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Full text of "Handbuch der Geschichte der Philosophie zum Gebrauche seiner Vorlesungen"

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Dr. Thaddä Anselm Rixners 

Handbuch 

der 

Geschichte der Philosophie, 



S a p p 1 e m e n tV -^ 






Dr. Victor P h i l^i p p G u m p o 8 e h. 



Sttlzbacb^ 

Druck «nd Verlag der J. E. v. Seidel sehen Bnchhandlang. 

18 5 0. 



Geschichte der Philosophie. 



Supplement 



sn 



Dr. Rixners 

Handbuch der .Geschichte der PhtIo80|»^hie 



von 



Dr. Victor Philipp Gumposclk 



1 



Snlzbach), 

Brook und Verlag der J. E« r, Seldels^hen fiaehbaftdlung« 

1 8 5 0^ 



166244 

AUG 1 '912 

BA 

•1^5^ V o r wo r.' t. 



A- 



mJ%€ Verlagtbacliluia^luBg lie||;te 4tn W«Mcb, die tweite Auflage 
.von Risnert Handbuch der Geicbichte der Philosophie dem gegen- 
vrärtigea Standpunkte der Wittentcbaft nfiher ga bringen und den 
Besitaem wie Kfinfem angenehmer nnd braacbbarer so machen. 
Diea tollte durch einen Supplementband von einigen Bogen ge- 
•chehen, Ec war also n5thig, für diejenigen, welche die groften 
und neuesten Werke Aber Geschichte der Philosophie nicht besitsen, 
oder nicht Mufse haben, die Ergebnisse neuerer Forschungen auf- 
zusuchen, thails die Lehren und Schriften solcher, welche erst 
nach 1819 Bedeuttang erlangt haben, in mSglichster Kurze anzu- 
deuten, theils mit den neueren Forschungen und Schriften über 
-die von Rixner aufgeführten Gestalten bekannt zu machen, theils 
endlich, wo et nothig schien, neue und bessere Gesichtspunkte zu 
.eröffnen. Um indessen dieses Buch auch fttr solche nutzlich zu 
machen, welche es allein lesen, oder als Supplement nicht, blos 
zu Rixner, sondern auch zu andern filtern, oder einseitig - neuen, 
JJeinercn oder grfifseren einschlagigen Werken gebrauchen wollen, 
bin ich mehr positiv, als.negatiT verfahren, das heSfst^ ich habe 
Rixner nicht Zeile für Zeile vorgenommen, wie einer, der eine Auf- 
gabe corrigirt, sondern die neuesten Ergebnitso «nd Forschungen 
tjrstematiscb zusammeiigeslellt, Dafs diese Arbeit auch insofern die- 
nen kann, wird ein Blick auf die Abschnitte Aber antike Aesthetik, 
arabische, mittelalterliche, jüdische, neu - deutsche Religioosphilo- 
tophie etc, zeigen. In Ansehung Schellings, dessen neue Lehre, nach* 
dem sie einmal vor dat Publikum gezogen ist, nicht fibergangen 
werden durfte, habe ich Bruchstäcke aus den Vorlesungen gegeben, 
welche ich hier bei ihm geh&rt. 

Bei Durchsicht der Aushängebogen habe ich einige stehen ge- 
bliebene Druckfehler entdeckt, welche ich, wie die mir etwa entgan- 
genen, zu verbessern bitte, Seite t Zeile 3 von unten ist st^tt ipiXo-Oo- 
fHov zu lesen pUo^ofHtv ; S* i Z,. 1 v, u. ist nach Kategorien ein 
Komma einzuschalten; S. 45 Z. 10 v, o. st. geshhiossen zu lesen ge- 
schlossen; S. 51 Z, 16 V. o. st, zeigen zeigt; 8, <(1 Z. 5 v. o. st. 
hjrpthet, hypothetischen; S. 138 Z,.§ v, u. st. der die; S. l45 
Z. i1 V. u. St. vom dem; S. 157 Z, 3 v, o* ^. christlichen griechi- 
sxhen; S. 161 Z. 1 v. u. st. habere haberet; S. 170 Z. 9 v. o. 
st. Sevre^og devregog^ S. 118 fi, il v. o. st. genommen genommne; 
S. %ii Z. 3 V. o. ist nach Recht hat ausgefdlcn. 



— VI — 

Da sich der Druck io die Lflnge cog^ ist unterdetten manches 
BaniarkeiiBwerthet ertchieaen : K. Fr. Hermann, Geianimelte AbhandU 
Göct. 1849; Wolff, Die pliilon. PMloMphi^ Leip«. 1840; Egger, iGs- 
aai tnr Phittoire de la critique che« lee Grect, Par* t849; A« Dan« 
nat, Etudei tnr le mytticiime. Platin, ib. 1848; Huet p. Bartholmefe, 
ib, 1850; Yendidad Sade b. t, Brockhausi Leipa« 1850 etc. Auch 
der S. 110% erwähnte Brief Roscelint ist erschienen, Folgende Stelle 
fafst den Streitpunkt «wischen Abälard und Kosoelin; Soli.enim tri- 
nitati ideo dei singnlaris numerus rellctns es^ iit in ea et intra ean 
omnimodam aequalitatem sigaificet; hominibus Terd ideo pluraliter 
datur, ut non idem meritum ncc ejusdem dignitatis esse monstretnr, 
«t j^^ego dixi dii ettis,^^ et „audi Israel dominus deus tuns deus unus 
eat.^^ Itaqne cum de divinae substantiae unitate discrepare yideamur, 
tn quldem de ingeaioU tui tenut conatu praesumendo solitudinem et 
singularitatis adscribens, ego autem divinarum scriptnranim sententiia 
armatus similitudinis et aequaUtatis unitatem defendens etc. 

Bndlieh habe ich noch au der S, Q13 ang«£&hrten nnd seit Reim* 
mann oft besprochenen Stelle des Radevicus zu bemerken, dafs, nach 
einer ungedruckten, in den» Handschr« d. Münchner St, Bibl. (Cod, 
bav, 3, 4to p, 93 a; Cod,bav, i, 4to p, <M a; Cod. bav. % fol, 10 b) 
betndlicben Stelle der Chronik Ottos (I, 8), dieser spSter wahrscheia* 
lieh aus Frankreich eine Uebersetaung der genannten aristetel. BQcher 
herbeigeschaSI« ' Wir lesen c. B. in den Msor, , wobei ich die Schreib* 
fehler einklammere i De siHogismis aotem omnino nihil habuimus prins 
aliud dicere, qnam attritionem (anvitionem} quaerentea multum tem- 
pus laboramns, Si aotem videtur consideraatibus Tobis (nobis), yelud 
ea bis quae' a prtncipio etsent habere ars sulicienter supra alia ne- 
gotia quae ea traditioae adaneta sunt; yeliquum erit omnium vestrum 
(▼hrorum), vel ear«m qui audierint, opus, oinissis quidem artis indul* 
tionemi inventis autem multas habere grates (VgU 17$^ ^ Cop^r, e^Uy- 
Xtw c. 34), Es ist dieselbe schlechte WOrtübertraguog, über welche 
Johann v. Sal, (Jourdain, Kecherch ed, IL p, <153) klagt, und die 
nach Münchner Handschr, des i4< Jahrb. (Cod* Ut, i4598 4to p. 139; 
Cod. lat, 4603 4to p. 70 b etc.) und nach den Drucken des 15, Jahrh^ 
( Ang, V, 1479 fol, \ Yenet. 1490 fol) das gan^e Mittelalter herrschend 
blieb. 

Müu^k^th im Mai laa«. 



— . iVII — 



Inhalt. 

I. Die Gescblcbtscllreiber bei den Alten' S. i; Oetcbkbttcbreibiiag 
im Mittelalter 3} lo derNeiixeit4; Der Streit Ober Methode «nd 
Objeet 5. 

n. Die Perioden ; Eintbelltingsgründe !•• 

m, Indisobe Pbilosophie; Zweige, Quellen, Stifter, Aher, Bearbeiter, 
Aiifeinanderfolge 3| Cbarakter i4) Znsammenbang i^; Vedant« 
16; Sankbya 10; Yoga ^l; Buddbiim %i) Literatur m» 

IV, Cfaineien, Peraer etc. .Perioden der ohineutohen Pbilotopble 93; 
Literatur tl6. 

V. Quellen der griediitch« Pbiloaopbie M ; Perioden 35; I4tBratnr85. 
yi, Charakter der eri|rn Periode 36; Tbalee 30; Anaximander 40; 

Herakleit 40; Empedoklee 4l; Aoaxagorat 49;.Diogepet 4<e; Leu- 
kipp und Demokrk 44; Pjrthagoras 46; Xenophanee 49; Patme- 
* nidet 49; 2£enon 50; Sophittik 51. 

TU, Y^baltniia der «weiten Periode 54; Sokrates 54; UnvoUkem- 
vene Sokratiker 59; Piaton 60; Aeltere Akademie 66; SpStere 
Akademiker; Ariatoteles 67; Peripatetiker 11. 

YIIL Antike Aegthctik« ICunstbef^ 73; Schdnbeittbegriff 74; Be- 
griff dea Erhabnen 75; Aecidentaler Charakter der Kunst 77; 
Stellung des Aristoteles 79; Literatur 90. 

IX. Charakter und VerhSltoifii der dritten Periode 80; Stoiker 0«; 
Literatur 00, 

X« Sprachphilosophie« Empedoklee 100; Demokrit 100; Prodlkos 100; 
Platon 101; Aristoteles 101; E|0kur 1Q<I; Stoiker 103; Sextut 
106; Dialektiker 106; Zenodot und Aristarch 106, 

XI, Romisehe Philosophie, Binderoisse, Fordernisse und Charakter 
107; Cic^Q 100; Agrippa) Cori^utus, Seneca etc. HO, 

XII, Jüdische Philosophie. Charakter 111; Literaturperioden 119; 
Philos. Gruppen 116; Kabbala 117; Aristobul ill; Philo ill; 
Saadja ii4; Hallevi 134; Aben Esra 135; Ihn Gabirol 135; Be- 
chai 136; Maimonides 136; Sehem Tov 139; Kalonymos 139; 
Penenl 130; Ihn Caspi l40; Levi ben Gereon l40; Moses von 
Narbonne l4o; K^raiten i40; Ahron i4l; AIboi45; Bibagoi45; 
Joseph b, Sehern -Tov 145 ; Elias l45; Abrabanel l46; Leonl46; 
Spinoaa etc. ,l46; Bedeutung l47; Fortschritt i47; Literatur >40. 

XIIL Die internationale griechische Philosophie i40; ApoHonios 151} 
Epiktet 151; Plutarch 152; Galem 159; Sextus 153; Plotin 154. 



XIV. Erste Periode der chrittl. Phttotophie, Boden und Probleme 
157; VerhSltnirt lOO; Charakter 163; Gaoftiker 164; Alexandri- 
nische Schule 166; Gewinn 17); Literatur 173. 

XV. Zweite Periode. Charakter 174; Abendland 175; Morgenland 
176; Nemetios 177; Aeneat 177; Zachariaa 177; Philopon 177; 
Johannes V. D. 178; Dionysius Ar. i7t; Maximus I7i^; Litern- 
tur 17». 

XVL Arabische Philosophie, Secten 180; MotekaUemin 181; MoU- 

salen 182; Ashariten 181;. Einftufs Griechenlands 183; Schau* 

, pUtse und Richtungen 184; Farabi 184; Ibn Sina 186; AI Ga- 

sali 188; Ibn Badscha lOi; Ibn Roscfad 181; Verfall 187; Werth 

188; Literatur 188. 

XVII. Christi Philosophie t. 908 — i408. VerhSknifs und Klassen 
101 ; Der logische Kampf 101; Bedeutung desselben 104; Perio- 
den 107; Gerbert 107; Berengar 107; Anselm 108; Abälard 10#} 
€MU>ert lll; Otto t. Freising lil; Hi|go v. St V. 115; WH- 
beim ir. H. 117; Ein Ungenannter 134; Adelard 136; Bernhard 
136; Albert 137; Thomas 138; Scotus 140; Baco l4l| Raimund 
l4l ; Werth 143 ; Literatur 144. 

XVni. Die nationale Philosophie der Fransosen; Charakter 147; Pe- 
rioden 148; Das 15; u. 16. Jahrh. l48; Das 17. Jahrb. 148; Das 
18. Jahrh. 150; Neueste Richtungen 151; Fortschritt <161; lulie-^ 
ner 163; Richtungen und Charakter der engl. Philosophie 166; 
Niederlfinderi Nordamerikaneri Danen, Schwedeui Polen, Russen, 
Ungarn, B5hmen, Spanier 170'. 

XIX. Richtungen der deutschen Philosophie seit l400 S. 176; Ge* 
meintanier Charakter 183 ; Schulen der Neuzeit 186 ; Metaphy- 
sik, Herbart, Schleiermacher, Krause etc. 188; Geschichtsphilo- 
sophie 307; Sprachphilosophie 311; Aesthetik 315; Rechtsphilo- 
sophie 310; Ethik, Fichte, Schleiermacher, Herbart etc. 318; An- 
thropologie, Herbart, Beneke etc. 331; Religionsphilosophie 343; 
Schleiermacher und Fichte 344; Hegel, Straufs, Bauer, Feuer- 
bach 347; Schelling 357, 



Zur Geschichte der Geschichte der Phihsaphie. 

w on den vielen Arbeiten des Alterthums über Geschichte 
der Philosophie ist uiis ein kleiner m^d nicht der beste 
Theil erhalten worden. 

Wir besitzen die unhritische lo'fOQta n^qi ßmv dof» 
fMUTiap uai cmoq>d'By[Aa%mv rnv €V q>ikoaoq>icc evdönifi9]aap^ 
V4SHV von Diogenes von Laerte, welcher im 3* Jahrhunderte 
n« Chr. gelebt (Ed. Ffuebner, Lips, i8a8 seq. Klippel de 
Diog. L« Tita etc. Nordh, i83i. 40 9 ferner die für die Ge- 
schichte der neuern griechischen Philosophie wichtigen ßioi 
oo^iOTioy (ed. Kayeer, Heidelb. i838) yon Philostratos dem 
Aeltem, aus Lemnos (tgS — 344) und ßioi ijpiXoao4pmp mu 
ooq)iOTWV Yon Eunapios aus Sardes (El. y. Boissonade, Amst« 
1823), welcher bis in den Anfang des 5. Jahrhunderts lebte 
und an Cousin einen Kritiker gefunden hat £Eunape, Fiuris 
1827. 4.)- 

Von andern Schriften sind die Verfiisser ungewifs, so 
von einer dem Plutarch zugeschriebenen n^i^t' %f»v a|^«oxof^ 
%4ap Tois q)iXoaoq)OiS ^cmmv iey/iatm^ (ed. Beck, Lip«. 
1787), yon einer damit gröfsten Theils übereinstimmenden 
des Pseudo - Galenos neQi q)iXoaoq)8 iavo^ice^ und den Theo« 
logumenen des Pseudo- Origenes. 

So kommt es, dafe wir uns die alterthümliche Geschichte 
der Philosophie erst zusammensuchen müssen aus den Schrif- 
ten des Aristoteles, Piaton, Cicero, des Plutarch (besondere 
seinen über stoische und epikuräiscfae Philosophie Aufschlufs 
gebenden ethischen Abhandlungen, da seine einschlägigen 
Schriften n^Qi %m^ ngtatfor q>tXoao(pi]oarTmv, 7E€Qi KvQfj" 
V€umr^ exXopj q>iXo^Oif<aPy OTQwjua'ceijß lü%oQino$ rerloren 
sind), ferner des Sextus Empirikus, des Simplicius (dessen 
Commentare zu den Kategorien den Büchern über den Hirn* 
Oumposcbi Df. V. F.« Gescbi«htt d. rbilofophie^ 1 



— 2 — 

mel und der Physik des Aristoleles sich zum Theil auf die 
yerlornen Schriften des Porphyrius stützen und reiche Aus- 
beute gewähren), des Galenos (Vergleichung hippokrati- 
scher und platonischer Lehren), des Athenäus, welcher um 
220 n« Chr. seine SemvoooipiGTai schrieb (ed. Schaefer, Lips. 
1796 sq. III.; Dindorf, ib. 1827), des Geliius, des Joh. Sto- 
bäus, welcher gegen das Ende des 5. Jahrhunderts lebte 
(Eciogarum phys. et ethicar« lib. II, ed. Heeren, Gott. 1792; 
Florilegium ed. Gaisford, Lips« i823; Halm, Lectiones Sto^ 
benses, Heidelb. i840, des Suidas (Lexicon ed. Bernhardy, 
Hai. 1834)5 des Photius (Lexicon ed. Bekker, Berol. 1824), 
der Eudocia (/wv^i» ed. Villoison Venet. 1781), des Hesy- 
chius (De yitfs dogmatibus et apophthegmatibus illustrium 
phiiosophorum opuscula duo, ed. Orelli, Lips. 1820), der 
Kirchenväter Clemens von Alexandria (orpco^taT «/<:), des Ori- 
genes (contra Celsum), des Eusebius (praeparatio Evange- 
lica), des Augustinus, des Apulejus, Makrobius, Proklus, 
Syrianus, Damascius etc. etc. 

Aber nach dem Erhaltenen dürfen wir den Stand detf 
Geschichtschreibung bei den Alten durchaus nicht bemessen. 
Schon von Aristoteles wird berichtet, dafs er in eigenen 
Schriften über die Pythagorische Philosophie, über Archytas, 
Ahkmäon, die Eleaten Gorgias, die platonischen Ideen etc. 
gehandelt (Diog. L. V. 22. 25.). Und wenn wir auch an- 
nehmen können, dafs seine Schriften über Piaton und die 
Akademiker mehr unter dem von ihm selbst angegebenen 
Gesichtspunkte der Bewährung und Kritik geschrieben wor- 
den (Melaph. I, 3. De coelo I. 10.), so hat doch gewifs bei 
Besprechung der altern Erscheinungen das historische Inter- 
esse vorgeschlagen. 

Die Peripatetiker träte« in die Fufsstapfen ihres Leh- 
rers. Diogenes (L. V. 4» — 49.) fiShrt von Theophrast drei 
Bucher nsQi ßi(fiV^ eins neQi Tiav üOfptaVt ein Buch über 
"die Lehren des Anaxagoras, eines über die des Anaximenes, 
eines über Empedokles etc. auf.^ Seine Btk^er tibqi (pvat^ 
ü(ov benutzte noch Simplicius im Commtntare zur arJstotel. 
Physik. Die Aristoteliker Aristoxenus und Klearchus vcrji- 
fafaten Bücher negi ßmv (Schaefer thesaurns crit. nov* vol. F. 
cont. Mahne diatribe de Aristoxeno ctc* Lips. 1802; Ver- 



— 3 — 

raert dialribe de Clearcho Solensi, Gandavi 1838), der Ali* 
«toteliUcr Phaniag eine Schrift ntQi fo)P SmxQanxmPj der 
Peripatedker Eudemua eine gerühmte Geschichte 'der AsU^i- 
logie (Diog« li« I« 230 etc. Auch von den Platonikem wird 
Aehnh'ches erzählt, so von Speusippos, Xenokrates, Klito- 
maehus etc. Defsgleichen verfaTsten historisch - polenüsche 
Schriften mehrere Epikuräer, wie Phädrus (Fragm. ed. Pe- 
tersen, Hamb. i834; Krische, Forschungen, Gott. 1840), die 
Stoiker Sphärus, Chrysippus CncQi v(ap agyaimv (pvaioXo^ 
y^v% Panätius (Diog. L« II. 64« UU 37.)) Apollodorus Ephii- 
lus. Den Reigen beschliefsen bekanntlich die Neuplatoaiker, 
wie Porphyrius C(piXoaoq)OS iQ'COQia). 

Neben den Philosophen von Schul - Färbung bemäch- 
tigte sich auch, die antike Philologie zu Alexandria, Rho- 
dus etc. des Gegenstandes. Man vermuthet, dafs eine me- 
trisch abgefafste Chronik des ApoUodorus (um i4o v. Chr.), 
die sich wieder an Eratosthenes anlehnte, die Zeitbestim- 
mungen für Diogenes Laertius gegeben habe. Eratosthenes 
schrieb usQi tcop xara (piXoöO(piav aiQeaetar^ Sotion nsQi 
(ftaSoyo)V Tcor (pilooo(fO)V, Sosikrates und Alexander Poly- 
histor unternahmen Schilderungen der Schulen (^9ia9o)[wv)y 
Kailimachus entwarf Schriftsteller -Taf ein und ordnete die 
Schriften des Demokrit; Aristophanes stellte die Platoni- 
schen Dialoge in Trilogien zusammen; Andronikus suchte 
die aristotelischen Schriften zu ordnen und zu sichten etc« 
(Brandis I..23 f.). 

Im Mittelalter konnte von einer Geschichte der Philo- 
sophie nicht die Rede seyn* Alles lief auf einzelne meist 
•falsch gefafste Namen und Notizen hinaus, welche von den 
Kirchenvätern, von den römischen und von den griechischen 
philosophischen Schriftstellern zugeführt wurden. Die Mifs- 
. Verständnisse Aiberts des Grofsen sind z. B» bekannt. Nur 
die Araber hab^n ihren El Kofti (566 — 646 Heg. S. Flü- 
gels Angaben bei Fl^jsdii^r not. ad Abulfed. hiat. aiileislam* 
p. i54. 353O1 pbne dafs wir, nach den Notizen des Muh. 
al Scharastani in^^er Schrift über Religions- und philos. 
Secten (Lopd. 1843 seqO ^^ schljefsen, bei ihnen^ ßedeü^ 
tendes zu erwarten hätten. 



— 4 — ^ ' 

Mit dem Enrachen der philologitchen Studien linderte 
§ich die Sache, und es zeigen sich nun drei Pactoren der 
Geschichtschreibung, welche denen des Alterlhums sehr ahi|p 
lieh sind, obgleich sie nicht in derselben Ordnung auftre- 
ten* Der erste den alexandrinischen Bemühungen entspre- 
chende ist der philologische. Hier ist an \s. Vofs (De phi- 
losophia et philosophorum sectis), an Jonsius (De scriptori- 
bus historiae philosophicae, Prancof. i658. 4O9 ^^ die Arbei- 
ten von Lfpsius, Gassendi, Wyttenbach, yan Heusde.bis auf 
die Schleiermachers, Böckhs, Brandis etc. , an die Ausgaben 
des Hesychius ron Joh. Meursius 161 5, des Eunapius ran 
Schott 1616, des Diogenes L. von Meibom 1698 bis auf die 
neuesten des Piaton, Aristoteles etc. zu erinnern. Man kann 
in diesen Leistungen drei Richtungen unterscheiden : eine 
mehr literarisch -indifferente, wie bei Vofs, Jonsius etc.; eine 
passiy-aneigncinde, wie bei Lipsius, Gassendi, Wyttenbach 
etc.; eine freikritische, wie bei Schleiermacher, welcher auf 
diesem Gebiete eine neue Epoche begründete, weil er nicht 
blofs Philolog, sondern auch Philosoph war. Er ist Ver- 
bindungsglied zum zweiten Factor, dem philosophischen. 
Dieser machte sich zuerst geltend bei Jak. Thomasius (Ori- 
gines historiae philosophicae et ecclesiasticae, Hai. 1699) ^^^ 
Brucker, ,Tiedemann, Tennemann mit Wendt, H. Ritter (Ge- 
sch. der Philosophie 1829. 2« A. Hamb. i834) etc. Die 
Richtungen spalten sich hier in eine eklektische (J. Thoma- 
sius), eine subjective der Schule, indem Brucker der leib- 
nitzisch- wölfischen, Tennemann der kantischen Schule, He« 
gel (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie 1 833) 
seinem eigenen Standpunkte entspricht, und endlich in eine 
objectir - geschichtliche (Ritter). Diese Bemühungen ent- 
sprechen den philosophischen aus der Schule Piatons und 
des Aristoteles. Und wie damals die Geschichtschreibung 
in dem Mafse Gunst gewann, als die Productions -Kraft ab-' 
nahm und widerstreitende Schulen die Herrschaft Einer 
Schule abstumpften, so scheint es auch jetzt der Fall zu 
seyn. Nur dafs jetzt bei der steigenden Lebentkraft der 
deutschen Nation, welche diese Wissenschaft jetzt eigent* 
lieh allein rertritt, da die Schule Cousins an Uebersetzung 
deutscher Arbeiten sich gröfser gezogen und gröfser zu 



— » — 

Kiehen ImI, die Vollkomiiienheit des Facbes »leigt, was bei 
Griechen und Rdmem nicht der Fall seyu konnte; D» 
dritte^ dem neuplatoniscben Standpunkt entsprechende Fao4 
tor war der theologische. Ihn hat mit deiA philosophische« 
Bracher rermittett« Durch Phantasie rermittelter religiöseit 
SynkreUsmus ist sein Gepräge, Vorurtheil sein Anfang, Di-« 
lettantism sein Ausgang. Ich erinnere hier an Fr. Schlegel 
und Windischmann. l 

Alle Geschichtschreiber der Gegenwart hier anzufüh- 
ren, ist überflüssig^ da sie am gehörigen Orte angeführt 
werden sollen. Der Fortschritt ron zufälliger Ausföhrung 
zu systematischer Fülle, vom blöfsen Sammeln zur Kritik^ 
von der blofsen Erzählung zum Begriflf ist unverkennbar« 
Davon zeugt auch der Kampf, welcher sich über Methodo 
in neuester Zeit entsponnen, und die Uneinigkeit über daa 
Object der Geschichte der Philosophie* f 

Nachdem Vieles fär Sammlung und Sichtung geschehen 
war, stieg auch der Begriff der Methode und Geschieht« - 
'der Philosophie. Man forderte ron ihr den Nachweis de» 
Ursachen, des Auseinanderhervorgehens, der Regelmäfsig4 
keit und UnregelmäAigkeit des Wachsthumes, der Verände*- 
rung, kurz des organischen Werdens, der Stufen oder Me«* 
tamorphosen des philosophischen Denkens. Man sprach be^ 
sonders seit Hegel (Encyclopädie der philosophischen Wis« 
senschaften $. 548 f. Einleit. zu den Vorlesungen über di« 
Geschichte der Philosophie) von der Construction der Gt* 
schichte. Einige, wie Ritter, Brandts, sind scheinbar gegea 
die Construction 5 Andere, wie Zeller in der Philosophie 
der Griechen, für die Construction. Oer letztere suchte die 
drei Haupt -Einwürfe gegen das constructive Verfahren zu 
entkräften« Was zuvörderst die angebliche Unvereinbarkeit 
aller begrifflichen Geschichtsbehandlung mit der mensch- 
lichen Freiheit betrifil, bemerkt er, so kann an die allge^ 
meine Ueberzeügung von dem Walten einer göttlichen Vor- 
sehung in der Geschichte erinnert werden, die doch wohl 
auch das enthält, dafs der Gang derselben nicht zufallif^ 
sondern durch die göttlichen an und für sich nothwendigen 
Gedanken bestimmt sey. Findet man nun diese mit der 
Freiheit nicht unvereinbar, warum sollte dann das Aufsuchen 



— 6 -^ 

eben dieser Gedanken in der Geachichte die FreiheiC zersto» 
ren? Vielmehr zeigt eine schärfere Analyse des Begriffs der 
Freiheit, dafs auch diese keine regellose Willkür ist, son« 
dem an dem ursprünglichen Wesen des Geistes und sei* 
Her rernünftigen JNatur ihr angebornes Mafs hat, und ret> 
möge dieser ihrer innern Gesetzmäfsigkeit auch das ZufaU 
lige der einzelnen That im Grofsen des geschichtlichen Ver^ 
laufs durch die innere Hinfälligkeit und den wechselseitig 
gen Kampf dieser Zufälligkeiten sich zur Nothwendigkeit 
aufhebt. Auf einen zweiten Einwurf, dafs zur Construc-t 
timt ein yollständiger, .keiner weitem Ausbildung fähiger 
Begriff der Philosophie und der Menschheit, der Abschlufs^ 
die Ankunft am letzten Ziele nölhig sey, entgegnete Zeller, 
bei solchen Annahmen müsse man auf alles geschichtliche 
Verstehen der frühern Philosophie verzichten; denn auch 
die gelehrte (nicht construirende) Geschichtsforschung sey 
mit ihrer Aufgabe nie zu Ende« Und solle jedes System 
wegen seiner nothwendigen Beschränktheit und UuFollkom- 
menheit des rechten Standpunkts für das Begreifen der Ge- 
schieht^ entbehren, so werde er wohl denen noch weit mehr 
abgehen, die sich ohne System, d. h. ohne Philosophie, mit- 
hin überhaupt ohne wahre Einsicht in den Gegenstand an 
die Betrachtung philosophischer Systeme machen wollten. 
Endlich wufste Zeller auch eine Antwort auf den dritten 
Haupteinwurf, dafs es die Geschichte mit dem Thatsäch^ 
liehen zu thun habe, also begriffliche Ableitung des Ge-^ 
schichtlichen nicht Aufgabe der* Geschichtschreibung sey. 
ist das nicht auch Thatsache, fragte er^ dafs Vernunft und 
Gesetzmäfsigkeit im Gange der Geschichte waltet, dafs die 
eine Erscheinung zu der andern Jn diesem und diesem in- 
nern Verhältnisse steht, dafs die geschichtliche Entwicklung 
diesen und diesen Verlauf nehmen mufste? ist es nicht die 
allgemeinste und erfolgreichste, die zuverlässigste und offen- 
barste Thatsache? darf daher die Geschichte, wenn sie 
doch das Faktische treu wiedergeben will, dieses Faktum» 
ignoriren ? 

Man vergleiche über die Aufgabe der Geschichte der 
Philosophie und über deren Behandlung auch Zellers Auf- 
satz „die Geschichte der alten Philosophie in den letzt- 



rerflossenen ^iittf^ig Jahren'^ ia dea Jahrbüchern der Gegen- 
wart 1843 Juli £• 

Ich habe bemerkt, dafs Einige nur scheinbar gegen 
die Construction sind. „Eii^^ begriffliche Recoustruction 
der Geschichte, sagt Brandis (Fichte, Zeitschr. fiir Philos. 
1844. S. 1240) haben wir nicht angefochten, sondern eine 
a priorische Construction derselben und zwar zunächst eine 
Construction, worin alle ihre Theorieen und Lehrgebäude 
als vereinzelte Momente des Hegeischen Systems nachge- 
wiesen werden sollten. Mufs der ohne System seyn, der 
das sein ige wie irgend ein anderes für unzureichend hält, 
lediglich vom Mittelpunkt desselben aus, und als nothwen- 
dige Vorstufen oder Momente desselben die gesammten For- 
men der Philosophie zu begreifen? Der Punkt, warum 
sich's eigentlich handelt, ist der, ob das System des Be- 
arbeiters der Geschichte ihr zum Mafs und zur Richtschnur 
dienen, oder sich ihr unterordnen soll, um aus ihr stets 
von Neuem sich zu vertiefen, zu erweitern, zu berichtigen,? 
Ich bin der letztern Ueberzeugung und meine, zur Ejrrei- 
chung dieses Zweckes diene uns eine sorgfältig und gewis- 
senhaft geübte historische Kritik, die von der Geschichte 
selbst geübt, ihr eigentliches Bewegungsprincip ist.". (Vergl. 
seine Geschichte der Gr. R. Philosophie I. §. 7.) 

Die Uneinigkeit über das Object der Geschichte der 
Philosophie rührt nicht von der Uneinigkeit über den Be-« 
grifi" der Philosophie her. 

Die Philosophie hat als Wissenschaft mit den übrigen 
Wissenschaften diefs gemein,^ dafs sie ein Ganzes* im Zu- 
sammenhange ergreift* Sie unterscheidet sich aber von den 
öbrigen Wissenschaften dadurch, dafs sie die Fesseln der 
Geschichte nicht so trägt« Der Rechtsgelehrte, welcher die 
römischen Gesetze über privatrechtliche Gegenstände sy«te» 
matisch sammelt, ordnet etc. schafft damit die Wissenschaft 
der Geschichte des römischen Privatrechtes. Geht er aber 
noch weiter und forscht er nicht blofs nach den nächsten 
Gründen seiner Wissenschaft, welche in der Thätigkeit der 
Gesetzgeber liegen, sondern nach den letzten Gründen, der 
Vernünftigkeit dieser Thätigkeit, nach den Beweggründen, 



welohe föf «Ue Zeiten Gesetzgeber reranlaasen k6mileii, ihor 
liehe Gesetze zu geben, so begibt er sich unf den Boden 
der Rechtsphilosophie. Die Philosophie ist also das wissen- 
schaftliche Ringen nach dem Ewigen, nach dem reinen 
Grund- Gedanken in allen geistigen Erscheinungen. So weit 
sind Alle einig, nicht so über die Folgerungen daraus. Wo 
abgebrochene Gedanken, die kein wissenschaftliches Ganzes 
bilden, oder Disciplinen ohne Erforschung der letzten Gründe 
erscheinen, oder wo der Mensch etwas in der Geschichte 
Auftretendes als Ewiges betrachtet, da kann, nach der An- 
sicht Vieler, von keiner Philosophie die Rede seyn. Das 
erste sey der Fall in den meisten Schriften oriicntalischer in 
die Geschichte der Philosophie gezogener Denker etc. Das 
zweite bei den meisten Religions • Philosophen, besonders 
des Mittelalters. Sie hätten kein Ewiges zu suchen, da sie 
das Ewige schon zu haben glaubten, vom Ziel zum Ziel 
liefen. 

Da nun die Geschichte der Philosophie es nur mit der 
Philosophie zu thun habe, so habe sie sich auch nur mit 
denjenigen Erscheinungen zu befassen, wo eine freie Erfor- 
schung der letzten Gründe das Treibende und Bewegende 
ist. Darum datirte schon Aristoteles die Philosophie nicht 
ron Hesiod oder andern Mythologen, sondern von Thaies. 
(Metaph. I. 3. Simpl. in Arist. Phys. f. 6. Diog. Laert. I. 
122.) Darnach schliefsen neuere Geschichtschreiber der Phi- 
losophie die griechischen, chinesischen, indischen, arabi- 
schen und christlichen Mischungen von Mythologie, Theor 
logie und Philosophie, welche eine positive Religion als letz- 
ten Grund voraussetzen, von der Geschichte der Philosophie 
aus. Indessen hat man andrer Seits . Denker in die Ge- 
schichte der Philosophie aufgenommen, welche Sp^oradisches 
gegeben, gleichsam die Samen weiterer ^tfaltungen, oder 
welche sich zu diesen Entfaltungen verhielten, wie welke 
Blätter und Bäume zum vergangenen Frühlinge, femer kos- 
mologische, psychologische, theologische, sittliche und recht- 
liche Meinungen Einzelner wie ganzer Völker angedeutet, 
endlich auch Abgerissenes und Versetztes. Es gibt auch in 
der Philosophie verschiedene Mittelpunkte. Die specielle 
Arbeit, die. Bearbeitung eines einzelnen Problems, kann einen 



-. 9 — 

Mittelpunkt fiir sick uii^ einen wissensckaftKdien Mittel- 
punkt haben, wenn dieser auch nicht der Centralpunkt ist, 
Yon wo die Linie des unirersalen Systematikers nach dem 
ganzen Umkreise der philosophischen Gebiete fuhren. Fer- 
ner ist der philosophische Gedanke oft durch den Zweck 
mit Zathaten versetzt, wie etwa in den Erinnerungen des 
Xenpphon, ohne dafs er aufhört, philosophisch zu sein« 
Drittens sieht man, dafs die Aufnahme mancher Elemente 
in sofern gestattet werden kann, als darin der Beweis liegt, 
dafs zu dieser oder jener Zeit keine Philosophie vorhanden, 
pder auch nur möglich gewesen ist. Man schien aber hie- 
zu auch in sofern berechtigt, als die Philosophie genau 
mit dem Leben, der Religion, der Sittlichkeit, der Sprache 
nnd Nationalität zusammenhängt, so dafs die Philosophie nie 
als ganz reine und gleichsam überirdische erscheint; als fer- 
ner, wie Ritter bemerkt (Gesch. d. Ph. V* ig.)» wir uns 
täglich philosophisch nicht gerechtfertigte Annahmen gestat- 
ten müssen und nicht Terbindem können, dafs sie gelegent« 
lieh auch einen Einflufs auf unsere Philosophie gewinnen« 
Zudem ist die strenge Forderung hauptsächlich aus der 
V Abneigung gegen die christliche und scholastische Philoso- 
phie henrorgegangen, welche man dadurch aus der Ge- 
schichte der Philosophie hinausschaflFen, als Nicht -Philosophie 
bezeichnen wollte. Aber man hat sich erstens nie ganz ge- 
traut, alle philosophischen Erscheinungen, welche den christ- 
lidien Charakter haben, auszuschliefsen, wie z. B« J. Böhme. 
Zweitens haben die Geinäfsigten im Christenthume zwischen 
Dogmatik, zwischen Lehren und zwischen dem Faktischen 
unterschieden, wonach eine philosophische freie Auffassung 
des Christenthums a posteriori, wie jedes andern Geschicht- 
lichgegebenen, d. h. eine Philosophie der Offenbarung mög- 
lich sei* 

Vergl. Ritter Gesch. d. Ph. I. S. S. ; R5th, Gesch. der Philoso« 

phie I.; Brandis Handb. der Gesch. der Griechisch -R5iiiisch. 

Phil. I. S. 9. mit Reinhold Gesch. der Phtlos. 3. Aufl. I. 

S. 11.; Zeller Philoi. der Griech. I. S. 11.$ Schwegle^» 

Gesch. Phil. S. 4. 



— 10 — 

H. 

Die Perioden der Geschichte der Philosophie. 

Maa hat verschiedene WahrnehiBungen zu Eintlieilung»- 
grunden benutzt, so das Bedürfuils eines Ruhepunkts in 
Janger Darstellung, die Verschiedenheit des Zeitalters, die 
Spaltungen in Schulen, die äufsere Geschichte, die Idee des 
Lebens etc. Darunter geben nun die ron Rixner $• 9* be«- 
nützten BegriflFe der äufsern Ge&ehiehte und des Lebens oder 
Organismus sehr zweideutige Eintheilungsgründe« Es ist 
möglich, dafs sehr verschiedene Systeme in eine politisch 
sehr gleiche Zeit fallen. Und der BegriflF des Organism ist 
unbrauchbar, weil wir nicht ^n der Grenze des Lebens, der 
Geschichte, stehen, und also Parallelen eben so unstatthaft 
sind, als es für uns unstatthaft wäre, Kindes -, Mannes-, Greii- 
senalter zu hxiren, falls noch Niemand gestorben. Besser 
geeignet zu Scheidüngslinien sind die Verschiedenheiten iu 
der Wahl der Objecte der Philosophie und den Ergebnissen 4 
Schon Aristoteles unterschied in der griechischen Philoso«' 
phie solche objective Merkmale (De part* animaU 1, 2.)« Man 
liann die Vorliebe für verschiedene Gegenstände, auf deren 
Erforschung sich ein Zeitalter wirft,' defsgleichen die Er*^ 
gebnisse, welche, als mangelhafte, neue Wege einzuschlagen 
ndthigen, als vollkommene eine gewisse Ruhe erzeugen, zu 
Eintheilungsgründen benützen. Aber zu Eintheilungsgrün-* 
den für das Ganze eignen sie sich nicht, weil in jeder gro« 
fsen Periode dieselben Neigungen und bedeutende Ergeb-^ 
nisse wiederkehren. Man hat z. B* gesagt, die alte Philo-^ 
Sophie beginne mit der Natur, die neuere seit Gartesius mit 
dem Geiste. Aber bei dieser Sprengung in zwei Hälftem 
scheint man übersehen zu haben, dafs der Dualismus zwi4 
sehen Natur und Geist sich in Indien und bei den Christ- 
lieh - Philosophirenden lange vor Cartesius geltend macht. 
Dasselbe ist mit der gerühmten Voraussetzungslosig^eit des 
Cartesius der Fall, welche unter den Christen nicht blofs 
bei Raymund von Sabunde, sondern noch weit früher ein- 
tritt. Die erkenntnifs- theoretisch -skeptische Richtung findet 
sich öfter und schärfer vor Cartesius. Die zwei Perioden 



^ 11 ^ 

liefen also ia einander. Die Ergebnisse, oder dtaren Ver* 
schiedenheit kann i>ei Vertbeilung ^grofser Massen gleiche 
faüs niclit genügen; denn in grofsen Massen ist nie ein^ 
solche Verschiedenheit dagewesen,* dafs Wahrheiten gana 
neu, oder Ergebnisse des Denkprocesses ganz falsch gewe<» 
sen wären. Schon Aristoteles (Phys. IV. i4* Metaph. Xlf. 8: 
De coeio 1. 3* Polit. VII. lo.) ist geneigt, in der Welt eintf 
Kreisbewegung zu sehen, wonach Altes wiederkehre. Ale- 
zander von Aphrod. nennt die allgemeine menschliche N«n 
tur « ic$vo^ nä* uoToyov % (dfj&sg* Hippokrates, oder wer 
Verfasser der Schrift de natur« hominis sein mi^ (ed. Foes« 
Francof. 1620 fol. p. 224.) sagt: ry avTcy yvtafiy nc^^e^ 
ngoaxgeoptm, Xeysai d^s na avva. Bekannt ist der Aus«) 
Spruch des Baco v« Ver., man habe die ron einander ab« 
weichenden Philosophieen als eben so viele verschiedene 
Auslegungen desselben Buches derselben Natur* und Ver- 
nunft- Offenbarung zu betrachten, wovon stellenweise bald 
diese, bald jene richtiger sey. Leibnitz verdeutlichte sieb 
den Fortschritt dui^h die Spirallinie. Er bemerkt (Guh-r 
rauer I. 272.)) der gröfste Theil der Secten habe in dei» 
Behauptungen guten Theils^ Recht; nicht so in dem, was sie 
Iftugneten. „Wenn ich Mufse hätte, fahrt er fort, so würd^ 
ich meine Dogmen mft denen der Alten und Anderen ver« 
gleidien. Die Wahrheit ist verbreiteter, als man glaubt. 
Indem man diese Spuren der Wahrheit bei den Vorgängen^ 
bemerkbar machte, hatte man in der That: perennis quae- 
dam philosophia.^^ Damit ist die Stelle von Hegel, „dafs 
das Absolute, wie seine Erscheinung, die Vernunft, ewig 
ein und dasselbe seyen etc.^^ zu vergleichen. Unterschiede 
liegen also nicht so fast in den Objecten und Ergebnissen, 
wenn man grofse Massen zu scheiden hat, als in dem Par- 
tiellen menschlicher Anschauung in der gröfsem oder ge- 
ringem Entwicklung, in der mehr oder minder ausgeprägten 
Sprache, in der neuen Seite, welche sich nach dem ver« 
schiedenen aber wiederkehrenden Standpunkte geltend ma-. 
chen. Die Bewegung, das Ergebnifs, der Weg bleiben sich 
im Größeren gleich. 

Aufserdem suchte mm. Eintheilungsgründe von der Ver- 
schiedenheit der geistigen Voraussetzungen, der phtlosophi-. 



\ 



- 1» - 

•efcen Si^le und der Beligioti zu gewinnen. . Dftrnieti siSnd« 
iie eine Hälfte der Philosophie unter dem Einflüsse der 
Mythologie, die andere unter dem Einflüsse des Christen-^ 
thnms, die ei»e Hälfte uhter dem Einflüsse der SelbstgestaU 
long, die andere unter dem Einflüsse der philosophisoheri 
Ueberiiefefvng. Man hat daraus, dafs der griechische Den« 
her nicht eine fixirte Geschichte, nicht diese gewaltige Ar- 
beit dea Geistes zur Voraussetzung hat, ohne 90 viel Rück-^ 
•icht philosophirt, im Wesentlichen unabhängig ist, während 
der Modern« unter steter Rücksicht philosophirt, bei den 
Modernen, als unterscheidendes, Eintheilung begründendes 
Merkmal, den Dualism zwischen Subjeet und Object, zwi- 
ichen Natur und Geist, zwischen Erfahrung und Gefühl," 
zwischen Recht und Pflicht, kurz die Subjectirität, abgelei- 
tet. Dessen ungeachtet geben weder der Einflufs der Reli- 
gion, ' noch der philosophischen Schule sichere Eintheilungs- 
gründe. Die Religion hat keinen so mächtigen Einflufs ge-^ 
lübt, dafs man sagen könnte, die Philosopheme eines htihi 
Bitz, Kant, Lessing etc. stünden unter ihrem Einflüsse (rgh 
amne Briefe über religiöse Duldung S. ii5 f.)* Die Reli- 
gion ist stets mehr Sache der Massen geblieben, so dafs 
Kant in keinem näheren Verhältnisse zum Christen thume, 
als Aristoteles zur Mythologie steht« Wer vermag selbst 
in dem philosophischen Systeme eines Leibnitz, dem Kern 
des Christenthums, der Erbsünde und Erlösung, eine Stelle 
anzuweisen ? Und der Einflufs der Schule, so grofs und 
mächtig das Verhältnifs auch ist (vgl. meine allg. Literatur« 
jgesch. der Deutschen, Einleit.), erzeugt aUein keinen Unter- 
schied. Albert der Grofse hat wie Kant einen Aristoteles 
vor sich, und wer möchte sie in eine Reihe setzen ? Das 
Erzeugende jedes wahren und haltbaren Unterschiedes ist 
die. lebendige Nationalität. Sie ist die Mutter jeder eigen« 
tbümlichen Philosophie, gibt die Sitte, die Sprache, den 
Geist, die Kunst. Es sey mir also erlaubt, die nachfolgen- 
den Erörterungen unter folgende Abschnitte zu bringen: 
Indische religiöse Kastenphilosophie; Chinesische Philoso- 
phie ; Griechische Philosophie bis in die Hälfte des 3. Jahrh. 
T. Chr.; Internationale griechische Philosophie; Internatio- 
nale römische Philosophie ; Internationale christliche Philo- 



— M — 

Sophie bis um 4oo; die PbilosopUe kfii den Gennanen hU 
um 900; InlernatioBftl« christliche Philosophie bis 1400; 
Deutsche, Franaösisphe, Engltsohe, Italienische Philosophie 
bis auf unsere Zeit etc. lieber die Berechtigung^ zur Einthei- 
4ung der neueren Philosophie rerweise ich der Kürie haU 
ber auf meine allg. Literaturg^ch. S. i6. Der Grund, 
wefshalb die Philosophie im Zeiträume Ton 900 — 1400, trotx 
der steigenden Nationalen Scheidung, ak internationale er- 
scheint, liegt darin, weil die Philosophie Sache ^s theo- 
logischen Standes vorzugsweise bleibt. 



ni. ' 

Indische Philosophie. 

Man ordnet jetzt die indiscK^ Philosophie in drei Haupt- 
massen: den Vedantä, Sankhya und Nyaya. Die Vedanta 
ist der theoretische Theil (Brahmamimansa,) der Mimansa- 
Lehre, welcher der praktische, Karmamimansa, zur Seite 
steht. Ihr Grund sind die Veden ; ihre Anfänge seilt man 
in's 5. Jahrh« yor Christus. Die Ausbildung wird man aber 
weiter herabrücken müssen, da die Periode der höchsten 
Blüthe des Sanscrit in die 3te Hälfte des 1. Jahrh« r, Chr. 
fallt, die Sammlung der Veden aber in*s 3. Jahrb. r. Chr. 
•Unter ihren Commentatoren ist Sankara hervorgehoben wor- 
den, welcher im 8. Jahrh. nach Christus gelebt haben soll, 
defsgleichen Sadananda, dessen Compendium Frank fvlr kaum 
jünger als 1000 Jahre halt. Ein anderer bedeutender Com- 
mentator der Karmamimansa, Komarila Bhat*ta, ein Gegner 
der Buddhisten, wird lii's 7. Jahrh. nach Christus gesetzt. 
Als Gründer der Mimansa werden Dsohemini, Vjrasas und 
Badarajanes genannt. Als Stifter der Sankhya- Lehre dage- 
gen Kapila und der Yoga Patandschali. Dieae zwei Lehren 
werden als zusammengehörig betrachtet. Für die beele 
Auseinandersetzung des Systems des Kapila gilt die des 
IsVara Krish'na, welcher die Sankhyä in apofrhthegmatisefae 
Verse im Arja« Metrum brachte, Sankhya Karika genannt. 
Den Scholiasten dieses Werkes Gaurapada getraut sich Cole- 
brooke nicht unter das 8, Jahrh« n. Chr. herabxurücken. 



— 14 — 

Ah 8t»fler der Nyaya- Und ihr beigeordneten Vaitaeshiliii' 
liehre werden Gautamas iind Sawami Kanadas genannt. Au« 
fs^rdem wird auch eine Tschwarwakaphilosophie von den 
TOrigen unterschieden. 

Ueber die Folge dieser- Systeme i#t man noch im Un- 
klaren. Es läfst sich rermuthen, daTs die nach Einheit stre- 
bende, mehr religi<>8- traditionelle Vedanta vorangegangen; 
ihr der den Geist i«olirende X)ualism der Sankhya gefolgt ; 
am Gegensatze dieser Systeme die Dialektik der Nyaya er- 
wacht und die Tschwarwaka mit ihrem Materialism und 
ihrem Kampfe gegen die Tradition der Vedas, Sutras und 
Piiranas den Kreis geschlossen. 

Die Wurzel der drei ersten Systeme ist die Religion 
der Veden, denn auf diese beruft sich selbst jedes beim 
Streite gegen das andere* Der ßoden war die religiöse 
Kaste der Brahmanen. Die Philosophie blieb Sache der 
Kaste und ohne bedeutenden Einflufs auf den Volkscultus. 

Die subjective Trübung der indischen Philosophie, ist 
unverkennbar. Das Wissen ist nicht Zweck, sondern blofe 
Mittel? In der Vädanta- Sara lesen wir über den Endzweck:, 
,,Er bestehe in der Aufhebung des Bewufstlosen welches 
in dem Zubeweisenden in die Einheit des Brahma eingehe 
und in der Erlangung der Seligkeit in der ihm eigenen 
dem Brahma gleichen Form« Denn in einer Vädenstelle 
heifst es: ,*„Der den Geist Wissende erhebt sich vher den 
Schmerz.^^^^ Und in einer anderen: „„Der Brahmawissende 
wird selbst Brahma/^ ^^ In der Sankhya Karika lesen wir : 
„Wegen der Hemmung durch drei Arten von Leiden (diese 
zu heben) ist das Verlangen nach höherer Erkenntni£s. 
(Wenn man sagt:) dieses Verlangen ist, weil das sie hebende . 
Mittel in die Augen fällt, grundlos; (so ist die Antwort:) 
keineswegs; deiin das Gewisse und Endlose (was sie bewäl- 
tigt), fehlt im Sichtbaren (in der Erfahrung)«^^ Die drei 
Leiden sollen theils von den noch in der ISatur als Ur- 
aäche enthaltenen Wildungen in der Leiblichkeit koaunei», 
virie von Begierden, Leidenschaften, Körperleiden; thell« von 
anderen Sichtbären, ious der Natur hervorgebrachteli beleb- 
ten und leblosen Wirkungen; theils von Unaichlbaren, un- 
rein • cingeleibten Geistern den Fais'atshen etc. Die Philo- 



— te — 

fophie, die Untersoheiduhg des Entirickelten, seines Gniin<* 
des und des Wissenden soll über diese Schmerzen hinweg;'- 
helfen. Die Kennlnifs der heiligen Schriften, die religiösen 
Gebräuche reichen hiezu nicht hin, weil sie nicht rein sind, 
t, B. Thieropfer büh'gen. Selbst in dem Nyaya, dessen Stif- 
ter Gautama ein Gegner der Anhanger der Mimansa gewe- 
sen, und dessen Yorwaltendes Augenmerk logisch^ Fragen 
gewesen, die zu Ehren und Ansehen verhelfende Disputir- 
kunst, wird die Logik als Mittel zur Läuterung und Be- 
freiung (möksha) des Geistes (buddhi) empfohlen« 

Die indische Philosophie hat sich selbstständig aus dem 
Boden des L<andes gebildet, und lange Zeit eben so wenig 
Einflufs geübt, als erlitten. 

In Ansehung des Zusammenhanges sind zwar bekannt- 
lich mehrere Orientalisten geneigt gewesen, die griechische^ 
von der indischen entlehnen zu lassen. Sie geben jedoch 
umgekehrt auch zu, dafs durch die Verbindung Alexandrias 
und Aegyptens mit Indien die alexandrinisch - griechische 
Philosophie auf die Neuerer des Vädanta, oder den eklekti- 
schen Pantheism der Pauraniken, vielleicht Einflufs gewon- 
nen habe. Jedenfalls böte die altjonische und altitalische 
jSchule weit mehr Aehnlichkeiten mit der indischen Philo- 
sophie, als die griechische der zweiten Periode, z. B. in 
JVnsehung der Seelenwanderung» So Wilson (Sankhya). 

Ritter (IV. /|i5) ist der Ansicht, dafs nicht alle Sy- 
steme der Indier Einllufs auf die griechische Philosophie 
'gehabt hätten. Nur in Ansehung der Yoga ,und der We- 
'danta scy eine Wahrscheinlichkeit dieser Art vorhanden, 
indem wir sehr bedeutende Punkte dieser Lebren auf eine 
ähnliche Weise bei den spätern Griechen hervortreten sähen, 
ohne die Entstehung derselben aus wissenschaftlichen Grün- 
den oder aus griechischen Ueber lieferungen naehweis<;n zu 
Ifönnen, so die Lehre von der Emanation, die vom Gegen- 
sätze zwischen der körperlichen Matur und der Seele; end- 
lich die Lehre von der mystischen Anschauung Gottes. Me- 
£^a8thehes, welcher 3oo v. Chr. lebte, und tber Indien ein 
"Werk geschrieben haben «oll, sagt bei Clemens von Alexan- 
drid (Strom, ed. Sylburg p. S24.)* ii^(xvtu /nevrm rä n^Qt 



— li — 

roiß il^ '^fiS JEXkados q>iXoQO(pHeh ^a fiev nuQ IvdotQ vna 
ßqayßavuav x. t. X. Auch diese Notiz führt ung nach Sy- 
rien, da Megaslhenes Gesandter des Seleukos ron Syrien an 
Androkottos gewesen, und nach Ale;xandria, als Brennpunkte 
der Vermittlung, giebt aber auch durch die Art ihrer Fas* 
sung eine Bestätigung des Gesagten. 

Hier folgen einige Grundzflge der Vedanta» und Sank- 
hya- Lehre nach Franks Fassung. 

Nur Brahma ist das einige Wesen, nach der erstem 
Lehre, dagegen alles daron verschiedene Andere nicht ewig. 
Das Wesen, Vastu, seiend, denkend, selig, unentzweit, Brak* 
ma, ist Wissen und Offenbaren. Das Nichtwesen, avasto, 
ist aber im Wesen durch Umwandlung entstanden. Was 
offenbar werden, was zum Bewufstsein kommen soll, ist erst 
•verhüllt, bewufstlos (weder ov, noch h% ov, vielmehr futj 
ov, was als Bewufstloses aufgehoben werden soll, bemerkt 
Frank}, die von den drei Ureigenschaften (Gun'en, den bei- 
den Aeufsersten und dem Mittlem) aller Dinge eingenom- 
mene, mit ihnen verborgene Macht des Geistes Gottes, das 
Bild der in ihr enthaltenen Dinge, ihre vorausgehende Aeim* 
lichkeit, ihr- Schatten, der Hunger zu sein. 

Die Entwicklungsstufen des lebendigen Geistes als Ich 
(Selbstbewufstsein) zerfallen nach der verschiedenen Bezie- 
hung des Bewufstlosen und Bewufstsei enden auf einandei^ 
I« in der Einheit, der ersten Durchdringung, 9. in der Aus* 
Scheidung, 3. in der innigen Vereinigung. 

1. in der ersten Stufe wird das Bewufstlose entweder 
als Eines, nach dem Willen zur Gesammtheit derer, die im 
Bewufstlosen, das in's wiederscheinende Leben geht, mit 
Verschiedenheit sind, oder als Vieles, nach dem Willen zur 
Gesondertheit derselben, gesetzt. Gesammtheit und Geson« 
. dei^theit sind aber kraft der Durchdringung des Ganzen 
und des Getheilten. 

a. Die Gesammtheit, Samashti, ist hier, als das Unge« 
hcHrne, durch Darstellung edler Grundformen die reinen 
Wirklichkeiten der Natur hervorbriugend. Der ihr inwoh- 
nende Bewufstseiende ist allwissend, das ganze Bewufstsein 
offenbarend, Ursache der Welt, der Herr, IsVara; die 

Gesammt- 



— w ~ 

GvtaiiiBitbeit ist darch Henrorbrlngung vom Ganzen sein 
productiver Leib« 

b. Die Gesondertheit, vjasht'i, ist durch Darstellung nicht 
8o edler Formen, minder reiner Wirklichkeiten, hervorbrin- 
gend« Der ihr inwohnende Bewufstseiende ist theilkundig, 
nicht allwissend. Die Gesondertheit ist durch Hervorbrin- 
gung des Jch-set£ens und der Wirkungen desselben sein pro- 
ductiver Leib. Der vielgestaltig, geoffenbarte Theilkundige 
ist der eben Entstandene, dem noch keine Unterscheidung 
Zukommt« 

Beide Bewufstseienden aber, der Herr und der Theil- 
kuiidige, sind, wie die Gesammtheit und die Gesondertheit, 
Ton einander unterschieden in Einheit ; Beide vernehmen die 
Wirksamkeit des Bewufstlosen, welche, vom Bewufstsein er- 
leuchtet, innerlich übersinnlich ist. Hier ist demnach in der 
Einheit eines Unendlichen und Endlichen immanent die Ent- 
wicklung ihres Unterschiedes in Einem, die innere und 
äufsere Leibliehkeit und ihre Ineinslösung, Ruhe, Allherr- 
schaft etc. Beide haben noch in sich ein reines Bcwufstr 
seiendes, das nicht einwohnt, unbefangen, aber die Fassung 
von Beiden, von ihnen unterschieden, unentzweit, ruhig, ein 
Viertes ist. Es wird in dieser Stufe ausdrücklich erinnert, 
dafs die Gesammtheit und Gesondertheit mittelst der Durch- 
dringung des Ganzen und Besonder^ sei. Durchdringung 
ist aber hier nur im Denken, 

IK In der zweiten, von der ersten auch der Art aacb 
yerschiedenen Stufe, der Unterscheidung, geschieht die Ent- 
atehung: 

a. Durch die vom ausgeschlossenen Bewufstlosen be- 
wirkte Deckung des unausgeschlossenen, nicht zur vorüber- 
gehenden Welt geliorigen Geistes gegen die schauend« Ver^- 
iiunft, wodurch das seine Gestalt in der Vernehmung dea 
Ewigen habende Ich sich gebunden, gesondert erscheint, sich 
ißk seiner Besonderung bewufst wird. Die Deckung ist zu 
faisen als geschehend durch die Erhebung des Nichtwesens 
aus seiner Einheit mit dem Wesen, aus der Einheit der Zei- 
ien, worin es das mit dem. Subject vereinte Objact war. Mit- 
lelat der Bedeckung^des Geistes geschieht demnach die Ab- 
Oumpoicb, Df, V. F., Geschicbtt d. Philosophie. ä 



~ 18 - 

aonderung des EiQzelaen in ibm^ seine VerselbHsUbdigiia^ 
durch das Priiicip der Jchsetzung. 

h. Die Unterscheidung, rivacka, geschieht zweitens durch 
Ausscheidung, Entäulserung, wodurch von dem dem ßewufst- 
losen inwohnenden Bewiifstseienden die fünf Elementenprin- 
cipien, aus diesen der übersinnliche Leib und die äufsere 
LeibJichkeit entstehen. Die Macht, welche diese Welt her- 
vorbringt, ist demnach der dem doppelniächtigen Bewufstlo- 
sen inwohnende, doppelmächtige Bewufstseiende, der durch 
ans sich selbst Hervorbringen des Stoffes und durch Einzie- 
hen desselben in der Bestimmung des ^ndern selbstbestim^ 
mcnd schöpferischer Geist ist. 

Der übersinnliche Leib ist durch drei Grundkräflc 
(Krafthüllen, Keime) gegliedert: erstens durch den Natur- 
Vernunftlteim der fünf äufseren Wahrnehmungen, der das 
individuelle Beziehungsleben genannt wird; zweitens durch 
den Verstandesheim mit den fünf Wirlmngsorganen ; drittens 
durch den Keim der fünf Lebensfunctionen. In ihrer Ver- 
einigung bilden diese drei Keime den übersinnlichen Leib, 
der aus den drei Kräften des Wissens, Wollens und Wir- 
kens gestaltet ist« 

Durch Theilung und Combinatioh der fünf Elementen- 
Principien entstehen die äufserlich materiellen Wesen, die 
fünf Sinnesobjectivitäten, die 14 Wellen und die vier Gal- 
tungen der Lebenden, wo die beiden- diesen Hervorbringun- 
gen nach Gesammtheil und Gesondertheil inwohnenden Be^ 
wufstseienden, in jener der Allmensch, in dieser der Allgeist, 
sind. Der Aligeisl ist 'genannt, weil er, ohne den übersinn^ 
liehen Leib verlassen zu haben, in den äufserlich materielleil 
zuerst eingeht. Aber dieäe beiden inwohnenden sind, gleich 
Jener Gesammtheit und Gesondertheit, auch hier nicht ge- 
trennt.^ Wie der Herr und der Theilkundige die hohen über* 
sinnlichen Wirksamkeiten des Bewufstlosen vernehmen, so 
vernehmen der Allmensch und der Allgeist die fünf Sinnes- 
Objecte, die fünf Bcwegungsarten und die vier intellectucUeit 
Thätigkeiten, welche vierzehn Momente, jedes von eigenen 
höheren Mächten, Göttern, regiert v^erden, 

Sammtliche Ausbreitungen bilden aber nur Eine mäch^ 
tige Ausbreitung, und das denselben einwohfiende Bewufst^ 



- 19 « 

Bern ist nur Eines, indem es, wenn man zurückscbrdtet, vom 
All und Allmenschen unmittelbar beginnt und im Herrn be^ 
ackiossen ist« . - ^ 

IIK Die dritte Entwicklungsstufe ist die der Vereinigung 
durch eine Steigerung, durch Erhebung über jene Erhebung, 
Beherrschung der ersten Erhebung. Das in der anfänglichen 
Entwicklungsstufe gesetzte, seiner unbewufste Ich, welches 
in der zweiten vom unausgeschlossenen Geiste gesondert, 
tasgeschlossen, in Leiblichkeit gebunden sich unterscheiden- 
des Ich ist, fafst sich in der dritten mit deni^ allgemeinen 
Geiste in einer Einheit, als lebendige, geistige Persönlichkeit, 
als Ich) das frei ist, kein Band hat etc. Die Ausbreitung 
des vom ßewufstlosen anfangenden Michtwesens, das im 
Wesen durch Umwandlung entstanden ist, hat ihre Bestim- 
mung, ihr Mals vom Wesen; demnach auch das Bewufstlose 
und das dem Bewufstlosen inwohnende Bewufstseiende. wel- 
ches vom Herrn beginnt, sein Mais, seine Bestimmung und 
l/rsache in dem die Fassung von jenem seienden, nicht in» 
wohnenden, bewufstseienden Vierten, Brahma, 

Der Sankhja oder die unter dem Namen des Kapila zu- 
sammengestellten 499 Sutren, welche vielleicht eine weitere 
Ausführung eines älteren Buches, des Tatva Samasa, sind, 
sammt den Versen des Karika von Krish'na, lassen die Prin- 
eipien der Well und aller ihrer Schöpfungen von einer ewi- 
gen, absoluten, allein pröductiven, aber bewufstlosen Natur 
CMuli^prakriti) hervorbringen, in der als Ursache schon alles . 
Weltliche vorgebildet enthalten ist und welche nicht durch 
Umwandlung oder Entwicklung ist. 

An die Wurzelnatur schliefsen sich zweitens die Sieben 
a» : die ^aturvernunft (buddhi), der Aliankara, und die nicht 
wahrnehmbaren fünf Elementen - Principien , welche durch 
Umwandlung hervorgebracht und selbst umwandelnd oder 
Itervorbringend sind. 

Zu diesen kommen die Sechzehn, die durch Umwandlung 
hervorgebracht sind, aber nicht selbst umwandelnd: die fünf 
äufsern Elemente, die eilf Organe, nämlich fünf Wahrnehm- 
ungsorgane und fünf Thäligjkeilsorgane, Zunge, Hände, Füfse^ 
Eingeweide, Genitalien und ein inneres Organ, Manas, der Ver- 
stand, ein mit den allen andern verwandtesi zusammenbildendes^ 



— 20 -- 

* Die Reihe schlieHit eiir f&nfundtwanzigtle« Prtncip, det 
Geist, welcher nicht durch Henrorbrinjsrung oder Umwand- 
lung entstanden ist, und auch nicht hervorbringend oder 
umwandelnd ist. 

Das letzte und das erste Princip bedingen Alles. Die 
Geister sind von der Natur unabhfingig, ewig, aber unpro- 
ductiv. Die Geister haben dagegen den Zwech, mittelst ihrer 
Wanderungen durch alle Naturgestalten, die Natur und ihr^ 
Herrorbringungen zu untersicheiden und zu erkennen und 
durch diese Erkenntnifs von der Natureinleibung frei za 
werden. Die Natur bringt aber nur zu dem Zwecke Alles 
hervor, um von den Geistern wahrgenommen zu li?erden« 
Sobald die Natur wahrgenommen ist, zieht sie sich zurück 
und er schaut nicht mehr nach ihr, wenn er sie kennen ge- 
kernt hat* Die Frage, wie die bewufstlose Natur sich dem 
ihr fremden Geiste doch entsprechend bewegen könne, hat 
man durch die Hypothese eines Eigenwesens, Svabhäva, zu 
lösen gesucht,- das sich für den Geist schon vorherbestimmt 
finde, und in welchem er die Naturformen auf seinen Wan- 
derungen durch die Leiber erkenne. 

Die Principien stammen so von einander ab. Von der 
Natur kommt der Mächtige (die Naturvernunft) ; von diesem 
das Ichsetzende Princip; von diesem die Zahl der Sechzehn; 
von den fünf nicht wahrnehmbaren Elementen-Principien dicr 
fQnf äufseren Geschöpfe. 

Das Naturve^rnunft-Princip ist, weil es seinen Ursprung 
aus dei* bewufstlosen Natur hat, selbst bewufstlos. Es ist 
Entscheidung, Entschltefsung. Vor dasselbe bringen die 
drei Organe den ganzen Zweck des Geistes, ihn offenbarend 
gleich einer Lampe. Es ist der Vorstand bei deir Wirksam* 
keit der Organe und bereitet das Geniefsen von allem Ob<<^ 
jectiven für den Geist« 

Es fehlt hier der Raum, alle Principien weiter zu ver- 
folgen. Ich begnüge mich mit einer Stelle Franks über das 
Verhältnifs des Sankhja zur Vädenphilosophie. 

„Eben diefs," sagt der Gelehrte, „dafs im Sankhja die 
Natur doch nicht ohne den Geist und der Geist nicht ohne 
die Natur sein kann, setzt die Idee des ursprünglichen Ver« 
eintseins beider in einem Systeme voraus, in welchem die 



1- «1 « 

I9«tttr dem Geidte angebSrt, sie die Natur de« Geistes selbst 
ist, der er Torsteiil, d, i. die Philosophie der V&den. Aus dem 
Dualismus des Sankhja aber schafft der Buddhaismus dei| 
Geist ganz hinaus, setzte in eine absolute, bewufstlose Natur 
auch die Entwicklung eines wahrnehmenden Princips, Buddha, 
des Wissenden, zugleich mit dem Mächtigen, als der Natur- 
vemunft, Buddhi, so fern einen scheinbaren Monotheismus 
aber am Ende das Auslöschen aller Unterschiede und Exi- 
stenzen der Buddhen selbst in der Einen Natur, die auch 
ihre Existenz, welche sie im Sankhja hat, verliert, mit Allem 
im Leeren, Suoja, vergeht, ins reine Nichts verschwindet« 
Beiden, dem Buddhaismus wie dem Sankhja, fehlt das Princip 
der Vädenphilosophie, nach welchem die Natur wesentlich 
die Macht des Geistes selbst und er ihr Herr, so wie er 
wesentlich Natur -erBillt mit ihr und in ihr ist/^ 

Es entstand in Indien selbst die Frage, welche Stelle 
denn Gott in diesem Systeme einnehme. Seine Gleichsetzung 
mit dem 26. Princip rief den Vorwurf der Gottlosigkeit her- 
vor. Man glaubt, dafs Patang'ali, der Gründer einer jün- 
geren Schule, defshalb zur Annahme eines Uebergeistes 
Adhj&tma gekommen sei. 

Der Yoga Sastra, den man, wie dessen Commentator 
Bhodscha-Deva, aus Ward kennt, ist Mystizism bis ^zum 
JBztrem, 

Kanada stellt sechs Kategorieen (pad^rthas) auf: die 
Wesenheit, Beschaffenheit, Thätigkeit, Gemeinsamkeit, Ver- 
schiedenheit und Verhältnifsmäfsigkeit, zu welchen die Com- 
menlatoren noch eine siebente gefügt haben : die Verneinung. 
IVe Wesenheit ist ihm die Grundlage der Beschaffenheit und 
Thätigkeit. Unter die Wesenheiten zählt er die Erde, das 
Wasser, das Licht, die Luft, den Aether, die Zeit, den 
Raum, die Seele und den Manos. Die ersten fünf werden 
▼on ewigen Atomen gebildet« Unter die 24 Beschaffenheiten 
xählt er Wärme, Geruch, Zahl, Quantität etc. Fünfzehn 
davon hält er för sinnlich, acht (Verstand, Lust und Unlust, 
Verlangen und Abscheu, Willen, Laster und Tugend) für 
unsinnlich. Thätigkeiten gibt es nach ihm fünf, Gemeinsam- 
keiten drei (Galtung, Art, Individuum) etc. Man erkennt 
sdhon daraus die Lehr« als physikalische Atomistik, die, 



— tl — 

wenn der ron Ward iibersetste Commentar ,^Veiseshlli& Soülrä 
Ponsht^ara'^ eine Conjectur erlaubt, sich ziim Deism hinlkber* 
Arbeitete. 

In Ansehung des von Rixner (S. 3o) erwähnten Buddhism 
ist auf die Bemühungen von Brian Houghton Hodgson hin« 
zuweisen, welchem man die Bekanntwerdung uralter im San- 
scrit yerfafater Denkmale j^ner Lehre verdankt, welche durch 
ihre yerkündi|;ung der Metempsychose und der Selbstaufhe- 
bung durch die sechs Vollkommenheiten des Almosens, der Tu* 
gend, Wissenschaft, Kräftigheit, Geduld und Liebe, Millionen 
bezwungen hat. Jene dem Buddha, oder Sakya- Muni, zuge- 
schriebenen Denkmale sollen auf drei zu verschiedenen Zeig- 
ten, in den ersten 5qo Jahren nach Buddha's Tod, gehaltenen 
Concilien, aufgenommen worden sein, der mindestens schon 
Jim 6i Jahrhunderte vor Christus lebte« Das bedeutendste 
Werk hierüber ist das von 'Eug, Burnouf (Introduction ä 
rhistoire du bouddhisme indien, Paris i844)* 

Literatur. Colebrooke, on the Pinlosophy of tbe Hind. Transact. 
R. A. S. I. 19 sq. 191 sq. 439 sq. 544 sq. II, 1; Id. Essay» 
Jjondon 1837 ; Essais siir la pliilosöpbie des Hindoiis par Cole- 
brooke traduits p. Paiithier, Paris 1833 sq. H. ; Ward, aper^y 
de rhistoire de la litteratiirc et de la mythologie des Indiens, 
,. Serampore 1818, II. 4; Hodgson, Sketh of Buddhism in den 
TrUntaet. of the royal aiiat. soc. II. 1. 7Z1 sq, ; J.'J. Siihmidt, 
über die Verwandtschaft des Crnost. mit den Religitnssy Sternen 
des Orients, Leip ig 1827; Schmidt, über den Brahmamtsm in, 
den Abhandlungi^n der Petersb. Acad. Ser. VI, T. I. 1832 ff. ; 
Xassen, indische AlterHiumskunde, Bonn 1845; W. Humboldt» 
über die Bhagavad Gitä Werke, I. B. 

Gymnosophista sive IndicQe Philosopbioe documenta coli« 
ed, enarr, Chr. Lassen, Bonn 1832. ^. (Isvaracrishnae Sankhya- 
carica) ; The Sankhya Kärikä, Lond. .1837 sq. II. 4, Anzeige 
von Frank in den Münchner Ge]. Anz. 1839. Nr. J33 f. 

Maharshigantamakrita nyayadarcana, Calcutta 1821 (BhSshA- 
paric^heda); The Bhasha Paricheda and Siddhanta Muk^vali^ 
ib,*1827 ; NyäyasiUravitti, the Logical Aphorisms of Gotama, 
witb a commentary by Visvanätha Bbattäcbärya, ib. 1828; Bar- 
thelemy Saint-Hilaire in den Memoirea de Tacad. des sciences 
t. III ; 8ur le nyäyä. 



- M - , 

F; H. M. WlndiMliiMimi, S«noArA nve 4« tlM^l^gMiettü 
Yedanticermni/ Bonn iSS^; TIm exposition of tbe Vedanta |^il. 
by Colebrooke vindicated by Hougton, Lond. 1835, Anzeige 
VOM Frank in den M. G. A. 1837. Nr. 110 f., 1838. Nr. 65 f. j 
Vedanta- Soiitras Philosophie der Vedas v. Poley, Paris fol. 
(1835); Vedanta Sara, CaIcuUa 1819; Die Philosophie der 
Hindu, Vädanta Sara von Sadananda, sanskrit und teutsch von 
O. Frank, München 1835. 4. ; Vedanta > Sara or Essence of the 
Vedanta by E. Roer, Caicutta 1845. Roth^s Ati9g. d. Ved^n. 

IV. • 

Chinesen^ Perser^ Phönizier j Aegy^er de. 

Fauihier (Philosophie des Chinois im Dietionnaire dea 
Sciences philos« t. I. p. 492 sq.) unterscheidet drei Periodea 
der chinesischen Philosophie. In die erste setzt er das Back 
der Wandlungen Y-Ring, dessen erster, dena Fn-hi Zuge- 
schriebener Text 3ooo Y. Chr., und desaen zweiter r^oo r. Chr. 
verfafst worden sein soll, und das zwischen 1122—1166 ge^ 
setzte Bach Schu-king* Das erste ist, nach seinen alten 
Theilen, Naturalism, dem selbst die Zahlenlehre erst später 
beigefügt worden. Man hat Bis in die neueste Zeit Mühe 
gehabt, das wiederholte Hineinlegen und Hineindeuten der 
lichren von Gott, Unsterblichkeit etc. abzuwehren (Stuhr, 
die chinesische N Reichsreligion, Berlin i855, S. 6 f., auch 
gegen Windi«chmann>. Das Schu-king^ welche« Ri-tsö zu* 
geschrieben wird, ist eine Begriffsammlung, die unter neun 
RIassen gebracht werden» Die erste uml'afst fönf Stoffe: 
Wasser, Feuer, Holz, Metall, Erde. Die zweite fünf Fähige 
keiten: Haltung, Sprache, Gesicht, Gehör, Gedanken. Dim 
dritte acht Herrscherregeln über Nothdurft, öffentlichen 
Reichlhum, Gottesdienst etc. Die vierte fänf periodisehe 
Gegenstände: Jahr, Mond, Sonne, Sterne, ihre Stellung und 
Zahlen. Die sechste das Betragen des Herrschers. Die sie- 
bente casuistische Fälle. Die achte meteorologische Beei>» 
achtungen. Die neunte fünf Glücks- und sechs Unglücks* 
fälle. In die zweite Periode, deren Anfang ins 6. Jahrhuüdert 
v.Chr. gesetzt wird, fallen Lao-tsö und Confucius (Rung-tsö) 
mit ihren Schulen. Der Erste soll 55 Jahrtr vor Confucius 
(6o4) geboren worden sein und zuletzt eine ^Reise nach 



— M — 

lCbmiri9dku oder Indien «ntemoaMBeit habe«, wiM cu rer- 
SohiedeBen Conjeetoren über seine Stellung %n Buddha 
benützt worden ist, wozu die Verwandtschaft des Tao-te mit 
buddhistischen Lehren von selbst einlud, wie die Annahme, 
dafs Beide zu gleicher Zeit gelebt Die Lehre des Lao^tsö 
wird als Pantheism gefafst. Das erste Sein, den Tao (die 
höchste Vernunft), hält er für unaussprechbar. An dasselbe 
ko^imt. er nur in seinen zwei Manifestationsweisen, dem 
Unterschiedenen Und Ununterschiedenen , Begrenzten und 
Unbegrenzten, Vergänglichen und Unrergänglichen« Im 
Menschen findet er beide Manifestationsweisen, d. h. die kör- 
perlich erscheinende wie geistige Natur« Das Ziel des Men- 
gchen erblickt er in der Herrschaft der geistigen Natur und 
im der endlichen Vereinigung mit dem Ursein, durch Auf- 
bebung aller Unruhe und körperlichen Bewegung, die daa 
Merkmal der einen niedrigen Manifestation ist« Dabei kam 
ihm die Verwandtschaft der Vergänglichkeit, als Bewegung^ 
mit dem Unfrieden, der quälenden Unruhe der Seele, als 
der Folge regelloser Begierden, von selbst entgegen« Man 
wird hiebei weit mehr an die stoische Apathie, als den häufig 
mit dieser Lehre in Verbindung gebrachten Epikuräism er- 
innert. Die Politik des Lao-tsö (Lao-kiün) schreibt folge- 
richtig den Herrschern Verachtung des Irdischen und Er- 
battung der Ruhe durch Entfernung alles dessen vor, was 
twzufrieden machen kann, z. B, auch der Aufklärung mit 
ihrem Gefolge von Wünschen. Es leuchtet von gelbst ein, 
dafs das oberste Eins, die zwei Manifestationen und die drei 
xusammen zu einer Zaiilenlehre einladen, und dais die gei* 
giige Manifestation des Eins, als zu diesem sich hinneigend, 
mnt Verwechslung und Verwirrung in der Auflassung be- 
gün^gen konnten* Zu der Schule des Tao (Tao^Kia) wer- 
den gezählt: Kuan-y&n*tiö, ein Zeitgenosse des Lao-tsö und 
Commentator desselben, Yün-wen-tsö, gleichfalls ein Sehülei: 
des Lao-tsö, Kia-tsö und Han-fei-tsö C4oo v, Chr,)» Lie-tsö 
(398 V* Chr), Tsobuang-tsö (538), Ho-kuan-tsö und Hoai- 
nan-tsö, von denen aber der Letztere auch zur gemischtea 
Schule (Tsa-Kia) gerechnet wird. 

Confuciug, welcher an die Spitze der zweiten Schule 
dieser Periode (Schu^Kia) gestellt wird, welche vom fünften 



hkhk9 simte JhbrbfmJfiart ▼. Ckr« |;edaiierl häbeä soll, wvrdr, 
aaoh d«r Aomhint der Sinelogea, &5i r. Ckr., 54 Jabre rot 
Ij«o-ttfi) geboren und starb 478* Seise vorschlagende Rieh* 
t«ng war die auf Moral, auf das Tom Himmel dem Menscben 
gegebene Moralprineip der SelbstrerroUkommnung, mit Ab- 
wehrung aUes auiserhalb Liegenden. Als ihn z. B. Jemand 
fragte, wie man den Genien dienen müsse, antwortete er: 
„Da man den Menschen noch nicht dienen kann, wie kann 
man da den Genien dienen !^^ Und als ihn ein Schüler fragte, 
was der Tod sei, antwortete er: „Wenn man nicht wrifi^ 
was das Leben ist, wie kann man wissen, was der Tod ist?^* 
Seine specnlativen Lehren sind hauptsAchlich in den Erklft« 
vu9gen sum Buche der Wandlungen zu suchen. Man er- 
kannte auch darin den Naturalism, der sich um die drei 
Mächte des Himmels, der Erde und des Menschen dreht, 
lind keine sichere Antwort über die Fragen nach einem ron 
dei^ Natur geschiedenen Gott, einer rom Körper geschiedenen 
Seele giebt. Es ist bekannt, dafs Confuciüs ein Geschichts- 
werk Cl^schun-thsieu) abgefafst und dafs die drei Werke, 
welche seinen Namen vorzugsweise verewigt haben, und von 
seinen Schülern aufgezeichnet worden sein mögen, in Ver- 
bindung mit dem von Mencius die vier classischen Bücher 
der Chinesen genannt werden. Das erste ist der Ta-hio (die 
grofse Lehre), eine Unterweisung für Herrscher und Beamte ; 
das zweite der Tschnng-yung (die Unveränderlichkeit in der 
Mitte), eine Empfehlung der goldenen Mitte; das dritte der 
Lün*yü (Red und Antwort), eine Art xenophontischer Me- 
morabilien; das vierte der Meng-tsö von Meng-tsö, der 5 14 
Y«^hr« gestorben sein soll, eine Unterredung mit dem Für- 
sten Liang-wang, welche besonders die gute und freie Natur 
des Menschen herauszustellen sich bemüht* Unter diese 
Schule gehören noch Thseng-tsö und Tsö-sse, endlich Sün-tsö 
(SSO V. Chr.), dessen trübseliges Zeitalter zu dem Satze ge- 
währt haben mag, dafs die Natur des Menschen nicht gut sei. 
Die dritte Periode wird in die der ersten Herrscher der 
Dynastie Sung (960 — 1119 n. Chr.) verlegt. Als Gründer 
derselben werden Tscher-lienJii, oder Tscheu-tsö, als Pfleger 
die Tsching-tsö und als Haupt Tschu-hi betrachtet. Hier ist 
an die Spitze ein Ursein, Tai-ki, gestellt, welches sich durch 



ÜB leidendes und kdrperlickes Prjncip manifiMtirt, £e u»« 
trennbar sind und die Substanz dee Urseins bilden. Ana 
ihnen gehen fi&nf Elemente, Feuer, Wasser, Erde^ Hohe^ 
Metall, herror. Der Tai-Iti ist Li, oder immaterielle bewir^ 
kende Ursache des Himmels, der Erde und aller Dinge ror 
der Welt, und Hhi, d. h* materielles Princip* Die Vereini- 
gung der beiden Principien ist das Leben im Menschen« 
Das eine steigt beim Tode sum Himmel, das andere kehrt 
Eur Erde «urftek. Die Moral empfiehlt Uebereinstimmung 
tnit Himmel u^d Erde, der Augen mit Soniie und Mond, der 
Lebensstadien mit de» Jahreszeiten, des Glücks tind Un- 
glücks mit- den Elementen, die zwischen Himmel und Erde 
ihr Spiel treiben und die Räume füllen« 

Mit diesen drei Perioden sind nur hervorragende Punkte 
einer sehr reichen Literatur gemeint, welche sich auch in 
die neuere Zeit hereinzieht« Wir haben z. B« eine Para- 
phrase des Meng-tsö von der Academie, dem Hanli, aus dem 
Anfs^nge des 18. Jahrhunderts (Yi-kiang), die 1831 wieder 
gedruckt worden; eine „wahrhafte Erklärung der Natur- 
gesetze (Sing-li-tschin-tsiuan)" von Sün-te-lschao, welche 
1763 erschien; das Sching-yu-kuang-hiun vom Kaiser Yung- , 
tsching, eine Polemik gegen das Christenthum, englisch her- 
ausgegeben von Milne, London 1817 u, A« 

Literatur. Eine sehr reiche Quelle für die chinesiBche Philosophie 
ist zuvörderst das Lexikon von Morrison. An dasselbe schlie- 
fsen sich einige allgemeine Arbeiten, wie die Geschichte China'« 
von Chitzlaff, die Melange» amat. v. Abel Remnsat, Paris lUiS, 
und die Memoires sur les Ghiiiois sammt der Descripiion de la 
Chine von Pauthier. Der letztere Gelehrte schrieb ferner^ 
aufser dem genannten Artikel, im Besondern auch: Esquisse 
d'une hifitoire de la philosophie chinoise, Paris 1844. 

Daran rjBifaen sich die neuen Ausgaben des Y-King v. Mohl 
(Stuttg. 1834 sq.), des Choü-King und der vier Moral büchcr 
des Confucius und seiner Schüler von Pauthier (Los livres 
sacres de TOrient traduits, Paris 184o) und die übrigen Ar- 
beiten für Lao-tsö (Memoire de Deguignes r. XXVIII. des 
mem. de Pacad. des inscriptions et belJes-Iettrcs: Memoire sur 
la vie et la doctrine de Lao-tseu p. Ab. Remusat, Paris 1823 ; 



-* « — 

BKemofre mir Pörigiiit et la i^roptgatiliii dtf U Aociriat'dit Tao 
en Chine p^ Pautfaier, Paris isat ; La Tio-ia-Kiog, oa le livre 
tevtth de la Ra^an sttprlme et de la Tefft« p* le m^me, ib. 
1838; Le lirra de la Toie et de la Vertii trad* p. Julien, ib. 
1842)9 fSr Coufocius «nd Meadut (Let qoatre ÜFret moraux 
de Confncina trad, p. Pauthier, ib. 1840; Coftfuciot et Men- 
cius on let quatre llvres etc. p. Pautbier, ib. I84i; Mencius 
ed. St. Jidien, ib. 18^4 sq.)» und fiir Tsa-s«e (L^invariable 
miliea arec une Ters. lat. p« Remusat, ib. 1817). 

V 

In Ansehung der übrigen von Rixner genannten^ Vdttie# 
müssen hier Nachtrage zur Literatur die Statte Milerav An- 
gaben vertreten. Kritische Scheidung ist hier sehr zu em- 
pfehlen. Rixner hat z, B. von der Edda (Oldemoder, Ur- 
grofsmutter) Sätze aufgenommen, ohne einen Unterschied 
zwischen der älteren Eddsr, dem Werke ron Sämundr hina 
Prodi, dem Sohne des Sigfus (ed. Christiania 1847) ^^^ 
der Jüngern Edda des Snorre (ed. Stochh. 1818) zu machen; 
phne die Theile der altern Edda, welche die Glaubens <i und 
Mystenenlehre enthalten (Solar- Lioth, Völuspa h. y. Ett- 
jaiüUer Leipz, i83o) und die Sprüche Havis, Hara-Mal, aus 
einander zu halten ; ohne anzudeuten, dafs gewisse Theile 
ein Amalgem heidnischer und christlicher Elemente sein 
könnten, wie das Solar -Lioth, und dafs Sturlusons Arbeit 
versetzt ist^ endlich ohne den Streit über historische und 
physikalische Erklärung (Suhm, Munter, Geijer, Magnush 

sen etc.) zu berühren. 

* 

Uebcr persische Anscbauungcn schrieben u. A. : Kosegarten (Dil« 
sert. acad. Sund. 1831), VuUers (Fragmente über die Relig« 
des Zor. Bonn 1881}, A. HoUj (Zoroasler und sein Zeitalter^ 
Lüneb. 1836; Illgens Zeitsehr. für histor. Theo!. Nene Folge 
II), Bnrnonf (Vendidad Sade av. un comm. Paris 1330 — 43 
fol. ; Commentatre sitr le Ya^na V un ^. livr. relig. des Parses 
cont. le texte Zend expt. etc. ib. 1833 II. 4), David Shea 
und Anthony Troyer (The Dabistan, Paris 1843). üeber heb- 
räische und ph^niziäche Religions- Anschauungen : Mevers (die 
Phönizier, Bonn I84l), Daumer (der Feuer- und Moloch- 
dienst der alten Hebräer, Braunschw. 1841), Beck (die ge- 
schichtlichen 'VoraussetEungeti des hebräischen Religionsprin- 
zips in Noacks Jahrb. 1846 1, H. S. 4^). Ueber Aegypten : 
Seyffarth (Beiträge zur Keaatnifs des altea Aegypt. Lei^z. 



— n -»- 



I8W; Gmndtif« d«r Mythologie ♦!«., ethe Beil«|[e tKMorert 
Schrift -Aber die Religion der Phooiuer, Leipz. t843), Schwar- 
te (Das aUeAegypten, eb* 1843), B«R»en (Aegptens Stelle in 
der Weltgetehtcbte), Frank (ober indiiiihe Verwandtschaften im 
Aegyptischen, in den Abbandl. der bayr. Akademie von 184o), 
Letronne (in der Revne des deox mondes fevr. 1845), 



V. 

Ikber die orientaHschen und mythologischen Quellen, die 

Perioden umd allgemeine Litemtur der griechisehen 

Philosophie. 

Die Frage nach den Anfangen und Quellen der griechi^ 
sehen Philosophie hängt mit der obigen über das Object 
ier Philosophie und ihrer Geschichte zusammen. Schon in 
den zwanziger Jahren wurde hauptsächlich durch Lobeck 
CAglaophamuß sive de theologiae musticae Graecorum cau- 
818, Regiomont* 1839 II) und durch die gesdiichtlichen wie 
mythologischen Forschungen K. O, Müllers (Prolegomena 
zu einer wissenschaftlichen Mythologie, Gott, 1828 ; Ge- 
schichte hellenischer Stämme etc.) die klassische Romantik 
erschüttert. Damit auch die Neigung, überall Orientalisches 
und Urtraditionen zu sehen, obgleich diese Neigung kei- 
neswegs erloschen ist, wie die Schriften von Roth (Gesch. 
der abendl. Philos. Mannh. 1846), Gladisch (Einleit. in die 
Wellgesch.'^Posen 1844; Emyedokl^s und die alten Aegyp- 
ter in Noacks Jahrb. i847 S. 681 f.) zeigen. Darüber sjnd 
nun die Stimmfähigen einig, dafa die griechische Philoso- 
phie ein eigenlebiges Erzeugnifs des Volkes und keine Tra- 
dition ist. 

„Ihre Selbstständigkeit," bemerM Brandis (I, ^1.), „bewährt sich 
theils durch eine gewisse alle ihre Erscheinungen bedingende 
' Einheit der Grundrichtung, theils durch eine Abfolge ihrer 
Entwicklungen, welche die Megticbkeit einer über blofse ver- 
einzelte Anregungen hinausreichenden Einwirkung des Nicht- 
griechischen ausschliefst. 

Derselben Ansicht ist, um noch £linen anzuführen, Ritter 
(Gesch. d. Ph. I. 3. Absch.). Er erinnert an das Vonirtheil 
der Griechen gegen alles Barbarische ; an den Mangel der 



Sprachkande und bt^pnatr Verbinduiigtweg^ ; «n däii blot 
aurserlieh-iiierkaatilitchefi Charakur des Verkahrt; an die be^ 
fangcne natioDale AufTataang bei Herodot; an die Schwierig- 
keit philosopbiicher Mittheilung und Erregung selbst in uns« 
Ter Zeit, geschweige in jener, wo die Hellenen keine ägypti- 
schen oder persischen Schriften zu übersetzen gepflegt; an dia 
mangelhafte Bildung der Orientalen, welche die Geschicklieli- 
keit nicht blos zu wissan, sondern auch zu lehren aussehliefse. 
Zudem seien die Ueberlieferungen 6ber die barbarischen Leh- 
rer griechischer Philosophie bei den griechischen Schriftstel- 
lern selbst im Ganzen nicht sehr häufig und im Einzelnen 
nicht zum besten beglaubigt. Wenn Piaton zuweilen ägyp- 
tische Mythen auftihre, so nehma er es nicht so ernst (Phaedr. 
p. ^75). Erst io den spätem Zeiten, erst mit dem Absterben 
des wissenschaftlichen Lebens unter den Griechen, veryielftil- 
tigten sich die Gerüchte über die orientalische Abkunft der 
griechischen Philosophie. Die Spätem, sagt der Geschieht- 
Schreiber, wollen mehr wissen, als die Frühern, und davon 
lassen sich die Gründe nicht schwer auffinden. Nachdem dia 
Fähigkeit, Eignes zu erdenken, abgenommen, fing man an, 
seiner eignen Dürftigkeit in der Erfindung sich bewufst, über 
die AltcD, und woher sie ihren Reichthum genommen, zu grü- 
beln ; man verstand die reichen Q.uellen ihres Lebens, welche 
sie in sich selbst hatten, nicht mehr, da man sich selbst un- 
fähig ftind, aus sich Aehnliches zu schöpfen. Auch war man 
nach den Zeiten des Aristoteles mit dem Orient näher bekannt 
geworden ; man hatte Spuren einer frühem Bildung in ihm 
als in Griechenland gefunden, man war nicht im Stande, sich 
eine andere Bildung, als die griechische zu denken, die Ver- 
muthung war zu natürlich, dafs die alten Griechen ron den 
Orientalen gelernt hätten, wie die neuern Griechen von ihren 
Voreltern noch jetzt lernten. So wurden zwei Arten der Un- 
fähigkeit Ursachen dieser Vermuthung, dann des allgemeinen 
Irrthums und vieler daran sich anknüpfender historischer Muth- 
mafsungen: die Unfähigkeit, eine andre Bildung als die eigne 
zu begreifen, und die Unfähigkeit, in den höhern wissenschaft- 
lichen Gebieten zu schaffen. Man beurtheilte die Vorzeit nach 
sich, daraus entstand die schlechte Geschichte, weUhe den 
äufsern Zusammenhang an der Steile des Innern zu gewjnnen 
suchte. Als nun noch die orientalische Phantasterei in der 
Geschichte um sich griff, erhielt man Ueberlieferungen, wie dia 
der Neu - Platoniker, welche im Ganzen niemand gebrauchen 
kann, viele aber im Einzelnan zo gebrauchen vcfsuchen etc. 



Ab^r iiicdit blo» dk EkiwMiieniiig der pUto«e|A]8chen 
Ideen aus dem Orient nach Griechenland, aondem anch die 
Annahme, dafs die hellenische Philosophie einen mythischen 
oder mythologischen Anfang habe, ist eine stark bezweifelte 
geworden. 

Zwar spricht aach noch Brandit too einet mytlÜMh-peetischen 
Wtinel 4tt griechicchen Philetogheine (L S. 40)) verbreitet 
sich dem genfifi Über Orpheat (G. H. Bode^ quacstiones de 
antlqniftsima carminum Orph. aetate patria atqpie indole, Gott, 
1638), nicht ohne ^ auf das der orientalischen Kmanatisnslehre 
Entgegeagesetate an^erksam zu machen (S. 70.) ; handelt von 
Hesiodos, über welchen nun die Schrift von Sontbeer (Ueber 
d, Urform d. Hestod. Theogonie, Berl. i837), die Abhanl- 
lung von Cäsar (Zimmermanns Zeitschr. 1843), die Ausgabe 
von Gottling (Goth. 184^) nachzuleben ist; zieht die Kosaio- 
gonien der mittleren Theologen eines Pherekydes (Fragm. ed. 
G. Sturz, Lips. 1824), welcher zwischen Ol. 45—58 gelebt 
haben soll, des £pimenides, wie die religiösen^ Ueberzeugun- 
gen der Gnomiker, des Pindar etc. in den Kreis seiner Be- 
trachtung. £r findet in ihnen, wie in den sieben Weisen (Dil> 
they, griech. Fragmente, Daruist. 1835; Wiskemann, de Lace- 
daemoniorum philosophia ac philosophis disputavit deque Sep- 
tem quos dicunt sapientibus, Hersf. 1840) die Anfange der 
griechischen Philosoj^ie. 

Aber Brandis kann sich selbst das Unsichere in den Nach- 
richten über Entlehnungen der Philosophen aus den Theolo« 
gen, wie die geringschätzige Betrachtung dieser bei Piaton 
und Aristoteles nicht verhehlen. Und daiiir, dafs die alten 
koimogonischcn Annahmen auf die früheren Philofopheme ein- 
gewirkt, die Wurzel der griechischen Philosopheme gewesen 
seien, bringt er keinen Beweis aus dem AUertfiume, der be- . 
friedigend Wäre. 

Um so stärker sind die gegentheiligen Gründe. 

Die religiösen Vorstellungen, aus welchen die griechische 

Mythologie erwachsen, bemerkt z. B. Ritter, seien zur Zeit 

des Thaies etwas Veraltetes und halb Vergessenes, halb Ver* 

Kachlässigtes, nicht mehr lebendig in die Entwicklung des 

« griechischen Geistes Eingreifendes gewesen. 

Zwischen der orientalischen und griechischen Mythologie 

•ei ein wesentlicher Unterschied, denn jene drücke ihre Ver- 

^ ehrung gegen das Göttliche in unforwitchen Symbolen aus, 

^ieae otchl. Aber Ip demselben Maalsc, in welchem die Göt- 



— tt — 

Utgtüd^tn haa^et^ty Mien die aiyt^tobtt Ventellkii^eii 
zur Erregn^ftg philoBophisefaer Gedanken unpaitend geworde»| 
hätten nicht so das Nachdenken mit dem Gedanken des Un* 
endlichen erfüllen können, wie die mythischen Symbole. 
Beim Beginne der historischen Zeit fanden wir bei den Grie- 
chen einen krassen Anthropopathismus. Dafs eine tiefere Auf- 
fassung des Religiösen zu dieser Zeit nicht in der allgemeineil 
Denkart gelegt, werde daraus bewiesen, dafs ihnen die Gt* 
sSnge des Homerot und des Hesiodos als Uuellen der Gottet^ 
lehre gegolten (Hcrodot II. 53). 

So habe die griechische Philosophie mehr Nutzen daraui 
gezogen, dafs die Religion ihr nicht entgegengekommen, oder 
ihr widerspreche n^ als dafs sie ihr einige Gedanken zur Er- 
forschung überliefert. Diejenigen ersten Philosophen, welche 
sich nicht etwa ganz gleichgiltig gegen alle religiöse \gezeigt, 
hätten entweder den Aberglauben des Volks und die alten 
ücbcrlieferungen von den Göttern .verspottet und geschmäht^ 
wie wir bei Xenophanes, Herakleitos und Anaxagoras fanden, 
oder sich Erfindung eigner Theogonie und Kosmogonie herane- 
genommen, wie Parmenides und Empedokles. 

Positivern Einflufs, habe man gemeint, möchten die Myste- 
rien auf die Philosophie geübt haben. Nach zuverlässigen Un* 
tersuChungen (Lobeck, de Orphei aetate diss. I — 111) sei je- 
doch vor Homer kein geheimer Gottesdienst nachzuweisen. 
Daher die Annahme, dafs die mystischen Religionen in Grie- 
chenland ein Werk des reifenden griechischen Geistes gewe- 
sen. Wie nun die öffentliche Religion sich immer mehr tfSit 
künstlerische Darstellung und in Verbindung mit- dieser aut^ 
gebildet hätten, so schienen die mystischen Gebräuche und 
Erzählungen mehr dem philosophischen Gcdankfn vorgearfoei** 
» tet zu haben, ohne doeh selbst auf den Namen der Philosophie 
irgendwie Anspruch zn haben. 

Es frSgt sich überhaapt, wo die Quellen Aer Myiha* 
logie aufzusuchen sind. Solche lassen sich nun drei fin* 
4len: der individuelle Geist, die ^attir und die Gesehichte» 
Der Geist hat gewisse Zielpunkte, welche man im popu- 
lären Sinne Ahnungen, im wissenschaftlichen Ideen nennt, 
und sie häufig den Begriffen entgegensetzt. Wir ahnea, 
dafs das Gute zur Herrschaft kommen, dafs das kurze Les- 
ben nicht der Abschlufs unsres Wesens, uusre jetzige Biit- 
>ricklung nicht die möglichste und alleinige sei etc« Die*» 
seit Ahttwtgeii enlspricbt die Mythe vem Kampf des G«tM 



I 



und Bösen, roh d^r Geisterwelt, Jii^ urdte Lehre ron der 
Maiitik, Prophetie etc. Früh bemerkte ferner der Mensch 
über sich Gestirne, aufser sich Körper, welche von grofseoi 
Einflüsse auf ihn waren, welche er als unerkannte sich ge« 
recht zu machen suchte, insofern gestaltete sich schon die 
Ueberzeugung oder die Religion, dafs hinter den Erschei* 
nungen etwas liege, was selbst nicht Erscheinung ist, viel* 
mehr sie bestimmt. Gab nun die kindliche Menschheit die- 
sen Ahnungen einen Namen, so konnte es nur durch Ue- 
bertragung geschehen. Und fixirte sie die Uebertragung, 
so war das Symbol, das Bild fertig. Ein Stier, eine Kuh, 
eine Schale, eine Pflanze, ein Schwert, eine menschliche 
Gestalt mit gewissen Charakteren etc. sollten sprechen« In 
der Vorhalle eines Tempels zu Sais waren abgebildet ein 
Kind, ein Greis, ein Habicht, ein Fisch und ein Flufspferd. 
Diefs las der Aegypter: O ihr, die ihr geboren werdet u:id 
sterbet, die Gottheit hasset die Unyerschämtheit. Compleze 
beider Factoren, und damit das Aufhören, des reinen Ster- 
nendienstes, mehrten die Mannigfaltigkeit der Symbole. Es 
fand aber in der Natur wie im Geiste stets Bewegung statt 
und es mufsten sich darum auch die Symbole bewegen, d* 
h. zu Mythen werden. Und da dieses in der Zeit geschah, 
und bei wenig gebildeten, wenig unterrichteten Völkern, so 
konnte sich das Ungeschichtliche, oder Ewige in Natur 
und Geist leicht mit dem schon in ferner Dämmerung lie- 
l^enden Geschichtlichen vermengen. Daraus entspannen sich 
diö Anfange der Heroensage, welche freilich auch durch 
den Zug des Menschen nach Vergöttlichung, nach ei»em 
Aufsteigen unterstützt wurden. Die Thätigkeit der Men- 
schen bei der Aussprache, Fixirung und ins Leben Setzung 
läfst sich endlich in eine unabsichtliche und absichtlich^ 
trennen. Die absichtMchen Symbole und Mythen giengen 
von Dichtern, Politikern und spätem Theologen aus. Sd 
hat man die Mythologie schon im Alterthume aufgefabt, 
Euemeros sucht das Geschichtliche vom Ungeschichtlichei^ 
%n scheiden. Bei Antisthenes und Chrysippös, wie bei Pia- 
ton und Ai^toteles und so vielen Andern, werden die Ue- 
bersetzungen gewisser Züge und Eigenschaften der Natur 
und des Geistes, in Bild und Mythe zurückübersetzt, d* iu 

als 



— S3 — 

alg Allegorien betrachtet. Aristoteles findet z. ß. (Metaph. 
!• 3.) in den Mythen von Okeanos, Thetys und Styx eine 
kosmolbgische Theorie; in der Mythe von Aphrodite und 
Ares den Gedanken, dafs kriegerische Naturen Hang xur 
Liebe haben (Pol. 11. 9.) ; in der Mythe, dafs Athene die Flöte 
weggeworfen, den Gedanken, dafs Flötenspiel zur Geistes- 
bildung nicht tauge etc-. Bei den Philosophen, von Xeno^ 
phanes, Piaton, Epikur bis auf Plotin, herrscht die Ansicht, 

«dafs Homer und Hesiod durch dichterische Erweiterungen 
Götter gemacht hätten etc. Der politische Factor schlägt 
bei Piaton (Rep. 377, A) und Aristoteles (Polit. VII. la.) 
vor« Sie lassen der Gesetzgebung und der Volksleitung zu 
lieb den Götterglauben bestehen» Es sind besonders zwei 
Stellen des Aristoteles klassisch zu nennen, welche zugleich 
die antike Religionsphilosophie verdeutlichen. In der er- 
sten erkennt er die äufsere reale Grundlage in der Natur 
und die Politik als Factoren der Mythologie an. Er sagt 
CMetaphys. XII. 8): JIaQadsdoTai de Ttaga twv ctQyaimv 
%at nafina^amv sv /vv&s ayjjftari KaTaXeXeiftfieva roeg 
voTCQov, mi S'soi T8 eiaiv öroi nae neguyei ro S'eiov Tfjv 
oXr^v rpVGiv* Ta fie Xoma fivd-iKvas r^&ij nQOOfjKrai nQOS 
fffV neid-fo TviV tioXXwv %ai nQOg tt^ih hs T8g rofisg %(h 
TO ovfitpeQov XQrjOiy* av^Qmnosideig Te yaQ thths %ai 
ipwv aXXmv ^fatav ofioiss i^ioi Xsysoi %ai %h%oi$ i^cQa ano^ 
Xe&a nai nu^auXr^oia toiq eiQfj/iievoig. In der zweiten bei 
Sextus adv. Math. IX. 20 sq. betont er auch den psychi- 
schen Factor. Wir lesen hier: AQiaTOxeXr^s 8a ano dvoiv 
aQY^fov Bvvoiav 'd'iiav eXsys yeyorevai ev roig av&QWTtoigi 
ano T€ Twv neQi Tf^v yjvyr^v aviußaivortmp xai ano niav 
fiBveiüQiav* OTav yag, qrr^aiv, ev %m vjivhv xa&* iavifjp 
yevfjtai 17 '^vytj %o%e %fiv iSiov anoXaßsoa fpvoiv nQOjuaV" 
%evB%ai re nai nQoayoQsvei ra fieXXovTa* e% tutwv sv 
(pfioiv vnevo^aav 61 aV'&QMnoi Bivat %i &uov to x«^' i«t/- 
TW eoiTLog %fi 'ipvyjfj Hat navTvav eniaTf]fiovixwTaTOV CVgl. 

' Krische S. 17. 57. 162. 147. 204 ; Ritter, Gesch. d. Ph. IV. 
552). Oasselbe sagt uns endlich die ganze griechische 
Kunst, in welcher die tiefsten menschlichen Ahnungen von 
4em Geiste- verkörpert sind. Nach Allem sind bei der Phi- 
losophie und Mythologie einerseits und bei den verschied- 
Ounpoecbff Dr. V. F.i Geschichte d. Philosophie. 3 



— 3* — 

nen Mjrthologieen andrerseits die Quellen dieselben und 
das fortwährende Soeben der Gelehrten nach Enilehntem 
ist eine fortgesetzte Lächerlichkeit. Die Quellen brauchte 
der griechische Philosoph nicht erst aus dem Oriente zu 
bol^n, denn jeder der Mythologen und Philosophen hatte 
die Hauptqueüen rör und in sich. Ja insofern zwei Facto- 
ren, die Natur. und Geschichte, bei den Völkern Verschie- 
denheit zeigten, konnte nicht einmal eine Entlehnung statt- 
hnden. Nimmt iman aber, Schelling sich nähernd, an, dafs 
die Gottheit nach der Schöpfung, durch diese soUicitirt, ein 
Andres geworden sei und eine zeitliche bis zur indiyiduel* 
len Inqarnation sich steigernde Immanenz, ein Prozefs der 
Gottheit im mythologischen Bewufstsein der Menschen statt- 
gefunden habe, so repräsentiren die Völker Stufen, müssen 
also etwas Eignes, nicht Entlehntes haben. Und die Philo- 
sophen werden in diesem Falle als solche betrachtet wer- 
den müssen, welche die Stufe ihres Volkes bereits über- 
wunden haben und überwinden wollen, statt als Entlehner 
und Nachtreter. Eine etwas^ genauere psychologische und 
naturhistorische Forschung wird die Abwege immer mehr 
beseitigen. Als Beispiel kann Pipers Anschauung des Chi- 
nesischen dienen, welcher chinesische Lehren mit Lehren 
von Schelling, Oken, Aristoteles, Empedokles ete, paral- 
ielisirt. • 

Piper (Die Philosophie der Chinesen; Noacks Jalirb. 18/|7. S. 485) 
sagt: „Die wesentlichen Naturerscheinungen, welche sich of- 
fenbar ereignen, sind überall dieselben. Daher miisscn auch 
gewisse wesentliche Punkte der subjectiven Naturlebre über- 
all wiedergeEiinden werden. Wo nun namentlich die auf wi- 
tzige Zusammenstellung entfernter Aebnlichkeiten ausgehende 
Identitätslehre geltend ist, mufs die Zahl dieser Congruenzeh 
vorherrschend werden. Das scheint nicht überall hinlänglich 
beachtet worden zu sein. Vielmehr hat man, wo man solche 
Congruenzen fand, sogleich auf Uebcrlieferung geschlossen, 
oder, wo man sich keine Uebcrlieferung denken konnte, das 
Dasein der Congruenzen leugnen wollen. So geschah es vor 
einigen Jahren, als man anfieng, den Pararelsus zu bearbei- 
ten und viele Debereinstimmungen mit den Lehren der neue- 
ren naturphilosophischen Schule fand. Diejenigen, denen diese 
Uebereinstimmung nicht wünscbenswerth schien, -heklagten 






— » ~ 

( 

sich, dafs man den alten Mystikern die besseren Lehrei^ der 
neueren Zeit andichten wolle; sie hielten es auch vielleicht 
für unmöglich, dafs man in so verschiedenen Zeiten auf glei- 
che Gedanken kommen könne. Aber wer dies fUr -unmöglich 
hält, der verkennt die Bedeutung der in dem Geiste der Iden- 
titätslehre erfundenen Theorie." 

Die griechische Philoso]J)iie hat man in drei Perioden 
getheilt: in die vorsokratische Philosophie mit Einschlufs 
der Sophistik; in die Periode des Sokrates, Piaton, Aristo- 
teles; und in die nacharistoteli^che mit Einschlufs des Neu- 
platonism. Nach dem oben Gesagten mufs aber diese dritte 
Periode gespalten werden« In dieser Beziehung ist auch 
Rixners Anschauung eine unrichtige. 

„SthoB Ast und ihm folgend Rixner, bemerkt Zeller I. S. 35« , 
unterscheidet in der Geschichte der griechischen Philosoph!^ 
drei Perioden, deren letzter erst Sokrates angehören soll: die 
Periode des jonischen Realismus, des italischen Idealismus und 
der attischen Ineinsbildung beider. Diese Eintheilung ist je- 
doch — abgesehen davon, dafs auch die italische Philosophie 
als idealistisch bezeichnet werden kann — schon defswegen 
, verfehlt, weil die sogenannten zwei ersten Perioden der Zeit 

nach zusammenfallen und sich auch ein innerer und äufserer 
Zusammenhang des jonischen und italischen Pbilosophirens 
Miehweisen läfst. Die Richtungen, welche hier an zwei Pe- 
rioden vertheilt sind, müfsten daher richtiger als gleiehzeitige 
sich gegenseitig ergänzende Momente der philosophischen Ent- 
wicklung in derselben Periode gefafst werden." 

Die vorzüglichsten allgemeinen Werke über die griechi- 
. sehe Philosophie sind, aufser den Werken von Ritter, Mar- 
bach. Reinhold, Schi ei ermach fer, Hegel etc. über Geschichte 
der Philosophie überhaupt: 

Chr. A, Brandis, Handbuch der Geschichte der Griechisch- 
Romischen Philosophie, Bcrl. 1S35 f. 

A, B. Krischo, Forschungen auf d«m Gebiete der alte» 
PhlUesophie, Gott. 1840. i. B. : Die theologischen Lehren der 
griechischen Denker. 

Ed. Zeller, die Philosophie der Griechen, Tüb. 1844 f» 

Die speziellöti Arbeiten werden unten ihre Stelle finden. 



8* 



— M — 

VI. 

Ueber CharaUer, Entwichlunffsgang und GestalUn der 
ersten Periode der griechischen Philosophie. 

Wenn Rixner von dem Realismus der jonischen Schule, 
dann von einem U ebergange der NaturphtlosOphte in Dua- 
lismus bei Anaxagoras, dann von dem Idealismus der Pytha- 
goräer etc. spricht, so isl damit der Cardinalpunkt und die 
Gestaltung der Philosophie in der ersten Periode mit mo- 
dernen Ausdrücken gemessen. 

Der Hauptpunkt der ersten Periode besteht in Aufsu- 
chung einer Einheit, im Gegensalze zur Vielheit der Er- 
scheinung. Dies ist das durch den menschlichen Drang 
nach Individualisation gebotene erste Problem, Von Par- 
menides wie von Protagoras, Democrit, Empedokles sagt 
Aristoteles (Metaph. IV. 5.) ^ %a ovra vneXaßov uvai t« 
aiad-riTa ftoror. Von Parmenides und Melissos sagt er 
(De coelo III. i.), sie hatten zwar zuerst erkannt, dafs es 
ein Ewiges und Unbewegtes geben müsse, jedoch in der 
Meinung, es sei nichts wirklich als die sinnliche Wesen- 
heit, die Bestimmungen, welche nur auf jenes pafsten, auf 
diese übertragen. In Betreff der Pylhagoräer bemerkt er 
(Metaph. I. 8« 5,)) sie hätten zwar unsinuliche Principien 
angenommen, betrachteten jedoch, in Uebereinstimmung mit 
den andern Physiologen, das Sinnlich -Wahrnehmbare (aio- 
S'fjToV) als das Seiende, hätten sich ganz mit der Physik 
befaist, und ihr Princip werde als Stoffartiges gefafst. Rea- 
listen sind demnach alle Philosophen dieser Periode, wenig- 
stens in gewissem Sinne, insofern nemlich keiner .Idealist 
ist. Selbst die Eleaten fassen ihr Eins als iv owc^es, ola 
0(paiQ7jg tvaXiyiniov oyxm, Hcraklit als nVQ aei^wov. Bei 
Anaxagoras. ist der vsg Beweger der Materie, nicht von die- 
ser gelöst. Und selbst die Sophisten sind die reinsten Sen- 
sualisten* Mit Recht weist darum Zeller (I. 54 f.) die Ein. 
theilung in Realisten und Idealisten ab. Nur in den Stre- 
ben nach Einheit, in der Zurückföhrung auf die Einheit, 
mit einem Worte in der Reductionstheorie treffen alle Phi-. 
losophen bis auf die Sophisten zusammen. Aristoteles Me- 



- IT - 

tapb. I. 3 r Set yag e$¥a$ tipa tpvetv fumv f] n^uHS fuccs, 
«5 wv pyrerat TuXXa om^o^evfis exeirtjg. Und 1196h den 
Fragen, welche sich hiebei ergaben, erkenn! man die Un- 
terschiede. Auf die erste Frage nach der Beschaffenheit des 
Eins antworteten Einige mit Feuchtigkeit, Andre mit JLuft, 
Andre mit Feuer etc., die Pythagoräer mit der Monas, die 
Eleaten mit dem Sein schlechtweg etc. Das Moralische ini 
Guten des Empedokles (Aristoteles, Metaph. !• 4« 5.) und 
Abstracte im Vollen des Leucipp und Demokrit (eb. 1, 4« 
13) etc. mufsten dabei immer mehr über das speziell Phy- 
sische den Vorschlag gewinnen. Die zweite zur Unterschei- 
dung föhrende Frage war die, wie die Einheit zur Viel- 
heit' wird und umgekehrt. Man antwortete hierauf: durch 
Verdünnung und Verdichtung; durch Verbindung des Be- 
grenzten und Unbegrenzten ; durch Bewegung, Anziehung 
und Abstofsung, dnrch 4jvvxQiO ig und diaKQioig (Stob. EcK 
phys. 4i4) etc. Die Mittel, das Viele aufzuheben, boten 
die Begriffe des ii/, unHQOV icai fiiaigeTOV, des aweyss des 
Ewigen und Unbewegten, der (piXta nai veixog, der avay- 
xf], itjitaQfiein], des koyog, rng, des iv xai nav, des Atoms 
etc. Man benützte bald die Erfahrungen am Urschleim, an 
dem Athemzug,' bald die Wahrnehmung, dafs alle mathe- 
matischen Verhältnisse auf die Einheit sich gründen, bald 
den atpaiQog, also bereits auch die^ Hypothese. Wo etwa 
eine begriffliche Einheit, wie bei Parmenides, eine stoff- 
artige, wie bei Melissus, nicht hinzureichen schienen, wo, 
wegen Schwäche der philosophischen Gründe, Gefahr für 
den Bestand der Einheit und für die Reductionstheorie 
drohte, da scheute man sjch auch nicht, das Theologische 
herbeizuziehen (Xenophanes). Es war hiebei, unter steter 
Voraussetzung des Einen, wahrhaft Seienden, sehr natür- 
lich, dafs man am Ende bei Aufhebung des Vielen ankam, 
wie die Eleaten. Die letzte Consequenz der Reductions- 
theorie ist die Verwandlung des Vielen, des Entstehens und 
Vergehens in Schein. 

ZcUer hat zwar die Philosophen des Seins (die alteren Jonier, die 
Pythagoräer, die Eleaten) von denen des Werdens (Heraklit, 
Empedokles, Demokrit, Anaxagoras) geschieden und damit den 
erstem nicht blot die Frage naoh der Art des Werdens, son- 



- .1» ~ 

derti nach dem Werd«ii aelb^ in der HanptsacW abgesinroofeen; 
Dagegen ist aber Brandt« in der Receiwion Zelkrs (Fichtea 
Zekschr. für Pb]Jo8Q|>bie XIII. S. 137 ) aufgetreten. Zur Wi^ 
4erlegang der Annabmey dafs Tbalc«, AnaTcimander und Ana« 
ximenes ein robendes Sein als Prinzip gesetzt baben, sagt er, 
reicht die Anfuhrung der Worte des Anaximander bin: „,yWo> 
her das, was ist, seinen Ursprung hat, in dasselbe hat es auch 
seinen Untergang etc."" Völlig im Einklang mit diesen Wor- 
ten sagt Aristoteles (Metaph. I. 3.) von den ersten Philosophen, 
sie hätten das als Element und Princip des Seienden gesetzt, 
woraus alles Seiende sei und woraus es, als dem Ersten, werde 
und worin es, als in das Leiste, rergebe, indem die Wesenheit 
bleibe und den Affectionen nach sieh verwandle. Dmrum auch 
hätten sie dafür gehalten, dals Nichts werde n«ch vergehe, da 
Jene Naiur immer sich erhalte. Sie fragten also nach dem 
inhaftenden, keineswegs nach dem ruhenden Sein, woraus alle 
Veränderungen würden, und in welches sie zurückkehrten. 
Anaximenes soll nach Berichten, deren Beweiskraft durch trif- 
tige Analogien verstärkt wird (Brandis Gesch. der Gr. R. Ph. 
I. l43), sein Urwesen als ewig bewegt bezeichnet haben. 
Wie sollte auch nlclit zuerst und vor Allem der Wechtel der 
Erscheinungen und die Frag« nach ihrem Grunde zur Be* 
Btimmtheit des Bewufstseina erheben worden sein? wie der 
ehngleich entlegenere, der unmittelbaren Wahrnehmung 90 ahn- 
gleich fernere Begriff eines ruhenden Seins hervorgetreten sein, 
bevor man noch, eben im Forschen nach dem Grunde der 
Veränderungen, ihn hinzuzudenken sich genothigt gesehen? 
^ Wenn Hegel (und mit ihm Zeller) mit dem Gegensatz von 
Sein und Nichtsein beginnt, so steht er auf der Abstractions- 
basis vieler Jahrhunderte. 

Eine dritte die einzelnen Philosophen unterscheidende 
Frage konnte die Ursache zur Vielheit aus dem Einen be- 
tre£Pen. „Als man weiter gieng, sagt Artstoteies (Metoph. 
I. 3. i5), wies ihnen die Sache selbst den Weg und zwang 
ztfr Forschung. Denn zugegeben, alles Vergehen und Ent- 
stehen aus Einem oder Mchrerem sei, woher kommt dies 
und was ist die Ursache? Denn das Subject bringt sich 
nicht selbst zur Veränderung." Eine vierte Frage konnte 
auf den Grund der Beschaffenheit des Vielen gehen. „Es 
ist nicht wahrscheinlich, sagt Aristoteles (Metaph. I. 3. 21), 
dafs jene Männer geglaubt, dafs das Feuer, oder die Erde, 



— «p — 

oder etwas solches der Grund sei, daTs di0 Dinge gut und 
echön sind und werden. Auch gicng es nicht an, dem Zu« 
falle und Ungefllhr ein solches Geschäft anheimzustellen. 
Wer nun sagte (Herniotimos, Anaxagoras), dafs der Natur 
ein Verstand, als Ursache der Zier und ganzen Ordnung, 
einwohne, erschien wie ein Bewufster unter Taumelnden/^ 
Kine letzte Frage konnte endlich den Endzweck betreffen, 
welchen das Eine beim Werden zum Vielen hat. Aber 
diese Frage gieng schon über das Vermögen der ersten 
Periode. Wir finden zwar bei Parmenides einen DuaHsn 
von Ursachen, bei Empedokles die q)iXia nai vsixoe, bei den 
Atomistikem den Gegensatz des Seienden oder Vollen und 
des NichtSeienden oder Leeren, bei Anaxagoras den vng als 
Gegensätzliches. Aber dies sind mehr Erklärungsmittel des 
Werdens des Vielen. Der Endzweck bleibt verborgen* 
Aristoteles sagt: 6i fxev yctQ ¥hv Xeyo^Teg f] (p(kiav dg 
aya&ov ftev ti Tavrag rag aiTtdg ttd-eaoiVy s f^itiv dg 
iv€xa y8 T8TWV 7j ov fj yiyro/ttevov ti rwv of^rmv, aXk' dg 
ixno TUTüop T(xg xivrjaeig saag XepttJtv. Die Fassung der 
Vielheit als linanenten, des anciQOV^ neQteyov na^i^ag Tsg 
H^vagy S'€iov etc. liefs die causa finalis nicht aufkommen. 
Fragen nach Sein und Werden an sich, nach der BeschaC* 
fenheit, physikalischen Stellung und Umwandlung des Vie- 
len, sind dagegen nur acciden teile der Reductionstheorie 
und deuten oft mehr den naturhistorischen als philosophi- 
schen Standpunkt an, unterscheiden zwar die einzelnen Ge-< 
stalten, heben aber den gemeinsamen Zweck Aller nicht 
auf. 

in Betreff des Thaies^ welcher nach Apollodor 640 
geboren worden, ist (zu §. 5o. 2.) die Stelle des Stobaus 
Eclog. I. pag; 56, zu erwähnen,' wo das •d-eiov gleichgesetzt 
wird einer &vr(x/tig dsia xivfjTiTiff 8ia t8 ü^oysttadsg vy^H 
dtr^zsGCt. Cicero's Stelle ist unbrauchbar (De nat. deor. I, 
10). Thaies konnte in seinem Zeus einen persönlichen 
Gott denken, wollte es aber nicht, sondern setzte Götter 
gleich Kraft (Arist. de an. I. 5.)^ t)as Verhältnifs dieser 
Kraft zu dem unendlichen Nassen, als Einheit^ aus der und 
in die Alles geht, dachte sich Thaies vielleicht dem zwi- 
schen Seele und Leib gleich (Brandis 1. S. 1 iB). 



-. 4i - 

Dem Grundgedanken des Anaximander (610 — 547 
T« Chr.)) welcher von Aristoteles angefochten worden (Rix. 
$• 53, A.), kommt man vielleicht am nächsten, wenn man 
an die statische Bewegang des Wassers, oder den chemi* 
sehen Prozefs einer Flüssigkeit denkt. Anaximander selbst 
dachte an einen solchen Vorgang. Die Masse wird durch 
Steigen und Fallen der Tropfen» durch Scheidung und Ver- 
wandlung ihrer Theile in der Existenz und ihrem allgemei- 
nen Begriffe der Flüssigheit nicht bedroht. Sie bleibt und 
auch ihre Kraft und Ursächlichkeit der Ver&uderung gehen, 
trotz aller Veränderung der Theile, nicht verloren. Ab 
ttnmQor, c^avaTov, avioXe'O'QÖr, d-eio^f ist es nicht von dem 
^iel der Theile gefährdet. Der Stoff überhaupt, als nicht 
individuallsirtes Eins iaoQiatov^^ geht durch die Ausschei- 
dung, Individualisation so if^enig verlol*en, als das Wasser 
im Tropfen. Er stieg über Thaies hinauf^ weil er das in- 
dividuelle Piasse zum posterius der Bewegung im imeiQOV 
machte und wiederum die Bewegung zur Folge der von 
diesem ausgehenden Leitung machte. Das Unendliche als 
Herrschendes und die Kraft des Thaies berührten sich aber, 
wiederum. Es scheint, dafs dem Anaximander die Indivi- 
dualisation, das Werden des Vielen, die Bewegung im Eins, 
als Unvollkommenheit, als aSiXiu erschienen (Simpl. inArist. 
phys. fol. 6. a.), die Sühne verlangt. In diesem Falle müfste 
man die Bewegung nur als am Urgründe seiend, dagegen 
die Leitung als im Urgründe seiend fassen. 

Ueber Anaximander bandelte, aufser Sckleieriuacher, Ritter (Gesch. 

der Jon. Philos.) etc., unter den Franzosen Mallet (Histoire de 

la pliilosopli. ionienne, Paris 1842). 

Dafs aurh bei He ra kle ity über welchen, aufser 
Schleiermacher, Eichhoff (Disput. Heraclit. Mogunt. 1834) 
schrieb, die Zurückführungstheorie die Hauptsache war, be- 
lehrt uns schon der Satz: „Verbinde Ganzes und Nicht« 
ganzes, Zusammentretendes und Auseinandertretendes, Zu- 
sammenstimmiges und Mifsstimmiges, so wird aus Allem 
Eins und aus Einem Alles!-' (S. fr. 37. 38.). Von hier aus 
bleibt die Parallele zu dem aneiQOV des Anaximander mit 
seinen Gegensätzen in den Theilen, wie zu dem ip xai nav 
der Eleaten offen. 



— 41 - 

Wmui sich Zdkr beoUUit, den ^uammei^uuig im Herakleit mit 
den .Eleaten nachsawcifen (I. S. 131. lOl f.)» so glaubt Bran- 
diB, Herakleit habe, wenn seinem ersten Satze „Alles sei im 
ewigen Werden begriffen*' sogleich der zweite folge ,, Alles Wer- 
den habe einen Gegensatz der Bewegung zur Voraussetzung,*' 
damit nur deutlich und bestimmt ausgesprochen, was Anaximan^ 
der im Sinne gehabt. Wie sehr sich daher auch Herakleit in 
scharfer Auf&ssung de» Begriffs eines aller concreten Erschei- 
nung Torauszusetsenden Urgrundas, in folgerechter und um- 
fassender Durchführung, in sorgfältiger Beachtung der verschie- 
denen Arten der Erscheinung iU>er seine Jonischen Vorgänger 
erhoben, ohngleich näher sei er dem Anaxtmander als den 
Eleaten und Pythagoreern gestanden. Die Bewegung scheint 
steh Herakleit durch das Feuer, als Bewegendes im Eins, indi- 
iridualisirt zu haben. 

Die Lehre des Empedokles sucht Zeller (I. S, 173 f.) 
ab Combination eleatischer und heraklitischer Elemente dar- 
zustellen« Er giebt aber S« 190 zu, dafs zwar die (pikia des 
Empedokles dem Eins der Eleaten, der Hafs dem Streite 
des Heraklit entspreche, jedoch schon die Heraklitiscfae Lehre 
beide Momente^ enthalte, die Unterscheidung bei Empedok- 
les als eine Analyse der letztem betrachtet werden könne. 
Damit tritt denn auch bei Zeller der Einflufs des Pythago- 
ras in den Hintergrund C^. 169). So sehr ferner der Zu* 
sammenhang der pythagoreischen und eleatischen Lehre auf 
die des Empedokles, zu einer Verbindung, hindrängte (Diog, 
L. Vill. 55. 56. Simplicius ad Phys. fol. 6. b.), so wenig 
scheint ein Einflufs Heraklits angenommen werden zu müs« 
sen. Der vielbetonte vh%os steht der adixia des Anaxi- 
mander ebenso nah, als dem noXs/^iog Heraklits. Und an 
Abweichungen beider von einander fehlt es nicht. (Vgl. z, 
B. die Stelle des Piaton, Rix. i3o). Soll ein relativer Fort- 
schritt bei Empedokles angenommen werden, so liegt er in 
der Hypothese des Sphairos, einer dem gegenwärtigen Welt- 
zustande vorausgehenden Einheit des Geistigen und Mate- 
riellen (Simpl. ad Phys. fol. S72 b; Aristot. Metaph. Hf. 4; 
De gen. et corr. II. 6; De an. 1. 5.), dem Gott des Empe- 
dokles^ in dem nur Kypris, nicht Ares, noch Kydoimos, 
noch Zeus, noch Kronbs, noch Poseidon Raum hat, wo die 
Einheit herrseht und die Eintracht, - und in welchen die 



— « — 

Vielheit znrücliRehrt, wie ^ie ron ilm ibi'eii Ausgang ge- 
nommen hat. Aber man gelangt damit zwar über die 
vier Elemente hinaus, jedoch nicht weiter, als schon Anaxi- 
mander durch das dem einzelnen Element vorausgehende 
oneiQov gekommen. 

Die Fragmente des Empedokles lammt deaen des ParmenideS' ga- 
ben, nach Sturz, Peyron (Lips. l8io), S. Kartlen (Philosepho* 
mm graec. ante Plato». reliquiae, Amst. 1938) itnd Th. Bergk 
herans (Peetae lyrici graec», Callintn, Tjrtaeut. Anus, Sblon, 
Xenephanet, Empedokles, Critias, Socraten, Plat« etc. Lips. 
1843); Panzerbieter (Beitrage zur Kritik und Erklamng des 
Enpedokles Meinnng 1844 und in der Zeitacbr. v. Bergk und 
Cäsar Jabrg. 1845 Nr. iii). 

Anaxagoras^ geb. Ol. 70 f Ol. 88 1, sucht die Ein- 
heit einerseits im Vielen, verwandelt jedes davon in Eins, 
das nicht wird und nicht vergeht, sondern spezifisch Be-* 
stimmtes, oneq/^ia ist, läfst aber andrerseits in Allem von 
Allem sein, wodurch die Mischung zum Mittel der Einheit 
wird und der VHS zum Binder und Ordner, Aber auch die- 
sen will er als Eins, als unvermischten, stets bei sich seien- 
den, überall gleichen betrachtet wissen. Endlich ist ihni 
auch die Welt eine Einheit (Brandis G. d. R, Gr. Ph. I. 
25i). Ueber das Verhältnifs des Anaxagoras zu den "fibri- 
gen Philosophen spricht Zeller I. 235 f. *und sucht, unter 
Zusammenstellung des 22. Anaxagori*. Fragments mit Vers 
77 f. von Empedokles, darzuthun, dafs die Ausbildung der 
Empedohleischen Lehre vorangegangen und nicht ohne Ein- 
flufs auf jenen gewesen. 

Ueber Pherekydcs schrieb In neuerer Zeit Creiizcr (Wiener Jahrb. 

B. 61); über Anaxagoras F. Breier (Die Philosophie des A. 

Bcrl. 1840). 

Ueber den Fortschritt, w^elchen Diogenes von Apol- 
lonia vertreten soll, sind die Stimmen neuerer Geschicht- 
schreiber getheilt. 

Die Quclleo über ihn fliefsen ziemlich zahlreich, besonders bei 
SimpliciuB (In Phys. fol. 6. 33. 104. 105). Schorn hat die 
Fragmente lammt denen des Anaxagoras (B«n. 1829) Iieraus- 
gegeben, nnd Panrerbictcr eine Kritik versucht (Diog. Ap. 
Lfps. 1830). 



— 4» — 

Zdkr (Getfch. 4. Fh. I.' S* d4) etbuit Min |[e»jea%en bei, 
weUlie dem Oto^oet eise s^b^ständige Bedeatong für die 
Ei^vricklong de« Denkens abspreeben und üiin hocbfttens im 
Felde der empiritchea Beobaclitiiag einiges Verdienst zngeste- 
ben. Alle Grundzfige, sagt er, hat er von Anaximenes ent- 
lehnt: die Luft als Princip, die Ableatong aus dem Princip 
dnreh Terdftnnung und Verdichtung und dc1i Grundgegensatz 
des Warmen und Kalten, ^e ewige Bewegung der Urmaterie 
und die daraus folgende Ewigkeit der Weltbildung, die Welt- 
▼erbrennui^ und wähl auch, naeh Aaaximanders Vorgang, die 
Unzahl auf einander folgender Welten. Aneh in der wei- 
teren Ausführung des S)rstoms hllt er sich fast ganz an Anaxi- 
menes und Anaximander; wie diese beiden lälst ^r die Welt- 
bildui^ von der Erde ausgehen, wie Anaximander betrachtet 
er das Meer als Ueberbleibsel der ursprünglichen Feuchtig- 
keit beim allmähligen Trocknen des Erdkorpers. Was Dioge- 
nes zu dieser Grundlage hinzugefiigt hat, ist aufser spezielle- 
ren physikalischen Bemerkungen, die aber auch theilweise von 
Anaxagoras, Empedokles und Leucipp entlehnt sind, nur das 
Eine, dals er den Urstoff, durch Anaxagoras veranlafst, zu- 
gleich als denkendes Wesen bestimmt, und dafs er theils die 
ICothwendfgkeit, nur Ein Princip anzunehmen, theils die in- 
telligente Natur der Luft gegen Anaxagoras Tertheidigt hat — 
auch schon hierin hatte ihm aber Anaximenes durch seine Ver- 
gleichung der Luft mit der Seele vorgearbeitet. 

Dagegen erinnert Krischä (S. 171 f.): so lange eine Be- 
rücksichtigung des Anaxagorischen Geistes in Diogenes Bruch- 
stücken unnachweisbar, vielmehr sichtbar sei, dafs, was in 
diesen über die geistige Seite des Urwesens vorgetragen wer- 
de, als eine, gegen die frühere, neue Richtung der physiologi- 
schen Forschung betrachtet werden solle, könne man die Be- 
ziehung auf andre Versuche zunächst und unmittelbar nur an 
Empedokles Elemente anknüpfen, gegen welche sich IKogenei 
Grundstoff an sich, wie in der Zurückführung der Brsehti- 
nungen auf seine Modificabilitat natürlicher stellen möchten. 
Diogenes Lehre für einen gegen die Anaxagorische gerichte- 
ten Reactionsversuch zu erklären, könne man auf keine Weise 
bestätigt finden. Er betrachte des Diogenes Lehre vielmehr 
als einen nothwendigen Abschlufs der alten Jonischen Physik, 
welche Einheit des Grundstoffs zu ihrem Standpunkte genom- 
men. Drei Seiten machten sich bei Prüfung der Fragmente 
hauptsächlich bemerklich: die Feststellung der Einheit des 
Princips, der Nachweis des Inwohnens des Bewufstseins und 



•^ ** ~ 

die geiiaaere Bet^mtittg der nneftdlielieii Modificabilhat des 
Gnindftoffi f&r Ableitang det organifcbcD Dasetnt, wodurch 
Engleieh, bei dem erweiterten Beabaehtnngskreise, gründlichere 
Erklärung der einzelnen Erscheinangen möglich gewesen sei. 
In allen drei Seiten spreche sich die entwickeltere und jün- 
gere Richlang des Denkers unverkennbar ans. „Einen weit* 
ordnenden Geist, bemerkt Krische, über den körperiichen Stoff 
KU stellen, dies konnte der Eleatismns vermitteln, aber nur ein 
IMogenes zunächst hervormfea, der seine besondere Aufmerk- 
samkeit auf die bewegende und denkend^ Kraft hinlenkte, in- 
dcfs selbst noch nicht vermochte, die Einheit von Terstand 
und Materie aufzuheben; erst seine roijöig, wie sie verarbeitet 
war, erleichterte den immerhin gewagten Schritt, den der im 
hohen Alter schreibende Anaxagoras durch seine SonderoDg 
von Geist und Stoff wagte." 

Wie Anaxagoras suchten Leukipp (5oo r. Chr.) und 
Demokrit (460 — 357 r. Chr.) die Einheit im Untheil- 
baren. * 

Ueber diese handelten in neuerer Zeit: Sehleiermacher, über das 
Verzcichnifs der Schriften des Demokr. Liter. INachJ. zur Ph. 
B. 1. S. 300; Burchard, Demoer. phil. de sensibus fragm. 
Mind. 1830. 4; Derselbe, Fragmente der Moral des Abder. 
Demokr. eb. 1834; Fei. Papencordt, De Alouiicorum doclrina, 
Bcrol. 1831; Ritter in der Encyclopädie v. Ersch; Mullach, 
Quacstiones Democrit. Bcrol. 1835 sq. IL; Derselbe Democril. 
fragm. ib. 1843 ; B. Lafaist, dissert. sUr la philosophie atomis- 
tiquc, Paris 1833 ; AI. Franck, FragmcnU de Democrite in d. 
Mem. d. 1. Societe royalc de Nancy, Nancy 183«. 
Demohrit erinnert als Polyhistor, als Sohn eines könig- 
lichen Gastfreundes, als Meisler im Ausdruck, von Cicero 
mit riaton verglichen, als Freund eudämonislischer Verhlä- 
rung UvXoyiiJiV eidmXoyr, Hrische S. i54), durch sein Be- 
streben, das Gefällige mit dem Wahren, die Form mit dem 
Gehalt, die Leichtigkeit mit der Tiefe zu verknüpfen, durch 
seine Richtung auf die Natur, an Leibnitz, Göthe etc. Er 
ist, wie diese, fiir handgreiflich äufserliche Moralisten, für 
dürftige Systemaliker, für Particularisten inconimensurabd. 
In ihm sammeln sich, wie in einem Mittelpunkte, alle Sta- 
dien früherer Systeme, wie zum Theil Zeiler I. 2i5 i\ treff- 
lieh bemerkt hat, dessen Ausführung hier Rizners §§. er- 
ganzen mag. 



