Yundenburg, Rabens: 
purg, andererjeit3 Znaim und füböjtlih Göding in ihre Gewalt. Non Znaim 
dringen tie gegen Krems an die Tonau vor und belagern (Ende März) den 
wichtigen Punkt. 

Toritenjohn’3 Filboten mahnen Räköczy zum fchleunigen Aufbruche nad 
Reitungarn, der Ichlagtertige Touglad ſoll ſich mit feinem Nortrabe und mit 
dem jiebenbürgijchen Fürſien jelbit vor Tyrnau vereinigen. Bald erjcheinen bie 
Schweden in der Nähe Wiens von der Marcielder Eeite aus. 

Die faijerliche ‚amilie war in Graz geborgen, wohin ſich auch ein ganzer 
Strom Wiener Flüchtlinge — gleih wie nah Salzburg und Venedig er: 
goß. Hier im Burggarten fol ein Attentat auf den Kronprinzen Ferdinand IV. 
von gedungener Hand veriucht worden jein. 

Tie Bewahrung Wiens vor einer jörmlichen Qelagerung hing davon ab, 
ob man den wichtigen Brüdenfopf jenfeit® der Wolisau, an der alten Haupt: 
ſtraße nach Mähren und Böhmen, die jogenannte „Wolfichanze” Halten könne 
und ob Torſtenſohn's Nereinigung mit der ganzen Macht Räköczy's unterbleibe. 
Ten 16. April muß man jedod jenen Tertheidigungspunft räumen. Nun gilt 
e3 die Vertheidigung Wiens, für welche der Kaijer Alles auigeboten; Bürger⸗ 
milizen, Hanbwerfer und Stubenten, an 5000 Mann, ftanden bereit. 

In Oberöfterreih gab es Manchen, ber der Jahre 1620 und 1626, 





330 XV. ud: zerdinand If. u IIL u. d. dreifigi. Krieg (1EIS-16HR). 


Allersheim dem jterbenden Mercy den halb gewonnenen Sieg 
(3. Auguſt) entrifien. Der beite Ligijtenfeldherr war getallen, aber 
Turenne wurde bald von den Kaiſerlichen und Yigiiten unter Cry 
berzog Leopold Wilhelm und Gheleen an den Rhein zurüd: 
geworfen und Toritenjohn, ſeit der „Brünner Fatalität“ — in „einer 
ſolchen Ungeduld und Furie“ die „unbeichreiblih”, wie ein Tiplomat 
berichtet, gichtfranfer als je und um jeine Kriegsehre gebracht, zieht 
fih, von Buhheim und Fernemont gefolgt, nad) Böhmen, das 
jeine ſchwere Hand fühlt, legt aber dann Frühjahr 1646 den ber: 
befehl nieder, den nun Karl Guſtav Wrangell (Wrangel) in feine 
erfahrenen und jchonungslojen Hände nimmt. Seine bedeutenbiten 
Generäle iind Königsmarf und Wittemberg. 

Die Allürten des Kaiſers Sahjen und Tänemarf, hatten 
Ihon im Augujt mit Schweden, erjteres eine Waffenruhe, legteres 
den Frieden abgeichlofien; nun lag die ganze Laſt des Krieges im 
Dften auf Teiterreihs Echultern, und die Mahnungen Bayerns, der 
Kaiſerhof möge um jeden Preis mit den Franzoſen Frieden machen, 
wurden im Kriegsjahre 1646 um jo dringlicher, je weniger Erfolge 
es in Ausficht ftellte. 

Mit Mühe wirft man Wrangel aus Böhmen hinaus, verdrängt 
die Echweden aus den öjterreihiichen Bejagungsplägen, — Wrangel 
und Turenne find ftarf genug, um dem faijerlicheligiftiichen Heere 
unter Erzherzog Leopold Wilhelm, Hapgfeld und Gheleen 
die Epige zu bieten, und die Sachlage ändert ſich nicht, als der 
Erzherzog den Oberbefehl niederlegt und der längſt creditlofe Gallas 
denjelben wieder und zwar zum legten Male übernimmt. Picco: 
lomini und der früher hefliiche General, Melander (Holzapfel), ein 
Galviner, ftehen ihm zur Eeite; eriterer wird dann bald nad den 
Niederlanden unter ſpaniſche Waffen berufen. 

Inzwiſchen war der Mann des faiterlichen Vertrauens, Graf 
Trautmannsdorf, der öfterreihiiche Premier, nad) Münfter zum 
Gongrefje als oberjter Vollmadıtträger abgegangen und hier Ende 
November 1645 eingetroffen. Seine öſterreichiſchen Collegen ſahen 
ihn nicht gerne, am mwenigften Volmar, und diefe Eiferſucht er: 
ſchwerte dem Minijter jeine dornenreiche Aufgabe. Denn die Inter⸗ 
eijen der beiden fremden Mächte, Schwedens und Frankreichs, der 
Katholiſchen und proteftantiichen Neichsgliever, des Kaiſers und 
Spaniens zu vereinbaren, die andermeitigen Einflüjje zu paralyfiren, 
und überdies fih in der Doppeltolle eines Mlenipotentiarius er: 
dinand's III. als deutſchen Kaifers und als Monarchen Habsburg: 
Defterreichs zurechtzufinden, — erforderte das Aufgebot ungewöhn- 





532 XV. Qu‘: Ferdinand II. u. IIL u. d. breißigj. Krieg (1618—1648). 


der Kurfürjt fuchte und fanb darin eine Rechtfertigung feines verhängnißvollen 
Schrittes, ber für fih und bie drei ligiſtiſchen Reichsfreife feines Directoriums 
abgefchlojjfenen Ulmer Bacification mit Frankreich (15. März 1647). Diejer 
Schritt des Kurfürjten war eine Uebereilung, bie er bald bereut. Schweden 
war begreiflicherweije gegen einen ſolchen Eeparatfrieden und an ihn auch nit 
gebunden; Turen ne felbft, der franzöfifche Feldherr, war für den Krieg, Hand 
in Hand mit Wrangell, ber im Spätjahre 1646 den Weg in's Vorarl— 
bergifche einihlug, durch Königsmark die Bregenzer Klaufe erftürmen, dad 
halb wehrlofe Bregenz (4. Januar 1647) erobern und Hohenems, Vaduz, Neu: 
burg und Feldkirch furchtbar ausplündern ließ, — und nur an Lindau fräftigeren 
Widerjtand erlebte (März). 

Der Kaifer und fein Rath, Hocherzürmt über das Vorgehen 
Bayerns, defjenSeparatfrieden mit Frankreich, fanden in der bayerifchen 
Armee ſelbſt an dem Generale Johann von Werth, dem General: 
wachtmeiſter Sporf und an dem Oberſten Kreuz, entjchiedene Gegner 
der Ulmer Uebereintunft, gegen welche Ferdinand II. Schon im Januar 
am Ulmer Tage hatte arbeiten lafien. Werth, der Leidenfchaftliche 
Franzoſenfeind, überdies gefränft durch den Umstand, daß er nicht 
das Obercommando der ligiſtiſchen Armee erhalten, wollte nun nichts 
Geringeres, als im Bunde mit den beiden anderen Gefinnungsgenoffen 
Die ganze bayerifhe Armee in’s faiferlide Lager 
überführen. Als das in München ruchbar wurde, überdies dem 
Kurfürften hinterbracht ward, eine angebliche faiferliche Ordre gebiete, 
ih des Kurfürſten und feines Cabinetsrathes Kurz von Senftenau 
zu bemächtigen und beide nach Wien zu fchaffen, — gab es mächtige 
Aufregung in der Bayern-Hauptitadt; man ſchmäht den Kaijer einen 
Banditenhauptmann , zertrümmert feine Bildniffe und Wappen; faft 
hätte das müthende Volk den öfterreichiichen Gejandten Khevenhüller 
geiteinigt.. Eine kurfürſtliche Proclamation ädhtet ben 
General Wert) und febt einen Preis von 10,000 Thalern auf 
deſſen Kopf; auch jeinen Gejandten will er von Wien abberufen, 
und war, wie die Kurfürftin dem öfterreidhifchen Gefandten mit: 
theilte, nahe daran, eine Nejolution zu faſſen, „woran wir alle zu 
leden gehabt”. Johann von Werth und Spork hatten fich jedoch 
in der Sefinnung und Anhänglichfeit der Armee getäuſcht; bald 
jehen fie fih an der böhmijchen Grenze von den nun über den Zug 
nad) Böhmen aufgeflärten Soldaten verlafjen, an ihrem Leben bebroht; 
die Truppen wollen eben nicht „kaiſerlich“ werden. 

Mit Noth erreichen fie ohne Mannſchaft das kaiſerliche Heerlager 
u Wodnian, an deffen Spike ber Kaijer jelbft und der neue Ge- 
neraliffimus nad Gallas’ Tode, Melander- (Holzapfel), ihrer 
harren. Huldvoll empfängt fie Ferdinand III, Werth wird zum 





534 XV.Bud: Ferdinand II. u. IH. u. d. dreißigj. Krieg (1618— 1648). 


Lepterer unter dem ſchweren Vorwurfe, die Kaijerlihen im Stiche 
gelaiten zu haben, dann müſſen fie vor der Uebermacht weichen ; 
— der Feind erjcheint in Bayern, Gronsfeld wird verhaftet, 
Schr. von Enfevort zum bayeriſchen Generalifjimus ernannt; aber 
es giebt feinen Widerftand, der alte Kurfürft flüchtet nad; Salzburg. 

Turenne nähert fih der ölterreihiihen Grenze, Wrangell 
ſchickt Emiffäre an die Landbevölferung Ober-Oeſterreichs, um 
fie neuerdings aufzumiegeln; er jendet an General Königsmark den 
Befehl, in Böhmen einzubrehen. Bon Schlefien aus joll Pfalzgraf 
Karl Guftav, der ſchwediſche Thronfolger, das Gleiche thun. Die 
äußerjte Nothlage des Kaijers fordert die jchleunige Herbeirufung 
PBiccolomini’s, der inzwiihen in Belgien Epanien zur Seite 
gefochten; Anfang Juni erſcheint er und hält mit Enfevort bie 
Innlinie, mit dem geheimen Auftrage, Böhmen nahe zu bleiben. 
Das lebte Gefecht zwifchen den Schweden und den Verbündeten fand 
nach der Unterzeihnung des franzöfiihen Bräliminarfriedens zu 
Münfter (16. September) auf bayeriſcher Erde bei Dachau Itatt. 

In Böhmen hatte der dreißigjährige Krieg begonnen, bier, 
im Herzen der rühmlich vertheidigten Zandeshauptitadt, in Prag 
jelbft, jollte er auch jein Ende finden. 

Königsmarf, der Schwedengeneral, ftand im nordweſtlichen Böhmen und 
bielt Prag im Auge. 

Ein Faiferlicher Oberftlieutenant außer Dienft, Ernit Ottowalsky von 
Streitberg, Galviner, der 1639 ſchwer bleffirt, und mit der Ausficht auf die 
Stadteommandantenihaft in Ellbogen entlajfen, troß aller Bitten vergefien 
und der bitterften Noth überantwortet blieb, endlih eine Anweiſung auf acht 
Portionen Brod und Bier zum Unterhalte ald entehrend ausſchlug, wurde durch 
gefränftes Ehrgefühl und Elend — zum Verräther an der Sache des Kaiſers. 
Den 20. Mai 1648 meldete er ſich bei dem Generale Königgmarf und trug ihm 
feine guten Dienfte an. Der Schwede beförderte ihn al3bald zum Oberjlen eines 
Fußregiments. Ottowalsky, Oberjtlieutenant Volmar und der fchmebiiche 
Commandant von Eger, Koppy, zogen nun dem KHeere Königsmarks gegen 
Prag voran, und fo gelangten die Schweden im Tunfel der Nacht und unter 
flugen Borficht3maßregelu unbemerkt vor die Stadt. 

Den 26. Juli, 2 Uhr nah Mitternacht, gejchieht unter Führung des orts— 
fundigen Ottowalsfy der Einbruch der Schweden durch das Strahomwer Thor in 
die Kleinfeite; der Commandant, Graf Colloredo, und Graf Micha ent: 
famen mit genauer Noth im Nachtgewande über die Moldau zu Kahne hinüber 
in die Altftadt. 

Nun aber entwidelt fi in der Prager Alt: und Neujtabt eine von 
ben Schweden nicht geahnte Vertheibigung. Alles greift zur Wehre, Soldaten, 
Bürgerihaft, die Stubenten unter Führung bed Sejuiten Play; die Kuben- 
haft wehrt ben Bränden. Die Generäle Puchheim und Conti waren mit 





536 XV. Bud: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 


So kam es den 24. Dectober 1648 zum Abſchluſſe des 
Friedens, den man den weſtphäliſchen nennt, und, wie die 
Dinge lagen, konnte ihn das zertretene Deutſchland, das ſchwer 
heimgejuchte Defterreich, als eine Erlöjung begrüßen. Wohl ift durch 
ihn der deutſche Föderativftaat auf alter lehengmäßiger Grundlage 
zur anerkannten Thatfache geworden; zwei fremde Mächte, Schweden 
und Frankreich, ericheinen als bewaffnete Bürgen dejjelben mit Sig 
und Stimme im deutſchen Reichstage, und deutſches Neichsgebiet 
entſchädigt beide, das Frankreich großentheild von dem unmittelbaren 
Better: Habsburg : Defterreich, abgetreten erhält, -— die deutſche 
Kleinftaaterei Eryftallifirt gemiffermaßen und findet ihr Spiegelbild 
in dem endlojen %ormalitätenjtreite, der den Verhandlungen des 
Friedens vorherging, in dem allerdings, nothiwendigen ungeheuern 
Detailmwufte der Friedensbeftimmungen, für melde man einen Ge: 
dächtnißhalt in lateiniſchen Denkverjen juchte und ganze Bibliotheken 
von Erläuterungen zufammenjchriedb; — mer aber unbefangen bie 
Frage fih vorlegt, wie anders man aus dem entjeglichen Kriege 

und dem verwidelten Streite europäiſcher Machtfragen, deuticher 
Glaubens: und Befigintereffen herauskommen mochte, muß den weit: 
phälifchen Frieden als einen unvermeidliden Ausweg, als den 
einzig möglichen, erkennen. 

Die habsburgiſche Kaiſermacht, von dem augenblidlichen 
Erfolge der Jahre 1625—1629 längſt herabgeglitten, fteht eigent: 
li wieder auf derfelben Stufe wie in der Epoche Rubolph’s II. 
und Mathias’, nur ift das, mas damals als werdende Thatjadje vor: 
handen war, vertragsmäßig geregelt. Der proteftantifche Reichskörper 
das Corpus Evangelicorum, mit Schweden als Nüdhalte und mit 
dem mächtig aufitrebenden Brandenburg: Preußen an der 
Spite, dem gegenüber Sachſen immer mehr in den Hintergrund 
tritt, — Steht nun dem fatholiihen Neichsförper, dem Corpus 
Catholicorum nit nur ebenbürtig an der Seite, fondern überwiegt 
allgemach in wichtigen Reichsfragen, wenn aud fünf fatholijche 
Kurwürden: Mainz, Köln, Trier, Böhmen (Habsburg) und Bayern, 
den zwei bisherigen proteftantifchen: Brandenburg und Sadjen, und 
der neugeichaffenen achten Kur: der Rheinpfalz des zweitgebornen 
Sohnes Friedrich's V., Karl Ludwig, in der Zahl den Rang 
noch immer ablaufen. 

Aber in diefen veränderten Madhtverhältnifjen lag 
auch wieder die Möglichkeit für das habsburgiſche Kaiferthum, daß es, 
getragen von einer großen und noch vergrößerungsfähigen Hausmadht, 
— die ſchwächeren Reichsglieder heranziehe. Denn, was ſchon früher 





5338 XV. Buch: Ferdinand IL u. II. u. d. dreifigj. Krieg (1618—1648). 


Ralbasbte: Rheintelden, Eedingen, Laufenburg, Waldshut, b) die Grafichait 
SHauenttein, c) den Schwarzwald, dı den Tber: und Unter: Preißgau mit den 
alsersher zugehörigen Irien: Neuburg, Freiburg, Gndingen, Kenzingen, Bald: 
burg, Zillingen, Freinlingen, e) die Ortenau mit den Reichsſtädten: Oifenbach, 
Gengenbad, Zell am Hammersbach. 3. Er zahlt dem Thronfolger Erzherzog 
zerdinand Karl zur Entichäbigung tür das Abgerreiene: 3 Millionen Liores. *) 

9. Wir haben bereits den Gang des dreikigjährigen Krieges 
auf dem Boden der djterreihiihen Ränder gezeichnet und 
haben nur no der inneren Zuitände derſelben unter feiner Ein- 
wirfung überjichtlich zu gedenfen. Theilmeite geſchah das bereits, 
dort, wo von den Folgen der Schlacht am weißen Berge (3. Abichnitt) 
die Rede war. | 

Nur mittelbar von demjelben berührt, und zwar durch Geld 
und Truppenbeiitellung, waren die inneröfterreihiichen Lande, 
welche beijpielöweile zur Zeit der großen Gefahr (1645) im Ganzen 
460,000 Gulden aufzubringen hatten (Steiermarf: 300,000; 
Kärnten: 100,000; Strain: 60,000). Sonſt wirkten nur die Maß: 
regeln der Gegenreformation fort, wie 3. B. der landesfüritliche 
Befehl von 1625, der alle Hochzeiten und Taufen an protejtantijchen 
Orten unterjagte und die jtubierenden Landesfinder von fremden 
afatholiichen Univerjitäten abrief. 1628 wurde auch dem Abel der 
Zänder die perjönliche Freiheit der Glaubensübung benommen. Nichts 
deſto weniger wurzelte die proteftantiiche Gejinnung, wenn aud vom 
Scheinkatholicismus verjchleiert, mit unausrottbarer Zähigfeit ört- 
(ih fort. 

Von dem protejtantijhen Adel waren bis 1629 aus 
dem SHerrenitande die Angehörigen von mehr als 30 inneröfter: ' 
reihiihen, vorzugsweije jteieriichen Syamilien, ausgewandert; aus 
dem Nitteritande über 80 Nepräjentanten, von „nobilitirten Per: 
Tonen”, ohne Zanditandichaft an 12 Erulanten. Im Ganzen wanderten 
über achthalbhundert Adelige aus. Manches bedeutende Gejchlecht 
verjcholl nun ganz in Inneröfterreich, wie 3. B. die Ungnad. Die 
Hauptjamilien, insbejondere: Eggenberg, Dietrichſtein, Herberſtein, 
Khevenhüller, Saurau, Schärfenberg, Stubenberg, Teuffenbach 
(Tiefenbach), Trautmannsdorf, Thurn, Windiſchgräz, welche alle zu 
den Exulanten ihr Contingent geſtellt hatten, erhielten ſich in ihren 
katholiſchen oder convertirten Vertretern. Die Exulanten ſuchten 


*) Vergl. über die Wandlungen der Teritorialverhältniſſe in den 
Rorlanden — (Kreutter) Geſch. d. öjterr. Vorlande II; Schreiber, Geld. 
des Breisgaued; Leo, Geh. db. deutſchen Territorien a. a. O.; Strobel, 
Geſch. des Elſaſſes und bie leitenden Geſichtspunkte in dem werthvollen Büchlein 
von Lorenz und Scherer über M- (Hiſtor. Theil von Lorenz.) 





540 XV. Bud: Ferdinand UI. u. III. u. d. dreigigj. Krieg (1618—1648). 


Ritterftande) noch bis zum weitphälifchen Frieden vorfindlich ; wir jehen 
den Proteftantismus jelbjt unter den eriten Familien Nieder: und 
Ober-Oeſterreichs vertreten, wie bei den: Gienger, Hoflirchen, 
Sörger, Kufftein, Sinzendorf, Stahrenberg, Thonrabl, Traun u. N. 

Eine landesfürjtlihe Verordnung vom 5. März 1647 erklärte, 
die Proteftanten würden nod) bis 1655 im Lande gebuldet. Durd) 
den weſtphäliſchen Frieden waren die Emigranten beredtigt, wenn 
fie fi der Landeskirche fügten, zurüdzufehren und ihre jeit 1630 
confiscirten Güter in Befig zu nehmen. Die dann protejtantifch 
bleiben würden, hätten Abzugsfreiheit und hätten ihre Güter ver: 
faufen oder verwalten laffen. Es wanderten nun an acht Abels- 
familien in das Ausland, darunter 3. B. die Hoffirhen und Thon: 
radl, 1688 noch Freiherr D. Chr. von Teuffel. 

Mähren mar nahezu ebenfo oft mie Böhmen die große 
Heeritraße des Dreißigjährigen Krieges. Welche Wandlungen das 
Land feit 1620 in der ferdinandeifchen Reitaurationsepodhe trafen, 
wurde anderorten bereits angedeutet. Für die religiöfe Seite der: 
jelben, jei noch eine Thatjache angemerkt. Die hier einft ftark ver: 
tretenen gewerbfleißigen Wiedertäufer, Anabaptiften oder „hute- 
riihen Brüder“, waren durch das Patent vom 28. September 1622 
und fpätere Verfügungen fat gänzlih weggefegt: im Trencſiner 
und PVreßburger Comitate, jogar in Siebenbürgen, tauchen bie 
verbannten Gemeinden auf. 

Aber der Schwerpunft unjerer Betrachtungen liegt in ben 
bürgerliden VBerhältnijjen unter dem Einfluffe des großen 
Krieges. Olmütz war in feiner Bevölkerung durch den Krieg auf 
1675 Bürger heruntergebracht; 928 Häufer itanden ganz, 260 als 
halbe Ruinen da; nur 168 erjcheinen bewohnbar. Seit 1641 ver: 
liert diefer Vorort den Charakter der Zandeshauptitadt zu Gunften 
Brünns, wojelbft nun die Zandtage permanent werden. Brünn 
jelbft hatte aber unfäglich gelitten; es war tief verjehuldet. Znaim 
verlor durch die eingeichleppte Peſt allein im Sabre 1646: 6000 
Menihen. Iglau, das mit den vorgenannten Städten und mit 
Hradiſch gemeinfam für den Krieg gegen Bethlen 150,000 Gulden 
hatte beijteuern müflen und vom 18.—23. Juni 1626 täglich 400 — 
500 Menſchen als Erulanten um des Glaubens willen verlor, zählte 
1647 nur 299 Bürger (da es im 16. Jahrhunderte doch 700 
bürgerlide Tuchmacher allein bejaß) und 234 bewohnte Häufer. 
Schon 1629 Hatte es eine Schuldenlaſt von 2,318,792 Gulden 
zu tragen. — Aber gerade in dem Wiederaufblühen diejer Stadt 
zeigt fich die Unverwüſtlichkeit des deutſch-mähriſchen Bürgerthums, 





542 XV. Buch: Ferdinand II. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 


faum ein Trittel bewohnt, die übrigen theils zeritört, theils verlaſſen. Von den 
Bauern des Ländchens verloren fich zwei Dritttheile. 

Wie ed mit dem einjt blühenden Bergbaue im Ggerlande ausjah, bemeilt 
die Thatjache, daß während ed um 1544 im Joahimsthaler Xergreviere 
an 9000 Häuer gab, nad) dem Dreißigjährigen Kriege kaum 100 beichäftigt 
mwaren.*) Tahau wandte an militärische Verpilegungsfojten von 1632 bis 
1643 an 53,000 Gulden auf, wurde 1647 von den Schweden angezündet und 
1648 abermals förmlich eingeäjchert; ein Schidjal, von dem au Trautenau 
(1642) betroffen murde. 

Die ſchauerlichſten Jahre für die nörblichen und öftlichen Theile Böhmens 
waren gerade die letten der großen Kriegdepoche, 1645--1648. Unter Anderem 
ericheint Die Schmebenfeitung Grabftein, wie der Zeitgenojje Balbin erzählt, 
al3 eine wahre Raubhöhle, von wo aus der Königägräker, Bunzlauer und 
Leitmeriger Kreiß erbarmungslos heimgeſucht wurde. 

Diefen Shidjalsprüfungen des dreibigjährigen Krieges folgte 
1650, 1. Februar, das faijerlihe Patent, weldhes den noch 
vorhandenen Proteftanten Böhmens (unter Erneuerung des Pa— 
tentes vom 4. Februar 1639) einen peremptoriihen Befehrungs- 
termin bis Anfang des nächſten Monates vorjchried. Bald jedoch) 
mußte weit dringlider die Unterfuhung der wahrhaft trojtlojen 
materiellen Landesverhältniffe eriheinen.. Da man nämlih im 
Sabre 1615: 150,000 anfäflige Unterthanen verzeichnet findet, 
neben 12,000 Bürgerhäufern in den Töniglihen Städten, dagegen 
1631 alle 14 Kreiſe Böhmens etwag über 85,000, 1637 gar nur 
53,000 und 1645 nicht mehr als 30,000 fteuerfähige Grundholden 
aufweiſen fonnten,**) fo jhien es hoch an der Zeit, durch eine 
Unterfuhungscommijfion den Sachverhalt zu erheben. Dies geſchah 
im Sahre 1645. Die Erfenntnig der thatjächlichen Uebel war 
jedoch leichter als deren Heilung. 

Nicht Auswanderungen, Kriegenoth und DVerarmung allein 
brachten die Bevölkerung, die Arbeitskraft und den Wohlitand der 
Ööfterreihifhen Länder herunter, mächtige Wirkungen übten 
auch Elementarereigniſſe, Mißjahre und vor Allem die Seuche, 
fehr oft die entjegliche Genoffin des Krieges. Die Befthronit***) 


*) Ueber Eger und das Egerland vergl. die Werfe von Prödl (2. Aufl. 
1877); Drivof; die afad. Abb. v. A. Wolf in den Situngsb. d. Taifer!l. Akad. 
d. W., 3. 1850, 1851 (IL, VIL 2b.) und |. Geſch.-Bilder, ©. 364 fi. (über 
Adam Pachhelbel). 

**) Vergl. Toman, d. böhm. Staatsreht, Prag 1872, ©. 82—85. 

eee) Gine ber fioiflich reichiten Vorarbeiten bildet bie „Geſchichte der Veit in 
Steiermarl” von bem für bie inneren Verhältniſſe des Geſchichtslebens Inner⸗ 
öfterreih8 unermübli) ſam ig. 1., 2. Heft. 1876, 
1877, Graz. 


XV. Bud: Ferdinand IL u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 543 


der Jahre 1618 — 1648 ift leider reih an Ernten, die der Tod 
gehalten. 


1617 war Defterreih, 1618 Tirol, 1619 Böhmen, 1620 Ungarn von 
ihlimmen Anzeichen dieſer Art hbeimgefucht, aber feit 1623 begannen bie eigent- 
Iihen Peftjahre. Beſonders weit war der Kreiß der Seuche im Jahre 1625, er 
war europäiſch zu nennen: Steiermarf, Mähren, Böhmen und Oefterreih und 
die beiden legtgenannten Länder vor allen zählen dazu, und Ungarn galt als ein 
Lieblingsſchooß des „boshaftigen, giftigen, peftilenzifchen Fiebers“, das man darum 
auch die „ungariſche Krankheit“ nannte. 

1629 war Böhmen von der Peſt hart betroffen, 1634 abermals Böhmen, 
Oeſterreich, Steiermark, 1640 neuerdings Böhmen, Oeſterreich, im Schmebden- 
jahre 1645: Ungarn, Oeſterreich, Steiermark, allwo zu Cilli und in deſſen 
Landesviertel weit über 10,000 Einwohner der Seuche erlagen, und 1648 er— 
ſcheint ſie wieder in Steiermark, Kärnten, Krain. 

So kam es auch zur Erneuerung der älteren ſanitätspolizeilichen 
Verordnungen in dieſer Richtung, oder der ſogenannten Infectionsgenerale, 
wie wir ſolche für die deutſchen Erblande z. B. aus den Jahren 1625, 1646 
bejiten. Hierbei fpielte die Beicheinigung der Quarantaine oder die jogenannte 
„Fedi“ eine Hauptrolle. 


Zeiten ſolcher Nothlagen und allgemeiner Störungen des gejell- 
Ichaftlichen Zebens rufen Jhwärmerifhe Anwandlungen und 
Aufruhrgelüfte des gemeinen Mannes hervor. Ein Beifpiel 
dafür ift die Banernrebellion im Machlandviertel Oberöſter— 
reich’ vom Jahre 1636 (April — Juni), als deren Führer Martin 
Zeimbauer, der „Eropfete und ungejchaffene wüelte Bauer” .... 
der „ich niemalen weder der Religion noch anderen Bevelchen halber 
den fayjerlihen Geboten bequemen” wollte, und ſich für den Statt: 
halter Chrifti ausgegeben haben fol, wie der Benedictinerpater 
Keginbold Möhner aus Augsburg, „ein Tourift in Oeſterreich 
während der Schwedenzeit“*), uns in feinem ziemlich unerquidlichen 
Tagebuche erzählt. 

Mit dem Auffiande der 2000 Bauern, worunter beſonders viel 
Burfchen und Mägde fi) befanden, war es allerdings bald vorbei, 
obihon der Laimbauer auh am Nordufer der Donau Anhänger 
‘zählte. Die grauenhafte Todesjentenz wurde, da er ih vor dem 
Ende durch „Zureden der Herrn Jeſuiten“ Tatholiih machen ließ, 


*) Siehe Kurz, Btr. z. G. d. L. o. d. E., II.; Czerny a. a.O. u |. 
Ausgabe der Möhner'ſchen Aufzeichnungen unter bieſem Titel. (Linz 1874.) gl. 
auch Domin. Fiedler, Gef. d. Reichsgrafen Khevenhüller.... . mit Inbegriff 
'd. oberöſterr. Bauernkriege u. d. Pöſchliner Schwärmerei. ?. Aufl Wien (dv. 
tath. Stanbpunfte); Czerwenka (prot.), Die Khevenhüller. 


5344 XV. Zud: Zerdinand IL u IH. u d. dreifigj. Krieg (161% 1648). 


zur Köpfung und nachfolgenden Viertheilung gemildert. Sein junges 
ihönes Weib, zu ewigem Kerfer verurtheilt, entjührte ein Henkers⸗ 
knecht 


Noch müſſen wir Ungarn-Siebenbürgen's in einigen 
Momenten des innern Geſchichtslebens gedenken. 

Ein bedeutſames Anzeichen drohender ſocialer Kriſen war der 
oberungariſche Bauernaufſtand der J. 1631 — 1632 in den 
Geſpanſchaften Gömör, Torna, Abauj, Borſöd und Zemplin mit 
Göncz, bei Kaſchau, als Mittelpunkte. 

Zahlreiche Bauernſchaaren rotten ſich zuſammen und beſchließen, 
mit bewaffneter Hand ihren Forderungen den Grundherren und der 
Obrigkeit gegenüber Geltung zu verſchaffen und „das arme Vater⸗ 
land” von den „ungeſetzlichen“ SKriegsvölfern zu bejreien. Der Huge 
Balatin Eſzterhazy, der die Gefahren der ganzen Sadlage, 
die lauernde Haltung Raköczy's und der Pforte wohl durchſchaute, 
fieß zunächſt mit den Bauernichaften unterhandeln. Ihr Führer war 
Peter Gjäjzär, der mit den Türfen zu Erlau ein Bündniß 
einging. Man ſuchte dann die Comitatsbanderien aufzubieten, 
gab den nad Schlefien beorderten Milizen Gegenbefehle und jchlug 
im Frühjahte 1632 den Aufftand nieder. Gjäjzär wurde als 
Rädelsführer zu Kaſchau geviertheilt, dann aber ein Ammeitiepatent 
(April 1632) erlaſſen, um nicht die Bauern durch Verzweiflung den 
Türken oder dem Fürften Siebenbürgens in die Arme zu treiben. 

Fünf Jahre ſpäter (Frühjahr 1637) wollten aufitändijche 
Bauern die Gründnerorte im Zipjer Comitate überfallen, doch 
erlagen fie bald.*) 

Die Gefahren der innen Sachlage wuchſen mit den Zeiten 
des großen Krieges in Ungarns Nachbarſchaft, denn die Unzufrie- 
denheit der Akatholiſchen, die ſich 1638 in den Bejchwerben 
der „evangeliihen Stände“ kundgab, die Angriffslujt des Türken, 
weldye der zweite Szönyer Friede vom 9. März 1642 nur 
nothdürftig zurüddämmte, und die Kriegsbereitichaft G. Räkoöczy's J., 
als Bundesgenofien Schwedens und Frankreichs, ftellten eine 
wahre Kataftrophe in Ausſicht. Wenn daher Palatin Eßterhaͤzy in 
feiner Denkſchrift vom Januar 1643 dem Kaifer Ferdinand III. 
in einem jehr düjter gehaltenen Bilde der zerrütteten Wehr: und 
Nährfraft des Neiches umd allgemeinen Stimmung rieth, möglichſt 


*) Bergl. Krones, „DOberunan“ Zeitſchr. |. Realſch 
u. Gymn. 8., 9. Heft. Wien "A Gazʒ t a⸗ 
bor 1871), ©. 436 f. j 





546 XV. Bud: Ferdinand IL. u. III. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 


religio (mefjen das Gebiet, deffen auch die Religionsfagung) nicht eine der von 
ben Evangelifchen zurüdgeforderten 400 Kirchen ausliefern wollten, ließ fich Ferdi⸗ 
sand III. (10. Februar 1647) zur Ausantwortung von 90 Gotteshäuſern herbei, 
und die Bürgfchaften zu Gunften des Akatholicismus in feinem MNechte- auf 
Selbitverwaltung, Gotteödienft, Schule und Begräbniß — bie fi) im Reichs: 
decrete finden — zeigen am beiten, wie ganz anders der Kaifer die Glaubens— 
frage jenſeits der Leitha zu erledigen gezwungen ward. 

Aber auch in den politifchen Forderungen benahm er ſich fo machgiebig, 
daß der Reichstag aus eigenem Antriebe die gewünſchte Erwählung feines Erft: 
geborenen, Erzherzog Ferdinand IV., zum Fünftigen Könige Ungarns (13. Juni) 
vornahm und defjen Krönung [don am 16. folgte. *) 

Die Bacification Ungarns und die üble Laune der Pforte gegen 
Rakoczy, die fih in der Erhöhung des Tributes von 10,000 Golb: 
gulden auf das Doppelte Tennzeichnet, waren der beite Bundes: 
genofje gegen Georg Räksczy L, der in Verbindungen mit dem 
Auslande blieb, aber vor einer neuen Action Bedenken trug. Zu 
den Grundzügen jeiner Perjönlichkeit zählten Berjchlagenheit und 
Habſucht, die mit einer an Geiz ftreifenden Sparjamfeit Hand in 
Hand gingen. Ein zeitgenöffiicher Reimdichter geijelt dieſe Charakter: 
ſchwäche, und der Magnat Johann Kemenyi legt ihm Bedrüdungen, 
Ungeredtigfeiten, insbejondere gegen die Szeller, Burzenländer, 
Sachſen und Hermannftädter zur Laſt. In der That mußte der 
Vorort des Sachſenlandes davon in den Sahren 1636 — 1645 zu 
erzählen. Jedenfalls gebrah es ihm an großem Blid für bie 
Staatskunſt und noch mehr an Adel der Seele, er war der Mann 
kleiner Mittel und berechnender, auch gemwaltthätiger Selbſtſucht; 
Gropmuth und Dankbarkeit waren ihm fremd. Aber an Ehrgeiz 
gebrach es ihm doch nicht; das bezeugen feine Schilderhebungen in 
den Schlußjahren des großen Krieges; er wollte in die Fußitapfen 
Bethlen’s treten und noch furz vor jeinem eigenen Ableben (1647) 
bewog ihn die Kunde vom Tode des Polenkönigs Wladislam, ſich 
ala Bundesgenoffe Schwedens um den Thron Polens zu bewerben. 

Wie jchwierig auch feine Stellung nad innen und außen war, 
immerhin hatte er feinen Thron befeitigt und als er ftarb, 1648, 
23. October, im 55. Lebensjahre, hinterließ er feinem Sohne und 
Erben einen vollen Schag, aber nicht feine nüchterne Berechnungs⸗ 
gabe. „Auf den Sparer folgte der Zehrer”, — auf den Mann der 
Borficht der ehrgeizige Fürft voll hochfliegender Entwürfe. " 


) Katona, 32.8b., 367 ff.; Kov ach ich, Suppl. comit. III. Corpus 
juris Hung. 1.;Ribinyi, Memor. ang. conf.; Kuzmany, proteft. Kirchenrecht, 


XV. Bud: Ferdinand IL. u. IH. u. d. dreißigj. Krieg (1618—1648). 547 


Mögen wir nun diesjeit oder jenfeit der Leitha ben Blid auf 
die Folgen der bewegten Zeit eines dreißigjährigen Kampfes lenken, 
-- jo iſt da und dort der Eindrud fein erfreulicher. Eine wachjende 
Verrohung der Gemüther zeigt fich als Ausfluß des fchonungslofen, 
das Gefühl der perjönlichen Sicherheit in verzweifelnden Stumpf: 
jinn, die edleren Empfindungen in quälende Nahrungsforgen ver: 
fehrenden Kampfes, der nahezu ein Menjchenalter in Anſpruch nahm. 
Für Wiſſenſchaft und Kunft gab es da wenig Raum: in den poli: 
tiſchen und confelfionellen Leidenjchaften verfümmert das eblere 
Menſchenthum; fie beherrichen die dürftige Literatur einer eijernen 
Zeit. Aber gerade die Noth ſchärfte auch wieder den Blick, zerftörte 
manden Wahn, und der Gedanfe — es jei der Staat die einigende, 
Thügende und ausgleihende Form und Einheit des Völferlebens — 
machte ſich den bedrohten Theilen Defterreihs doppelt fühlbar. 





Hier kann aud) im Kurzen einer Epifode aus den Jahren 1640—1642 
gedacht werden, für welche in der bisherigen Darftelung fein Raum war. Gie 
wurde dur das Schrifthen von Guftav de Beer („Danf von Haus Deiter: 
reih, 0. d. Infant Dom Duarte. Epifode aus dem 30 jährigen Kriege nad) den 
Quellen dargeitellt. Gafjel 1869”) in weiteren Kreijen befannter. Der jlingere 
Bruder Johann's von Braganza, des Befreiers Bortugalsvon der 
fpanifhen Herrihaft, Dom Duarte (Eduard) befand id) in Faiferlichen 
Dienften und brachte ed bier zum rtilleriegeneral und Corpscommandanten. 
An der politiichen That feine® Bruders nahın er in der Kerne meilend feinen 
erweislichen Antheil. Wir wiſſen auch nicht, welche Verdachtsgründe den ſpani— 
ſchen Hof bejtimmten, Ende 1640 auf Dom Duarted Verhaftung in Wien zu 
dringen. Im Februar 1641 wurbe dem K. Ferdinand ILL. über Drängen Spaniens 
durch deſſen Rartei im Gabinet3rathe ein Verhaftsbefehl entlodt. Die Verhaftung 
fand in Regensburg ftatt. Das Verjprechen des Kaijers, ihn nicht an Spanien 
auszuliefern, wußte deſſen Diplomatie zu befeitigen; man erwirfte bei Ferbinand III. 
die Uebereinfunit vom 25. Juni 1642, wonad) für die Summe von 40,000 Scubi 
— ofjenbar unter dem Titel einer Ablöjungsfumme — Dom Duarte an einem 
von K. Philipp IV. jejtzujeßenden Orte internirt würde. Dom Duarte murde 
allerdings nicht in Spanien, wohl aber zu Mailand eingeferfert, almo er im Sep: 
tember 1649 ala Gefangener jtarb. Der Kaifer erjcheint durch ben jpanijchen Hof 
in Diefer Angelegenheit gedrängt und im folcher Weife überliftet, und gerieth be: 
greiflich in ein fchiefes Licht, indem ſchon gleichzeitige Flugfchriften des gegneriſchen 
Lagers den Kailer des Undankes und ber Treulojigfeit anflagten und es an 
ſtarken Farben nicht fehlen ließen. Auch be Veer nahm fich Diejelben für fein 
Raifonnement iiber Gebühr zum Muſter. 


35* 


Sechzehntes Bud, 


Dom weftphälifchen Frieden bis zum fpanifchen Erbfolgekriege. 
(1648—1700). 


Allgemeine Siterafur (vgl. XV. Bud). 


QDuellenwerfe.e Theatrum europaeum, 6. Bd. fj.; Londorp (f. o.) 
7; Thuldenus, Hist. nostri temp. Fortjekung be Brachelius, 1652— 1660 
(Colon. 1657—1663); Gottfried, fortgef. hift. Chronik 1618—1659 (Frankf. 
1745); M. Meyer, Diarium europ. o. furze Beſchr. denkw. Sadıen ..... 
1657—1681 (Frankf. 1659—1683, 45 Bde); Anton Faber (Chr. 2. Feucht) 
Europ. Staats-Canzley, 1697—1759 (v. 79. Bde. an v. König), (Nürnberg 
1697—1759, 114 Bde, 9 Bbe. Regg.). Vgl. auch die Regensburger Nadır.; 
u. bie Gurop. Fama, den europ. Staatsjecretariuß. 

Galeazzo Gualdo Priorato, Hist. di Leop. Cesare (—1670), 3 Bbe., 
Wien 1670 bis 74. (Die von ber Cenſur geftrich. Stellen finden ſich in Keyffler’z 
Reifen, neuefte, durch Deutjchland, Böhmen, Ungarn. . (2 Bde, Ham. 1751, 
II., ©. 1239— 1250). Gin Auszug aus Gualdo Priorato ift Comazzi (Graf, 
faif. Hiftoriogr., +1711), Istoria di Leop. I. (Viennae 1686—88) u. i. deutfcher 
Ausg. „Smmergrünender kayſerlicher Lorbeer Granz” (Augsb. 1690); Reiffen: 
ſtuel, Ephemerides Leopoldinae .... (Viennae 1700-1); Schenfbel, 
Vollſt. Lebensdiarium Leopoldi I. (Wien 1702—5); The life of Leopold, 
Emperor of Germany (Xondon 1706), verdeutiht v. 3. B. Menden, Leben 
u. Thaten 8. Leopold’3 I. (Leipzig 1707—1710); E. G. Rindh (kaiſ. Haupt: 
mann, 1709 Prof. i. Altdorf), Leben u. Thaten Leopold’s d. Großen (Cölln, 
Leipzig 1708; verm. Ausg. Leipzig 1713, 2. Th., unvollendet); Franc. Wagner 
(Jeſuit, b. Hofe bebienftet), hist. Leopoldi magni Caes. (2 Thle. 1719. 1731). 

Pufendorf, res gestae Fridr. Wilh. elect. Brandenb. (1695); 
Relationen der Botſch. Venedigs über Deutfchland u. Oeſterreich 
i. 17. Jahrh., 5. v. Fiedler, fontes rer. austr., 26. Bd. (—1654), 27. Bd. 
(—1699). Brandenburg: Preußen Urkk. u. Actenft. z. Geſch. bes 
Kurf. Friedr. Wild. v. Brandenburg, 1.—6. Bd., polit. Verh., 5. v. Erb: 
mannddörfer, 3 Bde. auswärtige Acten, h. v. Simfon u. Peter, 2 Bde. 

mr Re. zw. Rußland u. Defterreich: Recueil des traites 


Literatur zum XVI. Buche. 549 


et conventions conclus par la Russie avec les puissances etrangeres, T. I. 
traites avec l’Autriche, 1648—1762 (Peterdburg 1874); Die Nouvelle col- 
lection des mem., 5. v. Mihaud und Ponjoulat (vgl. die v. Betitot); 
indbef. die Memoiren v. Grammont (Sep.:Außg. Amjterdam, 2. A., 1717); 
d'Avaur (1673—1688), Blondel, Bomponne.. .; vgl. Droyfen, 2. 
Quellenfritif der deutſchen Geſch. des 17. Jahrh. i. d. Forſch. z. d. G., 4. Bd. 
(1864). Allgemeine Hülfsmittel: Dumont, Corps unic. dipl., 6. Bd.; 
Chr. W. v. Koch, Hist. abregee des traites de paix entre les puiss. de 
l’Eur. depuis la paix de Westphalie, jusqu’au traite de Paris, 
1648—1815, ref. augm. et cont. par M. Schöll (Paris 1817, 15 Bde.); 
Ghilani, Dipl. Handb. u. Europ. Chronik, I., Lünig; Teutſche Reichs— 
canzlei o. auserl. Briefe v. weſtphäl. biß auf den raftädt. Frieden, 1648—1714, 
8 Thle. (Xeipz. 1714); Sylloge publicorum negotiorum (Francof. 1694, suppl. 
1702), 1674—1702); Literae procerum Europae latina lingua exaratae 
(Lips. 1712), 1657—1711; die Sammlungen ber Reichsabſchiede v. Pachner 
v. Eggenftorf, |. 1663 (Regensb. 1740—47) u. Schaurotb, 1663—1752 
(Regensb. 1751 f.); dazu die Hist. comitiorum imper. Ratisbon. v. Bfanner, 
(Weimar 1694) und K. J. Gemeiner, Geſch. d. öff. Verhandl. de zu NRegens- 
burg nod) fortwähr. Reichdtages (Nürnberg 1794—1795), (reiht bis 1659); 
Häberlin, fortg. v. Sendenberg, 28. Bd. f.; Schmidt, Teutfche Reichs: 
biftorie, 11. Bd. fortgef. v. Milbiller, (8. Bd.); U. Menzel, Neuere Gefch, 
d. Deutfchen, 9. Bb.; Gore, Hist. ofthe house of Austria, 1. A. (1807), 3.4. 
1847, fortg. bis 1852 (London 1862); deutſche Ueberf. d. erften Ausgabe von 
Dippold und Wagner, 4 Bde. (Amiterdam, Leipzig 1810—1817), 3. Bb. 
für dieſe Epoche von Belang; Majläth, Geſch. Oeſterr, 4. Bb.; Rühs, 
Geh. des franz. Einfl. auf Deutfchland (1815); die Werfe von Raumer 
(Geld. Eur. |. d. E. des 15. Jahrh.); Ranke, Geſch. Frankreichs, 3., Eng: 
lands 4., 6. Bd., i. 17. Zahrh.; Droyfen, Gef. d. preuß. Politik, III., 
IV. Bd.; $lafjan, Hist. de la diplom, franc., V. Bd.; Zinfeifen, ©. 
d. 08m. R., 6. 7. Bod.; Herrmann, Geh. Rußlands, 5. 6. Bd. 
Die Specialliteratur b. d. einz. Abfchnitten. 


Inhaltsüberſicht. 


1. Die letzten Jahre Ferdinand's III. (1648—1657). 2. Leopold I. 
und feine Staatsmänner. Die Kaiſerwahl. Oeſterreich, Deutſchland und Frank—⸗ 
reich (1658—1679). 3. Ungarn-Siebenbürgen und bie Pforte (1658 
bis 1664). 4. Die ungariſche Magnatenverſchwörung und ihre Folgen bis zur 
Waffenerhebung Tökölyi's. 5. Vom Nymweger Frieden bis zur zweiten 
Türkenbelagerung Wiens (1679—1683). 6. Der Kampf mit ber Pforte und bie 
Löfung der ungarijch : fiebenbürgiihen Frage bis vor dem Karlomwiger Frieden 
(1683—1698). 7. Der Kampf mit Frankreich, der Rys wiker Friede und ber 
von Karlowitz (1689— 1700). 


Ueberfiht der Hauptmädte Europa's, 1648 — 1700. 


Deutſches Neid. Kaifer Ferdinand IIL, 7 23. März 1657; Leo: 
pold I., gem. 8. Juli, gefr. 21. Juli 1658 3. Kaifer, + 1705, 5. Mai. 

Brandenburg:Preußen. Friedrid Wilhelm, „der große Kurfürft“, 
+ 1688; Friedrich II., 1688—1701 (König v. Preußen, 18. Januar 1701). 
Sadfen. Johann Georg I. + 1656; Johann Georg U., 16561680; 
Johann Georg III, 1680—1691; Johann Georg IV., 1691—1694; defjen 
Bruder: Friedrich Auguſt L, König v. Polen, 27. Juni 1697. — Bayern. 
Kurfürft Maximilian I, 7 1651; Ferdinand (Maria), 1651—1679; Marimi: 
fian II. (Emanuel) 1679.... (1692 Statth. d. Niederlande). — Kurpfal;. 
Karl Ludwig (Sohn Friedrich's V., geächtet 1621, + 1632), 1649—1680; 
Karl, + 1685 als letter Kurfürft Diefer mittlern Kur-Linie (Simmern), Eintritt 
der katholiſchen Kurlinie Pfalz-Nenburg mit Philipp Wilhelm, 1685—1690; 
Johann Wilhelm, 16590—1716. — Hannover (Haus Tüneburg). Ernſt Auguft, 
Coadjutor v. Magdeburg 1646—48, Biſchof v. Osnabrüd 1662, 1679 Fürtt 
dv. Calenberg, erfter Kurfürft v. H. 1692, 19. Dec.; + 1698. Gem. Sophie, 
T. Friedrich's V. v. der Pfalz, 1701 als Erbin Großbritanniens erflärt 
(T 1714); Georg Ludwig, in’3 Kurfürftencoll. eingeführt 1708. 

Würtenmberg. Eberhard III, 1628—1674; Wilhelm Ludwig, 1674 
bi 1677; Eberhard Ludwig, 1677—1733. — Baden. Friedrich V., 1638 big 
1659; Friedrich VL, 1659—1677; Friedrih d. Gr., 1677—1709. — Helfen: 
Kafjel. Wilhelm VL, 1637—1663; Wilhelm VII, + minderj. 1670; Karl, 
1670 — 1730. — Heffen:Darmftadt. Georg H., 7 1661; Ludwig VL., 
1661— 1676; Ludwig VII., 1676—1678; Ernſt Ludwig, 1678—1739. 

Stalien. Päpſte: Innocenz X., + 1655; Ulerander VII. (Chichi), 
1655— 1667; Clemens IX. (Rofigliofi), 1667—1669; Glemend X. (Altieri), 
1670—1676; Sunocenz XI (Odescaldi), 1676-1689; Ulerander VII. 
(Ottobon), 1689—1691; Innocenz XII. (Pignatelli), 1691— 1700. — Mai: 
land:NReapel:Sicilien, in ſpaniſch-habsb. Beſitz. — Toskana. Ferdi: 
nand II. + 1670; Cosmo III. 1670—1723. — Savoyen. Karl Emanuel II. 
1637—1675; Victor Amadeus II. 1675—1730 -- Benedig. 1684 Beitritt 
zur großen Allianz gegen die Türfei. 

Spanien. Philipp IV., + 1666; Karl IL, der legte vom Mannzitamme 
ber ſpan. Habsburger, F 1700, 1. Nov. 

Portugal. Haus Braganza. Johann IV. 1640—1656; Alfons VL, 
1656— 1667, + 1680; Inf. Dom Pedro als Regent: Peter IL, + 1702. 

Frankreich. Lubmig XIV. 1643—1715, (Mazarin, + 1661; Golbert; 
Louvois). 

Großbritannien. 1648—1660 Republik. Cromwell, Lordpro— 
tector, 1653, + 1658; Richard Cromwell, 1658—1660; Monls Reftauration 
des Königthums). Haus Stuart: 1660—1685 Karl II.; Jakob II. 1685 — 1688, 
Aturz ber Stuart, Wilhelm IIL v. Oraniens 1689—1702. 

er die Seneralftaaten. 1650 + Statth. Wilhelm IL 


XVI. Bud: Vom weftph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgefriege (1648— 1700). 551 


v. Oranien; 1653—1672 Johann de Witt, Sroßpenfionär; 1672 Wilhelm ILL. 
Erbftattbalter, 1689 König v. England. 

Dänemark. Friedrich III. 1648—1670, (1660 Unumjchränftheit und 
Erblichkeit der Krone); Ehriftian V. 1670—1699. 

Schmeden. 1654, Chriftine dankt ab; Karl X. 1654—1660; Guſtav 
(von Zweibrüden); Karl XI. 1660—1694, (1682 Erbfolgeredt u. Unum— 
fhränftheit ber Krone); Karl XII. 1697. 

Polen. Johann Kafimir, 1648—1668 (daft als ber legte poln. Waja 
freiwillig ab); Wahlfürft Michael Wisnowiedi (Piaft), 1668—1673; Jo— 
hann III., Sobieski, 1674 bis 1696; Friedrih Auguft v. Sachſen, 1697. 

Rußland. Alerini, 1645—1676; Feobor III. 1676— 1682; 1682—1689 
Iwan III. u. Peter I., Regentſchaft Sophiens; Gzar Peter I. der Große 
1689— 1725. 

Türkei. Sultane: Murad IV. 1648—1687, (abgefekt); Soliman IL., 
1687— 1691; Ahmed J., 1691—1693; Muftafa II., 1695—1702. 


1. Die letzten Jahre Yerdinand’s II. (1648--1657). 


Literatur. (Vgl. die allg.). 

Quellen z. fiebenb.:ung. Geh. Redey, ab. (Sohn des franz), Tage: 
bu, h. v. Vaſſ im magyar. tört. tär, I. Bd. u. ebenda im XVII. Bde. 
(1871); deſſen gefchichtl. Nachlaß, 5. v. Nagy (1871); das Archiv der fürftl. Fam. 
Kemeny (1538— 1722), 5. v. Szathmäry, ebenda XVIII. Bd. (1871); Kraus, 
Siebenb. Ehronif, 1608—1665, I. Thl. bis 1659 (fontes rer. austr., I. A., 
IH. 8b.) u. I. Thl. (ebenda IV. Bd.), (Wien 1862, 1864); oh. Bethlen, 
hist. Transsylv. II.; Autobiographie de Grafen Niklas Bethlen (Gröf 
B., M. öneletiräsa) (Peſth 1858); Stephan Vitnyeby’3 Briefe, h. v. Yabö 
im XV. Bde. des magyar. tört. tär (I. A. 1652—1662); vgl. die Studie 
v. Krone i. d. Defterr. Wochenfchrift, red. v. 2. Bucher (Wien 1872); IL Bd., 
„Stephan Pitnyeby u. |. Briefe aus d. 3%. 1656—1662, i. i. Bebeutung f. d. 
Geſch. Ungarns”; ferner auch die Abb. v. Szilägyi’s über die Verbindungen 
Georg Raͤköczy's II. mit Nädasby (im Szäzadok 1874); Török magyarkori ällain- 
okmanytär V. (III.) Band (1870), ©. 414 fi.; Katona, XXXIL; Feifler: 
Klein, Horväath, Szalay a. a. D.; 9. Wolf, Wenzel Lobfowig (Wien 
1869), (eine wichtige Monographie für die Schlußjahre Ferdinand's III. und» 
die erſten zwei Decennien Leopold’ I.); vgl. auch Vehſe u. d. öfterr. Hof 
IV. Bd.; Droyfen, a. a. ©. 


Kaiſer Ferdinand III. hatte fein vierzigftes Lebensjahr hinter 
ih, als der weitphäliiche Friede den unfäglichen Kriegsleiden ein 
Ziel ſetzte. Aus dieſen Friedenszeiten bedingter Dauer entwirft 
(1654) det venetianiſche Botſchafter, Guiftiniani, ein Cha: 
rafterbild diefes Habsburgers, das wir nicht unvortheilhaft nennen 


552 XVI Bud: Vom weitph. Frieden b. z. ſpan. Erbjolgefriege (1648— 1700). 


bürfen. Er nennt ihn den beiten Kopf in feinem Rathe, bejonders 
fähig, die Begabteften fich auszuwählen, des Stalieniichen volllommen, 
des Lateinifchen ohne Schwierigkeiten, des Spaniſchen genügend und 
naturgemäß auch des Deutichen mächtig, — jhlagfertig in Rebe 
und Antwort, mwißbegierig, von „wunderbarer Zurücdhaltung”, pünkt: 
ih, würdig und wohlwollend in den Audienzen. Sonſt liebte er 
mehr in die Gefchäfte einzubringen, jetzt fliehe er fie nicht, aber er 
laffe fie liegen, jattfjam müde der großen Laft, insbejondere jeit dem 
Tode feines Erftgeborenen (Ferdinand IV., T 9. Juli 1654). Aus- 
dauernd in großen Widermwärtigfeiten, fei er in den kleinen perjön- 
lihen ein wenig heifel, das Täme von feiner ſchwachen Geſundheit. 
Sedermann zugänglich, habe er ein Ohr auch für die Armen und 
für die Eingaben eine bis zur Kleinlichfeit und Zeitüberfüllung weit: 
gehende Gefchäftigkeit. Ungemein religiös, ftreng kirchlich und fittlich, 
fände er an der Muſik feinen größten Genuß, und habe viel Kunft- 
finn. Ueberaus mäßig im Genufje, führe er ein mufterhaftes 
Familienleben und werde nad „deutiher Art“ überall von jeiner 
(dritten) Frau begleitet. Zu feinen Lieblingsunterhaltungen zähle 
die ungemein Eoftipielige Hofjagd. In früheren Jahren habe er 
auch gemalt und in Elfenbein geſchnitzt. Sein Freund des perjön- 
lichen Pruntes (eher fparfam, in Gnabenbewilligungen farg) aus 
Anlaß der väterlichen Verſchwendung, gerechtigfeitsliebend und billig, 
jei er dem Zorne wenig ergeben, nur in Folge der Gicht etwas 
ungeduldig und klage gern. 

