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HANDBUCH
DRK KIRCHLICH KN
KUNST-ARCHÄOLOGIE.
HANDBUCH
DER KIRCHLICHEN
KUNST-AECHÄOLOÖIE
DES
DEUTSCHEN MITTELALTERS
VON
HEINRICH OTTE.
Vierte umgearbeitete Auflage.
Mit zahlreichen Holzschnitten und anderen Abbildungen.
Erste Abtheilung.
LEIPZIG,
T. 0. WEIGEL.
1868.
240275
Dl2 i 1
.0T8
1
Vorwort.
X/as gegenwärtig ^ wiederum in neuer Bearbeitung erscheinende
Handbuch hat bereits seine Geschichte , welche , wie ich ohne Ver-
leugnung der mir gebührenden Bescheidenheit glaube aussprechen zu
dürfen, nach äusserlicher Betrachtung zugleich die Geschichte der
jungen Wissenschaft ist , zu deren Verbreitung es unter Gottes Segen
seit nun 25 Jahren seine anspruchslos dargebotenen Dienste geleistet
hat. Der im J. 1842 als »Kurzer Abrissa schüchtern in die Oeffentlich-
keit getretene erste Entwurf begnügte sich mit einigen wenigen Bogen,
die zweite Auflage vom J. 1845 beanspruchte bereits deren zehn , die
dritte, 1854 erschienene war auf 22 Bogen angewachsen, und die vor-
liegende vierte Bearbeitung nimmt mehr als 60 enggedruckte Bogen
ein. Dabei bin ich auch diesmal dem mit ermunterndem Beifall auf-
genommenen ursprünglichen Plane vollständig getreu geblieben , und
das alte , solide erfundene Fachwerk hat , hoffentlich unbeschadet der
früher belobten Uebersichtlichkeit, den neuen Ausbau tragen müssen
mit einer fast erdrückenden Fülle von Stoff, den die überaus eifrige
Forschung in dem letzten Jahrzehnt von allen Seiten zusammengehäuft
hat. Die dritte Auflage war bereits im J. 1862 vergriffen, und da der
Herr Verleger das Werk nicht gern auf längere Zeit im Buchhandel
wollte fehlen lassen, musste ich mich zu einer Ausgabe in drei Liefe-
rungen entschliessen , von denen die erste , den rein archäologischen,
am stärksten vermehrten Theil als abgeschlossenes Ganze umfassend, im
J. 1863 erschienen ist. Die zweite Lieferung konnte, da meine Müsse noch
von anderen Arbeiten in Anspruch genommen war, erst im Jahre 1866
nachfolgen, und die letzte ist so schnell gefördert worden, als es über-
haupt in meinen Kräften gestanden hat. Jeder, welcher die besonderen
Eigen thümlichkeiten der Kunstliteratur kennt, wird die durch die über-
all auftauchenden photographischen Publicationen neuerlich noch ver-
mehrten Schwierigkeiten ermessen können, welche dem Einzelnen,
namentlich auch in meiner Lebensstellung , bei dem Versuche entge-
gentreten, das ganze weite Gebiet zu beherrschen : die mit dem gewis-
senhaftesten Fleisse gearbeitete, mit dem Jahre 1862 abschliessende
n Kunsttopographie von Dr. Wilhelm Lotz« (die ich etwa vom
14. Bogen der ersten Lieferung an, zum Theil freilich erst während
des Druckes benutzen konnte) hat mir zur Kontrollirung und Vervoll-
ständigung des von mir selbst gesammelten Materials, wie ich dankbar
anerkenne , die erspriesslichsteii Dienste geleistet , und spätere Ver-
öffentlichungen bin ich noch während des Druckes bis zuletzt für mein
Buch nutzbar zu machen beflissen gewesen. Durch die grosse Güte
meines verehrten Freundes, des Herrn Professors E. aus'm Weerth
haben mir auch die Bildtafeln zu dem noch nicht ausgegebenen 3. Bande
VI Vorrede.
seiner »Kunstdenkmäler des christl. M.-A. in den Rheinlandena nebst
einzelnen Hogen des unter der Presse befindlichen Textes vorgelegen
und eine reiche Ausbeute gewährt. Ausserdem hat der Herr Verleger
für angemessene Vermehrung gediegener, theils neu angefertigter,
theils aus seinen Vorräthen entnommener Illustrationen und Kunstbei-
lagen bestens Sorge getragen , unter welchen letzteren sich drei aus
dem von ihm in Gemeinschaft mit Dr. Zestermann herausgegebenen
kostbaren Prachtwerke »Die Anfänge der Druckerkunst in Bild und
Schrift. 1866a entlehnte höchst interessante Blätter ganz besonders
auszeichnen. Endlich fühle ich mich vielen trefflichen Männern, unter
ihnen dem verewigten Ch. Riggenbach, die mich durch literarische
und artistische Beiträge zum Theil unaufgefordert unterstützt haben,
auf das Dankbarste vei-pflichtet : es ist alles bestens für meine Arbeit
verwerthet worden. Die alten Irrthümer und Mängel der vorigen Auf-
lage habe ich mit Sorgfalt zu verbessern gesucht; dennoch bitte ich
für neue , deren Existenz ich keineswegs in Abrede stelle , vorweg um
die früher bewiesene Nachsicht, kann aber im Allgemeinen die Ver-
sicherung geben , dass das Handbuch in seiner neuen Gestalt nicht
bloss an Umfang ; sondern auch an Gründlichkeit gewonnen hat und
ein ziemlich vollständiges Bild von dem gegenwärtigen Stande der
christlichen Kunstwissenschaft des deutschen Mittelalters gewähren
dürfte. Fremdländische Literatur habe ich wie früher so auch jetzt
grundsätzlich nur da herangezogen , wo es darauf ankam , vorhandene
Lücken zu ergänzen.
Mit meiner Liebe zur Sache ist auch mein theoretischer Standpunkt
derselbe geblieben und hat sich im Laufe der Jahre noch mehr befestigt:
in den ersten Sätzen der Einleitung habe ich mich näher darüber aus-
gesprochen. Die Freunde meines Buches aus der katholischen Kirche,
deren es zu meiner grossen Freude , abgesehen von einzelnen Zeloten,
gar manche und wackere gefunden hat , können von einem evangeli-
schen Theologen nichts anderes ,* in ihrem Sinne Besseres , erwarten :
zu confessioneller Polemik habe ich bei aller Entschiedenheit meiner
protestantischen Gesinnung auf diesem Gebiete weder Beruf noch
Neigung, muss aber einer gewissen modernen Strömung in der evan-
gelischen Kirche gegenüber nachdrücklichst betonen, dass ich durch
meine Bestrebungen romanistischen Tendenzen irgend Vorschub zu
leisten durchaus nicht gewillt bin. Möge das Verständniss von den
grossartigen und geistvollen Schöpfungen der christlichen Kunst ver-
gangener Jahrhunderte uns Alle erwecken , dass wir dem Herrn sein
Haus würdig erbauen und seine schönen Gottesdienste den sinn-
vollen kirchlichen Ueberlieferungen gemäss in evangelischem Geiste
schmücken. Daraus wird nicht bloss der Kirche, sondern auch der
Kunst Segen erwachsen. Das helfe Gott.
Fröhden bei Jüterbog, am 27. Juli 1867.
Heinrich Otte^
Pfarrer lu Frdhden und Markendorf, Correspondent der Königl. GommiMion tttr die
Erforschung nnd Erkaltung der Kunstdenkmäler , Mitglied des Gelehrten auMchusse«
des G«rinani«:hen Mutcuni« lu Nürnberg.
Inhalt.
Einleitang.
8«it«
1 — 8. Theoretischer Standpunkt 1
9. Be^ff der kirchlichen Kunstarch&ologie des Mittelalters 5
10. Eintheilung —
11. Umfang 6
Anmerk. 1. Cluriitliehe Museen —
▲ nmerk. 2. KnnetarchAoIogische Zeitsclirifien etc 7
I. Denkmale der Kunst.
A. Das Kirchengebäude.
a) Im Allgemeinen.
12. Baulinie, liturgisch '9
13. Baulinie, technisch 10
▲ nmerk. 1. Stellang des Altars 11
Anmerk. 2. Omndsteinlegiing 12
Anmerk. 3. Lage der Kirchen 13
14. Grundform 15
Anmerk. Sjmbolik der Krenxform 16
15. Kapellen. (Taufkapellen. Grabkapellen. Doppelkapellen.) —
Anmerk. Ueilersicht der kirchl. Sand- nnd Polygonbanten 22
16. Baumaterial. (Hok. Bruchstein. Ziegel.) 24
Anmerk. 1. Einflass des Baamaterials aaf den Baastil 27
Anmerk. 2. Mittelalter!. Baarisse and Baabftcher 28
Anmerk. 3. Unregelmissiffkeiten in den Abmessungen 29
Anmerk. 4. Mittelalter!. Bantechnik 30
b) In seinen einzelnen Theilen.
17. Uebersicht der einzelnen Theile des Kirchengeb&udes 35
Anmerk. Abweiclinngen Ton dem normalen Omndplane 36
18. Altamische —
Anmerk. Chorschlnss , . 37
19. Altarhaus und Chor —
Anmerk. 1. Lettner 39
Anmerk. 2. Krypta 40
Anmerk. 3. Doppelcbdre 42
20. Querhaus 44
Anmerk. Nebentribanen 47
21. Langhaus 48
Anmerk. Hallenkirchen 62
22. Thürme 53
a. Entstehung und Zweck —
b. Stellung —
vill Inhalt.
S«ite
c. Einzahl 55
d. Mehrzahl und Höhe 56
An merk. Modificationen der Normalstellvngen 58
e. Grundform 59
f. Aufbau . 60
▲ nm e rk. 1. Kapellen in den Th&rmen. Einlagen in die Thnrmknöpfe. Wetterhahn.
Brücken 61
An merk. 2. Claesification der Kirchen nach der Anzahl der Thflrme. Namen der
Thürme 62
Anmerk. 3. Dachreiter *. 63
23. Zwischenhaus. (Vorhalle. Paradies.) —
24. Thüren 65
Anmerk. Prachtportale. Thftrflfigel 66
25. Fenster 67
26. Dächer 69
27. Fussböden 70
Anmerk. Labyrinthe 72
28. Emporen. (Nonnenchöre. Orgelchöre. Mannchöre.] 73
Anmerk. Triforien. Hönchsgftnge. Altane 76
29. Kreuzgang. Gottesacker 77
Anmerk. 1. Brannenhans 78
Anmerk. 2. Capitelsaal. Befectorinm 79
30. Sacristeien 81
Anmerk. 1. Fl&cheninhalt und Maansverhältniese der Kirchen S2
Anmerk. 2. Symbolik der Banformen S4
Anhang über die banlichen Einrichtungen der Klöster bei den yerschiedenen Haupt-
orden 87
B. Innere Einrichtung und Ausschmückung der Kirchen.
a) Altäre und Altarschmuck.
31. Stelle des Altars. Zahl der Altäre 96
(Hochaltar. Messaltäre. Laienaltar. Triumphkreuz.}
32. Altartisch 98
Anmerk. Altarbekleidung 100
33. Altarciborium 102
34. Altaraufsatz. (Bilderaltäre. Keliquienaltäre.) 105
Anmerk. 1. Trasaltäre , . . 111
Anmerk. 2. Bildschmack der Alt&re 112
35. Altarkreuze 113
Anmerk. Omamentale and historische Kreuze 116
36. Leuchter. (Kronleuchter. Standleuchter.) 117
Anmerk. 1. Ewige Lampen 129
Anmerk. 1. Wandleuchter —
37. Evangelien- und Messbücher (Prachteinbände) 130
Anmerk. Ausstattung der Codices 137
38. Reliquienbehälter 138
Anmerk. Classiflcirung der Reliqniarien 142
b) Heilige Gefässe.
39. Vasa Sacra 161
40. Kelche 162
Anmerk. Hinisterialkelche und Saugröhrchen Ifi3
41. Altchristliche und frühromanische Kelche 165
42. Romanische Kelche 167
43. Gothische Kelche 171
44. Patenen 175
Anmerk. Zangen. Oblateneisen 176
45. Speisegefässe und Monstranzen 1 77
Anmerk. Sacramenth&uschen ]S3
46. Die Übrigen Messgeräthe. (Hostienbüchsen. Messkännchen. Siebe. Giess-
gefässe. Messscheüen. Rauchfässer. Oelgefässe.) 187
Anmerk. Credenztisch. Piscina. Schrünke 106
Inhalt. IX
c) Die Austattung der Kirchen mit Oestahlen, Kanzel, Tauf-
stein, Orgel, Grabdenkmälern und Glocken.
Seite
47. Chorstühle .....:..... :..... 197
A^merk. Binchofutühle. LeritensÜEe. Betotfihle. Beichtetfihle 202
48. Ambo. Kanzel 203
Anmerk. 1. Heiligtlmmatfihle . . . , . 209
Anmerk. 2. Adlerpolte , —
49. Taufstein • —
Anmerk. Taafschfteeeln 224
50. Orgel 225
Anmerk. Tonsohrift . 230
51. Grabdenkmäler 231
Anmerk. 1. Steineirge 239
Anmerk. 2. Grftbeinlagen 241
Anmerk. 3. BeparatbeeUttunf der Eingeweide 242
52. Glocken 243
Anmerk. 1. Kamen der Glocken 245
Anmerk. 2. Aelteste datirte and nndatirte Glocken —
Anmerk. 3. Musikalieche Eigeniichaften der Glocken 246
Anmerk. 4. Berechnung des Glockengew ich ts 247
53. Verschiedene Gegenstände (in alphabetischer Reihenfolge) —
Schlnssbemerk. fiber Polychromatie und Reutauration der mittelalterl. Kirchen . 266
n. GresoMohte der Kunst.
Literatur 269
Anmerk. Leietnngen der Photographie 270
A. Baukunst.
Literatur 271
Anmerk. Kirckenmodelle 272
Vorbemerkung über altchristliche Architektur.
Literatur 273
54. Aelteste christliche Kirchen —
55. Benennung derselben 274
56. Basiliken und basilikale Säle der Kömer 275
57. Bauart derselben 276
Anmerk. Die Baeilikenfrage 277
58. Christliche Basiliken 278
59. Centralbauten 280
Anmerk. Kirchen in Dentflchlandsnr Römerzeit 2Hi
60. Romanischer und Byzantinischer Baustil 282
61. Wechselseitiger Einflusa beider Bauweisen auf einander —
62. Karolingische Baukunst 283
63. Bauwerke zu Fulda und Lorsch 285
L BomaniBoher Stil.
64. Name des Stils 286
65. Geistliche Baumeister —
66. Zeitstellung der Gebäude 288
67. Allgemeine Charakteristik 29]
68. Orundriss —
Anmerk. Orundriss der Landkirchen 202
69. Aufbau. Säulen- und Pfeilerbasiliken —
Anmerk. 1. Die Säule 203
Anmerk. 2. Der Pfeiler 290
70. Scheidmauer 300
71. Decke 301
72. DasAeussere 302
73. Portale 304
74. Thürme 306
X Inhalt.
75. Gewölbebau 308
Anmerk. 1. Lombaidische Baukunst 310
An merk. 2. ZeitstoUung der Dome su Mainz« Wormi und Speier 311
76. Ueberganpstil 313
77. CharaKtenstik desselben —
78. Spitzbogen 314
Anmerk. Ausgedehnte Anwendung des Spitzbogens , angeblicli schon im XI. Jahr-
hundert 316
79. Mischbauten der Uebergangsperiode —
Kirchengebäude romanischen Stils.
I. In den Rheinlanden 317
Literatur —
80. Charakteristik der rheinländ. Kirchen 318
Topographie 321
Anmerk. Romanische Th firme und üeberreste 344
II. In Bayern und Schwaben 345
Literatur —
81. Charakteristik der süddeutschen Kirchen 346
Topographie 349
Anmerk. Bomanische Thftrme und üeberreste 360
III. In den deutsch-Österreichischen L&ndem 363
Literatur
82. Charakteristik der südostdeutschen Kirchen 365
Topographie 367
Anmerk. Bomanische Theile und Üeberreste 384
IV. In Franken und Hessen 387
Literatur —
83. Charakteristik der mitteldeutschen Kirchen —
Topographie 389
Anmerk. Bomanische Thfirme und üeberreste 400
V. In Thüringen und Sachsen 401
Literatur —
84. Charakteristik der thüringisch-sächsischen Kirchen 402
Topographie 404
Anmerk. Bomanische Einzeltheilo und üeberreste 424
VI. InV^estfalen 426
Literatur ^
85. Charakteristik der westfälischen Kirchen —
Topographie 428
Anmerk. Bomanische üeberreste und Thfirme 443
VII. Im norddeutschen Tieflande 445
Literatur —
86. Charakteristik der norddeutschen Kirchen —
Topographie 450
Anmerk. Bomanische Dorfkirchen 467
n. GothiBcher 8tU.
87. Name des Stils 469
88. Ursprung . 470
89. Laien-Baumeister 472
90. Zeitstellung der Gebäude 473
91 . Allgemeine Charakteristik —
92. Grundriss 474
93. Princip 475
94. Das Innere 477
95. Das Aeussere 478
96. Profilirungen 479
97. Ornamente —
98. Entwickelungsstufen 480
Inhalt. XI
Seit«
99. Frühgothischer Stil 481
100. Ausgebildet gothischer Stil . . . .' 485
101. SpÄtgothischer Stil 487
Kirchengebäude gothischen Stils.
I. In den Rheinlanden 489
Literatur : —
102. Charakteristik der rheinländ. Qothik —
Topographie 490
II. In Baiem und Schwaben 507
Literatur —
103. Charakteristik der süddeutschen Oothik —
Topographie , 506
III. In den deutsch-österreichischen Lftndem 524
Literfttnr —
104. Charakteristik der sOdostdeutschen Oothik 525
Topographie 527
IV. In Franken und Hessen 551
Literatur —
105. Charakteristik der mitteldeutschen Gothik 552
Topographie , . —
V. In ThOringen und Sachsen 564
Literatur —
106. Charakteristik der thOringisch-s&chsischen Oothik —
Topographie 566
VI. In Westfalen 579
Literatur —
107. Charakteristik der westfälischen Oothik —
Topographie 5S0
VII. Im norddeutschen Tief lande 589
Literatur —
108. Charakteristik des norddeutschen Ziegelbaues —
Topographie 5»2
Anhang über die Bauhütten.
109. Die Bauhütte 624
▲ nmerk. Die Steinmetzen 625
1 1 0. Zunftmässige Verbindungen der Bauhandwerker 626
lil. Haupthütten 627
112. Organisation der Hütten 628
Anmerk. 1. H&ttengeheimniBse —
Anmerk. 2. Steinmetzzeichen 629
Anmerk. 3. Baubetrieb 631
Verzeichniss deutscher Baumeister 632
Deutsehe Baumeister im Auslande 644
B. Bildende und zeichnende Künste.
Literatur 645
Vorbemerkung.
113. Plastik 647
Anmerk. Yenrendnng Ton Edelsteinen 648
114. Zeichnung und Malerei —
115. Verbindung der Plastik und Malerei 650
Anmerk. Technische Schriften aus dem M. A. — Bestauration und Reinigung der
OemUde und des Steinwerkes 651
116. Kriterien fOr die Zeitstellung der Denkmäler 652
XII Inhalt.
I. BysantiniBoh-Bomanisohe Epooheb
^. „ . ÖeiU
117. Die Zeit der Karolinger 653
a. ErzgfiiiBe —
b. Decontive Kunst 654
c. MiniAtnren ' «55
118. Das X. und XI. Jahrhundert —
a. En^sse ft56
b. BteinscTÜptaren . . 658
c. Holzscalpturdn . —
d. DeeoratiTe Kvnflt —
e. Mtniatiiren 661
119. Das XII. und XIIL Jahrhundert 662
a. Er%gt»He im
. b. Stein- und Stncksenlptnren . 664
c. äolzscnlpturen 672
d. Decorative Knnst
e. Maierei (Miniaturen. Wand-« Tafel- und Glasmalerei. Mosaik. Teppiche) ... 67&
n. Gkithisohe Spoche.
120. Das XIII. bis XV. Jahrhundert . . . . : 681
a. Sculptur 682
b. Erzgiksse 693
c. Schnitzwerke 694
d. Malereien 697
(Wandmalerei. Glasmalerei. Mosaikffemilde. Tafelmalerei:
1. Cdlniscbe Schule. 2. Westffclische Schule. 3. E&hmische Schule. 4. Ntrnber-
gische Schule. 5. Seh wibische Malerei. Miniaturen. Teppiche.)
e. Decorative Kunst 712
in. Venofaiodene Biohtungen.
121. Das XV. und XVI. Jahrhundert 713
a.MeUUgüsse 714
b. Sculpturen in Stein und Holz 721
c. Malerei 735
(1 . Niederlftndische Schulen. 2. Niederrheinische Schulen. 3. Westfftlische Schulen.
4. Oberdeutsche Schulen. 5. FrftnkiHche Schule. 6. Vermittelnde Meister. 7. Malerei
in Bayern. 8. InOesterreich. 9. In Schlesien. 10. In Sachsen und Norddeutsohland.)
d. Bemalte Schnitzwerke 780
e. Glasmalerei 794
f. Teppiche und Stickereien 797
i, Decorative Künste 798
nmerk. Künstlermonogramme 799
Seh lu SB bemerk, über die vervielf<igenden Künste des Bilddmdces
(1. MetaUschnitte. 2. Holzsehnitte. 3. Kupferstiche.) ■
m. HüfswisseiiBohaften.
Vorbemerkung.
122. Beachtune der Localgeschichte 804
123. Nothwendige Kautelen —
124. Historische Merkmale der Denkmäler « • • ^^^
A. Epigraphik.
a) Aeussere Epigraphik.
125. Sprache der Inschriften —
126. Orthographie —
127. Abkürzungen 806
128. Abbreviaturen-Theorie 808
129. Siglen und Notarica 809
130. Monogramme des Namens Jesus Christus 810
131. Interpunction 811
132. Künstlerschrift —
133. Zahlen .816
Anmerk. 1. Locale und technische Besonderheiten der Palftographie ...... 817
A n m e r k. 2. Das Technische der Inschriften. Abdrücke aus Papier, Staniol etc. . . —
Inhalt. XIII
b) Innere Epigraphik.
Seite
134. Eintheilung der Insehriiten 818
Anmerk. Bezieluing der Inscliriften auf die kUnstlerieche Technik 819
135. Poetische Inschriften —
136. Historischeinschriften 820
137. Zeitbestimmuhffen —
Anmerk. Jahreszahlaa in Versen 822
138. Bibelsprüche und Gebetsformeln 823
1 39. Beispiele von Inschriften 824
(a. An ]Kirchengeb&nden. b. Auf Altarplatten, c. Anf Kelchen, d. Auf Reliqniarien.
e. An Kronleuchtern, f. An Sacramenth&QKChen und Monstranzen, g. An Chor-
stühlen, h. Anf Tauf steinen, i. Auf Taufbecken, k. Auf Weib wanserbecken.
1. Grabschriften. (Anmerk. Skurrile GrabHChriften.) m. Glockeninschriften.
(Anmerk. Unleserliche Glockeninschriften.) n. Anf kirchlichen Ger&thsehaften.
o. Anf bildlichen Darstellungen.)
B. Heraldik.
140. Alter der Wappen in Kirchen .841
141. Beziehung der Wappen 842
1 42. Wappen auf Denkmälern von Geistlichen —
143. Wesentliche Stücke eines Wappens 843
144. Schild und Helm 844
Anmerk. Erklirnng der Ausdrücke : recht» und links 845
145. Wappenbilder —
1 46. Geistliche Insignien 846
147. Helmschmuck —
148. Heraldische Farben 847
149. Heraldische Kunstsprache. Literatur —
Anmerk. 1. Siegel. Literatur . . . —
Anmerk. 2. Or&nsdecorationen 848
C. Ikonographie.
150. Eintheilung der Bilder 849
Anmerk. Sittliefaer Zweck gewisser anstössig erscheinenden Bilder —
151. Historische Bilder —
1 52. Historisches Interesse an religiösen Bildern . ', 850
153. Trachten —
(Geistliche Trachten. Weltliche Trachten.)
Anmerk. Portraits der Künstler an ihren eigenen Werken 865
154. Religiöse Bilder —
155. Mystische Figuren . 866
156. Symbole 867
Anmerk. 1. Thierbilder 875
Anmerk. 2. Bilder aus heidnischen Dichtern und mittelalterlichen Ritterromanen 881
157. Allegorien 882
Anmerk. 1. Darstellung der Zeitkreise 883
Anmerk. 2. Todtent&nze 884
Anmerk. 3. Figuren aus dem klassischen Heidenthum 886
158. Biblische Bilder . —
a. Typen —
Anmerk. Vieldeutigkeit derselben 889
b. Allegorische Darstellungen 890
Anmerk. Stammb&ume 891
c. Historische Bilder —
Anmerk. 1. Qrundzflge der gewöhnlichsten bibl. Darstellungen und Personen (Gott
Vaur. Engel. Teufel. Alttestamentliche Darstellungen und Per-
sonen. Das Neue Testament. Christus. Maria. Apostel. Scenen
ans der neutestamentlichen Geschichte) 892
Anmerk. 2. Bilderreihen aus den verschiedenen Jahrhunderten 915
Anmerk. 3. Didaktische Bilder 919
159. Heiligenbilder 920
160. Nimbus —
161. Attribute 922
Anmerk. Sancti. Beati. Martyres. Confessores 923
XIV Inhalt.
S«ite
Alphabetisches Verzeichniss der beliebtesten Kirchen-Hei-
ligen, nebst Angabe ihrer Attribute, Festtage etc. ... 923
ClaviB 950
Chronologische Zugabe.
A. Die beweglichen Festtage und Sonnti^e des Kirchenjahres nebst An-
gabe der Introitus und der evangel. Perikopen 953
B. Berechnung der Wochentage und des Osterfestes 960
Register.
I. Sachregister nebst Erklärung technischer Ausdrücke 963
II. Künstlerregister 970
III. Ortsreginter 977
Verzeichniss der Kunstbeilagen.
I. Orundriss der Cisterzienser-Abtei Maulbronn (Stahlstich) 90
II . Das Frauenkloster Klingenthal in Basel aus der Vogelschau (Holzschnitt) 92
III. Der Hochaltar von Blaubeuem (Stahlstich) 110
IV. Deckel des Evangeliencodex aus Echtemach in Gotha (Stahlstich) . . 133
V. Diptychon des Tutilo in St. Gallen (Stahlstich) 659
VI. Sculpturen im Dom von Naumburg (Stahlstich) 683
VII. Eine kluge und eine thörichte Jungfrau aus derSebalduskirche in Nürn-
berg (Stahlstich) 685
VIII. Die h. Ursula vom Dombilde zu Cöln (Stahlstich) 707
IX. Der Imhofsche Altar aus der Lorenzkirche zu Nürnberg (Stahlstich) 710
X. Epitaphium des Henning Göden von Peter Vischer im Dom zu Erfurt
und in der Schlosskirche zu Wittenberg (Stahlstich) 718
XI. Die Jungfrau Maria aus der Anbetung des Lammes der Gebrüder van
Eyck in der Johanneskirche zu Gent (Stahlstich) 738
XII. Die Verkündigung Maria , Gemälde der oberdeutschen Schule im Pri-
vatbesitz zu München (Stahlstich) 747
XIII. Eine heilige Familie von Hans Holbein d. J. aus der Galerie in Augs-
burg (Stahlstich) 752
XIV. Die Geburt Christi von Bartholomäus Zeitblom auf dem Heerberge bei
Gaildorf (Stahlstich) 755
XV. Der Tod der Maria von Martin Schaffner in der Pinakothek zu München
(Stahlstich) 756
XVI. Scene aus der Offenbarung Johannis von Albrecht Dürer (Stahlstich) 763
XVII. Der h. Hieronymus, Schrotblatt aus der T. O. Weigerschen Sammlung
(Facsimile) 800
XVIII. Die Himmelskönigin, Kupferstich des Meisters P von 1451 aus der
T. O. Weigerschen Sammlung (Facsimile) 802
XIX. Holzschnitt aus der xylograph. Ars moriendi in der T. O. Weigerschen
Sammlung (Facsimüe) 891
Einleitung.
1. Die Kunst ist die gesetzmässige Darstellung einer Idee in
sinnlicher Form : die cbristHche Idee in sinnlicher Form erschöpfend
darzustellen^ ist schlechthin unerreichbar; daher der sinnbildliche
Grundzug aller christlichen Kunst^ und der Glaube als Bedingung
ihres wahren Verständnisses.
Durch die obige Definition soll gesagt sein , dass die Kunst , deren
Aufgabe es ist, Geistiges imd Sinnliches in vollkommener Durchdrin-
gung, d. h. das Seh One, darzustellen, mit ihrer Thätigkeit an gewisse
Ssthe tische Gesetze gebunden ist, deren. Aufstellung jedoch nicht dieses
Orts sein kann. — Das Idealische in der Kunst ist die Seite , wo das
derselben eigenthümliche Gebiet mit dem Gebiete der Religion grenzt,
und je mehr eine bestimmte Religion mit dem Sinnlichen und Natürlichen
behaftet ist, eine um so ausgedehntere und selbständigere Wirksamkeit
wird sie der Kunst einräumen. Der rein geistige Charakter des Christen-
thums gestattet der Kunst nur die Darstellung der Naturseite, d. h. der
Erscheinung des Göttlichen im Menschlichen. Insofern aber der mensch-
lichen Kunst die Darstellung des Göttlichen schlechthin unerreichbar
bleibt, ist sie genöthigt , ihre unzureichenden Mittel durch Sinnbildliches
zu ergänzen, welches indess seinem Wesen nach nicht durch unmittelbare
Anschauung, sondern erst durch Reflexion, also unkünstlerisch, zu wirken
im Stande ist. — Für das göttliche Mysterium des Sinnbildlichen ist
allein der Glaube empfänglich , während der Unglaube , auf die dürre
Verstandes -Operation beschränkt, in dem Sinnbildlichen nur das Un-
künstlerische erblickt, imd der Aberglaube nicht vermag die göttliche
Sache und das sie darzustellen bestimmte Zeichen gehörig auseinander
zu halten.
2. Das Kunstwerk an sich hat lediglich sich selbst zum Zweck ;
der Zweck des christlichen Kunstwerkes dagegen liegt ausser dem-
selben, und zwar über dasselbe hinaus.
Die Kunst an sich will nichts anderes als darstellen und genügt sich
darin vollkommen. Die von dem heiligen Geiste erfüllte Kunst wird von
0 1 1 e , KttMt- Archloloffie. 1
2 Einleitung.
diesem Geiste Zeugniss ablegen, und ihre Werke werden ein lebendiger
Abglanz desselben sein. — Damit ist zugleich der Maasstab gegeben
für den Werth eines christlichen Kunstwerkes , der nicht nach den viel-
leicht mangelhaften Kunstformen bestimmt werden kann , sondern allein
nach dem daraus sprechenden Geist. Hieraus erklärt sich die schöne
Wirkung der altchristlichen Wandmalereien in den Katakomben, obschon
dieselben in den verdorbenen spätrömischen Formen ausgeführt sind, und
die oft gänzliche Wirkungslosigkeit mancher. neuer, in akademischen For-
men glänzenden Darstellungen.
3. Der Zweck der christlichen Kunst ist Belehrung und Erinne-
rung einerseits j Erweckung mid Erbauung andrerseits; sie nimmt
daher Verstand und Gemüth gleichzeitig in Anspruch.
nQuod legentibus scriptura, hoc idiotis praestat pictura cementibus.a
Gregorii M. Epist. lib. IX. ind. IV. ep. 9 (Opp. T. IV. p. 349 ed.
Antverp.) — »Dtim nobts ipsa pictura quasi scripiurä ad memoriam ßlii
* dei reducit, animum nosirum aut de resurrecHone laetißcat, aut de passione
demulcet.d Ibid. lib. VII. ind. II. ep. 54 (p. 271j. — »Franzi vero non
debuit, quod non ad adorandum in ecclesiis, sed ad instruendas solummodo
mentes fuit nescientium collocatum.a L. c. p. 349. — Mit diesen Grund-
sätzen Gregor 's des Grossen (gest. 604) über den didaktischen und
asketischen Werth der bildenden Künste im Dienste der Kirche wird die
reine Mitte eingehalten zwischen der Bilderverehrung einerseits und der
Bilderstürmerei andrerseits. »Der Jiissbrauch hat die Bilder böse gemacht;
noch haben wir sie nicht zu verwerfen» Denn wetm wir wollten alles ver-
werfen, dess man missbrauchet, was würden wir vor ein Spiel zurichten ?«
Luther in der 4. Pred. wider die Schwarmgeister (Walch XX. S. 35).
— nJVollte Gott, ich könnte die Herren und Reichen dahin bereden, dass
sie die ganze Bibel inwendig und auswendig an den Häusern vor jedermanns
Augen malen Hessen. Das wäre ein christliches Werk,^ Derselbe bei
Walch ebd. S. 212. — Bei Zwingli und Calvin war die Besorgniss
vor dem Bilderdienste zwar grösser, doch finden sich auch in ihren
Schriften Stellen, wo sie geschichtlichen Bildern einen gewissen didakti-
schen und asketischen Werth zugestehen. yyDass sie {die Stürmer) aber
um aller Bilder willen also kämpfen, ist ein Irreal. Warum? Darum
dass sie auf den Buchstaben und nicht auf den Sinn des Gesetzes sehen. vi
Zwingli's Werke, herausgegeb. von Schuler und Schulthess
II. 1, 46. ^Neque tamen ea superstitione tetieor, ut nullas prorsus imagines
ferendas censeam, Sed quia sculpiura et pictura Dei dana sunt, purum et
legitimum utriusque usum requiro : ne quae ■ Dominus in suam gloriam et
bonum nostrum nobis contulit, ea non tantum polluantur praepostero abusu,
sed in nostram quoque pemiciem convertantur. Restat tgitur ut ea
sola pingantur ac sculpantur , quorum sint capaces oculi .... historiae
ae res gestae .... i^um in docendo vel admonendo aliquem habent.a Cal-
vini Inst. rel. ehr. 1. I. c. XI. s. 12, ed. Tholuck I, 81. — Im Ge-
gensatze gegen die ikonolatrische Praxis des katholischen Volkes , die sie
bekämpften, sprechen sich die Reformatoren und die protestantischen
Symbole allerdings bilderfeindlich aus.
Einleitung. 3
4. Das christliche Kunstwerk geht aus dem christlichen Geiste
herror und ist eine von den Formen, in welchen er sich darstellt: die
Einbildungskraft eines ungläubigen Künstlers kann ein christliches
Kunstwerk niemals erzeugen.
Die Gaben und Krftfte sind verschieden, und da es in der christlichen
Gemeinde solche Glieder giebt, welche das Charisma empfangen haben,
das Heilige in sich künstlerisch zu gestalten , so treibt sie der Geist , der
sich nicht dämpfen lässt, dieses Innerliche auch äusserlich kOnstlerisch
darzustellen. Dadurch entsteht das christliche Kunstwerk, als eine den
also Begabten naturgemässe void noth wendige Form des Zeugnisses,
dessen die Kirche nur zu ihrem grossen Nachtheile dürfte entbehren
wollen.') Das Zeugniss aber kommt aus dem Glauben, und, wo dieser
fehlt, wird auch jenes ausbleiben. Wenn also ein ungläubiger Künstler
sich unterfinge das Heilige darzustellen, so würde das Product nur äussere
Form sein ohne wahren, geistigen Inhdt, also kein Kunstwerk, sondern
eitel falsches Zeugniss.
5. Wenn irgend ein Kunstwerk sich für eine erschöpfende Dar-
stellung der schlechthin unerschöpf baren christlichen Idee giebt oder
abergläubisch damit identificirt wird : so ist es Idol.
£s ist nicht gemeint, als ob jemand sollte unter den Chriöten so
thoricht sein , sich seinen Gott selbst machen zu wollen , sondern es soll
nur die Warnung davor ausgesprochen werden , als ob es Bilder geben
könne, die, auch abgesehen von ihrem innerlichen Werthe als Erzeugnisse
christlicher Kunst, vor anderen besondere Heilskräfte besässen. i^JVenn
ein Bild aufgerichtet wird, dafür man sich /urchtet und einen Glauben
darauf setzet, das reisse man hinweg ; so es aber nicht ein Götze ist oder
Altar, dass man die Kniee davor beuget, auch nicht einen Gottesdienst daraus
macht, so ist es nicht ein Götze, sondern ein Bild, das du behaltest und ist
recht und gut. Das ist der Unterschied zwischen Bildern und Götzen,^
Luther bei Walch HI. S. 2626. — Nur ästhetisch gebildete Götzen-
anbeter dienen schönen Idolen, die Götzen der Ungebildeten sind hässlich.
6. Die christliche Kunst ist eben so frei und unbegrenzt wie die
christliche Idee, die kirchliche Kunst dagegen hat sich den kirchlichen
Typus als Grenze gesetzt.
Die freie Bewegung der christlichen Kunst, wie der christlichen
Idee, bezieht sich selbstverständlich zunächst nur auf das specifisch
christliche, also auf das religiöse Gebiet ; da aber das christliche Element
die alle Verhältnisse und Richtungen des Lebens durchdringende und
tragende Macht zu sein die Bestimmung hat , so breitet sich das Gebiet
der christlichen Kunst auch über alle profanen Lebensverhältnisse aus,
und der christliche Künstler hat bei der Wahl seines Stoffes und bei der
I ) »Aueh bin ich nicht der Meinung, dass durchs Evangelium soUien alle Künste
zu Beden gesehlagen werden und vergehen, wie eUiehe AbergeieÜwhen fürgeben : son-
dern ich wollte alle Künste, sonderlieh die Musica, gern sehen ^ im Dienste des, der
sie gegeben und geschaffen hat,* Luther in der Vorrede zu den geistl. Liedern ]527.
1*
4 Einleitung.
Ausfahrung seines Werkes keine andere Schranke , als die ihm gesetzt
wird von der christlichen Ethik, was man auch in dem paradox klingenden
Satz aussprechen kann: Zwischen der heiligen und der so genannten
profanen Kunst ist kein specifischer Unterschied.^) Von dieser christlichen
Kunst im weiteren und weitesten Sinne unterscheidet sich die kirchliche
Kunst, die ausschliesslich das Heilige darzustellen die Aufgahe hat und
sich dahei an den weniger durch kirchliche Vorschriften, als durch die
Ueherlieferung sanctionirten kirchlichen Typus zu hindcn gehalten ist.
Willkürliche Abweichungen von dem hergebrachten Typus behindern den
Zweck des kirchlichen Kunstwerkes : denn das Fremdartige , statt die
Gemeinde zu erbauen , bleibt derselben unverständlich und gereicht ihr
zum Aergemiss. — So war man noch neuerdings genöthigt, ein nach
dem bekannten Schinkclschen Entwürfe verfertigtes Crucifix von dem
Altäre einer evangelischen Kirche wieder zu entfernen, weil die Gemeinde
durch die Abweichungen vom hergebrachten Tj'pus, die sich der Künstler
aus ästhetischen Rücksichten gestattet hatte, beirrt und in ihrer Andacht
gestört wurde. Das schöne Crucifix war zwar ein echt christliches, aber
kein kirchliches Kunstwerk.
7. Der kirchliche Typus gestattet eine die heiligen Zwecke des
christlichen Kunstwerkes nicht beeinträchtigende und der weiteren
Entwickelung fähige Bewegung des schaffenden Künstlers; wenn
aber der Typus erstarrt, wird die Kunst Handwerk.
Der feste Typus ist den didaktischen Zwecken der kirchlichen Kunst-
werke geradezu förderlich und gestattet, was die erbauliche Seite anbe-
trifflt, dem Künstler eine schöpferische Thätigkeit, da eben nur die äussere
Disposition vorgeschrieben werden kann , keineswegs aber der geistige
Inhalt. Ausserdem ist der Typus, ebenso wie das Dogma, der geschicht-
lichen Ausbildung und Entwickelung unterworfen , modificirt. und ändert
sich daher im Laufe der Zeit, gewöhnlich aber nur allmählich und deshalb
erst nach geraumer Zeit merklich. Wo, wie in der griechischen Kirche,
die Lehrentwickelung für immer abgeschlossen ist, musste auch der Typus
erstarren, und die Kunst ist zum Handwerke geworden, da immer nur
die traditionelle Schablone befolgt und nachgeahmt wird. — Zu bemerken
bleibt . dass sich in der kirchlichen Kunst nur für gewisse wichtige und
darum häufig wiederkehrende DarsteUungen ein bestimmter Typus bilden
konnte, während seltenere Stoffe den Künstlern freie Bewegung des
Schaffens verstatteten.
8. Vorstehende Sätze bestimmen im Allgemeinen den Standpunkt
für die nachfolgende iiebaudlung der kirchlichen Kunst-Archäologie
des christlichen Mittelalters.
Die wechselseitigen Beziehungen zwischen der christlichen Religion
und der Kunst haben behandelt,
vom Standpunkte der evangelischen Kirche :
Meyer, C, über das Verhältnißs der Kunst zum Cultus. Zarich I S37. —
Alt, H., die Heiligenbilder oder die bildende Kunst und die theol. Wissen-
1) Vergl. Christi. Kunstblatt Ib59 S. A.
Einleitung. 5
Schaft in ihrem gegenseitigen Verhältniss historisch daxgestellt. Berlin 1845. —
de Wette, W. M. L., Gedanken über Malerei und Baukunst bes. in kirch-
licher Beziehung. Berlin 1846, — Sehn aase, C, über das Verhältniss der
Kunst zum Christenthume und bes. zur eyangel. Kirche. Berlin 1852. —
Ranke, W., die Verimingen der christl. Kunst. 2. Aufl. Breslau 1855. —
Nitzsch, C.Im., über religiöse Kunst, im Deutschen Kunstbl. 1856, Nr. 41.
— Kottmeler, Dav., die Darstellung des Heiligen durch die Kunst, Yomehml.
in ihrer Anwendimg auf den erangel. Cultus, Bremen 1 857.
Vom Standpunkte der katholischen Kirche :
Dur seh, G. M.» Aesthetik der christl. bildenden Kunst des M. A. in
Deutschland. Tübingen 1854. — Vrgl. Amberger, Jos., Pastoraltheologie
2, 761 — 76«. — Jakob, G., die Kimst im Dienste der Kirche S. 1 — 3.
9. Die kirchliche Kunst- Archäologie des Mittelalters ist ein Theil
der allgemeinen Alterthumskunde, welcher den Gegenständen der
Untersuchung nach auf solche Denkmale der Kunst beschränkt ist,
die in näherer oder entfernterer Beziehung auf den christlichen Cultua
stehen ; der Zeit nach : auf das christliche Mittelalter.
Den Gegenstand der Untersuchung bilden die unbeweglichen
und beweglichen kirchlichen Denkmale, also:
1) Die Kirchengebäude^ falls es nicht blosse BedOrfiiissbauten sind
wie z. B. in ärmeren Gegenden die meisten Landkirchen, doch halten
selbst diese im Mittelalter den kirchlichen Typus fest (in der Richtung von
Westen nach Osten, in der Eintheilung der Räumlichkeit, in der Thurm-
anläge etc.), so dass auch dergleichen Gebäude in das Gebiet wenigstens
der archäologischen Betrachtung fallen.
2] Die ganze innere Ausstattung der Kirchengebäude mit den ver-
schiedenen zum Cultus erforderlichen Utensilien, welche, wenn nicht Er-
zeugnisse der Kunst, doch des Kunsthandwerkes sind ; femer der Kirchen-
schmuck an Bildwerk und Gemälden^ die verschiedenen Denkmäler etc.
10. Die kirchliche Kunst des Mittelalters hat sich nationell und
selbst provinziell eigen thümlich gestaltet; die Archäologie der Kunst
ist daher entweder eine allgemeine, die alle jene Gestaltungen zusam-
menfasst, oder eine besondere, w^elche nur die Untersuchung irgend
einer nationellen oder provinziellen Gestaltung der Kunst zu ihrer
Aufgabe macht.
Obgleich die Grundgesetze der kirchlichen Kirnst , im Anschluss an
die gemeinsamen Bedürfnisse des Cultus nicht bloss , sondern selbst an
die Entwickelung des Dogmas, in der ganzen abendländischen Christen-
heit von Rom ausgehend im Mittelalter die nämlichen waren , so erMiren
dieselben doch bei den verschiedenen Völkerschaften, abgesehen von
ihrem allgemeinen Entwickelungsgange, verschiedene Anwendung. Alles,
was den verschiedenen Nationalcharakter zu machen pflegt : der verschie-
dene Volksstamm, die nach Boden und Klima verschiedenen Wohnplätze,
endlich und besonders der verschiedene der äusseren imd inneren Volks-
wohlfahrt mehr oder weniger günstige geschichtliche Entwickelungsgang,
ist vom wichtigsten Einflüsse auch auf die verschiedene Gestaltung der
Kirnst: im höheren Grade, wenn es sich um ganze Nationen handelt, im
6 ChrisÜ. Museen.
beschränkteren freilich, aber oft doch sehr entschieden, in Beziehung auf
bestimmte einzehie Provinzialismen.
Die systematische Darstellung des Ganges , welchen die kirchliche
Kunst bei den verschiedenen Völkern unter den gegebenen besonderen
Verhältnissen genommen hat , und die^ Schilderung ihrer Leistungen in
den einzelnen Epochen ist die Aufgabe der christlichen Kunstgeschichte.
11. Gegenwärtiges Handbuch umfasst im Allgemeinen die na-
tionell deutsche Gestaltung der kirchlichen Kunst des Mittelalters, wie
sich dieselbe vom IX. und X. bis zur Mitte des XVI. Jahrhunderts
gebildet hat; der hauptsächlichsten provinziellen Eigenthümlichkeiten
soll jedoch besonders gedacht werden.
Bis auf Karl den Grossen stand die gesammte abendländische Kunst
noch vOlUg auf dem Boden des antik rOmischen und griechischen Lebens,
imd erst von dem Zeitpunkte an, wo nach dem Zerfallen des Reiches
Karls des Grossen Deutschland ein selbständiger Staat wurde, war
daselbst der Anfang einer nationalen Gestaltung der Kunst möglich. —
Den Endpunkt der Geschichte der mittelalterlichen Kunst in Deutschland
bildet das Zeitalter der Reformation : denn obgleich bereits mit dem be-
ginnenden XV. Jahrhundert der mittelalterliche Idealismus dem modernen
Realismus zu weichen anfängt, so bediente sich doch, besonders in der
kirchlichen Baukimst, der neue Geist noch fast anderthalb himdert Jahre
hindurch der alt hergebrachten, wenn auch modificirten Formen , und die
Wiederaufoahme der Antike, welcher zuerst in Italien Filippo Brunelleschi
(1375 — 1444) sich hingegeben hatte, wurde in Deutschland, wie über-
haupt ausserhalb Italiens, erst gegen die Mitte des XVL Jahrhunderts
gemein.
Anmerkung 1. Die beweglichen kirchlichen Denkmale des M. A.
sind in neuerer Zeit aus verschiedenen Anlässen aus den Kirchen und deren
Nebenräumen vielfach in Museen , Bildergalerien und andere Kunstsamm-
lungen abergegangen, unter denen hier, abgesehen von den grossen allge-
meinen Museen und den zahlreichen Sammlungen, welche ausschliesslich den
vaterländischen Alterthümem gewidmet sind und meist von den geschicht-
lichen und Alterthums- Vereinen gepflegt werden , wegen ihrer kirchlichen
Tendenz besonders diejenigen in unseren Tagen entstandenen Museen her-
vorzuheben sind, die, meist mit den katholischen Bischofisitzen verbunden,
den Namen christlicher Museen führen . Wir nennen das erzbischofliche
Museum in COln (zeitweise bereichert durch anderswoher entliehene Kunst-
werke), die bischoflichen Museen in Münster imd Paderborn, die DiOcesan-
Museen in Kloster Metten (fQr den Sprengel von Regensburg) und Freising.
Diese Sammlungen haben sämmtlich einen mehr localen Charakter und den
praktischen Zweck einer Wiederbelebung der mittelalterlichen Kunst, wäh-
rend das christliche Museum der Universität zu Berlin sich die Aufgabe
gestellt hat , nicht Originalwerke der Kunst zusammenzubringen , sondern
durch Nachbildung und Abbildung von Denkmälern in planmässiger Aus-
wahl von der gesammten Kunstentwickelung seit der urchrisüichen Zeit bis
ins XVI. Jahrh. eine auf Kenntniss des Einzelnen gegründete Uebersicht
Kunstarchaol. Zeitschriften. 7
zu gewähren , nicht sowohl um der Kunst als um des christlichen Inhalts
willen, und als ein dem theologischen Unterrichte dienstbares Institut «der
Universität.
Vergl. : Das neue erzbischöfl. Diözesan-Museum auf dem Domhofe Mn
Köln, im Oigan für christl. Kunst. 1S60, No. 1—9 imd II. — Piper, Ford.,
das christl. Museum der Universität zu Berlin und die Errichtung christl.
Volksmuseen. Berlin 185B. (Besonderer Abdruck aus dem Evangel. Kalender
für 1857.) — Ueber »Museen und Vereinen s. Reich ensperger, A., Fin-
gerzeige. S. 106 ff.
Anmerkung 2. Ueber das Gesammtgebiet der mittelalterlichen
Kunstarchäologie verbreiten sich folgende deutsche Zeitschriften und
periodische Publicationen,
mit rein wissenschaftlicher Tendenz :
Zeitschrift für christl. Archäologie u. Kunst. Herausgeg. von Ferd. y.
Quast u. H« Otte. Leipzig 1856 u. 1858. (Nicht mehr als zwei Bfinde er-
schienen.)
Vorzugsweise zwar auf die österreichischen Kronländer beschränkt,
aber von gediegenem Inhalt :
Jahrbuch der k. k. Central - Commlssion zur Erforschung und Erhaltung
der Baudenkmale. Wien 1856 ff. — Mittheilungen der k. k. Central-Com-
mission zur Erforschung u. Erhaltung der BaudenXmale. Unter der Leitung
des k. k. Sections - Chefs etc. Freiherm v. C zornig. Red. C. Weiss.
Wien 1856 ff.
für die bischöfliche Diöces Trier :
Mittheilungen aus dem Gebiete der kirchl. Archäologie u. Geschichte der
Diöcese Trier von dem historisch-archäol. Verein. Trier 1 856 ff.
Mit überwiegend confessioneller Tendenz,
katholischer Seits :
Organ für christl. Kunst, herausgeg. u. redigirt von F. Baudri in Cöln.
Oigan des christl. Kunstvereins für Deutschland. Cöln 1 85 1 ff. — Kirchen-
schmuck. Ein Archiv für kirchl. Kunstschöpfungen u. christl. Alterthums-
kunde. Herausgegeb. unter der Leitung des christl. Kunstvereins der Diöcese
Kottenburg. Redigirt von Pfr. L a i b u. Decan Dr. Schwarz. Stuttgart 1 857 ff.
Evangelischer Seits :
Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus. Herausgeg. unter
Leitung von C. Grüneisen, C. Schnaase u. J. Schnorr von Carols-
feld durch G. Bunz. (Organ der Vereine für religiöse Kunst in der evangel.
Kirche zu Berlin, Stuttgart u. Hamburg.) Stuttgart 1858 ff.
Unter den Zeitschriften der historischen Vereine sind als besonders
reich an kunstarchüologischen Beiträgen zu nennen der r> Anzeiger für Kunde
der deutschen Vorzeit, Organ des Germanischen Museums<n in Nürnberg und
das ^Correspondenzblatt des Oesammtvereines der deutschen Geschichts- und
Alter thumsver eine, <t Femer enthält der ^Evangelische Kalendern von Ferd.
Piper und das sonst ausschliesslich den Interessen des Dombaues in Cöln
gewidmete i>Cölner Domblattn kunstarchäologisch c Aufsätze und Notizen,
sowie von den politischen Blättern die Augsburger Postzeitung in ihren
Beilagen ausführliche kunst- topographische Mittheilungen.