— u - 

Hatte, bemevlit der G^sdiiehttckf eiber, ^ Ucberseogiiiig ron der 
Unitiogiichkeit des Werdens de» negativen Ausgangspunkt der 
Parmenideischen Lehre gebildet, so versiebert auch Demokrit, 
von den ursprünglichen Stoffen kSnne keiner mis dem andern 
enutehen (Aristot. Pbys. III. 4. Stob. Ecl. phys. 4l4); hat- 
ten die Eleaten geläugnet, dafs das Eine Sein sogleich auch 
ein getheiltes, eine Vielheit sein könne (Parmenid. V. 60 sq. 
• 77 sq.), so lehren auch die Urheber des atomistischen Systems, 
es könne streng genommen, weder aus Einem Vieles, noch aus 
Vielem Eines werden (Aristot. de coelo III« 4 ; De gen. et 
cerr. I. 8; Metapbys. VII. 13.); hatten jene gegen die Mog« 
lichkeit des Werdens, der Vielheit und der Bewegung einge- 
wendet, dais 4er Grund derselben nur im Nichtseienden lie- 
gen konnte (Parmenid. V. 61 sq.), so wird er eben hierin 
auch von der Atomistik gesucht und auch in der Bestimmung 
des Nichtseienden, als des Leeren, trifft diese mit dem eleati* 
sehen System zusammen (Parm. V. 104 sq. Diog. IX. ^9). 
Wie ferner das Seiende von den Eleaten als qualitativ ein- 
fach und schlechthin sich selbst gleich, als frei von aller Ver- 
änderung und Passivität, als untheilbar und in sich geshhlos- 
sen beschrieben wird (Parm. V. 58 sq. 76 sq. 101 tq,), so ha- 
ben eben diese Prädicate die Urkörper der Atomistik und 
schon, dafs hier das Raumerfullendcj oder das Volle, dem 
Seienden gleichgesetzt und durch den Begriff des Seins er- 
klärt wird, weist deutlich auf den Vorgang der Eleaten hin 
(Parm. V. 59. 77 sq. IÖ6 sq.; Plutarch adv. Col. c. 4; Arist. 
Metoph. L 4. De gen. et corr. I. 8; wo bei Rixner §. 79. 1. 
xcci ra ovrof aSev fjuUiov ro firj ov zu lesen). Hatte endlich 
Parmenides, an der alleinigen Wirklichkeit des reinen Seins 
festhaltend, den Sinnen, welche eine Vielheit von Daseiendem 
zeigen, die Wahrheit abgesprochen, so wiederholt denselben 
Satz, und zum Theil mit denselben Worten, Demokrit, in^ We- 
sentlichen aus demselben Grunde, weil uns die sinnliche Wahr- 
nehmung nur ein zusammengesetztes Sein darstelle, nicht das 
reine Sein der Atome. Aoderer Seits sind das Sein und das 
Nichtsein, diese zwei Principicn der Atomistik, nichts Anderes, 
als das Eine Princip Heraklits, das Werden in seine Momente 
aus einander gelegt, der Streit, der nach Heraklit der Vater 
aller Dinge ist, auf seinen allgemeinsten Ausdruck gebracht. 
Von dem gelehrten Demokrit läfst sich nicht blos zum Voraus 
erwarten, sondern auch aus dem ethischen Theile seiner Frag- 
mente nachweisen, dafs ihm die Schrift Heraklits nicht unbe- 
kannt war. Wie nach Demokrit Fr. 13. die Götter den Men- 



— Ü — 

sdien ftllet Gate^ •g«l>«i^ vnä aar dicte telbtt m »'• Sdi&dliehe 
▼erkebren, so lebrt aoeli ^kr Epbenicbe Weite (Fr. 39 bei 
Scbleiermacber) : ccvS^xoic yivtcSm ixo§a SeXaCtv ex afjtei" 
vor. Wie jener die Seele Wobnnng des DfimMs nenat (Fr. l.), 
so Heraklit fast wortlicb gleicblavtcnd (Fr. 57): t^Sog cev^^w- 
jrtj Saifjuov. Wie jener (Fr. 77) bemerkt: Svfia fiaz^öSai x^ 
Xtytory so aueb dieser (Fr. 58): ;|fa>U;ro)f ^v/jm paxtCSai. Wie 
jener (Fr. 95) sur Selbsterkennlnifs ermabat, so bezeicbnet 
dieser (Fr. 73) ah den Zweck seines Lebens, dafs er sich ^ 
selbst gesucbt habe. Das Bedeutendste ettdlicb, auch die tv- 
eßra, welcbe Demokrit als das höcbste Ont pries, iH mit He- 
raklits evageönfötg^ identisch. Endliob ist die Bekanntschaft 
xwiscben Demokrit und Anaxagoras verbürgt (Diog. II. l4. 
IX. 3/il 4l ; Seztos Emp. adv. Math. YII. i40). Demokrit 
und vielleicht schon Leukippos schrieben jregt yi», beichäftig- 
ten sich also ohne Zweifel mit dem Priacip des Anaxagoras. 
Ihre Nothwendigkeit ist eine intelligible. Wir lesen bei Sto- 
bfius (Fr. phjrs. 4l. p. 160): yievxutxog :rcrra xat* cn'ccyxijY 
rijv d* avTtjv ^ vxaQX'iy eifJiccgfiivip^ ' Xeyei yccg tr r» itegi va .• 
adty XQVf^^ fxarrjv yiyvBfcti cdXa jrccvTa ex Xoys rt xcu vx 
nvayxrjg. Und die Worte bei StobSus (Fr. mor. i4. p. 344 ; 
Euseb. Pr. Ev. XIV. 57) ^^ccvS^tiscot rvxrjg eiSiaXov exjcjLa" 
ffccvro jtQOipaOiv tdirjg aßaXiijg x, ccvaijjg" zeigen, dafs Demo- 
krit kein Freund des Blinden gewesen. Ihm ist der vog das 
Göttliche (Krische S. 157), dessen Substrat die sphärischen 
Feueratome sind. Fand also von Seiten des Demokrit eine 
Polemik gegen Anaxagoras statt (Diog. IX. 34.), so fand doch 
auch eine Aneignung statt, so weit als es der Standpunkt des 
Systems zuliefs, welches von Aristoteles wegen seiner Conse- 
quenz gerühmt wird (De gen. et corr. I. «i. 8; De an. I. *i.) 
und sich durch das Streben nach Begriff auszeichnete (Me- 
taph. XIII. 4. Phys. II. fl. De pari. anim. I. 1.). 

Endlich gehorte Demokrit der Hauptrichtung seiner Zeit 
durch das Streben, das Eine festzustellen und herzustellen, ^n. 
Arii^toteles de coelo I. 7: ditogißrai fxev roig 6xrjfxaöiy' tiqy da 
^vOiv eivcci ipaCtv ccvrav fxiay; Metapb. XII. 5: xai, tlg jdrf^ 
fiGXQtrog (prjöiv rjv 6,U8 jtavra dvvauei, evegyna d^a. 

Neben die altern Jonier stellt Zeller den Pythago-*^ 
ras. Man hat hiezu insofern ein Recht, als auch er eine 
Zurückführungs-Theorie auf die Monas, die göttliche und 
gute, versuchte. Plutarch. de placit. ph. j. 7: JIv&ccyoQug 



•- 47 -^ 

^OTf^ i§ TS iPOQ ^ifcis X. IT. Z. Indessen unterscheidet sich 
doch die pythsgorische Lehre, wenn man die Einmischung 
des Feuers als Urprincips und die Annahme bei Stobäus 
C*0 9e nv&ayoQag «x ei aQi&fis^ icuta Se aQi&fiov ekeys 
irtctVTa yiyvsa&ai. Ecl« 1. p. 3o3) als fremdartige Elemente 
l>etrachten darf, durch gröfsere Geistigkeit, indem z* B. bei 
Thaies die Feuchtigkeit als Ursubstanz, als to d-HOV, hier 
die Monas als Princip erscheint; ferner durch ihre Ricb> 
tung auf die Eihik (Arist* Magn. Moral. 1. i« I. 34 eto« 
yid* Ritter et Preller bist» philos« graeco-rom. p. Sa), ge- 
gen welche Zellc^r !• 5g« so heftig streitet, und endlich durch 
eine ganz eigenthümliche Productions- Theorie mit Fort- 
schritt* Aristoteles sagt Met. X\\. 7: ^Oaoi de VTwXufi^ 
ßayeaiv, woneQ 61 JTvd-ayoQeioi xa# Ikevamnog^ %o xaZ- 
XiOTOP xof. agiGTov fiij ev ctQyjj eivai, dia to xae vmv fpi^ 
' %oiV xai viov ^tamv tas agycts ctuia fiev eirai^ to de xo^o«^ 
Xiu TeXeiov ev loig ex tötw^, sk og&ms oiowai. iro yaf 
oneQfia ei ifeQwP eoTi ngoTeQmv TeXei(av xai to nqia%9iv 
H CTeQjiia eoTiv aXXa to teXeiov. Uebrigens dauert noch 
jetzt der Streit über eine Lehre, welche, vor und n^ch dem 
libyschen Könige Job (David in Categ« Aristot« p« 28., wel- 
cher auch schon p« i3. die goldnen Sprüche als unterscho- 
ben betrachtet) so vielfach verunstaltet, ein Tummelplatz für 
so viele Conjecturen gewesen ist. Die Zahl konnte sich 
von zwei Seiten .dem Philosophen empfehlen, von der ev- 
kenntnifs- theoretischen und von der realen« In ersterer Be- 
ziehung sagt Brandis : „Ich kann die Beantwortung der 
Frage, wie kamen die Pythagoreer zu ihrer durch Wahr- 
nehmungen so wenig vermittelter Grundannahme, nur in 
den mit gröCslem Nachdruck ausgesprochenen Worten des 
Philolaus finden: „„Alles, was erkannt wird, hat die Zahl 
in sich, denn es wäre nicht möglich, irgend etwas zu den- 
ken oder zu erkennen ohne diese; gesetzgebend ist die Na< 
tur der Zahl und beherrschend und eine Lehrerin alles Un- 
bekannten; keinen Trug nimmt die Natur der Zahl, noch 
* die Harmonie auf, deiln feindselig und widerstreitend ist 
der Trug ihrer Natur, die Wahrheit aber dem Geschlecht 
der Zahl eigenthümlich und eingewachsen/^ ^^ Hier spricht 
' sich in der Begründung das bestimmte Bewufstsein aus, nur 



— 48 — 

das könne ala Wesenheit der Dinge gelten, was dem Trage 
unzugänglich sei/^ Von realer Seite* bahnte sich, unter 
Grunduahme des jonischen Eins und Hinzunahme eines 
Vielen, also auch Zweiten, Dritten etc., leicht der Weg 
zur Zahl. Hatte man einmal eine reale Einheit angenom« 
ttien, so konnte man auch eine Zweiheit, Dreiheit etc« 
annehmen und aufsuchen« Fragte man nemlicb, unter der 
Voraussetzung einer realen Einheit und des Verhältnisses 
zu ihr, was wohl die Dreiheit, Vierheit sein möge, so 
konnte man die Probleme der Philosophie numeriren, 
als Numern setzen, die Welt als Zahlenentwicklung, als 
Fortschritt der Monas, z. B. den ganzen Himmel als Har- 
monie, d. h. als Octav der Einheit, betrachten. Die Ein- 
heit war in diesem Falle die Zahl schlechtweg, der Grund« 
ton, das Grundwesen ron Allem, das Centrum etc. Die Be- 
merkung rerschiedner mathematischer Verhältnisse im Ma- 
teriellen wie Geistigen erhöhte die Macht, den Spielraum, 
den Gesichtskreis sammt der Cfeigung zu Spielereien. 

Literatur über die Pytbagoräer : Ritter, Gesch. der pythag. Ph. 
Hainb. 18^6; Keinbold, Beitr. zur Erläut. d. Pyth. Physik, 
Jena 18^7; J. Trepslra, de sodalitate Pytb. Ultraj. 18^4; Kn- 
scbe, de societ. a Pytb. condit. scopo polit Gott. 1830; Harten- 
stein, disp. de Arcbyta Tar. iragin. pbii.^ Lips. 1833 ; Gruppe, 
über die Fragmente des Arcbytas, BerJ. I84l. Ueber Alcinäon 
^ handelt Kriscbe (Forscli. S. 68 f.) und weist die Ansicht zu- 

rück, dafs er ein bioser Pythagoräer gewesen. Den Philolaoa 
gab bekanntlich Böckb, den Tiiuäus von Locri Gelder (Lugd. 
B. 1836.), alle Fragmente der Pytbagoräer Orelli (opusc. vet. 
scnt. II.) heraus. 

Mit den Pythagoräern ist Xenophanes durch den 
Gedanken des Einen, Gottes, verbunden. Uebrigens sagt 
schon Simplicius ad Phys. fol. 33: Miav Sb vfjv ctgyj^f^ 
r^voi ir to ov xai nav, nai sie nenegaa/ittvor his «ttc«- 
^ov «T« %iVHfitvov sre ^Q€/48V, Sf^vo(pavr^v tov KoXocpm^ 
vtov %ov JlaQfuvida SiSuaxaXov mcori&eo&ai (pfjbiv 6 Oeo-- 
^QaaioSy ojiioXoyoiV iregag etvai fiu^XXov ij %rjg 
nsQi yvaefos iovoQias T^y fivijfir^v %fis vhth 
dolfis* Er deutet damit an, dal's die Lehre des Xenopha- 
nes mehr in die Theologie, als in die Physik gehöre. Und 

dies 



— 49 — 

dies schwebte wohl auch dem Aristoteles bei den Worten 

Tor: eis *^ov oXop squvqv anoßXexpas. 

ZcUer erklärt sich darum (S. l4l f.) dafür, dafs die Lehre des 
Xenophanes die Idee der Einheit Gottes und die Polemik ge- 
^en die verendlicbenden Vorstellungen des Polytheismus von 
-der Gottheit zum Ausgangspunkte habe unil der Satz von der 
Einheit des Sein« rein für sich und abgelöst von der Lehre 
über die Einheit des Göttlichen durch keine zuverlässige Quell« 
verbürgt sei. Auffallen kann aber das theologische Element in 
keinem Falle, da nach Aristoteles so viele Physiologen seit Tha- 
ies das Seiov im Hintergrunde behalten haben. Und allein 
stand das theologische Element sicher hier so wenig, als bei 
den Vorgängern. 

Verwandt mit dieser Ansicht ist die Krisches (S. 68.)) dafs 
Xenophanes nicht nach der eingeschlichenen Annahme Pan- 
theist gewesen sei, sondern durch eine ganz einfache Bewegung 
des Gedankens tbeils aus dem Begriffe des Seins, theils aus 
dem der Gottheit gefolgert habe: 1. dafs das Sein, nemlich 
nach der im Voraus anerkannten Beziehung auf die Gottheit, 
insofern es nicht gewordeiAein (^ccytvijroy) und, wir dürften 
hinzufugen, somit nicht vergehen könne, ewig sei (jKidioy)\ 
H. .dafs die Gottheit, >wenn sie das Mächtigste von Allem sei 
(xforetfrov, d. h, dwartararov xai ßtXTiÖroy)^ Eine sei, weil et 
zürn Wesen derselben gehöre, dafs sie herrsche (x^arf£v}; 
3. dafs die Gottheit, insoferne sie Eine sei, nach allen Theilen 
gleich (jtavTji ofioiov) und somit kagelg^staltig sei (p^aigoeidif), 
Ueber den Denker schrieben in neuerer Zeit Chr. A. Bran- 
dis (Comment. Eleatic. t. I. Xenoph. Parm. et Meliss. e propr. 
philos. reliq. expos. Alton. 1813), Karsten (Philosophor. grae- 
cor. veter. reliquiae t. I.) und Cousin (Oeuvr. Bruxell. 184 1 
t. n. p. 577). Die dem Aristoteles zugfeschriebene Schrift de 
Xenophane Zenone Gorgia greift ZcUer (S. 135 f.) mit trifti- 
gen Gründen an. Sie so wenig, lautet sein Resultat, als die 
mit ihr zusammentreffende Darstellung des Siuiplicius kann auf 
den Namen einer glaubwürdigen Gcöchichtsquellc den mindesten 
Anspruch machen; wir sind_ für unsre Ansicht über Xenopha- 
nes ganz an die sonstigen Berichte und die Fragmente der Xe- 
nophanischen Gedichte verwiesen. 

Wenn nun Rixner, um auf Parmenides zu kommen, 
Sd^gty die Lehre dieses Denkers sei der des Xenophanes ähn- 
lich, 'so streiten auöh damit bis auf einen gewissen Grad 
41e Ansichten der MeuereiH welche es betonen, dafs Parme- 
eumposch, Dr. V. F.» Geschichte d. Philosophie. 4 



— 50^ — 

nides im Gegensatze zu Xenophanes die Einheit ron dei* 
theologischen Form gereinigt, das €0V auf dem blosen Ver- 
nunftgebiete gesucht, den Urgrund nicht als Gottheit, Ein- 
zelwesen, aufgefafst habe und somit zu dem Satze gekom^ 
men sei: das Sein allein ist. Parmenides habe, bei seiner 
Sonderung des Seienden aber nie Werdenden und des Wer- 
denden aber nie Seienden, der Vernunft- und Sinnenwelt,' 
dem* ewigen Sein die ausdchliefsliche Wahrheit zugewiesen, 
dagegen in das Reich der sinnlichen Erscheinungen und 
Wahrnehmungen bestimmter als sein Vorgänger Täuschung, 
oder doch muthmafsliche Meinungen versetzt. Die Frage 
übrigens, warum sich Parmenides über das Verhältnifs sei- 
nes Seins zur Gottheit nicht geäufsert, während beide iden- 
tisch seien, hat man rerschieden beantwortet. Parmenides 
folgte dabei wohl nur dem alten philosophischen Zuge, wel- 
cher schon bei Thaies kenntlich geworden, die Kraft, d^s 
Sein etc. an die Stelle zu setzen, wo sonst zusammenge- 
setzte und nur mit Gefahr ai^^^reifende mythologische Vor- 
stellungen gethront. (Krieche 93 f. Zeller i45 f.). 

Die Fragmente des Parmenides findet man bei Karsten. Eine e]|[Be 
Erläuterung versuchte G. S. von Reesema (Parmenid. Anaxa- 
gor. Protagorae principia et Plat. de iis Judicium, Lugd. B. 
1840). Endlich schrieb Riaux ein Essai sur Parmenide. 

Das Verhältnifs des Z e n o^ über welchen gleichfalls 
Cousin (Oeurr* 11. 399) schrieb und des Melissus sucht Zel- 
Icr auf folgende Art. 

Parmenides hatte, sagt er, das Eins im Gegensatz gegen das Vielo 
als das reine Sein bestimmt, sich aber eben dadurch genothigt 
gesehen, dem Vielen, als der Welt des Scheins, wenigstens eia 
Dasein in der menschlichen Meinung zuzugestehen, ohne doch 
einen Zusammenhang zwischen beiden herstellen zu können. 
Bei diesem unklaren. Nebeneinander konnte es nicht bleiben, 
eben so wenig war es aber möglich, sie wirklich innerlich zul 
verbinden. So blieb nichts übrig, als entweder, vom Prineip 
des Einen "Seins ausgehend, von der Welt des Scheins ganz« 
lieh zu abstrahiren, oder dieser zulieb in das Eine selbst Be- 
stimmungen aufzunehmen, durch die sdne Reinheit getrübt 
wurde. Jenes that Zcno, dieses Melissus. Diese Ansicht führt 
alsdann zu einem ganz andern Ergebnisse, als Rixner §. 76 und 
auch Cousin annimmt. Zenas Beweise sind nach Zellcr nicht 



— 51 — 

blos gegen die Vielheit an sich etc. , sondern gegen die Vor- 
stellung des Raumes der Zeit etc. überhaupt gerichtet, da erst 
Platon gegen die Cleaten entwickelt habe, dafs die Einheit 
nicht ohne Vielheit und die Vielheit nicht ohne Einheit sein 
könne. 

In Ansehung der Sophistik, welche als üebergang zu 
der zweiten Periode erscheint, . gefiUH sich Rixner in harten 
UrtheiJen. Indessen mildert sich das Urtheil bei genauerer 
Erwägung immer mehr, wie eine Vergleichung der ürtheile 
und Schriften von Hermann (Gesch. und Syst. d. Plat* I. 
»79)^ ^on Fofs über Gorgias^ der 426 nach Athen kam 
(De Georg, comm. interpr. est Arist. lib. de Gorgia ed. HaL 
1828), ron Welcher über Prodicus (Rhein. Mus. i853 L), 
von Krische über Protagoras (geb. Ol. 74 ge. Ol. ga. 2) 
etc. mit älteren zeigen. 

Es hatten sich vor den Sophisten die philosophischen 
Ansichten und Systeme immer mehr gehäuft, ohne zum er- 
wünschten befriedigenden Ziele zu gelangen. Die Sophi- 
sten hatten die philosophische Bildung in sich aufgenom- 
men. Gorgias z. B. erinnert an Zenons Beweise gegen Viel- 
heit und Bewegung und Protagoras an Herakleit. Auf die 
Anstrengungen der früheren Philosophen war eine Art Er- 
schöpfung und Ermüdung eingetreten. Man fieng auch an, 
bei der Vielheit der herausgetretnen Standpunkte sich ge- 
gen alle zweifelnd und negativ zu verhalten. Jedenfalls 
mufste man sich entschliefsen, zu wählen und damit sich 
selbst, d. h. das Subject geltend zu machen, während in der 
frühern Philosophie die Hingabe ans Object, an die JNatur, 
vorgeherrscht hatte. Die Ermüdung, wie die Skepsis lagen 
aber in der Zeit und waren durch die vorausgehenden Er- 
scheinungen, nicht durch die Sophisten bedingt. Man fin- 
det es also entschuldbar, wenn Protagoras und Gorgias den 
Menschen zum Maase aller Dinge machten und behaupte- 
ten, da£s, wenn etwas sei, dasselbe doch sch^ver zu erken- 
nen sei. Es war ja die Periode der Abrechnung auf die 
der Arbeit gekommen. Dazu kam der Umstand, dafs zur 
Zeit der Sophisten das geistige Bedürfnifs der griechischen 
Welt nach neuen Grundlagen, wie nach feinerer Bildung 
auf eine noch nie dagewesene Höhe und Weite gestiegen. 

4* 



— M — 

Die alten religiösen und ellmohen Grundlagen waren zer- 
stört. Piaton sagt in der Republik, die Lehren der Sophi- 
sten entsprächen den leitenden Grundsätzen des Haufens in 
seinen bürgerlichen und geselligen Zuständen, die Staats- 
lenker verfolgten in den Sophisten nur ihre Nebenbuhler 
und Spielverderber. Die alte Zeit sollte zu Grabe gehen 
und einer neuen Platz machen. Die alte Zeit hatten aber 
nicht die Sophisten gemacht, sondern die Zeit die Sophisten, 
Sie sprechen nur das dualistische Wesen der Zeit aus mit 
ihrer avriXoyixf] i^syvf], mit ihrer Behauptung einen schlech- 
ten Grund aufbessern, über Alles immer wieder etwas Neues 
aufbringen zu können, kurz mit ihrem wandelbaren Dop- 
pelgesicht. Nicht sie haben mit der Vergangenheit allein 
gebrochen, sie sind nur Kinder der brüchigen Zeit. Man 
wird es also milder betrachten, wenn Hippias sittliche Grund-' 
Sätze und Gesetze wegen ihres Partien larism, ihres örtlichen 
und zeitlichen Charakters, anficht, oder Thrasymacho» die 
Gesetze zum Ausllusse individueller subjectiver Willkür 
macht, oder Kallikles zwischen Gesetz und Natur unterscheid 
det, oder wenn Kritias und Prodikos die Religion aus der 
Klugheit der Gesetzgeber, oder dem Nutzen gewisser Na- 
turgegenstände stammen lassen. Alles dies begegnet uns in 
Zeiten des Uebergangs auch anderwärts* Man hat längst 
die Sophisten mit den französischen Encyclopädisten ver- 
glichen, bei welchen ja auch die Tradition der Staatsord- 
nung und der Religion mit ähnlichen Aussprüchen angegrif- 
fen worden, unter welchen ein Rousseau dem Gorgias, eia 
d' Alembert dem Hippias, ein Voltair dem Euripides ent«- 
spricht, welche eben so Schöpfer und Meister im Styl ge-r 
weden« Und auch die Humanisten des i6« Jahrhunderts, die 
Spötter, die Gesandten, die feinen Stylisten, bieten Verglei- 
chungspunkte mit Gorgias, Hippias, Prodiko8. Die Encyclo- 
pädisten und Humanisten der ersten Zeit gehören aber nicht 
zu den Schlechten ihrer Zeit, sondern zu den Besten und 
haben darum auch bei den Besten so viel Anklang gefun- 
den. Sie hatten ihrer Zeit wirklich etwas zu bieten, darum 
kehrt bei ihnen ejn Friedrich II. wie ein Perikles, ein So- 
krates wie ein Kant wenigstens ein. Und ihre Schüler der 
schlimmsten Art, wie Alkibiades, Kritias etc., haben ihr" 



— M — 

Ldirgeld nicht umsonst bezahlt. Nachdem die ethischen 
und religiösen Stützen der vorigen Zeit zusammengebrochen 
und nun die Nothwendigheit auftauchte, aus den bisherigen 
Ergebnissen der Philosophie und Wissenschaft gcmeinver- 
dtSndliche JNahrung und Erfrischung fiir die Massen zu ge- 
lben, die MHtelstände des Bürgerthums hinaufzuziehen, könn- 
et« die Sophisten, Humanisten, Encyclopädisten ihre Auf- 
lebe nur durch Pop^ularisirung und encyclopädische Betrei- 
bung erfüllen« Das Wissen hatte einmal aufgehört,, nur 
von Wenigen um seiner selbst wiUen betrieben zu werden. 
Die Zeit war heuer Grundlagen bedürftig geworden. Es 
galt die Praxis* Verlor dabei die Wissenschaft an Rein- 
heit, Tiefe und Gehalt, so trugen nicht allein die Verbrei- 
ter, sondern auch die Aufnehmer die Schuld. Jßne lösten 
in ihren bessern Vertretern eine Aufgabe mit Geschick und 
ernteten darum mit Recht den Dank ihrer Zeitgenosseh. 
Eine spätere Zeit, welche die Praxis wieder in Theorie rer- 
wandeln konnte, welche, weiter geschritten, die Encyclopä- 
disten überholt hatte, konnte nur ein unbilliges Urtheil fal- 
len. Und wenn einzelne überragende zeitgenossische Ge- 
stalten ein Recht hatten, die Sophisten und ihre Geistes- 
verwandten zu tadeln, so haben es darum nicht Alle. „Was 
'die Aufklärer, sagt Erdmann (Geschichte der neuern Phi- 
losopbie III* 2. S. 477) zum Schmerz aller Feinde der Auf- 
klärung wirklich und auf immer rernichtet haben, war nur, 
was Vernichtung rerdiente/' 'Vgl. Rosenkranz Geschichte 
der Kant'sehen Philesophie S. 67 f. Hätten endlich die So- 
phisten auch kein andres Verdienst, als ^en Styl zum Ge- 
.genstande ihrer Forschung gemacht, die Rhetorik zuerst 
Ijrelehrt (Korax, Tisias), Männer wie Isokrates und Lysias 
gebildet und die Sprachphilosophie in Anregung gebracht 
XU Haben, ihr Verdienst wäre unsterblich. 



- 54 - 



VII. 



VerhäUnifSj Charahter und Gestalten der zweiten Periode 
der Hellenischen Philosophie. 

Die Vielheit und das Widersprechende der Antworten 
auf die Fragen der ersten Periode mufsten das Denken im- 
mer entschiedener vom äufsem Object loslösen. Man zwei- 
felte, bei dem Flusse der Dinge, an der äufsem Wirklich- 
keit und fühlte sich gedrungen, eine andre Wirklichkeit 
aufzusuchen. Man zweifelte an der Richtigkeit des Den- 
kens und mufste darum schärfer auf den Gedanken einge- 
hen« Das Gewufste trat in den Hintergrund gegen das Wis- 
sen. Eine Revision der Begriffe wurde nothwendig. Und 
keine Klasse war geeigneter, diese Nothwendigkeit fühlbar 
und allgemein bekannt zu machen, als die Sophisten, welche 
rasch zur Abrechnung über das Ergebnifs der bisherigen 
Naturphilosophie schritten. 

Ihnen trat Sokrates.mit der Dialektik der gegen bloses 
Megiren sich sträubenden Ahnung entgegen und gab den 
Anstofs zu einer mit jener Reductionstheorie der Aufsen- 
welt parallel laufenden Reductionstheorie der Innenwelt« Es 
sollten Principien für Kopf und Herz, nicht' blos für das 
Werden gesucht und schärfer abgemarkt werden, ein fester 
archimedischer Punkt in der Vielheit der Meinungen, im 
Zwiespalt der Ansichten. SArates glaubte, dieser Einheits- 
punkt, zugleich das Wissende, das Gute, das Wahrhaftige und 
Seiende, wohne im Menschen, sei durch Mäeutik zu entdecken. 
Die ehrwürdigste und für jene zerrissene Zeit nothwendigste 
Seite desselben, das Gute, lag ihm am nächsten. Wie überhaupt 
bei Sokrates und Piaton die Sinnenwelt- gegen das Geistige 
zurücktritt, die Physik eine untergeordnete Stellung erhält^ 
80 tritt zunächst bei Sokrates wieder .unter dem Geistigen, 
der Innenwelt Angehörigen, das Moralische am stärksten 
hervor. Es mufs aber eine dem angedeuteten Gange ent- 
sprechende Färbung erhalten. Und dies sagt denn Aristo- 
teles (Metaph. I. 6. 5.) in den Worten, Sokrates habe das 
Allgemeine im Ethischen gesucht und zuerst über Begriffe 
nachgedacht. Plato prägte für den sokratischen Eioheits- 



- » ~ 

punkt das Wort Idee aus und machte das bei Sokratea noch 
Immanente des Menschen zum Transcendenten. Uebejrstürzte 
er sich hiebei, so bestand der nothwendige Fortschritt da- 
rin, dafs Aristoteles eine objectire Immanenz vrieder herzu« 
stellen suchte* 

Bei Allem bleibt aber noch yne in der ersten Periode 
der objective Charakter vorwaltend* .Die Philosophen die- 
ser Periode «Siuchen Ideen, Formen, Principien in und aus 
dem Innern, aber nicht als Erzeugnifs des Menschen, son- 
üern als Gegenständliches, als Wirklichkeit. Subjectir sind 
die drei grofsen Männer im Verhältnisse zur alten äuTser- 
liehen Katurphilosophie, aber objectir im Vierhältnifs zU 
den Sophisten ; denn btl ihnen ist die Idee Maas des Men- 
schen, nicht dei: Mensch Maas der Idee, objectiv im Ver- 
hältnils zu der nachfolgenden Periode ; dena sie philosophir- 
ten um zu philosophiren, nicht durch die Zustände überreizt, 
wie die spätem. Es ist z« B. bekannt, wie Sokratea von 
Aristophanes als unnützer Grübler gezeichnet wird, wie 
hoch dem Aristoteles die Weisheit und das theoretische Le« 
ben steht (Metaph. I. i.). 

Gestalten dieser zweiten Periode. 

In Ansehung der Berichterstatter über S oh rat es neigt 
Sich die Ansicht immer mehr dahin, dafs Xenophon bei sei- 
nen Berichten zwar treu, aber nach dem Maase, das ihm 
beiwohnte, verfahren sei, und dafs aufserdem seine apolo- 
getische Stellung ihn zu einer Mos beziehungsweisen, nicht 
Total - Auffassung des Meisters verleitet. Der Sokrates des 
JCenophon ist der an die Fassungskraft eines Xenpphons 
«ich accomodierende, der «lative, nicht ganze Sokrates. 
Schon Schleiermacher hatte bemerkt (Werke 111. 2* S. sgS. 
287)} dafs, wenn Sokrates blos wie Xenophon gesprochen, 
er sicher den Markt und die Werkstätten, die Spaziergänge 
und (il^nasien dinrch die Furcht vor seiner Gegenwart ent- 
völkert, keinen Plato und Euklid, keinen Alkiblades und 
Kritias gefesselt hätte und nie Urheber und Vorbild der 
attischen Philosophie geworden wäre. Damit fällt denn &iq 
Ansicht Bixners zusammen, dafs Sokrates es auf praktische 
. Weisheit durch Leben und Beispiel vorzugsweise abgesehen, 



- w - 

wogegen schon im Alter^anie Sextus (Adr. Miilh« VII* 
8—11) polemisirt. Aristoteles setzt ausdrücklich sein Ver- 
dienst in Aufsuchung des Begriffes^ vo ri co'^i also der spe- 
culativen Seite (Melaph, !• 6. XllJ. 4. g.)- Zudem war seine 
Schule eine speculatire. Er las die Schriften der Jonier 
und Eleaten, eines Anaxagoras und Herakleit (Xenoph. Mem« 
I. 1. i4; I. 6. i4. ly. 3. 8. Phaedon p. 96. A sq. Diog. 
L. II. 22. IX. n.), v.erkehrte in der Jugend pit Parmeni- 
des und Zenon (Parmenid. p. 127 A. Theaet. p. i85 C. So- 
phist, p* 217 C). Endlich ist seine ganze Stellung zu den 
Sophisten eine speculative. Hatten diese den Menschen zum 
Maas der Dinge gemacht, so fragte Sokrates, .wie der 
Mensch das Maas sei, hatte also die Qualität und Gründe 
des Mittels zum Wissen zu erforschen. Hatten jene die 
Welt aus sich negirt, so mufste er sie aus sich bejahen. 

Ein zweiter Streitpunkt ist bei den Neuern die Ursache 
der Verdammung des Sokrates. Es stellen sich hauptsächr 
lieh zwei Motire des Prozesses und der Vcrurtheilung her- 
aus: ein aus dem sittlichen, religiösen und philosophischen 
Wesen der Sokratischen Lehre und ein aus den Verhält- 
nissen fliefsendes. Nicht der Umstand allein, dafs Sok«li|p6 
dem Demokratischen abgeneigt war, nur die Wissenden als 
wahre Herrscher gelten lassen wollte (Mem. III. 9. 10.), mit 
Oligarchen umgieng (ib. I. 2. 9.), einen der gebafstesten, 
den Kritias, zum Schüler, und umgekehrt die angesehenen 
Demokraten Anylus und Melitus zu Anklägern, eine demokra- 
tisch gestimmte Versammlung zu Richtern gehabt ; und wie» 
derum nicht seine Aeufserungen über Sitte und Religion allein 
hatten seine Vcrurtheilung zur Folge. Die Verhältnisse, 
die Lage des Staates entschieden gegen ihn. Athen hatte 
unendlich viel gelitten, war tief gefallen. Die Sehnsucht 
nach der alten guten Zeit, von der Aristophanes so viel z^ 
sagen weifs, das Bedürfnifs nach einem bessern Zustande 
war auf eine nie gekannte Höhe gestiegen. Man /ragte 
nach den Ursachen der Verschlimmerung und fand eine der- 
selben in der sophistischen Erziehung. Sokrates war schon 
durch Aristophanes zum Sophisten gestempelt worden und 
mufste als Opfer fallen. In ihm wurde bei der Reaction 
das vergangene Unglück und eine Quelle desselben bestrait. 



— 5T — 

Ihn aber hat sein Dämoninm ron der FTneht abgehalten 
und damit, wenn man die Folgen dieses Todes ervrSgt, sich 
als etwas Göttliches bewährt. 

Dieses war gleichfalls fortwährend Gegenstand der Ver* 
handlung. Durch die Mehrzahl der betreffenden Stellen ist 
es als blos Verhinderndes fixirt (Zeller IL 29). 

Man bat es von zwei Seiten, der psychologischea und der geschicht- 
lichen, aufzuhellen gesucht. In Bezug auf die psychologische, 
tagt der ebengenannte Forscher S. 3*1, , hätten wir es nur für 
das Yoi^eföhl über Zntraghchkeit, oder SchSdlrchkeit gewisser 
Handlungen oder, wie -Hermann sage, für „die innere Stimme 
des individuellen Taktes, der dem treuen und anhaltenden Be* 
obachter der Welt und des Menschenlebens am Ende gleichsaia 
xum unwillkürlichen Bestimmungsgrunde werde,'' für eine in- 
nere Stimme zu halten, die sich thcils aus der Lebenserfahrung 
und dem Scharfbiick des atiischen Weisen, theils aber auch 
aus seiner Sclbsterkenntnifs, seinem Bewufstsein über das sei- 
ner Individualität Angemessene natürlich erklären lasse, deren 
psychologischer Ursprung sich aber dem Blicke des Sokrates ver- 
borgen und, seiner Zeit gemäfs, in den Glauben an eine unmit- 
telbare göttliche Offenbarung verwandelt habe. In Bezug auf 
^.^ j^ie historische Seite, sagt Zeller, habe Hegel treffen^ bemerkt, 
,,dafs im Dämon des Sokrates der Anfang zu sehen sei, wie der 
,sich vorher im griechischen Orakelwesen nur jenseits seiner selbst 
versetzende Wille sich in sich verlegt und sich innerhalb sei- 
ner erkannt habe.'' Indem Sokrates an die Stelle der sonsti- 
' gen Zeichen und Vorbedeutungen die unmittelbaren Aussprüche 
seines Innern setze, habe, er eben damit die vorher vom äufsern 
Object abhängig gemachte praktische Entscheidung in^s Subject 
verlegt. Die zwei dem ersten Anblicke nach so weit aus ein- 
ander liegenden Züge, das prosaisch verständige und das schwär- 
merische Element in Sokrates Erscheinung hätten Einen geiQ^in- 
tamen Grund. Was ihn von allen seinen Volksgenossen unter- 
•cheide, sei eben dies, dafs in ihm zuerst der Bruch zwischen 
dem Innern des Subjects und seinem äu&ern Dasein in die pU» 
sijsche Einheit des griechischen Lebens gekommen saa. 

Zur weitern Erklärung müssen wir auf den Hauptpunkt 
der sokratischen Lehre eingehen. Dieser war das Wissen. 
Sokrates hielt alle Tugenden für Wissenschaften. Aristote- 
les wiederholt dies sehr oft (Elh. Nik. III. 11. VI. i3. Eth. 
Eud. L 5. lil. 1. VII. I3* M. M, I. 1.). Und damit stim- 



— 58 — 

mea die betreffenden Stellen ron Xenophon und Piaton über- 
ein (Zeil. IL 36). Er nahm aber auch an, dafs Niemand 
freiwillig bös sei (Arist. Mag« Mor* I« 9; Xenopb. Mem. 
III. 9. 4 ; Plat. ApoL sS E f."), dafs die verschiedenen Tu- 
genden nur Eine Tugend seien (Mem« III« 9« 4« IV« & 
Hat« Protag. Ssg B. 349 ^ *?• Arist« Pol. 1. i3.). Die Tu- 
gend setzte er also dem Wissen und dem Angebomen gleich. 
Daraus folgte aber auch, dafs er das Angebocne dem Wis« 
sen gleich setzte. Nehmen wir nun den aokratischen Satz 
yvw&t oeavTOV hinzu, so sehen wir wohl, dafs das Haupt- 
ziel des Sokrates die Erforschung des Angebomen war. 
Bei diesem suchte er Hilfe gegen das sophistische Mei- 
nungsmeer. Hebammendienste wollte er versehen bei He- 
bung dieses Schatzes aus sich und aus Andern. Und er 
konnte Andern gegenüber, wie ein Schatzgräber, sagen, er 
wisse nichts, weil er abwarten mufste, ob seine Dialektik 
auf diesen Punkt stiefs, auf die platonische spätere Idee und 
auf die spätere aristotelische dvvafiig. Das Angeborne =Tu- 
gend = Kraft war ihm das ov, das Eine, von dem die Mega- 
riker reden. Eus. Prafep. Ev. XIV« 17« a: rjiiav to ov iv 
Bivai '/Ml TO fif] ov iTCQOv'eivat, jiiTjds yevvaü&ai %i fi^Ss 
q)&uQ€o&cci fiiTjSe ziveta&ai TonaQanav* Diog. L, II. 106: 
T« d' avTrAee/iievco ria aya&o) avijQBi JEvxXeiSi^g [if] eivai 
fpaOKiüV. Die Tugend ist = Sein« Suclite er sie, so suchte 
er also das Sein^ das Angeborne, sich selbst. Es erklärt 
sich daraus seine Induction, sein dialektisches Verfahren, 
seine Ironie und sein Dämonium« Die Ironie, weil er su- 
chen mufste, was er schon hatte; die Dialektik, weil das 
Unbewufste zum Bewufsten gebracht werden sollte; endlich 
das Dämonium, weil er bei der Frage nach der Tugend 
sich selbst befragte und zu fragen versuchte« So glaube 
ich die Selbslversenkungen und die innere Stimme des So- 
krates aus seinem Glauben an das Angeborne und an die 
Offenbarung dieses Angebornen erklären zu könn^« 

Literatur: Freret, observations sur les causes et sur quelques cir- 
constances de la condamnation de Socrate 1736, Mem. de 
rAcademie d. J. X, "kl, b. ^09; Dressig, epistola de Socrate 
justc damnato, Lips. 1738; Forchhaminer, die Athener und 
Sokrates die GkseUiichen und die Kevolut. Berl» 1837^ Prel- 



-. » — 

ler in d^ Hatler A.4j. Z. 1638 Nr, «7; X. Fr. HermaAD/ 
über H. RiUers Darttell. d. Sokr. Syst. Heidelb. 1833; Van 
Heu« de, character. princ. philo«, graecor. vct. Soor. Plat. 
Arist. Ainst. 1839; H. £. Hnmniel, de theol. Socr. Gott. 1839; 
Van Hoevell, de Socr. philos. Gron. i84o; Hanne, So- 
kratci als Genius der Humanität, Braunschw. I84l. 

Die Grundlagen der unvoURommenen Sokratiker 
sind, neben der Lehre des Sokrates, auch die sophistische 
und eleatische ÄufTassung^ indem Aristipp auf Protagoras, 
Euklides auf die Eleatcn etc. zurückgeht« So mächtig abeir 
der Hedonism der Cyrenaiker auf die Entstehung der Lehre 
Epikurs, der Cynismus auf Entstehung der Stoa, die megar. 
rische Eristik auf Entstehung der Skepsis, gewirkt haben 
mögen, an sich haben sie wenig philosophischen Gehalt. Die 
Ursache liegt in ihrer sporadischen Auffassung der Lehre 
des Meisters, wenn z. B. der Hedonism nur den Umstand 
benützt und ausbildet, dafs Sokrates roheren und ungebil- 
deteren Naturen gegenüber auf die aus der Tugend flie- 
fsende bessere Lage aufmerksam machte. Ein pädagogi- 
scher Standpunkt des Sokrates wird in diesem Falle zum 
absoluten geq^acht« 

Wie Rixner liiliren auch Neuere das Wesen derselben auf Isoli- 
rnng der in Sokrates verbundnen Riebtungen zurück, indem 
von den Einen das Wissen des Guten, als des Einen sieb glcicb- 
*■" bleibenden Seins, von den Andern die Verwirklichung des Gu- 
ten in der Form der Zurückziehung aus aller Besondernbeit der 
Interessen und Tbätigkeiten in die abstrakte Allgenieinbeit des 
Bedürfnifslosen Willens und Lebens, von einem Dritten die in- 
dividuelle Befriedigung mittelst der durch die Einsicht erwor- 
benen Freiheit des Geistes, der gebildete Lebensgenufs zum 
Princip isolirt erhoben worden (Zeller IL 133.}. 

Die Fragmente des Antistbenes gab in neuester Zeit We- 
stermann (Turici 1842) heraus. Ueber Krate» schrieb Postu- 
mdtt^e Cr. Groning. 18Q3), über die cyrenäische Schule Wendt 
(pe pliil. Cjr. Gott. 184^), über die Megariker Deycks (De 
Megaricor. doctrina, Bonn. 1827), Ritter (Rhein. Museum 1828), 
Winkelmann (Ad Plat. Euthydem, prolegom. p. 22), Henne 
(L' ecole de Megäre, Paris 1843)5-. Mallet (Histoire de V ecole 
de Megäre et des ecoles d^ Elis et d^£i;|triö> Paris 1845) übet 



Pyrrkm (140—108) cndlicb Bro4ei9eii (De phHoft. Pynrli. KUl 
1819), Thorbcke (Rcspong. qnod int'er Academ. et Sccptic. in- 
terfuit Lugd. B, I8I1), Tafel (Gesch. des Skept. Tüb. 1834). 

Da Rixner den Aenesidemos, welcher zu Anfang unsrer 
Zeitrechnung geblüht hat, unter die Nachfolger Pyrrhons 
zählt, 90 schalte ich die Bemerkung ein, dafs er v^ahrschein- 
lieh kein Skeptiker gewesen, sondern Eklektiker (Ritter IV. 
276), und dafs hier Menodotos einzuschalten gewesen (Rit- 
ter IV. 286). 

UcJber das Verhältnifs Piatons zu sein eil Vorgangern 
bat sich schon Aristoteles (Metaph. 1« 6; XII F. ,4« 9O aus- 
gesprochen. Die Untersuchungen Piatons, bemerkt er, hät- 
ten sich in den meisten Punkten an die Pythagoreer gehal- 
ten, seien jedoch auch da und dort ron der italischen Phi- 
losophie abgegangen. Von Jugend auf mit Kratylus und 
der Heraklitischen Lehre, dafs alles Sinnliche in stetem Flusse 
und davon kein Wissen möglich -sei, vertiimt, sei Platon die* 
ser Ansicht auch in der Folge treu geblieben, habe sich 
aber zugleich die Sokratische Philosophie angeeignet, welche 
sichf mit Ausscbliefsung der naturwissenschaftlichen Fragen, 
auf U^tersuchuiig ethischer Geg^|stände geworfen, in die- 
sen das Allgemeine gesucht und zuerst auf Begriffsbe^m- 
mungen hingeleitet hätte. So sei Platon zu der Ansicht ge- 
kommen, dafs sich dieses Thun auf ein Andres als die Sinn« 
lichkeit beziehe, indem unmöglich die allgemeine Bestim-r 
mung eines der sinnlichen Dinge zum Gegenstände haben 
könne, weil die letztern sich immer änderten. Platon habe 
diese Klasse des Seienden, die ron Sokrates nicht als ge- 
trennte Einzelnsubstayzen gesetzten allgemeinen Begriflß, 
als getrennte Substanzen gesetzt und Ideen genannt, von 
den sinnlichen Dingen aber behauptet, sie bestünden neben 
diesen und wurden nach ihnen genannt, denn mit den Ideen 
gleichnamig sei das Viele in Folge der Theilnahme an den 
Ideen« Das Letztere sei übrigens nur ein reränderter Aus- 
druck für die pythagorische Lehre, dafs die Dinge Abbilder 
der Zahlen seien. Plato^j^ habe aber auch je einem von sei- 
nen zwei Elementen (der Idee und der Materie) die Ursache 
de9 Guten und Bösea z^getbeilt,. worin ihäi auch schon 



— 61 — 

etmge der frühem Philosophen^ wie Empedoliles und Anaxa* 
• goras, r orangegangen. 

Man vergl. zu dieser Stelle Zeller II. 191 f. Was Sokrates, be- 
merkt der eben genannte Geschichtschreiber IL 136, über den 
Begriff des Wissens, die Eleaten und Heraklit, äie Megariker 
und Cyniker über den Unterschied der i^tiCrijtAij und do^a^ 
Heraklit, Zeno und die Sophisten über die Subjectivität der 
sinnlichen Anschauung gelehrt hatten, bat er zur entwickelten 
Erkenntniistheorie ausgebildet; das eleatische Pnincip des Ei- 
nen Seins utid das Heraklitische des Werdens und der Viel- 
heit hat er in der Ideenlehre (wie dies namentlich der Sophist 
ausdrücklich sagt) ebenso verknüpft als widerlegt, zugleich aber 
beide durch den Anaxagorischen Begriff des vsg^ den Sokra- 
tisch-Megarischen des Wesens und des Guten und die ideali- 
sirteii pythagorischen Zahlen ergänzt; die letztern eigentlich 
gefafst erscheinen in der Lehre von der Weltseele und den ma< 
thematischen Gesetzen als die Vermittler zwischen der Idee 
und der Sinnenwelt; das Eine Element derselben, der Begriff 
des Unbegrenzti^^ für sich festgehalten und mit der Herakli- 
tischen Ansicht von der Erscheinungswelt combinirt, giebt die 
Platonische Definition der Materie; der kosmologische Theil des- 
selben Systems wiederholt sich in den Platonischen Vorstel- 
lungen vom Weltgebäude, während in der Lehre von den Ele- 
menten und der speziellen Physik auch Empedokles und Anaxa- 
goras, in entferntereii Anklängen auch die Atomistik und -' die 
&l^e jonische Naturphilosophie eine Stelle finden; die Lehre 

. -JffB Anaxagoras ven der immateriellen Natur des Geistes und 
Slev pythagoreische plaube an die Seelenwanderung greifen in 
die Psychologie' ein; in der Ethik läfst sich die Sokratische 
Grundlage und in der Politik die Sympathie mit der pythago- 
reischen Aristokratie nicht verkennen. 

' Was den durch den Trmtus und Phädo ausgeprägten 
physikalischen, durch die Republik, den Politikus, Philebus 
und üorgias bestimmten ethischen, endlich durch den Thea- 
tet, Sophist und Pärmenidcs vertretenen dialektischen In- 
halt der platonischen Lehre- betrifil, so müssen hier die Be- 
merkungen auf das dem Piaton Eigenthümlichste, die Ideen- 
lehre, eingeschränkt werden. Piaton hat diesen Theil mit 
weit gröfserer Sicherheit und Vorliei^c bearbeitet, als den 
physikalischen und ist in der Ideeulehre, viel weiter über 
Sokratet hinausgehommen, als in der Ethik« 



— «at — 

Die g^nte Philosophie ersehien dem Pkton als LiiA>e 
zur Idee. In Ansehung^ d^ Weges unterscheidet Flaton • 
einen zum Prinzip ron Aliem auf- und von diesem dann 
wieder absteigenden (RepubL Vli. 5ii. B; Arist. Ethik« 
Mik. I. a.)) einen hypthetischen und synthetischen (Parme- 
nid. i35 C). Die ?Joth wendigkeit der Ideen ergab sich ihm 
aus der Mothwendigkeit des Wissens und des Seins, da 
beide ohne den festen Punkt der Ideen sich nur stets än- 
derten, das 'Wissen also aufhöre, Wissen zu sein, das Sein 
in's Werden sich Terflüchtige, (Kratyl, 439 C; Sophist. 249. 
B. u. a. a. O.)« Aristoteles (Metaph. J. 9.) fafst Piatons Be- 
weise für die Ideenlehre in drei a^usammen : erstens ist das 
Wissen nur möglich bei Voraussetzung eines Uuver|iider- 
liehen ; zweitens setzt das Getheilte und Veränderliche eine 
Einheit und ein Beharrendes voraus, weil es ohne Einheit 
keine Vielheit giebt; drittens überdauert der Begriff in der 
Seele die Erscheinung. Alexander Aphr. entwickelt zu die- 
ser Stelle noch zwei Beweise: dafs die gleichen Prädicate 
mehrerer Dinge auf ein Theilhaben an Eineni Urbild hin- 
deuteten und ebenso die Aehnlichkeit mehrerer Dinge. Die 
Idee erscheint ihm demnach als das dem gleichnamigen Vie- 
len Gemeinsame (Rep. X. 596. A)j das iv €nt nokXiüV (Arist. 
Metaph ♦ L 9O1 welches ewig, für sich, aufserhalb der Dinge 
in einem Gedankendrte CP«rm»i28E. i3oB; Phaedo 100 B), 
also /Weder sinnliche Substanz, noch Bild, noch Begri%«{loch 
Ausflufs des göttlichen Verstandes ist, da es dem göttlichen 
Verstände als thätigem vorausgeht (Tim. 28. A; Rep. X. 
596 A; Parm. i53 B; vgl. Zeller IL 196 f.). Wollte man 
die Idee als Ausflufs des göttlichen Verstandes annehmen, 
so bliebe nur der Ausweg, eine doppelte Schöpfung anzu- 
nehmen. Den Fortgang von dem Einen und Unveränder- 
lichen zum Vielen und Bewegten gewann Platon auf folgen- 
dem Wege. Vom Eins läfst sich nichts aussagen, denn 
schon der Satz „Das Eins ist^^ eflthält eine Zweiheit das 
Eins und das Sein. Der Begriff des Ganzen setzt zugleich 
den der Theile etc. Es ist also nicht das Eins allein. Eben 
so wenig aber die . Vitlheit allein. Absolute Ruhe ist gleich- 
falls undenkbar, denn bei bioser Ruhe giebt es kein Erken- 
nen oder Erkanntwerden, weil das erste einXhun, das zweite 



— «3 — 

ein Leiden, also beide Bewegung sind« Man mufs dem- 
.nach die Gegensätze rerbinden. Begriffe nemlich, welche 
sich Terbinden lassen, haben ein Sein gemeinschaftlich, und 
solche, welche sich nicht verbinden lassen, sind rerschie« 
den, schliefsen sich in einem Sein aus. Solche Verbindun* 
gen sind aber in vielen Fällen möglich, in vielen nicht und 
somit haben die Begriffe in vielen Beziehungen ein Sein, 
in vielen ein Nichtsein. Sein und Nichtsein, der Unter« 
schied, gehen also in jedem Begriffe neben einander her, 
womit die regungslose Einheit , nicht bestehen kann (So- - 
phist« 244 B sq.)* ^'® Verbindung der vielen, von der all- 
gemeinsten bis zur besondersten des Schmutzes, Nagels etc* 
herabsteigenden hypostasirten Ideen stellte Piaton dadurch 
her, dafs er die besondern au den allgemeinen theilhaben 
Jäfst (Soph. 25o A). 

Den Schlufspunkt der Ideenlehre bilden die Idee Gottes 
und sein Verhältnifs zur Welt. 

Das von Aristoteles (Metaph, I. g.) hervorgehobene Be- 
dürfnifs nach einem Wirkenden, welches die Dinge nach 
den Ideen bildet, nach dem Bewegenden und in die Er- 
scheinung Bringenden, die Stellen des Timäus, wo Plalou 
vom Weltbildner spricht, die des Phädo, Philebus, Sophist, 
wo von einem göttlichen die Welt bewirkenden Verstände 
die Rede ist, schienen dafür zu sprechen, dafs Piaton Gott 
nebe^'die Ideen stellt. Aber andre Stellen (Sophist. 248. E; 
Parmenid. i54. C;.Phileb. 22. C. 3o. C; Republ. VI. 588. D) 
wurden dafür angeführt, dafs bei Piaton die Idee des Gu- 
ten an die Stelle der Gottheit gerückt wird, so dafs cihe 
Identifizirung beider herauskommt (Zeller II. 309 f.). Dar« 
aus fliefst aber aoch, dafs Plalon zwar die Vorstellung des 
persönlichen Gottes hat, aber den Begriff desselben weder 
ableitet, noch sucht, noqh durch sein philosophisches Prin- 
Gip möglich macht« 

Denn ist die Idee, sagt ZelJer unter Verweisung auf Herbart, über- 
baitpt das Allgemeine des B^grifis und nur dieses das walirhaft 
Seiende, so kann auch die absolute Idee, oder die Gottheit, nur 
das absolut Allgemeine sein; ein pers5nlicher Gott könnte das 
was er ist, nur durch Theilnabme an der Idee der Gottheit sein, 
es käme ihm mithin selbst erst ein abgeleitetes Sein zu. 



~ 04 - 

Hieran knüpfe icb einige Bemerkungen über die Dar« 
Stellung. Man hat in dieser längst ein Forlschreiten ron 
der katechetischen zur akroamatischen wahrgenommen. Eine 
Vergleichung des Protagoras mit dem Timäus hellt dies 
leicht auf. Darin liegt die Beantwortung der Frage, warum 
Piaton den Dialog gewählt. Er gieng rem Sokratischen 
Standpunkte aus, wollte die Methode des Sokrates fixiren. 
j Dieser hatte als Mystiker das in uns Ruhende zur Offen- 
barung zu bringen gesucht, um an diesem einen festen Halt- 
punkt zu gewinnen. Die Offenbarung wurde bei Piaton, 
wissenschaftlicher gefafst, zur Idee. Piaton verlegte das im 
Innern Seiende, Wahre heraus. Die Ueberlegung /Ltfjj^s 
war ihm die Mutter des Habens, des noQog, und dieses in 
Verbindung mit dem Bedürfnifs zeugte ihm den Eros, das 
philosophische Streben, die Liebe zum Suchen, welche aus 
der andauernden Beschäftigung erwächst. Das Haben gieng 
ihm im sokratischen Sinne der Liebe voraus, weil es nur 
den Grund, das schon Daseiende, zu finden galt. Den prä-- 
existirenden Grund, oder die Jdee, das Unveränderliche, den 
durch das Viele und Getrennte hindurchgehenden Einen 
Begriff (Phileb. 16. C sq.), das den vielen Gleichnamigen 
Gemeinsame, das iv eni noXkmr (Aristot. Metaph. L 9O9 
konnte er aber nur mit sokratischer Dialektik biosiegen. 
Je mehr er aber den sokratischen suchenden Standpunkt 
verliefs, um so mehr mufste der Dialog an Bedeutung ver- 
.lieren. Aber ganz hat er diesen Standpunkt nie überwun- 
den. Sokrates, der Suchende, verläfst sein« lüaloge nicht,, 
der Wissende und das Wissen, die Person, und die Sache 
bleiben bei einander, bedingen sich wechselweise, und das 
Bestreben, der natürliche Drang, zu trennen, führen zur 
Hypostasirung der Ideen* 

Dafs, bei dem emsigen Studium Piatons in neuerer Zeit, 
mit dem Lobe auch der Tadel stieg, ist leicht zu errathen. 

, Indem es der Platonischea Dialektik, bemerkt z. B. Zeller 11. i45.| 
hauptsächlich nur darum zu thun ist^ das wiäsensr.haftliche Be* 
wufstsein der Idee hervorzubringen, das volle Interesse fiir'i 
konkrete Dasein dag^en und die Bestimmtheit des Einzelne« 
fehlt, so ist sie «war aufserordelitlich stark in der Zersetzung 
endlicher und eiafeitiger Vorstellungen in der epagogischcn 

Analysit 



Analysis und maa kann sagen, sie habe diese eben dadurch 
zur Vollendung gebracht, dafs sie nicht bei ihr stehen bleibt, 
sondern sie immer zu einer im Hintergrund liegenden positiven 
Ueberzeugung in Beziehung setzt, dafs sie dieselbe nicht rein 
für sich, noch oline klares Bcwiifäifli^yn ilirca Ziiels, sondern in 
der bestimmten Abaiclit treibt, aus cler Auflösung der endlichen 
Standpunkte die Ide« alt ihre Wahrheit rofiidtiren zu lassen, 
reicht die gleiche ToJEcndung hat sit^ dagegen, wenn es sich 
darum handelt, den Inhalt der Idee lui Bcsondern näher zu ent- 
wickeln und von ihr zur Er&chtioung herab zufuhren. Hier 
tritt ihr die abstrakte Fassung der Idee ah fiir sich seiendes 
Object, als reiner die XegntlviLät des Eadltcben ausschliefsen* 
der Idealität, in den Weg und unfähige in ihr selbst das Mo- 
ment aufzuzeigen, das sie zur Erscheinung forttreibt, mufs sie 
sich begnügen, die Idee theils nur an der vorausgesetzten Er- 
scheinung als die Wahrheit und Wirklichkeit derselben durch- 
zufuhren, theils den Fortgang im Einzelnen nur für die Phan- 
tasie, nicht für's wissenschaftliche Denken zu vermitteln.-^ Da- 
her einestheils der empirische Charakter, den z. B. die Ablei- 
tung des Staats und seiner drei Stände in der Republik, die 
Kosmologie des Timäus, selbst die Ausfuhrung des Sophisten 
und des Parmenides über die Ideen an sich trägt und der nicht 
ganz selten, wie. eben in der spaltenden Logik des Sophisten 
und des Politikus und in der häufigen Anwendung der Mathe* 
maiik auf geistige Gebiete zu einem ziemlich leeren Forma- 
lism fortgeht; anderntheils das Bedürfnifs, die Lücken der wis- 
senschaftlichen Entwicklung durch jene mythischen Darstel- 
lungen auszufüllen, welche die Einsicht in den Zusammenhang 
des Systems trüben, die logische Strenge der Methode durch 
das ungebundene System der Phantasie unterbrechen und auch 
immer einen Mangel an klarer Durcharbeitung des Gedanken« 
verrathen . 

Ueber die Aechtheit und Unächtheit dieser oder jener Schrift 
hat sich endlich der Streit bis in die neueste Zeit fortgespon- 
nen. Brandis (II. 179 A. xx), welcher die Mitte einzuhalten 
sucht, hält mit Schleiermacher, Ritter, Hermann etc. die bereits 
im Alterthum angefochtenen Demodokus, Sisyphus, EryxiaS| 
Axiochus, den Dialog über das Gerechte und über die Tugend, 
den Minos, Hipparchus, Theages und <lie Definitionen für in 
der That zweifelhaft. Der kleinere Hippias und Menexenus 
scheinen ihm, ab Gelegenheitsschriften betrachtet, des Plato 
keineswegs unwerth, auch der Jo nicht. Zweifelhafter erscheint 
ihm die Aechtheit des ersten Alkibi»des. Weiter geht Zeller^ 
GuxBposch» Dr* V. F., Geschichte ä. Philosophie. & 



— •• — 

wololier die Apologi« des Sokratcs, den LaeUet, Ch^mides^ 
Lytit, Eutypbro^ die Bearbeitung der Ge»cUc etc. nicht für 
platonisch hält. 

Zu den Ausgaben seiner Werke von Ast, Bekker, Stallbaum 
ist eine von Baitcr, Orclli und Wind clmann gekommen. In An- 
sehung der ^t*ii» wachsen dvfi Literatur über Piaton verweise 
ich auf din Gca^UidiisvircriL' von Brandia und Zcller fiber grie- 
chische Phllunoplite« Hervorragend »ind die A-rbeiten von K. 
F. Hermann (GreMih, und S^Biem der |i]aton. Pilosophie, Hei- 
delb. I83fl. Vindiciae platOEi« Mark 1840) und Zelier (Plato- 
nische Studien, Tüb. IBJU). 

Die ältere Akademie unterscliied sich ron Platon 
durch die starke Benützung der pythagoreischen Zahlen* 
lehre (Arist. Metaph» Xlll. i. 3. 6. 8. 9; XIV. 2. 3.), durch 
eine empirische Richtung, durch Vorliebe fiir Populär- Re- 
ligiöses und füjr praktische Philosophie« Die erste Rich- 
tung spaltete sich m drei Meinungen: in die platonische, 
nach der die mathefnatischen Zahlen von den idealen noch 
unterschieden sind; in eine zweile, nach der es blos mathe- 
matische Ton den sinnlichen Dingen getrennte Zahlen giebt; 
und^in eine dritte, nach der es blos ideale Zahlen giebt. 
Bei Piatons Geist und Sinn blieben sie also nicht stehen^ 
ohne doch etwas Neues und Lebenskräftiges heryorzubrin* 
gen, man müfste denn die Gedanken des Speusippos in An- 
schlag bringen, daTs das in der sokratischen Schule aufge« 
suchte innere Eins weder das Gute noch das Seiende schlecht- 
weg, sondern nur der Keim sei (Arist, Metaph. XIL 7. XIV. 
4- 5; Zeller II. 332 f.)» 

Van de Wynpresse, diatr. de Xen. Lugd. B. iSO^. Heidelb. 

Jahrb. I8a4 Nr. 30. 
Kayser, de Grant. Heidelb. 184 1. 

Die spätem Akademiker sind nur in der Negation, 
in den Versuchen, Positives auf Wahrscheinliches herabzu- 
setzen, in der Forderung eines Kriteriums bemerkenswerth 
und gehören der dritten und vierten Periode der griechi- 
schen Philosophie an. 

Gerlach, comm. exhib. Academ. junior, de prdbabilitata disp. 
GoCting. 1816*, Br«deiten^ da Aieesilao, Havn. l^at; Gef- 



— (W — 

fers, de ArcesDao, Gotling. 1643; RouJez, Comm. 4e Carn. 
Gand. 18*25; Verbürg, de Carn. DJtraj. i8'27 ; Gourand, 
de Carneadis vita etc. . Paris 1848. 

^^ Die Lehre den Aristoteles uulcrscheiJet sich von 
der Piatons in >Tregcjit liehen Piiukleti, Platoa gründet das 
Wissen auf das vom Werden y«d Realen der Erscheinung 
Unberührte ; Ariätotelea a\if die Zusammenfassung des Er- 
fahrungsmä&igen iji die Einheit, ü ei Piaton ist der Erfor- 
schung der äufsera Einzeldingc weniger Achtung geschenkt, 
als den Ideen; Aristcitetes sucht durch die ganze Reihe der 
Dinge das Allgemeine wie das Besondere zw ergründen» 
Piaton hält die Idee und die äufsere Erscheinung aus ein- 
ander; Aristoteles sucht beide zu verbinden, die Idee den 
Dingen immanent zu fassen. Für Piaton ist nur das All- 
gemeine, die Idee, Substanz: für Aristoteles das Individuelle. 
Piaton sieht die Materie als das Nichtseiende an, Aristoteles 
als das Nochnichtseiende, die Möglichkeit» Während end- 
lich Piaton die Idee des Guten an sich in die Ethik zieht, 
beschränkt sich Aristoteles auf das Gute im Leben und lei- 
tet nicht dio Tugend aus der Einsicht ab, sondern die ver- 
nünftige Einsi<;ht aus Trieb und Zucht etc» Berühmt ist 
die Polemik des Aristoteles gegen die Ideeiilehre. Wo- 
durch, fragt dieser, unterscheidet sich denn der Mensch, 
das Pferd an sich von den wirklichen, als durch das Wort? 
Wie kann die Substanz aufserhalb dessen sein, von dem sie 
Substanz ist? Wie können die Ideen, als aufsen seiende, 
das Wesen bilden, oder Substanzen sein, da Bie nur an 
einem Andern sind? Wie können, bei dem vorausgesetz- 
ten Theilhaben an der Idee, bei der Getrenntheit und Theil- 
nehmbarkeit zugleich, die Merkmale sich zu Einer Idee zu- 
isammenschliefsen? Wie sollen sie, als Abgesondertes, be- 
wegen? Was sollen die Ideen, diese verewigten Sinnen- 
dinge, zur Erkenntnifs der an den Ideen theilnehmenden 
liinzeldinge nützen, da diesen die Ideen nicht einwohnen, 
sondern abgesondert sind? 

Ariatotelös sucht« dureli seane Begriffe der Bewegung, 
der Möglidikeit und Wirklichkeit, des Stoffels und der Form^. 
4en g^hhoi Mängeln abzuhelfen. Der^ofi* bewegt »eh 

5* 



— dB — 

z«ur Porm, die Möglichkeit zur Wirkliciikeil und die Well 
erscheint ihm als Entwiddnng der immanenten Idee, Die- 
ser Gedanke läfst sich durch die ganze Tafel seiner Be- 
griffe verfolgen. 

Das Unbewegte und Bewegende, die erste Ursache, die 
erste Form, die reine Wirklichkeit, das reine Den- 
ken, das reine Jenseits Qfgtarov xivsvy XQoroy tidog voijCig 
yoijöitag^ xgtaror ro ri ijv eivai), Gott, 



B 




c 


Das B«w-egte 


Da« blos Beavegt«*, das Diesseits mit 


und Bewegen- 


vier Stoffen, 


de, das rela- 


Das Allgemeine 


— das Einzelne. 


tive Jenseits, 


Der JStoff, vXij^ 


•— die Form, Midog^ M^9Wi 


die obere 


Crtgij6ig 


To rt eöri. 


S p ha r e mit 


Die Möglichkeit, 


— die WirklichVeit, evreXe- 


Einem Stoffe, 


dwaßig 


X^^i evtQyna. 


dem A etil er. 


Die Mittel 


.^ der Zweck. 


und Einer 


Mittelliar Bewegtes 


— mittelbar Bewegendes« 


gleichfotmi- 


Zufälliges 


— Nothwendiges. 


gen vollkom- 


Gattnag 


— Individuum. 


menen, d. h. 


Leib' 


— Seele. 


Kreis -^Bewe- 


Seele 


— Vernunft ndog adsc* 


^ung- 


r^ag fCaStjrtxog 


— JVifS jgoqiTixoi. 




Tagendtri^ 


— Tugendeinsicht.. 




Sein 


— Wissen. 



Ethische Tugenden — Dianoetische Tugenden. 
IToXtrucov ^(oov — der Staat. 
^ixcuov ^uCixcnf — - ducaiov vofiucov. 
Praktisches Letiea — theoretisches Leben. 
Xugendthätigkeit — Tugeudlust etc. 

Es Icönnen hier die Vorvmrfe, welche man diesem Systeme 
gemacht hat, nicht weitläufig^ erwogen werden« Die Meisten 
haben wohl übersehen, dafs naheliegende Bedenken dem 
Aristoteles auch nahe lagen, und dafs solche Bedenken hei 
der zweifelhaften Beschaffenheit der aristotelischen Schriften 
zu nichts dienen, als zu einem Kriterium der Aechtheit und 
linächtheii. Man akiefs sich danoi, dafs der Stagirit Gott 
nur denken lasse, worunter die Th&tigkeit und Persönliche 
keit Gottes leide« Aber wenn Got^ etwas wollen jell, aa 



Icann er nur dMB«sle woUcn, d. h« Mch $^h%L 9kih Mlhit 
kat er aber sdion. AI30 kann er sichta wolteo, d. h« wol« 
len im gewöhnüchen Sinne. Man fand es rathselbaft, wie 
Gott unbewegt und doch der Beweger, d« h. Schöpfer der 
unendlichen jrdi&clicn Mantiigfaiti^Ucife^ sein soU. Da aber 
Aristoteles die Bewegung des Jrdi^LUeii durch Geit ak eine 
dureh die obem Spbären reFmitLckc e^ufla/ste, so fällt die 
mannigfaltige BUdung, di& fndtvidu^ti&n, dem B^ewegten 
und Bewegenden anhein^. Und die Bewegung ohne Be- 
wegftwerden hat er an den Beispielen des Dankbaren und 
Geliebten, welches uiclit tji's Di^nken und in*» Lieben rer- 
wickek wird, so deut4ich gemacht, als es^ bei solchen Din- 
gen möglich ist (Metaph» XII. 7.)«^ Ferner ist diese Trans- 
cendenz nur halb». Gott ist die Form, die Ursache des Stre- 
ben» des^ Alls CMetaph. XII. 7« 8.)) aber zunächst der hö- 
hern Sphären und nur mittelbar der untern, wo die /i€Ta- 
ßoXfj als Bewegung auftritt« Sodann wäre Aristoteles, wenn 
er das ngcnvor €t^og nicht frei vonk Prozesse erhaben hätte, 
ofenbar gar zu keiner Wirklichkeit der driHen grofsen Po-» 
tenz gekommen» Gott ist ihm in^ Verhältnisse zur obem 
Sphäre die Form und WirkKchkeit roraus, ist aber in die- 
ser Sphäre als Trieb derselben. Damit is^ die Form dieser 
Sphäre als Möglichkeit voraus». Für die untere Sphäre ist 
die obere Sphäre- der Trieb, die vorausgehende Form, als 
Möglichkeit. Möglichkeit ist jeder der zwei bewegten Kreise 
im Verhältnifs zu dem jedesmaligen höhern, Wirklichkeit 
im V%rhäknifs zu dem jedesmaligen niedemw Die Formen 
im Irdischen sind refieitiv nur Stoff und ebenso die Form 
des obern Kreises. Wir bekommen ein eti^s der ersten, 
^(weiten und dritten Potenz. Es käme also zu keiner abso- 
luten Wirklichkeit, wenn im obersten Kreise. noch von Mög- 
lichkeit die Rede wäre» Ein anderer Vorwurf ist der, dafs 
Aristoteles die Vernunft von aufsen in den Menschen kom- 
men liefs« Aber Aristoteles hebt das Verhältnifs nirgends 
auf, unter dessen Einflufs allein die Form sich entwickelt. 
Warum sollte er es gerade beim Geiste thun, der von au- 
fsen gebildet werden muis? Der acht -> aristotelische Ge- 
danke kann nur vom Uebergang der Seele in den ms na- 
S-fjTixos und dieses in den >{f^ 790i^TiXog sein. Dafs er 



— 70 — 

dlieten rom Leibe scheidet, hat so weöig Befrevdlendes, «fs 
die Lösung des Baumes Tom Saamen, oder -Oottes von der 
Welt. Die Behauptung, dafs die Materie evirig aisQf]aig 
bleibe, womit ein unrertilgbarer Dualismus gesetzt sei, kann 
zu einem unbedingten Vorwurfe nicht geeignet sein. Die 
Materie ist bei Aristoteles nichts Stehendes, denn sie ist 
das zur Form Bestimmte, die Negation ihrer selbst, kann 
also keinen Dualism begründen. Nie hat ein Philosoph 
einen gröfsern Widerwillen gegen den Dualism gehabt. 
„Dem Ersten, bemerkt er Metaph. XIL lo. 18., ist nichts 
entgegengesetzt.'* . „Die Materie allein, vXt] 17 fiia, ist nichts 
entgegengesc^tzt (eb. S,).'' Und in der Metaphysik VllI, 6. 
evklärt er sich gegen diejenigen, welche stets ron einer Zu- 
sammensetzung sprachen« „Der Grund ihrer Ansicht, sagt 
er, ist der, dais sie nach einem einsmachenden Grunde wie 
nach einem Unterschiede zwischen Vermögen und Wirk- 
lichkeit suchen« ^ Es ist jedoch die letzte Materie, eayaTT] 
ih], und die Form, /uoQfpfj, eins und dasselbe, identisch, 
%avTO. Die erste ist es dem Vermögen, die andre der Wirk- 
lichkeit nach. Wer also nach der Ursache des Eins forscht, 
der forscht damit nach der Ursache des Einssein. Eins ist 
nemlich Jegliches; das potentiell und das actuell Seiende 
ist gewissermassen Eins. Es giebt keine andre Ursache (des 
Einsseins), als das etwa vom Vermögen zur Wirklichkeit 
Bewegende. Was aber keine Materie hat, das ist Alles 
schlechtweg Eins, änXtog oiieQ ovra ti." Daran ist zu rei- 
hen^ was Aristoteles über Idendität des Gedachten und Den- 
kenden sagt (De anima 111. 4. L 1.), wobei ich auf die Con- 
troverse aufmerksam mache, ob diese Idendität blos in An- 
sehung des göttlichen vag yon Aristoteles ausgesagt werde, 
wie Fischer (Charakteristik des Hegerschen Systems, Erl. 
1845) meint, oder auch in Ansehung des menschlichen« 

Ebenso unhaltbar sind die Vorwürfe der blosen Em- 
pirie in Ansehung der aristotelischen Tugenden, Katego- 
rien etc. Die Kategorien z. B. haben ihr Princip in den 
Redetheilen, wenn man sie, wozu man allein berechtigt ist, 
von antik -logischer, d. h. grammatisch -versetzter, nicht 
von modern speculativer Seite auffafst ele. 



~ 71 - 

Nach diesen Andevtanp^n woMen auch die nnteitritte» 
nen Verdienste, des Slagiriten kurz herrorgehoben sein. 
Aristoteles ist Gründer der Logik. Will' man dem Sokra- 
tes die Methode der Begriffsbildiing, dem Plato die Ein- 
theilung zutheilen, so wird man dem Aristoteles die Theo- 
rie des Beweises zutheilen müssen. .Er hat in Einer Be- 
ziehung die Logik bis auf den heutigen Tag fixirt. Die 
riefte logische Figur ist unwesentlich; die Ausführung der 
hypothetischen Schlüsse wahrscheinlich rerloren« Defsglei- 
ehea ist er Vater der Psychologie \tnd ihres Grandgedankens, 
des Mikrokosmus (De an« III. 8.)) wie der Naturgeschichte 
überhaupt. Ferner ist er Gründer der Theologie als Theism 
durch das 12. Buqh der Metaphysik, Gründer der Geschichte 
der Philosophie durch das 1. Buch der Metaphysik etc., 
Gründer des Naturrechts, des Staatsrechts^ der Oekonomik 
und der kritischen Geschichte der Staatsformen durch seine 
Politik, der Rhetorik durcl) seine drei Bücher, endlieh der 
Ae^hetik durch seine Poetik« Und dies Alles ist er nicht 
als bioser Anfängen Wie Kant aussprach, dafs die Logik 
seit Aristoteles weder vor- noch rückwärts geschritten sei, 
so Lessing, dafs die Poetik eben so unfehlbar sei, als die 
Elemente des Euklides- ete. Der Umstand, dafs die Aesthe- 
tik bei Rixner so schwach rertreten ist, scheint es zu recht- 
fertigen, wenn hier den ergänzenden Bemerkungen zur ari- 
stotelischen Literatur und Schule ein Abschnitt über antike 
Aesthetik folgt. 

Die Gesamuitausgabe von Bekker erselnen z« Berliir fS3l f. Der- 
selbe hat aber auch die einzelnen Schriften gesondert erschei- 
nen lassen. Ton speziellen. Aiisgabes sjnd die de anima van 
TrcndelenbuTgy. der Poelik von Ritter, des Organon voa Waitz, 
der Politik von Stahr, der Metaphysik griech. Yoa Benitz,. 
deutsch -grieehiseh Yon Schwegler, der Oekonowiik von Gött- 
, ling, der Etbik von Michclet, der Meleorologik von Ideler zu 
erwähnen» Unter denen, welche über Arrstoteics und dessen 
Schriften handelten, machten sich bemefklieh; Stahr (Aristotelia, 
Leben des Aristoteles, Halle 1830^ Lebe», Schriften und Schü- 
ler des Aristoteles, eb. 183^; Aristoteles bei den Römern, Lcipz. 
i834 y Jonrdains Gesch. der aristotel» Schriften im Mittelalter 
Biit Zusätzen, Halle 1831 ), Brandis (Diatribe acad. de perditis 
Arist. librif de ideis et de bona fionn i8a^*, Ueber die Schick- 



-^ « — 

•al« ier aristotel. Bücher, ia Niebulirt Rhein. Mat. 1897; 
Heber die Reihenfolge der Bücher des Ar« OrganonSi In de« 
Abhandl. der Berl. Akad* 1835), Spengel (Ueber die Poetik in 
den Abhandl. der Bair. Akad. 1837 ; De Arist. üb. X. bist, 
animal. et incerto auct. libri xtQi, xoöfxv Heidelb. 184); Ueber 
die ethischen Schriften eb. 184l etc.), Trendelenburg (De Ari- 
stotelis categoriis, Berl. 1833 ; Elementa logices aristotelicae ib. 
1842; Erläntcrungen zu den Elementen eb. 1842; Logische Un- 
tersachungen etc.), an welche sich die Arbeiten von Bonitx über 
Metaphysik und Ethik und noch andre anreihen. Ueber die 
Poetik iit Lessings Hamburger Dramaturgie die Hauptschrift 
geblieben. Die Schriften, welche unter Aristoteles Namen um- 
laufen, sind nicht alle acht wie die Schrift de mundo, welche 
nach Osann (Beitrage cur romischen und griechischen Litera- 
turgesch. I. S. l44 f.) von einem Stoiker herrührt, ferner das 
2. Buch der Oekonomik (G5ttling 1. c), die Schrift jtiQt iQfxrj' 
ytiag (S. meine Schrift über die Logik des Aristoteles Leipz. 
1839), die Eudemische Ethik, die Magna Moralia (Spengel 1. c). 
Es ist hier von kleinen Irrthümern, z. B. dafs Aristoteles die 
Logik oQyavw genannt, bis zur Scheidung des Aechten und 
Unächten und der Mastenvertheilung hinauf/ noch Viel/es zu 
ihnn. 

Für die peripatetische Schule, in der eine bis zum Naturalism 
•ich verlierende physikalische und bis zur Popularphilosophie 
niedersteigende ethische Richtung, jedoch, wenn wir Theo- 
phrasts Annahme der Bewegung der Seele (Simpl. Phys. 225. a.) 
ausnehmen wollen, keine nothwen^ige durch / den Stagiriten 
gebotene Weiterentwicklung sich zeigte, sind -in neuerer Zeit 
mehrere Gelehrte thStig gewesen : 

C. Zell, de Theop])jr. indole ex Arist. ratione repetenda, 
Friburg. 1825. 4; H. £. Foss, de Theophr* notat mor. com- 
ment. Hai, 1834 sq.; Pinzger, über die Char. d. Theophr. 
Ratibor 1832 sq.; Philippson, vlij ctyS^QtiXtvtj p. H. Theo- 
phrasti fragmm. Berol. 1831. 

C. N au werk, de Stratone Lamps. ib. 1836. 

J. B. Yerraert, de Clearcho Sol. Gand. 1828. 

Voisin, diatr. de Phania Eresio, ib. 1824. 

J. J. Roulez, de vita et scr. Heraclidis Pont. Lovanii 1828; 
£. D esswert, de Her. P. ib. 1830; P olsber W| de rebut 
Her. P. Brandenb. 1833. 

Fuhr, Dicaearchi Mess. quae supersunt, Darmst. l84t. 

G oll er, Demetrii Über de elocutio«^ Lips. 1837. 



— TS - 

lieber Lycon aus Troas (^70 ▼. Cbr.) icbri^ Otenzer in 
den Wiener Jahrbüchern 1833 B. 6l; über Aristo» von Ceoi 
.Hiibmann in Jahn^s Jahrb. 1835 Suppl. III. ; um Alexander von 
Aphrodisias bemühten sich Spcngcl (AI. Aphr. quacstionum 
natural, et moral. ad Aristot. philosophiam illustrandam ]ib. IV, 
Monach. 184^} und Bonitz (Alexandri Aphr. coininentar. in 
libroi metnphysicos, Berol. 1846)« 



Vllf. 

Zur Geschichte der antiken Aesthelih 

V 

Der Begriff der Kunst wurde im Aiierthume viel wei- 
ter gefafst, als jetzt. Er war ein alle Cultur umfassender. 
So erscheint er z* B. bei Quinctilian (Instit. II. i8.), wel- 
cher 43 n. Chr. zu Calagurrig in Spanien geboren wurde, 
zu Rom als Redner, Sachwalter, Vorstand einer Redner« 
•chule wirkte^ sich ii8 unter Domitian zum Consulat em- 
porschwang und mehrere Schriften, darunter declamationes 
und die yielgerühmten lib. XII. institutionis oratoriae (ed* 
Spalding Lips. 1798 sq* V; ed. Zumpt. ib. i85i ; Bonnell, 
Lexic. Quinctil* ib. i854; Hummel, Quint« Vita Gott. 1845* 
4) verfafste. Die Künste werden in theoretische, praktische 
Und poetische eingetheilt. Die erstem haben es mit der 
Betrachtung, d. h. der Erkenntnifs und Abschätzung der 
Dinge, zu thun. So die- Astrologie, welche keine Thätig- 
keit bezweckt, sondern sich mit Erkenntnifs ihres Vorvrurfs 
begnügt. Die praktischen haben im Gegensatze zu den be- 
schauenden, die That zum Ziel und finden in der Thätig- 
keit ihren Abschlufs, ohne nach dieser etwas zu hinterlas- 
sen. So die Tanzkunst. Das Wesen der poetischen beruht 
endlich auf dem bleibenden Ergebnisse. Sie finden ihr Ziel 
in Herstellung eines sichtbaren Werkes. So die Malerkunst 
(Tgl. Bekker, Anecdota graeca t, II. 652. 635; Galenos, Tif^i 
GVGTaaefüS Icitq, II)« Unsre Kunst kann bei dieser Ein- 
theilung nicht als Ganzes bestehen« Und ihrem Begriffe ist 
auch eine andre Eintheilung des Alterthums ganz fremd, 
welche Xenophon rom staatsmännischen Standpunkte aus 
(Oecon. IV. 3.) macht. Er theilt sie in freie und banausi^ 



— 74 — 

tehe. Zu den freien Künsten werden Grammatik, Arznei- 
knnde, Philosophie, Geometrie, Astronomie und Musik ge- 
rechnet; zu den banausischen Bildhauerei, Malerei, Mimik. 
Man vergleiche hierüber die Aussprüche Lukian's (De sal- 
tat. 27.) und Plinius (Histor« natiir. 35* 36« 8.) mit dem des 
altern Aristoteles in der Rhetorik IIL 2. 

Dieser Mangel an einem sichern scharfgetrennten Kunst- 
begriff kann als Beleg für die unvollkommene Entwicklung 
dieser Wissenschaft betrachtet werden. 

Dasselbe ist in Betreff des antiken Schönheitsbegriffes 
zu sägen. Der Begriff des Schönen erscheint im Alterthume 
vielfach als Nebenschöfsling des Begriffes von Zweckgemäfs, 
Sittlich und Löblich« Wie der Grieche alle Kultur Kunst, 
so nennt er auch alles Sittliche und Löbliche, Einrichtun- 
gen, Gesetze, Beschaffenheiten und Erkenntnisse, Handlun- 
gen und Tugenden schön« Sokrates z« B. nennt-'bei Xeno- 
phon CMeraprabil. 111. 8. IV. 6. IX. 10; Sympos« V« 5.) 
das Taugliche schön. Plalon sagt im Timäos 87. c, alles 
Gute sei schön« Wir lesen im Hippias maj« c« 35i : xako^ 
fpaf^ev Ol o(p&aX/io$ bigiv ny^ ol av SoKanaiV toihtoi civai, 
oloi /ufj äwaroi oquv^ aXX^ oi av Svvaioi tc itdi y^Q^joi-' 
fioi TtQos TO iSeiv» Man kann den ganzen Gang Piatons 
als einen von Schönheit zu Schönheit bezeichnen : von der 
Schönheit eines Körpers zum sinnlich Schönen; von die- 
sem zur Schönheit einer Seele; von dieser zur Schönheit 
der Seelen und Gesetze; von dieser zur Schönheit der Wis- 
senschaften und von da endlich zur Liebe der reinen, ge- 
staltlosen, ewigen, unveränderlichen Schönheit der Idee 
(Sympos. 208 E. sq.). Von gleichem Standpunkte nannte 
noch Galenos {De usu partium corporis humßin 1, 9. ed« 
J« 8,' Venet. 1609 L Gl. fol« ii5.), au Uippokrales iich an- 
lehnend, die beste Einrichtung, welche nach der Aeufse- 
rung, nicht nach Weifse, Weichheil elc* zu b^urthr^jlen sei, 
Schönheit« Er beruft sich dabei auf SaUrates, >Teii:lier die 
Schönheit nach der Güte der Aeufserung bemessen habe. 
Ganz auf dem ethischen Standpunkte steht auch, um noch 
einen der bedeutendsten Repräsentanten antiker Aeslhetik 
zu nennen, Plotin. Er setzt das Schöne in die Herrschaft 
der Idee CE^^nead. V. 8. 85). Schön ist ihm dasjenige, was 



— T5 — 

der Geist beim ersten Anblicke al» Verwandtes b«gräG^ «nd 
liebt, was Theii hat am Geiste, Alles, was gestaltlos und 
doch zur Gestalt bestimmt ist, wie die Materie, ist, als des 
.Begriffes und der Idee untheilhaFtig, hafslich. So ist die 
Farbe schön, weil in ihr die Materie durch die Idee, das 
Dunlile der Materie durch d*B Gegenwart des Lichtes über- 
wunden wird. Das Licht, das was im Lichte leuchtet, ist 
nemlich unkörperlich, ideell und darum schön. Die Lust 
an dem Sinnlichschönen, wie es z. B. in schönen mensch- 
lichen Körpern erscheint, ist eine vorbereitende Stufe zur 
Betrachtang des höchsten Schönen. Der Widerstreit -zwi- 
schen dem Sinnlichschönen und der höhern Seelenschönheit 
ist nur ein scheinbarer. Das Gute ist dem Philosophen der 
Grund, wefshalb etwas schön ist. Darum nennt er die Seele 
hafslich, welche ungerecht und ausschweifend, mit allen Be- 
gierden, mit Schrecken und Verwirrung, aus Furcht und 
niedriger Denkungsart mit Neid erfüllt, deren Dichten und 
Trachten auf Sterbliches und Gemeines gerichtet ist. Die 
entgegengesetzten Eigenschaften, welche die Seele besitzt, 
oder durch Reimgung wieder erlangt, machen aber die Seele 
um so leichter schön, als die Schönheit mit der Seele ver- 
wandt, nicht dieser, wie dem Körper, fremd ist. Die höeli- 
8te Schönheit ist bei Plotin Gott, öder das Gute an sich, 
Ton dem der Geist das Licht des Guten empfängt, das die 
Seele nach sich zieht und n^it Liebe erfüllt. Das Schöne, 
sehen wir demnach, wird allenthalben nicht auf die Kunst 
und auf Kunstgegenstände beschränkt, wonach auch keine 
spezielle, fruchtbare Anwendung möglich war. ' 

Dieselbe Weite und Unsicherheit begegnet uns im Al- 
terthume auch in Ansehung des Begriffes des Erhabenen, 
Als Beleg dient die Schrift des Longinos über das Erhabne 
(cd. Weiske, Lips. 1809; Egger, Par. 1837; Derselbe '"** 
Journal de V Instruction publfque 11. Sept. 1847; G. Schar- 
dam diss. de vita et scriptis Longini in Ruhnkens opusc* 
!!•)• Ueber sein Geburtsort (angeblich Athen), sein Ge- 
burtsjahr und seine Eltern ist nichts Sichres bekannt. Seine ' 
Bildung erhielt er bei Ammonius Saccas und Origenes (um 
91 3). Er hat mit Ruhm die Redekunst zu Athen gelehrt 
und ist von Zenobia nach Palmyra gezogen worden« Ihr 



— w ^ 

Fall beumhie stich die Vemrtheilung des Rathgebers durch 
Aurclianus, Er ertrug S73 seine Hinrichtung heldenmüthig. 
Schon im Alterthum wird er von Eunapios (Vita Porphyr») 
eine lebendige Bibliothek, ein wandelndes Museum genannt* 
Dagegen spricht ihm Porphyrios (Vita Plottni i40 den phi- 
losophischen Chanditer ab. Die Schrift ncQi v^mg, deren 
Zustand nicht der erfreulichste idt, weil Vieles von dersel- 
ben rerloren gieng, handelt über die Merkmale des Hohen 
oder Erhabnen; über die Gegensätze und Hindernisse des 
Hohen; über die Quellen und Mittel« Als erhaben betrach- 
tet er den Blitz, welcher plötzlich aufleuchtet und Alles 
zertheilt (i.); ferner Alles, dessen Geringschätzung niehls 
Grofses hat, wodurch unsre Seele erhoben wird« was sie 
als Weihgeschenk empföngt und dabei mit Lust und Stohc 
erfüllt wird, als hätte sie das Geborte selbst hervorgebraeht 
(7O, was ein Kundiger öfter mit Vergnügen hört (7O1 ^«« 
hohe Gesinnung erzeugt hat (^), was nicht blos fehlerlos 
(33.), nicht blos nikzlicb, zur Nothdurft dienlieh, nolhwen^ 
dig, sondern wunderbar ist (35.), was zu Gott erhebt (36.). 
Unter die Gegensätzls und Hindernisse zählt er das Schwül- 
stige, Frostige, Sittlichkleine, niedre Worte, zusammeilge- 
zogene Schreibart, gebrochnen und gezierten Rythmus. Un- 
ter die Quellen bringt er zwei natürliche ia'w&tyevsig ev- 
eraecigy und drei künstliche» Die künstliehen sind i Bil- 
dung der Redewendung, Figur, nach Gedanke und Aus- 
druck; Wahl des Ausdrucks ;^ Composition« Die natürlichen 
sind: das mehr geschenkte als erworbne Grofse im Gedan- 
ken; das Grofse und Begeisterte im Affect« Die Natur habe 
den Menschen nicht för ein niedriges unedles Wesen ge- 
halten, sondern in's Leben wie in eine grofse Festrersamm- 
Jung geföhrt, wo wir theils Zuschauer, theils welteifernde 
Kämpfer rorzustellen hätten, Sie habe unsrer Seele eine 
unüberwindliche stete Liebe nach allem Grofsen eingepilauzt 
etc* Es soll dieser Schrift ihr Werth nicht abgespiroehen 
werden. Sie enthält schöne Beispiele, Fragmente rerlorner 
Schriftsteller, feine Urlheile über bedeutende alte Schrift- 
steller und ist eine Mahnung an das Grofse in einer kleinen 
Zeit gewesen« Aber für die Kunstwissenschaft ist sie nicht 
als Fortschritt zu betrachten, ja aie stellt sich selbst aus 



— TT — 

diesem Gebiete hinaus. Für Longinos sind auch Werke 
der ?}atur, z. B* Ausbrüche des Vulkans, erhaben, ja er ist 
geneigt, der Kunst überhaupt das £rliabne nicht zuzuthei- 
ien. i,Auf die Einwendung, sagt er, dals der fehlerhafte 
Kolofs nicht 'gröTser als der^ Doryphoros des Polyklet, läfst 
siich entgegnen, dafs in der Kunst die Vollkommenheit, in 
Werken der Natur die Gröfse bewundert wird. Die Rede 
ist Gabe der Natur. Man sucht bei der Bildsäule demzu- 
folge nach der Aehnlichkeit, bei der Rede nach dem das 
Menschliche Uebersteigende. Gleichwohl ist es von Nu- 
tzen, allem Natürlichen duroh die Kunst zu Hilfe zu kom- 
men, da das Fehlerlose meist der Kunst verdankt wird, das 
Emporragende aber Werk grofser Naturen ist (36. 3.),'* 
Der Nutzen der Zergliederung für das Erhabne wird hier 
gering genug angeschlagen; das Erhabne wird aus dem 
Gebiete der bildenden Kunst ausgeschlossen und trägt zur 
Aufhellung der Kunstwissenschaft nichts bei, ja führt zur 
Trennung zwischen Natur und Kunst« Zudem kommt Lon- 
ginos gar nicht zum Erhabnen, sondern nur zu Erhaben- 
heiten, zu einem «tfahrungsmäfsigen Aggregat, weil er nicht 
auf die Theorie des Gefühls, auf die Bedingungen des un- 
interessirten Wohlgefallen zurückgeht. 

Die Kunst, alle ihre Begriffe und Zweige waren und 
blieben für die Meisten im Alterlhum ungeschieden und 
unrein. Die Musik war nur Accidens der Dichtkunst; die 
Bildhauerei, Malerei und Dichtkunst waren zu stark an die 
Religion gefesselt. Die Religion liebt aber mehr das Be- 
deutende, als das Schöne« Im Tempeldienste giebt es keine 
reine Kunst und ohne reine Kunst keine vollendetere Theo- 
rie, weil der Zweck ein gemischter bleibt, weil man den 
Begriff des Schönen gern nach dem Zwecke des fraglich 
Schönen modelt« 

Daher kommt es, dafs man früh und spät bei Lesung 
der Dichter mehr theologische, als ästhetische Forderungen 
machte. Schon Herakleit soll den Homer wegen flacher 
Andicht der Eqiq getadelt haben (Diog. Laert. IX. i.)« Xe« 
nophanes wird ^OfjtfjQtmaTfjs cniaHdUTir^s genannt (Krische 
87>« Zenon, sein Schüler Fersaus und Andre schrieben über 



— « — 

Homer zum Behufe allegorisch •physiologischer Deutung der 
Mythen, um an dem Gefeierten einen Bundesgcifossen stoi- 
scher Ansichten zu gewinnen (Krieche 692 f.). Dio Chrys« 
sagte von diesen Studien : ö de Zr^vmv säev Tmv %h *0/h^^ 

dolav T« de xctra tcXfjd^eiav yej^atpBP. War man gewöhnt, 
in den Dichtern Theologen zu erblicken, so erblickte man 
in ihnen auch Geschichtschreibery Geographen, Philosophen^ 
Redner etc. und vergafs darüber die Form und Wirkung. 
Ich will Ms Beleg nur noch den Tadel des Pkilostratua an- 
führen, welcher in den Heldtngcschichten steht. Homer, 
sagt er, habe die Helena, deren Aufenthalt in Aegypten er 
gewufst, auf die Mauern von llium geführt. Odyssens sei 
«in Spielzeug Homers. Für dasselbe habe er das Geschlecht 
der Cykiopen, die LSstrygoner, den Dämon der Giree er- 
sonnen etc. Die accidentale Forderung ist dann auch der 
Grund, wefshalb ein Aristophanes in den Rittern gegen die 
Demagogen, in den Fröschen gegen die neue Dichtkunst, 
in den Wolken gegen die neue Philosophie loszieht, die 
gute alte Zeit ohne Ende preist und umgekehrt am Ende 
an die mittlere Komödie (Plutos) streift. Es sind materielle 
Forderungen die überwiegenden im Volke gewesen. Die 
Dichtkunst ist Mittel zum Zweck und der Mapn giebt sich 
zum Knechte her, wegen des Ertrages, denn er selbst ist 
ohne Glauben, ohne sichres Wiäsen,v ohne Liebe zur Zucht, 
ein achtes Rind der Zeit, wo demokratische Verwilderung, 
Freude, alles Bedeutende, alles Grofse im Kothe herumzu- 
zerren, sittliche und. geistige Müdigkeit und ^iihilismus ikx 
herrschen begannen. Er ist) wenn man einen antiken Mil- 
lionär an Beweglichkeit, Allseitigkeit, glänzender Technik 
mit einem Pariser Bettler verglpichen darf, Athens Heine, 
der über Alles lacht, nur über sich selbst nicht, der alles 
Niedre und Heilige antastet und benützt, n^ur sich nicht, 
als das Unreinste imd sich Allerheiligste. (S. Droysens Ein- 
leit. zu seiner Ueb^rsetzung). Der accadentale Charakter 
der antiken Kunst erklärt endlieh auch se viele Aussprüche 
des Alterthums über den Ursprung .ub4 .den 2Sweek -Aer 
Klingt, erklärt Piatom Widefwülen und die SteUting, wd- 
oher die Kunst bei ihm erhtell. . Er l&fst flie Iheiis ans jeaer. 



fia/¥ia (Phaedr. 246. A;. Apol. 33. B. Meno 99 D% thcilt 
aus Empirie (Phileb. 55 £ sq^X stammen ; föhrt gegen sie 
an, dafs sie allein erzeuge (Phaedr* 348 B. Sopb. aig B. 
Republ. X. 595 sq. u. a. a. O*), dafs ihre Wirkung eine der 
Sittlichkeit zuwiderlaufende, aufregende seu Piaton fiAte 
die Kunst ohne Zweifel in ihrer Mischung mit Staat und 
Reh'gion, also auch ihren Zweck als gemischten, und 
jnocht^ nun finden, dafs dieser nicht allseitig erreicht werde. 
Daher sein Ausspruch (de Lagg. 11. G54): %aXms od^i «Of 
naXvis aqyei^&iy et xa,t K&Xa adei »ixi xaXa OQyeitm, woz« 
unsre Lieder ohne. Text, ui^re Symphonieen starkoi Gei- 
gen satz bildep. 

Um so hoher haben wir dem Stagiriten das anzurech« 
neu, was er auch hier ffcleistet hat, iiidem er das ZufalHge 
mehr loslöst und zum nächsten eigenlhümlichen Begriffe 
schreitet. 

Die Kunst; ist fiir Aristoteles nicht blos Nachahmung. Er 
ordert hei der Musik Charakter (Polit. Vill. 5.), hei der 
Malerei und Poesie Erhebung über die rohe Wirklichkeit 
(Poet. i5.), bei der Poesie aber Philosophie, „Nicht die 
Erzählung des Geschehenen, sagt er (Poet. 9.), ist Aufgabe 
des Dichters, sondern Erzählung der Begebenheiten, wie 
sie geschehen sein konnten und des Möglichen nach der 
Wahrscheinlichkeit, pder Nothwendigkeit (o/a av yevoito 
ncai ra tft/^ara ^ata to eixog rj to avayxaiov'). Der Ge- 
schichtschreiber und Dichter unterscheiden sich dadurch, 
dafs der Eine giebt, was geschehen ist, der Andre, wie es 
tiätte geschehen können. Deftfwegen ist die Poesie philo- 
sophischer und edler als die Ofeschichte. Die Poesie giebt 
mehr das Allgemeine, die Geschichte das Einzelne. 

Ab Quellen der Kunst betrachtet er den angebomei^ 
Nachahmungstrieb und trifft insofern mit Piaton zusammen. 
Aber er stellt die ireie Thätigkeit, das selbstbewufste Schaf- 
fen daneben (Poet. 4.). 

Die Dichtungsarten scjieidet er nach den Mitteln, naph 
i0k Gegenständen und nach der Art der Darstellung (ib^ 1. 
u. 3.). Die UrsRchea der Diffinrenom findet er in den T«rw 
•dnedenen Natusenu rP^ ^üis NaDhaiimuDg, Harmosie und 



— 8i r- 

Bytkmtis ron Natur gegeben sind, sagt er (c. 4.)) so haben 
Ton Anfang die hiezu GescI^affenen, die Sache meist immer 
etwas weiterführend, die Dichtkunst aus der Improyisatioii 
herausgezogen («| agy^i^g oi nefjpvaoTeg ix,m avTa, fiaXiOTa 
%ix%a fiiHQov TiQoayovTes, syevv^aav %f^r notfjaip ejc Ttav 
avToays&iaafiavfov^ Die Dichtkunst theilte sich aber nach 
den eigentbümlichen Charakteren der Dichter in yerschie- 
dene Richtungen: die Ernsteren stellten schöne Geschicke, ^ 
die Leichteren leichtfertiges Zeug dar. Die Einen mach- 
ten Schmähgedichte, die Andern Hymen und Loblieder. 
Und später wurden die Einen' Comödien» Dichter, die An« 
dem Epiker und Tragiker." 

In Ansehung des Begriffes der Schönheit weicht er nicht 
nur sehr yortheilhaft von dem übrigen Alterthume ab, in- 
dem er Ta^is 9cm ov/i/ii€TQia xai Vo wQiofievov als Arten 
des Schönen an die Stelle des Schönen Piatons setzt (Me- 
taphys. Xlir. 3; Probl. XVII. i. 9. XIX. 38.), sondern er 
setzt Harmonie zwischen der Schönheitsforderung und der 
Forderung an das Einzelne. „Da das Gute und das Schöne 
verschieden sind, bemerkt er an der era|genannten Stelle, 
denn daa^erste findet sich stets bei der Handlung, das Schöne 
auch bei dem Unbewegten, so irren diejenigen, welche be- 
haupten, die mathematischen Wissenschaften sagten nichts 
über das Schöne nnd Gute. Sie besprechen und weisen es 
im hohen Grade, denn sie weisen und besprechen die Werke 
und Gründe des Schönen, wenn sie auch das Wort nicht 
nennen." Es scheint zwar, als ob auch Aristoteles auf dem 
sittlich -beschränkten Boden .der Uebrigen stehe und an die 
priesterliche xa&aQGig streifji, dafs er Ordnung, Symmetrie, 
Gröfse und Begrenzung als das Schöne begreife, weil sich 
nur damit ein sittlicher Zweck erreichen lasse, wie Plotin 
das Schöne betont, weil es das Formgebende, edlere Gei- 
stige ist nnd Longin auf das Erhabne Gewicht legt, weil 
er das Uebergewicht innerer sittlicher G^fse liebt. Aristo- 
teles hätte auch insofern ein Verdienst, da Piaton, in der 
Abneigung gegen Körperwelt und gleichzeitige Dichtung 
befangen, die Kunst in unserem Sinne aus seiner RepubMfc 
zu ir«rbannen geneigt war. Jedoch fafste er die xU&u^üi^ 
nicht blofs als Tempellätiterung, sondern «Is fjdovfj. Seiil9 

ganse 



— 8! — 

ganze Theorie isl eine. weliKche ^ eine acht philosophische. 
Dies kann uns nicht entgehen, wenn wir seine Regeln fftr 
die Tragödie genauer betrachten, jenen Brennpunkt der Ge- 
schichte der Aesthetik. 

Wir werden^ dabei sehen, dafs Aristoteles erstens den 
Mythus, den Stoff, stark betont, insofern dieser die Ver- 
nunft befriedigt, auf das vernünftige aXo/or, dei^ philoso« 
phischen Mythus, hohen Werth legt; dwfs er sweitens hie- 
durch mit dem accidental - religiösen Wesen der Tragiker 
zusammenhangt; dafs er ddtlens aber weder ihrem religiö- 
sen noch relativ hrreligiöseik Zuge beifällig oder mifsföUig 
folgt, sondern, über dem geschichtlichen und auf dem &sthe- 
tischen Boden verharrend, das aXoyoVy als aufserordent- 
liehen vernunflgemafsen Fall, wegen seiner ästhetischen Wir- 
kung liebt« 

Hören wir zuerst seine Worte über die Mittel der Tra- 
gödie und die Beschaffenheit des Hauptmittels, des Mythus. 
^^Wenn einer charakteristische Sprüche, schön gedichtete 
Worte und Gedanken an. einander reiht, so thut er nicht, 
was Aufgabe der Tragödie ist. Vielmehr löst diejenige Tra- 
gödie ihre Aufgabe, welche diese Dinge unvollkommener, 
dagegen Mythus und Zusammenstellung der Begebenheiten 
hat. Zudem sind die bedeutendsten Mittel, wodurch die 
Tragödie die Seelen an sich zieht, Theile des Mythus, näm- 
lich die Peripetien und drc Wiedererkennungen. Einen wei- 
tern Beweis liefert der (Jmstand, dafs die angehenden Dich- 
ter eher zur Correctbeit in Sprache und Charakterschilde- 
rung gelangen, als zur Kenntnifs der Composition. Wie 
es auch fast bei allen Dichtern d^r ersten Periode der Fall 
ist. Das Erste und gleichsam die Seele der Tragödie ist 
also der Mythus (6).^^ „Da die Zusammensetzung der schön- 
sten Tragödie nicht einfach, sondern verwickelt sein und 
dazu Furcht und Mitleiden erregende Gegenstände dnrstel- 
\$n mufs — denn dies ist dieser Dichtijingsart eigeutliüm« 
lieh — so ist zuvörderst klar, dai's weder der Fall Guter vom 
Glück in*s Unglück vorkommen 4M*-^ denn dies ist .weder 
funclifcbar, noch bemiileidensw«rib, sondern gräfslich — noch 
die V^rselzung Schlechter vom Unglück in*s Glück -^ denn 
dies ist das allernntragischste, da es keines der i^thigeii 
^UiD^oscb» Pr. V. r.9 GesoUicku d. Philosopkie. ^ 



— b* — 

Erforderoisae hat, weder PUlanÜiropie, noch MiÜeid, noch 
Furcht erregt — noch die Versetzung des vollendeten Böse- 
wichts Tom Glück in*s Unglück — denn eine solche Zusam- 
inensetzung erregte wohl die Philanthropie, aber weder Mit- 
leid noch Furcht/' — Ans dem Bisheri^ngeführtea erhellt 
cur Genüge, dafs Aristoteles bei der Tragödie rein sachliche 
Darstellungsmittei will. Sollen aber diese rein sachlich sein, 
so mufs nipht nur das Gefühl und die Rede des Dichters 
aus dem Spiele bleiben, sondern auch das auf die Haupt- 
sache nicht bezügliche Handeln, Fühlen und Reden der Spie- 
lenden. Dagegen wünscht er Reichthum in den wirklich 
dramatiachen Mitteln. 

£t steht diesei^ Wunsch in der groauestm Verbindiing mit der 
Wirkung der Tragödie und mit der Fraj»e, was gereinigt wer* 
den soll. „Aristoteles, sagt Lessing (H. Dr. Nr. 77.), bemerkte, 
dafs das Mitleid nothwendig ein vorhandenes Uebel erfordere; 
dafs wir langst rcrgangene, oder fern in der Zukunft bevor- 
stebeado Uebel entweder gar ni<ht, oder doch bei weitem nicht 
so stark bemitleiden köanen, als ein anwesendes^ dafs es folg- 
lieh nothwendig sei, die Handlung, durch welche wir Mitleid 
erregen wollen, nicht als vergangen, das ist, nicht in der er- 
ftählendcii Form, sondern als gegenwärtig, das ist, in der dra« 
mc^tischen Form, nachz^uahmen. Und nur dieses, dafs unser 
Mitleid durch die Erzählung wenig oder gar nicht, sondern 
fast einzig und allein durch die gegenwärtige Anschauung er- 
regt wird, nur dieses berechtigte ihn, in der Erklärung, statt 
der Form der Sache, die Sache gleich selbst zu setzen, weil 
diese Sache nur dieser einzigen Form fShig ist. Hätte er t^ 
für nsft^ieh gekahen, dafii unser Mitleid auch durch die Er-« 
Zählung erregt werden kqpnei so würde os allerdings ein «ehr 
fehlerhafter Sprung gewesen sein, wenn er gesagt hätte : 
„„nicht durch die Erzählung, sondern durch Mitleid und 
Furcht."" Da er aber «berzcugt war, dafs Mitleid und Furcht 
in der Nachahumng nur durch die einzige dramatische Form 
zu erregen sei: so konnte er sich diesen Sprung, der Kürze 
wegen, erlauben. Ich verweise desfalls auf das nämliche neunte 
Kap^itel des zweiten Buches seiner Rhetorik.*' Lessing sagt, die 
Tragödie sei ihrem Geschlecht« nach die Nachathmong einf# 
Handlung, so wi« dt« Epo|Me vnd- Komödie ; ihrer Gattnag 
nach ab«r die N^chahwniig. einer miUeids würdigen Ha^dluog. 
jLiis diesen b<4dcR Begriffen liefseii sich vollkommen alle ihr^ 



— 8a — 

RcgelD lierleitcD und iogar ihre drainotische Form §et darauf 
zu bcsiiiumen. Dc$to reiner also die dramatische J^'orm von 
lyrischen, episclico und rhetorischen Verkümmertin.gcn ist,, de- 
alo eher wird sie ihren Zweck erreichen. 

Der Mythus ist die Hauptsache, aber der philoso^ 
phisch Jbe wältigte. Zuvörderst wünscht er sich einen 
philosophischen Kopf als Dichter^ ^i^er GeschichtschrciJber 
und Dichter, sagt er (9.), unterscheiden sich dadurch, dafs 
der Eine -vorhringt, was geschehen ist, der Andere, wie es 
hätte geschehen hönnen. Defswegen ist die Poesie auch 
philosophischer und edler, als die Geschichte. O^i^n die 
Fopsie stellt mehr das Allgemeine, die Geschichte das £in« 
zelne dar." Es leuchtet ein, dafs der allgemeine SaU von ' 
dem philosophischen Charakter der üichtkuost nicht nur 
den Grund zu der Anwendung des Möglichen bildet, son- 
deru auch noch zu anderen Folgerungen. Die wesentlich- 
ste ist die, dafs der Dichter in seinem Werke nicht ebenso 
zerrissen, abgebrochen und verletzend sein darf, wie die 
von der Geschichte in ihrer Besonderheit und INacktheit er- 
zählten Einzelfälle« Ist nun schon eine grofsc Denkkraft 
nöthig^, um aus dem Gebiete des Möglichen niemals in*s 
Gebiet des Unmöglichen zu fallen, gehört dazu schop ein 
vergeistigtes Gefühl, dem rohen Erfahrungsfalle, dem Cha- . 
rakler das zu Einschichtige, so weit als möglich, abzuziehen, 
fordert es Entsagung und Scharfsinn, das schöner Darstel- 
lung Fähige, aber zum Hauptzweck nicht Dienliche, liegen 
zu lassen, 30 gehört vollends eine philosophisch geläuterte 
Denkart dazu, einen getrennten Vorgang durch die Compo- 
sition mit dem Geiste auszusöhnen. Bei einer solchen For- 
derung konnte dann Aristoteles in seiner Politik die Mufse 
als Zweck der Arbeit und die Kunst als Gegenstand der 
Mufse, als die edelste Beschäftigung, als Selbstzweck hin- 
stellen. In der Politik 8. 3. sagt er: „Es ist klar, dafs 
man auch ^um Behufe der Beschäftigung in der Mufse Man- 
ches lernen und ^mit den Kindern treiben mufs; dafs weiter 
dieser Unterricht und diese Kenntnisse Selbstzweck, dage- 
frcn die zuin Behufe der Arbeit erlangten, als nothwendige, 
nicht Selbstzweck sind. Defgwegen haben auoh die Vor- 
fakr$sn die Musik nicht als etwas Pi^thwendiges, noch alt 

6* 



— Sl — 

elwiis NüUlicheft zur Erziehung genommen/^ Er will aber 
durchaus die Kunst nicht als bloscs Spiel und als blosc Un- 
terhaltung der Gereiften betrachtet wissen« '„Ihre Natur, 
sagt er (8* 5.)? ist herrlicher. Und man darf von ihr nicht 
blos das gemeine Vergnügen ziehen, welches alle Mensche. i 
erfahren/^ Hier lug nun für Aristoteles die Auffassung des 
Stoffes und der Form ' von- religiöser Seite sehr nah. Er 
hatte in der Rhetorik (s. 5.) bereits gesagt, dafs derjcnig«*, 
welcher den Menschen Furcht einzujagen habe, sie so be- 
arbeiten müsse, dafs sie ihre Leidcnsfahigkeit fühlten. Und 
in der Ethik (5. 7.) sagt er, für Alle furchtbar sei das* 
jenige, was über den Menschen hinausgehe. Defsglcichcn 
sagt er in der Rhetorik (2. 8.), derjenige, welcher Mitleid 
empfinden solle, müsse auch ein gleiches, oder verwandtes 
Uebel leiden zu können glauben. Und in derselben Schrift 
(3. 5.) sagt er, im Allgemeinen sei man dann muthig, wenn 
man in gutem Vernehmen mit den Göttern stehe und ins- 
besondere, wenn Zeichen und Orakel günstig lauteten. 

Wir lesen ferner in den Ms. der Poetik 9 : Ejrei de o /aovov re • 
^eiac eÖTi yrga^eag rj fxifjiiij6ig aXXa xcci poßegiay xai eJteeiviav^ 
ravra Se yiverai xai ficcXiCra xai ficdXov ortxv yeyijTai jrccpa 
rip^ do^my^ dt aXXijXa' to yag SavtAaOrov irtag i^ei ficUAov 
7) «f a:to TO avTOfxara xai njg ^^X^J^y '•^'* **** ''<»•' ^'^^ ^^XV^ 
xccvra Savfiaönarara doxei^ 66a uiOJtig iXirnjSeg ffccivetai yeyo" 
vtvai^ oiov (ag 6 ayd^iag 6 m Mirvog ev j4^ei curexretve rov 
iiciTiov TU SavaTOy r« Mirvi ^ecj^evn efiJtsOeiv* eoixt yag roi- 
avra ax eixij yeveßSaty taGre avccyxy rog TOiarsg eiv'ai xaXXitg 
ftvSsg, Mit dieser Stelle sind Rokortelli^ Victoriuit, Hermann, 
Grafcnban, Ritter, Bekker etc. verunglückt. Ich lese: exet Se 
a fjiovov reXeiag eOrt xgct^ecag rj fiiutjöigj ccXXa xai ^oßegav xai 
eXeeiviov, Tavra de yiverai xai fxaXtOra xai fjiccXXovj orav yevig- 
Tat xccQa Tt^v So^ay SiaXXayt^ — to yag SavfiaOTOv axtag 
i^ei ficcXXoy, ij e* axo tb avrofxara xai Tijg rvxtjg — ^Jr#< xai 
Ti^v axo Tvxf^g ravra -^av/iaßiiorara doxei^ oca ticxeg exirij* 

Öeg fpaiverai yeyoveyai^ oiov lag avdgiag loGre avayx^ rag 

Toiarag eivai xaXXtag /livSag, Da aber die Tragödie nicht nur 
Darstellung einer in sich abgeschlossenen Handlung, sondern 
auch Darstellung furcht * und niitlciderregender Gegenstände 
ist, alsdann aber am meisten und besten Furcht und Mitl id 
erregt wird, wenn wider Erwartung eine Veränderung ein- 
* tritt — denn das Wunderbare wird auf k);ine Weise besser 



- (}5 - 

gestaltet «ein, alt wenn es oline Ziithun, als Glilrlt ^fall ^ et^ 
sclicint — da ferner unter den Glücksfällen diejenigep als die 
wunderbarsten erscheinen, welche gleichsam absichtlich gesche- 
hen zu sein schcinm, %%ie wenn die Bildsäule des Mitys in 
Argos den erschlügt, welcher den Tod des MityS' anstiAetej in- 
dem sie auf ihn in dem Aug^enblicke fällt, wo er sie betrach- 
tet — 60 müssen Solche Mythen nolh wendig schöner sein/* 

Der Tragiker ihut also nach Aristoteles am besten, 
solche Hebel zu wählen, welche von einer höhern vergelien- 
den Hand kommen. Und nun berufe ich mich auf die aus 
der Rhetorik und Ethik angeführten Stellen. Nur mittelst 
solcher, oder ähnlicher üebcl gelingt es dem Tragiker, das 
Mitleid und die Furcht Aller zu erregen, weil gegen das 
Wunderbare kein Mensch eine Waffe hat, Aristoteles kommt 
noch öfter auf dieses Wunderbare und empfiehlt es, indem 
er es als tragisch und philanthropisch bezeichnet (c. iß. 
c. 24). In der letztern übrigens verdorbnen Stelle gestat- 
tet er dem Epiker noch eher das aXoyov» Und nun erhält 
erst die oben aus dem i5; Absch. angeführte Stelle ihre volle 
Bedeutung. Er sagt, kein Guter dürfe vom Glück in's Un- 
glück stürzen, dies sei untragisch, gräfslich. Warum? Woil 
das Wunderbare ih diesem Falle nicht mehr wunderbar, 
sondern wunderlich, den gesuiiderl Gesetzen des Geistes wi- 
dersprechend erschiene. Demi im Leben kommen wohl 
solche Anfangspunkte, oder Ausgänge einer Kette vor; die 
Poesie ist aber allgemein und philosophisch, kann also keine 
unerklärten Erscheinungen dulden. Defsgleicheii verbietet 
Aristoteles die Versetzung Schletihter vom Unglück iirs 
Glück, als das Untragischste, weil sich dies mit dem Be- 
gri6fe nicht verträgt. Endlich erregt nach ihm die Ver- 
setzung eines ganz Lasterhaften vom Glück in's Unglück 
kein Mitleid und keine Furcht, weil in diesem Falle das^ 
Wunderbare wegfällt. Aeschylos und Sophokles haben nie 
unterlassen, die Schuld anzugeben und darauf in ihren Stü- 
cken mit dem entsprechenden Geschicke zu antworten. Bei- 
spiele bieten die Pers. 800 — 83 1. Elekt. 5o8 — 5i5. Phi- 
lokt. 191-— ir)4T 1536—1528. Aj. 758—777 etc. etc. Beide 
Tragiker hegten und pHcgten die Furcht als heilsam. So- 
phokles läfs den Menelaos sagen (4084^1086): 



— 86 — 

A).y^ iuiarifi /for xai ^eo^ ri y.aiQioVf 
Kiu fi'fj do'/Ao/nar, d\)iorvei^ Liv f^Si'y/ite&a, 

Und in de» Eumeniden sagt der Chor: 

SvGOtßuis ftev vßQiS 

Ja logar eine doppelte Schuldangabe finden wir in den Per- 
sern und im Philoktet. 

Aristoteles durAo nur das letzte \yort von der gött* 
liehen Gerechtigkeit, den strafenden Erinnyen eto. ausspre- 
chen, um aus der Aesthetik und In den religiösen Kreis^ 
die Mythologie zu fallen. Er thut es nicht. Ja er stellt 
sich nicht einmal auf Seite der späteren dichterischen Po- 
lemik. 

Die Tragiker lassen am Ende keine Erbschuld mehr 
gelten. Oedipus und Orestes werden entsühnt, Jphigenie 
gerettet, Antigone vermählt. Ich erkenne hier eine ganz 
besondere Aufgabe der alten Tragödie. Wir finden nem- 
lich, dafs auch die Griechen unter der Knechtschaft eines 
Ceremoniendienstes slaiulen, dafs bei ihnen eine verkehrle 
üollesfurcht, Aberglauben in Ansehung 4es ^'eides der Göt- 
ter, des menschlichen Fluches, der Rachegeisler etc. sich 
eingeschlichen.*) Dagegen wandten sich nun die Tragiker 
mit ihren glücklich endenden Stücken. Sie. versuchten, in 
späteren Umbildungen der Fabeln zu zeigen, dafs die Gott- 
heiten den Menschen hold seien, dafs jeder Mensch nur so 
viel zu tragen habe, als er verschuldet etc. Daher die Aus- 
bildung dct LBbdakicIen - und Pelopidenfabel zu einem 
glückliciten Ende, daher Sophokles Oedip, K., Aesfchylos 
Schutzflehende, Euripides Aufnahme des Jon, der Alkestie, 
der Iphigcnie unter den Taurern etc. Indem wir z. B, in 
der AUicslIs eine göltlichc Belohnung für Gerechtigkeit und 
gastfreundlichen, frommen Sinn sehen (v, 1169 — *i70), wird 
die P\ircht insofern gehoben, als der äüfserliche Trost neben 



♦) VVii* viflo Qjiellt'n der Ftircltt finilcn wir in dem «inzigen Hip- 
polyl! V.*1'»0— 15^. SiO— 5^'i9. SQÖ — 833. 



"^ 67 — 

liertftuft, dafs eine fireundliclic Goltlicit den Jammer ^ewi 
tilge, oder (wie in Aeschylos Euinenidcii) die Sclircckiichen 
in Freundliche verkehre, 

Aufserdem Stand denTrogikcrn noch ein anderer Weg 
offen, diese Furcht zu verscheuchen : die Opposition gegen 
die realisirle Symbolik.- Diesen Weg schlug schon Aeschy- 
los ein, Sein Prometheus (der fortschreitende Menschen- 
geisl) kennt keine Furcht (v. 956. f.), sondern scbleudeit, 
auf seine Zukunft trQtzend, gegen die neuen Götter, g^g^^ 
das orthodoxe von Menschen gemachte Wahnbild (1/19- i5i. 
190—195.) sein t'^tauisches Seherwort, Diese Opposition 
nahm Euripides auf eigcnthüniliche Art auf. Der Sehüler 
des Anaxagoras und Freund des Sokrates kennt eine GeiHes- 
religion. In den Flehenden, wo seine Persönlichkeit mehr 
heraustritt, als in anderen Stücken, sagt er (533 — ÖSj.)* 

6&€V d' iKaarov ttg %6 üw^c arpateTOp 
eprcivd"' aueX&eiv, nvaVfia /ttev ngog aid-cQtt^ 

i^jiiereQov «vro, nh;v ^roix^jöai ßiov 
ica7i€it(t Ttjv &Q€tpaaciv afjro äet lafleir. 

Daher der Vorwurf ganz anderer Götter in Aristopha- 
nes Fröschen (879 f,). Er kennt freie Menschen, wie kein 
Vorgänger, er kennt Menschen, welche den Tod nicht fürch- 
ten» Solche Gestalten begegnen ui>s Iphig. A. iSgö f, Hek. 
211 — 2i5. 547 — 348, Phöniz. ioo5 f. Herahl. 5oi C 596 
— 697. Fleh. 1061. Da er in der menschlichen Natur dajs 
Hilfsmittel fand, so hätte er folgerecht in ihr auch das Uc- 
bel setzen sollen. Solche Gedanken waren ihm auch keines- 
wegs fremd. Dies beweisen ,z. B. die Verse im Orestcft 
(126 f.) r 

w ffvais 6V av&QumoiOiV cfc jiiey et ^at/ov^ 
ü(ot>]Qiov re roeg xakwg Kextfjfierotg. 

Allein er ist gebunden an die herkömmliche Fabelwelt. 
Seine Zuschauer sind seine Herrscher. Schon dieser Um« 
stund mufs ein Mifsvcrhältnifs zwischen ihm und »einen 
Stoffen erzeugen, noch mehr sein sokratiscber Dualism, wei- 
ther €er herkömmlichen Symbolik, selbst als einer Sym- 
iboük, nicht mehr bedarf, ja'^den ganzen GöUergfaubenr hafst 



- 88 - 

«nd ikfi grttiid»atzlioh anfeinden muh. Offen darf er et 
aber nicht oabcdingt ihun, ja er mufs ihn sogar, seines tr»* 
irischen Stoffes halber, in der latiptsache bestehen lassen. 
Kr sucht einen Weg, auf welchem er opponiren kann, ohne 
der Kunst Alles zu vergeben. Er läfst darum seine Per« 
sonen so viel als möglich unangemessen von jener Götter- 
weit leiden. Dadurch wird er erstens der tragischste Dicb- 
ter, wie Aristoteles sagt, weil das Mitleid um grofse Uebel, 
um Unangemessenleidejnde hauptsächlich weilt, und befrie- 
digt zugleich seinen Hafs. Das Leid der Hekabe wird ge- 
gen die Götter beniitzt (488 — 496. 944 — 948), ja wir wer- 
den noch mit Hekabes Verwandlung verletzt (1249)* ^^^ 
man erst die Schuld von Hippolyt (i3. 1 15 — 119)1 von Pha- 
dra (345. 5i3— -52i), von Theseus (842—845. i555 f.) ge- 
sucht, so wälzt der Dichter das Uebel mit eineni Schlage 
(1461 ~- 1452} auf die Götter. In den Herakliden trägt Juno 
Alles (992 — 993). Aufscrdem wird hier, wie in denPhöniz.^ 
von den Göltern ein Menschenopfer verlangt, in den Tro- 
jaden sehen wir gleichfalls die Götter als Urheber alles Un- 
heils (596. 955 f.). Jn Orestes wird Helena freigesprochen 
(] 656— 1659 vgl« 386 — 401) und das Unheil auf die Götter 
geschoben, und zwar auf welche Weise! Auch Orestes ist 
unschuldig (1681 — 1682). Dasselbe im Rhesus in Ansehung 
der Athene (941) etc. Allenthalben finden wir verdeckten 
Spott über die Götler: Trojad. 978 f. Fleh. 3o5. Iphig. T. 
386. Dafs er nicht öfter aus der Symbolik fallt, wie Orest. 
390, ist nur eineni Sinne mr Harmonie zuzuschreiben. 

Aristoteles dagegen hat sich, bei voller Bekanntschaft mit 
der Gührung, auf keine Seite geneigt. Als der Boden der 
Tragödie erschüttert war, hat er gar nicht an die religiöse 
Zukunft gedacht, steht er nicht blos auf dem Boden der 
Geschichte? Wir brauchen nicht alle seine Schriften zu 
besitzen, um diese Frage beantworten zu können, in dem. 
Ueberrcste der Poetik weist er im Allgemeinen geschicht- 
liche Fragen ab. ),Die Betrachtung, sagt er im 4* Abschnitt, 
ob die Tragödie an sich, oder im Verhältnifs zum Theater 
schon genügt, ist eine andre Frage.^^ £r ist nur im In- 
teresse des Aesthetischen unbedingt für den Fortschritt \u\d 
tur die Freiheit. „Die überlieferten Mythen, sagt 6r im 



- 8» - 

i4. A. ^ darf man nicht zerst5ren ; aber Imai^ «in£i adbst er« 
finden und die gegebenen gnt benutzen/^ Und in 9. Ab« 
•chniite sagt er, tnan müsse nicht durchaus an den überKe- 
ferten Mythen festhalten. So etwas sei lacherlich. Er ver- 
weist vorher auf Agathons Blume und gr&ndet seine An- 
sicht auf den Unterschied zwischen Dichtung und Geschichte 
und diese Ansicht gründet sich auf das Bedürfnifs der Ab- 
rundung, des Abschliefsens der ra^ig, des eigta/ieror, der 
Schönheit. Dafs diese Schönheit aber da, wo menschliche 
Handlungen Vorwurf der Kunst sind, eine rernünftige sein 
mufs, ist unabweisbare Forderung. 

Ueber antike Aesthetik handchen: Spengel, artiain •cripiorcsy 
Stattg. 18^8; Hillebrand, Acsthetica lileraria antiqtia clait.» 
Mogunt. 1818; E. Muller, Gesch. der Theorie der Knntt 
bei den Alten, Bresl. 1834 ; R u g e^ Platonische Aesthelik» 
Halle 1831; Härtung, die Lehren der Alten von der Dicht- 
kunst 1845; Schrader, de artis apud Aristotcl. notione' et 
vi, Berol. 1843. 



IX. 

Ueher deu relaHven philosophischen Charakter der drit- 
ten Periode der griechischen Philosophie und die 
Haupt* Erscheinungen in dersdben. 

Die Berechtigung, diese Periode von der nächstfolgen- 
den'^ zi:t trennen, liegt in dem 'weit gröfseren Gestallungs- 
Vermögen und dem rein hellenisch bleibenden Wesen der 
früheren Stoiker und Epikuraer. Der Unterschied dieser 
Periode von der vorhergehenden liegt in der steigenden 
Vernachlässigung natur- wissenschafll icher Forschungen und 
in dem dieser äufserlichen Erscheinung zu Grunde liegen- 
den subjectiven Wesen. 

In der Dialektik, bemerkt Zeller II. 5., ist die unterscheidende 
Eigenthuiulichkcit der nach aristotelischen Philosophie die Frag« 
nach dem Kriterium. Weder Sokrates, noch Piaton, noch Ari- 
stoteles halten nach einem Merkmale der Wahrheit gefraf«t, 
sondern die Wirklichkeit des Wissens vorausgesetzt, weil ihn«n 
die Wahrheit des Wisseos des Denkens unmittelhar fest^^tclit, 
weil ihr Denken noch objectires in den Gegensund versenktes 



— M — 

' titid Yon leiner Afi^emesscnlieit an den Gegenstand dberzeiig- 
tes Denken HU \V«nn die S(ui(cren darnacli iVa^m, bo kann 
dies nur daher kommen, dafi» ihr Denken diese uninitlelbare 
Kinheil mit dem Objcct aufgegebeni sich als subjectives in sich 
zurückgezogen bat und nun erst eine besondere Norm der 
Wahrheit als Vermittliing zwischen sich und dem Object suchen 
mufste. Aehnliche Unterschiede von gleicher- Wurzel findet 
Zellcr auch in Betreif der Ethik (I. 40 f.). Vnd Branifs (Ge- 
schichte der Philosophie, Bresl. 184^), den ich aber nur nach 
der Recension von Ulricl (Fichte^s Zcilschr. Jahrg. 1«44. S. l48) 
zitiren^ann, findet, dafs im Stoizism und Epikureism die bei- 
den grofsen Gegensätze des griechischen Lebens, das Gottet- 
Bcwurrlsein und das Natur -Bevvuftscin, oder die göttliche Frei- 
heit (die Idee des Absoluten) und die Hingebung an die Natur, 
erst wahrhaft die Subjectivität durchdringen, diese zwei Er- 
scheinungen die Subjectivitäl im Vcihältnifs zur frühern stei- 
gern, indem sie die Subjectivität hyposta^iren und apotbeosircn. 

Hierin ist diese Periode nicht nur mit der folgenden 
hellenischen, sondern auch mit der röniidchcn, jüdischen, 
christlichen Philosophie, welche neben der hellenischen er- 
scheinen, Verwandt, ohne dafs aber die trennenden Unter- 
schiede andrer Seits aufgehoben wären. Alles wird fortan 
subjectir zersetzt. Zum Theil durch die bereits von den 
Sophisten vermiltelte breitere Grundlage des Wissens, das 
Eindringen minder Befähigter aus dem niederen Volke in 
die Schulen, und die Berührung der Schule mit der Masse, 
zum Theil durch die subjectlv - geringe Befriedigung der 
Schule selbst durch die klassische Periode wurden die Phi« 
Josophen auf die Menge zurückgeworfen. Bei dieser stief« 
man nun zunächst auf die Mythologie, als das geistigste 
und durch die klassische Zeit selbst schon supplementarisch 
benützte Element. Aber da, wo man Hilfe sucht, ist der 
Zustand selbst nicht der beste. Die Mythologie theilt das 
Loos der verfallenden Welt. Es tritt also gegen sie mit 
der Aufnahme zugleich die Opposition hervor. Man mufs 
beide Theile erst ausgleichen, das Objective dem Subjecti« 
ven gerecht machen. Diese Ausgleichung ist aber, eine sub- 
jcctive Thatigkeit zum subjectiven Drange, der die Welt- 
lage zur Wurxel hat. Es ist bekannt, wie die subjective 
Detitting der überkommenen Religion, die AUegorisirung 



— 91 — 

^cr IVfyif^cn, bei den Stoikern immer mehr übcrhcind nnfim. 
ßei den Epikuräeru ist diese subjective Zersetzunc» mehr 
eine in demokritisch --gefälligem Gewände auftretende Acco- 
modatiou, die wohl auch als Schutzmauer des freundscbaft- 
liehen, stillen Kreises und als Lockspeise für die noch ortho* 
doxen Mythologen geschätzt wurde, Di& Steigerung dieses 
subjectiven Verhaltens bleibt nicht aus. Wie es sieb schon 
bei den Stoikern in die Tiefe erweitert, $o bei den nach- 
folgenden in die Breite. Jenen geaügtc noch vorzugstreise 
die hellenische Religion» Die internationalen Philosophen 
der nachfolgenden Perioden lassen aber ihre Blicke nach 
allen Weltgegenden schweifen. Man hofft, dafs eine zweite 
in den Kreis der Betrachtung gezogene Nation biete, was eine 
allein nicht mehr, oder nur unvollkommen für den Suchen^ 
den hat. Die Neuplatoniker sind internationale religiöse 
Eklektiker und Synkretisten. Sie , gehen bis auf die tiefste 
Stufe der Subjectivität zurück, auf die Empfindung und Vor^- 
etellung, bilden sich die Empfindungsreligion, den antiken 
Mysticismus aus. Eine gleiche subjective Stellung zum Re* 
ligiösen nehmen jüdische und römische internationale Philo- 
sophen ein, nur dafs sie, als die erst zu Bildenden, den um- 
gekehrten Weg^ zu gehen haben. Bei ihnen ist nicht wie 
be\ den griechischen Philosophen^ die Religionsphilosophie 
die Basis und der Volksglaube Gegenstand der subjectiven 
Wahl, sondern für sie ist der Volksgk^ube Anfangs Basis 
tind die Religioosphilosophie der Hellenen ein Gegenstand 
der subjectiven Thäligkeit. 

Dieselbe subjective Erhebung zeigt sich aber auch bei 
den christlichen Religionsphilosophen, nur dafs sie eine drei- 
fache Objectivität gegen sich haben : die ihrer eigenen Re- 
ligion und die der antiken Reiigionsphilosöphie einei'sffits^ 
die der Philosophie als Weltwissenschaft andrerseits. Det 
eignen Religion gegenüber zeigte sich das subjective Be- 
dürfnifs, das Wunder des Cbl-istenihnms, so weit es giöng, 
begreiflich zu machen, das Subject durch Erklärung zu be- 
friedigen. Zugleich wurden im Objectiven diejenigen PuhF^te 
besonders hervorgehoben, welche dem subjectiven Drange 
entsprachen : die individuelle Fortdauer, die ErlÖsitng de» 
Individuums. 



— 94 — 

„Wif sind nkhi geneigt, sagt Ritter (Grscb. d. Pli, Tl. S. ««»a),. 
die Schwäclicn der Grundlagen zu bemänteln, von vrclcher die 
patristische Philosophie aui^gicng. Diese lirgen darin, dafs man 
zunächst das persönliche Heil im Auge hatte, alsdann auch da» 
Heil der Kirche^ zuletzt aber, von dem praktischen Bestreben, 
diese zu begründen, vollauf beschädigt, nur in einem fernca 
Hintergrunde, nur in einer dunklem Vorstellung, das Heil der 
ganzen Welt erblickte, ohne es mit wissenschaftlicher Deutlich- 
keit sich darstellen zu können ctc/' 

Die Subjectivilat ino^ Verhältiiifs zur antiken Religions- 
wissenschaft gab sich theils in jenem Eklekiizism zu erken- 
nen, welchen man den Platonism und Neuplatonism der Kir- 
chenväter genannt hat, theils in einer heftigen Polemik. Das 
sobjective Walten im Verhaltnifs zur griechisch - weltlichen 
Wissenschaft gab sich aber in jener Betonung des Herzens, 
des Gemüthes^ der Empfindung, in der Trennung zwischen 
Glauben und Wissen kund. Die Verstandes - Ergebnisse das 
Wissen sind Sache Aller, Em'^findungen, Gemüthszusländc, 
Glaubensneigungen nur Sache jedes Einzelnen. Subjectir 
blieb auch rerhältnifsmäfsig zum Ganzen das Resultat« 

„Um^den Glauben zu rechtfertigen, bemerkt Ritter (VI. 017.), 
hatte die patristische Philosophie Anfangs manches herbeigezo- 
gen, was von verwandten Erscheinungen auch in andern Ge- 
bieten sich fand. Aber um den Glauben rein zu halten, son- 
derte sie allaialig Alles ab, was der Kirche nicht einverleibt 
werden konnte. Nur in dieser wollte $ie lautere Offenbarung 
des gottlichen Willens fiiidcrt, Sie iiiur?te dadurch einen dop^ 
pelten Irrthum nähren« indem f\c ilicils die Kirche selbst für 
völlig rein van alltm UnpbU IkUerij llicih die übrige Welt nicht 
allein für vcrnnrritilgtj sondorn aiicli iitr gänzlich leer von der 
- Offenbarung de^ gott[ie:li(?n Willens ku halten geneigt war/' 

Derselbe Vorschlag der Subjecti^ität waltet aber in die- 
sen Zeiträumen nicht blos bei Außassung der Religion, son- 
dern auch bei Auffassung der Nationalität, des Staates, der 
philosophischen Schule und des Wissens überhaupt. Der 
Nationalität gegenüber sucht das Subject nach einem wci^ 
Sern Volke, läfst alle Völker gelten und macht sich zugleich 
als Nicht- Hellene geltend. Seit Alexanders des Grofsen Zü- 
gen brach der Orient immer stärker in das Abendland ein* 
Aleiandria ist im eigentlichen Sinne 'eine Weltstadt; ebenso 



— M — 

Rom. Die meisten Philosophen dieser Zeit begndgen tich 
nicht mit demjenigen, was ihnen ihr Volk an Leben und 
\yeisheit zu bieten vermag, wlihlen von Ost und West BlU- 
then zusammen. Der Universalism erreicht in den neupla« 
tonischen und christlichen Schriften seine Spitze. Dem 
Staate gegenüber und der herrschenden Sitte zieht sich schon 
iu der Slpa das Subject auf sich selbst zurück, träumt das 
Ideal des sich selbst genügenden Weisen ; oder strebt nach 
dem epikuräischen Ruhehalten, nach atomistischem heiterem 
Genüsse^ dessen Grundzug aber, sehr bezeichnend für die 
Zeit, mehr negativ abwehrend, als positiv ist, schon in der 
Freiheit von der unlustigen Umgebung, im freundlichen 
Vergessen besteht; oder setzt der Welt cynische Verach« 
tu ng entgegen« Der Schule und dem Wissen gegenüber 
macht sich endlich der subjeclive Ckicktizism und 'Skepli- 
zism breit. Der Eklektizism um so mehr, als bereits ältere'^ 
Völker zustaramenstiefsen, wie die Griechen und Römer. 
Ks waren die reifsten Geister Roms, welche die Philosophie 
der Gri(5chen sich anzueignen suchten. Und von diesen war 
uicht zu erwarten, dafs sie ihre Selbststäudigkeit ganz auf- 
geben sollten« 

Das objective Moment in diesem Zeiträume bilden nach 
Allem blos die gelehrlcn Philosopht^n., tlie ErliiiUcr der ein- 
zelnen Schulen. Sie allt^in beschofligten sich mit der Phi- 
losophie um der Philosophie wüten. Die subjectivste Philo- 
sophie konnte auf die^e Art später Gegenstand ubjectiver 
Thatigkeit werden, freilich nur einer Ühjeetivitüt ans zwei- 
ter Hand, oder einer objecLir betracliteten Subjectivitat. Und 
auf die Schule hatten die Römer einen sehr vortbeilhaften 
Einflufs, wie dies Ritter (IV^ S. 35.) sehr schön auseinan- 
dergesetzt hat. 