Die Zeit, aus welcher dieje mit italienijcher Feinheit gezeichnete 
Charafterjtizze ftammt, nähert fich bereits den frühen Tode des 
förperlich ſchwachen, ſtark gichtifchen Kaijers. Wir finden in ihr — mit 
gewandter Vermeidung ftärkerer Schlagichatten — das Weſen einer 
Regentennatur von guten Anlagen, ſchwungloſer, nüchterner Lebens: 
auffafjung und Lebensführung veranihaulicht, die von der Herricher- 
art Ferdinand's II. insbefondere durch) die haushälteriiche Abwägung 
der Mittel und kluger Zurüdhaltung in perjönlichen Zuneigungen 
im Kreife der Hofleute fich unterjcheidet. Es wird erzählt, daß 
Ferdinand III. noch als Kronprinz feinem Vater, K. Ferdinand IL., 
auf die Frage, weshalb er jo nachdenklich vor fich hinſehe, geant- 
wortet habe: er denfe ale Sohn nad, wie er die väterlichen 
Schulden zahlen werde; ein Wort, wenn aud nicht wahr, jo dod) 
gut erfunden. Allerdings Fonnte auch die Sparſamkeit diejes Kaiſers 
die großen Koften des noch immer riejigen Hofitaates und die Ge: 
wiffenlofigfeit der Kammerregenten in der Geldbeihaffung und Ver- 
waltung nicht bannen, über welche Giuftiniani fo jehr loszieht. 





554 XVL Bud: Vom weitph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgefriege (1648— 1700). 


tigem Blick die Begabung de Mannes erkannte, zugänglich, wenig fein im Ber: 
kehre, aber feit, zähe im Gejetlichen, geſchäftserfahren, im Vertrauen bes Kaifers; 
Feldmarſchall Johann Chrijtoph Graf von Buchheim, Picepräfibent bes Hof: 
kriegsrathes, dienfteifrig und in ben ungarijchen Angelegenheiten befterfahren ; 
Graf Johann Hartwig Noſtitz, böhmijcher Hoffanzler, von Auerfperg geitükt, 
in den Angelegenheiten Böhmens tüchtig, ein bejcheidener, fleißiger, höflicher Dann. 

Geheimräthe mit dem Site in Prag waren: der begabte und in jeder 
Richtung verwendbare Regierungsnann, Graf Valentin Mar von Martinic 
und der Feldmarſchall Rudolph Colloredo, „der weder in Wien, noch in Prag 
dem Kaifer nützte“. 

Graf Wilhelm Leopold von Tattenbach, inneröjterr. Hofkriegsraths— 
präfident und Großprior des Malthejerordens (+ 1661), fam nicht viel zur 
Geltung. Zu den jüngiten Conferenzräthen zählte Marcheje Hannibal Gonzaga, 
bauptfählid in Militärfachen zu Haufe. 0 


Unter allen diejen Collegen Auerjperg’s ging der glänzenditen 
Zufunft entgegen Wenzel Eufeb, Fürſt vonXobfomic, geb. 
1609, 1632 Oberft, vier Jahre jpäter General : Feldwachtmeilter, 
1637 Hoffriegsrath, bald darauf Oberftfeldzeugmeifter und dann 
(1644) Vicepräfident des Hoffriegsrathes, Oberſthofmarſchall (1645), 
Feldmarſchall und jeit 1630 Hoffriegsrathspräfident. Als 
Auerjperg (1655) „erſter“ Conferenzminifter wurde, klagte Lobkowic 
über Zurüdjegung; der Kaiſer tröftete ihn, das jei nur Titeljache. 
Der Venetianer Giuftiniani, nebenbei gejagt, für Auerjperg einge- 
nommen, nennt ihn (ein Jahr zuvor) „mehr geiftreich als gutartig, 
verſchlagen, ehrgeizig, voll Selbitgefühl, ränkeſüchtig, die Gejchäfte 
mehr verwirrend als gut leitend, der Schmeichelei zugänglid.” Es 
ift ziemlich vieles davon zutreffend, nur müffen wir den ſprühenden 
Geiſt, unerihöpflihen Sarfasmus, die „böfe Zunge” des Fürſten 
und das vorzügliche Gejelichaftstalent dem Bilde hinzufügen. Er 
ftand jo ganz unter dem Banne der franzöſiſchen Lebens— 
anſchauung und Sitte, der auch Auerjperg zugethan war. Beide, 
insbefondere Lobkowic, waren der ſpaniſchen Grandezza und ebenfo 
der Spanischen Politik abhold, Franzofenfreunde — und als ſolchen 
werden wir ihnen jpäter begegnen. 

Der wichtigste und ſchwierigſte Posten der öfterreihiichen Diplo- 
matie war Conftantinopel. Hier finden wir als Nachfolger 
des Graubündtners Rudolph Schmidt von Schwarzenhorn (geb. 
1590, T 1667), der 1630—1648 als Reſident am goldenen Hom 
weilte und dann als Vicepräſes des Hofkriegsrathes auftaucht, den 
Steiermärker Simon Reninger; feit 1650 bei der Pforte be- 
Kallt, einen tüchtigen Gefchäftsträger, der für die Pläne der Pforte 





556 XVL Bud: Vom weftph. Frieden b. 3. ſpan. Erbjolgefriege (1648— 1700). 


am meilten Schwierigfeiten madte der Brandenburger, denn er 
grollte dem Kaiſer wegen der Begünftigung des Pfalgneuburgers 
in der Jülich'ſchen Erbfolge; er fam, der legte, nur mit Mühe durd) 
Mainz und Sachſen beredet, und fügte fi aud) den Wünjchen Fer: 
dinand’s III., denn der Kaifer erſchloß ihm Ausſichten auf jchlefifche 
Erwerbungen. An die Brager Vorbeſprechung jchloß fich der Regens— 
burger Reidhstag (30. Juni 1653 bis 17. Mai 1654); die 
Wahlgefchäfte wurden aber in Augsburg abgewidelt, Ferdinand IV. 
den 31. Mai 1653 gewählt und den 18. Juni in Regensburg ge= 
frönt, und zwar zum Verdruffe des Kölner Erzbiſchofes vom Mainzer 
Metropoliten. Der Reichstag ſelbſt, mit jeinen endlofen Formali— 
täten und Rangzwiſten, mit der unerquidliden Zwangslage des 
Kaiſerthums innerhalb des Gemwirres wideritreitender Intereſſen, ift 
jo recht das Norbild des jpätern „permanenten Reichstages” (jeit 
1664) und zudem der lebte, den der Kaiſer beſuchte. Auf ihm er: 
jcheinen von öfterreihifchen Herren: Eggenberg, Lobkowic, Salm, 
Dietrichſtein, Auerſperg, Piccolomini auf der Reichsfürſtenbank. 

Nun war aber der Thronfolger aus dem Leben geriſſen; — 
der zweite der Söhne, für den geiſtlichen Stand beſtimmt, Leopold 
Ignatius, mußte nun deſſen Stelle einnehmen. Giuſtiniani ſchil— 
dert den damals 14jährigen Prinzen als klein und ſchmächtig, von 
bleicher, bräunlicher Geſichtsfarbe und ſchwankender Geſundheit; ob— 
ſchon ſtreng und geiſtlich erzogen, dürfe man doch mehr von ſeinem 
Naturell als von der Erziehung erwarten, denn er beſitze lebhaften 
Geiſt, Neigung zum Zorne und Verdruſſe und Ehrgeiz. Seine Er— 
zieher waren Graf Fugger (bis 1652), dann Porzia, beide von 
geringer Begabung; letzterer ſo wie ſein Zögling, der ſtille, 
ſchüchterne Prinz, den das Geſchick einer großen ſchwierigen Lebens⸗ 
aufgabe zuführte, boten bald der Mediſance des franzöſiſchen Bot- 
ſchaftes Grammont willflommenen Anlaß zu Berichten und Hiftör- 
hen für die Spottluft des eigenen, glänzenden und raffinirt genuß- 
füchtigen Hofes, dem es willlommen war, zu vernehmen, wie lang= 
weilig und bürgerlih tugendhaft der jetige Thronfolger fein an- 
ſpruchsloſes Dajein verlebe. 

Leopold Hatte bereits 1654 die Huldigung der deutjch-öfterrei- 
Hifhen Länder und am Preßburger Tage die Wahl und Krönung 
als König von Ungarn (16., 27. Juni 1655) empfangen. Es 
war diejelbe Ständeverfammlung, in welcher der Kaifer mit dem 
Plane, an Stelle des verjtorbenen Palatins Paul Paͤlffy (FT 1653) 
feinen Nachfolger zu beftellen, fondern den Graner Primas Lippay 
als Locumtenens oder Statthalter einzufegen, nicht durchdrang, ſon⸗ 





558 XVI. Bud: Tom weftph. Frieden b. 5. fpan. Erbfolgekriege (1648—1700). 


abſchwächte, da nun ein Erbe des ſpaniſchen Thrones vorhanden 
war, und Frankreichs Berechnungen derart vertagt blieben, jo 
ſah fih dennoch Ferdinand III. als natürlicher und mitinterejfirter 
Verbündeter Spaniens der unangenehmen Zmwangslage einer bewaff: 
neten Unterftügung des gejunfenen pyrenäifhen Schweiterjtaates 
gegen Frankreich ausgeſetzt. 

Noch drohender geſtalteten ſich aber die nordiſchen Verhält— 
niſſe. Denn die ſchwediſche Angriffspolitik blieb auf das Polen: 
reich unter 8. Kafimir gerichtet, und von 1656 auf 1657 bereitete 
ih das Bündniß Karl’s X. von Schweden mit dem Kurfürjten 
von Brandenburg vor, der, mit vorfchauendem Blide zwiſchen 
beiden Staaten feine Wege abmefjend, eine Stellung einnehmen 
wollte, die ihm thunlichit freie Hand ließe, und, von dem übermäd): 
tigen Schweden gedrängt, jet im Zufammengehen mit Karl X. 
gegen Kafimir nicht nur die völlige Bejeitigung der polnischen Lehens— 
hoheit über das Herzogthum Preußen, jondern auch territorialen 
Gewinn erwarten durfte. Oeſterreich mußte das bedrohte Polen 
ftügen,; um jo mehr ale K. Kafimir, ſchon im Sommer 1655 vor 
feinem fiegreihen Gegner nad Oppeln flüchtig, bald die Niederlage 
jeines Heeres bei Warjchau (28. bis 30. Juli 1656) durch Schweden 
und Brandenburg erlebte und jo gut wie verloren ſchien. Kaifer 
Ferdinand erfannte die Größe der Gefahr für Oeſterreich, denn 
Mazarin ließ es an Noten und Geld nicht fehlen, um den Schwe: 
denkönig zu einem Angriffe gegen Schlefien und Ungarn zu ver: 
loden. War nun aud) Karl X. bemüht, den Kaijer von Schwedens 
freundlicher Gefinnung zu überzeugen, fo jchien die Nothmwendigfeit 
für Ferdinand III. gegeben, das europäische Gleichgewicht durch ein 
Bündniß Habsburg : Defterreihs, Deutihlands und 
Dänemarks mit Polen berzuftellen. Für dasjelbe follte vor 
Allem Friedrich Wilhelm von Brandenburg durch den gemandten 
Diplomaten L'Iſola (Lifola) und der Ruſſenczar durd den Bot- 
Ihafter Allegretti gewonnen werden. Dies gelang; auch die Pforte 
war den Schweden gram, und Holland vereinigte in Berlin jeinen 
Einfluß mit der öfterreichifchen Diplomatie. Der Kurfürit von Branden: 
burg blieb jedoch vorläufig in der ſchwediſchen Allianz, die ihm durch den 
Vertrag von Labiau mit Karl X. die Souveränität über das Her⸗ 
zogthum Preußen verjchaffte (1656, 21. November), und der Schwe- 
denlönig gewann zum größten Verdruſſe Ferdinand’s ILI. einen 
neuen Verbündeten an dem Fürften Siebenbürgens, Georg 
Rakéczy I: 


Bir müflen der Geſchichte Tranziglvaniend einen Rüdblid wibmen. Zwei 





⸗ 
560 XVI. Buch: Tom weitph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgekriege (1648 — 1700). 


durch den Tod gedemüthigt, wird der Sohn (Georg Räköczy II.) ſolches auch 
thun, möchte e8 ihm ebenermweife ergehen. Gott weiß, ob er von dieſem Krantfen- 
lager (die Blatternfrankheit, aus welcher er, dem Tode nahe, arg entitellt hervor: 
ging) wieder auffommt.” Hajjan gedenke noch recht gut der Bedingungen, 
welche er einjt im Namen des Sultans dem verfiorbenen Georg Raäköczy J. 
überbracdhte, al3 diejer Polen für fi, das Kofafenlanb (Ufraine 
und die Nachbarſchaft) für den ältern Sohn (Georg LI.) und das 
ſiebenbürgiſche Fürſtenthum für den jüngern, Sigißmund, bei 
ber Pforte nachſuchte, — Bedingungen, die ihn abkühlen und ihm ben 
„Weg verhauen” follten. 


Georg Rälöczy II. gewahrte in der polnijchen Frage, in dem 
Bündnißangebote des Schwedenkönigs (1655—1656) die [odendite 
Ausficht für jeinen Ehrgeiz, den Siebenbürgen nicht ausfüllen Fonnte. 
Hatten ihm ja doch. auch die Zaporoger Koſaken durch ihren Hetman, 
Bohdan Chmielnidi (April 1655), Waffengenofjenichaft gegen Polen 
angetragen. Vergebens arbeitete Kafimir von Polen dem entgegen; 
1655, 20. November, jchließt Räföczy II. mit Karl X. ab, rüjtet 
gewaltig und jucht an Ungarn einen Halt zu finden, da die Pforte 
gegen den Angriff auf Polen eingenommen ift und längft jchon 
den Fürſten ihre Abneigung überhaupt durch Bejchwerden aller Art 
nahe legte. 

In den Kreijen der proteftantifchen Oppofition Ungarns und 
unter den Katholifen, weldhe den Türfenfrieg vom Zaune brechen 
wollten, fanden Räföczy’s Unabhängigkeitsbejtrebungen der Pforte 
gegenüber jchon darum auch Beifall, weil man davon den engern 
Anſchluß Siebenbürgens an Ungarn und eine fräftigere Action gegen 
den Türken erwarten mochte. Zu diejen Kriegsluftigen zählte vor 
Allen der neue Banus Groatien- Slavoniens, Niklas Zrinyi. 
Aud Franz Nadasdy, der reichbegüterte Judex Curiä, gehörte zu 
den Gönnern des Füriten GSiebenbürgens, als deſſen wichtigiter 
Unterhändler Jonas Mednänjzfy erſcheint. Selbit die Mutter 
Rakoͤczy's, die angefehene Magnatin Suſanne Xörantfy, mochte 
in diejer Richtung wirken. 

Ueber alles diefes bietet Aufſchluß der reiche Briefwechjel eines 
der begabtejten und rührigſten Wortführers der proteitantijchen Op- 
pofitionspartei, Stephan Vitnyédy (geb. 1612), Sohn eines 
Hofbeamten der Nädasdy, Privatjecretair Franz Naͤdasdy's, dann 
Stadtnotar in Devdenburg, jpäter in DVertrauensämtern wechſelnd; 
wohlhabend, beredt, gebildet, geſchworener Feind des „deutjchen 
Regiments“ und zum Agitator wie gejhaffen. Palatin Paul Pälffy 
(16491654) nennt n Hausgenofien; weniger 


XZVL Bud: Von weitph. Frieden b. 5. ſpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 561 


geneigt war ihm der jeßige Palatin Weffelenyi, welchem Vitnyedy 
ald „proteftantiicher Heer” nicht behngte. Niklas Bethlen, der 
Kanzler Siebenbürgens, bezeichnet Vitnyedy als „berühmten Sad): 
mwalter und Vordermann des Lutherthums“ (hires lutheranus 
prökätor &s föember) und ein anderer Zeitgenoffe, Joh. Burius, 
Ipriht von jeinem Rufe als bedeutenditer Opponent gegen die Ka⸗ 
„tholifenpartei jeit 1655. Auf beitem Fuße ftand Vitnyedy jedoch 
mit dem katholiſchen Banus Zrinyi, deſſen „Hoflavalier” Vitnyédy 
war, denn Beide fanden fi) in dem Haile gegen die deutichen Re⸗ 
gierungsmänner. Zrinyi, der Meijter des Kleinen Krieges gegen 
die Türken, der Autonomift und begabte Xiterat, war die Säule 
des Ungarnthums in den Augen Vitnyédy's, jeines begeiiterten 
Verehrers. 

Dieſen Stimmungen in Ungarn war die Politik des Wiener 
Kaiſerhofes begreiflicherweiſe entgegengeſetzt. Ferdinand III. wollte 
den Fürſten Siebenbürgens von dem Zuge nach Polen abhalten, 
und ſelbſt die Freunde Räföczy’s in Ungarn ſchüttelten bald den 
Kopf zu dem Wagniß, das gegen den ausdprüdliden Befehl 
der Pforte unternommen wurde. Jonas Mednyaͤnßky, der Bot: 
Ichafter Raͤköczy's, ſollte den Kaiſer bejchwichtigen. Denn ſchon 
hatte Nälsczy den verhängnißvollen Ausmarſch mit 18,000 Reitern 
und 5000 Fußſoldaten, dazu 6000 Mann walladhifcher Hülfstruppen 
und von einem großen fchwerfälligen Troß begleitet, angetreten 
(Januar 1657); er trug, ohne es zu ahnen, „Siebenbürgen nad 
Polen.” Noch verfuchte Ferdinand III. durch feinen ungarischen 
Kanzler, Erzbiihof Georg Szelepcjenyi, den Fürften Raäksczy 
zur Umkehr zu bewegen. Es gelang nicht; Raksczy ſprach die Dro- 
bung aus: werde fich der Kaijer der Polen annehmen, jo werde er 
„Die türfiihde Mütze aufjegen” und mit Türken und Tartaren über 
Ungarn herjallen. Der faijerlihe Hof mußte nun auf Gegenmaß: 
regeln bedacht fein; der Pforte war man ficher. 

Unter diejen Zeitläufen Tchied Kaijer Ferdinand III. (1657, 
2. April) aus dem Dafein. Biel war an feinem Gefichtefreife vor- 
beigezogen: der Schluß des großen Krieges, wejentliche Aenderungen 
in den europäifhen Machtverhältniffen, die Hinrichtung eines ge: 
frönten Hauptes (1649, Januar), des Stuartlönigs Karl’s L., und 
das Erftehen der engliſchen Republik. Einer feiner Lebenspläne, 
die nicht Zeit zur Neife fanden, war die Beförderung des dritten 
Sohnes, Karl’s, auf den Thron Polens, wie das ein venetianiſcher 
Geſandſchaftsbericht vom Jahre 1658 andeutet. 


Krones, Geld. Oeſterreichs III. 36 


562 XVL Bud: Vom weſtph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgekriege (1648— 1700). 


2. Leopold I. und Teiue Staatömänner. Die Kaiſerwahl. 
Oefterreich, Deutſchlaud und Frankreich (1658-1679). 


Literatur. Vgl. die allg. Pit. der Quellen u. d. 1. Abſchnitt, insbeſ. 
unter ben Monographien: Troyfen a. a.O.; Roli; Majlath, 4. Bd.; die 
venet. Relat. a a. O., die franz. Memoiren; v. Mörner, Kurbranden: 
burgs Staatöverträge vo. 1601 - 1700. Nach d. Orig. (Berlin 1867); Mignet, 
Negociations relatives à la succession d’Espagne sous Louis XIV. (Paris 
.1835, 2 Bde.). Ter Bericht des ſchwediſchen Botfchafterd Eſaias Rufendorri 
(1671—1674) murde auszugsweiſe von Keyfiler, „neuefte Reijen u. j. mw.“ 
(ſ. o.) ©. 1252 j., veröfientliht. Vehſe benügte ihn i. |. 5. Bdochen d. Geſch. 
bes öiterr. Hofes, ganz veröfientlichte ihn Helbig (Leipzig 1862): „E. PR. Bericht 
über K. Leopold, ſ. Hof u. d. öjterr. Politif”; A. Wolf, Drei diplomatiſche 
Relationen aus der Zeit K. Leopold's J., j. Einleitung, enth. 1) die jetzt auch 
in der Publication Fiedler's a. a. O. abgedr. Relazione del Caval. Giov. 
'Sagredo ambasc. Veneto alla corte Cesarea, 1664; 2) Geheimbe Relation 
des Grafen v. Leslie (7 1667), betreffend die Kriegsmacht der Pforte. (Tie 
Beichreibung der Sejandtichaftsreije veröff. der Prediger der Geſandtſchaft, Paul 
Taferner: Caesarea legatio.... Viennae 1672; franz. im 2. Thl. v. Briot, 
Hist. à l’etat present de l’empire Ottomanne). 3) Plittersdorf's Bericht aus 
Rom v. 1669; A. Wolf, „Borri in Wien“, 2 Actenft. v. 1670, abgedr. m. Einl. i. 
9. Jahrg d. Notizenbl. z. Arch. f. K. öſterr. Geſch. (Wien 1860, ©. 337 f.); 
trauert, Ueber die Thronentfagung des K. Kafimir v. Polen u. d. Wahl ſ. 
Nachf. in den Sitzungsber. d. Wiener Afab., VI. Bd., 1851; vgl. Droyfen, 
Beitr. z. Kritik Pufendorf’3 (Ber. u. Verb. d. ſächſ. Afad., Leipzig 1864, ©. 
61—72); Großmann, der faif. Gejandte Franz v. Lifola im Haag, 1672 
bis 1673 (Wien 1873); vgl. die ergänzenden Bemerf. in d. Recenſion dieſes 
Werkes (in den Mitth. aus d. Hift. Lit. v. Foſſ, 1877, Heft 77—84, v. Katt; 
Goedeke, Die Politik Oeſterreichs in der ſpaniſchen Erbfolgefrage, Leipzig 1877, 
1.8. Einleitung); Bidermann, Geſch. d. öfterr. Gefammtftaatsideen; Bütter, 
Hiftor. Entw. d. deutſchen Staatöverf. des deutſchen Neiches, III. Thl. (3. A., 
1799); Größler, Tie Urſachen der Permanenz bed fog. immermähr. Reichs: 
tages zu Regensburg. Nenaer Xnauguraldiff. (Stargard 1869); v. Walewski, 
Geſch. d. 5. Ligue und Leopold’s I. vom Umſchwung bed Gleichgewichtsſyſtems 
bes Weftend durch den jchwed.:poln.=öjterr. Krieg bis z. Vermidlung d. oriental. 
Trage durch Auguſt II. (165°—1700), I, 1. U. (Krakau 1857, 1858), un: 
vollendet, vorwiegend wunderliches Raifonnement, Actenftüde im Anhange; Reinh. 
Baumftark, Kaifer Leopold I. (Freiburg 1873). 


Ferdinand III. und fein Haus. 
8. Jerbinand III, + 2. April 1657. 
Semajlinnen: J. (20. Febr. 1631) Marie Anna, T. 8. Philipp's IIL 
». Spanien, F 13. Mai 1646; II..(2, Zuli 1648) Marie Leopoldine, T. 


XVI. Buch: Vom weſtph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgefriege (1648--1700). 563 


des Erzh. Leopold v. Tirol (Oheims Ferdinand's TIL), + 19. Auguit 1649; 
III. Eleonore, T. Herz. Karl’3 von Mantua (Nevers), + 5. Dec. 1686. 

Kinder erjter Ehe: 

1. Ferdinand Franz, geb. 8. Sept. 1633, König von Böhmen (1646), 
Ungarn (1647), röm.=deutfcher K. (Ferdinand IV.), gem. 24. Mai, gefr. 18. Juni 
1653; + 9. Juli 1654. 

2. Maria Anna, geb. 1635; Gem. (3. Nov. 1649): Philipp IV. von 
Spanien; + 16. Mai 1696. 

3. 4. (Söhne, + im Kindesalter). 

5. Leopold Ignatius als Kaifer Leopold IL, geb. 9. Zuni 1640, 
K. v. Ungarn 27. Juni 1655, v. Böhmen 14. Sept. 1656; Kaifer 18. Zuli 
gew., 1. Aug. 1658 gefr. 

Gemahlinnen: I. (12. December 1666) Margarethe Therefie, T 
Philipp's IV. v. Spanien, + 12. März 1673 (die ältere Schwefter war Gattin 
Ludwig's XIV. v. Frankreich); IL. (15. Oct. 1673) Claudia Felicitas, 
T. Erzh. Ferdinand Karl’3 v. Tirol (welche Linie 1665 im Mannsft. erloſch — 
ſ. O.), + 8. April 1676; III. (14. Dec. 1676) Eleonore Magdal Therefie, 
T. ded Kurf. Philipp Wilhelm v. Pfalz-Neuburg. (Vgl. XVII. 3.) 

Kinder zweiter Ehe: 1. Tochter, F früh; 2. Karl Joſeph, geb. 7. Aug. 
1649, + 27. Aug. 1664. 

Kinder dritter Ehe: (daß erfte und vierte — früh). 

2. Eleonore Marie Joſepha, geb. 31. Mai 1653, F 17. Dec. 1697. Ge: 
mahle: 1. (1670) Michael (Wisnomiedi), K.v. Polen; 2. (6. Febr. 1678) 
Karl Leopold, Herzog v. Lothringen (F 1690). 

3. Maria Anna Joſepha, geb. 30. Dec. 1654, + 4. April 1689. Gemahl: 
(25. October 1678) Johann Wilhelm, Pfalzgraf v. Neuburg. 


Wir haben bereits von gut unterrichteter Seite ein Bild der 
Verfönlichkeit Leopold’s I. entworfen gejehen. Fügen wir daran 
die zweite Charakteriſtik aus der Feder des Reichstagsgejandten 
FSranfreiche, des Herzogs von Grammont, des Vertreters jener 
Macht, die dem Haufe Habsburg : Defterreidh nie abgeneigter war 
als eben jet. Sie ftammt aus der Zeit vor der Kaiferwahl Leo: 
pold's (1458), als noch fein Ohm, Erzherzog Leopold Wilhelm, die 
furze Vormundſchaft führte, und lautet in ihrem Kernpunkte aljo: 


„Man bat fo viele Portrait3 von Leopold entworfen, daß es überflüffig 
fein würde, von feiner Perfon zu reden. Was feine Geiſtesgaben betrijjt, jo 
babe ich jagen hören, daß fein Naturell fehr gut und fanft fei, Kenntniffe. in 
Wiſſenſchaften und Sprachen aber hat er nur wenig, denn er verfteht nur Deutſch 
und Italieniſch und die fpricht er fehr gut (Giuftiniani fpriddt 1654 von Leopold's 
Anfängerfchaft im welſchen Idiome), dagegen verjteht er, wad aus mehr als 
einem Grunde fehr bizarr ift, Fein Wort Spaniſch (er lernte e8 erft Durch feine 
erfte Frau). Er liebt die Muſik und verfteht fie jo weit, daß er ſehr traurige 
Melodien jehr richtig Fomponirt. Die Antworten, die er ertbeilte, waren immer 

36* 


564 XVI. BRuch: Tom weitph. Frieden b. x. jpan. Erbroigelriege 1 I —!7 


Ruanern. Seiner Stieemurßtet biſternote non Mauntugr ge’praden um) la Sor8e 
Bepeiie vor Qubalvfamtlet aD einer Tugend. Ne um To Yhrzlerer A Da 


der arten iernes Mies un) Nanges 1 Ver ho Rasen” 
dan der Katie Dina an cam ander Yoaıma —— 
ART Saba Bemekinsın —8 x wand Kim \ =: 
wann Tiem nad Sutiub Nr 7 


mn, 13 “ıbr Ne 


2 FE ua _- — 

x 1 “ru 7—2 —R  . 

224 &' Sun, vme,m Nummern. nm nun — vorn —— ne 
* 


- 

= 

garugas messe = a amen -—.—mnnUn m ann m ——— | nt us - ’-." na’ 
- - - 


d— —— * **22 —,—4 2 mtr 
—R none ame ech m as m— um muan 5 om acw as. 


Non be 3. a» 8 20 — ns . 534 —— 2 num * 
es ee Io San: X —— m“ use Suse a on 2 san - 


Nr nusnan zum." nem 2 — un nee ren —23 = 
_y 4 Vaurıs dere san. 424 m sana0n % -— -—a.:.00nn.0% - anne n 


. - » 1 


% un AN un. nam u. Fu ET Lemon amd . mu — - 2 Z—uun 
XT streuen. o vannaa „mau LG an nu mn Rem am BuS Sp DB mmurtmnng - non ala. 


- 

“.. . Bun agme — „snow ...n N ne em rn J nn —— J 22—⸗2 

“rn .. uo0n udug Usytsumasaaäuanu m... ann 8 ....auns u'” a0 nun em m — — m u. . 
) “ » - - - 


L . 
I GT} dan «a can o 0,8 nn — wau num arnrızh sa Sumu ein ns nase and. 


un ann None n NV. Syn rom STR om — 2 DL u 5 See en na 


un... “_ > a0 u - m [1 yon - zu, m%. men = - 

L.. x „> 28 (1 Tann mn D — 2” 2 mn 0m a 42 ww In = mund ® u. . 7 
Na 0 ” .0® N “- Dana » Fr > rm nu > .un 0 . una vn | gi) — 
C * X “a ut Tan - 2 Sur ... a 2. nn ⁊* en -. „uZz 


vun» “- —- —RX —5 Su uw. u. = .. -.3 — — 7 SL Du 2 — 
nm w.n 56 2 Berun 40 m 0 [_ _Y 7 m ann Aue a “lms ee —— en u 00 — 


nes a ‚ m... - —— Zuune nn u“ J 12 — num, nn. 


[7 
a so ze .e 4 sa » 20 —EEXXV EX u = ne Er en - nn Aa u us In zZ 


RT - R - [1 . -. . - — 
On. Wer mu men nun ga u ..ar wu ⸗ — nm yun m m u mo nor m. r - 
uttan das a m „kan eat nn 88 m  . —.L, — u. Ti Tun IT... mu. abs XE IT: 


un wu a mn su © N —— an ea m mom nn. 2* — ur Sm uamt „re 


= u... -s nm udn m u rm a. - mn © a. nu sv malun. u un lau ann us 
⁊ C. . GEN - a nr 2. — pr ei GEHE — . 2 
KIT, .. > ana m Fre nn 4 “ a u. 2... [I 1 Fu a an. IT a 0m m. — eunT -—. FT 
.„» 


L = D 0 [7 - 
nn a. num an — ——.:£2 vo pe ——— — — “nn own ' 
naar re teen m. PER} IL LeND nn. .. ieds —— nn ln - —"T. 


- “ 0 ı - L_ 2 = - 
I ah mm 8 m uw .. . m m eu — en m rt m. va wer .—. Du Yasıd 
.. N “ rZ Wr wi es = .. ln auten m ham Pr 


nm D m. = = - = L m 
IN SD2IN 2%. NT Di mE DIT TUT IL TI 


‘, .. ee ie a « Fi be 
a. „nu kanud zus 


SIE IR nme 23 ACELGCCSCC. 2X 
ar" r Term o2in Semmiler Irene IT Ivan. 
Say: ze Darkarmr Awrieroor 


Sr Sem Tem SENTSZESIETI IE OALIT mm 
‚wor smarardr Jısmh 2 mo Selm AZ So ım Mu 
nn Dr Zrrrmmrmsl IE ME IRMTNE Winlsıre 
ET - Sn Fangen mm 2 — 
won Zar mr ITRR MED Smewimmeiet Immoser 
Szaaur "2 mo mw Az sennmanm Som IS nur wicmm, 
a Frhr ir nr paar Setmmee Sansa ANEmITm 
Norman Nm Phrass Ina Nr Zomer na Dom um In 
am Dehr Er? 2 Nm sm Temem. tra Mm x 
ni kmamis St m Pe Iamemunker mimsmmän: 





566 XVI. Buch: Tom weftph. Trieben b. 3. [pan. Erbfolgefriege (1643—1700). 


Partei nicht weiter und konnte freier den eigenen perjönlichen und 
politifchen Neigungen folgen. Sein bedeutendfter Nivale wird nun 
Lobkowiec, der zweite Miniſter im GCabinetsrathe und durch feine 
nefellfehaftlihen Talente bei dem Kaiſer perjönlich beliebter als 
Auerſperg. Neben dieſen Berfönlichkeiten hatten jeit 1658 aueh der 
Nichsbofrathepräfident, Graf Emft von Dettingen: Waller- 
fein (1648---1670), ein rechtlicher Mann, und insbefondere der bereits 
enaunte Khurk eine arößere Geltung gewonnen, doch machte legterer 
wicht mehr Die Phaſe des Jahres 1664 mit; Gleiches gilt von dem 
Grafen Joh. Joachim von Sinzendorf aus der jüngern Linie 
dieſes üfterreichifchen Gefchlechts, der, unter Ferdinand III. Con: 
vertit geworden, als Prückelmayer's Nachfolger im Hoffanzleramte 
fbon 1665 ſtarb, ein Dann ohne Talent und Berufeeifer. Seines 
Netters, Georg vudwig Sinzendorf, von der ältern Linie, Hof 
kammerpräſidenten feit 1657, werden wir an anderer Stelle gedenten ; 
er mon dm gebeimen Natbe nicht jchwer, doc lag das mwidtigite 
Amt, die Sorge um den Staatsjädel, in jeinen Händen. 

As Hofbeamte eriten Ranges von Einfluß ericheinen um 1661, 
nad den Aufzeichnungen Des venetianiichen Botichaftere Molin, der 
Dderitbofmeiltir Jodann War, Reichograf von Yambera, durd 
Innere Seit Wotjebalter in Spanien, mit Porzia verſchwägert 
(T Im. der Doimaridall Graf Heinrich Wübelm von Stabrem- 
herauf ii und Rundaler, Graf Geit 1634 Fürit) von Ties 
trid fein (F ISW), ein alter Herr und Nichling Des Kaiſers 
Lambert und TVietriitein gedorten jur jognannten Favoritenwartci. 
Seit 1665 treen neden Auerivera, Lodkowic. den jezigen Ubert: 
datmeitter. und Shwarzendera in erne Linie der nene Dortauzler, 
Jod. Vaul Doder. ur Gonzaga. ale Qorfrieysrurbirnüruvet, urd 
Brut Natmund Mondecuculi. 

Doder ik cin Carerfüsumliez and barwriidee Krche Sam 
ns Rrotefore der Rendxtea zu tiber ie Üntiaue Der N 
am Sen wur als Comürezt Wi zımbitun Wmacciee 
TON m Yu Mur uw Nam? mr Nie dxmm Trnımel, 
NR IT TEN ana Nr Anzaram Neszzt az) u Pi Score 
wert) x \emirad: an Ne Nu Nur 
Korııt Ne ara Nero, mid Sxlıe: m und Nur 
spr. vr 56 Nedenmmit z mer Tourer en TIGER 
Os ya Yolmam: NR znmet. Teahaz zer Ar Ya me 
ir aha Neitäeieniie, LOSE, zur Zt ur mmmne, Bemühen Sr- 

zung Aueh, uud Sehleuica Wermcekunz zum Nccheilungäer 


[/ 





568 XVL Bud: Vom weſtph. Zrieben b. 5. ſpan. Erbfolgefriege (16481700). 


Triebfeder in einen fchwerfälligen, complicirten Mechanismus geftellt, 
der ber gewiſſenhafteſten ſachkundigſten Reform längft bedurfte, und 
in Verhältniffe gebracht, deren unreines Getriebe einem jeichten 
Vrofectenmacher und geminnfüchtigem Cavaliere von geringen eigenen 
Mitteln, großen Bebürfnilfen, was beides Sinzendorf war, nur zu 
viel verderbliche Lodungen darbot, — wurde diejer Hofmann in der 
That ein Ruin der Hoflammer und des ganzen ärarijchen Credits. 
Sinzendorf beutete eben feine Stellung aus; er hatte dies um fo 
leichter thun können, da er einen förmlich unverantwortlichen Poſten 
inne hatte und deffen labyrinthartige Geſchäftspraxis eine rechtzeitige 
Gontrole aud) ungemein erfchwerte. Die Staats: und Hofichulden 
wuchſen beiden gefteigerten Bebürfnifien; Sinzendorf behalf ſich mit neuen 
Darlehen, deren ungünftige Bedingungen ihm menig Sorge madıten, 
verwidelte fih, von Scwindlern, wie 3. B. Müller von Lindau, 
verlodt, in bodenlofe Speculationen (3. B. mit der Neuburger Falich: 
gold: und Silberfabrit, 1661—1677), ſchädigte duch Mangel an 
Geſchäftokenntniß und Gemwinnfucht die ärariſche Fabrication, 
welcher man damals, durch Colbert's Thätigfeit in Frankreich an: 
geregt, mehr Aufmerkſamkeit zuzumenden begann, und wurde durch 
Stellenverlauf, Protection und Beftechlichfeit in jeder Richtung ver: 
rufen, was die Sefandtfchaften am Wiener Hofe bald genug in Er: 
fahrung brachten. 


Kein Wunder, wenn Staat: und eigene Bedürfniſſe die Kammerprä- 
fidenten fiir die albimiftifhe Goldmacherei gemanıen, ald deren Apoitel 
damals einer ber genialjten Abenteurer in Wien auftauchte. 

Francesco Vorri, geb. 4. Mai 1627 zu Mailand, Nejuitenzögling in Rom, 
religidjer Schwärmer und als folder vom Papjte geächtet, dann Freigeiſt und 
Neftimpier des Rapittbumg, von der Inquiſition des Todes jchuldig erflärt, nun: 
mehr Quadſalber und Alchvmiſt, zunächſt am Anndbruder Hofe Erzherzogs 
Ferdinand Karl, dann im Auslande: bald als betrügeriſcher Fallit von Am— 
ſterdam flüchtig. in Hamburg Schützling der Erkönigin Schwedens, Chriſftine, 
endlich am Hofe zu Kopenhagen mit Ehren auigenommen und durch Jahre 
LG - IV) ale Goldmacher“ thätig. Aus Dänemark in die Türkei zu ent: 
weichen gewillt, wurde er in Sihleiien als verdächtig der Mitwiſſenſchait an der 
ungariſchen Magnatenverichwörung verbafter und aui Vegehren des Nunrius nad) 
Wien geöchait. Hier gewann er die RKrotection ded damaligen Premier Yoblowic 
und wurde ale Gejangener mit Goldmacherei betraut, dann aber \uni 1870 nach Rom 
ansgeliehert; die Faierliche Dermittlung bewabrte ihn vor der ichon 1651 Durch Die In⸗ 
quiiition über ihn verbängsen Tobesittuie. Gr itarb als Internirter der Ungelöburg 
DL Riel Auſſeden erregte jein lange geglaubres Mäbrchen. er babe zu Micn 
im Rrabiähre 16:0 (April. Mai) den Kaiſer Lespold vor dem jichern 
Kode dar vergiüitete Kerzen bewahrt. Die Geichichte iR eriunben, bewm 





570 XVI. Bud: Vom weitph. Frieden b. ;. jpan. Grbiolgefriege ( 16435— 1700). 


In der Geſchichte der innern Verwaltung bildet einen Wende 
punft zum Beſſern die Berurtheilung des KRammerpräfidenten 
Einzendorf. 


Schon jeit 1666—67, in welcher Zeit der ehrliche Vicepräſident ber Hof: 
fammer, Graf Johann Cuirin Jörger, zwei Klagjchriften gegen die Wirthichaft 
des Miniſters gerichtet hatte, und Lobkowic mit einer Revilion ber Hoffammer 
betraut worden war, hing die Reform der Hofkammer wie eine drohende Wolfe 
über dem Haupte Sinzendorf's. Aber jie wurde immer wieder abgelenkt, denn 
Sinzendorf wußte fih mit Lobkowic abzufinden. Graf Martinic, der Oberſt⸗ 
burggraf Böhmens, drang 1672 neuerdings auf Reform, und endlich führten die 
alffeitigen Anklagen den Sturz des crebitlojen Miniſters herbei. 

Er murde 1679 juspendirt und nach langer Unterfuchung des wahrhaften 
(Shaos der Kammerwirthſchaft im Juni 1680 das Ürtheil gefällt und 9. October 
verfündigt. (Fr wurde wegen Meineids, Betrugs und Diebitahl3 zum ewigen 
Gefängniß und Süterverlujte veruriheilt. Die Milde des in allen ſolchen Fällen 
leicht beweglichen Kaifers verfchaffte ihm bald (1681) die Losſprechung von ber 
Zahlungspflicht (nahezu 2 Millionen im Betrage) und die Freiheit des Aufent- 
haltes. Doch ftarb er ſchon im December 1681. Daß feine Anklage die Schuld 
überfchätßte, ift eben jo ficher, al3 daß feine bodenloſen Speculationen alles bag 
großentheild verjchlangen, was er unrehtmäßig erworben. 


Sein Nachfolger im Amte (1680—1683), Frh. v. Abele, er: 
lahmte bald an der Reinigung der Hoffammer von ihren unlautern 
Elementen. Graf Wolfgang A. Rofenberg wurde fein Nachfolger. 

Noh müſſen wir des Einfluffes der fürftlihen Frauen 
am Hofe furz gedenken. Des Kaiſers Stiefmutter, Eleonore 
(F 1686), eine höchſt achtbare Dame und feine Freundin Spaniens, 
mit Frankreich auf gutem Fuße, hielt ihren Einfluß auch während 
der eriten Ehe Leopold's mit der zarten Furzlebigen Anfantin von 
Spanien, Margerita Therefia, aufredt. Die zweite Gattin, 
die fchöne lebhafte Claudia Felicitas, Stalienerin von mütter- 
liher Seite, und entichiedene Gegnerin Lobkowic's aus perfönlicher 
Abneigung, fand einen zu frühen Tod (1676), um ihren Einfluß 
feftigen zu fünnen. Dies konnte der dritten Frau, Eleonore 
Magdalene von Pfalz: Neuburg, beffer gelingen, boch begegnen 
wir aud dann nicht einem eigentlihen Frauenregimente. 

Wir haben nun den Gang der Ereigniffe, welche die Politik 
Deiterreihs Deutichland und Frankreich gegenüber von 1657 — 1679 
begleiten, und zu vergegenwärtigen. Zunächſt liefen zwei große 
Staatsfragen neben einander, die Trennung Brandenburgs 
vom ſchwediſchen Bündniffe gegen Polen (die Rettung 
K. Rafimire) und bie deutſche Kaiferwahl. So fand fich daher 





572 XVI Bud: Vom weitph. Frieden b. 5. fpan. Erbjolgefeirge (1648— 1700). 


bild fpäterer Erjcheinungen, durch das Haager Concert mit 
England und Holland (1659, 21. Mai) und am empfindlichiten 
duch den pyrenäiſchen Frieden mit Spanien (7. November 
1659), der nun Dejterreichs weſtliche Machtitellung durch Frankreich 
empfindlich bedroht werden läßt. Mazarin bearbeitet die Pforte, 
um Defterreih auch im Oſten faſſen zu laſſen, es drängt Polen 
in den Frieden mit Schweden. Kaiſer Leopold, der für Polen 
eifrig rüftet, feine Truppenmadt mit der Brandenburgs vereinigen 
(läßt (September 1658) und Dänemark unterjtükt, im Juli 1659 
Montecuculi und de Soudhes gegen Schwediſch-Pommern 
entjenbet, muß nun innehalten, um fo mehr, ala Polen den Frieden 
fucht, der am 3. Mai 1660 zu Dliva abgejchloffen, die Souveränität 
Preußens endgültig feftitellt und dem Kurfürften die weitere Allianz mit 
Defterreich wenig vortheilhaft erjcheinen läßt. Mazarin jol damals ge= 
droht haben, wenn Defterreich feine Armee bis Februar 1660 nicht aus 
Pommern zöge, mit einer Armee über den Rhein zu gehen, um den weitph. 
Frieden zu ſchützen (!) und follte er auch allein die Verantwortung tragen. 

Die ganze Gefahr für Defterreich concentrirt fi bald (1663) 
in dem drohenden Türfenfriege, und wer darf den Stein auf 
das Wiener Cabinet werfen, wenn es Angefihts deijen mit Frank: 
reich Frieden halten muß, wenn es ſich die demüthigenden Bedin- 
gungen gefallen läßt, unter welchen die NReichshülfe in Ausficht ge— 
stellt wurde; trat doch der Kurfürft von Brandenburg, einer der 
gewiegteften und angejeheniten Bolitifer, ununterbrochen in freund: 
lihem Verkehre mit Franfreih, Anfangs 1664 jelbft in den von 
Ludwig XIV. protegirten Rheinbund, das Vermächtuiß des veritor: 
benen Mazarin. Allerdings traute man in Paris dem Kurfürften 
nicht, man bielt ihn für gegängelt durch Defterreich, das feinem Haufe 
Aussichten auf Bolen erſchloſſen habe. Es waren dies diplomatijche 
Witterungen von gleichem Werthe mit dem Gerüchte eines öfter: 
reichiſch-ruſſiſchen Planes, das kranke Polenreih zu tbeilen. 

Defterreich beftand den Türkenkrieg (1664) mit Ehren, aber 
ohne Vortheil, eine weitgreifende Gährung meldet ſich immer dro= 
bender in Ungarn an; Leopold's I. natürlicher Bundesgenoffe, 
Spanien, ift durch den pyrenätfchen Frieden lahm gelegt und ebenso 
gut halb Deutſchland; darf es und Wunder nehmen, wenn im 
öfterreichiichen Cabinete, wo es feine große einheitlihe Führung gab, 
die Zudringlichfeit der franzöfifchen Politik Boden findet und bei 
allgemein krankhaften Verhältniffen auch eine unnatürlidhe Ric; 
tung der Wiener Politik zu Tage tritt, wenn unter dem Ein- 
brude der leichten Erfolge Franfreihs im Devolutionstriege 


XVL Bud: Vom weſtph. Frieden b. 3. ſpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 573 


gegen Spanien (1667 —68) der Kaifer froh fein muß, die Anfprüche 
Ludwig's XIV. auf die ſpaniſchen Niederlande durch die engliſch⸗ 
holländiſch-ſchwediſche Tripelalliany und deren Wirkung, den Aachener 
Frieden (1668), vertagt zu fehen und jeden Bruch mit feinem fran- 
zöfifchen Schwager vermeidet? 

Spaniens Habsburgerhaus war dem Ausiterben nahe, 
denn Karl II., der kränkelnde Sohn und Thronfolger Bhilipp’s IV. 
verſprach fein längeres Dafein, geſchweige denn Nachkommenſchaft. 
Trat aber das Erlöfchen des ſpaniſch-habsburgiſchen Mannsitammes 
ein, dann mußte die dentſch-habsburgiſche Schweiter: 
linie al3 unbejtrittener Univerjalerbe gelten, denn für ihr Recht 
ſprachen die beiderfeitigen Hausverträge und die jüngſte Verjchmä- 
gerung. Dagegen hatte Ludwig XIV. bei feiner Heirath mit Maria 
Therefia auf jedes fpaniiche Erbrecht verzichten müſſen und ber 
Devolutionsfrieg jollte eben eine bewaffnete Demonftration gegen 
diefen Revers jein. 

Das franzöſiſche Cabinet juchte daher jo früh als möglich den 
Wiener Hof für einen geheimen Vertrag auf der einftigen 
Theilung des ſpaniſchen Erbes zu ködern und ſich dabei der 
Logik zu bedienen, daß Defterreih auf folhem Wege mühelos die 
halben Früchte deſſen feinerzeit einheimjen könne, was ihm ganz 
Frankreich nie und nimmer gönnen wolle und dürfe. 

Der erfte Unterhändler Frankreichs in diefer beifeln Angelegenheit war 
Graf Wilhelm von Fürjtenberg zu Anfang ded Jahres 1667, doch verfingen 
die Angebote nicht, denn Leopold I. war für feine Perſon ſolchen Abmachungen 
abgeneigt und felbit Auerjperg, damals am Ruder, war, bei aller Geneigtheit, mit 
Frankreich gut außzulommen, nicht gefügig genug, denn er beforgte mit Grund 
eine Falle darin; liberdied lag der Gefandte Spaniens auf der Lauer, und man 
begriff am Wiener Hofe das Compromittirende folder Unterhandlungen Spanien 
gegenüber. Lobkowic war meit mehr ala Auerjperg der Sache befreundet, aber 
die Gefahr und Verantwortlichleit einer ſolchen Abmachung follte fein Neben: 
bubler Auerfperg tragen. Da verfuchte das ſchwierige Stüd Arbeit der Fluge, 
energifche Botfchafter Franfreihs am Wiener Hofe, Generallieutenant Jaques 
Brethel von Gr&monville (feit 1664) und nüßte babei die unjelige Eitel- 
feit Auerſperg's aus, der ſich, bereits Wittwer gemorben, den Carbinalshut 
wünfchte, um mit NRichelieu und Mazarin im Andenken der Welt auf eine Stufe 
zu treten. Allerdings hatte ſich der Kaifer jelbit in diefer Richtung nach Rom ge: 
wenbet, aber Auerfperg bublte auch um bie dort wirffamere Fürſprache Frankreichs, 
die ihm Grémonville ald mirffamften Köder hinhielt und ließ nun von ber 
feitern Haltung ab, die er noch Ende December 1667 in den Berbandlungen 
mit Gremonville eingenommen hatte. 


So fam am 19. Januar 1668 ber verhängnißvolle Thei lungs⸗ 


574 XVI. Bud: Vom weſtph. Frieden b. 3. fpan. Erbfolgefriege (1643 — 1700). 


tractat, von Auerjperg und Grömonville unterzeichnet, zu Stande, 
worin Defterreih: Spanien, Mailand, Finale, die toscanifchen 
Plätze, Sardinien, die canarifchen und baleariihen Infeln und Weft: 
indien, — Frankreich: die Niederlande, Navarra, Neapel und 
Sicilien gegebenen Falles zugewiejen erhalten. Sebenfalld war der 
franzöſiſche Antheil ungleich fruchtbringender ; ber öfterreichifche, wenn 
wir von Mailand abfehen, ein politisch ſchlecht verzinsliches Länder: 
fapital. Der Vertrag war verhängnißvoll, denn er bildete das erfte 
Glied einer Kette langjähriger politiicher Zwangs: und Schein: 
verhältniffe, eine Feſſel der Politik Defterreihg, und bot, innerlich 
hohl und unhaltbar, dem franzöfiichen Hofe gegebenen Falles die 
Handhabe zu einer wirkſamen Denunciation Vefterreihs bei dem 
ſpaniſchen Gabinete; außerdem überlebte der König Spaniens diefes 
voreilige Webereinfommen um volle 32 Sabre. 

Verhängnißvoll wurde das Ganze zunächſt für Auerfperg felbit. 
Bis jest hatte er allerdings mit Zuftimmung des Kaiſers gehandelt ; 
die leidigen Gonjequenzen feines Handelns machten ihn nun aber 
zum verblendeten Schleppträger der Wünſche Franfreihs. Das 
Gardinalproject erhitte den bisher Haren und Fühlen Kopf. Auer: 
iperg erleichterte Zudwig XIV. den Aachener Frieden, er dachte an 
die katholiſche Tripelallianz: Vefterreih, Franfreih -und 
Spanien gegen die proteftantiihen Mächte, — er ließ fich durch 
Gremonville leicht gewinnen, Delterreich der Tripelallianz: England, 
Holland und Schweden fern zu Halten, während der öfterreichijche 
Gefandte in Stodholm ein Bündniß abſchloß und der Faiferliche 
Diplomat L'Iſola für den Eintritt Defterreihe in das Bündniß 
gegen Frankreich eingenommen war. Das waren leidige Widerjprüche. 
Auerſperg verhieß den Franzojen mehr als er halten und durchfegen 
fonnte. Und zu alledem wurde feiner bei der Denomination 
der Sardinäle gar nicht gedadht; doch auch der vom Wiener 
Hofe vorgefhlagene Markgraf Hermann von Baden: Durlah) war 
nun übergangen worden. Als dann der faijerliche Botichafter in 
Kom, Freiherr von Plittersdorf, in geheimer Relation an den 
Kaifer (5. November 1669) das, was ihm der Gardinal von Heflen 
und der PBapft jelbft über Auerjperg’s Ehrgeiz, „malizia” und 
feine Beziehungen zu Frankreich „eröffneten, zur Sprache bradte, 
faßte Leopold J. ein tiefes Mißtrauen gegen feinen Minifter, der, 
begreiflicherweife auf Gremonville wegen getäufchter Hoffnungen 
ſchlechter zu Tprechen, wieder zu der ſpaniſchen Partei hinüberſchwenkte, 
felbft mit einem Bertrauensmanne jeines Rivalen Loblowic (Pater 
Sinelli) in Beziehungen trat, anbererjeitse neuen Anerbietungen 





576 XVI. Bud: Tom weſtph. Trieben b. z. ſpan. Erbfolgefriege (1648— 1700). 


drängten felbit der richtige Wille und Sinn des Kaiſers zum An- 
tämpfen gegen die drohenden Vergrößerungs: und Alleinherrichafts- 
gelüjte Frankreichs. Der unermüdliche Verfechter diejer richtigeren 
Sintereffenpolitif ijt der Diplomat 2’Yjola (Lijola. del’ Iſola), 
aus Salins in der Frandhecomte, ſeit 1639 in Faiferlichen Dieniten, 
ein vorzüglicher Kopf und entjchiedener Gegner Frankreichs. Wir 
finden ihn zumädit (1657) am brandenburgiihen Hofe, dann 
(1662— 1663) in Polen, wieder in Berlin, abermals in Warſchau, 
in Zondon (1665— 1666), in Madrid, neuerdings in England und 
feit 1669 vornehmlich bei den Generaljtaaten im Haag, als Ver: 
treter Deiterreihe. Da ift er voll Eifer für die Bildung einer 
großen Allianz gegen Ludwig XIV., in welche Holland, England, 
Schweden, Spanien, Deutſchland und Lejterreih eintreten ſollen. 
Es berührt fich dies mit den Bemühungen Epaniens am Wiener 
Hofe, den Kaiſer in die engliſch-holländiſch-ſchwediſche Tripel— 
allianz zu bringen; auch Lothringen bildete damals einen Factor 
in diefen Beitrebungen. Lobkowic jah fich damals felbit aenöthigt, 
auf geipannten Fuß mit Gremonville zu treten, als ihn die jpanijche 
Diplomatie des Einverftändniffes mit dem franzöfiichen Botſchafter 
‘in der ungariihen Bewegung anklagte; Gremonville veritand es 
jedoch, den Kaifer einzufhüchtern und fich mit Lobkowic wieder auf 
den alten Fuß zu Jegen. 

Dazu fam die Bewältigung der Magnatenverſchwörung Ungarns, 
Die Gleichgültigleit Schwedens für die Tripelallianz, der geheime 
Vertrag Karl’s II. von England mit Frankreich; L'Iſola's Plan 
drohte in die Brüche zu gehen, und doch erheifchte die Preisgebung 
Holland’s an die Angriffspolitif Ludwig’s XIV. mehr als je 
eine ſchützende Dazwiſchenſtellung der interejfirten Mächte, zumal 
im Augujt 1671 die Franzoſen in das Gebiet von Lothringen 
einbradhen. In der That wurde von K. Leopold I. Gottlieb 
Windſchgräz nad Verjailles entjendet; man begehrt die Entfernung 
Grémonville's aus Wien, der Kaifer tritt mit Mainz, Trier, Münjter 
und Sachſen zur Wahrung des weitphälifchen Friedens in’s Ein- 
vernehmen, auch mit Brandenburg wird unterhandelt, aber noch 
ohne eigentlihen Erfolg. Die fpanifche Diplomatie arbeitete nun 
aber mit verdoppelter Mühe gegen Lobkowic und Gremonville’s 
Machinationen. Der Kaijer befahl endluh feinem Minifter, jede 
Beziehung zu dem franzöfiihen Botjchafter abzubrehen. — Doch 
behauptete Lobkowic injofern das Feld, daß er am 1. November 1671 
einen Neutralitätsvertrag mit Frankreich zu Stande 
brachte. Wie jollten da bie entgegengejetten Anftrengungen 2’Ijola’s 





578 XVI Bud: Vom wejtph. Trieben b. ;. jpan. Grbfolgefriege (1648— 1700). 


Lobkowic, den im entjcheivenden Augenblide Schwarzenberg und 
Montecuculi von Kaijer fern zu halten verjtanden, muß nun zuſehen, 
wie dem franzöfiihden Botjchafter die Päſſe zugeitellt werden. Wohl 
verläuft im Herbſte 1673 der Feldzug Montecuculi’s gegen Turenne 
in lauter vorjichtigen und ausmweichenden Schachzügen, denn wieder 
macht fi) der hemmende Einfluß Lobfomwic’ geltend, der den Bruch 
mit Frankreich nicht verwinden kann. Aber die Sachlage ſchärft 
fih immer mehr, da in der neuen polnijhen Königsmwahl 
Defterreih und Frankreich wieder hart an einander gerathen. 


Den 11. November des \ahres 1673, am Tage des glorreichen Sieges, den 
Johannes Sobieski über die Türken bei Choczym in der Moldau erfocht, jtarb der 
Polenfönig Michael, Schwager K. Leopold's I., im fräftigften Mannesalter, ohne 
Erben, und abermals Famen über Polen die Nufregungen einer neuen Königs: 
wahl. Wieder fehlt e8 nicht an Bewerbern. Frankreichs Candidat feit 1668: 
Condé, Oeſterreichs Schügling: Herzog Karl von Lothringen und ber 
Sohn bes Ruſſenczaren Aleriei, — und abermals der Brandenburger 
treten in den Nordergrund, ohne daß letzterer felbit in die Bewerbung fich ein: 
ließ. Am härteften fchien der Kampf zwijchen der Franzoſen- und Oeſterreicher— 
partei werben zu follen, — aber ed war nur Schein, denn ber Reichsadel warf 
fein Auge auf den Kronfeldherrn, ben Sieger von Choczym, welcher ſchon 
1668/69 für die franzöfifche Ganbidatur geftimmt hatte, — denn Die Wahl eines 
„taiferlichen Obriſten“ fei unmögli; Alles werde er dran ſetzen, um fie zu 
bintertreiben. Die Franzojen mußten angeſichts der Faiferlich = lotgringiichen 
Gandidatur die Wahl Sobieski's, des Franzofenfreundes, (21. Mai 1674), 
zugleich als ihren Sieg begrüßen. 