Von nicht-periodischen Veröffentlichungen gehören hieher:
Als elementare Anleitungen :
Sendschreiben des Königl. Sachs. Alterthumsvereins an die Freunde
kirchlicher Alterthümer im Königreiche Sachsen. Dresden 1 840. — J a k o b , G, ,
8 Kunstarcliftol. Schriften.
die Kunst im Dienste der (kathol.) Kirche. Landshut 1857. — Otte, H.,
Archäologischer Katechismus. Kurzer Unterricht in der kirchlichen Kunst-
archäologic des deutschen Mittelalters. Leipzig 1 859.
Und vermischten Inhalts :
Reich ensperger, A., Fingerzeige auf dem Gebiete der kirchl. Kunst.
Leipzig 1854 (u. in einer »Besonderen Atuffobev, ebd. 1855.) — Desselben
Vermischte Schriften über christl. Kunst. Leipzig 185(3.
Als Hilfsmittel endlich bei der Leetüre kunstarchäologischer Werke
in deutscher, französischer und englischer Sprache :
ütte, H., Archäologisches Wörterbuch zur Erklärung der in den Schrif-
ten über mittelalterliche Kunst vorkommenden Kunstausdrücke. Leipzig I S57.
Denkmale der Kunst
A. Kirehengebände«
Binterim, Ant. Jos., die vorzüglichsten Denkwürdigkeiten der christ-
kathol. Kirche. IS26. IV. J, 1-162. — Augusti, J. Chr. W., die gottes-
dienstlichen Personen und Oerter der christlichen Kirche (Bd. 11 der Denk-
würdigkeiten). 1830. S. 315—496. — Desselb. Beiträge zur christlichen
Kunstgesch. u. Liturgik. 1841. — Bunsen, Clir. C. Josias, die Basiliken des
Christi. Roms (1842). — Kreuser, J., Kölner Dombriefe. 1844. S. 2-62. —
Desselb., der christl. Kirchenbau, 2. Aufl. 1860. 1, 3—270. — Mono-
graphieen sind gehörigen Orts imter dem Texte angeführt.
a. Im Allgemeinen.
12. Die gottesdienstlichen Gebäude der Christen sind von Westen
natih Osten gerichtet (orientirt) . Diese heilige Baulinie ^} beruht auf
der altchristlichen Sitte ^ sich beim Beten gen Osten zu wenden und
den Blick nach dem Aufgang aus der Höhe zu lenken.
Eine genaue Grien tirung ist vor der Erfindung des Compasses
überhaupt nicht , und von der unbefangenen mittelalterlichen Praxis am
wenigsten zu erwarten; doch findet sich im Xu. Jahrh. (Joh. Beleth,
diviiki officii explicatio c. 2.) die ausdrückliche Vorschrift »17/ aedißcetur
ver9U8 Orientem, hoc est versus solis ortum aequtnocUßlem« und die Ver-
werfung Derjenigen , die sich aus nicht angeführten Gründen nach dem
Aufgangspunkte der Sonne am längsten Tage richten woUten und richteten
{nnec vero contra aesttvale solstttium, ut nonnulli ei volunt et/actuntü)^
also eine nordöstliche Baulinie beliebten. Letztere Richtung findet sich,
— ob absichtlich , oder nur zuföllig , oder niu: wegen gewisser Ortlichen
1) Alberdingk Thijm, Jos. Alb., de Heilige Linie. Proeye over de oost-
wardsche richting van kerk en autaar als hoofdbeginsel der kerkehjke bouwkunst.
Amsterd. 1S5S. Vergl. Desselb. »De rorieniatton des ^lises* in »Dietsche Warandem
(Partie fian^aise.) 1S57. p. 37 und rtLa ligne saerien. Ebd. p. 51. — Ueber die Rich-
tung der Kirchen, in Mone u. y. Aufsess, Anzeiger für Kunde des deutschen
M. A. 3, 201 . — Orientirung der Kirchen , in der Zeitschr. für christl. Archäologie
und Kunst. 1, 32.
1 0 Baulinie.
Verhältnisse, beobachtet z. B. bei den Domen von Basel und Meissen,
welche sich von WSW nach ONO erstrecken ; auch die Martinikirche zu
Braunschweig und die Kirche von Amual haben nordöstliche Lage,
wogegen der Dom und die Liebfrauenkirche in Trier mit dem Altarende
um etwa 20® nach Süden abweichen. Andere zahlreiche Beispiele von
beiderlei Abweichimgen lassen sich auf dem Plane jeder beliebigen alten
und grösseren Stadt mit leichter Mühe auffinden , imd da die Richtungs-
linie der Kirchen, wie in Deutschland so auch in Frankreich und England,
den ganzen Bogen auszufüllen scheint, den die Sonne vom kürzesten bis
zum längsten Tage am Horizonte beschreibt, so liegt die Vermuthung
nahe, dass man sich bei Bestimmung der Baulinie oft lediglich nach dem
Aufgangspunkte der Sonne am Tage der Orundsteinlegung gerichtet
haben mag. Im Spätmittelalter bediente man sich allerdings des Com-
passes^), bequemte sich indess, was namentlich innerhalb der Städte un-
imigänglich nöthig war, dabei der Localität an, doch niemals in dem
Maasse, dass die Längenaxe der Kitche geradezu von Norden nach Süden
fiel, was zwar in Rom bei Santa Prassede (mit dem Altar in Norden) imd
bei San Giorgio in Yelabro (mit dem Altar in Süden) aus unbekannten
Ursachen der Fall ist, aber in Deutschland von keinem mittelalterlichen,
schon ursprünglich zum gottesdienstlichen Gebrauche bestimmten Ge-
bäude nachgewiesen ist, und höchstens bei später als Kirchen benutzten
Refectoiien etc. (wie bei der sogenannten älteren Kirche in Kloster Eber-
; bach) vorkommt. — Bei der aus dem XIII. Jahrh. stammenden Schloss-
kapelle in Vianden erscheint die südliche Richtung durch die Terrain-
verhältnisse unbedingt geboten.
13. Der Bau begann mit der Grundsteinlegung durch den Bischof
am Altarende in Osten und schritt von hier nach Westen weiter vor ;
in dieser technischen Beziehung wird daher die Baulinie als von
Osten nach Westen gehend zu bezeichnen sein.
In dem Baurisse für das Kloster St. Gallen') vom J. 820 wird die
Längenrichtung der Kirche ausdrücklich bezeichnet »a6 Oriente in occi-
dentem «, al>er das Missverständliche dieses Ausdrucks fiült dadurch hin-
weg, dass der Hauptaltar wie gewöhnlich in Osten und die Thürme in
Westen angebracht sind. Vergl. unten Anmerkung I .
Auf Herstellung des Altarhauses musste man für den Zweck des
Gottesdienstes am ersten bedacht sein, das Entbehrlichere durfte hinaus-
geschoben, imd die kostspieligen Thürme brauchten erst zuletzt vollendet zu
werden. — Selbstverständlich ist der obige Satz 13. nur für ausgedehntere
Kirchenbauten von Erheblichkeit. Das sachkundige Auge erkennt z. B.
am Dome zu Magdeburg, dessen Osttheil im Jahre 1208 begonnen wurde,
an den Merkmalen des Baustyls mit Bestimmtheit, dass der Bau allmäh-
1) L. Lacher in seiner Unterweisung von 1516 {Reichensperger, Verm.
3chr, S. 139) sagt: »so du wildt ein Kkor an das Hochwerkh anleg wo er stehn »ol,
der abmerckung, der sonen auf gang , so nimb ein Khumbaat, setz den auf ein toinckel-
maasst vnd lass den magnad auf die mitdaglinie stehn fi u. s. w.
2} Keller (Bauriss des Kl. St. OaUen) drückt sich S. 15 des Textes missver-
stAndlich und S. 20 unrichtig hierüber aus, während der Bauriss selbst keinen Zweifel
aufkommen lässt.
Baulinie. j ]
lieh nach Westen hin weiter fort schritt, wo er mit dem Oberbau des
Westgiebels und der Thürme erst in den ersten Jahrzehnten des XVI.
Jahrhunderts seinen Abschluss fand. — Vom Dome zu Cöln wurde be-
kanntlich nur der östliche Theil ganz fertig. — Wo, wie z. B. am Mün-
ster zu Freiburg i. B., der östliche Theil entschieden jünger ist, als das
übrige Gebäude, gehört der erstere einem späteren Neubau an. Ebenso
ist auch die Westfront von St. Stephan zu Wien der Ueberrest eines
älteren Baues. — Am Dom zu Halberstadt baute man, wie übereinstim-
mend mit den geschichtlichen Nachrichten der Augenschein lehrt, von
Westen aus in östlicher Bichtung weiter, allein dies war ein Umbau,
welcher zum Theil die Stelle einör älteren Kirche einnehmen sollte , die
man, um den Gottesdienst fortsetzen zu können, während des Baues
conserviren musste. — Am Dom zu Cöln schritt man nach Vollendung
des Chores zunächst zum Baue des Langhauses und der Thürme , und
liess selbst die Fundamente der südlichen Kreuzvorlage , die erst bei der
neuesten Wiederaufnahme des Baues gelegt werden mussten , wenigstens
theilweise fehlen.
Anmerkung 1. Die west- östliche Baulinie stand zwar schon im
christlichen Alterthume fest'), doch wurde der Altar, statt wie später regel-
mässig in Osten, auch häufig am Westende der Kirchen angelegt, wie
mehrere alte Kirchen in Rom') noch heute beweisen. Der amtirende
Priester schaute auch in diesen Kirchen nach Osten , stand also nicht vor,
sondern hinter dem Altartische und brauchte sich deshalb bei der Salutation
des Volkes {Dominus vobucum) nicht umzudrehen. ') Auch ausserhalb Rom
gab es in altchristiicher Zeit Kirchen in umgekehrter Richtung *) und zwar.
1) Const. apostol. 2, 57 : 'O olxos tatoi — xnt avatoXag rirQafifAiy.og. — Vergl.
Sidon. Apoll, epist. 2, 10 mit den Anmerkungen von Sirmond (Zeitschr. für die
Gesch. des Oberrheins. VIII. 4, 424).
2) Es sind S. Peter im Vatican, S. Maria Maggiore, S. Jobann im Lateran, S.
Sebastian ausserhalb der Mauern , S. Crisogono , S. Balbina , S. Martino ai Monti,
S. S. Nereo ed Achilleo , S. Maria in Domnica , S. demente , S. Nicolo in carcere
und S. Maria in Trastevere. Auch S. Lorenzo ausserhalb der Mauern hatte ursprüng-
lich den Hochaltar am Westende, aber beim Bau des jetzigen Schiffes zu Anfang des
Xin. Jahrb. liess Papst Honorius IV. die alte Thflr an der Ostseite vermauern und
verlegte den Hochaltar dahin. Vergl. Alberdingk Thijm, Dietsche Warande
(Partie fran9aisej. 1857. p. 44.
3) Durandi Rationale 1. V. c. II. n. 57 (Lugd. 1551. Pol. 134 v.) : In ecclesiis
ostium ab occidente habentibus , missam celebrans , in salutatione ad populum se
vertit et deinde oraturus se ad orientem convertit. In ecclesiis vero ostia ab
Oriente habentibus, ut Romae, nuUa est in salutatione necessaria conversio : sacerdos
in ilUs celebrans, semper ad populum stat conversus. — Leo der Grosse (um 443]
nahm Anlass (Serm. 7 de nativ.) das Volk zu strafen, weil dieses, theils aus Un-
wissenheit, theils aus heidnischem Aberglauben, auf den Stufen am östlichen Haupt-
portale von S. Peter, vor dem Eintritt in die Kirche, sich nach Osten gegen die auf-
gehende Sonne umwandte um zu beten, drang indess damit nicht durch, da die
Gläubigen diese Sitte beibehielten , weshalb auf Veranlassung eines Cardinals im J.
1300 ein musivisches Bild Christi und der Apostel vor der KirchthUr errichtet wurde,
damit die sich nach Osten umwendenden Betenden dieses verehren soUten , imd der
Aberg^ube eines Sonnencultus vermieden würde. Vergl. Casalius, de Christ,
ritibus. Francof. et Hannov. 1681. p. 30.
4) Die Kirche zu Tyrus (Eusebius, bist. eccl. 10, 4 n. 16) lag mit ihrem Vor-
platze gegen die Strahlen der aufgehenden Sonne ausgelnreitet ; dasselbe war (de vita
1 2 GruncUteinlegung.
wenn einem Zeugnisse aus dem IX. Jahrb. zu trauen ist, weil man damals
auf die Orientirung der Kirchen kein besonderes Gewicht gelegt habe. ')
Sicher ist , dass man aus Zweckmässigkeits-Oründen von der typisch ge-
wordenen Orientirung abzuweichen keinen Anstand nahm : denn Paulinus
von Nola baute bei der älteren grösseren des h. Felix, welche richtig orien-
tirt war, eine kleinere Kirche mit dem Eingang auf der Ostseite, weil sie
nur als zu ersterer gehörig betrachtet werden sollte.^) Auch die kleine
Elrankenhauskirche auf dem Baurisse von St. Gallen, welche mit der ebenso
grossen richtig orientirten Novizenkirche in gleicher Axe liegt, hat, offenbar
nur der Symmetrie halber, die Altamische in Westen, und dieses Schwanken
zwischen beiden Weisen scheint noch bis ins XI. Jahrh. fortgedauert zu
haben: denn die zuerst im J. 983 erbaute (später erneuerte und neuerdings
abgetragene) Kirche des Klosters Fetershausen bei Constanz hatte den
Haupteingang Östlich und den Altar westlich, und wie im Dom zu Bamberg
(gegr. 1004)') scheint auch ursprünglich im Dome zu Augsburg, in St.
Emeram, im Obermünster und in St. Jakob zu Regensburg, sowie in St.
Michael zu Hildesheim der Hochaltar seilte Stelle im Westen gehabt zu
haben. Die Dome zu Mainz und Fulda dagegen, in denen der Hochaltar
jetzt zwar ebenfalls am Westende steht, aber ursprünglich östlich stand,
gehören aus diesem Grunde nicht hieher.
Anmerkung 2. Dem Kirchenbau musste die bischöfliche Erlaubniss,
die Aussetzung einer bestimmten Dotation und die Erwerbung eines geeig-
neten Bauplatzes vorangehen. Letzterer wurde durch die Errichtung eines
Kreuzes als nunmehriges Eigenthum der Kirche bezeichnet imd nach einem
alten Rechtsbrauche zuweilen mit Seidenfäden umspannt^), imi ihn von den
profanen Umgebungen abzusondern. Wenn die Fundatoren hochgestellte
Personen waren , so pflegte die Grundsteinlegung '^) im Beisein vieler
geistlicher und weltlicher Gäste unter grossen Feierlichkeiten zu geschehen.
Nach Besprengung der Baugrube mit Weihwasser legte der Bischof den
Grundstein [primarium hpidem), welcher mit einem Kreuze bezeichnet sein
musste. Doch war es im früheren Mittelalter anscheinend Sitte , nicht bloss
Constantini .3, 37) mit den Thüren der Kirche des Erlösers zu Jerusalem der Fall.
Sokrates (H. e. 5, 22) sagt von der grosaen Kirche zu Antiochia: ^H ixxiijaia
avrlatqoifov f^^i Ttjv &iaaiv ' ov yuQ TiQog avaroXäg t6 ^vainortfQtoy , aXXa nQog
dvCiv OQ^, Paulinus von Nola giebt (ep. 12 ad Severum) als die gebräuchlichere
Sitte an, dass der »proepectusti der Kirche nach Osten schaue.
1) Walafried Strabo (de exord. et incr. rer. eccl. c. 4) bemerkt: »JVbn
maanopere eurabant iUius temports jttsüf quam in partem orationis loca converterent.
Sei tarnen usw frequentior et rationivicinior habet in Orientem orantes converti^ et
pluralitatem maximatn ecclesiarum eo tenore constituüti
2) Paulini ep. 12 ad Severum.
3) Pertz, M. G. XVII, 635; vergl. Giesebrecht, Gesch. der deutschen
Kaiserzeit. 2. Aufl. 2, 61 u. 5S0.
4) Die Seidenf&den, welche in den Marienkirchen zu Laeken u. Lebbeke (bei
Dendermonde) in Belgien aufbewahrt werden, sollen einst zu obigem Zwecke benutzt
worden sein. — Wolf, Beitr. zur deutschen Mythologie. 1, 175.
6) Vergl. L e n o i r , Alb., Architecture monästique. Paris 1 852. 1 , 40 : »Premüre
pierrevf woselbst auch Abbild, von Grundsteinen aus dem XTV. Jahrb., mit einem
Kreuze und mit histor. Angaben über die Grundsteinleg^ung versehen. Aushöhlungen
haben diese Steine nicht.
Grundsteinlegung. J 3
einen, sondern, wahrscheinlich zur grösseren Verherrlichung der Feier,
mehrere Grundsteine (prtmos lapides) zu legen, und zwar an den sämmt-
lichen Ecken des Gebäudes. So brachte 983 bei Gründung der Kirche des
Klosters Petershausen Bischof Gebhard von Constanz vier Goldstücke dar,
welche unter die vier Eckmauem (vermuthlich in Aushöhlungen der Grund-
steine) gelegt wurden. *) — Bischof Thietmar von Merseburg legte 1015 zu
seiner neuen dortigen Kathedrale die vier ersten Steine nach der Figur [in
modum) des h. Kreuzes*) : also wohl an den vier Endpunkten des zu er-
richtenden Gebäudes. — Das Fundament zur Kirche des 1091 gestifteten
Klosters Pegau wurde an zwölf Ecken gelegt (demnach wahrscheinlich an
den acht Ecken und den vier einspringenden Winkeln des kreuzförmigen
Grundrisses) , und der Stifter , Graf Wieprecht von Groitzsch, trug dazu
ebenso viele Körbe mit Steinen auf seinen Achseln zur Baustelle.') — Ander-
wärts und später begnügte man sich wohl mit einem Grundsteine auf der
Stelle des künftigen Hochaltars der Kirche.
Bei einer im J. lS2d vorgenommenen Keparatur am Grundbau des
Spitals zum heil.. Geist in Nürnberg fand man den Grundstein auf: ein
Werkstück, 4 F. lang, 3 F. breit imd V/^ F. dick. Auf der oberen Fläche
des Steines war ein Kreuz mit verbreiterten Enden (Tatzenkreuz) eingegra-
ben, und zwischen dessen Armen der Titulus des Kreuzes Christi. Ueber
und unter dem Kreuze stand zweimal die Jahreszahl 1489 und in der Mitte
desselben befand sich eine runde, etwa 7 Zoll tiefe Oeffnimg von etwa
6 Zoll Durchmesser, welche mit einer Zinntafel verschlossen war, auf deren
unterer Seite die Namen der damaligen Oberst -Hauptleute von Nürnberg
und des Baumeisters standen. In der Höhlung lagen : ein hölzernes Büchs-
chen mit 9 kleinen nürnb. Silbermünzen, eine Glasüasche mit vertrocknetem
Inhalt, eine kleine gegossene Zinnplatte mit einem Christuskopfe, Sonne
und Mond, einer Taube imd den Buchstaben I. N. R. I. (ganz in der Weise
der bekannten russischen Heiligenbilder) und endlich der Zinnabguss einer
antiken Gemme ^) : beide letztere Gegenstände wahrscheinlich als Talismane.
Anmerkung 3. Obgleich die hohe Lage der meisten Kathedralen
und sonstigen Benedictiner-Kirchen allerdings an die urchristliche Vorliebe
erhabener Baustätten für die Gotteshäuser ^) erinnert, so würde man dennoch
irren, wenn man annehmen wollte, dieselbe ausschliesslich oder auch nur
1) Beilage zur Augsb. Postztg. 1S5T, No. 273, 8. 1021. — Auch zu BeUeville
in Beaujolais legte der Abt 1 1 6S ein schönes Goldstück in den Orundsteln , und bei
der Gründung von St. Denis stiegen nach dem Könige , welcher den ersten Stein
legte, die übrigen Gaste in die Baugrube und legten jeder ihren Stein, einige auch
Edelsteine (gemmas). Vergl. Lenoir, a. a. O. Es drängt sich übrigens doch wohl
die Vermuthung auf, dass diese Goldstücke und Edelsteine Opfergaben zuin Baufond
waren, also nicht mit vermauert, sondern für den Kirchenbau verwerthet wurden.
2) N. Mittheil, des thür.-sächs. Vereins. VI. 4, 72.
3] Monachi Pegay. de Tita et rebus gest. Comitis Viperti Groicens. ad a. 1091.
4) Der Sammler für Kunst u. Alterth. in Nürnb. 1824. I, 66.
5) So lag schon die Kirche zu Nikomedien unter Diocletian » in aÜo « (L a c t a n t.
de mortibus persec. c. 12) u. Tertullian (adv. Valentinianum c. .3) sagt: Nostrae
columbae domua simplex in editis semper et apertis et ad lucem. — Vergl«
Matth. 16, 18.
1 4 Lage der Kiichen.
vorzugsweise hierauf zurückfahren zu können. *) Die ersten Heidenbekehrer
in Deutschland hatten hauptsächlich Rücksicht zu nehmen auf die mög-
lichste Sicherheit ihrer Ansiedlungen gegen feindliche UeberfBllle, und dieses
praktische Moment traf oft auf das Glücklichste zusammen mit jener sinni-
gen Vorliebe des christlichen Alterthums und dem Vorbilde des im J. 529
gestifteten italienischen Mutterklosters Monte Casino. So wählte z. B.
Bonifacius 723 den steilen Basaltkegel an der Ohm (Amoeneburg) zu einer
Celle für Mönche , weil diese Lage gegen jeden Angriff Schutz versprach,
und ähnliche Fürsorge scheint bei Anlage von Bureburg (bei Fritzlar) 74t
entscheidend gewesen zu sein.^) Femer kommt in Betracht, dass viele
Kirchen und Klöster aus Burgen entstanden , deren ursprüngliche Besitzer
ihre Erbgüter zu diesem frommen Zwecke übereigneten: so z. B. im VIT.
Jahrb. Herzog Ethico die Höhenburg (Odilienberg) bei Strassburg, im
X. Jahrb. Otto der Grosse Merseburg, im XI. Jahrb. Heinrich II. Bamberg
und Konrad II. Limburg a. d. H., und fast unzählige andere im Laufe der
Zeiten. Endlich kommt noch hinzu , dass man in neubekehrten Ländern,
um auch hierdurch den Sieg des Christenthums anzudeuten , vielleicht aber
auch um die altgewohnte Anhänglichkeit der Neubekehrten an den Ort zu
benutzen, die christlichen Kirchen vorzugsweise gern an solchen Orten er-
baute, wo früher heidnische Sacra waren gefeiert worden'), was wiederum
häufig auf Bergen der Fall war und namentlich bei vielen dem Erzengel
Michael und dem Apostel Petrus gewidmeten Bergkirchen und Klöstern
zutrifft. *)
Während die Klöster der Benedictiner , in Abgeschiedenheit von der
Welt , aber mit freier Aussicht auf die Herrlichkeit derselben , auf einsamer
1 ) Nur ein Beispiel -wüssten wir anzuführen : Bischof Heribert von Eichstädt
(1021 -> 1042) Hess den dortigen Dom abtragen, weil er die Kirche »in editiori urbis
/oco« haben wollte. Perts, M. 6. Vn. p. 262.
2) Rettberg, Kirchengesch. Deutschlands. 1, 339 u. 597. — Die in der Nähe
der Kathedralen belegenen bischöflichen Palatien waren regelmässig befestigt. Der
(nicht auf einem Berge gelegene) Dom zu Mainz hatte noch im XII. Jahrh. »muni-
tionesti, (Cf. Urstisius, Chr., German. historicor. illustr. 1, 572 lin. 48), und das
Bedürfniss veranlasste in Steiermark und Siebenbürgen noch in späteren Jahrhun-
derten zu burgähnlichen Kirchenbauten. Vergl. Mittheil, der k. k. Central-Commission
etc. 1S56. ], 248 und 2, 211 if. — Auch die 1511 erbaute Kirche zu Magstatt in
Schwaben hat einen befestigten Kirchhof.
3) Dies wird häufig durch Ausgrabungen bestätigt. So fand man in den Funda-
menten der Kirche des alten Benedictinerklosters St. Martin bei Trier im J. 1802
einen heidnisch-römischen Opferaltar , beim Abtragen der Kirche zu Gersthofen in
der Diöces Augsburg im J. 1854 Reste von zwei Merkurstatuen, bei Abtragung des
Domberges zu Bamberg im J. 177J metallene Opferinstrumente, sowie bei der letzten
Restauration des Domes selbst in der Krypta des Georgschores Fragmente von
Urnen, Kohlen und Eberz&hne u. s. w. — In der Vita Mathildis reginac (bei Leib-
nitz, 1, 194) wird von dem Sachsen Widekind erzählt, derselbe habe nach seiner
Taufe an solchen Orten, wo er früher Götzenbilder aufgestellt hatte, Bethäuser der
Heiligen errichtet. Veigl. Landau, die Territorien. S. 373 f.
4) Vergl. das Verzeichniss alter Michaelskirchen in Wolfs Beitr. zur deutschen
Mythol. S. 33 und alter Petrikirchen ebd. S. Sl ff. Peters berge kommen vorbei
Mainz, Saalfeld, Hersfeld, Flintsbach und Dachau in Oberbayem , Friesach in Kärn-
ten, Halle, Erfurt, Eisenach, Fulda, Roremund; Michels berge bei Fulda, Mainz,
Münstereifel , Strombeig , Bamberg , Wimpfen und bei dem Dorfe Michelsberg im
Sachsenlande von Siebenbürgen.
Grundform der Kirchen. 1 5
Höhe, wie ein Licht auf dem Leuchter standen, so verbargen die Cister-
zienser^), nach dem Muster ihrer gemeinsamen Mutter Citeaux (gegr.
1098) ihre Niederlassungen, dem Verkehre der Menschen entrückt, in
versteckt gelegene, oft sumpfige Waldthaler') , die sie durch ihren Fleiss
bald in fruchtbare Gefilde verwandelten, so dass diese Klöster häufig in
Mitten der Sand wüste einer lieblichen Oase gleichen. ') Eine Ausnahme
macht das Kloster Hohenfurth (in der südlichsten Spitze von Böhmen),
welches auf einem Hügel an der Moldau liegt.
Im Qegensatze gegen die Feldklöster der beiden genannten Hauptorden
suchten die Bettelmönche ausschliesslich die Städte auf und waren hier
mit einer abgelegenen BausteUe in der Nähe der Stadtmauer um so mehr
zufrieden, als sie daselbst von dem lärmenden Treiben des städtischen Ver-
kehrs nicht gestört wurden.
Die Pfarrkirchen der Städte liegen gewöhnlich in der Nähe des
Marktplatzes, als dem ältesten Kerne des ihnen untergebenen Sprengeis.
Die Landkirchen stehen seltener frei in der Mitte des Dorfes, sondern öfter
innerhalb einer Häuserreihe der Dorfstrasse.
14. Die überwiegende Mehrzahl aller mittelalterlichen Kirchen
hat die Grundform des länglichen Vierecks mit oder ohne Kreuzvor-
lagen, im Osten durch einen Kreis- oder Polygonabschnitt ^ auch
rechtwinkelig geschlossen.
Die längliche, an einer schmalen Seite abgerundete, dem Schiffe
ähnliche Grundform der Kirche galt schon in den ersten Jahrhunderten
für gesetzlich [Canst. apostoi. 2, 57 : 'O oixog earm intfAiixTjg — ö^ig
60ixt ¥111) , als Symbol der rettenden Arche Noahs und des Schiffleins
Petri. — Die ältesten Kirchen des Abendlandes, bis etwa um das J.
1230, sind in Osten rund geschlossen; vieleckig geschlossene Kirchen
gehören späteren Jahrhunderten an: ein Schwanken zwischen beiden
Weisen (innerlich rund, äusserlich polygonisch) bildet den U ebergang
(Klosterkirche zu Zinna , Kirche zu Ramersdorf bei Bonn , Kapellenkranz
des Doms von Magdeburg) . Am Strassburger Münster und am Dom zu
Wonns , welche rechtwinkelig schliessen , ist die halbrunde Altamische
innerlich in der geraden Schlusswand eingetieft. Auch der Dom zu
Bremen schliesst rechteckig, zeigt aber im Innern an der Ostwand
drei kleine Rundnischen neben einander. Dieser rechteckige östliche
Schluss (der sich allerdings schon am ursprünglichen Altarhause des
karolingischen Münsters in Aachen vorfand) kommt besonders in West-
1) Vergl. Feil, Jos., in den Mittelalterl. Kunstdenkm. von Hei der und v.
Eitelberger. ], t ff.
2) Nach der finsteren Askese des Ordens sollen die Mönche , in der ungesunden
Luft öftCT erkrankend, stets den Tod vor Augen haben, um nie sorgenlos zu leben.
Vergl. a. a. O. 8. 6.
3} Brusselii tract. de monast. Germ. (A u g u s 1 1 , Denkwürdigkeiten 1 1 , 382) :
Vallis sylvestribus undique cinctas
Arboribus divus Bernhardus amoenaque prata ;
Colles et montes Benedictus amavit et arces
Coelo surgentes, ex quarum vertice late
Prospectus petitur, secessum plebis uterque.
1 6 Kreuzform. — Kapellen.
falen (Dom zu Paderborn etc.) , auch am Oberrhein (Klosterkirche zu
Limburg a. d. H., Dom zu Constanz, Mittel- imd Oberzeil auf d^r Insel
Reichenau , Petri - Paulikirche zu Hirschau , Pfarrkirche zu Perschen in
der Oberpfelz) und bei den Cisterziensem (zu Loceum, Riddagshausen,
Campen ; Maulbronn, Bebenhausen, Kappel in der Schweiz etc.) etwa
bis zur Mitte des XIII. Jahrh. vor, später besonders im Norden und
vorzugsweise in Preussen.
Eärchen in der Grundform des gleicharmigen, s. g. griechischen
Kreuzes (-|-) finden sich im Abendlande nur bei unbedeutenden Gebäuden
und sehr vereinzelt vor (Dorfkirchen zu Wlnoves imd Bochnitz in Böhmen,
Schlosskirche zu Querfurt , Nicolaikirche zu Pasewalk) ; dagegen haben
alle grösseren Kirchen in Deutschland bis etwa nach der Mitte des XIII.
Jahrhunderts, zimial Stifts- und Klosterkirchen, die Grundform des s. g.
lateinischen Kreuzes (f), die älteren halbrund, jüngere aus dem Vieleck
geschlossen. In späterer Zeit kommt die Kreuzform ungleich seltener
vor, vorzugsweise selten bei Pfarrkirchen , welche namentlich in der be-
züglichen Zeit neugebaut wurden (Dom zu Stendal, Marienkirchen zu
Rostock und Stralsund aus dem XV. Jahrb.), und wie es scheint, haupt-
sächlich nur da, wo auf der Stelle des Neubaues früher schon eine Kreuz-
kirche gestanden hatte.
Anmerkung. Dass die Kreuzform des Kirchengrundrisses bereits
ursprünglich symbolisch gemeint gewesen sei, lässt sich allein aus der früh-
zeitigen sinnbildlichen Auffassung^ ) derselben zw^ar allerdings nicht beweisen,
ist jedoch wahrscheinlich : nicht bloss wegen der altchristlichen Vorliebe
gerade für dieses Symbol, sondern auch wegen der anscheinend keineswegs
im strengen Bedürfiiisse begründeten Anordnung des Querschiffes') und
wegen der ursprünglich eigentlich doch nur im Gnmdrisse oder in der Vo-
gelperspective wahrnehmbaren Kreuzgestalt der Kirchen ohne eigentliche.
Kreuz vorlagen.
15. Gottesdienstliche Gebäude^ welche bloss zum Gebete oder
Privatgebrauche bestimmt sind^ heissen Kapellen oder Oratorien.
Sie sind gewöhnlich nur klein, haben verschiedene Grundformen und
kommen häufig als An- oder Einbauten der Kirchen vor.
Unter den kirchlichen Nebengebäuden war in altchristlicher Zeit
das hauptsächlichste die Taufka pelle [haptiaterium] , welche aus einem
Vorgemache und dem Hauptraume mit dem Wasserbecken (piscina) be-
stand und in der Nähe der Hauptkirchen errichtet war. Gewöhnlich war
1) Schon Gregor von Nazianz im IV. Jahrh. (Somniuu Anastasiae, Carmen IX,
t. n. p. 79} u. Procop im VI. Jahrh. (de aedificÜB Justiniani p. 13) sehen in der
von Constantin dem Grossen zu Constantinopel erbauten Apostelkirche die Gestalt
des Kreuzes. Vergl. Lenoir, Architecture monastique 1, 253.
2) Kinkel (Gesch. der bild. Künste 1, 66) erklärt es zwar für anscheinend
sicher, dass man den Kirchen aus symbolischen Grtlnden das Querschiff hinzugefügt
hahe, meint jedoch, dass auch architektonische Gründe mitgewirkt haben möchten,
worüber er Vermuthungen ausspricht; Schnaase (Gesch. der bild. Künste IV.
\f 291} dagegen halt die symbolische Beziehung sehr für Nebensache.
Taufkapellen.
17
der Hauptraum von runder oder achteckiger Grundform'), und die innere
Einrichtung des regelmässig dem Täufer Johannes gewidmeten Gebäudes
erinnerte eben so an die gleichnamigen Schwimmteiche in den antiken
Bädern, wie die Grundform an die antiken Grabmäler. Dergleichen
Tauf häuser befanden sich auch in Deutschland bei den noch zu römischer
Zeit und auf dem Boden des ehemaligen römischen Reiches entstandenen
bischöflichen Kathedralen, da das Taufrecht damals allein den Bischöfen
zustand, wurden aber später auch sniweilen bei anderen Kirchen errichtet,
welche die Berechtigung zur Ertheilung der Taufe empfangen hatten.
Obgleich von jenen alten bischöflichen Tauf häusem, die mit den Kirchen
gewöhnlich durch einen Säulengang verbunden waren , keines auf unsere
Tage gekommen ist, so ist wenigstens deren ehemaliges Vorhandensein,
obschon in späterer Umgestaltung, doch durch den Titel Johannes Baptlsta
sicher erkennbar nachgewiesen neben den Domen von Mainz (die jetzige
evangelische , frühere Stiftskirche St. Johannes) , Worms (noch in alter
polygonischer Form aus dem XIII. Jahrb., im J. 1807 oder 1808 als
überflüssig abgetragen) , Spei er (die Johan-
neskapelle neben dem südlichen Kreuzarme
des Domes) , Strassburg (die Johanneska-
pelle neben der Nordseite des Chores), Augs-
burg (auf der Südseite des Domes die 1808
abgerissene Johanneskirche) , Regensburg
(die schon im XIV. Jahrh. bei der westlichen
Erweiterung des Domes zu Grunde gegangene
Stiftskirche St. Johannis , jetzt in moderner
Erneuerung nördlich von der Kathedrale),
T r i e n t (im Unterbau der Beneficiaten-Sacristei
noch in Spuren kenntlich), Maestricht (die
Johanneskirche neben der ehemaligen Kathe-
drale St. Servatii) und wahrscheinlich neben
den Domen zu Trier und Co In. Als ein
möglicherweise stiftungsmässig bis in die rö-
mische Zeit hinaufreichendes ursprüngliches
Baptisterium charakterisirt sich auch durch das
über dem Eingange befindliche, die Taufe
Christi darstellende Relief die Rundkapelle in dem Marktflecken FetroneU
(östlich von Wien, a. d. Donau) auf dem Boden der ehemaligen bedeu-
Fig. 1^ Taufkapelle zu Brixeh
(nach den Mittheil, der k. k.
Central-Commission) .
I ) Die achteckige Grundform wird in folgenden Distichen des h. Ambrosius
hervorgehoben :
Octochorum sanctos templum surrexit in usus, ^
Octogonus fons est munere dignus eo.
Hoc numero decuit sacri baptismatis aulam
Surgere, quo populis vera salus rediit
Luce resurgentis Christi, qui claustra resolvit
Mortis et e tumulis susdtat exanimes.
Cf. Theeaur. inscript. ap. Gruterum p. 1166 n. S; vergl. Jakob, die Kunst im
Dienste- der Kirche S. 17. — Diese Verse erinnern an Rom. 6, 3. 4.
Ott«, Kuust-Arrhaologie. 2
18 Orabkapellen.
tenden ROmerstadt Camuntum') : ein Bauwerk aus dem XIII. Jahrhun-
dert. — Ausserdem sind Baptisterien als besondere Bauwerke nachge-
wiesen bei der Abteikirche zu Fulda*) und in späten Umbauten noch
vorhanden bei den Munstern zu Aachen und Essen, an ersterem Orte
Ostlich , an beiden letzteren Orten westlich von der Kirche belegen und
durch einen Säulenvorhof (Paradies genannt; s. unten §. 23) mit der-
selben verbunden. — Als ebenfalls noch erhalten sind anzufahren das
Baptisterium in Brixen (südlich am Kreuzgange des Domes , zwar von
rechteckiger Grundform, aber mit einer achteckigen Kuppel über dem
Presbyterium , vielleicht noch aus dem X. Jahrh.)'), die Tauf kapeile
bei St. Gereon in Cöln (südlich von dem polygonischen Schi£fe der Kirche
und wesentlich von achteckiger Grundform , aus dem Anfange des XIII.
Jahrh.) ^) und die Reste eines achteckigen Baptisteriums von 1290, Ostlich
von der ehemaligen Stifts-, jetzigen Pfarrkirche St. Georg in Augsburg.^)
Dem Typus der Baptisterien verwandt erscheinen die häufig dem
Erzengel Michael gewidmeten runden oder vieleckigen Grabkapellen
auf Kirchhöfen, als Nachbildungen der Rotunde über dem heiligen Grabe
zu Jerusalem.*) Das älteste, unter den An- und Umbauten des XI.
Jahrh. noch erhaltene Beispiel ist die Michaeliskirche in Fulda: ein run-
der Central bau, der im J. 820 nach dem Plane des in Jerusalem gewese-
nen Rhabanus Maurus zum Schutze des Begräbnissplatzes der MOnche^)
errichtet wurde, und in dessen Mitte eine zu Anfang des vorigen Jahrh.
zerstörte Nachbildung des heil. Grabes stand. — Die von dem heil.
Konrad (935 — 971) zur Erinnerung an seine Pilgerreise nach Jerusalem
am Dom zu Constanz errichtete, dem heil. Moritz gewidmete heil. Grab-
kapelle existirt zwar noch, aber nur in einem frühgothischen Neubau als
Rotunde, mit dem vieleckigen heil. Grabe in deren Mitte. ^) — Die durch
Bischof Mein werk von Paderborn daselbst 1033 gegründete heil. Grab-
kirche ist als solche nicht mehr nachweisbar ; eben so wenig auch die von
Herzog Leopold dem Glorwürdigen (f 1230) nach seiner Rückkehr aus
t) Quast, Ferd. v., Baptisterien in Deutschland , in der Zeitschr. far christl.
Archflol. u. Kunst 1, 31 u. 18]. — In ihrer gegenwartigen Einrichtung mit einem
unteren Räume »<id ossa reponendau gehört diese Kapelle su der Klasse der Car-
narien ; s. weiter unten.
2j Das dem Täufer Johannes gewidmete, um 970 erbaute »Sacellum regale«.
Vergl. Der Dom zu Fulda. 2. Aufl. Fulda 1855. S. 1 1.
3) Mittheil. der k. k. Central-Commission. 1861. 6, 130. Vergl. den vorstehen-
den Holzschnitt.
4} Organ für christl. Kunst. IS60, No. 1$. 19.
5) Beilage sur Augsb. Postzeitung. 1856, Xo. 276 u. 2S3.
6) Nach der Beschreibung des Eusebius (de vita Constantini 3, 30 — 39) liess
ConstantinuB über der Grabhöhle Christi einen von zwölf Säulen getragenen Kuppel-
bau [riuiatf'ttiQiov] errichten als Haupt einer mit demselben verbundenen Basilika.
Eine angeblich aus dem YII. Jahrh. stammende Grundrisszeichnung [bei L e n o i r ,
Architecture monastique 1, 253) zeigt einen runden, dreifach concentrischen Central-
bau , und die zahlreichen späteren Abbildungen aus der Zeit vor dem Brande der
heil. Grabkirche im J. 1807 lassen eine Umwandlung in den Formen älterer französi-
scher Gothik erkennen.
7] »Ctiftia (sc. Bomini] hic aepulckrum noatra sepulchrajuvat« heisst es in der
Dedicationsinschrift. Vergl. Lange, die St. Michaeliskirche in Fulda. 1S55. S. 4.
8) Vergl. V. Hefner-Alteneck, Trachten des christl. M. A. I. S. G.
Kamer. i 9
dem heiligen Lande zu Klostemeuburg nach dem Muster des heil. Grabes
errichtete ncapella sp'ectosa«. Den centralen Typns der Orabkirchen
zeigen die zwOlfeckige Kapelle zu Drüggelte bei Soest aus dem XII.
Jahrb., die etwa gleichzeitige Kapelle St. Martin zu Bonn (1812 abge-
tragen), und die (anscheinend erst dem XVI. Jahrb. angehörende) heil.
Grabkapelle zu Weilburg a. d. Lahn. — Die unzweifelhaft mit dem heil.
Grabe in Jerusalem zusammenhängende Vorliebe der Tempelherren für
Rundbauten, die sich in Frankreich und England kund giebt, lässt sich,
die achte kige Templerkirche in Metz etwa ausgenommen , auf deutschem
Boden nicht nachweisen. ^) Es darf aber als erwiesen gelten, dass über-
haupt alle mit dem Grab- und Reliquiencidtus zusammenhängende Ka-
pellen das ganze Mittelalter hindurch typisch die thurmartige Rund- oder
Polygonform befolgen. Dahin gehört die in den österreichischen Kron-
ländem zahlreich vertretene Klasse kleiner Rundkapellen ^) auf den
Kirchhöfen, in geringer Entfernung, meist südlich neben den Kirchen.
Diese Karner (camarta) bestehen aus einer 18 — 30 F. im Durchmesser
haltenden Rotunde mit dem Ausbau einer halbrunden Altarnische auf der
Ostseite , haben einen kellerartigen , gewölbten , gewöhnlich von einer
Mittelsäule gestützten Unterraum zur Aufsammlung der Todtengebeine,
sind kuppelartig überwölbt und kegelförmig abgedeckt. Zuweilen, wie zu
St. Veit, Marein, Pols in Steiermark und Lorch in Oberösterreich , liegt
der untere Raum (vielleicht aus Rücksicht auf den Baugrund) völlig über
der Erde , und die obere Kapelle ist durch eine äusserlich angebrachte
Treppe zugänglich , so dass die Erscheinung dieser kleinen Bauwerke an
den Typus des Grabmals erinnert, welches sich der Ostgothen- König
Theodorich, in offenbarer Nachahmung der heidnisch-römischen Mauso-
leen, unweit Ravenna errichten liess.') In Böhmen*), wo diese Rund-
bauten sehr häufig sind (in Prag allein sind drei nachgewiesen) , befinden
sich dieselben indessen nicht immer neben grösseren Kirchen , sondern
stellen für sich allein und haben auch keinen Todtenkeller, gehören daher
nicht zu den Kamem und scheinen besonders auf dem Lande vielmehr
als interimistisch errichtete Pfarrkirchen angesehen werden zu müssen. ^)
Von dem 1160 gegründeten ansehnlichen Rundbau zu Scheiblingkirchen
1 ) Der templerische Ursprung der polygonen Kapellen auf der Oberen Burg zu
Kobem a. d. Mosel und zu Vianden im Luxemburgischen ist nicht sicher. Vergl.
Ledebur, Leop. v., Allgem. Archiv. 16, 107 u. 108.
2) Vergl. Heider, Gust., über die Bestimmung der roman. Rundbauten, in
den Mittheil, der k. k. Central- Commission. 1856. 1, 53. — Sacken, Ed. v., die
Rundkapelle zu Mödling, ebd. 1S5S. 3, 263. — Derselbe, Rundkapellen in Steier-
mark, ebd. 1S59. 4, 47; vergl. IS60. 5, 337.
3) Dieses Mausoleum Jetzt S. Maria Rotonda genannt) ist ein zweigeschossiger
Kuppelbau von zehneckiger Grundform : der untere, innerlich als gleichschenkeliges
Kreuz gestaltete Raum war ohne Zweifel zur Aufnahme des Sarkophags bestimmt ;
zu dem oberen Stockwerke führen zwei gebrochene Freitreppen. Vergl. Quast,
Ferd. v., die altchristl. Bauwerke von Ravenna, S. 24.
4) Vergi: Springer, A. H., Baukunst des M. A. S. 96. — Mittheil, der k. k.
Central-Commission. 1856. 1, 197.
5] Man w^ird dabei an die bei Ennodius (^-516) carm. 2, 20 vorkommenden
•ht^tUleria ageUatt erinnert: Dorfkirchen, die der Grundherr erbaut hatte. Vergl.
Mone, in der Zeitschr. fUr die Gesch. des Oberrheins. VIII. 4, 425.
2*
20
Boppelkapellen.
I-ig. 2. Bandkapellr
zu Groituch
(nach Puttrioh).
bei Wiener-Neustadt ist die ursprOngliche Bestimmung als Pfarrkirche
urkundlich erwiesen. — Den böhmischen, ganz einfach und schmucklos
ausgeführten Rundkapellen wird zwar gern ein sehr
,^^i^^ hohes Alter zugeschrieben, doch ohne eigentlichen
mT ^^k Beweis *) ; die stylisirten und zum Theil schmuck-
lj[ ^^0 vollen Rundbauten in den übrigen Osterreichischen
^^1^0^ Ländern reichen indess nicht über die Mitte des XII.
Jahrh. hinauf und die dem XIII — XV. Jahrh. ange-
hörigen haben die Polygonform.
Eine besondere Gattung der Oratorien bilden die
Burgkapellen ^), insofern dieselben, der seit dem
XII. Jahrh. ausgebildeten Bauart der Burgen gemäss , mit den stets im
zweiten Stocke belegenen herrschaftlichen Wohnräumen in Verbindung
stehend, gewöhnlich nicht zu ebener Erde, sondern ebenfalls im Oberge-
schoss angelegt wurden. In den zur Hohenstauffischen Zeit erbauten
Burgen zu Gelnhausen, Münzenberg (in der Wetterau) und auf dem
Trifels (in der Rheinpfalz) liegen die Kapellen in einem Thurme unmittel-
bar über der Thorhalle. Anderweitig scheint dann die Absicht der Stifter,
die Burgkapellen zugleich als ihre Grabstätte benutzen zu können, zur
Anlage von Doppelkapellen ^) geführt zu haben, die aus zwei über-
wölbten Stockwerken bestehen. Das Obergeschoss ist stets
der höhere und reicher verzierte , oft mit Säulen aus edlem
Gestein ausgestattete Hauptraum , während das zur Grab-
stätte und zum Todtendienste bestimmte Erdgeschoss niedri-
ger und einfacher gehalten ist; eine vergitterte oder mit
einer Brüstungsmauer versehene , im Fussboden der Ober-
kapelle befindliche Oeffnung gestattet den Einblick auf die
Gruft (vergl. unten J§. 19 Anmerk. 2). Das älteste Beispiel
dieser nur in Deutschland vorkommenden Gattung scheint
das dem heil. Gothard gewidmete Oratorium zu sein, wel-
ches Erzbischof Adalbert I. 1135 neben dem Dome zu
Mainz in Verbindung mit dem erzbischöfiichen Palaste als
seine Hofkapelle [capella curtts) errichtete , die im Erdge-
schosse das Grab des Stifters enthält. Das ehemalige Vor-
handensein einer Oeffnung im Fussboden der Oberkapelle
wird einerseits versichert, andrerseits bestritten.^) Auch
von der zweistöckigen Kapelle auf der Burg zu Nürnberg
wird die Oeffnung nur vermuthet. Auf der Grünburg in Kärnthen waren
1} Die völlig den einfachen böhmischen Typus zeigenden Kundkapellcn zu
Groitzsch bei Pegau und auf dem Petersberge bei Halle , die einzigen dieser Bauten
in Sachsen und weiter westlich, gehören ins XI. Jahrh. und sind wahrscheinlich auf
Verbindungen mit Böhmen zurückzuführen. Vergl. Otte, Gesch. der deutschen
Baukunst. S. IS9. — Auch die Ivapellen zu Altenfurt bei Nürnberg und zu Vils-
hofen in Unterbayem a. d. Donau haben gleichen Typus.
2) Quast, Fcrd. v., über Schlosskapellen als Ausdruck des Einflusses der
weltl. Macht auf die geistliche. 1S52.
.*i) Ueber Doppelkapellen: Stieglitz, C. L., Beiträge zur Gesch. der Ausbild,
der Baukunst. 2» 77 ff.
4) Versichert von v. Quast (über Schlosskapellen S. 17 ; die roman. Dome des
Mittelrheins S. 16), bestritten von Reiche nsperger, Venu. Sehr. S. lOJ.
Fig. 3. Doppel -
Kapelle zu
Frei bürg a. d. U.
(nach Puttrifh).
Doppelkapellen. 2 1
beide Stockwerke der Kapelle durch eine Balkendecke getrennt , die nicht
mehr vorhanden ist; ebenso verhält es sich zu Reichenberg bei St. Goars-
hausen am Rhein , wo sogar drei Kapellen über einander liegen ; die
untere im zweiten Qeschoss des Gebäudes befindliche ist überwölbt, ohne
Oefihung in der Decke, und zwischen den beiden oberen fehlt die ehe-
malige Balkendecke. Von der Doppelkapelle in Wiener - Neustadt sind
nur noch Reste übrig und in der zu Warburg in Westfalen , deren Ober-
stock durch eine doppelte Freitreppe zugänglich ist, soll eine Oeffnung
niemals vorhanden gewesen sein. Dagegen ist letztere nachgewiesen in
den Doppelkapellen zu Eger, Freiburg a. d. Unstrut, Landsberg bei
Halle a. d. S,, Lohra bei Nordhausen und Steinfurt im Münsterlande.
Die KapeUe im Saalhofe zu Frankfurt a. M. zeigt sogar zwei Oeffnungen,
eine grössere und eine kleinere. Während die genannten Doppelkapellen
rechteckige Grundform haben, zeigt die Kirche zu Schwarz - Rheindorf
(Bonn gegenüber) in ihrem ursprünglichen , 1 1 5 1 als Grabkapelle ihres
Stifters von Erzbischof Arnold von Cöln erbauten, ein gleichschenkeliges
Kreuz bildenden, mit einer Kuppel gedeckten Kerne und die Schloss-
kapelle zu Vianden in ihrem polygonischen Grundrisse die sonst für
Grab- imd Reliquienkapellen typische Form , mit der Fussbodenöffnung
im Centrum ; ebenso die Ulrichskapelle der Kaiserpfalz in Goslar , deren
Unterraum innerlich ein gleichschenkeliges Kreuz bildet, der Oberraum
ein Achteck. In der rechteckigen Schlosskapelle auf der Trausnitz bei
Landshut besteht das Oberstockwerk nur aus einer sich an drei Seiten
herumziehenden, die vierte Seite freilassenden Empore, welche letztere
offenbar für die Herrschaft bestimmt war , während der untere Raum der
übrigen Burggemeinde diente. ^) Gleiche Bestimmung hatten die in öster-
reichischen Burgkapellen häufig vorkommenden Emporen , die zu dem-
selben Zwecke auch durch ein in die anliegenden Gemächer des oberen
Stockwerkes führendes Fenster mit einem offenen Erker ersetzt werden.