Wenn die R5mer kamen, bemerkt er, um von den Griechen xn 
lernen, so «raren es nicht die jetzt lebenden Griechen, ein tief 
verachtele« GctchVecht, welches sie als Muster verehrten; et 
war die Blüthe der alten Zeit, auf deren Ueberlieferung die 
jetzip[en gelehrten Griechen stolz waren, und welche durch 
diese die Römer kennen lernen wollten. Hierdurch mufslen 
auch die Philosophen auf die Stifter ihrer Schulen zurOck- 
gef&'hrl werden und es kam nun nicht so sehr darauf an, Nevct 



— »4 — 

zv^ erflodc«^ alt das Alte ia seiner Rfiohvu vrudcr bcrzust-1* 
len und es so viel als m5glicb sirh an^ufigncD. Daher wunie 
es nun ein« der Hauptbeschäftigungen io den Philosopheü- 
Schulen, die Schriflcn dtr alten Philosophen zu lesen und zu 
erklären; Philosophen und Grammatiker %vett«iferten| diese 
Schriften su verl>reiten, das Echte und das Unechte zu soiw 
dern ctc* 

Ee wa/ nalürlich, dafs in diesem gelehrten Wesen, wel- 
ches man mit der Philosophie trieb, auch das Streben nach 
dem Allerthümlichen sich geltend machte. Denn die "Ge- 
lehrsamkeit geht gern auf das Alter zurück und bei den 
Römern besonders war seit dem Verfall ihres Staats das 
Streben nach dem Altörthümlichen nichts Ungewöhnliches. 
Daher kamen jetzt auch manche schon rerschollene Arten 
der Philosophie wieder zum Vorschein. Zwar die Haupt- 
rolle spielten noch die vier Sekten, die Akademiker, Peri- 
patctikei^, Stoiker und Epikuräer, aber es machten sich 
neben diesen auch die Philosophie des Herakleitos, der Py- 
thagoräer, der Kyniker und der Skeptiker geltend. 

Indessen ist doch, trotz aller Berührungspunkte der 
einzelnen philosophischen Gruppen dieser Zeiträume, mehr 
als ein Unterschied sehr wesentlich. Die Christen, die Grie- 
chen, die Römer und Juden z. B. bilden sich durch Syn- 
kretismus eine Religionsphilosophie; überall waltet das Sub- 
jeclive vor, aber bei den Griechen und Römern ist es eine 
obsleigonde, bei den Juden - Christen eine aufsteigende Re- 
ligionsphilosophie. Die Griechen und Römer verbinden die 
Elemente mechanisch, die Christen organisch, denn sie sind 
jugendlich aufstrebende Schüler, noch weiche bildsame Pflan- 
zen, in welche die Philosophie einwächst; jene bereits er- 
starrt. 

• Der Grund dieses Unterschiedes, die gröfsere oder ge- 
ringere Hfaft der aneignenden Elemente, zeigt sich auch 
in dem religions- philosophischen endlichen Siege des Jüdi- 
schen als des kräftiger Nationalen über das schwächere Na- 
tionale oder gar persönlich Philosophische anderer Religions- 
Anschauungeii. . Der Stoiker verhält sich zur Mythologie 
weit mehr a^tiv, als der Neuplatoniker: j«;ner will durch die 
^llioli^if). 4i« Vbi^M^ophi^, dieser die JVly^iMdQgie durch die 



— 95 — 

Philosophie stützeb* Der erstere hal aber acine IVatioii he- 
reiis überlebt, der letztere hat nie eine Nation gehabt, wäh- 
rend der Jude noch ein weit kräftigeres 9ationales Funda« 
ment hat. 

Andre Unte^rschiede, bei aller gemeinsamen Subjeclivl- 
tat, haben ihre Quelle in 4er überkommenen Beschaflenhcit 
der Mischungselemente und dem allseitigen oder mehr l^e^^ 
schränkten Zusammenstofs nach Ort und Zeit. Es würe hiei: 
der Ort, auf den Charakter der >einzelnen Nationen einzu- 
gehen und daraus die Folgerungen auf die Philosophie z\\ 
zieheu, wenn es der Raum gestattete. Der Grieche er- 
scheint wifsbegierig, ethisch -erregbar und beweglich 5 deif 
Homer politisch -ehrgeizig*, der Jude transcendent •eintönig^ 
egoistisch ; der .Orientale Mittelasiens schwerfällig, verdros- 
sen, beschauend etc. Hat Branifs in der Behauptung recht^ 
dals bei den Hellenen, vermöge ihrer gröfsten Vertiefung- 
in die Natur, auch die gröfste Befreiung von ihr erreicht 
worden sei^ dafs sie alles Natürliche eben so in Selbstthat 
umgewandelt,, wie umgekehrt di^ Prbducte ihrer freien 
Selbstbestimmung als allgemeine Naturthaten auftreten las-, 
sen, dafs in ihnen die grof^e weltgeschichtliche Aufgabe^ 
die Subjectivität zum universellen Naturselbstbewufst^ein zu 
crweitei*n vollständig gelöst und die Menschwerdung de^ 
Naturgeistes in Wahrheit vollbracht worden sei — so kani^ 
man bei den Juden, Parallelen ziehend und den Mono|,heisra 
an die Stelle der Natur setzend^ zu dein Satze kommen^ 
dafs in ihnen die Menschwerdung üottes vollbracht wordeu 
sei* Die übrigen Orientalen haben ea bei niangelnder Ei^er^ 
gie« Concentration und Individuation weder ?:u JBinem Cott^ 
noch zu Einer Natur recht bringen Isomren, aondent nuij 
zu Naturell, Göttern, Menschcn^erdungen, wpzu die Eman 
nationen stimmen, sp weit nemlioh die Forschungen reichen^ 

Fassen wir noch einmal die Erscheinung der ReduetioA 
und der Subjectivität- unter dem Gesichtspunkte der ipdivi- 
duation, al» d«6 allgemeiüeft Begriffes, zur Vergleichung der 
vergangenen. .und spätera Periodcin mil; der g^^enwärt^igen, 
Zusammen, jäo üijiden wir in der ersten gcicichischeq Periodi? 
die Individuatipj?^ der Natur; in der zweiten, grieqhifchen I'ei 
riode die Individui^tion des ganzen §ubj|ei;tive9,, f|f^^^J^pi^f^P, 



— w — 

wie des Wissens; in der dritten die Individuation des «in- 
seitig Subjectiven, des Ijebens und Wolfens; in den spo« 
lern Perioden die Indhriduation' des einseitig Subjectiven, 
des Gemülhes, Ahnens, Vorstellens, der Phantasie. Die er- 
iBte Periode verhält sich mehr passiv, die zweite actir-pas- 
stv, die dritte passiv -activ, die vierte passiv. In der zwei- 
ten beh&lt das Winsen an sich Werth, in den^ folgenden 
wird es Mittel; in der zweiten behält das Ganze mehr 
Werlh als das Einzelne; in der dritten und den folgenden 
wird das Einzelne dem Ganzen vorgezogen, wie in allen 
Auflösuiigszuständen der Natur, wo Einzelnes sich aus dem 
Verbände zur Selbstherrlichheit, zur Selbstindividüation los- 
reifst. Denn auch ' das Geschwür und die Fäulnifs sind 
nichts, als atomistische Selbstgeltendmachuiig. Als nothwen- 
dige Folge ergiebt sich dann die Strafe der einseitigen In- 
^ dividuation, in der die spätem Perioden sich so sehr gleich 
sehen, in dem Durste des Individuums nach dem Allgemein- 
sten,' in dem aus der Unnatur der subjectiven Absonderung 
entspringenden Triebe nach gewaltsamer Immanenz« Bra* 
nifs zieht z« B. eine Parallele zwischen dem Pharisäism, S^- 
duzäism und Essenism einerseits und dem Stoizism, Epi* 
kuräism und Neuplatonism andrerseits. In jenen drei Ge- 
stalten spricht sich ihm einerseits das vergebliche Ringen 
der Menschheit aus, den Urgegensatz ihres eignen Wesens, 
der Idee des Absoluten gegen die Idee der Natur (oder 
des Gottesbewufstseins gegen das Naturbewufstsein, der Frei- 
heit gegen die Nothwendigkeit, des Denkens gegen das 
Fühlen) in der einzelnen Subjectivilät selbst und durch ihre 
eigne That zu wahrer Vermittlung zu britigen, andrersöils 
(im Neuplatonism und Essenism) die tiefe Sehnsucht des 
Geistes nach der Vollziehung dieser ihm nothwendigeu Ver- 
mittlung durch eine über die menschliche Subjectivilät und 
deren Ohnmacht hinausreichende absolute Thal* 

Zum Stoizism und EpikurÄUm. 

Das Agens, der treibende und alle Sätze gestaltende 
und bedingende Grund des Stoizism ist ein doppelter Dna* 
lism im Leben und in der Wissenschaft. Der Gründer der 
8loa und seine Schüler wcfrden als sitälche Naturen von den 

Allen 



~ 97 — 

Alten geprieüen« Dagegen stacb die Zeit Zenons, stach daa 
demokratisch rerwiJderte Athen mit seiner ganzen elen« 
den Gegenwart auffallend ab« Es. w^r der Dualism einer 
rerdorbenen Zeit und einer edleren SubjectiTitat^ welcher 
Euvörderst auf Zenon lastete* Aufserdem fand sich aber auch 
ein geistiger Dualism vor, und diesen mufste Zenon um so 
empfindlicher fühlen, als er in der Schule des Cynikers 
Krates, des Megarihers Stilpon, der Akademiker Xenokra- 
tes und Polemon in die Tradition eingeweiht worden war. 
Die ältere Philosophie hatte den Dualism zwischen philo- 
sophischem Theism und dem Polytheism der Menge, zwi- 
schen Philosophie und Mythologie, wie zwischen Natur und 
Gott hinterlassen* Zenons energische und entrüstete ]>bitur 
suchte zu reformiren* Er suchte nach einer Einheit, nach 
einem sichern Grunde, er wollte seiner Zeit einen Spiegel 
des Handelns und des Denkens vorhalten, strebte nach einem 
Regulativ, nach etwas Normalem, Und wie man im i8. Jahr- 
hunderte in Frankreich, als alle Zustancle faul und die Gei- 
ster müd geworden waren, die Natur beschwor, so auch Ze- 
non.. Von hier aus lassen sich alle Eigenthümlichkeiten in 
seiner Lehre begreifen und erklären. 

Der Stoiker betrachtet die Ethik als Hauptaufgabe, Er 
steht in dieser Richtung nicht allein, da auch die Lehre des 
Ariston, aus der kynisch - sokratischen Schule hervorgehend 
(Krische 4o4 fO« jenen eisernen Gang nahm, den physika- 
lischen und logischen Theil der Philosophie verwarf, weil 
der eine über uns gehe^ der andre uns nichts angehe, die 
Dialektik mit schlüpfrigem Kothe, mit Spinngeweben voll 
Kunst ebne Nutzen, mit Krebsen mit vftl Schalen und we- 
nig Fleisch verglich und die Indifferenz (ctSict^OQia) gegen 
Alles, was nicht Tugend oder Laster heifst, für das Höchste 
erklärte. Die Moralisten Griechenlands sind die Hebammen 
der Stoa gewesen. Bei dem Cyniker Krates, bei den Aka- 
demikern Xenokrates und Polemon geht Zenon in die 
Schule, Nach alten Ueberlieferungen las Zenon schon als 
Knabe die Werke der Sokratiker,! soll durch die Xenophon- 
tisohen Schriften zur Philosophie geführt worden sein und 
nach dem Vorgange Xenophons wie Persäus und Ariston 
Otimpotchy Df. V. P. f' Geschichte d. Philosophie. « 



ano/itvfj/ivo'fiev/iara geschrieben haben. Es macht sich schon 
darin die Wahivenrandtschaft im Sittlichen geltend etc. 

Unter den. stoischen Lehren ist besonders der bei Mo- 
ralisten sonst seltene Materialism aufgefallen« Das Hand- 
greifliche, welches Mor^ilisten eigen zu sein pflegt, wenn 
sie auch nicht wie Kieanthes als Taglöhner beginnen und 
demnach auch nicht die Volkssprache heraufziehen, wie es 
die Stoiker unter Tadel gethan (Krische36i. ZiSg), liebt aber 
wieder Handgreifliches. Dazu wurden Stoiker wie Kiean- 
thes und andre Sklaven (Lactant. de falsa sap. c. 250) ^^^* 
che aus Kreisen stammten, die das Mythologische noch nicht 
ganz überwunden, weit eher auf die mythologische Natur- 
erkftrung gefMirt. Endlich trieb der oben berührte Dua- 
lism, der Widerwille gegen das Conrentionelle, zum An- 
schlufs an die Natur* Damit sind wir auch auf eine zweite 
Eigenthümlic^eit der stoischen Schule gestofsen, das Be- 
streben, den philosophischen Theism mit dem Polytheism 
des Lebens auszubleichen, die allegorisch - physiologische 
Deutung der Mythologie (Rrische 4oi, 444 fOi welche zu- 
letzt, einmal auf philosophischen Boden verpflanzt und bei 
der steten Opposition d/er Stoiker gegen das Bestehende, 
zwar nicht mit der des Prodikos oder Euemeros zusammen- 
fiel, weil die Stoa Alles, was sich als Erzeugnifs der Gott- 
heit darstellt, als Göttliches betrachtete und die einzelnen 
Götter in dasselbe Verhältnifs zu Zeus brachte, wie die Pro- 
ducte zu den Göttern, als ihren Erzeugern, aber doch wie- 
der Herakleits Polemik gegen den Bilderdienst aufnahm und 
weiterführte (Krische 374- 440f 445 u. a. a. O.). Aus dem 
obigen Dualism stammt drittens die auffaUande ethische Gi- 
genthümlichkeit cfAiger Stoiker, welche, mit dem Gegebe- 
nen auch hierin brechend, nicht blos Weibergemeiiischafl, 
sondern selbst Beischlaf mit Müttern und Schwestern zu- 
lassen wollten (Krische 374), und, im Politischen über den 
antiken Staatsbegriff und die Nationalität hinausgehend, das 
ganze All zum Staate Gottes machten (eb. 670 f.)* Es 
scheint zwar die erstere Zulassung einen herben Gegensatz 
zum stoischen Ideal zu' bilden. Aber beide vereinigen sich 
in der Wurzel, in der subjectiven Auflehnung gegen die 
üeberliefcruiig, das Conventionelle, So viel zur Erläute- 



— w — 

rung der stoischen Ethik, Politik und Religionsphilosophie, 
welche, als bedingt durch die philosophische sokratische 
Schule und den Zustand des griechischen Lebens, auf freie 
und originelle Wissenschaftlichkeit keinen Anspruch machen 
können, weil das Wissen an sich für die Stoiker keinen 
Werth hatte, bei ihnen die Forschung hinter das Bedürf- 
nils zurücktrat. Derselbe Mangel an Freiheit und Ursprüng- 
lichkeit drückt auch die stoische Physik, welche sich Yor« 
zngsweise an Herakleits Lehre anlehnte (Krische 362, 368). ^ 
jß'ragea wir endlich nach den schwachen Seiten der stoi- 
schen Lehre, so müssen wir dieselben in den subjectiven 
Ausgängen finden. Die grofse subjective Auflehnung gegen 
das Gegebene mufste sich auf ähnliche Weise rächen, wie 
bei den Encyclopädisten Frankreichs. Aus der Sklaverei des 
Ueberkommenen, Menschlichen stürzte man in die Sklaverei 
der Natur* Die gehoffte Befreiung schlug in gänzliche Pas- 
sivität um. Der Hauptpunkt, den man bei der stoischen. 
Richtung auf die Ethik suchen und finden möchte, die Wil- 
lensfreiheit, erscheint von zweifelhafter Natur. Die Stoiker 
langten, bei ihrer Zerstreuung Gottes durch die ganze Welt, 
bei ihrer Lehre vom Xoyog ajieQpajfixog, nothwendig bei 
einem Dämon an (Diog. L. VII. i48. i36. 87. 88). Gott 
selbst durchdringt als V8Q und rpvyjt] die lebenden Wesen, 
als (pvois die Pflanzen, aU i^ig das Unorganische (Krische 
583). Gott ist das Durchwehende, Leitende von Allem, das 
Schicksal. Wie konnte eigentlich hier von Freiheit die 
Rede sein, von der Einsicht als Mutter des Guten, von ver- 
dienstlichem evXoyog oQs^ig, von verwerflicher eniS-vpia? 
Und wie konnte der Vorwurf abgeschnitten werden, dafs 
Zeus die Ursache des Guten wie des Schlechten sei? Da- 
zu scheinen die Bemerkungen des Chrysippus, dafs das Ge- 
setz nicht Mitursache der Uebertretungen sei, dafs Gott das 
Ueble zur Erreichung eines Guten verhänge, dafs das Böse 
xaTa^ TtccQaKoXö'd'fjaiv erscheine etc. nicht hinzureichen. 
Schon im Allerthumc warf man solche Fragen aut Auf 
einen Glanzpunkt der Stoiker dagegen werden wir im näch- 
sten Abschnitte kommen. 

Literatuvji Cleanthis hymn. atict. Vindic. a Petersen, Hamb. 18^. 
4; Cleanthis hymnus ed. Merzdorf, Lips. 1835; Petersen, phi- 

7* 



los. Chrys! fundamenta in notionam dispos. potita, AUon. i8)'7; 
Tb. Bergk, de Chrys. libri» xegt ajcopavrixavy Cass. 184l ; R. 
Schmidt, Stoicor. grainmatica, Hai. 1839; WuiUot, de Antipa- 
trQ Tara. Lovan. 18^4; Thiery, diss. de Diogene Babyl. ib. 
1830; Vao der Lynden, disp. bist, cr^ de Panaetio, Xugd. B. 
1802; Bake, Posid. Rbod. reliq. ib. 1810; tJeber Panatins und 
Athenodorus H. Sevin in d. Mem. de V ac. t. X. p. 75. t. XIII. 
p. 50. 

In Ansehung Epikurs und seiner Schüler haben die neapo- 
lit. Papyrusrollen zu mancherlei Besprechungen und Arbeiten 
angeregt. So handelte Kreissig (Comment. d. Sali. Hist. fragm. 
Misen. 1835 p. 237 'sq.) über Fragmente aus dem 10. B. Epi- 
kurs- XiQi ipvpifag\ gab Petersen die Schrift des Phädrus de 
natura deorum heraus. Ferner bemühten sich Spengel (Ab- 
handl. d. Phil. Kl. der Münchner Akad. 1840^ Ueber die 
Schriften des Philodemusy Münch. 1836. 4.) und Gros (Philo 
etc. Paris 184o) um den Epikuräer Philodemus; Struve (De 
aetate Luciani Gorlic. 1829 sq.), L. G. Jacob (Charakteristik 
Luc. Hamb. 1832), Wetzler (De aetate -vita etc. Luc. Marb. 
1834}> Dindorf (Luc. opp. Paris 1841- 4*) ti. A. um Lucian. 



Zur Geschichte der Sprachphilosophie im AUerthum. 

Wir finden im Alterthume schon früh Probleme der 
Spfachphiiosophie angeregt, so die, ob die Sprache Beharr- 
liche Gesetze habe oder nicht, ob sie ein Werk der Natur 
oder Satzung sei. 

Erapedokles spricht von Entstehen und Vergehen 
nach Satzung vofi (a (Lersch !• 1 1 ,), während Pythagoras 
einen ersten Ursprachbildner angenommen zu haben scheint 
(eb. 1. 27, 111. 19O und Herakleit, die Worte seien nicht er- 
funden i&€0€i% sondern Gabe der JNatur i(pva€0> glichen 
Naturbildem, dem Schattenrisse, den Wadserabspiegeiungen 
Ceb. I. !!)• 

Nach schwachen Anfangen, die ohne Zweifel durch die 
eleatische Schule und den mannigfaltigeii Verhehr mit Ae- 
gypten, Syrien, Persien erstarkten, trat Demokrit mit sei- 
nen Schriften negi 'O/iifjQs ij o^d-OBnBifjs vt^i yXfi»aa€(ar^ 
negi QfificcroiP und s^em oroft^aoTiKov auf. Er stellte sich 



— 101 — 

auf die Seile des vo/ios, der &eoiß und brachte dafür vier 
Gründe vor. Wäre die Sprache ein Werk der Natur, so 
könnte Ein JName auch nur Ein Ding bezeichnen, es gäbe 
keine Homonymie; ferner könnten nicht Einem Dinge ver- 
schiedne Namen beigelegt werden, es gäbe keine Polyony- 
mie; drittens deutet die Veränderung der Eigennamen dar- 
auf, dafs die Namen nicht Zeichen innerer Merkmale, son- 
dern Sache gesellschaftlicher Uebereinkunft sind; viertens 
fiande sich nicht so häufiger Mangel analoger Spraolibildun- 
gen. Er nannte die Namen tönende fiilder und glaubte die 
Sprachverbindung dadurch erklären zu können, dafs die 
Luft in Körper von gleicher Gestalt . gebrochen und mit 
den von der Stimme ausgehenden Bruchstücken mitforlge- 
v?älzt werde C^b* I« is* Hl. 19« 41O9 während Anaxagoras 
sich das Vernehmen durch Anstofs des Hauches an die Luft 
und Zurückwerfung desselben durch diese zu erklären suchte« 

Prodi kos hat, nach der Ansicht von Lerach (i. S. 16), 
in seinen grammatischen Arbeiten mgi opofimov o^OTf^- 
Tos über die Sprache nach ihrem Naturgrunde gehandelt. 
Jeden Falls müfste er aber, aammt Protagoras, sich auf 
die Seite der Uebereinkunft - und Willkür bei der Sprach- 
schöpfung gestellt haben, da er den Menschen, nicht die • 
Natur, zum' Maas von Allem machte^ Uebrigena wird dem 
Protagoras die Entdeckung, die bewufste Unterscheidung 
zwischen Haupt- und Eigenschaftswort, zwischen weiblichem 
und männlichem Geschlecht, zwischen der fragenden, ant- 
wortenden, befehlenden, bittenden Rede, welche bei den Pe- 
ripatetikern als svhtiuoq Xofos^ ^QOü'vaHTiKog, €Q(OTf^fiaTir^ 
^og, xAi^'i^^xoff, aTiotpavTtxog vermehrt erscheinen, zugeschrie- 
ben (IL 7. 173 f.) und den Sophisten überhaupt die Begren- 
zung des Hellenismoa (eb. L 48)4 Ihre grofse und starke 
Am'egimg aller grammatischen und sprachphilosophischen 
Fragen wird in platonischen Dialogen, besonders dem Kra- 
tylus, deutlich genug erkannt. 

Pia ton selbst stellte sich in die Mitte* Sein Resultat 
fafst Lersch (1.35. 11. 9. 111. 29) in folgende Worte zusam- 
men: Wie Jene irren, welche in allen Dingen nur ein ewi- 
ees Werden annehme», Jene aber auch, welche blofs ein 



— loa — 

ewiges Sein annehmen: so irren sowohl diejenigen, welche 
*iB der Sprache nur eine OQ&OTfjg, und die, welche nur eine 
ivr&^XT] in ihr anerkehnen. Ati beiden hat sie Antheil. 
Alles den Dingen in der Sprache ähnlich JN achgebildete föUt 
der 4f)vaig, die Mischung aber von Aehnlichkcit und Un- 
ähnlichkeit der S'eaig anheim. Sokrates sagt nicht, dafs das 
Unähnliche der Iwd^rjutri angehöre, sondern eine Mischung 
TOn Aehnlichem und Unähnlichem. So weit uns^ Kunde 
reicht, unterschied er zuerst sicher zwischen ovofia^ Sub- 
• ject, und ß^/tta, Prädicat. Und da er das Verbum als Hand- 
lungen Ausdruckendes fafste, so unterschied er auch als Zei- 
ten T« o^T«, yiyvo[i/Bvay yeyovora, /LceXlov^a. 

Aristoteles nahm an, dafs nur die Naturlaute Werk 
der Natur; das den BegriflF Bezeichnende aber Werk der 
Uebereinkunft (owd-vj^rj) seien, weil sonst alle Völker die- 
selbe Sprache sprächen, Alle in gleicher Form Gedanken 
und Empfindungen ausdrückten. Aber er war zugleich ge- 
gen die Willkür. Die &€öis ist ihm Feststellen des Be- 
griffs. Der Fortschritt im Verhältnisse zu Piaton wird im 
Moment der Zeit, des noTS beim Verbum gefunden, wel- 
ches Aristoteles aufgedeckt, beim Nomen aber im Moment 
des Beugefalls. Aufserdem unterschied auch Aristoteles zwi- 
schen Ton, als Leblosem, und zwischen Laut, als Psychi- 
schem. Der Ton wird erst durch eine Bezeichnung zum 
Laut und der Laut erst durch die Möglichkeit, ihn durch 
Buchstaben zu fassen, zum menschlichen. Thierlaute haben 
entweder gar keinen, oder nur zwei bis drei Consonanten. 
Den Ton gründet er auf die Erschütterung der umgeben- 
den und Ei« Ganzes bildenden Luft, den Schlag, zwei Kör- 
per, einen schlagenden und geschlagenen. Endlich unter? 
schied er neben dem ovo /na und qrjf,ta auch das Bindewort 
ovvSeapoQ und die Artikel aQ&Qa, das Neutrum (/^€ra|t/) 
von den zwei andern Geschlechtern, zu welchen dann Spätere 
noch das koivov und suviTCOivov fugten, den Singular (cV), 
Plural (t» TtoXXcO und Dual (oA^ya), das noi8iv und sTOfff- 
ysiv bei den Zeitwörtern (eb. I. 38. II.. ii f. III. 33 f.). 

Von Epikur weifs man, dafs er die Sprache für ein 
Erzeugnifs der Natur hielt, welche bei den verschiedenen 
Völkern eigenthümlich ist und darum auf eigne Weise affi- 



— 103 -~ 

cirt wird. Später tritt zu dem Produet dieser AfiFecSoa 
aber die Uebereinkunft hinzu. Den Ton betrachtete er als 
Strom, welcher in gleiche Atome gebrochen wird, welche 
io's Gehör falfen (eb. I. Sg. III. 4i). 

Die Stoiker betrachteten die Sprache als Produet der 
Natur, oder des Bestrebens, die Laute den Objecten ähn- 
lich zu machen, wie als Produet der Uebereinkunft X^cGig'). 
Aber diese selbst mufste dem Stoiker als Werk der Natur 
erscheinen, denn in der Natur hatte er den Xoyog mit allen 
Beinen intellectuellen, ethischen und physischen Ausflüssen 
gelegt» Ihre Dreitheilung in ^(0V9] Hall, Xe^is Ausdruck, 
Xoyog begriffliches Wort erinnert an die obige von V8g, q)V^ 
qiQ, i^ig* Und wiederum führt Augustinus drei von den 
Stoikern angenommene Haupt- Stufen der yevsGig des Wor- 
tes auf« Die erste ist die schon von Piaton und Aristoteles 
aufgeführte Kwia fii/Lt^fjaiv. „Stoici, sagt der Kirchenvater 
Dial. princ. c. 6«, autumant, nullum esse verbum, cujus non 
certa ratio explicari possit. Et quia hoc modo suggerere 
facile fiut, si diceres, hoc infinitum esse, quibus verbis al- 
terius verbi originem interpretareris, eorum rursus a te ori- 
ginem quaerendam esse, donec perveniatur eo, ut res cum 
aöno verbi aliqua similitudine concinat, ut cum dicimus ae- 
ris tinnitum equorum hinnitum^ ovium balatum^ turbarum 
clangoremy stridorem cantenarum ; perspicis enim, haeo 
yerba ita sonare ut res, quae his verbis significantur« Sed 
quia sunt res, quae non sonaiit, in his simUitudinem tactus 
valere, ut si leniter vel asperc sensum tangunt, lenitas vel 
asperitas litterarum, ut tangit auditum, sie eis nomina pe- 
perit.' Et ipsum lene cum dicimus leniter sonat. puis item 
asperitatem non ex ipso nomine asperam judicet? Lene 
est auribus, cum dicimus voluptas, asperum est, cum dici- 
mus crux* Ita res ipsae jam efiiciunt,. sicut vcrba sentiun- 
tur. Mel quam suaviter res ipsa gustum, tarn suaviter no- 
nem tangit auditum. Acre in utroque asperum est; lana et 
t^epres ut audüintur verba sie illa tangitur. Haec quasi cu- 
uabula verborum esse crediderunt, ut sensus rerum cum so- 
uorum sen&u concordarent.'' 

Die zweite ist die ;tad'* o/LioiOTf^ra» Augustinus sagt : 
,)Hine a4 ipsarum iuler se rerum similitudincm proccssisse 



— 104 — 

licentiam nominandi: ut cum yerbi catida crux propterea 
dicta sit, quod ipsius yerbi asperitas cum doloria, quem 
crux efEcit, opei^tate concordat: cura tarnen non propter as- 
peritatem doloris, sed, quod longitudine atic[ue duritia inter 
membra cetera sunt ligno crucis similiora, appellata sunt/^ 

Die dritte die xa^ra avaXoyiav. Augustinus sagt : ^Jnde 
ad abusionem ventum est, ut usurpetur nomen non tarn rei 
similis, sed quasi vicinae« Quid enim siinile ^ter significa- 
tionem parvi et minutiy cum possit parvum esse quod non 
modo nihil minutum sit, sed etiam aliquid creverit* Dici- 
mus tarnen propter quandam ricinitatem minutum pro panro* 
Sed haec abusio yocabuli in potestate loquentis est: habet 
enim parvum, ut minutum non dicatur. Illud magis perti- 
net ad id quod volumus ostendere, quod cum piscina dici- 
tur in balneis, in qua piscium nihil est cum nihil piscibus 
simile habeat, yxdetur tamen a piscibus dicta propter aquam 
ubi piscibus rita est." 

Lersch zieht (III, 5i) eine Parallele zwischen diesen 
Lehren der Stoiker und denen W. v. Humboldts, welcher 
{Ueber die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues 
und ihren Einflufs auf die geistige Entwickelung des Men* 
schengeschlechts, Berl. i836, S. 78) bei den einfachen Wör- 
tern eine dreifache Bezeichnung annimmt* 

„Erstens die unmittelbar nachahmende, _ wo der Ton, 
welchen ein tönender Gegenstand hervorbringt, in dem 
Worte so weit nachgebildet wird, als articulirte Laute un- 
arliculirte wiederzugeben im Stande sind. Diese Bezeich- 
nung ist gleiclisam eine malende; so wie das Bild die Art 
darstellt, wie der Gegenstand dem Auge erscheint, zeichnet 
die Sprache die, wie er vom Ohre vernommen ^rd* Da 
die Nachahmung hier immer unarticulirte Töne trifft, so ist 
die Articulation mit '^dieser Bezeichnung gleichsam im Wi- 
derstreite ; und je nachdem sie ihre Natur zu wenig oder 
zu heftig in diesem Zwiespalte geltend macht, bleibt entwe- 
der zu viel des Unarticulirten übrig, oder es vermischt sich 
bb zur Unkennbarkeit. Aus diesem Grunde ist diese Be- 
zeichnung, wo sie irgend stark hervortritt, nicht Yon einer 
gewissen Rohheit freizusprechen, kommt bei einem reinen 



— 105 — 

und kraftigen Sprachsinn wenig hervor und verliert sich nach 
und nach ki der fortschreitenden Ausbildung der Sprache. 

Zweitens die nicht unmittelbar, sondern in einer drit* 
ten, dem Laute und dem Gegenstande gemeinschaftlichen 
Beschaffenheit nachahmende Bezeichnung« Man kann diese, 
obgleich der Begriff des Symbols in der Sprache viel wei- 
ter geht, die symbolische nennen, Sie wählt für die zu be- 
zeichnenden Gegenstände Laute aus, wekhe theils an sich, 
theils in Vergleichung mit andern für das Ohr einen dem 
des Gegenstandes auf ^\e Seele ähnlichen Eindruck hervor- 
bringen, wie stehen, stetig,^ starr den Eindruck des 
Festen, das Sanskritische li, schmelzen, auseinander- 
gehen den des Zerfliefsenden, nicht, nagen, Neid den 
des fein und scharf Abschneidenden« Diese Art der Be- 
zeichnung, die auf einer gewissen Bedeutsamkeit eines jeden 
einzelnen Buchstabens und ganzer Gattungen desselben be- 
ruht, hat unstreitig auf die primitive Wortbezeichnung- eine 
grofse, vielleicht ausschliefsliche Herrschaft ausgeübt« 

Drittens die Bezeichnung durch Lautähnlichkeit, nach 
der Verwandtschaft der zu bezeichnenden Begriffe. Wörter, 
deren Bedeutungen einander nahe liegen, erhalten gleich- 
falls ähnliche Laute; es wird aber nicht, wie bei der eben 
betrachteten Bezeichnungsart, auf den in diesen Lauten 
selbst liegenden Charakter gesehen. Diese Bezeichnungs- 
weise setzt, um recht an den Tag zu kommen, in dem Laut- 
systeme Wortganze von einem gewissen Umfange voraus, 
oder kann wenigstens nur in einem solchen Systeme in grö- 
fserer Ausdehnung angewendet ^Verden. Sie ist aber die 
Fruchtbarste von allen und die am klarsten und deutlichsten 
den ganzen Zusammenhang des intellectuell Erzeugten in 
einem ähnlichen Zusammenhange der Sprache darstellt« Man 
kann diese Bezeichnung, in welcher die Analogie der Be- 
griffe und der Laute, jeder in ihrem eigenen 'Gebiete, der- 
gestalt verfolgt wird, dafs beide gleichen Schritt halten 
müssen, die analogische nennen.^^ 

Der Fortschritt der Stoiker in Auffindung und Ab- 
grenzung der Sprachkategorieen wird darin gefunden, dafs 
die Stoiker die bei Aristoteles zwischen owSeafiog und 
ao^QOV gezogene Grenze schärften und den letztern Rede- 



— 106 — 

theilen eine Bedeutsamkeit zuschrieben, die sie bei Aristo«* 
teles noch nicht gehabt; dals Diogenes und Chrysippo« 
das ovofia in ovo/iia und nQoa'fjyoQia, nomen und appella- 
tio spalteten; dafs sie die mtjuois, welche bei Aristoteles 
noch dem Verbum anhieng, von diesem lösten; dafs sie das 
Adverbium als /c^aoTi;^ und navSsnTfj fafsten (eb. JI. 25.)» 
Wir finden also bei ihnen bereits sechs Redetheile : ovo/na^ 
nQoo'fjyoQia, ^fw, avväeoiivog, etiQd'Qov, navSeTiTfjs* End- 
lich haben sie durch Schöpfung so mancher Kunstausdrü-' 
cke für das Geschlecht, den Numerus, die Casus etc. der 
Sprachwissenschaft grofse Dienste geleistet* , 

Sex tu 8 Empirikus polemisirte gegen die Annahme, 
dals die Sprache ein Product der Natur sei, weil sonst bei 
der gleichen Natur der Menschen Hellenen und Barbaren 
dieselbe Sprache hätten, einander verstünden, das mann-* 
Hebe und weibliche Ge&chlecht für dieselben Bezeichnungen 
Ifleich gebrauchten. Er erblickte überall auf diesem Gebiete 
unwissenschaftliche Planlosigkeit (Lersch L 84. IIl« 58.)* ^ 

Die Dialektiker, deren Haupt Kleitomachos um ,i5o r. 
Chr. war, ein Karthaginienser und sehr emsiger Schrift- 
steller, der sich in der Schule des Karneades gebildet und 
die Lehren seines Meisters verbreitete, ohne blos als Schü- 
ler gelten zu wollen, verhielten sich zu die.n Piatonikern, 
Aristotelikern und Stoikern eklektisch (eb. II. 46)« 

Hatten die Stoiker Artikel und Pronomen noch mit dem 
gemeinsamen Namen aqd-QOV bezeichnet, obgleich sie zwi- 
schen itia pronomen relativum, infinitum und interrogativ 
vum, als aoQiOTGi^eg, und dem persönlichen Pronomen, als 
WQiOjis%'ov agd'QOV, unterschieden, so wird dem ersten ho- 
merischen Diorthoten Zenodotos um 280 v. Chr. die völ- 
lige Scheidung des Pronomens und Artikels, des Numerus 
und seiner Personen zugeschrieben (eb. II. 56), dem Arist*. 
arch aber der' Präposition und des Participiums (eb. II. Sg).« 
Die Interjection erscheint erst bei dem der aristarchischea 
Lehre sich anschliefsenden Palämon, der unter Claudius und 
Tiberius lebte. Das Adjectivum sondert sich im Alterthume 
nicht so ab, wie in der Neuzeit (Lersch, die Sprachphilo- 
sophie der Alten, Bonn i838 f. III. BO- 



— 107 — 

XL 

Internationale römische Philosophie. 

Bei den Römern finden wir zwar Epikuräer, Sextier, 
Kyniker, Stoiker, (Cic» Tusc. IV. 3. Seneca, Quaest, natur. 
VII. 33; De betaef. VII. i; Gell. Nöet. Att. XII. a; Quin- 
til. Inst. X. 1 .)) aber niiriits von Fortschritt, nichts National« 
Eigenthümliches, man müfste denn gewisse Accomodationfn 
hieher rechnen (Cicero, de^fin. II. 2a.)* Die Jftömer hatten 
ihr Mannesalter überschritten, als ein regerer Verkehr der 
römischen Aristokratie mit Hellenen eintrat. Wie der 
Mensch nicht mehr einlernt, sondern nur anlernt, nur me- 
chanisch sich aneignet, . was eine fremde Natur ihm bietet, 
wenn er ein höheres Alter erreicht hat, so kann auch nur 
ein jugendliches Volk in innigere Wahlverwandtschaft mit 
fremden geistigen Elementen treten. Die Philosophie blieb 
in diesem Falle gleichsam zwischen den Römern und Grie- 
chen liegen, zwischen zwei fertigen Sprachen und zwei fer- 
tigen ausgeprägten Nationen, von welchen keine mehr er- 
zogen oder eingeschult werden konnte, von welchen eine 
nur gewaltsam sich beugen mufste. Dazu kam noch bei 
den Römern der acht - nationale Hang zum Praktischen, das 
Kleben an der Rechentafel, wie Horaz sagt. Ihr Ideal war 
nicht das Wissen der Idee, sondern das Leben für Stadt 
und Staat. Endlich war selbst die griechische Philosophie ^ 
zur Zeit des steigenden Verkehrs schon von ihrer Höhe 
herabgesunken, hatte sich dem eklektischen, orientalischen 
Wesen genähert. Daher die dürftige Gestalt der Philoso- 
phie, ihr mechanischer und aller Naturwüchsigkeit entbeh- 
render Charakter bei den Römern (vgl. K, F* Renner, de 
impedimentis quae apud vet. Roman, philos. negaverint suc- 
cessum, Hai. i825). So viel über die Hindernisse. Nun 
zur Andeutung dessen, was dem Studium der Philosophie 
"bei ^en. Römern wenigstens so weit half, dafs die bekann- 
ten Erscheinungen möglich wurden. Zuvörderst war es die 
Sucht der römischen Aristokratie nach Eleganz und Unter« 
Scheidung, nach einer über das Altväterliche hinwegheben- 
den Aufklärung, was zu ihr trieb, was einst auch die deut- 



— 108 T- 

sehen Höfe zur fraiuiösischeii Literatur hingetrleben« Wer 
erinnert sich nicht an die Verie von Lucrez I. 79 7 
Quare religio pedibus subjecta vicissiin 
Obteritur^ nos exaequat victoria coelo? 
Und als nun die auflösenden Gewalten einer nachgebornen 
griechischen Philosophie [die Optimalen unterhöhlten, die 
Staatsstürme sich häuften und Alles abwärts gieng, da kam 
zu dem ersten, den Epikur begünstigenden subjectiven Be- 
weggrunde, noch ein zvjreiter, dem Stoizism, den Kynikern 
ejc. Vorschub leistender* Trost suchen jetzt Alle bei der 
Philosophie, als der einzigen noch bestehenden, dem raschen 
Umstürze der Dinge trotzenden geistigen Macht. Die 8t<M^ 
sehe Lehre gewinnt jetzt die meisten Anhänger, ivährend 
vorher die epikuräische bei den Regsamen gewaltet. Nur 
noch Einzelnen gelingt es, im Gegensatze zu jenen, welche 
einmal aus der Stadt getrieben worden (Ath. Xll. 547* '^^' 
lian. V. H. IX. 12«), sich, trotz der Zeit^ epikuräische Hei* 
terkeit zu bewahren, so dem von Rixner geschmähten Ho- 
raz, dessen Vertheidigung doch schon Lessing und nach 
ihm Viele so geführt, dafs mit Anführung eines Verses 
nichts gethan ist. Es kamen in überwiegender Anzahl bald 
die halbnackten Kyniker, die Stoiker, die Mystiker und 
Orientalisten an di© Reihe. Die Philosophie wird zur Op- 
jpösitionsmacht gegen das Bestehende« Man sucht bei ihr 
Hilfe, man will durch sie sich über die Zeit erheben, man 
will in ihr die Last der Welt, den Druck der Gegenwart 
vergessen« Dies Verlangen scheint sich auch in der Sekte, 
der Elpistiker ausgedrückt zu haben, mögen sie nun Pseu- 
domanten und Vorspiegler gewesen sein, wie Lessiug meint 
(Leben und liten ^achlafs II. S. 119), oder Philosophen, 
welche die Hoffnung auf den Thron erhoben -(Plutarch, 
quaest. convir. IV« 4> Leuschner, super Elpist Hirschb. 
1760. 4»; Id. pro Elp. Lips. 1755. 40 

So finden wir denn das Subjective als das Alle um- 
schlingende Band, bis zu den Skeptikern- herab, welche 
auch nur subjectiver Ausdruck für die Zerfallen heit mit al- 
len geistigen Mächten sind« Und wenn irgend eine Philo- 
sophie der Fortbildung fähig war, so mufste es gerade die 
der Zerfallcnheit xdT e^oyr^r^ 4er Skeptizism, sein, was 



-^ 109 — 

Ritter IV. 288 auch in der Reduction der Zweifeldgrunde 
findet. Ibre Blüthe fallt nach dem Stoizism, welchen sie aU 
die kräftigste der philosophischen Schulen vorzugsweise be- 
kämpften. Und ihr Verfall gieng mit dem des Stoizism 
Hand in Hand, weil das Interesse des Kampfes mit der Be« 
deutung und dem Interesse des zu Bekämpfenden aufhört. 
Kaiser Antonin hat' in der That mit seinen Sätzen „3\;& av-" 
&Qmniva xcmvog Ttai *ro fur^Sev; 6 xoofnoe aXloiwaig, 6 
ßiog vnoh]ipis (Comment. X. 5i. IV. 3.)'' den Geist der rö* 
mischen Philosophie nach Wurzel und Ausgang bezeichnet. 

Einzelne Gestalten der römischen Philosophie« 

In Ciceros Thätigkeit schied man die für Rhetorik 
bis 708 urb. c. und die für Philosophie mit dem Dialoge 
Hortensius beginnende. Br selbst sagt von seinen Schrif- 
ten CAd Attic. XII. 52) L anoYqa(pa sunt: minore labore 
fiunt: yerba tantum affero, quibus abundo* Vgl. Aid Att» 
XIII. 19, De div. I, 3. Ad. Att. XVI. 11. i4* Er iiefs sich 
Auszüge und gedrängte Darstellungen machen "und scl^icken 
und paraphrasirt griechische Vorlagen. „Er wird dadurch, 
bemerkt Krische S. 32 'mit Bezug auf die Bücher de natura 
deor., nur ^ zu oft verleitet, Sätzen, die allein in ihrer orga- 
nischen Stelle und ursprünglicher Verknüpfung die wahre 
Auffassung zulassen, einen falschen Sinn unterzulegen." 
Und doch liegt in Notizen für die Geschichte der Philo- 
sophie der Hauptwerth, welchen Ciceros Schriften für uns 
haben mögen. Denn an sich ist er unkräftiger, zur neue- 
ren Akademie sich hinneigender Eklektiker, welcher die 
philosophische Zeugungstinfähigkeit seines Volkes, die in- 
ternationale, unorganische Philosophie für alle Zeiten am 
vollkommensten repräsentirt. Er ist als Philosoph kein Rö- 
mer mehr nnd kann doch auch kein Grieche sein» Der um- 
stand, dafs er lateinisch schreibt und damit eine grofse na* 
tionale That gethan zu haben versichert, während seine 
Volksgenossen wie Q. Sextius, der Gründer der nach ihm 
benannten Schule (Seneca quaest. nat. VII. 33), Brutus n. 
A. griechisch schrieben, ändert nichts an der Sache. Es 
fehlen ihm hier die tiefem nationalen Wurzeln und sein 
dialektisches Schiffchen taumelt und schwankt auf und ab. 



— 110 ^ 

von den Windstörsen eines fremden Geistes und einer frem- 
den Sprache bald dahin bald dorthin getrieben* Dessen- 
ungeachtet hat der NStaatsmann unevmefslich viel genützt, 
weil sein Redeschmuck ihn, zum gelesensten Schriftsteller 
im Römerreiche wie fm Mittelalter machte und somit zum 
Anreger för solche Zeiten, wo die griechischen (Quellen nicht 
mehr gelesen, oder nicht mehr zu lesen waren. Und das- 
selbe Verhältnifs hat der Rhetor jttzt noch zur philosophi- 
schen Tragweite vieler Philologen und damit zur Schule. 
Ueber seine Philosophie und sein Leben schrieben in neuerer 
Zeit: van Schelten (De philos. Cic.)» Kühner (Cic. in philo- . 
sophiain ejnsque partes mcrita, Hamb. 1855), van Heusde (Ci- 
cero ^iJLoxJiartoy, Traj. ad Rh. 1836), Drumann (Gesch. H|)m8, 
Konigsb. 1834 f.)» 1^^ Lens (Extraits philosophiques de C. ed. 
II. Par. 184a), Krische (Ueber Ciceros Academica in den Göt- 
tinger Studien 1847). 

Zu den Skeptikern Roms gehörte Agrippa, dessen 
Rlüthe man in die Zeit nach Aenesidemos verlegt. Nach 
Diogenes L, IX. 88. nahm er nur fünf Zweifelsgründe an, 
zwei alte, vom Mangel an Uebereinstimmung der Menschen 
und ihrer nur verhältnifsmäfsigen Aussage hergenommene 
und drei neue, welche von der Form nicht vom Inhalt her- 
genommen sind. Sie laufen darauf hinaus,- dafs bei jedem 
Beweise ein Grundsatz vorausgestellt werde, den man nicht 
zu beweisen pflege, weil man sonst in's Unendliche komme, 
dafs also stets aus Unbewiesenem bewiesen werde, womit 
jeder Beweis aufhöre. Beweis zu sein. „Dafs übrigens Ag- 
rippa die Form des Verfahrens hervorgehoben, äufsert Rit- 
ter IV. 285, dies bezeichne in der That einen Fortschritt in 
der Entwicklung der skeptischen Untersuchungen/^ 

Dasselbe kann man von den Stoikern nicht sagen, mag 
man nun den römischen Afrikaner Annans Cornutus, 
der 66 n. Chr. von Nero verbannt worden (Martini, de L. 
A. Com* Lugd. B. 1825 ; Cornutus de natura deorum, Gott. 
i8Z^), oder den römischen Cordubenser Seneca in Betracht 
ziehen wollen. 

Wenn bei Ciceros Arbeiten das Subjective vorschlägt, 
indem er durch sie bald den Ruhm der Nationalisirung hel- 
lenischer Philosophie, bald Zerstreuung und Trost in den 



— * 111 — 

Lebensdrftngsalen zu erlangen strebt, wenn Cicero mit Vor- 
liehe das Ethische in der Philosophie aufsucht und das Prak- 
tische (De offic. L 43) dem Wissen vorzieht — so können 
wir dasselbe auch bei Seneca wahrnehmen. Er steigt in der 
Ethik bis zur Casuistik (Ep. 94. 96), er ist herb gegen die 
eigentliche Speculation (Epist. 106.) und hingebend an das 
philosophirende Herz. Er ist der wahren Philosophie ge- 
genüber im Ganzen ein unfruchtbarer römischer Rhetor, ein 
roher Praktiker, den aber seine Zeit entschuldigt. 

Ueber ihn handelten u. il.: Werner (De Sen. pbil. Vratisl. iS'tS) 

und Fickert (Proleg. in nov. Sen. phil. edit. Noriinb. 1839; 

Seneca, opp. Lip's. 184^ sq.). 

Bei Musonius (Reliq. ed. Peerlcamp, Harlem iSas; 
Moser, StudieiS von Daub und Creuzer VJ. S. 74) verwan- 
delt sich die subjective Trübung in idyllisches Anpreisen 
des Gegensatzes der städtischen Umgebung, während sie 
bei Seneca lieber im rhetorischen Purpur desPallastes geht* 
Darin treffen sie aber zusammen, dafs die Philosophie Mit- 
tel zu praktischen Zwecken sei. Er sagt bei Stobäus ap« 
p. 419: e7i€i&rj icai <ptXoaoq)ia itaXonayad-iag eoiiv eniTfi^ 
^svGig %ai bdev HeQov. 

In Betreff des Appulejus erinnere ich hier blos an 
die neueste Ausgabe seiner Werke von HiJ^ebrand (Lips» 
1843 H). 

Zum geistigen Stillleben, zur Selbsteinkehr, zum Be- 
schauen des Dämons wird auch Mark. Antoninus (121 
t 180) von der subjectiven Richtung der Zeit, von der Zer- 
fallenheit mit der Aufsenw^lt getrieben, dem Sklaven Epik- 
tet in Vielem verwandt, den er auch öfter anfährt als Quelle 
seiner Anschauung. 

Theophr. char. Antonin. Epictet. Arrian. Simplic. Cebes et Maxi- 
mus Tyr. gr. et lat. rec. Schulz et Dfibner, Paris 1840. 4; 
Bach, de M. A, Anton, inip. philosophia Lips. 18^6. 

Mit der Sehnsucht nach leis bezweifeltem Trost endet 
endlich die römische Philosophie bei Boethiics^ weichen 
Ritter für keinen Christen zu halten geneigt ist (VI. 58a), 
nachdem schon Schleiermacher (Gesch. d. Ph. S. 175) den 
christU Ernst bezweifelt hatte. 



— US ' — 

Opera, Basil. 1546. 1^70 fol.; De contolaüone, ed. 01>baritt9, Jena 
1843, deutsch von Worlberg, Greiftw. 18^6, griech. v. Planu- 
des h. V. Weber, Darmst. 1833 ; Hand in der Encycl. v. Ersch 
und Gruber; Bon - Compagnie in den Abb. der Turioer Akad. 
1843 »er. II. l. III. 



in. 

Die internationale jüdische Philosophie. 

Der Grund, warum diese Philosophie eine internatio- 
nale genannt wird, ist bekannt genug« Man hat oft be- 
merkt (Gelinek, Vorrede zur Uebers» y. Francks Kabbala, 
Leipz. 1844; Jellineck, Einleit. zu Bechajis Herzenspflich- 
ten S. XVl etcO) dafs die Juden seit dem ^xil alle ihnen 
sonst unbekannte und in der Bibel nicht mit klaren Wor- 
ten bezeichnete Weisheit in diese hineingedeutet etc. Dar- 
auf führt auch schon die Periodeiieintheilung der jüdischen 
Literatur und der Gebrauch der verschiedensten Sprachen* 
Philo schreibt z. B. griechisch, Saadja und Maimonides 
arabisch, Leon italienisrch, Spinoza lateinisch und hollän- 
disch, Mendelsohn deutsch etc. Und jeder bedeutende Pe- 
riodeneinschnitt ist durch äufeem Einfiufs gezeichnet« 

Zunz (Beiträge zur Literatur S. ^3 f.) nimmt in den letzten 11 Jahr- 
hunderten deren eilf an: 1) von Aleirander bis zum Ende des 
Hasmonaischen Krieges 330 — 143 v. Chr. 5 I) von da bis zu 
Hadriäns Tod l43 ▼. Chr. b. I3a n. Chr. ; 3) von da bis zum 
Aufhören der Akademieen in Palästina 358 ; 4) von da bis zum 
Abschlüsse der talmudischen Autoritäten 54i; 5) von da bis 
Harun Arraschid 770; 6) von da bis zum Beginne der jüdi- 
schen Wissenschaft in Spanien 96o; 7) von da bis zu Maimo- 
nides Tod iao4; 8) von da bis zur Vertreibung der Juden aus 
Spanien 149%; 9) von da bis delMedigo^s Tod 1655; 10> von 
da bis Mendelsohn 1755; ll) seit Mendelsohn. 

Jedem dieser grofsen Räume, bemerkt der Literarhistoriker, 
giebt das Gesetz geschichtlicher^ Fortbildung seine eigenthüm- 
liche Tbätigkeit und Bedeutung. In der ersten Epoche war 
die Einsicht in das väterliche Gesetz das Ziel der Nachdenken- 
den; die Ergebnisse dieser Einsicht sollte das Leben verwirk- 
lichen. So ward die Erforschung der in dem götdicben Werte 
verliehenen Weuheit, die Ausübung und Vertheidigung vercrb- 
"^ , ter 



— 113 — 

tcr Religion die Grundlage zu den Richtungen des Geistes. Es 
theilte sich gleich im Entstehen der Midrasch unbevrufst in die 
Arbeiten zur Erhaltung. Erläuterung und Begründung von Lehre 
und Vorschrift. Das Eindringen der perüi&chen und der grie- 
chischen Cultur hatte Sadducäer und Abtrünnige alltuahlig den 
Nationalideen entfremdet, so dafs die Nachfolger der Propheten 
und der Soferim nach Innen und nach Aufsen zu kämpfen hat- 
ten. Aber der Schauplatz aller geistigen Regsamkeit scheinen 
nur Jerusalem und Alexandrien zu sein, und kaum wissen wir 
von historischen Namen mehr als drei zu nennen: Aristobul, 
Simeon und Sirach. 

^ Die zweite Epoche verstärkte mit dem Einflüsse der helle- 
nischen Cultur auch die Wirksamkeit der nationalen Literatur. 
Der gesetzliche Midrasch hatte mit den Schulen das Studium 
der Halacha geschaffen; der speculative gicng in Geheimlehre 
und Sittenlehre auseinander, zum Theil von griechischer Phi- 
losophie berührt, die mit dem jüdisch -heiligen auszugleichen 
war. Die heiligen Schriften uhd das Judenthum gingen selber 
zu den Griechen über; aber dieser Uebergang erfolgte nach 
einem Princip, das Religion und Existenz der Juden zugleich 
bedrohte und zu den Gegenständen des Kampfes kam das Chri- 
stcnthum hinzu, welches bald die andern verschlang. Einigen 
Antheil an der Literatur nahmen bereits Syrien und Babylo- 
nien und die bedeutendsten Namen sind Hillel, Philo, Jose- 
phus, Akiba. 

Die dritte Epoche ist die Zeugin der Niederlagen, welche 
Rom und Christenthum dem jüdischen Seyn beigebracht, nicht 
aber dem Judehthum. Aber der Kampf gegen die U ebermacht 
drückte sich in die geistigen Erzeugnisse tief ein. Philosophie 
und Poesie waren auf lange Zeit gewichen ; dafür wurden 
Mischna, Talmud, Hagada in Schule und Synagoge kräftig und 
ein kirchliches Leben begann sich auszubilden. Meir, Jehuda 
Hanasi, Chija, Jochanan, Samuel, Rab und viele Andere sind 
die Träger jener Thätigkeil, die in Galiläa, Syrien und ver- 
^ schiedenen Städten am Euphrat ihren vornehmsten Schauplatz 
halte. 

Mit der vierten Epoche ^nirde die Gemara vollendet und 
Inr die jetzt weithin zerstreuten Juden ein fester Kalender ein- 
gerichtet. Einige Väter der Kirche wandten sich wieder dem 
Hebräischen zu, um die Juden besser widerlegen zu kBnnen. 
Der Mittelpunkt des nationalen Wissens ist Sura un/1 sein be- 
deutendster Repräsentant R. Asche, der 4^7 daselbst gestorben. 
Oumposch, Dr. V . P. » Geschichte d. Philosophie. 8 



— 114 — 

Der Charalctcr der fünften ist erhaltend vorbereitend; die 
Halacha war ihrer schöpferischen Kraft beraubt; aber die Ma- 
tora bereicherte sich mit Vocalen und Accenten ; die Hagada 
entfaltete sich in Vorträgen, Targumen, populären und mysti- 
scheQ Schriften. Neue Fehden erzeugten der Islam und der 
Abfall der Karäer, während die Verfolgungen des christlichen 
Byzanz ein Judenihum unter den Chasaren gründen halfen. 
Poesie und Wissenschaft der Syrer erzeugten Nacheiferung und 
die Namen Massen weih, Simeon Kaira, Jehndai, Anan gehören 
noch immer ausschliefslich dem Oriente an. 

Nachdem in der sechsten Epoche die Juden der arabischen 
Staaten mit dem Wissen der Araber bekannt geworden, erwach* 
ten allmählig auch die der christlichen Länder Europas, zuerst 
die Juden des südlichen Italiens. Die arabische Philosophie, die 
im Islam Spaltungen hervorgebracht, bildete aus der Mitte der 
asiatischen Juden schnell verschwindende Sekten, während sie 
in dem Kampfe um die Autorität der Ueberlieferung von bei- 
den Parteien benutzt wurde. Durch diesen Kampf, der zu- 
gleich mit dem durch zunehmenden Wohlstand genährten Ma- 
terialism geführt ward, bildete sich Dogmatik, Exegese, Gram- 
matik aus, während anderseits der Talmud sprachlich und ge- 
schichtlich zu intcrcssiren begann. Unabhängig von dieser all- 
gemeinen geistigen Regsamkeit fehlte es auch nicht an Produc- 
tionen auf dem Felde der Natur-, Heil-, Himmels-, Erdkunde 
und die Babylonischen Akademien, als Mittelpunkt einer drei 
Welttheilc verknüpfenden Correspondenz, wurden das Ziel von 
Reisebeschreibern. Als die bekanntesten Namen sind anzu- 
sehen: Sabal (815), Ben Ascher, Israeli, Saadfa, Koraisch, Je- 
schua, Donbio, Jefet, Chasdai (960). 

Mit dein letzten beginnt die siebente Epoche oder das gol« 
dene Zeitalter des jüdischen Mittelalters; alles der Zeit gehö- 
rende Wissen wurde in zahlreichen Gegenden, vornehmlich in 
den Ländern arabiscl^er Cultur, angebauet und die hebräische 
Poesie erreichte ihren Hohenpunkt. Das Centrum bildete Spa- 
nien, welchem sich einzelne Punkte von Asien und Africa anschlo- 
Isen. Die Provence ward das verbindende Mitglied zwischen die- 
-ser arabisch - wissenschaftlichen und der jüdisch -nationalen Strö- 
mtuig ^es germanischen Europa, an das auch in gewisser Hin- 
sicht Griechenland sich anlehnte. Die Kämpfe gegen Aristote- 
les und gegen die Karäer haben die philosophischen — die ge- 
gen Christen und Moslemen die poetischen Werke erzeugt und 
zu denjenigen Männern, die weit in die, nachfolgende Zeit ein- 
greifende Bildungen angebahnt, gehören vor Allen: Kalir, Has-- 



# — 115 — 

San, der den Kalender verbesserte (OT'i), Clianancl, Gerschon, 
Chajndscb, Abulwalid, GabiroF, Alfasi, Natan/ Rascbi, Jebuda 
Halevi, Aben Esra, Jacob Tarn, Maimonides,' Jehnda der 
Fromme. 

In der achten Periode zehrt die Literatur' meist von den 
Schöpfungen, die sie grofsgezogen haben, wiewohl die Thätig- 
keit sich mehr über die Einzelgebiete ausbreitet; in Europa 
bleiben Spanien und die Provence die Haupuitze der Litera- 
tur; dann kommen Italien, Griechenland, Frankreich, Deutsch- 
Tand, England, Böhmen. Von aufsereuropäischen Orten sind vor- 
nehnülch Algier, Kairo, Haleb, Damaskus zu nennen. Theo- 
logie, Philosophie, eine zwiefache Kabbala, Gesetzesstndien, 
Exegese, Homiletik, Grammatik, Rhetorik, Astronomie, Astro- 
logie, mathematische und medizinische Disciplinen — Nichts 
fehlte, auch Verfolgungen nicht, die Altes zerstörten, Neues 
erstickten. 

Die neunte Epoche führen die grofsartigen Vertreibungen 
der Juden aus den spanischen und mehreren deutschen Staaten 
ein, durch welche die Juden in Polen und in der Türkei con- 
centrirt und eine Verschmelzung der bisherigen Weisen vermit- 
telt ward. Zugleich erleichterte die Buchdruckerkunst Bücher« 
besitz und Leetüre, die erwachende Wissenschaft machte die 
Theilnahme allgemeiner, der Kampf gegen Roms Bischof lenkte 
den Hafs anderswohin, als gegen die ältesten Eigenthümer des 
göttlichen Wortes. Hebräische Typographie und hebräische 
Grammatik wurden von deutschen, Kritik und Geschichte von 
italienischen Juden angebauet, das systematische Studium des 
Gesetzes und die Synagogalpredigt von denen im Osmanischen 
Reiche; wissenschaftliche Kenntnisse waren fast nur bei den 
spanischen und italienischen Qcandiotischen) Juden zu finden, 
in Polen ward der Talmud einseitig *eingeübt. Während nun 
der Vorrath des philosophischen Denkens sich in homiletische 
Schriften zersplitterte, verdüsterte von Palästina aus eine aske- 
tisch-praktische Kabbala die Gemüther; mit dem 16. Jahrhun- 
dert schwanden die letzten guten Dichter und der Schlufs der 
Epoche fällt in die Metzeleien der Ukraine und Polens. Der 
Schauplatz der literarischen Thätigkeit waren: einige deutsche 
Gegenden, Amsterdam, Mittel- und Nord- Italien, Böhmen, Po- 
len, Türkeif Berberei, Aegypten, Palästina und Syrien. 

Die zehnte Epoche bildet für Polen und Deutschland ein 
Jahrhundert des Verfalls, und auch in Holland, Italien und 
dem Orient wird ein Sinken wahrgenommen; zugleich aber 
tauchen Einzelne unf, hoher als ihre Zeit, ßpinosa, SalomoB| 

8* 



Hanau^ Scliabtai Bas, David Oppenheimfr, Jechiel Heilpruii, 
Israel Levi u. A. sammeln Ernten für zukünftige Jahre. 

Im Jahre 1755, mit dem die eilfte Epoche anfangt, waren 
die Fürsprecher der Humanität, des Rechtes, der jüdischen 
Gleichstellung und Wissensthaft — Niemeyer und Pestalozzi, 
Dohm und Hardenberg, Gregoire und Friedländer, Herder und 
de Rossi — noch Knaben. Allein zwei junge Männer began- 
nen einverstanden ihre zu Cultur und Freiheit führende Lauf- 
bahn, Leasing und Mendelssohn etc. Die jüdische Literatur 
nahm stufenweise gröfsern Antheil an der allgemeinen Thäti^ 
keit^ zugleich wurden die Institutionen, die Quellen und die 
Geschichte des Judenthums erforscht und seine Wissenschaft in 
das Gebiet des Gesammtwissens eingeführt. 

In dieser geistigen Ebbe und Fluth ziehen den Blick 
des Geschichtschreibers der Philosophie besonders siebea 
Gruppen auf sich. Die erste bilden die aus den Pharisäern 
hervorgehenden Essäer, welche durch Moral und Mystik 
ein Bedürfnifs decken, das durch die Traditionsstarren nicht 
gedeckt war« Die zyvelte die Sadducäer, welche die münd- 
liche Ueberlieferung, die Unsterblichkeit, das Eingreifen der 
Vorsehung gegen den freien Willen verwarfen etc. (Gross- 
mann de philosophia Sadducaeorum i836; id. de fragmentis 
Sadducaeorum exegeticis 18373 Jd. de statu eor. literario, 
niorali et politico i858). Wenn sich die ersten zur Philo- 
sophie der Kabbala vertiefen konnten, so war dies aber bei 
der zweiten nicht möglich, mochten sie nun auf dem Stand- 
punkte der vulgären Hausmoral, oder auf dem des freigei- 
stigen, lebensthätigen Genusses stehen bleiben, da Beides 
zur Philosophie wen^ Wahlverwandtschaft hat. Sie konn- 
ten also nur Bedeutung haben insofern sie die Opposition 
verstärkten, Fragen anregten, den» Boden lockerten. Die 
dritte Gruppe bilden die altern Hellenisten, wenn man die- 
jenigen so nennen darf, welche von den Hellenen, sei es um 
diese bekämpfen, geniefsen oder bekehren zu können, auf- 
gestachelt werden zu Vergleichung und Näherbringung des 
jüdischen und hellenischen Geistes. Die vierte Gruppe bil- 
den die Karaim (Karäer, Karaiten, d. h. die Anhänger des 
Bib^ltextes). Wer Lust hat, in die sechs Quartanten der 
von Rabe übersetzten Mischna, in die Folianten des jenisa- 
lemitischen und babylonischen Taldmud zu sehen, wird sich 



* - 117 - 

die-protestantisoh« iVii»$ion derHaraim erklären können. ' Die 
Einsichtigen mochten auch wohl fühlen, dafs Mischna und 
Talmud den Einflössen orientalischen und hellenischen Gei- 
stes nicht gewachsen waren. War doch der Umschwung 
der Ideen so machtig, dafs die atifönglich liberalen Haraim 
bald zu den Conservativen wurden, und die Reaction so bit- 
ter, dafs die fünfte Gruppe der Rabbaniten, welche den Tal- 
mud nur deuteten und nicht verwarfen, sich auch als Libe- 
rale verfolgen lassen mufsten, obgleich diese noch das ein- 
zige Bollwerk bildeten gegen die vorhergehenden, wie ge- 
gen die zwei letzten Gruppen der Arabisten und JVtöderni- 
sten, welche neue zeitgemäfse Auflagen der altern Helle- 
nisten waren. 

Ueber Geburtsstatte und Zeit der Kabbai a^ mit der 
wir es zunächst zu thun haben, giebt es nur Conjecturen; 
Die Bemerkung des Josephus (Jüd. Krieg IT. 8.), dafs die 
Essäer (der^n Namen man vom syrischen a s a y a, die Aerzte, 
ableitet, wozu die Benennung Therapeuten bei Philo stimmt) 
ein grofses Gewicht auf die Engel gelegt und eine Geheim- 
fehre gehabt, hat auf die Vermuthung geführt, dafs die jü- 
dische Secte der Essäer den Mutterschoofs der Kabbala ge- 
bildet, die auch für den Gnostizism wichtig gewesen. (Plefs* 
ner, jüdisch - mosaischer Religions- Unterricht S. 47; Jos. 
Sauer de Essenis et Therapeutis, Vratisl. 1B29; Grätz, Gno- 
stizism und Judenthum, Krotosch. 1846; dazu Jellineck im 
Leipz* Repert. 1846, Nr. 25; Munk, Palästina p. 5iS; Fran- 
kel in der Zeitschr. für die religiös. Interessen des Juden- 
thums 1846 S. 44i). In Ansehung der Zeit ist zwischen 
den zwei Theilen der Kabbala zu unterscheiden: dem Maa- 
seh bereschit, einer Schöpfungstheorie, und dem Masseh 
merkaboth, einem System der Theologie und Metaphysik, 
welches die Vision bei Ezechiel 1. 10. zum Ausgangspunkte 
nimmt. Frank (art. Kabbale im dictionnaire des sciences 
philos.) glaubt iiun, dafs sich beide allmählig seit dem 2ten 
Jahrhundert v. Chr. so ausgebildet hätten, wie wir sie in 
den zwei Büchern Sepher, Jezirah und Sohar vorfanden, 
nnd. dafs ^lehrere Hände die Schriften zusammengeziffert, 
obgleich man annehmen könne, dafs Simon ben Jocba'i und 
seine Schüler an dem Sohar hauptsächlich sich betheiligt. 



— 118 — t 

Er hat abo «eine frühere Ansieht (Habbal^^ Paris 1 843) be- 
reits modificirt. Und wer die nachfolgende Literatur nach- 
schlagt, wird die Schwierigkeit solcher Fragen leicht er- 
kennen. 

Das Bncli Jesirah erschien mit Ut. Uebers. v. Ritungelo ilmst. 
164?. 4. hebr. und deutsch r. Meyer^ Leipz. 1830.; das Bnch 
Sehar zu Sulzb. 1684 foL, lat. in Rosenroth Cabbala denud. 
t. II. Ueber die Kabbala handelten aufser Frank an den zwei 
Orten: Meyer, Blätter für höhere Wahrheit IV. S. ^145 Mo- 
litor, Philosophie der Gesch. Frank. 18^7; Tholuk, coinm. de 
de vi quam graeca philos. in theolog. tum Muhamniedanorum 
tum Judaeorum exercuerit p. IT. de ortu cabbalae Hamb. 1837; 
^ Freystadt, Kabbalismus et pantheismus, Regiom. 1832; Zunz, 
gottesdienstl. Vorträge der Juden S. I5t. 402; Jost, Geschichte 
der Juden III.; Fürst, Streitschrift über die Echtheit der So- 
har und d. Werth der Kabb. Leipz. 1840;' Adler in Noacks 
Jahrbüchern 1846, 3. H. S. 183. 4. H. S. 211. J. 1847 S. 175. 
385; Joe], die Religionsphilosophie des Sohar, Leipz. 1849. 

Die Wurzel der Kabbala mufs in dem Monotheism der 
Juden und in der steigenden Abneigung gegen den Anthro- 
pomorphismus des Haufens gesucht werden. Ihr Haupt- 
gesichtspunkt ist demnach die Schöpfungstheorie, die Frage: 
wie kommt der Transcendente zur Schöpfung und Imma- 
nenx? Die Antwort besteht in Einreihung von Mittel- 
gliedern, welche die Schöpfung, wie unsre Erkenntnifs Got- 
tes, wenn auch die letztere nur mangelhaft, möglich machen 
sollen. ,Wir lesen am Anfange des Sohar: „Da der Ver- 
borgenste von Allem sich offenbaren wollte, machte er zu- 
erst einen Punkt, welcher der Gedanke wurde, und bildete 
alle Formen und grub alle Schriften hinein, grub auch in" 
das heilige, verborgene Licht eine verborgene allerheiligste 
Gestalt, einen tiefen Bau, der vom Gedanken ausgeht und 
Wer »O genannt wird, den existirenden und nicht existiren- 
den Anfang des Baues bildet, der tief und verborgen ist 
und nicht mit Namen, sondern nur Wer genannt wird. Als 
er sich nun offenbaren und mit Namen genannt sein wollte, 
da hüllte er sich in ein kösliiches, leuchtendes Gewand und 
schuf dann das Dieses rhu. Das Dieses vereinigte sicli 
mit Wer und so ward der volle göttliche Name Dieses = 
Wer/^ Und in der Idra Suta Reifst es: „Der heilige Alte, 



- 119 - 

der Verborgenste von Allem, ist unterschieden von Allem 
und auch nicht unterschieden, da Alles mit ihm und er mit 
Allem y ereinigt, er Alles ist. Der Alte der Alten, der Ver- 
borgenste von Allem gestaltet sich und gestaltet sich auch 
wiedenim nicht; er gestaltet sich, um Alles zu erhalten, 
und gestaltet sich nicht, da er nicht da ist. Als er sich 
gestaltete, brachte er neun Lichtschimmer hervor, die von 
seiner Gestalt ausstrahlen. Diese Lichtschimmer strahlen 
aus und verbreiten sich nach allen Richtungen immer mehr, 
wie ein Licht, von welchem Lichtschimmer nach allen Sei- 
ten ausgehen. Wenn diese Lichtschimmer von uns näher 
betrachtet werden, sind sie nicht da, sondern das eine Licht 
allein. So ist es «uch mit dem heiligen Alten ; er ist das 
höhere Licht, der Verborgenste von Allem und nicht aufser 
den Lichtschimmern da, die ausstrahlen, sich offenbaren 
und wiederum verbergen. Diese Lichtschimmer werden der 
h« Name genannt. Darum ist auch Alles Eins/^ Vor der 
Weltschöpfung gab es, nach der Kabbala, kein Verhältnifs, 
in Beziehung auf welches Gott barmherzig, gnadig, gerecht 
hätte genanni werden können. Alle Attribute Gottes sind 
uneigentlich, relativ, passen eigentlich nur auf die Sefirot, 
welche bestimmtes Maas, Ausdehnung, Grenze haben« In 
diese Namen steigt Gott, regiert durch sie, wird nach ihnen 
genannt und verhüllt sich in dieselben* Die zehn Seiirot 
sind die Gestaltannahme Gottes, ihre Summe der himm- 
lische Mensch, ihr Kleid die Welt« Die Schöpfung des So- 
bar beginnt mit der ersten Sefira, der Krone, deib Keim 
zu Allem, einer geistigen Substanz, die sich in weitere 
neui^ entwickelt. Aus ihr fliefsen nemlich als zweite und 
dritte ein Weibliches und Männliches, die Weisheit und der 
Verstand. Diese drei werden mit dem Wissen, dem Wis- 
senden und dem Gewufsten parallelisirt. Aus dem Denken 
entspringen dann wieder zwei weitere Seiirot,^ die Gnade 
oder Barmherzigkeit und das Gericht oder die Strenge. Sie 
werden mit dem Willen parallelisirt, figürlich mit den Ar- 
men Gottes und erzeugen eine sechste, die Schönheit, wel- 
che mit der Brust, oder dem Herzen parallelisirt wird. Die 
siebente und achte, der l'riumph und die Glorie (Vermeh- 
rung, Kraft), werden mit dem Leben parallelisirt, und auch 



— 1*0 — 

ZdMiOt genannt, weil alle enlstehenden Kräfte aua ihnen 
fliefsen. Sie rereinigen sich zur neunteii, dem Grunde, 
dem zeugenden Element, aus und in das Alles geht. Die 
zehnte „das Reich^^ ist die Harmonie der andern. Jede Se- 
fira enthält übrigens zugleich die Prinzipien aller andern, 
nur dafs in jeder einzelnen ein eigenlhümliches Prinzip als 
überwiegend erscheint. Und da jede einzelne Sefira nur 
mit Hilfe aller übrigen wirksam ist, so wird ein Einwirken 
nur mittelst des Reiches möglich, in welcher die übrigen 
concentrirt sind. Die ersten drei sind auch als intelligente 
Welt, dje zweiten drei als fühlbare Welt, die dritten drei 
als natürliche Welt von den Kabbalisten zusammengefafst 
worden. Diese Welten sind nicht zu Yermengen mit den 
Welten andrer Sefirot Die genannten zehn Sefirot gehö- 
ren nemlich einer eignen Welt, der ersten, obersten an, zu 
welcher im weitern Verlaufe von den Kabbalisten noch drei 
andre Welten von immer niedrigerem, materiellerem We- 
sen gefügt wurden, um die Kluft zwischen Gott und der 
Welt auszuftillen: die Welt der Schöpfung, die Welt der 
Bildung und die Welt der Handlung. Die Sefirot der Azi- 
lut hüllen sich in die der Beria und diese iu die der Je- 
zira, diese endlich in die der Assia. Man sieht aus dem 
bereits Angeführten, dafs die Kabbala ein Aggregat von Fan- 
tasieen über ein acht speculatives Thema ist und mit den 
Emanationslehren vor und nach Christus parallel läuft. Dies 
ist auch in Ansehung des Bösen und der Materie der Fall. 
Die Ursubstanz entwickelt sich selbst; mit dieser Entwick- 
lungy diesem Weitergehen kommt der Abstand von Gott, die 
Materie, das Böse. Da sich aber Gott nicht zurückzieht, 
so werden die Schalen der untern Sefirot dem Kerne der 
obern weichen. Es taucht die. Apokatastase auf. Der 
Mensch, das Abbild alles dessen, was im Himmel oben und 
aur der Erde unten ist, wird wieder Eins mit der Ursub- 
stanz und mit ihm auch das Andre. 

Ueber die (^)ucllen dieser Lehi'c herrscht viel Streit. 
Frank, der aber viel Anfechtung von Adler, Joel etc. zu 
, leiden hat, kommt auf folgende Resultate. 

Die Kabbala ist k^ine NachbilduDg der Alexandriiiifiühcii Schuk, 
weil jene- zuvörderst älter als dic«e ist, und weil das Juden^ 



- 121 — 

tbum stets einen tiefen Abscheu imd pflanzliche Unwissenheit in 
Betreff der griechischen Bildung, selbst in dem Augenblicke 
hatte, da es der Kabbala den Rang einer göttlichen Offenba- 
rung einräumte. 

Die Kabbala kann nicht als das Werk Philo^s angesehen wer- 
den, obwohl die Lehren dieses philosophischen Theologen eine 
grolse Anzahl kabbalistischer Ideen in sich schliefsen. Philo 
konnte diese Ideen seinen in Palästina zurückgebliebenen Glau- 
bensgenossen nicht mittheilen, ohne sie zugleich ip die griechi- 
sche Philosophie einzuweihen. Er war, vermöge seines eigcn- 
thümliuhen Geistes, nicht im Stande, eine nene Lehre zu grün- 
den. Man wird ferner in den Denkmalen des Judenthnms 
schlechterdings nicht die geringsten Spuren seines Einflusses 
finden. Endlich sind die Philonischen Schriften jünger, als die 
Kabbalistischen Pjrincipien^ deren Anwendung sowohl als In- 
halt man in der Uebersetzung der Siebenzig, in den Sprüchen 
13en Sira^s und im Buche der Weisheit findet. 

Die Kabbala ist nicht aus dem Cbristenthume entlehnt, in- 
dem alle grofsen Principien, auf die sie gestützt jst, früher als 
die Erscheinung Christi sind. Die überrascheiltlen Aehnlich- 
keiten zwischen dieser Lehre* und den Glaubenslehren einiger 
Secten Persiens, die Verwandttchaft mit dem Zend - Avesta, wel- 
che sie in zahlreichen und seltsamen Punkten zeigt, die Spu- 
ren, welche die Zoroaster'sche Religion in allen Theilen des 
Judenthums zurückgelassen, der äufsere Verkehr, in dem die 
Hebräer mit ihrem alten Herrn seit der babylonischen Gefan- 
genschafl ununterbrochen gestanden, berechtigen zum Schlüsse, 
dafs die Materialien der Kabbala aus der Theologie der alten 
Parsen geschöpft worden sind. Dies Entlehnen thut aber der 
Originalität der Kabbala keinen Eintrag. Denn an die Stelle 
des Dualism in Gott und Natur hat sie die absolute Einheit 
von Ursache und Substanz gesetzt. Anstatt die Bildung der 
Wesen durch einen willkürlichen Act zweier feindlichen Machte 
zu erklären, stellt sie uns dieselben als die verschiedenen For- 
men, als die alhnähligfen und providentiellen Manifestationen der 
unendlichen Intelligenz dar. Endlich nehmen bei ihr die Ideen 
die Stelle der realisirten Personificationen ein und die Myiho- 
logie wird von der Metaphysik verdrängt." 

Der Eintlurs der Kabbala ist bekanntlich bei Reucbliti, 
Paracelsus, Picus, Postel, den beiden Helmont, Fiudd, Ma- 
rus u, A. sehr bedeutend gewesen. Und noch jetzt mahnt 
uns z. B. Senglers neueste« Werk aii die Kraft, welche diese 



122 — 

Lehre zu ikhen vermag. Unter den Juden hat sie eine 
Menge Commentatoren, besonders unter den Rabbaniten, 
gefunden, welche im Talmud eine Erinnerung an IMysterien 
und die Mercabah fanden. Jch erinnere an die Commen- 
tare zum Buche Jezirah von Saadja und Nachmani (c. L. 
Jezira, Mant, i562) etc. bis auf Jos, üecatilia (iZ^o). 

Parallel mit den ältesten Anfangen des Kabbalism läuft 
der ältere hellenistische Judaism, dessen Hauptplatz Alexan- 
dria war* Hier begegnen uns um 170 Aristobul, ein jüdi- 
scher Peripatetiker, der y^on grofsem Einflüsse auf Philon 
gewesen sein soll, und einige Jahrzehnte vor und nach Chri^ 
stus dieser letztere selbst. Von dem erstem ist uns wenig, 
von dem letztern aber Vieles erhalten. Beide sind Gegen- 
stand zahlreicher Schriften geworden. 

Valkenarii diatribe de Aristob. Lugd. B. 1806; Wolf, über Arist. 
in den literar. Analekten, Berl. I816 I. 1^4: Grossniann, quae- 
stiones Philoneae, Lips. 18*29; Id. de Philonis J. operuin cont. 
Serie Lips. 184l. 4; Theiie, Christus und Philo in Wincrs und 
Engelbardts Journal IX. S. 385; Scheffer, quacst, Philon, Marb. 
1829; Lücke, in Commentar au Johannes I. S, q49; Ed. Mur- 
alt, Untersuchungen über Philo 1840; J, G. Müller, Philo'« 
Buch von der WelUch'öpfung, Berl. 184 1 ; F. Keferstein, Phi- 
lo^s Lehre von den göttlich, Mittelwesen, Leipz. 1846; Bucher, 
Philon. Studien, Tüb. 1848. Ueber sie handeln aber auch 
die Werke von Gfrörer (Kritische Geschichte des Urchristen- 
thums, Stuttg. 1831), 'Dähne (Geschichtl, Darstellung der jü» 
disch-alexandrinischen Religionsphilos. Halle 1834; Einige Be* 
merknngen über die Schriften Philos in den theolog. Studiea 
1833 S. 984 f.). Dorner (die Lehre von der Person Christi I. 
S. 1\ f.}, ferner Georgi in Ulgens Zeitschr. B. IV, Creuzer in 
den theolog. Studien und Kritiken u. A. 

Philon ist einer der bedeutendsten Vertreter der zu 
seiner Zeit einreissenden Mischung verschiedener Systeme 
ohne genaues Verständnifs derselben, wie des subjectiv-pas> 
siven Wesens, Die Frage, welchem alten Systeme er noch 
am ehesten treu geblieben, entscheidet Ritter dahin, dafs er 
mehr Stoiker als Flatoniher gewesen. Stoiker ist er z, ß. 
in seiner kosmopolitischen Hicktmig. De mundi creat. I. 
sagt er: 1« votufm avi^og evdvg oviog noo/io/iokui^. Bei 



— 1-23 — 

der Frage iidcli den o!rIentali seh- jüdischen (Quellen Fhüons 
erinnert Franck S. 240 f. an die Seplua^inta, Jesus Sirach 
und das Buch der Weisheit, und Philon selbst weist aui 
alte Traditionen, auf mystische Bücher der Therapeuten (JJe 
vita Mos* I. ; De vita contemplativa). Daran erkennen wir 
ihn als Kind seiner Zeit, wie an seinem Lob der Essäer und 
ihrer blos ethischen, der Logik ungünstigen Richtung CP"o^ 
omnis prob. üb. 12.). Er möchte in seiner subjectiven Zeit- 
Richtung den Menschen ror Allem dazu bringen, in sich 
einzugehen, mit seiner Seele sich zu beschäftigen (De migr. 
Abr. 33. 55.). Aber diese Beschäftigung wird doch auch 
wieder herabgedrückt. Er hebt das Subject im Gegensatze 
zum Object, zur Weillage, empor, giebt es aber schnell 
wieder auf, um bei der Ergebung und Inspiration, der 
Selbstrernichtung anzulangen. Seine Philosophie hat ein 
leidendes Wesen (De mund. opif. p, 2.) und ihr Prinzip 
nicht in sich, sondern in allegorisirten Bibelstellen« Die 
Tugend wird nicht durch des Menschen Natur begründet 
sondern durch eine von Gott eingehauchte Natur, ein Ge- 
schenk Gattes, und die höchste Tugend ist der Glaube» Die 
Frömmigkeit und der Glauben sind auch die Mittel zur Er- 
kenntnifs des Göttlichen. Die Folge hievon ist, dafs der 
Mensch nicht durch eigne Kraft erkennt und tugendhaft ist, 
sondern durch Offenbarung« Der Mensch sieht Gott nicht, 
sondern Gott offenbart sich dem Menschen« Es spricht sich 
in solchen Ansichten ohne Zweifel das Gefühl zaghafter "Zer- 
fallenheit mit der Welt und dem Menschen aus. Und hier- 
in hat auch die vielbesprochene Logoslehre ihre Wurzel, 
welche von Semisch „die unmittelbare Vorhalle des christ- 
lichen Logosbegriffs" genannt wird (Just. II. 267)« Je klei- 
ner die Welt, um so grofser mufs Gott und der Abstand 
und Gegensatz beider erscheinen. Um nun Gott nicht iu 
Berührung* mit der Materie zu bringen, werden Mittelglie- 
der aufgesucht, welche bei und nach der Schöpfung thätig 
sind, Gott -gebraucht den Logos, das Wort, als Werkzeug 
bei der Schöpfung. Dieser Gott erscheint ihm als der erst- 
geborne Sohn Gottes, der erstgeborne Erzengel, der viel- 
namjge Erzengel, der Gott der unvoUkommnen Dinge, als 
Wissenschaft, Ebenbild und Weisheit des Vaters, als Mutter 



— 124 — 

der Welt (vgl, Ritter IV. S. 418 f.). Lieber die Hyposlasi- 
rung dieses Logos sind die Ansichten getbeilt. Reinhold 
2, B. (Gesch« d. Ph. I. 299) glaubt, die Benennungen de» 
Logos, seien bei Philo blos sinnbildlich, während Andre, 
^it Bezugnahme auf Alleg. IIL 93 ; De somno I. 584 seq.; 
Quis rer. dirin« haer. 809, sich, für die Hypostase erkläre». 

Schon die Art, wie Saadja diese Logoslehre behan- 
delt (Emunot S. 73. ]54) zeigt uns, dafs wir niil diesem 
Rabbaniten in ein ganz andres Zeitalter, unter eine andre 
Klasse von Denkern treten, denn er ist fern von aller My- 
thologie, er erblickt in Spr. 8, 22. nur die Aussage, dafs 
Gott die Dinge wohl geordnet, weise geschaflen, keineswegs 
aber, dafs Gott die Dinge durch die Weisheit, wie durch 
ein von ihm verschiedenes Gefafs, geschaffen habe. Die 
arabiscfie Theologie liegt ihm weit näher, als jenem der 
Stbizism. Die Gewalt des Platonism und Neuplatonism ist 
überwunden. Die Rategorieen und die Metaphysik des Ari- 
stoteles wollen stärker hervorbrechen. Säädja Gaon Ben 
Joseph soll 892 in Fajoum in Aegypten geboren worden, 
927 Lehrer der Akademie zu Sora bei Babylon gewesen, 
wegen seiner Ansichten von den rechtgläubigen Juden zur 
Flucht genöthigt worden sein, in deif Einsamkeit mehrere 
Schriften abgefafst haben und 942 zu Sora am Euphrat ge- 
storben sein. Unter seinen Schriften soll hier sein Emunot 
We-Deot (Sepher Haamunot, Const. i546, deutsch von 
Fürst, Leipz. i845) zur Sprache kommen, dessen Abfassung 
auf das Jahr 903 fallen soll. 

Seinen Zweck bezeichnet Saadja (S. 37) in folgenden 
Worten: „Wir forschen und philosophiren erstens um uns 
von dem zu überzeugen, was wir an Glaubenserkenntnifs 
durch die Propheten erhalten; zweitens um jedem Angrifie 
auf irgend einen Gegenstand unserer Religio4i begegnen 
zu können. 

Das Werk der Philosophie besteht abei^ darin (S. i.), 
die Existenz des Geistes zur überzeugenden Wahrheit zu 
bringen, den Menschen die sinnliehen Wahrnehmungen or- 
dentlich jnne werden, sich selbst wahrhaft begreifen zu 
lassen^ ' 



— r25 — 

Die Speculatioii^ durch welche die Irrlhümer und der 
Zweifclgeist welchen, die Beweise hell und lauter werden^ 
rerdankt man Oott (S. i.)« 

lieber die- Queilen des Zweifels spricht sich Saadja 
S. 5 f. aus. ,,Die Erkenntnisse der Vernunft im Allgemei- 
nen entstehen auf dem Grunde der sinnlichen Anschauun- 
gen. Alles, was erst durch die Sinne vermittelt wird, kann 
aus doppelteiUi Grunde ungewifs und zweifelhaft werden: 
entweder dadurch, dafs der Untersuchende nur eine be- 
schränkte Einsicht von seinem Unlersuchungs- Gegenstande 
hat, oder auch dadurch, dafs er die Forschung zu leicht- 
fertig niipmt und die tiefe Speculation und -das beharrliche 
Denken scheuet. Entweder kennt derjenige, welcher di6 
Vernunfterkenntnifs sucht, die noth wendigen Arten der Ar- 
gumentation gar nicht, so dafs er das Unerwiesene als er- 
wiesen und eben so umgekehrt ansieht, oder er hat zwar 
eine richtige Kenntnifs von dem nothwendig folgemäfsigen 
Gange der Forschung, allein er nimmt es zu leichtfertig 
und macht die Schlufsfolgerung über sein Thema zu über- 
eilt. Auf sie pafst Psalm 82. 5. In noch gröfserem IViafse 
. ist dies der Fall, wenn -zu den erwähnten zwei Fehlern noch 
ein 'dritter hinzukommt, nämlich, dafs der Untersuchungs- 
ansteller gar nicht weifs, was er sucht, da er zufällig der 
Wahrheit begegnen kann, ohne zu wissen, dafs sie es ist." 

Saadja macht sich auch den Einwurf: worin liegt die 
Allweisheit Gottes, wenn er den Irrthum und den Zweifei 
unter seine Geschöpfe geschleudert? Darauf giebt er (S« 
11 f.) folgende Antwort. „Den Geschöpfen als solchen ist 
der Zweifel imd Irrthum etwas Nothwendiges. Denn zu je- 
der That derselben in der Welt bedürfen sie eines gewis* 
sen Zeitmafses, innerhalb dessen die Thätigkeit alimählig, 
Theil nach Theil, vollendet wird, und da die Erkenntnifa 
ebenfalls eine endliche Thätigkeit ist, so kann sie natürlich 
auch nur alimählig, Theil nach Theil, innerhalb eines Zeit- 
mafses entstehen« Der Beginn des Wissens von einer Sache 
ist ein Aufnehmen verschiedener noch ungeläuterter Wahr- 
nehmungen, welche durch die Firaft des Verstandes erst 
nach einer verronnenen Zeit, nachdem die Zweifel besiegt 



— 126 — 

nni sie kerne Tiübung durch das IrrthümJiche mehr erfah- 
ren, zu einem Ganzen sich einigen und verbinden. Wie 
jedes mechanische Werh aus gewissen Theilen besteht und 
bei der unterbrochenen Allniähligkeit des Werdens erst nach 
der Vollendung als rollendet betrachtet werden kann (z. B. 
das Siien, Bauen, Weben), so ist es auch mit dem Werke 
des Erkennens. Auch dies mufs von vorn anfangen, von 
Glied zu Glied, von Theil zu Theil fortschreiten, bis es 
vollendet ist; und wenn wir uns den Irrthum, z. ß. beim 
Beginne unter der Zahl zehn, vorstellen, so denken wir uns 
bei jedem Fortschritte die Minderung, dieser Zahl, da mit 
jeder Steigerung der Einsicht und der Forschung die Zwei- 
fel und irrlhümer abnehmen, bis zuletzt Alles zu einem 
Ganzen, dem Gesuchten, sich innig verknüpft und es ohne 
Zweifel tind ohne Irrthum in seiner Ganzheit dasteht. Der 
Unwissende und der der Forschung Ueberdrüssige soll Spal- 
tung und Irrung nicht Gott beimessen, der allgülig ist, da 
der Zweifel nur in des Menschen Unwissenheit, oder in sei- 
nem Ueberdrusse und in seiner Nachlässigkeit zu suchen ist. 
Er kann keine einzige That mit einem Male vollbringen und 
mit einem Male alles Schwankende verbannen, weil dies die 
Natur eines Geschaffenen überschreiten würde. Wer seine 
mangelhafte Erkenntnifs daher nicht in sich selbst sucht, 
wer den Wunsch äufsert, dafs Gott ihm eine Erkenntnifs zu- 
theilen möge, in der nichts ungewifs, der gleicht Einem, 
der da Gott bittet, er sollte ihn sich gleich machen. ^^ 

Die Erscheinung, dafs so viele Menschen der Religioni- 
philosophie fremd bleiben, sucht sich Saadja (S. ^ f.) aus 
sieben Ursachen zu erklären: i) aus der Scheu vor An- 
strengung; 2) aus dem Leichtsinne; 3) aus der Vorliebe 
für sinnliche Genüsse: 4) ^^s dem Widerwillen gegen phi- 
losophisches Forschen und aus dem seltenen Aufgelegtsein 
zum Denken; 5) aus Frechheit und Stolz, welche viele Men- 
schen so beherrschen, dafs sie nicht eingestehen, es gebe 
eine Weisheit, die sie nicht gewufst, oder eine Erkenntnifs, 
bei der sie in Dienst zu stehen haben : 6) daraus, däfs Man- 
cher ein Wort des Zweifels hdrt, das im Herzen bleibt; 
7) daraus, dafs Mancher vielleicht einmal einen schwachen 
Beweis gehört hat und nun glaubt, aHe Beweise seien so ; 



— 127 — 

8) aus der Abneigung gegen einige Bekenner des Mono« 
iheism. 

Erkenntnifsqueilen kennt Soadja (S. 21 f.) vier. „Es 
wird, sagt er, Qtwas für wahr gehalten nach drei Erkennt- 
nifsweisen : erstens nach einem Erkennen des Sichtbaren, 
d. h. nach einem sinnlichen Begreifen; zweitens nach einem 
Begreifen der Vernunft; und drittens nach einem erst ge- 
folgerten Begreifen, wozu eine gewisse Nöthigung antreibt. 
Das Erkennen durch die Sichtbariichheit ist dasjenige, was 
der Mensch durch die Unmittelbarkeit der fünf Sinne, durch 
das Gesicht, Gehör, durch den Geruch-, Fass- und Ge- 
schmacksinn begreift. Die Erkenntnifs durch die Vernunft 
ist diejenige, welche in der urthümlichen Anschauung des 
Verstandes gewonnen wird, z. B. dafs die Tugend gut und 
die Lüg:e verächtlich ist. Die Erkenntnifs der Nöthitjunff 
ist eine solche, die der Mensch annehmen mufs, wenn er 
nicht das durch die Sinne oder durch die Vernunft Begrif- 
fene zurückweisen will; und da diese urthümlichen Erkennt- 
nisse nicht zurückzuweisen sind, so ist auch eine ^'öthigung 
zu der ai;s ihnen gefolgerten Erkenntnifs vorhanden, z. B. 
dafs der Mensch eine Seele habe. Mit diesen drei Arten 
verbindet die monotheistische Gemeinde noch eine vierte aus 
den drei übrigen gezogene und zur fundamentalen Erkennt- 
nifs erhobene, die wahrheilliche Ueberlieferung.^- 

Zur Prüfung der Erkenntnifs stellt Saadja (S. 54) sie- 
ben Regeln auf. „Wir haben uns zu hüten, sagt er,^ dafs 
nicht auch durch ein anderes Ergebnifs die Richtigkeit der 
sinnlichen Wahrnehmung zu erweisen ist; dafs die sich als 
wahr ergebende Erkenntnifs nicht auch auf anderem Wege 
am gewinnen i^t; dafs die nothwendig sich ergebende Er- 
kenntnifs nicht eine andre bekannte Wahrheit umfafst; dafs 
diese Erkenntnifs nicht theilweise eine andre Wahrheit auf- 
hebt; und endlich, dafs die sich ergebende Erivenntnifs nicht 
noch schlimmer ist, als die gar nicht gehabte. Diese Ver- 
wahrung kann aber erst dann geschehen, wenn wir die 
Wahcnefamungen der Sinne und des Verstandes sehr gut 
geübt haben, und wenn man bei der Gewinnung der Er- 
kenntnifs im Forschen bis zur Vollendung des Erkennens 
ohne Uebereilung wartet, so dafa wir nun stieben Dinge zu 



— 128 — 

beobachlen habeif, irenti wir wahrhaft ein Ergebnilb erken- 
nen wollen." 

Unter dem Glauben, um den sich bei Saadja Alles dreht, 
versteht er (S. 17 f.) das Innewerden eines bewufsten und 
erkannten Gegenstandes, je nach der Geslimmtheit de^ Glau« 
bendeu zu dem Geglaubten. Denn so die Milchschotten der 
Forschung gewonnen sind, empfangt sie die Vernunft^ um sie 
zum Käsen zu bringen und dem Herzen zuzuführen, in wel- 
chem sie dann als Glauben wohnen. Der Mensch ist daher 
in den gewufsten Gegenständen nur in so weit ein Gläubi- 
ger, als ihm durch die Vernunft geboten wird, was aber^ 
zu gewissen Zeiten wieder ihm verhüllt wird (Spr. 10. 14. 
Job 22. 22.). Der Glaube kann aber entweder ein wahrer, 
oder ein falscher sein; ein wahrer, wenn der Mensch die 
Innewerdung einer Sache erlangt, wie sie in der That ist, 
z. B. des Vielen als viel, des Wenigen als wenig etc.; ein 
falscher hingegen, so das Gewufste dem wahrhaft Wirk- 
lichen widerspricht. 

» 

Ueber seine Stellung zum Volksglauben spricht sich 
Saadja an mehreren Stellen aus. „Die wahrhafte Forschung, 
sagt er (S. 36 f.), kann uns nicht versagt sein (Job 40. 21; 
34. 4.). Aber das hat Gott uns freilich untersagt, die Bü- 
cher der Propheten beiseit zu lassen und blos sich darauf 
zu stützen, was man durch die Speculation erlangt, nament^ 
lieh was man über den Anfang des Raumes und der Zeit 
herausbringt. Denn Jeder, der die Wahrheiten nur auf dem 
Wege der Speculation annehmen will, mufs voraussetzen^ 
dafs er entweder die Wahrheiten findet, odf^r dafs er im 
Nichtfinden sich verirrt; und nicht nur, wenn er sie nicbt 
findet, sondern weiin er sie sj^gar findet, ist er doch, bis er 
sie gefunden, ohne Glaubenswahrheit; und hat er durch die 
Speculation 4ie Glaubenswahrheil auch erlangt, so ist er 
doch nicht sicher, dafs sie ihm nicht wieder entrückt wird, 
wenn ein Zweifel in der geroachten Forschung in ihm ent- 
steht, so dafs er wieder die Glaubenswahrheit verliert. }xl 
diesem Betracht stimmen wir allerdings mit der vulgären 
Ansicht überein, dafs der ao verfahrende Philosoph eine 
Versündigung begeht. Gott wufste in seiner Weisheit, dafs 

die 



— IM — 

die durch die phtlosophisehe Forschung zu gewinnenden 
Erkenntnisse erst nach einer gewissen Zeit erlangt werden 
können. Wchn er uns in der Erkenntnifs unserer Religion 
blos ailf diese Forschung verwiesen, so fehlte sie uns eine 
Zeit lang, nämlich so lange das Werk der Speculation gar 
nicht zur Vollendung gelangt, sei es, dafs wir uns nicht 
durchzuarbeiten vermögen, oder dafs Wir die Ausdauer bis 
zur Vollendung aus Uebcrdrufs oder aus Obsiegung der 
Zweifel entbehren. Vor aller dieser Mühe hat uns Gott 
zuvorkommend bewahrt« Er sandte uns seine Sendboten^ 
verkündete uns in eihfcr Ueberlieferung die Erkenntnisse 
und liefs uns die Zeichen zu deren Bestätigung (Exod. 20. 
22.)» Mit den Propheten, bemerkt Saadja (S* 906), hat Gott 
den Menscheh einen hochwichtigen Dienst geleistet^ und 
zwar nicht blos der kategorischen Gesetze Wfcgeii, deren 
Kenntnifs ihnen alli^in verdankt wird, sonderii selbst in Be- 
sang auf die rationellen Gesetze, da die Uebung derselben 
nur durch Einschärfung der Prophetie, Welche die Metischen 
dabei fesselte und sie dai*in anleitete, erst vollkommen mög- 
lich wurde. (Wer erinneit sich hier nicht an Lessing?) 
Unsere Vernunft lehrt uns zwar, dafs wir Gott für seine Güte^ 
billiger Weise danken sollen, aber sie giebt uns für unsere 
Erkenntlichkeit keine bestimmte Umgrenzung, weder über 
die Dankerklärung, noch über Zeit und Weise der Dank-«', 
spende, und die Schriftoffenbarung war daher nöthig, um 
das Umständliche zu lehren und die Erkenntlichkeit als Ge» 
bet zu fixiren« Siä bestimmte die Zeiten^ prägte gewisse 
Sätze und gab die besondere Weise und den genauen Zweck 
an etc. _ Es giebt Leute^ sÄgt er (S. 247)^ i^elche schon 
deishalb nicht lange an der heil« Schrift festhalten Wollen^ 
weil für die gesetzlichen Vorschriften keine Gründe und 
Deutungen beigegeben sind. Wir liaben aber in entgeg- 
nen, dafs die Vorschriften des Gesetzes fiii^ uns nicht isolirt 
dastehen, da wir für dieselben nock zwei Beziehungen ha^ 
bcn* Die eine ist die Quelle Unserer Vernunft, die den Gc-« 
setaen vorangeht; die andere der Strom der Ueberlieferung^ 
welche dem Gesetze erläuternd nnd ergänzend folgt» Diese 
zyrei ergänzen quantitativ und qualitativ die gesetzlichen 
Vorachriften* 

Oumposch, t)r. V. ^., Ocsdblchte ^ Philosophie. 9 



— 130 — 

Dat Werk, welch«^ S«a<l)a nach diesen leiteiadefi Orund- 
•äUen abfafste, terfallt in lo Abschnitte (S. 48): 1) dafs 
die Weh «itd Alles, was sie enthält, einen Anfang habe; 
!») dafs der Schöpfer der Dinge mir ein Einziger sei; 3> dafs 
von diesem Verheifsungen und Lehren gekommen; 4) über 
Glaube und Unglaube, Nöthigung und göttliche Gerechtig« 
keit; 5) über Schuld und Verdienst; 6) über das Wesen 
der Seele und ihre Schicksale, über Tod und Unsterblich- 
keit; 7) über Belebung der Todten; 8) über die letzte Er* 
lösung Israels und den Messias; 9) über zukünftige Beloh- 
nung Kind Bestrafung; 10) was der Mensch zu thun hat. 

In jedem Abschnitte fangt Saadja mft Schriftbeweisen 
an, fahrt mit Befestigung durch den Vernunftbeweis fort 
und wagt endlich das Pur und Wider ab. 

Es können hier aus dem mit vieler speculattren Leich- 
tigkeit, Klarheit und Gewandtheit zusammengestellten Buche 
nur einige Punkte ausgehoben werden« 

Für dfl^ Geschaffensein der Welt bringt er rier Be^ 
weise* Einen aus der Endlichkeit und Begrenzung geschöpf- 
ten, insofern beide auf eine begrenzte, somit n>öglicher 
Weise aufhörende und anfangende Kraft schliefsen las- 
sen« Einen zweiten aus der Zusammenfassung der Theile 
und Zusammensetzung aus Einzelnheiten ; einen dritten 
aus den Accrdenzien der Körper; und endlich einen rief- 
ten aus der Zeitlichkeit, insofern das Werden innerhalb der 
Grenze der Zeit rorgeht, mit der Zeit verwachsen ist 
(S. 53 f.). 

Dafür, dafs die Welt durch ein Andres geschaffen wor- 
den, hat er drei Beweise (S. 63 f.). Erstens, sagt er, ruft 
jeder Körpei", den' wir aus der Masse der Wesen heraus- - 
heben und für durch sich selbst geworden halten, in un« 
aothwendig die Ueberzeugung herror, dafs er ckirch ein 
Wiederholen seiner Schöpfungsthätigkeit in ähnlicher Weise 
nach seinem Gewordensein kräftiger und stärker werden 
mufs. Hat sich ein sokher Körper selbst geschaffen und 
ist er nach dem Geschaffienseia noch unroUkommen und 
schwach, so braucht er ja nur die Seböplungsthätigkeit zn 
wiederholen, um Tollkommen und kräftiger zu sein. Kann 



— 131 — 

er aber dtese Selbstschöpfung nicht wiederholen, gelbst wenn 
er schon ToUkommen und stark ist, so ist er doch höchst 
unrollkoninien, da er keine thätige Schöpfungskraft mehr 
hat. Zweitens widerspricht der Vorstellung, dafs ein Ding 
sich selbst geschaflfen, die Zweitheilung in Vei^ngenheit 
und Zukunft. Denn nehmen wir an, dafs es sich ror sei- 
nem Erscheinen als Ding selbst geschaflfen, so widerspricht 
dies unserer Erkenntnifs, da es rorher ein Nichtding War 
und ein absolutes Nichtsein keine Schöpfungskraft haben 
kann. Nehmen wir aber an, dafs es sich geschaffen, nach- 
dem es bereits war, so war ja das Selbstschaffen überflüssig, 
da dessen Sein schon war. Einen dritten Zeittheil zur Selbst- 
Schöpfung giebt es nicht aufser dem gegenwärtigen Moment, 
aber diese unwirkliche kann keine SchöpfnngsthStigkeit er- 
klären. Drittens ist die Annahme, dafs ein Körper sich 
sebst schaffen kann, nicht eher möglich, als bis wir voraus- 
gesetzt haben, dafs er auch die Macht habe, nach eigner Be«- 
Stimmung die Selbstschöpfung zu unterlassen, da er doch 
in sich die Bestimmung des Seins tragen soll. Und setzen 
wir dies voraus, so haben wir in dem Körper den Wider- 
spruch ron Sein und Nichtsein, da das Können schon ein 
Sein ist. Verbinden wir damit, dafs er sich nicht selbst 
schaff^ so heifst es, dafs er nicht ist. Verbinden wir aber 
in einem Gegenstande einen solchen Widerspruch rOn Sein 
und Nichtsein, so ist es offenbar ein entschiedeir unwahres 
Verfahren. 

Gegen die Ansicht, dafs die Welt aus etwas geschaffen 
worden, fWirt er an, dafs man bei der Behauptung, die 
Dinge seien geworden, nothwendig verstehe, die geschaffen 
nen Körper hätten angefangen, d. h. vorher sei nichts ge- 
wesen. Sollten diese aus etwas geschafien sein, so müsse 
der Stoff das Ewige sein und dann wären die Dinge nicht 
geschaffen und hätten nicht angefangen. Die Annahme einer 
Schöpfung habe also nur Sinn, wenn man die Schöpfung 
aus Nichts annehme (8. 64 f.). Auf die Frage, was, wenn 
man an den Raum denke, früher an der Stelle der Welt ge- 
wesen, entgegnete er (ß. 121), das wahre Wesen des Rau- 
mes sei nicht daSs einen Körper Umgebende und Umschlie- 
fsende, sondern das Nebeneinandersein der sinnlich- wahr- 

9* 



nehmbaren Dinge, weil wir alle» »innliich Wahrnehmbare 
uns als mannig^tallig neben einander vorslelUen. Die Vor- 
stellung des Nebeneinanderseins der Körper sei der Raum. 
Die Erde in ihrer Kreisform sei also räumlich in ihren Thei- 
len zu einander zu denken, und wenn man von ihr oder 
von einem andern Körper abstrahire, d. h. sie in Gedanken 
vernichte, so könne man von Raum gar nicht sprechen, da 
nur» da das Räumliche sei und als nothwendige Form er-^ 
scheine, wo etwas sinnlich Wahrnehmbares sei. 

Auf die Frage, wie man die Zeit, bevor (die Dinge ge- 
schaffen worden, so ganz von allem Sein cntblöst denke, da 
doch die Zeit gewesen, antwortet er (S« 121]) parallel, dafs 
die Zeit nicht etwas aufserhalb der Bewegung (n^^^ einan- 
der) sei^ dafs die Welt von ihr^ aber sie nicht von der Welt 
begrenzt werde. Die Zeit sei nur das Fortdauern der ge- 
schaffenen Dinge in einer sich gleichmäfsigen fortbewegen- 
den Weise, die Vorstellung des sinnlich Wahrnehmbaren als 
eines mannigfaltig nach einander sich Fortbewegenden. 
Wenn aber kein wahrnehmbares Wesen gedacht werde, so 
rerschwinde natürlich das Bild der Zeitlichkeit ganz und 
gar. 

Bei der Untersuchung der Eigenschaften Gottes läfst 
er die gewöhnlichen Merkmale nicht gelten« Gott kana 
nicht ganz erfafst werden, weder vom Gesichtspunkte des 
erkennencj^n Menschen, dessen Erkenntnifs und Kräfte end- 
lich sind, noch vom Gesichtspunkte des Erkannten, da das 
Unendliche und nicht Abzuschliefsende vom Menschen un- 
möglich erfafst werden kann, noch endlich vom Gesichts- 
punkte der Wurzel der Erkenntnisse, der sinnlichen end- 
lichen Wahrnehmung (S. i34)» 

In Ansehung der Gebote unterscheidet er z^vischen ra- 
tionellen und positiven (jüdischen) Geboten. Die zweite 
Klasse, sagt er (S. 198)^ enthält solche, bei welchen unsere 
Vernunft weder Vortrefilichkeit noch Unwürdigkeit an sich 
von vorn herein entscheiden kann« Gott scheint sie uns 
als Satzung und Vermahnung gegeben zu haben, um Lohn 
und Glückseligkeit zu meliren. Bei genauer Vernunft-Be- 
trachtung mufs sich auch theilweise Zweckmäfsigkeit dieser 
Klasse ron Geboten (der Sabbathruhe, der Ccremonalien, der 



&hegrade etc.) herausstellen. Gegen die Ansicht, dafs ver- 
nünftiger Weise nur das verboten sei, was Leid und Kum- 
mer mt^che, gut und erlaubt aber das Angenehme, macht 
er auf den Dualism aufmerksam« Das Tödten eines Fein- 
des, sagt er (S« ^oo)^ ist dem Tödtenden angenehm,* aber 
für den Uetödteten doch als Leid zu betrachten, ^ben so 
das Vergreifen am Eigei^thum, der Ehebruch etc. Wir er- 
blicken also nach der Ansicht Jei^er in jeder dieser Hand- 
lungen zugleich Vernunft und Unvernunft, Vernunft inso- 
fern- dieae Handlungen angenehqi, Unvernunft insofern sie 
das Gegentheil sind. Eine Ansicht ^er, die Gegensätze 
und Widersprüche in sich fafst, kann nur unwahr sein. 

Jm 4. Abschnitte (S* 265> dehnt er die Th&ligkeit auch 
auf das Unterlassen aus und kämpft (S. 267 f.) aus allen 
Kräften für die menschliche Freiheit* Wenn Gatt die Dinge 
^u schaffen unterläfst, sagt er, sq ist^ es keine Thätigkeit, 
weil mit dem Nichtschaffen der Körper nicht der Gegensatz 
der Körper wird. Beim Menschen dagegen, dessen Thätig- 
keit sich nur auf die Accidenzien der Dinge erstreckt, ent- 
steht durch das Unterlassen einer Sache sogleich ein an- 
dres, oft entgegengesetztes Accidehs. Aus Unterlassung der 
Liebe wird Hafs, aus NichtwohlwoHen wird Zorn, ohne fast 

* eine Mittelstufe herbeizuführen, so dafs das Unterlassen eben- 
falls als Thätigkeit zu betrachten ist. Die Freiheit sucht 
Saadja zu vertheidigen, indem er es unsinnig nennt, eine 
Thätigkeit zwei kausalen Thätern zuzuschreiben, oder, bei 
entgegengesetzter Annahme, noch weiter von Abmahnung, 
Gebot, Straffe zu reden etc* Das, was uns als unmöglich er- 

' scheint, dafs der Allweise in seinem Bereiche etwas dulden 
sollte, das ihm mifsFäHt, hat er nur im Bereiche des Men- 
schen gelassen, das ihn gar n,icht eigentlich berührt. Die 
Allwissenheit Gottes zwingt zu nichts, denn das Wissen Got- 
tes von den Dingen ist nicht zugleich Ursache ihres Seins, 
sondern das Wissen von dem Werden des menschlichen 
Thuns, durch den Gedanken, der die Freiheit bestimmt, ohne 
von dem Mafse der Zeit abhängig zu sein. Der Tod, der 
Verlust des Vermögehs, kann göttliches Verhängnifs sein, 
aber die Art ist allezeit freies Werk des Bösen. Gott ist 
nicht Vci^anlässer des Unglaubens, denn mit dem von Gott 



- 1»4 — 

dem Mensehen reiUehenen Verslaade ist daf Lügenhiiftt 
nicht vereinbar, mithin auch nicht nothwendig eic« 

Die Seek ist fär Saadja ron unsichtbarer, fithei^ithn- 
lieber Natur (S. 366), etirus Geschaffenes, die Vollendung 
der menschlichen Gestalt <S. 34i); hat ihren Ursprung im 
Herzen (ß. 33i). Er k&mpft gegen die Ansicl^ dafs die 
Seele ein Aecidens sei, denn ron accidentellen Dingen könne 
^eine solche Weisheit ausgehen, und diesen können nicht 
wieder Accidensen zukommen, wie der Seele, welche weise, 
thöricht, lauter, befleckt etc. genannt wird etc. Er hak (S, 
542 f.) Körper und Seele auseinander, weü die Weisheit der 
letztern im ersten nicht zu finden sei, und nicht aus dem 
ersten geschöpft haben könne. Bewähre es «ich doch in 
der Erfahrung, dafs der Blinde zuweilen in seinem *f räume, 
sich sehend glaube. 

Saadja hält nicht nur an der Unsterblichkeit fest, son- 
dern sucht auch die Auferstehung zu v^ertheidigen«, „Fragt 
uns Jemand, sagt er S. 385, wie soll der ron wilden Thie- 
ren zerrissene und verzehrte, oder der schon in andere Kör- 
per entschieden verwandelte neubelebt werden, so müssen 
wir entgegnen, dafs kein geschaffener Körper einen andern 
Körper ganz und gar vernichten und aufheben kann. Wenn 
das Feuer auch einen verzehrt, so ist er nicht ganz vernich- 
tet, da es ihn nun einmal nicht zu einem Nichts machen 
kann. Ein geschaffener Körper vermag höchstens blos die 
körperlichen Theite auseinander zu lösen. Der Unterschied 
ist nur, dafs bei dem aufgezehrten nichtmenschlichcn Wesen 
die elementaren, von der Luft aufgelösten Theile sich mit 
den Urelementen vermischen, während die des aufgezehrten 
Menschen unvermischt mit den urthümlichen Elementen blei- 
ben, um für die Zeit der Auferstehung bewahrt zu bleiben 
(S. 385). 

Ueber Saadja bandelten in neuerer Zeit: Munek (Notice sur R. 
S. G. Paris 1838), JoH (Annal. 183P S. 12)y Zun» (Geigers 
Zeitscbr. 1839 IV.), Ewald (Beiträge zur Gescb. der altern Aui- 
leg. Stuttg. ISAU II. S. S). 

In Saadjas Fufsstapfen trat der Rabbanit Juda Haliari 
aus Andalusien, der um ii4o sein Sepher Haehoaari, libtr 



— 135 — 

Com, tcbiieb^ und ij55 gestorben fem soH. Er igt wie 
Saadja ein Verehrer des Buches Jezirah, ein Polemiker ge- 
gen Christen und Türken und Philosophen. Er i&fet in 
dem genannten Werke, einem Dialoge, den König der Co- 
saräer, diireh einen Juden bekeiiren, nachdem sich «in Phi- 
losoph, ein christlicher und ein mohammedanisdier Theolog 
rergeblich bemuht haben. Er ist gegen die Hinlängtieh- 
fceit der Vernunft, fordert Glauben und frommes beschau- 
liches Leben, ^wodurch wir zum Prophetenthum nnd »ir 
Erkenntnifs der geoflfenbarten Wahrheiten gelangten« Er 
legt den Ceremonieen so viel möglich einen tie&ra Sinn 
unter etc* 

Eine neue Ausgabe des Über Cosri it. epist. S. 0has4fli ben Isaae 
ad Reglern Alchaaat et Regis ad eam veranstaltete Metz, Hamb. 
1838. Ihm folgten die Ausg. des Buches Kusari r. JBre^hsr, 
Prag 1839, und die v. Jolowicz und Cassel, Leipz. ^64l* 

Um dieselbe Zeit lebte auch Aben Esra, oder Abraham 
Ben Meier aus Toledo, der zwischen 1093. und 4119 gebo- 
ren und zwischen 1174 nnd 1194 gestorben seyn soll, "£r 
schrieb eine Vertheidigung Saadja's gegen Dunasch Ben lii- 
brat (Sephat Jether h. v, Lippmann, Frankf. i845), eine 
Schrift über den Namen Gottes (Sepher Haschern h. r. Lipp- 
mann, Frankf. i834) u. A. 

i)eber an handelten Luzzato u, Rappaport im Kerem Cbemtd 

t.iy. p. 135. 134. Krahfloer in lUgeni Zeitschr..f. histor. Tbeo- 

iQg. N. F, St. IL 

Von .hier fährt uns ^r Veriauf der Zeit auf <Ke Af<- 
stoteliker und Arabisten in Spanien. Sie erschiene« mit der 
Emancipation der spanischen Juden Ton der Autorität der 
babylonischen Akademie zu Sora und mit dem Aufblühen 
der Schule zu Cordana unter Abd-al-Rahman III. und ed- 
Hakem II. 

In der Mitte des «1. Jahrhunderts erscheint Jbn^Gt- 
birol von Malaga, den Munck, <Literaturbl. des Orients 
1846 Nr. 46, und im art. Juif« im dictionnaire des soienees 
phik)S.) als Verfasser des Mekor Hayyim, oder der unter 
dem Namen des Avicebron bekannten und in hebräischer 
ilandsclirift vorhandenen, yob. den Scholastikern öfter ange- 
ifUKrten Sohrtft im maieria «| Ibjpma, eive de fbnte vitae bt- 



— IM -r- 

trachtet. Der höbräbche Uebersetzer dkmn ist Sehern «Tob 
ben-Pttlkeira, der lateinische Dominicus Gundisalvi. Einp 
Moral von Gebirol „Tikun Midot ha Nefesch, correctio mo- 
rum doctrinae'^ erschien zu Rira di Trento i563 u. Lunenll. 
1807, nach der hebr. Uebersetz. des Juda Ihn - Tibbon. Auf 
ihn hat besonders dl^ eigenthümliche Auffassung der Ma« 
teric und der Thätigkeit Gottes bei der Schöpfung die Auf- 
merksamkeit gelenkt. Er kHmpft gegen die Materie, als 
bloa körperliches Subject oder Substrat, Die Materie sei 
3ubject zu allem Möglichen, die körperliche aber nicht, da 
die an ihr haftende Quantität eine Grenze setze. Die Kör- 
perlichkeit der Welt, welche Subject' einer von ihr getrage- 
nen Form sei| müsse auch selbst eine voQ einer noch wei- 
^r unten liegenden Materie getragene Form sein, und diese 
wieder nach oben Materie, nach unten Form, bis zur letzr 
ten oder untersten, d* h. ersten Materie, die alle Dinge ii^ 
sich fosse. AUes auffassen könne aber nur die Intelligenz, v 
Bei der Schöpfung forderte er nicht blos den Verstand, 
sondern auch den Willen Gottes, denn jder Verstand Got- 
tes sei unbegrenzt und bleibe dies, wann der Wille ihn 
nicht begrenze. Munck betrachtet dies als eine der jüdi- 
fchen Ansicht gemachte Concession. S. Ritters Gesch. dar 
Philosophie B. VIlI. ^4 f. und dessen Anzeige in den Göt- 
ting. gelehrt. Anz. 1847. 17. Aprü, der auch auf die Aehn- 
lichkeit des Avicebron mit Duns Scotus aufmerksam macht. 

1^ dieselbe Zeit fallt R. Bechal oder Bahya ben- Jo- 
seph (Bßji^ji bar Josef), der sich, als der erste jüdische sy- 
^temc^tiacha Mori^list, in seinen H^r^e^spflichten (hebr. und 
deu^ch v^ Fürstei^ths^, Qreat. i836, hebr. Leipz. 1846) zwi- 
schen die Rabbapiten zelotischer Richtung und die Arabisten 
fitellt. Er lafs^ die eigene FQ¥*^Phu»g, die Schrift und <tie 
Ueberlieferung a)s Fac^preuf spi^l^Q und schliefst sich an 
furabJschp Vorgänger und S^adja ap. 

Auf ihn folg^ 3liaim&nid$6 (Moise ben-Maimun, bei 
dei^ Arabern Abu-Amram JVlusa ben-Maimun ben-Obe^dal- 
lah). Er wurde zu Cordoya ii35 geboren li^nd maclUe seine 
^chule nicht bei Averroes, sondern bei dessen Schüler Iba;- 
Padscha und einem Schüler des Geber* Beengt in seinen 
Sa^iftungw ^ai^4tö ^r ^S^ lincb Fe:*» dtmn nach Aegyjten 



— VS7 — 

xmi. nährte, sich mit Juwelenhandel, wurde dann Lehrer und 
endlich Leibarzt bei Saladin. Schon bei Lebzeiten galt er 
vielen Glaubensgenossen för einen Ketzer und nach seinem 
Tode (i2o4) entspann sich in Spanien und Frankreich über 
seine Lehre ein heftiger Streit. Es wurde salbungsvoll ge- 
gen ihn declamirt: „Seit wann sind die Sprüche der heil. 
Scimft gegeben, nach den Verounftschlüssen griechischer 
Wis^nschafV erklärt zu werden, .da£s sie rückwärts sohrei- 
ten sollen? Seit wann lagert Aram hei Ephr-aim? Seit 
wann steigt die Mercäbah aus Aegypten empor? Nicht 
also! von Zion geht die Lehre aus, Gottes Wort von Jeru- 
salepi etc." (Briefe über den Moreh des M, h. v. Ottenso- 
ser hebr. u. d. Fürth i84€). In diesem Kamplb gegen die 
Philosophie drängten sich hervor: Salomo ben* Aderet mit 
dem Zunamen Haraschba (Thorath abbaith h. v. Bisselichis, 
Frefeb. 1837), Chasdai Hreskas (f i58o) mit »einem Or Ado- 
BaiFerr^r. i555 4, u, A. (Geiger Zeitsohr. V. S» 83). Nichts 
hielt aber seine Wirkung auß UiQ Wichtigsten Schriften 
Maimonides für die Geschichte der Philosophie sind in An- 
sehung der Psychologie die acht Abschnitte der Einleitung 
in das Aboth sammt den Abhandlungen über die Aufersteh- 
ung der Todten; in Ansehung der Moral der awölfte Ab» 
schnitt des Sepher Ha^mada; endliph in Ansehung des Gan- 
ptii sein Morc-nebuchini« 

Spin Coniinentar zur Mischna erschien Hebr. mit der Misclio?^ Sa- 
bion. 1559. 4., Vcnet. 1586. 170.6,. fol. ; d, Porta Mosis ar^b. lu 

' lat. V. Pocockj Oxon. 165?». 4. ; das Jad Chazaka, oder Mischne 
Torahj Soncini 1490, Vcnet. 1507 ; das More Nebiicbim c. comm. 
Scbem Tor et Ephodaei, Venet. 1551. fol., mh Buxtorfs Uebers. 
Basil. lead, mit Commentar v. Sai. Maiinon^ Berl. I79i, deutsch 
V. S^heyei?, Frapkf. 1830; das Sephcr Mizwot c. comm. R. 
MoSj ben Nachmann, et R. le^ac Legion. J^mst. ^660. 4. , deutsch 
V, Falkcnlieim, l^önigsb^ 1833; die Yopes Lpgicae mit Com- 
luentar, Yei^et. 1550. 4. Cramon. 1566. 4. ; das ihm zugeschrie- 
be^ie Maamar ha-Jichud, Hebr, v. Steinschneider, Berl. 1846. 
Ueber Main^onides handeltet^ Beer (Leben und Wirken des M. 
Prag 18*44), Derenburg in Geigers Zeitschr. Frankf. 1835. B. H. 
V. ; Carmoly in Josls israel. Annalen 1830 S. 308 f. , in der Re- 
* vue Orientale, Bruxell. I84l ; Lebreoht im Magaz. f. d. Litt. d. 
AiisL it44. Nr. ^. €2.; Sdieyer (dp psydiolegisch« System 



— 138 — 

des MaimooidM« Frankf. 1845); Frank (im di«li«BBajr« 4m 
iciencet pbil. art. Maimonide); Frank (Noticet Mir la Tit ^t 
let doctcinet de M. in den seances de l'acad. d. sc. Febr. i64o 
p. 179). 

Das Hauptwerk des Maimoirides, der More, zerfallt in 
3 Theile. Im I. Th. Absch. 1—49 sucht er die Vorttellai^ 
Gottes von Anthropomorphiscbem und Anthropopatiaobeiii 
zu reinigen; AJbscfa. 5o^6o bandelt er von den gd^dieben 
Attributen, und spriobt sich; mit den Motazalen Und Ari- 
cenna übereinstimmend, gegen die positive Attribation aus, 
föhrt aber mit seineB negativen, d. h. das Weltliche negi- 
renden Attributen, fkriedejr auf den gewöhnlichen Standpunkt 
zurück; Abicb. 6i-**70 redet er über die göttlichen Manitti; 
Absch. 7i-*-76'über die Geschichte der Scholastik. Im 
n. Th. Absch« i — 12 liefert er eine Kritik der Motekall^nlo ; 
Absch. i3 — 18 eine Kritik der Ansichten über die Ewigkeit 
der Welt, und stellt Abscb. 19^31 sein Dogma de noriuie 
mundi auf, wobei er sich an die jüiSsche Tradition zu hal- 
ten sucht; Absch. 39 --47 kommt er Auf die Propbetie und 
Offenbarung, wobei er die arabische Ansicht zu Grunde 
legt. Im IlL Th. Absch* 1—7 deutet er^ -mit der Kabbala 
vertraut, die ezechiersche Merkaba, wobei er die Sphären- 
scala und Emanationstheorie der Araber benützt; Absch« 
8 — 13 kommt er auf das Uebel und dessen Ursprung, er- 
klärt das Böse als Negation, als Abwesenheit des Guten, 
mindert es durch die Bemerkung, dafs wir Alles auf uns 
bezögen, statt uns auf Alles, subjectiv- befangen urtheilten, 
und theilt die Uebel ein in solche,^ die in unserer UnrolU 
kommenheit (wie der Tod), solche, die in der Ungerechtig- 
keit des Nebenmenscben, und solche, die in uns selbst die 
Quelle hätten, mit dem Zusätze, dais die letztern die zahl- 
reichsten zu sein pflegten; Absph« i3 — 15 sucht er das Ziel 
der Welt, Absch. 16—24 vermittelnd zwischen den extremen 
Ansichten der Vorsehung, Absch. 25—34 Biblisches aufzu- 
hellen; Absch. 35 f. giebt er endlich als das Ziel der 
Speculation die Erkenntnifs Gottes an und den «Weg zu die- 
-sem Ziele. Wenn er die aHstotelische Mitte zur leichtern 
Erreichung dieses Zieles, des apeculativen Lebens, der An- 
schauung Gottes, empfiehlt, bo^ sjtebt «r auch hier halb auf 



— U9 — 

aristolelischeini, haib auf anübiscbem Boden. Derselbe Maii- 
gel an Ori^^inalität ist überhaupt überall sichtbar« Methode 
und Bau sind ihm ebenso vorgezeichnet durch Saadja, wie 
-die kleinste psychologische Bemerkung^ dafs die Seele Form 
des Körpers und der Versjtand Form der Seele sei etc. 
durch Araber. Wo er etwa von NAristoteles abgeht, wie bei 
der Umgehung des VBß ncbd'ij'vtxoQ und bei der emanisti- 
schen Auffassung des vh^ not^TiKOß, da sehüefst er sich an 
die Araber an (Scheyer S. 82—90), und wo er diese ver- 
lassen muTs, an jüdische Vorgänger. 

Auf dem Wege, welchen Maimonides vorgezeiebaft^ 
sohritt Sehern Tov B^ Joseph Ben Palquera (Falquera, * 
auch Palkira), geb« zwischen 1224 u. 1228, der einen Kom- 
mentar zum More schrieb, eine Art Psychologie, Schriftei^ 
i^ber den Nutzen der Philosophie, über Politik, über üeber- 
einStimmung der Philosophie mit der Tbeatogie, eine Apo- 
logie des More etc« 

More Hammord^ b^br. FtetAm^ 1817 ) Sefer ha Nefetch, hehr. 
Lemb^i; 1835; Igeret ha Vicuach, Prag. 16%5. 1610. Vehtv 
ihn Ducke» (Ehrensaal S. 53), das Literatarhl. d. Or. 1845 
S. i47; Pirche Znon 1844; Munck <La pbilosophie ches les 
Juifs p. 21). 

Ein ande^rer Apologet i^ Kalonymos, der 1^287 zu 
Arles geboren wurde. 

Apologia M. M. Ups. imS; Stelnsi^ii^ider In Fran^Ls Zeitsolür. HI. 
S. 274; ZuDK m Gmßtat» ZeitMchn II. 313. IV. 199. 

Etwas früher wirkte Jedaia Peneni, nach seinem Ge- 
burtsorte Beziers Bedersi genannt, welcher um 1290 zu 
Bai^cellona lebte, eine moralische Abhandlung Behinath 
olam, eine Apologie der Philosophie, wie sie Maimonides 
in Aufschwung gebracht, eine Erklärung des Parabi de 
intellectu et inteilecto u. A; schrieb. 

Bechioat Olam i. e. exaiiien mundi, Mant. i476. 4. ; c. comni. R. 
Mos. Abco Cliavtv et R. Jos. Frances. Fcrrar. i55l. 4. Be- 
trachtung über di« Weh «nd ihre Bewohner, ühers^etzt von 
Hirschfeld, Berl. 1838; Michtav id natzelud, ge|;en das Deenet 
von Barcellona» c. Aderet, Resp. s. 1. et a. 4* ; Zunz, zjiv Gesch. 
u. Liter. Berl. 1845. S. 467; Munck im Israelit. Archiv 1847. 
t>. 87. 5 Dukes im LitcraturH. des Or, 1848. S. 1^. 



T- 140 — 

Von Joseph Ibn-Caspi aus Argenti^re, der i3oo ge- 
boren wurde und i35o zu Valencia starb, ist ein Commcn- 
tar zum More, ein Auszug aus dem Organon zu erwähnen. 
Ueber ihn handchen Zunz (Zeitschr. S. 150); Geiger Zcit^^hr. IIT. 
S. 287); Delitzsch und Znnz im Katalog der Leipz. Bibliothek 
p. 303 tq. 333 ; die Debarim Attiklin, Leipz. 1846. 