Die Königswahl Sobieski's war ein Sporn für den Kaiſer, 
fih mit dem Brandenburger, Spanien und Holland enger wider 
Ludwig XIV. zu verbinden (1. Juli 1674); immer mehr fieht ſich 
Lobkowic von feinem politiihen Syitem abgedrängt. Der faiferliche 
Feldherr Bournonville aber, der an Seite des Kurfüriten von 
Brandenburg gegen das Lilienbanner Triegen follte, war der Auf: 
gabe nicht gewachſen; auch General de Souches jollte wenig Lob ernten. 
Der neue franzöfiihe Premier — Louvois — lechzte nah Krieg, 
und die Feldherren Ludwigs XIV., Turenne und Condé, erfochten 
die Siege bei Sinzheim (16. Juni) und Senef (11. Auguſt) 
über die Kaijerlihen und ben Erbitatthalter Hollands. 

Damals ftand auch Minifter Lobkowic bereits am Abgrunde. 
Mit der zweiten Gattin des KRaifers, Claudia Felicitas, um 
deren Hand früher Jakob, der Bruder Karl’s II. von England, 
geworben, kam ein neuer Geift in die Wiener Hofburg. Spanien 
hatte diefe Ehe begünftigt, Lobkowic gegen fie gearbeitet, auch feinen 





550) XVL Zug: Tom weitph. Frieden b. ;. ipan. Grbrolgefriege 1 164° -1.üı,. 


teiner Entichiedenheit, aber dem Plane der Allürten: des Kailers, 
Hollands und des Lothringers, gebrad es an Einkrit und raichem 
Z:orgehen. General de Souches war dur die Klagen Spaniens 
uber ſeine Kriegsführung in Ungnade gefallen, Montecuculi 
tritt wieder in den Tordergrund. Um Dieielbe Zeit, in welder 
Kurrürtt sriedrih Wilhelm die rühmliden Siege über Die 
Schweden bei Rathenow und Fehrbellin erfocht (25. 23. Juni 1675) 
— fand der entiheidende Zuiammenitog zwiihen Montecuculi 
und Turenne bei Saßbach itatt (27. Juli), wobei der alte und 
beite Feldherr des damaligen Franzoſenreiches von feindlidher Kugel 
den Tod fand. Wenige Tage ſpäter greifr Montecuculi Altenheim 
an; die Franzoſen ziehen über den Rhein zurüd; Trier wird von 
dem Xothringer eingenommen, Marſchall Greaui gefangen, — 
Montecuculi belagert Hagenau. Nun madt ſich aber wieder das 
leidige Zögern und Laviren des Failerlihen Hofes geltend, Schweden 
arbeitet in Wien auf den Frieden los, und bier regt jich die Eifer- 
juht gegen die Erfolge des Brandenburgers. NReibungen, Ber: 
bitterungen greifen Plag. Tazu treten die jteigenden Gefahren des 
ungarijhen Kuruzzentrieges, den Frankreich von Polen 
aus unterjtügt, und die wachſende Gährung in dem nur halb be- 
zwungenen Ungarn. 

Aber den Krieg gegen Frankreich will der Wiener Hof als 
einen „Reichskrieg“ warm halten, — denn er begriff, daß jept in 
deutichen Landen fein Anjehen wieder im Machen ſei. Eine Flug- 
ihriftder damaligen Zeit (1677) jpricht es aus, daß es hier nur einen 
„majeitätiihden Staat” gebe — Leiterreih —, die anderen Fürſten feien 
bloße „Irtsfürften”, allerdings auch mädjtige darunter, vor Allem der 
Brandenburger, defjen Belit und Politik dem majeſtätiſchen Staate am 
nächſten komme; Tefterreich müfje alfo die Führung haben, um Ordnung 
und Einheit im Reiche herzuftellen und die jchädlichen Folgen der 
im weſtphäliſchen Frieden mißbräuchlich anerfannten Souveränitäts- 
rechte der einzelnen Staaten Deutichlands dem Auslande gegenüber 
zu befeitign. Strattmann, ber begabte Rath des Pfalzgrafen 
von Neuburg, jet in faiferlichen Dienften, war einer der wichtigſten 
Träger diefer neuen öfterreihiihen Politik, Deutſchland 
gegenüber, welche fih mit dem Gedanken eines großes Bundes 
deuticher Fürften, den Kaijer an der Epite, herumtrug. 

Es ijt hier der paffendfte Ort des Verhältnifjes zwiſchen Kaifer 
und Rei und ber Haltung bed Wiener Hofes zum fog. „permanenten Regens- 
burger Reichſstage“ zu gebenfen. Zwei Thatſachen erſcheinen ald Angelpunfte 
des Ganzen unbeftreitbar: bie VBeftrebungen des habsburgifhen Kaiſerthums, 


XVL Bud: Vom weſtph. Frieden b. 3. fpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 581 


eine neue Machtitellung im Reiche. zu gewinnen und beffen Kräfte auch für Die 
eigenen monardhijchen, für bie öfterreichifchen Antereffen heranzuziehen und — 
dem gegenüber — das Streben ber großen und Fleinen Gewalten im Reiche, 
daß eigene Macht: und Stanbedintereffe fo vortheilhaft als möglich zu wahren, 
d. i. von allgemeinen Reichspflichten jo wenig als möglich befaftet, im ſchirmenden 
Schatten des weitphälifchen Friedens — foviel als möglich autonom zu fein und zu 
bleiben. Der Venetianer Zorzi fchreibt in feiner Relation an den Senat: „Der Kaijer 
jollte im Reihe nach Art bes Herzens im Körper, bed Centrums im Kreife, ber 
Eonne inmitten der Sterne fein.” Dieſes Herz fchlug aber außerhalb der 
eigentlichen Körpermitte, e3 gab feinen Kreis und fein Gentrum, ſondern eine 
ſchwer definirbare Figur mit einer Fülle von Projectionspunften, Fein einheitliches 
Sonnenſyſtem, fondern ein merfmwürdiges Getriebe großer und Fleiner Sonnen 
mit ihrem Anhange Die Permanenz des Reihdtages, der im Januar 
1663 zufammentrat und anderthalb Jahrhunderte (bis 1806) währen follte, war 
eine Folge des reichsfürftlichen Strebens, an die Stelle ber „ordentlichen Reichs- 
deputation” zu Negendburg eine Reaffumtion des Neichdtages zu bringen und 
im Sinne des weſtphäliſchen Friedens Reformen herbeizuführen, die allerdings 
verrotteten Uebeljtänden abhelfen, vor Allem jedoch das Intereſſe der Ein» 
zelnen fo viel als möglich ſchonen jollten. Die Faiferlihde PBolitif fügte fich 
allmählih der Reajfumirung bes Reichstages, und beide Theile, der Kaijer und 
die Reichdgemwalten, fuchten in diefer neuen, durch Deputation permanent werben: - 
den Reichövertretung bie beiberfeitigen Intereſſen zu mahren. Es war biefer 
Reichstag, wie wenig erquidlich auch die Jahrbücher feiner Thätigkeit find, nach 
dem fpäteren Urtheile des Patrioten Mofer, „das lekte Band, das die verfchies 
denen beutichen Lande an einander knüpft; follte auch dieſes gerreißen, fo wird 
Deutſchland eine Landkarte vieler vom feiten Lande getrennten Inſeln werden, 
deren Bewohnern Fähren und Brüden fehlen, die Verbindung unter fich zu er: 
halten”. Und der ehrſame Publizift E. Freiherr von Herden, Zeitgenoffe ber 
bier behandelten Epoche, kennzeichnet in feiner „Srundfefte bed heiligen römifchen 
Reiches deutfcher Nation” (1660) als Bürgfchaft des „allieitigen guten Vertrauens“ 
und „jiherften Ruheſtandes im Reiche”: bie Belaffung „deifelben Staates in feiner 
uralten Form und beilfamen Vermiſchung, morbei er fich hiebevor lange Zeit 
gar wohl befunden und allen anderen Republifen zum Wunder und Schreden 
geſtanden“. 

Kehren wir nun wieder zum Gange der großen Ereigniſſe 
zurück. 

Der Wiener Hof und der Brandenburger trafen von 1677 
auf 1678 in der Kriegsluſt zuſammen; beſonders galt es Holland 
zum Ausharren zu beſtimmen. Graf Kinsky und der Gurker 
Biſchof wirkten zu Nymwegen in dieſer Richtung und der Kur: 
fürſt feſtigt (28. Februar 1678) fein Bündniß mit Holland. Aber 
dieſes zeigt ſich bald den kategoriſchen Friedensvorlagen Frankreichs 
zu Nymwegen (Mitte April) geneigt, zum großen Aerger des 
Wiener Hofes und jeines Aliirten; im Juni ift die Waffenrube der 


582 XVL Zug: Zom weiph. Arieden b. ;. ipan. Grbrolgetriege ı 15 iS — Iran, 


Generalitaaten mit Frankreich abgemadt; den 10. Auguft der Friede 
fertig, dem am 17. September die gleiche Abmachung ‚stanfreidhs 
mit Spanien folgt. Ter Kaiſer und Brandenburg iteben nun 
allein. Ter Kurfürft, zwiſchen Frankreich und Schweden in der 
Mitte, muß Alles auibieten, um Teiterreih im Kriege teitzuhalten. 
— Xeopold I. beginnt aber zu Ichwanfen, denn die ungariiche 
Inſurrection it nicht bewältigt, immer unheimlicher wird Die 
Saltung der Pforte, immer enticheidender der Einfluß Frank- 
reihs nad beiden Seiten hin; im Reiche hatte man den Krieg 
(ängit jatt. Während tih nun der Brandenburger der Schweden 
im Winterteldzuge 1678—1679 tapfer erwehrt, beginnt der Wiener 
Hof dem Frieden mit ‚stanfreih im Namen des deutiden 
Reiches ſich zuzuneigen. 

Schon ſeit dem Jahre 1676 ſaßen die Vertreter der frieg: 
führenden Mädhte im Nymmeger Friedenscongreſſe, ohne 
Daß es zum gedeihlichen Austrage kommen konnte. Nun ſchloß 
der Raijer (5. Februar 1679) ab; Frankreich behält Freiburg in 
Breisgau, die habsburgiſche Stadt, und das wichtige Hüningen am 
Rhein, es giebt dem Herzoge von Lothringen jein Land zurüd, 
aber unter jo demüthigenden Bedingungen, daß Herzog Karl, durd) 
die Vermählung mit der jungen polnischen Königswittwe Echwager 
K. Leopold's I. geworden, diefen Ausgleich nicht anerfannte und 
es vorzog, fern der Heimath, in failerlihen Dienſten zu bleiben. 

Der Friede, von dem fein Zeitgenoſſe Leibnig jchrieb, „er 
werde die Geltalt Europa’s verändern,” — an fidh eine Beitärfung 
der Angriffsgelüjte Frankreich (ber Nimmmweg: Friede, wie der Volks: 
wig jagte), hatte aber den Groll des Kurfürften von Brandenburg 
gegen den Kaiſer im Gefolge; denn, alleinftehend, muß er nun alle 
gegen Schweden erfochtenen Vortheile aufgeben und auf folder 
Grundlage den Frieden mit Schweden und Franfreih zu Saint: 
Germain en Laye (29. Juni) abſchließen. 


„Ton da ab“, fchreibt der Jefuit Wagner in feiner gehaltvollen Geſchichte 
Leopold's I., „blieb im Gemüthe des Kurfürjten eine unjühnbare Entfremdung 
gegen das Kaiſerhaus.“ Cr jucht nun als beſtes Sicherheitspfand die Jreunb: 
{haft Ludwig's XIV., und mas er anbot, zeigt am beften die hochmüthige 
Antwort Frankreichs durch Pomponne: „Die deutiche Kaifertrone bringe nichts 
als VBerdruß, Verwirrung und feinen Vortheil; überdies jei der Kaifer gejund 
und jünger als der König von Frankreich. Immerhin jeien jolche Zeichen auf: 
richtiger Hingebung des Kurfürften erwünſcht.“ Man traute ihm nicht recht. 
Immerhin fam es zu einem bebeutfamen VBertrage Brandenburgs und 
Frankreicht vom 20. October 1679. 


XVI. Bud: Vom weftph. Frieden b. 3. fpan. Erbfolgefriege (1648— 1700). 583 


Darin erfheint Ein Punkt zunächſt von Belange; Frankreich merde bie 
Anſprüche Brandenburgs auf das ſchleſiſche Herzogthum Jägerndorf 
beim Kaiſerhofe unterſtützen. Der Kaiſer hatte nämlich die Fürſtenthümer: 
Liegnitz, Brieg und Wohlau 1675 als heimgefallene Lehen der böhmiſchen 
Krone eingezogen, dieſelben, auf welche ſchon im 16. Jahrhundert Brandenburgs 
Erbſchaftspläne gerichtet waren. Die Jägerndorfer Expectanz ſollte nun eine 
Entſchädigung Brandenburgs ſichern helfen. 

Die bedenklichſten Punkte des Vertrages waren jedoch der 3. und 4. Haupt: 
paragraph ber Urfunde; fie gewähren den franzöfiihen Truppen Marjchfreibeit 
dur) brandenburgijches Gebiet und Aufnahme in defjen Feſtungen und ver 
pflidten den Kurfürsten bei der eventuellen Kaiſerwahl dem Könige oder 
dem Tauphin die Stimme zu geben, feinen Einfluß bei jolher Wahl zu ver- 
wenden, und, falls diejelbe nicht durchzufegen fei, nur im Cinvernehmen mit 
jranfreihh zu wählen. Ludwig XIV. verfpricht ala „beſonderes Zeichen feiner 
Freundſchaft“ dem Kurfürften jährlich 100,000 Livres für 10 Jahre zu zahlen. 


Das war die Zeit, in welcher auch die Wirthichaft der fran- 
zöfiihen Reunionsfammern anfing. — Groß war der Unmille 
im Reiche gegen den Kurfürften Friedrich Wilhelm, der „das Ver: 
derben Deutichlande wolle.” So weit war es bei der Spannung 
und inneren Unnatur der fchwebenden Verhältniffe gefommen. 


3. UngarnsBiebenbürgen und die Pforte (1658-1664). 


Literatur (vgl. allg. 8. u. 1. Abſchn.) — Montecuculi, Commentarii 
bellici (Wien 1718); urfpr. italienifch geichrieben; über die beffere Wiedergabe 
in den Mier. des Sefuiten Heveneffi j. Katona XXXII. Commentarii 
de ratione belli cum Turcis in Hungaria gerendi (Gräz 1716); vgl. Opere 
di Raimondo Montecucoli corette accresciute ed illustr. da Giuseppe 
Grassi (Turin 1821); Zrinyi M. munkai (die ſämmtl. Werke Nifl. Zrinyi’s, 
darunter: die gegen Montecuculi gerichtete Schrift und die Polemik gegen das 
„türfiiche Opium“ (Afıum), ober die das jtändifche Selbitgefühl einjchläfernde 
Wirkung der Türkenherrſchaft) 5. v. Kazinczy u. Toldy (Reith 1852); 
Ortelius redivivus II., die fiebenbürg. Quellen a. a. O., inöbef. 
Kemeny, Krauß, Bethlen, Rhedey, Szalärdy — die Jundgruben 
v. Kemeny:Traufcenfels, Török magyarkori okmänytär] die Briefe 
Vitnyédy's (f. o.), Brief Weffelenyi’s (Palatin) an die Neograber Ge: 
ſpanſchaft 1663—1666 (tört. tar XL Bd. h. v. Nagy); (vgl. Raͤth's Publ. 
mehr. Briefe des Palatin im Uj magyar museum 1854). ine intereilante 
Gharakteriftif der ungarifchen Xerhältnifje Tiefert ber holländiſche Gelehrte Tollius, 
der um 1660 Ungarn bereifte, bei Zrinyi einfprad und namentlich das ober: 
ungariihe Montangebiet befichtigte, veröffentlicht in feinen Epistolae itinerariae 
(erſch. 1700 zu Amfterdam. V. A.) — Die Zipfer Gejchichtöquellen 5. v. 


584 XVI. Buch: Vom weitph. Frieden b. 5. ſpan. Erbfolgekriege (1648— 1700) 


Wagner (die Leutfhauer Chronik in biefem Th. nad Hdichrr.) Eine namentlich 
culturgeſchichtlich ſehr beachtenswerthe Quelle, weldhe Wagner nur in einem 
furzen Bruchſtück aus dem Original-:Drude von 1683 mittheilt. und die Seivert 
recht dankenswerth neu herausgab (Leipzig 1854), führt den Titel: „Unga-= 
rifher oder Dacianifher Simplicijfimug, vorftellend feinen wunder: 
lichen Lebenslauf und ſonderliche Begebenheiten gethaner Reifen; nebenft wahr: 
bafiter Beſchreibung des vormals in Flor geitandenen und öfters verunrubigten 
Ungerlandes; ſodann dieſer ungarischen Nation ihrer Sitten, Gebräuche, Ge— 
mwohnbeiten und führenden Kriege. Denkwürdig und Tuftig zu lefen. Heraus: 
gegeben von gedachtem dacianifchen Simpliciffimus.” Er jelbft ftelt ſich in Der 
Einleitung neben den „deutſchen“ (erich. 1669) und „franzöſiſchen Simpliciſſimus“. 
— Die darin behandelte Zeit fallt zwifchen die Jahre 16956—1662. Die unge 
mein feltene Fortſetzung des dacianiſchen Simpliciffimus, die auf 
dem Boden der Türkei fpielt, ijt mir nie zu Geficht gefommen. Math. Bel, 
Notitia Hung. novae 1. 3b.; Katona, XXXIII. Bd.; Feifler: Klein, 
4. Bd.; Horväth, 4; Szalay, 4; Hammer, ©. db. odm R., 3. Bd.; 
J. Bethlen, Graf (d. ältere), Mäsodik Räköczy György ideje (die Zeit 
G. Räföczy’3 IL), Sroß-Enyed 1829. Vgl. auch Wolfg. Bethlen, Hist. de 
rebus transsylvan, edit 2= recogn. suppl. praef. et ind. instr. Benkö 
Cibinii. 6 Voll. (1782—1793); Defterr. Militärztfchr. 1828. L: Die Feld: 
züge des Sf. Montecuculi 1661—1664; Wolf’3 Relationen u. Lobkowic a. a. D. 
Rofenfranz, I. Graf v. Sporf (Paderborn 1845). Die neuefte Monographie 
über Montecuculi ijt bie italienifche v. Ces. Campori (Florenz 1876). 
Kurz war der Siegesraufh Georg Räföczy’s II., von 
welchem erfült er der zürnenden Pforte die Einnahme Krafaus 
(Ende März 1657) meldete. Bald wendet ſich das Blatt, Guſtav X. 
muß gegen die einbrechenden Dänen fein eigenes Neich ſchützen, noch 
beſetzt Rakoczy Warſchau (27. Mai); aber die Polen ermannen 
fih, der Feldherr Lubomirski bridt Mitte Juni in die oft: 
ungarischen SHerrichaftsgebiete Räaköczy’s ein und rechtfertigt dies 
durch das Manifeft vom 19. uni. Die Kaijerliden unter Haß: 
feld unterjtügen den König Kafimir, die Türkei, gegen den 
Fürften unverſöhnlich geftimmt, bietet ein Tartarenheer in jeinem 
Rüden auf; feine Sendboten waren zu Stambul in die „Sieben 
Thürme” geworfen worden. Den 21. Juni hatte Näföczy den 
Polen Frieden anbieten lafjen; einen Monat fpäter muß er einen 
demüthigenden Zmwangsvertrag mit dem Heere des K. Kafimir bei 
Gzarnaftroi eingehen, um nur fo bald ale möglich heimzufommen, 
denn in Siebenbürgen fteht Alles auf dem Spiele. Schon war 
unter feinen Truppen die Entmuthigung eingerifjen; der Fürſt über: 
giebt ben Befehl ur an Fohann Kemeny und eilt nad) Siebenbürgen; 
fe Heer wird ſammt bem Feldherrn 
m zur Waffenjtredung gezwungen 


XVI. Buch: Vom weftph. Frieden b. 3. jpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 585 


und gefangen abgeführt (31. Zuli), — ein vernichtenber Schlag für 
ihn und ganz Siebenbürgen. 


Räksöczy beruft den Landtag nach Szamos-Ujvär auf ben 2. September, 
jeine Vollmachtträger müffen die bitterften Normürfe der Stände hören. Man 
jendet dann Botſchaft an den Sultan; dieſer befiehlt eine neue Fürſtenwahl, 
denn Räföczy fei abgefett und den Ungehorfan würde der Tartarenchan ftrafen; 
diefer ermahnt von Baktſchi Serai aus (10. September) die Siebenbürger, dem 
Gebote des Großherrn nachzukommen. Ende October verfammeln fi nun bie 
Stände in Weißenburg und mählen unter dem Zwange ber Berhältniffe, 
troß aller Zufagen Räföczy’8, den Magnaten Franz Rhédey zum Fürften 
des Landes (2. November); berfelbe meldete den 20. December feine Mahl der 
hohen Pforte. Georg Räföczy hielt jeboch an der Hoffnung, den Thron dennoch) 
wieder erlangen zu können, krampfhaft feft; am Tage zu Media fch (Januar 1658) 
verfucht er den nachgiebigen und minder Hochftrebenden Rhédey zur freiwilligen 
Abdanfung beſtimmen zu lafjen. 

Räköczy's erregte Leidenfhaften und die Beforgniffe der Stände fuchten 
Beruhigung im Trunfe; es berührt widerlich, wenn wir in ben Tagebuche 
Frank's leſen: „Zu bemerken iſt, daß den 26. Januar der Fürjt gemaltig tranf; 
den 27. Januar famen wir nach eingenommener Mahlzeit meiſtentheils betrunfen 
zufammen; daher wurde nicht? beſchloſſen. Den 28. Januar fommt man um 
3 Uhr Nachmittag zufammen aber weinſchwer: daher wird nichts Gewiſſes be- 
ſchloſſen.“ 

Aber die Pforte bleibt trotz des unterwürfigen Bittgeſuchs Räköczy's 
(12. Februar 1658) unbeweglich, obſchon in der That ihm Nhedey wieder den 
Plag geräumt hatte. Die Ankunft der einftigen Bundesgenoffen und „Vaſallen“ 
Näföczy’3, der vom Tartarendan vertriebenen Woimoden der Wallachei 
(Konit. Scherban) und Moldau (Stephan Giurgi) — als Flüchtlinge in 
Siebenbürgen — jtellte dem Fürften Räköczy nichts Gutes in Ausficht. 

Muftafa Bey erflärt (3. Mai) an Franz Rhädey, von einer Wieberein: 
ſetzung Räköczy's könne nicht bie Rede fein, und der Sultan entbot dieſen vor 
fein Angefiht; da könne er fich rechtfertigen, wenn er ein loyales Gewiſſen habe. 
Die Tartaren verwülten bald das Burzenland und die Nachbarichaft; fie er: 
jheinen (Ende Auguft 1658) vor Hermannftabt ; e8 muß fich mit großer Summe 
Geldes vor der Vernichtung bewahren. 18,000 Gefangene wurben von dem 
Landesfeinde fortgefchleppt, es waren entjetliche Augenblide. Die Gefandtichaft 
der Siebenbürger an den Großvezier, mit Ahaz Barcjay an der Spike, war 
den 7. September im Türfenlager vor Zend erfhienen; fie muß harte Worte 
vernehmen. Der fünftige Landestribut fol ftatt 15,000 — nunmehr 50,000 
Soldgulden betragen, eine große Kriegsentichädigung gezahlt werben; man müſſe 
gehorchen lernen, fonjt ftünde dem Lande eine neue Verwüftung bevor. Den 
14. September ernennt die Pforte Barcjay zum Fürjten des Landes; am 
4. October übergiebt ihm die türkiſche Botſchaft die Injignien der Fürſtenwürde, 
drei Tage fpäter Buldigen ihm die Stände. Barcſay erflärte an Räköczy, er 
übernehme nur interimiftifch das ſchwere Amt; bie Stände beichließen die Er: 





XVI. Bud: Vom weſtph. Frieden b. 3. fpan. Erbfolgefriege (1648-—1700). 587 


Heer bei Gyalu am Szämos; tödtlich verwundet, entrann er mit 
Wenigen dem Berderben. Den 6. uni ftarb Näföczy II., ber 
Aubeloje, in Großmwardein. Er hinterließ eine Wittwe, die ins— 
geheim Katholifin geworden war, und den unmündigen Sohn Franz 
Rakoczy (I). 

Für Ungarn und die Taiferliche Politik mußte dieſes Anjchwellen 
der Türkenmacht in der fiebenbürgiichen Frage eine drohende Gefahr 
werden. General de Souches erjcheint mit einem Eleinen Heere an der 
oberen Theiß; die oberungariihen Etände wenden fih an den Sailer 
in Bezug der Nettung Großwardeins und der Gejpanichaften 
Szatmärs und Szabolcd. Die Kaiferlichen bejegen Kaſchau, Kallo, 
Tokaj; de Souches fordert von dem Ofener Vezierpafcha die Schonung 
diejer Gegenden, diefer antwortet: er werde bald genug erjicheinen 
und die Staiferlihen von der Theiß zurückwerfen. 

Bald Fällt Großmwardein den Türfen in die Hände (27. Auguit 
1660), ein neuer und widtiger Stüßpunft der Herrſchaft des 
Halbmondes in Ungarn. 


Die Pforte befitt nun an Kanifha, Stuhlmeifenburg, Gran, Erlau, 
Großwardein, Temesvär und Eſſek ftarfe Stütpfeiler ihres. gewaltigen Umkreiſes 
in der Richtung von Weften nad Often und als Schlüfjel zum Ungarnlande 
Belgrad, während der Schwerpunft der Macht in Ofen ruht. Seit 1610, unter 
Sultan Ahmed, zerfiel das türfifhe Ungarn in 4 Ejalets oder Paſchaliks: 
Ofen, Temeßväar, Kaniſcha und Erlau mit 25 Eandichafaten. Sept trat ein 
fünfte, das Großwardeiner, hinzu. 

Die Faiferlide Herrſchaft beſaß Hauptieitungen an Raab, Komorn 
und Neuhäufel im Weften, an Szatmär in Oſten; außerdem gab ed in dem 
ziemlih ſchmal nah Oſten zulaufenden Streifen des oberungarifchen Landes: 
gebietes der Habsburger einige bedeutenbere Waffenpläße, wie z. ®. im Weiten: 
zreiltabtl a. d. Waag, Lewenz; im Oſten: Putnok, Onod, Tofaj, Nagy: 
Källö, Nagy Käroly; im Naabgebiete: Räpa, Kapuvär, Oedenburg, Särvär; 
im Donaugebiete: Klein-Komorn, Egerizeg, Weiten, Veßprim u. 4. 

Eine [hlagfertige, ftarfe Armee hätte gegen die Türfen viel aus: 
richten können, aber eine folche gab es nicht; es Foftete ja, wie wir fehen werden, 
die größten Schwierigfeiten, die Faiferlihe Solbatesfa in den Gomitaten 
unterzubringen, man jträubte ſich fo lange als möglich, empfing jie voll Miß: 
trauen, ja feindjelig. Dazu tritt die ungemeine Schwierigfeit der Kriegs: 
führung in einem ftraßenarmen und in feuchter Jahreszeit mit grundlojen 
Wegen ausgeitatteten Lande; beſonders gilt dies vom ojtungarijch-fiebenbürgijchen 
Grenzgebiete; endlich darf ber Unbotmäßigfeit ber oft fchlecht gezahlten, ftetd 
zur Meuterei neigenden und wilden Solbatesfa nicht vergefjen werben. 


Barclay war nun wieder Fürft des Landes, aber verachtet 
bei den Seinigen und vom tributheifchenden Türken wie ein wort: 


588 XVI. Bud: Vom weitph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 


brüdiger Sklave behandelt; die Siebenbürger hatten Großwardein 
retten wollen, indem fie die Bedingung, daß es dem Sailer 
Treue ſchwöre und feine Beſatzung aufnehme, Ungam gegenüber 
eingingen. Die Rettung blieb aus, Großmwardein mußte capituliren, 
e8 ward eine Beute der Türfen, wie wir bereits ſahen. 

Die Siebenbürger in ihrer tiefiten Bedrängniß hoffen von 
Johann Kemeny ihre Nettung. Gegen Barcfay war Aufruhr, 
namentli unter den Szeklern, ausgebrochen. Im December 1660 
fommt es zum Landtage in. Sz. Regen. Gemeinfam mit Barcjay 
hatte ihn Kemeny berufen; dieſer erklärt, abdanten zu wollen, wenn 
es der Wunsch’ des Landes ſei; in der That wählen die Stände 
den 1. Sanuar 1661 Kemeny zum Füriten. Barclay verjucht gegen 
ben neuen Fürften neue Ränke, der Mediafcher Landtag (April) ächtet 
ihn, und Kemöny läßt den Nebenbuhler und deſſen Bruder ent: 
haupten. 

Aber die Türken unter Ali-Paſcha nöthigen bald Kemeny, aus 
dem Lande an die Theiß zu flüchten und hier die Verbindung mit 
Montecuculi abzumarten, der nun an der Spitze der Kaiferlichen 
die Aufgabe bat, den Fürften Siebenbürgens zu unterftügen. Denn 
gleih nah Kemeny’s Wahl jchrieben der Palatin und Primas 
Ungarns an die fiebenbürgijchen Stände, fie künnten auf nachbar—⸗ 
liche Unterftügung ficher rechnen. 10,000 Mann hatten die Ungarn 
durch den Palatin Weffelenyi zufichern laffen: es fand fi) nur eine 
Handvoll Reiter ein! Sigbert Heifter, Commandantin Szatmär, jollte 
Kemeny zunächſt die Hand reichen, Graf Rihard Stahrem: 
berg an der Theiß Stellung nehmen, das Hauptheer unter Monte: 
cuculi (10,000 Mann) gegen Gran uud Dfen operiren. Der 
Hoffriegsrath, von den Ungarn beftürmt, befahl nun, daß auch der 
Oberfeldherr an die Theiß marjchieren ſolle. Meontecuculi fträubte 
fich, denn er war überzeugt, Siebenbürgen müſſe in Ungarn erobert 
werden; aber er fügte ih. Den 30. Auguft ſtand Montecuculi 
bei Szatmär. 

Die Türken ziehen fi zurüd, Montecuculi und Kemeny folgen 
ihnen gegen Klaufenburg; Ali-Paſcha weicht nah Maros-Bäjär- 
hely zurüd. 

Hierher war von dem Türkenfeldheren ſchon Ende Auguft ein 
neuer Wahllandtag entboten worden, den, eingefchüchtert, die 
Stände, vorzugsweife die Sachſen, Kronſtadt ausgenommen, beſchickten. 
Die Türken ſuchen um jeben Preis einen neuen Fürften; Ali wollte dem 
Sadjenbifhof Hermann, dann dem Pfarrer von Bodendorf die 
Würde anhängen; der Dfener Paſcha fei mächtig und der Sultan 





590 XVI. Bud: Tom weftph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgekriege (1648— 1700). 


Sehr viel ct verbreitet barüber bie Botihaft des kaiſerlichen 
Nefidenten bei der Pforte (vom 22. April 1662). „Ach fürchte, day ein 
graufamer Krieg bevorfteht und ein Brand auflodert,“ hatte ihm der Tſchauſch 
bes Großveziers geiagt; der Kaifer möge überzeugt fein, fchreibt Reninger, daft 
die Pforte den Krieg wolle; jie werde in nicht? nachgeben, von nichts ablaſſen, 
auch von ihren SU gegen den Wortlaut des Friedens befeſtigten Plätzen nicht. 
Vor Allem bejtünde fie darauf, daß die vom Banus Niflas Zrinyi dem 
türfiichen Kanifcha gegenüber erbaute Feſtung demolirt und der vom faijerlichen 
Kriegsvolfe um Ofen verübte Schaden erjegt werde. (68 war died Zrinyivar 
(Serinwar), das Lieblingämerf des tapfeın ZTürfengegners, 1661 im Hoch— 
fommer vollendet; er ſelbſt hatte am Baue eigenhändig mitgeholfen. Nichts werde 
die Pforte außliefern, feine Bejakung des Kaiſers und feinen von ihm erhobenen 
Fürten im Lande Siebenbürgen dulden. — Frankreich betradhte den 
Türfenfrieg als feinen Plänen gegen das deutſche Reich ungemein förderlich. 
Unaufhörlich träfen Spahis aus Alien ein. Die Iartaren würden mit Ruſſen 
und Kojafen Frieden fchließen, um für den Türfen verfügbar zu werden. 


Ahmed Köprili, der Triegeriihe Gegner Defterreihs, rechnete 
auf die politifche und confeffionelle Unzufriedenheit Ungarns; 
fie war in vollem Gange. Schon der Preßburger Tag vom Jahre 
1659 brachte Bejchwerden vollauf, vor Allem die der Proteftanten. 
Sie fürdten eine allgemeine katholiſche Reftauration, ge 
tragen von der römiſchen Hierarchie, von den „papiftiihen” Mag: 
naten und vom Wiener Hofe. 

Noch erregter geitaltet ſih — unter dem Eindrude der Vor- 
gänge in Siebenbürgen und des mißglücten Heereszuges Montecuculi’s 
— der Reichstag vom Mai bis September 1662. 

Neben die Beichwerden der Proteftanten Stellt ſich die hart: 
nädigite Forderung der Ständetafel auf Entfernung der deut: 
hen Bejagungen. Um diefe Forderung auf ihr richtiges Maß 
zurüdzuführen, möge bemerkt werden, daß nad) actenmäßigen Aus: 
weile vom 2. Auguſt 1662 auf 16 feite Pläbe des ganzen Taijer: 
lichen Oftungarns 3300 Reiter und 5200 Fußknechte, auf 24 Orte 
Weitiingarns 1500 Reiter und 3751 Fußknechte, und auf ganz 
Donauungarn mit 12 Waffenplägen 40 Compagnieen mit reifigemn 
Zeug vertheilt erfcheinen. 

Die Proteftanten begehrten vor Allem Grledigung ihrer 
Religionsbeſchwerden, dann wollten fie mitberathen, die Ratholifen 
zunächit den Abzug der Deutichen aus Ungarn; hart gerathen die Reli- 
gionsparteien an einander. Die Proteftanten zählen auf das Ericheinen 
des Banus Zrinyi, ber, obſchon Katholik, als entichiebenfter 
Autonomift und Oppoſitionsmann für ihre Sorberungen einzutreten 
gewillt it. 


XVI. Bud: Bon weſtph. Frieden b. 5. ſpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 591 


Es liegt in diefem Manne, dem Enkel des Bertheidigers von 
S;igeth, dem Sohne Georg’s Zrinyi, eine unleugbare Bedeutung. 
Geboren 1. Mai 1618, früh mit dem Türkenkriege vertraut, 1646 
im kaiſerlichen Heere gegen die Schweden auf mährifcher Erde genannt, 
dann Banus geworden, verfügte Nikolaus über eine unter jeinen 
Landsleuten und Standesgenofjen ziemlich jeltene allgemeine Bildung ; 
über eine fcharfe Feder und als tüchtiger Latinift und Freund claſſiſcher 
Dichtung über das, was man poetiiche Ader nennt. Sein Epos 
„der Untergang Szigeths“, feiert den Großvater, aber auch den 
Chrijtenglauben im Kampfe gegen den Erbfeind. Die idyllijchen 
Dihtimgen, wie 3. B. die Syrene des Adriameeres, Ariadne, Orpheus, 
wie wenig auch unjerem Geſchmack behagend und eigentlich poetiſch, 
verdienen Erwähnung. 

Croat und Magyare zeigen fih in ihm verjchmolzen zum 
rüdfihtslofen Verfechter ungarifher Ständefreiheit. Kampfluftig, 
ein Meilter des Kleinen Kriegs, voll Ehrgeiz und leidenjchaftlicher 
Haft, ſchwer verträglih, aber ein vornehmer Charakter, der nied— 
tiger Mittel unfähig ift, — jo ftellt ſich Banus Zrinyi, der Abgott 
Vitnyédy's, der feurige Ungar, Autonomift und Kriegsmann, von 
Natur ohne Schule, — dem Wiener Minifterium Porzia und vor 
Allem dem Methodiler Montecuculi gegenüber, dem „böjen 
Kufuf”, dem „Wiener Perjpectiv”, wie die ‚ungariſche Oppofition 
und ihr Hauptorgan Vitnyedy Tpöttelten. 

Der faiferliche Feldherr weift die Angriffe gegen jeine Kriegs: 
führung in einer langen Vertheidigungsſchrift zurüd, Falt, vornehm. 
Zrinyi ‚antwortet darauf in einer lafeinifhen, namenlojen Flug: 
ſchrift mit beißendem Hohne und ſchickt bald die zweite „das 
wider das türfiihe Opium wirkſame Heilmittel“ — in magyarifcher 
Sprade — nad; fie ift die Poſaune für die fräftige Erhebung des 
Ständethums aus ‘dem einfchläfernden Opiumraufche der Türken: 
gefahr. Seine Worte, die er an die Akatholiſchen richtete, als fie 
unzufrieden (2. September) den Reichstag verließen: „Sch befenne 
mid zu einem andern Glauben, aber Eure Freiheit ift auch die 
meinige, das Euch zugefügte Unrecht ift auch mir angethan” ... 
mußten in den Kreifen der proteftantiichen Oppofition weithin ver: 
nehmbar jein. 

Dieſe Oppofition wurzelte vornehmlich in den 13 meift prote- - 
ftantiihden Geſpanſchaften Oberungarns; ihre Botichaft 
nah Wien gegen die ohne ihre Ammwefenheit abgemachten Reichs: 
tagsbejhhlüffe wurde von Borzia an den PBalatin Wefjelenyi ver: 
wiefen und fcharf einbegleitet. 


592 XVI Buch: Vom weitph. Frieben b. 3. ſpan. Erbfolgefriege (1648—- 1700). 


Der Türkenkrieg war fo gut wie fiher; das Wiener 
Cabinet bot Alles auf, um ihn hintanzuhalten, aber vergebens ; 
ſchon im März 1663 erhob ſich der Sultan und der Großvezier 
mit 12,000 Mann von Adrianopel, im Juni ftand er vor Belgrad; 
Nenninger, der faijerliche Botjichafter, befand fi im Lager des Groß: 
herrn. Kammerrath Beris, den die Pforte 1662 jo verlegend 
behandelt und Goes, welche in Temesvär den ganzen Winter hin: 
durch erfolglos diplomatifirt, erwarten ihn hier, um dem Hofkriegs— 
rathspräfidenten Xobfomic die Forderungen des Sultans zu 
hinterbringen. Sie waren jo geartet, daß eine Annahme unmöglich) 
fchien, denn man verlangt die Räumung Siebenbürgens, der Feſtung 
Szefelyhid und die Zerftörung Zrinyivär’s, überdies 30,000 Ducaten 
Tribut. Auch die Spätere Abänderung diejer legten Forderung war 
nicht annehmbarer. 

Als die Türken anrüdten, befanden ſich kaum 6000 Mann 
faiferliche Truppen über ganz Ungarn veritreut. Es war ein Glüd, 
daß die Langjamkeit der Türken im Anmarjche von Belgrad einige 
Zeit den Taiferlihen Rüftungen offen ließ; hatte doch die Pforte den 
grbgen PVortheil, in zwei Drittheilen Ungarns feite Plätze und Be- 
fagungen inne zu haben, ferner über den neuen Fürften Sieben- 
bürgense M. Apafi als Vafallen und ein ungeheueres tartarijches 
Hülfsheer verfügen zu Tönnen. 

MWürdigen wir nun die Maßregeln der Bertheidigung. 


Im Mai Hielt Montecuculi den eriten großen Kriegsrath in Wien 
ab. Tie Rabnig und Waag wurden ald Umfangslinien der Vertheidigungsbafis 
feitgejtellt. 

Am 7. uni ward die allgemeine Infurrection im Reichstage ver- 
fügt; aber fie jei erjt Mitte Juli möglich und bis dahin aud) die Aufnahme 
einer Faiferlihen Armee unftatthaft. Den 15. Zuli rüdten endlich die Truppen 
im Hauptlager bei Unter: Altenburg ein, ed waren zunächſt nur jechithalb 
Taufend Mann. Unter foldhen Berbältniffen erſcheint auh Montecuculi's 
Schreiben an den Hofkriegsrath (24. Juli 1663) ungemein arafteriitijch: 
„Sreellenzen! Aus unterthänigfter Hochachtung, welche ich für ben Faijerlichen 
Dienft trage, in welchem ich 36 Jahre ununterbrochen zubringe, ohne einen 
einzigen Feldzug ausgelaſſen zu haben, bequeme ich mich gegenmärtig dazu, mit 
einer Partei von 4000 Pferden den Eroaten zu maden; ich opfere Alles den 
allergnädigften Befehlen St. Meajejtät, jobald fie mir Mar fategorifch und aus: 
führbar gegeben werben.“ 

Ende Juli brachen bie Türken, über 120,000 Mann ftarf, von Ofen gegen Neu⸗ 
häuſel vor und erbrüdten bie ihnen unter Forgäc fich entgegenwerfende Mann 
{haft (7. Auguft). Tas Ergebniß des Feldzuges, in welchem unter Monte: 
cuculi’3 Befehle Die GeneraleSport, Heifter und Schneidau inben Vordergrund 


XVI. Bud: Vom weitph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgefriege (1648— 1700). 593 


treten, wirb uns erflärlih, wenn wir bedenken, wie gering die faiferliche regu- 
läre Truppenmadt war, und baß bei der allgemeinen Verwirrung und Angit, 
andererfeit3 unter dem Cinfluffe der ſchlechten Stimmung auch die Inſurrection 
oder das Landesaufgebot beijpiellos Häglihen Erfolg hatte. Der Palatin fand, 
als er bei Wartberg, zwiſchen Preßburg und Tyrnau, den 24. Auguit anlangte, 
auf dem anberaumten Sammelplate nicht Einen Mann vor, und erſt Mitte 
October erihien der Banus Zrinyi, Oberfeldherr bes Aufgebotes, mit 15,000 Mann 
regulären und Infurrectiondtruppen bei Komorn; Montecuculi und bejjen Armee 
von 11—12,000 Mann zur Seite. Dabei müfjen wir in Rüdficht ziehen, mit 
welch gereizten Empfindungen ber fchlagfertige, eigenwillige Banus und ber 
methodijch bedächtige Feldmarſchall, die eigene große Verantwortfichkeit im Auge, 
— einander im Kriegsrathe begegneten; — und wie ſchwer ba bie Rollen: 
vertheilung zwiſchen Montecuculi, Zrinyi und dem Palatin fich geitalten mußte. 

Leicht konnte da bie türfijche Uebermacht das weltliche Bergland 
überſchwemmen, Neutra, Leva, Galgöcz, Szecfee, Neogräd u. a. DO. ein: 
nehmen und verwüften; die Tartarenſchwärme bi8 nah Mähren einbrechen 
laffen, mofelbft de Souches ald Befehlshaber und Vertheidiger des Landes 
feine Schuldigfeit that. 

Daß e8 an mutbiger Bertheibigung feiter Pläte nicht fehlte, beweiſt 
die Ausdauer, mit welcher ſich die Feſtung Schintau und das Kajtel Frei— 
ftadtl an ber Waag hielten. Auch die Geihichte der Belagerung von Neun: 
häufel, des koſtbarſten Bollwerfes im nördlichen hab3burgifchen Ungarn, mo 
Forgäcs und Oberſt Pio bad Commando führten, Wochen lang mit ihren 
5—6000 Mann (darunter 1200 Ungarn), dem Anftürmen ber ganzen Türken⸗ 
macht die Spite boten, und eine ehrenvolle Gapitulation erit eingingen, als 
Meuterei auszubrechen drohte und die Mannſchaft auf ein Dritttheil berunter- 
gefommen war (27. September), — macht begreiflich, daß es dann ein ſchwieriges 
Stüd Arbeit Eoften mußte, ben Punkt zu finden, mo das Verdienjt aufhört und 
die Schuld beginnt, Mißgeſchick und Fehlgriff einander ausſchließen. Der Aus- 
gang bes Friegsrechtlicyen Proceſſes gegen Forgäcs ſpiegelt am beſten dieſe 
Schwierigkeit ab. 


Der Fall Neuhäuſels in Türkenhand, als das End— 
ergebniß des Feldzuges, rief nun aber eine ſchwere Anklage der 
öffentlichen Meinung gegen Montecuculi wach, daß er den Ent- 
ja diejer Hauptfeftung nicht erzwungen habe. Der Taiferliche Ober: 
feldherr fand fi genöthigt, einen ausführlichen Bericht als Recht: 
fertigung in die Hände des PBrincipalminifters Porzia zu legen. 
Die Oppofitionspartei bejaß jedoch darin einen willlommenen Halt 
zu ihrem ſchonungsloſen Berdicte über Meontecuculi; dagegen wies 
fie auf den nationalen Helden, den Banus Zrinyi, als Sieger in 
mehreren Treffen über Abtheilungen des Osmanenheeres — vor 
Serinwar und an der Donau — mit ftolzer Befriedigung hin. 

Vergleichen wir das Aufgebot der Türkenmacht mit deren 

Krones, Gel. Oeſterreichs. IIL 38 


594 XVI. Bud: Tom weitph. Frieden b. 3. fpan. Erbfolgefriege (1648— 1700). 


Leiftungen, fo war der Erfolg nur in Bezug Neuhäujels bedeutend, 
aber Ahmed Köprili fonnte auf die jtrategiihe und moraliide Rüd- 
wirkung diejes Erfolges für das nächſte Kriegsjahr ftolze Hoff: 
nungen bauen. | 

| Hieher, in das Lager vor Neuhäufel, batte er Apaffy, 
den Vaſallen der Pforte, berufen; diefer erichien zögernd, die Aus- 
fiht auf die Fürftenwürde Ungarns follte ihn um fo dienft- 
williger machen. Unter feinem Namen ericheint ein Rundjchreiben 
an die Ungarn, worin Allen Freiheit und Sicherheit verbürgt wird, 
die fi) der Gnade des Sultans gefügig beweifen würden. Der 
Palatin ertheilte in feinem Antwortichreiben dem Fürſten Apaffy 
eine fehr derbe Abfertigung, worin fih die wirkſame Stelle findet: 
„Dit der Freiheit Siebenbürgens habe es ein munderliches Be— 
wandtniß, da man wiſſe, daß ſich dort um ein paar gute farmoifin- 
rothe Gzismen 7 Fürften um die Wette abmühten!” Ein faifer- 
lides PManifeft vom 10. November (1664) ermahnte zur 
Treue und ftellte namhafte Hülfe des deutfchen Reiches in Ausficht. 

Ahmed Köprili hatte den Faijerlichen Botichafter Goes von Ofen 
mit der Botſchaft entlaffen, er werde nächſtes Jahr Wien jeinen 
Beſuch abitatten und 100,000 Türfen mitbringen. Es läßt fi 
nun nicht leugnen, daß feit December des Jahres 1663 eine außer: 
ordentlih rege Thätigkeit in den kaiſerlichen Rüftungen zu 
Tage tritt. Man war fi) der ganzen Größe der Gefahr bewußt; 
nad) allen Richtungen erließ der Wiener Hof Aufmahnungen zur 
Hülfeleiftung gegen den Erbfeind, an das Reich, an den Papſt, an 
England, Schweden, Dänemark, auh an Franfreid, das aus 
Anftandsrüdfichten und im Hinblid auf die Stellung zu Deutſchland 
die türfenfreundlide Gefinnung barg und -Kriegshülfe verſprach. 
Mit Apaffy, dem Schaufelpolitifer, läßt der Kaiſer durh General 
Kolb und den Jeſuiten Kaſzonyi Unterhandlungen anknüpfen, und 
man erkennt deutlich das Beitreben des Fürſten Siebenbürgens, bei 
dem ansbrechenden Entjcheidungsfampfe in gevedter Stellung nach 
beiden Seiten bin zu bleiben. 

Ten 18. März 1664 jtanden in der Hauptarmee Montecuculi'3 28,000 
Mann; 8500 bildeten bad Corps bes Feldzeugmeiſters de Soudes; 16,900 
Mann die Streitmacht des Feldmarfchall-tieutenants Strozzi und des General: 
Lieutenants Hohenlohe, an 12,500 Manı lagen in Bejagungen vertheilt. 
Mit den Ungarn unter Franz Nädasdy, den deutſchen Truppen unter bem 
Reichsfeldmarſchalle Prinzen Leopold Wilhelm von Baden, den ungariſch-croa⸗ 
tiihen Schaaren unter dem Banus Zrinyi, Batthbiany u. A. konnte auf eine 
Geſamnitmacht von 62,000 Mann gerechnet werden. Auch 5000 Franzoſen 
unter einem Goligny und la Feuillade fließen dann zum Heere. 





596 XVL Bud: Vom weilpb. Frieden b. z. fpan. Erbfolgefriege (1648-1700). 


liche Botichafter im Lager des Großveziers, Nenninger, in voller 
Unfenntniß der Sachlage und aus eigener Willfür gehandelt. 


Die Hauptpuntte besfelben bejagen: 

1) Siebenbürgen mwirb ſowohl von ben kaiſerlichen als türfifchen 
Zruppen geräumt. 

2) Apaffy erlangt von beiden Theilen bie Anerkennung als Fürſt Sieben: 
bürgens. 3) Nach Apaffy's Tode fällt an bie Siebenbürger daB freie Wahlrecht 
zurüd. 4) Szatmär und Szobolcd mit den Hajdulfenftäbten bleiben im Beſitze 
Leopold's L 5) Der Türfe behält dagegen Neuhäufel, Neogräd und Groß- 
wardein. 6) Szefelyhib wird zerjtört; Serinwar bleibt in Trümmern. 7) Der 
Kaiſer Tann zum Schube des Waagthaled ald Erjak für Neuhäufel eine neue 
Burg erbauen (Leopolditabt, 1665 begründet). 8) Binnen vier Monaten ſendet 
der Kaifer an den Sıltan ein Geſchenk von 200,000 Thalern, ba8 der Großherr 
mit einem Geſchenke erwidert. 9) Der Friebe dauert 20 Jahre und die jonftigen 
Satungen des Vertrages von Zjitvatorof (1606) bleiben in Kraft. 


Den Sclüffel zu diefem Frieden boten die Anſchauungen des 
Wiener Hofes von der Sachlage in Ungarn. 


4. Die ungarifhe Magnatenverſchwörung und ihre Folgen 
bis zur Walfenerhebung Tökölys (1665-1679). 


Literatur (vgl. d. allg. u. d. 3. Abſchn.) 


1) Magnatenverfhmwörung. Hauptquellen und Bearbeitungen: Beſchrei⸗ 
bung ausführ: und wahrbaftige, wie e8 mit denen Griminalprocefien unb 
darauf erfolgten Grecution wider die Graffen Franzen Nadasdi, Peter von 
Zrin und Franz Chriſtoph von Frangepan eigentlich ergangen (mit 12 Kupf., 
Fol. Wien 1671); Beichreibung, wie e8 mit den Criminalprocefjen und Exe— 
eution wider Johann Erasmus von Tattenbach bergangen (Wien 1672). 
Bel. in letzt. Bez. Bedmann, Idea juris statut. Graecii 1688, f. 87 ff.); 
Histoire des troubles en Hongrie, 2. A. (Paris 1686); Korneli, Fragm. 
hist. Hung., IL; J. Bethlen, Hist. Transs. II; %. ®agner, Hist. 
Leop. magni, caes. I. (1719); vgl. Rint, a a. O., I. 3b.; Lünig, Litt. 
proc. Europae UI. (Zriny’3 Vertheidigung); Katona, XXXII. (jehr viel 
Material und gut gefihtet); Pray, epp. proc. r. Hung. 3., vgl. aud) Feff: 
ler: Klein, 4. Bb.; Horväth, 4.; Szalay, 5. (manches Handſchrr. benützt); 
Majläth, öſterr. Geſch. 4. (aktenmäßig); Frh. von Hammer-Purgſtall, 
Die Galerie auf der Riegersburg, hiſt. Roman mit Actenſtücken und Urkunden, 
DO. 1845, ©. 266—278 und Urk. Anh., ©. 310 ff. (bruchſtückw. Wiedergabe 
v. Arhivalien); Puff, Bericht einiger gefchichtl. Irrthümer, die Verſchwörung 
bed Grafen Zattenbad) in ber Steiermark betreffend. Deflerr. Blätter f. Litt. 
u. R., 5. v. Schmibl (1848, ©. 29); Beitr. 5. Kenntniß des Verſchwörungs⸗ 


XVI Bud: Rom weſtph. Frieden b. 3. ſpan. Erbfolgefriege (16483—1700). 597 


procejjed der Grafen Tattenbach, Zrinyi, Frangepani, Marburger Taſchb. 1859, 
168—205; Krones, Actenmäßige Beiträge zur Geh. des Tattenbach’fchen 
Prozeſſes v. J. 1670. Mittd. d. Hift. Ver. f. Steiermark, 12. Heft, 1863, ©. 
83—112 (Mater. des Soann.- Archivs); Aler. Szilägyi, Zrinyi Peter &s 
tärsai ligäja (das Bündniß Peter Zrinyi's u. ſ. Genoffen), (Leipzig 1867); 
A. Wolf, Lobfomic (1869, 236—284, actenmäßig). Eine der neueſten Berei- 
cherungen erfuhr die ganze Frage durch die umfafjende Sammlung von Rai: 
Acta coniurationem Bani Petri a Zrinio et com. Francisci Frangepani 
illustrantia, 5. v. d. fübjl. Afad. d. W. z. Agram (1873); Die jüngfte aus— 
iührliche quellenmäßige Arbeit ift die von Zul. Bauler in magyarifcher Sprache, 
(erich. 1876, 2 Bde.). Einzelne fiehe in Tünig, Literae proc. Europa, III.(Verth. 
de3 Zrinyi); Pray, epp. proc.r. Hung. III.; Kornel, Fragm. hist. Hung. 
Il.; Rumy, Monum. Hung. I. (Babocsay: fata Tarczalensia); Szirmay, 
notit. comit. Zemplin. — inäbef. aber im 2. Bde. der wichtigen Briefſamm⸗ 
lung Vitnyebi’s, 5. v. Fabé; Hocher's Begründung der Todesitrafe ber Re: 
bellion gegenüber, im 8. Bbe. des Arch. f. K. öfterr. Geſch; Firnhaber, 
Aktenſtücke z. Aufbell. d. G. Ungarns im 17. 18. Jahrh. (3. 3. 1672); vgl. 
auch Bidermann, Geſch. ber öfterr. Gefammtitaatsideen (über Die leit. An» 
Ihanungen der öſterr. Staatsmänner — in ber ganzen Frage). 

2) Für bie Zeit von 1671— 1677. Broteftantifche Nachrichten: Leber dad 
Verfahren gegen bie Afatholifen: Simonides (Paftor zu Rimafjombat im Gö- 
mörer Comitate), Galleria omnium sanctorum, d. i. der „Märtyrer“ Der pro- 
teitantiihen Sache; in beutfcher Sprade mit Anm. im Magazin f. Geſch., 
Stat. u. Staatör. d. öfterr. Mon. (Göttingen 1806, LI, 146—214, vgl. 
die Sammlung v. Fabéô w. u.); NRaym. Rimandus, Prepburger Schul: 
und Kirchenverluft (1673); Joh. Burius ( 1688), Micae historiae evan- 
gelicorum, her. v. Paul Liner (Preßburg 1864); Chriftoph Klejch, Suc- 
cincta papisticae in XIIL Scepusiacis Hungariae oppidis a. 1674 institutae 
„deformationis“ enarratio (Geſch. der kath. Deformation in den XIII Zipfer 
Städten) (Jena 1679, 49 4 BU); Joh. Efänyi (Bürger v. Debenburg), Un: 
gariſche Chronik 1670—1704, 5. v. J. Paur im 5. Bde. des magyar. tört. 
tar (1858). Die Nuszüge der Leutfchauer Chronif b. Wagner, Analecta 
Scepusii II. (welche aber von dem Herausgeber als Sefuiten unvollftänd. und 
tendenziös gemacht wurden und den leider noch handſchr. Tert durchaus nicht 
erjeken fönnen); Ofolitfänyi, Historia diplom. de statu relig. Evange- 
licae in Hung. (o. DO. 1710); Math. Bel, Notitis Hung. novae, 4. Abth., 
reih an lofalgefch. Daten, befonbers f. DO. Ungarn in diefer Epoche (1735 bis 
1742. Viennae); Ribinyi, Memorabilia augustanae confessionis in Regno 
Hungariae P. II» a Leopoldo I. u. a. Carolum VI. (Posonii 1789; ſehr 
reichhaltige Materialfammlung); Samuel Klein, Nachr. v. d. Lebendumftänden 
u. Schr. evangel. Pred. in allen Gemeinden des Königr. Ungarn (Leipzig und 
Oien 1789, I. Thl., 399 ff.); Hist. ecclesiae evangelicae August. confess. 
addict. in Hung. universae praecipue vero in XIII. opp. Scepusiü (Sal: 
beritabt 1830); Hornyanßky, Beitr. 3. Geſch. evang. Gem. i. U. (Pefth 1363); 
Eine jehr wichtige Quellenfammlung in dieſer Richtung veröffentl. jetzt Fabö, 


ya X 7. Pr Fam meras. „reden 3... ar Märslzefzege I Tr—!Ten 
Yrım wargeen®mm an. rar: nRetrmım. !—. PP. kei IE 
mir Wer Zır3r)si, vn KIaıiinıa. 
wurwe rsigem. Rıräe. Zhrhın mama Zorzge.. Tee Fiagr. der 
sie, erde änaams en. 2. Long Kaas Dem ee, 2 
wet mon alien. u. Zeden)., I. HM. ıarasrı Im. ZYImMJ rcy2L2: 
a ran. Zur, Mao Medi, ses Zirdsg. eisen. Rai IT27 m» He 
F. Kuaßıını, Han. te lsrlias rei. — 13. 209 Lrilimıno 
rar 0er ande Kegteu. „weis. 3. arstet. Rise om Ingame. Ir 
Bas, Magens: abssar. ı. Rreimını s wann. Autlärn uder tue 
mir. Bamminse b. ber. onarchie ann IV, Z. lomn. 