— Ausser den vorstehend genannten werden die Kapellen zu Abbach in
Bayern, Rineck in Unterfranken, Homburg bei Gössenheim a. d.Werra*),
zu Greifenstein bei Weilburg, zu Larochette im Luxemburgischen') und
im erzbischöfl. Palaste zu Rheims*) ohne nähere Beschreibung als Dop-
pelkapellen angeführt ; auch im CoUegium Josephinum zu Hildesheim soll
sich eine Doppelkapelle befinden. — Die aus dem XV. Jahrh. datirende
1 ) Biese Bestimmung beider Räume, des oberen für die Herrschaft, des unteren
für das Gesinde, nahm man nach der von Stieglitz zuerst ausgesprochenen An-
sicht bisher zwar bei sftmmtlichen DoppelkapeUen an, ohne jedoch den Beweis
geführt zu haben, worauf W. Weingärtner (System des christl. Thurmbaues,
S. 1—24) nachdrücklich hingewiesen und seiner Seits den Unterraum als Gruft-
kapelle erklärt hat, was auch in den meisten Fällen richtig sein wird, üebrigens ist
diese Ansicht nicht neu, indem schon J. Seh ei g er (über Burgen u. Schlösser im
Lande Gestenreich u. d. £. Wien 1^37. S. -14) ausgesprochen hat » dass die untere
Kapelle zum Todtenkirchendienst gehörte. Eine hierauf bezügliche Notiz aus einem
altfranzös. Dichter 'Lancelvet ed. Jonkbloet. Haag 1846. II. p. XCVI.) hat Alw,
Schultz in den Mittheil, der k. k. Central-Commission. JSOO. 5, 331 gegeben.
2] Correspondenzbl. des Gesammtvereines etc. VIII. (IS6(J.) S. 133.
3) Neyen, A., Histoire de la ville de Vianden. Luxemb. 1851. p. 40.
4j Schultz, Alw., a. a. O.
22 Rundbauten.
Kapelle zu Donnersmark in der Zips (Ungarn) hat zwei Stockwerke und
ausserdem noch eine unterirdische , nur von oben beleuchtete Gruft. *)
— Die Kirche zu Konradsburg bei Ermsleben im Harz scheint nicht
^n die Klasse der Doppelkapellen zu gehören; vergl. Kugler^ Kl.
Schriften 1, 619.
Anmerkung. Uebersicht der kirchlichen Rund- und Polygonbauten
des M. A. in Deutschland. — I. Im Rheinlande: Aachen, das Mün-
ster, I6eckiger Centralbau 796 — 804, und die aus dem XL und XII.
Jahrh. stammenden Nachbildungen desselben zu Ottmarsheim im Elsass
und auf dem Valkhofe zu Nymwegen. Früher sollen sich dergleichen
auch zu Diedenhofen (schon im X. Jahrh. zerstört), Groningen (St.
Walburg, abgetragen 1627) und zu Lüttich (St. Joh. Ev., im vorigen
Jahrh. dvurch einen ähnlichen Bau ersetzt) befunden haben. Auch der
nThurmv. zu Mettlacha. d. Saar scheint ursprünglich nach dem Cen-
traltypus erbaut gewesen zu sein. — Avioth im westl. Lothringen, 6eckige
gothische Kirchhofskapelle. — Bonn, St. Martin, runder Centralbau aus
dem XII. Jahrh., abgetragen 1812. — Cöln, das
lOeckige Schiff von St. Gereon aus dem XIII. Jahrh.,
aber auf uralter Grundlage, mit der daneben belegenen
Seckig. Taufkapelle. — Kobern a. d. Mosel, die
Matthiaskapelle auf der Oberen Burg , 6eckiger Cen-
tralbau aus dem XIII. Jahrh. — Lonnig, 3 St.
Fiy. 4. Rundkapeiic von Cohlenz , Restc eines runden Centralbaues. —
^*nwh'Boie«fr^e)!" Metz, Kapelle in der Citadelle, Seckig, XIII. Jahrh.
— Neuweiler im Elsass, kleine pyramidale Kapelle
mit 4 Kreuznischen. — Trier, die Liebfrauenkirche, complicirter vieleckiger
Centralbau aus dem XIII. Jahrh. — Yianden im Luxemburg., Schloss-
kapelle, lOeckig, XIII. Jahrh. — Weilburg a. d. Lahn, heil. Grab-
kapelle, Seckiger Centralbau, XVI. Jahrh. — Worms, Baptisterium,
Seckig, abgetragen 1812.
II. In Westfalen: Drüggelte bei Soest, 12eckig. Centralbau aus
dem XII. Jahrh. — Hardehausenbei Paderborn, .zweistöckige Seckige
Todtenkapelle aus dem XIIL Jahrh. — Krukenburg bei Karlshafen a.
d. Weser, Reste einer Burgkapelle von der Grundform einer Rotunde, an
die sich kreuzartig vier kurze Schenkel legen, XIII. Jahrhundert.
III. In Sachsen, Thüringen und Hessen: Fulda, Michaelis-
kirche, runder Centralbau um 820, im XI. Jahrh. verändert. — Goslar,
die UlrichskapeUe auf der Pfalz , zweistöckig ; unten ein gleichschenkeliges
Kreuz, oben ein Achteck bildend, XIII. Jahrh. — Groitzsch bei Pegau,
Schlosskapelle, Rundbau nach böhm. Typus, XI. Jahrh. — Heiligen-
stadt, Annakapelle, Seckig, gothisch . — Magdeburg hatte eine vecclesta
roitmdad, welche zu Anfang des XI. Jahrh. abbrannte, damals wieder ge-
baut und 1307 abgebrochen wurde. — Marburg, Schlosskapelle, compli-
cirt polygonisch, XIII. Jahrh. — Meissen, Johanneskapelle am Dom
1290, ein zweistöckiges Achteck. — Mühlhausen, polygonische Kapelle
neben der Geörgenkirche , gothisch. — Petersberg bei Halle a. d. S.,
1) Mitthcil. der k. k. Central-Commission. 1857. 2, 246.
Rundbauten. 23
Reste der alten, im XIII. Jahrb. ver&nderten Kapelle, nach böhm. Typus.
— Pforta, Abtskapelle, Seckig, XIII. Jahrhundert.
IV. In Franken: Alten fürt bei Nürnberg, Rundkapelle nach
böhm. Typus, XII. Jahrh. — Grüns feldhausen bei Grünsfeld, 2 durch
einen dazwischen liegenden Thiirmbau verbundene Seckige roman. Kapellen.
— Nürnberg, Hohschuherische Begräbnisskapelle auf dem Johannes-
kirchhofe, Rundbau, XIV. Jahrh. — Ober- Wittig hausen, Seckiger
Centralbau, XIII. Jahrh. — Standorf bei Kreglingen, Seckige KapeUe mit
Chor und Apsis und Thurm neben dem Chor, XIII. Jahrh. — Würzburg,
Kapelle auf dem Marienberge, Rundbau, zweistöckig abgesetzt ; der untere,
10 F. dicke Theil der Umfangsmauer möglicherweise aus dem VIII. Jahrh.,
der obere nur 2 F. dicke Theil aus dem XII. Jahrhundert.
V. In Bayern und Schwaben: Constanz, Moritzkapelle beim
Dom, Rundbau, XIII. Jahrh. — Komburg, 6eckige Kapelle auf der
Nordseite der Stiftskirche. — Moosburg, Michelskirche, XIII. Jahrh. —
Mühldorf, am linken Ufer des Inn, Todtenkapelle , Seckig, XII. Jahrh.
— Obertaufkirchen in Oberbayem, roman. Rundbau als Chor der
jetzigen Kirche. — Perschenbei Nabburg in der Oberpfalz, Rimdkapelle,
XII. Jahrh. — Regensburg, Allerheiligenkapelle beim Dom, kleeblaU-
förmig, XJI. Jahrh. — RothenbUch in Bayern, Rotunde (verzopft). —
Stadtamhof, Spitalkirche, Geckig, XIII. Jahrh. — Steingaden im Am-
mergau, Rundkapelle, XIII. Jahrh. — Vilshofen a. d. Donau, Rimd-
kapelle nach böhm. Typus. — Wasserburg, Michaeliskapelle , XVI.
Jahrh. — Wolpertsschwendi im Oberamt Ravensburg, Gangolfska-
pelle, 6eckig.
VI. In der Schweiz, Tirol und Salzburg: In Altdorf und an
anderen Orten des Kantons Uri neben den Haupikirchen belegene, als Bein-
häuser bezeichnete Rimdkapellen. — Laufen im Salzkammergute, Maria-
hilfskapelle neben der Stiftskirche, 2 stöckig, unten 4-, oben 9 eckig. —
Meran, Barbarakapelle, Seckig mit Krypta, XV. Jahrhundert.
Vn. In den österreichischen Ländern ist eine grosse Menge
kleiner und grösserer , runder und polygoner Kamer mit und ohne Gruft-
raum vorhanden, deren Zahl auf mehr als 100 angegeben wird: in Unter-
Österreich sind 30 , in Steiermark etwa 1 5 nachgewiesen und in Kärnten
finden sie sich fast neben aUen Landkirchen. Wir nennen in Unteröster-
reich: romanische zu: Altenburg, Burgschleinitz, Frieders-
bach, Gars, Göffritz, Hainburg, Hardegg, Kuenring,
Loosdorf, Markersdorf, Mistelbach, Mödling, Petronell,
Pottenstein, Pulkau, Scheiblingkirchen; im Uebergangsstile
(polygone) : Globnitz, Margarethen am Moos (viereckig) , Wiener-
Neustadt, Tu 1 n (1 leckig), Zellerndorf; spätgothische : Anzbach,
Aspang, Berchtoldsdorf, Kirchschlag, St. Michael, Pöch-
larn, Randegg, Winzendorf, Wirflach. — In Oberösterreich
findet sich ein Rundbau erwähnt zu Lorch bei £nns, und in Kärnten zu
Altenmarkt, zu Maria Saal (gothisch) und zu Völkermarkt. -- In
Steiermark: Aflenz (Seckig), Geissthal bei Rein, St. Georgen
bei Murau, Hartberg, Jahring bei Marburg, Köflach, St. Lam-
brecht, Lied nächst Knittelfeld , St. Marein, Neumarkt (gothisch),
24 Baumaterial.
St. Oswald bei Zeyring (demolirt) , Pols, St. Ruprecht bei Brück,
Seiz (goth. Priorengruftkirche in der Karthause] , ^t. Veit nächst Neu-
markt, Weissenkirchen bei Judenburg (demolirt). — In Böhmen:
romanische Rundkapellen zu H o 1 u b i t z bei Tursko (Kr . Prag) , P 1 z e n e c
(Kr. Pilsen), zu Prag bei der Stephanskirche, am^Wyschehrad und in der
Postgasse , R a u d n i t z auf dem Georgsberge (Kr. Rakonitz) , Schelko-
witz bei Trebnitz (Kr. Leitmeritz). — Die Karlshofer Kirche in Prag ,
ein imposantes gothisches Achteck aus dem XIV. Jahrh. — In Mähren
eine Rundkapelle auf der Markgrafenburg zu Znaim.
VIU. Im Gebiete des nordostdeutschen Ziegelbaues kommen
nur gothische, meist achteckige Rundbauten vor: In der Mark: die heil.
Geistkapelle zu Treuenbrietzen (rund, ohne Dach) ; in Meklenburg,
die heil. Blutkapelle zu Doberan, die Kirche zu Ludorf; in Pom-
mern: die Kirchhofskapelle in K ö s 1 i n , die Gertrudenkapelle bei Rü g e n -
walde (12eckiger Centralbau), die Kapelle des Georgenhospitals in Stolp,
die Apollonienkapelle neben der Marienkirche zu Stralsund, die Ger-
trudenkirche bei Wolgast (12eckig). — In Schlesien zeigt die Kapelle
auf der Schneekoppe den Typus der kleinen böhm. Rundbauten. In der
Ratiborer Vorstadt von Troppauein grosser Octogonalbau ; die Nepomuk-
kapelle bei Lubom (Kr. Ratibor), Seckiger Holzbau; die heil. Geistkirche
zuBeuthen, Seckig; die Seckige gothische MatemikapeUe bei St. Elisa-
beth in Breslau ist 1848 abgetragen.
16. Die meisten der ältesten Kirchen in Deutschland (im VII.
bis IX. Jahrhundert) waren aus Holz ; im X. Jahrhundert wurde der
Steinbau zwar schon allgemeiner, doch galt zu Anfang des XI. Jahr-
hunderts in manchen Gegenden ein steinerner Thxurm noch für eine
Seltenheit. Man wählte zum Bau diejenige Steinart*), welche unter
den obwaltenden Local Verhältnissen als die zweckmässigste erschien,
oder gerade am leichtesten zu beschaffen war ; es lässt sich daher aus
der zu einer Kirche verwendeten Steinart nur selten ein Schluss auf
die Erbauungszeit derselben machen.
Obgleich bei den Römern der Steinbau Regel war imd nur etwa bei
Wirthschaftsgebäuden Fachwerk zur Anwendung kam ^) , so kommt doch
schon zu römischer Zeit und auf römisch-d'eutschem Gebiet , zu Kün-
zen [Castra Quintana) am Flüsschen Businka eine hölzerne Kirche vor,
welche der heil. Severinus (gest. um 481) gegen die Ueberschwemmungen
der Donau schützte.') Nach dem Aufhören der Römerherrschaft waren
es rohe Bedürfnissbauten, welche die missionirenden irischen Mönche
(») magistri e Scotia «) nach heimischer Sitte (» more Scotorum <r) ganz aus
Holz {fide robore secto») errichteten, wie dergleichen Kirchen im VII.
Jahrh. namentlich in Bayern mehrfach erwähnt werden. Das Kloster
Fulda wurde gleich Anfangs (742) wenigstens zum Theil aus Steinen
1) Ucber Wahl der Steine für den Kirchenbau vgl. Mone, Anzeiger etc. -J, 1 13.
2) Otte, Geschichte der deutschen Baukunst. S. 6 u. 28.
' 3) Ebd. S. 51.
Holzbau. 25
erbaut, da man nach Ausrottung des Waldes mit der Errichtung von
Kalkofen den Anfang machte ' j ; sonst war es bis in spätere Jahrhunderte
Sitte, bei der Gründung neuer Klöster sich mit interimistischen Holzge-
bäuden zu behelfen , so dass die gleichzeitigen Chronisten die ausnahms-
weise Errichtung von Steingebäuden stets besonders hervorheben. Zu
Anfang des XI. Jahrhunderts, wo bei der glanzvollen Machtent Wickelung
des Reiches und dem Reichthum der Prälaten sich neu erwachte Baulust
regte , wurden viele ältere Holzkirchen durch steinerne ersetzt : in Oester-
reich z. B. durch Bf. Altmann in Passau (f 1091)*); dagegen galt ein
von Bf. Bernhard von Verden (f um 1014) neben dem dortigen Dome
erbauter steinerner Thurm in jener Gegend noch für eine Seltenheit.')
Ueberhaupt hielt sich der Holzbau, der sich in Skandinavien selbst künst-
lerisch ausbildete *) , im Norden von Deutschland am längsten , so dass
noch im J. 1163 unter Heinrich dem Löwen die neu erbaute hölzerne
Marienkirche zu Lübeck geweiht wurde. ^) Als interessante Beispiele des
Fig. 5. Kirche zu Badoschau (nach Dorat).
urthümlichen Holzbaues haben sich im slavischen Osten von der Buko-
wina, Ungarn (an der Theiss), Galizien^ Mähren, Böhmen und Schlesien
1) Otte, Gesch. der deutschen Baukunst. S. 57.
2) Ebd. S. 237.
3) Thietmar, Chron., reo. Wagner p. 219:... qui in hoc terra pttuci
habentur.
4) Vergl. Dahl, Denkmale einer sehr ausgebildeten Holzbaukunst in den in-
neren Landschaften Norwegens. 1^37. - Eine der ältesten der dortigen Holzkirchen,
d ie Kirche Wang bei Drontheim, wurde im J. IS42 (von Friedrich Wilhelm IV. an-
ge kauft), zum Theil im ursprünglichen Stil erneuert, zu Brückenberg in Schlesien
au%estellt. lieber den nordischen Holzbau vergl. auch Minutoli, Alex, v., der
Dom zu Drontheim imd die mittelalterliche christliche Baukunst der scandinavischen
Normannen. 1853, und die Notizen über neuere norwegische Literatur in Kugle r,
Gesch. der Baukunst. 2, 56S.
5) Chron. Montis sereni ad a. 1 163, rec. Eckstein p. 31. — Ja sogar noch ums
J. 1354 wurde, allerdings unter besonderen Umständen, eine Kathedrale von Lebus
»ex argüla et luto aedißoaia, omni munimento et muro carens etßrmitate« (G e r k e n ,
Cod. dipl. Brand. 6, 551 .) auf einer Anhöhe bei der Stadt erbaut.
26 Holzbau.
bis nach Preussen und Hinterpommem ') hinauf, viele eigenthümliche,
• aus starken Eichen- oder Lferchenstämmen, auch aus kiefemem Kernholz
(provinziell Gehrsass genannt) im Blockverbande zusammengeschrotene
Landkirchen erhalten , mit weit vorspringenden Dächern und mit einem
bedeckten Laufgange (lop genannt) umbaut; die Glockenthürme stehen
oft seitwärts isolirt und sind zuweilen mit Schnitzomamenten von an-
sprechenden Profilirungen der Bretterbekleidung versehen, wobei in den
nördlicheren Gegenden in einzelnen Formen zuweilen der spätromanische,
zuweilen der gothische Stil ersichtlich wird, während die griechischen
Kirchen Galiziens und der Bukowina in ihrer ganzen Anlage byzantini-
schen Typus zeigen.*) Mehrere dieser Holzkirchlein sind sicher von ver-
hältnissmässig hohem Alter, die ältesten (wie die zu Lubom und Syrin)
wahrscheinlich aus dem Anfange des XIV. Jahrb., die meisten aber,
obwohl sie im Allgemeinen den althergebrachten Typus und die alte Tech-
nik festhalten, dürften erst aus dem XVIL und XVIII. Jahrh. datiren, wie
ja in Polen und Russland auf dem Lande noch gegenwärtig Holzkirchen
gebaut werden. — In den westlicheren Gegenden Deutschlands hat sich
von alten Holzkirchen , nachdem auch die hölzerne , mit Malereien ge-
schmückte Jodocuskapelle zu Mühlhausen in Thüringen, welche aus dem
XIII. oder XIV. Jahrh. stammte, im J. 1846 abgerissen worden, wohl
nichts mehr erhalten. — Ueber die Holzkapellen in Rohrmoos und auf
dem Tronsberg zu Geratsried und deren Einrichtung vergl. Augsb. Post-
zeitung. 1861. No. 63. 66. 67.
In der südlichen Hälfte von Deutschland, etwa bis zur Elbe, sind
die Kirchenbauten grösstentheils aus Bruchsteinen verschiedener Art aus-
geführt, z. B. am Oberrhein: aus rothem Sandstein (Münster zu Basel,
Strassburg und Freiburg, die Dome zu Mainz, Speier, Worms etc.) ; am
Niederrhein'): aus Tuff, Trass (provinziell Duckstein), Basalt,
1) Holzkirchen werden erwähnt im östlichen Theile von Böhmen: Koci bei
Chrudim (1397) , ein grossartiger isolirter Glockenthurm in der Stadt Pardubitz , ein
dergleichen nach romanischem Muster neben der Georgskirche in Praslawic bei Tur-
nau; im nordöstl. Mähren: Hozendorf, Nesselsdorf und Seitendorf (1488) bei Neu-
titschein, Tychau bei Frankstadt (16. Jahrh.), Wielfkowice a. d. Lubina; in Ober-
schlesien: im Kr. Beuthen : die Margarethenkirche bei Beuthen , Dorfkirchen in
Bielschowitz (z. Th. 1796), Biskupitz, Bogutschütz, Mlkulschütz, Gr. Paniow (1757)
und Zabrze ; im Kr. Leobschütz : Bauerwitz und Rackau ; im Kr. Hess : Dziedko-
witz, Omontowitz und Warschowitz ; im Kr. Ratibor: Bosatt, Brzezie, Lubom (1305
u. 1516], die achteckige Nepomukkapelle bei Lubom (14. Jahrh.) und Syrin (1304) ;
im Kr. Bybnik : Belk, Jedlownik, Nieder-Mschana, Radoschau und Ruptau ; im Kr.
Troppau: Standing und Trzanowitz bei Teschen. (Auch die Kapelle des ehemaligen
Kapuzinerklosters in Breslau ist ein Holzbau, von 1669). InPreussen: im Kr.
Neidenburg : Bialutten, Gr. Lensk, Malga, Schamau und Skottau ; im Kr. Osterode:
Leip und Peters-walde. In Hin'ter-Pommern: Barenbusch bei Neu-Stettin.
2) Abbildungen solcher Holzkirchen in Leonh. Dorst (v. Schatzberg;
Reiseskizzen. I. Bl. 3, in der Zeitschr. für Bauwesen 1852. Bl. 44 (mit Text von
Cuno Sp. 212) und in den Mittheil, der k. k. Central- Commission. 1856. 1, 247,
und 1858. 3, 85 ff.: Wolfskron, Ad. Leap. v., über einige Holzkirchen in Möh-
ren, Schlesien und Galizien; vergl. auch: Luchs, Stilbezeichnung und Batirung
einiger Kirchen Schlesiens (Breslau 1856], besonders abgedr. aus Heft 2 der Zeitschr.
des Vereins für Gesch. u. Alterth. Schlesiens.
3) Vergl. Nösgerath, die Bausteine der Münsterk. in Bona, inLersch,
Jahrb. 1843. S. 209.
Steinbau. — Ziegelbau. 27
Trachyt (Dom zu COln), Grauwacke ; Granit und Kalksinter (letztere zu
Säulen etc.). Den Trass von Andernach findet man an den mittelalterli-
chen Gebäuden längs des Rheins bis ganz hinein in Holland y in Utrecht
in Verbindung mit Backsteinen, ziemlich allgemein auch in Schleswig
und Jütland, doch meist nur in der Nähe der grossen Handelsplätze.^;'
In Schwaben und Bayern: Sandstein, Kalkstein, zuweilen Backsteine
(Dome zu Augsburg und Ulm, zum Körper des Gebäudes ; Frauenkirche
zu München); in Tyrol und Kärnten zuweilen Marmor (Dome zu
Trient und Gurk) ; in Steiermark Muschelkalkstein (Pfarrkirche und
Kamer zu Hartberg) , in. Sachsen: Sandstein (Dome zu Merseburg und
Magdeburg) , Muschelkalkstein (Dome zu Naumburg und Halberstadt; ,
Porphyr (bei Halle), Eisenstein (a. d. schwarzen Elster) ; in West-
falen: Mergelsandstein (am Nordi:ande des Haardtrückens) , Kalk-
stein (Dom zu Münster) , hin und wieder Backstein, aber dann meist nur
zum Körper des Gebäudes (Klosterkirche zu Marienfeld). — In den
Rheinlanden finden sich, an die römische Technik erinnernd, an den
ältesten Bruchsteingebäuden bis ins XI. Jahrhundert (z. B. am westlichen
Vorbau von St. Pantaleon und an S. Maria auf ^ dem Capitol in Cöln, an
der Stiftskirche zu Pfalzel, an den ältesten Theilen des Doms von Trier
und des Münsters zu Bonn etc.) zuweilen einzelne Schichten von Ziegeln
(selbst allerlei Figuren bildend) , verwendet , wodurch ebenso eine poly-
chromatische Wirkung erzielt wurde, wie durch die Anwendung ver-
schiedenfarbiger Hausteine (rother und weisser) im regelmässigen Wechsel
(an der Durchgangshalle zu Lorsch aus dem IX. und an den Säulen imd
Bogenstirnen aus dem XI. Jahrh. in der Michaeliskirche zu Hildesheim).
Im nördlichen Deutschland und dessen Nachbarländern, von der
Nordspitze Dänemarks bis nach Krakau und von den Westgrenzen der
Altmark bis über die Nordostgrenze von Preusscn hinaus, ist. das in an-
dern Theilen Deutschlands (z. B. in Niedersachsen, westlich von der
Elbe) nur sporadisch und später vorkommende Mi^terial der Ziegel, in
früherer Zeit neben dem behauenen Granit (Feldstein , Kiesling s= Ge-
schiebe) , später ausschliesslich vorherrschend , doch findet sich - zu den
Gnmdmauern der Ziegelgebäude der Granit, aber gewöhnlich nicht als
Haustein, sondern roh, zu allen Zeiten häufig verwendet. Die architekto-
nischen Details und Zierrathen sind bei Ziegelgebäuden oft (z. B. am
Niederrhein) aus Kalkstein oder aus Sandstein verfertigt.
Anmerkung 1. Das Material, je nach der Art seiner Zusammen-
setzung, je nach seiner Schwere , Härte und Widerstandsfähigkeit ist nicht
ohne wesentlichen Einfluss auf Form, Structur und Ausschmückung der
Gebäude*), wie dies besonders ersichtlich wird bei Vergleichung der Ziegel-
bauten des nördlichen Deutschlands mit den Bruchsteingebäuden des Südens,
oder der niederrheinischen Tuffsteingebäude mit den oberrheinischen aus
rothem Sandstein ; beide Systeme treffen hier in Ingelheim zusammen , wo
1 } Vergl. IX. Bericht der Schleswig- Holstein-Lauenburgischen Gesellflohaft für
Sammlung vaterl. Alterthümer. S. 9.
2) Bsienwein, die Entwickel. der mittelalterl, BaukuDst mit Rücksicht auf
den Einfluss der verschiedenen BaiunateriaUen , in den Mittheil, der k. k. Central-
Commission. 1858. 3, 5 ff.
28 Bauzeichnungen.
die nördliche Kirche aus Tuff, die südliche aus Sandstein gebaut ist. — Ein
Baumaterial, welches aus einem für plastische Details untauglichen Steine
besteht, bedingt stets Einfachheit und Schlichtheit der Gebäude. So mag
es der grobkörnige spröde Sandstein verschulden, dass die Kirchen im
bayerischen Allgäu [Kempten etc.) jeder edleren und feineren Detailbildung
entbehren, ebenso wie die Schmucklosigkeit der älteren westfälischen Bauten
von der Verwendung des porösen Mergelsandsteins bedingt ist.
Anmerkung 2. Alte Originalbaurisse, wie deren, auch in
Facsimile veröffentlicht *) , mehrfach auf unsere Zeit gekommen , sind auf
Pergament gezeichnet, das bei grösseren Zeichnungen durch Riemen künst-
lich zusammengeflochten ist. Schattenlinien kommen nie vor, wohl aber
sind die Profile oft in den Grundriss eingezeichnet und schwarz ausschattirt.
— Der älteste und in archäologischer Hinsicht wichtigste unter diesen Plä-
nen ist der (vielleicht zu Fulda) entworfene Bauriss für das Kloster St.
Gallen vom J. 820, als Musterplan für ein grosses Benedictinerkloster der
damaligen Zeit von grossem Werthe. Derselbe, 3*4 X 2*/« F. gross, be-
steht aus vier zusammengenähten Häuten und stellt in rothgezeichneten
Linien den Grundriss sämmtlicher zum Kloster gehörigen einzelnen Gebäude
und Anlagen dar , wobei hin und wieder die Aufrisse in horizontaler Pro-
jection mit angegeben sind. Die Bedeutung der Zeichnung gewinnt wesent-
lich dadurch, dass Erklärungen alles Einzelnen, meist in lateinischen
Hexametern abgefasst, (mit schwarzer Farbe) eingeschrieben sind; die
Maasse sind jedoch nur bei der Kirche hinzugefügt. — Die sonst noch be-
kannt gewordenen Bauzeichnungen (Visirungen) sind aus späteren Jahrhun-
derten, zum Theil erst vom Ende des M. A. ; die wichtigsten unter den-
selben sind die sechs Risse des Doms von Cöln, namentlich die Zeichnungen
der Westfront *) , welche jedoch nicht dem ursprünglichen Plane , son-
dern der letzten und zugleich bedeutendsten Um- und Ausbildung desselben
(etwa dem zweiten Viertel des XIV. Jahrh.) angehören ; ausserdem sind zu
nennen die Risse der Domthürme von Regensburg, Ulm, drei des Domes von
Frankfurt a. M., drei vom Münster zu Strassburg, eine ziemlich ungeschickte
Zeichnung des (unvollendeten) Wiener Stephansthurms etc. — Ausser der-
gleichen Bauzeichnungen sind auch noch einige deutsche, spätmittelalterliche
Schriften über Architektur und Geometrie ^) auf uns gekommen, im Ganzen
f) Mol 1er, 6., Facsimile der Originalzeichnung des Doms zu Köln. 2. Aufl.
IS37. — Keller, Ferd., Bauriss des Klosters St. Gallen (in */, Grösse des Origi-
nals). 1844; in verkleinerter Form in Otte, H., Gesch. der deutschen Baukunst.
S. 92. - Facsimile einer in der Bauhütte bei St. Stephan in Wien befindlichen
Handzeichnung von 1 5 1 7 zu dem unvollendeten Thurm. 1847. — Schmidt, Chr.
W., Facsimiles der Originalpläne deutscher Dome (Cöln, Regensburg, Ubn, Frismk-
fürt a. M., Strassburg; zum Theil 6 -7 F. gross). 1850.
2} Eine sehr grosse Copie des alten Planes der Cölner Dom-Thurmfa9ade von
S c h i n k e 1 befindet sich im Schinkel-Museum der Königl. Bauakademie zu Berlin.
Der Originalriss selbst, unten 3 F. breit, 15 F. hoch, wurde von dem Maler Seekatz
auf dem Dachboden des Gasthauses zur Traube in Darmstadt im J. 1814, zerrissen
und beschmutzt, unter altem Geräthe gefunden, von diesem dem dortigen Ober-
baurath Moller überlassen und von letzterem im J. 1817 dem Könige von Preussen
verehrt. Bei der spateren Wiederaufnahme des Dombaues kam die Zeichnung wieder
in das Domarchiv zu Cöln zurück.
3; Ein Verzcichniss solcher Schriften giebt Hof stadt, Goth. ABC. S. 165 ff.
Baubacher. — Technik. 29
weniger bedeutend, doch ist Mathe s Roriczer's, Dommeisters zu Re-
gensburg) n Büchlein von der Fialen Gerechtigkeit (i aus dem J. i486') von
Interesse, und auch Lorenz Lacher's [r>der P/ah Baumeister vnd Pixen-
meister a) Unterweisung für seinen Sohn Moritz von 1516*) enthält manches
Beachtenswerthe .
Anmerkung 3. Bei der UnvoUkommenheit der alten Messinstru-
mente, bei der Unbefangenheit und oft nicht zu läugnenden Nachlässigkeit
der bloss praktisch gebildeten alten Baumeister kann es sieht Wunder neh-
men, wenn sich beim genauen Vermessen mittelalterlicher Bauwerke, selbst an
den bedeutenderen, überall Unregelmässigkeiten und grosse Ungleich-
heiten vorfinden : die Abseiten und Pfeilerabstände differiren fast immer um
einige Zoll (im Dome zu Cöln z. B. von 1 — 1 1", im Dome zu Magdeburg
sogar 1 und 2'; die Anlagen stehen nicht genau im Winkel, und Sockel
und Capitäle selten unter sich in der Setz wage. ') In der Klosterkirche von
Konradsdorf im Nidderthal verschmälert sich das Schiff von Osten nach
Westen nach und nach, und die Kapelle des Katharinenklosters zu Tetin
in Böhmen hat in umgekehrter Weise und wohl absichtlich die Trapezform.
Absicht war es auch, dass in der Lambertikirche zu Münster, der perspecti-
vischen Wirkung halber, die Joche der Arkaden sich von Westen nach
Osten mehr und mehr verkürzen. Offenbare, freilich ökonomische Nach-
lässigkeit war es dagegen , wenn man sich keineswegs immer bemühte , die
Abweichungen des Terrains von der Horizontalebne auszugleichen , sondern
ohne Weiteres zuweilen in naivster Weise das natürliche Niveau benutzte.
So senkt sich z. B. in der heil. Kreuzkirche zu Rottweil und in der Pfarr-
kirche St. Ulrich zu Donauwörth der Fussboden allmählich von Westen
nach Osten so sehr, dass die Hinterstehenden über die Köpfe der Vorderen
hinwegsehen können. Der umgekehrte Fall findet dagegen in der Michaelis-
kirche zu Hall statt, wo der nur eine Fortsetzung des Langhauses bildende
Chor viel höher liegt, und die Kirche überdies mehrmals durch Treppen
unterbrochen ist. Merkwürdig tief liegt der Fussboden der Kirche zu Bren-
ken bei Paderborn , da man vom südlichen Portale 1 0 Stufen hinunter zu
steigen hat, was sich nicht aus der etwa nach und nach erfolgten Auf-
hOhung des äusseren Terrains erklären lässt. — Als eine sehr häufig vor-
kommende Unregelmässigkeit stellt sich heraus , dass der Chor der Kirche
nicht genau in der Axe des Langhauses liegt, sondern bald nördlich, bald
südlich von derselben abweicht, zumal wenn beide Haupttheile der Kirche
verschiedenen Bauzeiten angehören, oder auch wenn bei einem Neubau
der ganzen Kirche ältere Fundamente etc. benutzt wurden. Beispiele am
Rhein: Kaiserslautern, Offenbach; in Schwaben: Michaeliskirche zu
Hall, bischöfl. Kirche zu Rottenburg, Stiftskirche zu Stuttgart und Wimpfen
im Thal; in Tyrol: Stiftskirche zu Inichen, Dom zu Trient und angeblich
1) Nach einem alten Drucke wiedergegeben von Heideloff, C, die Bauhütte
des M. A. S. 101—116, und in moderne Mundart übertragen, herausgegeb. und mit
einer Einleitung versehen von A. Reichensperger. 1^45. Vergl. dessen Verm.
Schriften. S. 54 ff.
2) Abgedruckt aus einer späteren Handschr. in Reichensperger, Verm.
Schriften. S. 133-155.
3) V. Lassaulx, in Kl ein 's Rheinreise. 2. Aufl. S. 4G7.
30 Bautechnik.
nach dem Muster des letzteren an späteren Bauten absichtlich wiederholt, in
dieser Gegend traditionell und typisch geworden^) ; inOesterreich: Maria
Stiegen in Wien ; in Franken: Stiftskirche zu Aschaffenburg, Sebaldskirche
Flg. 6. Orundrin der Sebaldskirche in NQmberg (nach Heideloff)*
in Nürnberg; in Thüringen und Sachsen: Aegidienkirche zu Braun-
schweig, Dom zu Erfurt, Petri-Paulikirche in Görlitz, Stadtkirche zu
Wittenberg; in Preussen: Dome zu Frauenburg und Königsberg.
Anmerkung 4. Die mittelalterliche Bautechnik wird häufig auf
Kosten der modernen gepriesen , verdienter oder unverdienter Weise , weil
man damals wie auch heute verschieden baute , gut und schlecht , und na-
mentlich fehlt es aus älterer Zeit keineswegs an Beispielen vom Wiederein-
stürzen neuer kaum fertiger, oder noch im Bau begriffener Gebäude.*) —
Im Grundbau verfuhr man zuweilen zwar äusserst sorgfältig (die Chor-
pfeiler des Cölner Domes (seit 1248) z. B. sind gegen 50 F. tief auf einer
Kiesbettung fundamentirt) , in anderen Fällen dagegen wiederum höchst
soi'glos (die Fundamente der Godehardskirohe^ in Hildesheim (seit 1133)
z. B. bestanden aus kleinen Bruchsteinen in Lehm') , und da man bei den
Granitbauten in der baltischen Ebene selbst bei Gebäuden von geringerem
Umfange durch das massenhafte Material zu verhältnissmässig sehr dicken
Mauern genöthigt war, glaubte man die Fundamentirung im Sandboden
sparen zu können, indess sind in Folge davon die Mauern häufig gespalten
und haben später durch massige Streben zusammengehalten werden müssen.
Die Ringmauer des Schlosses Eisenhart in Beizig bei Wittenberg steht auf
blossem Flugsand, den der Wind zuweilen stellenweise darunter hinweg
weht, so dass die Mauer selbst schwebt. — Der schwierige Grundbau im
1) Mittheil, der k. k. Central- CommisBion. 1858. 3, 227.
2) Das Sanctuarium des 1021 geweihten Domes zu Merseburg stürzte in den
nächsten 20 Jahren zweimal zusammen (Otte, Gesch. der deutschen Baukunst. S. 1S7
und 278)) und der Dombau zu Hildesheim unter B. Azelin (f 1054) kam darum
nicht vorwärts , weil die Säulen oft aus dem Lothe wichen , und bald hier bald da
eine Mauer wieder einfiel. (Ebd. S. 164 u. 276.)
a) Zeitschr. für Bauwesen. 1S52. Sp. 333.
Bautechaik. 3 t
Sumpfboden galt zu Ende des XI. Jahrh. in Utrecht für ein »arcanum
magiiterium « , mit welchem Bischof Konrad nicht bekannt war. ^) Ein be-
merkenswerthes Beispiel in dieser Beziehung bietet die Frauenkirche zu
Ehingen (am linken Ufer des Lech , nOrdl. von Augsburg) ^ die ^ rings von
Anhohen umgeben , mitten im Sumpfe auf einem Pfahlroste steht , über
welchem, der Langenflucht von c. 100 F. entsprechend, drei GewOlbebOgen
errichtet sind, auf denen das Podium der Kirche ruht; unter ihnen steht
das ganze Jahr Wasser.*) — Die Vorrichtungen zur Ableitung des
Wassers von den Gebäuden waren häufig äusserst mangelhaft: wie wenn
z. B. mitten durch die Strebepfeiler des COlner Domes 4 zöllige Rinnen,
und zwar ohne Metallfutter, gefdhrt wurden, und ähnliche Mängel auch am
Dome zu Magdeburg vorkamen. ^) Der alte MOrtel, der zwar nach Du-
rand (Rationale i c. 1 n. 10) nur aus Kalk, Sand und Wasser bestand,
zeichnet sich vor dem neueren — und zwar wohl nicht bloss wegen seines
Alters — häufig durch grössere Festigkeit aus. Als Resultat einer chemi-
schen Analyse des harten mittelalterlichen Mörtels ergab sich : 70 Theile
reiner, grober Quarzsand, 25 Theile Kalk imd 5 Theile Gyps; welche
Mischung aber unmittelbar vor dem Gebrauche geschehen ist. ^) Zuweilen
löschte man den Kalk mit Wein (der Sage nach auch mit Buttermilch) ab,
indem man wahrscheinlich glaubte , den Mörtel dadurch haltbarer zu
machen. ") Ein Zusatz von Eiweiss und Wein unter dem Mörtel wird bei
Erbauung der Prager Brücke im XIV. Jahrh. behauptet, weil damals die
Eier spottwohlfeil gewesen.') — Der römische Mörtel unterscheidet sich
von dem mittelalterlichen durch Beimischung von zerstampften Ziegelstücken
oder Topfscherben. — Der Vorzüglichkeit des Mörtels ist die eiserne Festig-
keit des guten mittelalterlichen Mauerwerkes zu verdanken und die Halt-
barkeit mancher fahrlässig oonstruirter Gewölbe : so erregte es bei der
Restauration des Magdeburger Domes die Verwunderung der Architekten,
wie das Hauptgewölbe des Chores, ein 8 Z. starkes Tonnengewölbe aus
Bruchsteinen von 357, F. Spannung, sich hatte halten können, da alle
Gurtbögen sich mehr oder weniger gesetzt hatten und zwischen den Diago-
nalrippen und dem Gewölbe , mit welchem sie nicht bündig sind , sondern
dem letzteren nur das Ansehen eines Kreuzgewölbes geben sollten , sich ein
leerer Zwischenraum von mehreren Zollen gebildet hatte. ^)
Von den verschiedenen Arten des specifisch römischen Mauerver-
1) Otto a. a. O. S. 272 u. 285.
2j Beilage zur Augsb. PoBtzeitung. 1857. No. 119.
3) Zeitschr. für Bauwesen. 185-1. Sp. 83. — Rosenthal, Dom zu Magdeb.
Lief. n. zu Taf. VI. Fig. 16.
4) n. Jahresbericht des altmArk. Vereins für vaterländische Geschichte und
Industrie. S. 25 ff. — Vergl. über Mörtelbereitung der Alten, im Augsb. Tageblatt.
1859. No. 174 u. 176.
5] Kugle r, Museum 1834. No. 7. - Beider nach dem Erdbeben des J. 557
emeueten Kuppel der Sophienkirche in Constantinopel wurde der Mörtel mit Gyps,
zerstosaenen Muscheln und Ulmenrinde vermischt, mit einem Oerstenabsud aus
groasen Kesseln angerflhrt und lauwarm verwendet. Zum äussern Bewürfe wurde
Kalk mit Oel gemischt. AUg. Fr. Zeit. 1843. No. 62. S. 401 ff.
6) Redel, Sehenswürdiges Prag. S. 310.
7] Rosenthal a. a. O. zu Taf. I. Fig. D.
32 Mauerwerk.
bandes') ist es anscheinend allein das »opus mixtum ^^ \on welchem sich
an den geringen Ueberresten des frühmittelalterlichen Kirchenbaues, im
Rheinlande (in Trier, Pfalzel, Cöln und Bonn) bis ins XL Jahrh. noch
Spuren nachweisen lassen : ein mit dünnen Bindern aus Ziegeln durchsetztes
Bruchsteingemäuer mit sehr breiten Mörtelfugen. Am karolingischen Mün-
ster, zu Aachen zeigt der wenig sorgfältige Verband platte, schieferartige
Bruchsteine mit wagerecht und lothrecht eingelegten Bindern schlecht be-
hauener Quadern, die von filteren Bauwerken herrühren. *) — Im XI. Jahrh.
herrscht allgemein das » opus incertum « , Mauerwerk aus Bruchsteinen , an
den Ecken (und zuweilen im Grundbau) durch Quaderschichten zusammen-
gehalten. Bei den Tuffsteinbauten am Niederrhein, bei denen das Material,
in grossen, länglichen Stücken zur Verwendung kam, ist wenigstens die
Horizontalität der Lager, die gewissermaassen wellige Linien bilden , mög-
lichst und dabei eine ängstliche Sauberkeit in den Fugen streng beobachtet,
während seit dem XII. Jahrh. der Tuff in kleinem Format, backsteinähnlich
zugehauen, im regelrechten Verbände vorkommt. *) In anderen. Bruchstein-
bauten zeigt sich in der Frühzeit (in der Krypta von St. Michael zu Fulda
aus. dem IX. Jahrh.) ebenfalls das Streben nach Horizontalität der Lager
mit wechselnden Stossfugen. Am Dome zu Speier und an der Klosterkirche
zu Limburg a. d. H. aus dem XI. Jahrh. erscheint Rauhmauerwerk aus
rothem Sandstein, in unregelmässigen Bruchstücken ; doch sind die Steine
ziemlich lagerhaft und möglichst in wagerechte Schichten gebracht, zwischen
starken Mörtellagen zur Ausgleichung der Unebenheiten. Eine Anwendung
des Hammers ist nirgends bemerklich, und die Steine liegen in der Mauer,
wie sie aus dem Steinbruche kamen . *) An dem Bruchsteinmauerwerk von
St. Michael zu Fulda aus dem XI. Jahrh. findet sich durch Fugcnlinien,
welche in die starken Mörtellagen eingekratzt sind, eine scheinbare Quadri-
rung hergestellt. ^) An der Westfront des Domes zu Trier besteht das
Mauerwerk des XI. Jahrh. zum grossen Theil aus Werkstücken von Sand-
stein und Muschelkalk von zuweilen bedeutender Masse , die indess aus
römischen Trümmern entnommen wurden. ®) — Sonst ist vollständiger
Quaderbau in jener Frühzeit nicht nachgewiesen : derselbe beginnt erst im
XII. Jahrh. ') , breitet sich allmählich aus und bleibt endlich vorherrschend,
obgleich selbstverständlich im Innern der Quaderm^uern und bei minder
kostspieligen Bauten das Bruchsteinmauerwerk stets gebräuchlich blieb. —
Bei den, nicht über die Mitte des XII. Jahrh. hinaufreichenden, älteren
Qranitbauten erscheinen die Steine (wie an der Klosterkirche zu Zinna
bei Jüterbog und an vielen Landkirchen des Flämings; zwar sauber würfel-
förmig bearbeitet und in gleichmässigen Schichten , während anderwärts in
den Marken der Quaderbau häufig nur ein scheinbarer ist, indem die Steine
zwar quadratisch zugehauen und in regelmässigen Schichten aufgesetzt , an
der vordem Fläche aber nicht geebnet sind , und Quaderfugen in den auf-
getragenen, den mittleren, rundlich erhabenen Theil der Steine nicht decken-
]) Otte, Gesch. der deutschen Baukunst. S. 4 ff. 2) Ebd. S. 84 u. 143.
3) Ebd. S. 155 ff. u. 275; vgl. v. Quast, in den Bonner Jahrbüchern. X. I9f ff.
4] Geier, in Remling, der Speyerer Dom. S. 132.
5} Otte a. a. O. S. 91 u. 143. 6) Ebd. S. 215 u. 41.
7; v. Quast, in der Zeitschr. für christl. Archäol. u. Kunst. 1» 272.
Ziegelmauerwerk. 33
den Putz in Doppellinien eingeritzt wurden, was indess durch Verwitterung
meist undeutlich geworden ist. ') Später, seit dem XIV. Jahrh. verwandte
man die Qranitgeschiebe selten in rechteckigen Quadern, sondern meist in
roher Zerklüftung, und in dieser Form finden sie sich überall im Qrundbau
der Ziegelbauten. Eine Mischung beiderlei Materials findet in ältester Zeit
nur in wenigen Beispielen statt und auch später nicht häufig.
Gleich beim ersten Auftreten des Ziegelbaues^) in der Altmark
Brandenburg um Mitte des XII. Jahrh. zeugt die vollkommene Tadellosig-
keit und später kaum wieder erreichte vollendete Schönheit des Materials
von alter Geübtheit in der Anfertigimg der Backsteine , die am ersten bei
den niederländischen Colonisten vorausgesetzt werden kann , welche damals
jene wendischen Landstriche einnahmen, und um so wahrscheinlicher, als
die kleinen Backsteinformate der romanischen Bauwerke in Holland und am
Niederrhein mit denen an den märkischen Kirchen genau correspondiren.
Von. den langen imd oft nur Vs Z. dicken römischen Ziegeln unterscheiden
sich die mittelalterlichen durch ihre Kürze und Dicke : die älteren aus dem
XII. Jahrh. sind die kleinsten (lO*/»— V4 Z. lang, V/^—^y^ Z. breit,
3 — 374 Z. dick), die späteren, seit dem XIII. Jahrh. sind grösser (1 1-r-
11% Z. lang, 5— 5y4Z. breit, '6%—y/^Z. dick). Formsteine ver-
stand man in der bedeutenden Grösse von mehreren Füssen zu verfertigen
und sehr glatt und fest zu brennen, z. B. am Portale der Klosterkirche zu
Berlin. — Als Meisterstücke der Ziegelbrennerei des XIII. Jahrh. sind zu
rühmen die Consolen im nördlichen Seitenschiffe der Kirche des Klosters
Zinna bei Jüterbog. — Bei der Restauration des Brandenburger Domes
wurde die wahrscheinlich aus dem Anfange des XIV.
Jahrh. stammende, aus einem Stücke bestehende, zier-
lich gebildete ehemalige Verdachung einer Fiale in der
Erde gefunden, deren Masse fast 4 Kubikfuss betrug.
— In dem achteckigen Treppenthurme des Domes aus
der Zeit um 1426 befindet sich eine Wendeltreppe,
deren vortrefiüch gebrannte Stufen bei 18 Z. Höhe und
19 Z. Breite einschliesslich des Spindelansatzes aus
i.'^Sin« (oS*iSSSh). ei?e™ Stücke bestehen. -- Der Mauerverband des
mittelalterlichen Ziegelbaues Ist gewöhnlich der soge-
nannte wendische, in welchem Läufer und Strecker in derselben Schicht
entweder regelmässig mit einander abwechseln, oder es folgt auf zwei Läufer
immer ein Strecker ( ) , und zwar erscheinen oft beide Weisen
zu gleicher Zeit und in derselben Gegend. — Die römische Sitte, die ein-
zelnen Ziegel mit Fabrikstempeln zu versehen, findet sich an den älteren
1 ) Derselbe im Correspondenzbl. des Gesammtvereins der deutschen Gesch. u.
Alterth.-Vereine. VH. (IS59). S. 26.
2) Ueber das Technische des Ziegelbaues: Minutoli, Alex, v., Denkmäler
mittelalterl. Kunst in den Brandenb. Marken. L S. 11 ff. — Quast, Ferd. v., im
Deutschen KunstbL f 850. S. 229 u. Beitr. zur Gesch. der Baukunst in Preussen. m.
S. 21. — Adler, F., Mittelalterl. Backstein-Bauwerke d.Preuss. Staates — woselbst
auf die Baubeschreibung der einzelnen Gebäude jedesmal ein dos Technische einge-
hend schildernder Abschnitt folgt. — Ueber den Ziegelbau des M. A. in Schwaben :
Thrän, O. C. F., im Correspondenzblatt des Gesammtvereins etc. VI. (1858.)
S. 29 u. 67.
0 1 1 e , KoMt- Areh&olo^e. 3
34 Gussmauern. -^ WAlbsteüie.
mittelalterlichen Backsteinbauten nicht befolgt, und nur erst an späteren
gothischen Gebftuden kommen an manchen Orten (in Brandenburg, Stendal.
Tangermünde etc.) Ziegel mit Stempeln vor^ deren Zweck und Bedeutung
indess nicht bekannt ist. ')
®0®^® 0 i Si
Fig. 8. Ziegelcteropel (nach v. Hinutoli).
Gussmauerwerk (von Vitruv 2, 8 EmpUcton^ und in den longo-
bardischen Baugeseteen des VIII . Jahrh. Massa genannt^)) kommt, wie
bei den Römern , auch im ganzen Mittelalter sehr häufig Vor : die beiden
Aussenflächen wurden aus Stein oder Ziegeln schichtweise aufgemauert, der
innere hohle Raum ward mit kleinen Steinen und vielem Mörtel ohne regel-
mässige Schichtung ausgefällt und das Ganze dann gewöhnlich von innen
und aussen dick mit Mörtel flbergangen. — Zur Ausfahrung der Gewölbe
verwendete man zwar gern natarliche oder gebrannte Steine von geringer
Schwere'), zuweilen Töpfe, indess kajn auch hier Aber kleineren Räumen
hin und wieder das schwerste Material in Anwendung : das untere Thurm-
geschoss des Havelberger Domes z. B. zeigt ein Gewölbe aus behauenem
Granit und im Thurm der Dorf kirche zu Gumtow besteht das 6 Z. dicke
Tonnengewölbe aus lauter abgerundeten Geschieben, wie man dieselben eben
auf den Feldern vorgefunden hatte. — Auch war im Mittelalter ein in
neuerer Zeit wieder entdecktes Verfahren bekannt, die Kreuzgewölbe lediglich
mit Unterrastung der Gratbögen fast ganz aus freier Hand einzuwölben.*)
1) Abbild, von mittelalterl. Ziegelstempeln bei v. Minutoli a. a. O. S. 14 u.
vielftltig bei Adler, a. a. O. S. 14. 59 ff.
2) »Simaasaäfundedentti; veigl. Reumont, A. v., im Kunstbl. 1847. S. IIS.
3) Beim Bau der Kuppel der Sophienkirche zu Constantinopel unter Kaiser
Justinian (532—537] durch Anthemius von Tralles (in Lydien} und Isidorus von
Miletus (in Jonien) beschaffte man von der Insel Rhodus aus einer weissen Erde ge-
brannte Steine von gleichem Gewicht und gleicher Grösse , die mindestens fünfmal
leichter waren als die gewöhnlichen Mauersteine und auf dem Wasser schwammen.
Jeder Stein wurde mit folgender Inschrift gestempelt : » Gott ist mitten in ihr, und
sie wird nicht erschüttert werden. Gott wird sie schirmen von einem Morgen zum
andern«, Basselbe Verfahren wurde bei der Erneuerung der Kuppel beobachtet:
nach jeder zwölften Schicht sprach man Öffentliche Gebete für die Festigkeit der
Kirche (während der Mörtel abtrocknete) ; in je einen Stein jeder zwölften Schicht
schloss man in ein ausgehöhltes Loch Reliquien verschiedener Heiligen ein. (Vergl.