Das vierzehnte Jahrhundert und seine philosophisch- 
aristotelische Richtung schien sich endlich zu erschöpfen in 
Levi ben - Gerson und Moses vQn Narbonne. Der erstere 
wurde zu Bagnolles 1288 geboren und starb zu Perpignan 
1S70. (?) Er schrieb Commentare x^ den mittleren Com- 
mentaren und zu einigen Analysen des Ibn-Roschd, von 
welchen die auf die Isagoge und die Schrift ncQi eQ/LUjrsiag 
bezüglichen in die lateinischen Ausgaben^ des Aristoteles ge- 
wandert sind, und ein dem More entsprechendes Werk, 
Milhamolh Adonai, balla dei, das er i5q9 i>e€ndete, und das 
i56o Riv. Trid. mit Ausnahme des ersten Thciles des 5. fi. 
gedruckt wurde. £r ist kecker als Maimonides, d. h« eiM 
strengerer Peripa,tetiker. Ei hat voii jeher Aufsehen ge- 
macht, däfs er die Schöpfung aus Nichts schlechtweg ver- 
wirft» Aber den vermittelnden Charakter seines 'Volkes 
verlaugnet er auch hier nicht« Er verwirft das JNichts, wie 
die geformte Materie, und nimmt die Schöpfung aus di^r 
^sten Materie an, in sofern diese Nichts, d. h. otitte ^ße 
Form ist. Moses ben Josue von Narbonne, der in der Mitte 
des 14. Jahrhundert» blühte, schrieb einen Commentar zum 
^orc 03.55—^363), zum Makäzid des Gazcdi, :jur Schrift 
des Ib/i-Rpschd über den material^u Verstand (1.344), zu 
dessen Disserta^onen, z. B- ,der de substs^uti^ orjjis Ci549), 
. *um Hai Ibn-Yokdhan des Tofail (i349) v* A. (Ucb^r 
Qer&chom s.. C^rmoly in ^unz Annalen 1859 S. 816 j üfy^r 
Moses Zunz in den Additan^ent. ^um Katalog 4?r J^jeipz. 
Biblioth. p. 5^25 s(j.) , 

Diese Bemühungen hatten die gefahrliclisten Gegner in 
dieser Zeit an den Maraim, deren Genealogie Delitzsch gc^ 
. zeichnet hat» 

Wenn die Notiz Shahrestanis richtig ist, sagt Delitzsch (Anekdota 

p. II.) j wonach die Partei der Sifatijc, welche die koranischen 

Anihröpeuroiphisiiiea in- grob ciealibrlickeiu Sinnt nahiu und zu 



— 141 — 

• »ogenannten dcclatalivcn Attributen (Grüttcs maclite^ 4ic Karaer 
KU Führern Iialte^ so wäre es ^ragmalisch erklärlich^ ivi^ bei 
der Reform der muliammedanistlicn Dogmatik durch die Mna- 
tazililcn eine gleiche Reform der karäischen den Aufgeklarten 
dieser Ueligionspartei als notliwendig crischeincn mufstei Diese 
ilcform wurde auch glücklich bewerkstelligt, den (Sruiid da- 
zu scheint mir bereits Anan gelegt zu haben, der gegen i40 
der Hegira (l44 d. H. 761 ni Chr^ findet Munck wahrscheih- 
lijch in der Abhandi. über die jüdisplie Philosophie p. ö.}, un- 
ter dem Chalifat Abü-Gafar Mansurs aus den Oslgegcndetl 
nach Bagdad kam und eine Zeit lang Exiloberhaupt war, dann 
aber aus der den NatibnalkÖrpcr bildenden Partei der Rabba- 
niten ausschied und der Neubegründer, oder vielleicht auch^ 
einem lang verborgenen Zwiiespalt den Ausschlag gebend, det 
Begründer der karäischen Secte wurde. Denn da nach Ma- 
Budi und Makrizi die Partei der Ishmaijc oder Benu - Mikra, 
unter Verwerfung jeder Verähnlichüng Gottes mit crealürlichen 
Bingetij das Bekenntnifs der Eirihcit und Gerechtigkeit Goitesj 
ivelches die zwei dogmatischen Grundprincipien der Muatazile 
ftind, festhielt, so ist es nicht unwahrscheinlicli^ dafs bereits 
Anan den Grund zu dem Sy^stem eiiier karäischen,, dem Kelam 
der Muatazile nachgebildeten Religionsphilosophie legte. (Ananas 
Wahlspruch war: „Suchet rüstig itn Gesetze!" Und die Ka- 
täer hieisen fortan ißaäle - Ühippusch^ Gesetzforscher. Anan 
Vcrfafste einen Corameritar zürn Pcihtateubh, 6in Blich dör &e- 
Bote (Sefer ha-Mi'zwot) uiid seih Fedhleka; Die ersten zwei 
Werke ^^erfafste et in aramäischer Sprache^ Nächst AnAnist 
Binjamin Nahawendi, d^r um 83b ni Chr. blühte und in Na- 

' hawtind in Persien wkkte, zu erwähneni Er schrieb einen 
Comiuentar zum Pentateuch, das noch erhaltene Sefer Dinim, 
Bach der Gesetzvorschriften u.- A«) In dem Zeitalter Saadia 
Gaon^s, dessen Zeitgenossen^ die 2wei gröfsten sunnitischen Re- 
ligio ns^^hilösöphen, der Imam Mansuc Mäteridi (f 915) und 
£l-Ashari waren, halte Sich die karaische Üogmatik und (zesetz- 
lehre schoti iö cdHsoliditt, dafs sie mit der rahbänitischen iil 
Schranken tfetert konnte; die karäischc Auffassung des Gesetzei 
vertheidigte Salmori b. Jcrnchani, die det GlaubenälchVe Josef- 
ha-Maofi Die hervorragendsten Ausbildncr det karäischen Do^- 
matik in der nächsten Folgezeit sind Josef ha- Roch, der 9ZQ 
seilk Sefer ha-Maor ha-Gadol gegen Saadja schrieb^ sein Schü- 
1er Jeshuah; Jefet ha-Levi (953) und sein Sohn Levi ha-Levi; 
vor Allem aber Juda ha- Abel. Bis Josef ha-Maor (Mjtic des 
10, Jahrh.) reicht die erste Periode der karäischen Dogmatik, 



die ihrer Oestahting ; Jiida ha - Abel 'liefe rte (Mitte ^t 12. 
Jahrh.) in* seinem Meisterwerke die Anakephaläose der zweiten 
Periode, die wir die der Entfaltung nennen, weil die karäische 
Dogmatik m derselben, parallel dem mnatazilitischen Kelam, in 
gleicher Polemik gegen die ihm opponirenden muhammedani- 
sehen Parteien begriffen, auf dem alten Fundament und aas dem 
alten Fond nach innen und anfsen ausgebaut und vollendet 
ward. Die dritte Periode, die der Reaction, reprSsentirt Ahron 
b. JoBef (um 1294). Der Kelam zeigt sich bei ihm nicht mehr 
' in seiner alterthümlichen unvermtschten Form, er beginnt dem 
mächtigen Einflüsse des in Andalusien im Welteifer mit den 
Mauren von judischen Lehrern aargebildeten Aristoteltai zu 
weichen, Die karäische Dogmatik, heftig angegriffen von Juda 
ha-Levi and mit noch siegreicheren Waffen von Maimuni, be- 
darf einer neuen Musterung und Bewaffnung, um ihren Geg- 
nern gewachsen zu sein. Ahron der Aeltere sucht sie mit dem 
Besten aus dem System der philosophischen Oppositionspartei 
zu versehen, giebt aber zu weit nach und nimmt Vieles auf, 
was nach bestandener Krisis in der vierten Periode, die wir 
als die der Umgestaltung bezeichnen, wieder hinausgethan wird^ 
Den Reigen dieser Periode f&hrt Ahron b. Elia, der 1346 sein 
religions- philosophisches Werk d'^'^H ^y vollendete. 
Bei dem Etz Chajim des Ahron aus 'Nicomedia wollen 
wir jetzt einige Augenblicke verweilen. Derselbe sucht 
mehr aufnehmend und verschmelzend, als unzugänglich starr, 
die Sache seiner Partei zu führen, insbesondere gegen den 
Moreh« Im ersten Abschnitte sagt er : „Der Grund des 
Zwiespalts in der Demonstration der Einheit Gottes unter 
dem jüdischen Volke sei das Exil mit seinen verderblichen 
Einflüssen auch auf das geistige Leben gewesen. Der schon 
durch Abraham auf demonstrativem Wege begründeten und 
durch die mosaische Gesetzgebung befestigten GotteserkeHnt. 
pifs hätten die Griechen eine dem wahren Glauben wider- 
sprechende Philosophie, das Erzeugnifs einer selbstsüchtigen 
Eifersucht gegen das Volk Gottes, entgegengesetzt« In d€r 
Zeit vdes zweiten Tempels, durch näheren Umgang mit der 
von ihnen unterjochten Nation einigermafsen von der Wahr- 
heit überzeugt, aber zu gehässig, um sie unverfälscht anzu- 
nehmen, hätten sie sfch zum Christenthume bekanni. Diese 
christianisirten Griechen hätten, durch die dem Volke Got- 
tes abgelegte Demonstration in den Stand gesetzt, die heid- 



niBchen Phüosophe the aufgegeben. Die Muhammedaner 
»tyen in dieser Vereinigung eines eigenlhümlichen^ Offen- 
bainingsgianbens und einer auf israelitischem Fundament 
beruhenden Specülation ihn«n gefolgt, namentlich die Secten 
der Maataziliten und Ashariten, obgleich letztere in sonder- 
baren Meinungen auseinandergegangen« Unterdepa weithin 
zerstreuten Volke, welches, in zwei Parteien zerfallen, nach 
Wahrheit gesucht, hätten sich die Karäer (nebst einigen 
Rabbaniten), mit Verwerfung der schriftwidrigen Philoso- 
phie, den ihnen näherstehenden Muataziliten angeschlossen; 
die Rabbaniten hingegen sich bemüht^ Thora und Philoso- 
phie (was unmöglich) in Uebereinstimmung miteinander zu 
bringen, und seien dadurch in Häresie verfallen, die diirch 
Gewohnheit und Studiengang mehr und mehr eingewurzelt. 
Es sei der Zweck seines Werkes, unter solcher Parleiung 
die wahrheitsgemäfse Anschauung der Glaubenslehren vor 
den schädlichen Einflüssen der Philosophie sicher zu steilen. 
(Delitzsch S.55gO 

Trotz dieses orthodoxen Anlaufes hält er aber die 

Leuchte seiner eignen Webheit in der Rechten und die 

Leuchte der geoffenbarten Religion in der Linken und seine 

eigne Leuchte, kann man hinzusetzen, brennt von dem Oele 

, der jüdischen und arabischen Aristoteliker« (Delitzsch Vi II. f.) 

Dabei fehlt es aber, in Folge des verschiednen Stand- 
punktes, an Abweichungen nicht. Maimuni hält bei den 
Attributen Gottes die via negittionis fest. Dagegen stimmt 
Ahron (c. 70— '73> weder denjenigen bei, welche Gott ohne 
weitere Benennung als Ursache schlechtweg bezeichnet wis- 
ten wollen, weil von den zehn Kategorien (was er überein- 
stimmend mit Saadja sagt) nur die erste annäherungsweise 
auf Gott passe; noch denjenigen, welche Gott nur negative 
Attribute beilegen und eine Reduction der positiven der 
Schrift auf die negativen versuchen. Nach der Ansicht Ah- 
rons sind sowohl setzende als relative Attribute zulässig und 
nothwendig, denn die Schrift braucht sie und die negativen 
wie positiven unterliegen nicht nur gleich mäfsig der Homo- 
nymie, sondern die positiven haben noch den Vorzug der 
Genauigkeit und Angemessenheit, ohne dem Mifsverständ- 
niftse ausgesetzt zu sein« Dabei bestrebt sich Ahron he- 



— 144 — 

sonders fünf üegcngründe zu wnilcrlegen: i^ den Grund 
AUS der Unbegreiflichkeit und LfnÜi^ilbarkeit des gättlichen 
Wesens; '2) den Grund aus der in den Attributen liegen- 
den Herabziehung Gottes in's Creatürliche ; 5) den aus der 
Folge der I^luralität Gottes 5 4) den aus der in dem Begriff 
der Eigenschaft liegenden Voraussetzung eines Trägers 
(Subjccts) und eines. Getragenen ; 5) den aus der Unterord- 
nung des Begriffs der Eigenschaft unter den dpr Qualität 
und damit der Accidentalität* Eine andre Diffeirenz zeigt 
sich in Ansehung des göttlichen Willens. Maimuni hält 
den göttlichen Willen für relativ, nur verhältnifsmäfsig zu 
den Greaturen hervortretend^ Dagegen eifert Aliron (c, 763 
und sucht drei Gründe dafür, dafs Gott per voluntatem ex- 
trinsecus productam Wolle : weil erstens aus der Annahme 
der Behauptung, Gott wolle per se met ipsum, die Simul- 
taneität des Willens und des gewollten Gegenstandes, also 
die Ewigkeit der Welt folge 5 sodann rtiit dem Wollen auch 
der Gegensatz, der Un^villen, als immanent gesetzt werde; 
drittens Gott alsdann die Gesammtheit aller Dinge, welche 
Gegenstände des Willens sind, wollen müfste, wie er ver^ 
möge der Wissenschaft alle Dinge wisse. Die Annahme, 
eines producirten Willens erscheine nur nach dem Dogma 
der Aschariji, dafs alle Handlungen Gottes seinen absoluten 
Willen zum Motiv hätten, nothwendig, während nad;. dem 
rechtgläubigen Dogma der göttliche Wille di^ göttliehe, 
Weisheit zum Motiv habe. Eine dritte Differenz zeigt sich 
in Betreff der Vorsehung. Maimuni läfst eine auf die In* 
dividueii sich erstreckende Vorsehung nur in Bezug auf 
den Menschen gelten. Die Vorsehung ist nach seiner An-. 
Sicht nur in Betreff des Menschen eine individuelle, in Be*. 
treff der übrigen Geschöpfe^ ohne Beeinträchtigung des 
göttlichen Wissens, eine nur generelle^ Denn bei den letz- , 
tem bezwecke die Vorsehung nur die Erhaltung der Gat* 
tung, bei dem mit einem unvergänglichen Geiste und mit 
Willensfreiheit begabten Menschen die durch Gottes Ge- 
rechtigkeit geforderte Vergeltung nach Verdienst; die Vor* 
sehung sei dort allgemein und äqual, hier nach deiii gei- 
stigen und sittlichen Zustande speziell, relativ und graduell; 
dort geschehe, aufser der Erhaltung der Gattung, Alles pei* 

accidens, 



— 145 — 

accidens, hier finde eine den Objecten entsprechende Vor- 
sehung nach objectiveh Gründen statt. Ahron dehnt die 
spezielle Vorsehung aus. Er ist der Ansicht, dafs es eine 
UnTollkommenheit Gottes wäre^ wenn dieser nicht um diö 
Dinge der neuern Welt wüi'ste (c. 82). Er kämpft gegen 
die Epikuräer, gegen die * Schamanen und Sophisten, bei 
denen sich Alles in Schein auflösen soll, gegen die Lehre 
der Muchlide-Secte^ welche die Sphären und Elemente an 
die Stelle der Vorsehung setzten (c* 83)* Defsgleichen 
gegen die Lehre der Lithbi (c. 84), des Aristoteles (c. 85) 
u« A« Sein Hauptaugenmerk richtet er aber b^^flders auf 
Maimuni (c. 88). Ebenso weichen beide in Betreff der End- 
zwecke der Schöpfung und des Gesetzes ab. Nach Mai* 
muni ist jedes Ding um seiner selbstwillen, nicht um des 
Menschen willen da, nach ^Ahron ist der Mensch Zweek 
derniedern Welt; nach Maimuni hat das Gesetz nur im 
Allgemeinen, nach Ahron auch in den Spezifitäten einen 
bestimmten Endzweck etc< 

Von den spätem jüdischen Philosophen, welche sich in 
den bisher gezeichneten Bahnen bewegten^ sind noch su 
nennen IS AlbOf-Bibago, Schem-Tob, Elias del Medigo, Abta- 
iranel, Leon« Joseph Alho aiis Soria in Kastilien, *(* i45o^ 
handelt in Ikkarim (Wurzeln) s« über articulorum (Söac« 
i 486£; jrenet» 1618. k*^ deutsch v. Schlesinger, Frankf» 
i9S9^"über Dasein Gottes, Offenbarung, Unsterblichkeit^ 
mit^^^er Bezugnahme auf den More« Abraham Bihago 
schrieb i446 zu Huesca in Aragonien einen Commentar txxt 
zweiten Analytik und 1470 den Glaubensweg« Von Joseph 
ben Schem-ToY) den man ron Bibago und ron zwei an- 
dern Sehern -Tor, nämlich seineitl Vater^ deiti Verfasser des 
gegen Maimon Esra und Gersön gerichteten Emunoth (Fer- 
rara i556, 4.) und seinem Sohne dem Commentalor des Moref 
und der aristotelischen Physik ^480) zu halten hat, t^ird 
ein Commentar zur Kikomachischen Ethik. (1 455) und zur 
Schrift des Ibn-Roschd über den materialen Verstand zu- 
geschrieben, Elias War Lehrer des Mirandola, schrieb für 
diesen eine Abhandlung über den Verstand tind die Pro- 
pbetie (i483), einen Commentar zu der Schrift von Ibn- 
Roschd de substantia orbis (i486) nnd quaestiones de priin# 
Gttnipo£Ch| Dii V. T^., Gesehichte d. Philosophie« 10 



— 146 — 

motore, de creatione mundl» de esse essentla et nno, die zu 
Venedig i5o6, i544 n« iSgS gedruckt wurden, endlich ein 
examen legis, welches zu Basel 1629 erschien, worin er den 
Gedanken der christlichen Scholastiker, dafs Religion und 
Philosophie getrennte Gebiete seien, zur Befriedung zu be- 
nützen sudite. (Ueber ihn Geiger Melo Chofnaim p. XXI V* 
sq. und Reggio in der neuen Ausg» des examen, Wien 
i933w) Von Abrahanel^ welcher zu Lissabon 1457 ge- 
boren wurde und zu Venedig i5o8 starb, ist das Mifhaloth 
elohim opus dei(Venet. 1592,4.) anzuführen. (Majl diss. 
hist. phlt. de origine rita et scriptis Abn Altorf. 1708; 
Comm« ms* in Mos« Maim. More ed. Landau, Prag« 1841 9 
4.) Er erklärt sich wieder gegen die Ewigkeit der Welt. 
Sein Sohn Leon^ oder Juda der Hebräer, der zwischen 
14^ tind 1470 zu Lissabon geboren wurde und i5o2 seine 
dialoghi di amore begann, die zuerst in Rom \bdj erschie- 
nen, bildet 4^n Uebergang zu den Mödernisten durch die 
Benützung einer modernen Spraehe, einer modernen neu- 
platonischen Richtung, durch seine unsichere Stellung zum 
Christenthum etc« Aufser jener mystisch - neuplatonischen 
Richtung, die indessen für ihn schon durch Elias u. A. an- 
gebahnt war, findet man, auf den Inhalt eingehend, nichts 
Neues. Mosaische, kabbalistische, arabisch - aristotelische 
Gedanken, in den weiten Matttel deir Liebe eingel^flK^ b^^ 
grüfsen uns bei jedem Schritte als die alten BwBiiiten« 
(Ueber ihn s. ein Artikel von Munck im dictionni^'des 
sciences philos. und von Delitzsch im Literaturbl. des 
OrienU 1840 Nr. 6 f.) 

Wie Leon unter dem Einflüsse der von Gemistus, Bds- 
sarion, Ficinus, Mirandola getragenen Bewegung, so steht 
endlich Spinoza unter der holländisch -deutschen eines Geu« 
linx u. A», welche Aea Dualism des Cartesius zu überwin* 
den trachtete, und Mendelsohn u.nter der von Wolf und der 
deutschen Aufklärung ausgehenden« Oasselbe läfst sich von 
Sal-Maimon und den Nachfolgenden bis auf Hirsch sagen. 
Spinozas Werke erschienen in neuerer Zeit in Stereotypen, 
I/ips« 1843) defsgleichen wurden die Schriften Mcndelsohns ge- 
sammelt. Ucbcr Spinoza bandelten s Sigtvart (der Spinozis- 
iirat, faistor. u. philos. erläutert, T^. 1839), Thomas (Spiaozae 



— 147 — 

lyttema^ Regioiii.. 1835; Spinoza al« Metaphytikir r. Standp. 
der hifttor. Kritik, KÖnigsb; 1840 ; Spinokai Individualisin u. 
Pantbeism, eb; 1848), Örelli (Spinozas Leben und Lehre, 
Aaraa 1843), Hclfferich (Spinoza u. Leibnitz, Hamb. 1846), 
Crlaser (VergL der Phiios. des Malebrancbe u* Spinoza^ Hamb» 
1846), Taute (der Spinozism' alt unendl. Revölutionsprtnzip, 
Königsb. 1848), Feuerbach u. A, In den mannigfaUigcn Strei- 
tigkeiten über die AufTassung dieser bedeutenden Erscheinung 
haben sieh besondiers als widerstreitende Grundsätze heraus* 
gestellt: i) substantia depositis affectionibus vere consideratur ; 
!t) extra inteltectum i. e. realiter nihil datnr praeter substantia»^ 
ejusqoc affectiodes« (S. Erdmann in der Uallis^liei» Literature. 
1849. Nr. 930 

Bei Spinoza und den nachfolgenden Bedeutenderen ist 
de/kabbali8tische> rabbanitische, karäische^ arabisch -aristo- 
telische Einflufs töllig gebrochen. Die jadische Philosophie 
ids solche hat ihre Aufgabe rollen det. Diese bestand in Ver- 
mittlung, Verbreitung und Erhaltung philosophischer Ideen, 
worin sie ebenso yortheilhaft zur Steigerung < auf dem gei- 
stigen Gebiete gewirkt hat, als der judische Handel und 
Verkehr auf dein materiellen Gebiete zur Steigerung der 
Cultur wirkte* Mit der Buchdruckerkunst und de» tausend 
gehobnen Verbindungswegen ist hier wie dort die Rolle der 
Juden ausgespielt und sie können nur noch durch Aufgeben 
selbst, durch Eingehen in den modernen Geist, und 
ondere den deutschen, gleich a|len Andern den gei- 
Prozefs fördern, ohne dals wir ihnen in Ansehung 
der Vergangenheit die Anerkennung rersagen dürfen, als 
einem tüchtigen und wichtigen Werkzeuge in der göttlichen 
Oekonomie des Geistes. 

Nach einem Fortschritte darf man bei der jüdischen 
Religionsphilosophie nicht fragen« Wenn die Araber wenig- 
stens noch in der Verbindung der aristotelischen Lehre mit 
der neuplatonischen Gombinajtionskraft zeigen, so fehlt den 
Juden etwas Aehnliches, ^ da in Betreff der Habbala, ihres 
Werthes oder Unwerthes etc., die Acten noch nicht ge« 
schlössen sind. Nur in der Aneignung, im Entlehnen, in 
der Passintät, die gleichwohl nicht passiv sein will, und 
endlich in der Erhebung gegen das Spezifische der jüdi* 
sehen Religionsphilosophie, d« h. in der Selbstrernichtungj 

10* 




- 148 ~- 

findet ein Fortschritt statt. Man l;ann z. B. bei einer Vcr« 
gleichung Saadjas mit Maimohides die Steigerung des Ent- 
lehnens und der Passivität unmöglich verkennen. Und nicht 
erst Spinoza — der den jüdischen Monotheismus Jbis zum 
Gipfelpunkt des Monism getrieben hat, da ihm die Welt 
als Aggregat gar nicht mehr existirt, sondern nur die in 
den Schein der Vielheit gehüllte Substanz, und dessen ge- 
ringschätzige Urtheile über jüdische Lehre bekannt genug 
sind (Frank, Kabbala), der geradenwegs sagt : j^ßcripturae 
*profundissima mysteria non esse nisl Aristotelicorum vel 
Platoniconyp speculationes quas saepe facilius posset quis 
idiota som^are quam literatissimus ' ex scriptura investi- 
gare^^ — auch nicht erst Mendelsohn mit seiner Unterschei- 
dung des Wesentlichen und Unwesentlichen im Judeuthume 
(Schreib* an Lavater 1770), sondern selbst die Karaiten be- 
zeichnen jene Selbstvernichtung. Die Wurzel derselben 
liegt in dem zu engen biblischen Unterbau der Juden und 
der hieraus entspringenden subjectiven Erhebung. Und 
wenn die jüdischen Religionsphilosophcn dieses subjective 
Wesen mit den arabischen und christlichen Scholastikern 
theilen, "^so fanden doch Umstände statt, welche das jüdische 
gewaltsamer und darum zerstörender machten« Der jüdi- 
sche Religiousphilosoph hatte es mit dem Demos seines 
Glaubens, wie mit dem jeweiligen Herrn des Volkes zu 
thun y der arabischejpjionnte sich meist auf einen gebildeten 
Palast eines Volksgenossen verlassen. Der arabische han- 
delte nicht aus der ganzen Welt speculative Juwelen ein, 
sein Hauptanreguugsmittel blieb die hellenische Philosophie; 
der jüdische wurde aber von der arabischen, hellenischen,, 
orientalischen, christlich- abendländischen Philosophie immer 
zu neuer subjectiver Arbeit aufgestachelt« Endlich war der 
gläubige Unterbau des jüdischen eine machtlose und darum 
sehr unbefriedigende Antiquität ohne alle weitere innere 
zwingende Gewalt geworden, während der des christlichen 
Religionsphilosophen den Erfolg in der Weltgeschichte 
und also weniger Stachel hatte« Wenn nun die jüdische ^ 
Gegenwart, parallel mit der christlichen, diese bewufst oder 
unbcwufst nachahmend, die vergangene Subjcctivität wieder, 
erneuern wollte, so wird auf ihrer Seite dieser Versuch noch 



— J4!l ^ 

dfirftiger ausfallen, als auf der andern. Er rerdienl nicht 
einmal den Namen eines Rückschrittes; er ist ein Weg- 
werfen der errungenen Objectivitat, sofern dadurch nicht 
eine Ausgleichung mit noch tief stehenden Kreisen auf dem 
Wege der Accomodation angebahnt werden soll. 

Unter die allgemeinen Hilfsmittel zum Studium der jüdischen Phi- 
losophie gehören : Die Werke über jüdische Geschichte (Jost), 
tll>er jiidisclie Literatur im Allgemeinen, wie ton Rossi (Dizio- 
vatia storlcQ degli antori ebrei, Farm« ISO)), Fürst (Bihliotheea 
Judaica, Leipz. 1849$ Cultur- und Literaturg, der Jud. eb. 1849), 
und im Bp»ond(;rn, wie von Delitzsch (Gesch, der jüdischen Poe- 
Bie)j Saeh» eic, , wo einielne Notixen vorkommen. Die Philo- 
lophie selbst bespricht Munck im art, Juifs des dictionnaire 
des Sciences ptiilosophiques, 

XHI. 

Die internationale griechische Philasophie. 

Griechisch kann man diese Philosophie nenneny weil 
selbst solche, die heine gebornen Griechen sind und das 
Griechische nur halbweg zu schreiben yersteheu, wie Plotin, 
doch TOrzugsweise Schüler eines hellenischen Philosophen 
sein wollen und aua der altem griechischen Philosophie 
Hauptnahrung und Form ziehen. International kann man 
sie nennen, weil das orientalische Element nl^ben dem grie- 
chischen hergeht und sich geltend macht. Nach den Gym- 
nosophisten richtet Apollonius seine Blicke, nach Aegypten 
Plutarch etc« Jeder betont zwar noch das Seinige, die na- 
tionale Wurzel w^ird noch sichtbar. Plutarch z. B» nennt die 
Hellenen (De aera num. yind. 33.) to ßiXriaTov nai #£o- 
(piXEOvatov yevoß* Und umgekehrt lobt Abammon in der 
Antwort auf des Porphyrius Brief an Anebos die Beständig- 
keit der Barbaren und. nennt die Hellenen ^vaei remTSQO^ 
noiSQ (VII. 50^ Aber die organische Einheit der alten 
Zeit ist für jetzt zerrissen bis auf das Band der Schule hin. 
ab. Nur eine ungefähre Bestim.mung ist es, wenn man den 
Epiktet zu den Stoikern, den Plutarch zu Atn Piatonikern, 
den Apollonius zu den Pythagoräern zählen will« Nur die 
Negation der Nationalität und des ächten kritischen An- 
schlusses an die klassischen Schulen wird am Ende zur 



Schule, Und in dieser Beziehung ragen hier die Skeptiker, 
dort die Neiiplatoniker hervor. Und bei diesen ist dann 
auch eine Steigerung bemerkbar, aber keine erfreuliche. 
„Iildem sie die Samme dessen zusammeiiziizieben ttrebeaj, was 
die Weisheit fiüb^rer Zejtea gefnaden^ hatte, tagt Ritter (IV. 
708.), werden sie bald zu de? lebenslustigen Ansiebt der Grie* 
fhen hingezogen, bald ergreift sie die lebensmiide Entsagung 
der Orientalen, in welcher sie ganz sich In sich zurfickzuziehen 
streben; Keine von beiden Ansichten aber vermögen sie In 
einem stetigen Denken fest zu halten. Man wird es natürlich 
^ndcn, d^rs anfangs die Hoffnung in ihnen noch stärker ist, 
in einem zurückgezogenen Leben ganz der Innerlichkeit der 
Vernunft hingegeben, vol]ige Ruhe zu gewinnen und im Schauen 
des Qutei^ sich zu befriedigen, wie dies bei Plotinos der FaH 
ist, dafs aber später auch diese Hoffnung sinkt und man zn be» 
merken anfangt, dafs eine v&llige Ablösung der Vernnnft vom 
Aeufsern uns nicht gelingen wolle und nun die Schränken des 
endlichen . Daseins sich ihnen als ynüberwindlicfa darstellen, 
Da entsagen sie denn dem höchsten Zwecke; da finden sie 
^t{X noch ihren Trost darin, dafs sie als untergeordnete Glieder 
einer Reihe sich betrachten, welche zuletzt (loch mit dem |ldch» 
sten in ein^m unaussprechlichen Zusaknmcnhange stehe.^^ 

Hier ist daran zn erinnern, wie Jamblichos, oder wer Ver* 
fasser der Schrift de mysteriis Aegyptiorum ist, die Vereinigung 
init Gott nicht ^tirch Philosophie,. nicht durch Gedanken, durc^ 
Zeichen zu Stande Kommen lafst (II. il.) ; wie Proklos sagt, 
das Eine, d. h. Gott, sei so uncrkennhar, dafs wir nicht ein- 
mal wüfsten, ob es erkennbar sei, so abgesondert, dafs inaii 
gar nicht sagen könne, es sei abgesondert, dafs ihm gegenüber 
vathloses Schweigen eintreten müsse (De princ^ e.)> o^er w'io 
der letztere die Verpunft nicht mehr auf so hoher Stufiß er- 
blickt, das Loos des Menschen erbarmungswuidiger findet (Ritt. 
JV, 670 f.) etc, Uebrigens hat der ebeogenannte Geschieht- 
Schreiber VI^ 460, auf der andern Seite auch auf den verfiie- 
fsenden Charakter des' Neuplatonism aufmerksam gemacht. Die 
neupUtonische Schule verwandelte sich, bemerkt er, allmählich 
von der aken Gelehrsamkeit in sich aufnehmend und von der 
Verachtung des Weltlichen nnd dem Vertrauen auf unmittel- 
bare Anscliaiuiug Gottes zurückkommend, welche P]otin gelehrt. 
Die aristotelische Philosophie kam zu Ehren. Schon Porphy- 
rius zog sie iq die platonischen Forschungen ; noch wphr Syria- 
nus, Proclus. Hierokles fand keio^i| wese^tlicb^ll Widersprach 
fischen PUton uq4 Amtotclest 



— 151 — 

Diesen Bemerkungen föge ieh hier einige ergänzende 
Striche über die Hauptgestalten dieser Periode bei. 

Ueber Apoll oni US von Tyana handelte in neuerer Zeit 
Ch* F, Baur (ApoU. v. T* und Christus, Tüb. i832). Er re- 
prasentirt jenes Suchen der Weisheit im Oriente, jene Rich- 
tung aufs Leben, auf Reinigung des Gottesdienstes, aufLäii- 
terung der geistigen Zustände, indem er z, B. gegen Thier»- 
Opfer, gegen bloses Gebet mit dem Murfde, gegen unange- 
messene Verehrung der Gptter etc. eiferte. Dafs Philostra- 
tus ein Gegenbild zu Christus habe aufstellen wollen, ist 
nur Annahme einiger Theologen. Apollonius soll 5 v. Chr. 
geboren worden und 96 n« Chr. gestorben sein und meh-' 
rere Scbrifteii rerfafst haben (Suidas, Apoll.), Ob er über- 
haupt und wegen solcher Aeufserungen wie bei Eusebius 
(Pr» Ev. IV. i30 in die Geschichte der Philosophie gehört, 
könnte wohl i)ezweifelt werden. 

Bei E piktet erkennt man 4as Internationale an der 
* Eklektik und an der subjectiven Zerfallenheit und Resig« 
nation.' Er ist nicht blos Stoiker, sondern auch Freund P la- 
to ns etc. Nur die Epikuräer, Akademiker und Pyrrhonier 
hält er fern (Ritt. IV» 208 f.). Die subjective Zerfallenheit 
spricht sich in vielen Sätzen aus, ^^Von den Dingen, sagt 
er (Man. 1.), stehen einige bei uns, einige nicht. Bei uns 
Meinung, Trieb, Begehren, Verabscheuen iind mit Einem 
Worte unsre Werike; nicht bei uns der Körper, der Besitz, 
der Ruhm, die Herrschaft und mit Eiq^m Worte, was nicht 
unser Werk ist." Um die letztem (Eltern, Brüder, Kin- 
der, Vaterland) sollen wir uns nicht bekümmern, uns blos 
als Zuschauer in dieser Welt betrachten, um zur Gemülhs- 
ruhe zu kommen. Was nicht bei uns steht, gehört zum 
Gleichgiltigen. Aber auch noch dieser letzte Anker des 
Trostes, selbst diese IndiQerenz, zarbricht ihm wieder unter 
der Hand, yerwandelt sijch in den höchsten Grad des Leidens. 
„Die Philosophen sagt er (Diss. IL 9. 10.), bemerken tref- 
fend, dafs, wenn der Gute das Künftige voraussähe^ er auch 
zur Krankheit, zum Tode, zur Verstümmlung beilrüge, wahr- 
nehmend, dafs dies von der Ordnung des Alls angeordnet 
ist. Das Ganze ist vollkommener als der Thell, der Staat 
vollkommener als der Bürger.^^ So empfangt er wieder. 



— 153 — 

sich selbst verniehtend, was er als Unvollkommenes, als Ge> 
genstand der Indifferenz abgewiesen, als Vollkommneres, 
denn er selbst ist aus der Hand einer höheren Ordnung* 

Seine Werke gab SchweighSuser heraus. Dazu kam in neuerer 
Zeit die Arbeit von Coray (Leg quatre Hvres d^ Arrieq, iQlit. 
iiu», d'Epictfcte, Paris XBIl), 

]3el Plutarch, welcher von 5o y. Chr« bis um i3o n« 
Chr. gelebt haben soll, und über den Eichhoff (Ueber die 
relig» fiittl, Weltansicht d. ^L Elberf, i833. 4.) ^nd Th. H, 
Schreiter (Doctrina Plut. theol, et moral, in lllgens Zteit- 
«chr. für histor. Theol» B. VL) nachgesehen werden kön- 
nen, finden wir gleichfalls das Anlehnen an Fremdländi- 
sches, besonders Orientalisches, die unproductive Mischung 
der Lehren, den Drang nach religions- philosophischer Aus- 
söhnung des Gedankens mit dem Positiven in der Religion 
seines wie fremder Lander (Amat. i3; De Is. et Os. 67, 68), 
"die vorwallende Neigung für Ethisches, im Gegensätze s^ur^ 
Logik) die zeitgenössische Passivität in seinen Ansichten, 
dafs die höhere Vernunft die Seele, ohne Laut sie berüh- 
rend, durch den Gedanken führe, überall da$ Wort der DH^ 
IQonen töne (Ritt. IV. S. Sog"), den Dualismus der Princi- 
pien'des Guten und Bösen, die Abneigung gegen das Rör- 
perliche, als das zum ßösen . Verleitende (De Is. et Os, 49)» 
Obgleich aber Plutarch als Philosoph seiner Zeit gröfsten- 
theils unterlegen, so gehört er doch unstreitig unter seinen 
Zeitgenossen unter 4ie Priester des Wissens und der Tu- 
gend : ))Ich glaube, sagt er in der Schrift über die Isis, dafs 
die Seligkeit der Gottheit in^ der Erkenntnifs der Dinge be- 
steht) dafs also das Streben nach Weisheit ein Streben nach 
Göttlichkeit, eine Verehrung der Gottheit ist, die an Hei- 
ligkeit alle Kasteiung und Tempelpflege überragt,'^ 

Dasselbe ist von Galen os (i5i bis um 200) zu sagen, 
welcher sich, wie Plutarch, in allen Schulen umgesehen und 
gegen diese eklektisch - skeptisch gestellt, ferner die Unter- 
suchungen über das Praktische den rein speculativen vor^ 
gezogen hat (De Hipp, et Plat. plac. IX. 70« Am Anfange 
der Schrift de method« medendi klagt er, dafs zu seiner 
Zeit die schönen Künste verachtet, die Erforschung der 



— 153 -- 

Wahrheit vernachlässigt, die Wissenschaft von den Meisten 
gescheut worden, die nur nach Geld, Staatsämtern, Vergnü-t 
gen gestrebt und den für unsinnig gehalten hätten, welcher 
die Weisheit gesucht. Einem wie dem andern verdanken 
wir eine Fülle des Wissens über da« Alterthum* Und der 
Einflufs des Plutarch ist auf seine Zeit und auf die Periode ' 
des Humanism eben so unermefslich gewesen, wie der des 
Galen auf die Araber und auf das christliche Mittelalter. 
Eine Ausgabe des Galenos veranstaltete Kühn (Leipz. 1821 f.). 
Minas fand auf dem Berge Athos eine dialektische Einleitung, 
in welcher die bekannte vierte Figur erwähnt ist, auf die aber 
Galen so wenig, als die andern alten Philosophen und Aristo- 
tehker WertU gelegt ?u haben scheint. Die Schrift erschien 
zvi Paris 1844. Ein neueres Urtheil über Galen von Fr. Du- 
bois findet man in d. Bulletin der fr. Akademie %. VII, p. 281. 

Sextus Empirikus, welcher zu Mitylene geboren 
worden und am Schlüsse des 2ten und in der ersten Hälfte 
des 3ten Jahrhunderts gefeiert gewesen sein soll, zeigt sich 
mehr von gelehrter als schöpferischer Seite« Uebrigens er- 
scheint er als Sensualist, wie als Skeptiker nur halb. Er 
will nur gegmi die Beimischung der Dogmatiker auftreten, 
welche, als philosophische, das Sichere zerstöre. Pyrrh» hyp. 
IlL i5i : oGov fiav yuQ mi ^y ovvTj&eea xai ado^ccoTtag <vi 
(pafABV 'Aai ctQvd-fiov eivai ti axso/Lisv. i^ de ^oy/u^aTHiCfav 
nsQisQyia uai tov nara tot» xsKivf]X€ Xoyov. Er läfst 
iiunst und Kenntuifs bestehen, wenn tie nicht die letzten 
Gründe erforschen, wollen (Adv, math. I. Z|() sq.). Der Grenz- 
pfahl der Anerkennung ist bei ihm der Nutzen. Die rohe 
Empirie des Subjects ist sein Stern« Eine neue Ausgabe 
seiner Werke erschien von ßekker (ßerol. 1842) gleichzei- 
lig mit der verbesserten von Fabricius (Lips* 1842). 

Zum Schlüsse schalte ich Bemerkungen über das Haupt 
jener Schule ein, welche neuerdings auch in der gelehrten 
Literatur wieder auftaucht. 

y. Debaut, essai hlst, s. la vie et la doctrine d'Amnron. Saccas, 
Bruxell 1836. 4; Creuzer in seiner Ausgabe der Werke Plo- 
tins (Oxon, 1835. III. 4,); Steinhart, Meletemata plotiniana, 
Hai. 1840; Sehulze, de philosophia et moribus Juliani Apost. 
S^imd. 1839^ 4;^ Wiggere, Julian der Abtrünnige in lllgenis 



^ 154 - 

S^eiuohr* far die bittor. Theol. N. F. I. S. 115; Berger» Pr«i 
clttt exposition de sa doctrine, Paris 1840; der deutsche Heraus- 
geber des Proclus (In Platonis Tiinaeum^ Vratisl, 1847), wie 
Cousin (Ouvres, Brnxell« I84l; t. 11, über Olympiodorus ; und 
in der Ausgabe des Proklus, Paris ^8^0 8<I*) ? Ki^ebei über 
Maximus Tyrius in der alJg, Schulzeit, 1833 Nr. 33 f; Fichte 
de philot. nov. Plat. orig. Berol. 1818 u. A, 

Bei PIotiiiQS, welcher 2o5 oder 24^ geboren wurde 
u»d noch 343 Itm Leben war, ist das Beherrschende die 
subjective religiöse Empfindung. Daher verwandelt sich bei 
ihm die Noetik in Mantik, die Physik in Magie, die Ethik 
in Schauen (I* 9« i. 6 sq.)* Oie Energie des Gedankens ist 
gelöst« Er lehnt sich an die PJatoniker, besonders die spa- 
tem, wie Numenios, an die Peripatetiker, Stoiker, orienta- 
lischen Religionslehren an, aber der Orientalismus schlägt 
vor. Er sucht sich loszumachen von der ganzen Welt, TOn 
der Nation, ron der herkömmlichen Tugend, von dem her^ 
kömmlichen Wissen, als einem wirklich nicht Befriedigen- 
den und Höchsten« Er isolirt sich mit seinen Empfindung 
gen, treibt die Subjectivität bis zur höchsten Spitze, um da- 
mit dem entgegengesetzten orientalischen A^^rßten^ dein 
Verschwinden in Gott, zu verfallen. IJnd indem er die Ver- 
werfung iJles Anschaulichen und Beziehungsweisen bei den 
Aussagen ron^ Gott auf die Spitze treibt, langt er bei dem 
{lufsersten Materiellen, der Empfindung an, \^elche durch 
Gas lind I^uft, durch DufV und Speise bestimmt werden 
kann. Scheuen will er, aufgehen, ein Andres werden (VJ. 
9. IQ sq,)« Aber seine Resignation fruchtet wenig. Er ge- 
steht, nur lim Qott herum redest 3U können (VI. 7, 430> 
oder nicht einmal um ihn herum (VI^ 8. 8.). Er Jbescitigt 
die Erkenntnifs des Obersten durch Beweis, er hebt die 
Verschiedenheit des Erkennenden und Erkannten auf, nicht 
wir scheinen Qott, Gott schaut sich. Aber er ist arm an 
Worten, wenn er reden soll. Hein Auge bat es gesehen, 
kein Ohr hat es gehört. Man sollte erwartet^ dafs Ploti* 
nos hier gan^ abbreche und das Be^iebungslose, Unaus« 
sprechliche, nur dem Ekstatischen Geoffenbarte . in seiner 
Unausaprechlichkeit lasse. Aber dem ist nicht so. Er ver- 
kündet das Geheimnifs der Schöpfung; ier &*ei Prinoipien, 



♦ * 



— 155 — 

wie von Gott die WeU- Vernunft, von dieser die Weltseele, 
Ton dieser die Aufsenwelt überfliefsen, stellt unsre Einzeln* 
Seelen, welche Eins sind in der Einsicht und Wissenschaft 
und somit unendlich, weil keine durch die andre beschränkt, 
wie Hörper durch Körper (VL 4. 4.)^ «l» durch Ekstase 
und Aszese zu Läuterndes ^wischen die Vernunft und das 
Sinnliche* Er schreibt endlich auch eine Theodicee* Das 
Unvollkommene der Welt, sagt er, sei nothwendig, weil das 
(Sinnliche, als niederer Grad der Emanation, als bioser Wie- 
derscbein, als Abbild des Hohem, nicht die Vollkommen- 
heit von diesen! haben könne, weil, im Ganzen betrachtet, 
doch Alles gut sei, das Böse nur im Mangel an Besserem, 
an Gtifem besiehe und der Gegensatz, der 8treit der Dinge 
selbst eine gute Quelle habe, insofern die unvollkommenen 
Dinge, von den vollkommenen ausfliefsend, nach diesen 
trachteten und daher n^ehr anstrebten, als sie hätten ([{. 9. 4. 
IJI.. 2. 3 sq.)* 

£s kann uns nuch Allein nicht wandern, wenn der Widerspruchs 
volle nngleicb angesehen worden, oft yon Eineip, So sagt, um 
noch einen bedeutenden Punkt zu ergänzen, Ritter (IV. 6)5) : 
,,Plotint Jfrele ist nicht erfinderisch; ii^an wird keinen neuen 
begriff he\ ihm nachweisen können/^ Aber an zwei andern 
Stellen räumt er wiederuu) dem Platin EigentbUmlicbes ein. 
,^£s ist^ sagt er S. 581, einer der bedeutendeil Z^ge, durch 
welchen Plotinos nicht allein vom Pli^toq, sondern fast vom g^n- 
sen griechischen Altcrtbuiny seitdem dasselhe zu einem klaren 
Pewafstsei^ seiner Bestrebungen gekommen war> sich i^son* 
dert, dals er vqu dem Begriffe des Unendlichen^ vor deiii sogar 
Philon sich scheute, das Beste aussagt und nicht zugiebt, dafs 
Gott in siph selbst seine Grenze, sein Mafs^ und seine IJestim- 
müng habe, denn dadurch würde er nur der Zweiheit anheim- 
fallen (V. 5, 11; 6. 13; 9. 6.)," Und S. 01^ bemerkt der Gc- 
Schichtschreiber: ,,Bald ruft Piotinos aus: alle diese Dinge sind 
Scheinbilder und nichts Wahres (11^ 6. 1.); bald sagt er: Alles 
ist hier, was dort ^V. 9, 13.)* Dieser Widerspruch treibt seine 
Wurzeln bis in ß^o allgemeinsten Begriffe hinein und spricht 
sich in diesen als der Grund der Emanationslehre aus, welche 
es darauf anlegt, einem jeden AusQusse ein Bestehen für sich 
anzneigneii, ihn aher zugleich als ein Nichtiges f&r das Höhere, 
für das Aysfliefsende zu begreifen, Nach dem einen Ende er- 
giebt sich daraus, daft die Materie ein völliges Nichts isl^ nicht 



^ 156 — 

fttr ein anderes Niederes, weil sie das Letzte, nichi ftir ehi an- 
deres Höheres, weil für dies sein Niederes überhaupt nicht, zu- 
letzt auch nicht fiir sich, weil sie nur Grenze, Man kann 
diese Ansicht von der Nichtigkeit der Materie als einen bedeu- 
tenden Fortschritt ansehen, welchen Plotinos in der Richtung 
der griechisch - orientalischen Philosophie machte, indem diese 
wohl damit enden mufste einzusehen, dafs der alleinigen Wahr- 
heit des Uebersinnlichen keine Wahrheit des Sinnlichen gegen* 
über stehen könne.^' 

Wirth (Die speculative Idee Gottes, Stuttg, 1845, S. ^45; 
Fichte^s Zeitschrift Jahrg. 1846, S. 105) sieht in dem l^euplato- 
nitm gleichfalls Fortschritt. „Es sei auffallend, bemerkt er an 
der letzten Stelle, dals Fischer HegePn zugestehen möge, dafii 
der Neuplatonism Pantheism mit einer negatir idealistischen 
Richtung gewesen sei. Er habe (Idee Gottes a. a. O.) auf^a 
Bestimmteste das theistische Grundprincip des Neuplatonism na- 
mentlich aus dem Commentar des Proklus zum platonischen Par- 
menides (Ed. Cousin V. 11 sq.) dargethan und den Ausspruch 
citirt: xat yce>Q arojtovy ^ficcg fuv ytvcaOxsiv ro Jtcsv xai rag «*- 
nag rtay yiro^tcevwv, avro de ro xoitty ctyyotiy xai eavro xat r« 
XoisjMva xaQ avr&. Das Wahre sei, dafs der Neuplatonism, 
wie jede fichte Philosophie, jenseits der Ant^ese des Theiaui 
und Pantheism, wie' sie ein abgezogenes Wiss^li statuirt, stehe, 
und das Absolute als die reine Einheit des Unendlichen und 
Endlichen bestimme, welche in ^ich auf ewige Weise Leben, 
Seele und Geist ist. Hierin sei der Neuplatonism nichts alt 
die begriffliche Ausbildung der Lehre Platons, welche gleich* 
falls nicht einseitig als Theism bezeichnet werden könne, viel- 
mehr Gott als Geist bestimme, der vermittelst der Weltseele 
seine Ideen in der Materie verwirkliche und dadurch mit der * 
Welt eben so ein organisches Ganzes bilde, wie der Ckist dea 
Menschen mit seinem Leibe, mit welchem er dureh die Seele 
snsammengeschlossen sei (Phileb, 3Q, Timaeus}/^ 

So viel ist in der Geschichte det Philosophie unzweifelhaft, 
dafs die Wirkung des Neuplatonism nicht nur im Alterlhume, 
sondern auch bei der italienischen Regeneration und Hk der 
jüngsten deutschen Philosophie eine s«hr grofse gewesen. Hier 
sei im Voraus an Giordano Bruno, an dejn Einflufs auf die 
deutsch- 8 jmbotttche Schule erinnert. 



. -. 157 — 

XIV. 

Erste Periode der christlich 'in^natimalen Philosophie* 

Die christliche Philosophie &nd bei ihren Auftreten 
den Bodeu vielfach gelockert. Die Physik der christlichen 
Philosophie hatte sich auf Hypothesen gestützt, ron welchen 
schon damaU mehrere als unhaltbar erfunden wurden; die 
Ethik auf politische Institutionen, welche ver&üen waren 
und noch mehr rerfielen. Das bunte Gewühl verschiedner 
' Schulen erleichterte die Ueberwindung um so mehr, als 
keine die Kraft der Stifter, die meisten nicht einmal die 
Einsiclit und das Verständnifs des Klassischen hatten. Die 
Verbindung zwischen Gott und der Welt, der Zielpunkt 
philosophischer wie menschlicher Sehnsucht, schien mangel« 
haft hergestellt zu sein. Aristoteles gab keine jener 
Zeit genügende Antwort auf die Fragen, wie wir uns dem 
Unbewegten und Bewegenden, Gott, nähern könnten, war- 
um neben dem- reinen Wirklichen die unroUkommne Welt 
besteht« (RitU IV.- 697.) Zwar hatten die Stoiker Gott in 
die Welt Terlegt, diese mit dem Logos erfüll^. Aber diese 
Lehte mufste bei der Beschaffenheit der Welt etwas Ab- 
stofsendes haben, wenn auch nicht die stoische Vergänglich- 
keit des Menschen un<{ der Welten dazu gekommen wären. 
Die orientalische, im Gegensatze zur hellenischen Lehre ste^ 
hende Rtihe des Göttlichen, seine U^ibefangenheit durch die 
Welt konnte als Gegensatz zur Stoa wohl anregen, aber 
noch weniger befriedigen. Gott, zu dem man doch wollte, 
stand so fem, dafs nur Mittelglieder und überweltliche Ema- 
nationen ihn mit dieser in Verbindung setzten. So herrschte 
d^nn für jene schwächliche Zeit Rathlosigkeit, als die Chri- 
sten ein Geschehenes, eine Geschichte, als den festen Punkt, 
als ^en Fels im Meere der Meinungen hinstellten und an 
Ueberwindung des Welt-Skeptrzism giengen. Und wer die 
Geschichte Christi nicht glaubte, der iionnte dem Glauben 
der Blut£eugen glauben. Der Sieg des Christenthums ist 
der Sieg der Idee der Geschichte über die Speculation, 
d* h. des Products über den Factor, was in der Welt- 
geschichte im Kleinen" wie im Grofseu sich zu wiederholen 



— 158 — ^ 

pflegt und bei Abschätzung d«« WerthM beider als natur- 
gemäfs erscheinen mufs. 

Ist aber die Grundidee des Cbristenthums die Ge- 
schichte, so ist damit auch die Hauptaufgabe der christlichen 
Philosophie bezeichnet« Zuvorderst galt es, die seitliche 
Oescbichte des Chrifienthums zeitlich festzustellen, um sich 
an das spezifisch Eigenthümliche sicher anlehnen %u können, 
ilsezu wufde der BegriflF der Tradition ausgebildet, z. ß, von 
Jrenäus (Adr. haeret. II I. s sq)* schon sehr bestimmt. Der 
Bemerkung, dafs auch Neues, also nicht Geschehene« zum 
Vorscheine komme, setzte man mit Basilius die Unterschei- 
dung Ton Dogma und Kery^a^ die Bemerkung, dafs be- 
reits Yorhandenes nur entwickelt werde | den Versuchen^ 
Geschichte su miKshen, aber den PräscMptionsbeweis Tei^- 
tullians entgegen, welcher sich in dea Satz von Vincentius 
Leriuensis verlief, , dafs katholisch sei^ was immer überall 
und von Allen geglaubt worden. Es galt aber die Idee der 
Geschichte nicht blos als zeitliche, sondex^n auch als vor- 
tteitlii^e hinzustellen, das Chri^pthum ^ rorgeschich^cfa^* 
d* h. ewig' zu «achen, dem grofsen -Dogpaa der steten 
Gegenwart das der Vergangenheit beizufügen, inrenn man- 
diese ungewöhnlichen und nur das Hervorstechende bezeich- 
nenden Ausdrücke gebr^pch^n darf. Dies4tonnte nur dureh ' 
Aufsuchung der Anlehnungspunkte tn den dem Christen- 
Ihume vorausgehenden Erscheinungen geschehen, i^unächst 
lag das Judenthum, welches als altes Testament die direote 
und offenbare VeHängerung rückwärts sein sollte* Bmir 
ftufsert, bei Origenes erseheipe Christus wie ein allegori- 
scher Interpret des Aa.T« Mali knüpfte hier an die Messias- 
Idee der Bibel und an di# jüdtseh-alexaodriniache {iOgos- 
idee an. Aber aueh 4.\e VerUtngerung des Cbristenthums 
in*s Heidenth«m zurück wurde durch die Logos -Idee be- 
werkstelligt. Sehon ^ustinus, der Blutzeuge^ glaubt^ dafs 
Christus als Logos auch in den Heiden th&tig gewesen, dafs 
sie das OTUQfia ti Aoy» den GTtcQfidi^lxos koyoSf einen 
Theil des I^ogos, wenn aueh «icht den ganzen Logos ge- 
habt (Just* opp. Paris i6i5. Apol. I. 40 sq« Apol« II. p. 81 
sq.) Und Riemens CSW. I. 298) sagtt ^Tms «^ ^ %ß ßuq^ 
ßa^o€ i] T€ ^JEikf^rtx^ ip$i.QG9fpta Tf;r uiSiov aXr^d^H^iv ona- 



— 159 — 

fk//nov Tiva H TfjQ Jiovves i^iv&oXoyl&i^ tfjs 9^ t9 Xoys 
r« ovTog asi d^soXoyias'jxBnoir^Tar o ds lä dtfjQfj/^vu aifv- 
&ets (xHf&ig xai ironoifjoag reXe^ov tov Xoyor €V lüd-^ 6%i 
H€tTOtp€Tm TTjV aXr^d-BiüV* So trat die Trinkätslehre als 
Geschichte heraus, als Mittelpunkt der Geschichtsj^ee* Fragte 
das Dogma der Gegenwart nach der Qualität Gottes iUr 
vns, so ff&gte das Dogma der Vergangenheit nach der Qua* 
lität vor uns und endlich ein drittes damit ge«mu misammen- 
hängendes nach der Qualität nach uns. Denn mit dieser 
▼orchristiichen Thätigkeit Christi, mit det» Giiederung in 
altes und neues Testament^ mit der Grundidee dei" Geschichte 
war auch natürlich der BegHff der Erziehung, das gt'ofse 
Dogma der Zukunft, gesetzt, welches in steigender Weise 
bei Theophilus (Ritt. V. 3a6), Irenäus (eh. 353), TertuUian 
(eK 4o6), Riemens v. AI. (eb* 453), OHgenlis (eb. 64i>, 
Augustinus CRitt. VI. 395) herausti-itt. Der Zweck der Ge- 
schichte bestand, wie Athanasius sagt) den verlornen Logos 
wieder zu hnden; das Unvollkommene des A. T. vollkom- 
vxttk zu machen^ nadh digr Ansicht des Eusebius; . das Reich 
der Qnade vorzubereiten, die FüUe der Zeiten nach dem 
Rathschlüsse Goltes einzuführen, nach Augustinus, tm spe<* 
culativsten Punkte der christlichen Philosophie, in der Trini- 
tätslehre, hat ^«|ets das Histori^e vorgeschlagen« Ent- . 
spricht die erste IPerson der unwandelbaren, vorzeitlichen 
tmd vorfäumlichcn, in* die Welt nicht eingehenden, über* 
Schwänzchen, unbegreiflichen, absoluten Ursache und Grund« 
£itiheit, so entspricht die zweite dem den Weltanfang Grün- 
denden^ Demiul^gischen, in die Welt Eingehenden, die dritte 
der Zukunft der Welt wie des Menschen und Allem^ was 
mit dei" Zukunft zusammenhängt,^ der Prophetie, der Voll- 
endung der Dinge, der höchsten Stufe, wo2u der Mensch 
hier und dort gelangt. Maximus ^st'der Ansicht, dafs Gott 
als Vater der Grund, alles Seins, als Sohn Schopfer,, als 
heil. Geist Vollender sei (Ritter VI. 542). Die Lehre des 
Gregorius von Nyssa und GregoHus Von Nazianz über die 
Vollendung der Dinge (zv^ der auch das ßöse gelange, weil 
Gottes Wille, die vernünftigen Wesen zu Geföfsen des Gu- 
ten '4M machen, nicht eitel sein köune) ist mit der Lehre 
^ vom heil. Geiste verknüpft (eb*- 8. i44). Gregor von Na- 



— ;60 — 

zianz nennt dep Vater die Ursache, den Sohn den Demiurg, 
den Geist den Vollender. Gregor von Nyssa vergleicht den 
Vater mit der Quelle, den Sohn mit der evegysia, den 
Geist mit der vollendeten ävrafag (eb. S. gS). Athanasius 
sagt, unter Voraustritt des Riemens v. Alex. (Faedag. liK 
]IK cap. ultO) Gott sei als Vater über allen, als Sohn durch 
alle, als Geist in allen Dingen (eb. S. 63). Nach Origenes 
iheilt uns Gott im jenseitigen vollkommenen, also künftigen 
Zustande, den heil« Geist nicht stückweise, sondern ganz 
mit (Ritter V. S. 557)» Djcrselben Ansicht ist Riemens (eb» 
S. 462). Irenäus läfst die Erziehung nach dem Sohne von 
dem Geiste weiterführen (eb/ 8* 558) etc. Es war dabei 
sehr natürlich, dafs die Person der Zukunft nur nach den 
andern zwei sicher und fest gezeichnet wurde. Justinus' 
(Apol. maj. p, 56 iq*) nimmt den heil. Geist als ra^ig^ 
Tertullian als gradua tertius Iriiiitatis (Adv. Prax. c. 4.>> 
Origenes ordnet den Geist unter ( Comment. in Genes, a. A. ; 
In Job, IL G. 60 lind bringl ihn noch nicht in die genaue 
Verbindung mit der Vollendung d*5r Dinge, wie Gregor von 
Nyssa ; die Arianer fwlslcn Jen heil. G«st ah erstes Ge- 
schöpf des Vaters durch den Sohn; Maoedonius läugnete 
die Homousie des Geistes etc. 

Es erhellt, um auf einen andern .hier anzudeutenden 
Punkt überzugehen, schon aus dem Gesagten, dafs der 
Wachsthum und die Entwicklung der christlichen Grund- 
idee nicht in exclusiver Weide möglich war. 

Ueber den Einftuft derjintiken Philosophie und des Orientalismus 
auf das Christliche ist heftig gestritten worden. Einen Mittel- 
weg schlägt Hagenbach ein, indem er das Ueberweltlichiß des 
Christenthums zu retten sucht. „Sa wenig, sagt er (Dogmeng. 
I« 34.)) das Christenthum nach seiner Eigenthuwlichkeit begrif- 
fen wird, wenn man es nur als eine neuePhilosophie und nicht 

• vielmehr als thatsächliche Offenbarung des Heils fafst, so wenig 
darf verkannt werben, dafs es in seinen Benkformen an Vor- 
handenes sich anschlofs, dieses aber mit seinem neuen beleben- 
den Geiste durchdrang und es In sein Gigentham verwandelte. 
Dies gilt namentlich Von der alexandrinischen Bildung, welche 
am VoHslIindigsten darch Philo reprasentirt wird, und welche 
in einigen der nentestamentlichen Schriften, namentHch in der* 

Logos- 



— 161 — 

Logo^lpbre, weno auch nur in den allgemeinsten Umrissen, zu 
Tage tritt, später aber auf die christliche Speciilatiön einen 
entschiedenen Einflafs übte/' 

Man kann hierüber nachlesen: Bohlen, das alte Indien, Kö- 
nigsb. 1830, S. aOi ; Ritter, über die Emanationslehre im Ue- 
bergang aus der alterthüml. in d. christl. Denkweise, Gott. i647; 
Stuhr, die Religio nssysteme der heidnischen Völker des Orients, 
Berl. I. Th. der Religionsform. S. 99; Bäunilein, Versuch die 
Bedeutung des joli. Logos aus den Religionssystemen des Orients 
EU entwickeln, Tüb. 18'28 ; Ackermann, das Christliche in Plato 
und in der platonischen Philosophie; Ch. F. Baur, Sokrates 
und Christus, Tüb. Zeitschr. für Theol. 1837. 

Der Einflufs der griechischen Philosophie auf das Chri- 
stenthum ist um so wcuigcr zn be/.weifeln, als mr wissen, 
dafs viele Lehrer und Schriftsteller der Christen theils die 
Philosophie vor ihrer BeheEirung gelehrt , theila philosophi- 
sche Erziehung genossen* Justimia sagt, dafs ihm die Phi- 
losophie den Weg zur christlichen Heligton bereitet; Athe« 
nagoras trug noch nach der Behehrung den l'hilosophen- 
mantel; Irenäus war uiiermü Jeter pliilosophischer Eklekti« 
ker; Pantänus, der Lehrer des Clemens v. Alex., war Stoi- 
ker; dein Clemens von Alexandria sagte Hieronymus nach, 
daT» er mitten aus der Philosophie herausspreche; dem Ori- 
-genes, dafs er in den Schriften des Platon, Aristoteles und 
aller Philosophen gcprafst; Basilius der Grofse hörte den 
Libanios; Gregor von Nazianz studirte zu Alexandria und 
Athen die Philosophie; Synesios war ein Schüler der Hypa- 
tia etc. Man hat unter den Vätern solche unterschieden, 
welche die platonische und neuplatonische Philosophie vor- 
gezogen, wie Justinus, Jrenäus, Eusebius, dann solche, wel- 
che den Aristoteles vorzogen, wie Johannes von Damascus, 
endlich Eklektiker, wie Justinus, Clemens v. Alex., Grego- 
rius Thaumaturgus, Lactantius etc. „Philosophie, sagt Cle- 
mens (Strom* U I. p. 358. ed. Pott.}, nenne ich nicht die 
stoische, oder platonische, oder epikuräische und aristote- 
lische, sondern alle probehaltigen Aussprüche dieser Schu- 
len, welche Gerechtigkeit mit frommer Weisheit lehren," 
Philosophie haben die Väter getrieben, wie an den Schrif- 
ten eines Tertullian (Apolugeticus, ed. Ritter, EberfeM 1827; 
Giunposcb, Dr. V . F. » Geschichte d. Philosophie. 1 1 



— 162 — 

Gertdorf, Bibliotheca patrist« Lips. 1839. 1^0) eines Arno- 
bius (Adirersu« Gentes, ed* Hildebrand, Hai. i845, ed. Deh- 
ler, Lips. 184G; UeberseU. t* Besnard, Landsh. 1843)9 Laug- 
tantius C^ii^titutionum di^inar. lib« VII, ed. Frilzsche, Lips. 
1843 sqO ^- ^* erhellt. Einige haben selbst mehr speziell 
philosophische Probleme gewählt, so Gregorius von Nyssa 
(De anima, opera cd. Morelli t. III.), Augustinus (De im- 
morlalitatc animae; De animae quantitate; De anima et ejus 
origine ; De origine epist. ad Hicronymum, opp. ed. Mau- 
rin t. I. X. II; De ulilitate credendi, ib. t. VllI; De ma- 
gistro; Lib* III contra Academicos; De vita beala; De ori- 
gine; Soliloquia, ib. t. I.), der vielen religions - philosophi- 
schen Schriften hier nicht zu gedenken. Bis in's späteste 
Mittelalter hat man besonders den Piaton als Quelle und 
Beispiel, wie weit die IMiilosopbie führen könne, bewundert. 
So sagt Otto von Freisinn, der Verehrer Gilberts, in sei- 
ner Chronik If, S ; ünde nou inconvenienter arbilrati sunt, 
qui cum (Platonero) cum cactcris philosophis uaturali inge- 
nio per vi^ibilia mundi irivisibilia cromprehendisse dixerunt. 
Omnia enim, quae de diritia natura humana ratione investi* 
gari possunt, invenerunt, exceptis his, in quibus summa sa> 
lus consistit, quae per gratiam Jesu Chr. a mansuetis corde 
cognoscuntur. ünde Augustinus, ^^in princlpio ^ erat ver* 
hum>^ et omnia quae in profundissi'mo sermone Evangelista 
prosequit^ir usque ad illum locum, ubi de mysterio incar- 
iiationis agere iucipit, in Piatone se invenisse dicit. Man 
kann sich aus dem Gesagten alle die wiederholten Empfeb« 
lungen der Philosophie bei den Vätern Justinus (Dialog, 
cum Tryphone p. 106 sq. ed. Marani), Clemens r. Alexandr« 
(Strom, p. 592 sq.)) Basilius (Diss. quomodo adolescentes 
possiiit ex gentilum libris fructum capere* Opp. ed. Paris 
1721 t. II. p. 173 sq.), Augustinus (De civit. dei II. 40.) 
erklären. Und man wird bei ihnen leicht eine Menge rein 
philosophischer Probleme angeregt finden. Ich erinnere »♦ 
B. , bevor ich zum Speziellen übergehe, an die Sätze des Au«- 
gustinus (De trin« X. 1 — 3) über das CrkenntnifspVoblem : 
(^ui scire amat incognita non ipsa incognita, sed ipsum scire 
amat. Quod nisi habere cognitum, neque scire se quis- 
quam posset fidentcr dicere, neque ncscire. 



--^ 16S — 

Der Charakter der ersten Periode idt der der Indiyidua- 
tion. Es handelt sich in ihr hauptsächlich um die feste Ge- 
staltung eines für sich seienden geistigen Organism, und 
zwar zuerst im Gefühle und in der ihm entsprechenden Po« 
lemik, wie Assimilirung, nicht im Geiste. Denn wir be^ 
sitzen aus dieser Periode kein umfassendes und rollkommen 
gegliedertes System. Mit steigender Kraft wird das We- 
sentlithe, die Abwehr des Unwesentlichen, die Tilgung des 
Schwankenden und Mannigfaltigen, der sensus communis^ 
hier bald als Präscriptions -Beweis, bald als andres Moment 
gefafst, angestrebt« Dies erhellt schon an der Gestaltung 
des Begriffes des Glaubens, 

„Erst wurde er, bemerkt Ritter (VI, 6i6), zu weit gefafst, indem 
man zuvörderst nur die NotbwencUgkeit des Glaubens darkuthuQ 
suchte und dafür Beweise beibrachte, welche mit dem religiö- 
sen Glauben, auf welchen es ankam, gar nichts zu thun hat<- 
ten, wie die Ueberzeugung von der Wahrheit der sinnlicheo 
Wahrnehmungen, der Aufsenwelt und der wissenschaftlichen 
Grundsätze. Bei Origenes reinigte sich dieser Begriff schon 
und gründete sich ausschliefslicher auf das Vertrauen zu Gott 
und zu seinen Anstalten zur Erziehung und Beseligung der 
Menschen« Und mit den Streitigkeiten über den heiligen Geist 
und seine Wirkungen in der Kirche bildete sich dieser Begriff 
des christlichen Glaubens immer bestimmter aus und gestaltete 
sich zuletzt beim Augustinus zu der festen Ueberzeugung, dafs 
wir nur in der gläubigen Hingabe an das gottliche Ansehen^ 
in der Liebe Gottes und in der Gemeinsefaaft der Kirche die 
Erkenntnifs der Wahrheit gewinnen konnten. Damit aber war 
auch der Wendepunkt gekommen, wo dieser Begriff eine zu 
enge Fastung annahm etc*^' Die Indivtduation selbst mufste 
•ich nothwendig gegen die Teral|gemeinernden Ürscheinungen^ 
die klassisch -hellenische, die jüdisch - alexandrinische Philo- 
sophie und die verallgemeinernden Secten kehren. Und dies 
geschieht denn auch in einem Grade, dafs ein Origenes, wegen 
der frühern Weite seiner Ansichten, der Verdammung nicht 
blos von der ungelehrten Seite, sondern auch der Anfeindung 

• von der zweiten gelehrten antiochcnischen Schule nicht ent- 
gehen kann, und Augustinus die Ausbildung des Dogmas der 
Vergangenheit bis auf^s Aeufserste tetkümmerte. Unter den 
biezu beitragenden Secten stehen die Gnostiker und die Ana- 
• ner oben an« 

11* 



— 164 — 

Während Rixner nur im AJIgcmeincn von einer Familie der 
Gnostiker redet, hat man in neuerer Zeit genauer zu scheiden 
und zu charakterisiren versucht. Baur unterscheidet drei^l^upt- 
formen (Dogmcngesch. S. 64). 

Erste Hauptform. Das Chnstenthum ist die absolute Eeli- 
gioo, aber zwischen Christenthum, Judeathum und Heidenthum 
ist kein absoluter Gegensatz, sondern sie verhalten sich wie 
Stufen einer zusammenhängenden Entwicklungsreihe zu einan* 
der. Dieser Form gehören die meisten und ältesten gnostischen 
Systeme ^an, die Systeme des Basilidcs und Valentinus und der 
zahlreichen Schüler des Letztern, der Ophiten und der zu ihnen 
gehörenden Nebensecten, des Saturninus und Bardesancs. Dafs 
sie eine bald gröfsere, bald kleinere Aeonenreihe annehmen, 
das Verhältnifs der Materie und des Demiurg zu dem höchsten 
Gott so oder anders bestimmen, über Christos mehr oder min- 
der doketisch denken, macht, da Dualismus und Doketismus 
zum gemeinsamen Charakter aller dieser Systeme gehören, kei- 
nen wesentlichen Unterschied ; die Hauptsache ist, dafs alle 
diese Gnostiker schon in der vorchristlichen Periode, sowohl 
in der heidnischen als der jüdischen Welt eine vielfache Einlei- 
tung und Vorbereitung des Christcnthums annehmen 5 ganz nach 
der Weise der alexandrinischcn Religionsphilosophie. Das Chri- 
stenthum ist ihnen die Entwicklung der absoluten Religion aus 
den schon in der vorchristlichen Welt vorhandenen geistigen Ele- 
menten. Das ausgebildetste und geistigste der Systeme dieser 
Form ist das valentinianische und der Hauptpunkt, um welchen 
sich in demselben die ganze Entwicklung bewegt, sind die Lei- 
den der Achamoth o^er der Sophia. Die kosmogonischc Frage, 
wie Alles geworden, wie aus dem Absoluten, eine endliche Welt 
entstanden ist, steht in diesem Systeme voran. 

Zweite Hauptform. Das Chiistcnthum ist die absolute Re- 
ligion, aber zvfischen dem Christenthuln auf der einen und dem 
Judenthun^ und Heidenthum auf der andern Seite ist kein ver- 
mittelnder' Uebergang, sondern nur ein absoluter Gegensatz. 
Marcion^s System ist es allein, das diese Form der Gnosis re- 
präsentirt, es ist aber eben defswegen nur um so merkwürdi- 
ger. Es hat vor Allem eine streng altjüdische Tendenz ; aber 
in denselben schroffen Gegensatz wie zum Judenthum setzte es 
sich auch zum Heidenthum, Das Vorchristliche steht in der 
Ansicht Marcion''s so tief unter dem Ohrisilichen^ dafs es den 
Namen der Religion gar nicht verdient-^ das Eine steht völlig 
unvermittelt neben dem Andern^ wenn auch Judenthum und 



— 165 — 

HeideiHhiim die nothwendige Voraotsetzung des Christenthtuiis 
sind, fo vräre e« doch nicht die absolute Religion, wenn ni^hr 
Bwiscben ihm und allem Vorchristlichen, oder zwischen dem 
unbekannten erst durch Christus geoffenbarten -Gott und d«m 
Deroiurg, als dem Gott der Natur und des Gesetzes, ein abso- 
luter Unterschied wäre. Marcions System ist der reinste Dua- 
lism, aber er hat nicht sowohl metaphysische als ethische Be- 
deutung. Auch dieS" unterscheidet hauptsächlich diese zweite 
Form von der ersten. Marcion^s System bewegt sich zwar 
gleichfalls in dem gnostischen Gegensatze der beiden Principien, 
Geist und Materie, aber diese metaphysische Grundlage dieilt 
^ nur dazu, das eigentliche System auf sie zu bauen, mit seinem 
das sittliche Bewufiftsein betreffenden Gegensatze zwischen G«;- 
setz und Evangelium, Gerechtigkeit und Güte. Es ist so über- 
haupt der Standpunkt des Bewufstseins, auf welchen Marcion 
sich stellt. Schroff und unvermittelt ist Alles in der Welt- und 
Religionsgeschichte, nicht sowohl weil es an sich an einem ob- 
jectiven Zusammenhange fehlt, als vielmehr nur darum, weil 
man sich vom Standpunkte des christlichen Bewufstseins aus 
keiner Vermittlung bewufst sein kann. 

Dritte Hauptform« Das Christenthum ist die absolute Reli- 
gion, aber nur in seiner Idendität mit dem Judenthum auf der 
einen und dem Heidenthum auf der andern Seite, ist eben defs- 
wegen ein absoluter Gegensatz. Diese Form der Gnosis stellt 
sich uns in dem System der pseudoclementinischen Homiliei 
dar, das mit seinem eigenthümlichen Charakter nicht nur vom 
selbst in die Reihe dieser Momente sich einfügt, sondern auch 
unstreitig alle Elemente eines gnostischen Systems enthält. Aecht 
gnostisch ist in ihm Alles an das Gesetz des Gegensatzes ge- 
bunden und die ganze Entwicklung der Menschheit in den Ge- 
gensatz eines männlichen und weiblichen Princips, einer wah- 
ren und falschen Prophctic, des monotheistischen Judenthums 
und des polytheistischen oder dämonischen Heidenthums, oder 
in letzter Beziehung in den Gegensatz der Vernunft und der 
Sinnlichkeit hineingestellt, weil die an sich seiende Wahrheit, 
wie hier klar ausgesprochen ist, nur durch Gegensätze und ihre 
Vermittlung erkannt werden kann (der Kanon der Zyzygie). 
Nur modificirt sich hier Alles nach dem streng monotheistischen 
Charakter des Systems. Die Materie und das Princip der de- 
miurgischen Thätigkeit kann nicht aufser Gott, sondern nur in 
Gott sein und das Christenthum tritt nicht erst in einem be- 
stimmten Zeitpunkte hervor, sondern es hat mit der Welt- und 
Mens<^engeschichte selbst seinen Anfang genommen. Christus 



— IM — 

ist M alt wie Mose« und Adam, tr. kt der wi^derersehienene 
Adam telbtt* Hiat die crtte Form der Gnotit vorzag» weise 
eine« iiietap1iyfitc1i-kotiiiogOBitoliea> die swette eineii tubjectiv- 
etbitehen Charakter, to kaan der Charakter dieaer dritten Form 
«b der objectiv- ethische beseichnet werden^ aofern sie sich 
gans IQ die Objectivitat der mit den Patriarcheii des A, T. be* 
ginneDden Geschichte der Menschheit hinstellt,^^ 

An das Dasein der Gnostiker wie ihrer Voraussetzungen 
und theilweise an deren Lehrsätze knüpfte die alexandrini- 
sehe Schule an, zu deren Lehrgebäude Clemens die Funda* 
mente, Origenes den Ausbau gaben, der Letztere wesent* 
lieh auf platonischem Boden stehend. Beide erkennen die 
j^Vfoatg an als eine höhere Stufe und Clemens rergleicht 
den Gnostiker mit dem Erwachsenen, der Furcht des A. T. 
Entwachsenen, auf einer höheren Stufe der göttlichen Er- 
ziehung Stehenden, (Paedag« L p. iii« Strom. VI. p. 663). 
Die Rechtfertigung des Wissens muis ihren letzten Grund 
darin haben, dafs sie eine Ausstrahlung des Logos ist. Zu- 
gleich werden aber auch bei ihnen alle übrigen Probleme 
aufgenommen, soweit die Anregung in der Zeit lag, und 
werden so wei( spezifisch christlich beantwortet, als es das 
Bewufstsein erlaubte. Denn in der Zeit l^g z. B, jene An- 
regung durch den Manichäism noch nicht, unter deren Herr- ^ 
Schaft Augustinus, im Kampfe mit eipem vielleicht verstän* 
dig nüchternen, in gewisser Beziehung also überlegenen 
Gegner, seine subjective und darum bis 'auf den heutigen 
Tag allen Subjectiren so vrohlgefällige Ansicht über das 
Böse und die Gnade geltend machte, und so jenen herben 
Gegensatz, jenen Dualism, hervorrief, der eine böse Erbschaft 
geworden ist. Die christliche Welt war durch die ariani« 
sehen Kämpfe noch nicht erschüttert, welche so stark auf 
die antiochenische Schule und alle gröfsern Kirchenlehrer 
gewirkt. 

Es wäre über die einzelnen Gestalten Vieles zur Er- 
gänzung noch zu sagen. Hier mufs aber wegen Beschrän- 
kung des Raumes Einiges über eine der wichtigsten genügen, 

Origines ist, nach dem einstimmigen Urtheile Aller, der 
Erste, welcher ein Gebäude der Lehre versuchte (Redepen- 
ning iL S, 273 f.)» wozu besonders die Katechesen des Cle- 



— 1Ö7 — 

mens u. A. vorbereitet und gendthigt hatten. Und er tliut 
dies mit dem vollen Bewufstsein, denn er wfist darauf hin, 
doTs eich die Apostel an's INothwendige, oft ohne Beweis, 
gebalten. Die Lehren selber entstanden ihm durch eine 
vom Irdischen und Sinnlichen zum Uebersinnlichen und Ewi- 
gen aufsteigende Betrachtung. Dies beweist die ganze Be- 
schaffenheit des Systems. Die Ausgangspunkte der Dogmen- 
bildung darin liegen immer in der Mitte des Umkreises, von 
dem es begrenzt wird und hier, in den eigentlichen Grund- 
lagen der Untersuchung^ ist vollkommene Uebereinstim- 
mung: wo aber die Folgesätze am weitesten auseinander- 
gehen, um das transceiidente Gebiet zu erreichen, da sind 
die schwächsten Stellen dieses Systems. Von der Erkennt- 
nifs der Werke Gottes, vor Allem von dem edelsten dar- 
unter, der geistigen, menschlichen Natur, schreitet Orige- 
nes bei der Bildung der Leinen zur Erkenntiiirs des Schö- 
pfers fort (c. Gels. VII. 728)* Aber einen nndm-n Weg 
nimmt die wissenschaftliche Zusammcnordnung der in jener 
Weise gewonnenen Lehren i Ist niaiij aufsieig^ond von dem 
Ffiederen> zu dem Höheren hingelangt, hat man es gefun- 
den, erkannt, so wird die Darlegung, von diesem Ursprüng- 
licheren Oberen ausgehend, zu dem Niederen herunterstei- 
gen" (In Joan. X. 178.). Hiebei sollte die Glaubensregel lei- 
ten. Diese stellte die Lehre von der heiligen Schrift an 
den Schlufs, unter den Artikel vom heiL Geiste. Auf diese 
Weise trat für Origenes sogleich die Lehre von Gott, dem 
ewigen Urgründe alles Daseins, an die Spitze, als Ausgange)^ 
punkt einer Darstellung, in welcher die Erkenntnifs des 
Wesens und der Wesensentfaltungen Gottes zu dem Ent- 
stehen dessen, was in der Welt das Ewige ist, der geschaf- 
fenen Geister, deren Fall erst den Ursprung der gröberen 
Körperwelt herbeiführt, hinüberleitet. Ohne Mühe liefs sich 
dieser Stoff um die kirchlichen Lehren vom Vater, Sohne 
und Geiste, von der Schöpfung, den Engeln und denn Sün-> 
denfalle zusammenordnen. Dies Alles enthält bei Origenes 
das fcrsle Buch der Grundlehren. Hierauf betreten wir im 
zweiten Buche die Welt, wie sie jetzt ist, sehen sie entste- 
hen in der Zeit am einem vorweltlichen, obschon nicht ur- 
ewigen Stoffe, um in demselben ihr wandelbares Dasein bis 



zur WicdercrhebuBg und Befreiung der GeUler fortzufüh- 
ren. In diese Welt tritt der Sohn Gottes ein, gesendet vom 
Gott des Alten Testaments, welcher kein andrer als der 
Vater Christi ist; wir hören von der Menschwerdung dea 
Sohnes, von dem h. Geiste, wie er von ihm ausgeht in die 
Gemülher, von dem Seelischen im Menschen, im Unter- 
schiede von dem, was in ihm reiner Geist ist, v6n der -Läu- 
terung und Wiedererhebung des Seelischen durch Gericht 
und Strafen und von der ewigen Seligkeit. Vermittelst der 
Freiheit, die dem Geiste unverlierbar eigen ist, ringt er 
sich hinauf, im Kampf mit den bösen Mächten der Geister- 
welt und den innern Versuchungen, unterstützt durch Chri- 
stus, die GnadenmitteL Diese Freiheit und das Freiwerden 
des Menschen zeigt das dritte Buch. Das vierte Buch be- 
spricht die Offenbarung in der h. Schrift. 

Beim näheren Eingehen auf das System des Origenes 
scheint es passend, zuerst Einiges über die Stellung zur 
Philosophie und zum Wissen vorauszuschicken« Die Weis- 
heit ist eine doppelte : eine weltliche und eine göttliche (g. 
Gels« Vi. 639)* Die erste zerfällt in die Weisheit dieser 
Welt, welche in den encyklischen Disciplinen enthalten ist, 
und in die Weisheit der Fürsten, welche in den Geheim- 
lehren der Aegypter, Chaldäer, Juden und in der helleni- 
schen Speculation zu finden ist (Redep. I. 527 f«)* Die in- 
pere Verwandtschaft der Philosophie mit dem Christenthum 
besteht darin, dafs beiden die allgemeinen Ideen (c. Cels« 1. 
323. III. 473), vor Allem die Ideen Gottes und des Sittlich- 
rechten zti Grunde liegen, Sie sind nicht Erfindung und 
Abstraction, sondern Offenbarung und göttliches Liebt aus 
der Gnade (ib. VIL 726). Unser Wissen ist darum Erin- 
nerung (De orat. p. 237). Gott hat die Grundwahrheiten 
mit seinem Finger in's Herz geschrieben (c. Cels, I. 323) 
Die Ausstattung mit den Ideen und die Hilfleistung bei der 
Entwicklung ihres Inhaltes durch die menschliche Geistes- 
thätigkeit ver%nkt man dem Logos (ib« VII. 726« Piedep. 
J. 333). Das Reich des Logos begann nicht erst mit dem 
Christenthume. Er gewährte den Menschen schon in frühe- 
ster Zeit manche heilsame Kenntnisse. 9,Und viele Philo- 
sophen, sagt Origenes, lehren, dafs ein Gott sei, der Alles 



eräohaffen htthe. Eimge fügen hinzu, daTs Gott Alles durch 
sein Wort gemacht habe, und dafs es el>en dieses Wort 
sei, wodurch er Alles regiere. Und darin stimmen sie nicht 
nur mit dem Gesete (demxA. T.) über^in, sondern auch mit 
den Evangelien* Die sogenannte ethische und physische 
Philosophie lehrt fast durchgängig dasselbe, was unsre- Lehre 
enthält CHom. in Gen. XIV. 98).'' Als Bedingung der Er- 
kenntnifs betrachtet Origenes die sittliche Heiligung (Redep. 
1* 333)« Da die Unwissenheit den Irrthum im Gefolge hat, 
so soll der Glaube des Christen zu ein^m Wissen werden 
(c. Gels« I. 494). Der Inhalt des Glaubens fordert selbst 
dftBU auf, indem die Schrift Dunkles enthält (ib. III. 477)« 
Endlich ist das Chrlstenthum, als Offenbarung der höchsten 
Vernunft, remunftgemäfs, kaiin erwiesen (1^, I. 330) und 
systematisch dargestellt werden (I)e Princ. I. gS). Die wis- 
senschaftliche Einsicht nennt Origenes ao^ia (ib. VI« 609; 
Sei. in Ps. p. 568) und setzt sie iiber die yviaaiQ (Redep. I. 
335).. Indessen hat das Wissen seine Schranke, weil kein 
geschaffener Geist an's Ende kommt (De princ. IV. 365). 
Es wird uns auf Erde;i nicht die ganze Wahrheit kund, 
denn Niemand ist ganz von Sünden rein (Homil. in Nüm. 
XXV. 369) und der Logo.s selbst erschien auf Erden ver- 
hüllt, wird also auf Erden nicht so wie im Himmel erkannt 
(Redep. 1. 345 f.). 

Gott fafst Origenes als Geist auf, (der durch seine Of- 
fenbarung zu sich selbst zurückkehrt? Fischer p. 16), be- 
hauptet aber, dafs er nicht ohne Mafs und Grenze sei, weil 
er sich als Unendliches selbst nicht würde fassen können 
(In Matth. XIU. 569. Redep. II. S. 290). Die Nothwendig- 
keit der Offenbarung gründet er darauf, dafs ^er Vater phne 
Sohn, der Herr ohne Besitz und Knecht, der Allmächtige 
ohne etwas, worüber er herrscht, nicht gedacht werden 
könnten (De princ. I. 3, 10. p. 3. p. ii6.)« Als ürsache~zur 
Schöpfung erscheint ihm Gott, da Gott nur seinetwegen 
habe schaffen können, da er im Anfange ohn^'das gewesen, 
was er 'schaffen wollte (ib. II, 9. 6.). Die Ewigkeit der 
Schöpfung hält er darum fest, weil die Annahmen widersin- 
nig un4 gottlos seien, dafs Gott entweder die Weisheit 
nicht habe zeugen können, ehe er sie gezeugt, oder es ver- 



— 17i - 

mocbt aber nicht gewollt (ib, I. ss »eq.)« Zur Verdeut- 
lichung der Zeugung des Xoyog braucht er Gleichnisse : den 
Ausgang des Strahls von der Sonne, ferner des Willens aus 
dem Geiste etc. Er sagt in Job. XIII. 36 : wäre eivcu %o 
'd^eXijfta TH ^€8 BV Tip 'd-eXfj/iiaTi th vis annQaX'ka%i;(nf 
%s d'^XfifiaTog T» naTQog cig %o fifjHCTi €ivm &vo ^^- 
Xfjfiata c(iKka iv S'eXrj/ita. Der Xoyog erscheint demnach 
als realisirter Wille Gottes. Der Logos steht unter dem 
Vater nach Origenes. Er nennt ihn &evT€Qog 'd'eog (in 
Job, IL 18. VI. 23. XIII. 25* Fragm. de Princ. IV. 35; 
De Orat. c. ib.'). Der Xoyog wird, um seine Einheit mit 
dem Vater und seinen Unterschied anzudeuten, gezeugt 
und ungezeugt genannt (c, Geis. VI. 17): 6 uyevrjrog 
uai nctatjg yev7]if;g (pvosmg nQiaroTouog. Der Sohn hat 
eine .geringere Erkenntnifs der Art nach, weil seine Er- 
kenntnifs nicht dieselbe Wirkung bot (Redep. II. söo. 285« 
In Job. XXXIL 449. De Princ. IV. 378). Das Wort hat 
im Unterschiede vom Vater viele und getrennte Eigenhei- 
ten, ist nicht einfach wie^ der Vater, ist ein GVGrf]fia ^eta^ 
qtlfmtiav (In Job. IL I3.)j enthält in sich die Anfänge oder 
Formen aller Grealur (vergl. Redep. II. S. 295 — 308; De 
Princ. I. 2, 1,). In ihm ist Alles geschaffen, er fallt mit 
der unsichtbaren Welt zusammen, er verleiht dieser das Le* 
ben, ist das Bindeglied und die Einheit der creatürlichen 
Vielheit. Der Logos und die Weltschöpfung lassen sich 
nur in der Abstraction trennen. Origenes strebt aber die 
Einheit immer wieder herzustellen« Wie alle.jAugen, wel- 
che am Lichte Theil haben, von Einer Natur sind etc. , so 
nehmen die himmlischen Mächte am intellectuellen Lichte, 
d. h. an der göttlichen Natur, Theil, weil sie an der Weis* 
heit und Heiligung Theil haben, defsgleichen die mensche 
liehen Seelen; sie sind also von einer Natur und im wech<r 
selseitigen Verhältnisse von Einer Substanz (De Princ, IV. 
36)* Am Ende, sagt Origenes (ib, IIL 6. 3. p. 3i8 sq. In 
Joan. L 17O wird Jeder Sohn Gottes, Eins mit dem Vater, 
ist alles Vernünftige, was fühlen, erkennen, denken kann, 
Gott, wird nur noch Gott sehen, Gott halten, Gott zum 
Maase aller Regung haben (Redep. II. S. 283 f.). Der Un- 
terschicd auf dieser Seite besteht aber darin, dafs die ver* 



- 171 — 

ufiaftigen Geister scboii rar dem Falle mit materieller Sab- 
stanz begabt sind (De Princ, II. s. 3.)) wenn auch mit fcei* 
ner geformten Materie (ib, IL i. 6.)« dafs Gott und die rer- 
nünftigen Geister zwar ron Einer P^ator sind, aber den Iptz« 
tem das Gute picht von ^atur, d« h. substantialiter, ein- 
wohnt, wefshalb der Fall möglich ist (De Princ« I. 8« 4. 
II* 9* 3). So erklärt sich bei ihm das Böse und die Er- 
schaffung der sichtbaren Welt, die naToßoXf] t« noa/^8, wo 
die Geister zu Seelen werden (ib. II. 8. 111. 5, 4; In Joh, 
J. 17.) und in Körper eingeschlossen werden. Nach der 
Verschiedenheit des aus dem Willen des Menschen fliefsen* 
d«n Falles ergebe^ -sich rerschiedene Stufeia. Die erste 
nehmen solche Creaturen ein, welche zwar gefallen, aber 
doch noch mehr der Einheit anhanglich geblieben sind, wie 
die Engel« Ganz von Gott haben sich die Dämonen abge- 
wandt und in der Mitte stehen die Menschen. Die Beschaf- 
fenheit der Körper fährt Origenes gleichfalls auf den Grad 
des Falles zurück. Der Körper ist um so mächtiger und 
stärker, je gröfser die Gemeinschaft mit Gott geblieben ist 
<c. Gels. I. 33; De Princ. II. 9. 3.>. Die Seele selbst ist 
bei Origenes theils eine fleischliche (De Princ. 111« 4* 2 )$ 
theils eine göttliche« Die niedere, oder körperliche« irdi^ 
sehe Seele steht zwischen Geist und Fleisch« Die himm« 
lische hat ewigen Ursprung, ist ror Erscha6^g der sieht«' 
baren Welt gemacht* Ist der Geist aber zur Seele durch 
den Fall geworden, so behält er doch die Sam^n zur Wie- 
dererwerbun^ des Verlorenen : 'yag nwg hv j^eyovB '^X"! 
HUI '^XV ^cttOQ'dJft'd'eiGtc yevsrai v^g (De Princ. II. 8» 5.)» 
Die Mittel sind der göttliche Geist und der freie Wille (ib. 
I. 6. 3.). Wach Origenes giebt es mehrere Woltern euerun- 
gen, Gesammtabrechnungen, wo die Geschicke der Geister 
neu entschieden werden, einige auf- andre absteigen (He* 
dep. II. 347 f.)) so oft nemlich Geister erkalten, für welche 
Gott die Materie schafft. Redepenning (S, ii5) hält dieso 
Lehi^e für eine indische. Das Ende gleicht dann immer 
dem Anfange, ohne dafs etwas verloren geht, auch nicht 
das Fleisch, denn was Gott gtmacht hat, dafs es sei und 
defshalb hat er es gemacht, kann nicht nicht sein (De Princ. 
III« 6. 50- 



— 17i — 

Soll ZQm Schlüsse ein Gesammiurtheil über die Leist- 
ungen dieser Periode für das Bewiifstsein der Welt geföllt 
werden, so müssen die Vorzüge in Peststellung des Mono- 
theism gegen Pantheism und Dualism, wie gegen die Ema- 
nationslehre, und in Verbreitung des Glaubens an persön- 
Jiche Portdauer gesucht werden (Ritt. VI. 619 f.). Zugleich 
wird man von den Vätern dieser Periode die Anfänge der 
Philosophie der Geschichte in mehr sicherer und ausgedehn- 
ter Weise herschreiben müsseu, weil etwas Geschichtliches 
und die Idee der Geschichte die Achse des Christenthums 
war und bleibt, während anderswo leitende Ideen nur als 
Vereinzeltes erscheinen, wie bei Diodor in den Worten sei- 
ner Geschichte Hb. 1. c* 1.; Eneira navras ccv&Qomss fiB- 
VByovTOQ fiev Tfjg nQog aXXfjX^g avyyeveiag, "imioig (fe xai 
IQOVoig dieoTfjKOTag etpiXorifirjd-r^aav vtio /uiav xae %rjv 
avTfjv GVVTaliv ayayuv^ dane^ riveg vnöQyoi Tf]g S'ciag 
nqovoiag yevrid-BVteg, exeivf] tc yaQ rfjv rmv oQoy/iBV&iv ao- 
TQ(ov dia Koo/iifjGiv Hai %ag twv avd-Qwn^av (pvasig eig üoi- 
VfjV avaXoyiav ovV'&Biaa hvxXbi avveywg dnccvTa top «i- 
wva TO enißaXXov ixaoTOig «» Tf]g ntnqfoimvfig /lisqi^s^ 

acc ei yag ^ rmv er dSs fivd'oXoyia rfjv vnod^eüiv 

neTiXaa/Ltsvfjv eyaoa noXXa avjtfßg^XXBtai roig arS-Qwnoig 
TiQog evaeßeiav xai SiXttioovvrjv, noom /uaXXor vnoXen- 
Teoif vf]V ngotpfjnv Trjg aX'fj'd'siag la%0Qiav Tfjg oXrjg (ptXo^ 
aoq)iag olovsi /neTQimoXiv aaav emaxevaocu dwi^od-ai xca 
ed-f] fiaXXov nQog xaXoxaya&iai^ ^ Die Mängel, dafs die 
Väter die Physik, die Naturbetrachtung, . und Erforschung 
wie die Würdigung des Ethisch - Weltlichen vernachlässigt, 
dafs sie stärkere Polemiker als Systematiker gewesen, dafs 
sie zuletzt mehr dem Römisch -Praktischen als Griechisch- 
Wissenschaftlichen sich zuwenden etc., erklären sich aus 
der Zeit und den Umständen. Die Physik war nach Ari- 
stoteles immer mehr bis zur Magie herabgesunken. Die 
antike Ethik hatte mit dem Verfalle der Staaten ihre ge- 
sunden Wurzeln verloren und war längst in Therapeutisches 
ausgeartet. Zudem waren die Christen lauge Zeit von Stnat 
und Welt verfolgt. Und eben die Verfolgungen, die Käm- 
pfe um Bestand und Ausbreitung yerscfaafften der Polemik 
ein nothwendiges Uebergewicht. Das Römisch - Praktische 



— 178 — 

• 

mit seinem Gefolge, der populären rednerischen Breite, dem 
immc^r mehr sich verengenden Gesichtskreise etc., mufste 
sich endlich nothwendig mit den Darstellungen von Män- 
nern vereinigen, welche es auf Bekehrung des Volkes vor« 

zugsweise abgesehen« 

Unter die literarischen Hilfsmittel der chrlitlichen Philosophie ge- 
hören die doginengeschichtlichen, patrologischen und biographi- 
fchen Arbeiten, von welchen ich nur einige anfuhren kann. 

Dogmengeschichten schrieben : FeUn (Thenlügicor, dognia- 
tum t. I — IV. Paris 1644 VI. fd. VcnH. 1757 VI fol.), W. 
Münschcr (Handb. der christl. Do^mengctcU. 3. A. tBi7), Klee 
(Lehrb. der Doginengesch. 1839), H.'vgt^nbacl) (Leiitb. der Dog- 
luengesch. 2. A. 1847), F. Cli. Baur (LcUrb, dtrr cliHstl. Dog- 
inengesch. Stutig. 184?) u. A. 

Einzelnes aus der Dogniengeii:hic1ilc uatcr^uchten : F. Chr. 
Baur (Die christl. Gnosis oder die christl. Religions - Philoso- 
phie in ihrer geschichtl* Entmcklong, Tüb. 1835 ; Studien über 
den Begriff der Gnosis, in den Studien und Kritiken 1837 S. 
511, in den Tüb. Jahrbüchern der Theologie 1844, S. 536. 
1645, S. ^71), Tzschirner (der Fall des Heidenthums, Leipz. 
18*29), van Senden (Gesch. der Apologetik, Stuttg. 1846), Lü- 
cke (Geschichtl. Erorter. der Logosidee im ConmieDtar zu Jo- 
hannes B. I.), J. A. Dorner (Entwicklungsgesch. der Christo- 
logie ^. A. 1845), F. Chr. Baur (Die christl. Lehre von der 
Dreieinigkeit und Menschwerdung Gottes in ihrer geschichtl. 
Entwickl., Tüb. I84l f. HI.)» G. A. Meier (Die Lehre von 
der Trinität, Hainb. 1844), Schwegler (Das nachapostol. Zeit- 
alter, Tüb. 1846), Schliemann (Die Clementinen 1844), Hil- 
genfeld (Die Clement., Jena 1848). In Bezug auf Marcion ist 
auch die Uebersetzung Neumanns des Systeme religieux de Mar- 
cion p. Esnig anzuführen. 

Allgemeine Patrologieen schrieben : du Pin, Ceillier (Histoire 
des auteurs sacr^s, Paris 17^9), Lumper (Hist. theol. crit. de 
vita scriptis atque doctrina s. patrum trium pr. sec. Aug. V. XIII). 

Ueber einzelne. Väter handelten: Semisch (Die ap. Denk- 
würdigkeiten Justins, Hamb. 1848; Justin der M. Bresl. 1840), 
Boll (Ueber das Verhältnifs der beiden Apologicen Justins in 
Ulgens 2ieitschr. 184^), Otto (De Justini M. scriptis et doctrina, 
Jen, 184l), Clariss« (Comm. de Athenagorae vita et scriptis etc. 
Lugd. B. 18*20), Thienemann (Des Theophilus v. Antiochia Ver- 
theidig. des Christentb. Leipz. 1834), Daniel (Tatianui derApo- 



— 174 — 

löget, Halle 1837), Dunclier (Des heil. Ivenäui Chrtttologie im 
Zusamnienhange mit dessen theolog. u. antliropolog. Gnindleh* 
reo, Gott 1843), Prat (Iren, bistoire, Lyon 1843), Hofstede de 
Groot (Diss. de Clcmcnte Alex., Groning 1876), Dähne (Da 
yvuXfei Clementis, Hai. lÖ3l), Schnitzer (Origenes über die 
Grundlebren der Glaubenswissenscb., Stuttg. 1836), G. Tho- 
masius (Origenes etc., Nurnb. 1837), Redepenning (Origenes, 
Bonn 1841 f.), Fischer (Commehtat. de Origenis theolog. et 
cosmolog. ' Halae 1846), Bindemann (Ueber Celsus und seine 
Sehr, gegen die Christen in Illg. Zeiuchr, 184*2), Mohler (Atha- 
nasius, Mainz 18^7), Böliringer (Athana^ius in s. Kirche Cbri« 
Sil I. Tb. 1, Abib.), Feisser (De vita Basilii M, Groning. 
18)8), Klose (Basilius d. Gr., Strals. 1835), Jahn (Basil. pla- 
tonizans, Bern. 1838), Jul. Rupp (Gregors von Nyssa Leben 
und Meinungen, Leipz. 1834), UUmann (Gregorius v. Naz., 
Darmstadt 18)5), Wiggers (Pragmatische Darstell, des Augu- 
stinismus und Pelagianismus, BerJ. I8)l), Bindemann (Der 
b. Auguslin, Berl. 1844 f.), Bobringer (Der h. Augustin in s. 
Werke „die Kirche Christi," Zürich 1845 I.3.), Poujoulat (Aug. 
bist. Paris 1845), Fritzsche (De Theodori Mopsnhest. vita et 
scriptls, Hai. 1836), Dorner (Theodori M. doctrina de imagioe 
dci, Rcgiom. 1844 4.), Germain (De Mamerti Claudiani scrip- 
tis et philosopbia, Montpellier l84o). 

Ueber die alexandrinische Schule: Matter (Essai bist, sur 
r ecole d' Alexandrie, Paris 18)0 II.), Guerike (Comm. bist, et 
theol. de schola quae Alexandriae floruit catechetica, Hai. 18)4), 
Hasselbach (De schola quae Alexandriae floruit catechetica 18)6), 
Redepenning in seinem Origenes, Saint- Hilaire (De T ecole 
d' Alexandrie, Paris 1845). Ueber die antiochenische F. Mun- 
ter (Comm. de schola Antioch. Hafn. 1811, deutsch in Stäud- 
lins kirchenhistor. Archiv B. I.). 



XV. 

Zur christlich 'internationalen Philosophie von 400^900. 

Der Charakter dieser Periode ist der der Aufnahme und 
Erhaltung) der Aneignung, kurz der Schule. Darum zei- 
gen sieh zwai^ Zusammenordnungen in der abendländischen 
, Kirche von Isidor, in der morgenländischen von Johannes 
von Damascus, aber nothdürftige, der Schule angemessene. 
Für selbstständigere, oder gehaltvollere^ Arbeiten auf dem 
Gebiete der Religionsphilosophie, oder gar der Philosophie. 



— 175 — 

für sich, war die Zeit im Abendiando nicht geeignet (S. 
meine ^llg. Literaturgeech. d, D« S. 77)* Dies bestätigen 
die Arbeit des um die Mitte des 5. Jahrh. schreibenden gal« 
lischen Presbyter Claudius Mamertus de statu animae (ed» 
Barth, Zwickau i655; Ritter Vi. 667 f.), in welcher die Un- 
hörperlichkeit der Seeie bewiesen werden soll, ferner das 
Bestreben des nach 562 gestorbenen Cassiodorus (Stäudlin, 
kirclienhistor. Archiv 1825 ; Ritter VI), wie die nachfolgen- 
den Erscheinungen. Das Christenthum hatte gesiegt, der 
Sieg machte lässig und sogar^ passiv. Die heidnische Philo- 
sophie gieng der christlichen statt wie ehemals vor, jetzt 
eher fast nach (Ritter VI. 460). Der Aufschwung unter 
Karl dem Grofsen bei den Germanen war ein erzwungener, 
unvolksthümlicher (Litc^rg, 86 f.). Die Dialektik ist bei den 
Germanen gemischt und nur Hilfsmittel (eb. S. 35). Von 
den Schriften eines Isidor (eb. 48), ßcda (eb. 5i), Al- 
cuin (eb. 56), Fredegisus (eb. 64), Raban (eb. Gj")^ 
Radbert (eb. 70) u. A. ist zunächst die des Fredegisus 
die anziehendste (De nihilo). Es deutet auf den Einflufs 
griechischer Kirchenväter, wenn er behauptet, dafs das 
INichts, aus welchem Alles geschaffen worden, nicht nichts 
sei, sondern etwas aus dem und in das Alles komme. Im 
üebrigen ist der Einflufs des Augustinus überwiegend. Nur 
Scotus Erigena geht in genauere Verbindung mit den grie- 
chisch-neuplatonischen Ansichten ein und hat auch in der 
Literatur, wie billig, die meiste Aufmerksamkeit gefunden. 
Place entre deux grandes epoques Sc. E, finit V une et 
ouvrc r autre. 11 clöt la philosophie alexandrine et il inau- 
gure la philosophie chretienne (Taillandier p. 283). Er hatte 
auf die nachfolgenden Scholastiker einen g^fseri Einflufs, 
besonders unter Vermittlung der Schule von St. Victor. 

Hist. literairc de la France, Paris 1733 t. V5 Hjor^ Job« Scot. 
Erigena, Kopenh« 18^3$ Fron mit Her, Lehre des Scotus v, 
Wesen des Bösen in der Tiib. Zeitschr. f. Theol« 1830; Stau- 
denuiaier^ Job. Scot« Erig. und die Wissensch« seiner Zeit, 
Frankf. 1834, u. in der Tüb. Zeitschr. III. aj R. Taillan^ 
dier, ScotErigcne et la philosophie scholaslique, Strassb. 1843; 
N. Möller, Joh. Scot. Erig. und seine Irrthümer, Mainz 1844; 
Hclfferich, die christl Mystik, Gotb. 184a, der auch über 



— 17« — 

Bernbard, Hugo und Richard ¥. St. Victor u. A, baadelt; Ano- 
nym, de Scoto Erig. commentatio, Bonn 1845; Gvizof, hittoire 
de la civilitation en France 3to edit. t. IL 
Uebrigens findet sich ein ahnlicher philosophischer Ver- 
such, wie der wieder von Schlatter (Münster i838) heraus- 
gegebene des Erigena de dirisione natura, auch bei Rav-ais- 
son (Rapp. sur U bibliothec. de T ouest de la France, Paris 
1841 p. 396) von einem Unbekannten. 

In Ansehung der morgenländischen Kirche ist der ge- 
meinsame Berührungspunkt allerdings auch die Schule und 
die Erhaltung, aber es waltet doch ein grofser Unterschied. 
Im Abendlande erhaltet, sammelt und ordnet maa für die 
Schule, um eine noch nicht vorhandene Bildung zu gewinnen 
und zu sichern, im Morgenlande, um eine vorhandene Bil- 
dung theils bequemer zu machen, theils nicht zu verlieren» 
Hier ist die Erhaltung eine absteigende, ' dort eine aufstei- 
gende. Hiemit erscheinen auch andre verwandte Gegen- 
sätze. In Dionysius Areopagita findet Ritter C VL 5 19) ein 
blos nachtretendes Organ des Umlaufenden, von Erigena 
wird man das Gleiche nicht sagen; dem Johannes von Da- 
mascus ist die Philosophie nur Zofe der Theologie, Frede- 
gisus will, man solle Einwürfen zuerst mit der Vernunft, 
dann erst mit der Autorität begegnen (eb. V|. 558« VIL 
188)« Im germanisch - christlichen Kreise sehen wir die 
Fähigsten die neuplatonischen Weisen mit Begierde ergrei- 
fen und Erfolge hievon, die aufser und über der Zeit zu 
stehen scheinen, wie bei Scotus Erigena. Und Platoniker 
sind auch die nächsten Scholastiker, in Griechenland er« 
langt Aristoteles das Uebergewicht 

Die Ursachen Hievon findet Ritter (VI. 458) in der frühem Vet- 
nachlSssigung der Physik bei den Vätern, die sich nun doch 
anfdrSngte und damit der Hauptlehrer dieses Faches; zweitens 
in der Einsicht, dafs die logischen Untersuchungen - des Aristo- 
teles far sysumatische Zusaniinenordnung des dogmatischen Stof- 
fes, für den Formalism und die Schule sehr schätzenswei the 
Hilfsmittel böten; drittens in dem Umstände, dafs der Neupia- 
tonism, dessen Einflüsse sich schon Gicgoriiis von Nyssa und 
Augustinus nicht entziehen können, und dessen Einflufs in drm 
Maase gestiegen, als die christliche -Philosophie gesunken, sich 
mit Aristoteles die letzte Zeit stark befreundet hatte. 

Die 



- 177 - 

Die bedeutendsten Gestalten der morgeniändischen Kir- 
clie sind Nemesius, Acneas Gazäus, Zacharias Scholasticas, 
Joh« Philopo.nus, Dionysius Areopagita, Maximus, Johannes 
Damascenus« Der Erstgenannte suchte, bei sichtbarer Hin« 
neigung zu Aristoteles, in einer Schrift über die mensch- 
liche Natur, die Unsterblichkeit, Vorsehung und Willens- 
freiheit zu vertheidigen. Ritter (\ I. 462) glaubt, dafs er 
in der Mitte des fünften Jahrhunderts geschrieben« Er ist 
Teleolog und dem Charakter seiner Zeit gemäfs mehr Samm- 
ler und Verbinder, als origineller und einen Standpunkt er- 
schöpfender und sicher festhaltender Denker. 

Aeneas von Gaza, ein noch 484 lebender Lehrer der 
Rhetorik und Schüler des aristotelisirenden Neuplatonikers 
Hierokles, schrieb ein Gespräch über Unsterblichkeit uiid 
Auferstehung. Er hat mit dem Vorigen manchen ähnlichen 
Gedanken, so den, dafs der Mensch zwischen dem Sinn- 
lichen und Unsinnlichen als Verbindungsglied der zwei Wel- 
ten stehe« Dagegen streitet er, wie Zacharias Scholasti- 
cus, welcher um 556 lebte, gegen die Ewigkeit der Welt, 
während Nemesius für die Ewigkeit gleich Origenes we- 
nigstens beziehungs- und theilweise gewesen. Man hat in 
der Auffrischung solcher Fragen eine Abwehr gegen die 
wachsende Macht der heidnischen Philosophie erblicktf Und 
diese Macht bringt uns auch Niemand lebhafter vor Augen, 
als Philoponu*, welcher, nach Ritter VI. 5oi f., meistens 
in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts, aber auch 
in der zweiten Hälfte desselben gewirkt. Er ist einer der 
vorzüglichsten Schriftsteller der Monophysiten, welche den 
Aristoteles als den dreizehnten Apostel betrachteten, und 
durch seine Commentare zu aristotelischen Schriften,* wie 
durch seinen Tritheism berühmt geworden, indem er, von 
der Ansicht des Aristoteles (nur das Indiriduum sei im Ge- 
gensatz zum Allgemeinen Substanz im eigentlichen Sinne) 
ausgehend, die drei Personen als Substanzen fafste (rgfig 
/fSQiTcai 8aiai %at fxia 9toivf]<t ycoivog Ao/o^). In. seiner 
Schrift gegen die Ewigkeit der Welt steift er sich darauf, 
dafs die Gedanken Gottes auch die Zukunft als Voraussicht 
umfafsten, wonach nicht alle Dinge sogleich mit dem Schö- 
pfer und ewig wie er selbst sein müfsten. Zudem sei alleia 
Giampotch, Dr. V. P.» G«tchicht« d. Philosophie« 12 



GoU unbcfregt und unreriuiderlicli, die Welt dagegen in' 
ihren Theilen, aUo auch im Ganzen veränderlich, damit ui'i^ 
göttlich, denn Gott sei stets Schöpfer der Kraft nach und 
verändere sich bei de^ wirklichen Schöpfung nicht; die 
Welt endlich sei Wirkung, Golt aber Ursache. 

Johannes von Daraascus, welcher um 760 gestor- 
ben und unter dem Titel nTjyrj yv(aoeios ein Werk geschrie- 
ben, dessen ersten Theil eine ©iaiektik (^7t€(paXata ffiXoGO- 
Kfiza)^ dessen zweiten eine Dogmalik (eaSoGis azQtßfjg t7js 
OQ&odo^ö TTiOTfO)^), dessen dritten endlich eine Polemik 
InsQi ' aiQeasvav^ bildet, giebt den Charakter seiner Arbeit 
selbst in den Worten der Einleitung: €Q(0 roiyccOHV i/iiov 
dSev* ra Se cnoQaSr^v S-sioig te zai ootpoig arSQaai Xe^ 
Xsy/iieva GvXXaßSr^v exS-fjao/Liai, Hauptquellen sind für ihn 
Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa, B.asilius, Nemesius, 
Dionysius Areopagita, Aristoteles und Porphyrius. 

Wie hier Johannes die Spitze des Formalism, so reprasen- 
tirt der falsche Dionysius Areopagita die Spitze des Mystizism. 
Der unbekannte Verfasser mag seine Schriften gegen Ende 
des 5ten Jahrhunderts vei^fst haben und hat eben so sehr 
dadurch, dafs er jenes subjective Bedürfnifs deckte, als durch 
, Vorsetzung eines gefeierten Namens einen unermefslichen 
Einflufs auf die kommenden Zeiten geübt. Er treibt die 
anoq)aTixf] S'SoXoyia auf die Spitze, indem er jeden Aus- 
druck zur Bezeichnung des Göttlichen für inadäquat und 
ungenügend hält. Dagegen dringt er auf die reale Eini- 
gung durch die zwischen dem Menschen und Gott liegen- 
den Mittelstufen, von denen wir lernen und leiden sollen 
C» fiprov fiaS-fav, aXXa xai ina&wv t« d'eid). Es ist be- 
sonders die neuplatonische Lehre eines Proclus, an welche 
sich der falsche Dionysius angeschlossen« 

„Er verhält sich zu jenem, sagt Ritter VI. 534, wie Eunomins zn 
Plotin. Von der christlichen Lehre ' hat er nur die äufserlich« 
Formel und die äufBerlichen Gebräuche angenommen ; der Kern 
seiner Denkweise aber Ist heidnisch, indem er nur durch nie- 
dere Gevralten Unsern Zusammenhang mit dem obersten Gott 
vermitteln läfst. Dafs er diese niedern Gewalten' nichtVjrötter 
^ nennt, wie Proclos, köoneo wir nur als etwas Uiiwasenki^hca 
aiMcU«««" 



— 179 — 

Eine Combination des DIonysius und Grcgorius von 
Nyssa versuchte Maximus der Bekenner, geb. 58o, f 6^2, 
welcher durch sein Martyrium für die Ansicht, dafs Chri- 
stus 2wei Willen gehabt, bekannt ist* Das Anziehende bei 
ihm wie bei Dionysius und Erigena besteht darin, dafs sie 
als Mystiker das ßedürfnifs nach Selbstthätigkeit, die Er- 
hebung über den Formalism der Schule, das Bestreben nach 
gröfserer Glaubensliefc, d«a Ueberdrufs an dem Geo-ebe- 
nen^ der sie zum Irrationalisiren des Gottes -Begriffs treibt, 
kurz, dafs sie das subjective Element mehr oder weniger 
vertreten. Sie stehen aber verhältnifsmäfsig an Zahl und 
Macht gering da und gleichen weit mehr einer Prophetie, 
als einer Deckung des Bedürfnisses. 

Literatur. Von der Schrift des Nemcgius hat Osterhammer 
(Salzb. 1819) eine üebersetrung gegeben. Dei| Theophrastot 
des Aeneas Gaza gab sammt der Schrift des Zacbarias ,yOri 
avvai'Siog t<o Sea 6 xodjüiog cdXa drjiuBQyijiia avra Tvyxavei^' 
Boissonnade (Paris 1836) heraus^ nachdem sie Barth (Leipz. 
1653 4.) herausgegeben ; Wernsdorf, di«p. de A. Gaz. Naumburg. 
1817, 4; Friedeinann et Seebofle, Miscel. crit. t. II. p. 374. 
Die Schrift des Philoponus jes^i aCSiorijrog ^ xoßfiH Zvüsig 
Xoyiov if erschien zu Venedig 1535 und bei Galland t. XII; 
Scharfenberg, de Joh.-Phil. Tritheismi defensore, Lips. 1768 
(in Velthusen, comm. thcol. t. I.); Trechsel, Job. Philoponus 
eine dogmenhistor. Erörterung in den theo!. Studien und Kri- 
tiken 1835 S. 95. Ueber Johannes v. Damascus handelte 
Lenstroem (De expositione fidei orthodoxae auctore J. D. Up* 
sal. 1839. 4). -^ Ueber Dionysius Areopagita: Engelhardt 
(De D. Ar. Plotinizante, £rl. i8^0; De origine scriptor. Areop,' 
18M; üeberÄelzung de;8 D. Sulzb. 1823 II.) ; Baumgarten -Cru- 
sius (De D. A. Jena 1873); K. Vogt, Neoplatonismus und Chri- 
stenthum. Untersuchungen über die angeblichen Schrillen des 
D. A.5 Bcrl. 1836; G. A. Meier, Dionysii Areop. et mysticorum 
See. XIV. doctrinae inter se comparantur, Hai. 1845. Die Werke 
des Maxi^lus erschienen zum grBfsten Theile in der Ausgabe 
ron Fr. Combefis. Paris 1675 II fol. 



n' 



— 180 — 



XVI. 

Die internationale arabische Philosophie. 

International kann die arabische Philosophie aus dem 
einfachen Grunde genannt werden, weil die Araber bereits 
eine bedeutende dichterische und theologische Schale durch- 
gemacht, als die Einwirkung, der hellenischen Literatur und 
daipit der Flor der Philosophie im engern Sinne stiegen. 
Es war ein erwachsenes Volk, welches zu den Hellenen in 
die Schule gieng. So mufsten sie, statt einer organischen 
Philosophie, mehr eine mechanische, im oben angedeuteten 
Sinne, erhalten. An nichts wird uns dies deutlicher als an 
dem Verfahren des Ibn-Sina, der mit der peripatetischen 
Lehre nur spielt und, als ächtester ^atursohn unter den 
arabischen Philosophen, durch die Benennung seiner esote- 
rischen Lehre, das eigene Gefühl des Zwiespaltes zwischen 
Volksthiimlichen und Nichtvolksthümlichen zu erkennen giebt. 

Die Orientalisten führen uns verschiedene arabische See- 
ten vor, welche das geistig- religiöse Leben unterhalten. Zu- 
vörderst die angeblich von Maffibed ben-KhaIed al-Ds^hohni 
auslaufenden Kadarier, oder Hadariten, aU Vertheidiger des 
freien Willens (Kadr, die Macht), und ihre Widersacher, 
die gegen Ende der Dynastie der Ommiaden angeblich von 
Dschahm ben-Safwän auslaufenden Dschaborit^n, als An- 
hänger der Nothwendigkeit (dschabar). Die letztem woll- 
ten Gott keine Attribute beigelegt wissen und bildeten da- 
mit wieder einen Gegensatz zu Ssifatiten (fsifftt). An diese 
Secten werden nun die Motekallemin (^Halam das Wort, te- 
kallam der Lehrer des Worts, motekallem der Anhänger, 
motekallemin die Anhänger des Worts, hebräisch medabbe- 
rin, die Redenden, auch ofsulyyin, hebr. schorachiyyim die 
Wurzelforscher) gereiht. „P^ach dem einstimmigen Zeug- 
nisse sowohl muhammedanischer als jüdischer Schriftsteller, 
pagt Delitzsch (Aaecdota S. i f.), waren die Muataziliten die 
Anhänger des Wasil ben-Atha (der 699 oder 700 v. Chr. 
geboren wurde und jtßfUQ starb und aus der Schule Ei- 
Hasan des Bosrensers 'ausschied) die ersten Mutekellimun, 
d. h. Bekenner und Bearbeiter des Kelam, welche, in Folge 



— im ^ 

fteifsiger Lectflre der unter Al-Mamun übersetzteh heidtii'^ 
sehen und christlich- philosophischen Werke, die Wissen- 
schaft El'Kelam confttruirten und ausbildeten. Später bil- 
dete sich die Secte der Ashariten aus, begründet durch den 
▼on den Muataziliten , abgelallenen Abu- 1 -Hasan eUAshari 
(t 955), deren System das orthodoxe religions- philosophi- 
sche wurde«^^ Man sieht schon aus dem Angeführten, dafs 
die Benennung Motekallemin alle diejenigen umfafst, welche 
scholastische Theologie trieben. Insofern stehen die Mote- 
kallemin den* Fakihs, den Traditionsgläubigen, entgegen. 
Jjie Motazalen (oder die Abweichenden) werden aber nicht 
blos den Ashariten,^ sondern auch den Motekallemin im enr- 
gern Sinne, als einer Art entgegengesetzt, nach den verp 
schiedenen Formationen des Kelam. Schon im zehnten Jahr- 
hundert hatte der Kelam das Ueberffewicht. In Basra, die- 
sem Athen Arabiens, bildete sich der Bund der Brüder der 
Reinheit (Ikhwän al-fsafa) für Verbreitung der Religions- 
philosophie, ein Encyclopädistenbund, von welchem noch 
eine Arbeit handschriftlich zu Paris liegt« 

Die Motekallemin, als Art, behaupteten. Alles sei odef 
sei nicht; das Nichtsein bestehe aber nur in unserem Den- 
ken; alle Negationen seieVi* positiv, z. B. die Ruhe nicht 
blos Verneinung der Bewegung, die Unwissenheit Vernei- 
nung der Wissenschaft etc., sondern alle positive Attribute, 
wie ihre Gegensätze; diese wie die Substanzen, die umfafs- 
ten Geschöpfe, wie die umfassenden, fielen dem Sein an- 
heim, dem Nichtsein aber alle Verhältnifsbegriffe, wie Zeit, 
Ort, Zahl; die Accidentien und Substanzen seien im steten 
Flusse, alle Schafte Gott stets wieder neu, da keines auch 
nur zwei Augenblicke, zwei Zeitatome, durch sich dauern 
könne und kein geschafienes Ding das Vermögen habe, et- 
was noch nicht Seiende» hervorzubringen; die Dinge be- 
stünden nur aus steten Compositionen leidens- und thatloser 
Atome; Gott, in welchem wir mehrere Merkmale unter- 
scheiden müfsten, dessen Sprache (also auch der Koran) 
ewig sei, in dessen Willkür Alles, die Schöpfung, Erhal- 
tung etc. liege, schaffe alle Bewegung, alle Attribute, alle 
Wahrnehmungen der Seele, alle. Begriffe, alle Accidentien 
und Substanzen in jedem Augenblicke neu aus dem Nichts; 



— 18a -- 

die wiederkehrende Verbindung, also die scheinbare Noth- 
wendighcit des Verbandes gewisser Dinge, der Ursache und 
Wirkung, gründe sich auf die Verbindung in Gott, nicht 
in den Dingen; böse wie gute Handlungen seien Handluiir 
gen Gottes, die ersten Werke seines Wohlgefallens, die letz- 
tern seines Beschlusses. Uie Motekalleroin, als Art, waren 
demnach fatalistisch * occasionalistische Atomisten« Die Trieb- 
federn, die sogenannte „Neuheit der Welt," .d. h. ihr Ent- 
standen- und Jsolirtsein von Gott, auf eine solche Spitze zu 
treiben, müssen in der Reaction gegen den orienfalischen 
Pantheism, wie gegen die aristotelische Ewigkeit der Welt 
gesucht werden, (Ahron c. ii. yo. S^; Maimonides im More 
p. I. c. 75--7G.). 

^ Die Molazalen zerfielen selbst wieder in mehrere Sec- 
ten. ihre hervorstechendsten Lehren sind die Behauptun- 
gen, dafs es in Gott keine von seinem Wesen geschiedene 
Attribute gebe, dafs der Mensch frei handle, somit Verdienst 
und Verschuldung ihm zukomme. Sie nannten sich darum 
Anhänger der Gerechtigkeit und Einheit (afshäb al-adl wal- 
tauhid). Sie dehnten die Gerechtigkeit bis auf das kleinste 
Geschöpf aus. Selbst die unschuldige, von der Katze zerris- 
sene Maus werde in einem andern Leben ihren Schmerz 
vergolten finden. Sacy (Expose de la religion des Druzes 
t. h p. XXXVIi«) vberichtet auch, dafs sie alle zum Heile 
noihwendigen und für alle Menschen, Zeiten und Orte ver- 
bindlichen Erkenntnisse in der Vernunft fänden, so dafs 
man diese vor wie nach dem Gesetze und der OÖ*enbarqng, 
durch das Licht der Vernunft, erwerben könne* 

Die Asharitcn erscheinen als Opposition gegen die Mo- 
tazalen (wie in der Lehre von der Freiheit) und gegen die 
Philosophen (z. ,B. in der Lehre von der Vorsehung), man 
findet bei ihnen eine Annäherung an die Dschabariten, Ssi- 
fatiten und Motekallemin. Beim Schreiben nahmen sie z. 
B, die Erschaffung von vier Accidenzien an: 1) des Wil- 
lens, die Feder zu bewegen, 2) des Vermögens, sie zu be- 
wegen, 5) der Bewegung der Hand, 4) der Bewegung der 
Feder. Den Anthropomorphism und die Prädestination ih* 
rer Vorgänger suchten sie jedoch zu mildern« 



— I« — 

njet waren die religtons-phtlosophiseiien Idecit^ welche 
Imuptsächlich vor^ neben und * nach der philosapliischen Slrd^ 
mung die üemüther bewegten. 

Diese selbst begann 'mit dem Einflüsse der , Armenier« 
Ncstorianer, Juden, Perser und Hellenen. Hier ist an den 
armenischen Peripaletiker David, mit dem Beinamen Jsma- 
dasor, der um 490 lebte, zu erinnern« Wir haben von ihqn 
griechische und armenische Schriften : einen Commcntar b(i 
Porphyrius, der sich fast ganz an Ammonius Schrift an- 
schliefst; einen Commentar zu den Kategorien, der durch 
Bekkers Scholien zu Aritttoteles bekannter geworden; eine 
unbedeutende Schrift unter dem Titel „libri deKnitionum (ar- 
menisch Konstantinop. 1731, Madras »797);" eine Wider- 
legung des Pyrrhonism ; aufserdem Theologisches, Gramma- 
tisches etc. (Davidis philosophi opera, Venet. 1823 ; Neu- 
mann, mem. sur la vie et les ouvrages^ de D. Paris 1829). 
Jn Mesopotamien und Persien, namentlich Chorasan und 
Jrak, hatte die griechische Philosophie unter den Fürsten JNu- 
schirwan (55i — 579) und Perwiz (691 — 628), upier christ- 
lichem besonders nestorianischenixEinflusse, eine Stätte ge« 
funden. Unter Kaiser Justinian Wurden die Schriften hel- 
lenischer Philosophen bereits in*8 Syrische übersetzt. Bö 
findet sich handschriftlich eine üebersetzung der I8a<j0ge, 
welche dem Bruder Athanasius aus dem Kloster Belh-Maica 
zugeschrieben wird, vom Jahre 645, eine der Kategorien, 
welche man dem Metropoliten Jakob von^ Edessa (f 708J 
zuschreibt etc. 

Bei den Arabern selbst gehören unter die ersten Ueber- 
setzer des Aristoteles der nestorianische Arzt Honaün ben- 
lshai( zu Bagdad f 837 und sein Sohn Ish^k. Im zehnten 
Jahrhundert traten in ihre" Fufsstapfen Yahya ben-Adi und 
Isa ben- Zaraa; Aber auch die platonischen Schriften er- 
hielten arabisches Gewand, und bald zeigten sich auch 
Commentatoren« Einer der ältesten und gefeiertsten des 
Aristoteles ist Yaakub ben-Jsh&k al-Kendi, der im neunten 
Jahrhunderte, lebte, seine Studien zu ßassora und Bagdad 
gen»acht und riele Schriften abgefafst hat (Leckemacher, dtt 
Alk. Helmjit. 1.7 ig)» 



— 1S4 — 

Diet imrcii £f Vorarbeiten für die bekannteren Philo- 
•opheu, von welchen jeUi die Rede sein soll. Man kann 
sie nach den Schaupiät^^en in orientalische (AI Farabi, ibu- 
Sina, AI Gazali) und sfMuiische (Ibn - Badscha, Ibn-Tofail, 
Ibn-Roschd), nach der Hichtung in Peripatetiker (maschayin) 
und Contemplative (is chr&kiyy.in), oder Anhänger des Orients 
(schark, meschrek), des Neuplatonism, scheiden. Die letz« 
lern werden mit den Praktikern (Ibn-BAd ja, Ibn-Tofail), mit 
den Mystikern AI -Gazali, mit den Sufis und übrigen in- 
disch-orientalischen Erscheinungen Verwandtschaft gehabt 
haben. 

Farabi^ oder Alfarabi (Abu-Nasr Muhammed ben-Mo- 
hammed bch-Tarkh&n) nach seinem Geburtsorte Far&b, oder 
Oträr, so genannt, wurde zu Bagdad gebildet, lebte am Hofe 
%VL Aleppo und starb / zu Dan|^8cus göo. Wir besitzen^ von 
ihm zuvörderst eine Abhandlung über die Gegenstände, wel- 
che dem Studium der aristotelischen Philosophie vorausge- 
hen sollen und eine zweite „Fontes quaestionum,^^ einen 
kurzen Abrifs seiner Lehre, die b^ide bei Schmölders (Do- 
cumenta) stehen. Für Abu Nasr ist darnach Gott das erste 
Begehrenswerthe und erste Begehrende, inittelbar Schöpfer, 
weil die Vielheit im Geschaffenen nicht vom Ersten, der 
Einheit, ausgeht. Zwischen Gott und der Welt steht der 
erste Verstand, in welchem sich accidental schon Vielheit 
offenbart. Dieser erzeugt die Weltseele, die oberste Sphäre, 
diese wieder eine niedrigere etc. Die Seele ist Ausflufs der 
niedrigsten himmlischen Sphäre. Alle diese Sphären sind 
geistig, ihre Gedanken theils allgemeine, theils besondere. 
Bei dem Uebergang und dem Wechsel derselben in den 
himmlischen W^sen entsteht Verwirrung und Einbildung, 
daraus der Gedanke des Körpers, die Ursache der körper- 
lichen Bewegung. Das Letzte» Unterste, ist die Materie. 
Man sieht, dafs El-Farabi eine Combination des Neuplato- 
nism mit Aristotelischem versucht. Die Seele betrachtet er 
in der cpncreten Einheit ihrer Vermögen als Substanz. Sie 
gestaltet sich durch die theoretische Vernunft zur Vernunft- 
Substanz der Wirklichkeit nach (Scheyer S. 32). Der vsg 
nud^f^TiKQ^ des Aristoteles ist bei ihm zweifelhaft (eb. S. 90 f.). 
Sonst linden wir bei ihm die Unterseheidung^ eines wirken- 



— IM — 

'den, mSgliclieD) wirklichen und enrorbenen Verdtandes im 
Menschen. Der erste ist unTergängliche, einfache Substanz, 
der wahre Mensch, der nicht im Körper besteht, sondern 
. nur mit seiner Kraft den Körper durchdringt, Ausflufs des 
ersten Verstandes. Der zweite (iiitellectus in potentia, pos- 
•ibilis) gleicht der Materie, welche erst Form empfangen 
•oll, während der dritte (intellectus in effectu, in actu) das 
Geformte int. Der vierte (inteliectur adeptus) ist die Erhe* 
Bung des zweiten, dias von diesem Erworbene. Er verhält 
sich zum dritten gleichsam wie die Form und gehört zu 
der Art der wirkenden Intelligenz, obgleich er sich von die- 
ser dadurch unterscheidet^ dafs er erst erworben werden 
) mufs, also eine wirkende Ursache voraussetzt, welche uns 
erleuchten mufs. Mit dieser Lehre ron den Verstandesstu- 
fen hängt es zusammen, dafs Abu Nasr in die ron Aristo« 
teles aufgestellte Identität des Denkens und GedacMien ein- 
geht. Der untern Stufe des möglichen Verstandes wird 
keine blos äufserliche Form aufgedrückt. Er erhält ron 
demselben Verstände, welcher die Natur bildet, auch die 
entsprechende, dem Wesen der Dinge adäquate Form, denn 
die ^iatur (das Wesen) aller Dinge besteht darin, dafs sie 
erkannt werde. So ist das, was das Erkannte in der Wirk- 
lichkeit, und das, was der Verstand in der Wirklichkeit ist, 
ein und dasselbe« Der wirkliche Verstand ist mit Rücksicht 
auf alles Erkannte geworden (er gehört selbst unter das er- 
kannte Seiende). Die Seele ist damit selbst in der Wirk- 
lichkeit alles in der Wirklichkeit Erkannte geworden. Wenn 
sie erkennt, was Erkanntes in Wirklichkeit ist, so erkennt 
sie nicht etwas, was aufserhalb ihres Wesens läge, sondern 
ihr «eigenes Wesen (Ritter VIII. 3 f.), 

Aufser diesen zwei Schriften hat FarabI noch riele 
geschrieben, von welchen keine der gröfsern gedruckt 
ist. Mit einem Werke über Musik hat Kosegarten in 
der Ausgabe des Kitäb al aghäni bekannt gemacht. Vier 
andre erwähnt Munck (im dictionnaire des sciences philo- 
sophiques, art. Farabi). Das erste Theäl-oloum handelt in 
5 Abschnitten über die Wissenschaft der Sprache^ der Lo- 
gik, der Mathematik, der Matur und des Staates. Munck 
hält die gedruchie kleine Schrift de scientiis für einen Aus- 



— 188 — 

s«g darirae. Die zweite Schrift bandelte ober den Geist imd 
Inhalt der platonischen und arUtotelischen Philosophie. Die 
dritte ist eine Ethik mit der Aufschrift „AUsira al-f&dhila, 
die gute Aufführung," die vierte eine PoiitiI(, mit dem Titel 
f^AUsilisa al-medinyya, die Staatsregicrung." In der letz- 
tern acählt er sechs Prinzipien auf: die erste Ursaqhe, oder 
das göttliche Prinzip, die himmlischen Sphären, den thätt- 
gen Verstand, die Seele, die Form und die Materie. Dck* 
Zweck unsres Daseins und das höchste Gut sind die Ziel- 
punkte seiner Politik. Das höchste Gut erreichen aber nur 
diejenigen, welche geeigcnschaftet sind zur Aufnahme, zur 
Bmpfangnifs der Thätigkeit des thätigen Verstandes. Der 
Mensch wird zum Propheten, wenn keine Trennung, keine 
Entfernung mehr zwischen ihm und dem thätigen Verstände 
besteht. * 

Ihn Sina (Abu- Ali al- Hosein Ibn- Abdallah, nach sei- 
nem Geburtsorte .Afsenna Avicenna genannt) ^^eh, 980, gest. 
zu Hamadan xoSy, hielt sich mehr, als sein, übrigens von 
ihm besonders in der Logik vielfach benutzter Vorgängeir 
Farabi, an den Aristoteles, wie wir aus einer Reihe freilich 
zum Theil zweifelhafter und nicht am besten übersetztet* 
Schriften sehen können. 

Es erschienen hievon mehrere jlusgaben zu Venedig i495. 1509. 
1546. I6O8. Eine von 150S fol. enthält: Logica; SufBeientia ; 
de Goelo et mundo; de anima; de animalibus; de intelligen- 
tüs; de philo9ophia prima. Die von 1546. 4to :* compendium de 
anima ; aphoriiimi 48 de anima ; liber de definitionibus et quae- 
sitis; liber de divisione scientiarum. Diese Schriften betrach- 
tet Munck (art. Ibn- »Sina im dictionnaire des sciences philos.) 
für Bruchstücke aus den zwei grofsen Werken AI - Schefä (die 
Heilung) und Al-Nadjah (die Erlösung), von welchen das er- 
ste eine sehr grofse Encyclopädie, das zweite ein Auszug aus 
dieser gewesen, das erste handschriftlich existirt, das zweite 
theilweise der arabischen Ausgabe des Canon (Rom. 1593 fol.) 
^ beigedruckt ist. Ein Gedicht über Logik findet man bei Schmöi- 
ders (Documenta). Eine Rede über Gott gab Golius arabisch 
heraus (Lugd. B. 16*29). 