Kanfargsliiger Zeite: Kartong igigter Protit /nd Iimlardıthar 
nen Wensmarsen;, Vertas tor munde deriarata,. arırument) "Tran 
wetarılena. zarrat. Gars, rez. majestatem nen oblisari in Hanz. sectas 
lutheranam et ralvınam tolerare ıkaihau Ir. lı. vegen ibn zar en Ero- 
wupr ber zäurnspatafer Gald:ıerafaserie mit de: Zur auf: Fal»iras veri- 
tat foto ınunde deelarata, dgl. das fur die polemtihe Yirer. dieſes Zettr. 
hraurhbare Yireraturmerf nes Ltaritten Sorängt: Mem. Hungar. «t Pri,vin- 
raalıuem weriptis eritia nntomım (Lin 1715 1. I., 126 7.1; \09. Yapiansfi 
(Zorrstar Des, Karbinalersbiihors von (ran, Zzelepciengi, und notarius publiens 
inehens Aelegatı Poroniensis v. X. 1675). Zeiien (?) lateiniicher Tractat. 
erirhien 8. das qrorere Publifum deutſch bearbeitet unter folgenden: weit: 
langem Sitel: „Kurzer und mahrhaftıger (Yerichtsaussug, womit unveroßlen 
und ſonnenfſar ermieien wird, Dan die im Königreih Ungarn unlarboliichen 
Prabteanten nicht im Anſehen der :Heligion, fondern ber Rebellion und Aufruhr 
megen abgejent und des Königreiches vermwieien und auch nicht weniger erit er- 
mühnte Jrünicanten nicht insgeſammt, fonbern ein ieder ber \nionderheit gerichtlich 
in “Zarhen ühberwiejen geurthrilt und rechtmäßig verurteilt worden. Zo einem 
huchſe deleg. fön. Bericht zu Preſburg zugrichrieben und durch eben hochgedachten 
huchl. Mirichtsiecretarium (Lapſanski), ſo Amts wegen ſelbigem Verlauf per: 
Jöhnlichh beygemohmt, auch Alles und iedes jelbit treulich in Die Feder über— 
nommen, verſaſſet wornden. Ehriſtlich gedruckt zu Tyrnau i. Ober-Ungarn anno 
Ih sm Monat Martio, hernach im Veajo zu Dillingen (mo auch einige Jahr- 
ginge der Fitterne annune Soeietatis Jesu erichienen) nachgedruckt, iegund 
abeı bey Bieten lannenden Seiten trenlich und nüßlich zum dDrittenmale auf: 
delegteund gediunft i. J. TOR,“ A, 

Wegen dieſen Iractat kehrte ſich von protejtantijcher Seite die Flugſchriit: 
Hungariſche Rräbicanten Unſchuld wider bie dreiſtigfach unwahre Re: 
ſhulugung, Damit, allem üUnſehen nach ein Jeſuit unter dem Namen 
Anbann Yaplansfi, des deleg. kön. Gerichts in Hungarn Secretarü, ganz 
unbeqründet, falſch und verläumderiſch fürgibt, dan Die im K. Hungarn unfath. 
Prädicanten nicht in Anſehung Dev Religion, ſondern dev Nebellion wegen ab: 
geſchaffet und des Mönigreicheo verwieſen worden, gebr. i. J. Ehr. 1675, 49 — 
uud ein gewiſſer Joſth. Kreſtiönſiti (Pſeudonym ?) aus Freiberg () „Kurze 
Nachricht, eitgegennelebt dem lügenhatten Vericht, oder, wie er genannt wird, 
dem kurzen und wahrhaften Gerichtoauszug eines wohlgezogenen Pulli Jesuitici 


XVI. Bud: Vom weitph. Frieden b. 3. ſpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 599 


Namen? oh. Lapſanski, erzbiih. Secretarii ... . gebr. 1683; Szentivänyi 
(Sejuit), Curiosioria et selectioria variar. scientiar. miscellanea Decades III. 
I—IOI. 1. 2, (Tyrnaviae 1689—1702). Dissertatio paralipomenica rer. 
memorab. Hung. ex parte I. Dec. III. separate edita ib. 1699); Pethö, 
magyar kronika, fortg. v. d. ef. Spangär (Kaſchau, 1. U. 1734, 2.9. 
1738); 3. Kazy (Jeſuit zu Tyrnau, der das Material feines fleißigen Ordens- 
bruders Timon außnügte); Hist. Hung., IH. Abth., 1663—1681 (Tyrnau 
1738). Das Hauptwerk, ftofflih ungemein reid: Katona, Hist. crit. r. Hung,, 
XXXIV. 2b. (die Sabre v. 1671—1682 umfaffend); Majlath, Die Reli: 
gionsmwirren i. Ungarn, 2 Bde. (Regenäburg 1845). 

Ueber Die politifche Gef. Ungarns in biefem Zeitraume: Venet. Relat., 
bh. dv. Fiedler, a. a. O., insbeſ. f. d. 3. v. 1671, fi.; Eſ. PBufendorf, Ge 
ſandtſchaftsbericht a. a. DO.; Török magyark, okmänytär, 7. Bd. (1871), 
Aktenſt. |. 1671 ff.; Bethlen, önélet iräsa (Autobiogr. Bethlen’8) a. a. O.; 
ob. Bethlen, Hist. rer. Transs., 1662—1673, h. v. Horänyi, 2 Bde. 
(Viennae 1782, 83) u. ®olfg. Bethlen, 5. v. Benkö (f. o. Lit. z. 3. Abſchn.); 
Tökölyi's Tagebücher (Monum. Hung. hist., II. A. 17.,18. Bd.); Le Elerc, 
Hist. du comte Tekeli und Vanel, Hist. des troubles d’Hongrie (1686) ; 
Katona, a. a. O.; Felfler: Klein, 4. Bd., Horväth 4, Szalay 4. 
(der auch aus Handſchrr. Ihöpft); Majläth, Geſch. Deiterr., 4. Bd.; A. Wolf, 
Lobkowitz (insbeſ. S. 335—361), vgl. auch Bidermann, Geſch. d. öſterr. 
Geſ.-St.-J. (insbeſ. die reichhalt. Noten); Szilägyi, Erdelyorsz. tört. II.; 
Teutſch, Geſch. d. ſiebenb. Sachſen, 2. A. 


Der Eiſenburger Friede mit dem Türken findet ſeine Er— 
klärung nicht bloß in dem Friedensbedürfniß der ſtets in Kriegs: 
mitteln fehlecht beftellten Taiferlichen Regierung, gegenüber der weit 
überlegen erjcheinenden Waffenmacht der Pforte, ſondern aud in 
dem Mißtrauen des Wiener Hofes gegen die Kriegsbereitichaft und 
vornehmlihd gegen die politifhe Gefinnung Ungarns. 
Er war aber jedenfalls ein Fehler, was feinen Inhalt und die Form 
feines Abjchluffes betrifft, — denn er gab voreilig den ganzen 
Gegenſtand des Kampfes, die ftrategijche Bofition und Siebenbürgen 
preis, fräftigte ungemein das Selbitgefühl der Pforte und bot da- 
durch und in formeller Beziehung durch den Ausschluß der Ungarn 
von der Verhandlung nicht bloß der entſchieden regierungsfeindlichen 
Partei und den verlogenen Freunden des Wiener Hofes in Ungarn 
willlommenen Anlaß zu den heftigften und gehäfligiten Anlagen, 
jondern brachte auch die loyaler denfenden Autonomiften 
in Harniſch. 

Der entichloffenite aller Autonomiften und offenfte Gegner des 
Eifenburger Friedens, Niklas Zrinyi, der in feinem Unmuthe 
der Signoria angetragen haben joll, ihr mit 6000 Mann erlejener 


6060 XVL ik: Im meint See ser Minze rl 


Trumen m Zmm, molı ni m immer 1664 nd Bin be 
geben, um bier in der enberetenm unsorihen Tresen Sıelumg 
gezen Me Mirtreszin mE Bier Sys su neomel 

In den Arnim der unserm Krrottın arte mon Dos 
(gerud:, szei Bebeimarriiel eb Tielantniben Issrärer 
‚eriebene berrätm Me er Franz chemie Zus, Me Ungarn 

immer sum Mactheile pe Alter murümn um aflcten u 
wolen, ber er re nad (Suurünkn Firte:, und oniererieiis Die 
Ertlarung des Kim Hoies: einem Drrreiiuxe Der Tütken nad 
dem venetianden smni fein Dindros in va Bea legen zu 
wein Ter Bortkorter der Kemutilt Venidic, er das relanonirt, 
ceischz telbit, Das er minderiens für Las weite Der Gerüdte feinerlei 
Anhaltspuntt aufivüren fonnte; Dob fände er den eriien (Sebeim:- 
ertifel glanbwurdig. Auch wir rinden ihn der ganzen Sachlage 
angemenen, aber nur in dem ernen Teile, nicht io in dem zweiten; 
denn ein io plumpes Ausihmegen monarhiider Machtgelüne umb 
ein tolder Kohlerglaube an die Gemwirienhaftiafeit der Pfrorte ift 
politiih und dipfomatiih undenkbar. Aber in Ungam meinten ge- 
mitte Kreiie jederzeit den Wiener Staatsttreih des Cabinetes 
in der Luit wie ein Gewitter veripüren su tollen. 

Ter Banus, dem der Franzoſenkönig ein Geihenk von 10,000 
Thalern als „Entihädigung tür ieine Güterverluite” und gewiß 
nit zur Erbauung des Wiener Hotes geipendet hutte, der überdies 
dort auch ionit mit bebenklihem Auge angeiehen ward, wollte, 
Wann genug, um dem Allem die Stimme zu bieten, die Reiſe nad 
Wien, trog mander Abmahnungen, antreten, da ereilte ihn den 
16. November der Tod auf einer Eberjagd. Erbe der Stellung 
des Hingeſchiedenen im croatiihen Lande und natürlider Nor: 
mund jeiner unmündigen Stinder, wurde beiten Bruder Peter Zrinyi 
(geb. 1611), (Hatte der Echmweiter des Markgrafen Yranz Frangepani, 
„aud) ein großer Soldat an Tapferkeit,“ wie Zagredo Ichreibt, aber 
dem eritorbenen „nicht ebenbürtig an Credit und Haltung.” Für 
die Autonomiitenpartei war Niklas Zrinyi's Tod ein harter Verluft; 
denn fein Anjehen wog jchwer bei Sreund und jyeind. Dem Manne, 
den ber ‚sranzojenfönig nit der Pairsmwürde, der Papſt mit feinem 
Bildniſſe und der Kaiſer mit den Herzogstitel beſchenkt hatte, welchen 
legteren er aber „aus Veſcheidenheit“ ablehnte, dem croatiihen Mag: 
taten, dejien Haus Bücher, Bilder, Alterthümer ſchmückten, und 
dem Menſchen von vornehmer Gefinnung und Benehmungsweije, 
tonnte ſich damals Keiner der ungariſchen Zeit: und Standesge- 
noſſen an bie Seite jtellen. 


. 


XVI Bud: Vom weitph. Frieden b. 3. ſpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 601 


Die Delegationsjigung in Wien vom Ende November 
überjtrömte, wie vorausfihtlih, von Klagen. Man griff die Form 
des Friedensichluffes an, man forderte die Zurüdführung der unga- 
riihen Krone in's Land, vor Allem jedoh die Entfernung aller 
deutihen Truppen. Und doch waren fie es, welche vor Allem 
die Wehrfraft Ungarns ftügten und für deren 88 Grenzbejfagungen 
den deutſch-öſterreichiſchen Ländern 300,000 Gulden jährlich 
zu zahlen oblag. Wie Eläglih hatte fich die ungarische Perjonal: 
injurrection im entſcheidenden Augenblide bewährt! 


Es iſt höchſt harakteriftifch, diefen Klagen den Bericht des Faijerlichen Ge: 
fandten an die ‘Pforte, Freihern Walters von Leslie (+ 1667), unjeres 
Bekannten aus der Wallenfteintragödie, gegenüber zu ftellen. 

Er war zum völligen Nustrage des Türfenfriedend am 15. Mai 1665 
von Wien mit prunfvoller Außrüftung aufgebrochen und im März des nächiten 
Jahres wieder zurückgekehrt. Wichtiger als das, was die „geheime Relation” über 
den Berfall der TZürlenmadt an Wehrfraft und Friegerifhem 
Anfehen vorbringt, ift für unjern Zmed die Mittheilung des Großvezierd an 
Leslie: Die Ungarn mwollteu den Frieden zu nichte machen und ftänden mit ben 
Polen in Correipondenz; der SKaifer babe wenig treue Männer in Ungarn; 
mebr darüber könne ihm der Ofener VBezierpafcha mittheilen. Diefer habe dann 
auch dem Taiferlihen Gefandten in vertraulicher Belprehung befannt gegeben, 
daß mehrere Ungarn der Pforte ihre Huldigung, ihre Burgen und fejten Pläße, 
und ihre Söhne als Geifeln antrugen. (In der That liegt auch ein Schreiben 
Apaffy's vom 18. Mai 1664 aus Weifjenburg an den Dfener Vezierpaſcha 
vor, worin er fagt, nicht wenige Ungarn wären bereit gemwefen, unter Apaffy's 
Bermittelung dem Großherrn zu Huldigen und hätten gerne von den tür- 
fiichen Berficherungsbriefen Gebrauch gemadt; fie feien jedoch durch den Einfall 
der Großmarbeiner Türken in daß Gebiet Siebenbürgend abgefchredt worden). 
Der Kaifer thäte am beiten, meinte der Ofener Vezierpaiha, Kaſchau 
mit dbeutfhen Zruppen und mit einem beutfchen Befehlähaber zu 
verſehen. Es lag eine objective Wahrheit in diefen Worten, wenn fie auch von 
einer Seite auögefprochen erfcheint, die unmöglich den reblihen Willen haben 
fonnte, der kaiſerlichen Herrſchaft gute Nathichläge zu geben. Damals aber 
wollten eben beide Theile, die Pforte und der Kaifer, den Frieden erhalten. 


Sn den Magnatentreifen beginnt aber eine geheime Agi— 
tation, welche bald die Richtung einer Verſchwörung wider die deutſche 
Kaiſerherrſchaft und die Xosreißung Ungarns von derjelben annimmt ; 
wir ftehen jeit 1665 auch in den Anfängen der jogenannten Mag: 
natenverfhmwörung. Ihr rührigfter Agent war Vitnyédi, 
und ihre Häupter wurden der Palatin Wejfelenyi, der Banus 
Peter Zrinyi, der Hofrichter Franz Nadasdy, ein Liebling 
des Kaiſers; Frangepani, der Schwager Zrinyi’s, Franz. 








604 XVL RBuch: Ism werph. vrieden b. ; isau rbroigeiriege (EI 


eine Magnatenbegegnung und den eriten Austauih der Gedanten 
herbeigeführt, io traten nım Hinter den tauicenden Feñlichkeiten 
zu Särospataf beitimmtere Auseinanderiegungen des Aufttandsrlanes 
zwiihen den KHauptverionen Penelemyi und Zrinni :un Tage umd 
gewannen bei der zweiten Begegnung zu Stuben einen beitimmten 
ſchriitlichen Ausdrud (5. April 1666). 

Benelengi redigirte bie Punkte eines Yündnities und zugleich ein 
Edreiben an Yubmwig XIV., worin ber bewa’tnee Biderftand gegen die 
Uminur;pläne ber Regierung als berechtigt erflärt, die Sompathien jämmtlicher 
Neben: und Erenzländer, io der Moldau und Wallachei, die enrihlotiene Haltung 
Der breischn Geipanichaften Tberungar na beton: und die Zuverticht ausgeiprochen 
wird, dar 14,4%) Mann Ungarn für das Unternehmen ausreichten. Yudwig XIV. 
folle ñe beiolden und im vorhinein 10, 0) Thaler abienden, dem Kaiier den 
Krieg erflären, oder doch die Ungarn mit regelmäßigen Hilisgeldern unteritũtzen. 
Ungarn iolle durch iranzöñiche Vermittelung in das deutſche Reid mir Sig 
und Stimme feiner Zertreter im Reichſstage auigenommen werden, die Türkei 
einen fleinen Tribut empfangen, Rolen in das Pündnik gesogen werden. Aus 
Tantbarfeit wolle man bann einen Sohn oder Verwandten Ludwig's XIV. 
zum Könige Ungarns3 wählen. Längitens binnen dreißig Tagen jolle ber 
stanzoienherriher antworten. Obſchon nun Lubwig XIV. eine unbeitimmte, 
binausichiebende Antwort ertheilte, hoffte man body auf die Geneigtheit des 
Bourbonenhoies und blieb durch (Sremonoille mit bemielben in Berbindung. 

Im Mai des Jahres 1666 fand auf dem Haupticdloite Weſſelenyi's, 
Muränyg im Gömörer Gomitate, das fortan ein wichtiges Archiv der Verichwö— 
tung unter der Obſorge des (Geheimjchreibers des Palatind und jeiner Wittwe 
Franz Boer (Bory) und Franz Nagy, beherbergte, eine Zujammenfuntt ſiatt, 
bei welder aud) die Bevollmädtigten Apaify's, Niklas Bethlen, Sohn des 
Kanzlerd und Geihichtichreibers Johann und Michael Telefi, Hauptmann von 
Köväar, nahmals Minifter des Fürſten Siebenbürgens; ferner der oberite Haupt: 
mann Oſtungarns mit dem Site zu Kaſchau, Franz Eſaky, ich einianden. Zur 
Gewinnung der Türkenhülfe wurde der Pforte ein Jahrestribut von 80,000 
(mit 604 Thalern angetragen und Apaffy um feine Nermittelung angeludht ; 
berjelbe jandte auch im August den Agenten Labislaus Ballöõ (Balon) an die 
PTiorte mit diefen Anträgen; er wiederholte feine Reiſen dahin. 

Zrinyi und Lad. Fekete, der Tertraute des Palatins, begaben ſich nad) 
Wien und verkehrten mit Gremonville; Gleiches that Nädasdy, der erft 
jest mehr in den Vordergrund tritt, und feine Spanunng mit bem einitigen 
Rivalen, Weijelenyi, außerlid aufgiebt. Bitnyedi, der rührigite Agent im 
Lande, ſiets auf einen entjcheidenden Schritt Drangend, fol einen Brief auf: 
gefeut Haben, worin er Ludwig XIV. als König Ungarns begrüßte, was jedoch 
Meffelengi verwarf. 

1666, den 20. October, fchließen WWeflelenyi, Näbasby und Zrinyi ein 
Geheimbündniß, um als „höchſte Säulen Ungarns“ burdı : @raft bem 
Lande zu nüten. Zu Wien wurbe ben 19. Der« See 


XVI. Bud: Vom weſtph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgekriege (1648—1700). 605 


der „bedrückten Adeligen Ungarns“ erneuert, und der Beſchluß gefaßt, im März 
des nächſten Jahres (1667) bei Gelegenheit des Palatinaltages in Neu— 
ſohl wieder zuſammenzukommen. Damals verſuchte man auch durch Gremon: 
ville einen neuen dringenden Appell an den Franzoſenkönig. 

Graf Rottal, der ſchon 1666, 7. Juni, den damaligen Hofkriegsraths— 
präſidenten und zweiten Miniſter Lobkowic in einem Briefe auf verdächtige Re: 
gungen und die Anzeichen der Undankbarkeit Nädasdy's gegen den Hof auf: 
merkſam machte, fand fih zu Neuſohl als Faiferlider Commiſſär ein. Hier 
trafen die Abgeordneten der dreizehn Comitate Oberungarnd und die Häupter 
ber Liga: Wefjelenyi, Nadasdy, Zrinyi, Räköczy und Stephan Töföly, des⸗ 
gleichen auch der Primas Szelepefenyi, Paul Eßterhäzy und Stephan Bocskay 
ein. Rottal wurde als „Nicht-Ungar“ von ben Berathungen ausgejchloffen. 
Zrinyi’3 Antrag, Ungarn möge ſich an das deutfche Reich unmittelbar anjchliegen, 
griff nicht durch; Weijelenyi beantragte eine geharnijchte Reſolution an ben 
Kaifer ald König Ungarns ; Nadadby und Szelepcfenyi milderten fie zur Adreſſe. 

Doch murden die maßgebenden Beichläffe erſt nach der Abreije Rottal’3 
den Gomitatödeputirten und ohne Betheiligung Szelepejenyi’3 gefaßt; es kam 
ein neuer Bundesbrief (v. 9. März) zu Stande. Sept ericheinen die be- 
fiimmten Rollen Weſſelényi, Nädasdy, franz Boer (Bory), Zrinyi 
und Räköczy, ald: Haupt, Kanzler, Geheimfchreiber der Liga, Feldhauptmann 
in Groatien und Obercapitain an der Theiß zugemiefen. 


Der Tod des kränkelnden Weffelenyi (28. März 1667) 
ſchien ein namhafter Verluft für die Sache der Liga zu fein. Jeden⸗ 
falle war er bisher die Seele des Ganzen und Feind aller Ueber: 
ftürzungen. Als man ihm binterbracdhte, der Heißſporn Vitnyedi 
babe Ende November 1666 den Plan gefaßt, man jolle dem Kaifer 
bei Schottwien auflauern, wenn diefer der jpanifhen Braut Mar: 
garita entgegenritte (25., 26. Nov.) und ihn gefangen nehmen, 
hatte der Palatin ſich voll Zorn gegen die Verbündeten geäußert, 
am beiten wäre es, einen jolchen Tolllopf aus der Welt zu jchaffen. 
Bedenkt man andererfeits, daß er in feinem Teftamente vom 14. März 
jeine Gattin als Wittwe dem Faiferlihen Schuge anempfahl und daß 
diefelbe, gleichwie Boer, bald mit Anzeigen des Beftandes 
einer Verſchwörung an den Hof hHerantraten, jo gewinnt es 
den Anjchein, als habe vor dem Tode eine Sinnesänderung Welle: 
lényi's Platz gegriffen, auch konnte dann begreiflicherweife feine 
Wittwe und deren Umgebung nimmer das lebhafte Intereſſe wie 
früher an der ganzen Angelegenheit empfinden. 

Dagegen trat in die Verſchwörung ein inneres Zerwürfniß, 
die Eiferjucht Nädasdy’s und Zrinyi’s, und die geheime Gegnerfchaft 
ihrer beiberfeitigen ebrgeizigen Abfichten. Denn während Nädasdy, 
jeit Weflelenyi’8 Tode, neben dem Primas Statthalter Ungarns 


646 INT Euf: Bam weist. Seaer 5. ; von. Ernie ir te 


geworden, miehz 2:5 Tester Erreiäber, ex u Deu der Turmei- 
tan zuchtenzes Unsere, am ri rd 35 Tel Aaq 
behielt, vet: Zruut rar ns 2 der Sdimwnrsin Niki am 
Aerachtur. Ter Leꝶtete virre au ar 1657 A die Cudiiele 
des Ganzen eiuneweikt morzen vn 

Kit dem ZSteiermärter Zattenbad, Gurte er Grüne 
There Forↄacs, einen eiteln Künlm;, Demu „Autdbissstuhel“ 
iehr viel Auitos erregte und berien mxkiner Ehrwi; ivi Nimer gei- 
Kigen Beichranktheit vuch die abentzuerlihhen Terrvrehum;en leicht 
za lüdern war, hatte Zrinji die eriie Ternänbirumg im Spärberbite 
1665 durch den fati. Cherilieutenant Socate!!i am mm Gute 
Lavsina bei Tichakathurn, Zrtum's Haupiclore ant der Murintel, 
eintädeln larren. Ter Abichlus einer törmliden Sica Zrinhis umd 
Tattenbach's jand den 9. September 1667 u TZihafathurn 
(Eafovac) urkundlich ftatı. 

Tamals war Zriug due ıharig, die Tramöride Tarıri unter Dem 
Polen zu gewinnen und gegen einen eventuellen ötterreichiichen Ihromcandibeien 
arbeisen zu lajien. Im Dieter Veziehung wirfıen als umgari'ihe Agenten ein ge 
wiier rabian, ber Kralauer Tomberr Robensfi und imsbeiondere baum 
Iäas—4I der Tominicaner Bariglio. Zon deu Entchloneniten, Tiinnebi 
voran, wurden ihon vericdhiebene Auftanbsplane für Tberungarn eutmorien. 
Aber mit ber ausländiſchen Külis;uiage ging es nicht vorwurss; die Tiorte 
benahm ſich ben erneuerıen Sendungen Apañ's gegenüber aukerit zurüdfbalremb, 
ja der Fürſi Siebenbürgens ſcheint ih balb von dem ganzen abentewer- 
lichen Unternehmen um jo entjchiedener abgewendet ;u haben, je mehr er mertıe, 
daß ihm in Räkic;y ein geiährliher Concutrent erwadien ſolle Frankreich 
aber, dem das Streben, am Biener Hoie feiten Fuß zu behalten und den Thei⸗ 
Iungsvertrag über bie künftige ſpaniſche Erbſchaft abzuichliegen, die thunlichite 
Zurhdhaltung auierlegte und das balb den Aachener Frieden (2. Mai 1668) 
ſchloß, ließ ſich, wie erwünſcht Ludwig XIV. aud die Beſchäftigung des Kaiſers 
mit ben aufftändiſchen Maygarenlande finden mochte, mit den Ungarn nicht 
ernftlih ein. Die dreimaligen ZInjammenfünfte Zrinyi's und Nädasdy's im 
Jahre 166% mir Gremonville an der öfterreidiih:ungariihen Grenze mochten 
ihnen jenen Wunſch nahelegen, aber bald erfannten fie, daß von Verſailles aus 
nichts zu erwarten ſei, daß fie der König fallen laſſe. 


Der Umftand, daß auf der Berjammlung der dreizehn Comitate 
Ther:Ungarns zu Zemplin (Mai 1668) als kaiſerliche Commiſſäre 
neben dem Primas auh Nadasdy und Zrinyi ericheinen, beweift, 
daß damals die beiden Legtgenannten noch das officielle Vertrauen 
der Regierung genoflen. In der That hatte der mit Caſanova, 
dem öfterreichifchen Refiventen bei der umbete Dber- 
dolmetſch, der Grieche Panaja ' eine 














XVI. Bud: Vom weitph. Frieden b. 3. fpan. Erbfolgefriege (1643 — 1700). 611 


Gonferenzfigung unter dem Borfite Lobfowic’, des damaligen 
Premiers, Statt, deren geheime Beſchlüſſe das Vorgehen wider Zrinyi, 
Nädasdy, Tattenbach, Bukovaczky und Mitichuldige betrafen. Vom 
gleichen Tage datirt der kaiſerliche Befehl an die Grafen Johann 
Herberſtein und Ferdinand Breuner, im Süden militäriſche 
Maßregeln zu treffen. 

Zrinyi unterhandelte inzwiſchen in fieberhafter Erregung durch 
Bukovaczky, Berislavic und Pogledic mit der zähen Pforte und 
verjuchte andererjeits durch ein Schreiben an den Kaifer von Anfang 
Februar 1670, jede Verbindung mit den Türfen in Abrede zu ftellen, 
fih um die Gunft des Miniſter Lobkowic zu bewerben; überdies durch 
feinen Beichtvater, den Auguftiner Forejtall, dem Wiener Cabi— 
nete mit Forderungen zu imponiren, deren Erfüllung der Preis 
jeiner Loyalität jein würde. Dieſe Forderungen: das erbliche 
Generalat von Warasdin, und Comitat von Pilino (Mitterburg), 
Gottſchee, Fiume und Terſaz, — die Zahlung jeiner an 40,000 
Gulden betragenden Schulden, die Beltallung zum Inhaber zweier 
Negimenter, die Schadloshaltung bei Türkenſchäden die Beihügung 
Raköczy's gegen jedweden Feind, die Amneftie für die „Wallachen“ 
und ihren Bilchof u. |. w. — erſcheinen jo hochgejchraubt, als wenn 
der Banus damit, wie ein tollfühner Spieler, die legte Karte aus: 
Ipielen, den Wiener Hof verblüffen und einihüchtern wollte. — Da 
man die Gefährlichkeit der Situation mit Rüdiiht auf die Sachlage 
in Ungarn und die zweideutige Haltung der Pforte noch nicht gut 
abſchätzen fonnte, jo fegte man Lift gegen Liſt; Forejtall wurde 
von Lobkowic mit Zufiherungen und mit einer carta bianca an 
den Banus zurückgeſchickt, und der Kaiſer unterzeichnete den 21. März 
an Zrinyi einen Brief, der die Xoyalitätserflärung des Grafen ent: 
gegennahm ; Ueberbringer des Schreibens war der Biſchof Borkfovic. 
Der Banus, bereits von Tattenbad) beichrt, daß fünf Negimenter 
gegen Groatien Marſchordre hätten, wollte, wie jein Schreiben vom 
21. März aus Tichalathurn an Frangepani bejagt, durch Buko— 
vaczky die Groaten und die Krainerifchen aufwiegeln, von Kaniſcha 
mit 4000— 5000 Dann Graz überrumpeln lajjen. „Und warn ich 
wegen Euerer und feiner (Bukovaczky's) Langſamkeit umbfombe, jo 
jeit ir auch verloren,“ lauten die drängenden Schlußmorte. 

Tattenbad, der, des Nergften gemwärtig, ſich durch eine An— 
zeige der Anſchläge Zrinyi's an den inneröjterreihhiichen Stammer: 
präjidenten Grafen Breuner (vom 19. März) deden mwollte, der am 
20. März von Kranichfeld aus die Meldung erließ, Zrinyi ver: 
zweifle an feiner Sache und werde ich jelbit ftellen, wurde, bevor 

39* 


612 XVI Bud: Vom weftph. Frieden b. 3. fpan. Erbfolgefriege (1648-1700). 


er den Entihluß, nah Graz abzugeben und bier ala „loyaler Mit- 
wiffer” der Verſchwörung Belenntniffe abzulegen, verwirklichen fonnte, 
den 22. März aufgehoben und ale Gefangener nad) Graz gebradit. 

Damals war bereits der Befehl an den Generalfeldwacdhtmeiiter 
Spankau abgegangen, fi gegen Zrinyi und rangepani in 
Marſch zu jegen. Diele hatten an 8000 Bemwaffnete, meift Mor: 
lafen, zufammtngebradt. Der Banus ſchlug jedoh noch einen 
zweiten Ausweg ein, er jandte den Pater Foreſtall jammt feinem 
Sohne, gewiffermaßen als Geijel der Treue, und mit der Wieder: 
holung der ſchon befannten Forderungen nah Wien. Sie trafen 
bier den 12. April ein. Damals mar bereits das Schidjal der 
Warfenerhebung des Banus und jeines Schwagers entjchieden ; denn 
vor den 5000 Mann unter Spanfau ftoben die Milizen Zrinyi’s 
und Frangepani’s auseinander; diefe warfen ſich in das feite Tſchaka— 
thurn und faßten den 13. April den Entihluß, nah Wien zu 
gehen und ihre Sache vor dem Kaifer auszutragen; den 16. April 
fehrten fie bei dem Grafen Kéry, an der öfterreihiichen Grenze, 
ein, der ihre Ankunft dem Kaiſer durch Eilboten meldete. Sie 
jelbft brachen jedoch ſchon am 17. auf und langten Abends in 
Wien an, mo fie im Haufe Nädasdy’s abitiegen. Den 18. wur: 
den fie aber verhaftet und zunächſt in’s Gaſthaus zum Schwan 
internirt, dann getrennt verwahrt. Sie blieben bis zum 27. Augujt 
als Gefangene in Wien und wurden dann nad) Wiener-Neuſtadt 
überführt. 

Den 23. April begann das Berhör mit Zrinyi’s Stallmeifter 
Rudolph von Lahn, vom Mai an mit den beiden Grafen jelbit. 

Der Sorge um die Dinge im Süden war nun die Regierung 
ledig; um jo mehr beunruhigten fie die Vorgänge im obern Ungarn. 
Hier Hatte die Neufohler Verſammlung vom 27. März ſchon 
Tags darauf zu ftürmifhen Klagen vor den Töniglichen Commiſſären 
und zum lärmenden Auseinandergehen der Stände geführt. Nä- 
köczy zog mit 10,000 Dann vor Munfäcs, um den Familienſchatz 
der Raͤkoczy herauszubefommen, wurde aber durch die eigene Mutter, 
Sophie, der legten der Bäthory’s, die hier refidirte, mit der Drohung, 
ihn mit Kanonenjhüffen zu empfangen, abgewehrt. Den 7. April 
bradite er den Tokajer Commandanten Ernft von Stahrenberg 
ſammt deſſen Officieren beim Mahle durch Liſt in feine Gewalt 
und ließ fie in Eifen verwahren. Tolaj, Onod, Arad geriethen 
in jeine Gewalt; eine Ständeverfammlung jollte in Eperies tagen. 
— Inwieweit nun der gefangene Zrinyi von Lobkowic gefödert 
worden jei, durch ein Schreiben an Rakoͤczy, den Schwiegerfohn zur 


XVI. Bud: Rom weſtph. Frieden b. 3. ſpan. Erbrulgefriege (1648—1700). 613 


Waffenftredung zu beſtimmen, ift nicht klar; jedenfalls blieb es belanglos, 
denn den Ausſchlag gab das kaiſerliche Manifeſt und vor Allem das 
Einrüden der Generäle Sporfund Heiſter mit 10,000 Mann in Ober: 
Ungarn. Den Aufftändijchen ſank der Muth; am 1. Mai beichlofen 
jie zu Täallya im Zempliner Comitate eine Unterwerfungsadreije 
an den Kaiſer. Räföczy flüchtet nah Munfläcs, zu feiner Mutter, 
der bei Hofe beitangefchriebenen Gönnerin des Katholicismus. Ihrer 
Fürſprache gelingt die Begnadigung des Sohnes als Verführten ; 
doch muß er feine Schlöffer dem Kaifer öffnen, die Trentichiner 
Herrſchaft der Hofkammer überweifen, an 350,000 Gulden Schaden: 
erjag leilten. Fortan führt er das Leben eines internirten Privat: 
mannes. | 

sm Sommer (Juli) fällt die Burg Ecjed in die Hände der 
Kaiſerlichen; Schloß Muräny mit dem Hauptardive der Mag: 
natenverſchwörung capitulirt den 14. Juli; die vermittwete Gräfin 
Weſſelényi und der Schloßhauptmann Franz Nagy von Leſſenye 
werden Gefangene. Den 20. Auguft fommt Graf Nottal nad) 
Murany als Unterfuhungscommiflar. Die Ausfagen Franz Nagy’s 
bieten für die Anklage ein großes Material. 

Jetzt ereilte auh Nädasdy, an deffen Schuld der Staifer am 
ihmweriten glaubte, das Verhängniß. Er hoffte noch immer jein 
Spiel verdedt halten zu fünnen; er ließ die 13 Comitate unter der 
Hand ermuthigen und verſprach ihnen getreueiten Beiltand (13. Juni 
1670). Allein die Angit ftieg ihm immer mehr zu Kopfe, die Mit: 
theilungen B. Donellan’s begannen auch für ihn das Schlimmſte 
anzudeuten; längit waren ja die großen Procefje gegen die Mit- 
verichworenen im Gange, die Anklagematerialien inner volljtändiger 
germorden. Am 3. September hoben 200 Dragoner den ahnungs: 
lojen Grafen zu Poltendorf auf und bradten ihn als Ge: 
fangenen nad) Wien. Hier wurde feine Unterfuhung in Angriff 
genommen. 

Veberbliden wir den Gang der drei riejigen Criminalproceſſe: 
su Graz mit Tattenbad, zu Wiener: Neujtadt mit Zrinyi und ‚srangepani, 
zu Wien mit Nädasdy, — ſo erſcheint am entichlofjenjten die Haltung Des 
Banus, im Leugnen jomohl als im Bekennen; überall und immer begegiten 
wir einem jtolzen Selbjtgefühl, ſchlauer Berechnung und fchlagfertiger Gewandtheit. 
Frangepani ijt weicher, rüdhalt3lofer, offener; e3 ift der Magnat, der ber 
Sache ſeines Schwagers opfermwillig Half, ohne daR Berechnungen eigenen 
Vortheiles in den Vordergrund treten. Aber auch dem Auditor und An— 
fläger Dr. Eyler3, kann juriftifcher Scharfjinn nicht abgejprochen werden. 
Nädasdy's Haltung war die eined Angeflagten, der bald die Nertheidigung 
aufgiebt und, völlig gebrochen, um Gnade fleht. In der That jcheint das Pala— 


W -.- [en 47T 1 un Mmiııtman or!" 
. rro-r Zimt Im Imurıyı 2 So 6% 
, an our. Brust dt DT MIT WÜRD In mern 
> Zune at nn ei. mi Laie end Damme De oem oz 
- n ı en .2um Lim vn TInı 
une - s: Bourmır Sirıırızmeg Abrer Sue 
. ur time, Dur 2: dımhır "re mm 
w 5 .. ımd., sr_nen ern Ir or Rome — 
er jur om. Manni tm Mmörenr zeoundim 7 Ds 
ı vr. er mietızur rar on mitm em The: 
menu. Ro n.etiet.lleit. ZI lmuernmız ME oma Berte_r Arcııä 
j 0: hr mıealun ms Turms Lnmmcd: om 
22 : 2: 2 Bareadır mer 228 Sara 23230: 8223:⸗ 
- 10 oııe MUl amıcHIng g. HI ( 
z ers mtzena = Nammiii ırdın mes Deusrit ide 
2: a tar mtr Tim: rerıufrseien size“ 
. ao mm on vıeTtgme Som Ta Dei 08 or Lurönserung 
u; 4, mars 2 ir leiden. Zr Barası lern un "dar Dein 
metmererr wa. an „uiema 22 2er Were Same bene tr ner 
FIT vun na Ibmesrunz Bir Üerzzer ale I, ati emoenen Tor 
se halslım, nu Tuntesiaugetarn su ubertaler 


Ter vrrautt. Brimebk! K. Leorold's I. mit feinem Bot: 
ſchaitet am Tgort'ähen Hoie, (Graien Yen tina, bilder den beiten 
Kadynets ber zerioniihen Haltung des Kaiſers :u Der Rebellion 
und b.m ganzen Hodverrathsprocene. Ten 26. März 1670 Ichreibt 
er unter den eriten Cindrudn: Er mürde Alles für Träume halten, 
wenn nicht Die verährliche Wahrheit vor Augen läae; er horte aber, 
Goött erde ihm beittehen, er wolle tie ſchon ad mures bringen 
„und aus nie ‚Kinger flopren, daß die Köpf megipringen jollen“. — 
Aus ben Mai: und Sunibriefen ipridht die Beruhigung über den 
Fortgang ber Zachen in Ungarn. Tas Schreiben von 10. September 
bezridynet als den „vorzüglichen, wenngleich jehr geheimen Urheber 
dieſer ungariſchen Unruhen“ den (Srafen Raüdasdy. „Gewiß ift es, 
Daß vr origo onnis mali (alles Uebels Urſprung); wie hat er 
uns ulle betrogen, inden man fait das meijte Capital auf ihn ge= 
maucht hat;“ dieſe Worte kennzeichnen die Enttäuſchung und Ent: 
ruſiung Des Kaiſers am beſten. 

sm Briefe vom 22. April 1671 ſpricht Leopold von dem 
Abyıhlune der Hochverrathsproceſſe — „und obmwolen ich jonften 
nicht gar bos bin, fo muß id) es diesmal per forza fein und möchte 
5 ſich wohl ſchicken, daß man bei nädjiter ordinari (verjteht ſich 
Die Poſt) etwas von geftlürzten Stöpfen hören möchte”. 

In der That wurden den 18. April das Urtheil auf Richtung mit 





616 XVI Buch: Nom weitph. Frieden b. 3. tpan. Erbiofgefriege (1643 — 17001. 


Februar 1672 unterbraddte man lettere bei den Uriulinerinnen in Klagenfurt. 
on 1671— 1672 datiren Briefe an den Kailer und Minifter mit Bitten um 
Aufbeiierung ihrer Lage. Tie Sränn Zringi Harb — mie es heißt im 
BWahnüinn — den 16. November 16:3. Ter einzige Sohn des hingerichteten 
Peter Zrinyi, Palthajar, freigelafien, aber aus glänzenden Nerhältnijien und 
Ausſichten herausgedrängt, der Eohn eines Geächteten, gerieih in jpäteren 
Zahren als Staatögefangener nad Kutitein, endlich aut das Grazer Kaitel und 
ftarb bier 1703. Seine Schweiter Helene, die Gattin Räköczy's und in zweiter 
Ehe mit dem Haupte des Kuruzzenfrieges, Emerich Tofölyi, dem Zohne Stephan's, 
verbunden, — die lekte der Zrinyi 5 — wird uns noch beichättigen. Anton 
Adam, der Eohn des Banus Niflad® Zrinyi von ieiner Gatıin Marie 
Sophie von Löbl, Peter's Nefie, fiel 1691, als Failerlicher Tberitlieutenant in Der 
Zürfenihladt bei Salanfemen. Frangepani war der letzte jeines berühmten 
Hauſes. Nadasdy Hinterließ eli Söhne, melde, zunächſt mit verandertem 
Namen als „Herren vom Heiligen Kreuze” das, jpäter im Magnatenitande 
Ungarns wieder rehabilitirte, Gejchlecht erhielten. TZattenbah 3 Sohn, Anton, 
trat ın den geiftlihen Stand. Maria (Szeciy), Weſſelényi's Wittwe, 
blieb als Penſionärin in einem Wiener Nonnentloiter. 

Wie bedeutend die Mafje des confiscirten Gutes gemwejen jein muß, macht 
der Güterbeſitz jämmtlicher Zerurtheilten, insbejondere Frangepani's, Zrinyi’s 
und Nädasdy's erlichtlih. Des letzteren Einkünfte von 22 Gütern beliefen 
fih jährlich auf 189,558 Gulden. Tie amtliche Aufnahme des Belited der beiden 
Erſtgenannten (Mai bis Juli 1670) ergab auch örtlich maſſenhafte Vorräthe. 


Mit peinlider Empfindung, die ſtets den Zeitgenofjen jo gut wie 
den Ferngerüdten beſchleicht, wenn politiſche Hochverrathsproceiie fein 
Urtheil zwiichen das Recht der ftaatlichen Gewalt und das natürliche 
Billigfeitsgefühl ftellen, wenden wir uns von dem tragiichen 
Ausgange der Magnatenverihmwörung im Bereihe der perjönlichen 
Sntereffen zu den politijhen Folgen der ganzen An: 
gelegenheit für Ungarn. Aud da werden wir wohl thun, 
der leicht beitechlichen Empfindung das Verdict über die Staats: 
raifon nicht vorjchnell zu übertragen, den Schmerzensjchrei Ungarns 
auf das richtige Maß zurüdzuführen, aber das darf uns nicht hin- 
dern, die groben Mißgriffe in der Verwirklichung der Ziele der 
Regierungspolitit feit in’s Auge zu fafjen. 

In der mehrfach citirten Correjpondenz des Staifers mit jeinem 
Botichafter in Spanien findet ich in den Briefen vom 22. Mai 1670 
und 6. Mai 1671 die bedeutungvolle Stelle: „Die hungariſchen 
Sadıen fein in guten statu, ich will aber mich der occasio bedienen 
und in Hungaria die Sachen anderit einrichten” .... „Jetzt fein 
die Hungarn ziemlid) ruhig, und hoffe ich, bald alles in ganz anderen 
Stand zu bringen.“ Leopold I. und feine entſcheidendſten Rath: 


XVI. Bud: Vom weſtph. Frieden b. 3. jpan. Erbfolgefriege (1643—1700.). 617 


geber in diefer Richtung, Lobkowic und Hocher, erblidten in 
der mweitverzweigten Magnatenverihmörung den Ausfluß der aller: 
dings oft erwiejenen Unbotmäßigfeit des ungariichen Adelsvolfes 
und in deren glüdlichen Bewältigung den geeigneten Anlaß, dieſe 
Unbotmäßigfeit zu brechen und Ungarns politiiche Ausnahmsftellung 
zu Defeitigen. 

Wenn Hocher, der rückſichtsloſe Abjolutiit, aber eifrige Staats: 
Diener, in feinem jcharfen Gutachten über die Magnatenverſchwörung 
bezüglich) der damaligen Magyaren jagt: „diefe Nation werde ihre 
Hoffart nur gebrochen ablegen,” — und wenn er dem Kaiſer zuruft: 
„Slaube nicht, Herr, man könne fie durch irgend eine Hoffnung 
auf Barmherzigkeit verſöhnen; einen, wenn auch noch jo angenehmen 
Herrn verachten fie, fie laffen fich lieber in die Verſchwörungen 
und Beitrebungen ihrer Vornehmen ziehen, ald daß fie der geſetz— 
lichen Herrſchaft eines Einzelnen fih fügen würden,” — ſo ſpricht 
aus diefen herben Worten feine perjönliche Erbitterung, ſondern eine 
politifhe Leberzeugung. — Der venetianiihe Botjchafter 
Marino Giorgi ſchreibt in feiner Relation vom Jahre 1671 
über die Magnatenverfhmwörung, als „treulofeite Verſchwörung“ 
(perfidissima ribellione); er beglückwünſcht den Kaiſer, daß er 
ohne eigentlichen Krieg, ohne eigentliches Blutvergießen, mit Schwachen 
Kräften, mit geringem Aufwande den Aufruhr bezmang. Sein Nach— 
folger Morojini bezeichnet (1674) als eingeleitete Strafe für die 
Rebellion die Verfaffungsänderung, die Bermwandlung Ungarns 
inein Erbreidh. Ungarn follte auf die gleiche Linie mit 
den anderen Erbländern treten; deshalb heißt es auch in 
dem charafteriftiihen Schreiben des Gönners einer neuen Inſurrection 
Ungarns, Michaels Teleky, an Apaffy, feinen Fürften und Herrn: 
(1671, 14. April): man wolle die Ungarn insgelfammt wie Bauern 
befteuern; „es Jolle wie in Mähren und Böhmen Braud 
werden, daß wenn es dem Kaifer und dem Hofe beliebe, eine 
Steuer zu erheben, man bloß gedrudte Batente abjende” ..... 

Es handelte fih nun darum, ob die Wiener Regierung den 
rihtigen Weg zur politifchen Neugeftaltung Ungarns einjchlagen 
und ob ſie über die Mittel und die unerſchütterliche Aus: 
dauer verfügen werde, deren ein jo ſchwieriges Werk bedurfte. — 
Leopold's Cabinet beging den jchweren Fehler, mit dem verhaßteiten, 
der Steuerjchraube, zu beginnen und, durch die fatholijche Hier: 
archie verführt, in den weiteren Maſſenproceſſen und Berurtheilungen 
den Protejtantismus als ſolchen erdbrüden zu wollen, indem fie in 
folgenjchwerer Befangenheit denjelben mit der Empörung, den Sa: 


618 XVI. Buch: Vom weſtph. Frieden b. 3. ſpan. Erbiolgefriege (1648— 1700). 


tholicismus mit der Loyalität identificirte. Diejelben geiftlichen 
Magnaten Ungarns, welche die Ausrottung des Akatholicismus, und 
zwar, des „deutichen Glaubens”, jo eifrig ſchürten; denn um dieſen 
handelte es fih, dem Galvinismus, dem magyarischen Glauben, 
Tonnten fie nicht jo leicht beitommen; fie, die der furzfichtigen Regie— 
rung den verhängnigvollen Weg zeigten, durch fatholifche Glaubens: 
rejtaurationen das deutiche Bürgerthum zu zeriegen und zu ent- 
wurzeln, den Wiener Hof bei dem proteſtatiſchen Auslande in jchlechten 
Ruf zu bringen, arbeiteten andererjeits als Autonomiften jeder poli- 
tiichen Maßregel der Krone entgegen und gebehrdeten fich als trauernde 
Anwälte der ungariichen Libertät. Primas Szelepcjenyi, der, 
wie Andere feines Standes, perjönlihe Zurüdjegungen nicht ver: 
winden konnte, Itand in Briefwechſel mit Apaffy, dem Gönner des 
feimenden ungariihen Aufſtandes. Die Wiener Regierung belud 
fih mit dem Fludhe der Glaubensverfolgung, mit dem Vor: 
wurfe maßloſer Graufamteiten ihrer Befehlshaber, als der Werkzeuge 
der politifch-Tirchlichen NReftauration, und hatte weder Ausdauer noch 
Macht genug, die furchtbarſte Waffe einer Nation, den paſſiven 
Widerjtand, zu breden; fie mußte auf halbem Wege umtfehren, 
als bereits der Kuruzzenkrieg halb Ungarn erfaßte, Frankreich und 
die Brorte ihn ſchürten. 

Muftern wir nun in gebrängter Skizze die wichtigſten That: 
ſachen; zunächſt die Maßregeln der Krone. 


Nom 18. Auguit bis 5. November 1670 tagte zu Leutſchau, im Zipfer: 
lande, eine Regierungscommijfion, bejtinnmt, zu beſchwichtigen, zu unterſuchen 
und die Soldatesfa im Zaume zu halten: Graf Rottal war ihr Torfikender; 
General Eigbert Heijter, ein fcharfer Haudegen, der Ffaiferlihe Rath Graf 
Otto Volkra, Bräjident der Zipfer Kammer, der FJünffirchner Biſchof Johann 
Gubaſſöczy und der Föniglihe Perfonal Wolfgang Eßterhäzy bildeten 
deren Mitglieder. 

Seit December 1670 finden wir das Unterjuhungstribunal in Breßburg 
aufgeſchlagen. Den Borfig führt wieder Graf Rottal; — Gubaſſöczy und 10 
andere Magyaren, Beiliger der königlichen Serichtstafel, bilden die Richter. Ihre 
eigentliche Arbeit begann im nächſten Frühjahre. Bon den vielen Verbafteten 
traf nur zwei, die beiden Hofmeiſter Weffelenyi’s, Franz Bönis und Andreas 
Nagy, der Zod durch das Schwert, — die andern traf Güter: oder Freiheitsſtrafe. 

Tas Faijerlihe Fdict vom 21. März Fiindigte eine allgemeine Con: 
tribution an und verfügte eine bisher in Ungarn nicht gefannte Steuer: die Ber: 
zehrungd: und Tranfiteuer. 

Im Mai und Juni 1672 tagte ein Unterfuchungsgeriht in Tyrnau, das 
5 Verbannungen verfügte. 

Die politifh wichtigſte Maßregel des Kaijers knüpft jih an den 


XVI Bud: Vom weitph. Frieden b. 3. ipan. Erbfolgefriege (1643— 1700). 619 


27. Februar des Jahres 1673; fie errichtet eine königliche Statthalterei 
mit dem Site in Preßburg und beftellt zu beren Haupte den Ausländer Jo— 
bann Kaspar Ampringer, Hochmeilter des deutſchen Ordens, dem ber 
Primas Szelepcejenyi ald Rocumtenens, Graf Adam Forgäcs als Stellver: 
treter bes Juder Curiä, der Fönigliche Berfonal Johann Majthenyi und Biſchof 
Leopold Kollonich, überdies zwei beutjche Doctoren als Räthe beigejtellt 
wurden. 

Unter diefen war einer der beiten Köpfe, eifriger Katholif, aber vor Allem 
Regierungsmann, offen und ohne Winfelzüge: der genannte Kollonich. Geboren 
zu Komorn im Jahre 1631, Sohn des Freiherrn Leopold Kollonich, katholiſchen 
Convertiten, Commandanten zu Komorn und ber Gräfin Kufjtein, — brachte er 
ein bewegtes Kriegsleben als Dealtejer und Kämpfer gegen die Türfen auf Candia 
hinter ſich wurde dann Ordenscommenthur zu Mailberg in Oefterreih und zu 
Eger, dann Priefter, 1666 Biſchof von Neutra, brei Jahre fpäter (1670) von 
Wiener-Neuftadbt. Jetzt warb ihm die Stelle eines Kammergrafen von 
Preßburg übertragen. ' 


Ampringen war ein gemilferhafter,, rechtliher Mann, aber 
fremd in fremden VBerhältnijien. In jeiner Inſtruction findet fich, 
gewijlermaßen als Lofung der neuen Aera, die allgemeine Einfüh— 
rung der fatholiichen Religion und die Ausrottung der Keberei be— 
tont. Wohl entihied fih dann die Faiferlihe Conferenz für bie 
Weglaffung diefes Paragraphen aus „Klugheitsrüdiichten”, denn 
‚der Punkt könne eine große Verwirrung und bei den Akatholiken 
die größte Erbitterung hervorrufen.” Der Kaijer ſelbſt ſei noch 
nicht im Reinen, ob er bei dem Statute für Ungarn bleiben jolle 
oder nidt. In der Anftruction möge nur allgemein von der 
Religion geiprochen werden; die Wirklichkeit könne ſchon mehr vor: 
nehmen lajjen. Ampringen war nicht ohne Herz, auch fein Freund 
von Dragonaden. Bald mußte er fih auf verlorenem Bolten fühlen; 
denn jeine magyariichen Collegen., obenan der in feiner „zweiten“ 
Stellung gekränkte Primas, wünſchten fid des „Eindringlings“ zu 
entledigen. Die ungariſche Hoffanzlei und Kammer verkehrte un: 
mittelbar mit den Geſpanſchaften und kümmerte fi) blutwenig um 
den Gubernator regni Hungariae partiumque adnexarum. Der 
ungariiche Hoffanzler Thomas Paͤlffy conferirie in Wien mit 
Magnaten Ungarns. 

Die katholiſchen Reftaurationen, befonders jeit 1673 
in Thätigfeit, und in dem deutjchen Oftungarn — von dem Zipſer 
Probſte und Titularbiihofe Bärjony, einem Heißjporne, von dem 
Erlauer Biſchofe Szegedy und dem Großprobſte Rolosväry, 
dem Waizner Biſchofe Bongräcz und dem Kammergrafen Volfra 
eifrig betrieben, — lagen in Händen, die nicht der Gubernator dazu 


620 XVL 2ud: Rom weitph. Frieden b. :. ipan. Gtbrolgeltiege (16451700). 


bevollmädhtigte. Aber der Haß gegen diele Wirthſchaft fiel auf das 
Gubernium zurüf, auf den „hartherzigen, tyranniihen Fremdling, 
der die Nationalfreiheit und den Glauben verfolge.” Ampringen’s 
Gubernatur hing in der Luft, das fühlte er ſelbſt am beiten. 

Das Unterfuhungstribunal in Preßburg hatte in den Jahren 
1673—1676 vollauf zu tun. 


1673, im September, mar es vornehmlich aui die weſtungariſchen 
Bergitädte abgejehen. 32 proteit. Prediger und Yehrer wurden abgeurtheilt. Im 
nächſten Jahre (März 16,4) lud man ſämmtliche evangelijhe Prediger 
und Lehrer vor, als „Iheilnehmer an der in den jüngitveriloiienen Jahren gegen 
Ce. Majeftät von einigen böjen Menichen angeititteten Empörung.“ Vorſitzender 
des Iribunald3 war Primas E zelepcienni, ihm beigegeben erjcheinen: Georg 
Szecienyi, Erzbiſchof von Kalocja, einer der entichiedentten Kegner der politifchen 
Neugeitaltung Ungarns, die Viſchöfe: Th. Palffy von Neutra, B. Kollonich, 
A, Klobujiczfy von Fünfkirchen, der Reihsabt von Martinsberg und ein Tom: 
herr, überdies 12 weltliche Rache, b davon aus dem Magnatenitande, und 
der Echriftiührer der königlichen Gerichtstafel Lapſanszky, ſämmtlich 
Magyaren. 

Dieſes Judicium delegatum mixtum gründete ſeine Anklage auf zwei 
Brieie des verſtorbenen Vitnyédy an N. Bethlen und A. Keczer, worin bie 
evangeliſchen Prediger als Herolde des Aufſtandes und für denſelben ganz ge— 
wonnen bezeichnet, die Mittel und Wege der Rebellion erörtert und die „papiſti— 
ihen Hunde”, denen man ſchon die Wege lehren würde, geſchmäht ericheinen. 
Tiefe Briefe athmeten allerdings die ganze Anihauung und Energie Vitnyedy's, 
aber ihre (Fchtheit iſt fraglich; überdies war es an jich äußerſt bedenklich, auf joldye 
(Sorreipondenzen eine bodenloje Anklage zu jtügen und einen Monjtreproceß bei 
den Haaren herbeizuziehen, der unter den Betrofienen die Anſchauung fejtigen 
mußte, man wolle thunlichit die fatholijche Magnatenſchaft der Schuld 
an jener Lerihmörung entlajten. 

Die in dem polnijchen Gebiete der Zips mwohnenden Protejtanten waren 
von ihrem Starojtien Lubomirski, die auf türkiſch-ungariſchem Boden durch 
ben Ofener Paſcha zurüdgehalten worden; Manche nad) Siebenbürgen und 
Teutihland geflohen. Unter den 300 Predigern und Schullehrern, welche ſich 
einjtellten, waren aud) 57 Reformirte. 