Allg. Pr. Zeit. 1843. No. 62. S. 401.) — Reliquien Hess auch Otto der Grosse in die
Säulencapit&le des 1207 abgebrannten Magdeburger Domes einlegen [Otte, Gesch.
der deutschen Baukunst S. 1 1 S) , und die gegen w&rtig leeren Oeffnungen über den
Sflulen in der Mauer des hohen Chores des jetzigen Domes scheinen gleichen Zweck
gehabt zu haben. Die fromme Absicht ging wohl dahin , durch diese Heiligthümer
das Gebäude vor Schaden und Gefahr zu schützen.
4) V. Lassaulx in Crelle's Journal f. d. Baukunst. I. 4, 317 ff.
Theile der Kirche.
35
b. Bat Kirchengebande in seinen einielnen Theilen.
17. Das Kirchengebäude besteht in seinem vollständigen nor-
malen Grundplane aus drei Haupttheilen , dem Langhause ^ dem
Ciuerhause und dem Altarhause. Das Langhaus [B A B) bildet den
Stanim, das Querhaus (von Cnach C) die Arme^ und das Altarhaus
[E) das Haupt des Kreuzes.
y\%. tt. Der Dom tu Menebuiig; (nach unprOnf lieber Anlafe).
Das liaa|haW| welches aus dem Hauptschiffe A und denjbeiden,
gewöhnlich halb so breiten Seitenschiffen B B besteht, wird von
diesen durch zwei von Säulen oder Pfeilern // . . . getragene Arkaden
getrennt. — Das %ierham besteht aus der an allen vier Seiten von hohen
Schwibbogen begrenzten mittleren Vierung, dem Kreuzmittel g und den
beiden Kreuzarmen, C und C, welche westlich durch BogenOfihimgen
mit den Seitenschiffen in Yerbindimg stehen, und Ostlich häufig mit zwei
kleinen Altamischen, z und z, versehen sind. — Das Altarhais wird
Ostlich von der Altarnische / geschlossen, die sich in einem Bogen
gegen dasselbe Offnet. — In der Axe der Seitenschiffe erheben sich west-
lich die beiden Glockenthürme, D und Z>, welche das Zwischenhaus
F mit dem Hauptportale m einschliessen. — O und O sind zwei
Ostliche , das Altarhaus flankirende Rundthürme , und // eine äussere
Vorhalle. — Die F e n s t e r des Langhauses q q - -- sind den Zwischen-
weiten der Arkadenträger yy . . . entsprechend angebracht, und die An-
ordnung der Fenster im Querhause ist im nördlichen Kreuzarme des
Grundrisses angegeben , wo die Durchschnittsebene durch das Oberge-
schoss der Kirche angenommen ist. — In Kloster- und Stiftskirchen
schliesst sich an eine Langseite der Kirche der Kreuzgang, welcher
durch Nebenportale bei V und S mit dem Seitenschiffe in Verbindung
steht.
36 Altamische.
Anmerkung. Die Abweichungen von dem normalen Qrundplane
der Kirche sind in der Wirklichkeit häufiger als die Regel und bestehen
theils aus Erweiterungen, theils aus Beschränkungen desselben , die weiter
unten im Einzelnen zu berücksichtigen sind. Der Dom von Merseburg,
obwohl derselbe umfassende spätere Veränderungen erfahren hat, lässt den-
noch die ursprüngliche regelrechte Entfaltung des Grundrisses noch deutlich
durchblicken und enthält überdies sämmtliche in Betracht kommende
Haupt- und Nebentheile des mittelalterlichen Kirchengebäudes. Ganz nor-
mal erscheint auch der Grundplan der Klosterkirche zu Hecklingen im An-
haltischen, jedoch das Hauptportal fehlt, welches übrigens auch beim Mer-
seburger Dome in der Westfront der äusseren Vorhalle liegt.
18. Die Altamische hat verschiedene Namen*) : sie heisst
apsis oder concha von ihrem überwölbten Halbrund ; tribunal (daher
auch Altartribune) , weil sie in der alten Kirche vor den rings an der
Wand befindlichen Bänken für die Geistlichkeit den erhöhten Stuhl
des Bischofs enthielt; sanctuarium oder sancta sanctorum, weil der
Hochaltar darin steht; auf dem Plane des Klosters 8t. Gallen (s. oben
S. 28) wird sie als exedra bezeichnet.
Das Wort apsis, ahsü y ahsida ist = «V"'tf > von «Jiroi, daher auch
a\\jlg =s der Halbkreisbogen, das Gewölbe, und kommt seit dem V. Jahrh.
für diesen Theil der Kirche vor*) , ebenso das Wort concha (^oyy^ri) , die
Muschel, und übertragen schon bei den romischen Classikem auf muschel-
förmige Gefässe. — Tribunal bezeichnet bei den Römern zunächst eine in
Gestalt eines Halbkreises umlaufende Erhöhung, zu welcher Stufen führ-
ten, und auf welcher die Richter sassen. — Die Bezeichnxmg sanctuarium ^
das HeUigthum, und sancta sanctorum, das Allerheiligste , wird erst von
mittelalterlichen Schriftstellern gebraucht, nachdem die Sitze der Geist-
lichkeit und der Bischofsthron aus der Apsis verlegt waren , und diese
statt derselben den Hochaltar in sich aufgenommen hatte und einen Theü
des hohen Chores der Kirche büdete , über dessen Fussboden das Aller-
heiligste um eine bis zwei Stufen erhöht liegt. — Das Wort exedra
(6^td(ju) bezeichnete in den antiken Gymnasien eine halbrunde Erweite-
nmg der Säulengänge mit Sitzen für Conversirende , kommt schon bei
Augustinus (de civitate dei 22, S) für die Apsis der Kirche vor und
wird von Durandus (Rationale I. 1. n. 19) für gleichbedeutend mit
1) lieber diese Namen unter Beibringung zahlreicher Citate: Kreuser, Kir-
chenbau. 1, 129 ff. u. AVeingartner, W., Ursprung und Entwicklung des christl.
Kirchengebaudes. S. 1 ] 1 ff.
2) Wenn IsidorusHisp. (f 636) in den Origin. etyin. XY, 8 erklärt: Absida
graeco sermone latine interpretatttr lucida, eo quod lamine accepto per arcum respien-
deat«, 80 hat er dabei nicht an die Apsis der Kirche, sondern an das leuchtende Him-
melsgewölbe gedacht, von welchem s. B. Hieronymus (£p. ad Ephes. II. p. 614
ed. Vallarsii) das Wort »ajMis« gebraucht, u. VincentiusBellov. (Speculum II.
in Vocabular. p. 37), der diese Erklärung gegen Ende des XIII. Jahrh. wörtlich ab-
geschrieben , hat die Beziehung auf die Altamische der Kirche nur durch Missver-
Htäudniss darin gefunden. — Uebrigens ist »lucidati als Substantivum im mittelalterl.
Latein nicht nachgewiesen, also bei Isidorus nur adjectivisch zu nehmen.
Altarhaus. 37
ahsida sive voüa, (=5 GewOlbe) erklärt, obgleich er darunter, nach der
schon im christlichen Alterthum gewöhnlichen Bedeutung dieses Wortes,
ein kirchliches Nebengebäude versteht.
Beispiele solcher Kirchen , denen die Apsis fehlt , deren Altarhaus
also rechteckig abschliesst, sind bereits oben S. 1 5 f. angeführt : inner-
lich findet sich dann oft, namentlich im XIII. Jahrh. , die Nische für den
Altar in der Dicke der geraden Schlusswand ausgespart. Im Dome zu
Speier sind sieben, in der Klosterkirche zu Heisterbach neun kleine Rund-
nischen rings in der Apsismauer angeordnet; im Dome zu Limburg a. d.
L. nimmt eine solche Nische die Mitte des Halbringes der Apsis ein. In
der Abteikirche von Alpirsbach auf dem Schwarzwalde ist in die grosse
massiv ausgemauerte Apsis eine kleine rechteckige , wiederum mit einer
Apsis versehene Kapelle hineingebaut, und zu beiden Seiten derselben
rundet sich in der Ausmauerung je eine kleine Altarnische aus. — Im
Xm. Jahrh. gestaltet sich die Apsis häufig als ein halbes Achteck , im
Innern jedoch zuweilen mit Beibehaltung der Halbkreisform. — Aeusserst
selten fehlt der Apsis die Halbkuppelwölbung : in dem Kloster Petersberg
bei Dachau (in Oberbayern) hat die Altamische eine flache Holzdecke
wie die ganze Kirche. — In mehreren Kapellen (besonders Burgkapellen,
die häufig in einem oberen Stockwerke liegen ; vergl. S. 20) , erscheint
die Apsis als vorgekragter, von einer Console getragener Erker : auf der
Reichsfeste Trifels in der Rheinpfalz , an der Kapelle zu Heilsbronn bei
Nürnberg, im Saalhofe zu Frankfurt a. M., im Schlachthause zu Cöln,
an einer Domherrn -Curie zu Naumburg a. d. S. , im Kreuzgange des
Petersklosters zu Salzburg, an der Rundkapelle zu Kuenring in Nieder-
österreich (sämmtlich aus dem XII — XIII. Jahrh.) , an der Michaels-
kapelle zu Kiederich im Rheingau aus dem XV. Jahrhundert.
Anmerkung. Im gothischen Baustil (seit dem XIII. Jahrh.) hört
die Apsis auf ein organisch gesondertes Glied , eine selbständige Vorlage
des Altarhauses zu sein, und der aus dem polygonischen Schluss der Seiten-
wände des letzteren sich bildende Altarraum ist lediglich ein integrirender
Bestandtheil des hohen Chores, das AUerheiligste desselben.
19. Das Altar haus enthält in dem regelmässig quadratischen
Räume an beiden Seiten seiner Langwände die Sitze für den Chor
der Geistlichen und wird deshalb*) durch Uebertragung Chor
(chorus), wegen seiner erhöhten Lage auch hoher Chor, oder pres-
hyterium (d. i. Priesterraum), auch sanctuartum (d. i. Heiligthum) ge-
nannt. Der Chor, welcher sich zuweilen über das Altarhaus hinaus
weiter westlich auf die Vierung ausdehnt , ist von der übrigen tiefer
gelegenen Kirche durch Schranken [cancelli) oder eine niedrige Wand
1) A coeta canentiiun derioorum. Augusti, Denkwürdigk. 11, 386. — Das
Wort choros {xoQog) bedeutet ursprünglich Rundtanz, Reigen, dann meton. die tan-
zende u. singende Bchaar, der Chor. Im Deutschen kommt fOr das Presbyterium der
Kiiche beides vor: der Chor und das Chor, doch ersteres häufiger und schon seit
dem XCI. Jahrh., letzteres seltener u. anscheinend nicht vor dem XVI. Jahrhundert.
38 Chor.
getrennt, an der Westseite häufig durch einen förmlichen Querhau
mit einem Lesepulte, welcher Lettner [lectorium] genannt wird.
Die moderne, von Ferd. v. Quast in die archäologische Kunst-
sprache zuerst eingefahrte Benennung y^ Altarhaus (a beabsichtigt lediglich
die präcise Bezeichnung des betreffenden Gebäudetheiles und ist in litur-
gischer Hinsicht keineswegs immer mit »CAorn identisch, da letzterer
sich häufig nicht auf den Raum des Altarhauses beschränkt. Im Dome
zu Merseburg (s. den Grundriss) und in vielen anderen Kirchen mit einer
zahlreichen Geistlichkeit ist die Vienmg mit zum hohen Chore gezogen
und von den tiefer liegenden Kreuzarmen durch eine Brüstungsmauer ge-
trennt ; in der Stiftskirche zu Quedlinburg und im Dome zu Speier er-
streckt sich der erhöhte Raum der Oberkirche selbst über das ganze
Querschiff, in Speier, als KOnigschor mit den Kaisergräbem , sogar bis
weit in das Mittelschiff des Langhauses. Stets aber hat der im Altar-
hause selbst belegene Theil des Chores eine höhere Würde als eigentliches
Sanctuarium ; er bildet den Oberchor , dessen Fussboden um eine Stufe
höher liegt, als der die Vierung einnehmende Unterchor fflr die niederen
Cleriker. Im Merseburger Dom war der Oberchor {chortu primus) im
Altarhause fOr die Stiftsherren bestimmt, der Unterchor in der Vierung
für die Mönche des vorstädtischen Petersklosters, welche gehalten waren,
an gewissen Festtagen bei dem Gottesdienste in der Kathedrale mitzu-
wirken,*)
Während in älterer Zeit mit seltenen Ausnahmen') das Altarhaus
stets streng quadratisch entworfen wurde, band man sich seit dem XTTT.
Jahrh. an diese Regel nicht mehr und erlaubte sich häufig Abweichungen,
sowohl durch Verkürzxmg (Dome zu Münster und Limburg a. d. L.,
Klosterkirche zu Zinna etc.) , als namentlich durch Verlängerung des
Quadrates, welche letztere in der Zeit des gothischen Stils normal wurde,
obgleich in städtischen Pfarrkirchen (z. B. in Magdeburg) , wo oft ein
sehr kurzer Chorraiun dem BedOrlhisse genügte , auch Beispiele von Ver-
L_
Fig. 10. Kirche «o Twiite (nach der Zeitachr. (Ür Bauwesen).
kürzung vorkommen. Bei Kirchen in der Grundform des Kreuzes gehört
im M. A. ein gänzliches Fehlen des Altarhauses, so dass die Apsis an
1) N. Mittheil, des Thttr.-Sächs. Vereins. VII. 3, 10.
2) Die Klosterkirche zu Hersfeld (s. S. 45) aus dem XI. Jahrh. hat ein weit
flher das Quadrat hinaus verlängertes Altarhaus.
Lettner. 39
der Vierung des Querhauses liegt, und die Kirche ein T bildet , wie dies
bei der ehemaligen Palast- (jetzt evangel.) Kirche zu Ingelheim und bei
den Kirchen zu Twiste (im Waldeckischen) und zu Idensen (zwischen
Minden und Hannover) der Fall ist, wohl zu den seltenen Ausnahmen.
— Die Erhöhung des Chorraumes über dem Fussboden der übrigen
Kirche beträgt zwar oft, und namentlich später, nur eine oder zwei Stufen,
ist jedoch zuweilen sehr bedeutend, z. B. in St. Gereon zu Cöln 13, in
der Stiftskirche zu Quedlinburg 16, im Dome zu Brandenburg 22 Stufen.
Bei einer beträchtlichen Erhöhung des Chores lässt sich stets auf Vor-
handensein einer Krypta (s. Anmerk. 2) unter demselben schliessen. —
Der Schwibbogen, welcher das Altarhaus von der Vienmg scheidet und
den Eingang in das Sanctuarium bildet, wird Fronbogen oder Triumph-
bogen [arcus triumphalis) genannt, weil er mit einer Darstellung des
triumphirenden Erlösers geschmückt zu sein pflegte.
Anmerkung 1. Statt der einfachen Schranken errichtete man in
Stifts- und Klosterkirchen zwischen Chor und SchÜF, anscheinend jedoch
nicht vor dem XIIL Jahrhundert, quer durch die Kirche oft eine förmliche
Emporkirche aus Stein oder Holz, welche mehr oder weniger geräumig,
durch eine enge Wendelstiege zugänglich und von offenen Bögen getragen
Fig. 11. Lettner im Dom lu Halbentadt (nach Lucanua).
oder mit Durchgängen versehen , gewöhnlich zur Vorlesung des Evangeliums
bestimmt war und deshalb Lettner (as lectorium d. i. Lesepult) genannt
wurde.*) Wo dergleichen Querbühnen unter dem Namen Odeum oder
]) Der 8. g. jüngere Titurel (um 1270} sagt in seiner phantastischen Beschreibung
des Graltempels (veigl. Abhandlungen der philos.-philolog. Klasse der Bayer. Aka-
demie der WimenBchaften Bd. 1) Str. 69 u. 70 (S. 367) vom I^ettner:
»Zwei thür viel kostbare in den chor da giengen.
Dazwischen ein altare^ ausserhalb darüber kanzel hiengen,
Gewölbet auf zwei spindelsäul gestellet^
Die spannenbreit gereif et, daxwischen je mit sondrer kunst ervollet.
Gesitnset und gespinneli waren die hanzel alhtme.
Viel Schönheit cb-auf gezinnelt, man sah in all der lauben bogel krumme
Zwölfboten, beichter f maide, jxitriarchen,
Märtyrer, propheten, ihr bnefe sagten viel der materie starken.*
— Ueber den Lettnerbau des Domes zu Königsberg wurde wesentlich übereinstim-
mend im J. 1333 urkundlich festgesetzt (Gebseru. Hagen, der Dom zu Königsb.
I, los ff.), dass zwischen Chor und Kirche die Zwischenmauer nur eine Ruthe hoch
und vier Ziegel dick -werden solle ; dass zwei Thüren durch dieselbe hindurch von
der Kirche in den Chor hineinführen und zwischen ihnen ein Altar zu errichten sei,
über welchem ein Gewölbe, von Säulen getragen, eine obere Tribüne bilden solle zur
Verlesung des Evangeliums und zur Aufstellung der Orgel und des Predigtstuhles.
Vergl. V. Quast, Beitr. zur Gesch. der Baukunst in Preussen. III. S. 78.
40 Krypta.
Doxal (nach rheinischer Mundart Toxal), wie ehemals zu Maria auf dem
Capitol zu Cöln, oder Singechor, wie im Dom und in 4kr Marienkirche
zu Lübeck, vorkommen, dienten sie auch zur Aufstellung von Sänger-
chören, welche mit Begleitung einer kleinen Orgel liturgische Qesfinge
(Doxologieen, d. i. Lobpreisungen, woher der Name Doxal) ausfOhrten. —
Zu den ältesten Lettnern in Deutschland gehören der spätromanische in
Maulbronn und vor dem Ostchor des Doms zu Naumburg , sowie der früh-
gothische vor dem Westchor daselbst ; die grosse Anzahl der übrigen (Dome
zu Münster, Magdeburg, Halberstadt, Stendal etc.) rührt aus dem XV. und
XVI. Jahrhundert her und ist im spätest gothischen Stil gewöhnlich in
reichem bildnerischen Schmuck ausgeführt.
Anmerkung 2. In der alten Kirche war es Sitte, das heilige Abend-
mahl über den Gräbern der Märtyrer zu feiern ; es befand sich daher, worauf
schon die Stelle Apokal. 6, 9 hindeuten könnte, unter dem Hauptaltare in
der Regel ein kleines unterirdisches Gewölbe mit dem Grabe eines Märty-
rers, oft des Titelheiligen der Kirche. Aus dieser altchristlichen Confessio
[iesiimontum, memoria) , in welche man von oben auf das Grab des Blut-
zeugen hineinschauen konnte, scheint die mittelalterliche Krypta*) hervor-
gegangen zu sein, deren weitere Ausbildung vorzugsweise den Ländern
diesseits der Alpen angehört, und die sich dadurch von einer gewöhnlichen
Todtengruft unterscheidet, dass sie einen oder mehrere Altäre enthält. In
der alten, im J. 820 abgebrochenen Klosterkirche von St. Gallen war eine
Krypta unter dem Chore, und in dessen Fussboden eine Oeffnung (fenesirä)^
durch welche eine auf dem Altare brennende Lampe ihr Licht auf den Altar
der Krypta warf, die jedoch das Grab des heil. Gallus nicht enthielt, da
dessen Steinsarg in der Apsis der Oberkirche stand. *) Zwei Fussboden-
öifnungen von achteckiger Form , durch welche Licht in die Krypta fällt,
sind auch in den Seitentheilen des Chores der Münsterkirche zu Essen (von
1051) angebracht und scheinen ihr Analogon zu finden in den Fussboden-
öffnungen der oben (S. 20) besprochenen Doppelkapellen. Beispiele von
Beerdigungen in den Krypten lassen sich aus der Frühzeit mehrfach nach-
weisen, ebenso Stiftungen von Seelenmessen an den Altären derselben, und
der bei den Altären in den beiden Krypten des ersten Domes zu Brixen
angestellte Priester wird im XI. Jahrh. als »custos sepulc/iria eines verstor-
benen Bischofs bezeichnet') : man ist daher wohl zu der Annahme berech-
tigt, dass die Krypten dem Dienste der Todten ausschliesslich gewidmet
waren , wobei nur die spätere allgemeine Vernachlässigung dieser unterir-
dischen Kapellen auffallen muss , wofür man bis jetzt keine andere Erklä-
rung hat, als dass die dunkelen Räume derselben seit dem XIII. Jahrh.
1) lieber Zweck und Bestimmung der Krypten: C. Haas in: Mittelalterliche
Kunstdenkm. des Oesterreich. Kaiserstaates. 2, 161 f . ; doch bleibt Kugle r 's Be-
merkung (Kl. Schriften 2, 614) über den geringen Grad von grandlicher Erkennt-
niss dieses bis jetzt nur durch Vermuthungen beleuchteten Gegenstandes auch jetzt
noch wahr.
2) Vergl. Keller, Bauriss des Klosters St. Gallen. S. 9.
3) Vergl. Mittheil, der k. k. Central-Commission. 1861. 6, 72.
Krypta.
41
dem christlichen Zeitgeiste nicht mehr entsprachen. ') Die Cisterzienser, in
ihrer Abneigung gQgen alles Entbehrliche, scheinen zuerst die Erbauung
von Krypten aufgegeben zu haben.
Fig. 1 2. Krypta unter dem Dom
lu Merseburg. *)
*) Vergl. den Grundriss der oberen Kirche S. 35.
Fig. \'^. KrypU xu Jericho w (nach r. Minutoli).
Die Krypta liegt unter dem erhöhten Chorraum*), je nach örtlichen
Verhältnissen mehr oder weniger tief in der Erde ; die ebenerdige Lage in
der Stiftskirche zu Quedlinburg ist eine Ausnahme und hatte die bedeutende
Erhöhung des Chores (s. oben S. 39) zur noth wendigen Folge. Die Be-
leuchtung der tief gelegenen Krypten, die oft nur ein kleines Fenster in der
Apsis haben, ist spärlich ; jedoch empfing die Krypta unter der Klosterkirche
zu Hersfeld durch 25 kleine Fenster reichliches Licht, und auch die sich
zugleich unter dem Querhause erstreckende weiträumige Krypta des Domes
zu Speier hatte ursprünglich 18 Fenster. Der Zugang zur Krypta pflegt in
der Mitte der auf den Chor fahrenden beiden Treppen , oder wenn nur eine
Treppe quer über die ganze Breite der Kirche auf den Chor führt , in den
Kreuzarmen oder Seitenschiffen angebracht zu sein. Die Decke ist stets
gewölbt , \md die Wölbung wird von zwei Reihen Säulen oder Pfeiler ge-
'tragen, die das Innere in drei Schiffe von gleicher Breite theilen; die
Krypta unter der E^osterkirche zu Jerichow indess hat nur eine mittlere
Säulenreihe, und ist daher zweischiffig. Als häuflg wiederkehrende Ein-
richtung kann die Anordnung einer rings an den Wänden umlaufenden,
stufenartigen Steinbank angeführt werden.
Seit dem XIII. Jahrb. wurden Krypten nicht mehr angelegt, kommen
J) Man pflegt dafür folgende Stelle des jüngeren Titurel Str. S4 (a. a. O. S. 374)
anzuführen :
»Ob da war iht grüßte f
NetHt Herre Gott, enweUe,
Dass unter erden schluffle
Reine diet sich jemer Jalech geselle,
Ms etswenn in antfften sich gesammet.
Man soll an lichter toeite
Christen-glauben künden und Christtts-ammet,«
2) Die Anlage einer Krypta an anderer Stelle der Kirche , z. B. in St. Caecilia
zu CöLn und im Dome zu Krakau am Westende , ist seltene Ausnahme , und die An-
ordnung zweier Krypten findet sich häufig in den doppelchörigen Kirchen ; vergl.
Anmerkung 3.
42 Doppelchöre.
aber bis zur gedachten Zeit unter den meisten grösseren Kirchen vor : die
kleinste und vielleicht älteste von allen ist wohl der sogenaflbte Altarkeller
im Wipertikloster vor Quedlinburg , die grosseste die unt^r dem Dome zu
Speier und die merkwürdigste die Krypta von hundert Säulen unter der
Kathedrale von Gurk in Steiermark. M
Fig. 14. Krypta zu Gurk (nach v. Quast).
Anmerkung 3. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die sogenann-
ten doppelchörigen Kirchen*), die in Deutschland, wo sie ausser
wenigen Beispielen in Frankreich (die Kathedralen zu Nevers , Verdun und
Besan9on) und England allein vorkommen, vom IX. bis zum XII. Jahrh. so
beliebt waren, dass man diese Anlage fdr jene Zeit bei grosseren Kirchen
geradezu als Norm bezeichnen darf. Sie sind stets zwei besonderen Titel-
heiligen gewidmet und stellen sich als zwei Kirchen mit einem gemein-
schaftlichen Langhause dar, von denen die eine das Sanctuarium (mit oder
ohne Apsis, und mit oder ohne Krypta) am Ostlichen Ende hat , die andere
am westlichen, so dass ihre Einrichtung gewissermaassen als Vermittelung er-
scheint zwischen dem oben (S. 11) erwähnten alten Schwanken in der Auf-
stellung des Hochaltares , ob in Osten oder in Westen. Gewöhnlich, aber
nicht immer, ist der Ostliche Chor der Hauptchor, welcher als solcher schon
durch die Anordnung des QuerschiiSes vor demselben (im Dome zu, Bamberg
z. B. aber vor dem Westchore St. Petri, als ursprünglichem Hauptchor*))
1 ) Die sich hin und wieder vorfindenden unterirdiBchen Kapellen aus späterer
Zeit, 2. B. unter der Petri-Paulikirche zu Görlitz aus dem XV. Jahrb., können nicht
als eigentliche Krypten zfihlen. Auch bleibt es unentschieden , ob in den im allge-
meinen sehr selten vorkommenden zweistöckigen Kirchen (z. B. Neuweiler im Elsas»,
Kloster Göllingen in Thüringen, heil. Kreuzkirche zu Breslau) das Erdgesohoss die
Bestimmung als Krypta gehabt haben mag. Besonders merkwürdig ist die Salvator-
kirche in Passau, welche aus drei über einander liegenden Räumen besteht.
2) Eine kritische Zusammenstellimg der verschiedenen Ansichten über den
Zweck der Westchöre: Otte, Gesch. der deutschen Baukimst S. 273; ein Beispiel
aus der alten nordafrikanischen Kirche des V. Jahrb., die Basilika des Keparatus zu
OrleansviUe, wo das Grab eines Bischofs die Veranlassung zum Einbau einer westli-
chen Concha gab, s. ebd. S. 33, und ein Beispiel des VII. Jahrh. in England, die
Kirche zu Abbendon, ebd. S. 143. Vergl. auch Roisin, Ferd. de, la Cath^drale de
Treves (Paris I80I) p. 53 sq.
3) Qiesebrecht,W., Gesch. der deutschen Kaiserseit. 2, 61 u. 580. — Auch
in den doppelchörigen Kirchen St. Emeram und Obermünster, sowie in der Schotten-
kirche St. Jakob zu Regensburg liegt das QuerschifT in Westen.
Doppelchöre.
43
bezeichnet wird, wenn nicht (wie in St. Michael zu Hildesheim] zwei Quer-
schiffe beliebt sind.
Den Ursprung der Westchöre in Deutschland hat man in dem von
Bonifacius gegründeten Kloster Fulda zu suchen. Die erste , dem Salvator
gewidmet« Kirche war unter dem ersten Abte Sturm zwar vollendet worden,
indess Baugolf, der zweite Abt, erweiterte den Bau durch Errichtung eines
Tempels an der Ostseite mit Hilfe des baukundigen Ratger , und letzterer,
selbst Abt seit 803, fögte einen ähnlichen grossartigen Bau an der West-
seite hinzu, so dass das Ganze eine Kirche bildete ; der folgende Abt Eigil
legte darin zwei Krypten an, die eine im westlichen, die andere im östlichen
Bau, und bei der neuen Weihe des Ganzen 819 wurden die Gebeine des
Bonifacius in den westlichen Bau übertragen. *) Bei der hohen Verehrung,
deren dieses Grab genoss , erlangte der Westchor den höheren Rang und
wurde bei dem letzten Neubau des Domes zu Anfang des XVIII. Jahrh.
allein erneuert. Das nächste Beispiel liefert der Bauplan des Klosters
Fig. 15. Kirche von 8t. Oallpn (nach dem BanriM Tom J. 820).
St. Gallen vom J. 820 (s. oben S. 28), wo die Kirche bereits mit zwei Chören
entworfen ist. Der östliche Chor »sancia sanclorumn stufenerhöht, mit
einer Krypta unter und dem Querschiffe vor demselben, enthält in der Mitte
über dem Grabe des heil. Gallus einen diesem und der Jungfrau Maria ge-
widmeten Altar und in der Exedra (Apsis) einen Altar des Ap. Paulus,
welcher der Titelheilige der bis dahin bestandenen Klosterkirche gewesen
war ; der westliche Chor » cAorus « erscheint untergeordnet, ohne Krypta und
deshalb nicht erhöht, und in der Exedra steht ein Altar des heil. Petrus,
dem jene Kapelle gewidmet gewesen war, rings um welche der heil. Gallus
die ersten Zellen zweihundert Jahr früher errichtet hatte. *) So vereinigte
die neuprojectirte Kirche die beiden früheren HeiHgthümer des Klosters
unter einem Dache und repräsentirte dieselben in den beiden Chören.
Gleichzeitig wurde zu Cöln ein neuer Dom , und nicht auf der Stelle des
früheren, mit zwei Chören erbaut, von denen der östliche dem heil. Petrus
(vielleicht als Patron der bisherigen bischöflichen Kirche), der westliche der
heil. Maria geweiht war') — Im X. Jahrh. wurde der Bischofssitz in Sähen,
dessen Patron der heil. Ingenuin war, nach Brixen verlegt, und der daselbst
1) Rettberg, F., Kirchengeschichte Deutschlands. 1, 625.
2) Otte, a. s. O. 8. 94 f. 3) Ebd. S. 92.
44
Doppelchöre.
neu errichtete doppelchOrige Dom dem genannten Heiligen und dem ur-
sprünglichen Brixener Patrone Petrus dedicirt*), und dieselbe Veranlassung
zur Errichtung eines Westchores mag sich öfter gefunden haben, wo
Bischofssitze verlegt wurden (wie der von Zeitz nach Naimiburg im XI.
Jahrh.), oder wo neue Stiftungen bei bereits vorhandenen älteren Kirchen
stattfanden und dies Anlass zu einem Neubaue gab. So erklärt es sich
auch, dass in vielen Fällen der Ostchor dem Stifte, der Westchor der Pfarr-
gemeinde überwiesen wurde , das Gebäude also zwei Kirchen in sich ver-
einte. Dabei soll übrigens nicht in Abrede gestellt werden, dass, nachdem
das aufwändige doppelchOrige Schema erst einmal aufgekommen war, die
grosse Baulust der Prälaten des XI. Jahrh. sich in der Nachahmung dessel-
ben gefiel , und die Anlage eines westlichen Chores , als besonders ausge-
zeichneter Kapelle zu Ehren irgend eines beliebten Heiligen, willkommen
erschien.
^r y *f Je f^jf i^ ^f ffp ^ jfs^
Fig. 16. Dom lu Bamberg (nach Landgraf).
DoppelchOrige Kirchen : Ehemalige Klosterkirche in Fulda , Plan von
St. Gallen, ehemaliger Dom in Cöln, Dome zu Verdun (ursprünglich) und
Trier , Dom und St. Stephan zu Mainz, Dom zu Worms, Münster in Bonn,
Abteikirche zu Laach , Stiftskirche zu Knechtsteden , heil. Kreuzkirche zu
Lüttich, Dom zu Basel (ehemals) , Kirchen zu Mittelzell, OberzeU und Unter-
zell auf Reichenau , St. Emeram und Obermünster in Regensburg , Kirche
zu Nabburg , Dome zu Brixen (ehemals) , Augsburg , Eichstädt , Bamberg,
St. Jacob in Rothenburg a. d. T. , Sebaldskirche in Nürnberg, Abteikirche
zu Hersfeld , Dom zu Naumburg , Klosterkirchen zu Gemrode , Drübeck,
Huyseburg, St. Michael und St. Godehard in Hildesheim, Dome zu Bremen
und Münster, Münsterkirche in Essen. — Die späteste Anlage dieser Art
ist der im XV. Jahrh. errichtete Westchor der Katharinenkirche zu Oppen-
heim , deren älterer Bau einen solchen nicht gehabt zu haben scheint.
20. Das Querhaus ist derjenige Theil des Kirchengebäudes,
welcher demselben die Kreuzgestalt verleiht und wird deshalb auch
das Kreuz genannt : es besteht aus dem Kreuzmittel [meditullium]
und den beiden Kreuzarmen [plaga septentrionalis und plaga
1) Mittheil, der k. k. Central-Commission. 1S61. 6, 71.
Querhaus.
45
attstralü) und bildet^ wenn der hohe Chor auf das Altarhaus be-
schränkt ist, innerlich einen freien Raum, das Querschiff [transen-
na) ; andernfalls, wenn das Kreuzmittel zum hohen Chore gezogen
und von Scheidewänden abgeschlossen ist (wie im Dom zu Merseburg,
s. den Grundriss S. 35), erscheinen die Kreuzarme [transeptä) als ab-
gesonderte Seiteukapellen.
In der alten Kirche , welche nur die Apsis nicht aber das spätere
Altarhaus kannte , lag das von Schranken umzogene Allerheiligste , mit
dem Altar m der Mitte, am Ende des Langhauses , und die beiden rechts
und links von den Schranken befindhchen Räume [transepUt) waren far
besonders geehrte Gemeindeglieder bestimmt: der südliche {senatorium)
für die obrigkeitlichen Personen, der nördliche [tnatronaeum] für die
Matronen. Aus dieser Anordnung ging dann anscheinend nicht ohne
Einfluss der Symbolik (s. oben S. 16) das Querhaus der Kirche hervor,
welches indess Anfangs nur über die Breite des Langhauses reichte und
der späteren über dieselbe hinaustretenden Vorlagen entbehrte, doch
fehlen letztere auch im M. A. zuweilen , z. B. an der Stiftskirche zu
Gemrode, wo das Querhaus nur vim eine Mauerdicke über das Langhaus
vortritt , oder an den Domen zu Gurk und Regensburg , wo es mit den
Seiten wänden des Langhauses in derselben Flucht liegt. Normal besteht
das Querschiff aus drei Quadraten, welche durch hohe Gurtbögen von
einander geschieden werden, und das Vortreten der Kreuzflügel über das
Langhaus beträgt Ve der ganzen Länge des Querhauses ; es vermindert
sich, wenn die Seitenschiffe des Langhauses breiter, und vergrösser t sich,
wenn sie schmaler angenommen sind, als die Regel mit sich bringt. Das
I ii I I I
_l U0PSh^
Fif. 17. GrundriM der Kloetorkirche lu Herafeld (nach r. Qowt).
Maximum in der räumlichen Abmessung zeigt das Querhaus der Kloster-
kirche zu Hersfeld und zwar innerlich um so wirkungsvoller , als hier die
bei einer Kirche mit flacher Holzdecke nicht constnictiv nothwendigen
trennenden Gurtbögen weggelassen sind (was öfter vorkommt z. B. in
den Stiftskirchen zu Gernrode und Quedlinburg , in der Klosterkirche zu
46 Qu^rhau8.
Frose und in der Neumarktskirche zu Merseburg etc.) ^ und das Guize
also ein völlig freies Schiff bildet. — Die Anordnung zweier Seitenschiffe
an der östlichen und westlichen Seite des Querhauses im Dome zu Cöln
und in der Marienkirche zu Danzig (wo jedoch dem nördlichen Flügel
das östliche Seitenschiff fehlt) verstärkt die Wirkung dieser grossartigen
Gebäude. Häufiger kommt nur ein Seitenschiff, und zwar an der Ostseite
der Kreuzarme vor, z. B. am Dome zu Stendal und besonders bei den
Cisterziensem) , welches jedoch gewöhnlich durch eine Scheidewand
innerlich in zwei Kapellen getheilt ist. — Die apsidenförmige Büdung
der beiden Fronten des Querhauses im Halbrund oder Halbpolygon , die
s. g. Drei - Conchenanlage , ist nach dem Muster der Elirche Maria auf
dem Capitol in Cöln in dieser Stadt und am ganzen Niederrhein bis ins
XIII. Jahrh. beliebt, und findet sich unabhängig von diesem Locale auch
an der Elisabethkirche in Marburg und an dei heil. Kreuzkirche zu Bres-
lau in Polygonschlüssen.
Fig. 18. St. Maria auf dem Capitol in Cöln (nach Boisscrie).
Das Querhaus ist kein unentbehrlicher Theil der Kirche, weshalb
es bei den (einschiffigen) Landkirchen wegbleiben durfte und hier nur
ausnahmsweise vorkommt, z. B. zu Grossen - Linden bei Giessen , zu
Wiesenburg bei Beizig, mehrfach in Böhmen (Hostivar, Tismitz, St.
Jakob bei Kuttenbergj und in westfälischen Nonnenklöstern (Vreden,
Asbeck , Oesede , Fröndenberg) ; in Süddeutschland indess sind Kreuz-
kirchen die Ausnahme, imd das Fehlen des Querhauses bildet schon in
älterer Zeit auch bei grösseren Kirchen die Regel : Dom zu Gurk (nach
ursprünglichem Plane) , Michaeliskirche zu Altenstadt bei Schongau,
Stiftskirche zu Ilmmünstera. d. Dm, Klosterkirche zu Thierhaupten etc.
Wie bereite oben S. 16 bemerkt, fand die Kreuzform der Kirchen
Nebentribunen.
47
seit etwa der zweiten H&lfte des XHI. Jabrh. bei neuen Anlagen über-
haupt nur noch seltene Anwendung.
Fi^. 19. Dom lu Gurk (nach v. Quast).
Die zuweilen vorkommende Anlage zweier Querhäuser, eines vor
dem Ostlichen, das andere vor dem westlichen Altarhause (Michaeliskirche
in Hildesheim, Abteikirche zu Laach, Dom zu Münster) erklärt sich aus
der doppelchörigen Anlage der betreffenden Kirchen (s. oben S. 42 An-
merk. 3), sowie die Anordnung nur eines Querhauses, aber vor dem
Westchore (s. oben ebd.] daraus, dass dieser ursprünglich der Haupt-
chor gewesen sein wird.
Anmerkung. An der Ostseite des Querschiffs finden sich in man-
chen Gegenden Deutschlands fast regelmässig (etwa bis zur Mitte des XIII.
Jahrh.) als passender Abschluss der Seitenschiffe des Langhauses zwei
kleine Nebentribunen {concAulae, apsidiolae; vergl. den Grundriss des
Domes zu Merseburg S. 35 unter z) , welche zwar eigentlich im Oriente
heimisch sind, aber doch auch schon an der Kirche des Paulinus von Nola
im Y. Jahrh. vorkommen. ') Sie dienen in den mittelalterlichen Kirchen
Fig. 20. Kloaterkirche la Paulinxelle (nach Puttrich).
Deutschlands zur Aufstellung von Altären, werden auch in verdoppelter
Zahl (Paulinzelle , Königslutter, Sangerhausen) und mit Vorlegung von
viereckigen Räumen (häufig bei den Cisterziensem , paarweise und seiten-
schiffartig die ganze Breite der Kreuzvorlage einnehmend: Zinna, Loc-
cum etc.) als vier abgesonderte Kapellen angebracht. — In den Domen zu
1} Paulin. ep. 32 ad Severum n. 13: cum duabus dextra laeraque conchulis
. . . apBiB . . . laxetur ; una earum immolanti hostias jubilationis antistiti patet, altera
48 Langhaus.
Magdeburg und Speier finden sich die Nebenapsiden als Eintiefungen in
der geraden Östlichen Schlusswand der Kreuzvorlagen. — In gothischen
Kirchen erscheinen die früheren Conchulae [z. B. am Dom zu Regens-
burg etc. ) als polygonisch geschlossene Nebenchöre, die zuweilen dem
Hauptchore nicht parallel , sondern schräg nach aussen tretend angeordnet
sind ', Stadtkirche zu Ahrweiler; am Dome zu Xanten den verdoppelten
Seitenschiffen entsprechend zu zweien auf jeder Seite] .
21. Das Langhaus [exterior domus) , d.h. das Schiff {navts
— also benannt von der länglichen Gestalt) mit seinen Seiten-
schiffen [Ahaeiten, portictis, latera] ist als der weiteste Raum der
Kirche fiir die Gemeinde bestimmt^ wobei nach alter Sitte eine Tren-
nung der Geschlechter statt fand y so dass entweder die Männer die
Südseite^ die Frauen die Nordseite einnahmen^ oder die Männer
vorn, die Frauen hinten standen. *)
Die Bezeichnung des Langhauses als »exterior domusfn findet sich
bei Sidonvis Apollinarü (f 482), ep. 4, 18.*) — Dass der Name Schiff
(tfcivgj navis), auf das Kirchengebäude angewandt, sich zunächst auf die
längliche Form bezieht, geht aus Const. apostol. 2, 57 (s. oben S. 15
zu 8. 14) deutlich hervor: die symbolische Beziehung wird erst an die
Schiffgestalt angeknüpft.
Das Schiff hat normal die dreifache Länge des Aharhauses, welches
am Dome zu Merseburg (s. den Grundriss S. 35) innegehaltene Ver-
hältniss im Allgemeinen bis ins XIII. Jahrh. als Regel galt. Verkürzun-
gen gegen dieses Normalmaass kommen nur bei kleineren Kirchen vor,
Verlängerungen sind dagegen häufiger; die langgestrecktesten Maa.sse
finden sich in einigen Kirchen der Cisterzienser, z. B. zu Pforta und
Chorin, wo das Schiff die übermässige Länge von 5 bis 6 Einheiten hat.
Bei allen diesen Maass Verhältnissen ist jedoch die mittelalterliche Sorglo-
sigkeit in solchen Dingen (S. 29. Anmerk. 3) stets in Anschlag zu brin-
gen. — Die Seitenschiffe haben zwar gewöhnlich die halbe Breite des
Hauptschiffes (Plan von St. Gallen , Dome zu Mainz , Halberstadt , Mer-
seburg , Meissen , Verden) , indessen sind sie , namentlich in Kloster-
kii-chen, zuweilen auch schmaler als die Hälfte, häufiger jedoch breiter ; in
einzelnen Fällen sind die drei Schiffe nicht bloss von gleicher Breite unter
post sacrificium , capaci sinu receptat orantes. — Die conchula a dextra apsidis (die
orientalische 7Tq6^(Gis) beschreibt er (Poem. 27 v. 180 sqq.) also:
Hie locus est veneranda penus, qua conditur, et qua
Promitur alma sacri pompa ministerii.
Die conchula a sinistra apsidis (das Siaxovtxov) mit der Ueberschrift :
Si quem sancta tenet meditandi in lege voluntas,
Hie poterit residens sanctis intendere libris.
Vergl. Rheinwald, Archäologie. S. 137.
1) Durand, Rationale I, 1 n. 46: Masculi in australi, foeminae autem in
boreali parte manent. — n. 47: Secundum alios vero viri in parte anteriori, mulierea
in posteriori parte manent. — Da die Cisterzienserkirchen von keiner Frau betreten
werden durften, so wurde häufig in einiger Entfernung von denselben eine besondere
Kapelle für das weibliche Geschlecht angelegt. Vergl. Kl öden, C. F., Zur Gesch.
der Marienverehrung in der Mark Brandenburg. S. 36.
2) Vergl. Mone, in der Zeitschr. für die Gesch. des Oberrheins. VIIL 4, 424.
Hauptschiff und Seitenschiffe.
49
einander , sondern
die
5 Neben«chiffe übertreffen selbst die Brei
Hauptschiffes.
Verhältniss der Breite des H
aupti
Schiffes zu
Seitenschiffen
'}
Dom
in
Bamberg
47
: 26 (27).
Basel
43
: 18.
Brandenburg
45
14.
Erfurt
11
. 13.
Freiburg
19
: 15.
Lübeck
180
: 98 (87).
Magdeburg
4
: 3.
Paderborn
82
: 50 (55).
Regensburg
486
: 349.
Soest
34
13.
Speier
44
25.
Strassburg
7
4.
Trier
58
: 33.
Wien (ungeföhr)
1
1.
Klosterkirche
in
Berlin
58
• 39.
Minoriten in Cöln
64
29.
in
Echtemach
131
: 57 (62).
Otterberg
34
: 12(15).
St.
Mich, in Hildesheim
6
5.
in
Huyseburg
50
17.
Jerichow
32
15(14).
Limburg a. d. H.
77
40.
Memleben
2817
1517 (1458)
Petersberg b. Halle
25
17 (16).
Pforte
177
: 83 (99).
Riddagshausen
68
21.
Zinna
79
30.
Marienkirche
in
Arnstedt
28 .
13.
Danzig
68 :
57.
Dortmund (etwa)
3
2.
Lübeck
99 :
64.
Stiftskirche
in
Gemrode
7 :
4.
St.
Georg in Prag
22
9 (7).
in
Quedlinburg
33 :
16.
Aegidienkirche
in
Braunschweig
72
42 (45).
Andreaskirche
in
«
45 :
49.
Katharinenkirche
in
« (ungefähr) 1 :
1.
Martinikirche
in
«
239 :
249 (240).
Reinoldikirche
in
Dortmund (etwa)
3 :
2.
Kirche
in
Adorf
16 :
5.
Brenken
3 :
1.
Merzig
23 :
13.
Salzkotten
20 :
7.
1 } Die eingeklammerten Zahlen bezeichnen das südliche Seitenschiff.
0 1 1 e I Kunst- Archäologe. 4
50 Seitenschiffe. Chorumgang.
Die vorstehenden Beispiele zeigen, dass in mehreren Fällen die
. Seitenschiffe auch unter sich von ungleicher Breite sind , was entweder,
wie z. B. in Pforta, auf localen Umständen (Umbau einer vorhandenen
älteren Kirche) oder lediglich auf der mittelalterlichen Gleichgütigkeit
gegen dergleichen Unregelmässigkeiten beruht. Am stärksten ist jedoch
gegen alles Ebenmaass gesündigt in der Katharinenkirche zu Lübeck, wo
das nördliche Seitenschiff, in Westen spitz zulaufend, die Grundform
eines Dreiecks hat. — Das Minimum für die Breite der Seitenschiffe be-
trägt etwa Ys der Breite des Mittelschiffs und kommt ausser in St. Georg
zu Prag und zu Riddagshausen bei Braunschweig namentlich in Westfalen
(Brenken bei Paderborn und Salzkotten) und im Waldeckischen in den
kleinen Kirchen zu Adorf, Flechtdorf und Twiste vor.
Die Seitenschiffe haben die Länge des Hauptschiffes und laufen
durch einen offenen Bogen in das Querschiff aus ; in Kirchen ohne Quer-
haus schneiden sie entweder mit geradliniger Ostwand ab (Franziscaner-
kirchen zu Soest, Berlin, Jüterbog etc. ) , so dass sich jenseits der Chor
einschiffig fortsetzt, oder das ganze Gebäude bildet drei Schiffe von
gleicher Länge (wobei sich in Kreuzkirchen die Abseiten jenseits des
Querhauses neben dem Chore fortsetzen : Ulrichskirche zu Sangerhausen,
Klosterkirche zu Lippoldsberg) , welche entweder mit drei Apsiden (Dom
zu Gurk und fast regelmässig in den nur aus drei Langschiffen bestehen-
den romanischen Kirchen in Bayern und Schwaben; Klosterkirche zu
Paulinzelle , Ulrichskirche zu Sanger hausen) , oder in drei Polygonab-
schnitten (St. Stephan zu Wien, Wiesenkirche in Soest, Kirche zu Herz-
berg a. d. Elster), oder endlich dreiseitig schliessen, so dass das Ostende
(wie an der Kirche zu Baruth) als Viereck mit abgeschnittenen Ecken
erscheint. Sehr häufig setzen sich die Seitenschiffe nicht bloss im Chore
fort, sondern bilden, ohne Zweifel zur besseren Entfaltung der Processio-
nen, einen Umgang rings um denselben (St. Maria auf dem Capitol in
COln ; Dome zu Halberstadt und Münster , Nicolaikirchen zu Berlin und
Jüterbog etc.)7 an welchen sich seit der Mitte des XII. Jahrh. zuweilen
eine Reihe von kleinen Kapellen anschliesst, die, wie an den rechteckig
geschlossenen Cisterzienserkirchen zu Riddagshausen und Ebrach, ent-
weder äusserlich wie ein zweiter niedrigerer Umgang erscheinen, oder,
nach dem Muster des französischen Kathedralenstyls , aus dem Chorum-
gange radienartig hervortretend und wie letzterer halbkreisförmig (St.
Godehard zu Hildesheim ; Cisterzienserkirche zu Marienstadt im Nassau-
ischen) oder polygonisch gestaltet, einen Kranz um das Chorhaupt der
Kirche bilden ■* Dome zu Magdeburg und Cöln, Cisterzienserklosterkirchen
zu Altenberg bei Cöln und Doberan, Dome zu Schwerin und Prag, Kirche
zu Kuttenberg, Münster zu Freiburg i. B. — Wenn die Seitenschiffe
einen Umgang um den Chor bilden , so ist dieser durch eine steinerne
Brüstungswand von dem Umgange abgeschlossen.
Seit der Mitte des XIII. Jahrhunderts kommen auch (gewissermassen
eine Reminiscenz an die fünfschiffigen Basiliken des christlichen Alter-
thums) Kirchen mit vier Seitenschiffen vor, theils nach ursprünglicher
Anlage ( Dom zu Cöln, Stiftskirche in Xanten , Marienkirche in Mühl-
hausen, Severikirche in Erfurt etc.) theils in Folge späteren Anbaues
Fflnfschiffige Und zweischiffige Kirchen.
5t
(Dome zu Basel, Ulm und Braunschweig; Marienkirchen zu Frankfurt a.
O . und Colberg ; die Pe tri- Paulikirchen zu GOrlitz und auf dem Wysherad
in Prag; Petrikirche zu Lübeck etc), zum Theil mit niedrigeren Seiten-
Fi;. 21. Dom zu Cöln (nach BoiMer^e).
schiffen, zum Theil mit fünf gleich hohen Schiffen. — In reichster
und grossartigster Entfaltung erscheint der Grundplan des Domes von
Cöln ; das Langhaus ist fünfschiffig , das Querhaus dreischiffig , die
Seitenschiffe setzen sich neben dem Langchore fort, das innere Seitenschiff
bildet einen Umgang um den polygonen Chorschluss , rings um welchen
sich das 9xissere Seitenschiff in einen Kranz von sieben radianten Kapellen
(apsidiolae) auflöst.
Im Gegensatze gegen die reiche Anlage der Kathedralen bauten die
erst seit dem XIII. Jahrh. entstandenen Bettel- und Predigermönche ihre
einfachen Kirchen aus Ersparungsrücksichten nicht selten nur mit einem
Seitenschiffe'), welches bald nördlich , bald südlich (der Kanzel gegen-
über) angebracht wurde : die Franciscanerkirchen zu Boppard , Branden-
burg, Cleve, Dresden, Fritzlar, Görlitz, Salzwedel; die Dominicanerkir-
chen zu Elbing, Höxter und Warburg; die Kirche der Marienknechte
(St. Ulrich) zu Halle a. d. S. ; die Observantenkirche zu Hamm. Ausser
diesen dem XIV — XVI. Jahrh. angehörigen Klosterkirchen zeigen auch
einige kleine Stadtkirchen (Lichtenau und Neustadt in Hessen, Mecken-
heim am Rhein) diese Anlage, deren älteste Beispiele (die Cisterzienser-
kirche von Marienfeld bei Gütersloh und die Klosterkirche zum heil.