Ibn- Sina theilt die Wissenschaft in eine obere, mit im- 
materialen Dingen sich befassende (iVIetaphysik), in eine 
untere, mil^ Materialem beschäftigte (Physik), und in eine 



-- 187 — 

MiUlei'ev mit den Beiden zusammenhangende (MaihemalüO» 
Dus Seiende theilt er ein; in das, welches Mos möglich isl, 
worunter alle irdischen Dinge gehören, weldse entstehen 
.und vergehen; in das, welches an sich möglich und durcb 
eine aufser ihm liegende Ursache nothwendig ist, worunter 
die Sphären und Intelligenzen gehören, welche an sich mög- 
lich, durch die Einwirkung der ersten Ursache aber nothr 
wendig sind; endlich in das, was an sich nothwendig ist, 
was nur die erste Ursache oder Gott ist. ^ Diese Einthei^ 
lung wurde später von Ibn-Roschd bekämpft. Er warf ein, 
dafs das durch eine aufserhalb liegende Ursache Mothwen)- 
dige nicht an sich unt^r das Mögliche gehören könne, ohne 
die Annahme, dafs diese Ursache einzuwirken aufhören 
könne, was nich) angenommen werden könne, da die erste 
an sich nothwendige Ursache nie aufhören werde. „Ibn«- 
Sina, bemerkte Jbn-Roschd, hat sich bis auf einen Punktl 
die Ansicht der Motekallemin eigen gemacht, dafs die Welt 
mit Allem unter das Mögliche gehöre, und anders sein 
könnte, als sie wirklich ist. Er war der erste, welcher sich 
des Unterschiedes des Möglichen und Nothwendigen be- 
diente, um die Existenz eines unkörperlichen Seins aufzur 
stellen • . • • Viele Anhänger des Ibn-Sina sahen wir mit 
Aufhellung dieser Schwierigkeit, mit Auslegung der An* 
sieht des Jbn-Sina, beschäftigt. Nach ihnen gab ibn*Sina 
die Existenz einer getrennten Substanz nicht zu. Dies, be- 
merken sie, folge aus der Art, wie er sich an mehreren 
Stellen über das nothwendige Sein ausdrücke. Und dies 
ist auch die Grundlage seiner orientalischen Philosophie, 
welche er so genannt, weit sie den Orientalen entlehnt ist, 
welche Gott mit den Sphären idcntiliziren, was zu seiner 
Ansicht pafst (Munck a. a. O. S. 176 f.).^^ Auch Tofail hat 
in seinem Ha'i Ebn-Yokdh&n Ced. Pocok. p. 18) bemerkt, 
dafs Ibn-Sina am Anfange seines AUSchefli erkläre, er trage 
hier nicht seine eigene Philosophie vor, sondern die der 
Peripatetiker; wer seine eigene kennen lernen wolle, müsse 
seine orientalische Philosophie lesen« Diese hält man aber 
für verloren* 

Jn dem Erhaltenen peripate tischen Geiates steht Gott, 
als das UebervoUkommene, an der Spitze; darauf foJgt der 



— 188 -^ 

•llifttige Verstand,' als dM Vollkommene; dann das Unroll- 
kommene, das sich in- das Genügende (die Weltseele, rer- 
i^nflige Seele) und das Ungenügende, dem Entstehen und 
Vergehen Anheimgegebene spaltet. Die Stulen stehen iu 
lebendigem Verhältnisse. Von Gott ergiefst sich der allge- 
meine thätige Verstand; dieser wieder in die allgemeine 
Seele und mittelst dieser ki die ganze sinnliche Welt, mit- 
telst der Gestirne also auch auf uns. Der thätige Verstand 
formt und bewegt die Materie, bringt den menschlichen Ver- 
stand in potentia zum Verstände in actu* Die Materie, die 
Seele, der Körper kommen dieser Formung ihrer Seits mit 
Verlangen und Sehnsucht entgegen, die Seele insbesondere 
mit physischer und sittlicher Disposition. Auf das Dasein 
der Seele schliefst er aus der verschiedenen Bewegung des 
Lebenden und Leblosen. Die Seele ist die Form des lebend 
digen Körpers, und theils thierisch, theils vernünftig. Bei 
der thierischen unterscheidet er auFser den fünf äufscrn Sin- 
nen anch einen innern, welcher zerfallt: i) in die Kraft, 
die Eindrücke der verschiedenen Sinne zusammen- und ge- 
gen einander zu halten, auf einen Punkt zu sammeln, oder 
den Gemeinsinn, 3) in diejenige Einliilduiigskiraft, gegen 
das Alte, welche die Eindrücke des Gemeinstnnes bewahrt, 
3) die Abschätzungskraft, ob etwas ist oder nicht ist, scha- 
det oder nützt, 4) das Gedächtnifs für die Urtheile, 5) die 
Einbildungskraft gegen das Neue hin. Diese Kräfte sind 
auf die drei Hirnmassen vertheilt: auf die vordere der Ge- 
meinsinn und die Einbildungskraft; auf die mittlere dfc 
Phantasie; auf die hintere die Urtheilskraft und das Gedächt- 
nifs. Bewegen läfst Avicenna die thierische Seele durch 
zwei Kräfte : das sinnliche Begehrungsvermögen und den 
Zorn (im weiten antiken Sinne). Die vernünftige Seele, 
der speculative Verstand, ist eine von dem Materialen un- 
abhängige Substanz, welche absolut einfach, von der Mate- 
rie getrennt,. Ort und Zeit enthoben ist und ihr Wesen, 
ihre Wuneel im Geiste des Schöpfers hat^ Avicenna unter- 
scheidet ferner den möglichen Verstand von dem vorberei- 
teten (dispositus, praeparatus) und von dem wirklichen (in 
actu-). Der erste verhält sich zum letzten, wie die Materie 
zur Form. Der zweite ist derjenige, in welchen sich dei- 



— 189 r- 

thätige Ventand) das obHigenannte zweite oberste Pruizfp,* 
wie in ein Geföfs, ergieften kann. Dies geschieht auf zweier^ 
lei Art : i) durch die infusio oder manatio absque doo- 
trina et absqne acquisidone ex sensibus, also nnrer mittel t, 
bei der Erkenntnifs der ersten Prinzipien, bei der unmittel- 
baren Crleuchtu/ig im Traume, im prophetischen Zustande; 
3) cum acquisitione (ex sensibus) mediante rationali discursa 
aut cognitionc'demonstratiira, d. h. vermittelt, auf dem Wege 
der eigenen Thä^tigkeit und des Beweises. Das Ergebnifs 
der ersten Eingiefsung nennt Avicenna den intellectus in« 
fusus (im engern Sinne), das der zweiten den inteHectua 
adeptus. Ihr Gattungsbegriff ist der intellectus in actu, wel- 
cher Erkennendes und Erkanntes zugleich ist» Der Unter- 
schied des menschliahen Verstandes von dem der Gestirne 
besteht darin, dafs jener dem Prozesse der Potenzirung un- 
terworfen, jener aber in actu schlechtweg ist (Ritter VIIL 
18 f. 161 f. 706 fO. ^ 

Gegen die theoretisch -physikalische Färbung der Philo^ 
Sophie erhob sich jäl-^Gazali (Abu-Hamed-Mohammed- 
ibu < Mohammed, Algazel) von praktisch - mystischer Seite, ein 
Anhänger der Secte der Schafeiten, der Sufi. Er wurde zu 
Tus in Chorasan io58 geboren und starb ebendaselbst im. 
Er wirft den Philosophen vor: 1) dafs ihre Ansicht über 
cUe Ewigkeit der Materie falsch sey ; a) dafs es sich eben 
so mit der Ansicht der Fortdauer der Welt verhalte : 3) dafs 
sie. irrthümlich Gott den Weltbaumeister und die Welt sein 
Werk nenneten; 4) dafs sie sich vergeblich bemüheten, die 
Existenz dieses Weltbaumeisters zu beweisen ; 5) dafs sie 
nicht fähig seien, die Einheit Gottes festzustellen und die 
Falschheit des Dualism zu zeigen; 6) dafs sie mit Unret^ht 
Gott die Attribute absprächen ; 7) dafs sie mit Unrecht das 
absolute Sein für ein abstractes, unter keine Kategorie, ^het 
allen Vergleich und alle Unterscheidung gehendes ausgäben; 
8) dafs sie vergeblich dieses Sein als unkörperliches zu be- 
gründen strebten; 9) dafs sie nicht im Stande seien, zu be- 
weisen,*^ dafs die Welt eine Ursache habe und demzufolge 
in Atheism verfielen; 10) dafs sie nicht zeigen könnten, dafs 
Gott um die Existenz der Dinge wisse; 11) noch dafs er um 
seine eigene Existenz wisse; la) da|*s sie ohne Recht behaap- 



~ IM — 

teten, dafs Grtt mli die Einseladmge nicht» wi^e; i3)'diiri 
•ie keinen Beweis daftir zu bringen im Stande seien, daf$ 
die Sphären ein Leben hätten und Qatt ipigten bei der 
Kreisbewegung; i4) dafs die Behauptung falsch sei, dafs 
die Sphären einen bestimmten Zweck hätten, der sie in Be- 
wegung setze (gegen Ibn-Siaa); i5) dafs ihre Theorie über 
die Seelen der Sphären, welche die ßinzelndinge kennen und 
auf diese Einflufs haben sollten, falsch sei; 16) dafs ihre 
Theorie der Causalität falsch sei und sie mit Unrecht laug- 
neten, dafs die Dinge sich auf eine derjenigen entgegen- 
gesetzten Art ereignen, die sie das Naturgesetz hiefsen^ nda 
Ursache und angebliche Wirkung zwei vollkommen ge-»* 
trennte, nicht identische Dinge seien, die weder miteinander 
existirten, noch aufhörten, und nur durch die Allmacht 
Gottes in Verhältnifs stünden, die dieses Band geschaffen 
habe und aufheben könne etc.; 17) dafs sie nicht streng zu 
beweisei;» im Stande seien, dafs die menschliche Seele eine 
geistige, durch sich bestehende Substanz, oder 18) dafs sie 
unsterblich sei; 19) dafs sie mit Unrecht die Auferstehung 
der Todten, die Existenz des Paradieses und der Hölle 
iäugneten. Er greift also, wie Jahrhunderte nach ihm Hu- 
me, die Causalitätslehre an, nähert sich, als ächter Mysti» 
ket, dem Occasionalism der Motekallemin, wie eines G^- 
linx« Solche Aehnlichkeiten sind die sicherste Widerlegung 
und der schlagendste Beweis, dafs Ursache und Folge stets 
wiederkehren, unzertrennlich sind und dafs Gott ihr Band 
nicht aufhebt. Was Jeder bei solchen Gestalten von selbst 
vermuthet, ist auch bei ihm eingetreten : auch ihn hat die 
Ironie des Skeptizism und Mystizism nicht verlassen, Moses 
von Narboune sagt am Anfange seines hebräischen Com- 
mentars zum Makäsid, dafs Gazali nach dem Tehäfot eia 
kleines Werk geschrieben, welches er nur einigen Aus« 
erwählten anvertraut^ und worin er selbst das Mittel ange» 
geben, <jien Einwürfen zu l»egegnen, welche er den Philo- 
sophen gemacht. „Gazali, sagt ibn-Tofail, im Philosophus 
autodidactus, hat in seinem Mizän al-amal gesagt, dafs es 
drei Arten von Meinungen gebe : solche, welche für das 
Volk gemacht sind und in seine Anschauungsweise eiiii» 
gehen; solche, welcfaft sich zur Mittheilung an Lernbegierige 



^ ttn ^ 

eignen, die geleitet •ein* trollen; luid solche, die der Mensch 
für sich behält- und in die er nur diejenigen blicken Ufst, 
welche seine Ueberaeugungen theilen. Gazali kannte eso* 
terische und exoterische Bücher und Ibn-Roschd hatte viel« 
leicht nicht Unrecht, wenn er dem Mystiker vorwarf, nur 
die Maske des Hampfes g^gen^die Philosophen getragen zu 
haben, um die Orthodoxen zu gewinnen. Aber dies scheint 
er richtig herausgefühlt zu haben, dafs Mystiker und Skep» 
tiker an sich selbst nicht glauben und di^ Wahrheit nicht 
sagen wollen, oder nicht sagen können« Das erste nicht, 
wenn sie vom Herzen das hafst überwältigt sind; das zweite 
nicht, wenn sie vom Herzen das fühlt überwältigt sind. 
Nehmen wir bei Gazali das Letztere an! Er selbst sagt: 
„Was war, ist nicht mit Worten auszudrücken« 
Sprich: Gut war's! Frage mich nicht weiter!'* 

Unter Gazalit Schriften ist sein Tehdfot al-falasifa (der Umsturs- 
der philosophischen Gebäude) in hebräischer handschrifUicher 
Ucbertragung und wahrscheinlich auch noch in arabischer 
Handschrift vorhanden, und aus den Widerlegungen des Aver- 
roes, Chodschasade und Alaeddin bekannt. Ferner besitzen 
wir eine ethische Abhandlung unter dem Titel: O Kind! (Ara- 
bisch und deutsch, h. v, Hammer -Purgstall, Wien 1838); das 
cömpendium ethicae doctrinae de arabico hebraice conveauai 
ab Abrah. bar-Chasdai Barcinotiensi (Ibn - Chisdai Abr. b. Sa* 
luuel ha-lewi ha-nasi, der um 1^40 blühte) in der Ausg. v. 
Goldenthal, Leipz. I83d; eine Logik, Metaphysik und Physik, 
arab. Makasid al-falasifa, lat. Logica et philosophia, Yenet. 
1506. 4.; eine franzosisch -arabische Ausgabe der -Schrift: „Ce 
qui sauve^ des egarements et ce qui eclaircit les ravissements'' 
bei Schmöldcrs (Essai sur les ecoles etc.}. Die letztere giebt 
auch einre Selbstbiographie. Der auffallende Umstand, dafs er 
in der Logik und Philosophie gar bichts bekämpft und ver- 
wirft, erklärt sich aus der in eirfer ungednickten Vorrede und 
in einem handschriftlichen Schlüsse ausgesprochenen Absicht, 
seinem Freunde zum besseren Verständnisse erst die philoso- 
phischen Lehren auseinandersetzen zu wollen, ehe er im 
TehAfot an die Bekämpfung gehe (Munck im art« Gazali des 
djctionnaire des sciences philds.) 

Ibn-Badscha (Bad8che, A^emp^ce, Aren-Pace, Abu- 
Beer- Mohammed ben Yahya)| mit dem Beinamen Ibn-al- 



— Iftl — 

Q»yeg, wurde zu SaragoMA gegen Ende det ii« Jahrhun- 
derts geboren und starb zu Fez 1 138. Er schrieb mediaini« 
sehe, mathematische und philosophische Schriften. Munck 
hat im dictionnaire des sciences philosophiqiies art Ibii- 
Badja über zwei seiner Schriften, den in's Hebräische über- 
setzten Abschtedsbrief (Ris&let al wid&, Igg^reth ha-petirab, 
Epistola expeditionis) und über ' eine zweite mit der Auf- 
schrift: ,,Du regime du solitaire/^ Notizen gegeben* In dem 
ersten bezeichnet er als Ziel des Lebens und Wissens die 
Vereinigung mit dem thätigen Verstand. Die zweite Schrift 
ist eine sehr subjecti^e MoraUPoliiik. Er fühlt die Ein- 
samkeit des Guten in seiner Zeit, heitert sich auf an einem 
Ideal- Staate, wo man keine Aerzte und keine Richter braucht, 
weil der Genufs geregelt ist, weil die Liebe herrscht etc., 
an dem Gedanken einer Einsiedler -Fremdlings -Verbindung, 
welche das Ideal auch in den wirklichen Staaten hegte. Er 
gründet die Moral auf die Intelligenz und sieht die geistige 
Welt als das Ziel unsrer Bestrebungen an, d. h. den erwor- 
benen Verstand« Dies führt ihn auf die Formen und die 
Unterschiede des* Verstandes (intellectus), oder auf den Weg 
zu diesem Ziele.. Eine Stelle bei Albert (De unitate intel- 
lectus c. Arerr. c.5.) lautet: Dicit (Arempace), quod, cum 
dicitur, quod puer in potentia est sciens, ibi triplex est po- 
len tia* Una qua puer est in potentia ad formas imaginatio- 
nis; secunda, qua^formae imaginationis sunt in potentia ad 
lumen agentis; tertia, qua intellectus possibilis est in poten- 
tia ad formas separates a lumine agentis* Hier sind Paral- 
lelen des ersten Gliedes mit dem leidenden materiellen Ver- 
stand und den intelligibilia materialia, des zweiten mit dem 
thätigen Verstände, des dritten mit dem erworbenen Vei^ 
Stande, der individualen Form, den intelligibilia speculaiiva 
zu ziehen. Weitere Forschungen mögen auch über die An- 
sicht Scheyers (Die Psychol. d. Maim. S. 142) entscheiden, 
dafs Badja und Tofail nicht so bestimmte Emanisten gewesM 
seien* 

Bei Ihn-Roschd (Abul-Walid Mohammed Ibn- Ah- 
med, Arerroes), der zu Cordora iio5 geboren wurde, su 
Marokko 1190 starb, einem Schüler des Badscha, begegnet 
uns zuvörderst eine eigeuthümliche Auflassung der Materie, 

in 



in der, nadh ihm, die Form schon liegt und durch das Bf'» 
wegende blos heraufgezogen, verwirklicht wird; die ver- 
schieden ist und nach der Verschiedenheit verschiedene For* 
men hat, vf^il es sonst keine eignen Materien und For« 
men gehe, Aile aus Allem und in Alles gezeugt und so-^ 
mit die Materien selbst überHüssig und todt würden. Auch 
die Seele liegt nach ihm in der 'Materie und wird aus dem 
potentiellen Sein zum actuellen herausgezogen» Der .Himmel, 
welcher zwischen Gott und dem Vergänglichen, dem Irdi- 
9Chen steht, ist nrlt diesem verwandt durch das Körperliche^ 
und darum fähig, auf das Irdische zu wirken. Jedoch ist 
Beine Aenderung auf die Bewegung beschränkt, während auf 
Erden auch Qualität und (Quantität sich ändern. Nach Ah« 
ron (Delitzsch Anecdola c* 4» 9* i4.) hat Averroes^ um die 
Possibilität der Existenz von der Himmelssphäre zu entfer- 
nen, ihre Zusammensetzung aus Materie und Form geläug* 
tiet und ihre Bewegung für eine gezwungene erklärt; hat^ 
abweichend von Avicenna, in der aristotelischen Unvergäng- 
lichkeit und doch Zusammengesetztheit des Himmels einen 
Widerspruch gefunden, und endlich die Hörperlichkeit des 
Himmels gegen Aristoteles geläugnet C^gl. Ritter S. i33). 
Mit Allem scheint Roschd auf Entfernung der Wandelbar- 
keit) Zufälligkeit, der Zusammensetzung und daraus folgen«» 
den Zerstörbarkeit, der noch nicht zur Wirklichkeit gewor- 
denen poteatia, des irdischen Werdens^ gezielt zu haben* 
Der Himmel bewegt sich selbst durch sein Verlangen (das 
aus Erkenntnifs und Verstand iliefst) nach Gott. Dagegen 
will er dem Himmel nicht, wie Avicenna, Einbildungskraft 
Kuschreiben, d* h. kein Fortgehen von intelligiblen Formen^ 
den Ursachen, zu den sinnlichen Formen, den irdisch aus- 
geführten Wirkungen, denn die Einbildungskraft bedinge 
die Brlienntnifs des Besondern, hänge mit Sinn und Mate« 
-rie zusammen, der Verstand des Himmels stehe aber über 
^em Gegensätze des Besondern und Allgemeinen, gehe von 
dem über ihm Seienden, von den Ursachen, nicht von dem 
unter ihm Seienden aus, sei unendlich und unberührt von 
einer noch wanddbaren Materie. Eine andre von AvicennlA 
abweichende Ansicht macht Averroes in Betreff des Sitzes 
ins Verslandes geltend. Er unterscheidet zwischen Sinm 
Giimi>o»ch> Dr. V. F. , Oeschichte. d. Philosophie. 13 



lind VtrHamd» Der Sinn sei durch den Körper »nsgebrei' 
tel, der Veratand nicht, weil er tonst nicht mehrere und 
entgegengesetzte Formen rereinen, Alks erkennen könnte. 
Unser Verstand erkenne sich selbst, der Sinn sei eine ge* 
hundene, nur auf Aeufseres gehende Kraft. Wenn die Denk« 
kraft ein Körper wäre, so würde sie nicht sich selbst fas« 
sen; denn man sehe, dafs die sinnlichen, materiellen For* 
men sich selbst nicht erfafsten und ihr Ziel in Erfassung 
einer ron ihneh verschiedenen Sache fänden. Arerroes will 
nicht, wie Alezander ron Aphrodisias, die Seele eng mit dem 
Körper verknüpft, das Gehirn als Organ betrachtet wissen« 
Er betrachtet die Seele zwar als Form dbs Körpers, aber 
als dessen Ursache, nicht als dessen Wirkung. Darum ge- 
räth er auch in Kampf mit Arempace, insofern dieser den 
Verstand als letzte Stufe einer Entwicklung zu betrachten 
geneigt war, denn das JHiedere könne nicht Ursache des 
Höhern sein, sondern umgekehrt das Höhere Ursache des 
Miedern. Endlich bekämpft er auch den Alexandros und 
Themistios, inspfern diese die Unsterblichkeitsldure des ma« 
teriellen Verstandes zu gefährden schienen, der nicht mit 
der leidenden Seele des Arerroes zu rerwechseln ist, unter 
welcher die Vorbereitung, das Formaufnehmende verstan- 
den wird« Die Hauptstelle in der Schrift de anima lautet: 
Ezistimandum est in anima reperiri tres partes intellectus; 
prima est ipse intellectus recipiens; secunda vero ipse agens; 
iertia vero est intellectus adeptus sen factus. Et horum duo 
quidem sunt aeter,ni, nempe agens et recipiens, tertius vero 
est partim generabilis et corruptibilis, partim vero aetemus. 
(Ritter VIII. ii5 f.). Hieran reihe ich eine von Munck 
(art. Ibn-Roscd des dictionn. des sciences phil«) aus den 
Arabischen übersetzte Stelle des Commentars über die Psy- 
chologie. Sie lautet : II devient manifeste que V intellect est, 
•ous un rapport, une disposition depouilee des formes ma- 
terielles, comme le dit Alexandre, et, sous un autre rap- 
port, une substance separee rev^tue de cette dispositon; je 
v^ux dire, que cette disposition, qui se trouve dans Thomme, 
est une chose, qui s* attache k la substance separee, parce 
ijue Celle - ci est jointe k V homme ; mais que la disposition 
n' est ni une chose iiiherente k la nature de la substance 



— 1» — 

t^par^e, cinnnie Tont pens4 let commentatears^ m niie piu»^ 
dMposftioii) comme 1* a pente Alexandre. Ce qni pto\vr% 
d* ailleuFS que ce n* est pas une pure diapoaitton, o* est que 
r intellect materiel peut conceroir cette disposition ride de 
formes tont en perceyant les formes; ii faudrait donc qa*il 
püt perceroir le neant, pujuquSl peut se perceroir lui-m^me 
Tide de forines. Par consequent, la chose qui per^oit cette 
disposition et les fortnes qui lui aurriennent, doit 6tre neces- 
•airement quelque cho«e en dehars de la disposition« 11 
est donc clair que T intellect qiateriel est une chose com« 
posee de la disposition et qui, en tant qui^il y est Joint, est 
iin -intellect pr^dispose (en puissance), et non pas un inte!-» 
lect en action; mais qui est intellect en action, en tant qu'il 
n*est plus Joint a la disposition. Cet intellect est lui-mdme 
r intellect actif, dont Tessence sera encore expitquee plüa 
loin. C'est que, en tant quil est Joint a cette disposition^ 
il faut qu'il soit intellect en puissance, ne pourant pas se 
percevoir lui^möme, mais pourant perceroir ce qui n^^est 
pas lui, c*est-a«dire le§ choses materielles; mais en tant 
qu*il n*est pas Joint k la disposition, il faut qu'il soit intel« 
lect en action, se percerant Iui«mdme et ne percevant pas 
ee.qui est (au dehors), c*est-a-dire les choses materielles« 
Nous expliquerons cela clairement plus loin, apres aroir 
montre qu*il y a dans notre kme deux especes d' action, Tüne 
Celle de faire les (fcrrmes) intelligibles, l'autre celle de leS 
receroir: en tant qu'il (1' intellect) fait les formes intelligib- 
les, on Tappelle actif, et en tant qu^il les re^oit, on Tappelle 
passif ; mais ce n'est qu^une setfle et mdme chose. Derselbe 
Orientalist giebt auch Aufschlufs über eine ungedruckte 
Schrift des Roschd „Ueber d^n materiellen Verstand oder 
die Möglichkeit der Verbindnng,^^ wozu Moses ron Narbonne 
und Joseph ^ ben «« Sehern ^ Tob Commentare geschrieben« 
Darin sucht Ibn - Roschd zu zeigen, dafs^ ein Band ziviseben 
dem getrennten Verstand und dem menschlichen bestehen 
mufs, wie zwischen Subject und Form, und behauptet, dafs 
der erworbene Verstand das Band, od^r das dem thätigen 
allgemeinen Verttand Aufnehmende sei. Denn falls dei^ 
letztere den erworbenen aufnähme, so würde durch diese 
Aufnahme im allgemeinen Verstände ein neues Accidens 

IS* 



gesetzt, was unstatthaft sei, weil eine ewige Substanz nicht 
SuJ>|ect heuer Accidenzien sein könne» Scti aber der nensch- 
li^e Verstand das Empfangende, so hönne die Aufnahme 
nur durch Erhebung und Jdentitication geschehen, .wobei 
der erworbene Verstand aufgehoben werde. Der thätige 
Verstand wirke nemlich auf zwei verschiedene Arten auf 
den materiellen oder leidenden: einmal so lange der letz- 
tere noch nicht zur Entelechie gelangt sei; dann durch An- 
ziehung des Verstandes in actu, oder des erworbenen. Die 
erste Einwirkung müsse rorausgi^hen, weil sonst der er-^ 
worbene Verstand, als nothwendige Grundlage des geistigen 
Seins, nicht existirte, da er erst durch die erstere Einwir- 
kung entstehe und durch die zweite aufgehoben werde, in- 
dem die stärkere Form die schwächere aufhebe. AU Bei- 
spiele benützt der Philosoph das Empfindungsrer mögen und 
die Einbildungskraft. Das erste sei eine wesentliche Vor- 
bedingung für die letzte und doch verschwinde das erste 
gewissermassen, wenn die letzte erscheine, wie'z.' ß. in de» 
Visionen. Der thätige allgemeine Verstand, sogt er auch, 
wirke auf den materiellen, nach der Verwandlung in den 
erworbenen, wie das Feuer, welches den brennbaren StoflF 
verzehre und zugleich umwandle. Das Vermögen der Idfn- 
tification mit dem allgemeinen thätigen Verstände findet et 
nicht bei allen Menschen gJeichmäfsig« Es hängt von dreier^ 
lei ab: von der ursprünglichen Stärke des materiellen Ver- 
ftandes, die wieder von der Stärke der Einbildungskraft ab- 
hängt ; femer von der Vollkommenheit des erworbenen Ver- 
standes, welche speculative Anstrengung erfordert; endlich 
von der mehr oder minder zur Umwandlung des erworbe- 
nen Verstandes bereiten Form'. Aus der Ewigkeit und ewi- 
gen Thätigkeit des thätigen und materialen Verstandes fol- 
gerte der Philosoph endlich, dafs die Wissenschaften auf 
Erden nur per accidens entstünden und vergiengen, insofern ^ 
sie mit einem Individuum, wie Sokrates, Piaton, verbunden 
erschienen, an sich aber ewig seien. 

Von Rosclid sind uns Tiele Schriften erballen und aucli viele in 
den Yenetianer Ausgaben des Aristoteles von J483, 1487, 1497, 
15^7, 1550, 156?, 1573 gedruckt. Darunter geboren die Wider- 
legung des Gazali, das Tehäfot al-Tchafut (LaL destrucüo de- 



— 197 - 

«trnctignity Venet. l497 fol. ; cum ejuid. lib. de collect. intieHect. 
»bitraoti, ib, i^*^^ fol.); ein Compendiüm. der Logik (Univerta 
res logica Ripae Trid. 156Q« 4«) ; eine Paraphrase zur piaton. 
Bepublik (Rom 1539); ,ein Commentar sur aristotel. Rhetosik 
(ed. ^Identhal, Lipe. 184^} und Commentare zu andern aristo« 
teliseben Schriften, einige in «inehrf<^cher Fassung ; zwei Ab- 
handlungen über den tbätigen und leidenden Verstand unter 
« der Aufschrift ^De animae b^titudine; Epistola de connexione 

intellectus abstracti cum homine^^^ die Abhandlung über den 
materielltn Verstand, ungedr. in hebr.- Uebers. vorhanden ; eine 
über -die Eintheilung des 8ein8 gegen Ibn-Sina^ eine andre 
über die Uebereinstimnfung der Religion und PhiloiBophie, in 
bebr, Uebertrag. yo^^nden ; eine Schrift über den wahren 
Sinn der Glaubensdogmen, arabisch und hebr^tch vorhanden 
etc. Ueber sein Leben handelten, ausser I^unck, i« «euerer 
Zeit Wüstenfold in der Gesch. der arab^ Aerzte S. 104 und 
Lebreoht im ]ü((a|[iMiiu für 4ie liAterat^ des.Ausl. (84^ Nr, 79, 
83. 93, 96. ^08, , 

Wenn wr nach den Ursachen ies Verfath der arabi- 
schen Philosophie fragen, so treten uns vier Ursachen des- 
selben entgegen. Die erste hesteht in 'der blos äufserKehen 
Verbindung der heilenischea Lehre, wovon schon oben die 
Rede war. Ein' solches Band, das zudem nur die HdohsU 
gebildeten fesselte, war leichler gelöst^ Die zweite Ursache 
liegt in der Opposition der Sufi, wie AI Gazeis, der My« 
stiker, insbesondere der Sekte der Ascharitea etc. Schon 
Jbn-Roschd hutte unter A^mansur Oi84> ernstKche Verfol- 
gungen zu leiden, obgleich er sich keinen^ eigentlichen di- 
rekten Angriff .auf die Religioii erlaubte^ sondern zu ver- 
mittefn suchte, so in der destructia destructionis und in den 
obengenannten reiigions philosophischen Schriften. Er fin- 
det überall Wahrheiten, in der Religion, wie ii^ der Hiilo- 
Sophie,* und sucht den Koran nicht zu stürzen, sondern zu 
deuten« In dem Koran, sagt er z« B^, filmen sich Stellen, 
welche deutlich zu sagen scheinen, dafs Alles vorherbestimmt 
ist, und andre, welche dem Menschen bei seinen Werken 
einen Theil zuschreiben. Ebenso scheint auch die Philp- 
sophie von einer Seite gegen die Betrachtung des Men- 
schen, ab absoluten Urhebers seiner Werke, zu sein, weil 
diese sonst eine Art neuer, von der ersten Ursache, oder 



- na - 

Gott, uiiabh&ngigev Soh5pittng wlrvn, w&hrend jon der an^ 
dem Seite, bei der Annahme, dafs der Mensch zu Allem, 
was er thut, durch gewisse unabänderliche Gesetze, durch 
ein Verhängnifs, gegen welches- er nichts rermag, getrie- 
ben ist, alle Arbeit des Menschen, alle seine Anstrengung, 
das Gute zu thun, eine vergebliche Sache wäre» Die Wahr- 
heit liegt in der Mitte« Unsre 'Handlungen hängen theils 
Ton unserem freien Willen ab, theils von Ursachen aufser 
uns. Wir sind frei im Willen, auf diese oder jene Art zu 
bandeln, aber unser Wille wird immer schon durch eine 
äufsere Ursache im voraus bestimmt sein. Wenn wir z« ß, 
eine Sache sehen, die uns gefallt, so werden wir wider Wil- 
len angezogen, wie wir nothwendig dasjenige fliehen, was 
uns mifsfallt. Unser Wille ist immer schon gebunden durch 
aufsen liegende Ursachen, welche gemäfs einer gewissen, 
stets gleich bleibenden, auf den allgemeinen Naturgesetzen 
beruhenden Ordnung der Dinge existiren. Solche Vermitt- 
lungsversuche halfen aber nichts. Die bei den Arabern, 
wie bei den Hellenen, Christen etc. zur Repräsentation wi- 
dernatürlicher und darum im Ganzen vergeblicher Wünsche 
für das Uebernatürliche Consecrirten drangen durch« Ma^ 
predigte in den Moscheen gegen Aristoteles, Farabi, Ibn* 
Sina. Man richtete in Spanien wegen philosophischer Scu« 
dien einen gewissen Ben^Habib hin» Man verbrannte in 
Bagdad (1192) die Werke des Al-Raon Abd,*al-Saläm etc. 
Das Hauptassyl fand die arabische Philosophie nur noch bei 
den Juden, Die dritte Ursache des Verfalls liegt in dem 
höfischen Cbarahter der arabischen Philosophie« Mit der 
8chät«ui)g an den Höfen war sie emporgeblüht, mit derMifa« 
achtung mufste sie sinken. Die vierte Ursache endlich in 
der steigenden sittlichen und politischen Verkommenheit der 
Araber, zu welcher der idealism eines Farabi schlecht pafste, 
Es ist der Philosophie eigen, dafs sie nicht, wie mancher 
positive Glaube, neben dem Despotismus und dem Laster 
in die Länge vegetiren kann. 

Beim Oesammturlheil über die arabische Philosophie 
bebt Ritter (VIH. 176) als Glanzpunkte hervon die Unter- 
suchungen über den Zusammenhang der sinnlichen Voratel- 
lungen mit den Thätigkeiten des Gebima und unter einaa- 



-^ 190 — 

der ; die Ausföbrungen über den Uatersohied lyrischen sinn- 
lichem Vorstellen und Erkennen des Verstandes, wobei be- 
sonders das Gewicht hervorleuchte, welches auf die rollexive 
Thätigkeit des Verstandes und auf den Unterschied zwischen 
sinnlichen und intelligiblen Formen und Arten gelegt wor- 
den, wie über den Einflufa des ganzen Weltzusammenhanges 
auf unser Erkennen; endlich die Untersuchungen über Ma- 
terie und Form, in welchen sich als Ergebnifs immer deut- 
licher herausstellt, nicht allein, daft allen weltlichen Dingen 
ein Antheil an der Materie im weitesten Sinne des Wortes 
zukomme, sondern auch, dafs die Formen, welche an ihr 
wirklich werden aoUen, nicht nur äuf^erlich ihr ankämen, 
sondern innerlich aus ihr heraus entwickelt werden müfsten« 
Vor Allem mufs aber wiederholt das lebendige Gefiihl der 
Relation des Menschen hervorgehoben werden, welches, als 
Gegensatz der äufserlich* mechanische' physikalischen, tro- 
cken -isoliren den Naturbetrachtung, die Araber auszeichnet« 
In ihm ist die Wurzel der sorgfältigen Erkenntnifs- und See- 
lenlehre ZU/ suchen, indem es galt, den Antheil des Oben und 
Unten festzustellen; in ihm die grofse Gewalt dieser Philo- 
Sophie über eine energische, feingabildete Nation und über 

andre Nationen, die mit ihr in Berührung kamen^ 

* 

Allgemeine Hilfsmittel zum Studium der arabitchcn Philosophie 
sind: Zenker, biblioth, Orient» Lips. 1S46; Hadschi Khalfa 
(WisscnschafU, Bücherkunde arab. u. lat. h. t. Flngel, Leipz. 
1B35) sammt den übrigen orientalischen Werken, wekhe 'Lite^ 
\ ratürnotizen enthalten, wie die von Al-Kifti, . Ibu- Abi-Osei- 

bia etc, Casiri, bibliotheca arabico - hispana, Madrid i760 sq, 
U fol. ; Sacy, memoire sur V orig. et V ancien» monüm. de la 
litterature panni les Arabes, Paris 1805; Bauland, bist, litter. 
des Arabes pendant le nioyen Age, ib. 18^3; Wüstenfeld, Ge- 
sch, der' arab. Aerzte, Gott, 1840 ; Jourdain, rech. ; Wen. 
rieh, de auetor, graeoor. version, et comment. Syriacis Arabi* 
eis Armeniacis Persicisque comm, Lips. 184^; Ravaisson, mem. 
sur la philos, d*Aristote cbez les Arabes in d, compC rendii d. 
trad. de V ac. d' scienc. mor. et polit. Paris 1844 t. V ; Ham- 
^ mer, Geschiebte der arabischen Metaphysik, in «iner Eecension 
von Ar idschi*s Kitabol Mecawif in der Leipz. Lit. Zeit. 18^6 
Nr. tSi f. Ueber denselben l>elitz«cb im Lit. fil. des Orients 
184^ Nr, 45; Detttzsch, An^d^a aar GeKh. der mittelalterl. 



Soholattik unter Jhi^u und Moslemen) Muncl^ Philotoph. 4. , 
Arab. im dictionn. de sciences philotopbiq, pai^ ^"^ locietete 
etc. Paris 1844 S Schmoelders, docmticnta philo», ArabuiH) Bonn. 
1836; Idem, estai sur los qcolei pbil, chcT^ lei Arabes, Paris 
i84^; U, Ritter, über iinsrc Keqntnifs der ^rab, Philo^phie, 
Gott. 1844; die Geschicbtscbreiber der arabiscben Reiche, wie 
Pococke (Specimen histor. Arab. Oxford i650, 4.), Flügel^ 
Atcbbach etc. 



XVII. 

Christlich 'internationale Philosophiej 
von 900 bis 1400 n. Chr. 

Germanisch kann man die Scholastik nicht mehr abso- 
lut nennen, weil an ihr sich alle aus der Germancnherr-r 
Schaft berrorgehendtn Reiche, die Deutschen Victor ron 
St. Hugo, Albert der GrofsQ etc., wie die Franzosen Abä-r 
lard, Gilbert, Almarich etc., die Italiener Thomas y. Afuin 
etc., wie Engländer, Joh, v« Salisbury, Duna Scotus etc. 
betheiligten, und die Kraft des Germanischen in den Fran« 
ZQsen, Italienern und theilweise achon in den Englaivdera 
bereits gebrochen ist. Christlich aber mufs die Philosophie 
heifsen, weil sie die Wahrheit -des Glaubens zur Voraus« 
Setzung hat, nicht auf die ratio, sondern die rationes ein- 
dringt (Baur Dogmengesch. S« i54 f.)* Jene positive Hat« 
tung der Theologie steigert sich mit dem Fortgange sogar 
CHitter Vir« 1 54)) statt dafs siph eine von der kirchlich- 
geschichtlichen Offenbarung unabhängige Weltweisheit ge* 
staltet hätte« 

£rtt hatte man Philosophie und Theologie noch nicht ^reng ge* 
sondert; dann den Grundsatz durchzufuhren gesucht, >dals die 
Philosophie das zu begreifen habe, was durch 'kirchliche Au* 
toritHt als Glauben hingestellt war, ohne dafs man die Philo«. 
Sophie für etwas Geringeres ansah als den Glauben ; später 
sollte auf natörlichein Wege nicht Alles begriffen werden kön- 
nen und die Theologie über dem Philosophiren stehen; endlich 
wollts man den Kräften der Vernunft bei der £rkenntnifs der 
Wahrheit fast nichts mehr zutrauen, »Bie Geschichte der Phi* 
losophie, bemer)it Baur (Dogmengcsch. S« 17), verlor sich in 
die PogmengeschtchU i|nd ging in dieser vnter^ so dafs es kein 



— 501 — 

Tom Bogma undiihängiget Denken mehr gab, bis (nacb ier 
it«formation) sich 9as Denken vom Dogma wieder losmachte, 
sich selbst zum Anfange machte zuvn deutlichen Beweise, dafs 
seine Hingebung an den Glauben nur «ine periodisch«; Forni 
des Bewufstseins sein sollte/' Hören wir poch aus dem i^ten 
Jahrh. Bellarmin (De effectu sacramentor, Hb, IL c^p. 1^,): 
Nam tenemur quidem rationem reddere ejus quae in no)bis est 
Spei (i Petr. 3.), sed id facere tenemur ex principiis fidei, non 
ex Metaphysica. Nam S. Augustinus, libro 3. de peccatorvm 
meritis et remiss. cap. 4, egOj inquit, loqucns de .argumentit 
contra modum traductionis peccati originalis, etiamii istorum 
argumenta soloere non valeam, video tarnen inhaer^ndum 
esse divinis äteris etc. Et in epist. 1^, ad Hieron, dicit se, 
cum iäterrogatur quommodo peccatum Ad^e propagetur in po- 
stero8,j».respoqdere solitum: Hoc^ nt alia mnlta^ me ignorare 
confiteor^ Et tarnen non proptera deerat defensioni üdei, 

International is^ die Scholastik, weil- in ihr eine todte 
Sprache sich breit macht, l^ein Element, weder daß germa- 
nische noch das romanische, sum röUigen und reinen Durch*^ 
bruche kommt, und endlich römische, griechische, arabisphe 
Ergebnisse nicht blos ein Anregungsmittel, sondern ein Fun-r 
dament bilden, theils mittelbar durch die Kirchenväter, theils 
unmittelbar durch den Einflufs der platonischen, aristote* 
lischen wie arabischen und römischen Schriften« Ueb^r den 
Einflufs ui\d die Verbreitung der aristotelischen Schriften, 
wovon Ri^ner S. 68 spricht, ist nun Jourdain (Recherch« 
sur l'age et Torigine des traductiona latines d*Arislole, ed, 
JI. Paris 1842) nachzusehen. Von den Platonischen Schrift 
ten wurde hesonders <ler Timäos schon im 9* und lo. Jahr- 
hunderte wirksam« i)er Einflufs Piatons zeigt sich bei Ger« 
J^ert, Berengar, Abälard, Anselm, Hugo tob St« Victor, Ade«^ 
lard von Bath, Bernhard von Chartres, Gilbert etc. (Ritter 
VII» 69 f. 62Ö f.). Wie man das Organische, die stufen- 
weise Entwicklung der Philosophie bei den Griechen als 
Kriterium der Eingeborenheit ihrer Philosophie geltend ^e* 
macht hat, so kann man das Unstete, Sprunghafte der Scho* 
lastik als Kriterium der Mischung verschiedener nationaler 
und wissenschaftlicher Elemente betrachten« 

Der eigenthümliohe Charakter dieser Periode im Ver. 
häUniff zur vorigen besteht in der subjectiven Ge^tcfl- 



tuug, wobei es sich aber von selbst versteht, däfs die An- 
eignang in sporadischen, unsystematischen Versuchen noch 
nebenher läuft. In der vorigen Periode hatte die Zeit das 
Subjective objectiv gemacht, wozu aufser der wachsenden 
Ferpe auch die Unterbrechung in den Trägern der Reli« 
gion, den Völhern, und in den Schulen durch die gewalti- 
gen Stürme wirkten« Nun trat die. Zeit ein, wo das Ge* 
lernte, das Ergebnifs d^r Schide, von dem reifenden Ge« 
schlechte europäischer ^Völker gehandhabt werden sollte« 
Dies war ohne subjective Selbsterhebung nicht möglich. 
Auf sie deuten die freien Sjpiele der Sporadiker (Abälard, 
Gilbert, Simon von Tournay etc.) wie -die Bewältigungen 
jdes Stoffes ^er Systematiker und Concentratoren (Hugo von 
St. Victor, Petrus Lombardus, Albertus, Thomas, Scotus), 
die Freude an einem vom objectiv religiösen Bestände freie- 
ren, wenn auch nur noch latent gegen diesen reagirenden • 
Elemente bei den Physikern und Encyclopädisten (Wilhelm 
von Hirsebau, Adelard, Bernhard von Chartres, Wilhelm 
von Conches etc. bis auf Thomas von Gant, und Raimund 
ron Sabunde), wie der Drang nach Opposition gegen diese 
Erhebung bei Mystikern, Praktikern und Nominalisten von 
Roscelin bis Occam, von Bernhard bis Bonaventura, von Jo» 
hann von Salisbury bis Gerson. 

Bei der gewaltigen subjectiven Erhebung kann es uns 
nicht wundern, wenn auch die alte, bei Porphyrius, Boe- 
thius, in den Glossen des Raban eto. (Ritter VII. 3io) an- 
geregte Frage über die Realität der allgemeinen Begriffe - 
gleichfalls frisch zu Leben kam, wobei drei Arten von Par- 
teien auftauchen. Erstens Nominalisten, wie Roscelia, wel- 
cher gegen die Spaltungen im Verstände, die sich immer 
mehr häufen mufsten, reagirte und, ein Feind der Theilung 
V xwiachen Form und Subsistens etc* bei den natürlichen Din- 
. gen wie bei den Personen der Dreieinigkeit, nothwendig 
bei dem blosen Sein des Untheilbaren anlangen mufsto. Von 
ihm wird ein von Schmeller aufgefundener Brief erscheinen 
CBullet. der bair. Akad. 1847 ^^' 30* Die Lehre der No- 
minalisten giebt der Verfasser der Schrift de generibus 
CGoiisin, ouKr^ges inedits d' Abelard p. Si3) in den Wor« 
ten m: De generibus et speciebus diversi diversa seirtiniti. 



— 208 — 

Alii nonque voces soloa geuera et species universales et sin- 
gulares esse afürmanti in rebus vero nihil horum assignant. 
Eine Widerlegung steht p. 523 — 54o. Dann Realisten, wie 
Wilhelm von Champeaux t 1121, von dem nach Cousin 
COuvr. inedits d' Abelard p. CXH) noch seutentiae theologi^ 
cae ungedruoht und bei Marlene (Anecd. t. V. p. 881 •) ein 
Bruchstück de origine animae und Andres bei Cousin ge* 
druckt vorhanden« Er hat sich durch seinen strengen, un- 
ter dem Kampfe mit Abälard sp&ter gemäfsigten Realism 
auf die Seite derer gestellt,, welche die Anstrengungen ihrer 
Zeit in der Dialektik gegen die Nominalisten wohl dadurch 
zu sichern glaubten, dafs sie alles Wesen und die Wahr- 
heit in die Begriffe oder Formen veriegten. Auf ihn zie* 
len die Worte des Verfassers der Schrift de generibus (hü 
Cousin a, a. O« p. 5i3): Alii vero (genera et species) res 
generales et speciales universales et singulares esse dieunt; 
sed et ipsi mter se diversa sentiunt • • « Alii vero quasdam 
essentias universales finguht, quas in singuKs individuis to- 
tas essentialiter esse credunt. Der genannte Verfasser sucht 
diese Lehre p. 5i3 — 5i8 zu widerlegen. Perfier realisti- 
sche Indifferentisten, wie Walter von Mortagne (de Mauri- 
tania), dessen Lehre der Verfasser der Schrift de generibus 
in dem Satze fafst: quidam enim dieunt singularia indivi- 
dua esse species et genera subalterna et generalissima alio 
et alio modo attenta (Cousin p« 5i3)* Er ordnet ihn dea 
Realisten unter und bekämpft die Lehre p« 5i8 — 523« Wal- 
ter starb als Bischof zu Laon 1174 (Ritter VII. 597). Eine 
dritte Art von Realism vertritt der Verfasser der Schrift de 
generibus selbst, indem der Begriff der Natur und ahn« 
liehen Schöpfung etc. von ihm angewandt wird. Dasselbe 
gilt von Gilbert. Aufserdem hat man in neuerer Zeit noch 
besonders den Conceptualism hervorgehoben, den man durch 
verschiedene Stellen zu charakterisiren sucht, wovon hier 
tftwei Platz finden mögen. Gilbert (In Boeth. I. p. ii32) 
sagt: Tria quippe sunt: res, intellectus et sermo . * • * Sed 
neque sermonis nota, quicquid res est, potest ostendere, ne- 
que intelligentiae actus in omnia, quaecunque sunt ejusdem 
wei^ potest offendere, ideo nee eonceptus, omnia teaere, 
(^rca eonceptum e^am remane^ sermo. . Non enim tantnm 



— 204 — 

rei sig^ificalione prodit termo quanlam intelligentia con- 
cipit« Die sweite steht bei Joh. t. Salish* Metäiogic. Ih 17« 

In der ^weiten Hälfte dieser Periode bringt Albert der 
Grofse eine Vereinigungsformel zu Stande, welche auf nicht 
lange 2^it und nur theilweiae befriedigt« Wilhelni Durand 
von St. Pourgain will schon wieder die Gedanken nur als 
Gedanken gelten lassen^ In sent. I. dist. XIX- q. 5. sagt 
er: Inlelligere in homine est rera res et denomina(io, <iua 
honno dicitur intelligecis est realis in bomine; inteiUgi au- 
ten\ non est rera res in lapide nee denominatio, qua lapis 
dicitur sie intellectus est realis in lapide • ^ • « Omne quod 
est subjectire in intellectu est accidena, res autem e^terior 
est quandoque si]U>stantia materialis, Tel, si accidens est, ac^ 
cideas cocporeum« Inter haec pon potesjt esse sin\ilitudo 
vel conformitas in essendo, cum sint diversorum generum« 
Der Zusammenhang zwischen Realem und Idealem wird voa 
ihm zerrissen, das Wissen in ein Unreales, ein ens ratio- 
liia verwandelt, alle Gewifsheit der Philosophie in Frage 
gestellt. Ebenso von Wilhelm Occam Cict ^cut« K dist« II, 
q« 4: Nihil scitur nisi complei^nm, complexum autem noa 
e&t extra animam, nisi forte in voce, vel in consimili signo)« 
£r weicht mit der Behauptung, dafs die Universalien aufser 
der Seele in den Dingen, aber verschieden von den Dingen, 
blos in formaler nicht in realer Weise existirten (Logic« I. 
16. In sent. I« dist. II« q, &), von Seotus ebenso ab, wie 
Wilhelm ron den Thomisten. In beiden Orden breitet sich 
die Herrschaft des Nominalism aus und der einzige Ver- 
einigung&punUt ist die alte theologische Anomalie« So steh^ 
Zu B« Occam nicht an, seinem erUenutnifs- theoretischen Er- 
gebnifa Abbruch zu thun im Verhältnifa zum Theologischen 
(Log« t. i5; In sent«L dist. IL q. 4: Nulla una res numero 
non variata nee multiplicata est in pluribua suppositis vel 
singniaribus nee etiam quibuscunque individuis creaturis si^ . 
mul et semel« Sed talis res si poneretur esset una numero,^ 
ergo non esset in pluribus singularibus, nee de essentia iL 
lorum. Hoc est proprium soli divinae essentiae)« 

Man erkennt die Bedeutung dieses Kampfes erst, wenn 
man die Abhängigkeit und den Mangel an Voraussetzungs- 



— 205 — 

Josigkeit l>ei den philosophischen Bestrebungen jener Zeit 
erwägt. Vier Factoren trieben erst sur Aufnahme und 
Werthschätzung der aristotelischen Logik und der platoni* 
sehen Philosophie : Die Tradition der Schätzung bei den 
Kirchenv^ätern ; das Bedürfnifs nach systemati^her Gestal» 
tung ; die natürliche Wifsbegier ; endlich der naturliche 
Drang zu begreifen, zu ralioualisiren« Alle rier erzeugten 
erst die Ansicht, dafs' die theologische Schule, Ton welcher 
allein die Rede sein kann, der Philosophie, nicht nur ala 
einer Vorbereitung, sondern auch als einer wenn auch nur 
unvollkommenen Fundgrube der göttlichen Wahrheit, gün- 
stig zu seyn Ursache habe. Aber bald erhoben sich die 
Positiven, bei welchen die Praxis, das Geföhl die drei letz- 
ten Factoren vertrat» Tiefer einschneidend, principiejler und 
wissenschaftlicher kofinte ihr Kampf nicht unterstützt wer- 
den, als tlurch die Trennung des Denkens vom Sein, durch 
den Satz, dafs alles Philosophiren über die höchsten Ange«* 
legenheiten nur ein Spiel mit Namen, mit Gedankendingen 
sei* Am Ende des 12. Jahrhunderts hatten die Mystiker, 
Praktiker und Nominalisten es bereits so weit gebracht, 
dafs eine völlige Trennung der Philosophie und Theologie, 
eine doppelte Sprache und doppelte Wahrheit in Aussicht 
stand, wie wir z. B. bei Otto sehen werden. Dafs der No- 
minalismus noch keinen gröfsern Erfolg hatte, selbst bei 
Praktikern und Mystikern, ist der forldauernden Wirksamer 
keit des ersten und zweiten Factors zuzuschreiben. Indes^^ 
sen wäre doch der christlichen Philosophie ein Ihnlichei 
Schicksal bevorgestanden, wie später der arabischen und 
jüdischen, wenn nicht zwei Gewalten die europäische 
Menschheit gerettet hätten* Die erste dieser Mächte war 
das aufsteigende Leben bei den abendländischen Nationen, 
die Progression der nationalen Individuation, welche bei 
Juden und Arabern oder Türken etc. nicht zu finden 
ist, und, wie ein innerer Herzschlag, gegen subjecttve 
. l^rschlaffung und geistige Fäulnifs arbeitete. Die zweite 
durch jene vermittelte war Aristoteles; Unter diesen Ein- 
flüssen erlebten jene vier Factoren eine neue Verjüngung 
und erzeugten die Blüthe der Scholastik« Indessen war die 
alte Opposition keineswegs gebrochen« Sie gelangt viel- 



— t»6 — 

fni^hr, firiter Anfbhrung der Mystiker rön praktischer uad 
iet Momihalisten ron wissenschaftliciier Seite, 'zum röUigen 
^ege gegeii Ende des 14. Jahrhunderts. Was im 13. Jahr- 
hunderte nur halb deutlich sich angekQndigt, tritt im i4tea 
schreiend hervor« Die Gründe hieron 4(<^nnen nur aus der 
Abstumpfung jener vier Factoren flielseh* Die patristiscfae 
Tradition übte nicht mehr den ursprünglichen Einflufs, wie 
auf die lernbegierigen, durch weniger Kritik beirrten Ge« 
müther. Die morgenländischen Väter, die philosophisch* 
erregteren und geistig bewegteren, hatten den abendländi«* 
sehen immer mehr weichen müssend Man unterschied schär«« 
fer zwischen Vätern und Vätern, zwischen Väterstellen und 
Väterstellen* Die Kirchenversammlung, das Dogma, die 
Hierarchie lagen näher^ Das viele Durchlebte rückte mit 
jedem Schritte das Alterthum in gröfsere Ferne des Ein- 
drucks. Das ßedürfnifs nach systematischer Gestaltung war 
erfüllt, die Hilfsmittel hiezu verloren an Werth, Die Wifs- 
bcgier war gesättigt und die . antike und arabische Philo*» 
Sophie hatten den Keiz der Neuheit verloren. Es existirte 
aufser der platonischen und aristotelischen Philosophie keine 
dritte mehr, welche zur neuen Aufnahme der ganzen Arbeit 
hätte nöthigen können* Ja die (Quellen und Darstellungen 
hatten sich so gehäuft und ausgedehnt, dafs sich die Zahl 
derer verstärken mufste, welchen die Betreibung lässig ^nd 
unlustig vorkam. Das natürliche Gesetz der* Trägheit, Ivel* 
ches auch im Alterthume gegen die kladsische Philosophie 
reagirt hätte, gewann mehr Boden* Der letzte Factor hatte 
endlich kein befriedigendes Ergebnifs erzielt und konnte, 
unter der Voraussetzung der Unantastbarkeit gewisser Glau- 
benslehren, die schon Otto bezeichnet, kein solches Ergeb- 
nifs erzielen. Der Versuch der subjectiven theologisch- phi-^ 
losophischen Gestaltung hatte in sein Gegentheit umgeschla- 
gen, in die Passivität, in die Skepsis. Aber Alles dies war 
nur unter Voraussetzung der Philosophie, als theologischer 
Schule, geschehen. Es war so viel wie nichts geschehen^ die 
Praktiker, Mystiker und Nominalisten hatten nichts erreicht, 
80 wie man die Voraussetzung fallen Kefs, die Philosophie 
ftir die Philosophie, die Theologie für die Theologie gel- 
tend machte und den Gedanken des is. Jahrhunderts, die 



— ±87 — 

zwei Gebiete der Philosophie und Theologie tu tfenae«« 
wie die praktisch -iii]rtli8oh«-nomin«li8ii9che Opposition anA 
in dieser Beziehung wieder aufnahm. Bei TÖlliger Vorans« 
setzungslosigkeit hatte die subjective Erhebung wieder Po^ 
sition erlangt und nmlste ihr hebeny unterstützt ron jenen 
zwei Mächten, weiterhin steigern, 

Ueber die Periodeneintheilung dieses Zeitraumes wird 
man, wenn eine solche überhaupt nöthig sclieint, kaum zwei- 
felhaft sein können« Bis zum 12. Jahrhundert herrschen 
die logischen Schriften des Aristoteles und die Kosmologi- 
scheu des Piaton ; in den letzten zwei Jahrhunderten die 
arabisch -aristotelische Philosophie. Bis zum la« Jahrhun* 
dert kämpft die Opposition gegen die Philosophie mit stei- 
gendem äufserlichem Erfolge; im i3. und i4« Jahrhunderte 
mufs sie ihr Werk neu aufnehmen und gelangt am Ende 
wieder zum Vorschlag. Das la. Jahrhundert hat einen Hu- 
go, Lombardus, das i4. Thomisten, Scotisten etc* 

Unter den einzelnen Sporadikem der ersten Hälfte des 
Zeitraums begegnet uns zuerjBt der bekannte Papst (Ger- 
bert) Sylueater t >oo3. Aus seinen Schriften hat man 
mehrfach Sätze fär rationale und realistische Anschauung 
gesammelt. So sagt er eps 23: Humanitas quippe prima in 
actiris, dirinitas secunda in speculativis. Und in der Schrift 
de corpore et -sang, dorn, (bei Pez thes, anecd« nov* I. 3« 7): 
Non enim ars illa, quae diridit genera in species et species 
in genera resolrit, ab humanis machinationibus est facta, 
sed in natura rerum ab auctore omnium artium, quae yere 
artes sunt et a sapientibus inrenta. Eine rein philosophi- 
sche Frage behandelte er in seiner Schrift de ratiönali et 
ratione uti (bei Pez p, 149 sq.), wo er wenigstens die Frage 
behandelt, wie ron niedern Begriffen nur höhere und doch 
ron dem yernünftigen Wesen der Vernunflgebraucb aus- 
gesagt werden könne (Rilter Vll. 3oo f.). 

Wie Gerbert seine Schule theils in Prankreich, theils 
in Spanien, bei den arabischen Aristotelikern gemacht, so 
pflanzte sich wieder von ihm aus mani^igfaltige Anregung 
fort, «, B. Bu( Fulbert^ den Lehrer des Berengar^ ron 
Tours t io88. Der letztere ist ein Hauptkämpfer im Abend- 



— ttft — 

»Mtlilflstreite gegen Lanfrank und in jener Controrerse, weU 
che ftVr das dialektische Leben ron grofser Bedeutnofg war, 
Realist und Rationalist« Jn der Schrift de sacra coena sagt 
er z« B« Mazimi plane cordia est, per omnia ad dialeclicam 
coningere, quia confugere ad eam ad rationem est confu-» 
gere: qiio qui non confugit, cum secundum rationem sit 
factus €^d imaginem dei, suum honorem reliquit, nee potest 
reuorari de die in diem ad imaginem dei (Ritter Vlh 307 f)» 
In Betreff Anaelms von Canterbury (geb* io33r t *i09>' 
ist besonders seine Vertretung der Lehre Augustins über 
das Verhältnifs zwischen Wissen und Glauben herrorgeho* 
bcn worden : qui non crediderit, non intelliget, nam qui 
non crediderit, non experietur et qui expertus non fuerit, 
non intelliget. Weniger hat man mit Ritter (Vfl. 352) her- 
vorgehoben, dafs er unter Glauben nur die Ueberzeugung 
der Seele von einer übersinnlichen Wahrheit versteht* Man 
wird in seiner Forderung innerer Erfahrung und Reinigung, 
in seiner Betonung der Vernunft, als prinpeps et judex om- 
ni um quae sunt, in seiner an den Pantheismus streifenden 
Richtung, welche ihn 2u dem Ausspruche treibt „Sic exi- 
»tendi veritas intelligitur in verbo, cujus edseutia Sic summa 
est, ut quodammodo illa sola sit« In factis vero non est 
Simplex absolutaque essentia sed verae illius essentiae vix 
aliqua imitatio^^ — leicht den subjectiven Charakter dieser 
Periode erkennen* Denn selbst dieses Anstreifen an die 
Auflösung der Wahrheit der Dinge in die Wahrheit Gottes 
ist nur der Rückschlag einer f(ir jene Zeit gewaltsam er- 
scheinenden Thätigkeit* Wenn man das Viele, was dieser 
Realist dem augustinischen Platonism, dem Kampfe zwischen^ 
Berengarius und seinem Lehrer Lanfrank verdankt^ in An- 
schlag bringt, so besteht seine glänzendste Seite wohl in 
der gelungenen, kurzen Wiedergabe frisch - und selbstver- 
arbeiteten Stoffes, die auch später bei Cartesius so mäch- 
tig wirkte. Die schwächste Seite aber besteht wohl in sei'* 
ner Auffassung des Bösen und der Folgen« Er nimmt die 
Prädestination an, er will die Sünde für einte Ewigkeit ent* 
scheiden lassen und sagt doch, dafs der Mensch die Pläne^ 
die Macht Gottes nicht stören könne etc. Da Rixner dtn 
Werth des ontologischen Beweises aufrecht halten will, so 

sei 



* 
«ei QcUiefslich Ritters Bemerkung eiogfeschaUet, ieSa das 
Ungeaügende jenes . Beweises auf Verwechslung des Seins, 
welches Subject aller Prädicate und also auch aller Voli- 
kommenhciten ist, mit dem Sein der Prärdicate oder Voll- 
kommenheiten teruht (Ritter VII. 3i6 f. 638» VIL 7ö3). 

Die subjective Rich1;ung, wek;he Ibei Anselm nur ron 
späterer Zeit gewürdigt werden konnte, trat in Abälard* 
auf eine selbst den Zeitgenossen augenfällige Art heraus. 
Der h. Bernhard schreibt: Irridetur simplicium fides, eris- 
cerantur arcana dei, quaestiones de allissimis rebus temera- 
rie yentilantur, insultatur patribus, quod eas magis sopien- 
das quam solrendas censuerint. Omnia usurpat sibi huma- 
num ingenium, fidei nil reservans; irruit in divina, sancta 
temerat magis quani reserat ; clausa et signata non aperit, 
sed deripit ; et quicquid sibi non inrenit peryium, id putat 
nihilum : credere dedignalur, 

Ucber Abälards Bildung, Wesen und Schicksal sagt Otto r. Frei- 
sing (De gestis Frid. I. c.47.): Petrus literarum stiidiis aliis- 
que facetiis ab ineunte aetate deditus fiiit, sed tarn arrogans 
siioque tantum ingeffio coniidens, ut vix ad audiendos magistrot 
ab altitudine mentis stiae humiliatas descenderet. Habait primo 
praeceptorem Rbscelinum quendani, qui primus nostris tempo- 
ribiis in logica senlcntiam vociim instituit et post ad gravissi- 
inos viros, Ansehnum Lauduncnsem, Giiilhelmum Campellensem 
Catalauni episc, migrans ipsorinnque dictorum pondus tanquam 
siibtilitatis acuminc vaciinm jiidicans non diu sustiniiit. Inde 
magistrum induens Parrbisius venit, plurimum in inventionum 
subtilitatc non solum ad philosophiam necessariarum sed et pro 
commovendis ad jocos animis hominumutilium Valens. Ubi oc- 
casione quadam satis nota non bene traclatus monachus in mo- 
naslerio S. Dionysii effectus est. Ibi die noctuque lectioni ac 
nieditationi incubans, de acuto aculior de literato cfHcitur lite- 
ralior, in tantum ut post aliquod tempus, ab obedientia abbatit 
sui solutus, ad publicum prodiret docendique rursus officium 
assumerct. Sententiam ergo vocum seu nominum in natural! 
tenent facultatc non caute theologiae admiscuit etc. 

Qafs Abälard gerade in eine Zeit fiel, wo die Reaction 
gegen die Subjectivität so starke Vertreter fand, dies war 
sein Ruhm und auch sein FalL An sich gehörte Abälard 
Oumpoich, Dr. V. F., Geschichte d. Philosophie. 14 



— 210 — 

weder su den Vertheidigem entschiedener geisti^r Frei- 
heit, noch in irgend einer Beziehung zn den Entschiede- 
nen. Indifferent und ungleich stellt er sich zwischen die 
Nominalisten und Realisten, obgleich er in Bezug auf die 
Anwendung der Philosophie auf die Theologie zur Par- 
tei der Nominalisten gehörte; und auch Remusat (Abelard 
t. IL p. 111), im Hinblicke auf ein neu entdecktes Frag- 
ment, zu sagen genöthigt ist: „(,)uoi qu*il en soit, ce nou- 
reau fragment de la philosophie d* Abelard nous la montre 
0OUS un ]Our nouveau (?) et lui restitue le caract^re, que 
lui attribue la tradition historique« Nous venons de le roir 
nominaliste etc. Das Auffallende, dafs Abälard, als Spora«* 
diker, die Wahrheit der Dinge den Worten entgegensetzt 
(Introd. ad theol. IL s. lo; Rilter VII. 240) und so «ine 
Richtung der entgegengesetzten Partei, der Speculations- 
feinde seiner und spaterer Zeit, theilt, mindert sich bei der 
Erwägung, dafs der Nominal ism auch zur Beschützung des 
speculatiren — doch nicht die Sache erreichenden, also auch 
nicht gefährdenden — Spiels angewandt werden lutonte. Er 
stellt ferner in dem Sic et non die theologischen Schulan- 
sichten einander nicht entgegen, uifi^ bei der Sliepsis oder 
hei eigener, über die Gegensätze und das Positive erhabe- 
ner Ueberzeugung anzulangen, denn der Glaube bleibt sein 
Ruhekissen und die Quelle seiner Hoffnung (eb. 4^8); er 
empfiehlt die weltliche Kunst, die heidnischen Philosophen 
und Dichter, betrachtet sie aber nicht im Sinne der ersten 
Kirchenväter als Gefafse des heil. Geistes, als Gläubige ohne 
Willen, um die Kluft zwischen Heidenthum und Christen- 
thum aufzuheben; denn er hält das Erkennen ohne den 
Glauben für verdienstlos und den Glauben an die Erlösung 
durch Christum für nothwendig (eb. 410 f.); er will den 
Himmel nicht 'stürmen, denn wie einem Augustinus ist ihm 
die Gottheit menschlichen, bildlichen Ausdrücken unerreich- 
bar; er verharrt nicht fest darauf, dafs der wahre Weg 
TOm Zweifel zur Erforschung, von dieser zur Wahrheit 
gehen müsse, wie er im Sic et non p. 16. es ausgesprochen, 
denn es finden sich auch Stellen bei ihm, dafs der Glaube 
das Erste sei* Endlich war Abälard viel zu wenig conse- 
quem und wahrhaft muthig, um es bewufster Weise auf 



— 211 — 

Kelzereiett «nzutegen, Jn dem Prolog zu dem Sic ^ non 
Mgt er p. 17, er habe das Deoret des Papstes Gelasius de 
authenticis rorangesetzt, damit man sehe, dafs er nichts aus 
den Apokryphen genommen, und aufserdem habe er Aus- 
züge aus den retractationes des h. Augustinus angehängt^ 
aud. welchen erhdien könne, dafs er nichts - behauptet, was 
dieser zurückgenommen. ^ Ottc^ hebt besonders vier ihm 
vorgeworfene Punkte hervor: Quöd pater sit plena poten- 
tia, filiüs quaedam potentia, Spiritus sanctus nulla potentia; 
Quod Spiritus s. non sit de substantia patris; Quod Spiritus s» 
sit anima mundi; Quod Christus non assumpsit camem ut 
nos a jugo diaboli liberaret; Quod non peccaverunt qui 
.Christum ighoranter crucilixerunt. £r läfst aber AbSlards 
Verlheidigung gelten und wirft ihm blos Unvorsichtigkeit 
vor. Es wäre kein Grund vorhanden gewesen^ mit solcher 
Heftigkeit gegen ihn zu verfahren, wenn der herrschende 
Zwiespalt nicht gleichsam ein Opfer gefordert hätte. Be- 
dauren werden wir den Abälard kaum, wenn wir betrach- 
ten, wie er z« B. den Roscelin in einem Briefe zum Ketzer 
stempeln will* 

Die Partei des h. Bernhard, tn welcher unter Anderen 
in Prankreich Walter, Prior von St. Victor (mit seiner 
Schrift gegen Abälard, Gilbert, Peter den Lombarden und 
Peter von Poitiers, die er um 1180 herausgegeben haben 
soll; A. Planck, über die Schrift des Walter von Maureta- 
nien contra novas haereses quas Sophistae Ab. etc. libris 
sententiar. suan acuunt in den theolog« Studien und Kriti- 
ken 1844 H. 4.), in Deutschland Gerhohus t i>^ (S* meine 
allg* Literaturg. d* Deutsch. S. 174) gehörten, hätte ohne 
Ttffeiiel auch den Gilbert de la Poree zu einem Ketzer 
gestempelt. Aber dieser hatte nicht ein Vorurtheit aus sei« 
nem Wandel gegen sich, wie Abälard, war nicht bioser 
Mönch und liefs sich nicht so leicht niedertoben* Man 
mufste ihm die Erlaubnifs geben, sich zu verlheidigen, was 
man bei Abälard nicht gethan (Otto Fris. de gest. Fr. 
c. 47- 48.). 

-Er wird ron diesem GetchichUchreiber als Gegensatz AbSlardt 
hingestelH (c. 46. 50.): Ab adoletcentia utque ad vltimam te« 

14* 



— 212 — 

Bectutem io diversis Galliae locis pliilo8ophia6 ttudinin col«ns, 
re et nomine magistri officium administrarat, consuetus ex in- 
genii subtilis magnitudine ac ratiönum acumine multa praeter 
comraunem hominum morem dicere. Ab adolescentia magno- 
Tum virorum disciplinae se subjiciens, magisque illorum pon- 
deri quam suo credens ingenio, qualis primo fuit Hilarius Pic- 
taviensis, post Bernardus Carnotensis, ad ultimam An&helmus et 
Radulpbus Laudunenses G%nnani fratres, non levem ab eis, sed 
^avem doctrinam hauserat, manu non subito ferulae siibducta. 
A Bcientiä^bud ceo^ura morum vitaeque gravitate discordanie, 
non jocis WA ludicria sed seriis raentem applicarat. Sicut in 
factis uc in dictis se difficilem ostendit, ut nunquam puerilibus, 
▼ix autem eruditis et exercitatis quae ab eo dicebantur paterent 
animb. Mehrere seiner Schriften sind gedruckt, so ein Com- 
mentar zu Boethius de trinitate, ein Commentar zu Boethius de 
duabus naturis in Christo in der Basler Ausg. d. Boethius von 
1590, eine Schrift de sex principiis bei einem alten Drucke 
(Authoritates Aristotelis, Senecae . . ef Gilbert! s. 1. et. a. 4, 
und in der Ausg. des Aristot. Aug. V. 1672). 

Seine Lehre findet man bei Ritter VII. 487 auseinander 
gesetzt* vV^ir werden sie in der Darstellung des nachfol- 
genden, von den Gescbichtschreibem der Philosophie we- 
niger beachteten Mannes gleichsam mitnehmen* 

Neben Gilbert sei nämlich auch des Bischofs Üiio von 
Freising f i»58 gedacht. Er stellt sich in seiner Arbeit 
de gestis Friderici imperatoris lib, I. cap. 46 sq. auf Seile 
Abälards und Gilberts gegen Bernhard, von dem er sagt: 
Brat autem praedictus abbas tam ex christianae religionis 
fervore zelotypus quam ex habitudinali mansuetudine quo- 
dammodo credulus^ ut et magistros, qui humanis rationibus, 
seculari sapientia confisi, nimium inhaerebant, abhorreret, 
et, si quicquam ei christinnoe iidei absonum de talibus di- 
ceretiar, facile ourem praeberet. Ex quo factum est, ut non 
ttiulto ante hos dies ipso auctore, primo ab episcopis Gal- 
liae post a romaiio pontiBce Fetro Abaelardo sitentium im* 
positum fuerit. Er trat selbst als philosophischer Schrift- 
steller auf, denn Aeneas Syli^ius sagt (Hist. Frid. 111. in Kol- 
larius Analect. II. p. 29): in Dialectica quoque ac Philo- 
Sophia opuscula nonnuHa edidit. Und er hat damit rieU 



— 2ia — 

leicht jenen logischen Disput genährt, ron weichem 'Radc- 
ricud, sein Biograph, in dem Epitaphium sagt : 
Ipse dedit strepere logicum tumi^Itum. 

Ottos philosophische BiUlung, welche sich von seinem langen Aiif- 

enthahe in Paris herscliitiiLi, wird von dcmst-lben Biogröphcn 

(t. IL p. LIX der StraraJjurger Ausg. v» I5l5 foL , weklie iDir 

vorliegt) auch in Prosd gd'tiiort: LUerali Äclemia ooo iiurdio- 

criter aut vulgariter iiisU'uctub inter cpiscopos AJcuiciiiniac vel 

primua yel inter priiuüi habtbatur m tantofli ijt praeter sacrae 

|)9g)nae cognitioncm, cujus Becrotis et »ctitt*atlaifijni aJ.HliUö prüe- 

pollchat, philosophicorum «t jtrJBtoit^Jicorum llbrorom Eiib(ilita- 

tem in topicis analyticis atque elcnchis fern primuß nosidij fini- 

bus adportaverit. Ob ea etc. §ibi gJoria laadtiiij laut invidiain 

' iit assolet, non modicani pepeiisäet, laquco» adversaviarum im- • 

perterritus declinavit i-t oLtoifuentiutni ora &ine lat-siono i^robc 

probus evasit. 

• % . 
Von den bekannten Schriften Ottos schlagen besonders 

zwei Abschnitte seines Werkes über Friedrichs Thaten 1. 1. 

5 ti» 55 üier ein, vrelche sich schon in der Aufschrift al^s 

epeßulative Exeurse ankiinJigen« 

In dem erstem Abschnitte geht er von dem Unterschiede 
y.vvianhen dem Erzeugenden (genuinum) und Erzeugten (na- 
'ti^^^um) aus* ,,Das erste iüt einfach, besonders, einschichtig; 
dfts zweite zusammengesetzt, mit gleicher Form begabt, 
torvcrot (simplex, singulare solitarium — compositum, con- 
forme, concretum)» Bei den Christen giebt es nicht dreier- 
lei des Entstehens und des Princips entbehrende Erzeugende 
(genuina)y wie bei Piaton, sondern nur ein Ewiges, die Gott- 
heit, Gott den Vater, aus dem Alles, Gott den Sohn, durch 
den Alles, und den heil. Geist, in dem Alles ist. Und diese 
drei sind nicht drei Götter, noch drei Prineipien, noch drei 
Ewige, sondern Ein Princip und Ein Ewiges. Die Gott- 
heit allein hat kein Princip und ist einfach. Denn was zu- 
sammengesetzt wird, wird nothwendig von einem Andern 
zusammengesetzt, da keine Sache sich selbst zusammensetzt 
oder zeugt» Was aber von einem Andern zusammengesetzt 
wird, mufs von einem Andern sein. Die Gottheit ist aber 
von keinem Andern, kann also auch von keinem Andern 
zusammengesetzt werden. Dieselbe göttliche AVesenheit ist 



— ai4 — 

besonder» singularia, weil sie weder nach der Actualitftt 
(acta) noch der Natur elwas ihr Gleichförmiges hat. Dena 
wenn wir uns zur Betrachtung Gottes erheben, so schwan* 
ken wir, wie bei einer unsichern Sache, hin und her, weil 
' unser Versand keinen Ruhepunkt findet, und erkennen bes- 
ser durch Negation als durch Aflirmation, was er ist« Untier 
den era^ugten Dingen mu/s jede Natur oder Form, welche 
das ganze Sein des Subsistenten sein soll (quae integrum 
esse 8ubsistei|ti|| sit), entweder actu et natura, oder wenig- 
stens nach der Natur Gleichförmiges haben. Die Mensch- 
heit des Socrates ist z. B. actu et natura mit der Mensch- 
heit des Piaton conform, da sie sich nach allen Theilen und 
aller Wirkung (effectum), was Einige die Form der Sub« 
stanz und die Substanz der Form nennen, sowohl in jenem 
als in diesem findet« Es können defshalb Socrates und Pia- 
ton, obgleich sie in Rücksicht der Thdlung unter die Zahl 
fallen, so dafs sie zwei Menschen genannt werde^- dqph in 
Rücksicht der Verähnlich ung Ein Mensch h^t\ 
die subs(anzielle Aehnlichkeit bewirkt, dafs 
blos conforme Subjecte, sondern Eins und 
werden. Theile nenne ich hier aber die| 
welche zur Composition der Art entweder i£ 
werden, ds allgemeine, oder gesammelt wer 
«cheidende (differentiales), oder jene begleiten^ 
Jede Definition gehört nämlich zu etwas Anderem^ 
etwas Anderem zu, gehört der Form und kommt dem Sub- 
•isten» zu« Daraus wird nun der Ausspruch klar, dafs die 
Menschheit des Socrates nach allen Theilen und alier Wir- 
kung mit der Menschheit Piatons von gleicher Form sei 
und demgemäfs Socrates und Plato in universali ein und 
dasselbe genannt zu werden pflegen« Denn faljs die eine 
vernünftig, die andre sterblich wäre, so wäre sie weder ganz 
in jenem noch ganz in diesem, sondern einen Theil nähme 
jene, einen andern diese weg (die Strafßburger Ausgabe Ot- 
tos von i5i5 liest capieret, wie mir scheint, statt carperet). 
Dasselbe erhellt in Betreff der Wirkung, weil diese jenen 
eben so vernünftig oder sterblich, wie jene diesen vernünf- 
tig oder sterblich macht. Die Concretion kann auch bei 
den natürlichen Dingen nicht blos mittelst Zusammen faSsuntr 




— 115 — 

der Form und dea Subsisten», flDndem auch der Vielheit der 
Accidentien, welche das suj^stanzielle Sein begleiten, be- 
trachtet werden. Die Manschheit z. B», welche das ganze 
Sein des Menschen (integrum esse hominis) und (wie gezeigt) 
aus vielen. Formen zusammengesetzt ist, zieht zur Einfor- 
mung (informatio) des Subjects, das VerinögeA zu lachen 
und die übrigen Accidentien (nach sich, was nach einer 
spätem Stelle hinzugedacht werden mufs) etc. Aus dem 
Gegensatze durch Negation erhellt also, dafs die göttliche 
Wesenheit weder gleichförmig ist, noch der Concretion un- 
terliegt« Sie heifst einfach gegen die Zusammensetzung, 
besonders gegen die Conformität, einscfaicht gegen die Con- 
cretion. Sie ist weder actu noch der INatur nach gleichför- 
mig, weiL ein andrer üott, Schöpfer, Allmächtiger wedev 
war, noch ist, noch sein kanu. Sie nimmt keine Concre- 
■iion an^ da sie kein Subject einzuformen hat, noch eine 
Begleitung' von Accidentien zuläfst. Darum kann sie auch 
nicht im eigentÜdien Sinne Substanz genannt werden, denn 
die SiJibBtanz kann gewissermassen Subject genannt werden, 
die Form aber in keiner Weise Subject sein. Dies aber 
iiadi dem Phiiosiophen darum, weil sie weder den Affectio-» 
iien, nocli der Bewegung unterworfen ist, aus diesem oder 
jenem bestehend, äondern Alles, was sie ist, einzig ist etc* 
Sie ist dieses schönste und mächtigste, auf nichts sich stüp 
t^end, und eignet eich in Wahrheit weder für Definition, 
nocrh fdr Bintheilung, geschweige für Beweis (demonstra- 
tioni) und Zurückführung (resolutioni)« Da sie nämlich 
keine über ihr stehende Gattung hat, so läfst sie keine De- 
finition zu. Wie sollte sie Eintheilung zulassen, da ihr alle 
Arten (species) fehlen, in welche sie getheilt werden könn- 
te? Wie sollte sie der Demonstration zugänglich sein, da 
sie, als Princip ron Allem und als Erstes, Ersteres, Wah- 
reres, Bekannteres nicht vhtr sich haben kann? Nothwen- 
dig schliefst sie demnach, in Folge der Natur der Einfach- 
heit, Besonderheit, Einschichtigkeit, die Nothwendigkeit der 
Auflösung, Zurückführung aus, so dafs sie mit Recht fiir 
das alleinige aufserhalb stehende (ezternum liest die Aus« 
gäbe wohl statt extrinsecum), unveränderliche und unwan« 
delbare Wesen ron Natur gehalten wird/' 



-m. m^ ß 



— 21« — 

f^Dagegen nimmt alles &rzeugte ohne Zweifel von einem 
Andern seinen Ursprung, denn nichts kann von sich gebo* 
rjen werden« Was aber von einem Andern stammt, ist nicht 
Princip/ist also dieses und dieses, also nicht einfach, son- 
dern zusammeKt|[esetzt, Wir erheben uns nämlich hier nicht 
zur theologischen und unaussprechlichen Zeugung und v^- 
burt, sondern handeln blqs von derjenigen, welche von den 
Philosophen Genilur, von uns factura oder creatura genannt 
zu werden pflegt« Es mufs hiebei bemerkt werden, dafs die 
Zusammensetzung eine andre bei den Formen, eine andre bei 
dem Snbsistenten ist : bei den Formen aus Formen, bei dem 
Subsistenten aus Subsistentem. Obgleich sie unter keine Gat- 
tung fallen und das eine keine Zusammensetzung des andern 
zuläfst, kann jedoch das eine ohne das andere nicht sein. Diese 
so beschafiene Zusammenfügung aus dem Verschiedensten wird 
mehr Concretion der Gegensätze, gils Zusammerisetzung des 
Aehnlichen genannt. Von den Formen sind einige zusammen- 
gesetzt, einige einfach: einfach z. B. tlie Weisse, zuyanimDn- 
gesetzt die IVIenschheit. Aber die einfachen küinien in der ^ 
Zusammensetung zusammengesetzt erscheinen. Iletne ein- r 
fache vermag aber an sich bei den natürliehen Dingen ein f . 
Subject einzuformen, sondern begleitet blos die zusammen- J,. 
gesetzte, einformende. Jede Foi:ai inufs aUo^ um ein Sub- ^ 
sistens einzuformen, zusammengesetzt sein und dieses und - 
dieses sein. Dafs auch das Subsistento aug SubäisteJitem be- 
stehe, ist Niemanden zweifelhaft, denn Jeder Hürper besteht , 
aus Körpern« Und nicht ungereimt ist die Ansicht der Phi- 
losophen, dafs wie die Quantität in unendliche (Quantitäten! 
so der Körper in unendliche Körper getheilt werde. Kein 
einfaches Subsistens, keine Form, welche das ganze Sein 
sein soll, kann also ohne Zusammensetzung sein. Jedoch • 
ist zu bemerken, dafs ein Subsistens Vereinigung der Theile 
aufnimmt, das andere nicht. Der Körper läfst sie zu, der 
Geist nicht. Darum scheint auch der Geist einfach zu sein« 
Aber es ist darauf zu sehen, dafs die Einfachheit bisweilen 
blos gegen die Zusammensetzung, bisweilen gegen die Zu- 
sammensetzung und die Concretion zugleich scheidet. Der 
erschaffene Geist scheint zwar, da er von einer Seite ist, 
von der andern weise ist, keine Verbindung von Theilen zu 



— 217 — 

haben^ kann aber doch nicht vöflig einfach genannt, werden, 
weil er eine aus Formen und au« der Concretion der Form 
und des Subsistens zusammengesetzte Form hat. Alles Er- 
seeugte ]»t aiso zusammengesetzt. In Betreff der Oonformi- 
tat und Concretion i^ es schon obtm dargelhan, weil es 
nämlich in Folg« der substantiellen Ae^nUchkeit gleichför- 
ndg, concret aber heifst, weil es ein Subject bildet und 
eine Vielheit von Accidenzen nach sich zieht. Unter allem . 
Erzeugten findet man aber nichts mehr Zusammengesetztes, 
als den Menschen, welcher nicht blos ein aus dem Sein zu- 
sammengesetztes Sein hat, oder ein aus Subslstentem zusam- 
mengesetztes Subsistens, sondern auch, aus entgegengesetz- 
tem Subsistentem zusammengefügt, die Verbindung entge- 
gengesetzter subsistenter Dinge und die Zusammensetzung 
derselben verschiedenen Subsistenzen aufnimmt* Darum ist 
es nicht zu verwundern, wenn er, aus so vielfacher und ge- 
waltiger Zusammensetzung gebildet, leichter der Auflösung 
anheimfallt« Nicht blos die Form ist aus Formen zusam- 
mengesetzt, sondern auch die Fomjen der Zusammensetz- 
ung, selbst entstehen bald und vergehen bald, und lassen, 
nie in i^leibender und sicherer Lage verharrend, auch das 
Subject nicht zur Ruhe hommen. Indem einige weio)ien| 
rücken andre ohne Unlerbret^ung nach." 

In dem 53. Abschnitte knüpft er seine Betrachtungen 
an Gilberts Trinilätslehre an. „Der Bischof, sagt er, be- 
hauptete, däfs er unter besondern Dingen (singularia) nicht 
d^e theologischen Personen, sondern ihre hervorragende Ei- 
genheit (excellentiam) verstanden habe, vermöge welcher 
wir den Paulus antonomasice (das nomen commune statt 
des proprium setzend) den Apostel zu nennen pflegen, oder 
die Gottesgebärerin die Jungfrau, weil es weder eine sol- 
che Jungfrau giebt, noch gab, noch geben wird, welche 
näoiliclt zugleich Mutter und Jungfrau, ist. Denn analog 
habe er die hervorragende Eigenheit der Personen im Auge 
gehabt, als er sie drei besondere Dinge genannt, da es kei- 
neil solchen Vater gebe, noch gegeben, noch geben werde, 
welcher Vater und Gott zugleich sei, und ebensQ keinen 
solchen Sohn, keinen solchen heil. Geist. Da wir aber be- 



— «w — 

mtrkt habeo^ dafi der Bischof Person in der Theologie wie 
Eine Sache an sich Ctamquam rem per se unam) gefafst, so 
woilsa wir in seinen Sinn ein wenig eingehen, damit den 
Machkommen dessen Darstellnngsweise (die Strafsburger 
Ausg« V« i&i5 liest Judicium dictionis) leichter zugänglich 
ist. Es scheint zweckmäfsig, zu dessen Verständnifs fol« 
gende Eintheiiung vorauszuschicken« In den Naturen ist 
die substantielle Eigenheit (proprietad) hier unirersi^l, dort 
Singular, oder individuell, oder particulär« Die individuelle 
ist hier personal, dort nicht. Unter Person verstehe ich 
aber die von der Personheit (personalitas) gleichsam deno- 
minativ genommen, nicht die, welche die Griechen- von der 
Vornahme der Maske C^gQaomop)^ die Lateiner von perso- 
nare hernehmen, sondern die, welche Boethius (Lib. jle per- 
sona et natura contra Eulicen. et Nestorium), nicht an die 
Wortableitung, sondern an den Begriff der Sache sich hal^ 
tcnd, Person, nach dem griechischen hypostasis, nannte und 
darnach sie also definirte: Person ist^^e untheilbare Sub» 
stanz von vernünftiger Natur, Universell A^nne ich aber 
die substantielle Eigenheit nicht als ob sie Eine in Mehre« 
rem wäre, was unmöglich ist, sondern insofern als Mehre- 
res in Aehnlichkeit lebt und in Folge dessen von der Eini- 
gung der Verähnlichung universell, gleichsam in u^um ver- 
salis heifst (sed ex hoc quod plura in similitudine vivendo 
ab assimilandi uuione universalis dicatur). So universell 
von der Aehnlichkeit mehrerer Dinge ist in höherem Maase 
die Körperlichkeit, in geringerem die Thierheit, in gering* 
stem oder letztem die Menschheit. Darum sagt Boethius: 
Die Art ist die Forni der Individuen und die letzte Aeh»-' 
lichkeil, denn nach ihr begegnet ^nicht Aehnlichkeit, son- 
dern vielmehr Unähnlichkeit. Daraus erhellt das zweite 
Glied, warum ich die Eigenheit eine singulare, individuelle 
oder partielle genannt habe, d. h. diejenige, welche ih^ Sub- 
ject andern nicht verähnlicht, wie die Menscl^eit, sondern 
von andern Dingen theilt, absondert, trennt, wie diejenige, 
welche wir mit immaginärem Namen (ficto nomine) Plato- 
nität zu nennen pflegen, von der Theilung individual, von 
der Absonderung particulär, von der Unähnlichmachung sin- 
gulär genannt worden ist (a dividendo individualis, a par- 



— ai» — 

' iiendo particularii, a dissimilando singularis). Und dage- 
gen mag mim nicht einwerfen, dafs sie von Theil^ eher 
dividual (dividua) als individual (indiridua) genannt werden 
müsse. Denn da ..sie ihr Subject nicht blos von tuidern 
theilt) oder ihnen yerunähnlieht, sondern auch in seiner In- 
diridualität und Unähnlichkeit so fest beharren macht, dafs 
ein andres. Subject weder ist, noch war, noch sein wird,^ 
das naAk einer Eigenheit derselben Art ihm verähnlicht wer- 
den kann, so wird sie besser Ind^iduales durch Beraubung, 
als Diriduales durch Setzung ^nannt; und ihr OegensatS| 
welcher durch Theilung mit Mehrerem in Gemeinschaft tritt 
(communicaQ und durch Gemeinschaftlichmacbung (commu- 
nicalndo) theilt, mufs richtiger dividual genannt werden. 
Es mufs jedoch bemerkt werden, dafs das Indiriduelle und 
Singulare keine Wechseldinge (ad se convertentia)« sind, 
denn jedes Indiridnale ist singulär, aber nicht jedes Singu- 
lare individual. Denn diese Weisse ist ein Singuläres aber 
kein Individ^^es. « Endli(^ kann in den Nkturen kein Ein- 
faches Indiviauales sein. Defsgleichen ist nicht jedes Indi- 
vidiK^e personal, aber jedes Personale individual, nach der 
vorausgehenden Untereintheilung, in der es heifst: das Jn- 
dividuale ist hier personell, dort nicht« Es wird dies aus 
der vdfausgehenden Definition der Person leicht klar wer- 
den. Da nämlich jedes Sein aus der Form ist, so nimmt 
jegliches Subsistens . Sache und Namen von seiner Form. 
Da defsgleichen jede Definition zu einem Andern gehört 
und einem Andern zukommt, so darf man nur beziehungs- 
weise eines ftir das Andre gebrauchen. T)ie Person bat 
also von ihrem Sein, welches mit immaginärer Benennung 
Personheit genannt werden kann, die Benennung, ' aber in 
der Definition wir(l die Person nicht blos individuelle Sub- 
stanz genannt, aufser mit dem Zusätze „von vernünftiger 
Natur. '^ Defshalb kann man bei den nicht wortarmen Grie- 
chen sehen, ^ dafs das Eine sota, das%Lndre sGtiüöiQy das 
Andre vnoüTaois genannt wird. Wir können aber die Hoia 
essentia, die soiwaig subsistentia hejfsen, indem wir VTto-- 
otaaeg, wegen der Mangelhaftigkeit des lateinischen Aus- 
drucks^ ni<;ht mit Einem Worte geben können. Denn wäh- 
rend sowohl bei uns, als bei ysnen substantia oder hyjio- 



i 



- 410 -- 

Stasi« von «ubstare (die Unterlage bilden) genommen wird, 
besteht der Unterschied darin, dafs unser suj^stantia unbe- 
stimmt für alles Substante gilt, während die vnoaraots je- 
ner Mos für das gebraucht wird, was \n^ einer Ternünftigen 
Natqr Unteriage bildet* Darum wollte der lateinische Dol- 
metscher, da er nicht wörtlich sein lionnte, lieber den Sinn 
beibehalten .und lieber mit persona, als substantia es geben. 
Darum wird auch die oben angeführte Definition ^r Per^ 
son gebraucht. Es erhellt also, dafs nicht jedes Individuale 
Person ist, weil nicht jede' individuelle Substanz eine ver- 
nünftige Natur ist, wie das Sein dieses besondem Berill, 
oder der Berill selbst hier Individuales, dort imlt^iduelle 
Substanz, jedoch keine ve«iiünftige Natur ist, obgleich der 
Berill, auch wenn er von vernünftiger Natur wäre, dennoch 
noch nicht vollkommen individuelle Substanz genannt yrti^ 
den könnte. Denn wir pflegen individuelle Substanz nicht 
diejenige singulare Sache zu nennen, welche mit einer an- 
dern gleichfalls singulären Sache ^r Bildung eines Ganzen 
sich zu vereinigen vermag, und nicht an sich Eine iat.^ 
Denn Eins an sich ist dasjenige, welches' weder actu'tooejjit 
der Natur nach mit einem Andern zur Bildung eines Gan- 
zen beitragen kann, koixnte, können wird. Daher kommt 
es, dafs diese Seele, welche Substanz und von vernünftiger 
Natur ist, doch, weil sie in dieser Weise nicht Eine an sich, 
oder individuell ist^ da sie mit diesem Körper zur Bildung 
dieses Menschen sich vereinigt, nicht Person genannt zu 
werden scheint, indeni von ihr, nach dem Gezeigten, die 
obige Definitioif von PersT)n fern bleibt. Der Bischof stellte 
nun die zwei Regeln auf, dafs es von verschiedenen sub- 
sistenten Dingen auch verschiedene Subsistenzen, und dafs 
es von verschiedene!! Personen verschiedene personelle Ei- 
genheiten gebe, und schlofs die eine von der Theologie aus, 
gab dagegen die zweite zu. Die erstere, in Folgy. derer 
von eben so vielen» Subsistenzien als subsistenten Dingen 
die Rede ist, beseitigte er ganz. Die zweite liefs er ge 
ten, da keine persönliche Eigenheit in der h. Trinität dem' 
Vater zukomme, die dem Sohn zukomme und umgekehrt. 
Er behauptete darum, dafs Person von dem vorausgeschick- 
ten Gebrauch, nicht von daher, weir.sie prosopon heifst, in 



4 



•-Mi- 
die Theologie hinübergenommen worden, wobei er häufig 
den Ausspruok des Hilarius anführte : „F'ern sei es, dafs 
derselbe sich bald als Vater, bald als Sohn maskire!^^ So- 
fort äufserte er, die Personen seien auch an sich Einheiten 
(unas)« Seine Aeufserung, auf andre Weise sei Gott Va- 
ter, auf andre Gott und doch nicht dies und dies, hat die- 
sen Sinn. Gott sagt man aus in der Substanz, Vater in 
der Relation, was auch in der Theologie verschiedene Prä- 
dicamente». sind, wie aus Boethius Buch über die Trinität be- 
wiesen' wird. Und darum ist der Schlufs : „Wenn er auf 
andre Weise Vater, auf andre Gott ist, so ist er dies und 
die«^' itoch nicht richtig, da man erst dann so schlie/sen 
kann, wenn zuerst zugegeben wird, dafs Beides von Gott 
auf die Substanz ausgesagt wird, wie, wenn wir sagen : Gott 
ist gut, weise, allmächtig« Denn falls dieses, da es auf die 
Substanz ausgesagt wird, verschieden wäre, so wäre Gott 
ohne Zweifel dies, und dies*'^ 

Cousin (Colleclion de doewaents inedits, oavräges inedits d^ Abe- 
lard Paris 1836. 4; Einleitang S. XI sq.) beschreibt als eine 
^.^ seiner Quellen den Codex S. Germani ä Pratis n. 1310. In 
demselben finden sich bis Blatt 36 Schriften von Abälard mit 
dem Zusätze des Titels und Verfassers. Von da an hört die 
Angabe der Verfasser auf und mit Blatt 4l 5ndert sich sogar 
die Schrift. Aber Cousin schreibt auch das Folgende dem Abä- 
lard zu, „weil es keinen Grund gebe, es als dem Abälard nicht 
gehörend zu betrachten, weil Blatt 4l Wilhelm von Champeaux 
Magister genannt werde (p, XIV sq.), weil Abälard Concep- 
tu«Hst gewesen sei und der Verfasser «der Fragmente aufBI. 4lf. 
anch Conceptualist (p. CLVI)," So sind wtr, trotzdem dafs 
die Gestalt des Manuscripts dagegen mehr als dafür sprach, 
und Cousin selbst den plötzlichen Wechsel fühlt (Ici la forme 
aride de la glosse disparait et fait place ä une manifere plus 
libre et plus heureuse, Introd. p. XIV), auf einmal mit einer 
neuen Schrift Abälards .de generibus et speciebus (p. 5o7 sq.) 
beidienkt worden. Aber da'niit war schon ein Andrer nicht 
ganz zufrieden. Ritter VII. 36a f. A. fand die diplomatischen 
Gründe ungenügend, meinte magister bedeute nicht Lehrer, 
^ Abälard sei nicht so gewifs Conceptualist, die Schreibart der 

fraglichen Schrift habe einen ganz andern Charakter, als die 
Sehreibart Abälards. Und wer soll nun nach ihm Verfasser 
sein? Joscelin, oder einer seiner Schüler, weil Gauslenus, nach 



— 42t — 

Jofaaonei T» BtA,, «nirertalitftCein rebu« in iniuiü coliectit attri- 
l>iiit et tingulit eandein demit. So sehr Ritter aber in seinen 
ÖrOnden gegen die Annahme Cousini Recht, so wenig Gewicht 
möchte ich auf setse eigene Conjectur legen. Joscelin ist z. B. 
schwerlich der scharfe und gewandte Mann gewesen, für wel- 
chen ihn Ritter hält. Otto v. Freis. {Degeslis Fr. I. 5^) er- 
lählt: Intra caetera Gilb, dixisse traditur: Audacter confiteor, 
patrem alio esse patrem, alio deum, nee tarnen esse hoc et hoc. 
Cujus dicti d^scuritatem tanquara verborum prophanam novita- 
tcni tarn impatientcF magister Jozelinus Suessionensium episco* 
pus excepit, tit joxta proverbium medium vitando incorreret ri- 
pam. Nondum enim aoctoritatem illam Augustini legerat vel 
fortasse lectam intellexerat, qua de eodem altissimo loqui ge- 
stiens secreto inter caetera dicit: Sic aliud est deo esse, aliud 
subsistere, sicut aliud deo esse, aliud patrem esse vel dominum 
esse. Quod enim est ad se dicitur, pater autem ad filium et 
dominus ad seryientem creaturam. Ait ergo praedictus episco- 
pns: quid est quod dicis, esse deum nihil est! Erat quippo 
quorundam in logica sententia, cum quis diceret, Socratem esse, 
nihil diceret. Q.uo8 praefatus episcopus sectans talem dicli 
vsum haud praemeditate ad theologiam verterat. Wie pafst die- 
ses rasche, oberflächliche und unbedacht verwechselnde Wesen 
cum Verfasser der Schrift de generibus? Wir werden also 
nach einem Andern suchen müssen. 

Wenn wir die vorhergehenden Abschnitte Otto^s mit dem 
verglichen, was der Verfasser der Schrift de speciebus et ge- 
neribus giebt, so kann nns die Verwandtschaft nicht entgehen. 

Otto spricht von einer forma substantiae und substantia for- 
mae, sagt, die Definition gebore zur Form, die Form könne 
nicht Subject sein, alles Sein sei aus der Form, die Zusammen- 
setzung der Formen sei eine andre, als die der Subsistentien 
etc. In der Menschheit (humanitas) besteht ihm das integrum 
esse des Menschen und sie zieht zur Einformung des Subjectt 
(ut informet subjectum) die übrigen Accidentien nach. Der 
Geist ist nicht schlechtweg einfach etc. I. 5. 

Bei dem Andern finden wir aber folgende Sätze: Socrates 
ex homine materia et Socratitate forma componitur. Socratitas 
formaliter coniQtnit Socratem (p. 524}. Unaquaeqne essentia 
hujus collectionis quae humanitas appellatur ex materia et for-'^ 
ma constat, forma aotem non una sed pluribus, rationalitate et 
mortalitate etc. (p. 525). Neque enim universale appellata est 
tota coUectio essentiarum omnium, quae susceptibilitate contra- 



— 5»« -^ 

riorum iaitrroati, partim distribuitur in corpos partim in ipiri- 
tum^ ted illud tantum de illa mtiltitudine, quod sutceptibilitate 
contranorum informante essentialiter sustinet corporeitatem ; ia 
qno essentia non c^mmunicat spiritns (p. 539). Res subjecta 
non est res praedicata, sed Socrates est unus de subjectis bnic 
formae, quac est rationalitas (p. 528)i 

Otto (I. 5.) sagt: In nativis omnem naturam seu formam, 
quae integrum esse subsistentis sit, - vel acta et natura vel na- 
tura saltem conformem babere necesse est... Quamvis plures 
soles non sint, sine repugnantia* tarnen natura.e plures esse pos- 
flunt . • . . Divisionis sectionem quomodo ' recip^ret (deus), qui 
Omnibus in quas dividi posset, speciebus caret? .1^ sagt: Unde 
quamvis Socrates et Plato ratione partiendi irf numernm veni- 
anty ut dno dicantnr bomines, tarnen ratione assimilandi unus 
possunt dici bomo. Substantialis namque similitudo non solnm 
subjecta conformia sed et eadem et unum dici facit. Otto be- 
ruft sich dabei auf Boetbius. Dieselbe Anwendung der Be* 
griffe von natura, similitudo und species findet sich nun auch 
in den Stellen der Schrift de generibus« Speciem igitur dico 
esse non illam essentiam solum quae est in Socrate vel quae est 
in aliquo alio individuorum, sed totam illam cpUectionem ex 
singulis aliis bujus naturae conjunctam. Q.uae tota coliectio, 
quamvis essentialiter multa sit, ab auctoritatibus tamen una spe- 
cies, unuin universale, una natura appellatur (p. 524). Natu« 
-ram dico quicquid dissimilis creationis est ab omnibus quae non 
sunt vel illud vel de illo, sive una essentia. sit sive plures, ut 
Socrates dissimilis creationis ab omnibus quae non sunt Socra- 
tes. Similiter et bomo species est dissimilis creationis ab om- 
nibus rebus quae non sunt illa species vel aliqua essentia iU 
Itus speciei, quod non convenit cuilibet collecto ex aliquot et- 
sentiis humanitatis (p. 533)* Für seinen Begriff beruft sich der 
Verfasser auf Boetbius (p. 537), wie oben Otto. Endb'ch sagt 
Otto, um nur noch eine Parallele anzuführen : Jam ex bis patety 
humanitatem Socratis secundum omnes partes et omnimodum 
effectum iiumanitati Piatonis conformem esse etc. (S. ob.). Der 
Verfasser der Schrift de generibus aber sagt (p. 535): Cum 
negat Boetbius, species partes generis carpere^ non de essen- 
tiis illam multitudinem conjungentibus agebat, sed de partibus 
difEnhivis. Verbi gratia: animal, gonus, ex corpore constat 
ntateria, ex sensibilitate toma. Cum ergo per partes suae quan- 
titatis transit in species, non arripit una de speciebus materiam 
et nnn formam et alia materiam et non formam (ich zweifle an 
der Richtigkeit dtieter Lesart), sed in tingnlis speciebus niateria 



— »I «- 

et forma geilem ett.... Hoc enim babet noitra iattemida quod 
animal illud genus in parte sui luscipU rationalitatem et in 
parte irralionalitatem. Nee aliquo modo pars illa quae ratio- 
naiitate tangitur irrationalitate efficiiur vel c converso etc. 

Vergleichen wir ferner die Verwrandtscliaft des obigen Ab- 
Schnittes von Otto n\\\ dem Commentarc Gilberts zu Boethiua 
de trinitate, sowie die unverkennbare Verwandtschaft der Spra- 
che und Terminologie dieser Schrift, wie der andern gedruck- 
ten Schrift Gilberts mit dem Charakter in der Schrift de ge- 
neribus, so kann es uns 'nicht zweifelhaft bleiben, dafs wir in 
der letztern- weder Joscelins, noch weniger Abälards Werk vor 
uns haj^eß, sondern eine Arbeit aus der Schule Gilberts, mag 
man wen immer, so lange es an diplomatischen Beweisen feh- 
len sollte, als Verfasser betrachten. Auf jeden Fall hat Cousin 
kein Recht, die Individuations- oder Assimilations- Lehre des 
Verfassers als Abälardisch zu betrachten, denn sie bildet in 
- dessen Schriften eine völlige Anomalie. 

Daran knüpfe ich einige Bemerkungen über Ottos aus 
seinen zwei geschichtlichen Schriften und anderem Gedruck- 
ten zu schöpfender Stellung zur Theologie. Schon im öten 
Abschnitte finden wir Sätze wie folgende: Quare, ut verba 
naturalia in divinam vertantur praedicationem, sicut sim- 
ples sie et singularis et solitaria (divina essen li a) dicatur«,. , 
Non enim hie ad effandum de theologica et inefiabili gene- 
ratione seu nativitate attollimur, sed tantum de ea, quae a 
philosophis genitura, a nobis factura seu crealura dici solet. 
Und im 8. Buche seiner Chronik Abschn. 4. sagt er, der 
menschlichen Vernunft seien zuwider die Geburt aus einer 
Jungfrau, die Anbetung des Altarssacraments, der Glaube an 
den Gekreuzigten als Gott etc. Er giebt dann die Folge- 
rung : illi quippe, qui, humanam rationem sequentes, de re- 
rum causis philosophantur, facilius rationibus et argumen- 
tis ad hoc ut fidem negent inducuntur. Wir erkennen dar- 
aus das entschiedene Gefühl des Dualism, die ganze Lehre, 
dafs Theologie und Philosophie verschiedene Gebiete, dafs 
in ihnen die Wahrheit und Anwendbarkeit Hes geistigen > 
Apparats verschieden seien. Und so viel wir von Otto wis- 
sen, hat er sich nach dieser Regel stets gerichtet, nicht 
ohne, nach einer 'Stelle seines Biographen zu vermulhen, 
verdächtigt zu werden* Er pflegt und liebt die Philosophie, 

vertheidigt 



rertheidigt den Gilbert gegen Gerfaohns (Pez Anecd. t. VI. 
!• p« 565. 589), aber er läfst die Philosophie ßkt sich be- 
stehen und ist jeder Zeit gegen unvorsichtige Anwendung 
derselben auf die Theologie. 

Die gemäfsigte theologisch - philosophisch - systematische 
flichtung setzten Petrus Lombarduß (t M^4) MnAHugo 
4f. St. Victor (t 1141) fort. Der letztere ist als eigent- 
licher Grunder der Schule von St Victor zu betrachten, zu 
der Wilhelm von Champeaux höchstens eine entferntere Ver- 
anlassung gewesen sein kann. In Hugo blüht die ganze 
Zeit, wie einst in Erigena, aus. Er ist die vorzüglichste, 
zusammenfassende und construirende Kraft dieses Zeitraumes» 

Ritter, welcher YII. 507 f. 640 f. YIII. 703 f. die Lehre des leti- 
tern bespricht, findet das Wesentliche des Gegensatzes zwischen 
Hugo und Petras darin, dafs dieser uns mehr auf die &u(serc 
Frömmigkeit der Kirche ^weist, der erstere mehr auf die innere 
Frömmigkeit der Seele. „Von einem viel tiefem Nachdenken, 
« sagt er YII. 650, als Alles, was wir -beim Petras Lombardus 
finden können, zeugt Hugos Weise, die hohe Würde der ver- 
nünftigen Seele mit der platonischen Ideenlehre in Yerbindung 
zu setzen, indem er in d^r sinnlichen Schöpfung die eine und 
rolle Wahrheit Gottes nur unter viele Arten vertheilt findet> 
dagegen der vernünftigen Schöpfung es vorbehält, dafs sie in 
jedem einzelnen Wesen alle Ideen, das Ebenbild Gottes, ganz 
enthalte. Daher' genüge uns auch nur das höchste Gut, d. h. 
die Gesammtheit aller Güter, und sie zu erreichen in der Aq^, 
schauung der vollen Wahrheit sei unsre Bestimmung, sei uns 
möglich.^^ 

f^Die natürliche Vernunft, sagt Hugo, kann Vieles durch 
sich, wie an den Philosophen erhellt, welche, Mos auf die 
Vernunft gestützt, nicht nur in Erfassung der Wahrheit in 
Ansehung der Geschöpfe, sondern auch in Ansehung des 
Schöpfers Vieles erkannten, namliöh daf» es Einen Gott 
gieht, und dafs dieser dreieinig ist. Aber zu dieser Er« 
kenntnifs scheinen sie nicht ohne Beihilfe der Gnade ge-' 
kommen zu sein.^* Dann sagt er wieder in seiner summa : 
^Obgleich die Lehre von den drei göttlichen Personen weit, 
ab von unsern Sinnen und von der menschlichen Vernunft 
liegt, so mufs sie doch unbezweifelt geglaubt werden« Denn 
Oumpotchy Dr. V. F., Gcfchichte d. Philosophie. 1& 



der OUube hat, wie der h. Gregorius sagt, kein Verdienst, 
wenn ikm die menschliche Vernunft einen ErGftfamngsbeweift 
darlnetet, d» k. da, wo überbanpl nur die menschliche Ver* 
nunft eine Erfahning giebt* J)eT Glauhe geht nämlich 
nicht gegen die Vernunft, sondern über die Vernunft« Wer 
de£shalb nichts glauben will, aufser was er mit der Ver- 
nunft begreift (wie die Philosophen), dessen Glauben hat 
kein Verdienst« Nur derjenige hat ein Verdienst, welcher 
glaubt, was der Vernunft nicht entgegenläuft und doch 
über die Vernunft geht.^^ Den Glauben , definirt Hugo als 
eine Art von Gewifshoit der Seele über abwesende Dinge, 
welche über der Meinung und unter der Wissenschaft steht. 
Das Abwesende kann ipan nach ihm unter drei Formen auf* 
nehmen, mit Läugnen, Meinen, oder Glauben. Unter Läng- 
nen versteht er wieder die Verwerfung unbedingt; unter 
Meinen die Annahme von etwas, dessen Gegentheil man 
nicht ganz verwirft ; unter Glauben die^ Annahme von et- 
was, dessen Gegentheil man ganz verwirft. Unter Wissen 
versteht er eine eigene Erfahrung. Im Glauben selbst un- 
terscheidet er die Erkeantnifs und den Affect. Die erste 
ist der Inhalt des Glaubens^ die zweite der Bestand des 
Glaubens« 

Bei den zwei zuletzt genannten Philosophen sehen wir 
Mystik, Praxis und Systematik im Bunde gegen das Ueber-^ 
maas der subjectiven Erhebui^« Dieser Opposition schKe- 
fsen sich auch Richard von St. Victor (f 1173), Isaak von 
Stella (t i2o3) von mystischer, Alain von Lille (t 1203) und 
Johann von Salisbury (f 1182) von praktischer Seite an. 
Die äufsersten Spitzen der Mystik dieser Zeit bezeichnen, 
nächst Walter von St. Victor, Joachim von Floris, AmaU 
rieh ron Bena, David von Dinanto ; die äufserste Spitze der 
subjectiven Erhebung Simon von Toumay, erst Canonicus, 
dann Lehrer zu Paris, aus dem ersten Viertel des i3« Jahr- 
hunderts. Nach Matthäus von Paris (ed. Lond. 1686 p. 173) 
hat er behauptet, christliehe Wahrheiten bewwsen luid wi- 
derlegen zu können und in einer Vorlesung gesi^: O Je- 
sule, Jesule, .quantum in hap quaestione confirmavi legem 
tuam et exaltavi! Profecto, si malignando et adversando vel- 
lern, ibrtt^ribus rattonibus et argumentis scirem iMam infir- 



n:ii 



~ «7 — 

more et deprimendo improbare. Nach Thomas rbn Canti^ 
pre hat er dagegen .folgende Phrase gebraucht : Tres sunt, 
qui mundum sectis suis et dogmatibus subjugarunt: Moi- 
ses, Jesus et Mahometus ; Moises primo Judaicum populum 
infatuaTit, secundo Jesus Chr. a suo nomine Christianos, 
tertio gentUem populum Mahometus. Nach Matthäus ist 
Simon auf diese Hede stumm und einfiJtig geworden, nach 
Thomas hat er das Hinfallen bekommen. Bs soll eine sum« 
ma. quaestionum in sententias ron ihm zu Oxford und eine 
summa theologica handschriftlich zu Paris liegen. 

Endlich sind noch, ror dem Uebergang auf die Gestal- 
ten der zweiten Hälfte dieser Zeit, einige Ergänzungen zu 
den Physikern und Encyclopädisten nöthig, welche sich ron 
den Praktikern und Mystikern und theologischen Sporadi- 
kern durch die gröfsei^e Weltlichkeit, den kosmographischen 
Zug, ron den Systematiken! (wie Hugo) durch die lose, 
theologisch -accidentale Verbindung unterscheiden. Die Kos* 
mographie rankte sich Anfangs bekanntlich an der Bibel, 
an Piatons Timäns, an der Angelologie eines Gregorius, 
Augustinus, an Constantin dem AAricaner, Johannitius, Ma- 
crobius, Lucretius, Virgilins, Helperich, Plinius hinauf, wel- 
che nach der Reihe in den Institutionum philosophicaruni 
et astronomicarum Hb. III. (Basil i53i. 4«) Wilhelms ron 
Hirschau citirt werden. 

Ich gebe hier Einiges aus diesem gedruckten Buche, 
indem wir hier den Ausdruck einer zahlreichen Klasse ron 
Philosophen aus der ersten Hälfte dieser Periode finden. 
Die mit Klammem yersehene Stellen befinden sich in einer 
Torzüglichen Handschrift der Münchner Staatsbibl. (Teg* 
918. k^") nicht. 

Die Philosophie befafst sich nach diesem Buche mit 
dem, was ist und gesehen wird und mit dem was ist 
und nicht gesehen wird. Sie ist die zuverlässige Erfas- 
sung (certa comprehensio) desselben. Unter das Erste 
gehört das Unkdrperliche, der Schöpfer, die Weltseele, 
die Dämonen und Menschenseelen ; unter das Zweite das 
Körperliche, mag es einen göttlichen oder hinßiUigen 
Leib haben (p. s.). Gott kann in diesem Leben nicht voll- 
kommen erkannt werden, denn wir können ron ihm nicht 

15* 



die zehn Kategorieen wissen. Wir erhenneti nicht vollkom^ 
men, was er ist« Seine Quantität, welche Alles erfüllt, über- 
schreitet die Enge nnsres . Herzehs. Bei Erklärung seiner 
Relation ist die menschliche Weisheit zu mangelhaft. Seine 
Qualitäten erfafst die Vernunft nicht 3 seine Thaten zu schil- 
dert, reichen unendliche Zungen nicht hin etc. (p. 3.)* I**ür 
das Dasein Gottes bringt der Verfasser zwei Beweise: einen 
aus der Schöpfung und einen aus der cottidiana dispositio. 
Da nämlich die Welt aus. verschiedenen Elementen, aus war- 
men, kalten, feuchteh, trockenen, gemacht ist, so sind sie- 
entweder durch Wirkung der Natur, oder durch Zufall, 
oder von einem Künstler bei Zusammensetzung der Welt 
verbunden worden« Es ist jedoch der Natur eigen, > immer 
das Gegentheil zu fliehen und das Aehnliche anzustreben. 
Also hat nicht die Natur die entgegengesetzten Elemente 
verbunden. Durch Zufall sind sie aber nicht verbunden 
worden; denn wenn der Zufall die Welt gemacht hätte, 
warum macht er nicht auch ein Haus, oder etwas solches, 
was leichter ist? Defsgleichen wären, wenn der Zufall die 
Welt gemacht hätte, einige Ursachen der Welt vorausge- 
gangen, deren Zusammenwirken die Welt bewirkte. Denn 
der Zufall ist ein unerwartetes Ereignifs aus zusammenwir- 
kenden Ursachen. Da nun, aufser dem Schöpfer, der Welt 
nichts vorausgegangen, so ist die Welt nicht durch Zufall 
entstanden« Sie mufs demnach von einem Künstler gemacht 
worden sein. Der Künstler mufs aber entweder der Menscb 
(oder ein Engel), oder Gott gewesen sein. Die Welt ist aber 
vor dem Menschen (und die Engel sind mit dem Menschen) 
erschaffen (p. 4)« Der zweite Beweis stützt sich darauf, 
dafs alle Anordnung weise ist, also von einer Weisheit t^s-v 
geht« Die Weisheit ist nuii entweder eine göttliche (oder 
englische), oder menschliche. Diemenschliche bewirkt aber 
nicht, dafs die Dinge leben und reden, denn obgleich die 
menschliche Weisheit die Form des Menschen, oder eines 
andern lebenden Wesens hervorbringt, so kann sie ihm 
doch nicht Bewegung und Leben geben (die englische Weis- 
heit aber, wie sollte diese die Engel selbst ordnen, dispo- 
neret?) Es ist also ^ie gottliche Weisheit,* welche dies ihut. 
Alle Weisheit ist aber Weisheit irgend Eine». Der Inhaber 



— M» — 

ist also Gott« So kömmt maii durch die gemeine Anord- 
nung auf die göttliche Weisheit, durch die Weisheit auf 
die gQttliche 3nbstan£. Darum heilst die göttliche Weis- 
heit ein Bild (signaculum, imago) der Gottheit Cp* 4)« in 
' dieser Gottheit, der Gründerin und Lenkerin yon Aileok, 
sagten die Philosophen, sei die Macht zu wirken, die Weis- 
heit und der Wille, Denn wenn sie weder Vermögen noch 
Wissen hatte, wie hat sie so Schönes gemacht? Wenn sie 
es ferner gemacht und nicht gewollt, so hat sie es entwe- 
der unwissend oder gezwungen gemacht. Wie sollte aber 
derjenige etwas nicht wissen, der auch die Gedanken der 
Menschen kennt ? Und wer sollte den zwingen, der Alle» 
kann ? In der Gottheit ruht also die Macht, die Weis- 
heit, der Wille, welche die Heiligen die drei Personen nen- 
nen, indem sie die Ausdrücke aus der gemeinen Sprache, 
wegen einer gewissen Verwandtschaft, übertragen und die 
Macht Vater, die Weisheit Sohn, den Willen h« Geist nen- 
nen. Macht wird der Vater genannt, weil er Alles er- 
schafft und mit väterlicher Liebe ordnet; Weisheit der vom 
Vater vor der Welt gezeugte und dennoch mit ihm gleich 
ewige ^ohn, weil die Weisheit ebenso auf ewige und sub- 
stanzielle Weise von der Macht stammt, wie der Sohn zeit- 
licher Weise vom Vater (p. 5). Er handelt darauf über 
diese Zeugung, nicht ohne Verwahrung, die er p. 7 wie- 
derholt : Sed qui^ diximus, filium gigni a patre . et tamen 
Ysoaeternum illi. esse, de illa genitura aliquid disseramos, 
illud ante orantes, ne hoc quod inrenitur ;„Generationem ejus 
quis enarrabit (Esaiae 53)^^ nobis ofEcere. lUud autem dic- 
tum est, non quia est impossibile, sed quia est difEcile . . « • 
Sed quam diu de divinitate loquimur angustias nostrae scien- 
tiae transgressi sumus, illud orantes, ne si aliquid, quod 
scriptum non est alibi, hie inveniatur, haeresis judicetur. 
Nee enim qua scriptum non est haeresis est, sed si citra 
fidem est (p. 5). Ich habe die Stellen hergesetzt, weil man 
anfangt, viel von der Freiheit des Mittelalters zu reden« 

Der Vater, sagt er, hat den Sohn gezeugt, d. h. die 
göttliche Macht die Weisheit, insofern sie voraus sah, wie 
er die Dinge erschaffen und die erschaffenen ordnen würde. 
Und weil er dies vor der Welt voraussah, so hat er vor 



/ 



— ftdo — 



der WeH die Weisbeil, d. h. den Sohn, gezengl und zirar 
aus sieb, nichl aus einem Andern, da er aus der eig^ien 
Natur, ohne die Lehre oder Erfahrung irgend Eines zu 
benutzen, dieses Wissen hatte von Ewigkeit. Spiritus ist 
eigentlieh gleich Athem. Aber weil am Athmen, am Hauch 
oft der Wille des -Menschen abgewogen wird, denn anders 
athmet der Fröhliche, anders der Zornige, so nannte man 
den göttlichen Willen übertragend Spiritus und antonoma- 
tice den heiligen« Jener Geist geht vom Vater und vom 
Sohne aus, weil der göttliche Wille und die göttliche Güte 
daher, weil Gott so weise und mächtig ist, in der Wirkung 
sich zeigt (quia voluntas divina et bonitas. inde quod ita 
sapiens est et potens deus, effectu ostenditur). Denn dais 
der h. Geist vom Vater und Sohne ausgiehe, heifst nichts ' 
Andres, als dafs der göttliche Wille aus der Macht und 
Weisheit bis zur Schöpfung der Dinge und zur Leitung 
sich ausdehne. Dieser Wille und diese Güte ist mit dem 
Vater und dem Sohne gleich ewig, denn Gott war nicht 
mächtig und weise ohne gut zu sein, da für Golt Gottsein 
und Gutsein dasselbe ist. Und von Ewigkeit hat er ge- 
wollt, was er that, denn es ist in ihm keine Veränderlich» 
hcit. Die Dreiheit der Personen ist aber Einheit des We« 
sens, denn die göttliche Macht, Weisheit und Güte ist Eine 
Substanz. lS\e thut die göttliche Macht etwas ohne die 
Weisheit und den Willen etc: (p. 5). Die Weltseele, sagt 
er <p. 8), ist nach Einigen der h. Geist, denn durch den 
göttlichen Willen und die Güte, ^welche . der h. Geist ist, 
lebt Alles, was auf Erden ist. Andre sagen, die Weltseele 
sei das den Dingen von Gott eingepflanzte Leben, in Folge 
dessen Einiges blos lebt. Einiges lebt und fühlt. Einiges 
lebt, fühlt und unterscheidet. Denn es giebt nichts, was 
lebte und fiihlte, worin jenes natürliche Leben nicht wäre* 
(Eine dritte Partei sagt, die Weltseele sei eine gewisse un- 
körperliohe Substanz, welche ganz in den einzelnen Kör- 
pern ist, obgleich sie, wegen der Trägheit gewisser Kör- 
per, nicht in Allen dasselbe bewirkt« Dies wollte Virgil 
in den Worten sagen : Quantum non noxia oorpora tar* 
dant). Im Menschen ist also die eigene und die Weltseele. 
Schliefst Jemand daraus, dafs im Menschen zwei Seelen 



— 231 — 

seien, so entgegnen wir „Nein," weil wir nicht sagen, die 
'Weltseele sei die Seele, wie wir nicht sagen, die Haupt- 
stadt der Welt sei die Hauptstadt. Diese, sagt Plato, sei 
auserdacht aus der dividualen und individualen Substanz, 
aus ^derselben und der verschiedenen Natur, was anderswo 
auszulegen ist« 

Wer nun aber diese Ansichten mit der Schrift des Honorius Au- 
gostod. „Philosophia mundi" vergleicht, sieht auf den ersten 
Blick, dafs beide zusammenfallen. Was in der angeblichen 
Schrift des Hirschauers p. 1 — "27 steht, findet sich in der Aus- 
gabe des Honorius Augustodunensis (Basel h. v. Herold l543) 
p. 10 — 153. Defsgleichen entsprechen sich dort p. 27 — 61 hier 
p. 153— 200;"^ dort p. 51 — 65 hier 200 — 250; dort p. 65 — 77 
hier p. 230 — 272, also alle Bücher. Und was beim Hirschauer 
unpaginirt voransteht, füllt b^i Honorius den gröfsem Theil des 
Schlusses. Die Abweichungen sind nicht zahlreich. Honorius 
sagt z. B, I. c, i5. p. 122 : Cujus exppsitionem si quis quae- 
rat in glosnlis nostris super Platonem invenict (übereinstimmend 
mit dem angeführten Manuscript), während beim Hirschauer 
blos alias steht; p. 50 findet sich hier ein Zusatz, welcher sich 
bei Honorius p. 200 nicht findet etc. Dieselbe Schrift des Ho- 
norius, welche also schon ein Doppelgänger ist, fallt aber auch 
mit der in Bedas Werkeuv (Basil. 1563 fol. H p. 311 sq.) be- 
findlichen und dem Wilhelm v. Conches zugeschriebenen „Jtep« 
Stda^eiay sive elementor. philosophiae lib. IV" völlig zusammen 
und man bekommt einen kleinen Begriff von der Liederlichkeit 
der Verfasser der histoire literaire, wenn man t. XII p. 178 
und p. 457 dieselbe Schrift als eine verschiedene zwei Autoren 
zuschreiben und -^ besprechen sieht. Cousin (Ouvrages in- 
ediu d' Abelard) tritt in ihre Fufsstapfen. Er schreibt dem 
Conches p. 669 die Schrift xe^i Maietav zu und p. 647 die 
pbilosophia mundi dem Honorius. So viel ich weifs, hat den 
Irrthum bisher Niemand bemerkt, wenn nicht Jourdain darauf 
gekommen, der im art. Guillaume d. C. des dictionnairc des 
sciences philosophiques l. II. p. 611 sagt, er habe in einer dis- 
sertation sur 1' etat de la philosophie naturelle au XII « si^cle 
(Paris 1838) den Irrthum Cousins berichtigt, dafs der Com- 
mentar zum Timäus von Honorius v. Autun sei, und der die 
philosophia minor dem Wilhelm von Conches abspricht. Lei- 
der ist mir die Dissertation nicht zugänglich. 

Hier kann der Streitpunkt, wem nun die Schrift gehört, 
nicht erschöpfend behandelt werden. Ich begnüge mich mit 
Andeutungen. 



— ast — 

Ein Manntcript der M&nchner Bibliothek (Teg. 916. 4to^, 
weldiet itt die erste Hälfte des i1, Jahrhunderts gehört, führte 
die Aufschrift „Incipit philosoj^a Guilelmi," welche von spa- 
terer Hand in „Guilerini de Conchis" corrigirt ist. Ein zwei- 
tes Manucript aus späterer Zeit' (Aid, 64. 8vo) fuhrt die Auf- 
schrift „Gompendium philosophiae magistri Wilheiini de natu- 
»is corporum coelestium et terrenorum/* Ein drittes ^Ald. 125 
fol.) die Aufschrift „Magistri Wilhelm! incipit summa de na- 
turis Tidelicet totius phil.^' Der zuerst genannte Codex enthält 
auch die Schrift des Hoiiorius de imagine mundi, zwar auch 
ohne alte Aufschrift, aber doch mit der spätem Bezeichnung 
„Honorius de ymagine mundi/' Als die Arbeit eines Wilhelm 
hat die philosophia mundi «ndlich auch ein Abschreiber des 
sogenannten Dragmaticon Wilhelms von Conchis aus dem l4teii 
Jahrhundert betrachtet (Cod. Indersd. 370. 4to auf der Münch- 
ner Bibliothek}, denn er ffigt am Schlüsse noch von dem bei, 
was in der Ausgabe der Institutiones W. unter der Aufschrift 
„Hirsaugiens. aliquot philosophioae sententiae etc." steht, wäh- 
rend zwei andre Handschriften des Dragmatikon (über welches 
die histoire literaire t. XII. p. 464 handelt, die auch von einer 
Ausgabe Strafsb. 1566 weil^) den Zusatz nicht mehr haben. 
Die mit dem Zusätze beginnt ,)Incipit prologus magistri W. de 
Conches in librum suum de secunda philos." und schliefst „Ut 
sie per cognitionem creaturarum ad cognitionem creatoris per- 
v^niamus. Amen.^' Eine zweite (Ror. 7. fol.) beginnt „Incipit 
philosophia magistri Wilhelmi," schliefst mit 'den Worten des 
Textes „Nee discernit nee intelligit^^ und macht dann noch eine 
Bemerkung, dafs es Zeit sei, das Rofs abzuzäumen etc. Eine 
dritte (Aid. 65. 8vo) ist ohne alle Aufschrift und schliefst „Nee 
discernit nee intelligit." Dabei will ich aber hierauf keinen 
grofsen Werth legen, denn die Ausgabe des Honorius v. He- 
rold wird von der Tegerns. Handschrift bei den Worten (IV. 
cap. 39. p. !274) „Q.uia labor vincit omnia" verlassen, indem 
die Handschrift nur noch eine kurze Sohlufsformel beifugt. 

Aus dem Bisherigen lälkt sich nun mit ziemlicher Sicher- 
heit folgern, dafs ein Wilhdm, dessen Magistertitel kein 
sicherer ist, Verfasser des drei Autoren zugeschriebenen Buches 
ist und damit auch des von Cousin (Ouvr. in. d^Ab, p. 646) 
dem Honorius von Antun zugeschriebenen Commentars zum Ti- 
mäus. Denn, darüber kann uns ^ne Vergleichung der von ^ 
Cousin gegebene Stelle mit der ErÖiterung in den Institutiones 
p, 1B nicht in Zweifel lassen. Dazu komm^ noch, dafs die 
Gestalt des Honorius eino sehr schwankende ist. Man kennt 



— MS — 

deB Streit zvrisclien Jak, le Bocaf (Ditt. sar Honor.prete k la 
France lo d.Recneil d^ eclaircies, a Phitt. de France. tJ.p. 254) 
und der Verfasser der bist. lit. de la France t. XU, p. 165, in- 
dem der erste ihn für einen Deutschen an der Kirche zu Äugt 
bei Basel, die zweiten ihn in leichtfertiger Weise, für einen 
^ehrer zu Autun ausgeben. Und sie selbst schreiben nach Cor- 
nelius a lapide (Comment. in Ecclesiast. p, 6), dafs des Hono- 
rius quaestiones zu den Sprichwörtern wörtlich mit denen des ' 
Salonius übereinstiinniten. Bei solcher Uosicherhei( der Per- 
son, bei dem Bestreben, auf ihn zu übertragen, bei dem Zeug- 
nis^ von vier Manuscripten, unter welchen sich ein gleichzei- 
tiges befindet, darf man also nicht anstehen, die fragliche 
Schrift sa^umt dem Commentar zum Timäus einem Wilhelm zu 
fibertragen. 

Es fragt sich also nur, welchem Wilhelm? Hier verlassen 
mich nun alte zuverlässige Zeugnisse. Für Wilhelm von Con- 
ches sprechen nur jüngere Aufschriflen, für Wilhelm von Hir- 
sohau die Basler Ausgabe von 1531, der aber kein altes und 
kein reines, vollständiges Manuscript vorlag, nach dem Cod. 
Teg. 918, 4to zu schlielsen. Mabillon (Act^ Ss. ord. Bened. 
Paris 1701 fol. sec. VI. p. IL p. 725) redet zwar über die 
. Schriften Wilhelms von Hirschau, übergeht aber die Basler 
Ausgabe und redet nur um einen „Liber seu Wilhelmus de 
universo^^ herum. S^in Vormann ist Stengel, Die Acta Ss. 
Venet, 1747 Juli t. II. p, 154 b., auf welche sich unter Anc^ern 
Wachler (Literaturgesch, 3. A. IL S. 205. 363) beruft, treten 
Mabillon unkritisch nach. Die alte, von Stengel zuörst, ^ann 
von Mab. u. d. Actis gegebene Biographie, die sich zweimal 
auf der M. Staatsb. befindet, sagt in der alten Perg. Hdschr. 
(Emm, G. 73. 4to fol. 108. a, sq.): „Denique divina clemen« 
tia illum comitante tanta ingenii excellentia poUehat, ut cum 
eminentia honestorum morum simul emineret studio variarum 
artium. De qnibus multa monimenta sui natalis ingenii nobis 
reliquit. Nam naturale horologium ad es^emplum coelestis he* 
mispherü excogit^vit, naturalia solstitia sive aequinoctia est sta- 
tum mundi experimentis invenire monstravit, quae omnia etiam 
litteris mandare curavit .... In quadruvio sane omnibus pene 
aotiquis videbatur praeminere, Aadr^ Zeugnisse von Berthold, 
Trithem bestätigen. Dazu pafste das von Pez (VI.) heraus- 
gegebene in einem Münchner Codex (Emm. Y. 73 4to der sei- 
nem ganzen Inhalte nach eine auffallende Verwandtschaft mit 
dem von Cousin, a. a, 0. S, 644, beschriebnen hat und aus dem 
das nachfolgende Fragn^ent entnommen ist) befindliche, . durch 



•in« tpäter« AufkcbriCl d. H. zug[Migiiett «stronoimtche Frag- 
menl. de weit l^ainuien vrir also noch sa keiner Sicherheit und 
die w^tere Entscheidnng^der Gontroversey die ich offen lasse, 
liieBge von einer Vergleicbung aller einschlägigcD Schriften 
der beiden Wilhelm ab. 

Znr damaligen Lehre über die Weltseele setze ich eine 
Stelle nach jener Handschrift des %%. Jahrhunderts bei. Ich 
halte die Arbeit für eine Erklärung des Boethius de consola- 
tione (mctr. IX. lib. III. ed. Basil, 1570 fol. p. 104q). Der 
Verfasser konnte Wilhelm von Hirschau sein. Die Hand- 
schrift umfafst nur 6^ Bl. 4to, beginnt mit den Worten ,,Plato, 
philosophorum excellentissimus et omnium tarn inventionum snb. 
tilitate quam eloquendi omatibus facile princeps, de gevitura 
rerum deque primis gnundanae totius ifabricae exordiis in . Ti> 
maeo^ tnulta si^blimi quadam mentis speculatione pertractans, 
quandam in principio fuisse trinitatem asseruit'^ und schlieTsty- 
mit Bezug auf die Stelle des Boethius, mit den Worten „Se- 
quentes pauci versus puram . et simpHcem ad deum continent 
orationem.^' Die Stelle lautet; 

De anima mundi philosophi veteres, sumptis maxime ratio- 
nom seminariis a Piatone, queni inter ceteros principem pro- 
fitentqr, hanc habuere sententiam, Hnnc (?) ad humani cor- 
poris similitudinem, quod vitali potentia omnibus equaliter in- 
fusus artubus spiritus animat atque movet, ipsa quoque mun-r 
danae molis universitatcm vivificans et sensihili vigore adim- 
pleat et conipetentibus sibi motibus agitet, Q.uam opinionem 
Virgilius, inter epicureae sectae greges inprimis eruditissimus, in 
sexto Eneidos libro (v. 724 sq.) bis verbis inseruit: ,,Principio 
coelum ac terras camposque liquentes, Xiucentemque globuip lu- 
nae titaniaque astra, Spiritus inter alit totosque jnfusa per artus 
Mens agitat molem/' In haue eandem et Boethius noster con- 
Gordat scntentiam : „Tu triplicis mediam etc.^< Ecce, quam Boe> 
thius animam vocat, Virgilius spiritus (?) et paulopost men- 
tem appellat, et quod hie ait ,,Guncta m. c. a.,'^ ille loquitur 
,,Tot08que inf. p. a, m. a, m.*' Porro de mundanae hujus ani- 
mae divina generatione Plato in Timaeo subtilem edidit ratio- 
nem, super quam ejus expositor, vir multae et magnae eruditio* 
nis, Calcidius, parcius licet loquendi, pluribus tarnen verbis dis- 
seruit. Q,uarum disputationum sententias memoriter repetitas 
^si pro ingenii mei captu explicuero, nihil, ut arbitror, in bis 
versibus „Ab illo enim principio defluere atque oriri omnino 
videnlur" remanebit obscurum. Dicit Plato, milndi opificem 
deum animam,' quae tantae moli vivificandae atque regendae 



~ d3ft ~ 

propotitnrat erat, ei eofitatte atqve refoimatte hoe modo. Sub* 
ttantialem etsentiam aliam individuam aliain ponit etie dm- 
daanii et individuam celeftium, dividuam vero terrenornm. 
Item oattiram aliam esse eandem, aliam diversam. Eadem na- 
tura est nt hominis et hominis* Omnes enim homines secun- 
dnm speciem ejusdem natarae est (?). Diversa vero > natura 
est hominis et bovis, cum hie rationabilis sit, ille irrationabilis. 
Igitur ille mundi opifex ex snbstantia individua et item divi* 
4na medium quoddam oonflavit atque conjunxit, quod in sa 
utriusque, individui scilicet atque dividui^ haberet portionem. 
Q.uod ipsum ex utroque ita mediae temperatum inter naturam 
eandem et item diversam medium collocavit Deinde tria haec^ 
idem eandem naturam primum et substantiam ex individua et 
dividua conpactam secundum quam mediam locaverat et diver- 
sam naturam tertium, ita simul con]unxit atque coa^scnit» ul 
unum quodque trium duorum aliorum retinereC admixtionem et 
partem, idem quod idem erat et snbetanda simnl esset et diver» 
sum, ' et, quod subnantia erat et idem, pariter et diversvm es- 
set, item quod diversnm aeque esset et idem et substantia. £t 
haeo est velut massa et quoddam fermentum ex tribns hisi ]i*' t, 
eodem et substantia et diverse, compositum, ex quo Plato ijitum 
opificem mundanam animam in hunc modum instituisse comme- 
morat* Sumpsit, ut ait, ex toto fermento unam primitus por- 
tionem, hanc velut unitatem ''accipias \ secundam duplam pri- 
mae, hie sit binarius ; tertiam triplam, ut trinarius ; quartam 
quadruplara, ut IV« ; quintam nonuplam, nt IX. ; sextam VIII, 
duplam ut octo; scptimam XX^ et VII partibus propensiorem 
quam prima. Haec igitur roembra in prima animae genitura 
absoluta in unam postea seriem coaptavit atque in longitudinem 
extendit in modum ^ literae. Q,uam seriem in löngum conse- 
qnenter fldit et secuit duasque ex una fecit easque invicem sibi 
mediam mediae implicuit, in modum X literae, et deinde in 
orbes inflexit quoad sibi capita coirent« duos orbes contraria 
agnitione ferri jussit, ut alter ab Oriente in Occidentem verte- 
Tetur, qui est cursus firmamenti, alter ab Occidente in Orien* 
tem, qui est cursus VII planetarum. His igitur rationibus ex- 
politam animam in medio mundi posuit, quem locum quidam 
philosophi solis circulum esse voluerunt, quo ex medio Omni- 
bus magni corporis artubus se aequaliter'infonderet totamque 
machinam motu sempiterno et in se reciproco circumageret.. 

Der Comraentar hat in Ansehung des Dogmas eine weit 
freiere Richtung, ab der von Mai bekaontgemachte (Classieor. 
auotor.. t. III. Rom. I83i p. $16.331), hat jedoch groAere 



/ 



V«rw«ttdtscliaft mit diettfiOy alt wtk 6tm des Tbdmiis Angliciit 
(Duplex coiumentatio in Boethium Lngd. B, 1669. 4; Fabriciufi 
l>ibl. lat. Hamb. 1721 p. I. p. 643 sq.), der die antiplatoniscbe 
Richtung des 13. Jahrh. in den Worten kundgtebt: Ubi seien- 
duin, quod ista littera communiter ei^onitur ad intentionem Pia- 
tonis in Thimaeo, Sed quod ista expositio est difBcillinia et 
modicae utilitatis, ego eam praetermittam et ponam facilem ex- 
positionein, quae est de mente Aristotelis. Die althochdeutsche 
Uebcrs. h. v, Graff (Berl. 1837 S, 135) zeigt keine Verwandt* 
Schaft. 

Zur Ergänzung wollen hier femer genannt sein Ade^ 
lard von Bath, Bernhard von Chartres. Der erste Lebte 
und wirkte im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts, Wir 
haben ron ihm zwei Sjchriften im Manuscript: De eodem 
et diverso; Quaestiones naturales (Ritter Vif« 38i f*)* Der 
zweite hat durch zwei Gedichte, von welchen das eine, der 
Megacösmus, die Weltschöpfung, ' das zweite, der Miorocos- 
mus, die Menschenschöpfung bespricht, und durch seinen 
Commcntar zu d^n sechs ßüchern der Aeneide, wovon Cou- 
sin (Ouvrages in^dits d* Abelard p. 267 sq.) wieder Bruch- 
stücke gegeben, die Aufmerksamkeit erregt. Seine Blütho 
fällt in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts. Aus seineu 
Arbeiten, woraus hier einige Sätze folgen, sieht man sein 
Bestreben nach Bewältigung des ganzen Stoffes und nach 
Herstellung eines philosophischen Zusammenhanges. 

Nascitur de divina mundi molitio voluutate . . « Dei vel 
voluotaa vel bonitas summi patris est ejusque n^entis in ea- 
•dem operatione consenaus. Quisnam ergo mundo et aeter- 
nitati ejus audeat derogare, ad cujus continentiam causas 
^temas videat convenisse, det quidem de voluntate consen* 
Bum, de sapientia consiliiun, de omnipotentia causas pariter 
et effectum?.. , Praeoedit yle, natura sequitur elementaus, 
elemehtanti naturae elemeuta, elementis elementata conveni- 
unt, sie principia principiis, sed a principe priucipio cohae- 
serunt.... Est elementans natura eoelum stellaeque signi- 
fero pervagantes quod elementa commov^ant ingenitas ac- 
tiones • . . Incolumitas vitaque mundi causis quidem prin- 
cipalibus et antiquis, spiritu, sensu, agitatione, ordinatione 
consistit« VivitNoys (bei ihm summi et exsuperantissimi 



dei iiitellectus), vivunt eaieinplaria etc. Neque enirn oredi- 
bile est sapientem opificem inseiuiatae materiae nee rire^tU 
originis fondamina pradocasse. Mundus quidem est ani- 
mal ; verum sine anima substan^am non inrenias animalis.. . . ^ 
Ex mentis igitur vita, silrae (bei ihm so yiei als chaos) 
spiritu, anima mundi, mundialium vegetatione rerum aeter-;^ 
nitas coalescit. In deo, in noy scientia est, in coela ratio, 
in syderibus inteliectus; in magno vero animali cogiiitia 
viget, yiget et sensus causarum praecedentium, fomitibus 
enutrituSk £z mente enim ^oelum, de coelo sydera, de sy- 
deribus mundu# unde riveret, unde discerneret linea con- 
tinuationis ezcepit. Mundus igitur quiddam continuum 
(Cousin p. 63o. Ritter VII. 386 f.). 

Schon am Anfange des i3* Jahrhunderts wäre wohl die 
Philosophie, wie bei den Juden und Arabern es später ge- 
schehen, aufgegeben worden; die beiden Gebiete waren 
ihrem bereits sichtbaren Hange, sich ab- uiid auszustofsen 
gefolgt, wenn nicht Aristoteles, wie gesagt, das Subject 
auf's Neue aufgestachelt hätte, sich zu befriedigen und die 
xwei Gebiete für sich auszugleichen. Die drei gröfsten Ver- 
suche dieser Ausgleichung haben bekanntlich ALhert der 
Grofse, Thomas v. Aquino und Dans Scotus geliefert. 