Tas Urtheil vom +. April lautete für Alle auf Kochverrath, Todes: und 
(Güterſtraie; doch Fönnten jie ſich wie 1673 vor der Urtheildwirfung bewahren, durch 
bie Unterzeichnung eines Reverſes worin fie ihre Schuld einbefennen und ſich 
eiblid verpflichten, ihr gemikbrauchtes Amt in keinerlei Weile auszuüben. Die eine 
Hälfte unterſchrieb aus begreiflicher Menſchenfurcht, — die andere wies das An— 
ſinnen beharrlid zurüd. Während jedoch ihre Schidjalsgenojien vom Jahre 1673 
in’s Ausland wandern durften, erlitten fie Sterferhait, die jie mürber machen 
jollte , eine Zahl bequemte ſich nachträglich dem Reverſe; manche eutfamen, 22 Evan: 
geliihe und 39 „hartköpfige” Calviner harrien jedoch aus. Won der zu Komorn 
eingeferferten Hauptmaſſe waren 174 tatholifch geworden. Die zu Leopoldflabt 





622 XVI. Zug: Kom weitph. xrieden b. ;. ipan. Erbiolgekriege (1648 — 1700). 


die ttärfiten Reizmittel zu Guniten des päpitlichen Glaubens. In 
der That find tie es. Obſchon ſich jevoh die Täpitlichen derart 
ernitlih Mühe geben , die Anderen zu unterdrüden, vermodten fie 
es doch nit zu Ende zu führen”.... 

Aber die herrihende Macht in Ungarn hatte nicht bloß mit 
dem pailiven Widerjtande der inagyariihen Nation beiver Glaubens- 
lager gegen die politiiche und mit dem Hatte der Proteitanten wider 
die fatholiiche Reformation zu ſchaffen; es begann jener nationale 
Widerſtand ein bemarfneter zu werden. Bald jtieg ihr die Gefahr 
eines blutigen, gränelvollen Rarteifrieges zu Häupten. 


(Keich beim Einrücken der faijerlichen Völker in Oberungarn (Frühjahr 16:0) 
waren bie Förderer des ojtungarijchen Aufitandes — ein Stephan Bocsfay, 
Niklas Korgäacs, Stephan Petröczy (Schwager des verjtorbenen Stephan 
Tötöly), Raul Weijjelenyi, Meldior Keczer, die Gebrüder Kende, 
Mathias S; uhay u. A. nad Siebenbürgen entrilohen. Von hier aus ge- 
dachten ie den Aufitand nah Tjtungarn zu tragen, — und zwar mit Hülfe 
Apaiiy’s, deſſen Schwager und Rath der Hauptmann von Kövar, Michael 
Telefy, der Sache jehr befreundet war, und unter dem Beiſtande der Pforte. 
Tie wadjjende Unzufriedenheit Ungarns bot willkommenen Brennſtoff und ließ 
auf großen Anhang rechnen. Aber die Pforte gab 1671 nur halbe Zujagen; 
1672 jedoch entbot Sroßvezier Köprili dem Fürſten Ciebenbürgens, zufolge 
der Beſchwerde des Faiferlichen (Kejandten, die angeblichen „Räuber“ von jeinem 
Hofe zu entfernen. Tie Erläuterungen bes Tſchauſch fiegen bald die Zmeideutig- 
feit der forte in dem Handel ermellen: „Zind die Flüchtlinge Tiebe und 
Räuber, jo jage lie von deinem Hofe fort,” jprach er vertraulich zu Apafiy — 
„find tie aber ungarische Magnaten und Adelige, jo jollen fie in diefem Lande 
des Sultans bleiben md du berichte der hohen Pforte über ihren Stand und 
ihre Anzahl, damit der Großvezier das Nöthige zu verfügen wiſſe.“ Teleky 
und Apaffy nährten nun immer nachdrüdlicher den Aufſtand. 

Schon im Herbſte 1672 tobte in der Gegend von Kaſchau der Kampf 
zwijchen den Aufſtändiſchen unter Mitwirkung und Führung Zelefy’s und den 
Raijerlihen, befehligt von dem Kaſchauer Landescommandantn Spanfau; 
allerdings fühlte die Niederlage den jiebenbürgijichen Hof für eine Zeit ab, jelbit 
das triegsglüd zu verjuchen, aber er blieb der Hort des Aufitandes, deſſen 
Hefährlichkeit die beiden rajch folgenden Gefechte und Schlappen des faijerlichen 
(Henerals (13. bis 22. September 1672) ermeſſen ließen. 


Als die eriten Führer diefes Aufitandes, der allerdings Die 
bedentlichiten Elemente: Hajduken, „arme Gejellen” (szegeny legenyek) 
und Räubervolf (betyärok, rablök) in ſich aufnehmen modte, — 
denn er durfte nicht wähleriſch fein, — ericheinen Stephan 
Petröczy, Mathias Szuhay, Gabriel Kende und Paul 
Szepejiy. Aus dem Lager vor Buzinfa bei Kaſchau entſenden 


XVI. Buch: Vom weſtph. Frieden b. 3. ſpan. Erbfolgefriege (1648— 1700). 623 


fie an die benachharten Geſpanſchaften lateiniſche Rundſchreiben, 
welche, unter Drohungen, für die Sache der „von den Fremden 
gänzlich niedergedrücten und mit Füßen getretenen goldenen Freiheit“ 
die Stimme erheben. Sie unterzeichnen ſich darin als „Hauptleute 
der Feldmiliz“ (capitanei militiae campestris). Es find die „Heimath— 
lojen“ (bujdosök), in deren Kreije das feurige „Lagerlied“ ber 
Kuruzzen und der „Spottgefang von den Labanczen“ — ericholl.*) 
Denn Ihon hat der. wilde, ſchonungsloſe Parteikrieg, der Kampf 
aufs Meſſer, zwiichen den Aufftändifchen und den Kaiſerlichen aud) 
jeine PBarteinamen. „Kurucz“ ift der Aufitändifche, „Labancz“ der 
Kaiſerliche. Bei dem erften Namen darf man nicht wohl an ein 
türfifches Wort denken; richtiger mahnt es den Geſchichtsfreund an 
die bäurifchen Streuzer-Schaaren (Kuruczok, vgl. das lateinifche cru- 
cifer) unter Dözja’s Führung; — bei Labancz tritt die Bedeutung 
„Fußknecht“ (von läb-) klar hervor. Geit 1673—1674 kommen 
diefe Namen in Schwang und Braud). 


Allerdings wurde man bald der eriten Banden Meiſter und 
warf fie mit iiberlegener Macht bis an die Grenze Siebenbürgens 
zurüd (Ende October 1672). Aber der Boden Oſtungarns ijt dem 
Guerillafriege günftig; zudem trieb die wachſende Lnzufriedenheit 
edlere Elemente unter die Kuruzzenfahne. 


Im Jahre 1673 ſehen wir das jchlaue Doppelipiel der Pforte, 
welche mit der einen Hand die Zudringlichen zurüdweilt, während 
fie die Anderen insgeheim zur Stüte bietet. So gewanı der Auf: 
ftand Muth zum Ausdauern; an beiderjeitigen Grauſamkeiten fehlte 
es nicht. Um Eperies und Kaſchau fammelte fich ein Fleiner Wald 
von Pfählen für die gefangenen Kuruzzen; denn ein Spanfau, 
Schmidt, Strajjoldo, Omprara, — ein Kobb von Rau: 
Dingen u. A. übten hart und immer härter das Standredt in dem 
furchtbaren Style der dantaligen Zeit. — „Pater Joſna“, Fatho: 
liſcher Pfarrer zu Tällya, im Zempliner Comitate, war ein gefürd): 


») K. Ihaly veröffentlichte 1872 eine intereflante Sammlung von „Bei: 
trägen zur Piteraturgejchichte be Zeitalter Tökölyi's und Räföczy's (Adalekok 
a Thököly — es Rädoezikor irodalomtörtenetehez), 1. Band 1670—1700, 
mit einem Anh. v. Briefen des St. Gyöngyöſy (1663— 1703), (Teit 1872); es 
jind darin Die Zeitpoeſieen der protejtantifhen und Kuruzzenmwelt (Kuruczviläg) 
gejanımelt umd erläutert. Es ſteckt darin manche Rerle hiitorifcher Volksdichtung. 
(Sinen beachtenswerthen Aufjak über das Erjtehen ber Kuruzzen (a bajdosök 
tämadasa 1672 ben) veröffentlihte Bauler in Szäzadof (1869, ©. 1 fi., 
85 ff., 106 ff.) 


624 XVI. Bud: Tom weitph. Frieden b. z. ſpan. Eibfolgekriege (16483 — 1700). 


teter Kuruzzenfänger. Aber wehe auch jedem Labanczen und Bapiften, 
der den „Heimathlojen” in die Hände fiel! 

„Fülle die Släjer — lade die Hafen (Halbhafen, Yangflinte), 

„Bereit, den mwuchtigen Säbel zu paden, 

„So trinfe den Wein, daB, wenn du börjt ber Trompeten Zeichen, 

„Du Blut magſt trinfen und garbenmweis thürmen der Deutjchen Leichen !“ 
beißt es im Sturuzzenliede. 

- Die Hoffnungen auf Türkenhülfe wurden allerdings dutch Die 
ſchwere Niederlage des Halbmondes bei Choczim (12. November 
1673) getrübt. Aber in dem Türfenbefieger und neuen Wahlfönige 
Polens, Johann Sobiesfi, erwuchs 1674 dem Nufitande ein 
neuer Gönner. Denn jein Schwager, der franzöjiiche Botjchafter 
Graf Bethune, als Bertreter einer Macht, der das Auflodern 
eines neuen Brandes im Reiche der deutichen Habsburger ſtets will: 
fommen war, vermochte wenigftens fo viel, daß der Polenfönig 
MWerbungen für den ungariſchen Aufftand nicht hinderte. Ueberdies 
jandte er (September 1674) feinen Attahe Beaumont rad) 
Siebenbürgen. Hier ward die Friedenspartei am Hofe Apafiy’s, 
der ſtolze Dionys Bänffy, jein Schwager, mit Hülfe des Ober: 
capitäns der Szekler, Baul Beldy, von der Kriegspartei unter 
der Führung Michael’s Teleky, geftürzt und Hingeridtet. Man 
fonnte ihm jeine Ergebenheit gegen den SKaijer, der ihn zum Frei— 
bern erhob, nicht verzeihen. Beldy bereute bald, bei jeinem 
Sturze mitgehrlfen zu haben. Beaumont eilte dann zur Pforte, um 
dem Sturuzzenfriege auch hier Vorihub zu leijten. 

Schon im März 1674 hatte fich die Biharer Liga oder 
Union der „Ungamflüchtlinge” mit Siebenbürgen vorbereitet; jeßt, 
als der Secretär der franzöfiichen Geſandtſchaft in Polen, Roger 
Akakia (Anfang 1675), bei Apaffy eintraf, wollte der ehrgeizige 
Telefy die Führung der gefammten Kuruzzen in die Hand nehmen 
und ihren Feldoberften Baul Wejjelenyi, Beldy’s Eidam, ver: 
drängen. Bei einem Theile der Kuruzzen gelang dies auch. 

Am Landtage der Siebenbürger zu Fogaraſch fam nun 
(1675, 28. April) der Entwurf eines Bündniſſes Apaffy’s, 
und der Kuruzzen mit Frankreich zu Stande. Die Erfteren 
verpflichten fih, 12,000 Mann im Felde zu halten, Ludwig XIV. 
monatlich 15,000 Thaler Subfidien und überdies 6000 Söldner 
zur Verfügung zu ſtellen. Sändor begab fih als Interhändler 
des Aufitandes nah Paris, und die Pforte, wo an Stelle des 
bedeutenden Ahmed Köprili (F 1676) ein eitler Flachkopf, aber ein 
ehrgeiziger, vielgefehäftiger Günftling, Kara Muftafa ale Großvezier 


XVI. Bud: Vom weitph. Frieden b. 3. fpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 625 


almächtig wurde, obſchon fie officiel dem Fürften Siebenbürgens 
den Krieg gegen den Kaijer widerrieth, meinte es nicht fonderlich 
ernſt damit. " 

Der wüſte Parteifrieg tobte nun fort, ohne daß das Ein: 
lenfen der Wiener Regierung jeit 1675, ihre beginnen: 
den Zugeſtändniſſe ſeit 1677 — jo der Erlaß einer allgemeinen 
Amneftie — den Brand löſchen Fonnten; oder daß das Bünd- 
niß Xeopold’s I. mit K. Johann von Polen (1677, 24. April) 
in Betreff der Nichtunterftügung aufftändijcher Unterthanen, die 
polnitch = Franzöfiihe Hülfe dem Kuruszenkriege entzogen hätten. 
Denn Bethune veritändigt ſich durch Foreval und den Abbe 
. Dominique mit dem fiebenbürgifchen Hofe, wo nun Teleky den 
allmächtigen Minifter fpielt, während Apaffy und die Auffitändischen 
ihre Gegenbotichaft nah Warſchau entfenden. 

So fommt 1677, den 27. Mai, das Warihauer Bündniß 
nit Frankreich zu Stande. Apaffy, das fürftliche Haupt der ungarijch: 
fiebenbürgijchen Liga, verpflichtet fich zur Haltung von 9000 Reitern 
6000 Fußknechten und zum Angriff gegen den Kaijer im Julimonde; 
die ganze Führung als Vertreter des Fürſten erhält Teleky; Franf- 
reich giebt die Subfidien (vorläufig 20,000 und während des Krieges 
jährlich 100,000 Thaler) und unterjtügt die Malcontenten von Polen 
aus mit Truppen. In dem geheimen Tractate der Kuruzzen mit 
Frankreich ericheint Telefy als „Obergeneral”, ein Vicegeneral und 
12 Magyaren als Beirath ihm zur Seite. Apaffy wird erforder: 
lihen alles die Kuruzzen heimlich unterftügen; andererjeits jollen 
fie feinen Separatfrieden mit dem Kaifer ſchließen 
und in einen etwaigen Frieden Ludwig's XIV. einbezogen werben. 
— Raul Wejjelenyi- wird bei Seite geſchoben, fein Schwieger: 
vater Beldy bald als Gegner Teleky's geächtet und als „Ver: 
räther” zur Flucht in die Wallachei gezwungen (October 1677). 

Der Wiener Hof hatte, wie gejagt, feit dem Jahre 1675 
mit jener unjeligen Halbheit einzulenfen begonnen, welche das Ge- 
botene in den Augen der Gegner als knickerige Nothgabe oder als Aus- 
drud der Verlegenheit und rathlojen Bejorgniß ericheinen läßt. Der 
Waitzner Biihof Gubaſéczy drang bei Hofe Ende 1677 mit 
der von jeinem magyariichen Standpunkte allerdings leicht be- 
greiflihen Anſicht durch: „Nichts könne jo leicht als Nachgiebigkeit 
die ungariihe Nation gewinnen,” — und man müſſe fich beeilen, 
denn „der Feind ſei auh im Winter thätig; der türkiſche Mond 
gehe in der Naht auf und der galliſche Hahn fchlafe nicht.” Guba- 
jöczy wurde nun das Haupt der am 22. Sanuar 1678 beitellten 

Krones, Geh. Oeſterreichs. IIL 40 


626 XVI. Zud: Tom weñph. Frieden b. ;. ipan. Erbiolgekriege IFA — IT 


Sriedenscommittion. Konnte und wollte man nicht durch 
große rüdhaltloie Zugeftändnitfe die Gemüther wie im Sturme 
erobern, und, wie die Tinge lagen, blieb es auch da eine frag= 
liche Ausiiht auf Erfolg, jo war der jegige Syſtemwechſel ein 
dem (Gegner willfommener Beweis der Ehwäche. 

So mußte denn Biſchof Emerih Sinelli als Gegner diejes 
Syſtemwechſjels in ber Conferenz weichen; — „er durfte nicht länger 
den weltlihen Staat Ungarns antaften”, jchreibt der ungarijche Zejuit 
Kazy; — ein Gelinnungsgenoe Sinzendorf ging als Yyinanz- 
minifter dem Sturze entgegen ınd Hocher, das incarnirte Staats- 
princip, jchüttete in der Preßburger Magnatenconferenz 
umjonjt jeinen roll gegen den „rebelliihen” Geijt der Ungarn in 
unmuthigen, ja maßloien Worten aus, melde reichlih vergolten 
wurden. 

Telety, mit Weilelenyi und der Mehrzahl der Ungarnflücht⸗ 
finge zerfallen, von der Unterjtügung Frankreichs aus Polen ver: 
lafjen, da diejen Truppen unter der Führung Boham’s und Fore⸗ 
val’8 der Zipjer Staroft Lubomirski die Wege nah Ungarn 
verlegte, richtet allerdings auf feinem Zuge nad) Nordungarn (1678) 
und mit feiner Shovärer Proclamation (4. Juli) an das 
Mapyarenvolf wenig aus; er war nit der Mann des Erfolges. 
Dagegen trat jet der junge, ftattlihe Magnatenſohn Emerich 
Tötöly, der Träger eines Namens von gutem lange, in den 
Vordergrund, um die Führung des Kuruzzenfrieges in feine Hand 
zu nehmen. 

Die Tököly's find, wie die Zapolya's Emporkömmlinge, raſch vom Glücke 
gehoben und getragen, ein jüngeres Magnatengeichlecht, das erit in ben 
lebten Decennien emporlam. Sebajtian Töföly (Tefeli), „von niedriger Geburt, 
aber feden Sinnes“ gewann als betriebjamer Pferdehändler das Nertrauen und 
die Erbſchaft eined Paſcha, der gern (Shrift gemorden wäre, fo erzählt die Ueber. 
lieferung und läßt ihn aus Rolen fiammen, den Namen ändern ober ver- 
ſtümmeln. Jedenfalls wurde er erit um 1572 Befiyer eines Adelsbriefes (Arma- 
liste), durfte aber ſchon 1580 als reicher, weltläufiger Mann einer Magnaten: 
tochter, Eufanne Döczy von Nagylucje, Die Hand reihen und jo in Die höheren 
Kreife der Ariitofratie fi einführen. Im Türfenfriege des Jahres 1598 be- 
nahm er fid) wader; er hatte angeblich auf eigene Fauſt 200 Krieger auögerüftet, 
beſaß er doch ſchon jeit 1574 Die große Herrſchaft Käsmark in der Zips; — der 
Kaifer entlohnte ihn mit den Baronate. (Fr war darum, obſchon Proteitant, 
auch ftreng faijerlich. 

Eein älterer Sohn Stephan I., in zweiter Ehe mit einer Thurzö ver- 
mählt, der von weiten Reifen im Abendlande feit 1595 Weltfenntniß und Studien 
mitbrachte, war, wie ber Vater, ein Zwingherr Käſmarls, mit welcher Stabt 


XVI. Buch: Vom weitph. Frieden b. 3. jpan. Erbfolgefriege (1648— 1700). 6237 


er in endlofen Procefien lag. 1651 geitorben, vererbte er feinen großen 
Befig an die beiden Söhne; Sigismund, aus eriter Che (mit Sophie Hof: 
mann), den Herrn von Schaunif, ber, loyal, kaiſerlich und durch die Jeſuiten 
fatholijc) geworden, 1678 jtarb, — und Stephan II., den Sohn der Katharina 
Thurzö, Herrn von Käsmark, Grbobergefpan des Gomitates Arva, Beſitzer 
der Schloßgüter Rofenberg, Drama und Lifama, und als Gatte der Wittwe 
Gyulaffy, Befiger von Gütern in Siebenbürgen, einen eifrigen Brote: 
tanten und Anhänger der Magnatenverihmwörung. Als folder von 
der Acht und Strafe des Kaiſers bedroht, jandte er feinen vierzehnjährigen Sohn 
Emericd nad) Lifawa; er felbjt erwartete die Kaijerlichen unter Paul Chterhäzy, in 
den feſten Drama (Arva). Drei Tage nach Beginn der Belagerung ftarb Stephan II. 
(23. November 1670). Seinen Sohn bradte man in Frauenkleidung über bie 
Grenze nah Polen, wo er unter der Leitung Lilienberg’3 und Zajgel’3 zum 
ihönen, beredten jungen Manne heranwuchs, der in feuriger Seele den Haß 
gegen die kaiſerliche Herrihaft in Ungarn nährte. 

Im Auguft 1678 erfhent Tököly unter den Kuruzien; 
Michael Teleky verlobt ihm feine Tochter und erleichtert ihm den 
Meg zur Oberfeldherrnitelle.e. Bald fteht er an der Spige von 
20,000 Mann und überfällt mit Glüd die ſchwächeren Kaiferlichen, 
nimmt und plündert die weſtungariſchen Bergitädte. Sein 
Genoſſe wird „Pater Joſua“, jegt ein Kuruzzenfreund ; jpäter von 
den Kaijerlichen eingefangen (} 1679). Die Ducaten und Thaler, die 
Gold: und Silberbarren, melde Tököly in Kremnitz erbeutet 
(11. October 1678), wandern, um: und neugeprägt mit dem bezeich- 
nenden Reverje: „Tököli princeps partium Hungariae dominus* 
(Fürſt Tököly, Herr der ungarifhen Reichstheile) und mit dem 
Averſe: „Ludovicus XIV. Galliae Rex, Protector Hungariae* 
(Ludwig XIV. König von Frankreich, Beihüger Ungarns), in 
die Welt. 

Tököly und die Kuruszen können fich als eine Macht gebehrden; 
man trägt ihnen den Frieden entgegen, aber ihre Forderungen find 
überfpannt. Die Niederlage Tököly’s im November durch die Fönig- 
lihen Generale Dünemwald und Wrbna, die Friedenshandlung 
des Kaiferd .mit den Ungarn zu Dedenburg, mit welder der 
Abgang des ohnmächtigen Gubernators Ampringen „aus Gejund- 
heitsrüdjichten” zufammenhing, endlich der nahe Nymweger Friede 
mit Franfreih, veranlaßten Tököly, der einen Waffenitillitand 
angenommen, ſich dem Kaifer zu nähern und als Preis des Aus: 
gleiches die Erlaubniß des Kaifers zu feiner Ehe mit der Wittwe 
des 1676 verftorbenen Franz Raͤkéczy I. und die Vermittlung 
bei deren Schwiegermutter Sophie Bäthory in gleiher Richtung zu 
fordern. Der Name und die großen Güter der noch jungen Wittwe 

40* 


628 XVI. Buch: Tom mweitph. Frieden b. 3. ſpan. Erbfolgeftiege (1648— 1700). 


beitimmten Tököly, die Verlobung mit der Tochter Teleky's aufzu- 
löjen. Trogdem er mit dem Kaiſer nicht einig werden konnte, 
ihloß er dennod) die Ehe mit der Tochter Zrinyi’s und gleiche Ge: 
finnung beherrjchte jeither das Paar, die Erinnerung an die jüngfte 
sergangenheit und das Schidjal ihrer Väter. 


5. Bom Nymweger Frieden bis zur zweiten Zürfenbelagerung 

Wiens 1679-1083. 6. Der Kampf mit der Pforte und Die 

2öfung der ungariſch⸗fiebenbürgiſchen Frage bis zum KHarlos 
wicer Frieden, 


Literatur (vgl. die allg. u. d. z. 4. Abſchn.). Zeitgeſchichtliche Ehro⸗ 
nifen: Aus deren Maſſe hebe ich bloß einige charafterijtiiche hervor: die am 
bejien die Diction jolcher Zeitproducte jchon im Titel an ber Stimme tragen. 
Feigius, Wunderbarer Adlerſchwung, oder fernere Geſchichts-Fortſetzung 
Ortelii redivivi et continuati (der mit 166-4 ſchließt), 1664— 1611. (Wien 
1694). 2. Theil (reichhaltig und ziemlih genau); Francisci, Ter blutig: 
gereizte, aber endlich fieghaft entziindete Adlerblig wider den Glantz des barba- 
rischen Sebeld und Mordbrandes (d. i. Türke). Hiſtor. Erzählung der Kriegs⸗ 
empörungen ungariſcher Malcontenten.... Belagerung Wiens durch die Türken 
u. j. m. (Nürnberg 1684) u. „Ter neuvermehrte türkiihe Gubernator und 
Vaſall“ (Nürnberg 1685) Ungariide u. Wienerijche Kriegs: und Staats: 
regiftratur (Mien 1687); Flämitzer, Der in böhmijche Hoſen ausgekleidete 
ungarijche Libertiner, ober bes glorwürdigjten Erzh. Tejterreich feitgej. Souverain- 
und Erbrecht im K. Ungarn. Tas ijt eine genaue und ausführliche Demon— 
ſtration . . . . aus was fir Grundurſachen die noch fürmährende ungarijche 
Rebellion ſich entiponnen. Mit was perduelliſcher Perfidia die Stände und 
Unterthanen des Königreiches gegen die ... Verordnungen d. K. Maj. Waffen 
geführet .... (Würzburg 688); Happelius, Der ungariſche Kriegsroman, 
o. ausf. Veſchr. des jüngſten Türkenkrieges. .. .. » Bde. (Ulm 1685— 1689), 
(ſehr ausführlich für Die Zeit ſ. 1685 beionders). Ngl. Theatrum europ. 
XII. f.%b.; Sim plicissimus — — Türkiſcher Vagant ober umbicdhwei- 
fend Türkiſcher Handels-Mann, o. T. gebr. 1683, (dieſes jehr jeltene Buch 
bezeichnet (Baedefe als 2. Theil des Ungar.-Dacian. Simpliciſſimus). Ngl. S. 584. 

Magyariihe Chroniſten: Babocjay: Fata Tarcezalensia u. N. bei 
Rumy, TI. (1670 -17609; N. Bethlen, Autobiogr. a. a. O. (vgl. über ihn 
auch die Memvires du Comte Bethlen im 6. Bde. der Hist. de revolutions 
de Hongrie (à la Haye 17539; Eſerey von Nagy:Aita (Ziebenbürger, Szekler), 
benützt bereits von Katona; vollit. ber. v. G. Kazinczy (1852), (eine jehr 
beachtengwerthe protejt. Quelle, conjervativer Haltung); vgl. auch feinen jüngern 
Yandsnıann, Lad. Apor von Altorja, 5. in den Monum. Hung. hist. 11. Bd. 
b. v. Kazinczy (1863); Töföly (f. Tageb., Briefbücher und andere bentw. 


XVI Bud: Vom weſtph. Frieden b. 5. ſpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 629 


Schrr.), h. v. Kol. Thaly, 1. 2.Abth., 1. Tagebücher (von Tököly, Dobay, 
Säandor, Bay, Almädy u. A), (1686-1705); 2. Briefbüher u. U. 
Monum. Hung. hist. 23. 24. Bd. (1868—1873). Kleinere Quellen f. d. Zeit 
ſ. 1660 ji. als Zagebüder des Inczédi, Szafäl. h. v. Szabö u. 
S;ilägyi (Pelt 1860) u. in d. Monum. Hung. 27. Bb. 1876 (tört. naplök 
1663—1719). 3. Geh. der tököl. Inſurr. erfchienen gleichfalls zeitgen. 
deutſche Drude, 3. B. Bericht Furzgefaßter Warbaffter.... (4%, 2 3); 
Kurke Lebensbejchreibung bed ungar. Herrn Graf Töedeli.... (4%, 8 ©.), 
Wahrhaffte, eigentlihe .... . Original:Bildnus nebft denfw. ominöfer u. aus: 
führl. Pebenöbefchr. bes geb. ung. Gr........ Em. Tököli .. . (4°, 1683, 
3 BU. mit Bortr..) Bejonders reichhaltig für die ganze Epoche v. 1665 — 1663: 
Das vermwirrte Königreih Hungarn (gedr. 1684), Pgl.auh Le Clerc, Vanel a. a. 
O.u. Hist. desrevolutionsd’ Hongrie, IV. Abth.; Biermann, Töfölyana 
im Arch. f. K. öjterr. &., 26.85. 3. Gefch.d. Wiener Türkenbelagerungv. 
1683 findet ſich das ganze Material bibliographifch verz. bei Kabbebo (Wien 1876). 
Tal. Hammer, Gefh. bes osm. R., 6. 2b. (Peith, 1830) S. 375 —424 
u. 731—735. Hier feien nur unter den Quellen, außer den originellen Predigten 
des Baarfüßermönches Abraham a. S. Clara (UÜlrih Megerle; vgl. über 
ihn das Bud) v. Karajan): „Auff auff ihr Ehriften!“ und „Merks wohl Sol: 
dat”! v. %. 1683, die gleich). Bejchreibungen von Rueß (1683), Ghelen 
(1684), Feigius (1635), Hode (1685), Talderen (Vienna a Turcis 
obsessa, Wien 1683); Assedio di Vienna d’Austria intrapreso li 14 
Luglio 1683 (Modena 1684); Rocoles: Vienne, deux fois assiegee par les 
Turcs. (Leyden 1684); und Sobieski's Briefe an die Königin (ſ. Gem. Maria) 
während des Feldzuges vor Wien, 5. von Oechsle (Heilbronn 1827); 
Pater Brulig’3 Bericht über die Belag. Wiend und dad Diarium eines 
Ungen., 5. v. Dudif (im IV. Bde. des Arch. f. KR. öfterr. G., S. 255 —296 u. 
397—508) und die Berichte des heſſen-darmſtädtiſchen Gelandten Juſtus Eberb. 
PBafjer...überdie Vorgänge am Wiener Hofe 1680— 1683 (ebda XXX VII. Bd. 
©. 271—409) angeführt. 

Defterr. Milit.-Zeitfhr. 18%. Die Belagerung Wien? durch die 
Türfen. Lochner, Ueber den Antheil Johann III. Sobieski's an dem Ent: 
fate von Wien (Nürnberg 1831); Schimmer, Wiens Belagerungen durch 
die Türfen (Wien 1847, populär); Barthold, Kurf. Joh. Georg III., bei 
dem Entf. v. Wien 1683. Nebſt e. Anh. den Antheil Sobiesfi'3 u. e. Dar: 
ſtellung d. Ereigniſſe bis. z. Schl. des Feldz. enthaltend (Raumer's, hiſt. Tajchb. 
1848). Sehr werthvoll: Cameſina, Wien und ſeine Bewohner während der 
zweiten Belag. 1683. Mitth. u. Ber. des Alterthumsvereins zu Wien (1865). 
(FBd., 1. 2. Abſchn.) Auch die beiden Monogr. v. Arneth (ſ. w. u.) ge: 
hören herein, insbeſ. die erſte. 

Ueber den Türkenkrieg von 1683—1687 im Ganzen v. milit. Stpd. |. 
Schallhammer der Türfenfrieg in Defterreih und Ungarn 1683—1687. 
(5 Bde) (Wien); Hammer, ©. d. osm. R., 6. Bd.; Majläth, 4. Bd. 

Die maßgebendften neueren Monograpbieen. Arneth, Das 
Leben des K. Feldm. Gr. Guido von Stahremberg (1657—1737) (Wien 1853); 


630 XVI. Bud: Vom weſtph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgefriege (1648— 1700) 


und als Hauptwerk für Dieganze Epoche von 1683—1735: Prinz Eugen 
u. f. 3. (Wien, 2. Q., 1864.) 3 Bde.; Vgl. Bericht des Kurf. Friedrich Aug. 
v. Sachſen an Kaijer Feopold I., über den Feldzug bes X. 1696 geg. bie Türken, 
h. v. demſ. im Arch. f. K. öfterr. &., 12. Bd. DieältereLit. 3. Geſch. des Prinzen 
Eugen v. Savoyen, vgl. 3.8. Kausler, ift durch Arneth’3 Hauptwerk ziemlich 
bei Seite gejhoben. Vgl. noch F. Heller, Die milit. Correfp. des Prinzen 
Fugen v. Savoyen (1694— 1705), 2 Bbe. (Wien 1848). Tas öjterr. Krieg: 
archiv giebt num die Feldzüge bes Prinzen Eugen in einem großen Werfe 
heraus, wovon bis jet 4 Bde. erjchienen (1. Bd. Einleitung). Ph. Röder 
vd. Diersburg, De Mfgrf. Ludwig Wild. v. Baden Feldzüge wider bie 
Türken. 2 Bde. (Karlsruhe 1839. 1842); Vico, de rebus gestis Caraphaei 
(Gen. Caraffa). 4 Bde. (Neapel 1716); Des Gr. Neterani Feldz. in Ungarn 
(Tresden 1788); Leben u. Kriegsthaten des Gen.-Feldm. von Schöning 
(Berlin 1837); K. W. v. Schöning, Leben und Kriegsthaten des Gen.-Feldm. 
v. Nazmer (Berlin 1838); Qgl. Sammer u. Zinfeifen a. a. O. 

Ueber die ungarifhen Zujtände im Mlg. Katona, XXXIIL 
XXXIV.; Feffler: Klein, 4.; Horväth, 4.; Szalay, 5. Bd. (Piel nad 
handſchrr. Material). 

Ueber die fiebenbürg. Verhältniſſe eine actenmäßige Hauptquell: 
8. Szäß: Sylloge tractatuum aliorumque actorum publicorum historium et 
argumenta b. diplom. Leopoldini, resolutionis itemquae Alvincziana vocatur, 
illustrantium. (Claudiop. 1833); Diplomatarium Alvinczianum 1685 
bi8 1683. v. A. Szilägyi in 2 Abth., Monum. Hung. bist. I. Abth., 14. 
25.38. (1870); N. Bethlen's Autobiogr. a. a. D., J., und feine Denkſchr. Mori- 
bunda Transsylvania (vgl. darüber die Monogr. Zieglauer's w. u.); Cſerey 
u. Apor a. a. O.;Deutſche FZundgr. 3. Geſch. Siebenb. II. (3. B. Tökölyi's Ein- 
fall in das Burzenland); Teutſch, G. d. S. S., 2. Bd.; Szilägni, Erd. tört., 
2. Bd.; K. Fabritius, Der Proceß des Schäßburger Bürgermeiſters Johann 
Schuller von Roſenthal. Arch. f. K., öſterr. &., 9. Bd. Der Religionsſtreit auf 
den ſiebenb. Landtagen 1691, 1692. Arch. f. Siebenb. Ldkd., N. F., 6.9. (1); 
Gräſer, Karaffa's Project v. 1690, ebenda N. F., 1.(2); Teutſch, Sieben: 
bürgens Zuſtände u. M. Apaffy J., ebenda 1. (2); Ygl. Apaffy Michael, 
deſſen Staatsrath und Hofſtaat, ebda., 3. (3); Zieglauer, Harteneck LZaba— 
nius), Graf, d. ſächſ. Nation u. die ſiebenb. Parteikämpfe ſ. Zeit (1691 -1703) 
(Hermannſtadt 1869), (die bedentendſte Monogr. j. dieſen Zeitraum der ſiebenb. 
Geſch.) Specielleres am betreffenden Orte. 

Zur Orientirung über den allgemeinen Gang der europäiſchen, 
insbeſondere der kaiſerlichen Politik, vgl. insbeſondere: die Werke von 
Ranke, (Neun Bücher preuß. Gefch., J.; Geſch. Frankreichs u. Englands); Troy, 
Geſch. d. preuß. Pol. IT. 3.; Arneth a. a. O.; O. Klopp, Der Fall des 
Hauſes Stuart u. d. Succ. d. H. Hannover ... i. Zuſammenh. d. europ. 
Angel. v. 1660 - 1714. (Ach habe von dieſem breit angel. Werke bie erſten 6 Bde. 
benükt, die bis 1694 reichen) (Wien 1875—1877). .. Gaedeke, Die Politik 
Deiterr. u. d. fp. Erbfolgefrieg (ſ. o.). Eine reiche Tuelle bilden bie venet. Re: 
lationen über Oejterreich, 5. v. Fiedler a. a. O. 


XVL Bud: Vom weſtph. Frieden b. z. fpan. Erbfolgefriege (16481700). 631 


Der Taiferlihe Hof: bietet in feinem Minifterium feit 
1679—1680 eine neue Gruppirung. Der Nachfolger Lobkowic's in 
Aemtern und Würden, Graf Lamberg, ein Liebling des Kaiſers, 
hochbejahrt, gichtkrank und dem Tode nahe, er ftirbt ſchon 1682, 
gilt nicht viel im großen Gefchäfte, Schwarzenberg, der Gavalier 
mit den größten Einkünften in diefer Sphäre (fie beliefen ſich auf 
jährlich 150,000 Gulden), ilt in die ſchwerfälligen Geſchäfte des 
Neichshofrathes verflodhten und zeigt eine gebundene Wirkſamkeit; 
auch er jcheidet bald (1683) aus dem Leben. Der Erfte aus diefem 
Kreife der alten Conferenzräthe, den der Tod im Alter von 73 
Sahren feiner Wirkſamkeit entreißt und einer der VBerdienteiten in 
den Sahrbüchern des Faiferlichen Dienites ift Montecuculi, der 
Hoffriegsrathspräfident und Feldherr (F zu Linz, 16. October 1681). 
— Noh vor Kurzem (1679) hatte er den Sturz feines minder wür: 
digen Gollegen, des Hoflammerpräfidenten Sinzendorf, erlebt, der aller: 
dings mit Recht, aber fehr zur Unzeit, von feinem Standpunkte aus 
auf Reducirung der Armee drang, und in der eigenen heillojen Finanz- 
wirthſchaft das fchlechteite Pflichtgefühl an den Tag legte. 

Der Kapuziner Sinelli, feit 1680 Biſchof von Wien (FT 1685) 
und zeitlebens in kaiſerlicher Gunft, wenn aud) jeit 1679 Fein Haupt 
mehr in der Gonferenz, hatte damals in der Armeefrage die gleiche 
Anſchauung wie Sinzendorf vertreten. Er, der Hofflammerpräfident 
Adele (Sinzendorf’s Nachfolger), der neue Präfident des Hoffriegs- 
rathes, Markgraf Hermann von Baden, in der That fein 
Erſatz für Montecuculi, und der ränfevollfte Hofmann, Albreddt Graf 
von Sinzendorf, der es endlih zum Oberſthofmeiſter brachte 
(T 1683) — ftanden zufammen gegen Hocher, jedenfalls den tüch— 
tigiten Arbeiter des Kaifers, der ſich allen Anfeindungen zum Troß 
in der Gunſt des Monarchen bis an fein Lebensende (1683) be- 
hauptet. Am meilten hatten ihm, wie er felbit geitanden haben fol, 
zwei Perfonen das Leben verbittert, feine Frau und jein Beicht: 
vater. Weberhaupt blieb der Einfluß der Geiftlidhfeit bei 
Hofe, insbefondere der der Jeſuiten, in Kraft, ja er wuchs nod), 
obihon die milde, friedlihe Gefinnung des Kaifers und die Sachlage 
in den ftaatlichen Kirchenangelegenheiten den Standpunft religiöfer 
Toleranz, 3. B. in Ungarn, immer entjchiedener zur Geltung 
fommen ließen. 

Seit dem Jahre 1683 bezeichnet der Eintritt Theodor’ von 
Strattmann (Stratemann) in das Gabinet, ale Hocher's Nach: 
folger, einen wichtigen Abſchnitt in der Geſchichte des Wiener Hofes, 
deſſen Perfönlichfeiten wir bis zum Ausgange des 17. Jahrhunderts 


632 XVI. Bud: Vom weitph. Frieden b. 3. fpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 


überfichtlich ſtizziren wollen. Es ift zugleich der Zeitpunkt, der uns 
die alte Garde der Staatsmänner nahezu insgejammt mweggeftorben 
zeigt. Auch der böhmiſche Oberftburggraf Martinic und jein 
College Noftic, der böhmische Hoffanzler, gehörten zu diefer Reihe. 
In der kaiſerlichen Politik, dem Reiche gegenüber, verjpürte man 
Ihon lange den Einfluß Strattmann’s, diefes ungemein fähigen, 
denk: und redegewandten rajchen und gejchmeidigen Mannes, eines 
Nheinländers, aus Eleve, brandenburgijchen Unterthans und zunächit 
auch in Tienften des Kurfürften Friedrich Wilhelm, ſodann pfalz- 
neuburgifchen Staatsmannes. Als kaiſerlicher Rath ſchloß er den 
Nymweger Frieden ab. Sein Genoffe dabei war Graf Franz 
Ulrich Kinsky, der Bruderentel des Schwager Terzka's und 
Arallenftein’s, den das Verhängniß zu Eger ereilte, als Martinic’ 
Nachfolger im wichtigen Amte; ein ernſter, gründlicher, viellundiger 
Mann, deſſen geiftige Tiefe allerdings mit äußerlicher Unbeholfen: 
heit und baarjpaltender Dialektik, mit einer Bedenklichkeit in Allem 
und Jedem Hand in Hand ging, weldye den grelliten Gegenjaß zu dem 
weltmännischen Benehmen Strattmann’s und zu deffen angeborenem 
Geſchicke, die nefchäftlichen Dinge zu fallen und zu behandeln, dar- 
bot. Der Venetianer Comer (1690) rühmt an Strattmann das 
„tiefe Urtheil und die Schlagfertigkeit in der Erledigung der ſchwie⸗ 
rigſten Materien“; Corner’ Nachfolger am Wiener Hofe (1692), 
Veniers: „feine Offenheit im Geſpräche und Benehmen, Eigenſchaften“ 
— wie diefer Diplomat bedeutfam hinzufügt — „welche manchmal 
nerabezu hindern, ihm zu viel zu glauben.“ Bezüglich Kinsky's jagt der 
Erjtere, „er verwirre eher als beſchleunige mit ſeinen Feinheiten den Aus— 
trag der Geſchäfte“; der Yweite: „er iſt ein Dann höchſten Wiſſens, 
jpeculativ mehr als nöthig.” Am Hofe unterhielt man ſich mit 
müßigen Anekdoten über Kinsky's Zerſtreutheit. Drei Hüte habe 
er in der kaiſerlichen Anticamera über einander aufgelegt und ge: 
glaubt, er fei nod immer obne Hut. Der Kaijer zollte ihm die 
volljte Achtung, aber Strattmann, der ftets beftgelaunte, vorzügliche 
Geſellſchafter, wurde fein Yiebling, fein „Auge und Ohr” ; Leopold's 
erniteo melancholifches Temperament bedurfte einer ſolchen friſchen, 
beweglichen Natur an feiner Seite. So begreifen wir leicht Stratt- 
man's amd Kinoky's Nivaliliren. 

Als Strattmann, 1683 in den Srafenjtand erhoben, 1695 ftarb 
und dann Graf Julius Friedrich Rucelini, ein Landſaſſe Krains 
und Niederöſterreiche, als Hofkanzler, Staats- und Conferenzminiſter 
der Erbe der Äußeren amtlichen Stellung Strattmann's wurde, 
war Kinsfy Dis zum Kintritte Harrach's (E. 1698) unbeftritten 


XVI Bud: Vom weſtph. Frieden b. z. fpan. Erbfolgefriege (1648-1700). 633 


ber eigentliche Träger der Staatspolitif, denn Bucelini zählte, nad 
Allem zu fchließen, unter jene Staatsmänner, weldye mit dem beiten 
Willen Unficherheit, engen Blid und eine Thätigfeit offenbaren, die 
fih in Kleinen Dingen erſchöpft und deshalb das große Geſchäft 
nicht zu beherrfhen vermag. Der Venetianer Ruzzini (1699) ent: 
widelt dies mit fundiger Feder; er |pricht auch von der Abhängig: 
feit Bucelint’s der Grazer Regierung gegenüber. 

In der Zeit als Strattmann und Kinsky neben einander jtanden 
(1683—1695) und die Hauptlaft der Etaatspolitit trugen, galt 
viel beim Kaifer Ferdinand Bonav. Graf von Harrach, feit 1684 
k. k. Oberftallmeifter, „der Favorit” Leopold's aus perfönlichen 
Gründen, nit vermöge feiner Amtaftellung; „durch Herzens: 
neigung des SKaifers, nicht aus Anlaß der Staatsgejchäfte”, wie 
Veniers (1692) jagt. Er wog in diefer Richtung viel mehr als 
die durch Anciennität und Würde ihm überlegenen Collegen: Fürft 
Dietrichſtein, Oberfthofmeifter, und Ferdinand Karl, Graf von Wald— 
jtein, Oberſtkämmerer des Kaifers; noch weit mehr ala der Oberft- 
hofmarſchall, Ferdinand Fürft von Schwarzenberg, feit 1692 Iberft- 
bofmeifter der Kaiferin Eleonore Magdalene und als der jpärere 
Oberſthofmarſchall Gottlieb Graf von Windifchgräz, der damals Ge: 
fandter Leopold's in Holland war! Entjchiedener drängte ſich in den 
Vordergrund Karl TH. Dtto, Fürſt von Salm, Ajo des Thron: 
folgers, Erzherzogs Joſeph, als Fremdling aus dem Reiche, durch die 
Verſchwägerung mit Dietrichltein doppelt feſt geſtützt; ein ehr: 
geiziger Kopf. 

Wenden wir uns den Rejfortminifterien zu. Die Ber: 
waltung der Hofkammer, des fchwierigften und undankbarjten Amtes, 
übernahm feit dem NRüdtritte Abele’s (1683) Graf Wolfgang Andreas 
von Roſenberg, zuvor Principalcommiffär des Kaiſers am perma: 
nenten NReichstage zu Regensburg, ein tüchtiger, fähiger Mann, aber bald 
von der Geſchäftslaſt derart gedrüdt, daß er wiederholt feine Ent: 
bebung verlangte. 1692—1694 folgte ihm Biſchof Graf Kollonid), 
der einen möglichſt ausgedehnten Wirfungsfreis am Hofe anitrebte, 
und nad) dem Tode des ungariihen Hofkanzlers Palffy (1679, 
6. Mai) eine Zeit lang Verweſer diefer Geichäjte geworden war, — 
endlih machte Graf Breuner den Schluß. 

Des Hoffriegsrathbspräfidenten, Markgraf Hermann 
von Baden (1681— 1691), wurde bereits gedacht; er taugte nicht 
fonderlih für diefen Poften, aber wie Contarini (1685) bemerkt, 
der Kaifer hatte „durch Die hohe Geburt” Diefes Mannes, wie 
fo oft Die Hände gebunden; das intriguirende Weſen diejes Minifters 


634 XVL Bud: Nom weitph. Frieden b. 3. fpan. Crbfolgefriege (1648— 1700). 


machte dem damaligen Armeehaupte Karl von Kothringen viel 
zu ſchaffen. Des Babners Nachfolger im Amte, der berühmte Ver: 
theidiger Wiens, Rüdiger, Graf von Stahremberg (1691 
bis 1701), war perſönlich tüchtiger, aber dem jchmwierigen Amte 
Doch nicht gewachſen. 

Eine jehr wichtige Stellung bei Hofe und in der Armeever: 
mallung batte fih der Neapolitaner Anton Graf von Caraffa 
durh Talent, Arbeitskraft, rüdfichtslofe Energie und ungemeine 
Schlauheit in der Belämpfung aller Gegner erobert; die Kaijerin 
und der Kaifer waren feine Stüße. Seit 1665 in öfterreichiichen 
Dienften und in Ungarn — wie wir ſehen werden — der verrufente 
Träger des Faiferlichen Regimentes, errang fich diefer jedenfalls über 
Gebühr verläjterte, aber hartherzige, von überwuherndem Mißtrauen 
und Starker Selbſtüberſchätzung erfüllte General nicht bloß den Feld⸗ 
marſchallpoſten, jondern aud) (1689) die ungemein einflußreiche 
Etellung eines oberften Kriegscommifjarius An Hin: 
gebung im Dienfte ließ er es nie fehlen. 

Noch müfjen wir zweier Männer von anerkannter Nedlichkeit 
gedenken. Es ift dies der uns ſchon befannte Reichshofrathspräfident 
Graf Dettingen und Graf 3. Quirin Jörger, deſſen in der 
wüſten Angelegenheit des Kammerpräfidenten Sinzendorf Erwähnung 
geihah. Jörger, der Enkel Helmbrecht's, eines der entichiedenften 
Führer und Gönner der Protejtanten Defterreihs in der bemegten 
Zeit Mathias’ und Ferdinand’s II., Convertit und 1659 in den 
Grafenftand erhoben, Schwiegerfohyn Rüdiger’3 von Stahremberg, 
zeigte in feinem Gutachten über die Finanzwirthſchaft 
vom 14. April 1679 am beflen, wie richtig er die wundeſten Seiten 
der öfterreidhiichen Verwaltung herausfand. Ein dur und durd) 
redlicher, dem Staatswohle ergebener Diener des Kaifers, der in 
ziemlich beſchränkten Verhältniffen lebte und ftarb, brachte er es zum 
Statthalter der niederöfterreichifchen Lande, zum geheimen Staats⸗ 
und Gonferenzrathe, zum SKammerherm und Ritter des goldenen 
Vließes. Jörger verfaßte auch ausführliche Memoiren in 8 Bän— 
den, deren Veröffentlichung, wie es heißt, auf Wunſch des Kaiſers 
unterblieb. Ein Eremplar davon befindet fih in der Wiener Hof: 
bibliothek. 

Die Hofgeiſtlichkeit befaß, wie immer, feinen geringen Ein- 
fluß. Michiele, der venetianiſche Botfchafter am Wiener Hofe, jagt 
darüber in feiner Relation von 1678: „Dean kann nicht genug 
begreifen, welche Herrihaft über die Grenzen des Gemwillens hinaus 
die Batres an diefem Hofe ausüben, da fie weitaus die Geltung 


XVI. Bud: Vom mweftph. Frieden b. z. fpan. Erbfolgefriege (1648— 1700). 635 


der Minifter überbieten.” Damals‘ war der uns fchon befannte 
Sejuit Miller obenan; feine Ordensgenofjen verftanden es, die 
Gunit des Kaijers feitzubalten, auch Durch theatralifche Vorftellungen 
und Mufilgenüffe, die ihm jehr zufagten. Miller hatte jedoch in 
Staatsdingen wenig zu ſchaffen; das war Sache des öfters genannten 
Kapuziners Sinelli, eines tüchtigen Kopfes, mit welchem 1658 
bis 1680 der Kaijer in eifriger Correfpondenz ftand. Später er: 
Icheinen die Väter des Jeſuitenordens Bifhoff und Wolff, geborner 
Freiherr von Lüdingshaujen aus Weltphalen, wirkliher geheimer 
Rath, von maßgebendem Einfluffe in Staatsſachen. 


Früher als Wolff, von welchem Rinckh in feiner Lebensbeichreibung Leo- 
pold’3 I. jagt, „es jei Fein groß Negotium feit feiner Anweſenheit in Wien ge: 
fchehen, wobei er nicht Hand angelegt” — erfcheint als Beichtvater und Verfaſſer 
politiider Gutachten, der Sejuit Franz Menegatti. — Leibnitz jchrieb über 
ihn an den Landgrafen Ernſt von Heſſen-Rheinfels (December 1691): „Ich fenne 
in Deutfchland feinen befähigteren Jefuiten als Menegatti, den Beichtvater des Kai: 
jerd. Als ih in Wien war, im Jahre 1688 bis zum Sannar 1689, war er Profefior 
in jeinem Colleg und damals wenig beachtet. Ich fuchte ihn auf wegen feiner 
Begabung. Wenn der Kaiſer mir den Auftrag gegeben hätte, ihm einen Beicht: 
vater zu wählen, fo würde ich feinen Anderen vorgejchlagen haben, ald Mene- 
gatti”. ... Non diefem begabten Hofgeiftlihen erihien im März 1689, zur 
Zeit, als fi in England der Sturz des Haufe Stuart bereit® vollzogen und 
das Königthum MWilhelm’3 III., des Oraniers, begonnen, ein ihm vom Kailer 
abverlangtes Gutachten, über zwei Fragen: 1) ob der Kaifer wider den König 
von Frankreich ein Bündniß und eine Gemeinſchaft mir Nichtkatholifen, befonders 
nit den Generaljtaaten und mit England, eingehen dürfe? und 2) ob er be: 
techtigt fei, dem Prinzen von Dranien bei den Bündnigunterhandlungen den 
Königstitel zu geben. Dieſes Gutachten iſt ein Mufter von Schärfe und Ge: 
fchmeidigfeit der Gedanken. Es bejaht beide Fragen, was auch drei andere 
geiftlihe Gutachten in derjelben Angelegenheit thun, mährend zwei analoge 
Schriftſtücke von Ordensgenoſſen Menegatti'3 herrührend — fie verneinen. 


Lord Lerington, Englands Botſchafter, jchrieb unter diefen 
Cindrüden den 30. Juli 1696 an jeinen Hof: „Dieje heiligen Männer 
müſſen ihre Finger in allen Sachen haben.” 

Eine der bedeutenditen Rollen am Hofe pielte lange Zeit 
(1661— 1695) der Francisfaner Chriftoph de Royas y Spi- 
nola (geboren 1626 in Geldern), Profeflor an der Kölner 
Hochſchule, nachmals Titularbiihof von Knin und endlich Bilchof 
von Wiener-Neuftadt, ein ſehr Degabter, auch in diplomatischen 
Actionen frühzeitig verwendbarer Kopf. So brauchte ihn ſchon 1661 
ber Raifer im Reihe zu Werbungen bei den Fürftenhöfen um 
Türfenhülfe. Er erjcheint als Träger einer dem Kaifer Leopold 


636 XVL 824: Zaım zeizt. reden 8. ı em Arge ER IS), 
bald sehr Inmrethiiben Idee: der firdliden Reunion, oder 
Der Lereinigung des Frotetantismus mit Der römi— 
ihen Kirche, und eines allaemeinen Kirdenirtiedens. 


Tie päpriihen Kunttien a Eier, Aibri:st und fen Radiroiger Buoni- 
Disii, umterrügten Spinola's Tlan, der ch aut bie in der Augsburger Gonteinon 
vom Jahre 15.7: enthaltene Frflärung: man te bereit, aut emem allgemeinen, 
vom Tapfte einzuberuienden Gonale zu erideinn. mise Leibnit telbit. 
Spinola's berühmter Zeirgenote, der Troretanı und Tertreter ãäbnlicher Unions- 
ideen, erflätt diesbezüglich in jenen Schritten: „Dat derjenige. weldyer an einen 
RNichter Berufung einlegt, Die Nurisdicrion Doiselben anerfennt“ : die VKerpflichtung 
zu Dieter Anertennung sei nicht autgeboben, iondern dauerte fort, für alle An: 
bänger der Gonieinon.“ Auch die „Finmwendungen der Proteñanten gegen das 
Soncil von Trient, erwa weil daiielbe über tie binweggeidhritten, obne he zu 
hören, nehme nicht weg ihre Verpilichtung zur Unterwertung unter ein allge: 
meines Goncıl, wenn barielbe in gebübrender Form gehalten würde.“ 

Spinola wollte als Mittel zu der Grreihung des groken Zweckes von 
dem römiſchen Stuhle eine Reibe von Zugentändniiten erlangen. ir fennen 
Dieie Entwũürie nur aus einem ipäter veröfientlihen Trivatbrieie eines Pro— 
teitanten,, fönnen alio nicht genau den uriprüngliden Umfang und ihre 
eigentliche ‚saljung klar erfennen. 

Ter Rapit jollte den Kelch oder das Abendmahl unter beiden Geitalten 
concebiren, über die Herrihait ber Kirche, die Mejje und bie guten 
Werke, vor Allem jedoh über die Verehrung der Heiligen ſolche Aus- 
ſprüche erlaiien, melde das proteitantiiche Bewußtſein beruhigen könnten. Ten 
kirchlichen Bräuchen proteitantifcher Gemeinden jollte ein gewiljer Spielraum 
belajien, den Rajtoren die (Fhe, jogar die zweite, erlaubt, den Fürſten ihr bijchöf- 
lihes Recht innerhalb vereinbarter Grenzen gemwährleiitet, dort, wo Neigung 
zur firdliden Union vorhanden ſei, proteitantiiche und katholiſche Geiftlide zu 
abmwedjelnden Predigten zugelajien werden. (Fin Iheil fönne fi altfatholifch, 
ber andere neufatholijch nennen, beide bisweilen zum Zeichen ber Gemein: 
(Haft die Gommunion des anderen Theile mitmahen. Die Trienter Goncil: 
beſchlüſſe jollten bis zu der neuen, allgemeinen Kirhenverfammlung juspenbirt 
bleiben und ihrem Verdicte unterbreitet werden. Dabei hätten die Proteftanten, 
vom Rapfte in eigener Bulle des Ketzerthums freigeiprocden, 
nicht als Angeflagte, ſondern als Richter zu erfcheinen und zu erklären, daß fie 
im Papſte nicht den Antichrijt, fondern den „oberjten und erjten Patriarchen der 
Ehriſtenheit“ erblidten, dem das Primat der Chriitenheit, zwar nicht das ber 
Werihtsbarfeit, jondern das der Ordnung, nicht nach göttlichen, fondern 
nah menſchlichen und kirchlichen Nechten, zufomme. Auch folle der römiſche 
Stuhl die fäcularifirten Kirhengüter den proteftantijchen Fürften förm⸗ 
lich überlaſſen. 

In der That, auf den erſten Blick, die ausgedehnteſten und möglichſten 
Conceſſionen; es war eine Grundlage, auf welcher, wenn man das hiſtoriſch 
Gewordene und Befeſtigte, den tieferen Gegenſatz proteſtantiſchen und 


XV]. Buch: Bom weſtph. Frieben b. ;. fpan. Erbfolgefriege (1645— 1700). 637 


fatholifchen Weſens und Volfägeijtes bei Seite ließ, die firchliche Union denkbar 
erſchien. 