Kreuz bei Meissen) sich aus dem XIII. Jahrh. herschreiben. Auch die
Nicolaikirche zu Frankfurt a. M. gehört hieher.
Völlig verschieden von diesen unsymmetrischen Bauten sind diejeni-
gen zweischiff igen Kirchen, welche aus zwei, durch eine mittlere
Säulenreihe getrennten Schiffen von gleicher Breite und Höhe bestehen :
in einigen Fällen (Pechüle bei Treuenbrietzen etc.) zwar nur in Folge
1) Lotz, W., über die zweischiffigen Kirchen,
sammtvereines etc. VII. (1858. j No. 3. S. 37.
im Correäpoudenzbl. des Ge-
52
Hallenkirchen.
der späteren Einziehimg von Steinüberwölbungen statt der früheren Bal-
kendecke, meist jedoch schon nach ursprünglicher Anlage , und, zuweilen
.tJi -.
-T-Jf/'
Fig. 22. Kirclie zu Girkhausen (nach Lübke).
selbst östlich in zwei besondere Chöre auslaufend (zu Girkhausen an der
Südgrenze von Westfalen, Hallst^idt und Lunz im Erzherzogthum Oester-
reich), so dass gleichsam zwei gleiche einschiffige Kirchen neben einander
gebaut erscheinen. Das älteste Beispiel dieser Anlage ist die Nicolai-
kapelle zu Soest (etwa gleichzeitig mit der ebenfalls zweischiffigen Krypta
tmter der Klosterkirche zu Jericho w ; s. Fig. 13 S. 41 .) aus der Mitte des
XII. Jahrh. ; das merkwürdigste Beispiel ist die Pfarrkirche zu Schwaz
in Tirol: sie ist vierschiffig, mit zwei breiteren Schiffen in der Mitte,
deren jedes einen Chor für sich hat, und zwei schmäleren Seitenschiffen.
— Uebrigens besteht das Langhaus dieser Kirchen grösstentheils aus
einem kleinen quadratischen Räume mit nur einem Mittelpfeiler (beson-
ders häufig in der Moselgegend).*]
Anmerkung. Normal haben die Seitenschiffe wie die halbe Breite,
so auch die halbe Höhe des Mittelschiffes und liegen unter besonderen
Pultdächern ; Kirchen , in denen die Seitenschiffe mit dem Hauptschiffe
(ziemlich oder genau' von gleicher Höhe sind und gewöhnlich mit demselben
eine gemeinschaftliche Bedachung haben, hat man neuerdings, nach Lüb-
ke's Vorgange (s. dessen Kunst in Westfalen S. 33) und mit allseitigem
Beifall passend Hallenkirchen genannt: dieselben gehören Deutschland
fast ausschliesslich an, und in Westfalen scheinen (doch wohl kaum vor dem
XIII. Jahrhundert) die ersten noch romanischen Versuche damit gemacht
worden zu sein (Kirche zu Deme, Servatiuskirche zu Münster, Marienkirche
1) Zweischiiiige Kirchen von symmetrischer Anlage werden von Lotz (a. a. O.)
angeführt: In der Mosel- und benachbarten Rheingegend: Cues (Hospitalkap. jt
Driesüh, Graaeh, Hatzenport, Reilerkitch, Rokeskyll, Traben, Zelten (sämmtlich mit
nur einem Mittelpfeiler), Bombofen, Clotten, Bdiger, Kempenich, Mannebach, Na-
medy (mit zwei oder drei Pfeilern); in Westfalen: Apelem, Girkhausen, Soest
(Nicolaikapelle), Wewelsburg (alle mit mehreren Pfeilern] ; in Meklenburg (nach
Dr. Lisch): Ankershagen, Gnoyen, Mestlin, Reknitz, Schlagsdorf, Schwinkendorf,
Tamow; in der Provinz Brandenburg: Brandenburg (Peterskirche), Luckenwalde
(Johanneskirche), Pecihüle, und einige andere Dorf kirchen in der Gegend von Bernau;
im südlichen Böhmen : Blattna, Gojau , Sobieslau ; im Erzherzogth. Oesterreich:
Edlitz (mit einem Mittelpfeiler), Kirchberg am Wechsel, Hallstadt, Lunz ; in Steier-
mark: Judenburg, Pöllauberg; in Tirol: Pfarrkirche zu Schwaz.
Thünne. 53
.und Nicolaikirche zu Lippstadt, Dom zu Paderborn etc. etc.) , denen sich
die Elisabethkirche zu Marburg (seit 1235) als erstes gothisches Beispiel
dieser Gattung anschliesst , welche in der Spätzeit zur entschieden vorherr-
schenden wird.
22. DieThürme. *)
a. Ursprünglich hatten die Kirchen keine Thürme, und da diese
etwa mit den Glocken zugleich aufgekommen sind , welche , um weit
hörbar zu sein , in der Höhe aufgehängt werden mussten , auch bis
auf die Gegenwart die Aufnahme der Glocken als Hauptbestimmung
der Kirchthürme erscheint^ so könnte letzteres die Veranlassung zu
ihrer Entstehung gewesen sein , wenn nicht gerade die ältesten be-
kannten Thürme der Kirchen erweislich zunächst anderen Zwecken
gedient hätten.
Die ältesten Glocken waren klein und leicht : es ist daher sehr un-
wahrscheinlich, das 8 man um derselben willen besondere aufwändige
Bauten , wie es die Thürme sind , sollte aufgefQhrt haben ; dagegen war
es natürlich , die Glocken auf den Thürmen aufzuhängen , wenn letztere
bei den Kirchen bereits zu anderen Zwecken vorhanden waren. Bei der
Dunkelheit der Sache lassen sich allerlei Vermuthimgen darüber auf-
stellen , der sicherste Weg bleibt jedoch der, sich an die ältesten bekann-
ten thatsächlichen Spuren zu halten , so sparsam dieselben freilich auch
sein mögen.
b. Die Thürme sind entweder mit dem Kirchengebäude verbun-
den und erheben sich bei grösseren Kirchen der Regel nach paarweise
auf den Flanken der Westfront, oder sie stehen isolirt und einzeln
neben den Kirchen : jene waren ursprünglich Treppengehäuse [cochle-
aria), diese Wartthürme.
Unter allen Kirchen diesseits der Alpen enthält der Dom zu Trier
in seinem noch nachweislichen ursprünglichen Kerne die ältesten, aus
der Römerzeit herstammenden Ueberreste. Die neuesten umfassenden
Localuntersuchungen haben ergeben, dass die Fa9ade des ursprünglichen
Baues, den Schiffen des Innern entsprechend , sich in drei weiten Bögen
gen Westen Öfifhete : zwischen diesen Eingangsbögen traten Yerstärkungs-
pfeüer hervor, und zwei viereckige, im Grundbau nachgewiesene Treppen-
thürme standen auf den Ecken. Die in den Thürmen befindlich gewese-
nen Treppen , deren unterste Stufen noch aufgefunden wurden , führten
zu dem Oberstockwerk \md unter das Dach des Gebäudes. *) — Das von
Karl dem Grossen erbaute, noch erhaltene achteckige Münster zu Aachen
zeigt auf den Flanken seines westlichen Vorbaues zwei runde Treppen-
1) Weingärtner, W.» System des christl. Thurmbaues. 1860. — Ungar, F.
W., zur Gesch. der Kirchthürme, in den Jahrbüchern des Vereins von Alterthums-
freunden im Rheinlande XXIX. und XXX. S. 21—64. — Vergl. Klein, J. Vß.,
die Kirche zu Grossen-Linden bei Giessen. 1857. S. 30 ff.
2) Roinin, Ferd. de, La Cath^drale de Trdves. (Paris) 1861. p. 36. 103; vergl.
0 1 1 e , Gesch. der deutschen Baukunst. S. 2S 1 .
54 Thürme.
thOrme, in denen man die Empore der Kirche und ein drittes, nicht mehr
ursprüngliches Stockwerk der Vorhalle ersteigt, das zur Aufnahme der
Glocken bestimmt war. — Der westliche Nonnenchor des Münsters zu
Fig. 23. MQn0ter lu Aachen (nach Mertena).
Essen aus dem X. Jahrh. steht ebenfalls zwischen zwei kleinen Rund-
thürmen mit Wendelstiegen, die auf die Empore und in die oberen Stock-
werke des Chores führen, dessen achteckiger Hochbau die Thürme über-
ragt. Dies sind die sich darbietenden ältesten Beispiele ^) , denen sich
überdies andere aus dem XI. Jahrh. anreihen, und die hinlänglich be-
weisen , dass die ältesten in Verbindung mit Kirchengebäuden vorkom-
menden Thürme ganz mit Treppen angefüllte, und zur Aufnahme von
Glocken nicht geeignete Stiegenhäuser von geringem Durchmesser (in
Essen 9 F. im Lichten) waren, welche, ursprünglich das Gebäude nicht
überragend, zuweilen später durch Aufsetzung eines mit Schallöffnungen
versehenen Stockwerkes erhöht und als Glockenthürme eingerichtet wur-
den. *) Die paarweise Anordnung erklärt sich aus Rücksichten auf die
Symmetrie hinlänglich; bei der Enge dieser Schneckenstiegen könnte
der eine Thurm den Hinaufsteigenden , der andere den Hinabsteigenden
gedient haben.
Anderweitig begegnen wir in den klösterlichen Niederlassungen der
Schottenmönche, welche seit dem VII. Jahrh. Deutschland missioni-
rend durchwanderten, in dem mit ihren Wohnhütten erfüllten umschlosse-
nen Räume neben der Kirche festen Rundthürmen , die zwar wohl mit
einer kleinen Blechglocke versehen, doch zunächst als Warten und in
Zeiten der Noth als Zufluchtsorte dienten. ') Den thatsächlichen Beweis
liefert der Plan des Klosters St. Gallen vom J. 820 (s. oben S. 28) :
wir finden hier westlich von der Kirche (s. Fig. 15 S. 43) , in einiger
1) Den von Klein a. a. O. S. 40 aus Venantius Fortunatus lU, 7 ▼.
19 ff. hergeleiteten und von Weingärtner a. a. O. S. 67 wohl zu vorschnell auf-
genommenen Beweis , dass die Kirchen schon im VI. Jahrh. mit zwei wirklichen
Frontalthürmen versehen gewesen seien, hat Unge r a. a. O. S. 25 ff. widerlegt.
2) Vergl. die Aeusserung von J. F. Lange auf der Archäologen- Versammlung
in München, im Correspondenzbl. des Qesammt- Vereins etc. VIII. (1S60.) No. 13
—15. S. 132.
3) Wattenbach, in der Zeitschr. fflr christl. Archäologie und Kunst. 1, 23;
vergl. Schnaase, Gesch. der bild. Künste. IV. 2, 416.
Thurmetellung. 55
Entfemting von dem haibkreisfönnigen Säulenvorhofe derselben, zu
beiden Seiten des von aussen in das Kloster führenden Weges zwei
symmetrisch gestellte mit Wendeltreppen gefoUte Rimdthürme angegeben,
den nördlichen mit der ihn deutlich als Warte bezeichnenden Einschrift
» ascensus per cocleam ad universa superinspicienda « und den südlichen
(ii alter eimilisa] zu gleichem Zweck, und wegen der Stellung auf beiden
Seiten des Zuganges zum Kloster ersichtlich auch zur Yertheidigung
desselben gegen feindliche Angriffe. ^)
Die isolirte Stellung der Glockenthürme , gewöhnlich neben
einer Langseite der Kirche,, die in Italien zur stehenden Sitte geworden
ist, kommt in Deutschland, abgesehen von vereinzelten und zuföUigen
Beispielen (der rothe Thurm auf dem Markte in Halle a. d. S., die
Thürme bei der Bartholomäikirehe zu Zerbst, der Johanneskirche zu
Luckenwalde, bei der vormaligen Klosterkirche in Amdsee , beim Dome
zu Frauenburg etc.), nur provinziell verbreitet vor: in Schwaben (bei
der Petri-Paulikirche in Hirsau , bei der abgetragenen Klosterkirche zu
Petershausen vor Constanz , beim Münster zu Mittelzeil auf Reichenau) ;
in Böhmen, in dessen östlicher Hälfte sich hölzerne Glockenhäuser vom
einfachsten , oben gabelmässig getheilten und mit einem Dächlein ge-
krönten Balken in allerlei Abweichungen bis zum grossen Glockenthurme
(z. B. neben der Georgskirche in Pfaslawic bei Turnau, von etwa 80 F.
Höhe auf achteckigem Unterbau) aller Orten, selbst in Dörfern ohne
Kirchen vorfinden *) , ein isolirter Steinthurm auch neben der Bartholo-
mäikirehe zu Kolin; ebenso in dem benachbarten Oberschlesien
neben den S. 26 erwähnten Holzkirchen; in Ostfriesland, wo alle
KirchthÜrme isolirt stehen, mit alleiniger Ausnahme des alten verfallenen
Thurmes von Marienhave und eines ganz neuen zu Leer. ^)
c. Bei kleineren, besonders bei einschiffigen Kirchen genügte
als Glockenhaus ein Thurm, normal als Vorlage vor der Mitte der
Westfront, doch wurde in manchen Gregenden und namentlich in
Niederdeutschland auch bei grösseren mehrschiffigen Kircheu und
Kathedralen häufig nur ein Thurm angeordnet ; d. h. man Hess die
Treppenthünne auf den Seiten weg und bildete die Vorhalle zum
Glockenthurme aus.
Vielleicht das einzige Beispiel einer Landkirche mit zwei westlichen
(Rund-) Thürmen ist die kleine, nur etwa 90 F. lange einschiffige Kreuz-
kirche zu Grossen-Linden bei Giessen (vermuthlich aus dem XII. Jahr-
hundert) , mit überdies noch einem dritten Thurme über dem Kreuze
(s. unten S. 57). — Als älteste Beispiele von der Anordnung nur eines
Thurmes bei bischöfiichen Kathedralen sind die Dome zu Minden und
Paderborn aus dem XI. Jahrh. zu nennen : in Minden legt sich dem west-
1) Für die Ansicht, dass Befestigungsrücksichten die Kirch thürme yeranlasst
hätten , erklärt sich VioUet-le-Duc, Dictionnaire raisonn^. a, 2S l ff. (Art.
»Clacher«).
2) Grueber, Bernh., in den Mittheil. derk. k. Central-Commiss. IS56. 1, 2-17,
3) üngera. a. O. S. 31.
56
Anzahl der Thflrme.
liehen Ende der Kirche in ganzer Breite eine Baumasse vor, die erst in
beträchtlicher Höhe ein quadratisches Stockwerk aus ihrer Mitte aufsteigen
lässt ; in Paderborn hat der viereckige Thurm nur die Breite des Mittel-
schiffes und wird von zwei halb so hohen runden Treppenthürmen flan-
kirt. — Die grossartigen Münster zu Freiburg i. B. und zu Uhn (aus
dem XIII. und XIV. Jahrh.) haben ebenfalls nur einen vor der Westfront
aufsteigenden Thurm : beide gehören zu den prachtvollsten Thurmbauten
Deutschlands. — Nicht immer bildet der Thurm eine Vorlage an der
Westseite der Kirche , sondern erhebt sich auch oft aus der Mitte der
Front, z. B. an der Frauenkirche zu Esslingen, deren Thurm (aus dem
XV. Jahrh.) der Stadt zur schönsten Zierde gereicht.
d. In der Zeit vom XI. bis XIII. Jahrhundert machte sich da.s
Streben geltend , ausgezeichnetere Kirchen durch Vermehrung der
Anzahl der Thürme noch besonders zu verherrlichen, indem man
ausser den beiden westlichen Thürmen noch zwei andere zu den
Seiten des Altarhauses anordnete und ausserdem, vorzüglich am Rhein,
noch einen Mittelthurm über der Durchschneidung des Lang- und
Querhauses errichtete. Später wurde die Anzahl der Thürme wieder
beschränkt, und man suchte den Ruhm nicht mehr in der Vielheit,
sondern in der Höhe der Thürme.
Die Entstehung eines zweiten Thurmpaares in Osten auf den Flan-
ken des Altarhauses wird aus der doppelchörigen Anlage (s. oben S. 42)
völlig erklärlich , wenn man diese Gebäude ansieht als zwei entgegenge-
setzt orientirte Kirchen mit gemeinschaftlichem Ijanghause, von denen^
die östlich orientirte ihre Thürme in Westen, die westlich orientirte die-
selben in Osten erhielt, und diese Auffassung bestätigt sich ferner als
richtig durch die Wahrnehmung, dass bei doppelchörigen Kirchen mit
zwei Querschiffen (Abteikirche zu Laach, St. Michael in Hüdesheim)
Fi;. 24. Klosterkirche St Michael in Hildesheim (nach Hwe).
Höhe der ThOrme. 57
auch zwei Mittelthünne , der eine über dem östlichen , der andere über
dem westlichen Kreuze angeordnet wurden ; oder , wenn nur ein Quer-
schiff vorhanden war, wie an den Domen zu Mainz und Worms, ein
zweiter Mittelthurm über dem zweiten Altarhause. — Die Entstehung
und Verbreitung der im Rheinlande häufigen, auch in Westfalen (Dom zu
Osnabrück, Münster in Hameln, Ludgerikirche in Münster) vorkommen-
den achteckigen, eine hohe Kuppel umschliessenden Mittelthürme wird
aus dem Einflüsse des karolingischen Centralbaues in Aachen erklärlich,
ohne dass es nöthig wäre, direct an byzantinische Vorbilder zu denken.
In anderen Gegenden sind die Mittelthürme selten (St. Michael und St.
Godehard in Hildesheim, Stiftskirche zu Königslutter, Kirche zu Kloster-
Groningen, Stadtkirche zu Freiburg a. d. U., Nicolaikirche zu Treuen-
brietzen), umschliessen nicht wie am Rheine und in Westfalen eine Kup-
pel (nur die kleine Schlosskirche zu Querfurt zeigt eine solche) und
kommen nach dem XIII. Jahrh. in Deutschland überhaupt nicht mehr
vor : die Katharinenkirche zu Oppenheim bietet anscheinend das einzige
Beispiel eines rein gothischen Mittelthurmes dar.
Für die Höhe der Thürme gab es kein Maass : die älteren Thürme
sind nur niedrig , aber in der Blüthezeit der mittelalterlichen Baukunst
baute man sie gern so hoch als möglich , und obgleich die Thürme der
grösseren Kirchen gewöhnlich schon mit dem Altarhause zugleich in Angrifi'
genommen wurden, so waren sie doch regelmässig derjenige Theil des
Gebäudes, an dessen Vollendung man zuletzt ging, und sind deshalb ge-
wöhnlich unvollendet geblieben (Dome zu Cöln, Regensburg, Ulm etc.),
oder es wurde doch nur einer der projectirten beiden Prachtthürme fertig
(Münster zu Strassburg, nach verändertem Plane ; Stephan zu Wien etc.).
— An den Domen zu Magdeburg und Cöln ergiebt sich die Länge der
Kirche ungefähr als Maass für die Höhe der Thürme.
Als die höchsten Thürme in deutschen Landen werden genannt:
Thurm des Münsters zu Ulm, projectirt auf . 482,u F. rh.
(jetzt nur 324 F.)
Thürme des Doms zu Cöln, projectirt auf 474,3
Thurm des Münsters zu Strassburg (projectirt auf 596, jg) 452
Thurm der Martinskirche zu Landshut 448
Hauptthurm des Stephansdoms zu Wien, mit der 1842 auf-
gesetzten, jetzt wieder abgetragenen gusseisernen Spitze 438,4
(vorher nur 434,^)
Andreasthurm zu Braunschweig, bis 1551 426
(jetzt nur noch 322)
Elisabeththurm zu Breslau 416
(seit 1529 nur noch 289)
Michaelisthurm zu Hamburg (modern) 416
Petrithnrm daselbst 406
(abgebrannt 1842, der neue Thurm projectirt auf 440)
Thürme der Marienkirche zu Lübeck 394
Hauptthurm des Doms zu Mainz 390
Thurm des Münsters zu Freiburg 385
Frauenthürme zu München 332
53 Abnorme Thurmstellungen.
Domthürme zu Magdeburg 329 F. rh.
Ansganthurm in Bremen 324
Thurm der Pfarrkirche zu Schweidnitz . 320
Anmerkung. Es bedarf kaum der Bemerkung , dass sich die man-
nigfachsten Modificationen der (vorstehend b . c . d . angegebenen) ver-
schiedenen Normalstellungen der Kirchthürme nachweisen
lassen. Die beiden Westthürme haben zwar regelmässig die Frontalstellung
in der Flucht der Seitenschiffe, sind aber nicht immer von Grund aus jeder
für sich als selbständiges Bauwerk aufgeführt: in Niedersachsen (Braim-
schweig etc.) vielmehr steigen dieselben erst über den Flanken eines die
ganze Breite der Kirche einnehmenden rechteckigen BaukOrpers auf, der in
den imteren Stockwerken die von den Wendelstiegen eingeschlossene Vor-
halle, im Obergeschosse die Glockenstube enthält. — Am Dome zu Trier
sind über dem Westende der Seitenschiffe zwei viereckige Glockenthürme
angeordnet, es treten abei: auf den äusseren Ecken derselben noch zwei
niedrigere fast ganz frei stehende runde Treppenthürme hinzu : eine Anord-
nung, welche sich an der gleichzeitig dem XI. Jahrhundert angehörenden
Klosterkirche zu Limburg a. d. H. wiederholt. — Die Chorthürme stehen
zu den Seiten des Altarhauses dem Ostlichen Ende bald mehr, bald weniger
nahe : am Ostchore des Domes zu Mainz erheben sich die beiden Rund-
thürme auf den äusseren Ecken der das Altarhaus begleitenden seitenschiff-
artigen Räume , von unten auf nur zur Hälfte freistehend ; an den beiden
Chören des Domes zu Worms stehen die vier Rundthürme in der Flucht
der Seitenschiffaxen und schneiden , wie die Chorthürme des Merseburger
Domes (s. den Grundriss S. 35) , tief in die Seitenwände des Altarhauses
ein. — Die Dome zu Speier, Bamberg, Magdeburg und Naumburg, auch
die Abteikirchen zu Laach xmd Knechtsteden haben quadratische Chor-
thürme, die in dem durch die Mauern des Altar- und Querhauses gebildeten
Winkel aufsteigen. Anderweitig finden sich zwei Ostthürme über den
Kreuzarmen oder statt derselben angebracht : Georgskirche in Prag, Marien-
kirche in Reutlingen, heil. Kreuzkirche in Gmünd, St. Stephan in Wien;
bei der Klosterkirche in Hamersleben und der heil. Kreuzkirch« in Breslau
stehen .die Thürme in dem Winkel auf der Westseite des Querhauses. —
Der Dom in Erfurt (ursprünglich) und die nahe gelegene Severikirche
daselbst haben an der Ostseitb (zwischen Chor und Schiff) einen breiten in
drei Spitzen auslaufenden Thurmbau,'und die beiden quadratischen Thürme
der aus drei gleich langen Schiffen bestehenden Kirche zu Altenstadt bei
Schongau bilden den östlichen Abschluss der Seitenschiffe. — Die doppel-
. chörige Kirche des Michaelisklosters zu Hildesheim (s. die Abbildung S. 56)
hatte weder West- noch Ostthürme, dagegen ausser den beiden Mittelthür-
men über dem östlichen und westlichen Kreuze, ganz ausserge wohnlich vor
der Mitte der vier Kreuzflügelfronten runde Treppenthürme , als Aufgänge
zu den im Innern befindlichen Emporen.
Bei Kirchen mit nur einem Thürme kommen gewisse Abweichungen
von der westlichen Normalstellung (s. oben c) in manchen Gegenden so
häufig vor, dass sie für diese geradezu die Regel bilden. So pflegt z. B. in
Schwaben (Stephanskirche in Constanz, heil. Kreuz zu Rottweil, Stiftskirche
in Hechingen, Frauenkirche, Martinskirche und Spitalkirche in Memmin-
Grundform der Thürme.
59
gen etc.] der Thurm an einer Langseite der Kirche zu stehen, häufig aus
älterer ' Zeit stammend , als der Kirchenbau selbst ; ja es werden Beispiele
angeführt , wo die Kirchen in dieser oder anderer Weise an alte römische
Kriegsthürme angebaut sein sollen. ^) Jedenfalls erinnert diese auch im
bayerischen Gebirgslande , in Tirol (Pfarrkirche in Botzen etc.) und in
Schlesien vorkommende Stellung des Thurmes an den in jenen Landstrichen
auch jetzt noch nicht seltenen isolirten Standort des Glockenthurmes neben
der Kirche (s. oben S. 55) und könnte daraus hervorgegangen sein. — Eine
andere namentlich bei kleineren Kirchen des Xu. Jahrh. in Schwaben und
in der Altmark sich sehr häufig vorfindende , anderwärts seltene Anomalie
ist die Errichtung des Thurmes östlich, über dem Altarhause des Gebäudes,
wozu die Mittelthürme grösserer Kirchen das Vorbild gegeben, und
die Ersparung' eines besonderen Unterbaues die Neigung hervorgerufen
haben mag.
Fig. 25. Tharme lu Merseburg, auf dem Peteraberge bei Halle und lu M&hlhausen in Thüringen
(nach Puttrich).
e. Die Grundforin der Thürme ist gewöhnlich das Quadrat^
dessen Seite insgemein etwa der Breite der Seitenschiffe entspricht.
In älterer Zeit bis zum XIII. Jahrhundert waren auch Rundthürme
beliebt: stets paarweise, theils anderen viereckigen Thiirmen als
Treppenhäuser vorgelegt, theils namentlich auch als Chorthürme , wo
ihre Kreisform mit den halbrunden Apsiden harmonirt, selten dagegen
in eigentlicher Frontalstellimg neben dem westlichen Hauptportal. —
Die Kuppelthürme über der Kreuzung oder dem Altarhause sind
regelmässig achteckig, andere Mitteltliürme gewöhnlich quadratisch.
Am Dome zu Magdeburg decken sich die Grundrisse der beiden
westlichen Thürme und der Kreuzarme. — Bei Kirchen des XIl. und
1] In Theilenhofen, Asoholting bei Tölz, Beigen bei Neuburg a. d. Donau etc.
Vergl. Krieg V. Hochfelden, Gesch. der Militär- Architektur. S. 106. Einbauun-
gen von Kriegsthürmen in Kirchen sollen überhaupt öfter vorkommen , und als un-
sicheres Beispiel wird die Marienkirche zu Salzwedel erwähnt. Vergl. Correspon-
denzbl. des Central-Vereins eto. (1860.) VUI. No. 13—15. S. 132.
60 Aufbau der Thürme.
Xm. Jahrb. mit nur einem Tburme hat dieser in manchen Gegenden
nicht quadratischen, sondern rechteckigen Grundriss und nimmt die ganze
Breite der Westseite ein: häufig in der Gegend von Halle a. d. S., am
Harz , sporadisch auf dem Fläming (Werder bei Jüterbog) , durchgehend
bei den Feldsteinbauten in der Altmark , Priegnitz und Ukermark , mit
denen das Land bedeckt ist.
Runde Treppenthürme sind den viereckigen ThOrmen an den Domen
zu Trier und Paderborn (XI. Jahrh.) vorgelegt. — Runde Chorthürme
neben beiden Chören der Dome zu Mainz und Worms, neben dem West-
chor der Ellosterkirchen zu Essen und Gemrode, neben dem Ostchore
des Domes zu Merseburg und der Pfarrkirche zu Gelnhausen ^) ; runde
Frontalthürme an der Dorfkirche zu Grossen-Linden bei Giessen , an der
Klosterkirche zu MöUenbeck in Westfalen, an der Marienkirche zu Mag-
deburg ; sie erinnern in ihrer Erscheinung an die gleiche Thurmstellung
neben Stadtthoren. *) — An Gross-Martin zu Cöln erheben sich neben
dem hohen viereckigen Mittelthurme achteckige Eckthürmchen . —
Runde Treppenthürmchen , in untergeordneter Weise den Ecken der
Kirchen vorgelegt , mit den Aufgängen zu den Dachräumen kommen in
späteren Jahrhunderten sehr häufig vor und nehmen zuletzt eckige Form
an : Marienkirche in Zwickau etc. — Die Kirche Maria-Stiegen in Wien
hat an ihrer Südseite einen siebeneckigen Thurm.
f. Die Thürme älterer Zeit behalten bis zur Bedachung ihre vier-
eckige oder runde Grundform bei und haben nur im Oberstockwerke
FensteröflPnuiigen, während die unteren Stockwerke bloss von kleinen
Lichtöffnungen zur nothwendigsten Beleuchtung der Treppen durch-
brochen und nur vom Innern der Kirche aus zugänglich sind; seit
dem XII. Jahrhundert jedoch setzt das Viereck in den oberen Ge-
schossen gewöhnlich ins Achteck um und endet in einem hohen, ins-
gemein achteckigen Helm, und seit dem XIII. Jahrhundert stehen
die zuweilen von aussen zugänglichen Thürme oft mit dem Innern
der Kirche in Verbindung und sind häufig bis zum Erdgeschosse
herab mit mehr oder weniger grossen Fenstern versehen.
An massigen und roheren Bauten auch des späteren Mittelalters
bleiben die Thürme bis oben hinauf viereckig ; die vier Wände laufen,
alle vier oder nur zwei y in Giebeln aiis und schliessen oft ohne Hinzu-
fagung eines Helmes entweder mit einem Kreuzdache oder mit einem ge-
meinen Satteldache, dessen Giebel bei quadratischen Thürmen gewöhnlich
gen West und Oat, bei rechteckigen dagegen regelmässig nach Nord und
1 ) Diese cylindrischen Thürme, bei geringem lichten Räume durch die in ihnen
befindlichen steinernen Wendeltreppen überaus fest in sich zusammengehalten , sind
oft (wie an den Domen zu Mainz, Worms und Merseburg etc.) die einzigen IJeber-
reste von alteren Bauwerken , besonders des XI. Jahrh. , wenn auch mit erneuten
Oberstockwerken .
2) Sehr weitläufig verbreitet sich hierüber Klein, Kirche zu Grossen-Linden.
S. 31 ff.
Thurmkapellen. Thurmknöpfe. 61
Süd schauen. — In Niedersachsen (z. B. in Braunschweig und GötUngen)
sind die Thurmpaare der Kirchen schon von da an , wo sie aus ihrem^
etwa nur ein Drittel der Qesammthöhe betragenden gemeinsamen Unter-
bau (s. oben die Anmerkung S. 58) a^ifsteigen, achteckig, was keinen
vortheilhaften Eindruck macht.
Wie schon die äussere einheitliche Vereinigung der Thurmbauten
mit der Kirche im Vergleich mit der Separatstellung der ersteren als
glücklichere Lösung der Aufgabe betrachtet werden muss, so war die
innere Communication des unteren Raumes mit dem Langhause der
Kirche noch ein weiterer wesentlicher Fortschritt: an den Domen von
Strassburg und Göln bilden die Thürme (nach dem Muster des französi-
schen Kathedralstils) den Zugang zu den Seitenschiffen, eine nach-
ahmenswerthe , doch selten beobachtete Einrichtung. Die Münster von
Freiburg i. B. und Ulm haben nur einen Thurm vor der Mitte der West-
front; derselbe bildet jedoch zugleich den Haupteingang und die Vorhalle
der Kirche. An vielen Kirchen mit zwei Westthürmen (besonders in
Pommern, aber auch anderwärts z. B. im Dom zu Regensburg, in der
Stiftskirche zu Xanten, Nicolaikirche in Jüterbog etc.) ruhen die Thürme
einwärts auf starken Pfeilern und öffnen sich in hohen Bögen , östlich in
die Seitenschiffe ; nördlich, resp. südlich in den Zwischenbau.
Die rheinländischen und oberdeutschen Prachtthürme (Dom in Cöln
nach dem Entwürfe, Münster zu Strassburg, Freiburg i. B. und Ulm,
St. Stephan zu Wien) sind mit durchbrochenen luftigen Steinpyramiden
gekrönt, die in Norddeutschland sehr selten und nur in kleinem Maass-
stabe (der s. g. höckerige Thurm am Dom zu Meissen) vorkommen. —
Die meisten Thurmdächer bestehen aus mit Schiefer, Metall oder Ziegeln
gedeckten Holzconstructionen, und die grosse Mehrzahl ist leider durch
Bedachungen von Zwiebel- oder Schlaf haubenform verunstaltet, die ihre
Entstehung dem Geschmacke der Zopfzeit verdanken.
Anmerkung 1. Das Innere der Thürme wurde zuweilen zu
Kapellen benutzt, und zwar nicht bloss im Erdgeschosse (wie in den Ost-
thürmen der Pfarrkirche zu Gelnhausen) ; in den westlichen Domthürmen zu
Wien, Naumburg und Meissen finden sich z. B. zwei Kapellen über einan-
der angebracht, und eine ähnliche Einrichtung erscheint im Thürme der
Kirche zu Idensen in Westfalen. — Auf dem Baurisse von St. Gallen sind
oben auf der Höhe {in Bummitate) der beiden Rundthürme Altäre der Erz-
engel (nördlich Gabriel, südlich Michael) angegeben.*) — In die Thurm-
knöpfe pflegte man Reliquien und Urkunden einzulegen ; letztere enthielten
theils Nachrichten über den Bau, theils Gebete. Dergleichen Documente
aus dem XV. und XVI. Jahrhundert findet man abgedruckt z. B. in den
N. Mittheilungen d. thüring.-sächs. Vereins III. 4, 125 ff. und in v. Drey-
haupts Beschreib, des Saalkreises 1, 1015 f. — Der Hahn auf dem
Glockenthurme {campanariwv^ kommt schon im X. Jahrhundert zu St.
Gallen vor:*) dieser Tupraeco rftW«* bezeichnet erinnernd die Wachsamkeit in
1) Ueber die ThOrme als Cultusstätten vergl. Weingärtner, System des
Christi. Thurmbaues. S. 27.
2) Pertz, M. G., Scriptores 2, 105.
62 Wetterbahn etc. Vielzahl der Thürme.
Beobachtung der kanonischen Stunden ; vor Erfindung der Uhren richtete
man sich mit dem Anfange des Frohgottesdienstes nach dem Hahnenschrei. ')
— Statt des Hahns kommen auf den Thurmspitzen auch die Abbildungen
der Patrone vor : auf den östlichen Thürmen des Doms zu Merseburg z. B.
sind St. Lauren tius und St. Johannes der Täufer unter den Windfahnen
angebracht. — Die bei städtischen Pfarrkirchen besonders in den sächsi-
schen Gegenden (z. B. in Freiburg a. d. U., Halberstadt, Halle, Jüterbog,
Wittenberg; aber auch in Wiener-Neustadt) nicht selten vorkommende
Verbindung der beiden Frontalthürme durch eine Brücke hat den Zweck,
dem oben wohnenden Thürmer die Umschau von beiden Thürmen zu er-
möglichen. Bei der Dionysiuskirche zu Esslingen findet, jedenfalls zur
Erleichterung der Communication , sogar eine zweifache Ueberbrückung
zwischen den beiden Thürmen statt.
Anmerkung 2. Obgleich die Kirchthürme den ersten sechs bis
sieben Jahrhunderten fremd waren, und ihre Entstehung zunächst nur
äusseren Umständen zu verdanken ist, so hat- sich das christliche Volk aller
Schichten an diese y>Finper, die wuer Herrgott aus der Erde steckt« doch
bald mit so grosser Liebe gewöhnt, dass im Mittelalter, wo es n\ir irgend
die Verhaltnisse erlaubten, sich auch die ärmste Dorfkirche diesen Schmuck
nicht leicht versagte ; es kann daher nichts Befremdliches haben, dass reiche
Stiftungen ihre Kirchen durch mehrere Thürme zu verherrlichen suchten
(s. oben S. 56): die Dome zu Mainz, Speier und Worms, die Klosterkirchen
zu Laach und St. Michael zu Hildesheim haben sechs Thürme, das Münster
zu Bonn fQnf, die Kirche zu Limburg an der Lahn sieben, St. Gereon und
Aposteln zu Cölnund viele andere aus dem XII. — XIII. Jahrh. am Rhein
drei Thürme ; die gothische Marienkirche in Danzig hat ausser dem 'grossen
Glockenthurme noch zehn andere Thürmchen , die sich zum Theil mehr als
80 F. über dem hohen Kirchdach mit schlanker Spitze erheben; selbst
kleinere Stadtgemeinen (wie Freiburg a. d. U., Wittenberg, Jüterbog etc.)
schmückten ihre Pfarrkirchen mit zwei stattlichen Westthürmen , und nicht
bloss die Stadtkirche zu Freiburg a. d. U., sondern sogar die Filialkirche
des Dorfes Grossen-Linden bei Giessen hat ausser diesen noch einen Mittel-
thurm : die hie und da keck hingestellte Behauptung , dass eine Pfarrkirche
nur einen Thurm, eine bischöfliche zwei und eine erzbischöfliche Kirche
drei Thürme habe, widerlegt sich daher selbst.
Bei Kirchen mit mehreren Thürmen werden die einzelnen , um sie von
einander unterscheiden zu können, gewöhnlich mit besonderen Namen be-
nannt. Die beiden westlichen Thürme des Doms von Wien heissen Heiden«
thürme^), die östlichen Thürme des Freiburger Münsters haben den Namen
Hahnen thürmchen ; in Basel am Dom werden die westlichen , und am Mer-
seburger Dom die östlichen Thürme nach den beiden Hauptpatronen dieser
1) Consuetudines monasterii S. Vitoni Virdunensis (angeblich aus dem X. Jahrh.
— Martene, de ritibus -1, 853): Cum lucem ales nunciaverit, dabuntur omnia
Signa. Aehnlich schon Augustinus vom Frühgebet. Vergl. Kreuser, Kirchen-
ban 1, 232.
2) Sehr wahrscheinlich als Erinnerung an die ehemalige, bei der Kirche vorbei
führende »strata nemoris paganorumu. Vergl. Otte, Gesch. der deutschen Bau-
kunst. S. 252.
Dachreiter. 63
Kirchen benannt ; die vier Naumburger Domthürme werden als » bewohnte a
und »unbewohnten von einander unterschieden; an der Marktkirche in Halle
heissen die östlichen die Hausmanns- , die westlichen die blauen Thürme ;
zu Danzig wird der sich über der Vierung der Marienkirche erhebende
Thurm Epistelthurm genannt. Von den beiden Tbürmen der Frauenkirche
zu Ingolstadt hefsst der niedrigere der Oelthurm (d. i. Oelbergthurm) , und
am Dome zu Würzburg der nordöstliche, der rothe Thurm. Der linke Chor-
thurm des Domes zu Worms und der rechte zu Speier heissen Eselsthüime,
weil Esel auf den romanischen Treppen derselben die Baustoffe hinauf getra-
gen haben sollen, und auch der Dom zu Regensburg hat seinen Eselsthurm.
Anmerkung 3. Die Wirthlichkeit der Cisterzienser Hess ihnen die
kostspielige Errichtung von Kirchthürmen als überflüssig erscheinen , und
ihre Kirchen begnügten sich deshalb mit einem über dem Kreu^felde sich
erhebenden Dachreiter (turricula super eeclesiam) , welcher auch far ihre
wenigen und kleinen Glocken hinlänglich war und überhaupt als älteste
Form der Glockengehäuse anzusehen ist. Die Bettelorden, die sich seit dem
Xni. JTahrh. innerhalb der Städte ansiedelten, mussten sich des allein den
Pfarreien zustehenden öffentlichen Glockengeläutes enthalten und durften
nur eine kleine Privatglocke haben , für welche ein unbedeutendes Dach-
thürmchen ausreichend war: die Dominicaner in Elbing z. B. erhielten 1246
zwar die Freiheit daselbst ein .steinernes Kloster und eine Kirche zu bauen,
jedoch ohne Thurm M; dagegen hat die Dominicanerkirche in Erfurt zwei
schöne achteckige Thürmchen. — Dachthürme för die Signalglocken finden
sich dem gottesdienstlichen Bedürfhisse entsprechend auch über dem Kreuze
oder Altarhause der meisten grösseren Kirchen und kommen ausser dem
westlichen Glockenthurme selbst bei Landkirchen vor: in Preussen über
dem östlichen, im Magdeburgischen, statt eines eigentlichen Thurmes , über
dem westlichen Giebel , und zwar hier in der Form von zwei Pfeilern , in
welche die Giebel wand zinnenartig ausläuft, und zwischen denen die Glocke
hängt.
Die auf den Kehlbalken ruhenden, aus dem Firste aufsteigenden Dach-
reiter sind grösstentheils Holzconstructionen , die man der Dauerhaftigkeit
wegen gern mit Metallblechen bekleidete : am Niederrhein z. B. mit styli-
sirten Blei Verzierungen, anderwärts, wie das* goldene Thürmchen über dem
Chore des Domes zu Hildesheim, mit vergoldetem Kupferblech. Unter den
selten vorkommenden steinernen Thürmchen dieser Art zeichnen sich einige,
wie das zu Heilsbronn in Franken, durch schlanke Formen vortheilhaft aus.
23. Der Kaum zwischen den beiden westlichen Thürmen (intra
iun-em — Fdes Grundrisses S. 35), mit diesen aus dem Narthex der
alten Kirche hervorgegangen, biklet oft ein besonderes, entweder
(wie in Niedersachsen gewöhnlich) mit seinen Giebeln gegen die
Thürme, oder nach Westen und Osten gewendetes Zwischenhaus,
welches im Erdgeschoss die Vorhalle , im zweiten Stockwerke , wenn
ein solches angeordnet ist, eine Empore (s. unten §. 28) und im dritten
1) Vergl. D reger, Cod. dipl. Pomm. No. 67. p. 254.
64
Vorhalle. Paradies,
die Glockenstube enthält. Häufig ist aber ausser der inneren Vor-
halle noch eine äussere geschlossene Vorhalle oder offene Vorlaube *)
(am Dome zu Merseburg — H des Grundrisses — und an der Stadt-
kirche zu Freiburg a. d. U. westlich , an den Domen zu Goslar und
Magdeburg, sowie an der Benedictinerkirche zu Trebitsch, an St.
Emeram zu Regensburg und ai^ der Klosterkirche zu Wechselburg
nördlich) angebaut, welche oft den Namen Paradies fuhrt und mit
den Steinbildern der ersten Menschen ausgestattet, zuweilen zu einer
besonderen Gedächtnissfeier des Sündenfalles bestimmt war.
Auf dem Plane von S. Gallen (s. Fig. 15 S. 43) zieht sich concentrisch
um beide Apsiden Ostlich eine Mauer , westlich ein Säulengang herum,
beide einen offenen, etwa 12 F. breiten Raum einschliessend , der als
»paradisusv^) bezeichnet ist und dem viereckigen Säulenvorhofe der alt-
christlichen Basilica entspricht, und zwischen dem Westchor der Münster-
kirche zu Essen und der zu derselben gehörigen TaufkapeUe hat sich
noch ein rechteckiger Säulen vorhof aus dem XL Jahrh. erhalten, der
ebenfalls unter dem Namen » Paradies u bekannt ist. Als einzig in ihrer
Art in Deutschland ist die einen kleinen offenen Hof begrenzende ge-
wölbte Halle aus dem XII. Jahrh. hervorzuheben, welche sich an der
Fig. 26. Paradies der Klosterkirche za Maulbronn
(aus Leibnitz, Organisation der Gewölbe).
Westseite der Klosterkirche zu Laach befindet. Später, seit dem XII.
Jahrh. erscheinen die Paradiese als mehr oder weniger geschlossene Vor-
1) »Ztüo Vorlauben reiche zierten tcol vor andern zwei der p/orte« ( — an eine
dritte Thür der Kirche schloss sich der Kreuzgang). Der jüngere Titurel 92. S. 378.
2) Der Ursprung des Namens Paradies für den offenen Vorhof der Kirche ist
dunkel. Wenn es begründet ist, dass dieser eingehegte freie Platz ursprünglich mit
Bäumen bepflanzt war, könnte man mit Bestimmtheit auf die Bedeutung von Tiaoa-
(f€iaog = Baumgarten, zurückgehen. Vgl. de Roisin, la Cathödrale de Treves p. 51.
Thüren. 65
hallen vor den Kircbenportalen (St. Emmeram in Regensbnrg , Dom zu
Ooslar, Klosterkirchen zu Trebitzsch und Maulbronn etc.) und bilden seit
dem XIII. Jahrh. zuweilen eigentliche Vorlauben, die sich nach den
freien Seiten in Bogenstellungen öffnen (Stadtkirche zu Freiburg a. d. U.,
Dom zu Magdeburg) . — Die Vorhalle {airium ecclesiae) war wie in der
alten Kirche, so noch in der karolingischen Zeit und später der Aufent-
halt der Büsser und mit dem Asylrechte begabt. An diese Sitte scheint
sich das s. g. Adam - Austreiben in Halberstadt , wo fraher dem West-
portale des Domes ein Paradies vorgebaut war, als eigenthümliche volks-
mässige Feier der Vertreibung der ersten Menschen aus dem Garten
Eden angeschlossen zu haben. ^) Anderweitig wurden die Vorhallen der
Kirchen zuweilen zu Gerichtsverhandlungen und regehnässig zur Ver-
theilung von Almosen benutzt.
Vorhallen unter dem Namen Paradies, in Westfalen corrumpirt Per-
wisch genannt, werden erwähnt in Aachen, Corvey, Erfurt, Essen,
Halberstadt, Hildesheim, Hirsau, Laach, Magdeburg, Mainz, Maulbronn
(schon im XIII. Jahrh. urkundlich unter diesem Namen), Münster, Nörd-
lingen, Paderborn, Regensburg, Speier, Strassburg, Trier etc. *)
24. Der Haupteingang [vaka, die Fliigelthür) der Kirche
liegt in der Mitte der Westseite (Grundriss S. 35 m) ; Neben thüren
finden sich an Kreuzkirchen insgemein auch in der Front der Kreuz-
vorlagen.
Die alte Kirche hatte an der Westfront drei Eingänge — janua trina
— (auch fünf bis sieben , wenn fünf Schiffe , wie zu St. Peter und St,
Paul in Rom), eine Thür für das Mittelschiff, die anderen für die Seiten-
schiffe, welche Einrichtung nach dem Muster der französischen Kathe-
dralen an den Domen von COln (hier auch an den Fronten des dreischiffigen
Querhauses) und Strassburg beibehalten ist. — Dome mit Doppelchören
müssen des mittleren Hauptportals entbehren, dessen Stelle dann aber
(wie zu Bamberg) zuweilen ein Portal an einer Langseite der Kirche
vertritt, während auf beiden Seiten der Apsiden Nebeneingänge ange-
ordnet sind , auf dem Plane von St. Gallen und am Dom zu Trier neben
der westlichen, an den Domen zu Mainz und Bamberg neben der östlichen
Apsis. Die Anordnung von Thüren an der Ostseite der Kreuzarme in
der Klosterkirche von Hersfeld (s. den Grundriss S. 45) ist eben so ano-
mal wie die übermässige Ausladung der letzteren, hängt aber damit
zusammen. — An Landkirchen findet sich häufig an der nach dem
P&rrhofe zu belegenen Seite des Chorraumes eine Neben thür für den
Geistlichen. — Seit Einführung des gothischen Bausystems pflegt an den
Hauptportalen die eigentliche Thüröffnung durch einen Steinpfosten in
zwei AbtheUungen getheilt zu sein. — Mit der Behauptung, dass die
Kirchthür niedrig und enge sei (Matth. 7, 13. 14.), ist es nicht allzu-
strenge zu nehmen ; die Breite und Höhe der Thür steht insgemein in
1 ) Veigl. Schmidt, Diss. de Adamo Halberstad. in die cinenim ex eccl. ejecto.
Hehiut. 1702. — Haber, Nachricht von der Domk. zu Halbentadt 1739. S. 31 f.
2) Veigl. Kreuzer, Kirchenbau 1, 187 f.
Otte, Kaiui-Archlologie. 5
66 Thürcn.
richtigem stilgemässen Verhältnisse zu dem Gebäude; bei grösseren
älteren Kirchen allerdings nur 6 — 10 F., bei den Domen des Xni. Jahr-
hunderts 14 — 16 F. lichte Breite der eigentlichen vertieft liegenden
Thüröffnung, während sich die letztere umschliessende Bogenhalle nach
aussen in grossartigster Weise noch sehr beträchtlich erweitert. — Bei
Kirchen mit mehreren TKüren sind dieselben zuweilen durch besondere
Namen unterschieden, unter denen der Name nBrautthüm und yiEheth^ra
(oft mit den Steinbildern der des Bräutigams harrenden klugen und thö-
richten Jungfrauen) : Michaeliskirche in Braunschweig, Sebaldskirche und
Lorenzkirche zu Nürnberg, Jacobikirche zu Rothenburg a. d. T., beson-
ders häufig (und zwar an der Nordseite) wiederkehrt , indem die Trauun-
gen in diesen Thürhallen statt zu finden pflegten. Der Dom zu Halber-
stadt hat eine » Todtenthür « , die Sebaldskirche zu Nürnberg eine
n Schauthür <i , eine nSc/iultMra und eine » AnscAreibiAür « , das Münster
zu Freiburg eine nSeffent/iür« und das Hauptportal von St. Stephan zu
Wien heisst das » Riesenthor a. — Die rothe Thür des Doms zu Frank-
furt a. M. führt diesen Namen, weil vor derselben Gericht gehalten
wurde*) ; auch zu Magdeburg kommt im J. 1463 eine y^rote Thöra als
erzbischöflicha Gerichtsstätte vor. *;
Anmerkung. In der älteren Zeit war die architektonische Aus-
stattung der Kirchthüren von der grossesten Einfachheit , und erst nachdem
im XII. Jahrb. die Sculptur glänzende Fortschritte gemacht hatte, entfaltete
sich seit dem folgenden Jahrhundert an den Portalen und namentlich am
Haupt portale besondere Pracht durch reichen Steinbilderschmuck in Hoch-
und Flachwerk an den schräg eingehenden , sich abstufenden Wandungen,
an den diesen entsprechenden Deckbögen und in dem Bogenfelde über dem
wagerechten Thürsturze. Solche Prachtportale sind die goldene Pforte
des Domes zu Freiberg*, die Fürstcnthür des Domes zu Bamberg, die St.
Gallenpforte des Münsters zu Basel , das Portal der Schottenkirche zu Re-
gensburg, das Riesenthor von St. Stephan zu Wien, die Portale der Kirche
des Cisterzienser-Nonnenklosters Tisnowitz und der Benedictinerkirche zu
Trebitzsch in Mähren , sämmtlich aus dem XIII. Jahrh. , das letztere zwar
ohne Statuenschmuck, aber ausgezeichnet durch die reiche Fülle des Orna-
mentes ; aus späterer gothischer) Zeit die Portale der Münster zu Freiburg
i. B. und Strassburg, der Lorenzkirche in Nürnberg u. a. m.
Der Verschluss der Thüren') bestand in der Zeit vom IX. bis
XII. Jahrh. zuweilen aus kostbaren in Erz gegossenen Thürfiügeln nach
altchristlichen*) und späteren byzantinischen Vorbildern, wie sich dergleichen,
meist mit figürlichen Relief- Compositionen geschmückt , erhalten haben im
Münster zu Aachen und am Dome zu Mainz (aus glatten Tafeln bestehend);
an den Domen zu Hildesheim, Augsburg und Gnesen und an der Sophien-
I) Archiv für Fraiikf. (icsch. u. Kunst I. 3, 115.
2} V. Dreyhaupt, Beschreibung des Saalkreises 1 , 1 53.
'.\) Ueber die Entwickelung der Thürverschlüsse im M. A. vergl, Bock, F., in
den Mittelaltcrl. Kunstdenkin. des Österreich. Kaiserstaates, herausgegeb. von G,
Heider etc. 1, 111 ff.