Bei dem ersten, dessen für acht angesehene Schriften 
in meiner allg« Literaturg. der Deutsch. S* 179 aufgeführt 
sind, ist vor Allem hier zur Ergänzung seine Stellung zu 
den Arabern zu erwähnen und zu den Verhandlungen über 
^ominalism und Realism. * Er bekämpft die Ewigkeit der 
Materie, welche ihm als das aufser den accidentalen und 
substantialen Formen im Seienden Befindliche (Summa de 
creat« 1. tr. i. q. a. art. 2* p. 9 b), als inchoatio formae (De 
nat. et or. an. h 3. 4 p* 190 h; Summa theol. IL tr, i. q.. l\^ 
m. e« art. 4* p. &2 &) erscheint und durch das Maas ihrer 
Fähigkeit die Indiriduation begründet, weil sie zur Parti- 
eulation und Contraction der Form bringt (De nat. et or. 
an. tr. La; De int, et int. I. tr, IL i;- Summa theoL H^ 
tr. L p. 4. in* 1* ftrt. a. part. a. p. 38 a), wonach Gott nichts 
mit ihr gemein haben könne (Summa theol. II. tr. i, q. 4» 
m, 1* art. 1, part, 3* p. 4o a)« Defsgleichen kämpft er ge- 



— M8 — 

gen die Ewi|;keit der Welt ans dottBelben GFunde, obgleich 
er keinen Anfang des Schadens annimcät (Smnma de creat. i. 
tr. 1. q. 1. art. i sq* Summa theol. IL tr. i« q. 4. m« 9» 
ark^i. p. 48; De nat. et op. an. tr. IL 7. p. 207 b>. Ferner 
bekämpft er die Ansicht des Arerroes, dafs alle. Menschen 
nur Einen thätigen Verstand hätten, weil sonst die Seele 
sieht selbst erkenne und der das Wesen des Mensdien be- 
gründende Verstand nicht 2um Wesen des Menschen ge-* 
hörte, weil überall Indiriduation, d. h, Verschiedenheit der 
Subjecte, stattfinde etc« (De intell« nn. c* Averr. 5; De in- 
teil, et intelK L tr. I. 7. p. 245 a; De nat* %t or. an. tr. IL 
4. p. aos a; Summa de creat. IL tr* i. q. 55. art. 3. p. 267 
b sq.). Aber diese Unabhängigkeit ist nicht zu hoch an- 
SQSchlagen, denn wo er den Arerroes verläfst, schliefst er 
sich auch an den Avicenna an. Auch ihm ist der mensch- 
liche Verstand ein leidender, so weit Gott und Engel auf 
denselben einwirken. Und der Vorwurf, dafs Albert sich ' 
▼on den arabischen Vorstellungen der Emanationslehre nicht 
ganz habe lossagen können, wird auf seine Annahme der 
Gradunterschiede in der Welt gestützt. Die Ursache ist 
nach ihm vollkommener, als die Wirkung; Gott kann nur 
Unvollkommenes hervorbringen (De caus« et proc. nn. L 
tr. IV. 5. IL tr. IV, 5; De int. et int. I. tr. L a sq.), seine 
Herrlichkeit nicht in Einem Geschöpfe offenbaren (Summa 
theol. IL tr. I. q. 4* m. 3. p. i5 b). Den Weltznsammen- 
hang denkt sich Albert in der Art der arabischen Aristo- 
teliker. Seinen Wnnderbegriff hat er aus Aristoteles (De 
gen. anim. IV» 4.) etc. 

In Ansehung der zweiten Frage nimmt Albert an, dafs 
die Unifvrsalien vor, in tmd nach deii Dingen seien, weil 
die Formen, also die Wahrheit und Wesenheit der Dinge, 
vor Alleyn im göttlichen. Alles in's Dasein rufenden Ver- 
stände seien, jedoeh in der Materie zu Wirklichkeiten wür-* 
den und endlich erst nach der Erhebung in die Wirklich- 
keit abstrahirt würden: Tria formani« genera resultant: 
nnuifi quidem ante rem existens quod est causa forma^iva. 
Aliud autem est ipspm genus formarum quae fluctuant in 
materia. Tertium autem est genus formarum quod abstra- 
hente intellectu separatur a rebus (De int. et int. L tr. IL 



i, 5.)* in Aiisebting de» Glaubens betrachtet endlich Albert 
diesen als das der Vernunft Vorausgehende, als eine Wir- 
kung Gottes, welche a posteriori begriffen werden soU 
(Summa theol. I, tr. L q* 5. m. 2 sq.)* Gott hält er nicht 
für begreifbar, aber doch fär wahrnehmbar (Ibid» I. tr« HL 
q* i3. tr. IV. q« i8.)« Dad Ungenügende der natürlichen 
Erkenntnifs sucht er, wie später auch Thomas, darauf zu 
gründen, daf» sie von der Wirkung Gottes (der Welt) aus« 
gehe, die Wirkung aber niedrigerer Art, als die Ursache 
sei (Bitter VIII. s4i ; Thomas, Summa p. I. q. 1 — s* q^ i3. 
q-88). 

Thomae ron Aquino (f 1227) ist jedoch weit weniger 
eigenthümlicb, als Albert. Wenn er z. B. die' Nothwendig- 
heit des Glaubens daraus beweisen will, dafs wir durch die 
Philosophie gar nicht, oder viel zu spät zur Erkenntnifs 
der nothwendigen Dinge gelangten (c. Gent. I. 4. 5 ; Sum- 
ma theol. I. q. 1. art. 1.), so redet er nur Albert nach etc. 
Wenn Thomas, bemerkt Ritter VIII. 549, ^^^^ ^ Grundsätze 
Alberts zum Theil deutlicher und entschiedener entwickelte, 
so scheint una doch (im Gegensatze zu Andern) an einigen 
Punkten sogar ein Nachlassen des philosophifchen Streben» 
sich kenntlich zu machen, so in Betreff der Lehre Alberts 
über die Materie, aU. den Beginn der Form und in Betreff 
der Lehre des Arerroes über die Verborgenheit der For- 
men in der Materie etc. Wenn Thomas die Meinung be- 
seitigt, dafs die geschaffenen Dinge in nichts mit Gott reru 
gleichbar seien und^ die AehnÜchkeit beider hervorhebt, weil 
die erstem in ihrer Wirksamkeit die göttliche Wirksamkeit 
nachahmten, so entwickelt er einen seinem Lehrer nicht 
fehlenden Gedanken. Femer ist es nur eine anpassendere 
Darstellung des Gedankens, dafs im Verstände Erkanntes 
und Erkennendes sich rereinigen müfsten, wenn Thomas 
durch die Ansicht, dafs die Gott rerähnlichenden Thätig* 
keiten in allen 'Geschöpfen, die Vereinigung mit Gott durch 
Verstandeserkenntnifs allein bei den Menschen sich fänden, 
Vorstellungen seines Lehrers yon dem verähnlichenden Ver- 
stände beseitigt, welcher uns mit Gott erst wahrhaft in Ge- 
meinschaft bringe. (Albert nennt diesen Verstand, diese 
Erteuchtung intellectus assimilans, assimilatirua, accommoda- 



— «4» — 

lu8,*8upperädditttm natürae und schreibt ihn Gott oder einem 
Engel zu; Summa theol. I. tr.III. q. i6. m. 3. art.3* p.6i a; 
Ibid* lU tr^ IV. q. i4* m. 3. art* 3. p« 4« p. iio a; De int. 
et int. IK 9; De caus, et proc* un. IL tr. I. i3)* Defsglei- 
chen setzt er auch in andern Punkten fort, was sein Lehrer 
begonnen hatten Die Trinität glaubt er durch die Annahme 
zu erklären, dafs Gott sich in seinem Sohne erkenne, im 
GeiHe wolle, wonacli der Sohn den Verstand, der heil. Geist 
den Willen Gottes rorstellt (In sent. dist. XXVIL q* s* 
art* 2»; Summa L q. 4o — 6i). In der Lehre 'über die Unh- 
yersalien schlicl'st er sich an Albert an (Summa TheoL IL 
dist. 111. q. 3. arU 2. Vgl. Ritter VllL 55o mit 349 *^)- 

In Duns Scotus zeigt sich schon wieder eine Art 
Reaction gegen die Speculation, wenn auch in speculativem 
Gewände, ein Vorschlag der Praxis und des Willens im 
Verhältnisse zur Theorie und zum Wissen, eine Andeutung^ 
dafs der grofse Anlauf, mit den Hilfsmitteln der Araber, 
Juden und des Aristoteles das Subject mit der Glaubens- 
formel auszugleichen, verfehlt war« Scotus greift im Ge- 
fühle, dafs es auf dem bisherigen Wege nicht weiter gehe, 
zu einem sehr gewagten Mittel. Wie Cartesius sich nicht 
vom Satze losmachen konnte : „Ich denke, also 'bin ich,^^ so 
ist es der Grundgedanke von Scotus: „Ich will, also er- 
kenne ich/' Und reichte dieser Gedanke nicht aus, sa hatte 
^in Herz einen zweiten: „Gott will, also will ich, laut Of- 
fenbarung, also müssen wir es erkennen/' Seiner geistigen 
Spannkraft widerstrebte die herrschende Philosophie, die an 
d^ Zweifels- wie an Speculationsgenufssucht, an verschwim- 
mender energieloser Gedankenwollust litt. »Thomas (c. Gent« 
L 8* 9, 12, H. 2.) hatte zwar die Vernunft für mangelhaft in 
göttlichen Dingen gehalten, aber doch den Weg durch die 
Philosophie, d. h. durch die Betrachtung Gottes in den Wer-- 
ken der Schöpfung, in der Wirkung, empfohlen, weil dar- 
aus Wahrscheinliches für die Glaubenslehren gewonnen wer- 
den könne* Scotus sucht dagegen die Theologie von den. 
übrigen Wissenschaften abzusondern (In sent. prol« q. 3. 29.)» 
Der Philosophie stehe keine Entscheidung über theologi- 
sche Dinge zu, weil sie nur aus Allgemeinem auf Allgemei- 
nes schliefse und das Besondere nicht als Besonderes zu er- 
kennen 



— 241 — . 

kennen vermöge^ Überall Notkwendigkeit erblicke (Ib. prol. 
q. 1. 14. 3o,). Albert (De int et int. II. 8* p« 259 a) hatte 
gesagt: Homo in quantum homo^solus est intellectus. Und 
De nat. et or. an« L 4* p* 193: Anima ista, licet sit una sub- 
stantia hominis, habet tarnen mnltas potentias, eo quod est 
in se colligens omnium fertnarum se ordine naturae praeee- 
^dentium potentias^ quae omnes intellectuali natura complen- 
tur tanquam in ultimo termino et fine. Thomas hatte ge- 
sagt (c. gent. III. 25— 26}: Inter omnes hominis partes in- 
tellectus inrenitur superioi; motor. Finis intellectus est 
finis omnium ^tionum humanarum. Yoluntas moret in- 
tellectum quasi per accidens, inquantum scilicet intel- 
ligere ipsum apprehenditur ut bonum et sie desideratur 
a Yoluntate. Et iterum voluntas movet intellectum ad 
operandum in actu per modum, quo agens movere didi- 
tur, intellectus autem voluntatem per modum quo finis 
moret, nani böpum intellectum est finis voluntatis ; agens 
autjem est pos|eriQr in movendo quam finis, nam agens non 
movet nisi propter finem, unde apparet intellectum esse 
simpliciter altiorem voluntate, voluntatem vero intellectu 
per accidens et secundum quid. Vgl. Summa II. q. 148 sq. 
Scotus dagegen hält am Satze : Nihil aliud a voluntate est 
causa totalis volitionis in voluntate (In sent. IL dist.- XXV. 
22 ). Wie mit der Lehre des Thomas von den zwei Wirk- 
samkeiten Gottes, einer höhern nach innen, der Selbst-Be- 
stimmung •Erkenptnifs- Liebe, und einer niedrigem nach 
aufsen, die BevoI;|^gung des innern theoretischen Lebens 
der Intelligenz — so hängt die Bevorzugung des praktischen 
Lebens, des Willens, bei Scotus mit der Voranstellung des * 
Willens und Rathschlusses Gottes zusammen/ W^ren jene 
dem Determinism, so ist er dem menschlichen Incfifierenfism 
geneigt. Aus den zufalligen Handlungen, welche er dadurch 
zu begründen sucht, dafs der Gegensatz der überlegten zu ' 
finden ist, folgert er zufällige Ursachen und unter diese zu- 
fälligen Ursachen zählt er den Willen, der sich selbst be- 
stimme^ Bestimmendes und Bestimmtes sei. Er unterschei- 
det aber dabei zwischen eifern ersten und zweiten Gedan- 
ken. „Wicht der entwickelte Gedanke bewegt den Willen, 
sondern der Wille zieht den unentwickelten Gedanken an's 
Gumposch^ Ür. V. P., Oeschichte d. Philosophie. ' ^ 1^ 



— 24a — 

Licht^^ (Ritter VlIL 45 1 f*.). Zu den unentwickelten zahlt ^ 
er die ersten, die willenlosen Hegungen und Grundsätze 
unsrer ^atur, welche yon uns nicht abhängen» Aber wenn 
er das Joch des Theoretischen theils mit dem Willen durch- 
brechen und abschütteln, theils in der Herabstimmung der 
Transcendenz erleichtern will, so legt er eben ein Andres 
auf. Bis zur Unerforschlichkeit des Wesens Gottes hatte 
der stets gefühlte Zwiespalt zwischen der Glaubensformel 
und der Philosophie die Intellectualisten hingetrieben und 
zur Unerforschlichkeit des Willens Gottes, zur Prädestina- 
tion (De anima q. i5; In sent. J. dist. XVII« q. 3. 32 sq.) 
treibt es den Voluntaristen hin« Dort hiefs es, die Weisheit, 
der Verstand Gottes geht über die Vernunft ; hier sagt Sco- 
ttts : Das Gericht Gottes ist unerforschlich (In sent« J« dist. 
XLl« 105 IV. dist. XLVll. q. 1. 5.)« Seiner Richtung ge- 
mäfs entscheidet er alle weitern gangbaren Untersuchungs- 
punkte« Den Glauben bezeichnet er z. B« in folgender 
Weise (In sent. prol. q. 4» 4i): Fides non est habitus spe- 
culatirus, nee credere est actus speculatirus, nee risio se- 
quens credere est visio speculatirA — sed practica« Aus der 
Neigung für die Passivität folgt sein Realism. In Porphyr. 
q. 4« sagt er: Universale est ens, quia sub ratione non cu- 
tis nihil intelligitur, quia intelligibile movet intellectum. 
Cum enim intellectus sit virtus passiva, non operatur, nisi 
moveatur ab objecto. Universale est ab intellectu. Et cum 
dicitur, ergo est figmentum, dico, quod non sequitur, quia 
figmento uihi^ correspondet in re extra^ universali autem 
aliquid extra correspondet, a quo movetur intellectus ad cau- 
sandum talem intensionem. Wie Avicenna nimmt er die 
Relation zu Hilfe, d. h. läfst das Besondere durch das All* 
gemeine zum Besondern, das Allgemeine durch das Beson- 
dere zum Allgemeinen bestimmen. An sich ist die natura, 
entitas quidditativa indifferent (In sent« II« dist« III. q, i« 
q. 6.). ' . 

Auf der phfsikalftchen Seite sei hier endlich noch des 
Roger Baco und des Raimund von Sabunde gedacht. 

Der erstere wtirde zu Somerset 1214 geboren und soll 
zu Oxford 1293 gestorben sein. Cousin hat aufser seinem 
opus majus ad Clementevi (Lond. 1738 fol« Venet. 1750. 4«) 



— 248 — 

noch andere ungedruckte Schriften gefunden« Ueber seinen 
Aberglauben, seine Taxirung der Philosophie C^hilosophia 
secundum se ducit ad coecitatem infernalem, op* maj. p. 42), 
seinen Mystizism, seine Lehre vom thätigen Verstand (in 
Gott), den in der verschiedenen Materie schon befindlichen 
Formen, über seinen Zusammenhang mit Arerroes, wie mit 
der Lehre christlicher Philosophen von den Samenverhält- 
nissen etc. ^ spricht JFlitter YIIJ, 473 f. 

Bei dem zweiten ist das Merkwürdigste der völlige 
Gegensatz zur nominalistischen Secte, die Vollendung des- 
sen, was die Physiker von jeher angestrebt. Er ist die ver- 
körperte, schon im 1 5. Jahrhunderte bewerkstelligte Trennung 
der philosophiaclien Facultät von der theologischen» Jm 
tJebrigen ist er weder tief, noch gründlich in Ansehung 
philosophischer, oder naturwissenschaftlicher Forschungen. 
Kr steht unter dem Einflüsse der umlaufenden Ideen eines 
ScotuS) Albert, Thomas, ist mittelalterlicher Popularphilo- 
soph und dorura Gegenstand des Lobes Tur solche, welche 
Gröfseres und Tieferes nicht lesen können oder mögen 
CRilt- Vin. 65ß f }. 

Zur Ergänzung der allgemeinen Urtheile iaber die 
Scholastik bei Rixner lasse ich hier gleichfalls einige folgen* 

Bei Albert macht Kitter Vltl. 5^6 f. darauf anfmerksam, dafs der 
Graf Gott noch eine hdhere Vollkommenheit zuschreibt^ als die^ 
welche er als Ursache der Welt bethätigt, dafs bei dieser die* 
Gesammtheit der weltlichen Dinge auch nur in beschränkter 
Weise das GSttliche ausdrücke« Diese Ansicht der Dinge könne 
mit den idealen Iß'orderungen der Wissenschaft und des ntU 
liehen Strebens nur durch einen Gewaltstreich V|reinigt wer-> < 
den. Albert sehe, um die letzten nicht ku verletzen, darum 
sich genöthigt, dem vernünftigen Wesen ein Reich der Gnade 
#KU eröffnen, welches nicht auf der Entwicklung ihrer Natur 
beruhe, sondern in welchem ihrer Natur zugelegt werde (Sumina 
de creat. I. tr* IV» q. 19. art. !.)♦ Der Widerspruch, dafs 
einem Wesen etwas zuwachsen könne, was nicht in seinem Ver- 
mögen liegt, könne aber nur notlidürftig dadurch verdeckt wer- 
den, dafs Albert an einen verborgenen Rathschlufs Gottes in 
der Anlage der Welt uns verweise. 

In Betreff des Scotus, bemerkt Ritter S. 539, dafs wir durch 
den Vorzug, welcher dem Willen vor dem Verstände cinge- 

16* 



^ U4 — 

raSmt werde^ znta %n einem folgericlitigem Ausbaa des theologi- 
•eben Systems gelangten, ' indem nnn alle die logischen und 
metaphysischen Sätze des aristoteluchen Systems nur als Mittel 
filr die Bildung des Verstandes erschienen, der selbst nur ein 
Mittel für das sittliche Leben sei. Aber werde uns dies dafür 
enuchädigen können, dafs eben delswegen das wissenschaftliche 
Leben seines selbstständigen Werthes beraubt werde? Schwer- 
lich; besonders wenn wir bedächten, dais doch der indifferente 
Wille auch nur über Mittel gebieten könne, welche an sich 
ohne Frucht und Verdienst seien, wenn Gott sie nieht annehme 
und durch seine Gnade das Mangelnde hinzufdge. In letzter 
Enucheidung könne dieser Indifferentismus sich doch nicht be- 
haupten, wenn er eingestehen müsse,, dafs ron Gottes über- 
natürlicher Wirkung der Wille unausbleiblich bestimmt werde. 

Hiettt will ich nur noch das Eine von Petarius fuge», wel- 
cher als seinen 2 weck angiebt: Univeirsam theologiam mandare 
bis libris, non illam contentiosam ac subtilem, quae aliquot ab- 
hinc orta seculis jam sola paene scholas occupavit, a quibus et 
scholasticae proprium sibi nomen ascivit, rerum elegantiorem 
et uberiorem alteram, quae ad erüditae vetustatis expressit spe^ 
ciem, h« e. a dialecticorum jdumentis liberioris ad campi revo- 
cata spatia, solam ad usum cultumque sui natirani «tdomesti* 
cam copiam ostentat« 

Liteiratnt» Ueber die Scholastik im AUgemeinen handeU 
ten: Raumer (Taschenb. 184l); Hagehbach (In Illg. Zeitschr. 
184^); Rousselot (Etud. s. la philosophie dans le moyen-äge, 
Paris 1843. III.) 5 Patru (De la philosophie du moyen-äge 
dep. le huit siecle jusqu^ä Papparit. en Occident de la physique 
d^Aristote, Paris 1848) ; Banr in seiner Gnosis n. A. 

Ueber Gerbert schrieben U.A. Hock (Gerbert, Wien 1837) 
und Wilmans (Berl. Jahrb. f. Lit* 1839); Über Berengar, nach 
Lessing, (Werke XII.): Stäudlin (Archiv für Kirchengesch« 
B. II.), Hemsen (Festprogramme, GÖtt. 1820 f.). Die Schrift: 
de Sacra coena adv. Lanfrancum, gab Vischer (BerL 1834) 
heraus. Vergl. Herm. Reuter» 

Ueb^r Anselm von Canterbary, dessen Werke Ger* 
beron, Paris 1675, und nach dieser Ausgabe die Benedict., eb. 
1721 II. fol«, gegeben, ist in neuerer Zeit viel geschrieben 
worden. Besondere Zeitschwingungen veranlaCsten sogar die £r- 
Ifinger Ausgabe seiner Schrift: Cur deus homd? 1834. 

J. G. Billroth, de Ans. Cant« proslogio et monologio, Lips« 
1832; G. R. Vedcr, dies, thcol de Ana. Cant. Lugd. B. 1832 5 



— 2« -^ 

J. D. Seisen, Nicol, Metlionensig, Anselma« CanU Hugo Grot 
quod ad satisfactionis doctr. a singnlis excogit. inter se compa- 
vati, Heidelb. 1838 ; Baur, die ehristl. Lehre. von der Versoh- 
ifung S. 176; G. F. Frank, Anselm ▼. €., Tüb. 184%; Fr. R. 
Hasse, Anselm v« C. Leipz« 1843 f«; Hr Bniehitte (Rationalisme 
chretien, Paris 184%), 

Ueber Gaun41o ist jeUt Ravaisson, rapport au minittre de 
Tinstruction publ, , Paris I84I3 naphzulesen. 

Um Abälard bemühten sich Rheinwald (Abaelardi epitomo 
tfaeol. Christ, Berol. 1836; Dlalogus inter Philosophum Jud.,et 
Christiimum, ib, I83l, beide von zweifelhafter Aechtheit), Cou- 
sin (Ouvrages inediis d'Abaclard, Paris 1836, vgl. Lewaids 
commentatio de operibus P. Abaelardi, Heidelberg 1839. 4.), 
Frank (in dei^ Tüb. Zeiuchr^ 184Q), Frerichs, Feuerbach, Car- 
riere (Ueb. Ab. Giess. 1844), Goldhorn (De summis principiis 
theol. Abaelatdeae, Lips. 1836), Remusat (Abaelard, Paris 1845). 
Der letztere streitet gegeq die von ßixner festgehaltene Anschan- 
ung Abälards als Pantheisten, Pie Ausgabe Cousin's enthält: 
Sic et non; Dialectica, p, I, de partibus orationis, p« U, de 
propositionibus et syllogismis categoricis s. Analytica priora, 
p. HI. Topica, p, IV, de propositionibus et syllogismis hypo- 
theticis s. Analytica po&teriara, p, Y, über divisionum et de- 
ßnitionum; Glossen zu Porphyrius, zu den Kategorieen, zum 
Buche de ioterpretatiooe, zur Topik des Boethius. In Cousin^s 
Fragm. phil. t. III. app. XI. p. 448 findet sich auch der Abä- 
lard zugeschpeb, tractatus de Intellectibus. 

Ueber Bernhard schrieb Neander (Der h. Bemh. Hamb. 
1848). Ueber Otto von Freising schrieben B. Hübet (Otto 
V. Fr. Münch. 1847) und Th, Wiedemann (Otto v. Fr. Frei- 
sing 1848). Der erste meint, Philosophie gelte dem Otto unge- 
fähr so viel als Meditation (S. 133), Otto^s !N«|urphi)osophie 
bestehe in der Annahme, dafs die Affen nicht auferstehen 
(S. l4^), die Moral sei das erste Moment, das Otto zu einer 
Philosophie der Geschichte rechne (S* i4^), während Otto 
selbst, nach den angeführten Stellen, speculirt, nicht blos me« 
ditirt, von Theilbarkeit der Korper, der Ursache der schnellen 
Vergänglichkeit derselben, von den alten Dichtern nicht als 
Moralisten, sondern Sibyllisten spricht etc. "Eben so vorschnell 
ist die Folgerung, Otto sei Nominalist gewesen, weil er prol. 
lib. 1. de gest. Fr. sagt: Sicut enim juxta quoruAdam in logica 
notorum positionem, cum non formarum Bcd subsistentium pro- 
prium sit praedicari seu declarari, genera tAmen et species prae- 



~ «46 ^ 

dicamento traoMumpto ad causam praedicari dicuntar etc. Der 
»weite hat) trotz aller Gevatterschaft, nicht einmal das Abc der 
Logik zu seiner Arbeit mitgebracht. Er lafst Otto (S. l68) 
sagen; ,^Ferners da jede Pefinition auch die eines Andern sein 
kann und auf einen Andern bezogen werden kann, so kann 
diese Beziehung nur auf dem Wege d^ Yernunit geschehen.'^ 
Humanitas übersetzt er mit Menschlichkeit^ animalitas mit Be* 
seeltheit etc. 

Ueber Hugo von St. Victor handelte Liebner (H. v. St. V, 
Leipz. 183^); über Richard v. St. Victor defsgleichen Lieb- 
ner (Richardi de contemplatione doctr. Gott. 1837. 4.) und Engel- 
hardt (R. v, St. V,' und Joh. Ruysbröck, Erl, 1838); über 
Job. V. Salisbury H. Reuter fJ, v. S, zur Geschichte der 
christl, Wissensch. im 1^, Jahrb. Berl. 184^; über Joachim 
von Floris Engelhardt (in ilen kirchengcschichtlichen Abband« 
lungen, Erl. 183^); über Amalrich von Bena Hahn (in den 
theol. Studien u. Krit, 1846), Engelhardt (a. a. O.), Krönlein 
(De genuina Amalrici de B. ejusque sectator. ac Dav. d« Din. 
doctrina, Giess. 184^); über Albert den Gr. Meyer (in 
SchlechtendaPs Linneia X.), Choulant (in Hentsc^hePs Janus, 
Jahrg. 1846 f.); über Thomas von Aquino Feigerle (Hist. 
Vit, TU. a Villanova Th, Aquin. et Laur. Justiniani, Vienh. 1839)) 
Tholuk (Dilp. de Th. Aq, atque Abaelardo interpr. N, 1\ Hai, 
184^), Pelecluze (Gregoire VH. Fr. d'Assisi et Th, d*Aquin, 
Paris 1844^, Kling (Descriptio summae theol. Th. A, Bonn, 
1$46), Hörtol (Th. v, A, Augsb, 1846); über Duns Scotu» 
Banmgarten - Crusius (Pr« de theol. Scoti, Jen. 18^0. 4.); iiber 
Göthals Hunt (Historia sur la vie les ouvrages et la doctrine 
de Henri de Gand, Gand, 1839); über Roger Bacon Stef- 
fens (Polem, Blatt, für Beford, der specul. Phys. I.), Jourdain 
(Recherches), Delecluze (in der Revue frangaise v, 1839), Da- 
nen und Le Clerc (in der histoire lilteraire de la France t, XX.)» 
Höfer (Hist, de la chimie t. L); über Eckhart Schmidt (Mei- 
ster Ekkard in den theol. Studien u.Krit, 1839 III,), Martensen 
(Meister Ekk, Hamb, i84a, vgl. Schmidt in ThoUiks üt, Anz. 
184t) Nr. 79)9 Meier (DionyMi Areop. et mysticor« sec, XIV. 
doctrinae inter se compar. Hai. 1845); über Gerson Engel- 
hardt (Comm. de G, Erlang, 182^. 4,)) L'Ecuy (Ess. la vie de 
J, G, Paris l83aj Leroy Etud, s, 1, Mos, de G, ib, 1837), Jour- 
dain (Doctrina J. GersonM de thcologia mysiica, jb. 1838), J, B. 
M, Gence (J, G, restitue, Paris i837), Ch, Schmidt (Ess. s. 
J. G, Strafsb, 1839), P. Faugfere (Eloge de J. G. Paris 1843), 
Hundeshagen (Ueber die myst. Theol, d, Joh, G, in Illgens 



^ '247. -•«• 

Zci»chr. f. IiUt. Tfi. IVOi A. - Liebncr (Üeber G. in Ünibr. 
Xbeol. Studien ii. Krit. 1835 VIIL)j über Raymiind F. Höl- 
b rg (De theologia natural! R. de S. Hai. 1843)» Matzke (Die 
nalürl. Theologie de« R. v, S, Bresl: 1846); Roth (Diss. de R. 
Tur, 1847). , 



XVIIL 

Die nationale Philosophie der Franzosen^ Italiener^ 
Engländer etc. seit 1400. 

Von dem französischen VolHe hat man gesagt, dafs es 
viele Philosophen, aber keine Philosophie gehabt habe. Man 
hat hievon zwei Quellen angegeben. Brstens den zwei- und 
dreifachen Ursprung der romanischen Nationen, in Folge 
dessen ein steter Bruch, hein organisches, sondern nur ein 
mechanisches Gesetz im Leben wie in der Literatur herr- 
sche« Zweitens die Geselligkeit mit ihren Folgen, der 
Richtung auf das Aeulserliche, der Farbe des Gemein -Ver- 
ständigen, der Berechnung und Versenkung in den Tag, 
dem Haschen nach Distinction und Extremen zur Ostenta- 
tion, der Unlust, mühevolle Studien um ihrer selbst willen 
«u betfeiben etc» Diese (Quellen sammt Aen Folgerungen 
-liönnen natürlioh die Franzosen selbst nicht anerkennen. 
^Dagegen lassen sie bereitwillig den Rationalism, den indivi- 
duellen Psychologism, die Deutlichkeit ulid die Richtung 
- 'aufs Leben als Kennzeichen ihrer Philosophie gelten. So 
z. B. Boullier im dictionnaire des sciences philosoph. art. 
Francaise philosophie. Damit hängt es zusammen, dafs als 
der Glanzpunkt der nationalen französischen Philosophie 
der Kreis der Encyklopädisten zu bezeichnen ist, welche ih 
ihrer Art weit mehr und dem Nationalcharakter weit ent- 
■sprechender waren, als Alles vor und nach ihnen und defs- 
halb bei jedem ächten Talente jenseits des Rheines immer 
wieder vorschlagen. Mit Recht hat Göthe* Voltaire den 
höchsten unter den Fi^anzosen denkbaren, der Nation ge- 
mäfsesten Schriftsteller genannt. Und in so weit Condillac 
jenem Kreise näher steht, als die jetzigen Philosophen der 
eklektischen Schule, kann man Saphary (L'^cole eclectique 
et recole francaise) beistimmen^ wenn dieser durch Laromi- 



gniire, nicht durch Cousin Condillat*» Dwlrtlinngfn nnd 
damit die nationalen Bestrebungen fortgesetzt sieht« ' Mit 
jenem Charakter der französichen Philosophie hängt es auch"^ 
zusammen, dafs der Mann des Herzens und der der GeselU 
Schaft so oft ein andrer gewesen. Als Beispiel kann Gas- 
sendi dienen« 

Ueber Gastendi tagt Damirmi (Hittoire de la philos. an XYIIe t. p« 
4S7 sq.), er sei Sensaalist und Spiritualist. Er ist Sensaalist in 
seiner Logik, denn jede Idee stammt ans den Sinnen, oder ana 
einer den Sinnen entstammenden Idee; er ist Sensualist in der 
Physik, denn Gott ist ihm nur begreiflich unter sinnlicher Ge* 
stalt und die Seele eine Verdünnung, oder ^bstraction der Ma- 
terie etc. Er ist aber auch in seiner Art Spiritualist, wenn er 
neben der Phantasie, als VermSgen der sinnlichen Ideen, den 
Verstand, als VermSgen der intellectuellen Ideen, zugiebt, wenn 
er mit dem Gott und der Seele nach den Sinnen einen Gott 
nnd eine Seele nach der Vernunft anerkennt, wenn er unter 
die epikuräischen Vorschriften manches Christliche mischt. £r 
hat den Sensualism und Spiritualism nicht durch das in jedem 
Wahre ausgleichen wollen, sondern den ersten zur Hauptlehre 
genommen und den zweiten auf den ersten zurückzuführen, 
oder auf den ersten zu pfropfen getrachtet. Ohne Erfolg etc. 
'Er selbst giebt in der Theorie zu, dafs die Wahrheit, Gott, die 
Seele, das ^te die Wahrheit, der Gott, die Seele, das Gute 
ist, wie sie aus der Sensation stammen; aber in seinem Gewis» 
sen glaubt er an andre Wahrheiten, einen andern Gott etc. 
Theoretiscli hat er blos die sensualistische Lehre; die, welche 
er damit mischt, oder der sensualistischen an die Seite setzt, 
ist nicht die seinige, oder sie ist, wenn man will, bei ihm die 
des Menschen, nicht des Philosophen. 

Die franzosische Philosophie kann man, wie die itdie» 
nische, nach Jahrhunderten eintheilen. Im fünfzehnten Jahr* 
hundert setzte sich die alte Gährung, die Trennung der 
Philosophie ron der Theologie, der Nominalism fort. Im 
i6. J«, wo die verstärkte nationale Richtung auch im Ge- . 
brauche der ^französischen Sprache bei Ramus sich gel- 
tend macht, treten, aufser diesem, Et. de la Bo etie, Mon- 
taigne, Charron auf» Ramus will ebenso für die Philo- 
sophie die Autorität des Aristoteles beseitigen, wie sie vom 
Nominalism für die Theologie beseitigt worden. Das zähe 
Leben des letztern schlägt in den Skeptizism, seine natür* 



Hohe Fortsetzung, um. Der bedeutendste Sheptifcer ist Mon- 
taigne, von welchem documents inedits in jüngster Zeit er- 
schienen sind und über den- Talbert, Droz mit Villemaia 
lind Catalan •(Etudes sur M. Par. 1847) gehandelt haben« 
Im 17. J. unterstützten die nach Franhreich kommenden. 
Flüchtlinge Bruno, Vanini, Campanella den Kampf gegen 
die Scholastik. Gasse^äi erneuerte die Fehde gegen Aristo- 
teles und lockerte den Boden für seinen eignen Gegner, 
Descartes. Der Dogmatism des letztern, zu welchem sich 
Rohault, de la Forge, Regis, Cordemoy u. A. bekannten, 
ist das Product der vorausgehenden Gährung und insbeson- 
dere eine Reaction gegen die skeptische Seite derselben, 
wie der TheoU)g}sm des Malebranche und der diesem sich 
nähernden Männer Lamy, Boursier, Bossuet, Fenelon eine 
theologische Reaction, 

U^ber Gassendi sclirieb Pamiron für die Akademie 1639 ein Me- 
moire; über Lamy bandelte Haureau in d, liistoire litteraire 
du Maine t, IL; von Bossuet erschien eine Awg, seiner pbilot. 
Werke Paris 1843 und die letzte Gesammtansg. eb. 1835; defs- 
gleichen eine Gesammtausg. v. Fenelon eb. 1838 und eine A. 
seiner pbilos. Werke 184^; eine Gesammtausg, des Descartes ver- 
anstaltete Cousin 1824 und eine Ausgabe seiner pbilos. Werke 
Garnier; über den Philosophen bandelten in neuerer Zeit: 
Cousin (Fragments pbilosophiqnes ; Introducdo^ aux Oeuvres 
du P. Andre, Paris 1843), Renouviei^ (Manuel d'bistoire de la 
' pbilos. moderne, Paris 1842), G. J. Jacobi (Descartes Leben, 
Berl. 1846), Bonllier (1842), Bordas-Demoulin (Lc Cartesi«^ 
nism, Par, 1843). Einen Tadel der Rixner'sohen Auffassung 
findet man bei Erdmann Gesch. d. Ph. I, 1. S« 277. 

Cartesius hatte gleich Anfangs mit Epikuräem, wie Gas- 
8endi, Skeptikern wie Bayle (über welchen Feuerbach ge- 
schrieben) und Huet, mit Philosophen, wie Lelbnitz, einen 
ungleichen - Kampf zu bestehen gehabt. Die mechanische 
seelenlose Naturbetrachtung des ^rte8iu|, die Wunderhypo* 
thesen seiner Schüler waren an der ^atur zu Schanden ge* 
worden und er konnte mit seiner Kahlheit an Politik und 
Moral keinem Denkenden, geschweige einem Philosophen, 
gefallen. Erst später hat man ihn zum Vater 4er neuen 
Philosophie hinaufgeschraubt, obgleich Leibnitz „den Kopf 
tqU eigener Gedanken, gehabt,, als er zur Lesung^ des Des- 



— 250 — 

cartes käin,<^' Wolf Kant, Hegel keine Spur seines Einflusses 
zeigen, Locke und Hume eine entgegengesetzte Richtung 
nehmen, Cartesius bei Lebzeiten in Deutschland wehige und 
wenig bedeutende Anhänger und in Holland und Frankreich 
. mehr Verbesserer, als Schüler fand; obgleich die Skepsis 
des Cartesius keinen Vergleich mit der der Akademie, sein 
Spiritualism keinen mit dem Piatons, seine Logik keinen 
mit der aristotelischen, seine Natuil>etrachtung keinen mit 
der paracelsischen, seine Theologie keinen mit der Böhmes 
aushSlt eto. Der Umstand, dafs er mit dem Erkenntnifs- 
problem begann, spricht nicht zu Gunsten jener Erhebung, 
denn man hat die Gegensätze von Sein und Bewufstsein zur 
Zeit der nominalistischen Streitigkeiten längst hervorgeho- 
ben, und bei Cartesius gewinnen diese Anfänge mit dem 
Zweifel ein kindisches Ansehen, weil das Erkenntnifsprob- 
lem nur dann ein ernstes Ansehen gewinnt, wenn es ent- 
weder von Sensualisten und Skeptikern, wie Locke und 
Hume, auf jede Gefahr des Resultats hin aufgenommen,' 
oder mit der Gründlichkeit eines Leibnitz und Kant ge- 
pflegt, und nicht zum Spiegelgefecht vorgeschoben wird, 
.Ohne Zweifel hat das Gefühl hievon den Spinoza, welchen 
man zu einer Consequenz des Cartesius gemacht, von einem 
solchen Anfang abgehalten, als < er seinen aus ganz andern . 
•Regionen geholten Gedanken des Monismus ausspann. Kurz 
'der Binflufs des Cartesius auf Spinoza, wie auf Deutsch* . 
land überhaupt, und damit auf den Mittelpunkt der moder- 
nen Philosophie, beschränkt sich darauf, dafs er zur Oppo- 
sition, d« h, zur Aussprache nicht seiner, sondern der ent* 
gegen gesetzten eignen Gedanken herausforderte« 

Der Cartesianism verlor seine letzte Stütze mit der Zer^ 
Störung von Port- Royal. 

Ileuchlin, Geecfa, v.^ort- Royal, Hamb. 1839 f.; StefPens über 
Pascal in den .na^jelas^enen ScbriAen; Cousin, De Penseet 
de Pascal; Yinet, <]ßtude8 sur Bl. Pascal, Par, 184S; Arnauld, 
Oeuvres philosophiques par JourdaiQ> ib, iS45 ; Neander, übef 
Pascals Pens. Berl* 1847, 

Im i8. J. ragen Condillac und Bonnet hervor, wel- 
che unter die französische Schule Lfocke's tind unter die 
Oogmatiker gestellt vv^erden« Weben ihnen erscheinen die 



— »1 — 

Matemlisien die la Mettrie und Helretius, der Natura- 
list Rousseau, der Atheist und VerCasser de« Systeme de 
la Nature (Lond« 1770 IL), der gleichfalls an Locke «ad 
Newton sich anschliefsende Encyclopädist Voltaire, die 
zwei besseren und gröfseren, näm|ich „der Deutscheste un- 
ter den Franzosen^^ Diderot und d*AIembert, und Alles, 
was unter dem weiten Mantel des Naturalism und Sensua- 
lism zu bergen ist, wie Saint-Lambert t i8o3 (Catechis- 
me univcrsel 1798, deutsch, Leipz. 1799 III.)? Condorcet 
t 1794 (Biographie par Arago 1842), Garat t i833, Vol- 
ney t 1820 (Ouvres Paris i83G; La loi naturelle ou cate- 
chisme du citoyen Franc. 1793, deutsch ßerl. 1794), Tracy- 
t i836 (Elemens d' Ideologie 1801, ed. IV« 1824; Principes 
xlogiques 1807; Schilderung Tracys v. Mignet in des letz- 
tern histor, Schriften übers« v. Stolz). CabanJs, geK 1757, 
t, 1808, ein Freund Condillac's und Condorcet^s (Rapports 
du physique et du moral de 1* homme i8i5. 1843 JI, Oeuv- 
re« 1823 sq. V.) suchte erst spät (Lettres a IVL F. sur les 
causes premiers, Par. 1824) für den Gedanken zu streiten, 
dafs* das Lebensprincipv oder Ich, auch nach dem Aufhören 
der Lebensbewegungen noch wahrscheinlich dauern könne« 
Wie er gesagt „die Gedanken ^sind Secretion des Gefairns,^^ . 
80 hatte Condillaö gesagt: penser T est sentir. Dies waren 
die herrschenden Ansichten in der Societe populaire et re- 
publicaine des artes, welche an die Stelle der alten Akade* 
mie getreten war, und dann im Institut de France« Lockes 
Empirismus war bis auf die Spitze, den Materialism, getrie^ 
beo worden. Was in England kein denkender Kopf wagte, 
das wurde in Frankreich ohne Rückhält ausgesprochen. Ganz 
Frankreich hatte sich umgekehrt. Die religiösen, die staat- 
lichen und sittlichen Zustände waren unter einem schlechten 
Adel, Hof und Priesterstaode so heraj^ekommen, dafs jede 
Opposition als Philosophie von den BlW|(n begrüfst und ge-. 
priesen ward, dafs man das Paradoxeste bis zum ^Atheismus, 
dem Gegebenen rorzog. Bei dieser radicalei^Verneinung des 
-Geschichtlichen erklärt sich ron selbst, wie man genöthigt 
war, bei der Natur und endlich bei der Materie zu halten. 
Der Mensch wird^ wenn er die Geschichte im Grimme als 
Verdorbenes binwegschleudert, stets hier, als dem Ruher 



— «5» — 

pmikle, als der ersehnten Befriedigung, als dem Unl&ug- 
iMiren, anlangen. Religiöse Ausnahmen bilden in dieser Pe- 
riode Paurenargues, St. Martin, Vernet und einige Andre; 
politische Sieyes, Condorcet (Ueber St. Martin, den Ver- 
ehrer Böhmes, kann die Biographie ron Gence 1824 und 
Schickedanz in Martins nachgelassenen Werken, Münst..i833, 
und Vamhagen nachgelesen werden)« 

Nachdem die Zustände sich geändert und jenes Gewit« 
ter der Revolution die Liuft gereinigt hatte, lenkte auch die 
Philosophie ein. Den Grunds^ug bildete das Aufsuchen nach 
brauchbaren Elementen. Und nach der Verscliiedenheit die- 
ser lassen sich drei wesentlich • eklektische Richtungen uoh 
terscheiden« • Einige betrachteten vorzugsweise die fremde 
Philosophie als Erneuerungsquelle, so die an die Schotten, 
oder Deutschen, oder Alten sich Anlehnenden; Andre die 
Natur; wieder Andre die Reügiod« 

Unter die erste Blasse gehören Laromigui^re, Royer 
Collard, Jouffroy, als erste Schottenfreunde; Viilars, 
die Stael, Benjamin Constant und viele Andre,^ weiche 
zuerst die neuere deutsche Philosophie einzubürgern such- 
ten; Maine de Biran, Degerando, Cousin, Damf- 
ron (Essai sur T histoire de la philosophie en France au 
XIX« siecle, Paris i8a8 und öfter; Psychologie, ib. i83i ; 
Morale, ib. i854; Essai sur T histoire de la philosophie en 
France au XVII; siecle, ib. 1846 sq.; Cours de philosophie 
IV vol.)» Tissot, der Werke von Ritter und Kant über- 
setzte, Bentz, Barohou de Penhoen, der Uebersetzer 
Fichtes, Jourdain, Mazure, Mallet, Garnier (Criti- 
que de la pilosophie de Thom. Rdid; La Psychologie et la 
Phrenologie oomparees), Poret, Barthelemy Saint-*Hi- 
laire, der i858 ei{ie' Schrift über die Logik des Aristo- 
teles gab, die aristotelische Logik, Politik und Psychologie 
übersetzte* und coc^&eiitirte, R a v a i s s o n, der gleichfalls 
die Metaphysik des Aristoteles vornahm (1837 — i^^X 
Pierron und Zevort, welche filr aristotelische. Mat- 
ter, Jul. Simon und Vacherot, welche för neuplato- 
nische, RemUsat, Taillandier und Rousselot, wel^ 
che für mittelalterliche Philosophie thätig waren, ferner 



^ 251 -^ 

Bo ullier, der Ucberseizer Fichtes, J» L. E. Lermi« 
nier (Etudes d' histoire et de philosophi^ ; Philosophie du 
droit i85i ; Lettres philosophiques i835 gegen Cousin; la- 
fluence de la philosophie du XVII; siecle sur la legislation 
et la sociahilite du XIX« i833), der Savigny benützte, Bar^ 
tholmefs, Javary (De la certitude 1847), 0*^ Schön, 
Fraiik, Willm (Histoire de la philosoph. Allemande de- 
puis Kant jusqu*a Hegel, Par. 1846 sq.) und Andre, die zum 
Theil dem deutschen Elsasse angehören. 

Alle bekennen sich mehr oder minder zu dem, was man 
jetzt in Frankreich die eklektische Schule nenpt, und aU 
dereiA Haupt Cousin betrachtet wird; bei allen bilden die 
Gewinnung neuer psychologischer Grundsätze und der Kampf 
gegen die ältere Psychologie — wobei die Betonung des 
Ich, moi, für den Deutschen, der es nie zu rerlieren in Ge- 
fahr war, ein befremdendes Ansehen hat — einen hervor- 
stechenden Punkt, wie die nachfolgenden Bemerkungen über 
Einzelne zeigen. Ein Vorläufer dieser Schule war Moine 
de Biran, geb. zu Bergerac 17ÖÖ, f 1824- Seine Pliilosophie 
hat drei Perioden durchgemacht und ist die Abspiegelung 
seines innern Lebens, In der ersten, wo er sein memoire 
8«r r Habitude schrieb, schliefst er sich an Bacon, Locken 
Gondillac an. In der zweiten der moralischen Sclbsteinkehr 
schrieb er seine DecomposiEion de la pensi^e (iUo5}, sein 
Essai sur les fondements de la psychologie. Von dieser 
Periode gilt bis auf einen gewissen Grad, was Cousin in 
den Worten sagt: „Das erste Verdienst dieser Lehre ist 
ihre unbestreitbare Originalität. Von allen meinen Lehrern 
aus T*rankreich ist Biran, wenn nicht vielleicht der gröfste, 
doch sicher der originellste* Laromiguiere setzt mit Mo- 
dificationen Condiilac fort. Royer- Collard stammt aus der 
schottischen Schule. Ich stamme zugleich aus der schotti- 
schen und deutschen Schule. M. d. Biran allein verdankt 
seine Philosophie sich selbst und seinem eignen ^ilachden- 
ken.^^ j^r brach mit Ci^ndillac schon vor 1811, wo Royer- 
Collard und Laromiguiere auftauchten* Diesen Bruch zeigt' 
hßi Biran die Spaltung in ein bewufstes aclives Jt^lement, 
die Sensation, den efibrt, imd in ein unbewufstes, blindes, 



— »4 ~ 

passive», die Afiection; in die Psychologie und Moral and 
in die Physiologie nnd Physik. JNur för die Afiection, Phy- 
siologie und Physik liefs er die Lehre der Sensualisten gel- 
ten» Kurz die Duplioität der gewöhnlichen moralischen Re- 
flexion brach bei ihm. durch (Simplex in ritalitate, duplex 
in humanitate), die sich nothwendig auf den Willen wer- 
fen mufs (im Willen besteht bei B. das Ich), insofern' die- 
ser sich von dem sinnlichen Verlangen unterscheidet. Er 
bekam vier Systeme: das Systeme afiectif, oder den anima- 
lischen Zustand, das Systeme sensitif, oder den «Zustand 
der Kindheit, das Systeme perceptif, den Zustand des Ein- 
greifens in die Objecte, das Systeme reflexif, den Zustand 
des Eingreifens in sich selbst« Er gieng hiebei von dem 
Gefühle, als dem Beweisenden, aus. In der dritten Epoche 
steht er unter dem Einflüsse der religiösen Reaction dieses: 
Jahrhunderts, verkehrt mit dem Berner Stapfer, der zu Bern 
und Göttingen sich gebildet, wo Bouter.wek gelehrt* 
Der efibrt jbE Bedlnguiig^ der eensiblen Perceptionen und 
intelligenten Bcg^riHe^ macht diese aber nicht* Woher kom- 
men sie also? Von Gott, dessen Einflufs der Mensch un« 
terstellt i^t, mit dem er sich vereinigen kann, wenn ^t 
will. Die vier Systeme verwandeln ^ich in drei: das anima-* 
lische Leben, das meiischllche Leben und das geistige Le** 
ben, von welchen das erste dem s. afiectif, das zweite den 
drei andern, das drille dem Wechselverhältnifs mit der 
Gottheit entspricht^ 

Einige Werke Birans gab Cousin heraus (Oeuvr. philos. de M. de 
B. Paris I84i IV), einige stehen in der Biblioth^que univer- 
selle de Geneve mars 1845 ^- mars 1846. Ueber ihn handel- 
ten : J. Simon in der Revue des deux mondes 184l. 15. nov. ; 
Bamiron im betreffenden Geschichtswerke; ein art. im diction- 
naire des sciences philos.) 

Laromigui^re wurde unj 1766 geboren und starb 
1837. In seinem Hauptwerke, den Le^ons de philosophie sur 
les principes de V intelligence ou sur les causes et sur les 
origines des idees i8i5, ed. VI. 1844, giebt er seine Auf- 
gabe schon im Titel an : nämlich die Untersuchung der See- 
lenkräfte und ihrer Ergebnisse. Die ersten bringt er unter 
folgende Kategorieen: 



attention comp^raison raison nement detir preference liberte 

entendement , ■ . volonte 

' ' pcnnce. 

Die attention, weiche er an die Stelle der Sensation des 
Condillac setzte, giebt Einzelnideen. Einzelne Verbindun- 
gen der letztern geben die comparaison, zusammengesetzte, 
cbmplexe Vergleichungen und Verhältnisse das Raisonne- 
ment. Die Vereinigung aller ist hier der Verstand« Die 
zweite Reihe entspringt aus dem Glückseligjkd tsverlangen* 
Die preference richtet sich auf einen Punkt, die Freiheit 
erscheint als mit üeberlegung gepaarter Vorzug. 

Bei der Frage über den Ursprung der Ideen findet er 
den einzigen Factor Condillac's Äie senstation und die zwei 
liOckes,*die Sensation und reflexion, ungenügend, weil diese 
nicht die Quellen der Verhältnifs - «nd moralischen Begriffe 
sein könntet. Er nimmt vier an: d^is sentiment - Sensation, 
das sentiment de V action des facultes de V ^me, das senti*. 
ment de rapport und das sentiment moral, von welchen 
eines, oder zwei oder drei zusammen die entsprechenden 
Ideen erzeugen, 

Ueber L. handelten: Victor Coüsin und M, d. Biratij Le'^ons de 
Philosophie jugees, Far. i Biit ; MalJet in tn'nem Compte rendit 
des seanccs et travaiix de 1' afatUm. d. sc. inOi\ ei pol it. 

Der von Rixner bereits genannte Degerando, über 
welchen Cousin (Fragments pliilosophj) iil*c1i gelesen wer- 
den kann, erblickte zu Lyon 177a zum ersten IVlale das Licht 
der Welt und starb, als Pair, mit Ehren und Aemtern ge- 
schmückt, 1842. Auch er war zuerst Anhänger Condillac's 
und rerliefs nachher dessen Schule. Aufser seiner Ge- 
schichte der Philosophie, welche verbessert 1847 erschien, 
ist von ihm eine Schrift du perfectionnement moral et de 
r education de soi-meme (1826) zu nennen. Er hat der 
gegenwärtigen Richtung Vorschub geleistet, ohne iur sich 
bedeutend zu sein. ^ ' 

Dagegen ist Theodor Simon Jouffroy, geb. 1796, gest, 
1843, Ton gröfserem Gewicht. Er hat bei Lebzeiten eine 
Reihe von Vorlesungen, melanges philosophiques, eine Üe- 
bersetzung der Esquisses de philosophie morale des .Dugald 



— »» — 

Stewart, eine Uebersetzniig der^Werlic Heids (avec des firag- 
ments de IVf. Royer - Collavd et une introduction) veröffent- 
licht. . Nach aeinem Tode erschienen : Un nouveau recueii 
de melanges philosophiques, Par« 1843; Un cours d' esteti- 
que, ib. 1843* Die Schotten, Kant, Royer- CoUard, L^k^o- 
niiguiere, ßiran, Cousin haben auf ihn stark gewirkt* Mit 
den letztern Hand in Hand hat er den Kampf gegen die 
Sensualisten und Physiologisten zum Hauptaugenmerk ge- 
macht. Er kam dabei auf iolgende Seelenkräfte : 1) die 
primitiven Neigungen, die Liebe zur Macht, das Verlangen 
nach Kenntnifs, die Liebe zu uns Aehnlichen, oder .die Sym- 
pathie; 2) die Sensibilität, oder die Fähigkeit bei jenen 
Freude oder Leiden zu empfinden; 3) die Intelligenz, welche 
-theils die Vermögen der Beobachtung, des Selbstbewufst- 
seins, die Perception der aufsern Sinne, d. h. Vermögen, 
welche zufallige Erkenntnisse gewährten, theils die Vernunft 
umschliefst, welche die noth wendigen Erkenntnisse ver-> 
Bchaflft; Zj) das Vermögen des Ausdrucks; 5) das Vermöge«! 
der Bewegt! rig'j (j) den Willen, Gegen die Physiologisten 
führte er an 1 dafa der Mensch sich als Eins und identisch 
wisse, also nicht die vielfältige Gclnrnmaterie sein könne ; 
dafs die Erfahrungen der Physiologisten über die Verbin- 
dung zwischen dem Hirn und dem Bewufstsein sich eben 
so gut durch die Annahme erklären liefsen, dafs das Hirn 
blos eine vermittelnde Holle zwischen den Aussendingen und 
dem wollenden, intelligenten und sensiblen Prinzip spiele; 
dafs das von den Physiologisten gebrauchte Wort „Organ" 
anzeige, dafs ein Unterschied stattfinde zwischen dem ma- 
teriellen Mittel und der Kraft, der es dient; dafs die Mul« 
kein und Nerven nicht fühlten, also kein Grund vorbauen 
sei, wefshalb das Gehirn fühlen solle; dafs endlich keine 
Krankheit des Gehirns den Willen lähme, was zur Hypo- 
these nicht passe, dafs das Hirn die Seele selbst sei« Man 
sieht, dafs diese Widerlegung eine sehr schlechte ist« Zu 
demselben Zwecke, der Widerlegung machte er in den Nou- 
veaux Melanges philosophiques die Legitimite de la distinc- 
tion de la psychologie et de la physiologie geltend« Er 
unterschied im Menschen hier zwei Sachen : die Materie tind. 
das Leben. Das Leben erscheint ihm als Ursache des Kör- 

' pcrs. 



— 25T — 

pers, odet der Agregation der Molecnlen« ' Im Leben aber 
tinterscheidet er wieder, weil wir nicht bei Allem mit dem 
Ich, dem Willen, dem Bewufstsein wären, Ewei Quellen 2 
das psychologische und das physiologische Prinzip. Als 
Moralprinzip stellt Joußroy die allgemeine Ordnung hin» 
Eine Apologie des Uebels findet er darin, dafs es für uns 
ein Hindernifs, dieses aber die Quelle der Freiheit und Per- 
sönlichkeit sei» 

Die gröfste Allseitigkeit hat unstreitig Cousin«, Es er« 
schienen von ihm Ausgaben des Proklos 1820 f., des Car- 
tesius 1824 f.) des Abälard i856, eine Uebersetzung Pia- 
tons 1822 f., des Carte siua 1824, des Teirnemannschen Hand- 
buches i83i, Fragmens plißlosopfa. 1826 sq. Nouveaux frag- 
* mens 1829 sq., ein Cours d* histoire de la philosophie mo« 
derne 181 5, 1828, eine Philosophie populaire 1848 u. A. 
Er hat sich das Ziel gesetzt, den deutschen Idealism und 
englischen Empirism vor den Richterstuhl des bon sens 
francais zu laden und ihnen gegenseitige Anerkennung und 
Verbindung au f^unöthigen. Er betracJitet die Philosophie, 
als bon sens Cgcsuiaden Verstand} intprrogö avcc profondeur. 
Als Grundlage der Philosophie ersclipinen ihm die Ideen, 
insofern sie Manifestationen der absoluten Substaifz, der 
Vernunft an sich sind, die dem Subject gegenüber als Herrr 
sehendes, Hypostaairtes, in dasselbe Eingehendes gesetzt 
wird. Das Ich steht zwischen der Sensibilität und allgCt 
meinen Wahrheit, von beiden durch Freiheit und Person-: 
lichkeit geschieden. Platonislch ist seine Ideenlehre, an La» 
romiguiere erinnert seine Entgegensetzung der Activität und 
Passivität, an Collard seine Unterscheidung der Erfahrung 
und Vernunft, an Biran seine Hinausschaffung der ^Sensi- 
bilität aus dem Körper, seine Versetzung des Ichs, der Ac- 
tivität, in den Willen etc. (Ueber ihn handelten u» A» Be- 
neke, die neue Psychologie S. 272; Fuchs, die Philosophie 
V» Cousins, Berl. iBl^j^^ Eine verwandte Verschmelzung 
zeigt sich idann natürlich auch bei allen Anhängern. Boul- 
Her in seiher theorie de la raison impersonelle (Par. 1844) 
subsumirt die Ideen der Ursache, des Raumes, der Zeit, 
der Ordnung, Güte, Schönheit unter die Unendlichkeit; fol- 
gert aus dem Besitze der Idee der Unendlichkeit auf unser 
Oumpoich, Dr. V. F., Geschichte d. Philosophie. 17 



— 258 — 

unendliches unkörperliclies Wesen, weil das Endliche das, 
Unendliche nicht fassen könne — wobei wir an Deskartes 
erinnert werden -— und schliefslich auf die Immanenz Got- 
tes — wobei wir uns an die Identität des Denkenden und 
Gedachten bei Hegel und Aristoteies zu erinnern haben. 

Zur zweiten Klasse von Denkern, auf welche jetzt über- 
gegangen werden mufs, gehören die sogenannten Physio- 
logisten und Physiker, wie Broussais geb. 1772, f i858 (De 
r irritatijon et de la folie, Par. 1828. 1839), Magendie (Pre- 
eis element. de physiologie 1816 ed. IV. i836, deutsch y. 
Heusinger, Eisenach i834 u« Elsässer, Tüb. i834; Legons sur 
les phenomenes physiques de la yie i834) deutsch y. Baswitz 
Köln 1837 ^* ^* Behrend i856), August Comte (Philosophie 
positive 1839 sq.) u. A. Schon der Umstand, dafs unter den 
Genannten Aerzte sind, weist uns darauf, dafs diese ganze 
Strömung genau mit dem aiten und neuen Naturstudium zu- 
sammenhängt. Die Entdeckungen der pneumatischen Che-^ 
mie, der Galyanism hatten aufs Neue zur Behauptung ge- 
neigt gemacht, dafs die Physiologie ein Theil der Physik, das 
lebende Wesen den Gesetzen der Materie unterworfen sei. 
Dagegen traten die Vitaiisten, besonders am Anfange un- 
sres Jahrhunderts, auf, so Sauvages, Barthez, welcher das 
Lebensprincip als Ur^che vieler Erscheinungen betrachtete, 
welche Andere von chemischen, mechanischen, seelischen 
Einwirkungen herleiteten, und dabei das Lebensprincip^ den 
Körper und die denkende Seele aus einander zu halten ge- , 
neigt war, femer Bichat, Richerand, Chaussier, Pinel, Bor- 
den etc. Ueber dasselbe Princip schrieben nun Cabanis, 
Legallois, Virey etc* Dazu kam der physiologische Sturm 
von Bfroussais, kamen die Bewegungen in der Physiogno* 
mik und Phrenologie, welche ron Broussais, Vimont, An- 
dral, Cloquet, Bouiliand, Sanson, Voisin etc« lebhafte Un- 
terstützung fanden* Broussais war auch hier wieder ron 
bedeuteiAem Einflüsse. Als Arzt hatte er nur die Organe 
studirt, als Philosoph sah er wieder nur Organe in dem 
physisch- chemisch -biotifiken Afiparate, den man, nach sei* 
ner Definition, Mensch nennt. Höher als bis zum ame cer- 
veau verstieg sich seine Philosophie nicht; denn jenseits 
desselben liefs sich nichts seziren, nichts mit den Händen 



^ 259 -^ 

greifen, nichts wahrnehmen. Aneh Magendie (Lehrb. der 
Physiologie übers, v« Hofacker 1826 etc.) hält die geistigen 
Thätigkeiten für Actiönen des Gehirns, die Erscheinungen 
der Intelligenz für Modificatlonen des Empfindens etc. 
Broussais führt uns endlich auch noch auf ein andres filr 
die Philosophie bedeutendes Gebiet, auf die Psychiatrie» 
Nachdem im i8* Jahrbundert Camus (Medecine de V Esprit 
Paris 17^) und Dufour die Entstehung und Heilung der 
Verstandes * Krankheiten rom mechanisch -materialistischen 
Standpunkt betrachtet, nachdem Pinel und Esquirol die 6e* 
deutung der Frage gesteigert hatten, so dafs alle Physio- 
logen^ wie Bichat, Brodie, Flourens, derselbe ihr besondere 
Achtung geschenkt, stürmte Broussais vom materialistischen 
Standpunkte auch hier gegen Pinel los (Isensee Gesch. der 
Medicin IL 629 £ 34ö. 623. inSg. 1268. 1267* 1275. 1284). 
Fünf oder sechs Monate vor seinem Tode schrieb er ßxt 
seine Freunde auf ein Blatt t Des que )e sus par la chirur« 
gie, que du pus accumulä k la surface du cerveau detruit 
nos facultes, et que V evacuation de ce pus leur permet de 
reparaitre, je ne fus plus maltre de les conceroir autrement 
que comme des actes d*un cerveau rivantÜ Mignet schrieb 
ihm das eloge* 

Die genannte Klasse französischer Denker, welche man 
yielleicht am passendsten Naturalisten nennen kann^ sind 
nicht so scharf von der vorhergehenden geschieden, als man 
vielleicht vermuthen sollte. Die Eklektiker haben di§ Phy-> 
siologen nicht unberücksichtigt gelassen« Aufserdem ver^ 
bindet sie der Empirism, als Aufgreifen des Gegebenen^ die 
GeCiingenschaft im Stoffe, sei dieser nun ein sinnenfalliger, 
oder nicht* Die Geschichte der Philosophie kennt nur wie* 
nige schöpferische selbstständige Naturen, wenige Zeiten, 
wo man sich so weit ethob, wie Aristoteles oder Kant, und 
Erzeugnisse lieferte, welche in völliger Unabhängigkeit über 
der Zeit und dem Stoffe schweben und darum in jeder Zeit, 
verfafst sein könnten. Diese Bedingtheit ist nun aber der 
dritten Klasse französischer Denker noch mehr eigen, zu 
welcher wir jetzt kommen, der religiösen* Auch sie sind 
Empiristen, an den Tag gefesselt» Wenn Lamennais de« 
mokratisch gegen die Vemup^ wie gegen die Fürsten 

17* 



^ im ^ 

iiRffte (über ihn handelte« in' neuerer Zeit Segretain ,;Cxpo- 
sition de la doctrine de Lamennais, Parid 1843,'^ Gioberti 
il. AO; Veno-' Maistre die«^ alle dem Papste unterordnen 
möchte etc«, so ist die Philosophie hier nur Taglöhnerin^ 
der Tagesgrillen. Uebrigens war die religiöse Fraction ein 
durch die Extreme im 18. Jahrhunderte hervorgerufener 
Gegendruck, um das Gleichgewicht herzustellen* Dem Ex- 
trem der Negation mufste das der Position folgen. Auch 
in Deutschland folgten auf einen Bahrdt etc. ein Fr. BiiR* 
der, Günther, Pabst, Windischmann (welcher de Maistre'd 
Abendstunden commentirte)^ ein Fr. Schlegel, Görres u. A. 
Der Unterschied ist nur der, dafs ersteres Extrem mehr 
aus dem Herzen des französischen Volkes emporwuchs und 
darum auch das zweite im Herzen Wurzel schlug, während* 
dies in Deutschland nicht so der Fall war, weil der Deut- 
gehe Ton Natur Anhänger subjeotiver Freiheit^ d. h. Prote- 
stant ist und sein Humor nicht so Uicht und damit für den^ 
Gegensatz der Leichtigkeit, nach dem Gesetze der Extreme,- 
nicht so empfanglich ist. 

Zur dritten Klasse, an der die ; Geschichtlichen, diet 
Eklektiker, Combinisten^ zum Theil einen schweren Feind* 
haben, wie aus den Anfeindungen der Schule Cousins^ 
voii der katholischen Geistlichkeit erhellt, und aus der 
Maistre, Lamennais, Bonald, Bautain, Maret Lacordaire auehr 
als Skeptiker aufgeführt werden, im Sinne wie die Nomi- 
nalistea älterer Zeit, ein Hirnhaim etc» Skeptiker waren/ 
gehören: Föürieristen, Simonisten, Gommunist'en 
(S. die Blätter: Le Prodücteur; L' Organisateuri Le Globe^ 
Doctrine de St« Simon Par. i83i; Exposition de la doctrine' 
ib. 1833 ; Lecheralier, Region SiBioft-Simonienne, ib. i83ij 
Oeurres compl. p. Olinde -Rodrigues, ib. i832; die Bewe^ 
gung des Socialism und Humanism (die rationale Fraction)^ 
unsrer Tage, Repertörium der Literatur, Bautz. 1848), fer* 
ner der ron Windischmann in der Uebersetzung der Abend- 
stunden eingeführte Maistre gehl ^753, f iSai, über welr 
chen Sainte-Beuve in der Revue des deux mondes t. Ilf« 
i3« annee handelte und dessen Werke 1821 — i836 erschie- 
nen; Lamennais, der die Könige Kinder dea Tefufela, 
Blutsäufer nannte, den christlichen Communism predigte etc. 



-- J61 — 

(Essai 6ür T indiSerence eii matiefe de religion i8i>^; Pe- 
fense de T essai 1821; De la religion consideree dans ses 
rapports avec T ordre polifeique et civil i8a6; Les progres 
de la revolution 18^9; Paroles d' un croyant i855; Affaires 
de Rome i85.6; Le liyre du peuple i838; Esquisse d' une 
Phik)soph* ä84o sq. IV. Vgl, Querard, notjee bibliographi- 
xpie des ouvrages de M. d« L« de ieurs refutations, de lenrs 
•apologies et des biographies de cet ecrivain, P^ar. 1849); 
Bonald) geb. zu Monna lySS, t 1840, der^ wie der vorher- 
gehende, der sogenannten Congregation der ultramontanen 
Partei angehörte und von der Sprache ausgehend (1' homme 
pense sa parole avant de parier sa pensee) das Gehege der 
Tradition zu Gunsten der Kirche und der Legitimität mögr 
•liehst hoch aufzuführen suchte (Theorie .du pouvoir social 
1796 Pan i843; Melanges lilter. polit. et philos, 1819; De- 
monstration philosophique du principe constituif de la so- 
etete, i83q etc.); Frayssinous, geb, 1765, f >84i (De- 
fense de Cbristianism, Par. i8<^ II>^ Bautain (Lamorale 
4e r Evangile comparee a la morale de philosophes 1827; 
De. r engeignement de la pbilosophie en France au XIX sie- 
de, Strassb, i833 ; Philosophie du Christianisme, ib. i835^ 
Psychologie experimentale, ib. 1839; Philosophie morale, 
db* 1343 Brux. 1848) u. A. Endlich sind auch hier einzu- 
reihen : Ballanche f >846 (Palingenesie sociale Paris 1827 
sq. IV Oeuvr. i833 sqO Buchez (Eissai d'un traite de pbi- 
losophie du point de vue du Catholicisme et du progres^ 
Par. i838 sq,), Ant, Blano Saint- Bonnet (De P unite spi- 
jituelle ou de la societe et de son but au dela du temps, 
Par, 1841). 

Der Zusammenhaag aller ^ei Richtungen mit der vOr 
rigen Periode ist unverkennbar. Die alte Vorliebe f^r Ba- 

' COS und Newton'» und Condillac's, für die ngiathematisch- 
pbysikalische Richtung, verbindet die Physiologen mit der 
firühem Zeit. Comte z« B> betrachtet die fonctions affectir 
ves et intellectuelles als Erzeugnisse der ganglions cere- 
btanx* Die eklektische Schule will zwar die Ergebnisse ei- 

, jies Voltaire und CondiHaQ. ergänzen, berichtigen, ja au£. 
heben, aber sie ist doch die el^e rationalistische Schule ge- 
blieben, welche auch deji Kampf gegen den Klerus wieder 



da aufnabm, wo ihn die Encyolop&disten haben fallen las- 
ten. [Tnd sie hat dieselbe Eigenthümlichkeit der encyclo- 
pädistischen, eines CondiUac, Voltaire etc., nichts Eigen* 
thümliches zn haben, sondern nnr Fremdes zu Teraiiieiten 
und dem bon sens mundgerecht zu machen« Sie hängt mit 
Cartesius durch den individualen Psychcdogism zusammen 
etc. Femer ladet der ältere Mystizism, Jansenism, Katbo* 
lizism eines Pascal, Bossuet, Malebranche etc. TOn selbA zu 
Parallelen mit Bonald, Frayssinous, Maistre etc. . ein. Es 
existirt zwischen der passiven Vernunft eines Malebranche 
und der von der Ofienbarung, Ueberiieferung, Inspiration^ 
Extase erfüllten Vernunft der theologischen Schule des 19, 
Jahrhunderts eigentlich gar hein Unterschied, ron den Re-p 
traotationen und den Verbindungen mit andern Richtungen 
aicht^zu reden. Denn Lamennais hat z. B. in seinem Ea- 
iquisse das Prinzip der allgemeinen Uebereinstimmung und 
der Tradition aufgegeben, um bei der Vernunft anzulangen^ 
Und nimmt mit der eklektischen Schule die drei jSieefen- 
vermögen der Activitat, Sensibilität, Intelligenz, die fizistenai 
leiner allgemeinen absoluten Vernunft und das Theilhaben 
aller Dinge an Gott ^n etc, 

Aufser den drei angeführten Klassen könnte man auch 
noch eine rierte radicale der Zukunft aufstellen« Als ihr 
Vorzüglichster Repräsentant erschiene P. Leroux (Essai 
sur r Egalite; Refutation de T Eclecticisme ; DeT humanite 
de aon principe et de son avenir, Par. i845; Sept discoura 
iBur la Situation de la societ^ de V esprit humain) eine ei^ 
«entrisohe, rielleicht aber an Talent alle seine Fachgenos- 
sen überragende Natur, welcher die Philosophie als Lehre 
des Fortschrittes betrachtet. Aus den bereits Genannten 
könnte man ihr Buchez, dann deik Fortaetzer des Systeme 
de la nature Ch« Lemaire (Initiation ä la philosphie de la 
liberte, Par. i84fi sq.)f Cornot, Reynaud etc. beigeben. Sie 
erinnern noch lebhafter an die Zeit des contrat social und 
der Encyclopädie« 

Der allgemeine Fortschritt im Vergleich zur interüatio« 
nalen christlichen Philosophie muTs hier, wie bei der engv « 
lisohen und deutschen Philosophie, in der gröftern Herab* 
Stimmung und Auflösung der religiös • subjectiven Span» 



— 21» — 

nung durch die Trennung jdes Weltlichen, und in dem deut- 
licheren Heraustreten der Wurzel aller wahren Weltlich- 
keit, des Nationalen, gefunden werden, welches unter dem 
hierarchischen Universalismus gebunden erschienen^ so dafs 
weder der deutsche Realism und systematische Uniyersalism 
(Hugo, Albert), noch das Französische allseitig - encyclopä- 
^ische, leichte nnd geistvolle Spiel mit speziell Gefafstem 
(Abälard), noch der englische Nominalism und Naturalism 
(Occam^ Baco) sich völlig hatten ausleben können. In der 
Gegenwart ist der Historism der eklektischen Schule die 
glänzendste Seite« 

Die Hilfsmittel beim Studium der französischen Philo- 
«ophie sind bereits unter den Schriften Cousin's, Damirons 
etc« aufgeführt« 

Italiener« 

Wer mit den italienischen Philosophen des 15. Jahr- 
-hunderts (Picinus, Picus etc.), denen des 16. Jahrhunderts 
<Zorzi, Pomponatius, Cardanus, Patritius Telesius, Bruno 
etc.). und denen des 17. Jahrhunderts (Cäsalpinus, Vanini, 
'Cremonini, Campanella, Fordella, Galilei, Th. Cornelio etc.) 
nur einigermassen bekannt ist, weifs, dafs bei ihnen der 
-Kabbalismus und arabische Aristotelism neben dem Neu- 
platonism der Neugriechen die treibenden Gewalten sind, 
obgleich sich bei Bruno auch schon der deutsch -mystische 
Gang, bei Fardella der französisch- mystische des Malebrau- 
che, und bei Galilei das Experiment geltend gemacht. Das 
18. Jahrhundert mit seinen Moralisten (Gravina, Muratori), 
meinen Politikern (Beocaria, Füangieri) folgte dem liberal- 
politisohen Zuge Frankreichs nnd nebenher lief die experi- 
mental- naturphilosophische Richtung, wie in Boscovich geb. 
1711 t ^7^7) ^c ebenso an Leibnitz, wie Dugald Stewart 
Bn ihn erinnert (D. Stewart essais ph« trad. p. Huret, Pa- 
ris 1838. p. 157). Bei alfen bisherigen zeigt sich im Gan- 
ien dem Volkscharakter gemäfs mehr Form als Gehalt, mehr 
Einbildungskraft als Energie und Consequenz des Denkens, 
mehr Logik als Moral, mehr Physik als Metaphysik, bei 
weitem mehr Pantheism als.Skeptizism, ein mehr weibliches 
als männliches Verhältnifs zu andern Nationen, und dann 
wieder mehr Benützung der Franzosen, als der Engländer, 



— »4 — 

oder gar der Deutschen; im Ganzen mehr phantasierende 
Reproducdon, als denkende Prodaction, Die Sache ist auch 
im 19. Jahriiundert sich gleich geblieben. In diesem a^hrie- 
ben Ermenegildo Pino (Protologia) ; C* Baldinotti (Ten- 
tamina metaphysica) ; Talia (Saggio di estetica); F. Ma- 
miani (Rinnoramento della filosofia antica italiana i834; 
Pialoghi di scienza prima 1846; Dell' On^logia e del Me<;^ 
todo 1841 ; Mario Pagano ovrero della ' Immortalita iS4^ ; 
Lettere a Rosmini i838, welche alle zu Paris er^hieiieii 
sind), Poli (Saggio d' un Corso di Filosofia, Milano 1828), 
Tommaseo (Studii Filosofici .i84o), Salr.Manpiao (Elor 
menti di Filosofia 1841), G* Sandona (Della Filosofila mo- 
rale 1847), S>a* Pestallozi (Elementi di Filosofia i847>} 
femer Romagnosi (Che cosa 6 la mente sfina, Milano 
18^7; Della suprema economia deir nmano «apere in rela* 
zione alla mente sana 1828; Beneke in den Brgänzungsblatt« 
der allg. Literaturz. i834 Nr. 58 f.), Galuppi (Saggio ülo- 
sofico sulla critica della conoscenza o sia analisi distinta del 
pensiero umano, Napoli 1819 VI tom«; Lezioni di Logica, 
e di Metafisica, Firenze 1841 III.; Lettere filosofiche su le 
yieehde della filosofia relativamente a principj delle conos^ 
eenze umane da Cartesio sino a Rant inclusivamente, Mes- 
sina 1827; Beneke a* a. O. Jahrg. i833 Nn i4; Elementi 
di filosofia 1821 sq. V tom.; Beneke a. a. O» Nr. 71 f«), Gio- 
j a (Idealogia, Milano 182a sq« II tom. ; Beneke a« a. O« 
Jahrg. 1835 Nr. 81 f ); Rosmeni-Serbati (Nuoyo sag- 
gio suir origine delle idee), Gioberti (Del sorrannaturei ; 
introduzione allo studio della philosophia i84t; Primato ci- 
▼ile e morale degV Italiani; Prolegomenes ; Del Bello e del 
Buono i8Z|5; Degli Errori Filosofici di Antonio Rosmiiu 
1841 ; J Gesuiti moderni, deutsch v. Comet, Leipz. 1848; 
Lettre sur les dootriiies de Lamennais, Brux« i843; die in's 
Deutsche übersetzten Grundstüge der Ethiky Mainz 1849 etc» 
Opere Brux. 1844)5 Defendente Saohi (Storia della' filoso- 
fia greca, Pavia 1818), Martini (Storia della Filosofia^ 
Torino 1839) eto. 

Nach den Vorbildern, die sie sich hiebei wählen (Coq- 
dillac, Degerando, Cousin, die Schotten Reid, D. Stewart, 
Th« Brown etc.), fällt denn auch das Resultalt aus (Beneke, 



die neue FsychoL S. agS). Das Sensualistiache sohlägt aach 
bei denjenigen vor, welche man (wie Rosmini) den Expe- 
rime#alen (Galuppi etc») entgegenzusetzen geneigt war. 
Für ihre eigene ältere und die französische Literatur haben 
sie weit mehr Neigung, als für andre, und insbesondere (ur 
eine gründliche und unmittelbare Auffassung des Deutschen, 
obgleich Einiges auch für das Studium der deutschen Phi- 
losophie geschehen ist. So erschien Matthias Manuale di 
filosofia Lugano 1829 übersetzt; Der gröfsere Theil det 
klerikalischen Lehrer nimmt zur deutschen Wissenschaft un* 
gefahr dieselbe Stellung ein, welche die Lazaristen in Hei- 
delberg einst zu Kant eingenommen, die aus Kahts N^meii 
einen, Hundenamen machten. Selbst die wei(ergebildeten 
geben sich die gröfsten Blösen, wie in Ansehung Perrone's 
die jStreitschriften der Anhänger von Hermes zeigen. Die 
glänzenderen Tage hat die italienische Philosophie erlebt, 
als Tom Alterthume aus Männer, wie Valla, die Logik auf- 
zubessern, Ficinus seinen Piaton zu restauriren suchte, oder 
Giardano Bruno, Campanella, vom Natürlichen aus, ihre 
Gebäude aufzuführen suchten, obgleich auch diese nicht 
originell sind, da z. 6. Bruno stark von Nicol. v. Cues ent- 
lehnte (Clemens). Es wird dem Italiener, vermöge seiner 
dem Maashalten nicht sehr günstigen Natur und der volks- 
thümlichen, eine stete Spannung hervorrufenden gänzlichen 
Zerrissenheit, schwer, zu rein wissenschaftlicher, organi^ 
scher und klarer Stellung vorzudringen« Ein Beispiel ha- 
ben wir gleich an Gioberti, der im Primate erst den Papst 
zum Centrum der politischen Einheit machen will, die Für- 
sten und Jesuiten beräuchert, einige Monate nachher (i^ 
den Einleitungen) sein Lob, wie seinen Gedanken dämpft, 
xmi endlich in den Jesuiten lang und breit schmäht, was 
er vorher erhoben -^^ auch hierin dem Lamennais ähnlich. 
Die Geschichte des Volkes ist die Geschichte der Philoso* 
phie bei den Italienern wie bei den Franzosen. Und für 
die Philosophie im Allgemeinen hat die italienische eben die 
Bedeutung, welche die italienischen Staaten seit 400 Jahren 
fvir die Politik Europas haben. 

Für die Literatur dieser Philosophie ist Manches geschehen. Ue- 
ber G. Bruno schriebea: Stefffios in den nachgclask. Schrif- 



-- SM — 

leo, Berl. 184T; Le(bxi9iiii io 9. Nachlaß, Berl. 1837 B. III«; 
Falkson, G, Bruno, Hamb. 1846; Bartbolinefs, J, Br. Paris 
1846; Clemens, J. Bruno u. Nicol. t. Cues, Bonn 1847; Car- 
ri^re, die philosophiache Weltanschauung der Reforinationszeit, 
Stuttg. 1849 S. 365. Um Herausgabe seiner Werke bemühten 
sich Ad. Wagner (Opere Lips. lB*i9 sq. II), Gfrorer (Br. 
scripta quae latine confecit, Stuttg. 1834 sq. II), Bartholiuefs 
(Paris 1847). Ueber Campanella schrieb Baldacchini, vita 
e filosofia di C. Nap. 1840; seine poesie filosofiche gab Orelli 
Lug. 1834 heraus. Die opere von Vico erschienen MiUno 1836 
sq. VI, Becearias Werk dei delitti et delle pene, das durch 
Bestreitung der Rechtmäfsigkeit der Todesstrafe und Tortur 
eine Revolution auf d^m Gebiete .des Criminalrechts beförderte 
und von Bergk schon 1798 in^s Deutsche übersetzt worden ist, 
wurde Milano 18^1, Filangieiris Scien^^ della legislazione cb, 
u. Livorno 1816 VI, neu aufgelegt. Das letztere Werk, wel- 
ches unter Anderm auch den Geschwornengerichten das Wort 
redet, und wegen seiner Freisinnigkeit noch XBIl, von B. Con- 
stant in*s Französischo übersetzt wurde, erschien in deutscher 
Uebersetzung von Itink, Ansbach 1784 f. VIII. Beide Schrif« 
ten hat man überschätzt. Die Werke von Cardinal Gerdll (geb, 
1718, f 18Q2) erschienen in Auswahl 1836, 

Ilngländer. 
Morell (An historical aud critical view of ihe specula-* 
tire philosQpliy of fiurope In the nineteenth Century, Lond. 
1847 II) tlieilt die Richtungen seiner vaterlänjdischen Philo- 
so pliie in eine Idealis tische, sensualistische, skeptische und 
mystische« 

I In die ersie Klasse der Idißalisten gehören nach ihm aus 
der altern Zeit Cherbury, Gumberland, Cudworth, 
Shaftesbury, Wollaston, Sam. Cllirke, Joh. Butler 
(Werke, Loftd. 1846), Berkeley (Werke, Lond* 1837), 
Clollier, R. Price, James Harris; ferner die altem 
Schotten; Hutcheson, Ad. Smith, Heid, Beattie, Os^ 
wald, Ferguson* Aus dem 19, Jahrhundert werden hier 
eingereiht: Brown geb. 1778, f 1820 (l^ecturea on the phi- 
iosophy bf the human mind 1820, ed. XIH ^dinb^ 184a; 
Biographie von Welsh, Edinb. 1825 ; BeurtheiU r^ Hamil* 
ton im Her. Edinb, i83q, franz. bei Peisse, fragments de 
Philosophie, Par. 1840 ; Beneke ia der neuen Psychologie), 



- «67 — 

Yonng (Lectures on the intelleotual philosophy, Glasgow 
i835, nach seinem Tode herausgegeben), Ballantyne (An 
Examination of the Human Mind 1828), John AB er crom- 
bie (Inquiries conoerning the Intellectual powers, Edinb. 
i83o, vgl. Beneke in der allg* Literatur^eit. i83i Nr. iSof«; 
The philosophy of the Moral Feelings i833 VIII. ed. 1849), 
Mackintosb geb. 1765, t '833 (Worka 1846 III, worunter 
unter Anderm die ron Poret i834 auch in's Französische 
{übersetzte, und mit Vorwort v. Whewell wieder i836 her- 
ausgegebene Gesch. der Moral sich befindet; Memoirs of 
the iife of the M. by MiU, Lpnd. i835), Dugald Stewart 
geb. 1755, t ^828 (Clements of the Philosophy of the Hu- 
man Mind 1792—1837 III, in's Französische übersetzt r. 
Prevost 1808, Far*y 1825 ; Outlines of Moral Philosophy 
1795, übers, v. Jouffroy 1826; Philosophical Essays 1810, 
übers, r. Huret 1828; Preliminary Dissertation on the Pro- 
grefs of Metaphygical Ethical and Political Philosophy über^. 
Y. Büchon 1820; Philosoj^y of the Active and Moral Pbr 
wers of Man 1828 übers, t. Simon i834), W. Hamilton; 
{ierner die schottisch - englischen Metaphysiker G. Payne 
(Elements of Mental and Morftl ßcience 1828), 1». Taylor 
(Elements of Thought; Outhines of Menial and Moral Sci- 
ence, Dubl. 1846 eto.)j Smart (Beginnings of a New School 
of Metaphysics; Sematology or the Doctnne of Signs), 
Whewell (Philosophy of the inductiVe sciences, London 
1840, eine Logik)} endlich die deutsch ^engUscfaen Ideali- 
sten Carlyle (Monteque Th. C« sa vie et se$ ecrits in der 
Rerue des deux mondes 1849 p. 278) und die Verfassor der 
amall books on great subjects. 

Unter die Sensualisten gehören aus den vorhergehen« 
den Jahrhunderten: Baco (Opera Lond« 1825 sq. XVI mit 
Biographie v. B. Montagy; Paris i834 f« die philosoph. 
Werke; NoTum organ. Lips. 1837, ^* ^ÖSg^ deutsöh r. Brück, 
eb. i83o: Biogr, *yon de Vauzelles, Paris i833), Hobbes 
(Works ib, 1839 XII), J.- Locke (Original Lettres of Lo- 
cke A. Sidney and L. Shafteabury n. A. 1848), Cojlins, 
Dodwell^ ManderiU, Hartley, Pristley, Darwin, 
Tooke, Abr. Tucker; aus dem 19, Jahrhunderte: die 
Metaphysikier Jamea MiH (Analysia of thi^ human mind, 



^ «08 -^ 

LoncU 1899, Tgl. Beneke in der allg. X*iteTaiarzeit« 1837 ^^* 
145 fOi John Stuart Mi 11 (A System of Logik Ratiocina- 
tive and Inductir 1843), Lewes {Biographical History of 
Phtlosophy, Lond« 1846); die Moralphilosophen Pale y (l'riu- 
ciples of Moral and Political Ph^losophy lyßS), BenthaHi 
1 1832 (Introduction on Goremment 1776; Introdnctioa to 
the Principles of Moral and Legislation 1789; Code Con- 
stitution, i83o sq. Deontologie ]833; JoufTroy droit natnrel 
t. II. le^. i4; Beneke in der üebertrag. v« B. Grundsätzen^ 
BerL i83o u. in der allg. Literaturz. ]835 Nr. 193), God- 
^in (Political Justice 1793), Belsham (Elements of the 
Philosophy of the Human Mind and of Morality 1801]^ 
Bray (Philosophy of I^ecessity 1841). Die letztern drei l>e- 
trachtet Morell als objective sensational ethics, die rorher- 
gehenden drei als subjective sensational ethics« Bndtich sind 
dieser Klasse auch Viele von den Sozialisten und Physio- 
gnomisten und Phrenölögen beizuzählen, an welchen Eng- 
land reich ist, ohne dafs die Ergebnisse grofa n^äreir. So 
kommt z. B. G. Combe (System of Phrenology, Edinb. 
1836, deutseh v. Hirschfeld, Braunschw. i838) über Spuw^ 
heim nicht hinauf. Einer der bedeutenderen und neueren 
ist G. Moore (Man and his Motives 2. ed. 1849)* 

In die dritte Klasse der Skeptiker fallen aus früherer 
Zeit Glanwill, Hume. Jetzjt ist sie fast gar nicht ver^ 
treten, obgleich sich da und dort noch die Lust Zeigte, diese 
Richtung gegen die Schotten ?u vertreten, so bei Brown, 
den das Studium, Hum^s und Kants gegen die Gedanken^ 
erweichuug der schottischen Schule schützte« '' 

Um so stärker war von jeher die Klasse der Mystiker 
vertreten, in früherer Zeit mit Fludd, H. More, Th. Gale^ 
Pordage, im 19. Jahrhunderte mit Coleridge (Aids :td 
Reflectionj The Friend), Th. Taylor, Graves f 1844 
(Thoughts on Spiritual Culture etc. vgl« Barhams Aliam]^ 
Sewell (Christian Morals* Lond« ?84o), Wardlaw (Mo- 
ral Philosophy on the Principles of I>iviae Hevclation^ ib« 
i834) etc. 

Die englische Nation ist in Zahlen und Gewic^bte ein- 
gewickelt« Der Zug ist im Ganzen ein empiriseher, bei 



— 269 — 

Einzelnen ein egoistischen Die höchste Spitee deä philo- 
sophischen Egoismus ist die Skepsis. Diese Hegt der Ap« 
pellation eines Baco, Newton an die Erfahrung, ihrer For- 
derung der Geltendmachung der subjectiven Wahrnehmung, 
ihrem Zeifei an dem Ueberlieferten, ihrer geringen Ach- 
tung ror altern speculativen Gröfsen eben so zu (jr runde, 
wie einem Hume* In der Skepsis, im Subjectivism lie^t' 
der Glanzpunkt der Philosophie. Der nothwendige Beglei- 
ter hievon ist aber jeder Zeit der Sensualism» Auch er 
hat in Locke einen bedeutenden Vertreter gefunden« Die 
l«*ortführung, die Potenzirung^ dieser Richtungen hat in neue^ 
rer Zeit gestockt» Die schottische Schute machte es sich 
z^r Aufgabe, den Skeptizism und Senaiialism zu bekämpfen, 
und wurde in diesem Kampfe die Lehrerin Prankreichs* 
Aber man kaip aus der nationalen Enge nicht heraus. Der 
philosophische Egoism erschien als Seelenklauberei, als ein* 
tönige Se.lbstbewufslseinstheorie, welche in ewigen Variatio.. 
nen abgespielt wird, als empirische Analyse und Erfahrungs- 
reflexion bei Stewart so gut, als bei J, Mill, Whewell etc. 
Man kann nicht umhin, bei diesem steten Beobachten der 
Seelenerscheinungen, bei diesem Klassifizireii und Ein^egi- 
sirireu. Zerlegen und Zusammenfassen an das harte Urtheil' 
ron Schleiermacher über Garve, den Schotten unter uns,: 
zu denken* Es ist als eine Reaction gegen dieses ewige 
Zerlegen anzusehen, wenn Brown die Fesseln der Schottin 
sieben Schule sprengt, Reids Aufstellung eines speziellen 
Vermögens für Auffassung der Aufsendinge und eines spe- 
ziellen Vermögens für Auffassung der innern Vorgänge etc. 
verwirft, nur äufsere Zustände (sinnliche Wahrnehmungen) 
und innere Zustände (intellectuale und moralische Erschei- 
nungen) gelten lassen will und dann bei den intellectualen 
SiBßcheinungen nur zwei Aestungen (das Vermögen in Ein- 
bildung, Gedächtnifs etc. abwesende Gegenstände zu repro-» 
dueiren und das Vermögen in Unheil, Schlufs, Abstractioa 
und Generalisirung das Verhältnifs der Ideen zu fassen) an* 
^ nimmt, endlich die moralischen Bewegungen auf immediitte, 
zurück- und vorwärtsgerichtete zurückführt. Defsgleichen 
ist die Abneigung gegen die tieferen Aufgaben der Onto^ 
logie geMieben, welche als Hypothesen beseitigt werden 



— »0 — 

(Stewart) und die hieraus entspringende Leichtfertigheit in 
Behandlung der Geschichte. Die Geschichte der Mortd- 
philosophie von Mackintosh weifs z. B«^ rom Aiterthume, 
Mittelalter, den Deutschen, ja sep>st. von Ferguson^ Reid, 
Stewart etc. fast nichts zu sagen ; Stewarts Geschichte der 
Metaphysik rerdient nicht einmal einen Tadel ; die history 
of the philosophy of mind von Blakey Lond« 1848 I\r ist 
durch Ritters Anzeige in den Götting. gel. Anz. 1849 St. 
97 f. gezeichnet etc* Endlich widert uns das Nationale aueh 
bei den Moralisten an. Mackintosh z. B. redet von der 
Nützlichkeit als Maasstab der Moralität* Diese Nützlichkeit 
soll mit dem Gewissen und der Sympathie übereinstimmen« 
Per Gehorsam gegen das Gewissen soll nicht aus Reflexion, 
sondern aus dem Vergnügen eines guten Gewissens fliefsen, 
durch Sympathie und Glückseligkeits - Verlangen unterstützt 
werden etc. Der Nutzen, die möglichst gröfste Summe des 
Angenehmen und ihöglichst- kleinste des Uebeln, spielt eine 
Hauptrolle bei Bentham, Mill^ Paley etc. 

Niederländer. 
Um die niederländischen Denker haben sich drei Rieh« 
tungen gestritten: die klassische der Schule, die franzö- 
sisch '- englische und die deutsche. Die Richtung eines HeU 
mont (J. J* Loos, B. van Hclmpnts System, Frankf. 1840) 
und Spinoza blieb isolirt. Die klassische Richtung in älte- 
rer Zeit durch Is.- Vofs, Heinsius, Grotius, Lipsius^ 
in neuerer Zeit durch Hemsterhuis, Wyttenbaoh, 
ran Heusde, Borger etc, vertreten. 

Heinsterhuis ist noch immer Gegenstand lebhafter Besprechung 
und Nächeiferung in Holland. M« Ottema gab %B*17 seine Com" 
mentatio: 9,quaenam fuerinit in tractanda philofophia Fr. Hern- 
sierhuisii meriu^^ heraus; van de Weyer 1825 seine Beurthei- 
lung „Coup - d^ oeil sur la phiLosopHiie d^ H^nsterhuis^' und 1806 
eine Ausg. von H. Werken; eine Kritik lieferte ferner Gruyer 
(Meditations critiques ou examens approfondis des plusieurs 
doctrines sur Y home et sur dieu 1847), der sich auch durch 
andre Schriften (EiSais philosophiques 1831; Tablettes philo- 
sophiques i«42; De causes conditioneiles et productrices des 
Idees ou de T enseignement naturet des proprietes et des pheno- 
nifines de Tarne 1S44; Principes de philosophie phyaique 1845; 



— 271 — 

vgl. Tissots observations critiques); zwei nicbt hetausgegebene 
Fragmente stehea bei Halbettsma (Etudes philosophiqueii et hi- 
Btoriques)» 

Wyttenbach, der 18^0 verrtoAenc Verfasser der noch Halle 
1821 aufgelegten „Prftecej^ta philosophiae logicae 1782," dessen 
opuscula zu Leyd. 1821 u. ku Braunschw. 1825 erschienen, 
fand einen Biographen an Mohne (Vita W. Lugd. B. 1823). 

Van Heusde, der 1803 — 1839 Professor zu Utrecht war, 
schrieb „De Socratische School," welche 1834 erschien und in 
einer 1840 zum zweitenmale aufgelegten Uebers. bei uns ein- 
gebürgert wurde; ferner ,,Briefe über das Studium der Philo- 
sophie, insonderheit in unserem Vaterlande und in unserer Zeit 
1837;^^ endlich ,,Initia philosophiae Platonicae 1831/^ Eine 
Denkschrift auf ihn verfafste Kist (Memoria H. Lugd. B. 1839). 

Borger liefs eine disputaUo de mysticismo (Harl. 1819. Hag. 
C. 1820) drucken. 

Diese Klasse ron Denkern ist jetzt mehr oder minder 
abgeneigt gegen wirkliche speculatiye Tiefe* Roorda hat 
in seinem Aufsatre über den gegenwärtigen Zustand der 
Philosophie in den Niederlanden (.Fichtes Zeitschr. 1843 S. 
i5i) ihre Richtung gezeichnet. Ihre Hauptmerkmale sind 
die Betrachtung der Philosophie als eines sittlich- inteüec- 
tualen Bildungsmittels für die Schule, und ein fortwähren- 
des Dringen auf Einfachheit, gesunden Verstand, religiösen 
Sinn, populäre Gemeinverständlichkeit. Sie gleichen gewis- 
sen deutschen Philologen, welche mit etwas platonischem 
Naschwerke im Grofsvaterstuhle sitzen gebliehen sind und 
die Welt mit einer Aesthetik, oder sonst einem monumen- 
tum aere perennius beglücken. Sie haben weit mehr Ver- 
wandtschaft zur französischen Eklektik (wie Heusde zu Cou. 
8in}, als zur deutschen Philosophie, oder auch zu eignen 
Landsleuten, welche, wie Hemert gegen Wyttenbach, zu 
kämpfen hatten und müssen es 'sich gefallen lassen, wenn 
man ^ ihnen (wie Nieuwenhuis) erklärt, dafs sie nicht auf 
der Höhe des 19. Jahrh. stehen. 

Zur zweiten Klasse gehören diejenigen, welche ron 
Cartesius (Qeulinx), von Baco, Locke (Gravesande), 
von der eklektischen Schule ausgehen etc. Unter die^e ge- 
hörten in neuerer Zeit ran Meenen (Lettre ä M. Hau- 



mont Brux. 1818 1840; Sti^st. morale in den mimoir, de 
r acad. de Belgique 1848), der Bekäinpfer des Sensualism 
Gibon (Fragmens philosoph. i856; Cours de philosophie 
1842), Reiffenberg (De la direction actuellement neces- 
saire aux etudes philosoph. 1828; Eclecticisme ou premier 
principe de philosophie generale 1828; Principes de Logi- 
qne i833), Queteiet (Du System social et des lois qui le 
reg^ssent Par* 1848) etc. 

Zur dritten Klasse, die an der schweren deutschen Spra- 
che, der freien deutschen Kritik, die dem holländischen re- 
monstranti'schen Consenratism und dem belgischen Klerus 
nicht mundet, mächtige Hindernisse hat, gehörten, um die 
früheren Einflüsse von Leibnitz und Wolf auf Luzac u. A. 
nicht zu erwähnen, in neuerer Zeit Hemer t, der Anhänger 
von Kant und Fichte (Epistolae ad Wyttenb, Amst. 1809 
etc.) Nieuwenhuis, der i833 initia philosophiae theoreti- 
cae, 1841 eine Schrift über Form und Inhalt der Philo- 
sophie, u. A. herausgab, worin die Adoptirung ron Hermes 
erscheint; le Roy mit seinem „Versuch zur Beantwortung 
der Frage, welchen Nutzen kann die empirische allgemeine 
Sprachkunde der höheren Philosophie bringen," in der Denk- 
«ehr. des niederL Instituts i85o; Kinker (Essai d' une ex- 
Position succinte de la critique de la raison pure, AmsU 
1791; Briveen von Sojphie 1797; Briveen over het Natur- 
recht etc.)» Bakker (Ueber die deutsche Philosophie seit 
den letzten' 5o Jahren i834)) Greuve, der für Hegel 
schrieb, die Bewunderer Krause's, auf die wir unten kom<- 
men etc. 

Neben diesen drei Klassen erscheint protestantischer wie 
katholischer Seits eine religionsphilosophische Partei, die 
mit ähnlichen Erscheinungen Deutschlands, Frankreichs und 
Englands parallel läuft. Hieher gehören z. B. de Merode 
und de Beauffort (De V esprit de vie et de V esprit de mort 
i833), Ubaghs. Hieher auch Hofstede de Groot (Institutio- 
nes theologiae naturalis, Gron* 1839). 

Diese Religionsphilosopliie, bemerkt Roorda a. a. O. mit Bezug 
auf William Palez^s Natural Theology und die Bridge water- 
treatises, liegt nicht auf den Oretizen der Theologie und der 

apecnlativen 



- «4 - 

specnlattren Philosophie} in dttin Sinne, worin diese Benennung 
jetzt in Bentscbland gilt, sondern die .Theologie und der pbilo- 
sophia naturalis, d. h. der Natnrlehre, oder empirischen Natnr« 
Wissenschaften, und kann eine solche empirische Wissenschaft 
. nur da sein, wo die gabze Philosophie noch nichts weiter ist, 
als der LockcWhe Empirismus, oder die sogenannte Philosophie ' 
des common s^se/* 

Nordamerikaner. 

Aus Nordamerika verlautete bisher wenig von Philo^ 
Sophie, obgleich viele Namen genannt werden und mehrere 
bedeutenden Einflufs erlangt haben in England wie in der 
Heimath, so der 1703 geborne J. Edwards (Works, Lond« 
i834). Unter die jüngsten gehören: Th. C. Upham (Ele^ 
ments of Mental Philosophy, New-York i843), Schmucker 
(Psychology, ib. i844) wahrscheinlich ein Deutscher, wie 
F. A. Rauch (Psychology i855), Tappan (Elements of 
Logik) New* York 1844)) L. A* Sawyer (Criticai Exposi« 
tion of Mental Philosophy Newhaven iSSg), Emerson u. 
A. Vieles ist Ausfiufs der englischen Schule. Nebenher 
erinnert uns eine starke Strömung an die deutsche Popular- 
philosophie und die französischen Encyclopädiöten dds vori^ 
gen Jahrhunderts und den gegenwärtigen Rückschlag die- 
ser Periode, so Emersons „Essays two series; Nature an 
essay; Lectures on the Times,^^ über welche Lafaurie in 
Noacks Jahrb« 1848 S» a65 berichtete. 

„Die Einen, sagt Lafantie, S« 11 6f idealisiren, übertfinchen bloi 
das Yeraltete und Kranke ; die Andern tagen sich plötzlich von 
aller Atttotität los und erbäten sich für die indi|riduelle Frei- 
heit, ohne vorher die Autorität mit BeWufstsein Überwunden, 
oder das Verhältnirs des Indindumbs zur Gesammtheit kritisch 
festgestellt zu haben« Zu den letztem geh5rt jetfist in Amerika 
Emerson, in Frankreich Qninet, in Deutschland Max Stimer, 
dem „„nichts über sich geht/^^' Was sie Gemeinsames ha- 

^ ben, ist nicht blos die Begeisterung für individuelle Freiheit^ 
für die Spontaneität des Ichs, sondern zugleich die willkärliehe 
Loslösung des Ichs oder des Einzelnen vom Universum/^ 

Von den zwei Parällelisirteft schrieb Q^uinet eine in^s Deut- 
sche übersetaite Schrift Über das Leben Jesu von Straufs (Holz- 
mind. 1839} u. du genie des religions (Paris 1842) etc., Max 
Ournpotch« Dr. V. F., Geschichte d« Philosophie* ^ 18 



— 274 — 

Stirfter thtt eine Scbrift gegen Feaerbach ^^Det Einzige und 
sein EigenthtiDi, Leipx. 1845/^ welche Feuerbacha Streben 
nach Freiheit von der Tradition tu überflügeln sucht. 

Dänen* 
Von den danischen Philosophen gehören Steffens 
t 1845 (Polemische Blätter zur Beförderui|g der speculativ. 
Physik, Bresl* i835; Die ohristl. Religionsphilosophie 1859; 
Was ich erlebte 1840 f. Naohlafs mit Vorwort ron ScheU 
ling) und Berger f ]83& (Leh. B« v. Ratjen, Altona i855) 
noch immer unter die bedeutendsten. Neben ihnen werden 
als Anhänger Hegels Heiberg, als Aesthetiker und Reli- 
' gionsphilosoph Sibbern, als Moralisten Kierkegaard 
und P*G*Brommer etc. genannt* Treschow f ^833 fiihrie, 
wie TOrher Chr. Hornemann, seinen Landsleuten Kant vor 
CForelaesninger orer den Kantiske Philosophie 1798 f.), 
Schrieb eine Anthropologie, Logik u» A.; Sibbern verfafste 
eine Psychologie (1828), eine Logik (1827. 3. A. i835), 
eine Schrift über Poesie und Kunst (i834) u. A.; Heiberg 
gab 1824 eine Schrift über menschliche Freiheit, i833 eine 
andere über die Bedeutung der Philosophie für die Gegen^. 
wart etc.j Martensen eine Moral; Nielsen eine Logik, 

Schweden. 
Die Schweden haben sich nach und nach an Ramus, 
Cartesius, Wolf, Kant, Hegel, Schelling, Locke etc. ge- 
macht« Die neuere Richtung beginnt mit Rydeliust 1708. 
Auf ihn folgten: Ehrensrärd, geb. 1^46 f 1800 (De fria 
Konstern, philosophie, Stockh., 1782 etc. Werke Strängnäs 
181a u. i8if), Thorild, der wegen seiner philosophischen 
Ansichten unter Karl Xlll. des Landes verwiesen wui^ -, 
(Dissertatio de causis cur in invidiam adducta sit Metaphf^^"^- 
sica 1787; Systema theologicum humanitatis i8o3; Systema 
juridicum humanitatis etc. Werke Upsala 1819; Biographie 
T. Geijer eb« 1820), Boethius f 1810, ein Kantianer (An- 
visning tili Sedeläran säsom Vetenskap, Upsal. 1607; De idea 
philosophiae Ups. 1800; De praecipuis philosophiae epochis, 
Lund. 1800X ^^^ Schellingianer Hoijer f 1812, dessen 
Werke 1836 f. erschienen, nachdem einzeln „Afhandlingar 
Stockh« 1796; D^ssertationes academicae de fundamentis cog* 



~ «75 — 

nitionis empiiicae, de reflexione, de operalioBibiis intelleo« 
|Q8 eto. Upf. i8ia etc/' herausgekomnieii, endlich .Rose na 
stein t »834, Biberg, geb. 177^^ t iSay, AUerbör% 
Gxubbe, Snellmann, der Hegel einführte, Afzelius 
CHegeiska Philosophien; vgl. Jahrb. für wissensohafU. Kri- 
tik 1845 Nr. 70) u. A* Schon die angefthrten latein, Bü- 
chertitel weisen darauf hin, dafs diese Philosophie, wie die 
Torhergehende, noch bis in diß jüngßte Zeit mit der Sprache 
ihres Landes tu kämpfen hatte* Das Gedächtnifs Sweden-» 
borgs ist in Deutschland besonders durch Tafel aufgefrischt 
worden, welcher Tub* i8S5 eine Ausgabe,, ib* 1844 IJeber- 
setzungen» Sivedenbor^s und endlich 1^9 eine Sammlmig 
T. Urkunden betr. d. heb. Swedenborgs reröffentlichte* 

Polen. 

In Polen gab Jankowsky schon iS^d eine Logik in 
polnischer Sprache heraus. Aufser dem Hantianer Sza- 
niewski und d^m Schellingianer Gulochowski werden 
dort auch die Hegelianer Gieszkowski und Trentowski 
genannt. 

Russen. 

In Hufsland ist fast nur Boden fUr Natur •* tmd Sprach*- 
philosophie vorhanden. An die Aufklärungsrichtung des 
Hofes im vorigen Jahrhundert schlofsen sich an: Nik. Po- 
pofskj, welcher Loches Werk über Erziehung in*s Russi-» 
sehe übertrug und 1766 über Nutzen und Einflufs der Phi« 
losophie schrieb; M. Katachenofsk)) Wassilj Sergefe* 
witsch Podschiwaloff, von dem eine Psychologie (1789) 
da ist; Iwan Martunoff, der Uebersetzer Rousseaus, und 
Longins. Sp&ter schrieb Schischkoff seine Untersuch« 
ungen füber die Sprache (1826), Hedroff eine Naturphilo- 
sophie. Aufserdem werden Sidonski vu A. aufgeführt. 

Ungarn. 

In Ungarn schrieb schon i653 und i65Ö Tsere tine 
Logik und Encyclopädie in der Landessprache. ' Aber die 
Schule blieb lateinisch» In neuerer Zeit hat sich die natio« 
D^e und politische Schwingung in dem paradoxen Sprach- 

18* • 



— 276 — 

Philosophen Ho rv 4t h, in dem Politiker Szechenyiu. A« 
manifestirL Am stärksten ist, wie bei jedem jugendlichen 
Anfange, die praktische Aesthetik vertreten. 

Böhmen. 
Dasselbe ist ron Böhmen zu sagen, wo Marek^ Pa- 
lacky, Schaffarik u» A« schrieben« 

Spanien 
In Spanien ist bis auf die Gegenwart die philosophische 
Literatur nicht ausgegangen. Unter die jüngsten Erschei- 
nungen gehören: AI. Tassoni (La Religion demonstrada 
y defendida 1847) ^^^ Theodore de Almeida (Elementes 
de Filosofia 1847). 



Die nationale deutsche Philoeophie seit 14O0. 
Richtungen und Schulen. 

Diese letzte Epoche erfüllt theils der Versuch, Glan« 
ben und Philosophie noch mehr zu trennen, die alte Kluft 
zu, erweitem, theils das Bestreben, beide Gebiete zu ver- 
einigen, wobei der Glaube in dieselbe Unterordnung kommt, 
in welcher einst die Philosophie gestanden, theils endlich 
das Bestreben, den Ausfall zu decken, welcher durch das 
Zurücktreten des Glaubens entstanden war* 

Bei dem letztem Bestreben boten sich die Natur und 
die Geschichte der Philosophie als Hilfsquellen. 

Zur Geschichte der alten Philosophie nahmen ihre Zu- 
flucht : Hi A^ricola, Keuchlin, Melanchthon, Sj^ri« 
gel, Camerarius, Degen, Scherb, Timpler, Pico^rt, 
Conring, Jak. Thoinas'ius, Zeidler., Dreier, Plac- 
üiuSt Ernesti etc. Und noch in neuester Zeit wird man 
bei sehr bedeutenden Gestalten das Studium der Alten als 
Haupt factor erkennen, so bei Schleiermacher, Trend- 
clenburg« 

Eine Biographie Agricolai erschien von Tresling, Gron. 1830; 
eine Reuchlint von Mayerhoff, Berl.. 1830^ womit man F5ra|e- 
mann in Hcn Bert Jahrb. is32 S. 913, Frank in der Kabbala 



— ^ 177 — 

vergleichen kann; eine Biogr. Melanchthons v« Galle/ Halle 
1840, und Matthet, AU, I84l; eine Schilderung Strigels v. Otto 
(De V. Str. Jen. 1843), 

Die Geschichte der neuerh Philosophie ist vorschlagen- 
der Factor bei: Chr. Thomasius, Wolf, Baumgarten, 
Kant, Fichte, Herbart f i84i, Fries f i843, ron dem 
nach Rixners Erscheinung eine Geschichte der Philosophie, 
eine Rechtsphilosophie etc, erschienen, welchen Herbart den 
repressiven Kantianer, im Gegensatze zu Reinhold, als dem 
progressiven^ genannt, W. Tr. Krug f 1843, Krause f i832, 
Wagner ^1841, Hegel f i83i etc. obgleich sie auch den 
Blick auf den Glauben, die Natur, die Alten heften und 
insofern Combinisten lieifsen können. 

Ucbcf Friea lianddte Apelt in den Epochen der Gesch. der 
Menschb. 11. Krugs Werke erschienen Braunschnr. 1830 f. 
XII, seine Selbstbiographie „Lebensreise in sechs Stationen^^ 
Leipz. 1842. Von Wagner erschien 1836 das Organen der 
menschl. Erkenntni(b nnd Ph. L. Adam' und Kolle gaben seine 
kleinen Schriften und endlich Lebensnachriehten und Briefe 
(Ulm 1849) heraus. Aus den letztern sehen wir, dafs er zwi- 
schen exoterischer und esoterischer Lehre unterschied (S. 316^. 
Nach der letztem betrachtete er Gott als die svbjective Seite 
des Alls und dieses als die objective Seite Gottes, den Lebens- 
prozefs als Spiel beider, was zur zeitlichen und rSumlichen 
Punktation, oder Individuation fSthre. In den Individaen wie- 
derhole sich dieses Spiel. So zerfalle das Selbstbewufstsein des 
Ganzen in Momente, die, sich wechselweise ergänzend, das 
Totalbe wufstsein, das allein Unsterbliche, wiedergäben. Von 
Fichtes, Hegels, Schleiermachers und Krauses Schriften sind 
Gesammtausgabeo tbeib begonnen, theils vollendet. 

Fichtes Werke, 

I. Rezension äes Aenesidemus 1794; Ueber den Begriff der Wis- 
senschaftsldirc oder der sogenannten PhiJosopUie 1794 ^ Grund- 
lage der gesammten Wissenschaftslehrc 17 »4; Grundrifs der 
gesammten Wissenschaftslehre 1794 mit Rede über die Würde 
des Menschen; Erste Einleitung in die WiiaenHcIraftsMire 1797- 
Versuch einer neuen Darstellung der WisBcnachaftslehre 1797. 
il. Darstellung der Wissenschaftslehre a. d. J. isot^ Di« Be^ 
Stimmung des Menschen 18OO; Sonnenklarer Bericht über das 
Wesen der neuesten Philosophie 1801; VergleiDhung des von 



~ W8 — 

H. Vt Schmld anfgeitelhen Sjrstems mit der \fisten«c1ia{ts- 
lehr« 1795; Annalen des philoiophischen Tons 1797; Recen- 
sion von Bardilis Grundrifs der ersten Logik 1800; Antwort« 
schreiben an H» Pc Reinhold 1801; Die Thatsacben des Be- 
Wufstseins 1810; Die Wissenscbaftslebre in ihrem allgemeinen 
Umrisse 1810. III. Grundlage des Naturrechts nach Princrpien 
der Wissenschaftslehre 1796 ; Der geschlossene Handelsstaat 1800« 
IV. System der Sittenlehre nach den Principien der Wissen- 
sch'afWehre 1798; Die Staatslehre oder über das Verhältnifs 
des Urstaates zom Yermmftreiche, in Yorlesnngen 1813; Rede 
an seine Zuhörer am 19. Februar 1813. Y, Kritik alltr Offen- 
barungen 1791; Ueber den Grund unsres Glaubens an eine 
gottliche Weltregierung; Appellation an das Publicum 1799; 
Gerichtliche Yerantvrortungsschrift der Herausgeber des philo- 
soph. Journals 1799; Aus einem Privatschreiben; Die Anwei- 
sung SU einem seligen Leben oder die Religionslehre 1806, 
YI. Znruckforderung der Denkfreiheit 1793 ; Beiträge ^ur Berich- 
tigung der Urtheile über die Franz, Revolut. 1793 ; YorlesungCn 
über die Bestimmung des Gelehrten 1794 { Yorlesungen über 
das Wesen dea Gel, 1806. YH, Die Gruadzüge des gegenwär- 
tigen Zeitalters 1804; Reden an die deutsche Nation 1808; 
Anhang su den Reden an die deutsche Nation 1806; Bruch- 
stücke «US einem unvollendeten politischen Werke: über unser 
Zeitalter^ über die Republik der Deutschen 1806 — 7i Aus dem 
Sfitwnrfe einer politischen Schrift 1813; Excurse zur Staaulehre 
'über Errichtung des YernunftreicheSy über ZufaÜ, Loos, Wunder, 
über dl« Ehe, den Gegensau von altem und neuem Staate und 
ileligion eto. 1813. Yill, Nicolais Leben und sonderbare Mei- 
nungen 1801; Plan zu einer zu Berlin zu errichtenden höhe- 
ren Lehranstalt 1J^07; Plan zu einem periodischen schriihtelle- 
rischen Werke an einer deutschen Universität 1805; Rede bei 
einer Ehrenpromotion an der Universität zu Berlin 1811 1 Beweis 
der UnreclumiirBiglLeit des Buchernachdrucks, ein Raisonnement 
und eine Parabel ifOi] Zwei Plredigted aus dem Jahre 1791; 
Uttbor Gern utid Bachstab in der Philosophie 1794; Yao der 
SpracM'ähigki:ic und dem Ursprünge der Sprache 1795} Ueber 
Belebung und Erliöliung des Interesse an Wahrheit 1795 { Apho- 
rismen übet Er^if^liung 1804; Bericht über die Wissenschafts- 
lehre und die bisherigen Schicksale derselben 1806; Ueber 
Crenzers skeptische Betrachtungen über die Freiheit des Wil- 
lens 1793; Ueber Gebhacd von der aittlichen Güte 1793; Ueber 
Kant zum ewigen Frieden 1796; Piohtungen und Uebersetznn- 
gen aus dem Portugiesischen, Spanischen und Italientschea. 



— ai:9 — 

J. ß. Ficbtet nachgelassene Werke b. v. J. H. Fichte, Bonn 1634 t 
I. Einleitungtvorlesungen in die Wisgenscbaftslehre, die trani- 
scendentale Logik uqd die Tbatsachen des Bevrufstseins iBil 
n, 1813. II, Die Wissenscbaftslebre y. 1813. 181^; Das System 
der Rechtslebre 181^. III. Das System der Sittenlehre v. 181^; 
Ascctik V, 1798; Fiinf Vorlesungen über die Bestimmung des 
Gelehrten 1811 ; Predigt über Lue. Hl^ l4. 15., gehalten zu 
Warschau 1791; Der Patriotismus und sein Gegentheil 1807; 
Ideen über die innere Organisation der Universität Erlangen 
1805/B ; Tagebuch über den animalischen Magnetismus 1813 ; 
Aufsatz« als Einleitung zu einer projektirtep philosophischen 
Zeitschrift 1806 ; Sätze zur Erläuterung des Wesens der Thiere 
1799; Bemerkungen bei der Leetüre von Schellings transcen- 
dentalem Idealismus 1800 ; Zur Darstellung von Schellings Iden- 
titätssysteme ; Zu „Jacobi an Fichte^^ 1799; Zu Herbarts „Haupt- 
punkte der Metaphysik 1808;^^ Ueber Maccbiavelli 1807. 

ScUIeiermaohers philos.^Werke, 

I, Grundlinien einer Kritik der bisherigen Sittenlehre 18i03; Mo- 
Dolo gen 1800 4< A* 1829 ; Vertraute Briefe über Friedrich Schle- 
geU Lucinde 1800; Garves letzte noch von ihm selbst heraus- 
gegebene Schriften 1800; Engels Philosoph für die Welt 1800; 
Ficht?» BcfiCiminuDg für den Menschen 1800; Gelegentliche Ge- 
danken über Universitäten in deutschem Sinn, nebst einem An- 
hang über eine neu zu errichtende 1808; An Schmalz eine 
Recension 1815; Ueber Heindorf und Wolf 1816. IL Heraklei- 
tos von Ephesos dargestellt aus den Trümmern seines Werkes 
find den Zeugnissen der Alten 1808 ; Ueber Diogenes von Apol- 
lonia 1811; Ueber Anaximandros 1811 ; Ueber die verschiede- 
nen Methoden, des Uebersetzens 1813; Ueber die Begriffe der 
verschiedenen Staatsformea I8l4^ Ueber den Werth des Sokra- 
tes als Philosophen 1815; Ueber die griechischen Scholien zur 
nikomach. Ethik des Aristoteles I8l6;/ Ueber die Auswande- 
rungsverbote 1817 ; Ueber die wissenschaftliche Behandlung des 
Tügendbegriffes 181#*; Versuch über die wissenschaftliche Be- 
handlung des PIlichtbegriffs 1824; Ueber den Unterschied zwi- 
schen Naturgesetz und Sittengesetz 1825; Ueber den Begriff 
des Erlaubten 1826; Ueber den Begriff des höchsten Gutes, 
zwei Abhandlungen 1827. 1830. III. Reden. Beim Eintritt in 
die Academie 1810 ; Zur Charakteristik des H. v. Leibnitz 1815 ; 
Uebei* die Preisaufgabe; welchen Einflufs hat die Philosophie 
des Cartesius auf die Ausbildnng der des Spinoza gehabt? 1815. 
Wie würde Friedrich der Grofse heute regieren? 1817; Was 



biabsfchtigt^e Akadoniie» 4et Königs Gcbovtftag fefernd 1819; 
Friedrich der Grofse auch darin grofs, da£i er zugleich die 
Volksschulen und die Akademie der Wissenschaften fördert 18^1 ; 
Zur Nachfeier des Regierungsjubelfestes des Königs 1829; Was 
erwirbt auch innerhalb desselben Volkes dem einen Staate, vor 
dem andet-n die entschiedene Zuneigung derer, welche der Wis- 
senschaft leben 18a3; XJeber Lohreden im Allgemeinen und die 
f onteiiclk«€he auf Lflibnits insbesondere X61^) Erinnerung an 
die grofsartige und freisinnige Weise, in welcher Friedrich d« 
Gr* did Aiir«i€ht des Staates auf die schriftstellerische Hervor« 
brtngung führen liefa 1825; Ueber den Begriff des grofsenMan* 
ntft iB'lüi Der König will seinen Geburtstag nicht ^Is ein bOjr- 
gcrlicbf^a Fi^<t: belij^ndclt wissen 1826; Wie treffend der T^tal« 
cinilruck, den uns die Art zu sein eines Mannes giebt, durch 
die Aehnlichkeit mit den verschiedenen Ständen der Gesell- 
schaft bezeichnet werde 1827 ; Wie ee anzusehen, wenn ein 
Begent mit wissenschaftlichen oder kiJnsrt]<;nfchca Produciiooeti 
öffentlich hervortritt 1628; Wia mufste $ldi das Yerbältnirs ent^ 
wickeln zwischen Geschlecht und Volk, ehd e;in königiichci 
Jicben nach dem Stil unserer jetzigen eiiropai^clien Welt kannte 
)cu Stande kommen? 1829; Auf Ph, BiUttnann 1830; Ueber 
die Frage, welqhes Ijoqs glücklicher sei, au herrsclien oder bo- 
herrscht in werden 1830; Ueber Leibnitx unausgeführt geblie- 
benen Gedanken einer allgem, philosophisehen Spracht^ 1831; 
Pie Akademie der Wissenschaften ein Werk der kÖDigliclxen 
Kunst 1832; Ueber Penkmal und Biographie Friedrichs d. Gr, 
1833; Bei der Aufnahme des H. v. Raumer 1827; Ueber den 
Umfang des Begriffs der Kunst in Beziehung auf die Theorie 
derselben 1831 ; Ueber dasselbe 2. Abb, 1832; Anfang einer 
3, Abb. ; Ueber den Beruf des Staates zur jplrziehung 18 14; 
Ueber die yerschiedene Gestaltung der Staatpvertheidigung 1820 ; 
Ueber Platons Ansicht von der Ausübung der Heilkunst 1825; 
Ueber das VersgeichnÜli der Schriften des Pemokritus bei Pio^ 
genes I^aert, 1915; Ueber die ethischen Werke des Aristoteles 
1817 ; Ueber eine Glosse des Timäua. 1826 ; Ueber den Begrfll 
der Hermeneutik 2 Abhandl. 1929; Ueber den Begriff und 
^intheil, der philologischen Kritik 1830; Untersuchung über 
den Philosophen Dippon 1820, IV« Geschichte der Philosophie 
bis 1823; Dialektik 1911 — 31« V, Entwurf ein e9 Systems der 
Sittenlehre 1905 — 32 (1835); Vorlesungen über Aesthetik 
(1842); Pie ^jehre» vom Stactt« Grundrifs der philosophischen 
Fthik, herausgegeben von Twesten, * Berlin 18^1 ; Pädagogik 
a849. 



— Ml -- 

Hegels philosopb. Werke. 

J, Glaubeo und Wissen 1807 ; Differenz des Fichteschen und 
8chellingschen Systems 1801 ; Ueber das Yerhältnifii der Natur- 
philosophie zur Philosophie überhaupt 1807; Ueber die wissen- 
tchaftliche Behandlung des Naturrechtes 18^7— >3, XYI. Dis- 
tertatio philosophica de orbitis planetarum (pro licentia dpcendi) 
1801; Ueber das Wesen der philosophischen Kritik überhaupt 
und ihr Verhältnifs sum gegenwärtigen Zostand der Philosophie 
insbesondere 1807; Wie der gemeine Menschenverstand dir 
Philoi»phie nehme, dargestellt an den Werken des Herrn Krug 
1807; Verhältnifs des Skepticismus ?ur Philosophie, Parstel- 
lang seiner yerschiedenen Modificationen, und Vergleichung des 

^ neuesten mit dem alten 1807; Fünf Gyranasialreden gehalten 
tvL Nürnberg 1800, 1810, I8il, 1813, 1815; Ueber F. H. Ja- 
cobis Werke 1813; Beurtheiluog der würtemberg, Landtags- 
verhandlungen 1817; Recension von Humboldts Schrift über 
die Bhagavad • Gita 1877 ; Ueber Solgers nachgelassene Schrif- 
ten 1878. XVn. Ueber Hamanns Schriften 1878; Ueber K. F. 
GöscUels Aphorismen über Nichtwissen und absolutes Wissen 
im Verhältnifs zur christlichen Glaubenserkenntnifs 1870 ; Re«- 
cension der Schrift über die Hegebche Lehre, oder absolutes 
Wissen und modemer Pantheismus 1870; Recension der Schrift 
von Schubaxth und Carganico über Hegels Philosophie und 
Encyclopädie 1879 ; Ueber A. L, J. Ohlerts Idealrealismus 1831 ; 
Recension von J, Gorre« Schrift über die Grundlage, Gliede- 
rung und Zeitenfolge der Weltgeschichte 1831; Vorrede eu 
Hinrichs Religionsphilospphie 18^1^ Eine lateinische Rede bei 
der Promotion des Dr. Rose 1879 ; eine bemi Antritt des Reo* 
torats an deir Berliner Universität LS'lö; eine bd der dritten Sä- 
kular-Feier der Uebergabe der Auf^iburgiscbcnConregfiion 183Q;' 
Maximen des Journals der deiitscliun Literatur 1806; Wer denkt 
abstrakt?; Ueber I^essings Briefwechsel mit seiner Frau.; Ueber 
Wallenstein ; Ueber die Beehrten 18'26 ; Vvhet dU englische 
Reform" Bill 1831; Briefe und Schreiben. XI. Phänomenologie 
. des Geistes 1807, III — V, Logik 1807 — !«• VI— TIL En- 
cyclopädie der philosophischen Wissenschaften I8l7, VIIJ, 
Grundlinien der Philosophie des Rechts 1871. IX. Tori, über 
Philosophie der Geschichte. X. Vorl. übet AeSthefik. XI — XII, 
Vorl, über die 'Philosoph, der Religion. XXII -^ XV, Vorles, 
über Geschichte der Philosophie, XVIII. Propädeutik. 
Schriften von Krause, 

Von Krauses Freunden wurde nach dessen Tod mit Herausgabe 
des Nachlasses begonnen* Bis jeUt 9ind erschienen: Abrifs der 



Aetthetik h. v. Leatbecher 1637^ AnfangBgründe der allgem. 
Theorie der Musik li. v. Victor Straufs 1838, eine Jmch von 
Nicht- Krausianem wie Kahlert (Aesth^tik^ geschätzte Arbeit; , 
Die absolute Religionsphilosophie h. r, Leonhardi 1834 f. ; Geist 
^er Geschichte der Menschheit h. ▼. dems. 1843; Vorlesungen 
über Logik 1836 ; Anthropologie and Psychologie. 

Der Glaube ist das Hauptaugenmerk bei: INic« Cues * 
geb. i4ai, t i464) der über aeine gegensätzliohe Zeit da« 
durch hinwegzukommen suchte, dafs er Gott a^ die abso- 
lute Einheit, als das Groiste und Kleinste, über allen Ge- 
gensatz Erhabene suchte (De docta ignorantia III. e. i3.), 
Weigel, Jak. Böhme, Marcus Marci, Hirnhaym, Oet- 
tinger, Hamann, Claudius, Jacobi, Bouterweck, 
Fr. V. Baader, t >84i, Günther, Pab8tti838, Her- 
mes t i85], der sich in Braun, Elvenich, Ritter, Schwann, 
Achterfeld u. A.mit mehr oder weniger Modificationen gel- 
tend machte, Sengler, Staudenmaier, Ennemoser, 
6 o 1 z a n o, der romantischen Schule mit G ö r r e s, Fr. Schle- 
gel, Windischmann etc. Indessen waltet auch bei die- 
ser Gruppe, trotz des gemeinschaftlichen Zugea nach dem 
Glauben, als der (Quelle, und nach der Verbindung des 
Glaubens mit der Vernunft die gröfste Mannffrfaltigkeit, 
Wir wissen z. B., wie stark bei Böhme, Bnader der I\a- 
tnralism vorschlägt, wie letzterer auch die Geschichte der 
peuern Philosophie zu Hitfe nimmt, wie Hirnhaym sich zur 
Vernunft skeptisch verhält, w^ihrend Jakobi einen Vernunft- 
glauben hat etc. 

Pie Werke Bobme« gab ScLicbler Leipz, 1831 f, neu heraus; über 
Böhmes Leben Bcbtieb WulLer, Slattg. 1836; über Böhmes Xiehre 
Hamborgcipj Mun^ib, is44* Der letztere hat auch <lie Selbst« 
biq^aphi« Öetingers, der Bewnnderev&wedeDborgs war^ Stuttg.aA* i^ 
1845 herausgegeben. Veber Hamann handelten Herbst (Biblior'. 
~ thek christl. Denker, Leipe. 1830), Sintze (Grundbegriff preufs. 
Staatsgcscb, , Berl. 18*29 S, 14^ f.) ; über Jacobi H, Kuhn (Ja-* 
cobi und die Philosophie seiner Zeit, Mainz 1834)^ Prevost 
(in der Rertie du progr^s social fevr, u. juili. 1834), Deycks 
(F. H, Jacobi, Frankf, 1848). Eine Anzeige der begonnenen 
Gesammtausgabe von Baaders Werken von Fortlage st. in der 
Jen, Lit. Zeit. 1848 Nr, QOO. Ueber Günther schrieb Volk- 
inuth (G. dualist. Creationsidee in Ficht«« Zeitschr. 1848 S. 06); 



« 183 — 

öbef Sengtet'» neues Werk „die Idee Gottef 1845" \firtli in 
Noat:ks Jahrb, 1848 S. l4l. Aufserdem sind hier anzuführen: 
* Delitzsch ^er natiirphilos. Mysticism innerhalb der luthcr. 

Kirche in der 2:eit6chr. für Theolog. I84l. 3. H.)^ Schenkel 
(Das Wesen des Protestantism), Bftur (Gposis). 

Die Natur bildete endlich die Haupthilfsquelle bei 
Agrippa^ P^racelans, Sennert, Jung, Leibnitz, 
Sturm, E. Stahl u. A. bis auf Schelling, Oken und die 
neuesten I^ychologen und Physiologen, von denen unten 
die Rede ist* . « 

Preuy das System des Paracels.y Berl. 1838; Lessing, Paracels. 
eb. 1839; Marx, zur Wfirdig. d. Paracels. Götting. 1S4^; Guh- 
rauer, Jung 1845; Guhrauer,^ Leibnitii doctrina de unione uni« 
mae et corporis, Berl. 1837; Ders. Kurz- Mainz in der Epocbn 
▼. I67f2, Hamb. 1830 11*^ Ders. quaestiones criticae ad, Leibnitii 
opera philosopliica pertinentes, Tratisl. 1842; Ders. Leibnitz 
eine Biographie 2. A. 1846; Ders. Leibnitz^s deutsche Schrif- 
ten, Berl. 1838 II ; Feuerbach, Darstell, und Kritik der L. Phi- 
losophie 1837 ; Erdmann, L. opera philosophica, Berol. 1840 
n. 4; Jacques, oeuvr^s de L. Par. 184^; Exoer, über L. Uni- , 
versalwissenschaft 'in den Abhandl. der k. böhm. Gesellsch. d. 
Wiss. 1843 V. Folge 3. B. ; A. Bockh, L. in s. Verhältnisse 
zur positiv. Theologie in Raumcre hi^tor. Tagchenb« 1B44; Eh- 
renberg, über L. Methode, VerhähiiifB £ut Naturforsrl], u. Brief-' 
vvechsel mit Leeuwonhoekj BL^rL 18^5 ; Schilling, L, als Den- 
ker mit übers. Schrilt. Lcipz. 18^6; HartonHlein^ de materiae 
apud L, notione, ib. iß46, 4j Kirdmann^ L. und dh Entwickl. 
des Idealism vor KauL Zur Stelhmg L, zum Katholirrsm hat 
Pertz einige Bruobsiücke aus der hannoverBcbeo Qeach, eigens 
abdrucken lassen. 
Wie man nur annähemngs weise Bagen liann, dafs die 
Einen Antiquisten, die Andern Neolog-en, die Dritten Cre* 
dulisjen gewesen, ao Mit "«ich aber auch von dieaer Klasse 
die Benennung Naturtni^ten nur in Ansehung des Haupt- 
zuges, der Wurzel, brauchen. Denn I^arac^Isus glaubt, 
Leibnitz spielt wenigstens mit dem Positiven, Schelling tritt 
ganz aus dieser Reibe etc. 

Fragen wir nach dem gemeinsamen Zuge, insofern alle 
Deutsche sind, so finden wir ihn im Vergleiche zu den 
Franzosen und Italienern in der Originalität, erschöpfende- 
ren Tiefe und Systematik, im V«f^gleiefae zum National* 



Enfjflisclieii aber in dem den miUelalterliclieii ReMismr fort- 
setzenden Idealism« Man braucht, um sich datron zu über- 
zeugen, nur einen Blick auf Leibaitx zu werfen. Er strei- 
tet gegen Bayle fiir den Realism und gegen die encyclopä- 
disch-isolirte Auffassung der Probleme; gegen Poiret für 
das aotive Wesen der Vernunft, als Mikrokosmos; gegen 
Locke für die angebornen Ideen. Er bekämpft die Vergöt« 
terung des Raumes bei More, Newton, Clarke, die Hypo« 
atasirung eines Nichts etc. 

2in den Lehren des Cartesius bilden die Untersuchun- 
gen von Leibnitz endlich den mannigfaltigsten und schärf- 
sten Gegensatz (G. Schilling, Leibnitz als Denker, Einleit.). 

. ,|Die anstöfsigsten Cartdsianischen Lehren, bemerkt dieser, waren 
fftr diesen: dafs Gott nur willkürlich oder innerhalb der Welt 
nur mechanisch thSti'g sein sollte, ohne Zwecke, wodurch Weis- 
heit und Vorsehung gelaugnet (und die starre Nothwendigkeit 
eingeführt) waren ^ daft Gott allein thätlg, alle GeschBpi^ aber 
leidendlich oder unthätig sein sollten, was, In Verbindung mit 
dem Vorigen, zum SpinOElsmus führen mufste ; dafs von Gottes 
Willkür die Wahrheit und das Gute abhängen sollte, Ferner 
mufste der Begriff der gelegenheitlichen Ursachen so modificirt 
werden, dafs durch ihn keine Unw&rdigkeit in den- Gottes- 
beg^riff gcUraGhl würde. Endlich le^gy um weniger Wichtiget 
niclit nubdrücklidh itu bemeikcnj die Verwechselung der blossen 
Adidcliniing mit der Mntcnc für L^ am Tage und hiermit ste* 
licn die »um Tb eil falschen Cai te&ianUclien tNaturgesetzö, die 
wedi^r unter einander, noeh mit der £i^ßihrung, noch über« 
baupt Uli! richiigen BegrllTen übet die Natur stimmten, in 
engem 2 Uta min« n hange« Gott ist bei Leibnitz reine unbe- 
schränkte Thäilgkelt, alle gescba^cnen Wesen sind beschränkte 
ThäUgkeiten cd«r Monaden. Bieie Beschränkung der Mo« 
tiadcn ist die ihnen wesenÜkb anliaftcode Leidendlichkeit, 
wodurch sie eben geschaffene endliche Substanzen sind, Di« 
licidendlichkeit ist als blofse Negation für sich selbst nichts > 
und tie kann natürlich nur im blofsen Denken durch eine Ab* 
straction von dem Thun der Monade getrennt nnd erste Ma* 
terie genannt werden. Die eigentliche sogenannte zweite Ma* 
terie ist eine Anhäufung von Monaden, die, wenn sie eine herr> 
sehende Monade enthält, einen Organismus und ein Ganzes an 
sich bildet. Diese Materie mufs immer als ausgedehnt aufge- 
iaüit werden und. ist ^mm «Is solche nur Erschdoiing. Gott 



--. «I ^ 



Schaf «ttd ttikSH die beste Welt natli Wahl; dies Prlncip der 
AngcDiesienheit bitt die Mitte aivvitcbeti der Hobbes • Sphioza*- 
schen geometrischeti Notbvrendigkeit otid der Cartesischeti glcich- 
giltige» Willkör in Qott. Von Gottes Willen bangen nur die 
ftttfalligen Wahrheiten ab^ nicht die ewigen und nothwendigen. 
Aber Gott ist nicht blos Schöpfer und Erhalter der materiellen 
und der Geister - Welt, er ist als Person auch Konig und Va> 
ter der Geister. Im Reiche der Natur ist ein Reich der Gnade ; 
in jenem herrschen die wirkenden Ursachen oder der Mechanis- 
mus, in diesem die Endursachen oder der Moralismus, beide 
stören und verwirren einander nicht nur nicht, sondern setzen 
sich als nothwendige Ergänzungen voraus. Gott mufs also 
durchaus in doppelter Weise betrachtet' werden, physisch als 
wirkender Grund, moralisch als letztes Ziel der Dinge. Gott 
bat von Anfang an in seiner unendlichen Weisheit und Macht 
^ Alles so eingerichtet, dafs die zwei verschiedenen Reiche der 
äufseren Bewegungen und der inneren Thatigkeiten in einer 
vollkommenen Harmonie stehen, gleichsam als ob das eine durch 
reellen Einflufs des andern geleitet wurde. Die mit Koth wen- 
digkeit sich abwickelnde Ordnung der mechanisch wirkenden 
Ursachen in der materiellen Welt und die goldene Kette der 
Endursachen in der intelligiblen Welt der Formen stimmen zu- 
sammen und das Reich der Natur fuhrt zum Reiche der Gnade, 
weil, wegen der Vollkommenheit d«- höchsten Urhebers, die 
Spitzen der Metaphysik und Ethik in Gatt Vf^rbunden sind, 
der das erste Wirkende und das letzte Ziel der Din^c ist.^ 

Die Behauptung ist ai^rscrdem nicht zii gewagt, dafs Leib- 
nitz, der nach seinen eigenen Worten scbon dt-t) Kopf voller 
Ideen hatte, ehe er den Carte&ins U§j auf dan Positive seines 
Systems auch ohne CarleiiiiSj ohne von dkeeni gcm^^t zu sein, 
gekommen wäre. Denn der unirersuü Gf^bildcte bedarf keiner 
Concentration von FaUcbem, da er damit auch in der Zerstreu- 
ung bekannt ist (Treiidt;l«;nburg, I«t Lcibniu in seiner Ent- 
wicklung einmal Spinozist oder Cartesianer gewesen? 1848). 