Spinola begann ſeine Hofreiſen mit dem wichtigſten Ziele, mit Berlin. 
Die dortigen Hofprediger wieſen ihn nicht ſpröde ab, man zeigte ſich nicht un: 
nahbar. Weit ginftiger fchien die Ausjicht jedoh in Hannover, wo der 
fatholijch gewordene Herzog Johann Friedrich über Proteftanten herrfchte, während 
fein Tutherijher Bruder, Ernft Auguſt in Osnabrück, die Mehrzahl Fatho- 
licher Untertanen befaß. Beide Fürften, und namentlich die Gattin des letztge— 
nannten, Sophie, famen ihnt freundlich entgegen. 1677 begab ſich Epinola 
nah Rom, allmo B. Innocenz XI. den Bericht mit Befriedigung entgegennahm 
und dem Träger de3 Unionswerfes am Kaiferhofe empfehlen ließ. Bis zum 
Jahre 1679 erklärten 14 Deutjche Regenten: Sadfen, Brandenburg, Pfalz, 
Hannover, Celle, Wolfenbüttel, Cafjel, Würtemberg, Gotha, Eifenah (Weimar 
und Xena), Sottorp, Anhalt und Auſpach, ihre Bereitwilligfeit. So ſchien 
dem Erftarfen de3 Faiferliden Einflujfes im Reihe und dem idealen 
Plane einer Regeneration Deutſchlands eine firhlihe Union als 
Bundesgenoſſe an die Seite zu treten, und mir begreifen fo die warmen Sym⸗ 
pathien Leibnitzens für die ganze Angelegenheit. 

War aber ſchon der Tod des Hannoveraners Johann Friedrich (28. October 
1679) ein böſes Omen, ſo trat zu Frankfurt a. M. der bedeutende Theologe 
Spener gegen die Sache mit inhaltſchweren Gründen auf, indem er die poſitive 
Unmöglichkeit für Proteſtanten und Katholiken, über das tridentiniſche 
Concil hinwegzukommen, ſcharf auseinanderſetzte und die Gefahren, den Boden 
unter den Füßen zu verlieren, namentlich dem ſächſiſchen Hofe gegenüber zu 
betonen ſich beeilte. An den ſächſiſchen Höfen war man nun mißtrauiſch 
geworden. Aber auch von katholiſcher Seite begann man Spinola vorzu— 
werfen, daß er den Proteſtanten Dinge verſpreche, welche man von Seiten der 
katholiſchen Kirche nicht halten könne. Allerdings erlangte Spinola zu Rom 
in dem vom Papſte anbefohlenen Berichte der vier Cardinäle über ſeinen Plan 
volle Anerkennung, desgleichen empfahlen ihn die Generäle des Jeſuiten-, 
Dominikaner-⸗, Franziskaner- und Auguſtiner-Ordens, aber eben dieſe Aner— 
kennungen legen nahe, wie grundverſchieden das Endergebniß des gan— 
zen abenteuerlichen Planes, in den Augen dieſer Kreiſe, von dem geweſen ſein 
müſſe, was man in unionsfreundlichen Proteſtantenkreiſen dabei erhofite. 

Die franzöſiſche Politik und die gallicaniſchen Anſchauungen 
der bezüglichen Partei unter den Cardinälen, mit dem von d’Eiterös an ber 
Spipe, war diefen Plänen abgeneigt, und der Papft überließ, nun dadurch ge: 
ängftigt, die Weiterführung der Reunion dem SKaijer. 

Die brandenburgijhen Hofprediger der reformirten Nichtung 
lehnten das Anfinnen Spinola’s ab, und obſchon der neue Fürſt Hannovers, 
Ernjt Auguit, ein Freund des Gedankens blieb und der protejtantijche Abt 
zu Lodum, Molanus, mit Spinola einen neuen Unionsentwurf vereinbarte, 
ftieß das Ganze immer mehr auf Widerftand, Ueberdies war die bewegte Kriegszeit 
feit 1683 ſolchen rperimenten nicht günſtig. Mit frauenhafter Begeijterung 
arbeitete an der Löfung des Problems die Tochter des Pfalzgrafen Friedrich's V., 


538 XVI. Bud: Yom weinh. Arieden b. :. ipan. Erbiolgefriege ( 14° — Iran. 


£uiie Hollandine, die den rarerlihen Flauben mit dem katboliſchen vertauicht 
hatte und Aecbriiin von WMontbuition gemorden war. Dies bezeugt ihr Briei: 
wechiel mir Yeibnig, Zoituer und Molanus. 

Zpinoia, ion früher Zirularbiihbo? von Rnin (episcopus Tmnensis), 
wurde vom Kaiier 1626 auf den biihörliden Stubl von Riener:Reuttadt 
erhoben, iollte no einmal den Anlauf zur Verwirklichung des Unionsgedanfens 
nehmen, und ;war vor Allem auf dem Boden des önerreichiſchen Staates, 
in Ungarn. (5 mar dies zur Zeit, als ti die conteijionelle und. poli- 
tiihe Racification Ungarns bereits vollzogen hatte; der damalige Palatin 
Raul (Süterhasy und Primas Paul ZS;ecienyi veripradden ihre Unterftügung, 
der nüchterne, praftiiche, in Allem das Imperative liebende Biichof Kollonich war 
weniger entgegenfommend. Leopold I. gab dem Biſchofe Spinola eine Vollmacht 
vom 20. März 1691 zur Aufnahme von Unterbandlungen mit der proteitantijchen 
Geiſtlichteit Ungarns, 

Aber gleichzeitig wollte es Epinola auh in Deutſchland verjudhen. 
Wieder fommt man ihm an verichiedenen Höfen, zu Leipzig, Heidelberg, insbeſon⸗ 
dere aber in Hannover freundlich entgegen. Hier wirkten Leibnig und namentlich 
der vorgenannte Abt von Lockum, Molanus, in biejer Richtung. Tes legteren 
Erklärung iſt in der That ein Schritt äußerſten Gntgegenfommens auf pro: 
tejtantischer Seite. Aber bald äußerte auch Molanus feine Bejorgniffe, es würden 
„ale ireniſchen Beitrebungen in Rauch aufgehen” (1693, Mai). Im Jahre 1693 
mochte der 67 jährige Spinola einjehen, daß ſowohl in Ungarn als in Deutich- 
land die ganze Sache hoffnungslos jei; die ungariſchen Protejtanten 
hatten das faiferlihe Patent vom März 1691 dahin beantwortet, fie müßten 
die Erllärungen der Glaubensgenofjen in Deutihland abwarten. Mit biefem 
bitteren (Wejälgle, Die Kluft der Bekenntniſſe nicht überbrüden zu Tönnen, jchieb 
ber würdige Mann, 1694, 12. März, aus dem Leben. Sein Streben war bei 
aller Haltlofigfeit der Vorausſetzungen ehrenwerth. Daß Graf Buchheim, 
Spinola’s Nachfolger im Bistum, als Erbe und Anwalt feiner Pläne, die Dinge 
um nichts weiter brachte, erfcheint begreiflich. 


Noch müſſen wir der Stellung der fürftlihen Frauen am 
Kaijerhofe gedenken. Ein eigentliches Damenregiment hatte da, wo 
es ein fittliches Samilienleben gab, nicht Raum; aber den Einfluß 
der grauen in ber faijerlihen Familie darf man gleihmohl am Hofe 
Leopold's I. nicht unterjchägen. Noch immer bewahrte einen folchen 
die Stiefmutter des Kaifers, Eleonore; er ſchien den der eigenen, 
dritten Sattin, Eleonore Magdalene von Pfalz.Neuburg, zu 
überbieten; denn in einer wichtigen. Angelegenheit wandte fich 
deren Vater eher an die Kaijerin-Wittwe, als an die eigene Tochter. 
Immerhin mußte die regierende Kaijerin, bei ihrem Streben, die 
volle Gunſt des Gatten zu erwerben und zu behaupten, insbejonbere, 
jeitbem ſie dem Kaiſer (1678) den langerjehnten Thronfolger 
Sofeph (I.) geboren, — in bie Lage kommen, für ihre eigenen 


XVL Buch: Vom weſtph. Frieden b. z. jpan. Erbiolgefriege (1648— 1700). 639 


Verwandten Aemter und Würden zu erlangen. So veridhaffte jie 
dem einen Bruder, Franz Ludwig, das Bisthum Breslau, gegen 
das Votum des Capitels zu Gunften des B. von Olmütz (1683, 
30. Januar), doch ftarb er (4. Jannar), ohne e8 angetreten zu haben, 
und hatte den jüngſten Bruder zum Nachfolger.” Dem zweiten, Ludwig 
Anton, ward das Amt des Deutfh-Ordensmeifters (1685), (die 
Mainzer Coadjutur 1691), endlid das Bisthum Worms zu Theil; 
ein vierter Bruder wurde Biſchof zu Augsburg (1690). 

Es begann jo eine Rivalität der pfalzneuburgiihen Hof: 
partei mit dem Herzoge Karl von Xothringen, als Gatten 
der Schmeiter des Kaifers, der verwittweten Königin. 

Karl V. von Lothringen (geboren 3. April 1643), der Neffe 
und Nachfolger 9: Karl's IV., ſchon 1664 als kaiſerlicher Oberit, 
unter der Fahne Montecuculi’s im Türfenkriege vor Raab mit Aus: 
zeichnung genannt, zweimal Bewerber um die Krone Polens, aber ohne 
Erfolg, 1676—1679 im Kampfe mit Frankreich verdient, und jeit 
1678 mit der Erzherzogin Eleonore Marie, Wittwe des K. Michael 
vermählt, die ihm fchon vor ihrer polnischen Ehe geneigt war, — 
fand, da ihm der Nymmeger Friede den Aufenthalt im Loth: 
ringer Lande gründlich verleiden mußte, eine willlommene Stellung 
als Laiferlider Statthalter in Tirol. 

Hier war der zweite Sohn Erzherzog Leopold's und der Medi- 
ceerin, Sigmund Franz, der gegen den Willen des Kaijerhofes 
jeine einträglichen geiftlihen Würden mit der weltlichen Fürftenherr- 
Ihaft vertauſcht hatte, nad) kurzer Regierung (1663, April bis 
1667, 25. Juni) eines raſchen Todes verftorben, der zu dem un- 
begründeten Hiftörchen einer Vergiftung durch feinen italienischen 
Leibarzt, Agricola, Anlaß gab; — ein mohlgeftalteter, begabter 
Fürft, deffen Rührigfeit zum Wohle des Landes feinen Berluit 
doppelt empfinden ließ, wie ſtark auch der geiftliche Einfluß bei 
Hofe und die eigene, faft beifpiellofe Frömmigkeit des Erzherzogs 
Alles übermog. 

1665 übernahm Kaiſer Leopold das nunmehr beimfällig ge- 
wordene Land; 1679, den 17. Juni, trat der Herzog von Lothringen 
den Statthalterpoften an, und ſchlug mit der Gattin zu Innsbrud das 
Hoflager auf. Doc jollte ihn bald der Krieg der Provinz für lange 
fern halten. Die vier Jahre des vorwiegenden Aufenthalts in der 
Hauptitadt Tirols bejchenkten ihn mit männlichen Erben und einer 
Tochter. 

Karl von Lothringen, der Taiferliche Generallieutenant, ftand 
im 40. Lebensjahre, in der vollen Manneskraft, als er der Erbe 


ww: Zu: Dirzunnts, me Gbzezm. Imst Gme 
nl cwig mars Zar emmanide Betsone tere der in 
umge Denia, ar 9 am mm, nero vum, Der im 
Brom om Klomenm sı mern SMIIN, Ur migen feiner 
Sgrtınäer zazenller AS rur& 22 or Iobiehisfet su rief 
ernste, Ditz Iren er Ikarzetz Da (Srenz, der Gr T TZuuftfe, 


.. - > - . -. pi 
zur Oyerr zın MzrnsteDd und der zeransste ZSovrvasına. 50 


» 
meherien ın zer Arme Poert. iungen; insfeiondere bildeten eine 


.. 
Fe 
. 


„tr m Dr Kuiitüt des HSerrogs Me Italiener und Einige 
rin Ler zatiken Kaltan. 
Zu ben Zzteren zebsrie aucb bald der Marfgrar Ludwig 


von Baben, allervings der berahiaterte Rivale Des Yorbringers, 
Sohn des katholiſchen Markgraren verdinand Mar van Baden-Baden 
(7 1569) und Luiſe Chrittinens, Tochter des Herzogs Thomas Franz 
von Zavoyen:Carianan. (Geboren su Paris 1655, 18. April, er: 
Icheint der 19 Jährige ſeit 1674 in den Tientien des Ratiers, welche 
aud jeine Iheime Leopoid Wilhelm (1626— 16571 kaiſerlicher Feld⸗ 
marichall, und Hermann, der uns befannte Präſident des Hof—⸗ 
friegsrathes, genommen hatten. Montecuculi und bald auh Karl 
von Lothringen waren da jeine Lehrmeiſter. Mit 29 Jahren 
Erbfürit von Baden-Baden (1677) geworden, und bereits kaiſer⸗ 
liher Generalfeldwachtmeiſter, erlitt er durch die Wirthſchaft der 
franzötischen Neunionstammern (1679—1682) 10 viel Kränfungen 
jeiner landesherrlihen Rechte, daß er es vorzog, abermals in faijer: 
liche Striegsdienite zu treten. So ericheint er 1682 als Faijerlicher 
Feldmarjchalllieutenant dem Lothringer beigegeben. Bald fand Diejer 
an den Markgrafen einen ziemlich leidenſchaftlichen Aufpaijer und 
Tadler, den das Hoffriegsrathspräjibium jeines Ohms Hermann 
eine willkommene Stübe bot. 

Dem Badener an die Zeite tritt bald der junge Kurfürit 
von Bayern, Warimilian IT. (Emanuel), geboren 1662, jeit 
1680 volljähriger Yandesfürit, dejjen ältere Schweiter Marie Anna 
(1680) den Tauphin von Sranfreih, Ludwig's XIV. Eritgebornen, 
zum (satten erhielt. Maximilian Emanuel, jeit 1683 unter Taijer: 
licher Fahne, 1685 Schwiegerſohn Leopold's I. durch Heirath mit 
Maria Antonia, Tochter der eriten Gattin St. Leopold's I., der 
ſpaniſchen Margarita Therefia, — war durch und durch Lebemann, 
wicht ohne Friegerifchen und politifchen Ehrgeiz, — „unentichlojien 
im Cabinete“, jagt von ihm jein Striegsgenofje Ludwig von Baden, 
„ber Sicher im Hagel der Geſchoſſe, ſchwach im Kriegsrathe, 


XVI. Bud: Vom weilph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgefriege (1648— 1700). 641 


aber feit am Tage der Schlacht." Feuer und Bravour machten ihn 
beim Soldaten beliebt, bein Feinde gefürchtet. 

Diefem fürftlichen Feldoberften des Kaifers trat in den Tagen 
der höchſten Gefahr Defterreihs ein junger Franzofe, gleichfalls 
hoher Abkunft, an die Seite, vom Geſchicke auserjehen, ein großer 
Feldherr und bedeutender Staatsmann des Hauſes Delterreih zu 
werben. “ 

BrinzEugenvon Savoyen:Garignan (welde Linie der 
jüngjte Sohn Karl Emanuel’s I, Thomas Franz, in der erjten Hälfte 
bes 17, Jahrhunderts in’s Leben rief und ihr durch jeine Heirath 
mit Marie von Bourbon, Schweiter und Erbin des legten Grafen 
von Soiſſons, die lehtgenaunte Herrihaft auf franzöfiichem 
Boden zubradhte), war der fünfte und legte männliche Sprofie 
Eugen’s Mauritius, des „Grafen von Soiſſons“ und der Ichönen, 
geiftvollen Nichte des Cardinalminiftere Mazarin, Olympia Man: 
cini, die als Gegenftand der leidenfchaftlihen Bewerbungen des 
jungen Franzoſenkönigs Ludwig XIV. es vorzog, die Gattin des 
Prinzen zu werden und dennoch bis zum Jahre 1665 als die erfte 
Dame bei Hofe eine glänzende Rolle ſpielte. Schon einmal hatten 
die ehrgeizige, nad Einfluß ringende Frau und ihr Gatte den Hof 
verlafjen müjjen‘ das zweite Mal geihah dies am 30. März 1665, 
zur Zeit der Herrichaft der la Valliere, damals war Eugen faum 
anderthalbjährig. 1663, den 18. October, zu Paris geboren, ver: 
lor Prinz Eugen im Alter von 10 Jahren den Vater (F 1673), 
und bald erfüllte fi) das Gejchid feiner Mutter; fie mußte den halb 
jelbit verjchuldeten Anfeindungen der Montespan und des Minifters 
Louvois weichen und floh nach Brüffel, um Frankreich nie wieber 
zu betreten. | 

Die Familie blieb in Frankreich; aber in dem Herzen Eugen’s 
mußte das 2008 der Mutter eine Erbitterung gegen den franzöfifchen 
Hof zeitigen, welche insbejondere fein Bruder Ludwig Julius 
theilte; fie wuchs nur noch, da der Heine, ſchmächtige Eugen, braun von 
Antlig, mit der unſchönen Stulpnafe, deijen großes feuriges Auge 


allein auffiel und fefjeln konnte — .wie ihn uns der befte Zeuge, 
Charlotte von der Pfalz, die Gattin des Herzogs von Orlean’s in ihren 
werthvollen Memoiren ſchildert — mit feinem innerjten Drange 


zum Kriegshandwerke nicht durchzudringen vermochte, jondern als 
prädeftinirter Geiftliher, ala „l’abb&e de Savoye,* als „le petit 
abbe* vielmehr die Zielſcheibe mwohlfeiler Witeleien abgab. 
Aber der junge Mann, den der Genius dahin drängte, wo 
ihm fein Pla beſchieden war, der Mathematif, Geometrie, Die 
Krone, Geld. Defterreihe. II. 41 


642 XVI. Bud: Tom weſtph. Frieden b. 5. ſpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 


Grundlagen der Kriegswiſſenſchaft ebenfo ernftlih angriff, als er 
bie Thaten der großen Feldherren der Vergangenheit begeijtert in ſich 
aufnahm, war bald entjchloffen, dem Franzofenlande den Rüden 
zu fehren, als das Jahr 1683 einem jungen Krieger unter der kaiſer⸗ 
lichen Fahne Arbeit und Ehren vollauf in Ausficht ftellte. Seine beiden 
älteften Brüder hatten jich früher ſchon ſavoyiſchen Dieniten zuge: 
wendet; der dritte, Ludwig Julius, trat furz vor dem Ausbruche 
des Türfenkrieges in faijerlihe Dienfte. Ihm folgte nun bald 
Eugen nad). 

Der junge Mann von 19 Jahren, deffen Genie an dem Range 
der Geburt und an hohen Verwandtichaften wirkſame Bundesgenoffen 
befaß, traf im kaiſerlichen Heere einen nahen Verwandten und Alters: 
gefährten, den jungen Markgrafen Ludwig von Baden und gewann 
bald an dem Generaliffimus Karl von Lothringen einen wohlmollenden 
Vorgejegten und geachteten Zehrmeifter. Vor Allem jedoch fam dem 
Fremdlinge Kaifer Leopold ſelbſt mit einer Güte entgegen, welde 
das Heimijchwerden des „Großneffen Mazarin’s” in Deiterreich be: 
fchleunigen mußte. Ludwig XIV. mochte bald bereuen, den Dann 
fich entfremdet zu haben, der mit Hingebung der habsburgijchen 
Fahne diente, und den ſchon 1685 der Markgraf von Baden dem 
faiferlihen Kriegsherrn mit den Worten vorgeftelt haben fol: 
„Diefer junge Savoyarde wird mit der Zeit alle diejenigen erreichen, 
welche die Welt jegt als große Feldherren betrachtet.” 


Wir haben bisher den Faijerlichen Hof und die Verfönlichfeiten 
in’3 Auge gefaßt, denen es bejchieden war, in die Geſchicke Defter: 
reichs maßgebend einzugreifen; überlaffen wir uns nun dem Strome 
der Ereigniſſe jelbit. 

Das Jahr des Nymmeger Friedens, 1679, war zugleid ein 
Ihlimmes Peſtjahr. Die böſe Seuhe war von Dftungarn 
herübergewandert, wo fie Kaſchau hart mitgenommen hatte (1678). 
Im Frühlinge begann fie im Weiten des Staates ihr Fürchterliches 
Würgen. In der Heinen Stadt Dedenburg, defien Bürger 
Cſaͤny, ein fleißiger Chronift jener Zeit, den Sammer mitmadhte, 
forderte der ſchwarze Tod an 2500 Opfer, aljo ficherlich faft die 
Hälfte der Bevölkerung; Böhmens Hauptſtadt büßte Taufende 
ihrer Bewohner ein; in Wien wuchs vom Sanuar bis in ben 
September. die Zahl der monatlichen Peftleichen zu der Höhe von 
mindeitens 12,000; an 300 Käufer fanden ganz leer, erft in 


XVI Bud: Vom weitph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 643 


Herbite erjtarb allmählich die Wuth des Uebels, das nad) beiläufiger 
Schätzung weit über 50,000 Menjchen dahin gerafft haben joll.*) 

Der Kaiſer hatte fich von Wien den 9. Auguft auf das Schloß 
am Kahlenberge, dann nach Heiligenkreuz, von hier nach Mariazell 
geflüchtet; er hoffte endlich in Böhmen Sicherheit zu finden, aber die 
Seuche, welche ihren Weg von Dften nad) Weiten und dann nordwärts 
nahm, verfolgte ihn aud in das Elbeland, und fo begab er id) 
mit dem SHofitaate nah Linz, wohin die Peitilenz nicht reichte. 
Die Monarchie beklagte Verlufte an Nähr- und Wehrkraft, als hätte 
ein großer Krieg allhier gemüthet. 

Wien bot damals ein Bild des Schredens und chaotiſchen 
Durcheinanders. Am fräftigften fchildert dies ein Augenzeuge, der 
befannte Abraham a ©. Clara (Ulsih Megerle) in feinem 
„Merks Wien, das ift: des mwüthenden Todts ein umftändige Be- 
ſchreibung“ — .. einer der vielen Predigten diefes originellen Bar: 
füßermönches. 

Das Verdienſt in dieſes Chaos Ordnung gebracht und mit raſtloſer 
Selbſtverleugnung die allgemeine Wohlfahrt gefördert, das graufe 
Elend gemildert zu haben, gebührt vor Allen dem damaligen Statt: 
halter Nieder Defterreihs, dem Grafen Ferdinand Wilhelm 
von Schwarzenberg, der dabei mehr Umfiht, Ausdauer und 
Muth bewährte, als mancher Feldherr auf dem Schlachtfelde aufzubieten 
braucht. Ihn unterftügten dabei die Regierungsräthe: Q. v. Sörger, 
und die Grafen Hoyos und Stahremberg. Wien glich einer 
halb ausgeftorbenen Stadt, als der Kaiſer im nächſten Jahre hier 
wieder feinen Sit nahm. Auch in die ſüdlichen Alpenländer griff das 
Uebel in den fpäteren Monaten des Jahres. Sehr Hart wurde 
Pettau betroffen, wo der größere Theil der Bevölkerung wegſtarb; 
in Graz verödeten viele Bürgerhäufer ; überhaupt konnte die Steier: 
marf die Zeit von 1679—1684 zu den ſchlimmſten Peſtjahren 
rechnen. Abraham a ©. Clara verewigte auch die Peitleiden der 
ſteiermärkiſchen Hauptſtadt in einer an tragikomiſchen Wendungen 
reihen Predigt. 

Solche Elementarereigniffe pflegen einen doppelten Einfluß auf 
das Gemüth der Zeitgenoffen und vor Allem auf den Sinn des 
‚gemeinen Mannes auszuüben; fie ſchüchtern ihn ein und fie ftacheln 
ihn auf: an den äußerſten Stleinmuth grenzt verzweifelter Troß. 
Jedenfalls müſſen wir diejes Moment auch bei dem böhmischen 


*) Bol. die Schrift: Kurze Beichreibung ber großen Peſt zu Win i. J. 
1679 (Wien 1779). 
41* 


644 XVI. Buch: Vom meitpb. Frieden b. z. jpan. Erbiolgefriege (1648—1700). 


Bauernaufftande in Anſchlag bringen, welcher 1680, achtzehn Jahre 
nach) der örtlich befchränften Rebellion in der krainiſchen Gotſchee 
(1662), losbrad), vom Czaslauer Kreife ausging und bald auch im 
Bunzlauer, ja aud in den nordmweftlichen Kreijen, im Xeitmeriger, 
Saazer und Ellbogner, Taujende von Bauern und Häuslern gegen 
die brücdenden Forderungen der Grundherrſchaft bewaffnete. 

Ausführlich erzählt der Jeſuit Wagner als Zeitgenoffe in feiner 
forgfältigen und im mürdigen Tone gehaltenen Geſchichte Leo: 
pold's I. den Ausbrud), den Gang der ganzen Rebellion und ihre 
Niederwerfung durch die bewaffnete Macht unter der Führung der 
faiferlihen Generale Harant und PBiccolomini. Er iſt aud) 
nieht blind für die Webelftände der Grundunterthänigfeit. Leider 
folgte den zahlreihen Hinrichtungen mittelit Strang und Schwert 
nicht auch die gründliche Abhülfe der offenliegenden Gebrechen; denn 
Diefer Bauernaufruhr zeigte in feiner Ausdehnung am beiten, mie 
allgemein fie waren. In den deutihen Nord: und Weſtbezirken 
allein wurden an 13 Orten Suftifizirungen vorgenommen. 

Aber wenden wir nun wieder unfere Blide den Strömungen 
ber großen Politik zu. 

Wie gründlid) verfahren die naturgemäße Richtung der deutjchen 
Reichspolitik Frankreich gegenüber geworden, ſehen wir an ben 
Folgen des Nymmweger Friedens, in dem Zerwürfniß zwifchen dem 
Raifer und dem Kurfürften von Brandenburg: Preußen, 
endlich an bes Letzteren Allianz mit Franfreih. Es fam jo weit, Daß 
Friedrich Wilhelm, trogdem eine Botſchaft Oeſterreichs, Hollande 
und Englands (damals ward der Stuart K. Karl II. aus dent 
franzöſiſchen Schlepptau gelöst) — und Wilhelm von Dranien perfön: 
lich — ihn von Frankreich abzuziehen fich bemühten und Graf Lamberg 
im Namen des Kaifers dem Kurfüriten eine Entihädigung für Jägern— 
dorf, Subfidien und das Generalat der Reichsarmee darbot, 1681, 
ben 11. Januar, ein zehnjähriges und thatſächlich demüthigendes 
Bündniß einging, das den Reunionsgelüften Ludwig's XIV. auf 
Koften des deutſchen Reichsgebietes Feinerlei Schranke zog und den 
Kurfürſten in allen Angelegenheiten Deutjchlands zum Helfershelfer 
Frankreichs machen jollte. 

Andererjeitd war Karl IL. von England, an deſſen Hofe 
Graf Franz Sigmund Thun als kaiſerlicher Botfchafter weilte und 
mit dem Parlamente in Uebereinftimmung zu bleiben befliffien war, 
wieder in das Fangnetz Ludwig's XIV. gerathen und fchloß mit 
dem Gefchäftsträger bes Franzoſenkönigs, Barillon, den Tractat vom 
1. April 1681 ab. Dem entgegen hatte K. Leopold I. im März 





646 XVL Bud: Vom weſtph. Frieden b. z. fpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 


Mund nahmen mit Schmähungen über den ſchwachen, vom Aufruhr 
Ungarns bedrängten Kaijer, mit Schmeicdheleien und Berjprechungen, 
— der Bayernfürft, den Ffaijerfreundlichen Ohm Mar und den öfter: 
reichiſchen Botſchafter Noftic, dann den Grafen Lobkowic zur 
Geite, lieh ihnen doch nur halbes Ohr; die Wallfahrt Leopold's I. 
nah Alt-Dettingen (Anfang März 1681), mwojelbft er mit Mar 
Emanuel zufammentraf, das einleitende Angebot der Hand der 
Raifertochter Maria Antonia, entjchieden über die Geſinnung des Kur- 
fürſten. „Ich werde ihn führen, nur für den Kaiſer und das Vater⸗ 
land,” fol er gejagt haben, als ihm Leopold I. einen Toftbaren 
Degen einhänbdigte. 

Brandenburg: Breußen jhloß mit Frankreich den 
definitiven Allianzvertrag vom 11. Sanuar 1682; die Taijerlichen. 
Gejandten am Regensburger Reichstage, Roſenberg und Stratt- 
mann, juchten dagegen die deutichen Fürften gegen die verderblichen 
Pläne Frankreichs aufzumahnen. Daß diefe übellaunig, unbeweglich 
blieben, hatte feinen Grund in dem was Severinus a Monzambano, 
der verfappte PBufendorf, in jeinem klaren Buche über das deutjche 
Reich fagt, derjelbe Pufendorf, welcher als brandenburgiſcher Hiltorio- 
graph ziemlich richtig und rücdhaltlos die politiiche Sachlage erörtert: 
„Es beiteht gegen das Haus Defterreich der Neid aller Fürften des 
Reiches oder doch der Argwohn, infolge feines langwierigen Be: 
figes der Kaiſerwürde und feiner übergroßen Macht.” Hatte man 
doch Thon am Regensburger Neichstage vom Jahre 1665, mo die 
permanente kaiſerliche Wahlcapitulation berathen wurde, von diefem 
Standpunkte aus, die fogenannten öſterreichiſch-babenbergiſchen 
Sausprivilegien fharf angegriffen, ala ungebührliche Freiheits— 
briefe, ohne begreiflicherweife eine Ahnung von dem eigentlichen 
Sachverhalte zu haben. 

Noh einer Macht lag Alles daran, Defterreih im Kampfe 
wider Frankreih in Athen zu halten, es war dies Spanien, 
deſſen Botichafter, Marchefe von Borgomaynero, in Wien un: 
aufhörlich dahin wirkte, drohend, daß fonft der Hof von Madrid fi 
von der deutſchen Linie Habsburgs abwenden würde. Wußte er 
do, daß dem Kaifer in feinen Erbhoffnungen auf Spanien 
Alles an dem beften Einvernehmen mit dem Spanischen Karl, feinem 
Schwager, gelegen war. Aber der Kaijer bedurfte dieſes moralifchen 
Drudes nicht, um die ganze große Gefahr zu ermeflen, Wie ihm 
von Frankreich her drohte, die Politik Ludwig's XIV. ſchürte 
ja bei der Pforte jo gut, wie in Ungarn; franzöfiiches Geld floß 
dem Kuruzzenführer Tökölyi zu. Als nun der Taijerliche Reſident 


XVI. Bud: Vom weſtph. Frieden b. z. jpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 647 


in Warſchau, Zieromsfi, die bezügliche Correſpondenz des fran- 
zöfiihen Agenten Duvernay mit Tökölyi auffing und Anfang 
October 1682 diejelbe dem Polenkönige Sobicsfi vorlegte, mit der 
Forderung, den Franzojen auszumeilen, miderftrebte der genannte 
Herricher nicht länger, und Leopold I. ließ nun jene Correjpondenz 
ben Höfen vorlegen. Man ſprach von den abenteuerlichiten Plänen 
Frankreichs, deren aud Pufendorf gedenkt. Es habe der Pforte 
die Theilungderöfterreihifhen Länder angeboten; Böhmen, 
Mähren, Schlefien wolle Ludwig XIV. als Ausftattung für feinen 
Dauphin, als Fünftigen römiſch-deutſchen König behalten, alles 
Vlebrige gönne man den Türken, um es ihnen dann jpäter wieder 
abzujagen! Diefe Gerüchte zeichnen die Sahlage am beiten. 
Aeußerte fih doch der Botjchafter Ludwig’s XIV. in London, 
Barillon, am 18. December 1682 gegen den holländischen Refidenten 
van Benningen, wie Graf Thun nad Wien jhrieb: „Sein König 
werde noch eine Zeit lang innehalten und laviren, ſobald aber 
der Türfe erfheine, werde er auf allen Eden auf 
einmal losbrehen und vielleiht bis Böhmen vor: 
dringen. 

Den 10. Mai 1682 hatte der Kaijer, das verlogene Angebot Lud— 
wigs XIV.: Frieden auf Grundlage feiner Reunionen, — zurüd: 
mwetfend, das Quremburger Bündniß mit zahlreichen Reiche: 
ftänden des fränfifhen, ſchwäbiſchen und oberrheinifchen SKreijes 
abgeſchloſſen; Schweden, von den Abmachungen Brandenburgs 
mit Frankreich geängitigt, ſchloß fih dem Kaiſer an, während 
Kurfürft Friedrich Wilhelm, mit Dänemart im Einverftänd: 
nifje, Alles aufbot, um einen Krieg mit Frankreich zu bintertreiben. 
Der Regensburger Reihstag war der Werbung des Kaijers 
um QTürkenhülfe (Derember 1682) nicht günftig. 

1683 ließ Brandenburg durch Schwerin (Frühjahr), jpäter 
noch durd den Fürften von Anhalt (Juli, Auguft), in Wien ver: 
handeln; es galt den Frieden mit Ludwig XIV. und die Ent: 
Ihädigung für Jägerndorf. Strattmann erflärte damals im 
Namen des Kaifers an Schwerin: Nur einen „Univerſalfrieden“ 
fünne der Kaifer annehmen, nicht einen Separatausgleid) mit Frank: 
reich; der Kaijer fei zum Aeußerſten entſchloſſen; lieber wolle er, 
wenn ihn der Untergang bedrohe, rühmlich untergehen. Schon 
einmal jei der Türke vor Wien und ſchon wiederholt der Franzofe 
inmitten des Reiches geweien. — Graf Berfa unterhandelte weiter 
noch im Namen des Kaifers zu Berlin und sing dann nad) Kopen: 
bagen ab. 


: 648 XVI Bud: Vom weftph. Frieden b. z. fpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 


Man kam fih nicht näher, überdies erfuhr der Kaiſer von 
München, Nebenac habe aus Berlin feinem Collegen am bayerifchen 
Hofe gejchrieben, man dürfe ficher fein, daß der Kurfürſt dem 
Kaiſer nicht Einen Mann ſchicken werde, um ihn jo zum Frieden oder 
doch zur Waffenruhe zu zwingen. Auch fei die Abficht Friedrich 
Wilhelms, Schlejien zu occupiren. Frankreich wählte ge: 
ſchickt! Damals, als in Paſſau erfolglos verhandelt wurde, war 
längit Schon der große Krieg mit der Pforte im Gange, das furdt- 
bare Türfenheer vor den Mauern Wiens, Defterreih vor eine 
Lebensfrage geitellt. Und gerade in diefem Zeitpunkte hatte ber 
franzöſiſche Botjchafter Erecy (26. Yuli 1683) am Regensburger 
Reichstage den Kaiſer angellagt, er opfere, als Schleppträger 
Spaniens, das Neih dem Kriege mit dem feindlih gefinnten 
Frankreich! | 

Oeſterreich follte aber in diejfem verhängnißvollen Waffengange 
mit einem übermächtigen Gegner nicht allein bleiben. Graf Martinic 
hatte bei dem PB. Innocenz XI, wie wenig Opferwilligfeit 
auch ſonſt der römijche Stuhl dem Haufe Oeſterreich bewies, Sub: 
fidien (monatlid 50,000 Kronen ; 300,000 gingen jogleih an den 
Nuntius in Wien ab) und die Vermittlung bei dem polniſchen 
Hofe erzielt. Andererjeits hatte der Papft ein Breve an den 
Franzoſenkönig gerichtet (20. Januar 1683), Ludwig XIV. möge 
wenn er auch nicht Türfenhülfe dem Kaiſer jenden wolle, ſich doch 
jo verhalten, daß Lebterer ohne Furcht vor den Waffen Frank—⸗ 
reichs die Waffen gegen ben allgemeinen Feind führen Fönne. 

In Polen arbeitete Graf Waldftein am Abichluffe des 
wichtigiten Bündniffes; Sobiesfi, der verdiente Türkenkämpfer, be: 
griff die Tragweite der osmanischen Heerfahrt; ſchon im November 
1682 riß er ſich von feinen franzöfiihen Sympathien los; am 
31. März 1683 ſchloß er die entjcheidende Allianz mit dem 
Kaijer. 

Der Papſt garantirt dad Bündniß für fi und feine Nachfolger; es wird 
von den beiden Monarchen, ihren Bevollmächtigten und den Cardinalprotectoren 
beider Nationen eidlich befräftigt. Beide Theile verzichten auf alle Subjibien- 
rüdjtände der früheren Allianzen Oeſterreichs und Polens; der Kaijer insbeſon— 
dere auf alle Anfprüche auf das Salzbergmwerfvon Wieliczfa. Leopold J. 
verpflichtet fi 60,000, Sobiesfi 40,000 Mann zu ftelen. Im Falle Wien 
oder Krafau belagert würde oder in allen großen Fallen gemeinjamer Krieg3- 
bedrängniß jollen jich beide Theile beijtehen; ſonſt jedod) der Kaijer die Rück— 
eroberung der ungarifhen Feftungen, Polen die Wiedergeminnung 
Kamienic’, Rodoliend und der Ufraine anftreben. Sollte der Krieg ausbrechen 
und es für Polen unmöglich fein, die vom Reichstage bemilligten Eontributionen 


XVI. Buch: Vom mweftph. Frieden b. z. fpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 649 


aufzubringen, fo verjpricht Leopold dem Polenfönige 1,200,000 polniſche Gulden 
auszuzahlen, ohne auf der Rüderftattung zu beftehen. Dem Papite bleibt es 
freigeftellt, für irgend eine Entfhädigung zu ſorgen. Der Kaifer wird Spanien 
zur Aufbietung von Geldbjammlungen in den italienifchen Provinzen im Intereſſe 
Polens für die Dauer der Kriegdzeit vermögen. Alle hrijtlihen Fürſten, 
vorzugsweiſe der ruſſiſche Czar, folen zum Eintritt in diefen Bund aufge: 
forbert werben. 

Sobiesfi wurde der hülfreichſte Bundesgenoſſe. Auch der Kur: 
fürft von Bayern, allwo Graf Kaunig unterhandelte, hielt zum 
Kaifer. In Spanien befand fih Graf Manzfeld; das Madrider 
Cabinet jah jedoch den Angriff Sranfreihs vor der Thür. 

Und nun gilt es, den Gang der ungariſchen Verhält— 
niſſe und der Türlengefahr jeit 1680 zu zeichnen. 

Der Wiener Hof hatte mit Tökölyi einen fechsmonatlichen 
Waffenitillitand abgejchloffen (März 1680), der dann bis Ende Juni 
. 1681 verlängert wurde. Der Kaijer mwünjchte ſehnlichſt den Aus: 

gleich, die Bacification Ungarns, je drohender die allgemeine 
Sadjlage ſich anließ. Wie ſchwierig diefe Pacification war, fieht man 
am beiten, wenn man fih die Gejhichte des Dedenburger 
Landtages (am 28. Februar 1681 auögefchrieben, den 28. April 
eröffnet) vor Augen hält und zunächſt die beiden Schriftjtüde der 
proteftantiihen und katholiſchen GStändepartei vergleicht. 
Ssene verlangt (1681, 22. Juni) in jcharfer Darlegung der durch 
die. katholiſche Reftauration erlittenen Unbilden, Schadenerſatz, Züch⸗ 
tigung der Störer der freien Religionsübung und Wiederherſtellung 
des augsburgiſchen und helvetiſchen Bekenntniſſes auf ſeinen alten 
Stand, während dieſe von den „Verfolgungen und Wuthausbrüchen“ 
der Nichtkatholiſchen in breiter Erörterung das abſchreckendſte Bild 
liefert und für ſich als Bekenner der einzig geſetzlichen Kirche den 
kaiſerlichen Schutz und gebührende Genugthuung begehrt. — 

Am 13. Juni 1681 wurde Paul Eßterhazy, ber zweite 
Sohn des berühmten Nilolaus, der Gründer der fürftlichen Linie 
feines Haufes, Palatin. Schon früher (1680) hatte er als Oberft- 
hofmeijter neben dem Primas und dem Juder Curiä (Adam 
Forgäcs) mit den Malcontenten zu Tyrnau verhandelt. Jetzt war 
er die Seele der katholiſchen Negierungspartei. 

Der Kaiſer, zwifchen den beiden Religionsparteien in der un: 
erquidlichiten Zage, verjuchte es mit einer gut gemeinten, aber halben 
Maßregel, die, bei der leidenſchaftlichen Erregung der Gemüther, 
den Proteftanten — als zu wenig — nicht genügte, den Katholifchen 
— als zu viel — höchſt unwillfommen war. Nichts deſtoweniger ift dieſe 


650 XVI. Bu: Nom weſtph. Frieden b. 3. jpan. Erbfolgekriege (1648—1700). 


faiferlihe Refolution vom 9. November 1681, wodurch mit der 
Rekatholiſirung Ungarns enticheidvend gebrochen wird, das wich— 
tigite Ergebniß des Dedenburger Reichstages und überhaupt der 
erite Schritt zur Pacification Ungarns. Schon die Einberufung 
des Reichstages, die Wiederheritellung des Palatinates, anderer: 
jeits die Abſchaffung der Gubernatur, der Statthalterfchaft u. f. w. 
kennzeichnen die politische Nejtauration. 

Die wejentlihen Beftimmungen der Eaiferlihen Reſolution laſſen fi) alfo 
zufammenfaffen. — Der Kaifer beitätigt den Wiener Friedensſchluß von 1606, 
insbefondere ben erften Punkt, die freie Religionsübung der Afatholifen, fammt 
der darin enthaltenen Klauſel „ohne Nachtheil für die Fatholifche Kirche“ (nicht 
aber das Inauguraldiplom von 1608 und den Reihstagsabichied von 1647, womit 
der Proteftantismus weit außgebehntere Nechteerhält). Jeder Theil hat die Befugniß, 
bei dem Glauben zu verharren, dem er gegenwärtig angehört; ber Katholif darf 
nicht zu gegentheiligen Religionsbräuchen gezwungen werden. Er genießt freie 
Religionsübung, dort wo die Grundherrſchaft proteitantifch ift; dagegen bleibt 
ben Fatholifchen Grundherren ihr Necht ungejchmälert, über den Glauben ihrer 
Unterthanen zu verfügen. Dort, mo die freie Religionsübung geftattet iſt, Dürfen 
Seeljorger oder Trediger nicht vergewaltigt werben; auch fei fünftighin jede 
gewaltjame Kirchenwegnahme verpönt. Tas, was an Kirchen und deren Ein 
fünften von 1670— 1681 jedweber Theil befekte, bleibt ihm. Der Kaifer macht 
dann eine Anzahl von Städten (Tedenburg, Trentſchin, Kremnig, 
Neuſohl, im weſtlichen Berglande Bartfeld, Leutſchau, Kaſchau und 
Nagpbänya und außerdem noch 39 Orte in den Comitaten Weit: und Cher: 
ungarns und 2 (Nagy Kallö und Szakmär) für das Land jemfeitö ber 
Theiß, namhaft, in denen proteftantifche Bethäufer und Kapellen’ erbaut werden 
dürfen; ohnedies feien in den Comitaten Weitungarnd, Diesjeit Der Donau: 
Ezalad, Komorn, Raab; in denen Gentralungarna: Szolnof, Heves, Peſth und 
Pilis; in Weſtungarn jenfeit der Donau: Hont; in Oftungern: Abauj, Ungh, 
Beregh, Zemplin, Ugocja, Szatmäar und Szabolcd, die Anhänger der helvetijchen 
Gonfeffion im Befige von Kirchen. (Aus diefem Artikel entnehmen wir auch, daf 
es damals 5 faijerlihe Generalate: zu Kaniſcha, Raab, ferner ein ſolches 
„dießfeit der Berge“ d. i. im weſtlichen O.-Ungarn, ein Oberungariſches Died: 
und ein Generalat jenjeit der Theiß gab.) 

Andererjeits wird den fatbolifhen Unterthanen bie unbehinberte freie 
Religionsübung ohne alle fernere Störung zugefichert. Der Kaijer wird Fünftig 
alle Religionsbejchwerden unter Anhörung beider Parteien ſchlichten: er ver: 
bietet jede Nerunglimpfung und Schmähungter beiberjeitigen Befenntnifje, gemähr: 
Teijtet ihnen feinen Schup bei Androhung der Straie auf Landfriedensbruch 
„ohne allen Unterſchied“. — Mehr könne nicht gewährt werben und ber Kaifer 
glaube, dag man fich mit diefer gnädigen Nefolution begnügen merbe. 


Das Dedenburger Diätaldecret vom 30. Dec. 1681 
enthält eine Reihe von Satzungen, welde die Verfaſſung Ungarns, 
e Rechte oh Freiheiten berftellen; einiger wurde bereits ge- 


XVI Bud: Nom weftph. Trieben b. z. jpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 651 


dacht. Daß überdies der Kaifer ſich bereit erflärt, die Angelegen- 
heiten Ungarns mit dem ungariſchen Staatsrathe (consilium 
Hungaricum) zu berathen, dem Ffaijerlichen Botfchafter in Con: 
ftantinopel einen ungarifchen von gleichem Range an die Seite 
zu geben, die ungarijhe Hofkammer als der Wiener nicht 
untergeordnet zu erklären — beweift, daß er den Ausgleich ernitlich 
wollte. Aber man protejtirt geden bie Faiferlihe Reſolution; fie 
bot zu wenig für die Wünſche der Proteftanten, denn die XIII 
Comitate Oberungarns begehrten unbebingte, volle Religionsfreiheit, 
zu wenig für die Autonomiften, welde dem Tököly'ſchen Aufitande 
zuneigten; zuviel in den Augen der proteftantenfeindlichen Katholiken 
und zuviel an fi, um nicht den Gegnern der „deutichen Herrichaft“ 
ar zu machen, daß ber kaiſerliche Hof in der zwingendften Noth- 
lage jei und hiermit Hoffnung gebe, er werde fi) noch mehr ent- 
ringen lafjen. 

Auch mit Tököly hatte der Kaifer durch den gemandten Sta: 
liener Philipp Sanfeverino Frhr. von Saponara, Kommandanten 
zu Bataf, im November 1681 unterhandeln laſſen. Tököly im Ber: 
würfniffe mit dem fiebenbürgifchen Hofe, mit Telefy und defjen fürft: 
“ lichen Herrn, Apaffy, — ſchwankte eine Zeit lang zwijchen dem Aus: 
gleiche mit dem Kaifer und der Weiterführung bes Aufitandes, dem 
Bunde mit der Pforte; — ein neuer Waffenftillftand wurde abge- 
ſchloſſen. Aber die Ungeduld über das lange Hinziehen der faijer: 
lichen Erledigung feiner allerdings weitgehenden Forderungen, 
das Schüren Franfreihe und vor Allem, wie der fiebenbürgijche 
Chronift Cſerey berichtet, das entfchiedene Abmahnen feiner Genofjen, 
bem Saifer und den Deutfchen zu trauen, bejtimmten ihn zur Ab: 
jendung von Bevollmädtigten an den Sultan (Ende 1681), denen 
Ihon am 9. Januar 1682 beftimmte Zufagen türkiſchen Beiltandes 
zu Theil wurden. 

Umfomweniger war er jegt geneigt, auf die kaiſerlichen Erklä— 
rungen einzugehen, welche ihm (April) Saponara und Bilhof 
Sebeftenyi überbradten. Vielmehr ſchloß er nun (Ende April) zu 
Dfen 1682 mit dem Vezierpafcha Ibrahim einen Vertrag, in deijen 
Gefolge Beiprechungen über den gemeinfamen Feldzugsplan ftatt: 
fanden. 

Den 15. Juni feierte Tököly zu Munfäcs die Hochzeit mit Helene 
Zrinyi, Franz Räksczy's Wittwe; feine eigene Schweiter wurde 
Gattin des Palatins Ejzterhäzy. Saponara vertrat den Kaijer bei 
dem Munkäacſer Feſt, — denn der Wiener Hof wollte jeden Anlaß 
zum Bruch vermeiden. 


652 XVL Sauch: Vom weinb. Frieden b. ;. van. Grbiolgefriege (1648 — 1700). 


Schon am 24. uni kündigt der Kuruzzenführer ala Vorkämpfer 
der „ungariicben Freiheit“ den Wartenitillitand, was der Palatin 
(7. juli) nit dem Auigebote der Anturrection und mit dem Rund— 
jchreiben mider jene, „Die für Die Freiheit zu ftreiten vorgeben, fie 
aber mit Lernichtung bedroben*, beantwortet. Tököly ilt jedoch Der 
Ztärfere; Die fatjerliben Truppen Oberungarns unter dem Uber: 
commando Ztratjoldo's erweiſen ſich als unzureichend, Die 
Hevölferung unsufrieden und der fremden Zoldatesfa abgeneigt. 
Bald it das ganze mweitliche Beraland mit Kaſchau als Haupt: 
marrenvlag in den Händen der Kuruzzen (14. 15. Auguſt), — denn 
dem tapferen Lamb itanden nur 800 Mann in dieler Stadt zur Ver: 
rıraung; überdies hatte Tokoly's Gebeimichreiber, A. Szirmay, Die 
ihm tehr mohlbefannte Gitadele Kaſchau's (20. Juli) überrumpelt. 
"nr Filek ericheinen nun Tököly und der Serdar, Vezierpaſcha 
‚hrahtm; der tapfere Stepban Kobärn muß nad äuberitem Wider⸗ 
jtande capituliren und wird gefangen abgeführt, unerichroden warf er 
Fnfoly nen Kerrath der Sache Ungarns in’s Geſicht. Am 10. Auguft 
trat im Lager von Filek das Atnameb des Sultans ein, in Be: 
aleitung Der nitgnien der Fürſtenwürde Ungarns: Keule, Fahne 
un Mübe, Fortan nennt ji Tököly „Herr und Negierer Ungarns,“ 

sr Neu mit dem Kaiſer iſt vollendet und bald find auch die 
entnaariichen Bergftädte mit ihren reichen Gold: und Silbervor: 
allen in Weiner Hand; jo daß nur noh Patak, Syatmär und 
ref ind.itingarn und die Waaglinie des weltlichen Berglandes 
in fanerlichet Sewalt bleiben. Jetzt tritt Tököly mit dem Angebote 
etz Kanenitillitandes an den Wiener Hof heran, um jeine Winter: 
arttere ruhig beziehen zu können, und diefer geht bereitwillig darauf 
et, Ja ber Mailer erlaubt auch den Beſuch des auf den 13. Januar 
lien Totoly nad Kaſchau einberufenen Ständetages der 
XIII Comitate S. Ungarns. Die Vorlagen Tököly's, des „Fürjten 
berunaurns“, ſprechen davon, der Kaiſer habe ihn als Friedens: 
“antttlec bei der Pforte in Ausficht genommen. A. Szirmay 
un aan als Botſchafter Tököly’s und der Stände bei dem Sultan 
alsertchen. 

har ber Wiener Hof wirklich jo blind für die große Gefahr und jo 
wilrancusjelig, da Dod) jein Vertranensmann Sebejtenyi, der ſieben— 
bie Viſchof, vormals Zipſer Probſt, ſchon den 12. September 
10 aus Eperies an den Primas Szelepefenyi ſchrieb: der Sultan 
werne nachſtes Jahr in Perſon aegen den Kaiſer zu Felde ziehen, 
uud tanmdy, ber öſterreichiſche Botjchafter bei der Pforte, alsbald 
über die Januar: Abmadjung (1682) zwijchen Tököly und der Pforte 


XVI. Bud: Vom weitph. Frieden b. 3. fpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 653 


nah Wien Bericht erjtattete? Alberto Caprara, der Bruder des 
Taijerlichen Generals, konnte ja im Februar 1682 beim Vezierpaſcha 
zu Ofen die friegerifche Stimmung der Türken leicht herausfühlen 
und noch mehr davon überzeugt werden, als er am 9. Juni die 
enticheidende Audienz bei Sultan Mohamed IV. verlangte; unter: 
ſtützten doch ſchon im Auguft d. J. türkiſche Truppen Tököly und 
begrüßte ja die Pforte bald darauf den Kuruzzenführer als Fürften 
Ungarns. Derſelbe Caprara jchrieb (Ende Oftober 1682) an den 
faiferlichen Hof: dem Kaiſer bliebe feine andere Wahl als zum Schwerte 
zu greifen und jeine Monarchie nebft der ganzen Chriftenheit zu verthei- 
digen, Der faijerliche Hof nahm Stellung der Türfengefahr gegenüber, 
aber ftet3 lavirend, zumartend, abwägend, jah er ſich, ohne hinreichende 
Mittel an Geld und Mannſchaft, einem doppelten Kampfe aus: 
gejegt: dem Kriege mit Frankreich und der Pforte; jener fchien ihm 
unvermeidlich, diefen glaubte er noch immer abwenden oder doch 
verzögern zu Tönnen. 


Wir befiten hierüber drei Gutachten eine der rechtichaffenften Staatsmänner 
Defterreichs, des uns bereit3 befannten Zörger; das eine vom 11. Auguft, das 
zweite vom 11. December 1682, — fie harafterifiren zwei Phajen in den Anſchau⸗ 
ungen des Wiener Gabinet3; — das dritte erwuchs (11. März 1683) unter bei 
Borbereitungen zum entfchiebenen Türkenkriege. s 

An dem erften Schriftftüde wird von dem Gedanken der „Conipiration 
Frankreich mit den Türken”, von der Unvermeiblichkeit des Krieges und zugleich) 
bei der Unzulänglichkeit der Mittel, einen Doppelfampf zu führen, von ber 
Frage ausgegangen, „mit welchem Theile man ji in Krieg einlaffen, mit wel⸗ 
chem Frieden jchließen folle”. Jörger entfcheibet fih für den Krieg mit 
Sranfreih; — denn, abgefehen von ber diplomatiſchen Verlogenheit und Un: 
zuverläfjigfeit diefer Macht, ftünden bie fpanifchen Niederlande und Nieberbeutich- 
land auf dem Spiele. Eine Zujammenziehung aller Streitkräfte in Ungarn 
bedeute den Berluft Deutichlands; eine Theilung mache fie nach beiden Seiten 
bin unzureihend und ſei finanziell bedenklich. Andererſeits fprächen alle Er: 
fahrungen, die Uebermadt des Sultans, die Gefahr eines jichern Verluſtes Un- 
garns und die ungeheuere Koftipieligfeit eines Türlenkrieges für die Räth— 
lichkeit, den Frieden mit der Pforte durch Kunft und Geld thun— 
lichſt zu verlängern. 

Unter dem Eindrucke der ſchlimmen Nachrichten von der unbezähmbaren 
Kriegäluft der Pforte, die fih dur alle Beihmwichtigungen, durch die Gelb- 
fummen, die über Raguia nah Stambul wanderten, nicht befeitigen ließ und 
einen ebenfo ftarfen Antrieb in der ungarifchen Sadjlage ald in dem Drängen 
Frankreichs hatte, eritand das zweite Gutachten Jörger's. Es beleuchtet 
die unermeßlichen Nachtbeile eines Verlufted Ungarnd, Wiens, Regensburgs, des 
„Srenzbaujes” für das Reich, an die Osmanen; — demnach müffe dem 
Türlen Widerftand geleiftet werben. Und nun entwidelt Jörger bie 


654 XVL Bud: Vom weſtph. Frieden b. 5. ſpan. Erbrolgefriege (1648--1700). 


Nothmwendigkeit einer neuen Negelung der Correipondenz der maßgebenden Be 
börden, der Beichaffung eines zahlreichen Heeres (von 80,000 M.) unter einem 
Generallieutenant mit zwei oberjten Befehlshabern. Sorgfältige Aushebungen 
und Werbungen jollten jtattfinden, damit nicht, wie jo oft, die Hefe der Stabt- 
bevölferung in die Armee gerathe. Man folle bei Austbeilung der Regimenter 
nicht lauter Fremde mit Hintanfeßung der Einheimiſchen vorjchlagen, denn das 
Ihmerze die Untertanen. Strenge Mannszucht, Militäröfonomie, pünftliche 
Soldzahlung, Verproviantirung der Armee und der Srenzfeflungen feien notb- 
wendig u. |. m. 

Das ganze Ausland ſei um Hülfe anzugehen, ja aud) Siebenbürgen, bie 
Moldau und Wallachei, Tököly durch Berjprehungen zu entwafinen, 
und wenn er bartnädig bleibe, alß Rebell zu behandeln. 

Das dritte Gutachten Jörger's beweilt, daß bereitö Angeficht3 bes 
Krieged eine ganze Reihe von Verfügungen getroffen wurden und befchäftigt fich 
mit drei Bunften vornehmlich, mit der Frage, inmwiemweit die ungariſchen Milizen 
in Verwendung zu fommen haben, wie der Krieg zu führen und was für Wien 
zu fürdten fei. 

Es murde von den ungarijhen Legitimiften, der Palatin Paul Eſzter— 
häzy an der Spite, gegen die Wiener Regierung der Vorwurf gerichtet, daß fie 
Angarifche Milizen aufzubieten ſäumte, er findet fih 3.8. in ben „Meinungen und 
Briefen” (Opiniones et litterae) des Palatins, welche, in der Zeit von 1681— 1683 
abgefaßt, von großer Wichtigkeit für die Beurtheilung der Sachlage jenſeits ber Lejtha 
erfcheinen ; unter Anderm indem Schreiben bed Palatins an den Kaijer vom 25. Auguft 
1682. Gedenken wir aber der Mäglichen Ergebniffe, welche das ungarijche Auf: 
gebot in den Tagen Montecucculi’8 und des Palatins Weffelenyi hatte, jaljen wir 
den Kuruzzenfrieg, die Stellung Tököly's und die Gefinnung eined großen Theis: 
le8 Ungarns in's Auge, fo erjcheint uns die Aeußerung Jörger's da: 
rüber vielleicht hart, übertrieben, unbillig verallgemeinernd, aber durchaus nicht 
gewichtiger Gründe entbehrend. Er fagt nämlih: „Die meijten der Ungarn 
find verbädtig und untreu, denn fie wollen nicht befehligt, nicht regiert werben, 
und tumultuiren, wenn bie Gefahr am größten; fie nehmen die Flucht, ohne 
Scham vor einem folchen Verbrechen, ohne Zögern ihrer Anführer, devajtiren 
die Länder und feßen das Heer Euer f. Maj. in Confufion, daher ift es beſſer, 
fie fern und bei den Ihrigen zu balten.“ 

Jörger meint ferner, e3 fei ungemein wichtig, daß der Kriegsrath die Au 3- 
jihten der Kriegsführung gegen die Türken in’s Auge falle, denn 
die ſpäte Erpedition zeige, daß an eine Dffenjive nit zu den: 
ten. Cine entjcheidende Niederlage, fchließt er, wäre das größte Unglüd, darum 
heiße e3 vorfichtig handeln, denn Wien verloren, heiße Alles verloren. 