4) Eusebius (Hist. eccl. H», 1 n. 17) sagt von den Thüren der Kirche in Tyrus :
nananriy^tnnC tf x^kxov (Tiifrj^odt'ioic xnl nütxUfiaatv ayayXvtfot^ . . . tfttt^QVfag.
Fenster. 67
kirche zu Nowgorod (mit Reliefs) . Aus den in Holzsclmiizwerk ausgefahr-
ten, sehr alten Thüren von St. Maria in Capit. zu Cöln Iflsst sich folgern,
dass auch dergleichen Arbeiten vorkamen, die sich des vergänglichen Stoffes
wegen indess aus älterer Zeit nicht erhalten haben , und auch im späteren
M. A. wohl nicht häufig waren; doch sind die geschnitzten Thflrflügel des
Domes zu Constanz, an St. Gereon in Cöln und bei den Kapuzinern zu
Salzburg aus dem XV. Jahrh. zu nennen. Die Hauptzierde der Kirch thüren
bestand seit dem XIII. Jahrh. in dem oft die ganze Fläche deckenden imd
allerlei stilgemässe Muster bildenden, zuweilen ausserordentlich kunstvollen
Eisenbeschlag. Auch werden am Niederrhein (St. Victor zu Xanten, Kirche
zu Calcar etc.) Thüren erwähnt, welche ohne allen Eisenbeschlag bloss aus
mehrfach über einander gelegten Eichenbrettem bestehen , die durch qua-
dratische und rosettenartige Unterlegungen verziert sind. — In der Kloster-
kirche zu Alpirsbach ist die Thür mit einer Rindshaut überzogen , wahr-
scheinlich (wie an der mit Pergament überzogenen Thür eines Wandschrankes
im Dome zu Magdeburg) um das Reissen des Holzes zu verhindern.
Seit alter Zeit (Münster zu Aachen) war es Üblich , an den Thürilügeln
einen metallenen Löwenkopf anzubringen, welcher im geschlossenen
Rachen den beweglichen Handring hält, der sowohl zum bequemen Heran-
ziehen der schweren Thürilügel diente, als auch von Einlassbegehrenden
als Klopfer benutzt werden konnte. Wenn ein Flüchtling , das Asyl der
Kirche suchend, den Arm durch den Thürring gesteckt hatte, durfte er von
seinen Verfolgern bei Strafe des Bannes nicht ergriffen werden. Mit Be- .
Ziehung auf dieses Asylrecht soll über der Thür einer Kirche in Cöln die
Inschrift gestanden haben : »^tV? »Mit magnus reusa. 'j
25. Die Fenster der Kirchen waren bis ins XIII. Jahrhundert
klein, oft sehr klein, namentlich schmal ; im späteren Mittelalter sind
sie sehr gross, durch Steinpfosten in mehrere Abtheilungen getheilt
und häufig mit Glasgemälden geschmückt.
Die Kirchen mit niedrigen Seitenschiffen haben im Langhause zwei
Fensterreihen, eine für die Abseiten im Untergeschoss , die andere für
. das Hauptschiff im Obergeschoss, welche letztere Reihe (die Oberlich-
ter) sich an den Kreuzarmen und an den Chorwänden fortsetzt. Die
Zahl der Fenster des Langhauses correspondirt regelmässig mit der Zahl
der die Schiffe scheidenden Bogenstellungen, und zwar nicht bloss in den
Oe Wölbebauten , wo dazu das System schlechthin nöthigte, sondern auch
in den Kirchen mit Balkendecke, aus richtigem Qefühl für das Eben-
maass ; doch brachte man , um dem Inneren mehr Licht zu geben , zu-
weilen letzteres zum Opfer und vermehrte die Zahl der Oberlichter : die
Klosterkirche zu Qernrode z. B. hat bei 4 Arkaden 7 (kleine und sehr
hoch stehende) Oberlichter, die Klosterkirche zu Breitenau in Hessen
7 Arkaden und S Fenster , die Dominicanerkirche zu Eisenach über den
5 westlichen Arkaden 7 Fenster, St. Michael in Hildesheim 9 Arkaden
und 10 Fenster, die Ellosterkirche zu Jerichow 5 Bogenstellungen und
I) Lenoir, Architecture monastique 2, MK
68 Fenster.
6 Fenster. *) Kirchen mit runden Apsiden haben in diesen ein bis drei
Fenster (selten in zwei Reihen übereinander), ebenso die platt schliessen-
den in ihrer geraden Ostwand; beim polygonischen Schluss entspricht
die Zahl der Fenster den Seiten des Polygonabschnittes. — Hallenkirchen
haben regelmässig nur eine Fensterreihe ; Ausnahmen sind aus der Früh-
zeit höchst selten (Elisabethkirche in Marburg) , aus dem spätesten Mit-
telalter häufiger (Schlosskirche zu Wittenberg etc.) : hier aber gehören
die oberen Fenster zu den Emporen, deren zum Theil mehrere überein-
ander angebracht sind. — Mit Ausnahme der oft rechteckigen Fenster-
Ofihungen in den Holzbauten (s. oben S. 25) sind die Kirchenfenster stets
überwölbt, bis ins XIII. Jahrh. halbkreisförmig, später spitzbogig. An
den Giebelfronten findet sich schon frühzeitig häufig ein Rundfenster an-
geordnet, und im XIII. Jahrh. kommen in der Rheingegend oft seltsame
phantastische Fensterbildungen (fächerartig, mit kleeblattfSrmigem Sturz
etc.) und weiter verbreitet auch Rundfenster an den Langseiten der
Kirchen vor.
Die Kleinheit der früh-mittelalterlichen Kirchenfenster, welche etwa
von 1150 — 1250 besonders in Norddeutschland das äusserste Maass
schmaler Schlitze erreicht, scheint mit der damaligen Seltenheit und
Kostspieligkeit des Tafelglases mehr oder weniger zusammengehangen zu
haben. Praktische (nicht symbolische) Rücksichten trugen auch wohl
dazu bei, dass man zuweilen (wie in der spätgoth. Mönchenkirche zu
Jüterbog) besonders bei Landkirchen (z. B. im Samlande, aber auch
südlich: zu Unterknöringen bei Burgau in der Diöces Augsburg) an
der Mittemachtsseite der Kirchen gar keine Fenster anbrachte, und
den Dom zu Frauenburg nördlich mit schmäleren Fenstern ausstattete,
als an der Südseite. Die alte, allerdings nur 56 F. lange Peterskirche
zu Lindau soll ursprünglich nur ein Fenster, in der ApsiS; gehabt haben.
Zwar sprechen schon Lactantius (de Opificio Dei 8 : mfeneBtrae vitro
obductaev) und Hieronymus (zu Ezech. 41, 16 : a/enesinie, non speculari
laptde nee vitro, sed lignis interrasilibus clawaen) im IV. Jahrh. von
Glasfenstern'), aber dieselben blieben von da ab das nächstfolgende
halbe Jahrtausend hindurch eine grosse Seltenheit, indem die Fenster der
alten italienischen Kirchen entweder mit dünnen, von symmetrischen
Oeffnimgen durchbrochenen Marmorplatten ausgesetzt oder mit durch-
scheinenden Tafeln aus Spat geschlossen wurden: nfenestrae gypseaen,
und selbst noch der 'als Victor III. 1087 gestorbene) Abt Desiderius von
Monte casino Hess in den beiden von ihm neu erbauten Kirchen nur die
Hauptfenster mit in Blei gefassten Qlastafeln versehen , die Fenster der
Seitenschiffe dagegen noch mit Spat. ') Es war daher in Deutschland die
Klosterkirche von Tegemsee gegen das Jahr 1000 sicherlich nicht die
einzige, deren Fensteröffnungen bis dahin mit Tüchern {nveteribus pan-
nia «) verhängt waren und damals zuerst, und zwar buntfarbig {»per die-
1; Vergl. Schnaase, in der Zeitschr. für Bauwesen. 1862. Sp. 132.
2) Vergl. Wackernagel, W., die deutsche Glasmalerei S. 17 ff. - Docu-
ments historiques sur le verre, in den Mömoires de l'Acad. de Metz. 1849 — 50.
p. 203—294.
3) Leo Ostiensis 3, 29 u. 34.
Dächer. 69
cohria pieturarutn vitra«) verglast wurden.*) Schon früher unter Abt
Liuthar (934—949) scheint Reichenau aus kleinen Rundscheiben zusam-
mengesetzte Qlasfenster erhalten zu haben. ^) Zu Anfang des XI. Jahrh.
war im Kloster Tegernsee eine Glashütte thätig, die den sich drängenden
Bestellungen kaum zu genügen vermochte. ')
26. Das Dach der Kirche war im frühem Mittelalter meist mit
Holzschindeln , später mit Metall oder Stein gedeckt. Von der an-
scheinend altchristlichen Sitte , das Sparrwerk des Daches (mit Hin-
wegfall des Bodenraumes) nach innen frei und sichtbar zu lassen,
findet sich im deutschen Mittelalter keine Spur : bis ins XHI. Jahr-
hundert haben die meisten Kirchen getäfelte Holzdecken [laquearta] ,
und später wird die Steinwölbung [opus ogivale] eben so zur Kegel,
wie sie früher Ausnahme war. — Die Construction des Dachstuhls
namentlich an den gewaltigen Satteldächern grösserer spätmittelalter-
licher Hallenkirchen verdient wegen ihrer Kühnheit und Solidität
volle Anerkennung.
Die Bedachung des Langhauses ist das Satteldach, dessen schräge
Flächen in die Nord- imd Südfacade fallen ; es wird von dem gleich hohen
Dache des Querhauses , das mit seinen Giebeln Front macht , über der
Vierung durchkreuzt, so dass also die schrägen Dachflächen desselben
gen Ost und West fallen. Die Seitenschifie haben entweder lange Pult-
dächer , deren ^schräge Fläche sich an die Seitenwände des Hochschiffes
unterhalb der Fenster desselben anlehnt (Dome zu Naumburg, Halber-
stadt, Freiburg i. B., Ulm etc.), oder die einförmige lange Linie ist
dadurch vermieden, dass die Aussenwände der Abseiten je nach der An-
zahl der HauptgewOlbeabtheilungen des Innern (Traveen, Joche) in ein-
zelne Giebelwände zerlegt sind, die jede ihr besonderes Dach haben,
dessen schräge Flächen nun nicht in die Fa9ade, sondern seitwärts fallen
(Dom zu Magdeburg etc.). An den Domen zu Mainz und COln sind die
über den einzelnen Gewölbejochen der Seitenschiffe errichteten Dächer
an der Giebelseite abgewalmt. Die Apsiden oder polygonen Chorschlüsse
sind mit kegelförmigen oder Walmdächern versehen ; ebenso die kleinen
Conchen am Querhause und am Schlüsse der Seitenschiffe, wie die sich
um den Chorschluss reihenden polygonen Kapellen (Dom zu Cöln) ; doch
nicht immer , da auch eine Pultdachbedeckung derselben vorkommt (Dom
zu Schwerin etc.) — Der Zwischenbau endlich wird verschieden behandelt :
]) Pez, Bern., Thesaurus anecdot. VI. 1, 122; vgl. Oberbayersches Archiv 1, 30.
2} S o , und oicht von runden Fensteröffiiungen sind wohl die Verse zum Preise
jenes Abtes in der Reichenauer Hs. 1 26 zu Karlsruhe (v. Aufs es s, Anzeiger etc.
1833. Sp. 254; zu verstehen:
» H<isce fenestellas Jttssit /ormare rotundaa
Abbas prcieclaruSf nomine Liutharius :
Antea nam tenebrta domus Kaecfuscata manebaif
Nee dederat domino lumina clara stw. «
3) Wackernagel a. a. O. S. 22 u. 135.
70 Dächer.
wenn die Giebel wände desselben gegen die Thurmmauem lehnen (Kirche
zu G^mrode, Klosterkirche zu Jericho w etc.), schliessen Vorder- und Rück-
wand in wagerechter Linie ab, und das Dach erscheint als Satteldach oder
(wie am Strassburger Münster) als Plattform; wenn dagegen die Stirn-
wände, dem Aufstreben der fiankirenden Thürme entsprechend, in Qiebel-
dreiecken endigen, fallen die schrägen Dachflächen nach den Thurmseiten
(Dome zu Merseburg, Halberstadt, Magdeburg etc.) • — Kirchen mit gleich
hohen Schiffen sind entweder mit einem colossalen Satt^ldache gedeckt,
zu dessen Dachstuhl das Holz ganzer Wälder verbraucht wurde*), oder
es finden sich drei Paralleldächer, den drei Schiffen entsprechend (Essen ) ,
oder die Seitenschiffe haben auch hier, der Zahl der Joche entsprechend,
einzelne Giebeldächer, welche in das Dach des Mittelschiffes einschneiden
{Dome zu Paderborn, Wien, Merseburg etc.) ; die Liebfrauenkirche zu
Bremen hat über ihrem dreischifiigen Langhause durchgehende parallele
Querdächer.
Die Anwendung hölzerner Dachschindeln itcgulaefisaae) erklärt die
vielen Kirchenbrände des Mittelalters : es giebt kaum einen Dom , der
nicht mehrmals ein Raub der Flammen geworden wäre. — Bleibedachun-
gen kommen schon frühzeitig vor, aber nur bei ausgezeichneteren Gfebäuden
(wie beim Münster zu Aachen um 800' ; das theure Kupfer blieb selten
und wurde wohl nur zu Thurmdächem benutzt. Abgesehen von Schiefer-
dächern ist auch die Verwendung anderer Steinplatten (z. B. auf dem
Chorumgange des Domes in Magdeburg) nicht häufig ; der Dom zu Prag
wurde 1276 y>tegults laptdet'su gedeckt.^) Die aus Ziegeln erbauten Kir-
chen wurden auch mit Ziegeln gedeckt : Hohlziegel, volksmässig » Mönch
und Nonne ii genannt.; auch n^ förmige, s. g. Fittigziegel ; die jetzigen
Breitziegel (Bieberschwänze) erscheinen als neuere Erfindung. Die ersten
Dachziegel {hieres ad tegulam) in Sachsen hat Bischof Bern ward von
Hildesheim um das J. 1000, und zwar nach eigener Erfindung {nnuUo
monatranUii) verfertigt.'; Geringe Landkirchen waren oft nur mit Rohr
oder Stroh gedeckt, und es finden sich selbst heute noch (in Meklenburg,
Preussen etc.) einzelne Beispiele davon.
27. Der Fussb öden der meisten tnittelalterlichen Kirchen ist
jetzt mit Grabsteinen belegt, wo nicht neue Bedeckungen mit Fliesen
stattgefunden haben. Ursprünglich war die römische Sitte der Musiv-
fussböden auch in die christliche Basilica übergegangen y und noch
das frühere Mittelalter pflegte dergleichen Huntpflaster, das nicht
bloss in Teppichmustem , sondern selbst in eigentlich malerischen
Darstellungen bestand, häufig anzuwenden. Später, etwa seit dem
Ende des XII. Jahrhundert« fanden Ziegelplatten mit eingelegten
1) Der ungeheure fast 80' hohe Dachstuhl Aber der 336' langen und 128' breiten
Münchener Frauenkirche von 1488 erforderte das Holz von 140 Flössen, das Floss zu
15 — 16 Bftumen gerechnet.
2) Fiorillo, Gesch. der zeichn. Künste in Deutschland 1, 115.
3) Ebd. S. 79.
Fussböden. 71
Mustern weit verbreitete Anwendung. In einfachen Gebäuden und
in Landkirchen genügte gewöhnlicher Estrich. *)
Der gegenwärtige Fussboden in vielen alten Kirchen liegt höher als
der uniprüngliche , woher es kommt, dass die Fussgesimse der Pfeiler
und Säulen oft verdeckt sind , wie in der Klosterkirche zu Drübeck etc.
Nachgrabungen in dem uralten Kerne des Domes zu Trier haben ergeben,
dass der älteste römische Fussboden 6 F., ein späterer aus dem VI. Jahrb.
4 F. und ein dritter aus dem XI. Jahrb. ly, F. tief unter dem im
XVII. Jahrh. gelegten modernen Pflaster liegt.*) — In der Martins-
kapelle zu Freising entdeckte man den ursprünglichen Fussboden unter
einer Aufschüttung von fast 7 Fuss.
Bruchstücke eines ehemals im Chore des Domes zu Hildesheim be-
findlich gewesenen Mosaikfussbodens mit biblischen und allegorischen
Darstellungen werden in der Laurentiuskapelle des Domes aufbewahrt ') ;
andere Uebcrreste finden sich im Dom zu Chur, auch in St. Gereon zu
Cöln , und in den Kirchen zu Laach und Sponheim ein Buntpfiaster aus
verschieden gefärbten kleinen Ziegelplatten. — Der Cisterzienser Bernhard
von Clairveaux *) im XII., und die Acta Mediolanensia^) im XVI. Jahrh.
erklärten sich gegen Musivbilder heiliger Gegenstände im Pfiaster, wo sie
mit Füssen getreten würden. Statt solcher figürlichen Darstellungen, deren
Technik (Opm tesaelatum) diesseits der Alpen seit dem XII. Jahrh. über-
haupt gänzlich ausser Uebung gekommen zu sein scheint , wurden später
Pflasterungen sehr beliebt , welche aus figurirten , meist glasirten Back-
steinplatten von 4 — 6 Z. im Quadrat bestanden, auch rautenförmig oder
rund vorkommen , und Teppich muster bildeten. *) Dergleichen Fuss-
1] Ueber die verschiedenen Pflaster-Mosaiken des M. A. vergl. Decorde,
Pavage des öglises dans le pays de Bray. Paris 1 S5**. Vergl. auch Keichensper-
ger, A., Fingerzeige auf dem Gebiete der kirchl. Kunst. S. 49.
2) de Roisin, la Cath^dralede Tröve» p. 35 et 1U5.
3) VezjB^. Piper, Ferd., Mythologie der christl. Kunst 2, 700. Ein Medaillon
dieses Musivbodens stellt sogar die h. Dreieinigkeit (als ein dreifaches Gesicht) dar;
der h. Bernhard hatte also Grund zu seiner Polemik.
4) £p. ad Wilhelmum Abb. (Opp. 1 , 544) : At quid saltem sanctorum imagines
non venerentur, quibus utique hoc ipsum, quod pedibus conculcatur , nitet pavimen-
tum ; saepe spuitur in os angeli , saepe alicujus sanctorum facies calcibus tunditur
transeimtium. £t si non sacris imaginibus , cur vel non parcitur pulchris coloribus }
Cur decoras, quod mox foedandum est r Cur depingis, quod necesse est conculcari }
5) Instruct. fabricae eccles. p. -IH9 : In pavimento neque picturaneque sculptura
crux exprimatur, nee vero praeterea alia sacra imago etc. — Kreuser, Kirchenbau
1, 219.
6] Abbild, von Mosaikziegeln: Lisch, G. C. F., Blätter zur Gesch. der Kirchen
zu Doberan und Althof (Separat- Abdruck aus Jahrg. XIX. der Jahrb. des Vereins
fOr meklenb. Gesch.) S. 1 1 — 25. und v. Quast, in der Zeitschr. für christl. Archäol.
u. Kunst 2, 2b ff. u. 74. — Milde, C. J., Denkm. bild. Kunst in Lübeck IS48,
Heft 2. — Verband!, des Vereins für Kunst u. Alterth. in Ulm u. Obersch^^aben,
2. Bericht 1S4-1, S. 17 ; 9. u. 10. Bericht, S."54 ; 14. Bericht mit 21 Tafeln in Bunt-
druck.— Correspondenzbl. des Gesammtvereines etc. VI. Jahrg. lb5S, S. 29. u. 67. —
Mittelalter!. Kunstdenkm. des Österreich. Kaiserstaates, herausgegeb. von Dr. G.
Heider etc. 2, 170. - Ernst, L., u. Oescher, L., Baudenkm. d. M. A. in
Oesterreich Heft 3 Taf. 1. — Essenwein, A. , Norddeutschlands Backsteinbau
Taf. XXIV. 12. — Derselbe, in den Mittheil, der k. k. Central - Commission etc.
1862. 7, 4Sff. — Christi. Kunstbl. 1S62, S. 13Sff.
72
Fussböden.
böden, die sich nur in Bruchstücken erhalten haben , finden sich in Eng-
land , Frankreich , Skandinavien und im Gebiete des nord - und des süd-
deutschen Ziegelbaues vor. Die Platten sind roth oder porphyrartig
dunkelfarbig ; die Muster wurden vor dem Brennen mit geschnitzten
Formen eingedrückt und dann mit einer hellfarbigen , gewöhnlich gelben
Thonerde oder Harzmasse ausgefüllt (oder auch umgekehrt: die Ziegel
hell und das Muster dunkel) ; sie kommen in den verschiedenen Ländern
zuweilen in völliger Uebereinstimmung vor , was auf gemeinschaftlichen
Ursprung (vielleicht aus England) hindeutet. Besonders sind es Thier-
gestalten, die sich wie in Frankreich und England, so auch in Norwegen
(Klosterkirche zu Hovedöe) und Meklenburg (Kapelle zu Althof, Kloster-
kirche zu Doberan) ganz in derselben Weise vorfinden. — Bei frei er-
fundenen Arabeskendessins wird das vollständige Muster immer aus je
vier zusammengehörigen einzelnen Platten gebildet, die, wenn die Zeich-
nung danach eingerichtet war, in höchst praktischer Weise beliebig an
einander gelegt werden konnten. Zu den ältesten und schönsten dieser
Fig. 27. Fussbodenplatten in Ammensleben (nach v. Quast).
Gattung gehören die Platten, welche sich in der südlichen Nebenapsis
der Klosterkirche zu Ammensieben im Magdeburgischen erhalten haben. —
Der Raum hinter dem Altare der Kirche zu Pechüle bei Treuenbrietzen
ist mit kleinen kreuzförmigen Ziegelsteinen belegt.
Bei den im Laufe der Zeit in den Kirchen immer häufiger geworde-
nen Begräbnissen wurden die alten Buntpflaster nach und nach zerstört,
und Leichensteine traten an deren Stelle.
Anmerkung. Die bereits in heidnisch - antiken Mosaikfussböden
(z. B. in den Salzburger Mosaiken des Museums zu Wien) vorkommenden
Labyrinthe*) gingen schon frühzeitig in die christlichen Kirchen (z. B.
in der Basilika des Reparatus zu Orleansville in Algerien, V. Jahrh.) über,
1 ) Ueber die Labyrinthe oder Jerusalemswege vergl. D 1 d r o n, Annales archöol.
14, 268 u. 17, lÄ48qq. ; de Caumont, Ab6c6daire 1 (4.6d.) p. 445 8qq. ; Gailha-
baud, die Baukunst etc. Bd. V. Taf. 13 u. 14; Krauser, der christl. Kirchenbau
1, 219.
Labyrinthe. — Emporen. 73
blieben auch im M. A. beliebt und haben sich in Frankreich mehrfach , in
Deutschland anscheinend nirgends mehr erhalten , da das Labyrinth in St.
Severin zu COln in neuerer Zeit zu Grunde gegangen ist. Diese, gewöhn-
lich im Hauptschiffe, zuweilen beim Eintritt ins Querhaus angebrachte,
eigenthümliche Fussbodenverzierung kommt in quadratischer, runder oder
achteckiger Form vor , und die concentrischen Irr*^
gänge derselben sind durch Steinchen von zwei
verschiedenen Farben als »pavimenium sectileoi dar-
gestellt. Der Name Chemins de Jerusalem
(Jerusalems wege) scheint erst von den französi-
schen Archäologen dafür erfunden zu sein, weil
das christliche Volk seit den Kreuzzügen (wie nach-
weislich zu Rheims um 1240) das Durchwandeln
dieser Irrgänge unter gewissen Gebeten als Ersatz
Fig. 28. Lftbyrinth »us der fflr eine Pilgerreise nach Jerusalem zu betrachten
Pfarrkirche la 8t. Quintin n i. j« j-lm» /-«!-• j
(imeh Crotnier). pAegte , WOZU die an das heilige Grab erinnernde
Centralform der Labyrinthe die Veranlassung ge-
wesen sein mag. Im Dome von Chartres wurde das Labyrinth gemeiniglich
» Lteite « genannt , weil man auf den Knieen rutschend eine Stimde Zeit ge-
brauchte , um bis in die Mitte zu gelangen : die Schlangenwindungen des-
selben waren 668 F. lang. — Dass übrigens nicht bloss die Darstellung
selbst , sondern auch der Name Labyrinth sich aus der heidnischen Kunst
ins Mittelalter fortgepflanzt hatte, ist erwiesen. ^)
28. Emporen (provinziell Emporkirchen, Porkirchen, auch
Priechen oder Chöre genannt), in der morgenländischen Kirche für
das weibliche Geschlecht seit den ältesten Zeiten allgemein üblich,
kommen im Abendland , abgesehen von einigen den byzantinischen
Typus befolgenden Centralbauten , zunächst nur in den Kirchen von
Frauenklöstern vor, wo sie, dem vorhandenen Bedürfiiisse eines völlig
abgesonderten Raumes für die Schwestern entsprechend, seltener über
den Seitenschiffen, gewöhnlich als Nonnenchöre am Westende des
Mittelschiffes über der Vorhalle , als ein sich über einer Brüstung in
Bogenstellungen öähendes Obergeschoss angeordnet sind. In anderen
Fällen ist der Zweck dieser vom XI. bis XIII. Jahrh. sehr häufigen
Emporen nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen ; doch darf man, wo
sie in den Kirchen von Mönchsklöstern vorkommen, mit Wahrschein-
lichkeit annehmen, dass sie für weibliche Kirchenbesucher dienten,
oder, wenn mit dem Mönchskloster ein besonderer Nonnenconvent
verbunden war, den Schwestern als abgeschlossenes Oratorium (Bet-
1) NachDidron findet sich in Lucca auf einen Stein gravirt die Zeichnung
eines Labyrinths von 1 % F. D. mit der Majnskel-Beischrift :
Hie quem Creticus edit DediQus est laberintus,
De quo nuUus vadere quivit, qni fuit intus,
Ni 'Dieseus gratis Adriane stamine jutus.
74 Nonnenchöre.
chor) überwiesen waren. — Der Einbau vorspringender Bühnen zur
Aufstellung der Orgel (Orgelchöre) wurde erst später gebräuchlich,
und die Einrichtung durchgehender Emporen (Mann chöre) in man-
chen Hallenkirchen des XVI. Jahrhunderts scheint vorzüglich auf
die Zwecke des Predigtgottesdienstes berechnet zu sein.
In dem nach byzantinisch - ravennatischem Muster errichteten karo-
lingischen Centralbau des Aachener Münsters war die ringsumlaufende
Empore {solaritttn) , auf welcher dem Altare gegenüber der Stuhl des
Kaisers steht, fttr die Hofgemeinde bestimmt: eine Einrichtung, die auch
in späteren Schlosskapellen fs. oben S. 21.) wiederkehrt, und vermuthlich
die Veranlassung dazu war, dass Kugler, der das Verdienst hat, auf
die in der romanischen Periode so häufig vorkommende Anordnung einer
westlichen Empore über der Vorhalle zuerst hingewiesen zu haben , die-
selben (Kunstgesch. 2. Aufl. S. 472) als unzweifelhaft zum Aufenthalte
vorzüglich angesehener Besucher (namentlich etwa der kaiserlichen Fa-
müie) bestimmte Logen bezeichnete , während es doch , wie spätere Er-
gebnisse darthaten , grösstentheils Nonnenchöre sind : so in den Kirchen
der Frauenklöster zu Essen, Maria auf dem Capitol zu Cöln, zu Ott-
marsheim, Gemrode, Quedlinburg, Dröbeck. Qandersheim, St. Moritz in
Hildesheim, Fröndenberg a. d. Ruhr, Oesede bei Osnabrück, Asbeck im
Münsterlande, Dom zu Gurk etc. Besonders bei den Cisterzienser- und
Prämonstratensemonnen dehnen sich diese Emporen zuweUen sehr weit
nach Osten aus und theüen selbst das ganze Kirchenschiff in zwei Etagen,
deren obere fttr die Schwestern , die untere fttr das Volk bestimmt war :
St. Thomas a. d. Kyll, Altenberg a. d. Lahn, Neuendorf in der Altmark,
Hecklingen bei Stassfurt, Wienhausen a. d. Aller (hier mit noch erhal-
tener liturgischen inneren Einrichtung), Lünen bei Lüneburg, Mühlberg,
Langenhorst in Westfalen, Gnadenthal bei Schwäbisch-Hall etc. — Von
der Bestimmung der Emporen in Mönchsklöstern für weibliche Kirchen-
besucher finden sich schon aus der Zeit der byzantinischen Oberherrschaft
in Rom zwei Beispiele: S. Lorenzo vom Ende des VI. , und S. Agnese
vom Anfange des VII. Jahrhunderts , beide ausserhalb der Mauern bei
den Katakomben belegen , und mit einer Langseite gegen einen Hügel
gelehnt, von welchem aus die Frauen ihren besonderen Eingang zu den
Emporen hatten, in strenger Geschiedenheit von den Mönchen des Klo-
sters. *) Nach Analogie dieser Einrichtung liegt die Vermuthung nahe,
dass die in deutschen Mannsklöstem zuweilen vorkommenden Emporen
denselben Zweck hatten; wie z. B. in St. Michael zu Hildesheim, wo die
in den Kreuz vorlagen angeordneten Emporen wohl sicherlich für die Frauen
bestimmt waren, deren zwar nach den alten Statuten nur sieben bejahrte
a]B Nonnen sollten aufgenommen werden dürfen, während jedoch gegen das
Jahr 1247 eine solche »multiiudo monialiuma vorhanden war, dass die Ein-
künfte des Klosters nicht mehr ausreichen wollten, welches überdies durch
das Zusammenwohnen beider Geschlechter seinen Ruf gefährdet hatte. *)
1) Lenoir, Architecture monaatique I, lOS u. 169.
2) Chron. Monast. St. MicKaeliB in Meibom, Rer. Germ. 2, 520.
Nonnenchöre.
75
Gleiches gilt von dem westlichen Emporenbau in dem Augustinerstifte
Fredelsloh bei £imbeck, wo nach einer Urkunde von 11 55 mit dem Con-
Fif. 29. Wettlichcr Nonnonchor im Münster lu Essen (nach v. Qunsti.
vente der Brüder ein nmapntnn et religioswn sororum collegiumm vereinigt
war. *) Auch mit den thüringischen Benedictinerklöstern Paulinzelle,
Bürgelin , Vessera und mit Huyseburg bei Halberstadt waren Nonnen-
convente verbunden, und in allen diesen Kirchen sind westliche Emporen
nachgewiesen ; ebenso könnten die in der Kirche auf dem Petersberge bei
Halle a. d. S. im Altarhause angeordneten Emporen für die in dieses
Augustinerstift aufgenommenen Schwestern bestimmt gewesen sein. ')
Emporen, welche sich über den ganzen Raum der Seitenschiflfe erstrecken,
1) Grotefend, C.L.,in: die mittelalterl. Baudenkm. Niedersachsens etc. 2, 48.
2) Lep 8 iu s, G. F., Histor. Nachricht vom Augustiner-Kl. St. Moritz zu Naum-
burg. 8. 114.
76 Emporen.
scheinen nur in FrauenklOstem des X. bis XII. Jahrhunderts vorgekom-
men zu sein: Essen (ehemals), St. Ursula in Cöln, Gemrode, St. Georg
in Prag; zu Anfang des XIII. Jahrh. findet sich diese Anordnung in
vielen GewOlbebauten des Rheinlandes (Pfarrkirche zu Andernach , Maria
in Lyskirchen zu COln, Kirchen zu Bacharach, Sinzig, Heimersheim,
Linz, Erpel, Dom zu Limburg a. d. L. etc.), auch im hohen Chore des
Domes von Magdeburg (der sogen. Bischofsgang) , anscheinend aus con-
structiven Rücksichten , und ohne dass über die gottesdienstliche Bestim-
mung der Emporen etwas nachgewiesen wäre. Letztere ist ebenfalls un-
bekannt in Beziehung auf die z. B. im sogen, alten Dom zu Regensburg,
mehrfach in Westfalen und in vielen älteren einschiffigen Landkirchen
Böhmens (St. Jacob, Podvinez, Tetin etc.) vorkommenden westlichen
Emporen, die den NonnenchOren auch darin gleichen , dass auf ihnen zu-
weilen (wie in St. Jacob) ein Altar befindlich war, wodurch sich dieselben
als Betchöre für die Familie der Stifter charakterisiren dürften. ^) Die
völlig demselben Typus entsprechenden Emporen am westlichen Ende
der Hospitalkirchen zu Salzburg und Klostemeuburg sollen mit dem
Oberstockwerke der anstossenden Spitalgebäude in Verbindung gestanden
haben. Auch die Wolfgangskirche zu Kirchberg am Wechsel vom Schluss
des XIV. Jahrh. hatte eine Emporenanlage in Westen.
Bemerkenswerthe Emporenanlagen : der westliche Nonnenchor des
Münsters zu Essen aus dem X. Jahrh. (Fig. 29), ein Halbpolygon mit zwei
Emporen über einander und zwei nischenfSrmigen Kämmerchen neben
der oberen; die Emporen in den Kreuzvorlagen der beiden Querschiffe
von St. Michael in Hildesheim aus dem XI. Jahrh. ; der westliche Non-
nenchor und der von Säulen getragene Emporumgang im Kreuzbau von
St. Maria auf dem Capitol in Cöln aus dem XI. und XII. Jahrh. ; die den
westlichen Theil des Mittelschiffes und das ganze südliche Seitenschiff
einnehmende Empore in der Kirche des Nonnenklosters Hecklingen, ein
dem Xni. Jahrh. entstammender malerischer Einbau in der im XII. Jahrh.
erbauten Kirche ; die das Rechteck der sogen, alten Pfarr in Regensburg
an allen vier Seiten umgebenden Emporen aus dem XIII. Jahrh. ; die den
gesammten Raum des hohen Chores der Katharinenkirche zu Lübeck ein-
nehmende , von 1 6 Säulen getragene romanisirend - frühgothische gross-
artige Empore. — Unter den Orgelbühnen sind zu nennen die im
Münster zu Strassburg, in St. Stephan zu Wien etc. ; als Mannchöre
zu erwähnen die Emporen in der Annakirche zu Annaberg (reich mit
Sculpturen geschmückt) , in der Marienkirche zu Halle a. d. S. , in der
Schlosskirche zu Wittenberg, letztere sämmtlich aus dem XVI. Jahr-
hundert.
Anmerkung. Von den älteren eigentlichen Emporen über den Seiten-
schiffen der Kirchen, die zur Aufnahme eines Theiles der Gemeinde bestimmt
waren, sind zu unterscheiden die seit dem XIII. Jahrh. in reicher ausge-
statteten Kirchen (Münster zu Basel, St. Sebald in Nürnberg, Dom zu Lim-
burg an der L., Dome zu Cöln, Strassburg, Regensburg, Prag, Barbara-
1) Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. 1857. 2, 157.
Triforium. — Kreuzgang. 77
kircbe in Kuttenberg, Marienkirche in Stargard etc.) Ober den Arkadenbögen
und unterhalb der Oberlichter in der Mauerstärke angebrachten , ein Mittel-
Fig. 30. Triforium ni St Sebald in
Nftrnbery (nach Kftllenbach).
geschoss bildenden Galerien (Laufgänge), die einerseits zur Belebung der
Wandfläche dienen, andererseits zu einer leichteren Communication nach
allen Theilen des Gebäudes nutzbar sind. Nach dem Vorgange der eng-
lischen Archäologen werden diese Galerien gewöhnlich Triforium (d. i.
Dreiöffnung) genannt, weil sie sich in mindestens drei, gewöhnlich aber meh-
reren , in Gruppen zusammengeordneten kleinen Bogenstellungen nach dem
Innern der Kirche öffnen ; äusserlich sind sie zuweilen (Dom zu Cöln) mit
Fenstern versehen , wenn die Dachconstruetion der Seitenschiffe solches ge-
stattet. *) Seltener sind altanartig vortretende Galerien am Fusse der Fenster
(Chor von St. Lorenz in Nürnberg) , sehr häufig aber schmale Gänge auf
Mauerabsätzen (Mönchsgänge) zu dem Zwecke , um , besonders bei Re-
paraturen, mit Leichtigkeit zu allen Theilen des Gebäudes gelangen zu
können (Liebfrauenkirche zu Trier) . Aehnliche Bewandtniss hat es meisten-
theils mit den äusserlich angeordiieten Galerien ; doch haben diese, nament-
lich wenn sie als Altane über Portalen angebracht sind (Lorenzkirche in
Nürnberg, Marienkirche zu Mühlhausen in Th.) auch gottesdienstliche
Zwecke : Vorzeigung von Reliquien etc.
29. In Klöstern und Stiftskirchen schliesst sich an eine Langseite
der Kirche (von V nach S des Grundrisses S. 35) , mit derselben in
Verbindung stehend^ der Kreuzgang (ambittisj^): ein gewöhnlich
aus vier Bogenhallen bestehender Umgang, welcher einen freien vier-
eckigen Raum, den Klosterhof oder Gottesacker {coemetertum
cantiguum) y umschliesst, und sowohl zu Grabstätten benutzt wurde, •
als fiir Processionen und zum Lustwandeln der Mönche diente. Der
Kreuzgang, der in einem obem Stockwerke die Mönchswohnungen
enthält , vermittelt die Communication mit den anstossenden Kloster-
gebäuden.
Der Name T^Kreuzganga wird von Einigen zwar von der fast stets an-
gewendeten Ueberdeckung mit Kreuzgewölben abgeleitet , von Anderen
1) Schnaase, Gesch. der bild. Künste IV. 1, 232; Kugler, Gesch. der Bau-
kunst 3, 9.
2} Bei den Karthäusem heisst der Kreuzgang Oalilaea: s. unten den Anhang
zu diesem Abschnitte aber die baulichen Einrichtungen der Klöster.
78 Kreuzgang.
dagegen mit grösserer Wahrscheinlichkeit auf die Bestimmung fttr Pro-
cessionen (Kreuzgänge, weil ein Kreuz vorausgetragen wird) bezogen.
Die Lage des Kreuzganges ist gewöhnlich südlich von der Kirche *)
(gegen Norden von dieser geschützt imd mit sonniger Lage des rings um-
schlossenen Rasenplatzes) , wie er bereits auf dem Plane von St. Gallen
(S. 2S.) sich angegeben findet als ein bedeckter Gang {porticus) mit hohen
Hundbögen (arcus) und vier Thüren , welche sich nach dem freien Platze,
der hier nicht der Friedhof ist*), ölfnen. In der Mitte dieses freien Rau-
mes , zu welcher von den Thüren vier einander sich im rechten Winkel
durchkreuzende Pfade (»quaiuor semitae claustri per transversuma) führen,
steht auf einem quadratischen, von Fusswegen imigebenen Rasenplätzchen
ein Seiibaum (savinä) . — Die Anlage des Kreuzganges westlich von der
Kirche y wie sie bei St. Gereon und Maria auf dem Capitol zu Cöln, auch
am Dome zu Paderborn vorkommt, ist eine wohl lediglich in localen Ver-
hältnissen begründete Ausnahme. Die einzelnen Bögen der Kreuzgänge
sind entweder als ganz ofiene Schwibbogen behandelt und nur durch eine
Brüstungswand vom Gottesacker getrennt (Dom zu Merseburg etc.) oder
als Fensteröfihungen , zwar mit Stab - und Maasswerk gefüllt (Dome in
Trier und Magdeburg, Minoriten in Cöln etc.) , aber gewöhnlich ohne
Verglasung; (mit Glasfenstem geschlossen z. B. im Stifte Heiligenkreuz).
Der älteste Kreuzgang (etwa vom Ende des XL Jahrh.) hat sich in dem
Nonnenstift auf dem Nunberge in Salzburg erhalten; zu den grossesten
und prachtvollsten Kreuzgängen aus älterer Zeit gehören die im Lieb-
frauenkloster zu Magdeburg, beim Dome zu Trier, beim Grossmünster zu
Zürich, neben der Stiftskirche zu Aschaffenburg, bei St. Emmeram in
Regensburg , in Klostemeuburg etc. Die Kreuzgänge zu' Königslutter,
Paulinzelle , Pforta etc. , sind zweischiffig. Der noch in einem Bruch-
stücke erhaltene Kreuzgang neben der ehemaligen Stiftskirche zu Asbeck
im Münsterlande erscheint insofern als einzig in seiner Art , als er sich
in zwei fast gleich hohen und gleichmässig weiten Bogenstellungen über
einander erstreckte , während sonst das Oberstockwerk nur von Fenstern
durchbrochen wird.
Anmerkung 1. Häufig steht mit einer Seite des Kreuzganges , wie
in den Cisterzienserklöstern zu Maulbronn, Heiligenkreuz, Lilienfeld,
Zwetl etc. , ein Brunnenhaus in Verbindung, welches kapellenartig an-
gelegt, rund oder polygonisch nach dem Friedhofe heraustritt, in Maulbronn
1 ) j> Ihr pdUaat und ihr dormeUr toar gen Meridiane,
Ein kreuzaang, wohl geformter Jazwisehen lag, des waren sie nicht ane,
Als es zu oräderschafie wohl gehorte.«
Der jüngere Titurel 92 S. 37S.
2) Der Begräbiiissplatz liegt entfernt neben dem Küchengarten des Klosters und
ist mit allerlei Fruchtbäumen bepflanzt, wie es überhaupt ursprünglich Sitte war, dass
sich der Gottesacker ausserhalb der Clausur befand, zuweilen so weit entfernt, dass
die Leichen auf einem Wagen dahin gebracht werden mussten , und nicht selten auf
der Spitze eines Berges im frischen Waldesdunkei. Im XI. Jahrh. war zur Anlage
eines Begräbnissplatzes neben der Klosterkirche noch bischöfliche Erlaubniss erforder-
lich. Vergl. Martene, de antiquis eccl. rit. 4, 767; Heider, G., in den Mittheil,
der k. k. Central-Commission etc. 1856. 1, 57.
Brunnenhaus.
79
in nächster Nähe des Sommer-Refecto-
riums. Das älteste bekannte Bauwerk
dieser Art (aus dem XII. Ja)irh.) be-
findet sich im Prämonstratenserkloster
u. 1. Frau in Magdeburg an der öst-
lichen Seite des Kreuzganges, und der
Name Tonsur (d. i. Scherbrunnen),
der sich hier durch Tradition dafür er-
halten hat und auch in anderen deut-
schen Klöstern üblich ist, deutet dar-
auf hin, dass in diesen Brunnenhäusern
den Mönchen Bart und Haupthaar ge-
schoren zu werden pflegte , was nach
den Consitetudtnes der Cluniacenser
(D'Achery, Spicilegium, Paris 1723.
1,H95) alle drei Wochen und unter
Psalmodien zu geschehen hatte, und
sicher in ähnlicher Weise auch bei den
Cisterziensem und Prämonstratensem
Sitte war. Vergl. Feil, Jos., in den
Mittelalterl. Kunstdenkm. des Oster-
reich. Kaiserstaates, herausgegeb. von
Dr. Gust. Heider etc. 1, 38; auch
V. Quast in der Zeitschr. für christl.
Archäol. und Kunst l, 245. In Maul-
bronn ist noch ein zweiter Brunnen
neben dem Abthause , welcher »Scher-
brunnen« genannt wird. Vergl. Klun-
zinger, C, Beschr. der Abtei Maul-
bronn. 3. Aufl. S. 50.
Anmerkung 2. Unter den an den Kreuzgang stossenden Baulich-
keiten sind besonders hervorzuheben der Capitelsaal und das Refecto-
r i u m , welche Prachträume des Klosters architektonisch im Wesentlichen
Vif. 'il. Tonsur im Klostor u. 1. F. in Mi'gde-
biirg (nach v. Quast).
Fig. 3*2. Längendurchschnitt des Capitelsaals in Kloster Walkenried (nach Lot?).
gleichmässig (rechteckig ; gewöhnlich zweischiffig , seltener dreischiffig) be-
handelt sind, und zuweilen, wo die Tradition darüber schweigt, deshalb nur
80
Capitelsaal. — Refectorium.
nach ihrer Lage unterschieden werden können. Der Capitelsaal (conventus,
capitulum) pflegt nämlich in der Nähe der Kirche an der Ostlichen Seite des
Kreuzganges zu liegen, von dem er häufig nicht durch eine geschlossene
Thür, sondern nur durch olfene Bogenstellungen getrennt ist. Im Innern
ist rings herum eine Steinbank angebracht für die Brüder, die sich hier täg-
lich nach dem Morgengottesdienste unter dem Vorsitze des Abtes oder
Stiftspropstes versammelten zum Vortrage eines Capitels aus der Ordens-
regel, zu richterlichen Verhandlungen und Berathungen etc. Auch diente
dieser zuweilen mit einer Kapelle verbundene Saal zu Begräbnissen der
Capitularen. — Das Refectorium ist der gemeinschaftliche Speisesaal und
liegt wegen des Duftes der Speisen entfernt von der Kirche an der gegen-
über liegenden Seite, gern in der Nähe des Brunnenhauses (s. die vorstehende
Anmerk. 1.) und bei der Küche. Zu seiner monumentalen Ausstattung ge-
hört eine emporenartige Steinkanzel , von welcher während der Mahlzeit aus
dem Leben der Heiligen vorgelesen wurde , und ein Steinbecken [lavahoy
concavarium) , in welchem sich die Tischgenossen nach dem Essen die
Hände (im Winter mit warmem Wasser) wuschen. In vielen Klöstern waren
zwei Refectorien , das eine für den Sommer (refectorium aesHvale) , das an-
dere, heizbar, für den Winter [refectorium hibemum), Vergl. Lenoir, Ar-
chitecture monastique 2, 320 sqq. und weiter unten den Anhang zu diesem
Abschnitte über die bauliche Einrichtung der Klöster.
-1
Fig. 33. LftTftbo in Kloctfr Walkenried (nach LoU).
Sacristei. 8 1
30. Sacristeien [secretaria] *) , hie und da auch Almereien
[armarta], GarwehänseT [vestiaria] oder Treskammern (gazophylacia)
genannt 9 sind gewöhnlich spätere Ein- oder Anbauten, oft an der
Nordseite der Kirche und regelmässig in der Nähe des Hochaltares
belegen. Ihre Bestimmung als Aufenthaltsort [metatorium, salutato-
rium) der Geistlichen , als Schatz-, Bücher- und Kleiderkammer ist
bekannt, und die seit dem XIII. Jahrh. vorkommende Errichtung von
Altären in denselben lässt sie zugleich als Oratorien erkennen. —
Auch ist hier der abgesonderten festen Gemächer zu gedenken, die
(zu Magdeburg , Halberstadt und Quedlinburg) den dunkeln Namen
Zither fuhren und zur Aufbewahrung der Kirchenschätze (Reliquien,
Urkunden, Kleider] dienen.
Dem Namen AI m er ei , abgeleitet von Alm er, almaria, Aranz.
autnaire, liegt das Isiteia. armarium zu Grunde = Kasten , Schrank. —
Garvebaus, Gerwehus, Gerkammer, Gherhus, Gherekam-
mer, Gerbekammer (in Niedersachsen , Westfalen und am Nieder-
rhein gebräuchlich), etwa von gar, gerven, d. i. zurecht machen, dem
Zubereiten des Priesters; das von Kreuser a. a. O. S. 213 herbeige-
zogene Gere in der Näherei gehört nicht hierher ; es bezeichnet einen
schiefen Saum, wie Gerung beim Tischler das Zusammenfügen zweier
Hölzer unter schiefem Winkel, und wenn Luther Hagg. 2, 13 übersetzt
» tn seines Kleides Geren <r , so versteht er nach dem Grundtext darunter
den Zipfel . — Treskammer, corrumpirt Trostkammer (in Preussen
und Schlesien), wie Tressler (tAesaurarius) von tresey /5rc«or .= Schatz-
kammer; vergl. Diez, Lexicon derroman. Spr. S. 738. — Zither, ur-
kundlich im XIV. Jahrh. sytere, (vergl. in v. Ledebur, AUgem. Archiv
10, 175 ff.) scheint mit dem von Schäfer a. a. O. angeführten slav.
ct'tame = Archiv zusammenzuhängen.
Auf dem Plane von St. Gallen (S. 43- sind in den von dem Altar-
hause und Querhause der Kirche gebildeten Winkeln zwei zweistöckige
Gebäude angegeben , von welchen das nördliche unten die Stube der Ab-
schreiber (in/ra sedes scribentium) , oben die Bücherei (supra hibliothecä) ,
das südliche unten die heizbare Sacristei (suhtus sacratorium) mit einem
Tisch zur Aufstellung der heiligen Gefösse [mensa sanctorum vasorum),
oben die Paramentenkammer {supra vestium ecclesiae repositio) enthält.
Hinter der Sacristei befindet sich noch ein besonderes Gebäude , worin
das Weihbrot gebacken und das heilige Oel gepresst wurde (domus ad
parandum panem sanctum et oleum exprimendum) , was anderweitig in der
Sacristei selbst zu geschehen pflegte. — Grössere Kirchen haben oft zwei
Sacristeien mit verschiedener , verwandter Bestimmung (der Dom zu Cöln
hatte eine grosse und eine kleine Gerkammer, der zu Magdeburg einen
geheimen und einen grossen Zither) ; kleinen Kirchen fehlt die Sa-
cristei häufig ganz. — Schon das Beispiel von St. Gallen lehrt, dass die
1) lieber Sacristeien: Kreuser, Kirchenbau 1, 212—217; vgl. Dr. Schfäfer]
im Correspondenzbl. des histor. Gesammtvereins etc. II. Jahrg. (185-tj. S. 121.
0 1 1 e , Kunyt- Archäologie. 6
82
Maassverh<nisse.
Sacristei schon damals nicht stets in Norden lag , obwohl dies meisten-
theils der Fall ist; in Süden befindet sie sich z. B. an den Domen zu
Bamberg und Magdeburg , an St. Victor zu Xanten , an St. Lorenz zu
Nürnberg, an der Marienkirche zu Berlin etc. An der Nicolaikirche zu
Jüterbog liegt die alte Sacristei südlich, die neue vom Ende des XV.
Jahrh. nördlich, und ebenso liegen an St. Sebald zu Nürnberg die beiden
Sacristeien einander gegenüber: die grosse südlich, die kleine nördlich.
Anmerkung!. In den Zusätzen zur zweiten Auflage von Kleines
Rheinreise von v. Lassaulx, S. 501 ff. , findet sich eine Uebersicht des
Flächenraumes der bedeutendsten (namentlich rheinländischenj Kirchen-
gebäude , die wir , nach vorhandenen Grundrissen von einem befreundeten
Architekten vervollständigt^ mittheilen und dabei bemerken, dass das Maass
nach rheinländischem Fuss (zu 313 Millimeter) im Lichten, nach Abzug aller
Pfeiler und sämmtlicher nicht zum aUgemeinen Gottesdienste bestimmten
Anbauten, berechnet ist :
12496D'
12322
12205
12175
12165
12083
11841
11442
11367
10357
10045
9S35
9753
974S
DominCöln (5291 SD
» » Ulm 51831
» » Speier 45015
» » Strassburg . . . . 41702
» » Metz 3S163
» w Mainz ..... 37506
Marienkirche in Danzig . . 37060
Dom in Lübeck . . . . . 34491
Marienkirche daselbst . . . 33469
Dom in Wien (Steph.) . . . 32400
» » Magdeburg .... 31006
1» » Freiburg .... 30101
Frauenkirche in München . . 29806
Dom in Trier 29774
» » Paderborn .... 26833
» » Verden 26335
» u Regensburg . . . 24315
Abteikirche in Hersfeld . . 23755
Dom in Bamberg .... 23499
» » Worms 2297*>
Lorenzkirche in Nürnberg . . 21730
Dom in Xanten 20659
» » Basel 20382
Klosterk. in Limburg a. d. H. 19208
Maria auf dem Capitol in Cöln 19129
Klosterkirche in Altenberg . . 18432
Dom in Halberstadt . . . . 1S393
Sebaldskirche in Nürnberg . . 1 7361
Dom in Soest 16711
9 » Erfurt 15636
Apostelkirche in Cöln . . . 15087
Dom in Naumburg .... 13990
Cunibertkirche in Cöln . . 13761
Dom in Merseburg
Elisabethkirche in Marburg,
Stiftskirche in Oberwesel
Stephan in Mainz
Kirche in Schulpforte .