Ueber die deutsche zum franzosischen Wesen gegensatzliche 
Systematik etwas zu sagen, ist überflüssig. Wolf hat mit sei- 
nem Beginnen, die Philosophie als Wissenschaft alles Wifsba* 
ren darzustellen, für immer bei uns entschieden, was sich Schon 
früher gezeigt. 

Ueber diese Periode der deutschen Philosophie sind als Ge- 
schichtschreiber eines grofseren oder kleineren Abschnittes auf- 
getreten : Fichte, Charakteristik der aeueipeil Philosophie % A. 



Snlsb. 1841 ; ChalibSiis, bitter. Entwkkli d<ii specokthr^n Piu- 
losophie ¥on Kaiitl>it Hegel, 4. A,-Dr«iid. I84a^ Erdmann, Ter- 
tuch einer wuseascbaftl. Darttell. der Geschichte der neuem 
Philosophie (Hauptwerk); Michelet Geschichte der letzte Syst. 
d. Philos« in DeuUchl. y. Kant bis Hegel, Berl. 1837 U; Ro- 
senkranz in den Stadien und in seiner Ausgabe von Kants Wer- 
ken; Willm, Ott (Hegel et la philosophie allemande, Paria 

1844) B. A, 

* 

Nach diesen allgemeinen Umrissen nehmen noch die 
neuesten Schulen und die neueste Geschichte einzelner Zweige 
nnsre Aufmerksamkeit in Anspruch, 

Die erste Stelle unter den Schulen verdient die Hegel- 
•ch^, deren mächtigen Binfluls Jeder kennt« Von Hegels 
Standpunkt pflegten die Logik: Gabler (Die Hegeische Phi« 
losophie, Beiträge zu ihrer richtigen Bcürtheilung und Wür- 
digung), Hinrichs (Die Gnesis des Wissena), Güschc! (Der 
Monismus des Gedankens), Rosenkranz (die ModiHcatlonen 
der Logik), Erdmann (Grundrifs der Logik und Metaphy- 
sik 1848), Schaller (Pie Philosophie unserer Zeit), Wer- 
* der etc. Die Naturphilosophie vertraten : Eayrhofferj Schal- 
ler (Gesch. der Naturphilosophie) etc. ; Die Psychologie Ro- 
senkrana (Psychologie a, A. i843), Erdmann (Grundrifs der 
Psychologie 1847), Michelet, Daub etc. Die Rechtsphilli-^ 
aophte Gans f 1839 (Das Erbrecht 1824 f. IV 5 üeber die 
Grundlage des Besitees iS3c)) etc* Die Geschichtsphiloso- 
phie: Rosenkranz cEo« Die Ge&chichtt der Philosophie : Ro- 
senkranz, Michelet, Bayrhofi'er, Fetierbach, Marbach,' Hen- 
ning, Erdmann etc* Die Aesthetik: Rosenkranz, Rötscher, 
Hinrichi, Gans, Hotho, Viecher eto. Die Religionsphilo- 
sophie: Merheinccke t ^84^ C^^'e Grundlehren der christl. 
Dogmatik 1827; Einleit. in die öffentL Vorlesungen über 
die Bedeutung der H* Ph. in der christl. Theol. 184a; Ge- 
d&chtnifsrede auf M. ron AU Schmidt in Noacks Jahrb« 1846, 
a. H. S. i55), Daub t i836 (Werke L B.: Vorlesungen über 
die philosoph* Aftiiropologie ; IL: Vorlesungen Über die 
Prolegomena zur Dogmatik und über die Kritik des Beirei- 
ses fbr das Dasein Gottes; IIL: Vorlef^un^. über die Pro- 
legomena zur theolog. Moral und über die Principien der 
Ethik; IV. u. V.: System der theol. Moral; VL u, VII.: 



- «I — 

Sf atem der c^iriftU DogittHtik), F. Chr. Banr, Rosenkranz 
(Die .Naturrelig« Iserlohn i83i; Encyclopädie der theolog« 
Wissenschaften i845), Noack (Die theolog« Encyclopädie 
i84d). Die Ethik Conradi, Vatke (Die menschl. Freiheit 
i84i) etc. 

Indessen kann man bei näherer Einsichtsnahme der 
Schfdften kaum Gabler, Marheinecke, Hotho, Förster, Hen- 
ning, Michelet, J. Schulze, Werder, Hinrichs, Schailer, Ro- 
senkranz, Gans als treuere Schüler bezeichnen« Man strebte 
auf allen Seiten über den IVIeister hinaus, insbesondere iit 
der Rechts- und Religionsphilosophie. Ueber die Absicht 
Hegels griffen, z. B. hier die gangbaren Vorstellungen an : 
Rüge, Ecbtermayer, Straufs, Vatke, Feuerbach,- Bruno Bauer 
etc. Diese Angriffe, besonders durch die Hallischen Jahr- 
bücher, beschworen dann den bekannten Sturm. Den mei- 
sLen Anstofa erregte hiebei die Art, in welcher Hegel die 
pcrsanliche Un Sterblichkeit und die Persönlichkeit Gottes 
aufgefafst hatte nacli der einen, und die Art, wie seine Schü« 
!er Heg^ela Conservatiam Verwarfen, auf der andern Seite. 
Unter den wisse nsehaftlichen Angriffen auf dieses System 
zeichneten sich aus : die allgemeinen Ton Fichte dem Jün« 
gern (in seiner Zeitschr., seinen Beiträgen etc«), von K. 
Ph. Fischer (Speculatire Charäkterist. und Krit. des Heg. 
Systems i845), dann die speziellen auf die Logik' von Tren« 
delenburg, der gegen die formale Logik Kants, ' Herbarts, 
Drobisch's, Twestens (Grundrifs der analyt. Logik, Kiel 
i834), wie gegen Hegels Logik sich erhob und das bei die- 
sem nicht identisch werden wollende Sein und Denken 
durch den dem Stagiriten entnommenen Begriff der Bewe- 
gung zu vermitteln suchte ; auf die Psychologie von Exner 
(Dio Psyohql. der Heg« Sckule i8äa f.), auf die Rechtsphi- 
losophie Ton der historischen Schule, auf die'Aestheitik von 
Danzel, auf die Geschiohtsphilosophie voi^ Ritter, firandis. 
Die Apologie des Meisters zieht sieb durdk alle Schriften ' 
seifcier !kS<chüler. Ich bebe hier nur ein paar Säiriften toa ' 
Rosenkranz hervor: die Erläuter. des Hegelsch. Systems 
i84o und die Biographie Hegels 18449 welche die unten 
aufgeführte Ausgabe Hegeln schli4^st* 



— 288 ~ 

Zur Schule Herbarts, die nach der Hegeischen die meiste 
Achtung rerdient und neben ihr um so berechtigter ist, ats 
Hegels Lehre der Indiyiduation nicht g&nstig ist, gehören: 
Drobisch, Hartenstein (Metaphysik i856; die Grundbegriffe 
der ethischen Wissenschaften i844)) Strümpell (Erläuter. zu 
Herbarts Philosophie i836; Die Hauptpunkte der herbart 
Metaphysik 1840; Entwurf der Logik 1846; Vorschule der 
Ethik 1844% Taute, Stiedenroth, Griepenkerl, Roer« Bob- 
rik, Exner, Schilling, Waitz, Allihn etc. 

Auch Fries sählt noch einige Anhänger (Abhandl. der 
Fr. Schule r. Apelt etc. Leipz. i847 ; Recens» v* H« Ritter 
in d. Gott. Anz« 1848 I^r. 98). 

Schellings älterer Richtung wollte Niemand mehr ent« 
schieden anhängen, weil er selbst dieselbe verlassen. Und 
seine positive Philosophie ist theils zu wenig bekannt durch 
Druckwerke, theils der rationalistischen Zeit zu fremd, theils 
lange Zeit auf einem für philosophische Arbeit nicht gün« 
stigen Böden fast vergeblich docirt worden. Doch zeigen 
sich jetzt einige Spuren ihrer Wirkung« 

Franz Baader hat stets wenig Anhang gehabt und zu« 
letzt durch sein Auftreten für die morgenländische Kir« 
che und die Emancipation (Ueber die Thunlichkeit oder 
Unthunlichkeit einer Emancipation von der römischen Die* 
tatur in Bezug auf Religionswissenschaft 1839; ^^^ morgen* 
und abendländische Katholizism i84o), worin er als Vorläu- 
fer der deutschkatholischen Bewegung erscheint, unter den 
Wenigen noch diejenigen verscheucht, welche von Anfang 
an die Natur des altbairisch -unförmlichen zorumüthigen Saa- 
menhändlers schlecht begriffen hatten.. Sein bedeutendster 
Schüler ist Franz' Hoffmann, der die Societätsphilosophie 
Baaders zusammenstellte (Vorhalle zur speculat« Lehre Fr« 
B. i836; Zur kathol. TheoK u. Philosophie i836). Unter 
den Protestanten erinnert JuL Müller an ihn. 

Schleiermacher hat viele Schüler und Anhänger gehabt^ 
aber nie Schule gemacht im eigentlichen und philosophi- 
CHoheü Sinne. 

Krauses Philosophie hat «verhältnifsmäfsig auch wenig 
Anhänger gefunden, jedoch in neuerer Zeit mehr, wo der 

Brülsler 



Brüfsler Ahrens in seinem droit naturel und cours de Psy- 
chologie, Altmeyer, gleichfalls ein Brüfsler, in seinem cours 
de Philosophie de Thistoire, Bouchitte in Versailles CHi-^ 
stoire des preuves de V existence de Dieu 1841), Tiberghien 
(Essai theprelique et historique sur la generation des con« 
naissances humaines 1844)9 Duprat (Rerue independante 
XII, 1. XIII, 4, XIV, 1.) sie im Auslande verfochten, wäh- 
rend in Deutschland Leonhardi, Md^nnich, Röder, Linde« 
mann in München (bekannt durch seine Anthropologie) und 
einige Andre für Verbreitung Hrause'schsr Ansichten thä- 
},\g sind. Lindemann hat aufser der zu nennenden Apolo- 
gie in Fichtes Zeitschrift XV» auch eine übersichtliche Dar- 
stellung des Lebens und der Wissenschaftslehre Krauses 
(Münch. 1839) gegeben. 

Im Ganzen zeigte sieb demnach die letzten zwei Jahrw 
zehnte wenig Schule und Anhänglichkeit, bei grofser Be- 
nützung und bei weniger Originalität. Der Historismus, 
welcher als Fortsetzung des ron den Combinisten begon« 
nenen Werkes betrachtet werden kann, war die vorschla- 
gende Seite. Er gab sich innerlich auf ^^len philosophi- 
schen Gebieten durch die Anwendung des Begriffes des Wer- 
dens, Geschehens, Prozesses, zu welcher nur Herbart eine 
so Viele abstofsende Anomalie bildete, kund. Zugleich aber 
äufserlich durch die Aneignung früherer zerstreuter Leistun- 
gen, durch die emsige Ptlege der Geschichte der Philo- 
sophie durch alle Zweige und durch andre Zeichen, unter 
die auch die sorgfältigen Ausgaben mehrerer älterer Philo- 
sophen gehören. 

Zur neueren Geschichte der Metaphysik. 

Die Literatur dieses Gebietes ist sehr reichhaltig. Nach 
Herbart, Heg^l, Krause, Schleiermacher schrieben, aufser 
manchen ihrer Schüler: Trox 1er (Erkenntnifslehre 1825 ; 
.Vorlesungen über Philosophie i835 etc.), Branifs (Meta- 
physik i834), Fischer (Metaphysik i834; Sy^tß«** <^er Phi- 
losopÜl^), Weisse (Grundsätze der Metaphysik i835; das 
philosophische Problem der Gegenwart 1842; In welchem 
Sinne sich die Philosophie an Kant zu orientireit hat 1847 
etc.), J. H. Fichte (Metapliysik i836; Grundsätze für die 

Oiimpofch, Dr. V. P., Geschichte d. Philosophie. *" 



— »0 — 

Philosophie der Zukunft 1847; Beitrage zur Charakterist.)« 
Trend elettburg (Logische (Jntersuchungen 1840; Die 
logische Frage in Hegeis System 1843 ; Geschichte der Ka- 
tegorienlehre 1346; über 8. Unters. Weilse in Fichtes Zeit- 
schr. 1842 S. 264), Reiff (Encyclopädie der philosoph, Wis- 
Ü^nschaften ; Ueber einige wichtige Punkte in der Philo- 
sophie ; Ueber das Prinzip der Philosophie in Noacks Jahrb. 
B. I.; System der Willensbestimmiingen 1842), Lotze (Me- 
taphysik 1841), Reinhold (System der Metaphysik 184a), 
George (System der Metaphysik 1844)9 Ulrici (Das 
Grundprinzip der Philpsophie i845), Helfferich (Die Me- 
taphysik als Grundwissenschaft 1846), Chalibäus, Vor- 
lander, H. Schwarz etc. 

Das Hauptbestreben gieng darauf, bereits vorhaiidene 
Elemente zu steigern, oder zu rerbinden. 

Hören wir js/ B. Fichte, welcher seit dreifsig Jahren durch ein 
ernsllichcs und erfolgreiches Bemühen um Weiterbildung und 
Verbreitung seines Faches sich auszeichnet und sich einen Platz 
in der Geschichte der Philosophie gesichert hat. In seinen 
Beiträgen zur Charakt. 1, A. S. 1033 f. unterscheidet er bei der 
Philosophie der Gegenwart drei Hauptstandpunkte: den anthro- 
pocentrischen, vDn dem Menschen und der Selbsterkenntnifs 
ausgelienden (Kant, Jacobi, Fries, Schelling), den theocentri- 
sehen, von der Idee des Absoluten ausgehenden (Hegel) und 
den Von der Analyse des Gegebenen ausgehenden (Herbart)« 
„Die durch Hegel neu begründete Metaphysik (Logik) ist ihm 
ebenso die Lehre vom Absoluten (dem höchsten Rcalprincip), 
als von den allgemeinen Wcltformwij den Katrg(>ricn (FormaU 
prinGi|>i«n der Dinge). Ea hl ihm nicht gclunger^ weder Bei- 
de» beelimmt Q^nu^ cn tintcrscU^iden, noch das Eine aus dem 
Andern herzuleiten. Dennoch Lkibt defshalb Aüt gan^e Gc- 
sitlitfijiunkt und das Hauplreaulut derselben um nichts weniger 
«in entscheidendes: es M die NachweiBung des dialektiaclien 
Verhältnisses der innerlich geschlossenen Einheit der Katego - 
rieen, Sic stellen eine gegliederte Stufenfolge VOO Weltformcn 
dar, £U einem ho ehrten Ziele »ich volle ndend^ sie eind ein ab- 
soiiil«fl VernunfbysLem, Dieser einfaclicj grofse und kühne Gü- 
dankc ist da« eigentliche ErwerbnifB Hegeb, wodurch das Asiom 
Leibnil:i^-ens, dafi? das Dasein ewiger, achJcchthln allgemeiner 
Wahrheiten auf ein Verstandcspdnfip in Gott d^jntc^ seine oh- 
jective eacliHch« Begrijnduog crhalun^ wenigstent diese vor^ 



— 291 — 

bereitet hat . . . Ihre Fortexistenz kaiin Hegelt IiOgik allein 
durch Wiederauflösung und bestimmtere Sonderung der in ihr 
verwachsenen Elemente (der metaphysischen und erkenntnifs« 
theoretischen) finden, und* in der Verarbeitung derselben zu 
einer umfassenderen Metaphysik. Der Entwurf der unsrigen 
hat sich daraus ergeben, und zugleich darin wohl auch der 
Beweis, dafs sie die einzig rechtmäfsige Fortsetzerin sein mociS^e 
der durch Scheliing und Hegel gegründeten speculativen Bil- 
dungsepoche." George sucht Hegel und Schleiermadier- zu 
verbinden, Helfferich sich ''die positive Philosophie Schellings 
anzueignen. ReifF ^agt (Der Anfang der Philosophie S. ^i): 
„Das praktische Ich ist der Grund des theoretischen. Dieser 
Satz enthält das Princip der wahren Philosophie. Die Auf- 
hebung der Trennung der theoretischen und praktischen Ver- 
nunft^ in welcher Trennung die Kantische Philosophie stehio 
* blieb, war der erste Gedanke, der für die Vollendung der Phi- 

losophie entscheidend sein mufste. Fichte hat denselben attk- 
gesprodieu/'' Wir sehen also hier den Einflufs Fichtes, obgleich 
ReilTj IUI angeblichen Gegensatze zu Fichte d. Aeltern, in dem 
absDlitlea Icli die Einheit des Setzens und Entgegensetzens nicht 
bloa bfrbaupiL-n, sondern ein Ich aufstellen will, welches in der 
Bewegung diu absolute Setzung vollzieht etc. 

Ich mufs mich hier, so bedeutend auch neuere Leistun- 
gen ötiin mögen, auf Ergänzungen zu drei älteren Gestal- 
ten, Herbart^ Schleiermacher und Krause, beschränken« 
Diese ßedeutung wird Einzelnen sogar von ihren Gegnern 
eingeräumt* 

So sagt z. B. Rosenkranz (Die Metaphysik in Deutschland Seit 
18313 i" Noacks JüTirb. 1846. 4. H. S. 175) über Lotze: „Der 
Glanzpunkt der Loize'schen Metaphytiik ist ihr mittlerer Theil, 
in welclif in KT die kosmologischen Ideen entwickelt. Ilfan kennt 
den LieblJngft^edaiiktsn. Lotze^s in dieser Region, wie er ihn in 
seiner trefflicUen Pathologie und Therapie, in Wagners physiol. 
Wnrterh, ^Art- Lebenskraft, ^nstinct} weiter ausgeführt hat, 
dafa nimlich das Organische eine Form der Vereinigung des 
Mechaniadien sei. Ueberall, wo Lotze der bisherigen Natur- 
wiwscnacbaJr't eine Vernachlässigung des Begriffs des Mechanis- 
mui für (tte Entivicklung des Organischen nachweisen kann, 
^ iibt er die schbgft^ndste Polemik. Eben dieser Begriff der Be- 
^> ditigtbeit des Organischen durch das Meclianische wird ihm 
^ aber auch wieder in sofern zu einer Schranke, als er die Au- 
tarkie, Spontaneität, Autonomie, Autogenesis des Organischen oft 

19- 



— 292 — 

zn genng anschlSgt. Doch wie dem sei, die Metaphysik der 
Natur, um es so zu nennen, hftt seit vielen Jahren keine so 
gehaltrolle Bereicherung erfahren/^ Ebenso wird Weifse von 
Rosenkranz S. 170 als höchst verehrungswiirdiger, rastlos be- 
müheter Mann bezeichnet, der über eine sehr ausgedehnte, 
vielseitige und, was noch mehr ist, gründliche Bildung gebiete. 
BayrhofFer äufsert in Noacks Jahrb. 1848 S. 180, er erkenne 
die Genialität an, womit Reiff und Kornbek (Ueber Idealismus 
und Realismu» in Noacks Jahfii. 1847 S. 64i) das bewufstlose 
Universum als Grundlage des oewufsten persönlichen Seins dar* 
gelegt, obgleich dabei die Gliederung des Vielen in dem Einen 
zu besondern Ganzen fehle. Und dergleichen Urlheile über 
Trendelenburg und die andern bedeutenderen liefsen sich noch 
mehrere anführen. Indessen wird man bei der gänzlichen Un- 
einigkeit es den Hegelianern auch nicht verargen, wenn sie, 
von allen Seiten angegriffen, die schwache Seite der Ungleich- 
heit aufsuchen. 

„Der Inhalt des ganzen Verlaufs der Fortbildung der Wis- 
senschaft der Metaphysik seit dem Tode Hegels, sagt z. B. Ro- 
senkranz a. a. O. S. i67, 18'2, dreht sich in Deutschland um 
-zwei Punkte: 1) um das Verhältnifs der Metaphysik zu den 
sogenMinten realen Wissenschafieo und !2) um das Verhältnifs 
zur Logik. Alle die obigen Metaphysiken stimmen darin über- 
ein, die Liigik von der Metaphysik zu trennen. Aus solcher 
Trennung .ergiebt sich als Folge die Verkümmerung, die Ver- 
endlicBung der Logik. Sie hört auf, ein Moment der reinen 
Vernunftwissenschaft zu sein und wird wieder zu einem Inbe- 
griff der blofsen Vcrstandesformen für die Bearbeitung der Be- 
griffe herabgesetzt. Sodann aber ist die Folge, dafs die Meta- 
physik nicht selbst den Uebergang zum Begriffe der reinen 
Idealität macht, sondern theils bei dem Begriffe der Existenz, 
theils bei dem der zweckmäfsigen Realität stehen bleibt. Die 
Metaphysik verfällt daher in den Mangel, nicht den intelligib*» , 
len Grund, nicht den Begriff selbst als den Inhalt des realen 
Geschehens, als das Prinzip der Entwicklung des Seins zu uia-" 
nifesiiren. Das Bedürfnifs nach einem solchen hat daher dazu 
gcU'ieben, dafs neuerdings sogar die Ethik als das Prinzip der 
Metaphysik behauptet worden. Für die Trennung der Meta- 
physik von der Logik finden wir bei Tioxler die Vereinigung 
der Metaphysik überhaupt mit dem Erkennen; bei Reiff %inen 
subjcctiven Idealismus der ganzen Metaphysik^ bei Lotze eine 
Deduciion der Kategorien, in einer Ermittelung der Wahrheit 
des Erkennen«, die er an den Schlufs stellt, wo er die Sub- 



jecliviiät der Kategforien betrachtet; bei Helfferich «ine Lehre 
vom Begri^e der Erkeimtnils, die er an den Anfang stellt und 
worin die gewöhnliche Bestimmung des Denkens vorkoiumt, 
das Mannigfaltige der äufseren und inneren Erfahrung auf die 
Yernunfteinheit zu beziehen.' In Ansehung des Verbältnisset 
der Metaphysik zu den sogenannten realen Wissenschaften zei- 
gen sich folgende Unterschiede. Fischer, der gar keine Onto- 
togie hat, nur eine Kosmologie, Psychologie, Pneuinatologie .und 
Theologie, hat auch am wenigsten eine bestimmte Grenze ge- 
gen die Realität. Branifs, Weisse, Fichte schliefsen die fun- 
damentalen Bestimmungen des Begriffs der Materie, des Lebens 
und des Geistes in die Metaphysik ein; Reiff schliefst sie aus; 
Lotze trägt den Grundbegriff der Natur, Helfferich den Gottes 
und der Natur vor. Keiner begnügt sich, den reinen Begriff 
der Idee, den Begriff der Vernunft ^als solcher zu . entwickeln^ 
welche- dann in der Natur und im Geist als die absolute Me- 
thode ihrer Thätigkeit sich offenbart. Hiermit hängt nun 'die 
Kintheilung der Metaphysik auPs Engste zusammen. 

Fischer: Kosmologie, Psychologie, Pneumatologie, Theologie, 

Branifs: Theologie, Kosmologie (Ontologie, Ethikologie). 

Weisse: Sein, Wesen, Wirklichkeit. 

Fichte: Sein, Wes^n (Gnind und Folge, Wirklichkeit, Sub- 
stantialität). 

Rciff; Ontologie, Eidologie, Monadologie (Sein, Ding, Wech- 
selwirkung).^ 

Lotze: Sein, £rscheinun.g, Wahrheil de& Erkennens. 

Helfferich: Erkenntni(^, Grundwissenschaft, das Wirkliche. 

George nimmt zu allen diesen Variationen die Rolle ein, 
welche Gökhe in den Wahlverwandtschaften dem Mittler er-» 
(heilt, der nach allen Seiten hin Rath giebt, der besonnen er« 
inäfsigt, vor jedem zu viel warnt, hier das Reelle, dort das 
Ideelle nicht will gefährden lassen upd der doch die tragische 
Collisipo nicht aufhalten kann/' 

Der Standpunkt HerbartB f i84t ist rorwiegend der 
die subjective Erfahrung kritisirende« Er trennt z. B. die 
systematische Entwicklung derjenigen Begriffe, welche, ab« 
gesel^n von der Realität, Wohlgefallen und Mifsfallen er* 
regen, als Aesthetik ron den übrigen philosophischen Zwei-^ 
gen, nimmt also die Wirkung der Begriffe auf das Subject, 
nicht die objective Wichtigkeit, zum Eintheilungsgrunde. 
Er scheidet die Philosophie in Logik, Metaphysik und 



— SM — 

A^sthetik und stellt wieder die Psychologie, Naturphilosophie 
und Religionsphilosophie als angewandte Metaphysik, die 
Tugend- und Pfliehtenlehre als Theil der Aeslhetik hin. 
Tritt schon hierin eine starke theoretisch - subjectiye Fär- 
bung hervor, so ist dies nicht minder in Ansehung der Auf- 
merksamkeit der Fall, welche er den einzelnen Zweiged 
geschenkt* Die Religionsphilosophie ist fast nicht, die Na« 
tul^hilosophie mit Ausnahme der Psychologie nur mehr ein- 
schliefsungsweise durch seine Schriften vertreten« Dazu hat 
er ausdrücklich von blosen Meinungen bei der Naturphilo- 
sophie und blosem Fürwahrhalten bei der Religionsphilo- 
sophie gesprochen und seine Schüler ^ haben, bei Bearbei- 
tung des letztern Zweiges, über ihn hinausgehen müssen. 
Das objective Werden hat an ihm keinen Freund gehabt^ 
W98 sich aus dem mächtigen Nachhall der Anstrengungen 
Kants für die Erkenntnifstheorie und einer nicht ungerech- 
ten Abneigung gegen naturphilosophische Schwindelei und 
gangbare Prozefskrämerei erklären dürfte. 

Die Hauptarbeiten Herbarts bilden demnach die allge- 
meine Motapfiysik und die psychologischen Schriften, wo 
er mit grofser Präcision und Schärfe die Prädication zu 
unterscheiden suchte. 

Die Metaphysik zerfällt bei ihm in vier Theile : in die 
Methodologie; Ontotogie, oder Lehre vom Realen; Syne- 
chologie, oder Lehre vom Stetigen der Materie und der 
scheinbaren Causalität^ Eidolologie, oder Lehre vom loh 
und seinen Vorstellungen und Bildern« Die Erfahrung 
macht er zur Grundlage und zum Anfange der Philosophie 
und die Metaphysik zur Wissenschaft von der Begreiflich- 
keit der Erfahrung. Zur Erfahrung kommt nämlich eine 
doppelte Skepsis : die niedere, welche fragt, ob die Dinge 
80 beschaffen sind, wie sie uns erscheinen, und die höhere, 
welche fragt, ob überhaupt etwas existirt. Diese Skepsis 
fordert die Umarbeitung der Erfahrungsbegriffe, d. h« die 
Hinausschaffung der Widersprüche, oder . widers{^pechf^den 
Merkmale oder Qualitäten, indem z. B. das Wasser bald 
Büssig, bald gefroren, bald dampfförmig ist. Solche Wider- 
sprüche finden sich Aach Herbart bei der Inhärenz, der Ver^ 
änderung, dem Ich. Die Vorstellung des Dinges mit meh- 



— ap- 
reren Merkmalen (welche das ProUem der Jnhärenz bildet) 
soll eine widersprechende sein, weil wir die Dinge nur an 
den vielen Merkmalen kennen, diese aber Eins sind, und, 
iheilweise oder ' ganz ^ hinweggenommen, das Wesen des 
Dinges zerstören, oder ganz aufheben, wonach die vielen* 
Merkmale Eins, das Ding sind, und damit eine Einheit her- 
auskommt, welche eine Vielheit ist, also ein Widerspruch. 
Im Begriffe des veränderlichen Dinges findet er Widersprü« 
che, mag die Ursache der Veränderung entweder eine in- 
nere oder aufseile sein. Nimmt man eine innere an, so 
kommt man auf eine Selbstbestimmung zur Wirksamkeit, 
. welche doch auch wieder einen Grund haben mufs, eine 
tiefer liegende Selbstbestimmung, u. s, w. in's Unendliche, 
Jede fordert wieder eine vorausgehende, keine kommt zu 
Stande, keine wird erklärt. PJimmt man eine äufsere Ur- 
sache an, so ist diese entweder als bedingt zu fassen, wo- 
mit man wieder in's Unendliche kommt, oder als Ursache, 
am deren Natur es gehört, zu wirken, die keiner äufsern^ 
Anregung mehr bedarf. Aber eiiie solche Selbstursache 
kann ohne das Leidende nicht gedacht werden, genügt sich 
selbst nicht, um das zu sein, was sie ist, erscheint dem- 
nach wieder abhängig von dem, was durch sie Leidendes 
sein soll. Nimmt man endlich eine Veränderung ohne Ur- 
sache an, ein absolutes Werden, so soll das Vorhergehende 
sich selbst aufheben, sein üegentheil werden, die eine Be- 
schaffenheit aufhören, die andre zugleich eintreten, wenn 
man die Stetigkeit des Werdens nicht zerstören will, oder 
es soll Ein Zeitpunkt das Aufhören und Anfangen, ein Sein 
und Nichtmehrsein, ein Sein und Nochnicbtsein umfassen. 

Das Ich hat Widersprüche, weil es als Quelle der Vor- 
stellungen eine Vielheit an sich hat. Ferner ist das indi- 
viduelle Ich vom reinen Ich zu trennen« Der Mensch kann 
als Ich denken und das Ich läfst sich von ihm denken, ajs 
Theil der Welt, wie als Abgesondertes. Denkt er sich 
rein,* so stellt sich das Ich sein Sich r Vorstellen vor, also 
das Vorstellen seiner als eines sich Vorstellenden in's Un- 
endliche. Demnach ist das Ich ein Vorstellen ohne Vor- 
gestelltes. ^Die Auflösung oder Bearbeitung solcher Wid^^ 



Sprüche betrachtet Herbart als Hauptau%abe der Metaphysilc. 
Und je eifriger er in Aufsuchung solcher Distinctiooen war, 
um so mehr trieb es ihn zu etwas Festem hin, zu einer 
Axe des dialektischen Räderwerks« Die itkepsis mufs ein 
Ende nehmen. Das Gegebene ist Tür Jeden nur so lange 
Schein, bis er bedenkt, dals bei allgemeinem blofsen Schein 
auch sein Scheinen zum Schein würde. Ja Herbart geht 
gegen die Skepsis weiter, als er mufs, da er im Allgemei- 
nen nicht zugiebt, dafs verschiedene Ansichten von yer-^ 
schiedenem Standpunkt gleich wahr sein können. Das Ding 
ist bei Herbart unbekannt, weil der Besitz und die Menge 
der Merkmale keine Antwort gebe auf die Frage i Was ist 
das Ding? Aber wir müssen doch annehmen, dafs es ist, 
weil nichts scheinen kann, wenn nichts ist. Unbekannt sei 
die Qualität des Seins, aber nicht darum der Begriff des 
Seins aufgehoben. So kommt Herbart auf das Beharrliche, 
das Reale, die Substanz, die Monas, Das wahrhafte Sein 
ist nun bei Herbart absolute Position und Einfachheit, den 
Bestimmungen der Quantität und. Vielheit unzugänglich. 
Da nun eine Substanz von der. andern nur durch eine Gruppe 
von Merkmalen unterschieden werden kann, so ist kein Rea- 
les an sich Substanz. Sondert man die Merkmale ab, die 
das Ding hat, so bleibt nämlich nichts. Der Complex der 
Merkmale erschien als das Ding. Da ober Schcij] auf Sein, 
auf Reales, weist, so verwandelt sich das dem Dinge mit 
seinen Merkmalen zu Grunde liegende Reale in einen Coni-^ 
plex von Monaden. Alle Qualität en der Dinge schrumpfeu' 
von diesem Standpunkte aus in Ues^ic Lungen einer leidens-. 
losen, unveränderlichen Monas ziaHömmco, m ein Spiel der* 
Störung, des Druckes gegen einanJür und der ScIbäterhaU 
tung. Das Geschehen fällt mit dem ßcslelion wider eine 
Negation zusammen. Die Monaden werden und rc rändern 
rieh nicht. Der Schein des Gegentheils entsteht durch die 
zufälligen Ansichten (einer Linie als Radius, Tagente, eines 
Tones als Octav, Septim etc.) und durch den intelligiblen 
Raum. Urtheile findet man unten. 

Schleiermachers philosophische Bedeutung ist in 
neuester Zeit stärker als frühen herausgetreten und hat zu 
den verschiedensten Betrachtungen geführt, nachdem $eiae 



- 2W — 

Werke durch den Druck in weiteren Kreisen bekannt ge- 
worden Bind* 

Die Philo Sophie erscheint bei ihm als Weltweisheit, als 
die Form gebe rin, in welcher sich Ethisches und Physisches, 
SpecuJatioji und Erfahrung zur Einheit verbinden, die über 
allen besondern Wissenschaften schwebende Centralwissen- 
Schaft, welche den innern Zusammenhang alles Wissens her- 
Torbringt. Sie zerfällt in Dialektik (Logik und Metaphy- 
sik), in Physik und Ethik, So hoch übrigens die Stellung 
der Philosophie bei ihm zu sein scheint, so wenig ist er 
geneigt, den Besitz dieser Wissenschaft uns zuzusprechen. 
Nur die relative Gestalt der Weltweisheit, nicht die abso- 
lute i^t uns erreichbar, denn das Wissen ruht auf dem 
StoSe (der Erfahrung) und der Form (der Intelligeuz), uns 
fehlt es aber an der vollständigen Production des Inhalts - 
aus der Vernunft, wie an der vollständigen Reproduction 
mit Hilfe des Gegebenen, an einem Wissen um die Totali- 
tät des Seins. Der Mensch bringt es nur zur Wissenschaft' 
liehen Kritik. 

Diese Kritik ist Schleiermachera Standpunkt geblieben« 
\n ihr war er, wie die Rahel treflFend herausfühlte, stets weit 
stärker, als in positiver Construction, dem passiv - weih- 
•liehen, aber auch s üb jectiv- auflösenden und darum um so 
gefühlsbedürftigeren Wesen der Romantiker entsprechend, 
ÄU welchen er auch als Philosoph seine Verwandtschaft be- 
hielt Daraus erklÜrE sich wohl auch der nur formelle Ap- 
parat der Beweisführung, welche in Antithesen zwischen fer- 
tigen Zuständen des Howufslseins ohne Reproduction ihrer 
Genesis sich bewegt (Fichte Zeitschr,. XI. S. 194, XV. 
S» 13C)). Die Kritik trieb ihn, die DialekUk wieder zu Eh- 
ren zu bringen^ 

Schellings Identitätssystem, bemerkt Weisse (Die philosophische 
. Literatur der Gegenwart in Fichtes Zeitschr. für Philosophie 
Jahrg. 1840 S. 276), hatte in seiner „intellictiiellen Anschau- 
ung^' auf alle eigentliche Logik sowohl als auch .Metaphysik 
verzichtet. Die Identität, deren Idee diese Philosophie' reali- 
siren wollte, war Identität der . Gegensätze, coincidentia 4)ppo- 
sitorum, überhaupt, also namentlich auch Identität der Ver« 
nunft- und Erfahrnngserkenntnifs, des Deakens und der An- 



— M8 — 

tchauttng. Darnm konnte sie dem Begrife einer reinen Vcr- 
nunfterkenntnife oder Denkwissentchaf^, wie nach der ehcmala 
davon gefafsten Vorstellung die Metaphyaik und die Logik sefo 
sollten, keine Giltigkeit zugestehen?- -Die ^lilosophische, die 
specnlative £rkenntni(8, als solche, bestand'ihr eben wesentlicli 
in der Identität des rationalen' und des empirischen Element« 
und war daher nothwendig the^ls Natur- theils Geschichtsphilo- 
iophie; ein Drittes über oder neben diesen beiden kannte sie 
nicht. Indem aber jene Philosophie sich solchergestalt die Auf- 
gabe stellte, die Natur- und Geschichtserkennlnifs zur philo- 
sophischen zu erheben, das empirische Element mit dem ratio- 
nalen, das reale mit dem idealen zu durchdringen, so bedurfte 
sie dazu wesentlich der Methode; und woher diese Methode 
nehmen, wenn eine reine logische Speculation, durch die sie 
hätte gefunden werden können, für unmöglich erklärt war? 
Der ursprüngliche Sinn des Systems ging unstreitig dahin, dafs 
der Begriff der Methode, als solcher, in jener intellectucllcn 
Anschauung enthalten sei, weliche zugleich der Ausgangspunkt 
und' das Endziel des' Ganzen sein sollte. Darstellen sollte sich 
die Methode nur durch die That, d. h. durch die wirkliche 
wissenschaftliche Ausfuhrung der speculativen Natur- und Ge- 
schichtsanschauung. Hier nun ist sowohl Schleiermach er^n, wie 
HegePn das Verdienst zuzuerkennen, dafs beide, unabhängig 
von einander, den Mangel erkannten, der das Identitätssystem 
nicht zur wissenschaftlichen Vollendung gelangen liefs. Aeu- 
fserlich betrachtet konnte man diesen IVl^u^^el nui als den Man- ' 
gel einer wissenschaftlichen JVIethodolo^i^j LezeittinL-n. Hegel 
oder seine Schüler haben in diesem Siune das U1ni>triatS3yst4:ui 
geradehin des Mangels der Methode bcscliuldiöt, was auf einer 
Verwechslung beruht, die jedoch in^iofern uiuhl qline Grund 
ist, als der Mangel der Methodologie noLliwendig eine grafsc 
Ünvollkomnienheit und Unsicherheit der Methode aiir Folge 
haben mufste. Allein der eigentliche Grund dei Mangels lag 
tiefer; die Mithodologic selbst war nicht ohne eine Wissen- 
schaft zu gewinnen, die in das gegenseitige VcrlKilrnifs de« 
Wissens und des Seins zu einander eine von dir aa!^L hauenden 
Betrachtung des Einzelnen in Natur und Geschichte u^jMyjn^ 
gige und dinier Betrachtung — der einzigen, welche das Iden- 
titätssystem für die wirklich philosophische und wissenschaft- 
liche hatte gelten lassen wollen — vorangehende Einsicht ge- 
währte. Auch das hat Schleiermacher nicht minder klar er- 
kannt wie Hegel; er hat daraus, gleich diesem, die notbwen- 
dige Ineinsbildung der Logik alt der uethodologifcheii Wifttea- 



Schaft mtc dtt Metapliyaik, als der Wissenschaft von den inner* 
sten Gründen des Wisien», gefolgert. „Die Kegeln dtt Yer- 
kniipfung des Wisscnsj so iioren wir ihn sagen (Dialektik S. 7)| 
wenn man eie wbsendcliafltlich besitzen will, sind nicht von 
den innersten Gründen du» Wissens zu trennen. Denn om rich- 
tig zu verknüpfen^ kann man nicht anders verknüpfen, als die 
Dinge verknüpft sind, wofür wir keine andre Bürgschaft ha- 
ben, als den Zusammenhang unseres Wissens mit den Dingen.^' 

Die Dialektik zerfallt hei ihm in einen transcendenta- 
len und in einen formalen Theil» In dem erstem unter- 
sucht er das' Wissen und stellt es als* Denken hin, welchem 

zwei Merkmale zukommen : erstens, dafs es Ton allen Denk- 
et ^ 

fähigen nothwendig auf gleiche Weise Torgestellt und be- 
griffen wird; zweitens, dafs es dem gedachten Sein ent- 
spricht, ein dem Sein der Objecte entsprechendes Erkannt- 
hab^n einschliefst« Den transcendentalen Grund für^ unsre 
Gewifsheit sowohl im Denken und Wissen, als auch im 
Wollen, haben wir nur in der relativen Identität des Den- 
kens und Wollen s, nämlich im Gefühl« Das transcenden- 
tale Denken fixirt Schi, als dasjenige, welches über jede 
'mögliche bestimmte Erfahrung und über jedes mögliche be- 
stimmte Denken hinausgeht, während es für alle wirkliche 
Erkenntnifs die Grundlage enthält. Die Grenze des Wis- 
sens und Denkens ist die Gottheit, weil bei ihr die Gegen- 
sätze zwischen Ideal und Real, Begriff und Ersqheinung 
nicht fitoUhaben, da sie erst die Gegensätze aus sich ent- 
wickelt, aber, weil zeillos, nicht in sie übergeht« Die Ge- 
sa mmtheit des auf das Denken beziehbaren Seins ist, nach 
Schlelerniachers Ansicht, das Reale, zu welchem das den- 
kende Sein auch gehört* Die Gesammtheit des auf das Sein 
beziehbaren Denkens ist das Ideale, wozu auch das den- 
kende Sein gehört. In diesem ist daher eine Identität ge- 
gebe%;^ Die Idee der Gottheit kann nicht gewufst, mufs je- 
doch Immer rorausgesetzt werden als die Identität von Denr 
ken und Sein. Im Gefühle ist uns die Gottneit immanent, 
ohne dafs unsre Selbstständigkeit aufgehoben, oder Gott 
Alles wäre, da er als Gegensatz der Vielheit und jedes Un- 
terschieds und jeder Begrenzung, nie mit der Welt iden- 
tisch,- sondern nur ihr Grund und Gegenstand des Theil- 



— -3W — 

habens sein kann* In unseren Gedanken ist dKe Gottheit 
immer als Einheit ohne Vielheit, die Weh aber als Vielheit 
ohne Einheit; die Welt räum- und zeiterfüHend^ die Gott- 
heit aber räum- und zeitlos; |ene die Totalität der Gegen- 
sätze, diese die reale Negation aller Gegensätze« Beide 
Ideen sind trai^scendenl;al, aber nicht in demselben Sinne. 
Es iäfst siqh denken, dafs wir in Besitz deS physischen und 
ethischen Systems nicht blos unsrer Erde, sondern jedes 
Weltkörpera kommen, wenn die Beschränkung unsrer Or- 
ganisation unter der Potenz der Erde wegfiele. Die ganze 
Geschiebte unsres Winsens ist eine Annäherung an die Idee 
der Welt. Dagegen können wir die Idee Gottes nie errei- 
chem, weil sie das Princip der Möglichkeit des Wissens 
ist, jedem einzelnen Wissen zu Grunde liegt. Das Inne- 
werden des Absoluten, das religiöse absolute Abhängigkeits- 
gefübl nähert sich der Indifferenz des Absoluten insofern, 
oder ist seinem Gegenstande adäquate Vermitllungsweise, » 
weil im Fühlen wir und der Gegenstand, das Subject und Ob- 
ject, das Wissen und Wollen, nichts Gegensätzliches haben. 
Man sieht schon aus dem Angeführten die isolirtere Stet» 
lung Schleiermachers, • 

,,Schellings Lelire, bemerkt Fichte (Zeitschr. 1846 S. 135) Mit 
Etezugn^hme auf die ebtn aa^efiibrtcT» LcliTsalzo 8cbieieniia- 
chers, hatte den Sell^stsel^ungsjuozcrii dua Ich zum Sclhstscbo-» 
pfungsprozesse des Absolnten im AU erbohep. Sa fr^jwjtno für 
Scbelling die Aüfj^abe alier Specuiadon sofort die Geatali, die 
„„Abkunft der endlichen Dinge aus dcni Absplutcn,^^^' da» 
Wcltwerden Gottes zu btgrtiftn ujid daraus die c!oncre,te Bc- 
stimnitbeit der Weltgegenaätze abiuleitcnj womit Btitic Potcn- 
zenlehre sich beschäftigt. In wie viden An&äLz^n der Entvvkk-* 
lung, Umgestaltungen und Vcrliefungen sciaei Principe Sebcl- 

' ling sich biebei versucht bat, nlle sind nur au» der Hcbe^ 
Icraft jenes Eioen Gruadgcdanken bctvorg^tricbi^ue äprogsuaget}, 
$chleiermacher hat sich volijg aufst^rlialb dickes Kreises ge- 
stellt. Seine Philosophie ist dadurch grund^^crscbicdt n grb lie- 
ben von dtJK Schelling^schen nicht nur, sondern von dem Cha« 
rakter der ganzen herrschenden speculativen Denkweise, dafs 
sie nirgends theocentrisch ist, noch es sein will, dafs ihi* daher 
auch die Construction der -Weltgegensätze aus dem Standpunkte 
des Absoluten, damit zugleich die Behauptung eines absoluten 
Wissens fern liegt, Schleiermacher hat sein Erkenntnilsprincip 



bis auf (Ite Wurxt;! von dem der beiden spatern Systeme ab- 
gfescliiedcti tibd aich an das Resultat des frühern Fichte sehen 
System es angeleimt. Ja Ansehung des ganzen Ergebnisses hat 
er BieU ebenso geschieden und läfst bei der entschiednen Nicht- 
ig entiitit den Vürwurf des Pantheism nicht aufkommen/^ 

Ueber Schleiermachers Philosophie handelten unter Andern : 
Jiil. Schallcr (Vorlesungen über Schi, Halle 1844); Wcifecn- 
born (Vorlesungen über Scheiermachers Dialektik und Dogma- 
tik, Leipz. l847) ; Baur in seiner Gnosis; Hartenstein (De ethi- 
ces a Schi, propositae fiindamento Lips. 1837 und in seiner 
Ethik); Thomson "(Die Schleiermachersche philosophische Grund- 
ansicht) ; Schwarz (Das Wesen der Religion IL 79); Rosen- 
kranz etc. 

Krause (f iö52) erklärt die Philosophie für de» Glied- 
bau der picht sinnlichen apriorischen^ also der der geschicht- 
lichen entgegengesetzten Erkenntnifs. Sie zerfallt in einen 
analytischen, oder subjectiren, rom Selbstbewufstsein zur 
Idee Gottes hinaufsteigenden Theil und in einen syntheti- 
schen, oder objectiven, vpn Gott zum Ich herabsteigenden» 

Im analytischen Theile betrachtet er als festen Anfang 
«nd archimedischen Punkt das Ich vor und über aller Thei- 
lang und Gliederujig iti und ati uns. Unter dem Ich ver- 
steht er den Organismus der innern Gliedungen, Vermögen, 
Thätigkeiten und Kräfte, Unter Vermögen den ewigen 
Grund des Lebens, d, h, der Aenderungen des Ichs; unter 
TlifitigUeit den g c s c h 1 c h 1 1 i c li e n Grund der letztern ; un- 
ter Kraft die begrenzte Erscheinung der endlichen Thätig- 
' keit. Uj^er dem Ich an sich Ein selbes, ganzes, bezügi- 
^es, sich selbst befassendes, exislirendes, harmonisches We- 
sen, Es hat wegen der Gottähnlichkeit alle Eigenschaften 
des Absoluten, oder Urweaens, au( endliche Weise an sich. 
Unler dem Ich in sich versiebt er Geist und LeiB und ih- 
ren Verein und das vor, über, ohne alle Zeit, vor und über 
unsrer innern Gegenheit und Vereinigung existirende Ur- 
ich. Die Vermittlung zwischen dem Urich tmd dem Ur- 
ganzen, Urgrund, Gott, bilden die Urideen. Die Natur 
nämlich, als die Gesamnitheit des Leiblichen, ist selbst nicht 
das ich, noch der Geist. Mittelst des Leibes. und d^r Na- 
tur gelangen wir zur Anerkenntnifs anderer Ich in der Er- 



— 302 — 

I 

•cfaeinung ihrer Leiber, ihrer Geberden und ihrer Sprache, 
weichen Ich wir ebenfalls einen Geist zuzuschreiben geno- 
thigt sind. Wir gelangen zur Anerkenntnifs einer Gesammt- 
heit von Geistern. Nun ergiebt sich, dafs die Natur nicht 
der Grund der geistigen Welt, noch diese der Grund der 
Natur ist* Natur und Geist bilden einen Gegensatz, somit 
eine Zweiheit, die eine ursprüngliche Einheit voraussetzt, 
durch die sie entstanden, und durch weiche sie und ihre 
Vermählung nur befriedigend erklärt werden kann. Diese 
Einheit ist aber nicht nur der Grund von Natur und Gejtfl, 
sondern noch etwas Selbstwesentliches, Ijreinheit ror und 
über diesem Gegensatze, Urwesen, indem die Einheit noch 
vor und über dieser innem Gegenheit und Vereinheit be- 
steht, sich nicht in dieselben, sich selbst aufgebend, auflöst. 
Gott ist also Tor und über Natur, Geist und ihrem^Vereine, 
welche letztere zusammen die Welt sind (Lindemann in 
Fichtes Zeitschr« XV. S. 72 f.). Wie das Urich und die 
Urideen alles Einzelne und Besondere, was e^cheinen und 
erforscht werden kann in sich fassen, so auch Gott. Aä 
ihm steht der Beweis still, da jeder Beweis rHacKweis des^! 
Grundes, oder eines höheren, tlad zu Beweisende als ein' 
Untergeordnetes enthaltenden Ganzen ist, Gott aber nichts' 
hinter oder über sich hat, da er das Ui»ch6te Gan^e, der all-; 
umfassende Urgrund ist« ^ 

Der synthetische Theil geht davon aus, dafs Alles iök 
unserem Bewufstsein Gottes befafst sei und wirft vor Allem!« 
die Fragen auf: was Gott an sich, in sich und insofern ist,; 
als er an, in und unter sich Gliedbau der Wesen und We-- 
senheiten ist? Krauses Antwort auf die erste Frage, be-k* 
merkt Lindemann, ist: Gott ist GoLt^ oder Wesen ist We- ' 
sen. Was unterscheiden wir an Gott oder Wesen? Golt 
i«t Gottheit,' Wesen ist Wesenheit (essentia <^ualJtäL), d. i. 
der Inbegriff (die Indifferenz) alles dessen, was Gott ist, ^ 
An der Wesenheit unterscheiden wir wiederum die Einheit' 
dieselben (unitas essentiae), wonach wir erkennen, dafs Gott 
iwfer das Absolute seiner Wesenheit nach Eines oder einig/ 
stetig, identisch, sich entsprechend, q|}er sich nichl^i^gr-. 
sprechend sei. An der Einheit Gottes wird nun wij^y^yimpi 
die Selbsthoüt (substantialitas, Subsistenz, Spontane^kl .und 



^ 303 — 

die Ganzheit (Quantität) untersckieden, für welche Rate- 
gorieen man gewöhnlich, sofern man sie ohne üegenheit, 
Begrenztheit denkt, die Unbedingtheit, ETnbegründetheit, 
oder Absolutheit und die Unendlichkeit Gottes sagU i3er 
Selbstheit nach ist also Gott das wahrhaft selbstheitliche, 
unbedingte, absolute Wesen, und nur Gott aliein ist abso- 
lut selbstständig, von nichts Anderem abhängig, durch nichts 
bedingt; der Ganzheit nach ist Gott das wahrhaft ganze d.i. 
unendliche Wesen, aufser welchem nichts gedacht werden 
kann« Beide Grundwesenheiten setzen einander voraus und 
sind stetig verbunden, und dadurch erhallen wir auch den 
Gedanken der Vereinheit. Die Einheit Gottes geht aber 
nicht in ihre innere Unterschiedenheit und Verbindung sich 
selbst verlierend auf, sondern bleibt noch vor und über der 
Selbstheit und Ganzheit und Vereinheit und in abheillich%r 
Oegenheit zu denselben bestehen und insofern neiint sie 
Krause die Ureinheit. - 

Die Wesenheit entspricht dem Was. An ihr unter« 
scheiden wir aber ai^ noch die Form, das Wie, d. i. 
dasjenige, wonach die Wesenheit ist* Diese Kategorie 
kann, wie alle vorhergehenden, weil ihnen das genus 
prosimum abgeht, niülit definirt, sondern nur an ihir 
selbst geschaut werden. Man JbezcichniH sie gewöhnlich mit 
l'Dsitioit, The^is.uiid Krause nennt sie die Satzheit, wonach 
Gott ob daa Eine, Satzige oder Positive geschaut wird. Da 
ntin Gott Einheit seiner Wesenheit ist, so ist auch die Form 
oder Sattheit der Wesenheit und deren untergeordneten 
Wesen heilen entsprechend. Wir unterscheiden daher auch 
die Einheit der Form^ die Formeinheit, d. i* die Zahlein* 
heit (unitas numerjca}^ wonach Gott auch der Zahl nach 
Einer und nicht 7wei etc, ist* Die Form der Selbstheit ist 
die des sich zu sich selbst Richtens oder Beziehens, daher 
*9ie Krause die Ricytiieit, ßeiugheit (directio, dimensionali- 
las) nennt. Die Form dei' Ganzheit besteht im Umfangen, 
Fassen, wefsbalb sie Krause die Umfangheit, Fafsheit (lati- 
tudn, ambitua) nennt Gcmäis diesen Grundwesenheiten ist 
Gott in^ Richtung zu sich selbst, und weil Alles in Gott ist« 
auch in Hichlung und Beziehung zu Allem; ebefiso befafst 
Gott siph äclbst und Alles. Beide Wesenheiten sind aber 



— 304 — 

an Gott verbunden und geben so die Formrereinheit. Die 
Wesenheit und die Form, das Was und das Wie, lassen 
sich wohl im Denken trennen, sie sind aber an Gott stetig 
verbunden, denn die Form ist ja selbst an der Wesenheit 
unterschieden worden. Die vereinte Wesenheit und Form, 
oder, um mit Krause zu sprechen „die satzige Wesenheit^^ 
ist aber das Sein, die Seinheit (existentia), wonach Gott un- 
bedingt daseiend, das unbedingte Sein ist« Da nun die 
Seinheit sich an der Wesenheit oder Gottheit findet, so ist 
nk}l dem Gedanken der Gottheit oder Wesenheit zugleich 
auch die Seinheit mitgedacht, und fällt somit die Frage 
nach dem Dasein Gottes als ganz überflüssig weg, indem 
der Gbttge danke schon die Seinheit oder Existenz einschliefst, 
und ohne dieselbe aufgehoben oder negirt wäre. Da nun 
die Seinheit die vereinte Wesenheit und Form ist, so ver- 
bindet sie auch die untergeordneten Wesenheiten beider« 
Die Weseneinheit und Formeinheit geben demnach in ihrer 
Verbindung die Seineinheit (unitas existentiae), wonach Gott 
einig und einzig zumal ist« Die yreinte Selbstheit und 
Richtheit giebt uns die bezugige, relative, oder Verhalts- 
einheit (Relation), wonach Gott zu sich selbst und zu Al- 
lem im Verhältnisse steht ; und sofern wir die Ganzheit und 
Fafsheit vereint denken, habiji wir die Gehahseiiiheit (ma- 
terialitas), wonach Gott sich sRlbst ü ehalt oder Inhalt ist 
und den ächten Gehalt aller Dinge ausmacht. Die Verhalt- 
und Gehaltseinheit vereint geben die Seinvereinheit^ Was 
von der Weseneinheit gilt, dafs sie als Lire in heil noch vor 
und über ihrer innern Gegejibeit und Vcreinheit besLeJit^ 
das gilt auch von der Form- und Seineinheit; es gicbt dem- 
nach auch eine Form- und Seinureinheit, wonach Gott auch 
als Urwesen vor und über der Welt Einer und nicht zwei 
und Urwesen, auch der Semurheit nach einig und ein-* 
zig ist* 

Alle diese bisher betrachteten Kategorieen sind an der 
Einen Wesenheit Gottes unterschieden worden, - sind darum 
die Mannigfalt- und Vielheit derselben. Alle§ Unterscheid- 
bare ist aber gegen ein Andres so beschaffen, dafs es das- 
jenige ist, was das Andre nicht ist und umgekehrt« Da- 
durch unterscheiden wir auch an der Wesenheit Gottes den 

Gedanken 



— »5 — 

Gedanken des Anderssein, der Gegenheit (Antithesis). Ge- 
mäfd dieser denken wir, dafs Gott als Wesenheit (Thesis) 
auch in sich die Gegenheit, Unterschiedenes ist« Die Ge- 
genheit ist also die eine innere Entfaltung der 'Einheit« 
Wir haben aber auch die entgegengesetzten Wesenheiten 
nicht alleinständig oder isolirt, sondern im Vereine gefun* 
den, woraus sich die Vereinheit (Synthesis) ergab, wonach 
alles in Gott Unterschiedene in inniger Vereinigung, in Ein- 
klang oder in prästabilirter Harmonie zu denken ist* Die 
Uebersicht dieser Grund Wesenheiten ist also folgende, wo- 
mit Krauses System der Philosophie S. 160. 368 f., seine 
Logik S. 55 f. 143 t und, seine Grundwahrh. d. Wissensch.. 
S. 195. 5o4 f« zu vergleichen sind : 



Wesenheit. 
Weseneinlieit 
. Wesenureinheit 

Selbstheit, Ganz- 
heit. 
Wesenvereinheit 



Formheit, 
Form- oder Zahl- 
et nheit 
Formtireinheit 
Richtheit, Fafs- 

heit 
Formvereihheit 



Seinheit, 
Seineinheit 
Seinureinheit 

Vcrhaltheit, Ge- 
haltheit 

Seinvereinheit 



Einheitliche Sa- 
tzung, thetis 

Gegenheitl. Sa* 
tzung^ antithe« 
sis 

Vcreinheitl, Sa- 
tzung, synthesis. 



Die Antworten Krauses auf die zwei andern Fragen 
lauten kurz : 

Gott ist i n sich Gegenwesen und Vereinwesen« Das 
Geistwesen, oder die Vernunft, und das Leibwesen, oder die 
JNatur, und beide durch Go^ unter sich und mit ihm, als 
mit dem Urwesen, vereint machen nämlich die obersten 
Glieder des Organismus der Dinge, oder der Welt aus. 
Gott als Gegenwesen ist d^s Einwesen in dem, nicht an 
dem die ""Gegenheit ist; er ist das Urwesen, der Schöpfer 
aufser und über der Gegenheit; er ist Vereinwesen, inso- 
fern das Selbst- und Ganzwesen sich rermählen. 



Auf die dritte Frage antwortet Krause : Gott ist der 
vollkommene Organismus als Wesen und als Wesenheit, 
Organismus wie Grund der Wesen und Wesenheiten* Au- 
iker dem analytischen und synthetischen Theile, deren erster 
da aufhört, wo der zweite anföngt, d« h« aufser der Meta- 
physik erscheinen bei Krause auch besondere Theile der Phi- 
losdpbie, worin sich das Spezielle entfaltet: die Naturphilo- 
Oumpotch, Dr. V. P«, Geschichte d. Fhiloiopbie« ^ 



«opilie, die Vernunriwissenschaft, die Vereinwissenscbaft, die 
Urwesenlehre* Aufserdem spricht er von einer Religions- 
philo8opkie, Sittenlehre, Rechtslehre und Kunstwissenschaft 
als Dtsciplinen, welche dem Leben am nächsten stehen. 
Seine Bearbeitungen dieser Zweige und seine. HauptljegriSe 
lassen sich aus seinem Alles beherrschenden Gedanken eines 
Organismus, oder Gliedbaues, leicht errathen.. Die Religion 
erklärt «r für den Verein des Lebens der Menschen mit 
dem Leben Gottes. Das Princip der Ethik lautet: sei gott- 
innig und ahme Gott im Leben nach! Das Recht erscheint 
als Gliedbau aller zeitlich freien Lebensbedingnisse des in- 
nern Selbstlebens Gottes und in und durch dasselbe auch 
des begriffsmäfsigen Selbstlebens und Vereinlebens aller 
Wesen in Gott. Die Kunst in ihrer Grundidee ist fbr Krause . 
die werkthätige Lebenskraft Gottes selbst* An sich , giebt 
es nur Einen Künstler, Gott. Er unterscheidet zwischen 
einem freien, selbstwesentlichen schönen Kunstwerk (einem 
Gedicht, einem Lebtn) .und einem Werk der nützlichen 
Kunst. Die höchste Kunst soll die Lebenskunst isein etc. 
Sein Verhältnifs zu Andern und das Hauptziel seiner Be- 
strebungen hat Krause selbst in der Vorrede zur Lehre 
TOm Erkennen ^angegeben. „Als Fichte einseitig bei dem 
Ich stehen blieb, sagt er, und Schelling, neben dieser von 
ihm theilweise anerkannten einseitigen Richtung, mit Geist ' 
die andere setzte, die einseitige Matur -Philosophie: so er- 
kannte ich, dafs hier die höhere Idee des Beiden und allen 
Wesen und Wesenheiten gemeinsamen Organismus und or- 
ganischen Harmonismus eintreten solle und< müsse. Dieses 
sah ich ein, als Schelliiig noch in jener Antithese befangen 
war. Jenes Princip des Organismus und des organischen 
Harmonismus, wie ich es bis zum Jahre i8o3 in meinen 
ersten Schriften dargestellt habe, ist ein höheres als alle da- 
Inaliofc ausgesprochene und ist zuvor nirgends so ausge- 
sprochen worden. Auch ist es viel höher und wesenhafter 
als der Krug^'Sche Synthetism etc.^^ Man sieht, dafs er selbst 
die meiste Verwandtschaft noch mit Krug zu haben glaubte. 
Sollte es zum Tadel kommen und bei ihm die Kategorie 
der Bewegung oder Genesis nicht hinlänglich vertreten sein, 
so möfste man ihn von dieser Seite angreifen und ihm, 



— 3«7 — 

> 

wie dien Synibetikern, wenigstens relativ.- Trialism rorwer- 
fen können. Ein Abrils des Krause^schen Systems findet 
sich in Reinbold Gescb. d. Pb. II. 

Zur Geschichte ißt Geschichtsphilosophie in Deutschland. 

X fiel den Bemerkungen zur Geschichte der Philosophie 
der Geschichte will ich den Faden wieder da aufuehmen, 
wo ich ihn oben fallen lassen mufste. 

Die ausgebildetsten einschlägigen Gedanken hatte unter 
den Kirchenvätern nächst Origenes Augustinus gehabt. Ihm 
ist die Geschichte ein Spiegel der Vorsehung. De vera rel. 
c. 46 sagt er: Quoniam igitur divina Providentia non solum 
singulis hominibus, quasi privatim, sed universo generi hu- 
mano, tanquam publice, consulit, quid cum singulis agatur, 
deus, qui agit, atque ipsi, cum quibus agitur, sciunt. . Quid 
autem agatur cum genere humano, per historiam commen- 
dari voluit et' per prophetiam. In der Mannigfaltigkeit der 
Erscheinungen suchte er nach einem Gesetze (Confess. III. 
i3)« Um die Momente dieses Gesetzes zu fixiren und zu 
unterscheiden, benützt Augustinus die Stufen des Menschen- 
alters als Analogieen, den Sündenfall als Trennendes* 

Im Mittelalter wurde sein Werk fleifsig gelesen. Der 
bedeutendste Vertreter der geschichts- philosophischen Rich- 
tung war Otto von Freising, 

' In der Vorrede zur Schrift über die Thaten Friedrichs 

sagt er: Nee, si a plana hisloriae dictione ad evagandum 
opportunitate nacta ad altiora velut philosophica acumina 
attolatur oratio, praeter rem ejusmodi aestimabuntur, dum 
et idipsum romani imperii praerogativae non sit extraneum, 
rebus simplicioribus altiora interponere. Nam et Lucanus, 
Vergilius caeterique urbis scriptores non solum res gestas 
sed etiam fabulosas, sive more pastorum vel colonum sumis^ 
sius vel principum dominorumque orbis altius narrando, 
stilum tam frequenter ad intima quaedam philosophiae se- 
creta attingenda sustulerunt. Sic enim non solum hi, qui- 
bus rerum gestarum audiendi seriem inest voluptas, sed et 
illi, quos rationuin amplius delectat subtilitatis sublimitas, 
ad ejusmodi legenda seu cognoscenda trahuntur. Man wird 

«0* 



— 308: — 

sich dabei erinnern, dafs in Virgil das Mittelalter einen Ver^ 
kundiger der Trinitäl (Eklog. 4- Vgl. Pescheck: ^xta twv 
fieXXoVTWv apud Komanos, Lips. 1846), einen Weisen, kurz 
weit mehr erblickte, aU wir. Auch Otto legt, wie Augu- 
stin, seiner Geschichtsanschauung die Idee des Staates Got- 
tes und des üualism zwischen den Kindern Gottes und den 
Kindern der Welt zu Grunde. Sein Fortschritt ist die Er- 
höhung der civitas dei (Chronic* Jib. IV. cap. 4.)* Gott 
liebt seine Werke, darum kommt nichts ohne seinen Wink. 
Alle Gewalten ordnet Gott an, wie vielmehr die Herrschaf- 
ten, durch welche er anderes Geringeres einrichtet. Das 
Böse ist an sich schädlich, aber für das Ganze von Nutzen. 
Der innere Mensch, nach dem Ebenbilde Gottes geschaflen, 
empfangt Stoff zur Aufsuchung der Wahrheit nicht blos 
aussen, in andern Geschöpfen, sondern auch innen, in ihm 
selbst, weil (Fsal. 4^ 7.) er das Licht des Angesichtes des 
Herrn über sich gezeichnet hat (Chronic. IIb, 7. prol.). 

Aus den spätem Geschichtschreibern ist Sebastian FrancU 
(Cj^ronica bis id3i ; Chronik des deutschen Landes i55ii| 
hervorzuheben, welcher, wie. kein anderer Zeitgenosse, doii 
Stoff dem Gedanken unterwarf. 

Aus dem iSton Jahrhundert müssen vor Allem Iseliu 
(Ueber die Geschichte der Menschheit 1764) und Herdrr 
(Ideen 1784) genannt werden. Der erste steckte sich d«s 
Ziel, den Fortgang der Menschheit von der äufsersten Ein- 
falt zu immer höheren Graden von Licht und Wohlstami 
nachzuweisen* Der letztere hatte bei seinem Gedanken an 
einen Bund der Humanität, wie später Krause beiib Gedan> 
ken des Vereins für das Ganzleben der Menschen (vgl. über 
Herder Kants Kritik in den Werken B. VII), bereits die 
Ideen Lessings vor sich, der in seiner Erziehung des Men- 
HchengeäcHkchtea (§, ß5) sagt: „Sie wird kommen, sie wird 
gcwjfs kommen die Zelt der Vollendung, da der Mensch, 
je übi^rzcngter sein Vorstand einer immer bessern Zukunft 
sich fühlet, von dieser Zukunft gleichwohl Bewegungsgründe 
zu seinen Handlungen zu erborgen nicht nöthig haben wird; 
da er dus Gute thnn wird, weil er das Gute ist, nicht weil 
willkürliche Belohnungen darauf gesetzt sind^ die seinen 
Hatterltuflcn Blick ehedem Mos heften. und stärken sollten, 



^ 301) — 

die innern bessern Belohnungen desselBen zu erkenneh.^^ 
Verwandter mit iselin erscheint Kant (Idee zu einer allg. 
Gesch. in wellbürgerlicher Absicht a, a. U.)i dessen Gc- 
schichts- Anschauung gleichfalls, wie die Schillers von der 
Idee des Fortschrittes zu Freiheit und Vernunft getragen 
war (S. meine allg. Literaturg. der Deutschen S. ,ö). 

Mit den Romantikern ScheJling, Görres (üeber die 
Grundlagen der Weltgesch. lÜJo), Novalis, Stutzmann (Phi- 
losophie der Gesch. der Menschh. ISürnb. 180O), Fr. Schle- 
gel (Philosophie der Gesch. 1829), Molilor Philosophie der 
Gesch. 1827 f.) tauchten die Gedanken an poetische Kepro- 
duction, Versöhnung endlicher Gegensätze, auf. Bei Schle- 
gel, Molitor, Görres erschien zuletzt die Verherrlichung der 
Kirche als Ziel und Ideal. Für die Philosophie haben diese, 
mit Ausnahme Schellings, nicht existirt. 

Von Fichte (üeber das Verhältnifs des Ur^taates zutß 
Vernunftreiche; Reden an die deutsche Nation) übernahm 
Hegel auch diese Arbeit und hat in seiner Philosophie der 
Geschichte nicht blos nach dem Urtheile seiner Anhänger 
C^gl. die Einleit. zu diesem Buche von Gans und die Schrift 
von Rosenkranz über Gesch. der Ph. d. G.), sondern auch 
seiner Gegner (vgl. Trendelenburg^ Logische Untersuchun- 
gen B. L S« 82) die Vorgänger überflügelt« Sein Grund-^ 
gedanke ist der, dafs die Geschichte die Explication des 
Weltgeistes sei, dafs die Geschichte den objectiven Geist 
vnit dem absoluten vermittle. 

Es ist bekannt, wie genau damit die besonders von 
Theologen verzerrte Immanenz zusammenhängt. Gregor 
▼on Nazianz (Orat. 28, 17; 5i, 13; Ritter VI. S. 95) sagt, 
dafs wir bei der Verehrung des h. Geistes in ihm uns selbst 
verehrten, Hegel sagt in der Philosophie der Geschitble 
(Werke IX S. i43 der A. v. 1837): „Dafs ein Mensch als 
Gott verehrt wird, namentlich ein lebcnJiger, hat etwas Wi- 
derstreitendes und Empörendes." Und Seite 555 ; „Dt^r 
Mensch ist nur insofern Gott, als er sich zu Gntt erhebt.-^ 
Auch nimmt Hegel, bei allem Forlschriitc, den er »Is ,,ßt?- 
wufstsein der Freiheit" charakterisirt, doch an, daft* der ab* 
solute Weltgeist in keiner einzelnen volkstljümliuhcji Stufe 



— 310 — 

seines yemünfti^en notwendigen Ganges, d. h. in keinem 
einzelnen Volke seine Totalität und U'niyersalitat erreiche, 
weil jedes durch physische Verhältnisse individuell und par- 
ticul^r wird, was dann die bekannte Forderung erzeugt, 
dafs die Mängel und Gegensätze der Endlichkeit auf dem 
Gebiete der Religion, Aesthetik und Philosophie dem . Ab^ 
.soluten abgestreift werden sollen, y%o der absolute Geist 
zum Wissen von sich als» solchem gelängen soll. Es scheint 
der HegePschen Philosophie der Geschichte besonders der 
Umstand gefahrbringend zu sein, dafs Hegel schon unsre 
Zeit (c) als letztes Stadium bezeichnet (S. 438)* Ist dies c 
falsch bezeichnet, so können auch b und a nicht ganz rich- 
tig gefafst sein und die ganze Reihe fällt zusammen. In 
Ansehung des Einzelnen wäre gleichfalls Vieles zu bemer- 
ken. Unter Anderem fallt es auf, dafs der Philosoph Pro- 
testant war und die Lehrsätze nicht genug von der Praxis 
unterschied (S, 385 f.). Derselbe Vorwurf des Abschliefsens 
mit der eignen Zeit trifft übrigens auch die Hegeische Ge- 
schichte der Philosophie. Die. Wurzel hievon ist eine drei- 
fache« Erstens die Üeberschätzung der Gegenwart, worin 
Hegel mit Andern zusammentrifft. Denn auch Rixner be- 
zeichnet z. B. die Erscheinungen Schellings und Hegels als 
Vollendung der Philosophie, als absolute sich selbst begrei- 
fende Wissenschaft. Zweitens die Innigkeit, womit unsre 
klassische Periode ihre Probleme und Leistungen betrach- 
tete, wovon wenige der Jetzigen einen klaren Begriff haben. 
Drittens das nicht leere Gefühl, dafs wirklich eine grofse 
Periode abgelaufen, ein Gefühl, das auch solche theilen, die 
über jene Zeit hinaus wollen. 

„Wir sehen, sagt z. B. Chalybäus (Histor. Entwickl. S. 450), wie 
mit Hegel ein weiter Abschnitt der Geschichte iin Reiche 4et . 
Geistes zu Ende gelaufen ist und erkennen ihn in dieser Be» 
xjcliung als den Vonführer einer grofsen philosophischen Ver- 
gangenheit an^ wie denn auch sein philosophisches Bewufstsein 
ala ein H'ickv^arts auf die Vergangenheit, nicht auf das Sein- 
Hüllen diS dir Zukunft, hingewendetes sich selbst ausspricht: 
^,,^ErM in der Reife der Wirklichkeit erscheint das Ideale dem 
Realüti D4fgenuber und jenes erbaut sich dieselbe Welt, in ihrer 
Siibii^taax urfafät, in Gestalt eines intellectuellen Reiches. Wenn 
die Philosophie ihr Grau in Grau malt, dann ist eine Gestalt 



— 311 — 

det Lebens alt geworden, und mit Grdu io Grau lafst »ie sich 
nicht verjüngen, »ondern nur erkennen; die Eule der Minerva 
beginnt erst mit der einbrechenden Däunnerung; ihren Flug.'*'^ 

Der historische Zug der Gegenwart hat sich besonders 
aaf dem Gebiete der Geschichtsphilosophie geltend gemacht« 
Sie ist fast auf alle philosophischen Zweige von grofsem 
Einflüsse gewesen, besonders auf die Religionsphilosophie« 
Man könnte z. B* Schellings» positive Philosophie als reli« 
giöse Geschichtsphilosopiiie betrachten. Und jener Zug ist 
auch Hauptfactor auf dem nächstfolgenden Gebiete. 

Zur Geschichte der Sprachphilosophie. 

Wir haben oben die Sprach philosophie gleichfalls beim 
Alterthum verlassen. Im Mittelalter hielten die Erklärua-» 
gen der Schrift ncQi eQ/Lir^veiag» die theologische Exegese, 
die Frage über die Attribute Gottes, der Nominalismus, wel- 
cher die Logik auf die Grammatik gründete, das Studium 
der lateinischen Gelehrtensprache bei Arabern, Juden und 
Christen manche Fragen wach« Ich erinnere z. B. an die 
Stelle aus der Chronik Ottos VIIL 34: Sicut enim nomina-^ 
tivus apud grammaticos frequenter substantiäm sui, sie ab- 
lativus Tel nominativus. ex parte praedicati semper qualita- 
tem ejusdem nominis innuit. Ut cum dico „Martinus est 
homo^^ nou praedico secundum logicos hoc, sed ex hoc, 
sicut e conrerso cum dico „homo currit^^ non subjicio ex 
hoc, sed hoc. Einen andern Factor sieht man bei Ahron 
b. Elia ausblühen etc«^ Die Humanisten nahmen den specu- 
lativen Faden aber nicht auf. Es fehlte bis auf die neuere 
Periode an der vollen und wahren Fülle aller derjenigen 
begünstigenden Umstände, welche dem Alterthume zu Stat- 
ten gekommen. Die Berührung mit den Völkerschaften des 
persischen Reiches, die daraus entspringende Huudo inehie- 
rer lebender Sprachen, leistete z* B. damals ciuem Demo- 
krit Vorschub. Aehnlich haben erst allmähJi^ die tiefer 
dringende Bekanntschaft der Reisenden niii lebenden aus- 
ländischen Sprachen und das Interesse der Beherrtichcr ver- 
schiedener Volksstämme mannigfaltige Anregung xu »U^e- 
meinen sprachlichen Betrachtungen gegeben. Maa kuiin 



— 512 — 

hier an den Hof der Czarin Katharina jind an die PlSne 
eines Wilke, Leibnitz, Halmar, ^ielhhammer etc. zu Pasi* 
graphieen und Ideographicen zum Behufe leichterer Mit<- 
theiiung erinnern. Uie dialektischen Mühen der Eleaten, 
die Anstrengung, eine philosophische Sprache zu gebären^ 
der Gipfelpunkt der hellenischen Dichtkunst und Beredsam» 
keit blühten ferner dort in die Ergebnisse der Sophisten 
au«, welche von Piaton und den Piatonikern, yon Arlstote* 
les und den P»eripatetikern, von der Stoa weitergeführt wur- 
den. Die genaue Erforschung der Mythologie, die Zer- 
legung und Recension der klassisch - dichterischen Werke 
bilden endlich den Uebergang zur alexandrinischen Philo- 
logie, Bei den Römern, die auch hier Schüler der Grie- 
chen sind, wird der Zug noch durch Ergründung der Anti- 
quitäten und des Rechtes vorzugsweise verstärkt, wobei sie 
den Vortheil hatten, dafs ihnen, nach, eingetretener Bekannt- 
schaft mit den Griechen und unler der überwältigenden 
Macht einer fremden Literatur, ihre eigene Vergangenheit 
weit objecliver wurde, als' den Hellenen die ihrige. Und 
so sind es auch in neuester Zeit Philologen, Archäologen, 
Geschichtschreiber, Theologen jund Philosophen, welche zu 
einem gröfseren Resultate zusammenwirkten. Die Behaup- 
tung des göttlichen Ursprunges der Sprache (Süfsmilch, 
Versuch eines Beweises, dafs die erste Sprache ihren Ur- 
sprung nicht von Menschen, sondern allein voiä Schöpfer 
erhalten habe, Berl. 1766) regte die Rationalen, wie Herder 
(Abhandlung über den Ursprung der Sprache 1772), J. N, 
Teten^ (Ueber den Ursprung der Sprache und Schrift, But- 
zow 1772), D. Tiedemann (Versuch einer Erhlärung des Ur- 
sprungs der Sprache 1772), auf. Aufserdem tritt aber bei 
ihnen auch bereits* die Anregung durch den ästhetisch- phi- 
losophischen Umschwung und das Polyglottenstudium jener 
Zeit heraus, welches endlich in die vergleichende histori- 
sche Grammatik ausblühte, deren gröfste Vertreter Bopp, 
Pott, Grimm und F. Diez geworden sind. Und man wird 
die genannten Factoren bei Bernhard! f 1820, Jochmann 
(Ueber die Sprache, Heidelb. 1828), Fr. Schlegel, Becker 
(d^r sich in seinem Organism dar Sprache 1827 auch von 
Philosophen wie Trendelenburg in den logisch. Untersuch- 



— 813 — 

nngen I. 3 16 anerkannte Verdienste um die organische Auf- 
fassung der Syntax erwafb') etc. etc. leicht herausfinden. 
Bei keinem haben sich aber alle zur Sprachphilosophie er- 
forderlichen Voraussetzungen in solch* hohem Maase,^ in 
solch inniger Vereinigung gefunden, als bei /^ i^. Hum» 
boldt. Sein rertrauter Umgang mit Schiller und Göthe, 
•ein herrorragender Ernst in Pr&fung dichterischer Erzeug* 
nisse, woFon seine Schrift über Göthes Hermann und Doro- 
tbea allein schon vollgültiges Zeugnifs ablegt, seine eigene 
dichterische Fähigkeit und damit verbundene Erregsamkeit, 
sein anhaltendes und mit Liebe gepflegtes Studium der kan- 
tischen Philosophie, seine gleichmäfsige Bekanntschaft mit 
den abendländischen und morgenländischen lebenden Spra- 
chen, wie mit der klassischen Philologie, wo er mit den Er- 
sten gieng und von ihnen, wie von F, A. Wolf, geschätzt 
war. Alles hat zusammengewirkt, um ihn zum gröfsteu 
Sprachphilosophen unserer Zeit zu machen. 

Es erschienen von ihm 1817 Zusätse und Berichtigungen zu Ade» 
lungs Mithridates; 18^4 eine Schrift über den Dual; 1836 — 39 
tein'^erk über Kawispraohe; I84l f. eine Gesainmtausg. sei- 
ne» Werke. 

Schlesier, Erinnerungen an W. t. H. StuUg. 1843 f.; Max 
Schasler, die Elemente der philos. Sprachvirisscnsch. W. v. H. 
aus dessen Werk über die Verschiedenheit des menschlichen 
Sprachbaues und ihren Einflufs auf die geistige Entwicklung 
des Menschengeschlechts^ Berl. 1847 ; Steinthal, die Sprachwis* 
sensch. H. eb. 1848. 

Einige Ansichten Humboldts sind bereits oben gegebea 
worden« Hier ist nur noch eine Andeutung seiner Princi- 
pien gestattet. Die Sprache betrachtet er als die Realisa-, 
tion des Geistes durch die drei Sphären des Allgemein^ 
menschlichen, des Nationalen und Indiriduellen. Das Ziel 
ist das Sprachidtal, die Idee der Sprachrollendung. -^^m. 
erblickt, sagt er, in der Sprache das Streben,^ der Idee der 
SprachyoUendung Dasein in der Wirklichkeit zu gewibnen. 
Diesem Streben nachzugehen und dasselbe darzustellen, ist 
das Geschäft des Sprachforschers. Das Sprachstudium be« 
darf dieser vielleicht zu hypothetisch scheinenden Ansicht 
durchat^ tficht als einer Grundlage« Allein es kann und 



— «4 — 

muff dieselbe alt eine Anregung benutzen, zu versuchen^ 
ob sick in den Sprachen ein solches stufenweis fortschrei- 
tendes Annähern an ^ie Vollendung ihrer Bildung entdecken 
läfst. Wenn man die Sprachen genetisch als eine auf einen 
bestimmten Zweck gerichtete Geistesarbeit betrachtet, so 
fallt es Ton selbst in die Aug^n, dafs dieser Zweck in nie« 
drigerem, oder höherem Grade erreicht werden kann. Mam 
kann nicht umhin, jede einzelne Sprache als einen Versuch, 
ein inneres Bedürfnifs der Menschheit auszufüllen, zu be<* 
trachten, und es läfst sich annehmen, dafs die sprachbilden de 
Kraft in der Menschheit nicht eher ruht, bis sie, sei es ein- 
zeln, sei es im Ganzen, das hervorgebracht hat, was den 
zu machenden Forderungen am meisten und am vollständig- 
sten entspricht. Die in dem Laufe der Jahrhunderte und 
in dem Umfange des Erdkreises dem Grade und der Art 
nach verschiedenartige Ofienbarwerdung der menschlichen 
Geisteskraft ist das höchste Ziel aller geistigen Bewegung, 
die letzte Idee, welche die Weltgeschichte klar aus sich her- 
vorgehen zu lassen streben mufs« Wenn man nicht auf alle 
Entdeckung eines Zusammenhanges der Erscheinungen im 
Menschengeschlecht Verzicht leisten will, mufs man auf ir- 
gend eine selbstständige und ursprungliche, nicht selbst 
wieder bedingt und vorübergehend erscheinende Ursache 
jKurückkommen. Dadurch aber wird man am natürlichsten 
auf eiii inneres, sich in seiner Fülle frei entwickelndes Le« 
bensprincip geführt, dessen einzelne Entfaltungen darum 
nicht in sich unverknüpft sind^ weil ihre äufsern Erschei- 
nungen isolirt dastehen. In der Sprache selbst unterschei- 
det femer Humboldt zwei constituive Prinzipien: den in- 
nern Sprachsinn und den Laut. Der erste ist das die Spra- 
che .von Innen heraus beherrschende, überall den leitenden 
Impuls gebende Prinzip». Der Laut würde an und für sich 
der passiven. Form empfangenden Materie gleichen. Allein 
vermöge der Durchdringung durch den Sprachsinn in un- 
articulirten umgewandelt und dadurch in untrennbarer Ein- 
heit und innerer gegenseitiger Wechselwirkung zugleich eine 
intellectuelle und sinnliche. Kraft in sich fassend wird er zu 
dem in beständig symbolisirender Thätigkeit wahrhaft und 
scheinbar s^ar selbaiständig schaffeMen Prinzip der Sprache. 



Zar Getcliichte der Spracbphtlotopbi^ baben BeHrlge getiefert : 
S. Vater, Ueberticht des Neuesten, wat für Pbilotopbie der 
Sprache in Deatschl. gethän worden, Gotba 1799; Löwe, histo«' 
riae crit. grammatices unirersalis •• pbilosophicae lioeamenUi 
Presd. 18^9 ; Heyte o, A. 

Zur Geschichte der Aesthetik. 

In Ansehung der Dichtkunst lassen sich nach Aristo- 
teles rier Hauptpenoden unterscheiden : die römische mit 
Horaz, Quintilian etc. ; die philologische mit Robortellis und 
Vittorio's Commentaren zur aristoteKschen Poetik, mit Hein* 
sius (De constitutione tragoediae), Isaak Vofs (De ^rtis poe- 
ticae natura 1647) dem exclusiven Formalisten Scaliger, 
Opitz etc«; die klassisch -französische mit Boileau, Batteux, 
Breitinger, Gottsched, von denen übrigens der rorletzte 
auch englische und antik -philologische Bildung geltend 
macht; endlich die klassisch <- deutsche mit Lessing, Göthe, 
Schiller, W. Humboldt, Herder, W. Schlegel, Tieck, Nova- 
lis, Hölderlein, 3, Paul, Rüge, Rötscher, Gutzkow, Mundt, 
Wienbarg etc. Bei einem andern Zweige der Aesthetik, 
der Theorie der bildenden Künste, kann man mit O. Mül- 
ler (Handb* der Archäologie der Kunst) vier Perioden un- 
terscheiden, da das Wachsthum dieses Zweiges erst mit dem 
Studium der Antike möglich war: die antike, wo theils 
Künstler mit Regeln und Betrachtungen hervortreten, wie 
M. Vitruvius Pollio, ohne jedoch dieselbe Bedeutung auf 
ihrem Gebiete zu haben, welche auf dem vorhergehenden 
ein Aristophanes oder Horaz hatte, theils Periegeteu, wie 
Pausanias, theils rhetorische Compositionen, wie die des Phi- 
lostratos, Libanios, Lukian, theils gelehrte Sammler, wie 
Plinius; femer die Periode des Enthusiasmus der Dichter 
und Künstler von i45o — 1600, in welcher auch Durer Techr 
nisches schrieb; dann die antiquarische mit Pietro Santi 
Bartoli, Junius u« A«; endlich die wissenschaftliche mit Win» 
kelmann. Lessing, Heyne, Viscontii Zoega, Miliin, Gölhe, ' 
Meyer, Rumohr, Kugler, Schnaase, Hotho etc. Dm letzt* 
geborne Kind war die Theorie der Musik und die ästhe- 
tische Auffassung und Gliederung ihrer Formen. Rochlitz, 
Krause u« A« fanden hier endlich einen Abschhiff in Hand*s 



— 3W — 

Ae0ihetik der Tonkunst (i84o> Schon früher hatte ^ man, 
Torzu^sweise auf die Dicht- und. bildende Kunst gestützt, 
allgemeine ästhetische Begriffe zu gewinnen gesucht. Bat- 
teux, Baumgarten, Hatcheson, Hogarth, Burke, Hemsterhuis 
regten an. Winkelmann und Lessing legten reale Funda- 
mente;- Kant revidirte den speculativen Theil; Schiller wurde 
der Vorläufer der romantischen Schule mit Solger an der 
Spitze; auf ihn folgte die Hegeische Schule mit Rüge, Wei- 
fse, Vischer, Kahlert, Zimmermann etc., welche aber alle 
über Hegel hinausstrebten. Daneben machten sic^h aber 
noch manche andre Elemente geltend, wie die Einsicht der 
Schriften von H. Ritter, Trendelenburg, Lotze etc. zeigt« 
Von einem Erfolge im Aufbau der Aesthetik als Wissen* 
Schaft konnte erst in neuester Zeit die Rede sein. Denn 
¥rie eine klassische.Periode^ der Musik, neben gründlicher 
Erforschung der musikalischen Vergangenheit und neben 
der Fülle einer feinausgebildcten yielgeübten , Sprache, der 
Aesthetik der Musik, wie ferner der Poetik das Studium 
^der Dichteruatur und der mcfnschlichen Nalur überhaupt, 
neben gediegener Erforschung der Poesie aller Zeiten, wie 
endlich der Aesthetik der bildenden Kunst die Blüthe phi- 
lologischer und kunstgeschichtlicher Bemühungen voraus« 
gehen mufsten — so der Aesthetik, als Gesammtwissenschaft, 
Alles, rerbunden mit grofsen neuen metaphysischen An* 
atrengungen. Zu diesem historischen und speculatiren Auf- 
schwünge mufste sich endlich die eigenthümliche Erregung 
gesellen, welche grofse Epochen der Kunst und Literatur 
zu begleiten pflegt und die Herzen und Geister lockert, 
feinfühlend und empfänglich macht. 

Im Speziellen sei hier nur noch Hegels Anschauung 
ein Blatt geweiht, indem ich zum voraus auf andre Hilfs- 
mittel verweise« 

Werke über di^ antike Aesthetik sind bereits oben aufgeführt 
worden. In Ansehung der neuern mufs man sich mit den An- 
deutungen in Solgcrs Vorlesungen über Aesthetik (Berl. 18^9), 
in Yischers Aesthetik (I. B. 1846), in Kahlert^s Aesthetik (1846) 
und Kritiken behelfen. Unter den letztem seien hier die von 
Zimmermann über Yischers Aesthetik in IVoacks <* Jahrb. 1846. 
S. 199) von Danzd (Ueber ^ea gegenwärtigen Zustand der 



Philosophie der Kunst in Fichte^s Zeitschr. für Philosophie 
B. XII. S. aoi. XIV. 161 f.; XV. S, löl; Ueber Hegels Aest- 
hetik, Hamb. 1844) aagcfuhrt. Er weist nach, wie Kant der 
Gründer einer abgesonderten Kunstphilosophie dadurch gewor- 
den, dafs er die Natur der Lust am Schönen, die bis auf ihn 
nur quantitativ, als eine feinere, von der sinnliclien unterschie-« 
den wurde, genau bestimmt hat, (wobei übrigens auf die vie- 
len Berührungspunkte zwischen Baumgarten und Kant Rück- 
sicht zu nehmen ist, die Erdmann II. 1, S. 3^1 f. durch Pa- 
ralleüsirung des ästhetischen Wohlgefallens ohne klare Erkennt- 
nifs bei Baumgarten mit dem Schönen ohne Begriff bei Kant 
etc. nachweist); wie Schiller (der übrigens spater auch unter 
dem Einflüsse Fichtes gestanden, wie J. H. Richte in der Vor- 
rede zu Schillers und Fichtes Briefwechsel zeigte) auf tiefer 
Erwägung der KantVhen Grundbegriffe fufst,^ und wie Kanf 
von Niemand so gründlich verstanden und sachgentäfs überschrit- 
9 ten worden ist, als von Schiller; welche Rolle auf diesem Ge- 
biete Fichte, Schclling und Hegel gespielt. Die nicht geringe 
Bedeutung Solgers erkennt er wie Vischer (Aesthetik) an etc. 

Solger war der bedeutendste Vorläufer der Hegeischen 
Aesthetilt, deren VVertli wiederum nicht abzuläugnen ist, 
wenn auch selbst Hegelianer, wie Rosenkranz (Berliner Jahr- 
bücher für wissensch. Kritik iSSg Nr. 49 S. 387 f.), viel an 
ihr auszusetzen wissen, die Gegner derselben Gewichtiges 
vorgebracht, wovon unten ein Beispiel gegeben werden soll, 
und Hegel selbst für diesen Vorwurf eine nicht genügende 
Erfahrung und gleichmäfsge Kenntnifs aller Kunstzwejge, 
nicht die erforderliche Stärke des Gefühls, der Phantasie 
und (nach seinen eignen Gedichten und seiner romantischen 
Richtung zu schliefsen) auch keinen hinlänglich geläuter- 
ten Geschmack besessen haben sollte. 

Hegel zieht die Aesthetik in die Lehre vom absoluten 
Geiste. Der Geist soll von sich, als dem absoluten Geiste 
und als der wirklichen Wahrheit, wissen« Dies geschieht 
durch Aufhebung des subjectiven und objectiven Geiites^ 
als einzelner Momente, zur Identität undx Realität« Diese 
Aufhebung, oder dieses Wissen der absoluten Substanz von 
sich selbst, hat drei Gestalten oder Stufen. Die unmittel- 
bare Erscheinung dieses Wissens ist die Form der Schön- 
heit. Sinnlich- sich erscheinend ist der absolute Geist, oder 



-- 918 -* 

Gott, im Schöoe, die KwMt, die EiaWil rem GeitI und 
Natur, die Atmiimmang vnd VoratelhiBg eeiner telbsl, als 
dea Idealea. Seiae Svbjediritit, aein BewvfälaeiB hat das 
Ab§ehAe Uer avr io der Begeiatenuig des Kfinatlcrs, ibk 
Triebe dea Genlea* Die Kmiat prodaeirt wie bündliiiga, 
d, li. lumittelbar. Die Idee der Schönheit nnd ihr Erzeng- 
nüa aind noch nnnuttelbar eina, die Idee ist noch nnnuttel- 
bar ainnlich eraeheinend. Daa Schöne iat das Scheinen der 
Idee dnrch daa ainnliche Medium, die Wirklichkeit der Idee 
in der Form begrenzter Eracheinnng» Die Kooat hat den 
Bermlf daa Wahre, wie ea im Geiate ist, seiner Totalitat 
nach mit der Objectiritit nnd dem Sinnlichen reraöhnt, vor 
die sinnliche Anschauung zu bringen« Ideal ist die aus dem 
Geiste gebome concrete Gestalt, in welcher die natürliche 
Unmittelbarkeit nur ab das Zeichen der Idee erscheint und 
zu dem Ausdrucke derselben durch den einbildenden Geist 
so rerklart wird, da(s die Gestalt sonst nichts Andrea dar* 
atellt. Daa Schöne zerfallt bei Hegel in drei Arten: das 
einfach Schöne, daa Erhabene und das Komische. Factorai 
derselben sind der Geist und der Stoff. Nach der Art der 
Vertheilang zählt er drei Hunstformen auf: die symbolische, 
wo der Stoff fiberwiegt; die klassische, wo das Ideal und 
der Stoff gleichmäTsig wiegen, einander entsprechen; die 
romantische, wo der romantische Geist überwiegt. Die er- 
ste strebt die objectire Seite des Absolnten, die zweite das 
Absolute selbst, die dritte die subjective Seite des Absolu- 
ten darznstellen; Es hat diese Üreitheilung ihre Wurzel in 
jenem Auseinanderfallen der Totalität, welche das Absolute 
seiner Wahrheit nach ist, im Momente, welches bei der 
Darstellung des Wahren im Elemente der äufserlichen Rea- 
lität der Kunstgebilde eintritt; in der Unterscheidung des 
Absoluten ab solchen, wo Subject und Object verschmolzen 
sich zeigen, von dem Objectiren als solchem, der Erschei- 
nung als Kleid des Subjectiven, und ron dem Subjectiyen 
fis solchem, dem Gemüth als geistigen Inhalt. 

Mit der symbolischen Kunstform setzt Hegel die Archi- 
tektur in Verbindung, weil in dieser der sinnliche Stoff 
noch überwiege, und findet in ihr vorzugsweise den Cha- 
rakter der Massenhaftigkeit, des Ernstes, der Erhabenheit. 



— SI9 -i- 

i 

Die Sculptur ist Üebergang rom Unorganischen zum Orga* 
nischen. In ihr bleibi kein Rest ron Stoff und sie müfste 
also vorzugsweise den Charakter des Klassischen an* sich 
tragen, • während die Malerei vorzugsweise dem Romantik 
sehen entspräche* Die Musik verläTst die sinnliche Anschau- 
ung, ist ausschliefslich Sache der Empfindung, die subjoc-. 
tivste Kunst. Die Poesie ist endlich die allen andern ent- 
sprechende Kunst, denn sie entspricht als Epos der bilden- 
den Kunst, als Lyrik der Musik, als dramatische Kunst bei- 
den. Insofern als Malerei, Musik und Poesie zugleich deii 
romantischen Künsten zugewiesen werden, liegt ihr Unter- 
schied darin, dafs die erste die objective, Me zweite die 
subjective, die dritte die absolute Darstellung der subjecti- 
ven Seite des Absoluten hat. 

Weirse (Fichtes Zeitschr. X. B. 1843 S. 64) hat dieser Einord- 
nung der Aesthetik, dein wichtigsten philosophischen Punkte, 
den nicht ungcgrundeten Vorwurf gemacht, dafs hiebe! eine 
Vennischiing der Principien stattgefunden. Hegel habe näm- 
lich in den Begriff des absoluten Geistes als solchen, der, nach 
der eigentlichen Consequenz seiner speculatlven Gedankenent- 
wicklung streng genommen, nur die „Idee im Element des rei- 
nen Denkens^^ enthalten sollte, jenes substantielle Element, das 
Absolute der „Anschauung'^ und „yorstellung,^^ also die Sphä- 
ren der Kunst und der Religion eingeschoben. „Dafs das Ab- 
solute überhaupt, der „„absolute Geist," *' auch im Elemente 
der Anschauung und Vorstellung als Absolutes zu sein und er- 
fafst zu werden vermöge : diefs, sagt Weifse, ist in Hegels Sy- 
stem durchaus fUr nichts anderes zu nehmen, als für ein von 
dem Begründer desselben den Anforderungen des religiösen und 
des künstlerisch productiven Geistes selbst, deren wohlbegrün* 
detep Rechten die gesunde Organisation des seinigen die ge» 
bührende Anerkennung nicht zu versagen vermochte, gemach* 
tes Zugeständnifs. In dem Princip seines Systemes war von 
vorn herein nur das Element des reinen Denkens als dasjenigt 
gesetzt worden, in welchem das Absolute, der absolute Geist^ 
er selbst und bei ihm selbst ist Die Consequenz dieses Prin- 
cips hätte verlangt, Anschauung und Vorstellung, wie sie ur- 
sprünglich als solche bezeichnet waren, so auch bis zuletzt nur 
als Trübungen der Idee, als Gestaltungen ihrer Aeufserlichkeit 
und Vcrendlichang, kurz als das der absoluten Idee an und für 
sich Inad&quatt zu bezeichnen. Damit aber wärej wie Jeder 



— aw — 

sieht, die M5gliclikeit soirolil der Kunsl^ als aticb der positirf n 
Religion aufgehoben worden; die Philonopliie, die reine Denk- 
, Wissenschaft, wäre als das einzig -mögliche Organ stehen ge- 
blieben, wodurch der Mensch das Absolute erfassen, oder wo- 
durch die Idee sich eine ihr entsprechende Wirklichkeit zn 
geben vermag.*^ 

Rechtsphilosophie in Deutschland. 
Bei den Scholastikern, wie Johann von Salisbury, Tbo- 
inat Ton Aquino, Occam, Buridan, Cues etc. , hatte sich un- 
ter dem Einflüsse der gemischten Hierarchie und des Ari« 
stoteles ein hierarchisch- gemischter RepuBlikanism als das 
ideal herausgestellt, dessen Prinzip die christliche Moral 
war. Mit der steigenden Verweltlichung stieg auch hei Hob« 
bes, Spinoza, Locke, Cumberland u. A. das Societätsprinzip^ 
und bei den Protestanten insbesondere der Monarchismus, 
Indessen lief s sich die moralisch -christliche Strömung nicht 
mit einem Schlage aufheben« Ihre Verti^cter wurden Alberti, 
Seckendorf, ihr Gegner Pufendorf. Eine Vermittlung streb- 
ten Thomasius, Leibnitz, Wolflf und die Cocceji an. Mit 
dem Naturallsm Rousseaus erreichte die Negation des Alten 
seine Spitze. Der Rückschlag war um so heftiger und die 
Spaltung in eine historische Schule mit Sarigny an der Spi- 
tze, in eine nichthistorische mit Thibaut (f i84o) an der 
Spitze, in eine philosophische und historische und praktische, 
in eine theolDgisirende und rationale wurde auf die Spitze 
getrieben. Auf der philosophisch- rationalen Seite stand^ 
neben -den Schülern von Hegel, Brause etc. , Murhard, Rot- 
teck t 1840 (Constitutio^nelles Staatsrecht), Zachariä f i843 
(Vierzig Bücher rom Staate), Schmitthenner (Zwölf Bücher 
Tom Staate) u. A* Auf der historisch -theologisirenden Seite 
standen Haller, Fr. Schlegel, der Schüler von Gentz Adam 
Müller, t 1829 (Von der Nothwendigkeit einer theolog* 
Grundlage der Staatswissenschaft, Leipz. 1819 u. A.), AnciU 
lon t *837 (Ueber den Geist der Staatsrerf. Berl. iSaS; 
Zur Vermittlung der Extreme, eb. 1828 f.), Gösch el, Leo, 
Stahl und die sogenannte ultramontane Schule mit Jos. Gör- 
res u. A. Hier ist Beschränkung auf einen der Auffallend- 
sten, Gewandtesten und Einflufsreichsten der letztem Rij;h- 
tung nöthig, 9lu{ Stahl. Ais Factoren seiner Anschauung 

erscheinen 



~ S2r — 

erscheilien ^ von den entfernteren abgesehen — Schelling 
und Hugo. Der letztere starb i845 und hat durch sein 
Naturrecht und sein Magazin viel Lob und riel Tadel auf 
sich gezogen. 

,,£r setzte, bemerkt z. B. Ritter Götting. G. A. 1849 S. 13, den 
abstracten Recfatsansichten Kantus, in welchen er sich philoso- 
phisch gebildet hatte, den entschiedensten Widerspruch ent- 
gegen und koiftite noch ireniger mit den zuweilen übertriebenen, 
zuweilen in der Luft schwebenden, wenn auch die Vorahnung 
eines Bessern in sich tragenden Folgerungen Fichte's sich ver- 
tragen. Er faTste den Widerspruch jener abstracten Rechts- 
ansichten mit dem wirklichen Recht auf und suchte mehr Ver- 
nnnCc in diesem aufzuweisen, als das blöde Auge oberflächlich 
Urtheilender darin ^u iiriden wtirste. Diese seine Kritik, wel- 
' che doch keineswegs die Sklaverei und die Polygamie als ver- 

nünftige Rechtfintiituie vertheidigle, wie oft auch Aehnlichet 
ihm Schuld gcgt^ben worden^ war von dfin weitgreifendstett 
Folgen und keineswegs prmcipienlos. Vielmehr ist ihm das 
Verdienst nicht zu scbniälern^ dafs er von philosophischer Seite 
- lange allein die Grundsätze der historischen Rechtsschule auf- 
zudecken gesucht und die herrschende Vertragstheorie mit Er- 
folg bekämpft hat. £r drang darauf, dafs im Rechte nicht all- 
ein das Geistige, sondern auch das Thierische, die natürli^tfie 
Seite des Menschen, berücksichtigt werden müsse. Er hob die 
Analogie des Rechts mit der Sprache und Sitte hervor, um 
eben diese natürliche Seite des Rechts geltend zu machen, er 
zeigte in ihnen Gewalten nach, welche weit über der Macht 
der menschlichen Gesetzgebung hinausliegcn» In allen diesenT 
^' Punkten hat er dem Wendepunkt vorgearbeitet, welchen Kalten«- 
born in der Schelliogschen Ansicht vom Rechte ausgesprochen 
findet, weil Schelling die Bedeutung der Natur und die Keime 
der Vernunft in der Natur ^zur Anerkennung brachte (vgl. 
Ritter über die Rechtsprincipien in den kleinen Schriften, 
1839. I.) 
Stahls Philosophie des Rechts erschien in der 3. Auf« 
läge 1845. Seine Grundideen fafst Warnkönig, gleichfalls 
anerkannt auf diesem Gebiete (Rechtsphilosophie als Natur- 
lehre des flechts, Freib. iSSg), in einer Anzeige (Pichte, 
Zeitschr. für PMosophie, XIV S. S. 276) in folgende Sätze 
zusammeif: 

I. Die erste und höchste Grundlage auch der Rechts- 
philosophie ist die Wahrheit der Persönlichkeit Gottes, der 
Oitmposch, Dr. V. F., Geschichte d. Philosophie. U 



die Welt schuf und .,den Zug nach Persönliohkeil^' üls Ur- 
typus der ganzen Schöpfung einprägte ; defshalb ist due Auf- 
gabe des Menschen, wahrhafte und vollendete Person zu 
sein; und zwar mufa <Up menschliche PersöiiM0U|^it ein 
j^achbiid der göttlichen aein, wie jene in der menschlichen 
Yollgegenwärtig ist, um das Reich Gottes zu verwirklichen* 
Persönlichkeit ist das Geistige; Geist und Person sind iden- 
tische Begriffe, defshalb ist die Schöpfuiig das Werk und 
zwar eine künstlerische Conception der schöpferischen Frei- 
heit Gottes und die Zweckmäfsigkeit das sie beherrschende 
providentielle Frincip. Dies Alles wissen wir durch die un- 
mittelbar hoHßre Anschauung. 

II, Diese erkennt nun zwei oberste BeiEiehungen, nem- 
. lieh die weltschaffcndc und wßltumschUcfsende Thätigheit 
Gottes, aus der sich xwei ethische Spht^ren^ die der Sittlich- 
keit Cl^o**ftD ^^^ d'ß ^^^ Religion ergeben ; die, obgleich 
getrennt, sich doch durchdringen, Di."r Mensch Ist aber im 
Weltplan nicht einzeln, sondern das menschliche Geschlecht 
ein Ganzes oder eine Einheit. Das ethische Urbild ist in 
Gott, und zwar sowohl für den Einzelnen, als für die Ge- 
meinexistenz; wefshalb es ein subjcctives und ein objeAires 
Ethos giebt und zwar für die beiden Spliären : die BeHgioii 
und die Moral für den Einzelnen, die bürgerliche Ordnung 
und die Kirche für die Gesammtexistenz, Der Inhalt des 
"Sittlichen ist das Gute, d. h. der Wille Gottes als der sitt- 
lichen .Urmacht, der vom natürlichen Willen des Menschen 
aufgenommen wird. Das Vorbild der \ ollendeten Persön- 
lichkeit für den Einzelnen ist die Heiligkeit Gottes, modi- 
fizirt durch die creatürliche TStellung des Menschen; das der 
Gemeinexistenz aber die freie göttliche Weltökonomie. Das 
Ethos, d. b» in wie weit es Moral ist, hat daher ein doppel- 
tes Princip: die vollendete Persönlichkeit und den Plan der 
sittlichen Welt« Wie das Gute aber sl^inen Jnhtfit von Gott 
hat, erKütt es von ihm auch sein Jbindendes Ansehen, es ist 
ein SoElei^ also sittliche Pflicht; zur WjjffQsbelchaffenheit 
geworden, ist es Tugend; für den wollenaP&sitffiches Mo- 
tiv uucl unmiuelbar als göttlicher Wille erkeniibar durch 
das Gewissen, 



-^ S23 — 

III. Der Wille ist absolute Causalit&t oder Selbst- 
besümmung, also wesentlich Freiheit im wahren Sinne ist 
er aber nur als sittlicher Wille frei; sonst nur unvoUkom« 
men als sittliche Willkür, Der Zustand der letzten ist Folge 
des Sündenfalls, Ihr gehört die moralische oder rechtliche 
Zurechnung an, welche die Ursächlichkeit der Person als 
Person ist. 

IV. Für die Moral besitzen wir ein höheres Ideal, nem- 
lieh die Heiligkeit Gottes; nicht so für die Anordnung der 
Gemeinexistenzy oder der sittlichen Welt, weil das Leben 
in dieser voll UiiFoUkoramenheit ist, hi Folge der Trübung 
der sittlichen Verliditnisse durch den Austritt des Menschen 
aus Gott (den Sünden! all). Die Anschauung der ewigen 
Weltordnung haben wir nicht rollstandig, sie liegt jenseits« 
Daher die Normen der siit liehen Welt diesseits nur negatir 
und approximativ^ bind* Der ungenügende Zustand zeigt sich: 
i) in der Un Vollkommenheit der die Gemeiucxtstenz rega- 
lirenden Normen; 2) in den durch das allgemein rerbrei* 
tete Böse durchdrungenen thatsächlichen Lebensverhältnissen ; 
3) in der niemals ihrer wahren Bestimmung ganz entspre- 
chenden sie beherrschenden Macht (der des Staats)* Was 
indessen durch jene Normen und diese Macht in den that-^ 
sächlichen Verhältnissen durchgeführt werden soll, als etwaa 
nothwendig Aufrechtzuerhaltendes, ist das Recht« Das Mittel 
seiner Durchführung, der Staat. Recht und Staat bilden 
daher einiirseits einen Gegensatz zur Natur, andererseits 
zum Reiche Gottes — sind also ihrem Wesen nach der Or- 
ganismus eines unvollkommenen sittlichen Zustatides. Die- 
ser Zustand endet mit dem Anfang des Reichs Gottes, ,^das 
im Augenblick der letzten Posaune beginnt.'^ Das höchste 
l^iel des^Staats und des Rechts besteht nur in einem Be- 
streben nach dem Ideal dieses Reichs, was aber nie erreicht 
werden kann. 

V. Der auf diese Weise gewonnene Begriff des Rechts 
zeigt uns *dlefs als die Norm und Ordnung des menschli^en 
Gemeinlebens. Es ist also Gemein- oder Nationalethos und- 
Gemeinthat der Einzelnen, Die Feststellung derselben und 
nicht die Freiheit der letzten ist daher sf^in Zweck Gegen- 

21* 



stand desselben ' sind : i) die Erhaltung der individi:M^1en 
Existenz, der Integrität und Freiheit der Person und des' 
Eigenthums; a) die Familie, als Mittel der Ausbeutung der 
Gattung; 3) die Gesammtetistenz der Gemeinde,' ws Stan- 
des, der Corporation, deflrSlaats und der Staatengemein- 
schaft; 4) die Kirche. Diese Verhältnisse sind Träger des 
menschlichen Gesammtdaseins und defshalb ihre Ordnung 
Aufgabe der Gemeinschaft und folglich dib Rechts. Sein 
bestimmendes Princip ist daher die Idee des vollendeten 
Gemeindezustandes, des Baues der geselligen Verhältnisse. 
In jedem der letzten wohnt aber eine weltökonomische Idee, 
die sich in ihm zu voUendlDn etrebl, und sie zu erfüllen, 
ist die Aufgabe und der Mafsstab des Rechts. Jedes Rechts- 
institut hafseinB natürliche Basi» und seine ethische Bestim- 
mung. Die letzte und so das Teleologische in den geselli- 
gen Verhältnissen hl das objectivc und reale Princip der 
Rechtsphilosophie« Die Erfüllung der ethischen Macht- 
gebote wird durch den Zwange aUo durch eine mechani- 
sche Einrichtung, bewirkt, d. h« die Macht des Staats. Der 
Staat ist also die Realisirung des Rechts« Dies ist immer 
nur positives Recht; das ihm entgegengesetzte natürliche, 
oder Vemunftrecht sind dic^ Rechtsideen, d. h. die Anfor- 
derungen dessen, was Recht werden soll; diede Ideen ^ind 
die der Gerechtigkeit, Sittlichkeit und Zweck mäfsigll^t* 
Nur das positive Recht SetÄt die Rechtmäfsigkeit fest. Gro- 
tius hat den Gegensatz dieser und der Gerechtigkeit v<^- 
kannt und defshalb, weil er aus den Rechtsideeif^die Recht- 
mäfsigkeit ableiten wollte -^ eine nichtige Wissenschaft ge- 
schaffen. 

VI. Das Recht als Gemeinethos hat seinen Sitz im Ge- 
rn ein bewufstsein und dies äufsert sich auf drei verschiedene 
Weisen, durch die Gewohnheit, das Gesetz, das obrigkeit- 
liche Bewußtsein, daher die drei Quellen und Hauptarten 
des Rechts: Gewohnheits-, Gesetzes- und Juristenrecht. 
Die Rechtswissenschaft hat die so gewordenen Rechtsregeln 
zuril* wissenschaftlichen oder systematischen Beifufstsein zu^ 
^ringen. Durch das objectiv als Rechtsordnfing aufgefafste 
Recht entsteht die Rechtspflicht, welche eine äufsere, con- 
cret erkennbare, -mur Legalität verlangende, erzwiugbare 



— S>5 — 

Verbindlichl^eit ist. Die Erzwingbarkeit ist nur eine Folge 
vnd kein primärer Gbsurakter des Rechts. 

VI)||'£ine andere Folge sind die Rechte, oder das Recht 
im subjectiven Sinn des Wortes^ sie sind immer eine dem 
Berechtigten ^ustehend^ Macht und Eriaubtheit und Frei« 
heit ihr gewöhnlicher Inhalt, Das Recht im subjectiren 
Sinn ist ein seeundäres Princip der Rechtsordnung^ nicht 
ihre ursprüngliche Bestimmung. Es steht dem Menschen 
seiner angebomen aus Gott stammenden sittlichen ^atur 
wegen zu. Obgleich er nun diese nicht mehr yollkommen 
besitzt, mufs defshalb das Recht, w^nn er iiuch einen un- 
sittlichen Gebrauch daron macht, doch unverletzt geachtet 
werden. Die Rechte sind ang-eborene, d. h. mit der Per- 
sönlichkeit gesetzte oder erworbene^ durch beaondere Zu- 
stande bedingte. 

VIII. Das System des Hechts sucht seine Gliederung 
picht in logischen Beziehungen, leitet sie auch nicht aus 
dem Inhalt der einzelnen Rechte ab, sondern aus den Rechts« 
Verhältnissen, in deren Verschiedenheit auch die wichtigen 
Eintheilungen in Priva|- und öffentliches Recht zu suchen 
ist. Sein letztes Ziel ist die Gerechtigkeit, d« h. die schü« 
tzende und strafende Aufrechthaltung der sittlichen Ord- 
nung und der den einzelnen Menschen eingeräumten Sjfhä- 
ren des Daseins und der Berechtigung. Die Gerechtigkeit 
»ist also ig^cht die Ursache, sondern das Resultat des Rechts. 

£s igt bekannt, dafs diese Anaichten lebhaft bestritten worden. 
Man warf der historischen Schule vor, dafs sie die Möglich- 
keit, aus der Vernunft die Zustände zu finden, und die Berech- 
tigung des Menschen, diese nach der Vernunft efnsurichten, 
läugne, und damit, aus Furcht vor Mifsbrauch, dbn Gebrauch 
der Vernunft verbiete. Das Bestehende und Positiv« sei 'ihr 
das Höchste. Sie sehe es als Folge eines nnt logischen Ge- 
setzen nicht verwandten mysteriösen inneren Triebes an und 
führe es in letzter Instanz auf göttlichen Beschlufs und gött- 
liche^ Leitung zurück. Die Anforderungen der histocischea 
Schule beruhten nur auf der Empfindung und subjectiven Dis- 
* Position. Man könne meistens nichts weiter darauf erwiedern, 

als dafs dies Geschmacksache sei. Ihre Grundansichten seien, 
da eben nur nach £mpfindungen daraus abgeleitet werde, der 



alIereiiCg«gtiigeMtstesteft Coiite<|«eiiMii föliig (Liebe in Richters 
Jfthrbficbern). 

Dafs Liebet Urtbeil lange nicht dat schärfste ist, davon kann 
die Einsicht in des KrAusianer RSder Naturfilosofier'tand andre 
Sdiriflen Jeden überseugen. 

Auch Warnkonig (a. a. O.) zollt Stahl in mancher Betie- 
hong volle Anerkennung. Niemand habe vor Stahl die bis 
1830 übliche Behandlungsweise des Naturreohtt mit einer so 
siegreichen kritischen Ueberlegenheit bekämpft« Stahl habe 
dem abstracten Naturrecht der deutschen Pbilosopbenschulea 
den TodesstoA gegeben. Aber er gehe in Verwerfung des Frü- 
heren zu weit. Das Streben der Rechtsphilosophie, sagt Warn« 
konig, war seit Grotius kein verkehrtes. Grotius und seine 
Anbänger suchten zu der im Recht und in der Rechtsphiloso- 
phie absolut vorauszusetzenden Thatsache, zu dem gemeinsamen 
Leben der Menschen, einen Urgrund, fanden ihn in einem der 
menschlichen Natur angebomen Gesetz der Geselligkeit (worin 
sie eigentlich nur das aristotelische (taov xojtirixov übersetzten) 
und machten dahe^ dieses zum obersten Rechtsprincip. Yoji 
Thomasius bis Schelling sah man von jener Drthatsache ab, 
aber auch Thomasius, Wolf, Kant und Fichte waren nicht ganz 
auf dem Irrwege, wenn sie die einzelnen Menschen (das Ich) 
in^s Auge fafsten, da ja nur für sie das Recht gesucht und ge- 
schaffen wird. Man übersah auch nicht, daftf'der Rechtsbegriff 
ein Wechselbegriff ist ** dies hob vor Allem Fichte hervor. 
Darin fehlten sie, dals sie nur den abstracten Menschen %'s 
Auge fafsten und die sittliche Gemeinschaft fast ganz als das 
WerjL der vertragsmäfsigen Willkür ansahen. Die beiden gleicl^ 
primären Pole des Rechts und der Rechtsphilos<l|llfie müssen 
immer die sittliche Gemeinschalt einerseits und die Einzelnen 
als Personen andrerseits bleiben. Aber die Anerkennung die- " 
ser zwei Urthatsachen reicht zur Construction einer Rechtstheo- 
rie nicht hin« Dieselben müssen von einem eigenen Standpunkt 
aus untersucht und beurtheilt werden, dem ethischen, Di^ 
Kantische Schule hat auf jeden Fall das grofse Verdienst, diÄ^* 
als absolute Wahrheit hervorgehoben zu haben. Jede blofiT^f. 
materialistische Auffassung des Rechts, wie sie noch bei Beut- 
ham vorkommt, mu(s verworfen werden. Durch Sd^elling und 
Hegel ist man zwar in vielen Beziehungen weiter gekommen ; 
man verliefs die einseitige Hervorhebung der Einzelnen, von 
welchen allein man das Recht ausgehen liefs. Allein indenv 
man den Mittelpunkt des Naturrechts im socialen Organismus 
suchte, liefs man die Stellung, der Einzelnea, auf deren wis* 



s^nschaftliclie BeBtimnrangen es in der Bechtiphiloftoplite doch 
vor Allem ankommt, ganz aufgehen, und so verlor sich die 
Rechtelehre in die Staatslehre, sehr mit Unrecht (Platner, Fich- 
tes Z^itschr, Jahrg, 1830 S. ^86). Stahl sucht dieser Gefahr 
XU steuern, aber ohne Erfolg. Es fehlt ihm überhaupt, nach 
Warnkönig, an einem streng logischen Ideengang und an einer 
geschlossenen Theorie, Er geht weder aus von den höchsten 
Anforderungen der menschlichen Vernunft, als einer Gesetz- 
geberin, die a priori die Principien für die äufsere Ordnung 
des geselligen Lebens vorschreibt, und deren Verletzung durch 
eine virirkliche Gesetzgebung absolutes Unrecht ist, wie die Kan- 
tianer und zum Theil auch Rotteck ; noch von höchsten Ver- 
nunftpfincipien, unter Grundlegung gewisser thatsächlicher Ver- 
hältnisse und Ansichten der das gesellige Leben gestaltenden 
Menschen, wie Falk; noch von einem Ideal des Rechts, nach 
dem sich die Gesetzgebungen zu Isewegen haben und wogegeh 
das Bestehende nur als Unvollkommenheit, nicht als absolutes 
Unrecht erscheinen, wie Fries, PÖlitz etc. bei ihrem Vernunft- 
recht, Hugo bei seiner juristisch - anthropologischen Kritik des 
positiven Rechts, die meisten Franzosen und Engländer bei ih- 
ren, unter Berücksichtigung Staats wissenschaftlicher Grundsätze, 
geschriebenen Entwürfen einer Gesetzgebungswissenscbaft ; moch 
von dem physiologischen Standpunkt, unter fester Erklärung 
seines Problems, obgleich er, wie Wamkönig selbst, auf die- 
sem Standpunkte steht, sich also bemühen mufste, die Probleme 
von dieser Seite auszugliedern, Die Rechtsphilosophen dieser 
Art haben sich, wie WarpkÖnig bemerkt, vorgesetzt, die letz- 
ten Gründe, die immanente Nothwendigkeit des in der Ge- 
schichte sich realisirenden Rechtes aufzusuchen und sich dabei 
entweder blos an die Aussenwelt, das historisch Gegebene, ge- 
balten und aus den erzeugenden Ursachen die Hauptfotmationen 
der Reohtsbildung erklärt, eine blos historische Rechtsphilosophie 
geschrieben, oder, wie Warnkönig selbst, auf die innere Natur 
des Menschen, als den Urquell der durch den menschlichen Wa- 
len gesetzten Rechtsprincipien, Rücksicht genommen. 

Die neuesten AVerke über die Geschichte dieses Faches 
schrieben Kaltenborn (Die Vorläufer des H. Grotius, Leipz. 
1848 > und Hinrichs (Gesch. des Natur- und Völkerrechts, eb. 
1849). Ueber die Streitigkeiten der Gegenwart handelten u. A. 
Thibaut (Die histor. u. nichthistor. Rechtsschule im Archiv für 
civilist. Praxis 1838), Savigny (Vorrede zum i. B, seines Sy-. 
Sterns des röm. Rechts, Berl. 1840), Bluntschli (Die neueren 
Rechtssohulen der deutsch. Juristen^ Zürich 184 1). 



w 8W — 

Zar Geschichte der Sittenlehre. 
Die neueren Erscheinungen auf diesem Gebiete waren, 
nächst Kaot und Fichte, Hegel, Schleiermacher, Dau|),.der 
in seinem Judas Ischariot den Ursprung des Bösen auf- 
sucht und die angeführten Vorlesungen schrieb: de Wette, 
Harlefs, Marheineokej in der von Mathies und Vatke (Berl« 
1847) herausgegebenen Moral, Herbart mit Hartensteia 
^Grundbegriffe der ethischen Wissenschaft, Leipz. i840» 
Rothe (Theologisuhe Ethik iS^S), Wirlh (SpeculatiFe Hmk 
1840, Karl Bayer CDie Idee der Freiheit, Nürnb. 1837; 
Betrachtungen über den Begriff des sittl, Geistes 1859; 
Die sittl. Welt, Zeitschrift 1840), Reinbold, Vatke, Conradi, 
Saling (Die Gerechtigkeit in geistgeschicbtiicher Entwick* 
lung 1837) etc, ♦ 

An Hegel tadelte man, dafs er die Ethik zur Güterlehre 
gemacht, was seine Wurzel darin hat, dafs das Subject und 
die Person bios zum Werkzeug eines allgemeinen Proze»« 
•es, ohne Autonomie des Einzelnen, des Gewissens för sich, 
wird. Die Sittlichkeit erscheint ihm als das Aufgehen des 
subjectiven Einzelwillens in die substantielle Sittlichkeit im 
Volk«geist, der Sitte, der positiven Gesetzgebung; das Böse 
als die sich als Absolutes behauptende Subjeetivität (Rechts* 
phil. §. i32. i36. i4i. 146)« Es wird jedoch Hegel dasl^r- 
dienst zuerkannt, dafs er den Willen, der mit allgemeinem 
Inhalte erfüllt ist, als den allein sittlichen und wahren er- 
wiesen und damit das richtige Princip einer Güterlehre ge- 
geben habe» ^^*. 

An Kant und Fichte tadelte man, dafs sie die Moral x\£'' 
sehr blos als Tugend - und Pflichtenlehre gefafst, dafs ihneij '^^ 
die Vermittlung des Pfiichtbegriffs mit der Sinnlichlteit, ^s 
Subjects mit dem Object nicht gelungen etc. indessen ^idt 
bei Fichte der frühere und spätere Stetndpunkt zu unter- 
scheiden. • * 

Der letztere findet sich ausgeprägt in FiclKes Sitten- 
lehre, einer nachgelassenen Schrift. Die Wichtigkeit for- 
dert hier auf, Fichtes Ansichten einzuschalten, wobei ich 
J, H. Fichtes Darstellung in der Zeitschr. f(li^%pecul. Ph, 
XI. S. 173 f. gebe. Fichtes Sittenlehre, bemerkt diesem bat 



— a» -— 

ihr Princip selbst auf das Einfachste ausgesprochen 2 die 
göttliche idee, die .absolute Erscheinung Gottes in der ab- 
soluten Form des Bewufstseins, ist Grund der Welt, mit 
dem Bewnfstseiii, dafs sie es sei; sie setzt in der INatur 
Cals der leeren, formalen Erscheinung) und in den durch 
der^Rechtshegriff begründeten Verhält niese der freien lohe 
ZXL einander (welche Verhältnisse hjerinit nur al» die Be- 
dingungen zur eigentlichen Welt, und als nichts mehr be- 
^ffen werden) eine übersinnliche Ordnung der Dinge, eine 
SVelt der Sittlichheit, die Freiheit der Iche ergreifend und 
sich unterwerfend, so dafs diese imn die Darsteller des gött- 
lichen Inhaltes, der Ideen in der dadurch noit Inhalt erfüllten 
und erst darin ihren Zweck erreichenden Natur werden, 
ebenso wie die Iche nicht minder erst in dieser Freiheit 
und dem Bewufstsein derselben sich über das blos formelle 
Selbstbewufstsein ?ur eigenen Realität erheben. 

Die Sittenlehre ist nun die blose Analyse dieses Bewufst- 
Seins des Ich, Werkzeug der Ideen zu sein: der sittlichen 
Gesinnung. Darin besteht aber das Wesen der Sittlichkeit, 
lediglich Ausdruck der Verwirklichung der Ideen im Wil- 
len zu sein. Es ist kein bloses Wollen der Pflicht, um der 
Pflicht willen, indem sich durch Selbstverläugnung das Ich 
stets von Neuem ihr unterwirft: sein Selbst ist rielmehr 
ihm Tcrschwunden in der Liebe der Idee, der wahre Cha- 
rakter des Sittlichen ist Selbstlosigkeit; an die Steile des 
nichtigen Selbst und seiner Antriebe ist der Inhalt der Idee, 
der Erscheinung Gottes getreten, und in der Begeisterung, 
mit welcher diese im Ich Persönlichkeit und Selbstgefühl 
erlangt, ist auch ein •« für allemal jener sonst endlose Kampf 
de^^ Selbst zwischen der Neigung und der Pflicht versohwunr 
den, Einheit und Harmonie im Selbstgefühle eingekehrt* 
lliermit wird dem Ich keine andre Realität und Wahrheit 
zugestanden, als die es erlangt, indem die Idee es ergreift, 
Person in ihm wird, und es zum eigenthümlichen Glieds 
macht jener Gemeinschaft der Iche, in der sich das Eine 
ewige Bild Gottes darstellt. 

Jedes Pflichtgebot kann hieAieden, ob der Einzelne . es 
wisse- oder nicht, nur darauf gerichtet sein^ die Sittlichkeit 



der Andern su fördern« Der Sittliche will ^e SiUlichiieit . 
Aller, als ,,eine8 geschlosaeneu Systems/^ Sein eigenes 
selbstbewurates Handeln kann nur jene zum Ziele haben* 
Aber darum mufs der Sittliche wollen, dafs dieses SysteoA 
sich schlieise, und. er weifs, dafs es sich schliefsen müsse, 
wiewohl er auch weifs, dafs es sich nicht schliefsen k^ne, 
bis nicht alles indinduelle Bild in einem gemeinsam an-* 
schaulichen Leben erschienen, jede Persönlichkeit entwickelt; 
ist durch und innerhalb der sittlichen Gemeinschaft. 



Die sittliche Gemeine, alle Formen ihrer Gemeinschaft 
dieser sittlichen Idee gentäfs umschafiTend, bringt den Ver- 
nunftstaat hervor. Wie dieser aus den gegebenen Staats-* 
formen, nur durch Freiheit aber nach einem sicher wirken-p 
den Gesetze im Gange^ der Weltgeschichte, alhnählig sich 
realisire, und so die Welt der zeitlichen Elrscheinung un- 
fehlbar ihrem Ziel entgegenführe, .durch Verwirklichung 
des sittlichen Willens in Allen da$ ewige Reich Gottes zu 
begründen; dies sucht Fichte, den Gegensatz von Freiheit 
und Npthwendigkeit durch Betrachtung der weltgeschicht- 
lichen Erscheinungen selber lösend und so den Begriff der 
Vorsehung begründend, in seiner Schrift „Ueber das Ver- 
haltnifs des Urstaates zum Vernunftreichi^' zu zeigen, 

in seiner zweiten Periode, i>emerkt der Sohn, hat Fichte 
mit Yoller Entschiedenheit den Begriff der Tugend zum Mit- 
telpunkte der Ethik gemacht und die Pflicht nur als Er- 
scheinungsweise der Einen, untheilbar in jeder Handlung 
gegenwärtigen sittlichen Gesinnung dargestellt. Zugleich 
gelang es ihm, von diesem Begriffe, dem der sittlichen Ge- 
sinnung aus und des durchs sie im Indiriduum sith entzün- ' 
denden Liebens der idee, den Begriff der Persönlichkeit 
l>egründen und so den für alle Ethik entscheidenden 
KU gewinnen: dafs die Verwirklichung der wahren Indiri- 
dualität in Jedem zugleich das wahre^Jjemeinscbaft Pöi*"» 
dernde in Allen sei, 4* 

Von Schleiermaoher sind die einschlägigen Schrif* 
ten, mit Ausnahme der von Jonas h. theologischen Ethik, 
bereus angeführt. Von ihm, der den Satz at^Mlte^-^. „dafs 
nur dasjenige ein voükommeii für skli gesetztes Sittifehes 



— SSI ~ 

sei, wodurch Gememschitft gesetzt werde, die in andrer Hin* 
eicht Scheidung, oder Scheidung die in andrer Hinsicht Ge- 
meinschaft sei'^ sagt Fichte S. 201 : „Den Entwurf einer 
Ethik, die gieichmäfsig und aus Einem Grundgedanken her 
den allgemeinen Inhalt des sittlichen Handelns, die Einheit 
der .ihm zum Grunde liegenden Gesinnung imd die Indivi- 
dualität ihrer praktischen Bethätigung an jenem allgemei- 
nen Inhalte nachwiese und so in ganz gleichem Verbältnisse 
Güterlehre, wie Tugend- und Pflicbtenlehre wQ|^e, rerdan- 
ken wir zuerst und ausschliefslich Schleiermach^, welchem 
daher das entscheidende Verdiens^gebührt,*^ den ersten um- 
lassenden Plan der Ethik gegeben zu haben/' 

Die Ethik rerbindet Sohl, sehr genau mit der Physik, 
denn die erdtere ist ihm in ihrer V*ollendung Physik, weil 
die Vernunft in der Natur gefunden wird. Das höchste Gut 
ist ihm im Allgemeinen die Harmonie der Vernunft ttnd 
Natur, im Besondern die Formen, in welche die ethische 
Thätigkeit ausläuft. Diese ist theils organisirend, theils sym- 
bolisirend, indem die Vernunft sich theils durch die Natur, 
als Werkzeug, verwirklicht, theils darstellt. Beide Thätig- 
keiten g^ehen auf Harmonisirung, wie a\^ Individualisinmg« 
Die erstere läuft auf den Verkehr und das Eigenthum, die 
letztere auf Wissen und Gefühl aus* Die Formen sind die 
Familie, der Staat, die Nation,' die Gesellschaft, die Kirche* 
Tugenden unterscheidet er zwei : die der Gesinnung CWeia- 
heit, Liebe), die der Fertigkeit (Besonnenheit, Beharrlich- 
keit)* Die Pflicht trennt er in die universale (Recht, Be- 
ruf) und die individuale (Liebe, Gewissen)« 

Bei Her hart wird der Wille durch Beifall oder Mifs- 
falj, d. h* ästhetisch bestimmt. Aus dieser Bestimmung flie- 
fsen fictnf Musterbegriffe, oder ursprüngliche praktische 
Ideen: die Würde, Stärke, Schönheit, Sohicklichkeit, äufser- 
liche Nothwendigkeit. Diese entwickeln sich zur innem 
Freiheit, Vollkommenheit, zum Wohlwollen, Recht und zur 
Vergeltung. Der Zweck des Staates besteht in Darstellung 
dieser Ideen, welche sich zu besondem Systemen entwickeln : 
zum Rephtssyftem, Lohnsystem, Verwaltungssystem, Cultur- 
systejü^ System der beseelten Gesellschaft* Die Tugend 



erscheint ^h 4aa R^sile zu den obigen praktisichen Ideen, 
odei" als die Kigenhoit eines Vernunftwesens, vermöge derea 
es den Ideen gemafß Gegenaland des Beifalls wird. 

Ueber die Bearbeiter dieses Faches sind ihre Einleilungen und 
Zerstreutes nadizu lesen. So von Rosenkranz Aphorismen zur 
Geschieht« der niodernea Ethik in Noacks Jahrb. 1847. $. lOOO, 
vop «I, H^ Fichte ' »Der ^isherig^ Zustand der praktischen Phi- 
losophie in s^ Zeitschr. 18^3 3. 16^ etc.'^ Unter die früherem 
Geschichtschreiber der Moral gehört Stäudlin (Gesch. de^r ]\Iq- 
r9lpl4l^< Hannov. 1822), der 1826 gestorben^ 

Zur Geschichte 4er Anthropologie und Psychologie^ 

Die Naturphilosophie hat nach ihrem specuj^tiren Theile 
während 4er letzten ^wei Jahrzehnte kein be8y(||ideres Glück 
gemacht) obgleicl]^ sich eine auch Yon Empirikern aner- 
4(aii)nte wohlthätige Folge der Schelling'schen Naturphilo- 
sophie erhielt, die Abneigung gegen die Isolirung (Isensee, 
Gesch. der Medizin IL Th, S^ 386). Um so lebendigere 
Theilnahme fand die empirisch -^.anthropologische Seite, bei 
den Physiologen Bär (Anthropologie, Rönigsb. 184?), ßuir- 
daph t 1846 (Physiologie ^83o Ül Bdej der Mensch \S56 
S, A. 1845; BJickf' in's Leben 1842 f. (V Bde mit. Biogra- 
phie), Rud. Wagner (NatuTgesch. des Menschen x83i; Hai^ - 
wSrterb, der Physiologie 1842 f.; Lehrb« der Physiologie 
9, A, 1843), Job» Müller (Grundr. der Vorlesungen über 
l^hysiologie 18275 Handbuch der Physiologie in m* A.), Ca- 
rus (Physiologie 2. A, 1847; Psyche 1846) etc. Mit diesem 
Aufschwünge gieng der spezielle zweier für die Psychologie 
wichtiger Zweige Hand in Hand : der Rranioskopie und Psy- 
ohiatrie* In der erstem folgten auf Gali: als zweiter VMer 
Spurzheim t ^832 (Phrenology, Lond, 1825, ed. IL jtk^y 
A view of the phüosophical principles of phrenol. ib* 1025. 
1840 etc.), ferner Carus (Grundzüge einer neuen und wis- 
senschaftK begründeten Cranioscopie 1841 ; Ueber Cragio^ 
scopie in Müllers Archiv für Anatomie i843 etc.) und Andre* 
In der Psychiatrie begegnen uns in letzterer Zeit nach Reil 
mehrere: Heinrolh t 1844 (Anthropologie 2. A.i 83 15 Psy- 
chologie 1827^ Orthobiotik 1839; Leb^j^tu^o i^5 
et«.), Croos, Rlose, JNasse, Stark, Beneke, Feuerste^- Arne- 



^ 333 — 

lung und Bird, J. B. Priedreich, Chr. €k Weifs, H. Lotze 
(Allg^ Pathologie u. Therapie 184^), Jacobi (Hauptformen 
der Seetendtörungen i644) etc. Lebhafter als je erneuerte 
sich auf diesen Gebieten der Naturalism ini Gegensatze 
zum Spiritualism. Joh. Müller ist z« B. in seiner Physio- 
logie geneigt, das Selbstbewufstsein für Sensation, die 
.organisirende Kraft und die Lebenserscheinungen für eine 
Folge von Combination und Mischung def Stoffs zu hal- 
ten» Carus spricht sich in seiner Psyche gegen eine per* 
sönlich bewufste Fortdauer aus. Betrachtet Heinroth die 
Seelenstorung als Schuld der -kündigen Seele, so betrachtet 
sie Jacobi als Folge körperlicher* UnregelmäTsigkeit etc« 

Neben dieseh Naturforschem hatten schon Trüher der 
ältere Carus f 1807 in seiner Psychologie (Werke Leipz* 
1808 VI Bde), Chr. Weifs (Untersuchungen über das We- 
' sen und Wirken der menschL Seele, Leipz. 1811) die Kan- 
tische Psychologie zu durchbrechen versucht. Carus fand 
die Einheit im Cgefühl, die .Entstehung der Manliigfaltig- 
keit in der Einwirkung des Objects, die Ausgleichung bei- 
der im Trieb; Weifs die erstere im Geist, die zweite im 
Sinne, die dritte gleichfalls im Triebe. Der Geist hat ^ßi 
^m nothwendige Bildungsstufen* Mit Schellings System 
des transcendentalen Idealismus (1800) war der Gedanke des 
Genetischen übermächtig geworden. Steffens fragte in der 
Anthropologie nicht blos nach der Erhebun|| der Seele, 
sondern auch nach der Erhebung der ganzen Natur in und 
durch die Seele, nach der Individualisirung der INatnr im 
Geiste. Heinroth und der bereits von Rixner genannte G. 
H. Schubert haben durch religio^ gefärbte Darstellung wei- 
tere Kreise in's Interesse gezogen. Hegel erblickte das We- 
sen des Geistes (der in der Potenz einfach in der Verwirk- 
lichung mannigfaltig ist) in der Macht, die Gegensätze und 
Besonderheiten des Daseins zu durchlaufen, ohne in ihnen 
unterzugehen» Seine Phänomenologie wirkte mächtig zur 
^Steigerung dieser Disciplin, welche von Rosenkranz, Miche- 
let, Jessen (^sycholog. 1842), Daub, George (Die fünf Sinne, 
Berl. 1846), ^j^mann (Leib und Seele 1837), Fischer (Lehr- 
buch mrt P63^61og^e i838) u. A. gepflegt wurde. Haben 



— 334 — 

die Enqnriker den Fortfchritt in Betonung des Begriffes 
des Organismus, in Sammlung und Sichtung von Erfahrun- 
gen, so haben die Speculatiren aus rerschiedenen Schalen 
den .Fortschritt in Herausbildung der Ideen des Werdens, 
des Historismus, im Gegensatz zur Fixirung starrer, ange- 
bomer, unmittelbar gegebner Geistes -Fähigkeiten und Ver- 
mögen, zu Dichotomieen und Ti^iehotomieen etc. , gefördert. 