Jörger jelbit gejteht die leidige Verzögerung der Kriegäbereit- 
haft zu und darin hatte ber Tadel der ungarifhen Stimmen, jo des Pala- 
tins Sfzterhazy, unbedingt Recht. Auch der Benetianer Contarini, der als 
unbefangener Zeuge in feiner inalrelazion über den Kaiferhof vom Jahre 1685 
das Ganze ber Ereigniffe feit 1683 überſchauen fonnte, betont dies, aber er 
zeichnet klar geuug bie Motive dieſes Zögerns: „Der Türkenkrieg,“ fchreibt 


XVL Bud: Vom weſtph. Frieden b. z. fpan. Erbiolgefriege (1648— 1700). 655 


Eontarini, „war (bei der Pforte) bereitet durch die Aufjorderungen der ungari- 
chen Rebellen und durch das Schüren der Nebenbuhler des Kaiſers (Frankreich!). 
Man fah (in Wien) den Krieg voraus, und dennoch glaubte man nicht daran, 
weil die Minijter, die ihn nicht wünjchten, und Andere (Spanien!), die das In— 
tereffe hatten, die Macht des Kaiſers nach diefer Eeite Hin nicht vermidelt zu 
jehen, Alles zur Beſchwichtigung der Türken und der Rebellen thaten. In diefem 
Vertrauen auf bie Erhaltung des Friedens unterließ man jedoch die Vorſicht, ſich 
zur Vertheidigung zu rüften.” (Wir erfahren von anderer Seite, daß der Hof— 
friegarathöpräfident Hermann von Baden ſchon 1682: 80,000 Mann verlangte, 
die Hoffammer aber nur 60,000 erhalten zu können erflärte, und daß die Hälfte 
davon für den Rhein, gegen Frankreich beſtimmt war). „Man jchidte Gaprara,“ 
fährt Contarini fort, „nach Conſtantinopel (in Begleitung des Gregor Paveiics), 
Saponara an Tököly; man bot Lebterem Winterquartiere, ſchweigende Zuerkennung 
des von ihm Erlangten, daß zur Sättigung feines Ehrgeized nad 
einem gürftentbume genügen Ffonnte (63 jchien nämlich beſſer, daß 
ein jolches fich von felbit geitalte, damit man nicht in die Schmach verfalle, es 
ihm mitteljt Verträgen zuerfannt zu haben. Die Botichaft des Grafen Saprara 
gelang mit geringer Befriedigung ihres Zmeded, denn der Diman war zum 
Kriege entihlofien, und da die Türken ibm Harte und unmerfüllbare 
Bedingungen zu Gunjten der Erneuerung ber gewünfchten Verträge jtellten, 
fo Tehrte der Botjchafter ohne irgend eine Abmachung ſchon mwährend der Be: 
lagerung (Wiens) an den kaiſerlichen Hof zurüd.” 

Gontarini entwidelt auch umftändlid) genug, daß Marcheſe Borgomays 
nero, ber ſpaniſche Botjchafter, Alles aufbot, um den Kaiferhof gegen Frankreich 
ausſchließlich im Harniſch zu bringen, und daß er vornehmlid an dem Präſi— 
denten bes Hofkriegsrathes, Hermanır von Baden, feine Stüße hatte. 

Leopold I. und Ludwig XIV. zeigen in ihrer damaligen Hals 
tung eine Verwandtichaft; Beide warten zu, der Kaijer, des Fran⸗ 
zoſenkrieges als unvermeidlicher Nothwendigkeit gewärtig, der König, 

vol Ausfiht, die polnifhen Rüftungen zum Türlenfriege 
würden nicht zu Stande fommen, vor Allem jedoch der Vernichtung 
der Macht des Haujes Defterreih durch die Pforte 
und Töksly ſicher. Dieje fihere Ausficht überhob den „aller: 
Hriftlichften” König der leidigen Nothwendigkeit, als Bundesgenoſſe 
der Türken auf den Kriegsſchauplatz zu treten und ein allgemeines 
Hergerniß auf fich zu laden, Deutjchland, das er als Erbe ber 
Stellung der Habsburger zu beherrichen vorhatte, burch einen offenen 
Kampf noch weiter zu jchreden und zu erbitten. Der Rechnungs— 
fehler des faiferlichen Eabinets, fein ſchwerfälliges „Temporifieren“, 
rächte ſich durch angftvolle Tage; aber die Enttäuſchung des Hofes 
von Verfailles jollte ſchließlich noch verhängnißvoller werden. 

An dem gleihen Tage, an welchem der Kaiſer das uns be⸗ 
kannte Bündniß mit dem Polenkönige abſchloß, war das Türken- 


656 XVI. Bud: Tom weſtph. Frieden 6. z. ſpan. Erbfolgefriege (1648— 1700). 


heer mit dem Sultan und feinem Großvezier ald GSerasfier, Kara 
Muſtafa, an der Spite, von Adrianopel (31. März 1683) auf: 
gebrochen, allıvo bereits den 2. Januar der Roßfchweif am Gezelte 
des Sultans gegen Ungarn ausgeitedt, die Richtung des Kriegs— 
zuges angedeutet hatte. Am erjten Mai mujterten der Großherr und 
jein Feldherr vor Belgrad das Osmanenheer, das größte, wel: 
ches Dis jegt in den Kampf ausgezogen war, 230,000 Mann ftark, 
aus der Balfanhalbinjel und den Ländern des Drients aufgeboten, 
mit großartigem Rüftzeug und der gewaltigen Zahl von 300 Geſchützen. 
Kara Muftafa, dem nun der Sultan die grüne Fahne des Propheten 
übergab, um jelbjt vorläufig in Belgrad zurüdzubleiben, war der 
größten Erfolge fiher. Bor längerer Zeit hatte er fi ſchon mit 
dem Gejandten Hollands über die Entfernung Wiens von Stambul 
beſprochen. Um diefelbe Zeit war auch Kaiſer Leopold mit feiner 
Gattin und dem Kurfüriten von Bayern im Gefolge nad Kittfee, 
an die Grenze Ungarns und Delterreichs gereilt, um hier die Streits 
fräfte zu mujtern, an deren Spige fein Schwager Karl von Loth— 
ringen als Generalijlimus treten jollte. Als die gewaltige Armee 
der Türken am 7. Juni 1683 vor Eſſeg an der Draumündung 
Stand, erichten das Taiferlich gebliebene Ungarn auf die Murinfel, 
die Linie Raab-Körmend, das untere Waagthal und die Preßburger 
Geſpanſchaft zufanmengefhmolzen. Das Kleine Hauptheer unter 
Rarl von Lothringen und 4 andere Corps in der Gejammt: 
ftärfe von faum 60,000 Mann waren auf der langen Dedungs: 
linie von der Drau bis nach Kittfee an der ungarischöfterreichifchen 
Grenze aufgefielt. Spärlide Wirkungen hatte der Aufruf Balatins 
Eizterhäzy von 18. März, welcher die Generalinjurrection Ungarns 
unter die Waffen rief. 

Dagegen ſchwoll die Bruft Tököly's von ftolzen Hoffnungen. 
Als er am 26. Mai 1683 zu Tällya die Vertreter von 19 Ge 
ſpanſchaften Oberungarns vor ſich jah, hielt er e8 an der Zeit, den 
Zauen und Zagenden, denen es vor feinem Bunde mit den Türken 
graute, zuzurufen, es bedürfe num der Thaten, er ſei gemillt, 
als „Herr und Fürft des Landes” aufzutreten. Mit Polen hatte 
er im März d. J., aber erfolglos, unterhandeln lafjen, jo auch mit 
dem Erbftaroften der polnischen Zips, Stanislaus Lubomirsti; 
doch diefer war aud) ein entfchiedener Bundesgenofje der kaiſerlichen 
Sade. Der Imjurgentenführer erſcheint im Lager Muſtafa's, dann 
eilt er heimmwärts, um von Leutfchau aus den Krieg anzufündigen; 
eine Schaar feiner Kuruzzen bildet die Vorhut des Großveziers und 
Serastiers. | 


XIV. Buch: Nom weitph. Frieden b. 3. ſpan. Erbfolgeriege (1648—1700). 657 


. Den 26. Juni fteht der fürcterlihe Feind vor Raab; 
Karl von Lothringen weicht auf die Schütt zurüd, Feldmarſchali 
Leslie eilt zur Deckung Wiens voraus; der Lothringer folgt; bei 
Petronell, unweit Heimburg, ereilen ihn die Spitzen des Türken— 
heeres. In dem Reitergefechte kämpft Prinz Eugen von Savoyen 
zum erſten Male unter kaiſerlicher Fahne; ſein Bruder Julius ſtirbt 
den Tod des tapfern Kriegers. Herzog Karl zieht ſich nun lang: 
am auf Wien zurüd. Es naht die Stunde der ſchwerſten Prü- 
fungen für die Donauftadt. 

Noch waren bie Schreden des Pefliahres, aus welchem das befannte Lieb: 
„D du lieber Auguftin — Alles ijt Hin!” ſtammt und die Alles bemältigende 
Xeichtlebigfeit, den Humor der Bevölkerung durchklingen läßt, — nicht ganz ver- 
gejien, Mancher gedachte noch vielleicht der Bußpredigten bes italienifhen Mön— 
ches und Wundermannes PB. Marco d’Aviano, (der dann auch beim Ent- 
fage Wiens eine Rolle jpielt), — und jo mußte der troß aller Hiobspoften auch 
in maßgebenden Kreiſen bis zum legten Augenblide bezweifelte Anzug ber Tür: 
ten die Herzen ber Wiener mit ben Schreden des jüngſten Gerichtes erfüllen. 

m 7. Juli Abends flüchtet der Kaifer aus feiner Stabt mit dem ganzen 
Hpfitaate unter namenlofer Bejtürzung der Bürgerſchaft, um am linfen Do: 
nauufer den Weg nad Linz und meiterhin nah Paſſau einzujchlagen. An 
60,000 Berfonen follen im Laufe eines halben Tages aus der Stadt landwärts 
geflüchtet fein; Mafjen von Landleuten fuchten mieber bie Zuflucht in der Stabt 
und fie waren geborgener als die Taufende, welche auf ihrer Flucht türkiſchen 
Rennern, Tartarenborden, oder einheimiſchem Gefindel, audgeplünderten und 
verzweifelnden Bauern in die Hände fielen. 

Es war ein Glüd, daß die verhältnigmäßige Langfamteit im 
Vorbringen des Türkenheeres die riefigen Anftrengungen in der 
Verfehung Wiens mit Bedarf und in ber Heritellung und Ber- 
ſtärkung der arg vernacdjläffigten Befeftigungsmwerfe begünftigte. Am 
9. Juli führte der Lothringer fein Heer durch die Stadt und lagerte 
dann in der Au am Tabor; drei Tage fpäter verkünden gewaltige 
Brände der oeftlichen Ortſchaften das Nahen der Dsmanenarmee ; 
am 13. Juli rüdt die zur Vertheidigung vom Lothringer abge: 
gebene Mannfchaft: 13,800 Mann Fußvolk und 9 Schmadronen 
Eifenreiter, in die Stadt ein; nun zählt fie Alles in Allem 22,000 
bewehrte Männer; verichloffen jedwedem weiteren Auswandern 
und SHereindrängen SFlüchtender fteht fie nur unter der eijernen 
Herrſchaft des Martialgeſetzes. Am gleichen Tage flammen alle von 
den Bewohnern geräumten Vorftädte auf; man muß fie der Ver: 
nichtung preisgeben. Bom 17. Juli an umfchließt der Feind die Stadt; 
Herzog Karl und. General Schulz weichen auf das Marchfeld zurüd, 
um bier des noch. in unbeftimmter Zeit und Ferne liegenden Entſatzes. 

Krones, Geld. DOeſterreichs. III. 


142 IYI.nu6 Mom wei. zermi.; isor. Ecbisigetziege TIEF 1. 


4 Zprs ser Gosen und per Keicötzunpen zu horıen Sum zweiten 
Yin nmityheht Die Kriegsmadı ves Halmnsıbes Me Dimamftadt 
zn Valv beginnt ber erbitierie Ramm in pen Bimenorüben und au 
sen Pride 

On vu Spipe bes Ehrenbuhes der Kiener Zürtenbelageraung 
bes suis 345 mütlen wir bie Sinmen Des Eonrmandanıen Rüdiger von 
Ziuhtsemberg uad irınes Ketriers und Apjmiamien Fuido von Eıahrem: 
berg ſeyen. Sit gering it bie Zahl ber anderen brüperdienten Kämpfer für 
yo Seuuptung ber Railericbi im riefig wachienber Beiahr, wir brauchen mur 
per Kunen: Herzog Rarl kerbinand von Eüriemberg, Grat Kaspar Zdenfo 
Ruplıf (Rapliers, von Sulewic, ber Graien Eigbern Heiter, Souches, 
Shörffendberg, Zaun, Sereni (E;sremyi,, und Mar Zrantmanndbort, 
b. j., ber Areiberren von Rielmannsegge nnd Koıtulinsfy, des Chevalier 
#.upigny, ber Abeligen: Karl von zünfkirchen und Gottirieb von Schala⸗ 
hury, ber vorzüglichen Geſchüßmeifter Shriitoph v. Börner (au Medlenburg) 
und 1windi von Bedftein, — ber heroiſch tapiern Hauptleute: Tal. Hafner 
und Aerd, Heiftermann und bes tobesveradhtenden Schlefierd Eliad Kühn 
zu grbenten, Wit ihnen mwetteiferte ber Führer ber fampfestteubigen Univerfitätd- 
jugend: Paul Sorbalt, Yeibarzt ber Kaiferwittwe Cleonore. Aber auch bie 
Bllıgeridafı war ihrer Ahnen vom Jahre 1529 werth: voran der Bürger: 
meifter VIebenberg, der eigenhändig an der Stadtbefeftigung mithalf und 
al bie Yalı ſchwerer Amisforgen trug, bis ihm ber Tod die Augen ſchloß, be= 
vor es Ihm vergdnmt war, den Tag ber Rettung zu jchauen; jeine Amisgenoſſen 
Danlel Jockh und Stephan Schufter, und ber greife Staatsbuchhalter Wolfg. 
menſchl. ber noch zweier Männer muß gedacht werden, Die nicht mit dem 
Sihmente fochten, aber Alles aufboten, um zu helfen, wo Hülfe noth that, Biſchof 
Venp, Kollonich, In jüngeren Jahren tapferer Vertheidiger Candia’3 gegen bie 
lien, und Graf J. WM.d. Schwarzenberg, von Peitjahre ber im beften Auden⸗ 
Pen, ſo Dar es dann hie: Rüdiger v. Stahreniberg habe Wien mit Eifen, Schwar⸗ 
zenberg al Wold erhalten, Wie gefahrvollen Dienite bed Kundichafterd und 
Waren zu und von dem vothringer Derzoge, verfahen der wadere Bürgersmann 
Mona Kalezveki(Kolſchibky), ein Nutbene aus Sambor, nad) Andern ein Raize 
van Wehnrt, mit Jeinem "Diener Michatlomid und ber Lieutenant bed Heiſter⸗ 
ſchen Megimentes Mregorowid. Wuch ber Diener bed im XTürfenlager zu: 
udgedaltenen kalſerlichen Mefidenten, Shriftopb von Kaunig, war ba viel: 
Ind nilblich. 


Und endlich nad langen, bangen 7 Wochen, als bereits 18 
Siturne abgeſchlagen warn, Der Tod und bie Seuche ihre furcht⸗ 
harın Omen in ber Stadt bielten und fie ringsum, vor Allem auf 
dem „Aalliiden Boden“ der Yertbeidiaung, an dem Burgrave: 
Unse und er Yamelbaftei, in Schutt und Trümmer lag; die 
teindline Minenardeit rieſige Maulwurfegänge und Hügel im ben 
Dar der Stadt anfwähle und ärmte, Ballen uns Dachſtühle 


XVI. Bud: Vom weitph. Frieden b. 3. fpan. Erbfolgettiege (1648—1700). 659 


zu Baliffaden, Fenftergitter zu Gaſſenſperrungen fi verwandeln 
mußten; — als bereits Nothfignale vom Stephansthurme aufftiegen 
und der Reiterbote des Stahrembergers, des unerjchütterlichen Leiters 
der Vertheidigung, dem Lothringer einen Zettel mit den inhaltſchweren 
Worten überbradte: „Steine Zeit mehr verlieren, lieber gnädiger 
Herr! ja feine Zeit verlieren”! — war endlich die Rettung nabe, 
das vereinigte Entſatzheer (am 10. Sept.) am Fuße bes 
Rahlenberges angelangt, um ſich in der Nacht vom 11. auf 
den 12. ringsum und auf feiner Höhe zu jammeln. 

Herzog Karl hatte Ende Juli und im Auguft die Schaaren Tököly's, Die 
fih bis tief nah Mähren ergoifen, von Preßburg zurüdgebrängt, — dann 
barrte er am Marchfelde mit forgender Seele des Anmarjches der Polen, Die 
von Olmütz beranzogen. Bei Hollabrunn (30. Auguft) in Nieder:Oeiter: 
reich traf er mit dem Polenfönige zufammen. Anfang September näherten fich 
die Reihstruppen; die Bayern trug der Donaufttom herbei. Am 7. 8. Septem: 
ber vollzog fich die Vereinigung Aller bei Tuln und der Uebergang auf das 
rechte Donanufer. 27,000 Kaiferliche, ebenfoviel Polen, 11,400 Sadjjen, 11,300 
Bayern, 8400 Streiter aus dem fränfifhen und ſchwäbiſchen Reichskreiſe, im 
Ganzen 84,000 Mann, nahten als Rächer; ein glänzenber Kreiß von Namen 
an ihrer Spige: Karl von Lothringen, die Kurfürften von Sachſen und 
Bayern: Johann Georg III. und Max II. Emanuel, die Markgrafen Ludwig und 
Hermann von Baden, Friedrich von Sachſen-Lauenburg, der Landgraf 
von Hefjen, Prinz Georg Ludwig von Braunſchweig (nachmals K. Georg I. 
von England), drei Pfalz-Neuburger, Brüder der Kaiferin, die Zürjten von 
Anhalt, Eifenad, Shwäbifh:Hohenzollern, der Graf von Solms 
u. 9. und der glänzende Polenkönig, der Sieger von Choczym, die bedeu- 
tendſte Erjcheinung unter den Fürften, mit feinen Kriegshäuptern: Jablonowski, 
Potodi, Sapieha, Zamojski, Rzewuski u. N. 

Der 12. September, der Tag des glorreichen Entjaßes der 
KRaiferftadt, ift einer der großen Wendepunfte in der Gefchichte 
Oeſterreichs, Deutjchlands, ja des ganzen Abendlandes; er entjcheidet 
die blutige Niederlage des Türkenheeres nad) zäher Gegenwebhr, die 
Rettung Wiens, den Niedergang der Türkengefahr und die Wieder: 
geburt der Machtitellung Defterreihs im DOften. Ludwig XIV. be: 
griff, voll tiefen Grolles, die Bedeutung dieſer unerwarteten Schick⸗ 
jalswende für das Haus Oeſterreich und die eigenen Anfchläge, 
als ihm die Kunde vom Entjage Wiens zufam. Soll fi doch 
unter der wahrhaft riefigen Lagerbeute, die der Groß: 
vezier in feiner Eopflofen Flucht zurüdließ, ein franzöfifher Plan 
gefunden haben, der die Operationen gegen Wien erörterte. 

Die reine Freunde des vaterländijchen Forjchers in der Geſchichte der Ver: 
theidigung und des Entſatzes Wiens über das Gelingen des ſchönen und unver: 

42° 


660 XVI. Bud: Vom weſtph. Frieden b. z. jpan. Erbiolgefriege (1648— 1700). 


geßlichen Rettungswerkes durch ben Heroismus der Kämpfer innerhalb ber 
Mauern Wiens und der wadern Helfer in der äußerſten Noth, wird nur durch 
die leidige Thatſache getrübt, daß man von mancher Seite jenen Heroismus 
durch übermäßige Betonung des Zauderns und der Bornirtheit Kara Muſtafa's 
in der Belagerung herabzuſetzen ſich befliß und auf Koſten der gleichwerthigen 
Leiſtungen der Kaiſerlichen und der deutſchen Reichſstruppen die Thaten des 
Polenkönigs und der Seinen, als der eigentlichen Retter Wiens, emporhob, daß 
ein ganzer Kreis aneldotenhafter Hiſtörchen emporwucherte, deren Mittelpunkt 
die Legende von den Kränkungen K. Leopold's J. abgiebt, die er ſich bei der 
Zuſammenkunft mit den Rettern Wiens zu Schulden habe kommen laſſen. Die 
Quelle dieſer Legende ruht in dem Gegenſatze der Perſönlichkeiten und ihrer Lage, 
— und Sobieski's Briefe, die Briefe eines wackern, aber ungemein empfindlichen 
Mannes von ſtarker Eigenliebe, der nicht ſo ſelbſtlos und beſcheiden war als 
der Herzog von Lothringen, wurden in dieſer Richtung ausgebeutet; vor Allem 
auf franzöſiſcher Seite.“) 


6. Der Kampf mit der Pforte und die Löfung der ungariſch⸗ 
flebenbürgiſchen Frage bis zur Enutſcheidung bei Zentha 
(1683 bis 1697.) 

(Specielle Literaturangabe am betreffenden Orte.) 


Wir ftehen an der Schwelle der Rüderoberung des türfifchen 
und Tököly'ſchen Ungarns durch Taiferliche Waffen, vor der Revindi- 
cation Siebenbürgens, der Bacification des Karpathenreiches. 

Es ift ein an Thatjachen überreiher Zeitraum, den wir, rajchen 
Ganges, durcheilen jollen, nur in Umriffen zeichnen dürfen. 

Nah fünftägiger Raft vor Wien brachen die Kaiferlihen und 
die Polen — unter dem KLothringer und R. Johann — gegen 
Ungarn auf. Nach) der Doppelſchlacht bei Parkany, bei deren Vor: 
fpiele Sobiesfi und jeine Polen, allzu Hitig losfchlagend, von den 
Kaijerlichen herausgehauen werden mußten, dann aber um fo erbit- 
terter die Schlappe an den Türken rächten, fällt das wichtige 
Gran, Jeit 77 Jahren dauernd in Türfenhand, wieder an das 
fönigliche Ungarn zurüd; die übermäßigen Forderungen bes frieden: 
juhenden Tököly werden zurückgewieſen, und auch der Polenkönig, 
der auf dem Heimzuge durch Oberungarn fattfam Gelegenheit fand, 
die Feindjeligfeiten der Kuruzzen zu erproben, erklärt voll Unmuth 
darüber, er jei müde, noch weiter den Vermittler zu fpielen. Die 


*) Vergl. insbeſ. Salvandy, Hist. de Pologne avant et sous les roi 
Jean Sobieski (Paris 1829) 2.%. 1863. DIL Bd. 10. Bud). Ueber die andere 
Lit. ſ. d. Verzeichniß der Literatur w. o. 


. XVI. Buch: Vom weſtph. Frieden b. 5. fpan. Erbfolgefriege (16481700). 661 


Eroberung Leutſchau's, des Vorortes der Zips, durch den Faifer- 
lihen General Dünewald bildet den Schluß des Winterfeldzuges 
(10. December 1683). 

Das nädjte Kriegsjahr (1684) wird von einer wichtigen poli- 
tiſchen Thatfache eingeleitet. Das kaiſerliche Amneftiepatent 
vom 12. Januar, deſſen confejlionelle Seite auf die Zugeſtändniſſe 
des Dedenburger Reichstages vom Jahre 1681 zurüdgreift, be— 
ftunmt bald: 17 Geſpanſchaften, 12 Städte und 14 Magnaten, 
von defien Zufagen vor der königlichen Commiffion in Prekburg 
Gebrauch zu machen. Vergebens find alle Gegenbemühungen Tö- 
töly’s, dem wachſenden Abfalle von feiner verlorenen Sache zu 
fteuern. ' 

Der Kaiſer rüftet entjchiedener als je zur Wiederaufnahme des 
Türkenkrieges; die pfalzneuburgifche und ſpaniſche Partei 
wünjchte die ungetheilte Kraft Defterreichs gegen Frankreich gekehrt, 
aber die Mehrheit im Rathe der Krone und die eigenjte Leber: 
zeugung Leopold's I. jpradhen für den Kampf um die Wiederher: 
ftellung der Herrichaft in Ungarn. Der Haager Januarver- 
trag des Kaifers, Bayerns und Braufchweig-lüneburgs mit den 
Generalitaaten und Schweden von 1684 Toll ale Dedung gegen Frank: 
reich dienen, das nun feinerjeits mit dem Antrage auf eine 20jäh- 
rige Waffenrube auftritt. Der Regensburger Friede (vom 15. 
Auguft 1684) mit Ludwig XIV. foll Defterreih die Hände frei 
machen. Nicht Zeopold I. allein, auch der Dranier Wilhelm III., 
Ludwig's XIV. beharrlichſter Gegner, begriffen, daß — ohne Bran- 
denburg und Dänemark — das Haager Bündniß dem Franzoſenkönige 
nur zur Noth entgegentreten fönne ; legterer Dagegen — mit Dänemarf 
und Brandenburg im Einverftändniffe, — bei einem Neichsfriege der 
weitaus überlegene Gegner fei, da Defterreich die Hauptlräfte gegen 
die Pforte aufzubieten hatte. Noch mar die Zeit des Ausgleiches 
zwijchen dem Kaijerhofe und dem Kurfürften Friedrich Wilhelm nicht 
gelommen. 

Damals ftand ſchon Leopold I. mitten im Türkefriege, den die 
Energie des Papftes Innocenz XI. mit der heiligen Liga: des 
römischen Stuhles, des Kaifers, Polens und Benedigs gegen 
die Pforte (März) eingeleitet hatte. 

Wohl war der Angriff auf Dfen, das Herz der Türfenherr: 
Ihaft in Ungarn (Auguft bis 30. Oftober), ein verfrühtes und des: 
halb auch verfehltes Stück Kriegsarbeit, für welches man weder die 
Lothringer noh Rüdiger von Stahremberg verantwortlich machen 
darf; aber man hatte doch das Entſatzheer des neuen Serasfiers 


662 XVI. Bud: Vom weftph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgefriege (1648— 1700). 


Muftafa Paſcha bei Hanıfabeg (22. Juli) auf's Haupt geichlagen, 
bier und ander Drau die Waffenehre der Kaijerlichen neu bethätigt, 
und im norböftlihen Ungarn bradten Schulk und Graf Friedrich 
Beterani die Sache der Kuruzzen immer mehr zum alle. 
Die gefonderten Friedensanträge Tököly's und der Pforte, welche 
ihren einftigen Schügling preiszugeben entjchloffen ſcheint, ſprechen am 
beiten für die Wucht diefer Erfolge. 

Das Kriegsjahr 1685 beicheert in der Rüderoberung Neu: 
hbäufels, „bes Editeins der Türkenmacht in Ungarn“ (19. Auguft), 
einen Gewinn von namhafter Bedeutung für die Sache des Kaiſers. 
Das türkiſche Entſatzheer erleidet am 16. Auguft vor Gran die entjchei- 
dende Niederlage. Tököly wird als geheimer Friedenscandidat bei dem 
faiferlichen Hofe auf Befehl des Serasfiers von dem Großwar: 
deiner Paſcha (Anfang October) beim Mahle gefangen genommen 
und in Banden nad) Eſſek geſchafft. Dies vollendet die Auflöjung 
der Kuruzzenſchaaren; die bebeutendften Kriegshäupter: Petröczy, 
Dest und Petnehäzy wenden fi) nun der kaiſerlichen Fahne zu. 
So jchmilzt der ganze Tököly'ſche Belig auf die Burgherrſchaft Mun⸗ 
kacs zufammen; ein faiferliches Corps cernirt die Feftung, in welcher 
die Frau Töföly’s, die entjchloffene Helene, mit ihren beiden Kindern 
eriter Che meilt. 

Die Eroberung Dfens blieb dem Kriegsjahre 1686 aufgejpart. 
Zu diefem entjcheidenden Kampfe bedurfte es der erneuten Macht: 
mittel und äußerfter Kraftleiftung. Seit Ende 1685 vollzog ſich 
die entjcheidende Schwenktung des Brandenburger Hofes; e 
ift Dies der Subfidienvertrag des Kurfürften mit dem Kaijer vom De: 
cember 1685, demzufolge Brandenburg für den Türkenfrieg 8000 
Söldner ftellt. Ihm folgten im Januar und März 1686 die ge: 
heimen Bündnißverträge zwifchen beiden Theilen, in welchen Bran: 
denburg die fchlefifchen Ansprüche fallen läßt und dafür Ausfichten 
auf den Schwiebufer Kreis erhält. Doch will es der Kurfürft mit 
Frankreich nicht zum Bruche treiben, deshalb bleibt er dem Augs— 
burger Defenfivbündniß (29. Juni 1686) des Kaijers, der 
4 Reichskreiſe, Spaniens als Herrn des burgundiichen Reichskreiſes 
und Schwedens fern. 

Bevor die Entſcheidung vor den Mauern Dfens ausgelämpft 
wurde, bereitet fich der erfte wichtige Schritt der Revindication 
Siebenbürgens vor. Seit der Wiener Katajtrophe befand fich 
Apaffy's Fürftenthum zmwifhen Hammer und Ambos, zwiſchen der 
finfenden, aber noch immer gefährlichen Türkenmacht und den an: 
Ichwellenden Erfolgen des Kaifers. 


XVL Bud: Vom weitph. Frieden b. z. fpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 663 


Schon 1684 entpuppen fi) die Verfuche des fiebenbürgiichen Fürſtenhofes 
und feines allmächtigen Leiter Telefy, mit dem Kaifer freundliche diplomatifche 
Fühlung zu gewinnen, ohne e3 jedoch der mißtrauifchen Pforte gegenüber an 
Royalitätöfundgebungen fehlen zu laffen. Diefes begreifliche, aber wenig erquid: 
liche Doppelfpiel findet feine actenmäßigen Belege in der werthvollen Acten- 
ſammlung eines befteingeweihten Zeitgenoffen, bes fürjtliden Protonotars (f. 1684) 
Peter Alvinczy (geb. um 1639, Sohn des befannten Hofprebiger® Gabriel 
Bethlen's, deſſen Lebteren Feder die Querelae Hungariae entftammten), ber 
ipäter ſelbſt eine wichtige diplomatiſche Rolle fpielte. 

In Wien befand ſich Wajda als Reſident Apaffy’s, im Herbite 1685 traf in 
‚Siebenbürgen als Agent des Kaiferhofed der Zefuit Antidius Dunod ein, deſſen 
Inftruction ſchon im Februar ausgefertigt erfcheint. Die Rebabilitirung 
Töksöly's durch die Pforte (24. Dezember 1685), fein Auftreten als „Fürft 
Ungarns” mit einem neuen FreiheitSmanifefte (Anfang 1686), von Großmwardein 
aus, das deutliche Schielen des Kuruzzenführers nach dem Throne Siebenbürgens 
und bie ſchlechte Laune der Pforte machen dem Fürften und feinen Rathgebern 
eben fo ſchwere Sorgen als das Einrücken eine kaiſerlichen Corps unter dem 
Generale Schärffenberg in's Land (ſ. Mai 1686); denn nun beißt es Farbe 
bekennen, ſich türkiſch oder Faijerfreundlich zeigen. — In Wien weilte bereit 
feit Monaten eine Sejandtfhaft mit Hanns Haller von Hallerftein 
-(Hallerkö), einem Führer. der Katholifenpartei unter ben fiebenbürgifchen Stän— 
den, um das diplomatifche Gefchäft zum Abjchluffe zu bringen. 

Während General Schärfienberg in Siebenbürgen an der Spike eined 
Heeres unterhanbelte, hatten Apaffy's Bevollmädtigte am 28. Juni 1686 den 
Wiener Vertrag mit dem Kaiſer abgemadt, der von feinem SHauptunter: 
händler Haller, gemeinhin der Haller'ſche Vertrag (Tractatus Hallerianus) 
genannt zu werben pflegt.*) Er bildet die wichtige Einleitung zur nachmaligen 
Revindication Siebenbürgend. Folgende find feine Hauptpunfte: 

1. Der Kaifer nimmt Siebenbürgen und die mit bemfelben verbundenen 
Theile (die partes adnexae Oſtungarns) in Schuß und fendet nöthigenfalls über 
Erſuchen des Fürften und der Stände Truppen in’8 Land, welche unter faifer: 
lihen Befehlähabern aber unter dem Oberfommando Apaffy's ftehen von dieſem 
verpflegt, vom Kaiſer jedoch befoldet werden follen und fo Tange im Lande zu 
bleiben haben, als e3 der Fürft und bie Stände wollen. 2. Jeder Theil ber 
Verbündeten behält das, was er den Türken an Gebiet entreißt.. 3. Die vier re: 
-cipirten oder gejeglih anerfannten Slaubensbefenntniffe bleiben im unverfüm- 
merten Befite ihrer Rechte und ihres Vermögens. 4. Apafiy behält fi) das 
Net vor, Bündniffe, die diefem Vertrage nicht zumiberlaufen, abzufchließen. 
5. Er und fein Sohn behalten lebenslänglich die Herrfchaft; nach ihrem Tode 


*) Diefe und die andern, Siebenbürgens Revindication betreffenden, Tractate 
finden fi in der Sammlung von Karl S;zäf; de Szemeria: Sylloge trac- 
tatuum aliorumque actorum publicorum historiam et argumenta. b. Di- 
plomatis Leopoldini, Resolutionis item, quae Alvincziana vocatur, illu- 
strantium. (Klaufenburg 1833.) gl. d. Diplomatarium Alvinczianum. 


. 664 XVL Bud: Bom weiph. Frieden 6. 3. fpan. Erbiolgekriege (1648—1700). 


tritt das freie Wahlrecht Siebenbürgen in Kraft. 6. Der Vertrag wird bis 
zur Rüderoberung Temesvärs und Großwardeins geheim gehalten; boch wird 
ſchon inzwifhen Siebenbürgen die Kaijerlidden mit Proviant und Fuhrwerk unter: 
fügen und in die Beſatzung vou Klaujenburg und Teva zu zwei Trittheilen 
faiferlihe Truppen aufnehmen; dagegen bürjen ihm und ben verbundenen 
Theilen feine Winterquartiere aufgezwungen werden. 7. Ter Vertrag iſt bin- 
dend für beide Theile und ihre Nachlommen. 


Nun ſchob fi aber der Kampf um Ofen dazwilchen, welcher 
alle Kräfte der Kaiferlihen in Anſpruch nahm; bier lag die große 
Entfcheidung. 

Der Feldzug gegen Dfen*) gewann europäijche Bedeutung, es 
ſchien ein Waffengang, ein Kreuzzug des chriſtlichen Abendlandes 
gegen dei türkiſchen Halbmond werden zu follen. Urfprünglich galt 
die Unternehmung des Sommers (Mitte Juni 1686) der Erjtür: 
mung Stuhlweißenburgs und überhaupt einer getheilten Kriegs⸗ 
arbeit, die dies der eiferfüchtigen Haltung des bayerifhen Kur- 
fürften und des Markgrafen Ludwig von Baden gegenüber dem 
Seneralijfimus, Karl von Lothringen, ihrem ewigen Drängen nad) 
getrenntem Kommando entſprach. Ein faijerlicher Befehl gebot 
plöglih den Gefammtangriff auf Dfen. 

Am 15. Juli beginnt die Einfchliegung, am 23. die eigentliche 
Belagerung. Vom 12.—29. Augujt verſucht der Großvezier Szer- 
dar Ibrahim den Entfag der „heiligen Stadt“ des türfifchen Ungarns, 
die an dem alten Abdurrahbman Paſcha einen tapfern Hüter 
befigt. Der lebte Sturm am 2. Sept. überliefert die halb zer: 
störte Stadt den Kaijerlihen, in deren Trümmern der gelehrte 


*) Lit. der Geh. von Dfens Belagerung und Falle: De- 
scription historique et glorieuse de la ville de Boude (Köln 1687); Hap— 
pelius, d. ung. Kriegsroman (1689); Boethius, Ruhmbelorbter triumph: 
leuchtender Kriegähelm ... wider den türfifhen Tulband .. . ., 5 Bbe. Nürn: 
berg (1688 — 1692); Feigius, Wunderbarer Adlerſchwung 2. Bd. (1694), 
(ſ. 0.); ®agner, Hist. Leop.; Rindha.a.O., Memoires du Marechal de 
Berwyk (1737, 2 ®be. I.), Memorie della vita del C. Marsigli (Bologna 
1770); Katona, Hist. crit.r. H XXXV. Bd. a.a. O. 1686; Röder, 8, v. 
Baden a. a. O. (enth. d. Tgb. d. Herzogs Karl v. Lothr.); Majläth, 
Ofens Rilderoberung i. Tſchb. f. vaterl. Geſch, 5. v. Hormayı u, Mednyänſzky 
(1824); Hanımer, Geld. d. om. R. 6. Bd., Leben und Kriegäthaten des Sen. 
Feldm. v. Schöning (Berlin 1837); K. W. v. Schöning, Leben u. Kriegäth. 
d. Sen. Feldm. v. Nazmer (Berlin 1838); Némédy, Die Belagerung Ofens 
(Peſt 1852); Arneth, Guido v. Stahr. a. a. O. ©. 72—74 (benukte auch 
Hodſchr. z. B. das Tagebuch des Quartiermeifters Haßlingen). 


XVI. Bud: Vom weitph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgefriege (1648--1700). 665 


Oberſt Marfigli von Padua den Handichriftenfchägen der ehemaligen 
Bibliothek des Corvinen erfolglos nachſpürte. 


Tie Chronik der Belagerung und ber Erſtürmung Ofens bat nicht bloß 
in ber Gefchichte der Kriegskunſt einen bedeutenden Platz, fondern feſſelt durch 
bie Fülle glänzender Namen in dem buntgemifchten Belagerungäheere, durch das 
äußerte Kraftaufgebot im Angriffe und in der Vertheidigung, und durch ben 
Reichthum erhebender Momente, farbenreicher Epiſoden. Die heroiſche Tapfer- 
keit Guido's von Stahremberg im Sturme vom 30. Juni, die jpartanifche 
Selbftverleugnung des alten Derfflinger, des wadern Generals der branden- 
burgiſchen Soldtruppen, der in Gejellfehaft Schöning’8 und Nagmer’3 mit feinen 
Brandenburger vor Dfen eintraf und auf die Trauerfunde vom Tode bes 
Sohnes unter den Angreifern nur die Worte: „Warum hat der Narr ji nicht 
beffer in Acht genommen!“ feil hatte; die riefige Kraft und der wilde Muth im 
Stürmen, ben ber frühere Genoſſe Tököly's, David Petnehäzy, aufbot, die auß- 
dauernde Teftigkeit der Vertheidiger, an deren Spibe ber Vezierpaſcha feine Bi: 
fehl3haberpflicht mit dem Tode befiegelte, und endlich der Edelmuth des Grafen 
S;apäry in der Behandlung des gefangenen Türken, feines vormaligen Zwing— 
bern und Beinigers, al’ dies find Epifoden und Berfönlichkeiten, welche in ber 
"[ebendigen @rinnerung der Mit: und Nachmelt haften bleiben. Uns bewegt auch 
das Geihid der 60 Ratalonier, meilt Handmerfer, die fernher nach Wien famen, 
unter Führung eines gewiſſen Aftorga aus Andalufien, ihre Dienfte als Kriegs: 
leute gegen bie Ungläubigen antrugen und im Regimente Stahremberg unter 
dem Befehle Guido’3 ftanden;; faft Reiner von ihnen fah je wieder den heimijchen 
Boden; fie fanden den Tod in den Laufgräben und Brefchen. 


Der Fall Dfens, des Hauptbollwerles der Türkenmacht auf 
dem Boden des KKarpathenreiches, die Rückkehr der alten Metropole 
Ungarns nad) 141jähriger Osmanenherrſchaft in den Beſitz der 
faiferlichen Gewalt — war ein Schlag, der die Pforte auf’s Tiefite 
beugen mußte. Als noch überdies das Heer des Großveziers durch 
Beterani bei Szegedin (19. October) eine Niederlage erlitt, be— 
quemte fich Erfterer zu neuen Friebensangeboten, aber ohne Er: 
folg. Die gänzliche Niederwerfung der Türkenherrſchaft im Donau: 
und Theißlande mußte als unverrüdbare Aufgabe der faijerlichen 
Waffen erfcheinen; der Stein war im Rollen, denn au die Bun: 
desgenofjen des Kaiſers waren nidht unthätig, wenn fie aud nicht 
fo enticheidende Schläge führten. So bereitete fi das Kriegs: 
jahr 1687 vor. 

Bevor wir die Ergebniffe des nächiten Kriegsjahres berichten, 
müffen wir einer Epifode des ungariſchen Staatslebens gedenten, 
melde jih im Frühjahre 1687 zuträgt; ihre Hauptperſon ift der 
Zandescommandant, General Caraffa, ihr Schauplat der Vorort 
der Saͤrdſcher Geſpanſchaft, Eperies. Die Geihichte des Toge- 


666 XVL Bud: Vom mweitph. Frieden b. 3. ſpan. Erbjolgefriege (1648— 1700). 


nannten „Bluttribunales Caraffa’s“ *) oder der „Eperiefer Schladht- 
bank“ bleibt, wie jehr auch das erregte Mitgefühl eine ganz unbe- 
fangene Würdigung erjchwert und die maßgebenditen Zeugnifle 
aus dem Lager ftammen, welchem die Betroffenen! ihrem Glau⸗ 
ben zufolge angehörten, — immerhin ein bedauerlicher Beweis, 
wie weit angebornes Mißtrauen, ſoldatiſche Härte und ehrfüchtiger 
Dienfteifer führen fünnen. Daß es nicht Wenige unter dem ober: 
ungariſchen Adel geben mochte, die ſich nur mit verhaltenem Grolle 
dem Umfchwunge der Dinge fügten und der eigenen Vergangenheit, 
fowie der Sache Tököly's im Herzen geneigt blieben, ift jelbitver- 
ftändlich, denn der Sieg der faiferlihen Sache hatte mande Privat: 
intereffen hart betroffen, die äußere Haltung der Malcontenten, nicht 
aber ihre Gefinnung ändern können. Parteileidenſchaften können 
nicht mweggetilgt werden, fie müfjen ſich ausleben. Auch der Kal- 
vinismus und das Lutherthum auf dem Lande und in den Städten 


*), Die Quellen dafür aus dem proteſtantiſch-ungariſchen Kreife: a) Thea- 
traum sanguineum, quod ad persequendam ipsam innocentiam Antonius ' 
Caraffa ad delegatum in Ungaria judicium Caesare designatus arbiter 
anno 1687, Eperiesini manu carnificum erexerat, nunc primum anno 1705 (!) 
orbi in stuporem expositum; u. d. T. „daß blutige Schaufpiel von dem Gra- 
fen Anton Garaffa, aufgeführt duch Henkershand zu Eperies in Oberungarn 
i. 3. 1687 — abgedr. im Magazin f. Geſch. u. Statütif d. öſterr. Mo: 
nardie (Göttingen 1808), ©.5—59; widtiger ift: b) die laniena Eperies- 
sensis bie Schlachtbank zu Eperies, oder hiftorifche Veichreibung des Trauer: 
ipiels, in welchem i. J. 1687 unter der Conmandatur des General A. Garaffa 
mehrere der der Empörung beicyuldigten Ungarn mit der härteſten Todesſtrafe 
belegt wurden ; verf. i. 3. 1688 3m. dem Monath Januar und September (von 
Joh. Rezif, damals Prof. d. evang. Schule zu Eperied, geb. im Neutr. 
Comit., fpäter Prof. zu Thorn a. d. Weichſel). Diefe Arbeit wurde in mehreren 
Handſchr. verbreitet; eine davon, al8 in feinem Befite, erwähnt auch Klein i. 
ſ. Bearb. d. Geſch. Ungarns v. Feſſler, IV. Band, ©. 436,7, Nr.1., doch ohne 
des Göttinger Magazins zu erwähnen, wo fie filh vermwerthet findet 
(S. 60—131). 

Das Göttinger Magazin hat noch Folgendes in diefer Angelegenheit abge- 
drudt: III. „Ton der Unſchuld der zu Eperies Hingerihteten nach dem Zeug- 
niß des Andreas Radicd und Daniel Abfalon (S. 254—256). IV. Ver: 
zeihniß der Hingerichteten und PBerwahrten (266—272). V. Verzeichniß der 
Richter der Carafſa'ſchen Commifjion (272—276). VI. Etwas über Ladislaus 
Szentivanyi (276—282). VD. Bon dem Grafen Caraffa (283—292). 
VII. on ben Radvanſzky's (292—298). gl. Vico de gestis Ant. Ca- 
raphaei II. Bd.; Wagner, Hist. Leopoldi J. II. Bb.; Katona XXXV. 2b. 
3. 3. 1687. 





668 XVI. Puh: Vom weftph. Frieden b. ;. ſpan. Erbfolgekriege (1648— 1700). 


und eine Unterfuhung des Verfahrens zu verlangen. Hierſelbſt mußte 
endlich die Anſchauung Boden gewonnen haben, daß Caraffa’s Ver: 
Ihmwörungsfpäherei in’s Maßloje, in eine Manie ausarte, überdies 
erheijchten die wichtigen Staatsfragen, die damals ihrer reichstäg- 
lihen Löſung entgegengingen, die Beichwichtigung der durch Die 
Eperiefer Vorgänge hoch erregten Stimmung des afatholifchen Ungarns. 
So wurde denn das Tribunal Caraffa's aufgehoben und eine comif- 
fionelle Ueberprüfung der gefällten Urtheile vorgenommen. Ihre 
Caffirung konnte allerdings die vollzogenen Todesurtheile nicht un- 
gefchehen machen, aber war, gleichwie die Aufhebung des Tribunales 
und die Rückgabe confiscirter Güter, eine Genugthuung zu Gunften 
der Gerechtigkeit und der öffentlihen Meinung. Daß jedody Ca: 
raffa, deilen Name zu einem Fluchworte in Ungarn wurde (Karaf- 
fafıa), Schlimmer als einft der Name Baſta's in Siebenbürgen, Die 
Gunft des Hofes nicht verlor und an der Spige wichtiger Gefchäfte 
blieb, ijt eine Thatjache, welche bemeift, daß man in Wien die Sad: 
lage und die Brauchbarkeit Caraffa’s von ganz anderm Gefichts- 
punfte aus anjah und die Eperiefer Vorgänge nur als Webertrei: 
bungen des Dienfteifers auffaßte. 

Am 12. Auguft 1687 entjchied das Eingreifen des Herzogs 
von Lothringen den großen Sieg bei Nagy:Härfany über das 
Heer des Großveziers, mit deſſen Uebermadt. der Kurfürft von 
Bayern und Ludwig von Baden im tapfern Ausharren gerungen 
hatten; es war in der Nähe des Kampfgefildes, wo einit vor 161 
Jahren der Sieg der Türken über Ungarns Zukunft entſchied; man 
pflegt daher die Schlaht auch die von Mohäcs zu nennen. Nun 
trat jedod) der Widerftreit der Kommandirenden über die weiteren 
Aufgaben der Kriegsführung fo heftig an den Tag, daß der Bayer 
und der Badener nah Wien zurüdtehrten. Das Türkenheer war 
jedoch vollftändig demoralifirt und dies erleichterte die weiteren Erfolge 
der faiferlihen Waffen, die nun bald ganz SIavonien und Syr— 
mien mit Peterwardein wieder erobern und Siebenbürgen 
vor eine neue Zwangslage ftellen. 

Apaffy und die Stände des Landes, unter denen die kaiſer— 
feindliche Partei den unbequemen Haller'ſchen Vertrag bei Seite 
Ihob und neue Dedungen der Pforte gegenüber fuchte, fehen fich 
bald genöthigt, den Blafendorfer Vertrag vom 27. October 
zu unterzeichnen, der Hermannftadt, Klaujenburg, Biſtritz, Weißen: 
burg, Mühlenbach, Schäßburg, Deva, Väfärhely, Somlyé, Monoftar 
und Tövis den faijerlihen Truppen als Quartier einräumt, be: 
deutende Leiftungen an Proviant und Geld vereinbart und die Haupt: 


XVL Bud: Vom weſtph. Frieden b. z. jpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 669 


punkte des Hallerfchen Vertrages zu Gunften der confejlionellen und 
politiihen Rechte Siebenbürgens dem Weſen nad) erneuert. 


Karl von Lothringen theilt nun Siebenbürgen in vier Militärbezirfe, als 
beren Gommandanten Scherffenberg in SHermannftadt, Beterani in 
Weißenburg und Deva, Guido von Stahremberg in Klaujenburg und Pic: 
colomini in Biftrig beitelt erfcheinen. Dann begiebt er fi) wieder nad) 
Bien zurüd. 

Noch im December des rühmlichen Kriegsjahres 1687 geräth das bedeu- 
tendfte Bollwerk der Türfenherrfchaft in Oſtungarn, Erlau, in Die Hände 
Garafja’8, — die fefte Stadt am Mätragebirge, deren Vertheidiger, Stephan Bobo, 
vor mehr als hundert Jahren dreizehn Stürme der Osmanen abgewehrt Hatte 
(1552, September, Detober); 1596 in Türfenhand gefallen, gehörte fie nun 
nad 88 Jahren, wieder und für immer der angejtammten SHerrichaft. - 


Aber noch eine andere Thatfache vollzieht fi auf dem Boden 
bes inmern Staatslebens Ungarns: der folgenjchwere Preß: 
burger Reihstag (October 1687 bis 25. Januar 1688) mar 
auch eine gewonnene Schlacht der habsburgiſchen Politik zu nennen. 
Wir werden die Bedeutung ſeiner Beſchlüſſe im Zuſammenhange 
mit andern Thatſachen noch in einem ſpätern Buche zu erörtern 
haben. Hier genüge die Andeutung der Erfolge, welche ſich in 
Bezug der endgültigen Pacification Ungarns und der Regelung 
ſeines ſtaatsrechtlichen Verhältniſſes an das Erſcheinen des Kaiſers 
und ſeiner beiden Söhne Joſeph und Karl (30. October) zu Pre: 
burg knüpfen. Die Richtigkeit des Sabes von der zwingenden 
Macht des Erfolges, des „Meifters der Dinge“, findet bier feine 
befte Bewahrbeitung. Die königlichen PBropofitionen erjcheinen ge— 
tragen von dem Bemußtfein der QTürfenfiege und der Befreiung 
Ungarns von feinem Erbfeinde, einer Befreiung, deren größte Opfer 
an Geld und Truppen auf kaiſerlicher Seite fi finden. Es fehlt 
nit an beftigen Kämpfen, ftürmifchen Debatten, in denen als ge: 
wandte Verfechter der Propofitionen Balatin Eßterhazy bei der 
Magnatentafel, der Berfonal Drbän im Haufe der Stände, letz⸗ 
terer auf dem jchmwierigern Kampfplage, erjcheinen; — die Vor— 
gänge zu Eperies erregten in der Ständetafel einen gewaltigen 
Sturm, ja der Juder Curiä, Drasko vich, ſelbſt widerjprach heftig 
ber Erblichkeit der Krone, und nur das zürnende Wort des Kaifers 
ſchloß ihm den Mund, ein Schlagfluß bald darauf — das Leben; 
endlich famen auch die Katholifchen und die Proteftanten, wie immer, 
in der Glaubensfrage hart aneinander. Dennoch ſetzte endlich Die 
Krone alle ihre weſentlichen Forderungen durch: die Erblichkeit 
Ungarns im Mannsftamme beider habsburgifcher Linien, die Auf- 


670 XVI. Bud: Nom weftph. Frieden b. z. jpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 


hebung des Infurrectionsartifels (8 31) der goldenen 
Bulle v. %. 1222, — und erzwang, troß des Widerſpruches des 
katholiſchen Hochklerus, die Erneuerung der Dedenburger 
Diätalartifel zu Gunften des Proteſtantismus v. 9. 
1681. Die Krönung Sofeph’s, des eriten thatfächlich und for: 
mell erblihen Königs Ungarns aus dem Haufe Habsburg, von der 
Hand des neunzigjährigen Primas Georg Szecjenyi, den 8. Decem- 
ber 1687, war gewiffermaßen der Echlußftein der kaiſerlichen Erfolge. 

Munfäcs, der legte Halt der Töfölyaner, ergiebt fi” den 14. Januar 
1688 an Gen. Caraffa; Helene wird mit ihren Kindern erjter Ehe nah Wien 
gebracht; ihr Satte Tököly, der ſchon entichloffen war, um ben Preiß eines 
Ausgleiches mit dem Kaifer Fatholifch zu werben, war troß ſeines neuen reis 
heitsmanifeſtes politifch todt, der Zauber feiner Worte längit abgebraucht. ſein 
einſtiger Anhänger Abſalon nun bei Caraffa bedienſtet. 


Auch die Verhältniſſe Siebenbürgens trieben einer neuen 
Entwicklungsphaſe zu. 

Caraffa erſcheint in Siebenbürgen als Vollmachtträger des 
Kaiſers. Hier kehrt er nicht den Gewaltmenſchen heraus, ſondern 
benimmt ſich mit der Feinheit des Staatsmannes, der, den Haupt: 
zwed feiner Sendung im Auge, die rechten Leute und die zweckdien⸗ 
lihen Mittel zu finden weiß. So fommt es zu der urlundliden 
Huldigung der Siebenbürger an ben Kaifer als Oberlehnsherrn, 
die der Fogarafcher Landtag (10. Mai 1688) beftätigt, und das 
faiferliche NRefceript vom 17. Juni 1688 fanctionirt dieſen wichti- 
gen Act. 

Neue ſchwere Schläge treffen im Kriegsjahre 1688 die zähe, 
aber gewaltig demoralifirte Widerftandstraft der Pforte. An Stelle 
des Herzogs von Lothringen ift nun der Kurfürft von Bayern 
Oberbefehlshaber des Taiferlihen Heeres, mit Ludwig von Baden 
und Gaprara zur Seite, während im Theißgebiete Caraffa, Picco: 
lomini und Beterani erfolgreih mit den Haltplägen der Türken 
aufräumen. Am 19. Mai nimmt Caprara Stuhlweißenburg; 
den 6. September erliegt Belgrad den Angriffen der Kaijerlichen, 
bei welchem Anlaffe der Bayernfürft feine ſtürmiſche Tapferkeit, 
Guido von Stahremberg, wie immer und überall, feine heroiſche 
Ausdauer bewährte und Prinz Eugen von Savoyen, der 26jährige 
Feldmarfchalllieutenant, feinen Muth wie vor Dfen bewährte und 
Wunden davon trug. Seit mehr als drei Menjchenaltern in den 
Händen der Türkei, fiel diefer wichtigfte Grenz: und Sclüffelpunft 
Ungarns wieder an Ungarn zurüd. Markgraf Ludwig von Baden 
trägt bis Bosnien, Veterani bis in die Wallachei die fiegen- 


XVI. Bud: Vom weſtph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgefriege (1648— 1700). 671 


den Waffen; auch Venedig erficht Siege, nur Bolen, an inneren 
Wirren zwifchen der Krone und den Ständen |. 1688 insbejondere 
kränkelnd und von Frankreich beeinflußt, hat wenig Erfolge aufzu: 
weijen. Ä 

Unter ſolchen Verbältniffen fand die türfifche Friedensbotſchaft, 
welche im Frühlinge d. 3. 1689 zu Wien unter Vermittlung bes bolländifchen 
Geſandten Hope mit den Bevollmächtigten des Kaiſers: Strattmann, Kinsky, 
Rüdiger von Stabremberg und Caraffa, anbererfeitd mit den Botfchaftern Ve: 
nebigs und Polens: Cornaro und Raczynski über einen Ausgleich ver: 
handelte, den ungünftigften Boden, denn bie Forderungen des Kaiſers betrafen 
bie Ueberlieferung ber letzten Haltplätze der Türkenherrſchaft in Ungarn (Gens, 
Syula, Großwardein und Temesvar) und nebft der Räumung der Moldan, 
Wallachei, Bosniend und Serbien auch Tököly's Auslieferung; und nicht ges 
ring wogen auch bie Anfprüche der Bundesgenoſſen Leopold’3. War doch jchon 
im September 1688 die Weiſung an den Markgrafen Ludwig von Baden ers 
laffen, die Türken au Bosnien zu verbrängen, fi, im Wettfampfe mit Ve: 
nebig, der Herzegowina und bed dalmatiniſchen Hinterlandes zu 
bemädhtigen, während der wackere Hüter Oſtungarns, Beterani, in der Walladei 
und in Bulgarien feften Fuß fallen follte. 


Aber auh Frankreich ftand bereits fampfgerüftet da, auf 
dem Felde der Diplomatie rührig — und ebenjo die Hand an’ 
Schwert gelegt, um fih auf bie faiferlihe Allianz und vor Allem 
auf den Rhein zu ftürzen. 