Stiftskirche in Cleve
Klosterkirche in Laach .
Dom in Meissen . . .
Liebfrauenkirche in Trier
Klosterkirche in Jerichow
Gross Martin in Cöln
Dom in Limburg a. d. Lahn
U. 1. F. in Arnstadt
Klosterk. in Chorin (als Ruine)
Dom in Aachen (vor seiner Ver
grösserung durch den Anbau
eines neuen Chors nur 7536 O '
Kirche in Memleben . .
Sohlosskirche in Quedlinburg.
Martin in Münstermaifeld
Klosterkirche in Zinna .
Castor in Coblenz . .
K. auf dem Petersberg bei Halle
Pfarrkirche in Ahrweiler .
Gereon in Cöln ....
Florin in Coblenz . . .
Liebfrauenkirche daselbst •
Pfarrkirche in Andernach .
Franziscanerkirche daselbst
Pfarrkirche in Sinzig . .
» » Mayen . .
Boppard
Stiftskirche in St. Ooar
Die vorstehende Zusammenstellung ergiebt, dass die Dome zu
9704
93S4
9370
9284
906S
8S99
8711
8332
8084
7496
6741
6700
5937
5402
5033
4S12
4336
Cöln
(gegr. 1248) und Ulm (als Pfarrkirche gegr. 1377) die beiden grossesten
Kirchen in Deutschland sind, denen sich der schon um t030 gegründete
Dom in Speier als die dritte anschliesst. In Speier und Cöln finden wir
dieselbe lichte Breite des Mittelschiffes von -44 F., und wenn es hauptsäch-
lich die MaassverhSltnisse des Mittelschiffes sind , wodurch eine Kirche im
Innern grossartig erscheint, und namentlich die Breite desselben für die
M^aMveThaltniflse.
83
übrigen Theile des Grundrisses maassgebend ist. so folgt; dass in Beziehung
auf die Weiträumigkeit der Kirchen die frühere Zeit von der späteren kaum
übertroffen worden ist : ja , die grosseste vorkommende Mittelschiffbreite
von 50 F. hat der Dom zu Mainz , dessen ursprünglicher Grundplan vom
Ende des X. Jahrb. stammt. Anders verhält es sich mit der Höhe der Kir-
chen, worin es die frühere der späteren Zeit nicht gleich gethan hat. Das
nachstehende, chronologisch geordnete und aus den zuverlässigsten Quellen
zusammengestellte Verzeichniss weist an vielen Beispielen nach, wie sich
das Verhältniss der Breite des Mittelschiffes zur Höhe desselben im Laufe
des Mittelalters und in verschiedenen Gegenden Deutschlands gestaltet hat :
im XI. Jahrb. bleibt es noch etwas unter 1:2, hebt sich im XII. bis XIII.
Jahrb. auf 1 : 2 (bei dem Gewölbebau des Speierer Domes schon auf t '.2*/%)
und steigert sich nachher in der Gothik auf 1 : 2ys bis B, vereinzelt selbst
bis auf das schwindelnde Uebermaass fast von 1:5.
"Da» Mittelschiff 1 Entsteh-
|i iit im Lichten | ungtxeit
breft hoch Id. Grund-
F. rh. F. rh. planes.
Trier, Dom | 50
Mainz, » 50
Münster, Dom |44
Worms, » 35
Bamberg, » < 34
Ecktemach, Klo-
sterkirche 1 32]
Limburg a. d. H.,
Klosterkirche 38|
Speier, Dom ' 44
Hersfeld, Abteik. | 40
Bremen, Dom l 35
Paderborn, Dom 33
Minden, » 34
Paulinzelle, Klo-
sterkirche I 25
Laack, Klosterk. I 2S
Hu]r8barg,Kloftterk. ' 25
Hamersleben, Klo-
sterkirche 27
Breitenau,KlosterkJ 29
Petersberg, » ' 22
Hildesheim, St. Oo-
dehard
:29
Halberstadt, Lieb-
frauenk. | 30
Jerichow, Klosterk.!; 25^
Quedlinburg, St. il
Wiperti II 22
Brandenburg, Dom i 30
Braunschweig,
Magdeburg, »
Limburg a.d.L., *
Marburg, Elisabeth-
kirche
2Si
35
25
80 llV.Jahrb.
(c.lOO}«)| -979
(74)
rn)
(TS)
5S
|seii 990
seil 996
1006
1017
I
75 um J030
(110) um 1030
75 1037
1044
105S
1062
(66)
(60)
(69,
50
55
42
55
47
42
59i
54
49
32
(04)
56«
102
6S
34 \ 68
1106
1110
1110
1112
1119
1130
1133
1140
1149
1150
1170
1172
1208
1220
1235
Cöln, Dom 1
Halberstadt, Dom {
Breslau, Elisabethk. ;
Altenberg, Klosterk.;
Freiburg i. B., Mün-
ster
Stfassburg, Münster
Xanten, Stiftsk.
Berlin, Klosterk.
Chorin, »
Regensburg, Domini-
canerk.
Regensburg, Dom.
Lübeck, Marienk.
Ebrach, Klosterk.
Verden, Dom
Heiligenkreuz, Klo-
sterkirche
Doberan, Klosterk.
Soest, Wiesenk.
Cleve, Capitelsk.
Danzig, Marienk.
Wien, Stephansk.
Kolin, BartholomUik
Schwerin, Dom
Ulm, Dom
Kuttenberg, Bartho-
lomüikirche
Brandenburg, Katha-
rlnenkirche
Esslingen, Frauenk.
Prag, Teynkirche
Wilsnack, Wall-
fahrtskirche
Görlitz, Petrikirche
DasMiitelMhiffi Entsteh-
i«t im Lichten | u„ga,eil
'breit hoeh d.Grund-
F.rh. F. Ib. I planet.
14F i \2AH
86 um 1250
44
31
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30|
32
42
35
29
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85
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57
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1255
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1263
1271
1273
36
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1274
46
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1275
44
134
1276
40
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um 1280
411
65
1290
23
62
1290
36
90J
1291
35
76
1331
32
61
1334
29
90
1343
34
S9
1359
21
100
1360
39
100
n» 1370
47J
133«
1377
30
100
1380
291
51
1401
25
53
um 1406
37
96
1407
37|
83
0» 1410
3S
86
1417
1 ) Die Einklammerung des Höhenmaasses bezeichnet , dass der Aufbau und die
Bedeckung des Mittelschiffes ganz oder theilweise aus spaterer Zeil herrührt , als der
ursprüngliche, im Breitenmaasse beibehaltene Orundplan.
g4 Symbolik der Bauformen.
Eingeliende Racksicht auf die Maassverbfiltnisse der Kirchen im All-
gemeinen hat V. Wiebeking (Bflrgerl. Baukunde; vergi. Bd. IV.) ge-
nommen, und in Beziehung auf die Kirchengebäude der Stadt Danzig schon
Ranisch (Grund-Risse und Auff-Züge etc. 1695) und nach ihm J. C.
Schultz (Danzig und seine Bauwerke etc. 1846. Lief. I. Bl. 6). Er-
wünschte Erleichterung solcher Zusammenstellungen und der daraus zu zie-
henden mannichfaltigen Folgerungen ') bieten Hübsch (Die altchristl.
Kirchen etc.) und Adler (Mittelalterl. Backstein-Bauwerke), weil in diesen
Werken sämmtliche Zeichnungen nach einem und demselben Maasstabe
entworfen sind; bei Adler z. B. alle Grundrisse in Vt*© > die Aufrisse in
Vi«o ' die Details in '/ga der natürlichen Grösse. Die Zusammenstellungen,
die Puttrich (Systemat. Darstellung etc.) über die sächsischen Kirchen
gegeben hat, beruhen zum Theil nur auf oberflächlichen Messungen. —
Ausgedehntere Betrachtungen dieser Art leiden durch den Uebelstand immer
an Unsicherheit, dass bisher in den deutschen Architekturzeichnungen die
verschiedensten Werkmaasse *) in Anwendung gebracht worden sind , nicht
selten sogar ohne die nothwendige Hinzufflgung , welches Landesmaass ge-
meint ist. Der rheinische Fuss (:= 313 Millimeter) ist der verbreitetste und
wäre deshalb besonders empfehlenswerth ; doch hat man sich neuerlich auf
Architekten- Versammlungen für die allgemeine Einftthrung des französischen
Metermaasses (beiläufig ä^S F. 2V4Z. rh. oder 1% Berl. Elle) ausgesprochen.
Anmerkung 2. Die Symbolik des Kirchenbaues ') findetsich
bereits im christlichen Alterthume von Eusebius in der bei Einweihung der
Kirche zu Tyrus (Hist. eccl. 10, 4 n. 24 — 26) vor der versammelten Geist-
lichkeit gehaltenen Rede in schöner , erbaulicher Weise fruchtbar gemacht,
und zwar mit dem vollen , bei den Zuhörern vorausgesetzten Bewusstsein
der freien Hineintragung des Symbolischen in die an und für sich davon
ganz unabhängigen Bautheile ; die Absicht des Baumeisters setzt Eusebius
dagegen mit Bestimmtheit voraus , wenn er in der Beschreibung der Kirche
1) Vergl. Schnaase, in der Zeitschr. für christl. Archäologie u. Kunst 2, 187
zuViollet-le-Duc, Dictionnaire raisonne 1,1-46,
2) Z. B. der grossh. Hessische Fuss s 250 Millimeter.
» Leipziger » as 2^3 »
» Braunschweiger » s= 2S5 »
» Württemberger » = 2S6
» Kurhessische » = 287 »
» Bremer » \ «fti»
T-, , J = 290 M
» Lübecker » |
u Baverische » ss 291 »
1-
Hannoverische
Römische
Badische » (
Schweizer » J
Wiener » =310
292
300
» Pariser » s 324 »
Vergl. Schoedler, F., das Buch der Natur 10. Aufl. S. 4.
3) Vergl. Schnaase, C, Gesch. der bild. Künste IV. 1 , 287 ff. : Symbolik der
mittelalterl. Architektur. — Kreuser, J. , der christl. Kirchenbau 1, 619if. : Sym-
bolik der Bauformen. — Kallenbach, G. G., Dogmatisch - liturgisch - symbolische
Auffassung derkirchl. Baukunst. Halle 1S57. — Die Symbolik dcsgcrman. Baustyls,
nachgewiesen an der Nürnb. Lorenzikirche, im Nürnberger Anzeiger ISöl. No. 4.
Symbolik der Bauformen. 85
des heil. Grabes zu Jerusalem (de vita Constantini 3, 38), wo er, da kein
erbaulicher Zweck vorliegt, sich sonst alles Symbolisirens enthält, die Zwölf-
zahl der die Kuppel tragenden Säulen auf die Apostel bezieht : dutaHaidexa
vtioviq To7g lov oatTtJQog anoaioloii; ha^i&fiot. — Bei den mittelalterlichen
Schriftsteilem des VIII. — XIV. Jahrhunderts wird die mystisch-allegorische
Deutung des Kirchengebäudes — vom Grundsteine bis zum Wetterhahn auf
der Thurmspitze — bis ins Einzelnste ausgebildet : Anfangs mit einer , aus
dem sich regenden Bewusstsein des Hineintragens erklärlichen gewissen
Schüchternheit ') , später , nachdem die nachfolgenden Liturgiker die Ge-
danken ihrer Vorgänger unablässig wiederholt und zum Theil wörtlich aus-
geschrieben hatten, mit so grosser Zuversichtlichkeit, als ob nicht das gottes-
dienstliche Bedürfniss das Ursprüngliche wäre, sondern vielmehr das
Symbolische, und die baumeisterlichen Gedanken schlechthin davon ab-
hängig. Letzteres war in Beziehung auf manche Baugebräuche fdie Orien-
tirung nach dem Aufgang aus der Höhe, die ehrwürdige Grundform des
Kreuzes, die zwölf Grundsteine oder zwölf Säulen der Kirche mit Beziehung
auf die Apostel) und bei manchen einzelnen kirchlichen Bauwerken auch
unläugbar der Fall , wie , nachdem die Deutung einmal gegeben war , bei
dem symbolischen Grundzuge der christlichen Kunst leicht erklärlich ist.
Ein bemerkenswerthes Beispiel in dieser Hinsicht bietet die zu der Gat-
tung der heil. Grabkirchen gehörige kleine Kapelle zu Drüggelte bei Soest,
wo der Symbolik zu Liebe selbst gegen das Ebenmaass gefehlt ist. Es ist
ein zwölfeckiges Gebäude, dessen Inneres von nur 33 F. im Gesammt-
durchmesser zwei concentrische Säulenkreise enthält: den inneren von
7 Ys F. D . mit vier eine Kuppel tragenden kurzen , den äusseren grösseren
mit zwölf schlanken Säulen. Ohne Zweifel bezeichnen die letzteren , wie
schon in der oben erwähnten Constantinischen Kirche des heil. Grabes, die
zwölf Apostel , die vier inneren Säulen dagegen die vier Evangelisten , und
zwar sind von diesen zwei auffällig stärker gebildet als die beiden andern :
jene , die Evangelisten Matthäus und Johannes bezeichnend , die zugleich
Apostel waren imd deswegen von höherer Würde, diese, die beiden anderen
Evangelisten Marcus und Lucas. ^)
Eine reiche Zusammenstellung solcher Deutungen findet sich in dem
berühmten liturgischen Sammelwerke, das Bischof Wilhelm Durand von
Mende (f 1270) unter dem Titel Rattonale divinorum offictorum abfasste,
und welches im Mittelalter sehr viel benutzt wurde. Vieles darunter ist
1 ) Der gleichzeitige Fuldaer Mönch Candidusz.B. beschreibt die auf dem dor-
tigen Klosterfriedhofe von dem Abte Aegil durch den Mönch Racholf um ^20 erbaute
kleine Rundkirche (s. oben S. 18) und fagt hinzu: ^Hoc siquidem aedificiuni pater
iHe venerandus ac supra commemoratua magister cum aociis nescio quid magnt fin^
gentes divino magitterio doetif quod tarnen ipse salva ßde Chriftti et ecclesüte puto
praesignari p o es e Jiguram.ft Nun folgt die Deutung der acht den Mittelbau tra-
genden Säulen auf die acht Seligkeiten und der Rundform der Kirche auf das Reich
der ewigen Herrlichkeit, in den bescheidenen Ausdrücken : »Octo colttmnae .... m«-
reantur habert; eircultts .... nan incongrue aignificare cidetur.« — Brower, Sidera
illust. et sanct. virorum Germaniae (Mogunt. 1616) p. 20 ; vergl. Dronkc u. v. Las-
sau Ix, die Matthias-Kapelle zu Kobem, S. 50.
2) Nach Erklärung des Domdechanten Nübel zu Soest; vergl. Zeitschr. für
Bauwesen (1S54) 4, 400 und den umstehenden Grundriss Fig. 34.
gg Symbolik der Baufonnen.
sinnreich und von bleibendem erbaulichem Werthe, ganz anders ab die
spielende , moderne , vorgeblich uralte Mystik , nach welcher das Kirchen-
gebäude den gekreuzigten, gen Westen schauenden Christus darstellt und
Fiff. 34. Kapelle zu DrOggelte (nach Lübke).
der zuweilen von der Lfingenaxe der Kirche nördlich abweichende Chor
(s. obenS. 29 Fig. 6.) das nach rechts geneigte Haupt des Heilandes ( — aber
die Kirchen in Offenbach am Glan , Maria Stiegen in Wien , Petri - Pauli in
Görlitz z. B. neigen ihr Chorhaupt südlich!). Die beiden Westthürme sind
die N&gel (sie !) , mit denen die Füsse des Herrn an das Kreuz geheftet
waren, und wo sich noch zwei Thürme über den Kreuzarmen erheben,
werden dadurch die Nftgel in den Hftnden Jesu bezeichnet. — Die dem
Reiche der Finsterniss zugewendete Nordseite des Kirchengebäudes ist des-
halb weniger reich geschmückt, als die Südseite (aber wie an den Domen zu
Osnabrück und Trient findet auch am Dom zu Magdeburg der umgekehrte
Fall statt, obgleich der in dieser Sinnbildnerei befangene Kreuser, a.a.O.
S. 175, selbst in der zweiten Auflage noch immer das Gegentheil sieht) *),
und dergleichen sich selbst Widerlegendes mehr.
1) AVenn die eine Seite reicher und kostspieliger verziert ist als die andere, so
ist das immer die von den Meisten gesehene Schauseite , am Dome su Cöln z. B. die
südliche , am Dome zu Magdeburg die nördliche : beide nach freien Plätzen belegen;
ebenso ist in Brilon die dem grösseren Theile der Stadt zugekehrte Nordseite der
Kirche als Hauptseite behandelt.
Bonedictmerklöster. g7
Anhang
über die baulichen Einrichtungen der Klöster bei den ver-
schiedenen Hauptorden.
(Vergl. oben Anmerkung 3 zu § 13 S. 13 ff.)
L e n o i r , Alb. , Architecture monastique. I. Partie [Vol. 1 ) , II. et III.
Partie (Vol. 2j. Paris lS4fi. — de Cauinont, Ab6c6daire ou Rudiment
d' Archäologie (Architectures civile et militaire) 2. Ed. Paris 1858. p. 4 - 202. —
Vergl. oben § 29 u. Anmcrk. t u. 2.
Der Typus der klösterlichen Anlagen ist dem Grundplane nach seit der
Sltesten bis in die neuere Zeit wesentlich gleich geblieben , und charakte-
ristisch erscheint für dieselben ein freier rechteckiger Hofraum in der Mitte,
welchen die verschiedenen, die eigentliche Clausur bildenden Baulich-
keiten umgeben. Die eine , gewöhnlich die nördliche , seltener die südliche
Seite wird von der Klosterkirche begrenzt, und der rings um gehende Kreuz-
gang (s. oben S. 7 7 ff.) vermittelt die Communication. Mit Ausnahme des
neuen Bestandtheiles der Kirche ist dies ganz der Qrundtypus der antik-
römischen villa urbanuj während die neben der Clausur belegenen Wirth-
schaftsgebäude der mit dem herrschaftlichen Wohnhofe grenzenden villa
rustica entsprechen ; man ist daher zu der Annahme berechtigt , dass die
bauliche Anlage der grossen römischen Villen den ersten Klöstern als Vor-
bild gedient hat.
Von den baulichen Einrichtungen einer grossen Benedictiner- Abtei
der karolingischen Zeit ist uns durch den bereits oben S. 28 erwähnten,
ftlr das Kloster St. Gallen entworfenen Plan eine genaue Kenntniss über-
liefert. Die ganze Anlage bildet ein Viereck von 430X300 F. Fläche. Die
verschiedenen , meist viereckigen und einstöckigen Häuder sind , ein förm-
liches Städtchen von etwa 40 Firsten bildend, durch Gassen von einander
getrennt und umschliessen in ihrem Innern fast alle einen Hof. In der Mitte
des Ganzen steht die Kirche mit der südlich anstossenden . aus drei zwei-
stöckigen Flügeln bestehenden Clausur , theil weise durch eine Hecke von
den übrigen Gebäuden abgeschlossen. Der östliche Flügel ist das eigent-
liche Wohnhaus der Mönche mit der Wärmstube {cale/actoria domus) unten
und dem Schlafsaale (dormitorium) oben. Der südliche Flügel enthält den
mit der Kleiderkammer {vesliarium) übersetzten Speisesaal {re/ectoriufn) , und
der westliche im Erdgeschosse die Kellerei und oben verschiedene Vorraths-
kammem. Der vierte, an dem südlichen Seitenschiff der Kirche hinlaufende
Flügel des Kreuzganges diente für die Berathungen des Convents und ver-
tritt den späteren, seit dem X. Jahrb. vorkommenden Capitelsaal. Nördlich
von der Clausur befinden sich das Gasthaus , die äussere Schule , das einer
Basilica mit offenen Seitenschiffen gleichende Abthaus und die Wohnung der
Aerzte ; östlich sind das Krankenhaus und die Novizenschule mit ihren an-
einanderstossenden Kirchen , der einem Garten gleichende Begräbnissplatz
und zwei Gärten; südlich die Werkstätten der Künstler, Handwerker und
88 Frflmonstratenser.
Knechte ; auf der Westeeite endlich befinden sich die Ställe. — Ganz die-
selbe Anlage wie die der Benedictiner hatten auch die Clausuren der mit
den Bischofsitzen verbundenen Domcapitel (monaateria clericorum) und
der im X. Jahrh. entstandenen Collegiatstifter , deren Capitularen die nach
dem heil. Augustinus benannte Regel befolgten. Wie in den Klöstern fQr
den Abt eine besondere Wohnung ausserhalb der Clausur und oft auf der
gegenüberliegenden Seite der Kirche errichtet war, so auch bei den Kathe-
dralen die bischöfliche Pfalz (palatium) , die oft befestigt war [arx episcopa-
lis) y und nachdem die Capitularen seit dem XII. und XIII. Jahrh. das ge-
meinschaftliche Leben allgemein aufgegeben und die Clausur den Vicarien
überlassen hatten y wohnten auch sie auf besonderen Höfen {curtae canoni-
cales) y die innerhalb des bischöflichen Jurisdictions - Bezirkes (auf der Dom-
freiheit) belegen waren. Eine Domherrn -Curie aus der ersten Hälfte des
XIII. Jahrh. ist die Curia St. Aegidü am Domplatze zu Naumburg a. d. S. :
ein zwei Stock hohes quadratisches Gebäude ; im Obergeschoss, welches als
Oratorium gedient haben wird, mit einer erkerartig vorgekragten Apsis. ') —
Ausgedehnte, zum Theil noch aus dem XL, grösstentheils aus dem XIII.
Jahrh. herrührende Stiftsbaulichkeiten finden sich auf der Südseite des
Domes zu Trier : am nördlichen Flügel des Kreuzganges der langgestreckte
zweischiffige Capitelsaal und am östlichen Flügel zwei ähnliche, aber breitere
Räume von unbekannter Bestimmung. Am südlichen Flügel lag das 1806
abgetragene geräumige Refectorium ; alle diese Gebäude waren ursprünglich
zweistöckig, und das Doimitorium soll im Obergeschoss des ehemaligen
Westfiügels befindlich gewesen sein. ''^)
Von Baulichkeiten der Prämonstratenser bietet das Liebfrauen-
kloster zu Magdeburg , welches von dem Stifter dieses Ordens , dem heil.
Norbert selbst 1129 gegründet wurde , die ältesten Ueberreste noch aus der
Stiftungszeit in einem vor der Nordseite des Kreuzganges lagernden mächti-
gen Bau. Derselbe besteht aus drei langen, 24 F. breiten Tonnengewölben
über einander, von denen das oberste zu ebener Erde , mit dem Kreuzgange
fast von gleicher Höhe , das Refectorium gewesen zu sein scheint , während
die beiden unteren , tief in der Erde liegenden Gewölbe zwei Vorrathskeller
übereinander bilden. Der nicht viel jüngere Kreuzgang selbst erweitert
seinen westlichen Flügel in eine grosse , zum Theil von Marmorsäulen ge-
tragene Doppelhalle : der Ueberlieferung zufolge die ehemalige Gerichtstätte
des Stiftspropstes. *j — Ueber die Tonsur s. Fig. 31 3. 79.
Bei den Bauten der Cisterzienser^), welche sich ebenfalls im
XII. Jahrh. von Frankreich aus schnell über Deutschland verbreiteten, ist
zunächst die eigenthümliche Grundrissbildung des östlichen Theiles der im
XII. bis XIII. Jahrh. errichteten Kirchen dieses Ordens hervorzuheben, die
auf zwei von einander verschiedene , aber unter sich verwandte französische
Muster, die (nicht mehr existirende) Mutterkirche zu Citeaux selbst und die
1 Puttrich, Denkm. IL Serie Naumburg. Bl. 27.
2) Schmidt, Chr. W., Baudenkm. in Trier. Lief. IL
V, V. Quast, in der Zeitschr. für christl. Archäol. u. Kunst. 1, 213.
4) Schnaase, Gesch. der bild. Künste 5, 40S ; vergl. Otte, Qesch. der deut-
schen Baukunst S. 293 ; besonders auch Feil, Jos., in den mittelalterl. Kunstdenkm.
des Österreich. Kaiaerstaates J , 1 ff.
Cisterzienser.
89
Kirche des Klosters Fontenay, zurückzufahren ist. Beide haben den recht-
eckigen Schluss des Altarhauses {ohne Apsiden vorläge) mit einander gemein ;
bei ersterer Kirche jedoch bilden die Seitenschiffe einen niederen Umgang
um den Chor, an den sich ein zweiter, aus kleinen noch niedrigeren Kapellen
bestehender Umgang schliesst ; bei letzterer Kirche laufen die Seitenschiffe
des Langhauses zwar wie gewöhnlich in die Kreuzflügel aus, an deren Ost-
seite sich indess seitenschiffartig je zwei niedrige Kapellen schliessen. Das
Vorbild von Citeaux findet sich in Deutschland befolgt an den Kirchen der
Klöster zu Riddagshausen bei Braunschweig und zu Ebrach bei Bamberg,
vereinfacht auch zu Amsburg
in der Wetterau und zu Ma-
rienfeld bei Gütersloh . Häufi-
ger erscheint die Nachbildung
des Musters von Fontenay :
zu Loccum in Niedersachsen,
zu Bebenhausen bei Tübingen
und zu Kappel in der Schweiz ;
auch zu Maulbronn bei Bretten
und zu Eberbach im Rhein-
gau, wo jedoch die Zahl der
kleinen Kapellen auf je drei
an jedem Kreuzflügel gestei-
gert ist. An anderen Orten,
wie zu Lehnin bei Branden-
burg , liegt zwar das nämliche
Schema zu Grunde, es er-
scheint aber dem Altarhause
hier eine Apsis vorgelegt, und
zu Zinna bei Jüterbog finden wir nicht allein diese, sondern neben derselben
auch Apsidiolen an den vier Kapellchen. — Die Hin weglassung der Apsiden,
der Mangel eines eigentlichen Thurm-
baues (s. oben S. 63) , sowie der ein-
fache Aufbau und die bescheidene
Ausstattung der Kirchen , sind Beson-
derheiten, die sich hinlänglich aus dem
Nützlichkeitsprincipe des Cisterzienser-
Ordens erklären; dagegen liegen die
Gründe für die zuweilen vorkommen-
den übermässig' gestreckten Verhält-
nisse des Langhauses (s. oben S. 48)
um so weniger vor , als von dem Be-
suche der Klosterkirchen die Laien und
besonders die Frauen völlig ausge-
schlossen waren. Die Vorliebe für die
Anlage vieler kleinen Kapellen hängt
mit den Vorschriften für die Privatexercitien der Mönche zusammen. Ge-
wissermaassen im Widerspruche mit der Einfachheit der Kirchen, die in
den Ordensstatuten lediglich als Oratorien bezeichnet werden, steht die
Fig. 35. Chorschluss zu Ebrach. *)
*1 Nach einer mir gütigst mitgetheillen Zeichnung des Herrn
F. T Quast.
Fig. 36. Chorschluss zu Loccum (nach Lübke).
90
Cisterzienserkl. Maulbronn.
Grossartigkeit und Mächtigkeit der übrigen Klostergebäude , wovon die mit
Mauern, Höfen und Wirthschaftsanstalten im Wesentlichen erhaltenen
Baulichkeiten der Abtei Maulbronn ') aus dem XII. — XVI. Jahrh. ein
sprechendes Zeugniss geben; s. den nebenstehenden, aus £. Förster' s
Denkmalen der Baukunst etc. Bd. VII. zu S. 23 ff. entlehnten Qrundriss,
auf welchem die verschiedenen Bauperioden durch verschiedene Schraf-
iirungen ausgedrückt sind. Die Clausur liegt hier, wie dies auch sonst
oft vorkommt, an der nördlichen Seite der Kirche A; der Kreuzgang
aber, den etwa 90 F. im Quadrat grossen Hof F umschliessend , reicht
nicht so weit nach Westen wie das gestreckte Langhaus der letzteren,
welchem sich noch das Paradies B (S. 64) vorlegt. Aus diesem führt
nördlich der offene Bogen b in einen äusseren Gang C, aus dem man auf
der Treppe c in den Keller D hinabsteigt und durch den Gang E östlich
in den Kreuzgang dy nördlich in den trümmerhaften zweischiffigen Saal (von
120X35 F.) O gelangt, welcher für das ältere Refectorium gehalten wird.
Am nördlichen Ende des Ganges C leitet eine Steintreppe in das Winter-
Refectorium G'. An der Nordseite des Kreuzganges führt dem Brunnen-
hause e gegenüber die Thür ß in das hier (und anderwärts, corrumpirt)
Rebenthal genannte Refectorium H, Letzteres ist ein zweischiffiger Pracht-
Fiff. 37. Refectorium im Klwter Maulbronn (aui I^ibniti, Organisation der Gewölbe).
saal von 105X44 F. mit einer Lesekanzel o an seiner östlichen Wand und
den Mauerresten der Küche/ an seiner Westseite. An die Ostseite des
Rebenthals reihen sich die beiden Gemächer / und K von unbekannter Be-
stimmung, und aus der nordöstlichen Ecke des Kreuzganges führt der Gang
L in den grossen Keller M, neben welchem südlich ein Raum N befindlich
ist, den man für die Geisseikammer {flagellatorium) hält. Daran stösst
weiter nach Süden der Durchgang O, durch welchen man in eine etwa 66 F.
lange Halle Q tritt, die mit dem Namen Parleatorium (d. i. Sprechsaal) be-
zeichnet wird und nach dem ehemaligen Abthause führte. Der mittlere Theil
des östlichen Kreuzgangsflügels endlich erweitert sich in den mit reichen
Stemgc wölben gedeckten zweischiffigen Capitelsaal P, an den sich die kleine
Kapelle h schliesst, und der von dem nördlichen Kreuzarme der Kirche noch
durch die Kammer R getrennt wird. Im Oberstockwerk über den Räumen
M N O P R befand sich , durch Steintreppen mit dem Kreuzgange und der
i) Vergl. Klunzinger, C. , Artist. Beschr. der vormal. Cisterz.- Abtei Maul-
bronn. 3. Aufl. Stuttg. 1856. — Gleiches Interesse nehmen auch die sehr bedeuten-
den Klostergebaude von Bronnbach bei Wertheim in Anspruch.
■;' '7 •'? '^
J ii:;^rf^ vest
Bettelklöster. 91
Oeisselkammer (in anderen lUöstern, z. B. ehemals in Altenberg bei Cöln
auch direct mit der Kirche) verbunden , das Dorment [der Schlafsaal , oder
später die Schlafzellen) der Mönche und im Dachstuhle noch ein grosser
Saal. Ausserdem werden das Krankenhaus , das Haus des Verwalters und
ein Cksindehaus erwähnt , die sich ausserhalb der Clausus auf dem Kloster-
territorium befinden, welches mit einer durch Thürme befestigten Ring-
mauer umgeben und durch ein Doppel thor nebst Zugbrücke zugänglich war.
An den nordwestlichen Eckthurm der Ringmauer schloss sich die Kloster-
mühle, und ausserhalb lagen noch verschiedene Gebäude, darunter eine
Herberge für die Gäste.
In Vergleich mit den weitläufigeren Anlagen der Benedictiner und
Cisterzienser erscheinen die Klöster der sich seit dem XIII. Jahrh. ausbrei-
tenden Bettelorden der Dominicaner und Franciscaner weniger bedeutend.
Auf die Ansiedelung in den Städten durch ihre Zwecke angewiesen (s. oben
S. 15) und Anfangs ohne Vermögen beschränkten sie sich auf einen be-
scheidenem Raum und befieissigten sich einer minder kostspieligen redu-
cirten Bauweise. Ihre auf die Predigt berechneten Kirchen ersparen ausser
dem Glockenthurm (s. oben S. 63) das Querhaus, im Langhause sogar
wider alles Ebenmaass oft ein Seitenschiff (s. oben S. 51) , imd das Altar-
haus von der Breite des Mittelschiffes legt sich einspringend und unter be-
sonderer Bedachung dem Langhause vor. Den Männerklöstern glichen darin
auch die Nonnenklöster, wie dies z. B. die dem 1615 durch Merian ver-
fertigten Stadtplane von Basel entnommene Ansicht des ehemaligen Frauen-
klosters Klingen thal, Dominicaner - Ordens , veranschaulicht ') , wenn auch
die Baulichkeiten desselben bis auf die jetzt fast nur noch allein vorhandene
Kirche und den Kreuzgang grösstentheils schon damals modernen Charakter
hatten, weshalb sich die ehemalige Bestimmung der einzelnen Gebäude auch
nur mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit angeben lässt. Das Kloster
lag auf der nördlichen Grenze von Klein-Basel am Ufer des Rheins und war
an den drei äusseren Seiten mit dem Graben r und hinter demselben mit
einer gezinnten Ringmauer umgeben, die auf der Nordseite durch zwei hohe
Eckthürme und einen niedrigeren Mittelthurm verstärkt war. Der östliche
Flügel der Mauer steigt am südlichen Ende bis zur Höhe des anstossenden
Gebäudes an , um eine hier befindliche in das Oberstockwerk des letzteren
führende Treppe zu maskiren. Der Eingang / zum Kloster befand sich auf
der (südlichen) Stadtseite und führte zunächst in einen schmalen zwischen
zwei Mauern belegenen Raum und aus diesem neben dem Hause der Pfört-
nerin vorbei durch eine zweite , nicht in der Axe des äusseren Thores be-
findliche Thür in den äusseren Klosterhof, der durch eine niedrige Mauer
von der Clausur geschieden war. Der Eingang zur letzteren und in den in-
neren Hof und Begräbnissplatz der Nonnen d führte durch das an der Nord-
seite des Kreuzganges c belegene Gebäude o , welches zu ebener Erde das
Refectorium mit der Küche und dem Sprechzimmer und oben den Convent-
1 ) Wir entlehnen den nebenstehenden HolEschnitt , dessen Benutzung wir der
Gate des Herrn Ch. Riggenbachin Basel verdanken, den Mittheil, der Gesellsch.
für vaterUnd. Alterthümer in Basel VUI. (I^6U) : Die Klosterk. Klingenthal in Basel
von Dr. C. Burokhardtu. C. Riggenbach.
92 Karthausen.
saal und das gemeinschaftliche Winter - Dormitorium enthielt, während im
Sommer die Nonnen auf ihren Zellen über dem östlichen und westlichen
Flügel des Kreuzganges schliefen. Die Südseite der Clausur wird von der
Kirche begrenzt. Dieselbe besteht aus zwei Haupttheilen, der dreischiffigen
Laienkirche b mit besonderem südlichem Eingang und der einschiffigen
Nonnenkirche (dem hohen Chore) a , welche innerlich durch einen Lettner
von einander getrennt sind ; über dem Firste der Nonnenkirche erhob sich
ehemals ein schlanker Dachreiter zur Aufi[iahme der nur gestatteten kleinen
Glocke. Südlich von dem Kirchengebäude breitete sich der Laienkirchhof e
aus mit besonderer Pforte nach der Stadt, dem Beinhause f und der Todten-
leuchte [s. unten § 54) y. Von der Laienkirche führte ein Verbindungs-
gang t nach dem Hospitium h , dem sich südlich noch andere Oekonomie-
gebäude anschlössen, mit dem Wasserabflüsse s in den Rhein. In dem
westlichen Theile des äusseren Klosterhofcs befand sich das durch den
Gang n mit dem Conventsaale verbundene Haus der Priorin tn und ausser-
dem mehrere an die Ringmauer gelehnte Wohnhäuser k für den Kloster-
knecht, den Gärtner etc. nebst zwei Gärten, einem kleineren k und einem
grösseren p auf der Sonnenseite. Das achteckige Häuschen / überdeckte
den Brunnen , und neben dem nordwestlichen Eckthurme führte ein Steg q
über den Graben.
Gleiche Einfachheit wie die Bauten der Bettelorden zeigen auch die
Klöster der erst seit dem XIV. Jahrh. in Deutschland vorkommenden
Karthäuser; doch mussten diese nach ihrer das gemeinschaftliche Kloster-
leben mit dem einsiedlerischen der Eremiten verbindenden Regel ein ver-
hältnissmässig grösseres Territorium in Anspruch nehmen , da zur Anlage
einer Karthausc nicht bloss eine Kirche mit der gewöhnlichen Clausur , an
deren Kreuzgang sich indess nur ein Conventsgebäude lehnte , erforderlich
war, sondern noch ein weiterer, gewöhnlich Östlich von der Kirche belegener
rechteckiger Raum mit dem Gottesacker in der Mitte und den einzelnen
durch kleine Gärten von einander getrennten Zellen der Mönche auf den
Seiten. In der ^jetzt von dem german. Museum benutzten) Karthause zu
Nürnberg ist der hinter der Kirche belegene freie Platz rings mit einem aus
72 Jochen bestehenden Kreuzgange umzogen, der mit dem vorderen kleine-
ren, nur 29 Joche zählenden Kreuzgange an der Südseite der Kirche in
Verbindung steht und sich letzterer gegenüber auf der Nordseite fortsetzt *) ;
überhaupt erscheint als Eigenthümlichkeit der Karthausen die Anlage
zweier, imter einander und mit der Kirche verbundener Kreuzgänge, eines
kleineren und eines grösseren ; dieser in den Karthausen zu Cöln und Basel
Oalilaea majore Gross-Galilaea, jener Galtiaea minor, Klein- Gali -
laea*) genannt. An die Galilaea major lehnten sich die einzelnen in den
t ) Siehe den Grundriss im Organismus des German. Nationalmuseums in Nümb.
1 855 u. die Ansicht der Karthause Ostheim im Archiv des histor. Vereins für Unter-
franken u. Aschaffenburg IX, 1 .
2] Vergl. Kr e US er, der christl. Kirchenbau 1,2159 u. (Rose, F.,) Ein Tag in
Basel. Basel 1840. S. 92. — lieber den schwer zu enträthsclnden Namen Galilaea
hat Jos. Ant. Messmer in den Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. (1S6I}
6,104 gute Erläuterungen gegeben: man nannte im Xu. Jahrh. mit willkürlicher
DeutschordensschlÖBser. 93
Garten hinaus gebauten Zellen mit der vorderen Giebelseite , worin sich die
Thür befand , aus welcher sich die Mönche durch den Kreuzgang täglich
nach der Kirche begaben. Die Galilaea minor betraten sie nur am Sonn-
abend Abend y um im Capitelsaale vor dem Prior zu beichten und ihre Ange-
legenheiten zu berathen, und an Sonn- und Festtagen, wo sie gemeinschaft-
lich im Refectorium assen und sich Abends in dem kleinen Kreuzgange
unter Gesprächen ergehen durften. Die Basler Karthause zählte mit der des
Priors 1 6 Zellen, und die Zellen der Mönche waren über den Thüren durch
Bibelsprüche sinnig bezeichnet, deren Anfangsworte in alphabetischer Keihe
auf einander folgten: Ambulate etc. (Job. 12, 36). — Bonum est etc.
(Matth. 17, 4). — Caro etc. (1 Cor. 15, 50). — Oüigite etc. (Matth. 5, 44).
— Existimo etc. (Rom. 8, 18). — Facite etc. (Luc. 3, 8. 9). — Gau-
dium etc. (Luc. 15, 7). — Ilumiliamini etc. (1 Petr. 5, 6). — In Omni-
bus etc. (Sir. 7, 40). — Karitas etc. (t Tim. 1, 5). — Labora ete. (2Tim.
2, 3). — Mandatum etc. (Joh. 13, 34). — Molite etc. (Rom. 12, 2).
Dies war die Zelle des Sacristans , aus der auch eine Thür nach der Kirche
führte , über welcher ebenfalls eine mit N anfangende Sentenz stand. —
Omnes etc. (2 Cor. 5, 10) an der Zelle des Schaffners. — Patientes etc.
(Jac. 5, 7) an der ZeUe des Subpriors, mit einer zweiten Thür ins Refecto-
rium, über welcher stand : Praeparate (1 Sam. 7, 3j. Die Eingangs thür zur
Zelle des Priors war mit einem \ bezeichnet; darunter stand der Spruch
Luc. 14, 27, und an der Thür ins Refectorium der verwandte Spruch Matth.
16, 24. *} — In der berühmten Karthause Mariaparadeis bei Danzig gehört
ausser der unbedeutenden Kirche die charakteristische Anlage der in isolirter
Folge belegenen Zellen erst der jüngsten Zeit an.
Wie die Karthäuser das Anachoreten- Leben mit dem klösterlichen zu
vereinigen suchten, so verwirklichten die geistlichen Ritterorden die
Vereinigung des kriegerischen mit dem Mönchsleben , und in baulicher Be-
ziehung sind besonders die Schlösser des deutschen Ritterordens in Preussen^)
bemerkenswerth. Der Typus des preussischen Ordensschlosses, wie sich
derselbe seit der Mitte des XIV. Jahrb. festgestellt hatte, erscheint als ein
von Gräben umzogener quadratischer Bau mit Eckthürmen und einem bis
zur Zinnenkrönung des Gebäudes aufsteigenden Hauptportal, durch welches
man in den, die Mitte einnehmenden gleichfalls quadratischen Hof tritt. Den
letzteren umgiebt , wie in den Klöstern , ein sich gegen den Hof öffiiender
Kreuzgang , der aber , da die Haupträume des Schlosses niemals zu ebener
Erde liegen, noth wendig zwei Geschosse über einander erhalten musste. Zu
diesen Haupträumen gehörte zunächst die stets orientirte und mit dem öst-
lichen Ende nach aussen liegende Schlosskapelle, der Convents - Remter ge-
nannte Capitelsaal und das Refectorium, welches Speise - Remter hiess. Das
Erdgeschoss, unter dem sich in mehreren Etagen über einander mächtige
Keller erstreckten, enthielt lediglich die zur Oekonomie erforderlichen
Anwendung von Matth. 28, lö den Weg von der Zionskirche zu Jerusalem bis auf
den Oelberg Galilaea, und vermöge Uebertragung konnten auch die den Proces-
sionen als Nachbildung jenes Weges dienenden Säulengange bei den Kirchen mit
diesem Namen bezeichnet werden.
1) Ver^l. XVI. Neujahrs-BUtt für Basels Jugend. 1838. Beilage S. 2 ff.
2) Vergl. V. Quast, Denkm. der Baukunst in Preussen I, S u. Bl. U—V.
94
Hospit&ler.
Rftumlichkeiten. Völlig übereinstimmend waren auch die Schlösser der
Landes-Bischöfe und Domcapitel eingerichtet. Unter den Ordensschlössem,
mit denen das ganze Land bedeckt war , zeichnet sich vorzugsweise aus das
ehemalige Haupthaus zu Mari'enburg, das sich als Sitz des Hochmeisters
durch grössere Ausdehnung und Pracht von den übrigen unterscheidet.
Mit den Ordenshäusem der Deutschherren und Johanniter, welche
Ritterorden ja ursprünglich aus einfachen Hospitälern in Jerusalem hervor-
gegangen waren , so wie von Anfang an mit allen Klöstern und mit allen
geistlichen Verbrüderungen, die nach Art der Mönche ein gemeinsames
Leben in einem und demselben Gebäude führten , war stets eine besondere
Abtheilung verbunden zur Aufnahme erkrankter Brüder und Angehörigen,
80 wie vor der Pforte eine Herberge fOr fremde Pilger. Seit etwa der Mitte
des Xn. Jahrb. scheinen indess diese klösterlichen Pflegeanstalten (hotpi-
ialia, ßrmariae) bei Zunahme der Bedürfnisse und bei der sich in Folge der
Kreuzzüge nothwendig machenden strengeren Gesundheitspolizei nicht mehr
ausgereicht und zur Gründung von besonderen Krankenhäusern geführt zu
haben, die sich namentlich seit dem Anfange des XIII. Jahrh. durch die
1198 von Papst Innocenz III. bestätigten Brüder vom heiligen Geiste und
unter Betheiligung der Magisträte schnell über die Städte Deutschlands ver-
breiteten. *) In archäologisch -baulicher Beziehung ist über diese Hospi-
täler des heil. Geistes als gemeinsame Eigenthümlichkeit derselben zu
bemerken die Anlage am Eingange der Stadt und am
fliessenden Wasser, sowie die enge Verbindung des
Krankensaales selbst mit einer Kapelle: ersteres aus
Gesundheitsrücksichten, letzteres zur besseren geistli-
chen Pflege der Kranken. So wurde schon vielleicht die
älteste Anstalt dieser Art in Deutschland , das Hospital
Joh. des Ev. in Hildesheim (gegr. 1155) ^) auf einem
freien, rings vom Wasser der Innerste umspülten Platze
angelegt, und ebenso die Heil.Geist- Hospitäler zu Rom
(als Mutterhaus) an der Tiber, zu Mainz am Rhein, zu
13 Im an der Donau, zu Wetzlar an der Lahn, zu Frank-
furt am Main, zu Berlin an der Spree , zu Nürnberg so-
gar über einem mit grossen Bögen überwölbten Arm der
Pegnitz. Die unmittelbare Verbindung der Krankenhalle
mit der vor derselben belegenen Kapelle ist bei den
Hospitälern zu Frankfurt und Lübeck nachgewiesen. —
Das grossartige Nicolaus - Hospital dagegen, welches
der Cardinal Nicolaus von Cusa 1450 zu Cues a. d. Mo-
sel für 33 Arme (nach der Zahl der Lebensjahre Christi)
mit einem Aufwände von mehr als 10,000 Goldgulden gründete, folgt dem
Typus der klösterlichen Clausuren : den offnen Hof in der Mitte umzieht ein
Kreuzgang, an den die Wohnräume der Hospitaliten und drei Pfeilersäle
grenzen, und die Kirche liegt südöstlich am östlichen Flügel. In dem
Stiftungsbriefe ist die Bezeichnung der einzelnen Zellen mit den Buchstaben
Fif. a8. HoapitAl zu
LUbfck (nach Verilier)
1 Vergl. Böhmer, F., im Archiv fÖr Frankfurts Gesch. u. KunHt 3,
2; Kratz, J. Mich., der Dom zu Hüdesheim 2, 150f.
i5fr.
Brückenkapellen. . 95
des Alphabets vorgeschrieben. *) — Eine besondere Gattung der Hospitäler
sind die schon vor den Kreuzzügen in Verbindung mit den Klöstern (z. B.
in St. Gallen wohl bereits um 750) ^) vorkommenden Häuser für Aussätzige.
Bei Wasserburg hat sich das Leprosenhaus St. Achaz sammt der dazu ge-
hörigen Kirche erhalten , und auf einer Tafel an der Aussenseite stehen die
Gesetze des Hauses. ') — Auch mit Brücken wurden zuweilen Hospize für
Reisende verbunden , und Kapellen auf Ausbauten der Brückenpfeiler er-
richtet, in welchen Schiffer und Wanderer, Kaufleute und Pilger ihre Dank-
opfer für das Geleite Gottes und ihre Gaben zur Instandhaltung der Brücken,
welche wie die Hospize für Wohlthätigkeitsanstalten galten, darbringen
konnten. So gründete Bischof Konrad UI. von Regensburg 1*226 am Ende
der dortigen Donaubrücke zu Stadtamhof ein zur Brücke gehöriges Hospital
nebst Kapelle^) , und auch auf der Neckarbrflcke zu Esslingen, sowie auf
der Dresdener Eibbrücke war früher eine (hier dem heil. Alexius gewidmete)
Kapelle auf einem verstärkten Pfeiler. Solche Kapellen waren der Ursprung
der später auf den Brücken errichteten Bildstöcke und Heiligenstatuen.
B. Inere Bmriehtug u4 AassclnilekaBg der Kirchei.
Augusti, J. Chr. W. , die gottesdienstl. Sachen der alten Christen
(Bd. 12. der Denkwürdigkeiten) IS.")!.
Abbildungen von kirchlichen Mobilien aller Art in: Schmidt, Chr. W.,
Kirchenmeubles und Utensilien aus dem M. A. und der Renaissance in den
Diöcesen Cöln, Trier und Münster. IS51 etc. — Höfling u. Merkel, die
Künste des M. A. 2 Bde. Berlin. Ed. Reymann 1857— 1S6I. — Vergl. auch
Becker, C, u. Hefner- Alteneck, J. v., Kunstwerken. Geräthschaften
des M. A. u. der Renaissance. 36 Lief, in 3 Bdn. 1847 etc. (Neue Ausgabe
1859.) — Weerth, E. aus*m, Kunstdenkmäler des christl. M. A. in den
Rheinlanden. I. Abtheilung: Büdnerei. Bd. 1. 2. 1857. 1860.
a. Altare und Altarschmnck.
Thiers, J.-B., les principaux autels des ^glises. Paris 16SS. — Voigt,
Gthld. , Thysiasteriologia , sire de altaribus veterum Christianorum. Hamb.
1709. — Heideloffy C, der christliche Altar, arcbäolog. und artist. darge-
stellt. 1838. — Laib, Fr., und Schwarz, Fr. Joe., Studien über die Gesch.
des Christi. Altars. 1857. — Kunathistorisches üb. Altarbau, Landshuter Ztg.
1859. No. 236. — Kreuser, J. , Skizze üb. den Altar u. seine Gesch., im
Organ ftlr christl. Kunst 1861. No. 16ff. — Vgl. Sacken, Ed. v., der Plügel-
altar zu St. Wolfgang in Ober- Des terreich (die Einleitung über die Geschichte
des christl. Altars) in : Mittelalter!. Kunstdenkm. des Österreich. Kaiserstaa-
tes, herausgegeb. von Dr. G. Heider etc. 1, 125—129, und die über den
1) Schmidt, Chr. W., Baudenkm. in Trier. Lief. IH.
2] Keller, Ferd., Bauriss des Klosters St. Gallen. S. 8.
3) Anzeiger des German. Museums (1860) 7, 231.
4) Schramm, C. Chr., SchaupUta der Brücken (Leipzig 1735). S. 173.
96 Altäre.
christliehen Altar in Didron, Annoles archöologiqueB 4, 23S. 285 und S, ISl
enthaltenen Abhandlungen von Didron, Texierund Bd. 11. Lief. 1 von
Ramö, auch VioUet-le-Duc, Dictionnaire raisonnä de TArchitecture
Francaifie 2, 15- — 56.
3 1 . Der Altar [altare] , welcher in der alten Kirche frei vor der
Apsis stand , trat im Mittelalter in die Chornische zurück und erhielt
zur Unterscheidung von den schon im V. Jahrhundert erwähnten , im
Ijaufe der Zeiten mit der allgemeinen Einführung der Privatmessen
immer häufiger werdenden Seitenaltären (Votiv- oder Messaltären,
altaria minora) , die besonderen Heiligen von einzelnen Personen,
Familien und ganzen Corporationen gewidmet wurden, den Namen
Hochaltar, Fronaltar [altare majus^ sumtnum altare, altare prineipale) .
Der Name Altar [ara, &vaiaaTii^iotf) bezeichnet die Opferstätte,
wo das Opfer des neuen Testamentes und die Gebete dargebracht werden.