Hier kdwien^ nur dem Standpunkte I^erbarts und Btne- 
kes Raum gegönnt werden. Beide haben mancherlei Ver- 
wandtschaft, äufsere wie innere. Wie Herbart hat auch Be- 
neke die Psychologie aus dem Mittelpunkte eines Systems 
betrachtet. Beneke rerfafste nämlich, neben dem Lehrbucbe 
der Psychologie 3. A* iSiß^ der neuen Psychol^ie 1845, 
der Erläuterung über die Natur und Bedeutung meiner psy- 
chologischen Grundhypothesen i836: Grundlinien der prakt. 
Philosophie 1837 n Bde, ei|ie Metaphysik und Religions- 
philosophie 1840, eine Logik 184a II Bde. Und auch darin 
trifft' er mit Herbart zusammen, dafs beide einen ron den 
Gründern anderer Systeme ziemlich rerifachlässiglen, oder 
doch nicht eigens behandelten Gegenstand die Erziehungs- 
lehre (ß. A. 1843 II Bde) darstellten. 

" Kant hat Bämlich über diesen Gegenstand nur wenig hlntcrlasM 
(Werlie h. r. Rosenkranz B. IX), Fichte nm Zerstreutes m . 
der Bettimmnng des Gelehrtefi, in der Bestimmung des Men- 
schen, in der Anweisung zum seligen Leben, im System der 
Sit{^nleBre, in den Reden an die deutsche Nation. Was Schel- 
ling und Hegel geboten, ist gleichfalls aphoristisch. Sonst be- 
fafsten sich nur noch Wenige, wie Blasche (Handb. der Er- 
siehungswissensch. Giefsen iS^S), J. J. Wagner (System des 
Unterrichts, Aarau iS^I^, Rosenkranz (1848) mit dieser X>is- 
ciplin« Strümpell (Die Pädagogik der Philos. Kant, Frake, 
Herhart, Braunschw. 1843), Raumer (1843), Cramer (OPf^), 
Kapp (Piatons Erziehungslehre 1833) sind die Yorzfiglichsten 
Geschichtschreiher dieses Faches. Zerstreutes findet man in der 
Revue von Brzoska und von Mager« 

Die innere Verwandtschaft zwischen Herbart und Be- 
neke hat bekanntlich zu dem Vorwurfe gefuly^ dafs Be- 
neke Herbart nachtrete, worüber Beneke „Kf, OTue Psycho- 
logie" nachgelesen werden kann. '7 



~ 3S5 — 

« • 

Wa8 wir Idfc iienaeh, ist^ nach Hiefrbfttl;, Se'e!^* St« 
heifst Geist) insofern sie rorstellt, Gemüth, insofern sie 
fühlt und jjcgehrt. Die Seele ist Monas. Wächst die In- 
telligenz, so wird das Ich für das Bewufstsein immer gei- 
stiger, weil die Complexion, welche das eigene Selbst eines 
Jeden ausmacht, im Leben unaufhörlich Zus&tze erhält. 
Die innern 2ki8tände sind beim Ich dasselbe, was beini|Dinge 
der Complex der Merkmale. Das Selbstbeirufstsein erwacht 
am Bewufstsein des Objectiven, Die Verschiedenheit der 
Gegenstände bestimmt unser Vorstellen auf rerschiedene 
Weise. Dabei müssen Vorstellungen den Vorstellungen wei- 
chen. Die weichenden rerwandeln sich in ein Streben vor- 
zustellen, ohne aufzuhören. Die Vorstellungen wirken ge- 
gen einander, rerdunkeln einander, halten sich *das Gleich- 
gewicht. Berechnet man das Gleichgewicht, so erhälf man 
die psychologische Statik; berechaet man die Geschwindig- 
keit und die Dauer, so erhalt^ man die Mechanik des Gei- 
stes. Die Statik lehrt, dafs von zwei Vorstellungen niemals 
die eine durch ^e andere gänzlich verdunkelt, von drei 
oder mehreifen aber die eine, trotz ihres fortdauernden Stre- 
bens, so unwirksam gemacht werden kann, als ob sie gar 
nicht yoi'haiiden wäre. Dasselbe kann einer Mehrheit di»|^ 
feine stärkere Mehrheit widerfahren. Wenn zu mehreren 
VorsteUungeäl^'die dem Gleichgewichte nahe waren, eine 
neue hinzutritt, so entsteht eine Bewegung zu Gunsten der 
neuen. Die Ermüdung erklärt Herbart daraui^ dafs durch 
ungewohi^e Beschäftigung, d. h. neue Vorstellungen, die 
frühern Vorstellungen alle zurückgedrängt werden und in 
ihrer Spannung, ihrem Streben den Organismus angreifen. 
In Ansehung der Verbindung der Vorstellungen unterschei- 
det er zwischen vollkommenen Complicationen oder Com- 
plmpnen und Verschmelzungen. Die erstem sind völlige 
Verbindungen von Vorstellungen aus verschiedenen Conti- 
nuen oder Reihen der Farben, oder Töne, oder Vocale, 
oder Consonanten, oder Gerüchen, ode% Geschmacks- und 
Tastempfindungen. Diese sind die nicht gänzlichen Verbin- 
^ngen von Vorstellungen aus einerlei Continuum. Die 
Complexionen und Verschmelzungen sind ferner entweder 
Vollkonftmen oder unvollkommen etc. Vorstellungen, welche 



— 336 — 

sich erheben, an der Schwalle stehen, sind Geföhle. PlSne 
sind zusammengetriebene Vorstellungen, Begierden sind sie« 
gende* Kommt zur, Begierde die Voraussetzung der Er- 
langung, die Hoffnung des Erfolges, so wird sie zuna Wil- 
len. Streben mehrere widerstreitende Begierden auf, so ist 
ein Schwanken, die praktische Uebcrlegung möglich, deren 
Ende die Wahl ist. Wiederholte Wahl bildet ein allge- 
meines Wollen, und das ürlheil über dieses Wollen das 
Gewissen. Die Selbstbeherrschung hängt von dem Zrusam- 
menwirken mehrerer Vorstellungsmassen, der Charakter von 
der dauernden Erhaltung einer solchen Masse im ßeivufst- 
sein ab* Das Hauptverdienst Herbarts hat man darin ge^' 
fanden, dafs er den Begriff eines reinen aber substantiirten 
Ichs ebenso den der Seelenrermögen in ihrer Dichtigkeit 
gezeigt* So Fichte (Zeitschr. 1844 S. sSi). 

Die Ursache, wefshalb Herbart rerhältnifsmaisig doch 
so wenige Anhänger gefunden hat^ liegt ^wohl hauptsächlich 
erstens in dem geföhlten Mangel eines teleologischen Schlus- 
ses nach oben, der besonders ron Fichte (Herbarts mona- 
dologisches System Zeitschr. für Philosoph. i845 S« 106 f.) 
hervorgehoben worden ist. 

„£b stellt sich^ sagt dieser, fn Herbarts Psychologie, bei Betrach- 
tong des menschlichen Organismus und seines' Terhältnnses zur 
Seele, das unerwartete Geständnifs ein, dafs ^ie absichtsvolle 
Zusammtafugung des erstem und die Harmonie zwischen Leib 
un^ Seele sich keineswegs mehr aus den allgemeinen metaphy- 
sischen Prämissen ,des Systems erklären lasse, dafs man hier 
die Annahme „„einer hesondern Einrichtung der Vorsehung"'' 
zu Hülfe nehmen müsse. Was heifst jedoch dies Anderes, als 
der Ohnmacht seines Prkicips offen geständig sein, das „||ße- 
gebene" '' und zwar dies Gegebene nach einer seiner wichng- 
sten und universalsten Beziehungen metaphysisch zu erklären, 
oder auch nur annäherungsweise begreiflich zu machen? Man 
wird nämlich nicht läugnen können, dafs der menschliche Or- 
ganismus keine^ isolirte Thatsache sei, sondern nur in Verbin* 
düng und Analogie mit dem gesammten organischen Leben auf 
der Erde sich erklären lasse, dafs dies aber wieder im tie&|^ 
Zusammenhange stehe mit den physikalischen GesMtzen der Erde 
und mit der Geschichte der Erdbildung, dadurch abermals also 
in die allgemeinen Gesetze der Gravitation weit hinuQterreiche, 
* welche 



-^ 3W — 

i wclctie der Bifdang unser« Planetensystems zu Grunde liegen, 

i und die wir, so weit das Femrohr und die astronomische Be- 

rechnung reicht, im gesammten Weltenraume walten sehen. 

I Deshalb steht schon als Resultat der Erfahrungs Wissenschaften 

fest, daf» ein einsiger grofser Zusammenhang, Eine Berechnung 

^ vom Universalsten bis zum Speciellsten durch die ganze sichtbare 

Welt hindurchgreift, welche wir eben darum als ein gcschlos- 
senes Ganze, als „„Universum"« thatsächlich anerkennen dür- 
fen. Wird nun behauptet, daft der menschliche Organismut 

^ durchaus nur unter Annahme einer veranstaltenden „„Vorseh. 

wng**" erklärlich werde: so kann dieser Satz nicht allein stc- 
bcn; er ist zu dem weitern auszudehnen, dafs auch der allge- 
meine Weltzusammenhang ohne eine solche Annahme schlecht- 
hin unbegreiflich bleibe; und Herbart hat dnrclr jenes gelegent- 
liche Zugeständnifs das scheinbar feste Gewölbe seines Syste*. 
mes selber gesprengt, indem er damit einräumt, daft sich eigent- 
lich aus seinem Principe nichts vollständig erklären lasse, we- 
der im allgemeinen Weltzusammenhange, noch im Verhältnifs 
der menschlichen Seele zu ihm, weil das allem Mechanismus 
zugleich immanente Teleologische durchaus unbeachtet geblie- 
ben ist. Es Ut Herbarts System die einfache Frage vorzulegep, 
die er wie seine Schule übersehen hat: wie es vorerst nur 
möglich sei, dafs die einfachen Wesen, in Ihrer Urbestimmtheit 
und Unabhängigkeit von einander, in ein wirksames, jede« zu 
Selbsterhaltungen reizendes „„Zusammen''^' treten?^' 

Ein weiterer Abstofsungsgrund sind die Hypöth^^n in 
diesem Systeme, auf welche Weifse in Bezug auf Exners 
Schriften (Psychologie der Hegerschen Schule» heipz. 1843 f.) 
in der Zeitschr* fiir Philosophie 1841 S. 2&5 f« 1844 S. 373 
aufbierksam gemacht hat« 

I >9^>e einfachen Wesen, sagt er, welche Exner uns als die letzte 

I Voraussetzung de^ Erscheinungswelt bezeichnet, sind also bei 

! Herbart recht eigentlich eine Hypothese, eine Hypothese in dem 

t Sinne, wie die empirische Physik dergleichen ersinnt, um sich 

I damit die Möglichkeit einer mathematischen Bearbeitung der 

\ Naturerscheinungen zu eröffnen, während aber nach Piaton die 

I Eigcnthümlichkeit der Philosophie und die dialektische Methode 

f in der Philosophie eben darin besteht, keine Hypothese zu ha- 

k b'en, sondern alle Hypothesen aufhebend zu dem wahren Prin- 

I tip' der Erkenntnifs hindurchzudringen. Die Psychologie un- 

^ teriichetdet sich von der äbrigen theoretischen Philosophie auch 

[ dadurch, dafs sie zu dieser ersten Hypothese rotf den einfachen 

t Oumpotdi» Dr. T. F. , Oetcbichto d. Philoiophie. SS 



. - 338 - - 

Wesen mid too deren Slornngen und SelbflerhaUnngen' noch 
eine zweite Hypothese hioziihnngt und zwar eine solche^ von 
der sich jeder Schärferblickende sagen niuf», wenn auch die 
HerbartVhe Philosophie es auf das Sorgfältigste zu bemänteln 
strebt, dafs sie mit jener ersten ursprünglich nicht das Mindeste 
gemein hat, sondern auf rein äu&erliche Weise an sie gel^nüpft 
wird. Während nämlich in der Metaphysik die äufsere Er- 
•cheinungswelt einfach nur aus dem Wechselspiel der Störungen 
und Selbsterhaltungen abgeleitet wird, welches zwischen den 
verschiedenen einfachen Wesen stattfinden soll: so kouMiit in 
der Psychologie, um die innere Erscheinung des Seelenlebens 
zu erklären, noch die Hypothese eines zweiten Wechselspiel <:s 
hinzu, welches in der Seele als einem jener einfachen Wesen, 
«wischen den verschiedenen Selbsterhaltungen -^ als solche gel- 
ten bekanntlich dort die Vorstellungen — unter einander an- 
genommen wird. Diese Ergänzung der ursprunglichen Voraus- 
setzungen des Systems durch nenhinzugenommene, zum Behuf 
der Erklarvng eines besondern Erscheinungsgebietes, kann von 
dem einmal angenommenen Standpjunkt aus als eine ganz er- 
laubte unschuldige Mafsregel erscheinen; eine etwas näher 
eingehende Betrachtung zeigt indcfs, dafs sie nichts weniger 
ist^ als dies, daCs vielmehr durch sie die- ursprünglichen Vor- 
aussetzungen geradezu zerstört werden. Wenn die Hypothese 
von den Störungen und Selbsterhaltungen einen verständigrn 
Sinn haben soll, so k«nn e« nur dieser sein, dafs. durch sie 
der Annahme einer Innern Vielheit von Daseinsbestimmungen 
in dem einfachen Wesen, weldie bekanntlich von dieser Philo- 
sophie als ein Widerspruch perhorrescirt wird, ausgewichen 
werde« solU Es ist nichts klarer, als dafs das von der Hypo- 
tiiesc angestrebte Ergebntfs, gesetzt es wäre dvrcli sie erreicht, 
durch die psychologische Hypothese wiederum veroiclitei wird.. 
. D.aTs nämlich die Vorstellungen, was sie urspriinglich zwar 
nicht sein sollen, in der Seele nach Herbarts Ausdruck zu 
KräAen werde« und als Kräfte sich gegenseitig einander im 
Schach halten, bekämpfen, gelegentlich auch ^nander durch- 
dringen und wechselsweise steigern, auch eine die andere her* 
vorrufen oder in^s Schlepptam nehmen: durch welche ersinn- 
lich« Denkoperationen könnte sich die« wir sage« nicht als Fol- 
gerung aus der metaphysischen Hypothese darstellen, sondern 
nur in einen einigermasscn erträglichen Einklang mit derselben 
bringen lassen? Die Störungen, gegen die die Seele durch ihre 
Vorstellungen rcagirt, sind längst vorübergegangen, wenn jenes 
mechanische Wechselspiel der Vorstellungen in den Gang 



— 839 — 

kpoiint) wctchen die Psychologie cu beobachten «nd— su be- 
rechnen unterniinint Mit n^elchem Rechte iSrst lich die Vor- 
stellung auch dann noch als ein nur von Aussen ihm abge- 
drungener SelbsterhalCungsact des einfachen Seelen wesens be- 
trachten, wenn der äufsere Anlafs zu solcheni Acte verschwun^ 
den ist? Mit welchem Rechte vorgeben, dafs man dennoch 
keine dem Seelenwesen an sich oder zu Folge seiner Natur in- 
wohnende Vielheit annehme, wenn man doch gezwungen ist, 
in die Natur des Scelenwesens den Grund zu seUen, wefshalb 
seine Selbsterhahungen nicht zugleich mit den Störungen, denen 
sie enuprechen sollen, aufhören, sondern sich ab selbsUtSndige 
mechanisch gegen einander wirkende .Kräfte in der Seele be- 
haupten ? Den Widerspruch meint Herbart aus der Erklärung 
des Seelenlebens entfernt zu haben, wenn er ISugnet, dals et 
in der Seele eine Mehrheit ron Kräften giebt, durch welch« 
sich die Mannigfaltigkeit des Innern XSreschehens in ihr eriüi- 
ren lasse, wenn er behauptet, dafs der Grund dieser erschei- 
nenden Mannigfaltigkeit nur aufserhalb nicht innerhalb des ein- 
fachen Scelenwesens zu suchen sei, und dann in Einem Athem 
doch wieder jede durch die von Aussen kommende Störung 
nur hervorgerufene aber nicht unterhaltene Vorstellung, als eine 
von äirer Veranlassung völlig unabhängige Kraft in der Seele 
wirken läfst?'< 

Von Herbarts Schriften mfissen zum Schlüsse angefUhrf 
werden : die 4te A. seines I^ehrbuches zur Einleit. in die Philo« 
Sophie (i84i); die 2. A. seines Lehrbuches der Psychologie 
(1834); die allg. Metaphysik (i8^8); die 9. A. seiner Eacydo- 
. pädie der Philosophie (i84i)) die Schrift zur {iehjre Ton der 
Freiheit des menschl. Willens (l836); die analytische Beleucht. 
des Naturrechts und der Moral (1836); die psychologischen Un- 
tersuchungen (1839) und die kleineren philosophischen Schrif- 
ten und Abhandlungen nebst dem Nachlasse h. v« Hartenstein 
1843. Gedrängte DarsteMnngen seines Systems finden sich in 
den Geschichtd>ilchem von Fichte, ReinhoM und Chalibäns. 

Di« Aufgabe der Philosophie erblickt Beneke (Die neue 
Pvydiologte, Bert. iS^S S. 34o f.) in Herateilung der Klar- 
heit und BestioMBtlieiti (Gesondertbeit) und der Zurückfuh- 
rung auf das wahrhaft Elementare* Von Allein, was über- . 
haupt mit einer gewissen Vollkommenheit in unsrer Seele 
ausgebildet werde, bleibe eine Spur im Innern der Seele, 
zurück. Da sich dieses Gesetz vom ersten Lebensaugen- 
blicke an ununterbrochen wirksam erwcssi^ so titn alle 



— 340 — 

Akte der «asgebildeten Seele wesentlich too uocBdlicher 
Zusammengesetztheit und hieraus, erkläre sich leicht, wie 
die Terschiedenen philosophischen Ansichten entstanden. 
England habe in Baco, als seinem Repräsentanten, das Ver- 
dienst, zuerst, der allgemein herrschenden scholastischen ge- 
genüber, die- richtige Methode nachgewiesen zu haben. Das 
Argumentiren aus allgemeinen Begriffen schwebe in der Luft. 
Frankreich habe in Descartes den Ruhm, für die Erkennt- 
nifs Tom Geistigen^ die rechte Stellung im Ganzen der 
menschlichen Erkenntnifs namhaft gemacht zu haben* Des- 
cartes habe rermöge der Art^ wie er den Grund für seine 
Philosophie legte, zuerst darauf hingewiesen, da(s die.Ge- 
wifsheit, die wir TOn unserer Seele und ihren Tnätigkeilen 
haben, eine unmittelbarer und fester begründete ist, als 
irgend eine andere, dafs alle übrige Gewifsheit, auf welche 
wir Anspruch machen wollen, erst auf jene zurückgeführt 
und gegründet werden müsse. Indessen habe ihm eine tie- 
fer dringende Psychologie gefehlt, er sei noch in der Lehre 
yon den angebomen Begriffen befangen gewesen. Da sei 
Locke aufgetreten« Aus seiner Nachweisung, dafs es keine 
angebomen Begriffe giebt, dafs Tielmehr alle Begrifie zu- 
.letzt aus äufseren oder inneren Wahrnehmungen abgeleitet 
sind, habe sich sehr natürlich di^ Forderung ergeben, für 
jeden Begriff, welcher auf Realität Anspruch macht, die ent- 
sprechenden äufsern oder innern Wahrnehmungen aufzu- 
weisen* Wo sich solche nicht aufweisen licfsen, hätten wir 
erdichtete Begriffe. Hiemit sei für die philosophischen Prob- 
leme die rechte Form gewonnen worden. Aber Locke sei 
Qoch keineswegs zum wirklich Elementarischen gelangt, 
habe die angebomen Begriffe ids psychologische. Erdich- 
tungen, aufgedeckt, aber die angebomen abstrakten Seelen- 
Termögen bestehen lassen, die menschliche Erkenntnifs auf 
zwei Grundquellen, die sinnliche Empfindung und die in«» 
nere Wabrnehmung,^ zurückgeführt, während doch die letz- 
tere etwas überaus Abgeleitetes sei, sowohl was die wahr- 
nehmenden Vermögen, als was das Wahrgenommene (die 
psychischen Bildungsformen 4er ausgebildeten, Seele) be- 
treffe. So sei Co<idillac's Polemik gegen ihn sehr wohl be- 
gründet gewesen. In Deutschland ^ei nicht einmal die 



J 



— MI — 

Ldclte'schc Reform durchgedrungen, obgleich die eitgliscben 
Forschungen herübergekommen und bei Einzelnen, wie 
{}arve, tjrc£f liehe Früchte getragen. Leibnitz sei allerdingis 
nicht blo8 als Mathematiker, sondern, ungeachtet seiner prft- 
stabilirten Harmonie und inancher andern Wunderlichkei- 
ten, auch als Metaphysiker grofi^. Aber als Psycholog habe 
er sich eben keine Lorbeeren erworben. Von den durch 
ihn gegen Locke in Schutz genommenea ahgebomeh Be- 
griffen habe sil;h selbst Kant nicht losmachen können, einen 
wie trefflichen Anlauf er auch hiezu genommen« In der ge- 
uieinsamen Verlegenheit hätten dch sofort die verschiede- 
nen Völker, den Grundrichtungen ihrer Bildung gemäfs, 
zu entgegesetzten Auskunftsmitteln entschlossen; ' Die Eng- 
länder, die Franätosen und die übrigen ^uf ihrer Seite ste- 
heilden hätten, um an der richtigen Methode, der Begrün^- 
düng der Philosophie auf innere Beobachtung,^ festhalten ztt 
können, die Lösung der tiefer liegenden Probleme falleift 
lassen, welche bei der Uuvollkommenheit der' Psychologie 
noch nicht nach dieser Methode ihre I^ösung erhalten kön- 
nen. Bei uns Deutschen umgekehrt. Uns sei es Viel zu- 
sehr um die tieferen metaphysischen, moralischen, religions« 
philosophischen Probleme zu thun gewesen, als dafs wir 
dieselben, unter irgend einer ^ Bedingung, hätten zur Seite ^ 
liegen lassen sollen. Und sa hätten wir denn lieber dicr' 
richtige Methode tum Opfer gebraeht und durch' die alte 
scholastische, die der Erfahrung abgewandte Constrüction 
aus vorgefafsten Begriffen für jene Probleme wenigstens denr 
Schein von Lösungen zu gewinnen gesucht. Daher denn 
auch die entgegengesetzten Charaktere in der Fortbildung 
der Philosophie. Dort eine gewisse Lähmung und Verfall^ 
hier eher ein Uebermaafs von Leben und Treiben, aber ein 
verkehrtes und verwirrtes Treiben ohne Halt und wahrenr 
Fortschritt. 

„Gegenwärtig nun, schliefst Beneke zunächst mit Be- 
ziehung auf sich, ist auch bei uns eine Reform eingetreten« 
Mit den angebornen Begriffen sind zugleich auch die an- 
gebornen - abstrakten Vermögen über Bord geworfen ' wor- 
den und vermöge der Umgestaltung, welche die Psycho- 
logie hiedurch gewonnen hat, sind wir in den Stand gesetzt, 



mit Vermeidttng ron beiderlei Opfern mich die tiefsten Pro- 
bleme nach der richtigen Methode zu löten. Die Pc^ycho- 
logie alt Maturwissenschaft ist mit ihren Zergliederungen 
wirklich zups Blementarischen rorgedrungen : hat auch die 
Jbeiden Factoren der reiiezion in die Sensation aufgelöst, ja 
ist, indem sie seQMt die rersohiednen Formen dieser als ab- 
|;eleitet nachgewiesen hat, auch über, sie noch hinausgegan- 
gen zu den sinnlichen Urrermögen« Von diesen aus t^rd 
alles Uebrige oonstmirt. Was bisher als das Ursprfinglich- 
Substantielle galt (die angebornen abstrakten Seelenvermö- 
gen), hat sich als etwas blofs Adjektivisches, als abstrakter 
Ausdruck abgeleiteter (später entstandener) Formen gezeigt. 
Wir sind im Stande, nachzuweisen, auf welchem Punkte 
jede derselben entsteht, durch das Zusammenwirken wel- 
cher Bildungafactoren, durch welche Prozesse, Und in dem 
hiedurch gewonnelien Lichte tritt nicht nur alles unmitelbar 
Vorliegende ungleich scharfer und klarer hervor, sondern 
Tcrmögen wir auch, die inneren Organisationsformen aller 
psychischen Gebilde von der verdeckenden Hölle entklei* 
det, mit der vollsten Entschiedenheit und Bestimmtheit auf- 
zufassen« Da nun Alles, was irgend in phlilosöphischen Be* 
griffen und Salzen gedacht wird, psychische Producte sind, 
so kann es keinem Zweifel unterliegen, dafs hiedurch &kt 
alle philosophischen Wissenschaften eine allgemein gültige 
Feststellung erwerben ist« Während bisher die Metaphysik 
die Grundwissenschaft ftr die Philosophie war, so wird dies 
von nun an 4ie Pfychologie sein,^^ Es braucht kaum be- 
merkt zu werden, dafs Beiieke, bei solcher Anschauung der 
deutsche» Philosophie, bei solcher Annäherung an Fremd- 
ländisches, wenig Beifall finden konnte. Man lese z« B; Mi- 
ehelet (Gesch, der letzten Systeme d« Ph, in Deutsch!« I), 
Rosenkranz .(Gesoh« der Kant*schen Philosophie 8. 435 f.)« 

Eine Geschichte der Naturphilosophie begann in neuerer Zeit 
Schalter; eine Geschichte der Psychologie hinterliefs der älure 
Carus; über den bisherigen Zustand der Anthropologie und 
Psychologie handelte Fichte (Zeitsehr. tS44); über die neuere 
Geschichte der Psychologie Beaeke (Die neue Psycfa^gle). 



S43 — 



Zur Geschichte der Relig;ioiisphllos«i|phie. 

Wie der Meister »um ScIilusBe mnes Allegros noch' 
reinoial die ganze Kraft des Gesanges, der Harnionie und 
litstrumenttrung zusammenraift, so hat auch die Reiigions- 
Philosophie in neuester Zeit, bei der stets steigenden reli- 
giösen Spannung, die ganze vergangene Fülle wiederkebreB 
lassen. Alles klang bald leiser balcf stärker an: die sub* 
jective Gewalt des {protestantischen Frincips, die sich, wie 
. schon Jn Melanchthons Oertern, in Hervorhebung des An- 
thropologischen gegen die theologische Lehr^ geltend macht ; 
die Auflösung der Transcendenz, wie sie in, den Schriften 
•eines Servet, Seb« Frank, Sohwenkteld, Osiander, Spinoza, 
der Arminianer erscheint, von der leisen Andeutung eines 
vergotteten Menschen bis zur Alles offen verschlingenden 
Substanz; das Selbstvertrauen vom Kampfe der Sozinianer 
und Arminianer bis zur theologia naturalis eines Wolff; die 
Selbstverlassenheit durch alle Schattirungen der Lehre von 
äer Erbsunde; die Versöhnungsversuche eines Leibnitz zwi- 
schen Theologie und Philosophie, wie die alten Kampfe zwi- 
schen Rationalism und Supranaturalism, ja selbst zwischen 
den einzelnen christlichen Kirchen ; Böhmes Dualitöt der 
Principien in Gott, nach dem in Ja. und Nein alle Dinge 
bestehen, es sei göttlich, teuflisch, irdisch^ das Eine, als 
das Ja, eitel Kralt und Liebe, die Wahrheit Gottes, Gott 
selber ist, dieser ohne da^r Nein in sich selber unerkennt- 
lieh und darin keine Freude oder Erheblichkeit noch Eifi- 
pfindlichkeit wäre, das Eins also nichts in sich hat, das es 
wollen kann, es duplire sich denn, dafs es zwei sei — wie 
das isns perfectissimum Wolfia, Gott als verkleidetes Kanti- 
sches Postulat der praktischen Vernunft, als Fichte'sche 
moralische Weltordnung, als Schelling'sche absolute Ursaek- 
Hchkeit, als HegeVscher absoluter Geist. Alles brauste in 
wilder J^gd durch die Literatur Aitt l^etzten Jahrzehnte. Die 
Ursache liegt hier gleichfalls in dem schon angedeuteten 
Historism der Gegenwart, der so weit gieng, dafs Manches 



Mos mechanisch hervorgehoU wurde» Die Schwingung war 
so stark, dafs auch die Anhänger solcher Systeme, welchen 
die religionsphilosophische Aufgabe ferner lag, der Strö- 
mung folgten, wie Drobisch in seiner Religionsphilosophie« 
Ausser den bei Rixner bereits Genannten traten in jüngster 
Zeil besonders Schleiermacher, die Neuhegelianer und ScheU 
ling in den Vordergrund, auf die ich mich defshalb auch 
hier einschränken und die Schilderung' des vielen Tiefen 
und Trefflichen in den Schriften von Daub, H. Ritter (Ue* 
ber die Erkenntnifs Gottes in der Welt, Hamb. i856), C. 
Ph, Fischer (Die Jdee»der Gottheit 1839), Romang (.System 
der natM. Rcligionslehre 1841), VVeif^ (Die Idee der Gott- 
heit 1844), Wirlh (Die speculative Idee Gottes i845), Rein- 
hold (Das Wesen der Religion 1846), Fichte (Die specula- 
tive Theologi^ 184G), Schwarz (Das Wesen der Religion' 
1847), Rose (Die Ideen von den guttl. Dingen 1847) etc« 
Andern überlassen mufs« 

Ueber Schleier macher^ t »854, der am bekanntesten 
ist durch seinen Versuch, nicht das Evangelium Einzelner, 
sondern das Evangelium des allgemeinen menschlichen Ge- 
fühls zum Codex des Protestantism zu machen, hat Fichte 
in seiner ZeitschriCt 1846 S. 112 f. durch eine Parallele zwi- 
schen Fichte dem Aeltern und Schleiermacher Licht ver- 
breitet. Es scheint hier erforderlich, darauf einzugehen, da 
Fichte von Rixner falsch beurtheilt wird, und der Aufsat* 
auch auf die verkehrten Auffassungen dieser Art eingeht. 

y^as Fichte^tche Wissen, bemerkl der Sohn, ist nicht Erschei- 
nungswissen, hinter welchem eine in ihrem Ansich nur verhör* 
gene Realität anzunelimen wäre (Kantischer Idealismus) ; noch * 
ist es ein snbjectivcr Schein, ahs wenn die Natur nur ein Vor- 
gespiegeltes Eingebildetes wäre (Nicolaisch • Jean- PauPsche Auf- 
fassung des Idealismus, über welche die gewohnlichen Benr» 
theiler bis zur heutigen Stunde, wollten sie aufrichtig sprechen,, 
noch immer nicht recht hinaus su seio bekennen mfifsteii, u^ 
welche Kategorie auch das aus Hegels Vorlesungen überlieferte^ 
Witzwoit geholt, das Fichte^sche Ich sei einem «, „ Vichchen ^ 
decke dich'' '' zu vergleichen, welches nach Belieben AUes «nt 
sich zum Vorschein bringe) — sondern Product eines Ursprung* 



liehen, jedem endKchen Bewiifstsein vorangehenden Uractes des 
absoluten Wissens, indem es, um endlich zu werden, in irgend 
einer — gleichgiltig in w^elcher — Bestimmtheit unmittelbar sith 
ergreifen mufs, wenn es überhaupt als Bewufstsein sich rea- 
lisiren soll/ Das Ich hat von jeder individuellen Bestimmtheit 
in ihm zu abstrahiren, sich zum Begriffe seines Wesens, des 
allgemeinen Bewufstseins, des reinen Ich zu vertiefen, 
diesen Begriff anschauend zu erleben. Es erkennt dann, wie 
alles fiir dasselbe Seiende nur in ihm sein, Product sein kann 
jenes ursprünglichen Sichselbstsetzens des allgemeinen Ich, 
aus welchem alles Bewufi»tein hervorgeht, dessen einzelner Act 
nur jede BcsümmtlK^t oder Schranke ist, in welcher empirisch 
das (hiermit endlich gewordene) Ich sich findet. Der trans- 
cendentale Idealismus ist auf empirischem Standpunkte entschie- 
dener, die Skepsis wie den Kantischen subjectl^ien Idealismus 
^ widerlegender Realismus. '' Damit kann man die Aufsätze Fich- 
Ces des Sohnes in seiner neuen Ausgabe von Fichtes Werken 
vergleichen. 

Pichte hatte das Gute als Seinsollendes gefafst und dann 
als Sein werdendes, oder Seiendes, das realisirt werden müsse, 
nicht durch irgend einen endlichen Willen (da es nicht im 
Bereiche des Individuums liege, fiir die weitem Folgen der 
That, für das Ob] ectiv werden einzustehen), und auch nit>ht 
durch . die Summe der endlichen Willen, sondern durch 
einen absoluten in der üesammtheit der endlichen Willen« 
Was uns nöthigt zu denken, dafs wir schlechthin so han« 
dein müssen, nöthigt uns zu glaubeh, daf» aus unscrn Hand- 
lungen Etwas erfolgt, uniK^rloren für alle künftige Zeit« 
Das Absolute ist der ewige Wille, der durch die endlichen 
Jche hindurch sich vollzieht und allen ihren Thatcn die 
Einheit und. innere Harmonie aufprägt. Wie alle in der 
gemeinsamen sinnlichen Anschauung und im Denken Eins 
sind durch die absolute Vernunftform des Wissens, so wer* 
'dem sie harmonisirt einerseits durch die ihnen allein gleich«" 
niäfsige Form des sittlichen Willens, der an ihnen hervor- 
bricht; «aderntheils dadurch, dafs ihre Thaten, in jener 
Gesinnung verübt, wenn auch ^individuelle Erzeugnisse, doch 
zusammenstimmeir, den Willen Gottes bewähren. So er« 



— SM — 

gab sich für ihn der Glaube an Gottes Willen atts jenem 
Seiiisollen, als intellectuelles Gefühl. Die Religion ist die- 
ses Gefühl, hat eine selbststandige ron allem Denken, Rai- 
sonnement und sonstiger schlicffsender Vermittlung unab- 
hängige Grundlage, geht alhemi Denken voran, ist Quelle 
jeder vermittelten Eridenz, (Quelle des Denkens, gleieh der 
Vernunft, Die Theologie dagegen ist ßrzengnifs eines ver- 
mittelten Verstandes« ,,Was dureb die Vernunft geatzt 
ist, sagt Fichte (Rückerinnerungen, Werke V. S. 5iß)^ ist 
schlechthin bei allen vernünfUgen Wesen ganz- dasselbe« 
Die Religion und der Glaube an Gott ist durch sie gesetzt, 
sonach in gleicher Weise gesetzt« Es giebt in dieser Rück- 
sicht nicht mehrere Religionen, noch mehrere Götter« Nur 
dasjenige im Begriffe Gottes, worüber alle übereinstimmen 
ui»d überciiiKtimmen müssen, ist das Wahre; dasjenige in 
ihrem Begriffe von Gott (nicht etwa in ihrem Begriffe vom 
Begriffe), worüber sie streiten, darüber haben nothwend^ 
Alle Unrecht, eben darum, weil sie darüber streiten kön» 
ncn. Das, worüber dergestalt gestritten werden- kann, ist 
nur durch eine falsche Thilosophic errasonnirt oder aus 
einem auf falsche Philosophie gegründeten Katechismus aus- 
wendig gelernt." 

Schleiermacher drang nun gleichfalls auf Scheidung der 
specutativen Thatigkeit von den Gemüthszustanden (Der 
t^hrisll: Glaube s, A. ]835 S. 106), legte truf Spezifisches 
(worüber sich streiten lafst) gleichfalls keinen Werth (Dia- 
lektik 1^39 S. i5o f« 428 f«), verwandelte oder generalisirte 
Pichte's Gefühl der sittlichen Abhängigkeit voir dem abso- 
luten Willen in die Abhängigkeit schlechtweg, pttanzte gleich- 
falls die Fahne des Gefühls auf, als des Organs für das 
Absolute, läfst aber den Beisatz „intellectuelh^ ^^gy womit 
Fichte das Bewüfstsein Gottes, als ursprünglichsten Ab- 
druck des Denkens qualifizirte. Endlleh äufsert Schleier- 
macher in seiner Dialektik, das religiöse Interesse sei der 
Ursprung all^s Anthropoeidischen und darum seien seine 
Productionen dieser Art durchaus nur als mittelftire Dar- 
stellungen für das Denken und als Wissen nicht ehir zu 
setzen^ als den Hegeln gemäfs, welche i^ir vom uumittel- 



— S47 ~ 

baren Interesse des Denkens aus zu finden hätten/^ Aber 
die Regeln des Denkens sind bei Schlciermacher hier rein 
kritisch und negativ« Das Denken zeigt sich bei ihm mit 
dem Charakter, nur innerhalb der Wßlt die endlichen Ge- 
gensätze verknüpfen zu können, dabei zwar indirect die ab- 
solute Einheit mitzusetzen, aber keineswegs sie an sich sel- 
ber zu erkennen. Das Geföhl sollte dies vermögen, aber 
jede errungene Gcwifsheit wird durch das nachkommende 
Denken verzehrt. „Was ist nun, schliefst Fichte (der Sohn) 
dies Anderes, als ein Coromentar zu dem alten Satze der 
Fichtc*schen Wissenschaftslehre, der in der „Bestimmung 
des Menschen^^ seine energische Ausführung erhalten hatte: 
dafs jedes endliche Bewufstsein ein Absolutes setzen müsse, 
aber dafs es ihm ebenso nothwendig verschwinde, wenn es 
dasselbe für die Reflexion (das Denken) fixiren wolle? Ficli- 
te (der Vater) hat erst die innerlich zweifellose Gewifsheit 
der sittlichen Idee, als Schranke dieses unendlichen Alter- 
nirnens, betont, SpSter hat er den Dualism noch auf an- 
dre Weise zu überwinden gesucht. ^^ 

Unter den Neuhegelianern nehmen Straufs, Bruno Bauer 
und Feuerbaoh hier unsre Aufmerksamkeit iii Anspruch. 

Den Anstofs gab Hegel durch seine Religionsphiloso« 
phie« Sie föllt bei ihngt unter die Lehre vom objeetiven 
Geiste, denn der absolute Geist hat die Kunstreligion, die 
offenbare Religion und die Philosophie, welche der An- 
schauung, der Vorstellung und dem Denken entsprechen, 
zu Entwicklungsstufen. Jede Religion ist also ein Moment 
der offenbaren Religion. In der Religion ist nach seiner 
Lehre die Idee für die Vorstellung vorhanden« Die Reli- 
gion strebt die Versöhnung des Endlichen und Unendlichen, 
des Subjects uifd Gottes, des Göttlichen und Menschlichen 
an. Die Religion an sich ist das Selbstbewufstsein, das Sein 
des absoluten Geistes in der Vermittlung und Verwirklich- 
ung durch das BewufsiBeiu det endlichen Geister, Daa 
menschliche Bewursteein ist da» Material, worin der Begriff 
Gottes sieh realisirt, der GeUl die Thatigkeit des Sichfaer» 
Vorbringens übl. Dies gesell teliL durch einen Frozefs, in 
welchem die verschiedenen Religionen Momente bilden. He- 



gel nahm drei Stufen ant I. die Ndturreliglonen des Orientd, 
die Religion der Zauberei, der Phantasie (Jndien), des Gu- 
ten oder des Lichts (Zoroaster), des Räthsels (Aegypten}. 
In ihnen ist Gott noch Naturmacht, gegen die das Endliche 
Individuelle als Nichtiges verschwindet; IF. die Religionen 
der geistigen Individualität^ in welchen das Göttliche als 
Subject angeschaut wird, die Religion der Erhabenheit bei 
den Juden, die der Schönheit bei den Griechen, die des 
Verstandes, der staatlichen Zweckmäfsigkeit bei den Romern ; 
HL das Chrisienthum, wo die positive Versöhnung eintritt, 
wo in dem Gottmenschen die Verwirklichung der Einheit 
des Göttlichen und Menschlichen angeschaut wird, der Geist 
zur Verwirklichung seiner selbst, seines Selbstbewufstsefns 
und des Heligionsbegriffes gelangt. Die Menschwerdung 
als Sclbstentäufserung Gottes und die RCichhehr aus dieser 
Entäufserung bildet den Inhalt der Dreieinigheitslehre. Gott 
in seiner ewigen Idee an und für sich ist Vater* Er unter- 
6l;heidet sich aber unendlich von sich selbst, erzeugt sich 
als den Sohn, als Welt. Bei der Unterscheidung bleibt er 
aber bei sich selbst, als Geist. Die Philosophie und das 
Christenthum haben denselben Inhalt nur dieses unter der 
Form der Geschichte und Vorstellung, jene als Begriff; 
Religion und Philosophie sind nur verschieden nach der 
Form, identisch nach dem Inhalt« 

Die Immanenz Hegels konnte in ein willkürlich sub^' 
jeclives Gott -Machen, der Ausdruck und Begriff der He- 
gelschen „Vofrstellung^^ in ein falsches subjectives Gott. 
Machen umschlagen, obgleich für Hegel viele ConSequen-r 
zen seiner Schüler, trotz der bei ihm vorkommenden her- 
ben Aeufserungen über Wundergescbichten (Geschichte der. 
Philos. W. XI IL 220), und eine derartige - historische Hri- 
lik, wie sie Straufs übte, bei seiner Abneigung gegeii nnr 
nutiöse Geschichtsforschung, fern lagen. Zu diesem Behufe 
mufste die Identität der Religion und Philosophie aufgeho- 
Ben werden. Dies geschab bei Straufs, der zwar zugiebt, 
dafs nicht blofs dieselbe menschliche Natur, sondern ge- 
nauer ihr Ti^ieb nach Seihsterkenntnifs, ihre Vernunft, die 
Tbatigkeit d^r Vorstelhing beherrsche trnd durch die ^uf* 



— S49 — 

Steigende I^cihe der Rcli|^ionen zu impner gröfgerer An- 
näherung an die Wahrheit leite, aber zugleich jcnd ]deo** 
tilät behampfte und aiuiabm,« dafs die Form der VorsleU 
lung den Inhalt afiicire, zu einem andern unvoUkommnereA 
mache, als der durch eine Vernunft hervorgebrachte philo^^ 
aophisqhe Inhalt sei« Es wurde so die niedrigere Thätig- 
Iteit und der niedrigere Erfolg herausgekehrt» Man wählte 
dafür . den Ausdrupk Mythus, an den sich seit Anfang de.s 
Jahrhunderts die Erforschung der psychologischen Facto^ 
refi der Religion vielfach geknüpft hat* Nach SlranfH^i 
der i855 ein Leben Jesu und spater, (1C40) eine Glaubens^ 
lehre schrieb, hat schon das Alterthum gewisse den Men- 
schen heilige Bigenschaftcn und Erscheinungen personi- 
ficirt, so das Heldenthum in Herakles, die Kultur iii Bak-. 
chos: An die Erscheinung Christi ist auc^ eine solche Ei« 
gensphaft geknüpft worden, nämlich die des Mitllejramtes 
zwischen Gott und, den Menschen, die Idee eines unmittel- 
baren Abgesandten Gottes. Christus wurde zum Träger 
eines Mythus gemacht und von ihm alles das als geschicht- 
liche Thatsache ausgesagt, was die Idee der Absendung 
und Vermittlung an Folgesätzen wie an Vordersätzen er* 
heischte. ISicht Christus aber, sondern die ganze Mensch- 
heit ist der wahre Sohn Gottes, die absolute Einheit der 
göttlichen und menschlichen IVatur, Die Entwicklung de» 
religiösen Bewufslscin^ der Menschheit ist die beständig 
fortschreitende Selbstoffenbarung Gottes* An di« Stelle der 
ascetischen Moral, oder der Glaubensheiligkeit, welche die 
Kirche gelehrt, hat das natürliche Verhalten des Menscheii 
zur sittlichen Ordnung, deren Glied er^ist, zu treten, an 
die Stelle des Kultu3 der unmittelbaren Erhebung zu eincnpi 
übersinnlichen \Yesen durch Gebet, die Versenliuog in die 
Tiefen der Speculation, welche uns das innerste Wesen der 
Natur und der Menschenwelt also das wahrhaft Göttliche 
erschliefst; an die Stelle jder Kirche, als einer nur vor« 
läufigen und unvplll^pmmenen Form ifte|isch lieber Gemein- 
schaft, der Staat, als das höchste Erzeugnifs der sittlichen 
Freiheit. 

Hatte Straufs die Mythenhaftigkeit <itv Bibel auf ge- 
schichtlichem \yege vprzugswebe zu j^rhärten gesucht) do 



-^ SM -- 

betrat Feuerbach, dessen gesammelte W«rke Leipz. 1846 T. 
erschienen, bei dem sich Anklänge an den Subjectiirism 
Pichles, an Danmer, Ghiltaitjr etc. in Fülle zeigen,' mehr 
Aen psychologischen Weg. Er hat sich die Aufgabe ge- 
steltl, Gott oder die Religion auf ihren menschlichen Ur- 
sprung zurückzufilhren ifnd durch diese Reduction im Men« 
sehen theoretisch und praktisch aufzulösen (lieber das We* 
sen des Christenthums Werke }. 8. 347). Die Mittel ent- 
nimmt er dabei dem Empirismus und Sensualismus, zu -dem 
er sieh bekennt (Werke H. S. i83. 335 etc.) und der sich 
in der obersten Ansieht ausspricht, dafs philosophiren so 
Tiel sei, als das Evangelium der Sinne im Zusammenhange 
lesen. Nach ihm hat der Mensch das Wesen seines Be- 
wufstseins, die Gefühle, Vorstellungen, Wünsche und Be- 
dürfnisse seines Herzens hypostasirt, ihnen ein selbsstandi- 
ges Dasein aufter sich gegeben. Die Religion hat nicht 
nur die Mächte des menschlichen W^ens, sondern selbst 
die Schwachheiten, die subjectirsten Wünsche des mensch- 
lichen Herzens (in den Wundem) bejaht. Die göttliche 
Weisheit ist menschltefae Weisheit, das Geheimnifs der 
llieologie ist Anthropologie, das des absolutea Geistes der 
sogenannte endltcfie subjectire Geist. Aber die Religion 
hat nicht das Bewufstsein ron der Menschlichkeit ihres In- 
halts f sie setzt sich dem Menschlichen entgegen, oder we- 
nigstens gesteht sie nicht ein, dafs ihr Inhalt ein mensch- 
licher ist. Der nothwendige Wendepunkt der Geschichte 
ist daher dieses ofiene Bekenntnifs und Eingeständnifs, dafs 
das Bewufstsein Gottes nichts Anderes ist, als das Bewufst- 
sein der Gattung; dafs der Mensch sich nur über die 
S<:hranken seiner IndiridualitSt erheben kann und soll, aber 
nicht über die Gesetze, die positiven Wesensbestimmungen 
seiner Gattung; dafs der Mensch kein anderes Wesen als 
absolates Wesen denken, ahnen, vorstellen, fühlen, glau- 
ben, wollen, lieben und verehren kann, als das Wesen der 
menschlichen Natur. Was der Religion das Erste ist, Gott, 
das ist an sich, der Wahrheit nach, das Zweite, denn es 
ist nur das sich gegenständliche Wesen des .Menschen, und 
was ihr das Zweite ist, der Mensch, das mufs daher als 
das Erste gesetzt und ausgesprochen werden. Die Liebe 



— Ml — 

zum Menschen darf keine abgeleitete sein ; Ae mute xar 
urspr&nglicben werden; dann allein wird die Liebe eine 
wabre, beilige, zurerlässige Macht; hinter der religiösen 
kann sich auch der Hafis rerbergen. Ist das Wesen des 
Menschen das höchste Wesen des Menschen, so mufs auch 
praktisch das höchste und erste Gesetz die Liebe des Men- 
sehen siun Menschen sein. Homo homini Deus est — dies 
ist der oberste praktische Grundsatz, dies ist der Wende- 
punkt der Weltgeschichte» Die Verhältnisse des Kindes zu 
den Aeltern, des Gatten zum Gatten, des Bruders zum Bru- 
der, des Freundes zum Freunde, überhaupt des Menschen 
zum Menschen, kurz die moralischen Verhältnisse sind per 
se wahrhaft religiös Verhältnisse« Das Leben ist in «ei- 
nen wesentlichen substanziellen Verhältnissen durchaus gött- 
licher Natur. Seine religiöse Weihe empfängt es nicht erst 
durch die Hand des Priesters. Im Christenthnm werden 
die moralischen Gesetee als Gebote Gottes gefafst; es wird 
die MorAlität selbst zum Kriterium der Religiosität gemacht; 
aber die Ethik hat dennoch untergeordnete Bedeutung, hat 
nicht für sich selbst die Bedeutung der Religion. Diese 
fallt nur in den Glauben. Ueber der Moralität schwebt 
Gott, als ein ron den Menschen verschiedenes Wesen, dem 
das Beste angehört, während dem Menschen nur der Ab- 
fall zukommt. Alle Gesinnungen, die dem Leben, dem Men- 
schen zugewendet werden sollten, alle seine besten Kräfte 
vergeudet er an das bedurfnifstosc Wesen. Die wirkliche 
Ursache wird zum selbstlosen Mittel, eine nur rorgestellte 
imaginäre Ursache wird zur wahren wirklichen Ursache« 
Dtr Mensch dankt Gott f&r die Wohlthaten, die ihm der 
Andere, selbst mit Opfern, dargebracht. Der Danh, den 
er seinem Wohlthäter ausspricht, ist nur ein scheinbarer; 
er gilt nicht ihm, sondern .Gott. Er ist dankbar gegen 
Gott, aji>er undankbar gegen den Menschen. So geht die 
siüliche Gesinmmg unter. Die Immanenz steigert sich bei 
ihm bis zur Ansicht, dafs der Glaube an ein rom mensch- 
lichen Wesen rerschiedenes Göttliches nur Illusion, das .Chri- 
stenthum dieses Glaubens fixe Idee sei, sein wahres Wesen 
im Gegensatze zum Heidenthum darin bestehen solle, dafs 
dieses Qualitäten, jenes 4en ganzen Menschen rergöttert. 



— 5&5I — 

„Nwr-wenn die wetentlichen Eigenschaften, «agt er (Werke 
]. aCs), die Gott ,zu Gott machen, z. B. Weisheit, Güte, 
Gerechtigkeit, nicht auch in uns sind, i«t Gott für das Her;& 
ein Bedurfnifs ; denn sind sie auch in uns, so bleiben sie, 
Gott mag sein oder nicht sein/^ Und an einer andera 
Stelle (S. 3o5): „Was nicht gut ist, ist allerdings nicht so- 
gleich böse; aber ein Gott, welcher dir nur in den Kopf 
kommt, wenn du das gute Wesen aufgiebst, welcher dir 
den Glauben an das Gute als das wahre, letzte, d, i. gött- 
liche Wesen raubt, das Gute nur zu einem Anthropomoc- 
phismus, einem blofsen Bilde, einer blofsen Erscheinung 
herabsetzt, ein solcher Golt ist in der That kein Gott, sou^ 
dem ein böses Wesen» Gott an sich, Gott aufser Christo, 
sagt Luther, ist ein erschrecklicher, furchtbarer Gott; aber 
was nur Furcht und Schrecken einflofst, das isX eben ein 
böses Wesen. Der Gott an sich, die Majestät, unterschei- 
det sich daher nur in der Vorätellung, nur dem Mamen 
nach, aber nicht in ^er That, nicht seinem Wesen :nach, 
ron dem Wesen des Teufels," 

Man sieht schon aus Allem, dafs eine ehrenwerthe siU* 
liehe Entrüstung zu solchen Paradoxen treibt. Die. Schwä- 
che Feuerbachs beruht aber darauf, dafs er ^u seiner Ent- 
rüstung auf unkritischem Wege gekommen i^t, indem er 
die Religion nach abgerissenen, localen und individualcfi 
Aussprüchen und Meinungen bemifst. Es zweifelt ^Niemand^, 
dafs Gott ohne seine göttlichen Eigenschaften als ausgeleerlp 
negative Macht der Teufel wäre, oder was man dafür sub- 
stituiren mag. Aber man möchte einen objectiren Bewctiß 
haben^ dafs Gott als Transcendentes die göttlichen Eigeur- 
Schäften nicht hat, dafs Gott an sich (atso doch ohne f^e» 
lation) für uns schon etwas (Majestät) und dann doch wie«^ 
der nicht etwas (Weisheit, Güte etc.) sei etc. Und am End^ 
kam Feuerbach über die Transcendenz doch nicht hinuis. 
An die Stelle des ausfallenden Transcendenten setzte er 
nämlich die Natur. Sie ist ihm Alles, ihr zu folgen, i^ 
Weisheit (Wes. des Chrislenth. .2. A.). „Wx)ztt der Mensch 
keinen Trieb hat, sagt er (Ueber Tod und Unsterblichkeit 
Werke lll. S. Sji), dazv hat ^r ßuck kein.e JPllicht. Hß 

kann 



— SSW _ 

kann itm Menschen nichts zur Pflicht gemacht weihden,' 
was nicht wenigstens irgend ein Mensch nicht aus Pflicht^ 
sondern aus reiner Neigung oder Natur thut/^ ,)Das Ah* 
hängigkeitsgefuhi ist der Grund der Religion, der Gegen- 
stand dieses GefühlS) das, wovon der Mensch abhängig ist 
und abhängig sich fühlt, ist aber ursprünglich nichts An- 
deres, als die Natur (Werke L S. 4ii)»^^ Es scheint, als 
wolle fUr ihn die Natur schon das Uebergewicht über den 
Menschen erlangen. Dieser Anschauung ist er auch in sei- 
nen „Grundsätzen der Philosophie der Zukunft, Zürich 1843^*: 
treu, wo wir §. Sg lesen : „Wahr und göttlich ist nur, was . 
keines Beweises bedarf, unmittelbar durch, sich selbst ge- 
wiss ist, das schlechthin Entschiedene, Unzweifelhafte, Son^ ' 
nenklare* Aber sonnenklar ist nur das Sinnliche; nur wo 
die Sinnlichkeit anfangt, hört aller Zweifel und Streit auf. 
Das Geheimnifs des unmittelbaren Wissens ist das der Sini|«^. . 
lichkeit. Genie ist unmittelbares, sinnliches Wissen. Was 
das Talent nur im Kopfe, das hat das Genie im Flieisch und 
Blute etc/^ Diesen Ansichten entspricht auch die über Me-, . 
thode« „Die Methode, sagt er in den Thesen (Werke II* 
S. 246), ist in der speculativen Philosophie dieselbe, wie in 
der Religionsphilosophie« Wir dürfen nur immer das Prä- 
dicat zum Subject und so als Subject zum Object und Prin« 
cip machen — also die speculatiire Philosophie nur umkeh-^i- 
ren, s\> haben wir die unv9rhüllte, die pure, blanke Wahr-« 
heit.^' Aber das allgemeine Sinnliche, die Natur, existirt 
eben auch vor und nach und über deoa Subject, übersteigt 
dieses sowohl in Ansehung der Existenz und Macht, als der 
Erkennbarkeit, weil die Erkenntnifs der Natur immer man- 
gelhaft bleibt, statt sonnenklar zu sein, und die Deter- 
minirung des Gefühls durch die blos sinnliche Natur 
unklar bleibt. 

Als dritter Kämpfer gegen den Glauben unsrer Zeit 
trat Bruno Bauer den beiden bei, obgleich er zu dem 
nichtabschliefenden, negativen Charakter der Straufsischen 
Kritik und zu Feuerbachs allgemeinerer und zufalligerer 
Haltung einen Gegensatz bildet (Kritik der erangel. Ge- 
schichte der Synoptiker, Leipz. 1841 ; Die evangeU Landes- 
Giiinf omOi, Dr. V. F. » Geschichte d. Philosophie. 23 



— 354 — 

hirche Frenfsens ii. d. WiBsenschaft 3* A« eb. 1843; Gesch. 
der Politik, Cultnir 11« Auf^klär* des 18. Jahrb., Charlottenb« 
1843 etc.). Die christliche Vorstcllungsweise, deren Haupt- 
charakter, nach Bauer, in der .Mbstraction ron allem End- 

"^liehen und aller Wirklichkeit des Lebens besteht, hat sich 
eben so gebildet, wie sich auch ändere solche religiöse Vor- 
stellungsweisdn gebildet haben, unter dem Einflüsse der all- 
gemeinen Weltbcgebenheiten und durch die bewufste Thä- 
tlgkeit einer Reihe Individuen, deren jedes zur Entwick- 
lung dieser Vorstellungen beiträgt» Der erste Anstofs zu 
diesen mag von einem Individuum ausgegangen sein, allein 
die eonsequente Ausbildung, in welcher uns dieselben in 
der christlichen Geschichte vorliegen, erhielten sie erst spä- 
ter. Indem man nun aber diese ausgebildete Religions- 
ansicht — welche in der Abstraction, in der Entfremdung 
des Menschen von sich selbst und allen seinen natürlichen 
Verhältnissen ihre Spitze fand — auf die Persdnlichkeit des* 
sen zurückbezög, von welchem der erste Anstofs dazu aus- 
gegangen war, mufste man diese Persönlichkeit nolhwendig 
zu einer solchen übernatürlichen wunderbaren Gestalt er- 
heben, als welche Christus in den neutestanientlichen Be- 
ichten dargestellt wifd. Der historische Christus ist der 
Mensch, den das religiöse Bewufstsein in den Himmel er- 

'hoben hat, d. h. der Mensch, der auch dann, wenn er auf 
die Erde herabkommt, um Wunder zu thun, zu lehren und 
zu leiden, nicht mehr der wahre Mensch ist. Er wird nicht 
geboren wie ein Mensch, lebt nicht wie ein Mensch in 
menschlichen Verhältnisseil, und stirbt nicht wie ein Mensch. 
Dieser historische Christus, das in den Himmel erhobene, 
das Gott gewordene Ich, hat das Alterthum gestürzt, die 
Welt besiegt, indem es dieselbe aussaugte und seine ge- 
schichtliche Bestimmung hat es erfüllt, wenn ^s durch di« 
ungeheure Zerrüttung, in di« es den wirklichen Geist stürz- 
te, diesen gezwungen hat, sich selbst zu erkennen und mit 
einer Gründlichkeit und Entschiedenheit, die dem naiven 
Alterthum nicht möglich war, Selbstbewufstseih zu werden. 
Im Messias (der Pcrsonification dessen, was dfer Mensch 
selbst war) sind alle JNaturanschauung und die sittlichen 
Bestimmungen des Familien ^ und Volksgeistes und des 



- 855 — 

Staatslebens, sowie Aet fCunstaiischauting untergegangen. 
Nun soll, sagt Bauer (die gute Sache der Freiheit und 
meine eigene Angelegenheit), die Philosophie nicht Alles in 
Allem sein^ nicht um eine Philosophie, auch nicht um die 
Philosophie handelt es sich, wenn die Religion gestürzt 
wird,- sondern um die Menschheit handelt es sich, und die 
Menschheit soll Alles in Allem sein. Sämmtliche Güter der 
Menschheit, Staat, Kunst und Wissenschaft, die ein Ganzes^ 
ein System bilden, und unter denen keines als ein absolu- 
tes und aüsschliefsliches herrschen darf, wenn es nicht .wie- 
derum ein Ucbel werden soll, alle diese Güter sollen end- 
lich einmal, nachdem sie bisher ton iet Religion auf Tod 
und Leben bekämpft waren, frei werden und sjch frei ent- 
wickeln. Die Menschheit will nichts Aüsschliefsliches mehr; 
darum kann sie die Religion, die sie bisher hinderte. Alles 
KU sein, was ihre Bestimmung ist, niöht mehr als eine all- 
gemeine herrschende Angelegenheit wollen. Sie Schliefst 
die Religion defshalb nicht so aus, wie die Religion die 
Kunst und Wissenschaft ausschliefsen mufs, dafs sie die- 
selbe mit Stumpf und Sti^l ausrotten wollte^ sondern sie 
erkennt sie an und läfst sie als Das bestehen, was sie ist, 
als fiedürfnifs der Schwache, als Strafe der Unbestimmtheit, 
als Folge der JVIuthlosigkeit, als eine Privatsache. Kunst, 
Staat und Wissenschaft werden defshalb immer noch mit* 
den Unvollkommenheiten ihrer* Entyiricklung tu kilmpfen 
haben, aber ihre UnVollkommenheit soll nicht zu einem jen- 
seitigen Wesen erhoben werden und als die himmlische^ 
religiöse Macht ihren Fortschritt hemmen. Ihre Unvoll- 
kommenheiten sollen als ihre «igene anerkannt und als sol- 
che im Fortgang der Geschiiihte überwunden werden, lu 
der Religion wird der Mensch um sich selbst gebracht und 
Bein Wesen, das ihm geraubt und in den Himmel versetzt 
iist, zum Unwesen, zum Unmenschlichen, zur Inhumanit&t 
lielbst gemacht« Die Kritik ist die Krisis, welche das De- 
lirium der Mensdhheit bricht und den Menschen wieder 
, sich selbst erkennen läfst«^' 

fÜnen scharfen Gegensatz tvL Fen^etbach bildet Enge« tn det 
„Akademie^ hitter. Tasehonbuch^ Leipz« 1S48*' giebt er z« B« 

'23* 



— 356. — 

eiaea Anftatx „die Religion nntret' Zeit,** worUi der Noturalttm 
tcbarf angegriffen wird. Die Religion ist ihm das ernttliche 
Streben der Menschheit nach den hSchiten Gfitern. Sie treibe, 
die Erkenntnifs der Wahrheit, die Kunst dem Ideal und die 
ethische Welt der Freiheit entgegen. Nnr Zeiten und Volker, 
welche der Wahrheit, Schönheit nnd Freiheit sngleich holdig- 
ten, könnten als wahrhaft menschliche erkannt werden« In 
- den bekanntesten Religionen des Alterthumes seien diese Mor 
mente der wahren Religion rereinzelt cur Geltang gelangt: in 
. dem Jndenthume sei die Einheit der Idee tEoerst anerkannt wor« 
den ; die Religion der Griechen habe das fiethetische Ideal zn 
ihrem Gegenstande ; die der Romer das ethische Prinsip, die 
repnbKkanische Tugend« Dos Christenthnm habe diese drei 
Richtungen der Religion in sich Tcreinigt, aber erst die neuere 
Philosophie habe diesen Sinn des Christenthums erkannt» Din 
Aufgabe der gesamraten bisherigen Geschichte sei die Reali^ 
sirung der philosophischen, fisthetischen nnd politischen Idee, 
indem man den Menschen cu seinem wahren Wesen erbebe, 
oder sein Wesen durch Erkenntnifs, Schönheit und Freiheit 
realisire. Das Streben darnach . sei Religion, die Praxis dieser • 
Gemüthsrichtnng ihr Cultus. Seine Philosophie nennt Roge 
den Humanismus» Von seinen Schriften liegt eine Gesammt» 
ausgäbe vor» 

Es muf« der Geschtchu der Theologie die Würdigung 
dessen vorbehalten bleiben, was durch die Bestrebungen die- 
ser und andrer Erscheinungen, Edgar Bauers, Scbweglers, ZeU 
lers -^ die indessen nicht alle zusammengeworfen werden dür- 
fen, da z« B. einem Schwegler, oder dem viel angefeindeten 
Zelier die Vorwürfe des Atheismus, Nihilismus, der Emanci« 
pation des Fleisches etc., welche man den Neuhegelianern 
•o reichlich zukommen läfst, nicht gemacht werden hön^ 
nen — för Exegese, Dogmatik, Dogmen- und Kirchenge- 
schichte gewonnen worden. In Bezug auf die Philosophie 
haben StraufS) Feuerbach, Br. vBauer das Verdienst, zur 
Auffindung und Erforschung der Wahrheit durch ihre Ne^ 
gation des Ueberkommenen mSchtig aufgestachelt zu haben, 
dem Sturme gleich, der die FSulnifs rerhindert. Die Ne- 
gation ist aucm ^auf dieser Seite vojlkommen als das wahre 



• 

Eleme«! erkannt worden« Ich erinnere zvm Beispiel lin 
den Ausspruch Feuerbachs (Werke I. Vor» IX) t „Die wahre 
Phik>sophie ist die Negfition der Philo^ophie^^ und an die 
Ansichten von Edgar Bauer (Der Streit der Kritik mit Kir- 
che und Staat, Bern 1844)) dafa die Vernunft etwas Tod- 
- tes, Wirkungsloses w&re, wenn sie ein ewig Feststehendes 
wäre« Es gebe keine absolute Vernunft, sondern nur eine 
ewig sich neu mit der Entwicklung des SelbstbewuTstseiiM 
ges^tende, keine seiende, sondern nur eine werdende. 
Diese werdende Vernunft schaffe die Formen der Gesell- 
schaft. So gewifs jedoch jene keine absolute sei, könne sie 
aber auch keine absoluten Formen schaffen« Diese seien 
nur zeitweise giltig, so lange die Vernunft hf^e höhere 
geworden sei. Von da an hätten sie nur das Recht ver- 
nichtet zu werden. Und wie m^t der Wahrheit, so sei es 
iftuch mit der Freiheit« Es gebe keine absolute Freiheit 
uiid keinen absoluten Freiheitszustand. Wie der Tod des 
freien Mannes Ruhe sei, so müsse auch die Ruhe der Frei* 
heit Tod genannt werden« 

lEiiie Kritik verschiedener Schriften dieser Richtung von Fichte 
ßqdet man in dessea Zeitschrl 184% S, ^h ^^^ S. 298; von 
Weifse eh, iSifl S, loa, A843 S. 40, Eine Kritik Feuerbachs 
in den theolog, Jahrbüchern v. Zeller II, S. 329> bei Schwarz 
(Das Wesen der Religion II, 196), bei Schaller (Darstellung 
und Kritik der Philosophie Feuerbachs, Leipz, 1S47). Die 
Schriften Hugs, UUmans, Tholuks etc. von theologischer, Ro* 
mangs (Der neueste Pantheismus oder die junghegelsche Welt^ 
anschaunng, Zürich 1848), Hannes (Der moderne I^ihilismus 
und die Strauf&Vhe Glaubenslehre, Bielefeld 1842) J. H. Fich- 
tes^ Weifses, Fischers etc< von philosophischer Seite füllen eine 
-ansehnliche Bibliothek, S, auch Biedermanns Gesch. d, Ph. 
seit Kant 

Zum Schlüsse folgen hier die allgemeinen Principiien 
der positiven Philosophie Schellings^ 

Hiebei nimmt zuerst die Stellung zWisehen der neg»^ 
tiren und positiren Philosophie unsre Aufmerksamkeit in 
Anspruch« : . . 



- 598 - 

Die Philofopliie ist naeh Ihm die unabhängige, abeo- 
Inte Wissenschaft. Ihr Eigenthümliches besteht darin, dafs 
de ihren Gegenstand selbst xu geben hat, während er den 
andern WijMensohaften gegeben ist« Diejenige Wissen- 
•obaft, durch welche die Definition der Philosophie ent- 
steht, ist die erste Philosophie, Indem sie ihren Gegen- 
Stlmd sucht, kann sie nicht zum roraus schon ausschliefslich 
mit diesem Gegenstande beschäftigt sein. Sie geht durch 
alles Erkennbare, d. b. durch alles Mögliche, hindurch, 
denn nur das Seiende wird erkannt. Das Erkennbare ist 
^so nicht das Erkannte, sondern das Sein «Könnende. Die 
Philosophie in dieser Function mufs von der Unmöglich- 
keit alles ^eins ausgehen und diese zu erschöpfen 8ucl49i^ 
wozu es einer erschöpfenden Methode bedarf, um, nach Bo« 
•eitigung alles Andern, bei dem anzulangen, was sie nicht 
mehr einer andern Wissenschaft überlassen kann, sondern 
iiiir wirklichen Erkenntnifs sich vorbehält. So ist die Phi- 
losophie keine spezielle Wissenschaft, sondern die über 
allen stehende, ist Wissenschaft der Wissenschaften und hat 
« ihren gröfsten Repräsentanten in Aristoteles, Diese Philo- 
sophie darf also erstens keinen Gegenstand zum vorys aus« 
Schliefsen, sondern mufs nothwendig durch Alle hindurch- 
gehen. Zweitens geht sie mit den Gegenständen zunächst 
nur bis zur Erkennbarkeit, nicht ^ur wirkliehen Erkennt» 
nifSt Darum hat sie auch zu den Gegenständen überhaupt 
nur ein Verhältnifs als asu möglichen, nicht zu wirldichen. 
Dieses Verhältnifs nennt man ein a prior^sches« Und die 
Philosophie in diesem Sinne Ist eine a prior*sche Wissen- 
echaft* Sie hat dies mit der Geometrie gemein, dafs sie 
nicht fragt, ob ein Dreieck existirt, sondern nur behauptet, 
dafs ein Dreieck so und so v^el fordere etc. Die Philo» 
Sophie im angegebenen Sinne würde wahr sein, auch wenn 
▼on dem, was sie nur in seiner Möglichkeit erkennt, nichts 
wirklich existirte. Ihr Ende kann diese Wissenschaft^ nur 
dann finden« wenn sie, nach ErschC^pfung der Unipöglich- 
keit, dem nicht mehr a priori Erkennbaren, also auch ni^t 
mefur a prieri Möglichen, nahe kommt, welches daher Skr 
sie (in dieser Function) als ein Unerkennbares stehen bleibt. 
Sie geht v8n dem a priori Möglichen aus und m'acht ihr 



« > 



— 339 — , 

Ende bei dem a priori Wirklichen. Diese Philosophie kann 
die negative heifsen, weil sie mit der Existenz nichts zu 
thun hat, sondern sich eben^ blos auf das a priori Möglicl^e 
beschränkt, ferner weil sie als Wissenschaft der Wissen- 
schaften das eigentliche Wesen voraussetzt» nicht wissende 
Wissenschaft ist, insofern sie die Wissenschaften als wis- 
sende behandelt. Positive Philosophie ist dagegen diejenige, 
für welche das in der negativen Letzte das Erste ist* Man 
kann aber nicht sagen, dafs die positive durch die negativp 
begründet ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die nq- ' 
gative Philosophie ihr den Gegenstand als bereits erkann- 
ten überlieferte« In der negativen Philosophie ist aber die- 
ser Gegenstand als das Unerkannte stehen geblieben» Es 
findet demnach kein stetiger Uebergang von der negativen 
Philosophie zur positiven statt. Die negative geht dieser 
in keihem andern Sinne voraus, als in welchem sie allen 
Wissenschaften vorausgeht. Die Absicht der Philosophijp 
besieht jedoch nach Schelling darin, über das Sein hia- 
auszugehen auf das, was sei^i wird« \ 

Denn falls man hinter das Sein kommen wolle, 9Q 
könne man das Sein vor dem Sein (das Yordemsein) nur 

. in Bezug auf das Sein betrachten. JÜnd da das Vorden^seia 
gesetzt werde, nicht um zunächst es selbst kennen zu ler- 
nen, sondern um das Sein kenarn zu lernet), so reiche es 
hin, das V'orsein zuerst in Be^ug auf das Sein zu fassen 
u^d in diesem Bezug sei es ganz Zuhunfk, das noch nicht 
Seiende, was sein wird. Zur ErrüMuiii; fUeser Zukuuft wird 
von Schelling das Wollen geforcterL Die Entstehung oder 
Erzeugung des ursprünglichen Süiiis sei uur möglich durch 

• Wollen. 'Allem Wollen, welches nctu;? sei, £>;elie aber der 
. Wille voraus, der potenlia, Röim^'n im VerliälunAi zu je- 

V nem actus sei. Der WiHß^ insofern er noch nicht wolle, 
sei ein bloses Können und jedes blose Können ein ruhei]f> 
der, Wille. Es sei k^in Sein ohne wirkliches Wollen denk- 
Mirr Der Widerstand, an .welchem wir das Sein eines Din- 
ges erkenneten, liege im Willen; der Wille sei das eigent- 
lich Widerstehende und jUnwandelbare, das Erste. Der 
Unterschied zwischen d^m. natürlichen &nd dem moralischeii 



* % 



Widerstände liege in dem blinden und dem besonnenen 
Willen, in der Art des Willens. Der sogenannte todfc Kör- 
per wolle sich, das Thier etwas aufser sich, der Mensch 
etwas über sich. Das was vor dem Sein ist, das was sein 
wird ist also Sein-Könnendes. Das Wesen in allem Sein 
sei Wollen, das Seiende also nur activ gewordener Wille* 
Aber bei dem blos Sein -Könnenden und seiner Folge, dem 
gewollten Sein, dürfe die positive Philosophie n^cht als Prin- 
cip stehen bleiben, müsse von einem andern Seienden aus- 
gehen. Das blos Sein- Kfonende ist nllmlich nicht ajn zu 
sein und nicht zu sein Freies, denn der potentia exi- 
stendi ist es natürlich, sich in das Sein zu erheben. Sie 
ist als potentia nicht festzuhalten, ist schon immer Seien- 
des und zwar Bleibend - Seiendes, weil der innere Wille, 
wenn er sich einmal erho^n hat, nicht mehr sich selbst 
gleich ist, nicht mehr ist, was sein und^nicht sein hann, 
sondern was sein und nicht sein konnte« Was nur sein 
und nicht sein konnte, ist blos Zufallig -Seiendes. Was 
aber* gerade zufällig ist, ist» nie^ mehr Nicht -Sein -Kön- 
nendes, also Nothwendig- Seiendes. Wie der Mensch ein 
Andrer ist vor der That, zu welcher er in Verhältnils steht, 
ein Andrer nach der That, so ist das ^in- Könnende im 
Sein nicht mehr, was er war, nicht mehr seines Wesens, 
Wesen als Potenz genommen« Was sioh noch kein Sein 
zugezogen hat, ist frei ^gegcii das Sein; was dagegen ein-^ 
mal in dai Sein übergegangen, ist nicht mehr das vom Sein 
freie Wesen^ ist au r>»er sich. Das Sein - Könnende aufser 
sich ist dag süiner Ulimacht ige. Bewegungslose, Todte, in 
falscher Exi&tenz, m schlechtem Sein Existirende. ?iur das 
Sein -Könnende ist Quellß des Seins. Die eigentliche Frei- 
heit besieht nicht im Sein, sondern im Nichtsein, im sich 
nicht äufeern. Dos blos Sein -Könnende ist a)so nicht das 
wahrhaft Sein »Könnende. Nur was Freiheit hat, zu sein 
und nicht zu sein, zu wirken und nicht zu wirken, ist das 
wahrhaft Sein -Könnende. Dem blos Sein-Köinnenden bleibt 
nichts übrig, als zu sein. Das wahrhaft S6in-Könnei|de 
kann in das Sein übergehen, ohne seine Natur zu verän- 
dern und ein Andr^ ein sich Ungleiches zu wei'den. Es 
hat die wahre tVeiheit, weil es nicht erst ein Sein zu 



suchen, flondem ein Sein ror aller aller Bewegung, ror 
allem Willen hat* Es ist allein seines Seins sicher und ge- 
wifs und kann in keiner nachfolgenden Bewegung aufge- 
hoben werden, i^t seiend a priori. Dies ist das Unvordenk- 
lieh* Seiende. Wer nicht über die Grenze der blosen Idee 
hinausgehen will, wird von dem ausgehen müssen, was im 
Denken das Erste ist, dem Sein -Können» Wenn es sich 
aber um die Wirklichkeit handelt, z. B. um den wirklichen 
Gott, was natürlich bei der Philosophie der Offenbarung 
der Fall ist, da im Begriffe der Offenbarung ein reelles, ja 
actuelles Verhältnifs' Gottes zum Bewufstsein gedacht wird, 
da wird die Philosophie ron dem im Sein Ersten ausgehen 
müssen. Princip der positiren Hhilosophie kann nicht hei- 
fsen, was im Fortgange sich selbst yerliert, . sondern nur, 
was in der Folge «ich selbst behauptet, ja in der Folge 
sich erst bewährt. Dasjenige ist aber wahrhaft über dem 
Sein, was im wirklichen Sein noch über dem SMn ist. Die 
negative Philosophie, die ihr Princip erst sucht, und daher 
in ihrem Verlaufe noch nicht jfositive Philosophie ist, kann 
von dem Sein- und Nicht-Sein-Könnenden, als dem 
allerdings im Denken Ersten, ausgehen und durch Nega- 
tion des Sein - Könnenden zum Gegentheil zum wahren 
Seienden gelangen. Bei diesem fangt aber eine andre Wis- 
senschaft an, die positive Philosophie. Und diese hat erst 
das wahre Princip. Princip kann ja nicht sein^ was dem 
Umstürze ' ausgesetzt, sondern nur was, gegen in\}e nachfol* 
gende Möglichkeit gesichert^ nie unterstehen ho im. Zwei- 
felhaft ist aber jedes Sein, in welchem die Möglidil^eit eines 
andern Seins liegt, am zweifelhaflesten das Sein de^aen, wel- 
ches das Sein -Könnende selbst ist« Die Fbiiosophie d. O. 
hbit es also nicht blos mit der Idee der Vernunft zu thun, 
wie Kant meint, der ron keiner andern Idee Gottes als 
eben in der Vernunft wissen wollte; sie hat es nicht mit 
Gott, insofern er blos Idee ist, zu thun, sondern mit dem 
wirklichen Gotte. Die positive Philosophie geht ron einem 
Princip aus, das ganz und rein Seiendes ist, das ist, ehe es 
sein kAin, also alle Potenz ausschliefst. Aber dieses rein' 
Seiende ist dann auch das wahrhaft Sein - Könnende, denn 
es ist nicht zum Voraus a priori Sein -Könnendes, sondern 



« priori Seiendes« fiwp das Sein, oder der actus geht ifach 
diesem Begriffe voraus ;und zwar der actus purus, in wei- 
chem kein Können ist, welchem kein Können vorauagegatt- 
gen ist. 

Von hier aus ist nun der Uebergang zu Schelliogs Aä- 
siobten Ciber die Creadon schon gegeJ»en« 

Darin, äufserte er, stimmen Alle überein, die Gott sta- 
tuiren, dafs die Welt eine Folge von Gott sei. Aber die 
Frage ist: ob eine blose Folge seines Wesens oder seines 
Willens, Spinoza sagt, die Dinge folgten aus der Natur 
Gottes mit Natumothwendigkeit, Darnach sind die Dinge 
zwar eine Folge von Gott, aber blos logische Folge seiner 
Natur, nicht Folge seines Willens. Er hat nicht einmal den 
Versuch gemacht, diese Nothwendigkeit nachzuweisen. Weil 
die Dinge wirklich existiren und sich al^ blos zuföllig exi- 
stirend darstellen nnd daher nur als Folge eines nothwendig 
existirenden Wesens betrachten lassen, darum mufs er sie in 
Verbindung mit diesem sehen. Und da ihm das nothwen- 
dig seiende Wesen ein absolut unbewegliches ist, so bleibt 
ihm nichts übrig, als der Gedanke einer logischen Folge, 
oder Emanation. Wir würden, äufserte Schelling, uns zu 
der andern Ansicht schon darum getrieben sehen, weil sich 
der Gedanke einer logischen Folge nicht realisiren läfst. 

Es entsteht also die Frage, was sich wissenschaftlich 
mit dem oben aufgestellten Begriffe anfangen lasse, dessen 
prius nicht potentia, schon Sein selbst ist. Ein solches hat 
offenbar kein Bedürfnifs, weiter zu gehen und scheint sei- 
ner Natur nach das Unbewegliche zu sein. Wennjaoan von 
der Potenz, als dem Nichtsein, ausgeht, bleibt der Fort- 
gang zum Sein« Hier aber, wo das prius selbst schon Sein 
ist, wozu könnte man fortgehen? Wenn man aber ein exi- , 
stirendes Wesen vor sich hat, so kann man zweierlei er- 
läutern: erstens, dafs es ist^ zweitens, was es ist. An je* 
nem a priori Exbtirenden ist natürlich zunächst nichts zu 
erkennen, als dafs es ist Aber das, was es aufser d%r Exi« 
itenz ist, wird damit nicht ausgesprochen, ja sogar frerbor- 
geOf denn eigentlich weifs man nur, dafs es ist, nicht was 
es ist, denn das Dafs kpmiicit hier dsui Was zufror. Die 



Exiateiiz ist hier statt des Begriffs. Wenn tinn in der irom 
Begriffe aiisgefaen(jlen Philosophie die natürKohe Beweguag 
dHe vom Begriffe zum Sein ist^ so wird in der vom reinen 
Sein ausgehenden Philosophie die natürliche Bewegung umt- 
^kehrt die voni Sein zum Begriffe sein. Die Aufgabe wäre 
hier zu eineni vom Sein unabhängigen Begrifie zu gelauf- 
genf Diese Au%abe ist der gleich: dty, was in jenem be*- 
grifflos Seienden, isf, unabhängig ^on seinem Sein zu sehen, 
es davon zu befreien« Alle Beweglichkeit ist nun in der 
Potenz, denn das Ziel aller Beweglichkeit ist das Sein« 
Nun ist aber durch den Begriff des Voraus - Seienden aller» 
dings alle demselben vorausgehende Potenz aufgehoben, kei- 
neswegs aber eine dem Seienden folgende ausgeschlossen, 
da die Möglichkeit ihrer Natur nach von nichts ausge- 
schlossen ist und, um ausgeschlossen zu sein, ausdrücklich 
ausgeschlossen werden mufs. Sie ist das eigentlich von 
Nichts Auszuschliefsende, das Immer -Seiende. Weil nun dem 
zum voraus Seienden keine Möglichkeit vorausgegangen ist, 
so isl die Möglichkeit auch von ihm nicht , ausgeschlossen 
worden. Und da sie an sich das nicht Auszuschliefaeiide ist, 
SO findet sie sich also auch eben darum zum Voraus- Seien- 
den ein und zwar von da an^ wo es ist, so dafs sie mi| 
demselben gegeben ist und im Seienden sich auch darsteU 
len kann, so wie es ist. 

Zur freiwilligen Schöpfung wird zweierlei erfordert x 
erstens, dafs zwischen der Ewigkeit des göttlichen Seins 
und der Welt etwas in defr Mitte sei, was beide aus ein-« 
ander hält; zweitens, dafs die Welt eine mögliche in der 
göttlichen Vorstellung eher da gewesen sei, als sie durch 
den göttlichen Entschlufs in die Wirklichkeit hervorgetre-» 
ten ist.* Wie nun das göttliche Wesen vom Sein frei wer^ 
den, Schöpfer einer von ihm unterachiednen Welt werden 
konnte, läfst sieh nur nach der üand a posteriori, durob 
die That selbst nachweisen. Aber denken und einsehen 
müssen wir ea allerdings a priori. Nun nennt man abei^ 
eine Annahme^ nach welcher zum voraus etwas denkbai^ 
werden soll, die jedoch ihren Bewein erst nachher findet^ 
eine Hypothese. ^ Vorerst ist' dso auch hier ,eiiie Jiypotheae 



anrawenden« Zugtekh urafs «her die ffypolliete m der Na- 
tur des Seienden begründet sein. Das Unbewegliche jenes 
ersten Seins liegt derin, dafs in ihm kein Können, tm rei- 
nes Sein ist Allein es ist nur insofern keine Potem in 
ihm, als die Potenz ihm nicht roransgehen darf. Aber 
nichts hindert, dafs diesem rein Seienden nach der Hand 
eine Mdglichkeit i^^ Tfaeil werde, welche natürlich nur die 
Möglichkeit eines Ton seinem Ursein rerschiedenen Seins 
sein kann* Gerade das, welches zum voraus seiend ist, ist 
auch das wahrhaft Seiur Könnende. Weil es seines Urseins, 
als eines a prior'schen, sicher, und gewifs ist, dafs dieses 
Ursein durch kein nachfolgendes Sein aufgehoben werden 
kann, können wir sagen, ^aü die Möglichkeit jenes voni 
Ursein verschiedenen Seins dem' Seienden sich nur darsteU% 
ihm nur erscheint. Die Frage, wie sich dem filos*Seimii^ 
den etwas darstellen könne, löst sich durch die ßetrachtung, 
dafs das Zumvoraussein hier nicht als Negation aller Sub^ 
jeotirität 3su verstehen ist, andern vielmehr so, da& das 
Sein nicht Pr^icat ist, das zu einem Subject erst hinsu- 
kommt. Das Seiende ist hier eben selbst das^Subject» Und 
weil es dieses ist, so kann auch jene Möglichkeit sich zu 
äim als Object Verhalten. Nur das Sein, das das Ursein 
an' sich hat» kann es nicht von sich wegbringen, 4rohl ist 
ihm aber das neu hinzukommende Sein nothwendig gegen^ 
ständlich. Es ist völlig frei, dieses fremde, von ihm ver- 
schiedene Sein anzunehmen, oder nicht. Mehr als Erschei- 
nung ist diese Möglichkeit vorerst nicht, sie erscheint ihm 
als etwas zuvor nicht Dagewesenes, sie tntt wie aus dem 
Nichts hervor, aber sie erscheint ihm von da ah als es 
sieht, sie erscheint ihm von Ewigkeit. Denn jenes Ursein^ 
dem keine Möglichkeit vorangeht, ist eben das Ewige^ 
Ewig kann nur sein, was ohne alle vorausgehende Mög-^ 
liohkeit ist. Ewig in diesem Sinne ist, was über aller Zeit 
ist und also nur als Moment gedacht werden kann. Vor 
Erscheinung jener Mögliehkeit. ist das Seiende das Grund« 
los- Seiende. Aber das Sein des Grundlos^Seie^den ist nur 
Moment^ nur Gedanke, bis zur "Erscheinung jener Mög^ 
Uchkeit. Diese ist * dem Seienden kein Unwillkommenes, 
indem ßiß ihm ^das ins jetzt Unerkan^l^^iihm^ df^ SitA zeigt, 

^^ 1 



das es.amickmen kiSnntev wenn es wollte« Sie giebt etwas, 
was es wollen kann, zeigt ihm etwas, was nicht ist, aqn- 
dem sein kann, wenn jenes Unerkannte will. Indem sie 
jenem Unerkannten einen solchen möglichen Gegenstand 
zeigtt wird sich dieses zuerst als Wille inne, als Herr eines 
Seinsj das noch nicht ist. Dadurch aber, dafs es sich ab 
solciien Herrn inne wird, ist es schon frei von seinem nn<p 
Tprdenklichen Sein, von dem es nicht Herr war. Indem es 
sieh als Herrn eines zukünftigen Seins siebte wird es ideell, 
wenigstens im Gedanken, oder der VorsteUun^^ von dem 
Ursein losgemacht. lEs sieht sich d0durch^ dal's es Herr 
eines dem unvordenklichen entgegengeseti&ten Seins ist, zu- 
gleich als Herr ieben dieses itnv^ordenklichen Seir>s. Denkt 
man sich, dafs der Herr eines nach nicht seienden, aber 
möglichen Seins dieses zufölJige Sein wirklich wolle, und 
dieses Sein wirklich^ als angenommen und gesetzt, also aU 
entstanden, so wird dieses Entstandene dem Unentstande- 
neu, ^em zuvor Dagewesenen, dem Ursein begegnen. Dieses 
Ursein wird im Vergleiche mit ihm erst den Charakter des 
nothwcndig Grund - ,und Anfangslosen haben. Krst im Ver- 
hältnisse zum Entstandenen wird das Unentstandene als das 
Ewige erscheinen. Femer kann dieses ziifidlige Sein nichl 
gleichgihig neben dem Ursein stehen* Nennen wir das 
ewige Sein A, so wird das zußillig erst entstandene ß sein. 
Ist dieses andre Sein B entstanden, so ist an der Steile, wo 
nichts war als A, ein Andres^ nämlich B, und jenes Erste 
wird selbst ein Andres, als es zuvor war, es bekommt 
eine Negation, eine Potenz in sich, hört zwar dem Wesen 
nach nicht auf, actus purus zu sein, aber dieser actus pu- 
rus ist nur mehr dem Wesen nach wirklich. Und da das 
Wesen gleich der Potenz ist, so. ist es nur nach der Po- 
tenz noch actus purus« Wir haben also das, was im An- 
fange das Reinseiende war und gegen dieses I^einseiende^ 
indem es- sich nur fand, nichts vermochte, jetzt schön als 
Herrn zweier Möglichkeiten: i. als Herrn B zu sehen, p^er 
vielmehr B, das Andere von sich, zu sein: 2. als Herrn 
diesem ß sein Nichtsein als Selbstseiendes entgegenzusetzen* 
Aber indem es sein Ursein von sich wegbringt, indem es 
selbst vom Ursein befreit WJr4^ entsteht Aoch eine dritte 



— SM — 

Mdglichkeit, sich als tc^ 8ein befreites Wesen zu setzeii. 
Hier wird es sich ntm fragen, was dieses seinlose Wesen 
darstellt? Nach dem Obigen ist Wesen Gegensatz ron 
Sein, Quelle des Seins, Seinkdnnendes. Dort war es das 
unmittelbar Seinkönnende, das nichts thun kann, als in das 
Sein übergehen. Bs war das unstete, was Wesen ist nnd 
nicht ist, ist, wenn es sich bewegt, nicht ist, wenn es sich 
nicht bewegt« Anders ist aber das Wesen, woiron jetzt die 
Rede ist. Dieses ist das »Is Wesen gesetzte, als solches 
nicht blos emfacfi^ Inwiefern es nun nicht das unmittelbar 
Sein- Könnende mn hanii, würde es zunächst das Gegen- 
theil. Diese Stelle ist ihm jedoch bereits genommen« Es 
kann nur noch da^ als solches sein müssende Wesen sein, 
das aU solclics geaetxtc Wesen, das sich nicht mehr 'un-» 
gleich ^vcrJeii kaum Als dieses ist es Wesen, welches We- 
sen bleil>t auch im Actus^ Wesen, das^ im Actus nicht auf- 
hört, Potenz, Quelle des Seins zu sein. Für das, was auch 
im Actus Potenz bleibt und eben darum erst frei ist, zu 
sein oder nicht zu sein, hat die Sprache den Ausdruck Geist. 
Die dritte Möglichkeit ist also^ sich zu setzen als ein vom 
Sein freies Wesen, als Geist. Der Herr des Seins ist dem-^ 
nach Gott, absolute Persönlichkeit. Gott ist erst das noth- 
wendig' Seiende, ehe er Herr des Seins ist. Aber zwischen 
seinem Das -Nothwendig- Seiende- Sein und seinem Herr- 
des- Seins -Sein ist keine Zeit. Dafs sich dem a priori Seien- 
den nach der Hand, also a posteriori, an ihm selbst die 
Möglichkeit eines andern Seins darstellt, war Hypothese. 
Es fragte sich also: wenn sich dem Urseienden eine solche 
Möglichkeit darstellt, was wird der Erfolg sein? Läfst 
sich dann dieser Erfolg in Wirklichkeit a posteriori nach^ 
weisen, so ist die Hypothese bewiesen. Kant hat die Vn- 
mö^liohkeit dargethan, dafs die Existc^nz Gottes auf die her- 
gebrachte Art bewiesen werden kann. Gegenstand des Be- 
weises ist also nicht, dafs Gott existirt, sondern dafs das 
seiner INatur nach Seiende Gott ist. Er ist der höchste zu 
aller Ahschliefsung der Vernunft nothwendige Vernunft- 
begriff, das Ende. Aber nichts hindert, ihn in der positi- 
ven PhilosopUe zum Anfange zu machen. Sie hat also die 
Gottheit des Sxistirendea zu zeigen, nicht eine Gottheit der 



— »67 — 

iVainr, sondern der Existens nach. Um dieses zu zeigen, 
mufs erst gezeigt werden, wie das seiner Natur nach Seiende * 
Gott sein kann« Es kann aber nur Gott sein, in wiefern . es 
Herr ist des Seins, und kann Herr des Seins nur insofern 
sein, als es eines andern Seins m&chtig ist, dafs es sei- 
nem Ursein entgegensetzen und dadurch auch mittelbar zum 
Herrn seines ürseins machen kann. , 

Der Beweis, dafs das seiner Natur nach Seiende Gott 
ist, kann aber nur faktisch geffthrt werden. Die Vern'ond- 
lung des Urgeienden und daher auch nur Seien clr*a iu den 
Herrn des Seins ist etwas Wundervolles, also Gott selbst 
ein Wunder, nicht eine vernünftige Notbwcndigkeit. Der 
Gang des Beweises ist der Nachweis, dafs sich in der Wirk- 
lichkeit, also in der Erfahrung, ühJet^ was a priori dedu- 
cirt wird. Da aber di^ Erfahrung, Natur und Ge schlichte, 
keine abgeschlossene is,t, so ist der Beweis ein stets fort* 
gehender und die Wissenschaft dieses Beweises Philosophie, 
(d h. Streben nach Weisheit). Das Nächste war nun, an- 
zunehmen, dafs jenes Seiende, welches sich unmittelbar als 
Herrn eines von seinem Ursein verschiedenen und blos zu« 
fölligen Seins sieht, dieses ihm zun&chst dargestellte Sein 
wirklich annehme. Das Seinkönnen, das ^s an sich selbst 
entdeckt, ijBt nun nichts Andres, als eine potentia existen- 
tiae, die, um zum Sein überzugehen, nur des Wollens be- 
darf. Wir nehmen nun an, das, in dessen Macht das zu-> 
fallige Sein gegeben ist, habe dieses Sein wirklich gesetzt. 
Hiebei konnte es nun nicht seine Absicht sein, sich dadurch 
als das Rein -Seiende aufzuheben^ was es zuvor war, son- 
dern eben darin besteht die Gottheit, dafs er sich zugleich 
als das Rein- Seiende festhält. Aber das Zufallig- Seiende 
kann nicht neben das Ursein, welches actus purus ist, ge- 
setzt werden, ohne eine Wirkung auf dieses auszuüben. 
Zwar das Ursein in der Wurzel vermag das Zufallige nicht 
aufzuheben, wohl aber findet sich dieses ewige Sein durch 
das neu entstandene ganz andere Sein in seinem actus ge- 
hemmt« Es bleibt seinem Wesen nach actus purus, aber 
es kann nicht mehr wirklich aetus purus sein. Es wird 
also zum actus purus in der Potenz. Aber e^en diese Po* 
teutialität ist etwas seiner Natur Fremdes. j£s ist daher, 



9m{ diese Weiee als Potenz des actus gesetzt, da es seine 
Natur nach actus purus ist^ nicht frei, zu wirken oder nicht 
zu wirhen, Nun ist aber die Wirklichkeit nur durch das 
entgegengesetzte Sein aufgehoben. Daher das Streben, ein 
andres Sein, von dem es sich gehemmt fühlt, seinerseit vris- 
der zu negiren, oder es in die Potenz zurückzubringen. 
Die Ueberwinduug des entgegengesetzten Seins, vrelches 
überwindltch ist, weil es bloses Wollen ist, geschieht nicht 
mit einem Schlage^ Es iat dies schon darum natürlich, weil 
Buch jener ßctiir gewordene Wille, welcher B ist, ein eige- 
ner Wille isU Zudem hatte bei unmittelbarer Ueberwin* 
dung der ^anze Vorgang heiiie Spur, hinterlassen, wäre 
zwecklos^ Dies widerslreitet dem Begriffe, den wir uns von 
der Ursache des ganzen Hergangs machen müssen* Von 
einer solchen Ursache laPst sich nicht annehmen, dafs sie 
etwas umsonst thue. Gott will Jas entg^enstehende Sein 
nur um eines Zweckes willen, den wir allerdings nicht er- 
kennen, aber festhalten müssen. Dürfen wir aber nur eine 
stufenweise Ueberwindung annehmen, so wird nothwendig 
ein Princip prästatuirt werden und dies kann nur ein Ver- 
stand, ein Geist sein, ein Princip, das diese Stufen bestimmt 
und auseinander hält. Die absolute Persönlichkeit ist keine 
der drei Gestalten, sondern der Herr schlechthin. Die Ge- 
stalten unter sicfh schliefsen einander aus, würden also nichts 
mit einander gemein haben können, wenn nicht eine über- 
legene Macht sie zusammenhielte und zum Zusammenwir- 
ken zwänge, wodurch nothwendig eine fortgehende Bewe- 
gung, die zugleich Tbatigkeit hat, d. h. ein.Prozefs, ent* 
stehen mufs« So erscheint der Herr des Seins als der ur# 
sprüngliche Herr eines Prozesses, denn in den drei Gestal- 
ten, in die er auseinander tritt, während er ihre unauflös- 
liche Einheit ist, hat er die Ursachen und Mittel eines boU 
chen Prozesses. In dem Auseinandergehen wird sich das 
Seiende als die unauflösliche Einheit der drei Potenzen 
inne, und weil es dies inne wird, sieht es sich in völliger 
Freiheit: i. jenes blos als möglich darstellende Sein anzu- 
nehmen ; 3. sein Urwesen zu potentialisiren ; 3. eben so das 
Wesen als Potenz und damit gleichsam als ein fbr sich 
Seiendes zu Ätzen. 

Das 



Dm Albt AttfimgMde iai fmes drai Vnrim ei^g^gmh 
gßBtUit Seift B) welches nfsprüaglicb SeinhSaiiettdet ist* 
Seine «rqMrOngliciie Grenze war das blote PotenMesn« Aber 
diese überschreiet es, indem es sma wurhlichen Sein Üb«P» 
geht« So erscheint es als das am» seiner Grenze GeeetKta, 
seiner nicht mehr Mächtige, Schrankenlose, als ein &at sich 
wollendes Wollen« Es wirkt nun ausschliefsend anf das 
Ursein und zwar am Anfange völlig aussohlielsend» Detta 
das blos zufällig Seiende kann niefal aa derselben Sieltt 
sein, wo das ürsein ist In noph grdfsc»« Entfernung ttilC 
aothwendig die dritte Gestalt surück» deim der besonnene 
Geist kann nicht da sein,, wo blos das wüste besinanags- 
Ipse Sein ist« Aber eben durch die Ausschliefsung erlai^ 
zunächst das de« zufalligen Sein entgegengesetzte Sein eine 
Gewalt* Wenn nun aber der erste schrankenlose Wille B 
wieder in gewissem Mafse in die Schranken gebrachti i|det 
zur Potenz geworden ist, so sehen wir, dafs hieaut etwas 
gesetzt ist, was nicht, bloses Weik des schrankeidosen Wil- 
lens ist, sondern auch zum Theil des gelassenen, jetzt wir« 
kend gewordenen Willens« Das hiemit Gesetzte gehört also 
keiner der beiden bis jetzt angenommenen Potenzen aus- 
schliefsend an, sondern ist ein drittes ztt beideir. Dieses 
ist weder ausscfaliefälich das Werk yon B, noch der mi- 
dem Ursache, sondern beider, ist ein concretes Ding, in 
welchem die Ursachen verwachsen (concrescunt). Durch 
dasselbe wird B wieder zur Potenz zvrücR^gebracht« Schel- 
. ling bezeichnete daS Seinkönnen A, das was sich nachher 
als B darstellt, als Seinköpnen der ersten Ordnung« Da 
es sich aber in^s wirkliche Sein erhebt, sich aui'ser Potenz 
setzt, so ist es äicht mehr .A, sondern B« Als solches ent- 
hebt es nun aber das Ursein seiner Stelle; So ist dies, 
was ursprünglich actus purus war, Seinkönnen, aber erst 
,an zweiter Stelle = A^* Dieses A^ ist es^ wodurch der erst 
schrankenlose Wille zürüokgebraqht, ganz überwunden wer- 
den soll« ?}immt man, dies als geschehen an, so tritt B 
aus der Wirklichkeit zurück. Aber dasselbe ist der Fall 
mit A\ ^ 

Das unmittelbar Seinkönnende erscheint demnaeh als das 
Seinkönnende. Das Seinkönnende der zweiten Ordnung als das 
Ournpotchi Dr. V. P.» Oetohicbt« d* Philoio^bl«« U 



f 



— S7f -«• 

Wiifcei ri h, im SemnftMettda« Dm Seiiimftiaeii kl nftoilidi mioh 
PBohlAeni) «Iso Können, aber ein Können der ^weiten Ord* 
wmgr. IHs dritte alt das Seinsollende. Das blos Seih -sollen 
ist auch ein Nicht*sein und insofern blos ein Sein • können. 
In derselben Ordnung erseheinen nun die drei MÖglicli-^ 
lieiten ursprüiigiiefe dem, bei welcbem es steht, sie zu Wirk- 
liehkeiten tu erheben, oder bei sich tu behalten, dem ab« 
•okiten Herrn des Seins. Zuerst das unmittelbare Seiti- 
könnende, das, um zu sein, nichts bedarf, als ad actttitt 
tiberzngehen. Wir missen es tms im Rein -Seienden als 
einen erat nach der Hand ihm erscheinenden Willen den« 
ken, als Willen, der, sowie ihm rerstattet ist^ zu wirken 
(und das Sein -Könnende kann nicht von selbst, blindlings 
übergehen, es ist ihm das Seiende vorgesetzt) nur als blin* 
des Wollen erscheinen kann. Dieses Wollen ist es, was 
aadiher zur Materie des von Gott verschtednen Seins wird« 
Bhe dieser Will« wirkend wird, ist das Sein des Rein- 
Seienden ein gelassenes. Sowie der - blindwoUende Wille 
wiiken wird, hmm et das reine Sein nicht aufbeben; denn 
dieses Reinsein ist vor und unabhängig ron ihm und liat 
seine Wurzeln tob Swigkeit. Wohl aber verdi^ngt der 
Mind wollende Wflle den gelassenen TOn der Stelle und 
giebt dadurch diesem die Kraft des Wirkens, die er zu« 
for nieht hatte« Durch die AusschlieSüing erhebt der ent« 
staialene Wille den ursprünglichen zum notfawendig wir- 
kenden. Durch den Widerspruch wird das gelassene Sein 
zur PotMiz und zur nothwendig wirkenden, tu ddm, was 
seiner Natur nach streben mufs, das Reinsein wieder her* 
zustellen. Hier yerhtit sich das, was zuror a priori war, 
nur als Potenz; denn das^ blos Sein «Müssende ist auch ein 
Nicht -Seiendes, aber es ist ein erst secundo loco Sein- 
Könnendes, es setzt etwas reraus, wodurch es als a priori 
gesetzt, Potenz geworden ist. Sein Wirken kann nur dar- 
auf gehen, sieb der seiner Natur fremden Potentialität zu 
entledigen. Sein Streben kann nur sein, die conträre Po- 
tenz zu entwirklichen, ad potentiaih zu ^bringen, was ohne 
Prozefs nicht denkbar ist« Wenn nun aber jene* conträre 
Kotenzv welche der Gegenstand der Ueberwindung ist, mehr 
u^ »ehr zurücktritt aus der Wirklichkeit und im gleichen 



% 



Veirhftlliiisie auch üie nun iibmer mmhw «iefproidiB zniaike 
Potenz 9i€h in iie Gelassenheit zurfiekrersetEt, so ift dKe 
Aeihe <{er Wirklidhkeil an der dritten Potmiz. Nun kamt 
jene» rom Soin ▼dllig freie Wesen (dtr Geist) als letzte 
vnd zuletzt als allein stehen bteibende Potenz henroitrete%. 
die als eigentlipb seinsoUende etschekit und eben dam« 
nur an dritter Stelle sein kimn. Schon im Sehaffen nnd 
Hervorbringen idso a|üssen sich die beiden Potenzen naeh 
dem WiUen der dritten richten. Sie schwebt ihnen als das 
eigentlich Seinsollende ror, ist das Muster, die Idee ka 
höchsten Sinne, Die dHtte ist die, ^el#ka jedes Werdende 
Httf seiner S^fe erhält, die ihm zuruft: „Sei!^ « 

Dieser geschilderte Pro^efs is|, wie bemerkt, bei Schil- 
ling der Prozefs der Hervorbringung eines mannigfaltigen, 
auf verschiedene Stufen verheilten Seins, aber nicht in*s (Jn- 
gemessene, sondern in ein vorher bestiminles Sein, ist der 
Prozefs der Schöpfung. Wenn das unevdentlicl» Sein nicht 
als solches, sondern als Herr der Möglichkeiten wirklich 
Gott, wenn erst der, welcher Herr der Möglichkeit iat, 
wirklich Gott ist, so ist der wahre Gott nur der, welcher 
Schöpfer sein kann, pb^^ieh Gott, indem er sich «|s Herr 
dieser Potenz weifs, auch Gott ohne die Wfcll wäre. Jbnes 
erste Seiende war nämlich das Seiende, aber das an sfch 
haftende nicht das actuelle, sondern blos.,das substantielle, 
.weil das Sein m ihm das Wesen ist« Weil das erste daa 
Seiende selbst yr^r^ so liefs sich weder von ihm sagen, dafs 
es etwas ist, noch dafa es nichts ist. Nicht das erste, weil 
^s das Seiende selbst ^sl und daher das Sein nicht als At- 
tribut hat; nicht das zweite, weil" es doch das Existirende 
aelbst ist. Das Ursein iat und ist nicht; ist, weil es das 
Existirende aelbst ist, ist nicht, weil es das Sein nicht als 
Attribut hat. Dagegen ist Gott, als Herr des Seins, Sein 
des . Seienden, oprog ov. Gott erhebt sich erst in seine 
Gottheit in dia. Idee des der Natur nach Existirens, indem 
es ihm frei steht, sich an die Stelle des zufölligen Seini« 
4er Potenzen^ zvi setzen^ jenes unvordenMiche Sein auf- 
zuheben. Der Zweck aber, warum Gott den Prozefs ge«> 
achehen läfst, iat, damit Gott etwas habe, 'woran er erkannft 



^ 



mU Er luoMi *m «Mil S«Mpfep te dbr iteohitM Einlieit 
Min, Mchl nliaiml ia itinw EiaMii||c«t SoU die Welt 
•icht ab blote EoMnetioo der Gottheit« tondera.al» fim- 
willige 8eii6pf«iig des gMliehen Willens erselieineiB, mo 
isl ee TOT AUeai nftliiig, daTs zwischen der' Ewigkeit* des 
gftltliclMi Seins (der gdttttcben Natur) vad der Welt etwas 
in dar Mitte sei, was beide auseinander li&lt (sonst hi^te Sfi^ 
noaa reol^ Femer ist es auch notlnreadigt dafs die Welt 
eine mfigUche in der gdttlichen Vorstellung eher dagewe- 
aen sei, als sie durch den göttlichen Entschlufs in die Wirk- 
liehheit henrorgetrelen ist. Das BSittel n^ aber, sich am- 
gleich die noch blos nidgUcbe aulitoftige Welt rorsuslel- 
len, halte der Schöpfer eben in jener Urmöglichlceit, die 
er selbst findet, so wie er ist, fron Ewigkeit Diese Ur- 
potenn befreit den Schöpfer zuerst von einem aothwends- 
gan Sein, ron dem Sein, mit dem er nichts an&ngen Konn* 
te, weil es ein starres, unbewegliches, impotentes ist. DicM 
Urpotena entreifst auerst den Schöpfer seiner starren Ewig- 
keit und giebt ihn sich selber, befreit ihn von jener ara/^ 
nf. Durch diese Urpotenz erlangt er die Freiheit, eben 
dieses nQthwendige Sein, in dem er unrordenklich ist, steh 
selbst gegenst&ndig und tH>em dieses Sein in der Folge gair 
sum Miltel a« machen (was eig^itlich das Wunderbarste 
ist), da er es n&mlich im Prozels, als das Sein- und Wiv^ 
ken-Müssende, zum Mittel macht. Alle Werke Gottes sind 
ala Visionen des Schöpfers voriianden, ehe sie verwirkliclit 
werden. Und da dieses Vorftbergehen der Dinge veran- 
lafst ist durch nichts Andres, als durch jene UrmögUok« 
keit, ist es kein Wunder, dafs jene Urpotenz gefeiert wird 
als Fortuna primigenia in Bräneste, in den Sprichwörtern 
Salomona 8, sis f. Auf die Frage» wie das blinde, sehran* 
Ken«» und verstandlose Wollen (mit Bezug auf die leute 
Stdle) Weisheit genannt werde, ist zu antworten, da& die» 
sea Princip noch nicht in seinem 0-Sein, sondern in Inr 
n^lichkeit, ror allem wirklichen Sein gediftM werde. In 
feiner Potentialität ist es aber Subject, suppe^tum pma« 
Das Subject steht aber immer zu dem, wrichetti <s Subject 
ist, im VcrhÄltnifs des Wissenden. JedenfaUs ist jene Uiw 
potena das, was för den Schöpfer daa Wwea dar künfti* 



gen Beiregtmg termlltell« Schon ineofinn dso konnte ts 
die Wenheit ge^^annt werden. Shidem ist eben dieses an- 
fser sich Seiende, die Grandtage der ganzen Erde, besdnlml^ 
dnrch denselben Prozeft wieder in sieh zurückgebracht zu 
werden. Eben diese Urpotenz wird znletzt Anfang, Mitte 
und Ende, begreifendes BewufstSein, welches demnach wohl 
die Weisheit genannt werden kann. Wenigstens dftrfen 
wir behaupten, es war die Absicht des Prozesses, dds jene 
Urpotenz in dieses Bewnfstsein des ganzen Prozesses ver- 
Wandelt werde. Gerade das blinde, rerstandlose Prinoip 
wird^ in seiner Ueberwindung zum Verstände, der die sich 
selbst besitzende, zu sich und dadurch zum Bestand gekom- 
mene Macht, oder Potenz alles Seins ist. Diese Urpotenz 
war der Gegenstand des ewigen göttlichen Erregtseins, als 
anfter 0#tt noch nichts war. Ihre vorzügliche Lust war, 
dem Schöpfer den künftigen Menschen vorzubilden, in dem 
das Ziel der Schöpfung Iflge.- Denn eben jene Urpotenz 
war bestimmt, in den Menschen selbst zu kommen und so 
das Mitwisaende der ganzen Schöpfung zu sein. Nach Auf- 
zeigung der Möglichkeit und der Prämissen der Schöpfung 
ist freilich dies, dafs der Schöpfer dieses als möglich ge- 
zeigte Sein in*s Werlc setzt, etwas, was sich nicht a priori 
demonstriren llfst. Indem wir aber eine solche mannigfal- 
tige, zusammengesetzte, fortgehende Welt und also in ddSr 
Erfahrung das Entsprediende antreffen, so ist es fi&r uns 
anqh durch die Erfahrung bewiesen, dafs das Nothwendig- 
S^iende das Einzig -Wirkliche, d. h« Gott ist« Dieser Be- 
weis stärkt sich mit der fortschreitenden Entwicklung im- 
mer mehr, indem die gil>fse Thatsache, dafs das nothwen- 
dige Wesen Gott ist, sogar zuletzt zum unmittelbaren Ge» 
. f*enstande des menschlichen Bewufstseins wird« 

Der Uebergang ron der Potenzenlehre zur christlichen 
Dreieinigkeitslehre ist gegeben durch den Begriff der Pei^ 
aönlichkeit. Während der Schöpfung ist zwar eine Mehr- 
heit ron Potenzen, oder wirkenden Ursachen, denen aber 
keine Selbstständigkeit zukommt« Eines ist, das in Allem 
wirkt. Die christliche Dreieinigkeitslehre statuirt aber nicht 
t>fos eine- Mehrheit tberiMtupt, sondern eine Mehrheit ton 



.- m - 

imrem jtde Gm ist, ^Hteend wir bi« fttst ihm 
Eine »btolule PersAnlfelilwit imUeii. S^en wir aber «uf 
Am Ende des ProxeMet, to entdecken wir die Verhähaiste,^ 
Termöge welcher wir jene abeplnte Persdnlicfalceii «nch im 
. epesielUten chrtetiichen Sinne Vater nen^evi Icdniten, Er. 
sengt nSmlick A^ Und denken wir un^ das B dnrch d^ 
«weile Potenx wirklieb überwunden, so iat die Ueberwin- 
dende eben so Herr des Seins, irie es ursprünglich der 
Vater war nnd als Herr des Seins eben so Persönlichkeit, 
damit auch der Sohn ron gleicher Henrliebkeit mit dem 
Vnter, deim die Herrücbkeit besteht in der Herrschaft über 
das B» Dasselbe ^t ron der drkten Potenz. B ist nicht 
der Vater, sondern nur die Potenz des Vaters, sofiem iils 
im Anfang der Vater noch nicht wirklich Vater ist. Denn , 
dies ist er erst mit dem wirkHcfaen Sohn« Der Sohn aber 
ist als solcher erst YcrwirMicht im TölKg überwundmen B, 
also am Ende des Prozesses etc. Die drei Persönlicbkei- 
len kommen mit einander am Ende des Brozesses, wo die 
Eiptgegensetzung der ^otenzefi aufhört. Spezifischer wer- 
den sich die Begrife b«i Betrucbtwfig de| SündenfsUes hev^ 
ausstelleii; 

Bas PHncip, das zum örunde der Schäpfting und des 
•menschUefaen Bewufstseins gemacht war, war im Menschen 
mn E^de der Sdiöpfung auf dieae Art 9U sich selbst zu- 
rückgebracht* Gott hatte dieses Princip aus ursprünglich 
bioser Mdgliobkelt durch sein Wollen »um actus erhoben. 
Jßr hatte dieses gethän, nur weil er in diesem Princip die 
JVlöglichkeit sah, ^n geistiges iWesen hervorzuhnngen. 
jPeun iiMCB B, wenn es in seine Potenz zurückgebracht 
wird, ist stell selbst gegeben, sich selbst besitzeude Potenz« ^ 
Als solches war es aber auph das Princip einer neuen mög* 
}ichei| Bewegung, es konnte in dem ülm gegebeneu Akte 
Stehen bleibet, oder auPs Neue seiner ursprünglichen bKn^ 
den Natur anheimfallen. Das Princip ist dasselbe, das dem 
Schöpfung Torausgegangen^ Aber als Anfang, oder als V«^ 
bedingung dcT Schöpfung iat fs durch dißn göttlichoi Wil- 
len selbst, mit Vorbehalt seii|er Ueberwindung, seiner Ver« 
Wandlung in ein freies Wesen, gesellet, Gott kann dies 



thun, weil er im B, in diesem Sein, heircMülrite, en ebeit* 
auch zu überwin||en weifs, und weil er^ kraft des unauf- 
iQslif^en Lebens, sicher ist, nicht bios dieses B, sofiderA 
stets zugleich über ihm zu seiii^ Durch die ganze Natur 
geht die Spannung der drei Potenzen* Jedes Ding drückt 
ein Verhältnifs derselben aus, Jedes ist ein^ Viertes der 
drei Potenzen« Weil die Matur als solche auf der Span«' 
nung der drei Potenzen beruht, so hat Jedes nur ein Ver- 
hältnifs zu den Potenzen. Der Mensch, das letzte Ge- 
schöpf, hatte nUein zu den Persönlichkeiten, als solchen, 
ein Veirb&ltnils« In ihm, als dem letzten Cursus des Pro-' 
zesses, hoben die Potenzen ihre Differenz gegen einander 
auf. Br war nicht, wie die Dinge der Matur, zwischen 
deii drei Potenzen, sondern yon den drei Persönlichkeiten 
eingeschlossen (.Paradii^esgarten)« Durch ihn^. als das Ziel 
der Natur, war alles Andre in die Gottheit aufgenommen, 

« also nichts Aufsergöttliches (nichts extra deum, im Gegen* 
siatze zu praeter \deum). Aber der Mensch wollte es Gott 
nachthun. Es tritt der Fall ein mit seinen Folgen« Wie 
konnte es aber in der Macht ' des Menschen stehen, in dem 
Augenblicke, wo Alles in die letzte Einheit gehen sollte, 

. wieder Alles zweifelhaft zu machen? Denn dafs eben das 
Ganze nicht zur Buhe gekommen, zeigt die fortdauernde 
Bewegung. Und welche Veränderung wurde duinoh^ die- 
sen Umsturz in dem d^rch die Schöpfung beabsichtigten 
Sein hervorgebracht, wie ist diese aufsergötlliche Welt ent« 

' standen? Ohne ein Zerbrechen der göttlichen Einheit, die 
unmöglich ton Gott ausgehen konnte, würde diese aufser- 
göttliche Welt unerklärbar sein. Wienn dieses Zerbrechen 
der einmal gesetzten Einheit nicht von Gott ausgehen konn« 
te, so konnte es nur vom Menschen ausgehen; Nach der 
bisherigen Entwicklung kann man sieh nun die Schöpfung 
nicht aus Einer unendlichen CausaliUU erklirren, sondern 
zwei Causalitäten stehen hier einander gegenüber, um das 
Geschöpf hervorzubringen. Und eben darum rerhält sich 
jede Cau^alität zur andern als eine endliche und die» ist 
der grofse Wendepunkt, ai|f den es ankommt. Eine eigcnt-- 

.' Hebe, näinlich auch dem Stoffe nach das Oescliöpf her ^vor- 
bringende Schöpfung ^ ist ohne Mehrheit von Ursachen gar 



Mcbl w dwIiM» 4mm oldbl diettibe UImche, welehe den 
Stoff ieUt, kftnn «uok die Form henrorbrineen wollen* Da» 
Setxen des Stoffes der ersten Grundlage haben wir une 
allerdings als ein unbedingtes, unbeschränktes zu denken^ 
indefs das Henrorbringen eines bestimmten Geschöpfes nicht 
denkbar ist, ohne eine Beschränkung des Stoffes, also iiucli 
ohne eine relatire Negation der den blosen Stoff setzenden 
^Ursachen. Eine Schöpfung, durch die etvpas entsteht, was 
suTor nicht war, lATst sich also nicht ohne Mehrheit von 
Ursachen denken. Nicht der Schöpfer selbst können mek-» 
rere sein^ der Schöpfer ist der Wille, der nur der Eine 
sein kann. Aber dieser Schöpfer bedarf untergeordneter 
Ursachen, um das Endliche henrorzubringen. Dieser Eine 
Schöpfer kann nur in rerschiedenen Gestalten (PoJtenzen) 
gedacht werden, die sich gegenseitig beschränken können« 
Heine Ursache ron denen, welche in der Schöpfung wir- 
kend sind, kann für sich etwas henrorbringen, sondern nur 
gemeinschaftlich mit den andern. Dadurch ist also Ter« 
mittelt, dafs das letzte, in welchem nämlich diese drei 
Ursachen zur Einheit gelangen^ zwischen die drei als ein 
Viertes, Ton jeder Unabhängiges zu stehen kommt. Das 
zwischen den drei jBntstanilene kann nun nur laulere Frei« 
heit sein, weil es eben das ist, worin sich die Differenz der 
Ursao)iien' Töllig entzieht, während doch ihr Effect besteht« 
Im letzten JMoil^ent kann also nicht eigentlich Substantiel- 
les, es kann nur eine Beweglichkeit sein, Freiheit, Geist« 
Dieses Leben nun, dieses rein Bewegliche zwischen den 
drei Potenzen schwebend, ist frei ron der ersten Ursache =B 
durch das, was es ron der zweiten hat« Und wieder ist 
es, da es B zu seinem Grunde hat, frei von der zweiten 
Ursache A^. Endlich erhält es dadurch, dafs es zwischen 
beide unabhängig zu stehen kommt, ein Verhältnifs zur 
dritten Potenz, zu welcher es ohnedies nur im freien Ver- 
hattniaae stehen kann« Demnach kommt dieses letzte Ge- 
schöpf zwischen die drei Ursachen, oder, weil durch die 
TöUig aufgehobene Differenz drei Persönlichkeiten entste« 
Jien, zwläcben die drei Pei^önlichkeiten^ als ein von jeder 
einzelnen unabhän^tg Bewegliches, zu stehen, wobei in- 
defs leicht einzusehen i3t, dafs diese Freiheit nur eine be- 
dingte 



_ S77 - 

dingte ist, eine Freiheit,' der es verlustig wird, so wie et 
diesen Ort rerläfst^ Defshalb war vom Menschen gefor- 
dert^ die Einheit zu bewahren. Er hatte ein Gesetz, das 
Gott nicht hat. Gott konnte die Potenzen in Spannung 
setzen ; ihm war es durch seine Natur nicht verwehrt, 
denn er blieb Herr der Potenzen im wirklichen Hervor- 
getretenen, so wie im blöd möglichen. Der Mensch ist da- 
gegen zwar das, •was ß besitzt. Aber weil er es uur durch 
die Schöpfung besitzt, so besitzt er dieses Princip nur als 
Möglichkeit; denn die Schöpfung gieng eben dahin, die- 
ses B als Mögliofakeit zu setzen. Der Mensch hat es also 
eben dftrum nicht, um es wirklich zu machen. Gleich- 
wohl kann diese Möglichkeit sich ihm darstellen, als Po- 
tenz eines andern Seins, eben weil Gott in ihm nicht mehr 
wirkend ist. Denn in dem in sich selbst zurückgekehrten 
ruhenden B ruht auch Gott. Das B ist wieder Potenz 
und kann defshalb dem Menschen wieder als Potenz ei^ 
scheinen. Das Gesetz selbst, das ihm sagt, dafs er dieses 
B nicht wieder setzen soll, offenbart ihm die Möglichkeit, 
B in Wirklichkeit zu setzen, ist zugleich die Erkenntnifs 
von Gut und Bös, und der Reiz zur Activirung. Die Folge 
ist nicht die erwartete. Der Mensch möchte thun, was er 
thut als Herr. Aber dies ist ihm nicht gegeben und mit 
diesem Versuch, als Gott zu sein, geht er vielmehr der 
Herrlichkeit Gottes verlustig. Denn auch er war der Herr 
der Potenz, aber nur um die Potenz selbst unauflöslich in 
sich zu erhalten. Der Mensch glaubte, jenes Principes, 
das die Ursache aller Spannung und Gegenstand der Ue- 
berwindung der Schöpfung ist, das in ihm völlig einge- 
kehrt, ihm übergeben war, in der Herauskehrung eben so 
mächtig zu bleiben, als er desselben in der Potenz mäch- 
tig war. Er glaubte, Herr zu sein, wie Gott. Aber jenes 
Princip ist Grund des menschlichen Bewufstseins, also ihm 
unterthan nur insofern es in seinem Ansich bleibt. Tritt 
es aber zur neuen Wirkung hervor, so ist es eine das 
menschliche Bewufstsein überschreitende, zerstörende Ge* 
walt, die nun vielmehr das Bewufstsein sich unterwirft. 
Der wichtigste Unterschied aber ist dieser, dafs dieses Prin- 
cip nicht mehr, wie in der Schöpfung, eine göttliche Ge- 
Gumpoich, Dr. V. F. » Getchichte d. Plnlosophie. ^ 



— 378 -i- 

walt, soiideni ein ron Ooll unabUngiges, ja g^n den 
. göttlichen Willen Oesetstea, also AuTsergdttliches, ja Wi- 
dergöttliches ist. Es stand in der Macht des Menscken, 
die Welt in Gott xit erhalten. Indem er sich an die Stelle 
Ton Gott setzte, hatte er sie aurser Gott gesetzt Aber 
diese durch ihn gesetzte Welt ist ihrer Herrlichkeit ent- 
Meidet, da sie in ihr den Menschen nicht mehr als An- 
hidtspunkt hat. Der Mensch konnte zwar nicht die Sub- 
stanz der Welt aufheben, wohl aber ihre Einheit Aber 
eben mit der aufgdiobenen Einheit ist eine neue Span- 
nung der Potenzen auch relatir auf den Menschen gesetzt« 
Nur ist zwischen dieser neuen Spannung und der frühe- 
ren der grofse Unterschied: jene in der Schöpfung war 
eine göttliche, diese eine Mos menschlich gesetzte. Indem 
der Mensch als Gott sein will, hebt er den wieder zur 
Ruhe gekommenen Gruad der Schöpfung wieder auf, setzt 
^das Princip, das durch die ganze Schöpfung Gegenstand 
der Ueberwindung war, aufs Neue in Wirkung, natürlich 
in der Meinung, es auch so besitzen zu können. Aber 
eben hier ist seine Schranke, es ist ihm rersagt, Herr des 
wirkend gewordenen zu sein. Umgekehrt fiUlt er unter 
die Herrschaft dieses Principes, welches gegen ihn die 
Eigenschaften wieder annimmt, die es im Anfang der 
Schöpfung hatte. In diesem zur Ruhe gebrachten Princip 
hatte sich nun aber auch die zweite und dritte Potenz rer* 
wirklicht. Unmöglich also kann jener Grund wieder aus 
der Ruhe gesetzt werden, ohne dafs zunächst die zweite 
Potenz, die sich im frühem Prozefs zum Herrn desselben 
gemacht hat und dadurch zur göttlichen Persönlichkeit 
geworden ist, wieder erregt und eben darum wieder aus 
ihrc^ Gottheit gesetzt wirtl. Sie wird aus ihrer Gottheit 
gesetzt, nicht, dafs sie aufhören könnte, in sich selbst Per- 
sönlichkeit zu sein; aber im Bewufstsein des Menschen und 
gegen das in ihm wirkend gewordene Princip, das nicht 
sein sollte, ist sie wieder blose Potenz, auf's Neue in Span- 



~ ST» — 

nung^ geHeUI. Und dasselbe gilt natürlicli auch vdn der 
dritten Persdnliohkeit, dem Geistei, «der, vom Sein aiisge- 
- dcbloesen, auch nicht mehr ^ttliche Persönlichkeit ist, son- 
dern nur noch kosmischer Geist i79¥%Vf,ta %h Hoofis^ na- 
' türliohe Potenz. Hier ist vorzüglich die Stellung der zwei- 
ten Poten:^ wichtig. Oieee Stellung ist nieht die, die ihr 
von Gott oder dem Vater,^ sondern vom Menschen gege- 
ben worden ist* Nach der frühern Entwicklung war der 
Sohn nur im Vater, nicht unabhängig von ihm gesetzt. 
Hier ist der Sohn durch Wirkung des Menschen aus sei- ' 
ner Gotdieit gesetzt, vom Vater getrennt, selbstständige, 
vom Vater unabhängige Persönlichkeit, in einem Sein, das 
er nicht vom Vater hat, was ihn eben darum frei mieicht. 
Er ist göttlich <•> aufsergöttliche Perfönlichkeit. Vermöge 
dieses Seins, das er vom Meiischen hat, ist er des Menw 
sehen Sohn, wie er als göttliche Pwsönlichkeir Gottes Sohn 
war. Am Ende der Schö[^fung hatte demnach sich die ver- 
mittelnde Potenz zum Herrn des Seins und dadurch zur 
göttlichen Persönlichkeit verwirklicht. Durch den Men- 
schen wird sie aus dieser Verwirklichung gesetzt, entherr- 
licht. Zwar hört sie damit nicht auf, in sich göttliche Per- 
sönlichkeit zu sein, aber gegenüber dem neu Erregten ist 
sie wieder im Zustande der Negation, des Leidens. In«* 
dessen ist das Prineip, das nicht sein soll, doch nur erho- 
ben, um ihr wieder unterworfen zu werden« Nun kommt 
aber der Moment, wo sie sich zum Herrn jitnes Seins wie- 
der gemacht hat. Aber dieses Sein hat sie als ein vom 
Vater unabhängiges. Der Sohn konnte unabhängig vom 
Vater ezistiren, zwar aufser dem Vater nicht der wahre 
Gott, aber doch Gott, nicht dem Wesen nach, aber doch 
actu Gott sein (Paulus a. d. PhiHpp. 11« b',). Darauf be- 
ruht nun . die Art und der Werth d^r Vermittlung, das 
Verhältnifs des mythologischen Prozesses zur Offenbarung. 
Die vermittelnde Potenz konnte entweder ihren natürlichen 
Bezug zum gottwidrigen Sein beibehalteft, oder nicht 



— 880 — 

Behält sie ihn bei, so kann sie dieses nicht, ohne ebenfalls 
aus Gott herauszutreten. Von nun an ist sie aufsergött- 
liehe Potenat. Giebt sie aber den Besug auf, so wäre ebc^a 
von einer Vermittlung nioht mehr die Rede. Die 'einzige 
Bedingung, unter der eine Vermittlung sich denken läfst, 
ist, dafs die vermittelnde Potenz jenem Hi^in in die Ent- 
fernung von Gott folge, ihm nachgehe, damit es nicht 
T<^rJoren sei« Nehmen wir dieses an, so hat jenes conträre 
Princip, das Urprincip, so lange ein Recht, zu sein, als 
auch diese Potenz in ihrer Aufsergottliohkeit und Entfer- 
nung von der göttlichen Einheit bleibt und sich behauptet* 
Daher kommt es nun, dafs im mythologischen Prozesse 
das Urprincip von der aufsergöttlichen Potenz wohl iiber- 
wUnden, aber nicht in seinem Rechte aufgehoben werden 
kann. Dies 'kommt daher, weil die vermittelnde Potenz 
eben so wenig ein' Recht zu sein hat, als das Urprincip. 
Der Prozefs, in welchem die vermittelnde Potenz als au* 
fsergöttlioh noch wirkt, ist selbst ein aufsergöttlicher. DU 
Wirkung der vermittelnden Persönlichkeit war im Heiden- 
thum eine blos natürKche, nämlich sie überwindet das Coa* 
trarium, welj|tkes ihr entgegensteht, so weit, als sie in Span» 
nung mit ihm gesetzt ist. Dabei bleibt sie selbst in ihrer 
Persönlichkeit stehen. Aber nachdem sie auf diese Weise 
jenes Urprincipes Herr geworden ist, soll eine wahre Ver- 
söhnung sein, . soll ^ die vermittelnde Potenz auch sich selbst 
aufgeben. Und nur ; indem sie sich selbst aufgiebt, katii^ 
sie dieses Princip innerlich aufgeben, so dafs auch seine 
Macht gebrochen wird. Nur so kann der göttUdie Un* 
wlUe selbst ver«iUmt, der Weg zum wahren Vater gefun- 
den werden. Die erste äufserliche und natürliche Ueber- 
^^jidung des IVincips ist Vorgang des Heidenthunds, da9 
Zweite, dals die vermittelnde Potenz auch sich selbst 
opfert, ist Inhalt des neuen Testaments. t 

Es Bahcini passend, über diesen Punkt der Differenz 
noch eitüge Aeuraerungen Scbellings einzuschalten. 



— 361 — 

in Ansehung 4er M3rthologie, äuibeite et, ist nichts 
historisch, als eb^ dafs in einer gewissen Zeit unter ge- 
wissen Völkern die mythologische Vorstellung geglaubt wor- 
den ist. Aber wir finden keinen 43rund, den Personen 
ein historische Wahrheit zuzuschreiben. Ganz anders - ist 
es aber mit Gfarislus« Seine historische Existenz ist so 
seh|' als die einer andern historischen Person beglaubigt* 
Dafs die Person Christi von seinen Anhängern mytholo- 
gisch behandelt mit Mythen umgeben worden, ist schwer 
zu begreifen« Denn wie sollen denn gerade die Juden, 
unter denen allein seine ersten Anhänger sich fanden, zu 
einer solchen niythojogischen Anwendung gekommen sein, 
da die Juden mehrere Jahrhunderte von allem Mythologi- 
schen sich abgewandt hatten, da den Juden das Höhere 
in Christo so fremd war, dafs sie Steine aufhüben, als er 
sagte: „Ich und der Vater sind Eins?^^ Der Unterschied 
zwischen den eigentlich mythologischen Vorstellungen und 
den geoffenbarten besteht ferner darin, dafs in den mytho- 
logischen Inhalt und Form, gar nicht zu scheiden ist, in 
den geoffenbarten • aber der Inhalt göttlich, die Form dem 
Zustande des menschlichen Bewufstseins angemessen ist« 
In den Theophanieen * des alten Testaments insbesondere 
wirken dieselben substanziellen Kräfte oder Potenzen, sind 
das Medium einer unzweifelhaft göttlichen Erscheinung, 
die in der Mythologie wirken. Nicht durch das Materielle 
sind die Theophanieen göttliche Erscheinungen, durch die* 
ses sind sie mythologische; göttliche Erscheinungen sind 
sie durch das, was in ihnen unsichtbar wirkt« Dieselbe 
Stimmung oder Spannung des Bewufstseins, welche der 
Grund aller mythologischen Vorstellung ist, vermittelt auch 
alle Vorstellungen und Erscheinungen des alten Testaments* 
Denn erst mit dem Christenthume lösen ^ich diese Spaor 
fiungen völlig auf, wie der ^Apostel sagt, dals au^h die 
Weissagungen aufhören werden, weil eine verstandest 
mäfsige Erkenntnifs eintritt, Schelling wies also ausdrück- 



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Iiok den Oedahilceii ab, däfs das ChrisUMhum eine Fort- 
setzung des mytholpgisciien Prozesses sei. Nor wenn ein 
ZfT^fel an der historischen Person Christi möglich w&re, 
' äufserte er, möchte man yersuchen, das Ohristenthnm als 
eine höhere Erscheinung, als Ende des mythologischen 
' Prozesses denken. ^ In diesem Falle müiVte Man sagen : 
achdem die frühere Zeit des mythologischen Prozesses 
mit dem Leiden und dem Tode des realen Gottes geschlos- 
sen worden, habe in einer folgenden Zeit dem mensch- 
lichen Bewufstsein auch der zweite Gott durch Leiden und 
Sterben zur Vergangenheit werden müssen, damit die rom 
menschlichen Bewufstsein bis dahin ausgeschlossene dritte 
Potenz wirklich herbeigezogen und so, nach Wiederher- 
stellung der ganzen ursprünglichen Einheit, dem mytho^ 
logischen Prozesse auch sein völliges Ende geworden sei«^ 
Man könnte alsdann das Christenthum als Beendigung des 
mythologischen Prozesses in dem Sinne nehmen, dafs im 
Christentbume sich nur diese Noth wendigkeit fortgesetzt 
habe, die durch den ganzen mythologischen Prdzefs, hin- 
durch gewaltet. 

Soll nach Allem die Stellung ^^r Religionsphilosophie 
Schellin gs zu den Vorgängern bezeichnet werden, so kann 
man sie als speculatire Potenzirung der geschichtlichen 
Richtung bezeichnen. „Die Scholastik, äufserte Schelliog, 
hatte die christliche Theologie ron ihrem natürlichen Bo« 
den weggerissen^ und sie in eine fast ganz ungeschichtliche 
Doctrin verwandelt. Mit der Reformation erwachte der 
geschichtliche Geist überhaupt und insbesondere in Bezug 
auf die Offenbarung, weil sie diese als die einzige Aucto- 
rität angab. Indem man aber von jener tiefen innerlich 
geschichtlichen Behandlung, welche zugleich die wahrhaft 
wissenschaftliche ist, keinen Begriff hatte, gab man sich 
einer &uferlich geschichtlichen Behandlung hin. Es existi» 
ren, sagte man, gewisse Bücher, die von gewissen Schü- 
lern eines gewissen Jesus herrühren. An der Aechthmt 



dieser ßficlier, in der Wahrheitsliebe der Verfasser I&fiit 
sich nicht zweifein. Nun behaupten sie etc. Wir müssen 
demnach glatiben, was sie lehren« Aufser der schplastU 
sehen und äufserlich historischen Behandlungsweise gab 
es noch eine dritte, |n der sich allerdings das Bedürfnifs- 
eines wahren inuern Verhältnisses ankündigt» 'nSmIich die- 
mystische. Inwiefern diese auf das Innere der Sache selbst 
gieng) stand sie allerdings über den beiden ersten. Aber 
theils suchte sie dieses Innere selbst nicht auf dem Wege 
klarer Ericenntnifs, sondern auf dem Wege einer zufalli« 
gen Erleuchtung) oder unter den Einflüssen eines fromm 
erregten, aber seiner selbst nicht mächtigen Gefühles zu 
erlangen, also eines Gefühle9, das selbst mystisch, d. h. 
der Erklärung bedürftig, war und sich nicht vollkommen 
rerstand.. Theils "wurde von der sogenannten mystischen 
Theologie die äufsere Seite der Untersuchung zu sehr ver- 
nachlässigt. Es war als ob sie den Inhalt der Offenbarung 
aus rein innerer Beschauung hervorbringen wollte. Aber 
das Christenthum ist unmittelbar und zunächst eine Thät- 
sache, die, wie jede andere, rein geschiehtlich ausgemacht 
werden mufs« Die Grundhge f&r jiede Darstellung ist Ge- 
lehrsamkeit« Erst wenn man sich des Materials versichert 
hat, darf man daran denken, jenes System zu finden, das 
in den ächten Urkunden des Christenthums überall nur an- 
gedeutet worden ist«^^ 

Obgleich Schelling keiner confessionalen oder ratio- 
nalen Partei angehört und daher in dieser Zeit wenig Bei- 
fall finden wird, oder gefunden hat, ' so geht doch seine 
Religionsphilosophie einer grofsen' Zukunft entgegen. Denn 
es herrscht das Bedürfnifs, eine weltgeschichtliche Erschei« 
nung wie das Christenthum vor dem menschliehen Geiste 
zu rechtfertigen, und so die Apologie Gottes, wie des Men- 
schengeistes zu übernehmen, die aufgegeben werden mülste, 
wenn Unsinn oder Falschheit Jahrhunderte zu beherrschen 
vermöchten« Indem nun Schelling sich zu einem der vor- 



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^ftgiicbsten und erigineilsten, tiefsten und reichsten Apo* 
l<igelen machte, bleibt ihm, abgesehen von seinen früheren 
Leistnngen, ftir alle Zeit seine Würde gesichert. OaTs er 
zudem in unsere Zeit als Original hereinragt, giebt ihm 
▼or Mitlebenden einen bedeutenden Vorrang. Wer aber 
durch philosophische Bildung und genaue Kenntnifs zu 
,einem Urtheile berechtigt ist und an Schellings Werk, wie 
an allem Menschlichen, Zufalliges entdeckt, wird im Ge- 
gensatze zu den Stimmen des Tages, an den Ausspruch 
des Staghriten (Metaph. XIIL i.) sich erinnern: ayomr^-' 



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