Schon im Jahre 1687 hatte Ludwig XIV. eine Schwenfung 
in feiner Bolitif vollzogen ; er verfuchte mit Hülfe der Tatholifchen 
Hierarchie, des Cardinals d'Eſtrées, des Cardinale Pio und des 
Nuntius Bonvifi in Wien den Kaifer für den ewigen Frieden mit 
Frankreich und eine Europa beherrfchende Liga der katholiſchen 
Mächte: Frantreih, Habsburg-Defterreih und Habsburg: Spanien, 
ferner des Fatholifchen Königs von England, Jacob II., zu gewinnen 
und in folder Weife die Stellung Leopold's I. im deutichen Reiche zu 
untergraben. In der erften Hälfte des Jahres 1688 trat Frankreid) 
mit der neuen VBerfuhung an Xeopold I. heran: um den Preis 
des Eljaß, der Nheinftäbte und des erblichen Kaiſerthums in Deutſch⸗ 
land der Dritte im Bunde Ludwig's XIV. und Jacob's LI. zu werden. 
Der Kaiſer wies nicht bloß dieſe verlogene Köderung ab, jondern 
verbot fich ſolche Anträge für alle Zukunft. Dies und die wachen: 
den Demüthigungen der Pforte brachten Ludwig XIV. in Harniſch. 
Als der Franzofenlönig den Fall Belgrads erfuhr (30. September 
1688), befam der Dauphin den Auftrag, zur Armee im Elſaß abzu- 
gehen, und bereits (24. September) war das Kriegsmanifeitan 


672% XVL Buch: Vom weitph. Frieden b. 3. ſpan. Erbfolgefriege (1648--1700). 


das deutſche Reich unterzeichnet, dem die Kriegserflärung an 
Holland folgte (15. November). 

Defterreich fchreckte vor dem Doppelfriege nicht zurüd, e8 nahm 
ihn auf; die Stimmung im- Reiche war gegen die Sranzojen, als 
„Türkenfreunde und Mordbrenner“ (1689 in der Pfalz), tief erregt; . 
enger als je ſchließt man fih an den Kaifer an. Bald fchrieb 
Leibnig: „Nie fei das Reich Jo einig geweſen.“ Der Sturz Jacob’s II. 
von England (December 1688) bahnt den großen Umſchwung im 
Brittenreihe an, der Dranier tritt dem Kaiſer als König Wilhelm ILL. 
von England zur Seite und im Mai 1689 ift die große Allianz 
Leopold’S I. und des Reiches, Spaniens, Englands und Hollands 
geichloffen, der jpäter au) der Savoyer und Schweden beitreten. 

Die einhellige Wahl des Eritgebornen Leopold's, Joſeph's (I.) 
zum deutſchen Könige (1690, 24. Januar) und die Gewinnung 
Englands: Hollands für die ſpaniſche Prätendentſchaft des 
zweitgebornen Erzherzogs Karl war jedenfalls ein Sieg der kaiſer⸗ 
lihen Sache, Frankreich) gegenüber. 

Aber im Ungarnlande lag das Feld der Waffenerfolge und 
der gewinnbringenden Ausfichten Defterreichs. 

Die Streitkräfte, welche der Kaifer im Jahre 1689 gegen die 
Türken aufitellte, etwas über 30,000 Mann — waren nicht fo 
bedeutend als die früheren, denn ber Krieg wider? Frankreich er: 
beifchte eine Waffentheilung, — aber Markgraf Ludwig von 
Baden, damals Höchſtcommandirender, feine Genoffen Guido von 
Stahremberg, Veterani, Piccolomini, Heisler, Herbeville, Huyn, — 
die Ungarn Palffy, Batthiany, Lad. Cſaͤky, Banus Erdödy wurden 
von den früheren Erfolgen bejeelt. "Allerdings entwidelte auch die 
Pforte ihre ganze Widerftandsfraft und auh Tököly befam feine 
Rolle zugewieſen, aber eine neue Gefahr rüttelte an den Grund: 
feften des Osmanenreiches. Durch die Völker der]Balfanhalbinfel, 
die feit Sahrhunderten dem Joche der Türkenherrſchaft abgeneigten 
ſlaviſchen Rajahs, lief nun der Gedanke der Befreiung mit Hülfe 
ber Faiferlihen Waffen. Es war ein großer Plan und, wenn ver: 
wirklicht — von unermeßlichen Folgen für die Zukunft Ofteuropa’a 
und unferes Staates, den der Wiener Hof damals zu verfolgen 
begann: die Infurgirung der Süddonaulänber gegen 
die Pforte Bor Allem regte fi der Gedanke der Befreiung 
durch das Bündniß mit dem fiegenden Chriftenkaifer im Serben: 
volfe und zwei Verfönlichkeiten erjcheinen bald als Träger biejes 
Gedankens: Georg Branfovic und fpäter Arien Czernoje— 


XVI. Bud: Vom weitph. Trieben b. z. jpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 673 


vice (Czernowie), der Patriarch von Ippek. Lebterer wird dann 
der Leiter der jerbijhen Anfiedlungen in Ungarn.*) 


Seorg Brankovid, angebli aus der altberühinten jerbifchen Fürften- 
familie dieſes Namens, der Sohn Johanns (geb. 1640— 1648 zu Weißenburg in Sieben 
bürgen, wahrjcheinlicher jedoch zu Jan opol (Boros Jenö), früh verwailt, erzogen 
von feinem ältern. Bruder Simeon oder Sava, Serbenbijchof in Sanopol, und 
namentlih in Spracden tüchtig, ein guter Xateiner, begann feine Laufbahn 
beifäufig j. 1663 als Dolmetſch des Fürſten Apaffy und foll ſchon damals 
(1663, 28. September) von dem Ippeker (Peter) Patriarchen Marimin 
al3 ein Nachkomme der alten YFürjtenfamilie Branlovie zum „Fünftigen Des⸗ 
poten der Serben“ ausgerufen und feierlich geweiht worden fein (?). 16883 zog 
er mit feinem Bruder nah Rußland, um bei feinen Glaubensgenoffen Gelb: 
mittel zur Erbauung einer neuen Metropolitankirche und Metropolitanrefidenz 
der Serben oder Raizen zu fammeln. Abermald dann in Dienften des Yür- 
ften Apafiy I. und von biefem mit dem Gute Alvincz bejchentt, fiel er fanımt 
feinem Bruder in Ungnade und taudt dann 1680 in der Walladei auf. 
Schon 1681 knüpfte er durch Ladislaus Cfäly Beziehungen zum Wiener Hofe 
an und erfcheint als Botſchafter des wallachiſchen Wojwoden Santacuzen Scher: 
ban in der Reſidenz des Kaiſers. Er wird nun ein rühriger Träger bed Ge- 
dantens der Befreiung des Chriftenvolfes der Balfanhalbinjel vom Joche der 
Türkenherrſchaft und erfüllt von ehrgeizigen Hoffnungen. Unter Anberm jucht 
er Rufland als Allürten Oefterreichd für die Vertreibung der Osmanen aus 
Europa zu erwärmen. Daß ihn die Wiener Negierung bereitd 1683 als 
ihren Agenten anfah, bemweiit feine Erhebung zum Freiberen (7. Juni 1683), 
noch vor der Wiener Kataftropbe. 

Als nun Markgraf Ludwig mit Veterani und Piccolomini am 
29. Auguft bei Grabovo und Jagodina an ber ferbifhen Morama erſchien, 


*) Titeratur. (Bartenftein) Kurzer Bericht von der Beichaffenheit der zer: - 
ftreuten zahlreihen illgrifhen Nation i. d. f. k. Erblanden. Bol. au Ar neth's 
Abh. über Bartenjtein im Arch. f. K. õ. G. (Wir fommen darauf noch i. 4. Bde. 
zu ſprechen). Cjaplovics Slavonien u. 3. Thl. Croatien II. Thl. (1819, Peſt); 
Safarit, Geh. d. ferb. Literatur; Sammer, Geſch. d. osman. R. III. Bp.; 
Czörnig, Ethnographie des öfterr. Kaiferftaates, II., III.Bb. (Beilagen). Die 
Monogr. über die Militärgrenze v. Hieginger, Fras und Vanidef (vgl. 
1.8. ©. 298, 361. II. Bd. ©. 308— 313); Fiedler, Die Union ber in Ungarn 
zw. d. Donau und Drau wohn. Bel. griech. Glauben? (Situngsber. d. Wiener 
Akad. hit. phil. Kl. 37. Bd.) u. Beitr. z. Union d. Walachen (Vlachen) i. Slav. 
u. Syrmien (Ar. f. 8. 6. ©. 1867); Szalay, Szerb telepek jogviszonyai (die 
Rechtsverhältniffe der jerb. Anfiedlungen); Arneth, Guibo v. GStahremberg; 
Stojac8fovics, Ueber die ſtaatsrechtl. Terhältnifje der Serben i. d. Wojwo— 
dina (Temesvar 1860); Les Serbes de Hongrie (Prag 1873); Schwider, 
3. Geh. d. Hirhl. Union i. d. croat. Militärgrenze (Arch. j. 6. G. 52. 2b. 
2. 9. 1874). 

Krones, Gef. Oefterreihs. III. 43 


674 XVI. Bud: Vom weftph. Frieden b. 3. ſpan. Erbfolgefriege (1648-1700). 


und einen glänzenden Sieg über die Türken bei Batatfchin erfocht, verfuchte er zur 
Erhöhung feiner herabgefhmolzenen Streitkräfte das Mittel eines Aufrufes: 
an die Slaven Albanien, Boſsniens und der Herzegowina, mit 
ihm vereinigt die Freiheit von türkiſcher Tyrannei fich zu erfämpfen. Ob unb 
inwieweit damald jener Georg Brankovi& ben Plänen der kaiſerlichen Politik 
Vorſchub Teijtete, ift nicht Har zu erſehen. Sicher aber ift es, daß der ehrgeizige 
Abenteuerer, die eignen Zukunftsgröße vor Augen, nad ber Eroberung 
Belgrad durch die Kaiferlihen (September 1688) am Wiener Hofe erjchien 
und bier den Antrag machte, an 30,000 Serben, ja noch mehr, der Armee zu= 
zuführen. Der Kaiſer erhob ihn dafür (20. September 1688) in den „Grafen⸗ 
ftand.” Wohl erfahren wir aus guter Quelle, daß Brankovit i. J. 1689 
Schaaren von Serben nah Syrmien als Anfiedler einführte, aber von feiner 
namhaften Unterftügung des Faiferlichen Heeres verlautet nichts; dagegen nannte 
ec fih fchon feit Ende 1688 „Despot von Jllyrien, Serbien, Syrmien, Möfien 
(Thracien, Bulgarien) und Bosnien“ und fchien die ganze Bewegung für fich 
ausbeuten zu wollen. Jedenfalls bejhli nun ben Feldherrn Leopold's J. und 
den Kaiferhof bie Beſorgniß vor förenden Ränken jenes Mannes und vor der 
Möglichkeit eines ſerbiſchen, bie Anfprücdhe ber ungarifhen Krone gefähr: 
denden Zwiſchenreiches. 

Als nun Markgraf Ludwig den neuen Seraskier Redſcheb-Paſcha (Beg- 
Ierbeg von Sofia), Nachfolger des abtrünnigen Jegen Dsman (vorher Paſcha 
von Rumelien), im Niffawathale, bei Nifja (Nis), raid umging und, von 
Heisler und Veterani wader unterjtügt, bis zur Vernichtung ſchlug (24. Sep: 
tember), io daß bie große Kriegöbeute für die Mühen ber Heerfahrt reichlid) 
Iohnte, ließ er (October) den in fein Lager entbotenen Brankovid feftnehmen, 
und nach Hermanftabt fchaffen, von wo aus der „Despot“ und „Reichsgraj” 
zur ſtändigen Internirung nad Wien (1689—1703) und fpäter nad) Eger ge: 
Ihidt wurde. Hier lebte er 9 Jahre von einer allerdings kargen Penfion 
(1000 Gulden) und ftarb den 19. December 1711, von feinem Hauswirth Mi- 
neti als ein munterer, Iuftiger Herr gejchilbert, der fleißig in Büchern las und 
nie bie Hoffnung auf Rebabilitirung fallen Tieß.*) 

Die Behandlung des Serben Brankovie übte begreiflichermeije einen herab⸗ 
flimmenden und anbrerfeit3 erbitternden Einfluß auf feine Landsleute. Den- 
noch ließ ſich biefer Zwifchenfall durch weitere Erfolge der Faiferlihen Waffen 
paralyfiren. 


Markgraf Ludwig z0g nad dem Siege an der Nilfawa über 
den Gebirgsfnoten, der das Balkan: und Karpathenſyſtem verbindet 
nah Bulgarien und eroberte Widdin (14. October), die alte 
Stadt an der walladifchen Grenze, welche ſchon fo manchen Kampf 
vor ihren Mauern erlebt hatte, und bewog den neuen Hospodar 


*) Pol. d. Auffag v. A. Frind: „Der Banus, Graf und Despot ber 
Serben und Raizen Georg Branlovid, ald Bewohner von Eger” i. Progr. bes 
Lt. St.-Ch.:Gymn. zu Eger (1868). 


XVI. Bud: Vom weſtph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgekriege (1648—1700). 675 


oder Wojwoden der Wallahei, Brankowan, den Nadjfolger 
Scherban’s, das rumänische Bündniß mit dem Kaifer zu emeuern 
(27. October). PBiccolomini aber, von dem Markgrafen bei 
Niffa zurüdgelaffen, faßte, als Krieggmann von Muth und Geift, 
den kühnen Plan, nad Uſchküb (Skopi), dem wichtigen Paßorte, 
im Süden von Priſtina (am waffenberühmten Amfelfelde, Koſſowo) 
vorzudringen und als bemwaffneter Herold der Freiheit unter den 
Gebirgsvölfern des innern Balfans aufzutreten. 

Es lebte unter den Südſlaven eine alte Sage, dereinft werde 
fie von dem Türkenjoche ein Held befreien, der auf dem Nüden 
bes Kameeles und mit fremdländiſchen Thieren im Gefolge ihre 
Heimath betrete. Diefe Mähre nutzte der kluge General aus; mit 
Kameelen, Affen, Papageien aus der Niffaner Lagerbeute erſchien 
er unter den jchlichten, gläubigen Leuten, angeltaunt als Türfen- 
befieger und bald als freundlicher Mann beliebt, der insbejondere 
die wichtigſte Macht und Triebfeber für eine ſolche Bewegung, die 
Geiftlichfeit, voran den Patriarchen von Ippek, Arjen Czerno— 
jevic (Czernomic), für fich zu gewinnen, veritand. Bald zeigte fich 
das ganze Gebiet von Rumelien bis an die Herzegowina, längs des 
ganzen Balkans und an beiden Seiten des Schar:Dagh, um Uſch⸗ 
füb und Prierend (Perkerin) für eine Schilderhebung gewonnen, 
die mit nächftem Yrühjahre (1690) vor fich gehen follte. 


Aber die Unzulänglichfeit der Mittel des Kaiferd für einen Doppelkrieg, 
die Halbheit der Mafregeln und die bedauerlihen Echwanfungen in dem Com: 
mando bemwahrten bie fi) wieder fammelnde und aufraffende Pforte vor dem 
äußerften Verberben, und die Bewegung der Balkanvölker gerieth in's Stoden. 

Ein ſchwerer Schlag für die letztere Sache war ber jühe Tob bes bochbegabten 
thatkräftigen Generald Enea Silvio Piccolomini. Er, der den Namen eines 
der bedeutendjten Schriftiteller und Kirchenfürften des Mittelalterd und Gliedes 
feiner Familie führte, der Neffe Ottavio’3, Fürften von Amalfi, des Waffengenoffen 
Wallenjtein’3, ftarb leider |hon am 9. November 1689 zu Priftina am Amſel⸗ 
felde, und die Aeußerung des Markgrafen Lubwig von Baden, nad Piccolomini’s 
Tode ſei hier „Alles in Stoden und Confuſion“ gerathen, kennzeichnet am beiten 
bie Bedeutung dieſes Verluſtes. Wohl lautete die Inſtruction für feinen an 
Geiſt und Herz ebenbürtigen Nachfolger und Landsmann, Grafen Veterani, 
dahin, es fei im höchiten Intereſſe ded Kaifer gelegen, daß ſich der genannte 
General „Diesfeitö des Berges Hämus, der Alpen oder des albanejifchen Gebirges, 
wann und jo viel fi thun laffet, gegen dem adriatiihen Meer zu ertendiren 
trachten folle, um mithin Bosnien und Herzegowina von ben noch übrigen 
thürkiſchen Landen gänzlich abzufchneiden,” — aber ehe Beterani bazu kam, feine 
Anftruetion zu verwirklichen, vollzog fi ein nachtheiliger Umfchwung in ber 
Kriegdlage.. Wohl ſchlug der Herzog von Holftein als Faiferlicder General 

43* 


676 XVI. Bud: Vom weitph. Frieden b. 5. ſpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 


unb vorläufiger Erſatzmann Piccolomini's, die Türken (1689, 27. November) 
bei Stippo, aber jeine unfluge Härte und die Augfchreitungen feiner Truppen 
verbitterten die Albanejen gegen Oefterreih, und das faiferlide Manifeſt, 
welches fpäter (6. April 1690) im Drud erſchien und „alle Tölfer von ganz Al: 
banien, Serbien, Myfien, Bulgarien, Siliftrien, Syrien, Macedonien und 
Rascien“ gegen Verbürgung confeffioneller und politifcher Nechte wider die Os— 
manen in Waffen rief, jtand mit den trüben Ergebniſſen des Kriegsjahres 1690 
in einem zu grellen Widerjpruche; e8 fand feinen wirkſamen Widerhall in den 
Herzen der Balfanjtämme. 


An die Spige des Diwans war indefjen ein trefflicher Organi- 
fator des erjchütterten Türfenreiches, der Großvezier Muftafa 
Köprili, getreten, aus derjelben Familie, die ſchon einmal, in 
Ahmed Köprili, dem Osmanenftaate einen tüchtigen Leiter gegeben. 
Die geringe Kriegsmacht der Raijerlichen, längs der ganzen Balkan: 
halbinjel zeritreut, von dem früheren Haupte, dem Markgrafen von 
Baden verlaffen, bot ihm Gelegenheit zu wirkſamen Angriffeftößen. 

Vom Januar ab drängen .die Türken die SKaiferlichen aus 
Katſchianik, mo ber erfte Schlag den voreiligen Oberften Straffer 
traf, Priftina und Novibazar zurüd; mit Mühe rettet Veterani 
das wichtige Niffa; Heißler, der fich mit den Wallachen überworfen, 
muß nad Siebenbürgen zurüdweidhen, der Hospodar Brankowan 
erklärt fi wieder als Vafall der Pforte. Wohl fiegt Banus Erdödy 
bei RKoftajnica, die Türken aber nehmen dafür Zwornik und nur 
die Einnahme von Kaniſcha (jeit 90 Jahren in türkifchem 
Befiße) durch Grafen Adam Batthiänyg (13. April) kann als ein 
gewinnbringender Gegenichlag gelten. Entſchieden Recht follte die 
Denkihrift des Markgrafen Ludwig vom Februar 1690 behalten, 
der das ganz Ungenügende der damaligen faiferlihen Kriegsmacht 
in Ungarn erörtert hatte und deshalb auch mit der Wiener Regierung 
in vorübergehende Spannung gerieth. Veterani’3 Unterhandlungen 
mit Tököly erwiejen fi bald fruchtlos. 

Schlimmes drohte nun auch dem Lande Siebenbürgen. 

Im ängftlihen Gefühle, zwiſchen gefährliche Gegenjäge, Taiferlihe Hoheit 
und türkiſche Rachfucht, gerathen zu fein; — denn ſchon war Töföly zum Angrifie 
auf Siebenbürgen außerjehen und ihm von der Pforte die FürftenthHum zuge- 
dacht worden, — ftarb Michael Apaffy I. den 10. April 1690, „der fromme 
M. A.” (jchreibt Der gleichzeitige und meiſt zuverläffige Chronijt Cſerey von 
Nagy Nitja), „welcher weit eher als Geiftliher anı Plate gewejen wäre, denn 
als Fürſt,“ das Werkzeug Teleky's. 

Dem Atnameh des Sultans, das Tököly zum Fürften Siebenbürgens be: 
ftellte, folgte ber Befehl an die Tartaren und den Wojwoden Branfowan, mit 
ihm über Siebenbürgen berzufallen. Durch den Törzburger Paß und dann auf 


XVI. Buch: Rom weftph. Frieden b. ;. fpan. Erbfolgefriege (1648— 1700). 677 


wilden, wenig begangenen Gebirgäpfaden brachen bie Verbündeten vor, um bie 
Gegenaufſtellung Teleky's und ber Kaiferlihen unter Heißler, Heifter und Oberit 
Doria zu umgehen, während Branfowan durch ein Scheingefeht am Paſſe fie 
feftHielt. Bei Zernefht und Tohäny erfolgte (21. Auguft) ber Ueberfall; 
die Schlacht endigt mit einem blutigen Siege Tököly's und der Türken; Teleky 
fällt wundenbebedt, General Heihler geräth in Gefangenfchaft. Sein Gegner 
Töksöly, ift num Herr ber Sachlage, und die beutjchfeindliche Partei, welche in 
der vorläufig ablehnenden Antwort bes Kaiſers vom 4. September auf das 
ſtändiſche Geſuch (vom 24. Auguſt) um Beftätigung der Fürſtenwürde bes 
jüngern Apaffy das beutlihe Anzeichen der Annerionsgelüjte des Wiener 
Hofes erbliden zu können meinte, führte an Hermannſtädter Landtage 
das große Wort. Tököly wird am 22. September zum Fürften Siebenbürgens 
gewählt, aber mit der Herrlichfeit feines Fürſtenthums iſt e8 bald vorbei. 


Denn Ihon ftand der Markgraf von Baden wilder an 
der Epite der Heeresleitung, um noch zu retten, was zu retten war. 
Wohl nahmen die Türken im Zeitraume von Ende Auguſt bis 
8. October Widdin, Niffa, Galambscz und Szendrö, 
jelbft Orfova und Lippa ein, verfahen mit Mundvorrath Temes: 
var und Großwardein; ja es gelang ihnen jelbft (1.—8. Oc⸗ 
tober) das wichtige Belgrad wieder zum Falle zu bringen, da eine 
fürditerlihe Pulvererplofion die längere Vertheidigung unmöglich 
machte. Guido von Stahremberg, der Herzog Croy und Aspremont 
jpielen dabei die Hauptrolle; Erfterer behauptete Cenigitens das 
wichtige Eſſek gegen den Angriff der Türken. Andererjeits trieb 
jedoch, an's eiferne Thor eilend, der Markgraf von Baden die 
Schaaren Tököly's, die Kuruzzen und Türken, aus Siebenbürgen 
heraus, Ende October mußten fie durch das Burzenland nad der 
Wallachei entweichen. 

36,000 jerbijhe und albanefifhe Familien waren 
Ihon im April 1690, einen Monat vor dem Ausmarjche des Groß: 
veziere, unter der Führung des Patriarchen Arſen Cernojevic aus 
der Heimath aufgebrohen, um in den Ländern des Kaiſers ein 
neues Vaterland, frei von der Türfenherrichaft, zu finden und dieje 
neue Heimath vertheidigen zu helfen. 

Zu Belgrad hatten fie am 18. Juni eine Verfammlung abgehalten und 
mit den Bedingungen ihrer Ueberjiebelung den Janopoler Biſchof Iſaias Diafovie 
als Botjchafter der „Sommunität der griehiihen Raizen” an ben Wiener Hof 
abgejendet. Den 21. Auguſt ertheilte ein Fatjerliicher Freiheitsbrief dieſen Forde— 
rungen Gewähr und Bürgichaft, und den 23. d. M. erhielten die gleiche Zu: 
fiherung die Bornehmiten diefer Einwanderer: die drei Branfovic’ (Paul, 
Anton und Xafob) in befonderer Urfunde. Die Zuficderung der Metropolitan: 
gemalt an ben nicht unirten Erzbiichof Gernojevit für ganz Griechenland, 


678 XVL Buch: Bom weſiph. Zrieden b. ;. jpan. Erbiolgefriege‘(1643—1700). 


Rascien, Bulgarien, Talmatien, Bosnien, Janopol und Herzegowina und über 
alle Serben in Ungarn und Groatien, follte das Firchliche nterejje der Ans 
fommlinge an die Regierung feſſeln und anbererjeit3 die bebenflichere Forderung 
eines jerbiichen Wojwodates paralyjiren. Vor dem Cintrefien der Türfen bei 
Pelgrad zogen jene 36,000 Familien über die Save in der Hauptmaſſe nad 
Elavonien, Syrmien und in einzelne Stadtgemeinden, wie Arab, 
Szegedin, Großwardein, Fünfkirchen, Mobäcs, Stuhlweigenburg, Gran, Komorn, 
Raab, Ifen, Erlau, Sz. Andräs und ina. O. Der Kaiſer beftätigte ben 11. De: 
cember 169%) und 11. April 1691 diefe Eremtionsprivilegien, und Gleiches that 
die ungarijche Hoffanzlei am 20. Auguſt dieſes Jahres. — Die Anfechtungen dieſes 
Freithums ber Einwanderer durch die ungarischen Municipal: und Tirchlichen 
Gemalten nöthigten den Kaifer zur Erneuerung feines Freibriefes (1695, 4. März). 

Gewitzigt durch die jüdungarifchen Gebietsverlufte des Jahres 
1690 und Angelihts der neuen Scilderhebung der ermuthigten 
Pforte im Juni 1691, beeilte fih nun die Wiener Regierung, die 
Heerestheile an der untern Donau und Theiß anjehnlicher zu ver: 
ftärfen. Veterani hielt Siebenbürgen gededt, Nigrelli commandirte 
an der Theiß, Markgraf Ludwig, der Oberseldherr, ftand mit 
50,000 Dann im Lager vor Peterwardein. Ihm war es bejchieden, in 
Gemeinſchaft mit Gaprara, Guido von Stahremberg und deſſen 
Vetter Souches, dem Herzoge Chriſtian von Holftein, Aremberg und 
Adam Zrinyi (dem Sohne des Banus Nikolaus), die feit 1687 
vernichtendſte Mderlage der Türkenmacht beizubringen. Bei Salan: 
kemen (Slankamen), 19. Auguft 1691, erfocht der Markgraf Ludwig 
den glänzenditen Sieg feines Feldherrndaſeins. Der tapfere Großvezier 
und 12,000 Türken bezahlten ihn mit dem Leben. Tököly entrann 
mit Noth den Verderben und fah fich bald mit feiner Gattin ver: 
einigt, die, für den gefangenen General Heißler ausgewedjjelt, Die 
Kinder eriter Ehe in Wien verließ, um ihr Schickſal an das des 
zweiten Gemahles zu Tnüpfen. 

Die Verlufte der faiferlichen Armee Hinderten dem Sieger das 
gefährlide und große Machtmittel erheifchende Wagniß der Rück— 
eroberung Belgrads; dafür follte Großmwardein der vereinzelte 
öftliche Edfpfeiler der Türkenherrichaft, ihr entriffen werden. Auerjperg 
begann die Belagerung, Heißler vollendete fie, doch verzögerte ſich Die 
Uebergabe Großwardeins an die Kaiferlichen bis zum 5. Juni 1692. 
Inzwiſchen hatte, im Herbite 1691, Markgraf Ludwig von Baden. 
den ungarischen Kriegsihauplag mit dem am Nheine vertaufght. 
Eeine fefte Hand und Schärfe des Syeldherrnblides follte die faiferliche 
Armee im Karpathenlande leider nur zu fehr vermiffen. 

In die zweite Hälfte des Kriegsjahres 1691 fällt auch Die 
mejentlidhe Feftftellung des ftaatsrehtlihen Verhält— 


XVI. Bud: Vom weſtph. Frieden b. 3. fpan. Erbfolgekriege (1648--1700). 679 


niſſes Siebenbürgens zum Kaijerhofe, zur Krone Ungarns; 
es vollzieht fich die Revindication Transiylvaniens, und das Fürſten⸗ 
thum des jüngern Apaffy erjcheint als bloßes Uebergangsftadium zur 
völligen Reunion Siebenbürgens. 


Zwei damalige Denkſchriften, die eine auß der Feder Niklas Beth: 
len's, des begabteften Staatsmannes Siebenbürgens, bie andere von bem Aus: 
länder, aber jcharffinnigen Kenner der Sachlage, Caraffa, verfaßt, Tegten, jede 
von anderm Standpunkte aus, die Krebsſchäden Siebenbürgen bloß. 

Bethlen's „Hinfterbendes Transſylvanien“ (Moribunda Transsylvania), 
1688 dem Kaifer gewidmet, alfo noch zur Zeit ber gefahrvollen Zwitterftellung 
Siebenbürgens, bezeichnet als den erften und wichtigfien „Krebsichaden” dieſes 
Landes die Türken: und Tartarengefahr, welcher Siebenbürgen von der Moldau 
und Waladei aus offen läge, als zweites Hauptübel, die Schwäche des Fürſten 
Apatiy L und die dadurch gefchaffene Anardie, daB Chaos einer fchledhten Ver: 
maltung, und al3 drittes die Willfür der kaiſerlichen Soldaten und bie Laſt ber 
GFinquartierung. Tas Hauptgewicht der Schrift Tiegt in dem Belenntniffe bes 
tiefen Verfalles Siebenbürgens in feinem ftaatlichen Sonderleben. 

Aus der andern Denkichrift, 1690 nach dem Tode Apaffy’3 I. von Garaffa 
vorgelegt, athmet ber Geiſt bes Faiferlihen Generals, des Anhängers der abfos 
Iuten Staatögewalt. Garaffa weift auf bie firategifche Unentbehrlichkeit Sieben; 
bürgens als natürlicher Zeitung für bie Herridhaft in Ungarn bin; einheimilche 
Fürſten könnten das Land nur mit faiferlicher Hülfe ſchützen; da fei ed am 
beiten, wenn der „Herr der Waffen“ fich „jelber zum Herrn des Landes made”, 
wenn mit Bejeitigüung bes jüngern Apaffy „der abjolute römifch-kaiferlide Tomi: 
nat” in Siebenbürgen eingeführt werde. Eeit jeher jei die Bevölferung bes Landes 
dem Haufe Oeſterreich „auffällig“ und der deutſchen Herrſchaft abgeneigt. Nur bie 
ſächſiſche Nation made davon eine Ausnahme. Man müffe Siebenbürgen durch 
gütige Mittel, Minderung der ſchweren Steuerlajt, insbeſondere durch Unan⸗ 
getajtetlaijen der evangelifchen Kirche zu gewinnen trachten; denn an ihr hingen 
die Sachſen mit zäher Liebe feft. Lebtere, welche Garafja als „Starte, „Nero 
und Zierde” Siebenbürgen rühmt, feien auf das Entſchiedenſte, aber ohne 
alles Aufiehen,, gegenüber den Ungarn, nad bem Grundſatze: „Theile und 
berriche” zu unterjtügen, bamit ihnen aud ber vortheilhafte Gegenſatz bei 
faijerlihen Regimentes zum früheren in die Augen fpringe Jedenialls aber 
müſie man ſich zunädit an die alten herlömmlichen Einrichtungen und Geſetze 
Eiebenbürgens halten, denn bie urplöglide Finführung neuer wäre mißlich, ja 
ſogar unmöglid). 


Niklas Bethlen weilte als Abgeordneter der Etände Sieben: 
bürgens in Wien, um die faiferlihe Betätigung der Rechte und 
Ssreiheiten Ziebenbürgens zu erlangen. Unterftügt von Caraña, dem 
engliihen Geſandten Korb Paget, von dem Vertreter der Generalitaaten, 
Heemskirchen, und namentlih von dem braudenburgiihen Heiidenten 
Gottfried Tanlelmann; überbies buch Die Einbrüde der Gefäh- 


R 


680 XVI. Bud: Vom weftph. Frieden b. 3. fpan. Erbfolgefriege (16481700). 


dung des Landes jeitens Tököly's und der Türken, erlangt er 
am 16. Dctober 1691 das wichtige Verfaſſungsdecret oder 
fogenannte Diploma Leopoldinum in 18 Artikeln, deren erfter die 
Gleichberedhtigung der 4 Glaubensbefenntniffe enthält, während die 
anderen die politiihe Autonomie des Landes und die Faijerlichen 
Souveränitätstechte betreffen, denen gegenüber die landesfürftlichen 
Rechte des jüngern Apaffy zu feiner eigentlichen Geltung gelangen. 
Seine Beftätigung im Fürftenthume bleibt vorderhband in Schwebe. 

Als die magyarijche Independentenpartei die Beitallung Apaffy’s IL. 
durch Nundfchreiben erzwingen wollte, vermweigerten die Sachſen ent: 
ſchieden ihre Unterfehrift. Die Huldigung an den Kaiſer als Schut- 
herren erfolgt. Eine neue Deputation der Stände erwirkt dann in Wien 
die genauere Faflung und feierlihere Stilijirung der wichtigen Ver: 
faffungsurfunde vom 4. December 1691; es ift das eigentliche 
Diploma Leopoldinum. 


Die ftändifchen Streitigfeiten machten eine neue Geſandtſchaft nad Wien 
nothwenbig, als deren bebeutendfte Führer ber und bereits befannte calvinifche 
Protonstar Alvinczi und der glänzend begabte Johann Zabaniug 
(geboren 1664 zu Eperied), Sohn des Liptauer Predigers Iſaak (damals Pfar⸗ 
rers zu Mühlbach), feit 1690 Provinzialnotar und feit 1692 Seele der Sachſen⸗ 
partei, auftreten. Zabanius, deſſen Tagebuch eine ebenjo reihe ala belehrende 
Quelle für bie Kenntniß der Wiener Verhandlungen abgiebt, war cin entichie- 
dener Anhänger ber Faiferliden Souveränität. In feinen Conferenzen mit 
Strattmann, Kinsky, Cardinal Kollonid (Ende 1692, Präfes der Hoffammer 
unb 1693 Erzbifhof von Kalocfa), mit dem Picepräfidenten der Hoffammer 
Graf Siegfried Bräuner und den ungemein gejchäftsfundigen Hofbeamten: 
Joh. Dar. v. Palm (Hoffammerrath, feit 1692 General-Kriegscommiffariats- 
Sekretär), Werdenburg und Albrechtsburg (Hofräthen) zeigt ſich am beften, wie 
fehr man in ben maßgebenden Kreifen der Sonderftellung Siebenbürgens 
Ungarn gegenüber zuilrebte und wie hoch die ſächſiſche Nationalität 
geihäst ward. Nicht umfonft nennt Zabanius den einflußreihen Caraffa einen 
„Specialpatron der Sachen“. Kollonich rühmte ihre Treue und Charafterftärke; 
General Heißler bebauerte die Bedrückung bderfelben durch die Ungarn. Volle 
neun Monate verbrachte die Deputation in Wien; das, was fie ermirfte, war 
das wichtige, bie Stellung der vier Slaubensbefenntniffe zu einander regelnde 
De:retum Religionis vom 9. April und die fogenannte Alvinczifche Reſo— 
Iution, als Erledigung der von Alvinczi vorgebrachten ſtaatsrechtlichen Bitten 
und Wünſche der Stände (14. Mai). 

Bei der Abſchiedsaudienz verſprach der Kaiſer den Sachſen feinen befonbern 
Schup, und Zabanius erhielt (20. Juni) eine Faiferlihe Gnabenfette. 


Die Kriegsjahre 1693 — 1696 im Kampfe bes Kaifers mit der 
Pforte zeigen einen bebauerlihen Rüdjhritt in ben Erfolgen 





682 XVL Bud: Vom mweftph. Frieden b. z. ſpan. Erbfolgefriege (1648— 1700). 


ſame Conſilia mehr find verlaht und ausgeſpottet als befolgt 
worden” — Niemanden, der „mehr Verftand, Erperienz, Application 
und Eifer” zu des Kaijers Dienft hätte und ein „generojeres und 
uninterejlirtes Gemüth, auch die Liebe und die Erperienz bei der 
Miliz befäße,” — als Prinz Eugen von Savoyen. Kurfürft 
Friedrich Auguft Hätte lieber den virtuojfen Reiter Grafen Styrum 
an feiner Seite gejehen, doch wurde diefer dem Marfgrafen v. Baden 
am Rheine zugetheilt. Es war ein Glüd, daß dem genialen Eugen 
die Rolle des Pegaſus im Joche erjpart blieb, da die Wendung der 
Dinge in Bolen den Kurfüriten von Sachſen dahin abrief. 


1696, 17. uni, mar Johann Sobiesfi geitorben. Ein volles Jahr rang 
um bie wenig banfbare Krone des Lechenreiches der franzöfifhe Hof für den’ 
Prinzen von Conti, während Oefterreich für den Schwager bes Kaijerd, den 
Pfalzgrafen Karl von Neuburg. arbeitet, und barin an Brandenburgs 
Preußen einen diplomatiſchen Gegner findet, der den Polen den Markgrafen Ludwig 
von Baden empfiehlt. Unter dem Eindrude, mit ber pfalzneuburgiichen Candi⸗ 
datur nicht durchdringen zu können, findet fich der Kaifer Angefichts der drohen⸗ 
den Bewerbung Frankreichs bemüßigt, im Bunde mit dem Ezaren Peter, diefen 
Plan des ewigen Widerfachers zu Freuzen und die Anftrengungen des ſächſiſchen 
Kurfürften zu unterftüßen. Nach langem Markten und Feilſchen mit ben 
„Königmacern” kam e8 zur Wahl Auguft’8 des Starfen (27. Juni 1697). 


Nun drang Rüdiger von Stahremberg auf die Beitallung des 
Prinzen Eugen von Savoyen zum Höchltcommandirenden, es war 
die beite Wahl, die man treffen konnte. Die Regeneration der 
Armee und des Kriegsrathes begann bald That zu werden, denn 
ihr neuer vierunddreißigjähriger Feldherr verftand den Glauben an 
fi und die Armee zu weden und feitzuhalten. Der Soldat fieht 
fi berücdfichtigt, der Lieferant fühlt, daß es dem Feldherrn um 
die Ordnung des Verpflegungsweiens Ernſt jei; die bejtimmte, aber 
freundliche Art des Prinzen macht ihn geachtet und beliebt, und die 
Generäle finden an ihm den rechten Mann, mit dem Blicke des Genies, 
willig die Inſtructionen des Hoffriegsrathes zu beachten, ihre Rath⸗ 
ſchläge zu nügen, aber entichloffen, nach eigenem, wohl erwogenem 
Ermefjen zu handeln. 

Das Ergebniß dieſes mächtigen Umſchwungs ift der Sieg ber 
faijerlichen Fahnen bei Zentha, die größte Türkenſchlacht des Jahr: 
hunderts (11. September 1697). Sigbert Heifter hatte den rechten, 
Guido von Stahremberg den linken Flügel befehligt; im Centrum 
commanbdirten Prinz Eugen, Commercy, Rabutin, Feldzeugmeilter 

ner u. A. Zwei Stunden vor Sonnenuntergang begann der 
ꝛidende Sturm ber Kaiſerlichen auf das verfchanzte, von einem 


XVI. Bud: Vom weſtph. Frieden b. 5. fpan. Erbfolgefriege (1648—1700). 683 


Theißarme umgebene Lager der Türken, deren Ziel der Vorſtoß gegen 
Siebenbürgen jein ſollte. Der Sultan, welcher vom jenfeitigen 
Ufer der Vernichtung feines Heeres zujehen mußte, floh gram— 
vol nah Temesvär und von hier nad) Belgrad. Denn an 20,000 
Türfen hatten das Schlachtfeld bededt, an 10,000 verſchlang ber 
Strom; der Großvezier mit dem NReichsfiegel, die Paſchas von 
Anatoli und Bosnien, der Janitſcharen-Aga, 13 Beglerbegs, viel 
Paſcha's waren vor Zentha geblieben und ungeheuer war die 
Beute an Kriegsvorräthen, — fie ließ einen Vergleich mit der 
Wiener des Jahres 1683 zu. Die Verlufte der Faiferlichen Armee 
betrugen nad) den amtlichen Ausweifen 28 Officiere und 401 Mann 
an Tobdten, 133 Dfficieren und 1465 Dann an Verwundeten. 


„Allergnädigiter Herr”, jchrieb Prinz Eugen in feiner Relation an den Kaijer, 
das Herz noch voll freudiger Erregung, „den tapferen Helbengeift der gefammten . 
Generalperſonen, Officier8 und gemeinen Soldaten Tann meine ſchwache Feder 
nicht genügfam entwerfen, noch weniger fattjam loben und preijen, und geruhen 
Euere kaiſerliche Majeftät, biefe meine ſchuldigſte Conteſtation nicht für das ge 
möhnliche Gompliment Allergnädigit aufzunehmen, welches man pflegt, bei allen 
glüdlihen Actionen, den Armeen zuzueignen, jondern ich muß es nıit wahrer 
Gerechtigkeit befennen und dies zum unfterblichen Nachruhm dero unvergleidh: 
lihen Armada als ihr geringes Haupt atteitiren”...... „Es jind zwar Einige, 
die Gelegenheit gehabt, vor den Anderen fich zu biftinguiren, nicht ein Einziger 
ift aber inögefammt, welcher (jo viel ich weiß) nicht mehr als feine Schuldigfeit 
getban habe, wobei denn auch ber Alliirten, fo wohl der Föniglichen polnifchen 
und kurſächſiſchen, ald auch der Furbrandenburgijchen Truppen fämmtliche Gene: 
rale, Officiere und Gemeinen fich ebenfalls fehr tapfer und befonders fignalirt 
haben.” 

Der Sieg bei Zentha bat auch feine Legende gefunden: das Hiftörchen, 
Prinz Eugen habe vor der Schlacht ein abmahnendes Schreiben bed Hoffriegs: 
rathes erhalten, dafjelbe jedoch in Vorausſicht feine Anhaltes in die Tafche ge: 
ſchoben, die Schlacht geichlagen und gewonnen und — dann als Sieger, über 
Antrag Caprara's, vor ein Kriegsgericht geitellt werden follen, weil er gegen ben 
ausdrüdlichen Befehl des Kaifers gehandelt Habe. Diefem wunderlichen Mährchen 
gegenüber ftehen bie lauteren Thatſachen ber Faiferlihen Freude an bein Siege, 
bes Lohnes, der dem Sieger und feinen Genofjen zu Theil wurde, das Wiener 
Tedeum und die Denkmünze, welche Leopold I. auf den Sieg, erfochten „durch 
die Tapferkeit des Herzogs Eugen von Savoyen“, prägen lieh. 


Der Streifzug des Oberfeldherrn nah Bosnien gegen Serajemo 
im October, November, und die Erfolge Rabutin’s, welche diejer 
jchneidige General in Gejelichaft des Generalwachtmeiſters Leiningen 
und der Obriften Viar und Herberftein von Siebenbürgen aus 
gegen das türkifche Baliffaden-Fort Uj-Palanta, bei Weißkirchen, 


684 XVI. Eu: Yon wehph. Frieden b. ; tpan. Erbioigefriege (16-8 — 1700). 


wwiſchen den Mündungen des Karas und der Nera (7. November), 
errang und — unter dem Einbrude der Vernichtung dieſes Platzes, 
— die Häumung Pancſowa's durch die Türken — waren bie 
legten Ereigniffe des rühmlichen Kriegsjahres. *) 

Bevor wir die Eumme der weiteren Thatſachen im Türkenkriege 
und der Friedenshandlung ziehen, müflen wir einen kurzen Rück⸗ 
blid dem Gange der Ereigniffe im Welten widmen. 


7. Der Kampf mit Franukreich, der Nyswicker Friede und der 
von Rarlowic (1689-1699). 


Der deutfch-franzöfiiche Krieg hatte unter der Führung des 
Herzogs Karl von Xotbringen, bei allen Schwierigkeiten und 
Hemmniſſen, die feinen guten Willen lähmten, doch im Jahre 1689, 
9, September, die NRüderoberung von Mainz und, unter Beihülfe 
des Kurfürften von Brandenburg, auch die der zweiten Rhein⸗ 
ftadt, Vonn (12. 15.O8ctober), zur Folge; jo daß nun die Fran- 
zofen von der Nheinlinie wieder abgedrängt wurden. Die fchlimme 
Werbung der Dinge erlebte der Lothringer nicht mehr. Er ftarb 
u Wels am 18. April 1690 im kräftigſten Mannesalter, mit 
47 Jahren, eine biedere, prunkloſe Natur, ebenfo tüchtig und pflicht- 
tren im Handeln, als befcheiden und jelbitlos; eines der jeltenen 
fürftlichen Rriegshäupter, die Über dem Kriegsruhme nie den Soldaten, 
Bürger und Baner vergaßen, — Menichen unter Dienfchen blieben. Das 
Urtheil berühnter Gewährsmänner, wie des Polenköniges K. Sobiesfi, 
dee franzoͤſiſchen Marſchalls Villars, der als Volontär unter Karl von 
Lothringen in Ungarn focht, und die Stimme der ganzen kaiſerlichen 
Armee, wie z. BR. Nabutin’s Urtheil, bezeugen fein militärijches 
Talent, Der ungariſche Chroniſt Ejerey jchrieb über den Tod des 
Herzogs: „Ant ganz Europa gab es feit jenem Ungarn Hunyadi 
IJuͤnos vübmlichen Annebentens, keinen ähnlichen chriftlichen Fürſten, 
vor dem der Türke aljo aezittert, wie vor dieſem großen Helden, 
dein wiſſenſchaftlich aebildeten , Mugen Lothringerherzoge.“ 


*\ Meder den eriten Türkenieldzug bes Prinzen von Savoven liegt mum 
die maßkgedende Arbeit im II. Bde. der I, Serie des kriegsarchivalijchen Wertes 
eldzüge des rungen Fugen v. Sapoven“ Li. 0.) vor, u. d. T. „Feldzüge gegen 
Die Türken 1607 -- 1698 und ber Karlomwiger Friede 1699“, b. v. M. E. An⸗ 
aeli (en IT (ES, 28 findet Ach auch ber Krieg gegen Frankreich. 

}, bekandeit), 





dab, SKY. 154: Yon werph. reden I. ; pam Gibisigeizege St 1 TÜL 


Jricurus ꝓrnrigheit zwang Das ilolirte Cenierrihb zum HRachgeben. 
Urersus wer Branbenburg frauen, dem Kaiier länatı wieder ab- 
wizt, mit bem gleichialls entiremdeten Bayern in eine Terennvallianz 
getreten und erwies ſich ſeit der polniihen Königswahl Aurfürit Auguit’s 
von Zachſen, als Werles kaiſerlicher Unterttügung, im Verdruñe darüber 
und aus Anlaß eriolgloier Aniprüce, zur Erneuerung freundlicher Be 
ziehungen mit Frankreich bereit. 

Zen 9, Mai 1697 wurde der Congreß zu Ryswid er- 
Öffnet. Kinsky vertrat Tefterreih und ben Kaiſer als Principal- 
commiffär und fträubte fid) lange gegen den Friedensabſchluß. Als 
aber England, Holland und Spanien (20. September) mit Frank⸗ 
reich einig wurden, mußte auch der Staifer nachgeben, und fo unter- 
zeichnete fein Vertreter das Friedensinſtrument vom 30. October, 
worin Sehl, Philippoburg, Zweibrücken und das babsburgifche 
Freiburg und Vreiſach von Ludwig XIV. zurüdgegeben erjcheinen. 
Der Widerfpruc der proteftantifchen Reicheftände kehrte fich nicht 
nenen bie Friedensidee, wohl aber gegen den 6. Artikel des Inſtru⸗ 
mentes, der bezüglich der Ruückgabe der Orte am rechten Rheinufer 
eine Klauſel zu Gunſten der Tatholifchen Kirche aufwies, für welche 
man ben Eniferlichen Hof, und zwar die tendenziöfe Nachgiebigkeit 
des Anterhändlers oh. Fr. v. Sailern, Frankreich gegenüber, 
verantwortlich machen wollte. Weit mehr fpricht für Die bezügliche 
Negoelation des Pfalz:Neuburgers. 

treffend äuſiert ſich der Beitgenoffe Ruzzini, Venedig Botichafter in 
Allen, Uder den Ryswicker Frieden: „Wägt man die Maſſe ber beiberfeitigen 
RKugeſtändniſſe ab, fo kann man das Urtheil fällen, daß der Geminn Frankreichs 
In dem geringeren Werlufte und der Verluft der Allürten in dem geringeren Ge- 
winne am Erſolgen deſteht, melden man, Angefichtd größerer Anſprüche und 
HDoſſnungen, davontrug.““) 

Es war ein fauler Friede, die Windſtille vor dem neuen 
Sturme, den die ſpaniſche Erbfolgefrage bald in Ausſicht ſtellte. 
wei Jabre nad dem Ryswicker Frieden kam der große Friede mit 
der Turkei an Stande, Schon vor der Schlacht bei Zentha ſetzten Eng- 
land amd HYolland ale Hebel in Bewegung um die Pforte Dem 
Krieden geneigt zu machen. Der vernidtende Scladhttag machte 
den Sultan und ſeinen neuen Vezier, gefügiger. Schon im 
ARanuar 1698 griff der Geſandte Englands, Nord Paget, im 


UN de RXdation Mi Vario Ruzzini im XXVILL. ie ter fontes 
un amt SI - ie Te Suupzwerf ii: Moctien's Actes memnoires 
ea weggwiatiyune die la paix de Kyswick (daag ICYO\ 2 ul. (INT Il 

a. Ye Da Ghülanp iS I, & 18 


XVI. Bud: Vom weitph. Frieden b. 3. ipan. Erbiolgefriege (1648— 1700). 687 


Divan durch, und obſchon Defterreich zu neuen Unternehmungen, 
namentlich gegen das türkiiche Bollwerk Temesvär, rüjtete, zeigte 
es ſich doch fchon im März zur Aufnahme von PBräliminarien geneigt. 
Aber die Forderungen der Türken erfchienen dem Kaiſer unannehm: 
bar, und jo begannen 1698 im Auguft, parallel den feit Juni weiter: 
geführten Friedensverhandlungen, neue Kriegsoperationen Eugen's 
von Savoyen an der untern Donau, während Tartarenhorden unter 
Selimgirai das Banat plündernd durchſchwärmten. Im Lctober 
kam es zur Anlage der neuen Feltung Arad, andererjeit3 wurde ein 
Angriff der Türken von Belgrad aus gegen Titel zurüdgemiejen. 

Schon war aber auch die Friedensarbeit der Diplomatie im Gange. 
Beſondere Schwierigfeiten ergaben fih aus den Forderungen der 
1697 neuverbündeten Alliirten des Kaifers, Polens, Rußlands 
und Venedigs. K. Auguft wurde endlich durch die Ausfichten auf 
einen Krieg mit Brandenburg » Preußen gefügiger; Czar Peter I., 
1697 Gaſt des Kaifers in Wien auf feiner abendländifchen Reife, 
erklärte fih auch endlich bereit, den Congreß zu beichiden. Am 
meisten ſchien Venedig dem Frieden ausweichen zu wollen, um nod 
einige Vortheile in Dalmatien herauszujchlagen. 


Dem Waffenftillftande vom 19. October 1698 folgte endlich ber Zufammen- 
tritt de3 europäifchen Congrefje zu Karlomic, einem Dorfe zwijchen Peter: 
wardein und Belgrad, wo die Diplomaten und ihr Gefolge unter Zelten hauſen 
und die Sigungen in einer Holzbarade abgehalten werben mußten. Den Kaijer 
vertraten ber Reichshofrathspräſes Wolig. Graf v. Dettingen und Leopold 
Graf Schlick zu Baſſano und Weisfirchen, Militär und nad) den Acten der rebege- 
wanbte Hauptiprecher im Congreſſe. Ihnen beigegeben waren Graf Marfigli 
als Botſchaftsrath und Grenzſcheidungscommiſſär, Potocollführer Til und Dol⸗ 
metſch Zalman. Für Polen führte der Palatin von Pofjen, Graf Stanislaus 
Malachowski das Wort, ein waderer Mann, für Rußland Procop Bogda- 
nowid-Wosnicin, ein ziemlich barjcher Halbbarbar; für Venedig endlich 
Carlo Ruzzini. Dem türfifhen Abgefandten, Reis-Efſendi Mohamed 
Rami, ftand ber vielerfahrene Pfortendolmetih Aler. Scarlatiade Mauro: 
cordato als Bevollmädhtigter zur Seite, ein Grieche, „voll Beritand, Genie, 
Geſchick, Trug, Beredtſamkeit und Eigennug”, wie Ruzzini ſchreibt. Die ver: 
mittelnden Weſtmächte England und Holland waren durch Lord William Baget 
und Grafen Jacob Eollier vertreten, jener ein bedeutender Kopf von reifem 
Urtheil, gemefjen mwortfarg und verſchloſſen, diejer, zu Conitantinopel als Sohn 
des bierortigen Botſchafters Hollands geboren, eine mehr offene, freundliche Per- 
fönlichfeit. Nach 36 Sikungen, in denen Schlid und Maurocordato das große 
Wort führten und Paget die Botjchafter der Pforte gefügiger zu machen be- 
fliffen war, fam den 26. Januar 1699 der Karlomwicer Friede zu Stande; 
und zwar ohne Venedig, das feinen Botjchafter mit diesfälligen Vollmachten 
nicht verjehen hatte. 

Die 20 Artikel des Faiferlich-türkifchen Friedens auf 25 Jahre enthalten (I—5) 
zunächſt die Regelung der Gebiets- und Grenzfrage: das Befigrecht 


688 XVI. Bud: Rom weitph. Frieden b.3 .ſpan. Erbfolgekriege (1648 - 1700) 


des Kaiſers auf Siebenbürgen und die Bäcska, d. i. das Land zwiſchen Theiß 
und Donau, und andererſeits die Zuerkennung Temesvärs mit ſeinen Gebieten 
an bie Pforte; alfo die türkiſche Herrſchaft über das ſog. Banat. Doch ſolle 
der Sultan die Befeftigungen von Karanfebes, Lugos, Lippa, Gjanad, Kl. Ka⸗— 
niſcha, Becse, Becskerek, Z3ablya u. a. D. innerhalb dieſes Gebietes fchleifen und 
beiden Iheilen die Benutzung ber Flüſſe Maroſch und Theiß frei jtehen. Die&renz- 
linie zwiſchen derfaijerliden und der Türkenherrſchaft wirb durch 
die Buntte Titel, Morovie, fodann durch den Boijutfluß und die Save biß zur 
Mündung der Unna, ferner durch Koftainica, zu Gunjten des Kaifers, durch 
Novi, Dubicza, Zajfenowac, Toboi und Brod auf bosniſcher Seite zu Gunſten 
des Sultans bezeichnet. Der 9. Artifel verbietet Die Förderung bes Aufruhrs oder 
bie ſchützende Aufnahme von Malcontenten; der 14. jtellt Die Regelung der beiber: 
feitigen Handelsfreiheit in Ausficht. 

(Fin befonderes Abkommen betraf Tököly, den hart geprüften Inſur⸗ 
gentenführer., Tie Pforte Hatte durch den Congreß feine Zukunft günftiger ge: 
falten wollen, Oeſterreich hinwieder die Auslieferung des ruheloſen Aufruhr: 
ftifter8 verlangt; endlich einigte man fich über bie Internirung Tököly's durch 
die Pforte in Kleinafien, fern dem Heimathlande. Dahin gab ihm feine Sattin 
Helene das Geleite. Um auf das zögernde Venedig einen Drud zu üben, 
wurde am 10. Januar ein Frieden-Vertrag der Nepublif octroyirt, mit einer 
peremptorijchen Anerkennungsfriſt von 15 Tagen.“) 


Bekanntlich) unterzeichnete man am 26. Januar den Karlowicer 
Frieden, zur Stunde, welche der Neis-Effendi nach türkiſchem Brauche 
als durch die Gonftellation der Geftirne äußerſt günftig bezeichnet hatte. 
Wer aber fi) ſonſt auf die Sprache des Sternenhimmels veritehen zu kön⸗ 
nen glaubte, mochte wieder an nahe, böſe Kriegszeiten gemahnt werden, und 
es bedurfte feines Aftrologen, jondern vor Allem eines geübten Auges 
für die Zeitläufte und die politiihe Sachlage, um die Gefahren 
eineg neuen großen europäiſchen Kriegsbrandes zu 
ahnen. Defterreich hatte feine Machtitellung im Often neu geichaffen, 
auch an Anjehen im deutſchen Lande gemonnen, es hielt jeinen 
Anſpruch auf die ſpaniſch-habsburgiſche Erbſchaft 
feſt; dies Erſtarken des alten Nebenbuhlers und dieſe Ausſichten zu 
lähmen und zu kreuzen, war die Aufgabe Frankreichs; es ſammelt 
ſeit dem Ryswicker Frieden feine Kräfte zu deren Löſung -— und 
das neue Jahrhundert befcheerte bald einen Weltkrieg, eine neue 
Macht-, ja Lebensprobe Delterreiche. 

*) Vgl. die ausführliche Darjtelung Carlo Ruz zini's „über die Botſchaft 
am Wiener Hofe und den Gongrek von Karlowik” 1699 in den Relat. d. Botſch. 
Venedigs, 5. v. Fiedler, III. ®b., (XXVII. 2b. d. Fontes. rer. austr. 2. 9.) 
©. 343 ff., insbeſ. S. 366—378; u. Angeli (Feldzüge des Prinzen Eugen 
v. Eavoyen... a. a. O., III ®b.), ©. 293—321; wo ji dag Original 


bes Friedensinjtrumentes abgebr. findet. Ygl. auch Koch, Hist. abregie de 
traitös de paix. 14. 3b. 








Drud von G. H. Schulze in Gräfenkainicden.