Eusebius (de vita Const. 4 , 45) erwähnt , dass die zur Einweihung der
Kirche des heil. Grabes nach Jerusalem entbotenen Bischöfe theils ge-
predigt und die Schrift ausgelegt , theils aber die Gottheit mit unblutigen
Opfern und mit Gebeten versöhnt hätten (d-vaiaig aifatfjioig xai fivariMaJg
h^ovfjyiaig to üelof ikdaxouro) , und Paulinus von Nola (ep. 1 1. ad Seve-
Tum) nennt diese Kirche reich an goldenen Altären. Schon die karolingi-
Bchen Capitularien (capit. Carol. M. anno 805 c. 6, bei Hartzheim,
Conc. Germ. 1, 38S) untersagten zwai die übergrosse Anzahl , und das
Mainzer Provinzial-Concil von 1261 (ibid. 3, 599) verordnete sogar die
Hin Wegnahme der tiberflüssigen Altäre aus den Pfarrkirchen , für welche
höchstens drei zu gestatten seien ') , allein dergleichen Verbote drangen
nicht durch: auf dem Baurisse von St. Gallen (s. oben S. 43) sind in
der Klosterkirche 17 Altäre angegeben, und zu Ende des M. A. hatten
der Dom zu Magdeburg 48, die Marienkirchen zu Danzig 46, zu Stralsund
44, zu Frankfurt a. d. O. 36, die Cisterzienserkirche in Ebersbach 35,
der Dom zu Meissen 32, die Frauenkirche zu München und die Nicolai-
kirche zu Jüterbog 30, St. Victor zu Xanten 24, die Stiftskirche zu
Quedlinburg 22 Altäre, und die städtischen Pfarrkirchen wetteiferten also
in dieser Beziehung mit den Kathedralen \md Stiftskirchen. — Der Hoch-
altar steht regelmässig frei in der Apsis (oder, wenn die Kirche recht-
eckig schliesst , am östlichen Ende des hohen Chores) , die an den Wän-
den und Pfeilern der Kirche errichteten Seitenaltäre dagegen sind ge-
wöhnlich an einer Seite mit dem Mauer werke verbunden. Auf dem Plane
von St. Gallen sind die Nebenaltäre von Schranken umzogen und lehnen
sich mit der Rückseite gegen die Östliche Schranke. — Die Front der
Altäre [aspeciw) ist möglichst nach Westen gewendet ^) , mit Ausnahme
des nach Osten schauenden in den Westchören (s. oben S. 44), wobei es
jedoch zweifelhaft bleibt, welche Stellung hier der Liturg einnahm (s. oben
S. 11). Diejenige Seite des Altars, welche rechts von dem auf dem Altare
1) Vergl. Jakob, die Kunst im Dienste der Kirche. S. 67.
2) Vergl. Treiber, J. F., de situ altarium versus Orientem. Jen. lOfiS.
Laienaltar. 97
stehenden Cnicifixe ist (also gewöhnlich die nördliche), heisst die Evan-
gelien-, die linke (südliche) die Epistel s ei te {comu wangelii y camu
epistolae) , weil nördlich das Evangelium , südüch die Epistel verlesen
wird. Die Evangeüenseite heisst auch die Brotseite, und die Epistelseite
die Kelchseite, weil links vom Priester das Brot , rechts der Kelch aufge-
stellt wurde. ') — Der Hochaltar steht um mehrere Stufen erhöht; bei
den Seitenaltären genügt schon eine Stufe. — Jeder Altar ist einem oder
mehreren Heiligen gewidmet , der Hochaltar stets dem Titelheiligen der
Kirche, und nach Festsetzung eines Trierschen Provinzial - Concils von
1310 (Hartzheim a. a. O. 4, 142) soll in jeder Kirche vor oder hinter
oder über dem Altare durch ein Bild oder eine Inschrift deutlich bezeichnet
sein , zu Ehren welches Heiligen der Altar errichtet ist *) ; es finden sich
daher auf den Altären in der Regel die Bilder derjenigen Heiligen, denen
der betreffende Altar gewidmet ist.
Einen ausgezeichneten Rang unter den Nebenaltären nimmt der in
den meisten grösseren Kirchen unter dem Scheidbogen zwischen Chor
und Schiff errichtete Altar ein, welcher regelmässig dem heil. Kreuze
gewidmet imd in Stifts - • und Klosterkirchen fttr die Laiengemeinde be-
stimmt ist (ßltare s. cructa , altare kticarum). Auf dem Baurisse von St.
Gallen ist ein Altar »«. salvatorxs cid crueemm und darüber ein grosses
Kreuz » crux pia, vita, aaba miaerique redemptio mundim mitten im Schiffe
angegeben. lieber dem Kreuzaltare war es Sitte, auf einem durch die
Kirche gezogenen Querbalken, oder frei aufgerichtet, auch in Ketten
hangend (in der Klosterkirche zu Wechselburg [Xin. Jahrb.] , im Dome
zu Halberstadt, in der Klosterkirche in Berlin, Johanneskirche zu Danzig) ,
ein colossales, aus Holz geschnitztes Crucifix, das Triumphkreuz,
crux fy^umphalü (weil unter dem Triumphbogen aufgestellt ; vgl. oben
S. 39) mit den Statuen der Maria und des Johannes zu den Seiten, im
XVI. Jahrhundert zuweilen eine freistehende und deshalb auf beiden
Seiten bemalte , die Kreuzigung und die darauf folgenden Scenen dar-
stellende Tafel (im Dome zu Merseburg fraher ; jetzt über der südlichen
Brüstungswand des Chores aufgestellt) anzubringen. In manchen Gegen-
den hat man in neuerer Zeit auch in katholischen Kirchen die Triumph-
kreuze fast überall mit besonderem Eifer beseitigt , doch finden sich noch
viele, zuweilen sehr alte, sicher bis ins XII. u. XIII. Jahrh. hinaufreichende,
1 ) Th i e t m a r i Chronicon 1. Ö, rec. "Wagnerp. 25 1. Die Gründe für diese alte
Sitte bei Gobelinus Persona p. 259. Nähere Auskunft geben auch die Verse
Hüdeberts von Tours :t 1 143; :
lila sacramenta modo vario ponuntur in ara.
Oblati pani4 dextra tenet calieem,
In cruce pendentls quoniam latus omnipotentis
Dextrum sanguineam vulnere fudit aquam.
Non reprehendendum si panis in anterior!
Parte locatur, habens posterius calieem.
niius ordo prior tenet intuitum rationis,
Posteriorque favet usibus ecclesiae.
Vergl. B Interim, Denkwürdigkeiten etc. IV. 3, 388.
2) Jakob a. a. O. S. 69.
0 1 1 e , Kuntt-Archiologie. 7
98 Altartisch.
in den Vorhallen oder sonstigen Nebenräumen umherstehend: z. B. eine
ganze Sammlung in einer dunklen Kammer im Thurme der Marienkirche
zu Berlin. *)
32. Die einfachste^ seit dem VI. Jahrhundert gesetzlich gewor-
dene Gestalt des Altars ist die eines sarkophagförinigen steinernen
Tisches [mensa] *) , der mit einer gewöhnlich aus Einem Steine ge-
hauenen Platte bedeckt ist. In der Altarplatte , oder vorn unter der-
selben, befindet sich eine länglich viereckige, mit einem Steine [sigil-
lum) , gewöhnlich mit einer Marmortafel , verschlossene Vertiefung
(Reliquiengruft, sepulchrum] zur Aufnahme eines bleiernen Kästchens
(capsa) mit der Weihungsurkunde und den Keliquien, die, wenn auch
noch so klein, nicht fehlen durften, da jeder Altar , im Anschlüsse an
die altchristliche Abendmahlsfeier über den Gräbern der Märtyrer,
das Grab eines Heiligen vorstellt. In der griechischen Kirche ist der
Altar ein auf Säulen ruhender Tisch , welche Form im Abendlande
nur selten vorkommt.
Ein sehr alter Altar befindet sich in der Stephanskapelle [dem sog.
alten Dom) des Domkreuzganges zu Regensburg ^) : ein aus einem Blocke
gehauenes vierseitiges Prisma von B F. 8 Z. Länge, 4 F. 3Vs Z. Breite
und 3 F. 4*/, Z. rhl. Höhe, innerlich ausgehöhlt und an den Seiten mit
einer Reihe fensterähnlicher Oefihungen versehen; man konnte also in der-
gleichen Altäre hinein und die darin befindlichen ReUquien sehen. Auch
in der ehemaligen Klosterkirche von Petershausen war der alte Altar hohl
und aus fünf Steinplatten zusammengesetzt^): sonst pflegen die mittelalter-
lichen Altäre massiv aufgemauert, imd zuweilen am unteren Theile, hinten
oder auf einer Seite, nur mit einem Schranke för Utensilien etc. versehen zu
sein. Die meisten Altäre sind zwar ganz schmucklos und höchstens oben
^i^ gegliedertem Sims werke versehen, doch finden sich auch solche, deren
Vorderseite (oft in der Weise antiker Sarkophage) mit Bogenstellungen
und Sculpturen verziert ist, z. B. der äusserst geschmackvoll mit Säulen,
Blattgesimsen und Vierpass-ähnUchen Füllungen geschmückte spät-roma-
nische Altar in der Michaeliskapelle (im Thurm) der kathol. Kirche zu
J) Die Abbild, eines, wenn auch nicht aus dem XI., doch mindestens aus dem
XIII. Jahrh. stammenden Triumphkreuzes in der Stiftsk. zu Inichen in Tirol, s. Mit-
theil, d. k. k. Central-Commission etc. {I85s) 3, 237.
2) Der Abendmahlstisch der alten Christen war aus Holz ; die Donatisten zer-
störten die Altftre und verbrannten sie (Optat. Milev. de schismat. Donat. 1. 6).
Ein steinerner Altar [ro &vaiaatTiQtov .... U^g iarC) wird von Gregor von Nyssa
erwähnt (Opp. 3, 369) und vom Conc. Epaon. anno 517 c. 26 (Altana nisi chris-
matis lapidea unctione non sacrentur) geboten. — Vergl. Rheinwald, Archäol.
S. 136 f.
3 Schuegraf, Dom zu Regensburg Thl, 1 , Taf. 1 ; vergl. Otte, Gesch. der
deutschen Baukunst S. 235.
4' Chron. Petershus. in Mone, Quellensamml. der bad. Landesgesch. I, 161 a;
vergl. Wackernagel, W. , in den Mittheil, der Gesellsch. für vaterUnd. Alter-
thümer in Basel VII. S. 3.
Altartisch. 99
Heilbronn. ') Gleicher Zeit etwa scheint der Altar in der Westkrypta des
Neumünsters zu Würzburg anzugehören ; er ist ebenfaUs mit Säulen um-
stellt , zwischen denen die Felder mit Malereien geschmückt sind , und
durch Gitter kann man in das hohle Innere sehen, wo ein Sarg die Reli-
quien des heil. Kilian einschliesst. Ein sehr eigenthümliches Werk ist
der im Museum des Grossen Gartens zu Dresden befindliche, aus der
dortigen Bartholomäikirche herrührende gothische Altar mit einer sta-
tuarischen Darstellung des heiligen Grabes in dem vom ganz offenen,
hinten und auf den Seiten fensterartig durchbrochenen Innern. *)
Fig. 39. Mensa in der Allerheiligenkapelle zu Regensburg.
Auf Säulen ruhende Altar tische in der Weise der morgenländi-
schen Kirche gehören, wo sie in Deutschland vorkommen, dem XI. und
XII. Jahrh. an, und haben sich erhalten in den Krypten zu Limburg a.d.H.
(nur in Bruchstücken) , von St. Gereon zu Cöln und zu Gurk (woselbst
zwei dergleichen), ausserdem in der Kirche zu Sindelfingen bei Stuttgart,
in der Allerheiligenkapelle zu Regensburg, sowie im Dom zu Braun-
schweig. Letzterer , von Heinrich dem Löwen der heil. Maria gewidmet
imd ursprünglich in der Mitte des hohen Chores aufgestellt, ist unter den
Mensen dieser Gattung der ausgezeichnetste : die Platte (4 F. 9*/, Z. lang,
2 F. 4*74 Z. breit und 4 Z. rhl. dick) aus dunkelem Muschelmarmor ruht
auf fünf hohlen, ehemals mit Reliquien gefüllten Bronzesäulen, deren
Capitäle mit schön stilisirten Adlern geschmückt sind. In dem Capitäle
der Mittelsäule befindet sich in einem bleiernen Gefässe die Dedications-
urkunde Bischofs Adelog von Hildesheim vom J. 1 188. ') — Der sog.
1 ; Mauch, Einladungsschr. der polytechn. Schule in Stuttgart 1849 S. 18 Taf. 2;
auch bei Laib und Schwarz, Studien etc. Taf. III. H.
2j Bösigk, Fz. L. , Führer durch das Museum im Palais des grossen Gartens.
1S56, die Tafel zu S. 44.
V Schiller, die mittelalterl. Axchitectur Braunschweigs S. 22; vergl. Gör-
res, F., Beschreib, vom St. Blasius Dom zu Braunschw. 3. Aufl. S. 30. — Bei Jac.
Goar, Ev^oloyiuv s. rituale Graecorum p. 614 findet sich die Vorschrift, dass die
Errichtungsurkunde des Altars in die hohlen Säulen gelegt werden soll , welche die
Platte tragen (Vgl. Laib und Schwarz, Studien etc. S. 17). — Heinrich der Löwe
erbaute den Dom zu Braunschweig nach seiner Rückkehr von dem heil. Grabe, woher
£r viele Kostbarkeiten und Reliquien mitgebracht hatte ; es ist nicht unwahrscheinlich,
dass dem Marienaltar ein orientalisches Vorbild zu Grunde lag.
7*
1 00 Altarbekleidung.
Crodo-Altar in der Vorhalle des ehemaligen Doms zu Goslar, ein Guss-
werk aus Bronze , welches aus einem von vier knieenden Figuren ge-
tragenen, in einem Stücke gegossenen rechteckigen Kasten (3 F. 2 Z.
lang, 2 F. 4 Z. breit, 2 F. 5*/, Z. hoch; mit den Trägern 3 F. 9*/, Z.
hoch) besteht . hatte vermuthlich ursprünglich eine andere Bestimmung,
ist jedoch , wie die mit den fünf Weihekreuzen versehene , den Deckel
bildende Platte aus weissem Marmor und die unter derselben befestigte
Capsa beweist, als Altar im kirchlichen Gebrauche gewesen. ^)
In jeder Altarplatte sind fünf kleine Kreuze (X) eingehauen,
vier auf den Ecken und eines in der Mitte , in denen , nachdem sie zuvor
mit Weihwasser und Salböl bezeichnet sind , der Bischof bei der Weihe
des Altars mittelst kreuzweis hineingelegter Wachskerzenfäden 5 Weih-
rauchkOrner ('•') verbrennt. — Altarplatten aus Sandstein, Kalkstein,
Marmor, Porphyr etc., auch aus Glimmerschiefer (in der Krypta des
Doms zu Naumburg) , dem man eine wunderthätige Kraft beimaass. —
Prachtvoll und höchst kostbar ist die Platte auf dem Hochaltar des Doms
zu Magdeburg von jaspisartigem röthlichem Marmor, 14 F. lang, 6 F.
3 Z. breit und l F. dick, ein Geschenk Erzbischofs Dietrich (•{• 1367).
Das Gewicht derselben wird auf mehr als 1 1 8 Centner geschätzt , und
der Werth in älteren Schriften auf zwei Tonnen Goldes angegeben. *)
Die Grösse der Altäre ist sehr verschieden und richtet sich nach
dem zu Gebote stehenden Räume. Das Trierer Concil von 1227 (Hartz-
heim, Conc. Germ. 3, 529) weist die Priester an nicht so kleine Altäre
zuzulassen, an denen sie nur mit Furcht celebriren könnten. *) Der oben
beschriebene Hochaltar des Magdeburger Doms gehört zu den grossesten,
die überhaupt vorkommen, zu den kleinsten ohne Zweifel eine in der
Klosterkirche zu Zinna an der Rückseite des Hochaltars angebrachte (also
nach Westen gerichtete) romanische Steinconsole von 1174X972 Z. mit-
dem (ausgeleerten) 2V2X"^74 Z. grossen Sepulcbrum in der Mitte.
Anmerkung. Die völlige Schmucklosigkeit der meisten Altäre deutet
auf die uralte Sitte dieselben an ihren Seiten wänden und besonders an der
Vorderseite zu bekleiden (vestire) , imd man bediente sich dazu der mit
bildlichen Darstellungen geschmückten Vorsetztafeln [antipendta, fron-
talia) aus edlen Metallen , aus Stein oder aus Holz , am häufigsten jedoch
gestickter, auch bemalter Teppiche, die indess wohl nicht immer auf Rahmen
ausgespannt wurden , sondern wahrscheinlich meist in freier Faltung herab-
hingen. — Goldene und silberne Antipendien sind grösstentheils unter den
Stürmen der Zeit zu Grunde gegangen. Im Schatze des Münsters zu Aachen
befinden sich angeheftet an den Gewänden des Schatzschrankes siebzehn ge-
triebene Goldplatten, welche spätestens aus der Zeit der Ottonen herrühren
und ehemals ein Antipendium des Hochaltars bildeten. ^) Die goldene und
silberne Vorsetztafel aus dem X. Jahrb.. womit die Vorder- und die Hinter-
1) Mithoff, Archiv für Niedersachaens Kunstgesch. III. Abth. 1. Lief. S. 9 u.
Taf. VII.
2) Koch, der Dom zu Magdeburg 8. 92.
3) Veigl. Jakob, die Kunst im Dienste der Kirche S. 67.
4) Weerth, £. aus'm, Kunstdenkm. des chrisftl. M. A. in den Rheinianden.
I. Abth. Bildnerei. Bd. H. Taf. XXXIV. 1.
Altarbekleidung. |0I
Seite des Hochaltars im Kloster Petershausen geschmückt war , hat wieder-
holtes Geldbedürfniss des Klosters nicht einmal das XII. Jahrh. überdauern
lassen. ^) Der mit Edelsteinen besetzte goldene Altar, den K. Heinrich II.
dem Dome zu Merseburg geschenkt hatte, wurde im J. 1547 eine Beute des
Kriegsvolks. ^) Dagegen hat sich das goldene Antipendium erhalten, das
derselbe Kaiser in das Münster zu Basel gestiftet hatte , wo es erst in neuer
Zeit unter den Hammer kam und sich jetzt im Hotel - Cluny zu Paris befin-
det, während in Basel (im Besitze der Gesellsch. für yaterländ. Alterthümer)
nur ein Gypsabguss zurückgeblieben ist. Es besteht aus einer etwa 3 Zoll
starken Tafel aus Cedernholz von 5 F. 3%X3 F. 9% Z. rhl., die mit Gold-
blech (von mehr als 400 Loth an Gewicht) in getriebener Arbeit überzogen
ist, und diente bloss an sieben jährlichen Festen zum Schmucke des Altars,
indem es (wie auch das silberne Antipendium zu Petershausen ^) ) für ge-
wöhnlich wahrscheinlich verhüllt gehalten wturde. *) An Ort und Stelle er-
halten ist die mit Figuren und Emailstreifen verzierte, aus dem XII. oder
XUI. Jahrh. stammende goldene Altar tafel in der Klosterkirche von Com-
burg in Schwaben *) , \md ein etwa gleich altes , aber später verändertes
Antipendium aus vergoldetem und emaillirtem Kupfer ist an die ehemalige
Rathhauskapelle zu Cöln aus St. Ursula daselbst übergegangen. ^) — Eine
Vorsetztafel aus rothem Sandstein mit sechs Apostelfiguren, für eine Neben-
seite eines Altars bestimmt gewesen und aus dem XI. Jahrh. herrührend,
befindet sich im südlichen Seitenschiffe des Münsters zu Basel, 'j — Ein
auf Holz gemaltes Antipendium ist aus dem Walpurgiskloster zu Soest in
das Provinzial - Museum zu Münster gekommen ^) , ein anderes hat sich am
Altar der Kirche zu Lüne beiLünebiirg erhalten^) : beide aus dem XIII. Jahr-
hundert. — Gestickte Altarbehänge im Nonnenkloster Göss in Steiermark
(XIII. Jahrh.) *•>), im Domschatze zu Salzburg (XIV. Jahrh.) **),in der Wie-
senkirche zu Soest, in der Lambertikirche zu Münster, in St. Mauritz da-
selbst, im Museum des Grossen Gartens zu Dresden (aus der Stadtkirche zu
Pirna, XIV. Jahrh.) **), in der k. k. Schatzkammer zu Wien (XV. Jahrb.);
andere im Dome zu Halberstadt , in der Marienkirche zu Danzig etc. , im
erzbischöfi. Museum zu Cöln etc. ; auf Leinwand gemalte Altarbekleidungen
1] Chron. Peterahus. in M o n e, Quellensammlung etc. ], 123 a. 156 b. 167.
2) Thietmari Chronicon, rec. Wagner p. 255.
3} Chxon. Petershus. a. a. O. S. 156 b. »nonnm in maximis futivitatibtts ape^
riebatur^t.
4 ) W a c k e r n a g el, W. , die goldene Altartafel von Basel. (Mittheil, der Gesellach.
für Vaterland. Alterth. in Basel VH.) 1857; vergl. Zeitschr. für christl. Archäol. u.
Kunst 2, 83.
5) fioisseröe Denkmäler. Taf. 27.
6) Bock, Fz., das heilige Cöln. Taf. XVIII. 69. — lieber andere Frontalien
dieser Gattung , die spater zu Superfrontalien umgearl^itet worden sind , s. unten
S. 106 Nota 1.
7) Förster, £., Denkmale etc. Bd. II. Bildnerei. Taf. zu S. 25.
8) Didron, Annales archäol. 17. Taf. zu S. 180; de Caumont, Ab^c^daire etc.
M. 6d.] I, 244.
9i D. Kunstbl. 1850 S. 14».
10] Mittheil, der k. k. Centralcommission etc. 1858. 3, 92.
11} Ebd. 1862. 7, 29.
12) Bösigk, Führer durch das Museum etc. Taf. zu S. 42.
1 02 Altarciborium.
aus dem XVI. Jahrh. im Museum des Grossen Gartens zu Dresden. — Von
solchen Behängen sind zu unterscheiden die liturgisch gebotenen, feinen
weissen Leintücher (pallae , mappae altaris] , mit denen die Altarplatte be-
deckt wird : auch kommen grössere gestickte Teppiche [stragula , palluda-
menta altaris, Vespertücher) vor, welche zur besseren Conservirung des
Weisszeuges nach dem Morgengottesdienste besonders an Festtagen über
die Mensa gebreitet wurden. *) — Eine Altardecke in Weisszeug -Stickerei
aus dem XIII. Jahrh. besitzt das Kloster zu Zehdenik, zwei andere aus
dem XV. u. XVI. Jahrh. die Stiftskirche und die Jacobikirche zu Strau-
bing. — Zur Vollendung der liturgischen Zurüstung des Altartisches ge-
hört die Aufstellung eines Crucifixes, einiger Leuchter und des Messbuches ;
der Hochaltar des Doms zu Magdeburg sollte nie mit gemalten oder ge-
hauenen Bildern besetzt werden, sondern nur mit dem Crucifixe, Evangelien-
und Messbüchern in Prachtbänden und (zu Zeiten) mit Reliquienschreinen. ^j
33. Ueber den Altären wurde schon frühzeitig auf vier Säulen
ruhend ein Baldachin [ciboiHum *) , tahernaculum , umbraculum) ange-
bracht, von dem in der Mitte das Gefäss mit dem Weihbrote, oft in
Gestalt einer Taube , herabhing , und Vorhänge [tetravela) an den
Seiten gestatteten dem Ministranten sich und das heilige Mysterium
profanen Augen zu entziehen. Dergleichen Ciborien kommen,
vielleicht des Andenkens an die alte Sitte halber, auch im Mittelalter
hin und wieder als kapellenartige Ueberbaue über Seitenaltären vor ;
sonst war es üblich den Altartisch gegen herabfallenden Staub durch
einen über demselben ausgespannten Teppich zu schützen.
Die mit Ciborien überdeckten Altäre aus dem Mittelalter, die bis
jetzt in deutschen Kirchen nachgewiesen sind, lassen sich zwar in der
Form auf die altchristlichen in Italien (S. demente und Giorgio in Ve-
1/ Vgl. Bock, Fz., in den Mittheil, der k. k. Centralcommission etc. ]Hb^. 3,9*2.
2) Bock, Fz., u. Jakob, G., die mittelalterl. Kunst in UirerAnwend. zu liturg.
Zwecken. Kegensb. fIS57; S. 4.
3, Nach gefalliger Mittheilung des Herrn Director Wiggert zu Magdeburg
heisst es in dem »Liher ritualis ecclesie Magd,« vom Ende des XIII. Jahrh. Pergament-
Hs. vom Anfange des XV. Jahrh. in der Bibliothek des Domgymnasiums) p. 65:
»Scieiidum quod in Maydehurgensi ecclesia super majus altare nullae itnaginett pictae
vel vculjdae poni consiievertmt praeter solam passionem salvaUyins; sed libri evange-
lioruvi et sacr amen tar tum ornati et 7-eliquiae sanctorum ponisolent: imagines enim
sunt res wnhratUes et veritatem rei quam repraesentant in se non habettteSf sed evan-
gelia doctrinam vitae et veritatem continent, non umbram et signam rei. Res enim
significata dignior est honore^ quam res signans. Passio vero Jesu Christi nobis neces-
saria est ad salutem et nulkt adversa superare possumus absque adjutorio passiofiis:
crucem tantum venerando salutat. «
4) Das griech. xißtooioy bezeichnet die Saamenkapsel einer ägyptischen Wasser-
pflanze ; das offenbar verwandte xißiOTiov ist s arca , und .dieses ss tabertiaculum .
Vgl. Durand, Kationale 1. I. c. 2. n. 10. — Durch Uebertragiuig wurde das von
dem Baldachin herabhängende Speisegefäss selbst später ebenfalls ciborium genannt.
CiborienaltAxe.
103
labro in Rom; b. bei Laib u. Schwarz, Studien etc. Taf. III. 1. u.
XI. 4.) zurttckfQhren ; es bleibt jedoch sehr zweifelhaft, ob dieselben mit
jenen charakteristischen Vorhängen und mit dem über dem Altartische
ii.tiiiiiii.j—
Fig. 40. Altarciborium in der Klosterkirche zu Hamersleben (nach ▼. Quaat).
schwebenden Weihbrotgefilsse jemals ausgestattet gewesen sind : sie
haben irielmehr wesentlich das Gepräge von selbständigen Kapellenein-
bauten und scheinen auch als solche gegolten zu haben. So wird der
älteste bekannte, der Frühzeit des XIII. Jahrh. entstammende ciborien-
artige Altarüberbau in der Südostecke des südlichen Kreuzarmes in
der Kirche des Augustiner Chorherrenklosters Hamersleben als » Fünf-
Wunden-Kapellen bezeichnet. Dessenungeachtet ist durch eine Stelle des
sog. jüngeren Titurel ^) und durch Abbildungen französischer Altäre (bei
1 ) »Aller Zierde wunder trugen die altare,
Auf Jeff Itchetn beeunder waren kefee, tafeln ^ hilder kostbare)
Ueber jegUehem stund ein ziborie
Oesimset über haubet viel mannichefn himmelkind zu reicher glorie.
104
Ciborienaltftre.
Laibund Schwarz a. a. O. Taf. VI. 4. VII. 6. II. X. 3) erwiesen,
dass sowohl das Ciborium mit dem über dem Altartische schwebend auf-
Fig. 4 1 . Altarciborium im Dom zu Beg«nsburg.
gehängten Weihbrotgefilsse in Taubenform, als die Altarvorhänge (letztere
allerdings nur zwei auf den Seiten und auch ohne Ciborienüberbau zwi-
Samtnet der grüne gewebete^ gtachnitten über ringe
Ob Jedem aUar schwebete für den staub. Und swenne derpriester singe
So ward ein seiden schnürlein da gezuckett
Ein taub einem engel brachtet der kam aus dem gewölb herabgepßucket,
JEin rad ihn wieder fUhrte inmitten an der schnür
Mit fluge gen ihm rührte ein taub und nahm den engel, sam siiefuhr
Aus paradieee, geleich dem heren Geiste,
Der messe zu hohem werthe, daran Christen sälde liegt die meiste,«
Der jangere Titurel 15 — 17. S. 341. — Die Phantasie des Dichters siebt hier ausser
dem Ciborium nicht bloss ReliquienbehAlter , Tafeln und Bilder, sondern auch den
lur Abhaltung des Staubes über dem Altar ausgespannten Teppich (aus grünem Sam-
met) , was sich in der That wechselseitig ausschliessen dürfte und nur beweist , dass
der Dichter beides kannte, Ciborien- und Bilderaltäre. Die Ausspannung eines
»pannus lineus albus n zum Schutze des Altars gegen herab£aUende Unreinigkeiten
schreibt die dem Gedichte gleichzeitige Synode zu Münster von 1279 (Hartzheim,
Conc. Germ. 3, 646) vor. Vgl. Jakob, die Kunst im Dienste der Kirche S. 68;
Laibu. Schwarz, Studien etc. 6. 58. — Ueber die »Taube« s. weiter unten { 46.
Altaraufstttze. 105
sehen frei stehenden Säulen, also nicht der mystischen Verhüllung halber
angebracht) noch bis in spätere Zeit des Mittelalters a blich waren. —
Gothische Ciborienaltäre sind nachgewiesen in der Elisabethkirche zu
Marburg, mehrere im Dom und im Niedermünster zu Regensburg und in
8t. Stephan zu Wien, in der Teinkirche zu Prag , zu Dinkelsbühl , zwei
in Maulbronn und zu Mühlhausen am Neckar, zu Werl in Westfalen.
Nach Kreuser (Organ etc. 1861 S. 210) soll der älteste Hochaltar
im Cölner Dom auch ein Ciborienaltar gewesen sein. Der von demselben
als letzter Ciborienaltar bezeichnete Altar in der Stephanskirche zu Mainz
mit seinen vier Messingsäulen von 1509 soll erst in der Zopfzeit aus vier
ursprünglichen Candelabern zusammengesetzt worden sein (Ebd. S. 240).
— Auch die an der Westseite der Lettner errichteten Altäre (s. oben
S. 39 Anmerkung 1) gehören, insofern sie (wie in der Klosterkirche zu
Fredelsloh bei Eimbeck) unter der Wölbung des vortretenden Lesepultes
stehen, gewissermaassen zu den Ciborienaltären. — Wenn nach unserer
(dem Conversations-Lexicon für bildende Kunst entlehnten) Abbildung
am Evangelienseiten- Altar aus dem Dome zu Regensburg , sowie an den
beiden Ciborienaltären aus Mühlhausen (bei Laib und Schwarz Taf.
XII. 3. 4) Eisenstangen zwischen den Bögen angebracht sind, hat man
darin wohl lediglich Verankerungen zu erkennen , nicht aber Vorrichtun-
gen für ehemalige Vorhänge.
34. Die immer beliebter werdende Aufstellung von Reliquien in
kostbaren künstlerisch ausgeschmückten Behaltern (s. unten § 38),
für welche auf dem Altare selbst , auch wenn man ihn dazu hätte be-
nutzen mögen, hinlänglicher Kaum nicht vorhanden war, föbrte im
Mittelalter dazu, dass man, statt des Ciboriums über der Mensa, hinter
derselben eine etwas höhere Steinwand [retabulum] aufifiihrte, als er-
höhten Standort oder als Gehäuse und Schirmdach für die Reliquiarien
und Bilder. Unter dem EinflujBse der gothiscben Kunst entwickelten
sich hieraus allmählich die grossen in Scbnitaswerk ausgeführten Auf-
sätze, welche besonders in Deutschland die oft überreiche und sich
bis zur Decke der Kirche emporwipfelnde Umrahmung bilden für
die Bilder- und Reliquienschreine : Bilderaltäre, Reliquien-
altäre.
Der Zusammenhang der Altarrückwand mit der Aufstellung von
ReUquiarien und Büdern scheint unleugbar '), doch kommt dabei auch in
Betracht, dass die Errichtung eines Retabulums nur in dem Falle möglich
war, wenn der Liturg vor dem Altare stand mit dem Gesicht gegen
Osten , und nicht mehr , wie es die ältere , in den bischöflichen Kirchen
wahrscheinlich am längsten bestehende Sitte war, hinter dem Altare, das
Anthtz der Gemeinde zugekehrt : eine, zum Theü mit der Orientirung der
Kirchen (s. oben S. 11 Anm. 1) zusammenhängende, noch nicht hinlänglich
t ) Vgl. namentlich die Abbildungen französischer Altäre bei Laibu. Schwärs,
Studien etc. Taf. VI. 2, 4, 10.
106 Altaraufsfttze.
aufgehellte Frage. — Die Rückwand des Altars wurde in ähnlicher
Weise, wie die Vorderseite der Mensa mit dem Frontale (s. oben S. 100
Anmerk.) , mit einem beweglichen Superfrontale geschmückt, welches
ebenfalls aus einer Metalltafel oder einem Teppiche bestand. Das älteste
bekannte Superfrontale ist die berühmte Fala doro in S. Marco zu Ve-
nedig , eine mit getriebenen Darstellungen , Emails und Edelsteinen ge-
schmückte Tafel aus vergoldetem Silber und feinem Golde von etwa 10 F.
Länge und 7*4 F. Höhe, welche im Jahre 976 in Byzanz verfertigt,
1105 erneuert und 1209 und 1345 hergestellt wurde. Ein ebenso kost-
bares und vielleicht ebenso altes Werk dieser Art besass in Deutschland
die Michaeliskirche zu Lüneburg in der goldenen Tafel, welche anstatt
des Bilderwerkes auf dem Altar stand und im XVII. Jahrh. gestohlen
wurde. ^) Ein Retabulum, aus sehr dünnem vergoldetem und emaiUirtem
Kupfer getrieben imd auf eine Holztafel gelegt, wurde in den letzten
Kriegen in Coblenz von den Franzosen geraubt und befindet sich jetzt in
St. Denis : es ist etwa 9 F. lang und ohne das in der Mitte angebrachte
hoher hinaufreichende Brustbild Christi 2 F. hoch. *) — Den Maassen
von ey* F. Länge und 274 F. Höhe zufolge dürfte auch die neuerlich
über dem Epistelseiten -Altare der Wiesenkirche zu Soest hinter einem
dem XIV. Jahrh. angehöiigen Altarschreine entdeckte , ganz mit vergol-
detem Pergamente überzogene bemalte Holztafel aus dem XIII. Jahrh.
ursprünglich die Bestimmung eines Superfrontale gehabt haben : der obere
Rand derselben erhebt sich in der Mitte in einem Flachbogen und auf
beiden Seiten symmetrisch in je zwei Spitzen. *) — Wahrscheinlich ist
auch in einer etwa gleichzeitigen , aus der Gegend von Rosenhain in das
National - Museum zu München gekommenen bemalten Tafel ein Super-
frontale zu erkennen: dieselbe ist ungefähr 4 — 5 F. lang und 1 F. hoch
und ladet am oberen Rande in ihrer Mitte ebenfalls in einem Halbrund
aus. *) — Das älteste bekannte, dem XII. Jahrh. entstammende unbe-
wegliche Superfrontale befindet sich an dem die Mensa überragenden
Theile der steinernen Rückwand des der Maria gewidmeten Altars in der
Kirche St. Gervais zu Maestricht (s. den Holzschnitt) : auch hier ist, wie
in St. Denis , der mittlere , allein mit Bildwerk geschmückte Theil höher
gehalten ; die Seitenfelder enthielten wahrscheinlich Gemälde oder wur-
den mit Teppichen behängt. *) — Als besonders lehrreich in Beziehung
I; Calvör, Csp., Saxoiüa inferior S. 436. Die hier auf 7 F. 9 Z. Länge und
3 F. ^ Z. Höhe angegebenen Maasse könnten darauf deuten, dass die Tafel ursprttn-
lieh ein Frontale gewesen und erst nachträglich als Superfrontale verwendet worden
sei. — Gleiche Vermuthung hat man in Beziehung auf den sogen. Verduner Email-
Altaraufsatz in Klostemeuburg ausgesprochen , welcher 118] verfertigt wurde, aber
erst 1320 seine jetzige Verwendung fand. Vgl. Mittelalter!. Kunstdenkm. des Öster-
reich. Kaiserstaates, herausgegeb. von G. Heider etc. 2, 117.
2) Viollet-le-Duc, Dictionnaire du MobiUer p. 233 ; vgl. Laib u. Schwarz,
Studien etc. S. 53.
3) Vgl. Zeitschr. für christl. Archäol. u. Kunst 2, 283 u. Taf. 15 u. 16.
4) Mittheil, der k. k. Central- Commission etc. (1861) 6, 114.
5) Reichensperger, A. , Fingerzeige auf dem Gebiete der kirchl. Kunst
S. 136 u. Taf. VI nach einer Abhandlung von A. Schaepkens. — Der etwa gleich-
zeitige hohe Altarbau in der Kirche zu Wechselburg scheint ursprünglich ein Lettner
gewesen zu sein und befindet sich nicht mehr an seiner ursprünglichen Stelle.
Altaraufsätze.
107
auf die ursprangliche Bestimmung und Bedeutung der Rückwände er-
scheint der gleichfalls steinerne Bau von 1290, der sich, künstlerisch
Fig. 42. Altar in St. Gervais xu Macstricht (nacli Rcichenspcrger).
ausgezeichnet, hinter dem Hochaltar der Elisabethkirche zu Marburg er-
hebt; s. umstehend Fig. 43. Das Motiv, wesentlich dasselbe zwar wie zu
Maestricht, doch in der durch den gothischen Stil bedingten Ausbildung,
erinnert an die Formen gothischer Heliquienbehälter : wie denn auch die
Reliquien in einem Sarge befindlich sind, welcher nach dem Chorschlusse
hin aus dem Altare hervorspringt und brückenartig auf diesem einerseits
und einem freistehenden Pfeiler andererseits ruht. Die Nischen des Re-
tabulums sollten Statuetten oder Reliquiarien aufnehmen , und das Ganze
war auf gemustertem, rothem und blauem Grunde reich vergoldet. *) —
Dieser steinerne Altarbau deutet schon auf die in dem Wesen des gothi-
schen Stils begründet« Tabemakelbildung der späteren , selten in Stein
(wie z. B. die in drei Pyramiden endenden Altarbauten in der Stiftskirche
St. Maria auf dem Berge bei Herford , in der Wiesenkirche zu Soest (aus
dem XIV. Jahrh.) und in der Kirche zu Unna (aus der Spätzeit des XV.
Jahrh. ; auch in der Martinskirche zu Landshut von 1424 ^)) gewöhnlich
in polychromatischem Schnitzwerk ausgeführten Altaraufsätze, deren
1) Ebd. S. 137 u. Taf. VII u. VIII. — Laib und Schwarz, Studien etc. geben
Taf. X, 1 a. u. b. die Abbild, eines romanisirend - frühgothischen Altars aus der Fir-
miniuskap. in St. Denis, an dessen wagerecht abschliessende steinerne Rückwand
sich hinten ein vergittertes Gehäuse lehnt , in welchem man den Reliquiensarg und
eine darüber hängende liampe sieht.
2) Vgl. N. Münchener Zeitg. 1859 No. 52 ff.
108
Bilderaltäre.
mittierer Hauptbestandtheil ein Schrein ist, welcher mit zwei Thür-
flügeln (Lider, ostia) geschlossen werden kann und nur an Festtagen
Fig. 43. Altar in der EUsabethkirche tu Marbuxg (nach Beicheiwperger).
Bildenatftre. ]09
geöffnet wurde. Das Innere des Schrankes ist mit figürlichem Schnitz werk
gefallt, und die Flflgel erscheinen auf beiden Seiten mit Gemälden ge-
schmückt , insgemein mit den Abbildungen der Patrone des Altars oder
der Kirche ; die Stelle des eigentlichen Schrankes vertritt indess häufig
eine gemalte Tafel, lieber Ursprung und Alter dieser Flügelschreine,
deren» älteste nachgewiesene Beispiele höchstens bis ins XII. Jahrh.
hinaufreichen*), ist man auf Yermuthungen angewiesen: über die Be-
mahing der Altarflügel, die in vielen Fällen, zumal bei geringeren Altären
nur aus einem blossen Anstriche bestanden haben mag , vgl. Theophilus
Presb. 1. I.e. 17. *j Nicht unwahrscheinlich aber war es die Sitte den
Tollen Prachtschmuck der Altäre nur an Festtagen zu enthüllen, welche
zur Erfindung der dazu besonders praktischen verschliessbaren Flügel-
schreine führte, die Anfangs vermuthlich weniger Bildwerke als Reliquien
enthielten. ') Auch kann es der Fall gewesen sein , dass man jene kost-
baren, mit Oold und Edelsteinen geschmückten Superfrontalien zu ihrem
Schutze mit Holzthüren versah, woraus sich dann später die Flügelbilder
entwickelten. Einer anderen wohl minder annehmbaren Vermuthung zu-
folge wären die FlOgelaltäre aus den alten bischöflichen Diptychen ent-
standen, da dergleichen Kirchenbücher und Kalender mit geschnitzten
Elfenbeindecken auf den Altären aufgestellt wurden, die mannichfachstcn
Verwandlungen erlebt haben , und endlich zu den Altarbildern erwachsen
sein sollen, wie sie noch heute sind. ^) Richtig ist es, dass geschnitzte,
zum Zusammenklappen eingerichtete Elfenbeintafeln im Privatgebrauche
vielfach zum Schmucke der Hausaltäre verwendet wurden. — Das Stre-
ben , den Altar bei verschiedenen Veranlassungen auch in verschiedenem
Schmucke erscheinen zu lassen , führte im XV. Jahrh. dazu, den Mittel-
schrein mit mehr als zwei Thüren zu versehen, die beliebig auf beide
Seiten gewendet werden können \md mannichfache Verwandlungen zu-
lassen; man hat daher diese Schreine Wandelaltäre genannt, und
finden sich solche z. B. in der Moritz-, Ulrichs- und Lorenzkirche zu
Halle a. d. S. Von neueren KunstschriftsteUem sind die Flügelaltäre je
nach der Anzahl der Theile , aus welchen sie bestehen : zweitheilige
Diptycha, dreitheilige Triptycha, viertheilige Tetraptycha, fünf-
1) In der Nicolai (Tauf-) Kapelle am Dome zur Worms befinden sich zwei mit
Heiligengestalten bemalte Altarflügel, die dem Ende des XII. Jahrh. angehören
sollen (Kugler, Kl. Schriften 2, 736).
2} Kugler, Gesch. der Malerei 2. Aufl. 1, 16s.
3] In dem ehemaligen Kloster Mettlach a. d. Saar hat sich aus demXm. Jahrh.
ein ganz mit vergoldetem Messingblech überzogener , ftusserlich mit Oimvirungen, in-
nerlich mit Emaillen , Glasflüssen imd Perlen geschmückter viereckiger Schrank aus
Eichenholz erhalten, von 14'/, Z. Höhe, II Z. Breite und 3*/, Z. Tiefe mit zwei
FlOgelthflren. Die Mitte des geüffiieten Schrankes nimmt in Gestalt eines Kreuzes
mit zwei Querbalken die IJmschliessung eines nicht mehr vorhandenen Partikels des
wahren Kreuzes ein , umgeben von 20 mit kleinen Klapptfaürchen aus Messing ver-
schliessbaren Behälterchen mit den Reliquien verschiedener Heiligen. Auf der oberen
FUche des Kastens war ein bflgelftTmiger Handgriff befestigt , an welchem derselbe
bequem getragen weiHien konnte , und es leidet wohl keinen Zweifel , dass er zum
AuiEstellen über einem Altare bestiount war. Vgl. Zeitschr. für chxistl. ArchAol. u.
Kunat 1, 230 ff.
4) Förster, Gesch. der deutschen Kunst 1, 32 u. l4l.
] 1 0 Heliquienaltftre.
theiliga Pentaptycha genannt worden. — Vermuthlich wurden die Flü-
gelschränke ursprünglich nicht unmittelbar auf die Mensa selbst gesetzt,
sondern auf das Retabulum, welches ihnen als Sockel diente, und woraus
dann die Altar Staffel (predella) hervorging. Letztere bildet entweder
ebenfalls einen offenen oder verschliessbaren Kasten zur Aufnahme von
Reliquiarien , oder besteht lediglich aus einer schmalen , mit Malereien
geschmückten Quertafel. Die unter letzterer angebrachten Stufen groidini)
zur Aufstellung des Crucifixes und der Leuchter scheinen erst der Renais-
sance anzugehören. Ueber dem Mittelschreine bauen sich zuweilen noch
mehrere Stockwerke auf, und in der Krönung des Ganzen ist oft noch
ein Gemfilde oder Schnitz werk angebracht. Auch die vom Volke abge-
wendete Kehrseite frei stehender Altaraufsätze enthält oft noch Malereien.
Ausser den, die grosse Mehrzahl der spätmittelalterlichen Schnitz-
altäre ausmachenden Bilderaltären finden sich auch andere Aufsätze, bei
denen der Bildschmuck entweder ganz fehlt oder doch sehr zurücktritt,
und deren eigentlicher Zweck die Aufstellung von Reliquiarien war.
Solche Reliquienaltäre haben sich nur selten erhalten, z. B. im Dom
zu Paderborn, wo der steinerne Aufsatz des ehemaligen Hochaltars (bei
Laib und Schwarz a. a. O. Taf. XVI. 7) unter einer thurmartigen
Krönung fünf vergitterte Schreine neben einander enthält ; im Dom zu
Münster , wo der gegenwärtige Aufsatz des Hochaltars einen Schrein mit
vielen mittelalterlichen Reliquiarien verdeckt ') ; in der Johanneskirche zu
Essen ein grosser vorzüglich schöner Schrank, von vergoldeten gothischen
£isengittern verschlossen ; in der Kirche zu Doberan zeigt der Schrein
des Hochaltars 6 tiefe Fächer, nach hinten mit Thüren versehen. Auch
der Choraltar von St. "Ursula zu Cöln lässt auf der Rückseite noch einen
von vier Säulen getragenen hölzernen Schrein erkennen mit drei aus dem
XII. Jahrh. stammenden (verdorbenen) Prachtsärgen. — Bilderaltäre,
deren Predellen zur Aufnahme von Reliquien bestimmt waren, finden
sich in der Stiftskirche zu Moosburg, in Blaubeuem, in der Lorenzkirche
zu Nürnberg, in der Oberkirche zu Frankfurt a. O.
Entweder vollständig oder doch in einzelnen , an den daran befind-
lichen Haspen leicht kenntlichen Theilen finden sich Schrank- und Flügel-
altäre noch sehr häufig. — Berühmte Schnitzaltäre spätgothischen Stils,
im südlichen Deutschland: inBlaubeuern^), Ulm, Rottenburg a. d.
Tauber, Nördlingen, Moosburg'); St. Wolfgang in Oberösterreich *) ;
J; Vgl. Didron, Annales arch<^ol. 18, 284 sqq.
2) Heid eloff, C. u. M., der Hochaltar zu Blaubeuern 1846 ; vgl. den Kupfer-
stich von Wagner und Walther, mit Commentar von Reis (KOmb. 1846), auch
den von uns aus Förster, £. , Denkmale Bd. VI. Baukunst S. 1 entlehnten Stahl-
stich dieses in den decorativen Theilen an Reichthiun , Adel und Schwang vielleicht
unerreichten Werkes, von welchem auch ein von Fz. Gremser verfertigtes Modell
von 2 F. Höhe existirt. — Vgl. den Schwab. Mercur No. 266.
3) Harrer, A., Beiträge zur Holzarchitektur des M. A. Details des berühmten
Hochaltars in der Stadtpfarrk. zu Moosburg 1. Lief. (Lindau 1S57). Vgl. N. Mün-
chener Ztg. 1857. Abendbl. No. 16 u. 22.
4;i Sacken, Ed. Frh. v., Der Flügelaltar zu St. Wolfgangin Oberösterreich, in :
Mittelalter!. Kunstdenkm. des Österreich. Kaiserstaates, herausgegeb. von Dr. G.
Heider etc. 1, 125 ff. u. Taf. XIX.
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Tragaltäre. i 1 1
am Niederrhein: zu Calcar und in St. Victor zu Xanten *) ; in West-
falen : in der Petrikirche zu Dortmund, in der Kirche zu Schwerte ; im
Dom zu S chles wig ') ; in Pommern: zu Triebsees *), in der Nicolai-
kirche zu Stralsund *) : inPreussen: in der Marienkirche zu Danzig,
im Dom zu Frauenburg.
Anmerkung 1. Tragaltäre [altaria viatica , itineraria , portatilia,
motoria, gestatoria] *) , deren sich in Folge päpstlicher Privilegien seit dem
YII. Jahrh. nur Könige und Fürsten , hohe Geistliche; Missionare und die
Aebte einiger Mönchsorden auf Reisen etc. bedienen durften, bestehen aus
einem kleinen in Holz oder Metall gefassten Steine, auf welchem nur Raum
für die Hostie und einen kleinen Reisekelch ist. Der Stein (lapis , tabula)
ist gewöhnlich ein edler [litium honestissimum) : Onyx, A<!hat, Verde antico,
Amethyst, Serpentin, Porphyr etc. , oft in Gold oder doch in vergoldetes
Kupfer gefasst, welches emaillirt oder sonst reich verziert und auf einer
ebenfalls omamentirten hölzernen Unterlage befestigt ist. Die Reliquien,
deren Vorhandensein wesentlich ist, sind entweder unter der Steinplatte
oder in den vier Ecken der Umrahmung geborgen , und bei grösseren Reli-
quien nimmt das Altärchen die Form eines sarkophagartigen , zuweilen auf
Metallfüssen (Thierklauen) ruhenden hölzernen Kästchens an , welches mit
Elfenbeinsculpturen , getriebenen Silber- und Goldplättchen , Emails etc.
belegt ist. Die meisten Tragaltäre sind zwar rechteckig, doch kommen auch
runde vor. Obgleich in alten Schatzverzeichnissen vielfach erwähnt , sind
doch die Reisealtärchen verhältnissmässig selten auf unsere Zeit gekommen,
z. B. im Museum zu Darmstadt (angeblich X. Jahrh.) ^) , in München (aus
Bamberg stammend) ^) und zwei im Stift Melk (XI. Jahrh.) ^) ; im Dome zu
Paderborn *) , im Privatbesitz zu Cöln ***j, aus St. Maria auf dem Capitol in
Ij Weerth, E. aus'm, Kunstdenkm. des christl. M. A. in den Rheinlanden
I. Abth. Büdnerei Bd. I. Taf. XI— XIV u. XX.
2) Hans Brüggemann's Altarschrein in der Schleswiger Domkirclie, gez. von
C. Chr. A. Böhndei. Hamburg o. J. — Vergl. Schleswigsche Kunstbeiträge (Be-
schreib, des BrOggemann'schen Altars im Dom zu Schleswig aus der Kirche von
Bordesholm). Schleswig 1792.
3; Eine Farben«;kizze befindet sich im Christi. Museum der Universität zu Ber-
lin, — "Werner, Beschr. des Altarschnitz werks zu Triebsees. 1**60.
4) Rosen, C. v. , der Hochaltar der Nicolaikirche in Stralsund, in den Balt.
Studien XVI. 2. Vgl. Kugler, im D. Kunstbl. 1856. S. 233 u. Zeitschr. für christl.
ArchAol. u. Kunst 2, 36.
5} Kaiser, J. B. , diss. hist. • eccles. de altaribus portatilibus. Jen. 1695. —
Darcel, Alfr., les autels portatifs , in den Annales archeol. par Didron 16, 77 — 89 ;
vgl. ebd. 4, 289 ; auch Laib u. Schwarz, Studien etc. S. 44 ff. u. Weerth, E.aus'm,
Kunstdenkm. I. Abth. Bd. IL S. 51.
6; No. 690; abgebUd. in Müller, Hub., Beiträge etc. 2, 1. Taf. 3. S. 6.
7) Abbild, bei Labarde, Peinture en^mail. PI. V. ; vgl. Sighart. Gesch. der
bild. Künste in Bayern 1, 127.
8) Jahrbuch der k. k. Central -Commission etc. 2, 32; Tgl. Mittheilungen der-
selben (1861) 6, 24.
9) Abbild, im Organ für christl. Kunst 1861. Artist. Beilage zu No. 7. Daselbst
'S. 77) wird auch noch ein zweiter in Paderborn befindlicher IVagaltar aus Kloster
Abdinghof erw&hnt.
lo; Abbild, bei Hei del off, Ornamentik etc. Lief. 8. Bl. 3.
112 Bildschmuc^ der Alt&re.
Cöln ') , aus der Abteikirche zu Gladbach ') , zwei aus der Pfarrkirche zu
Siegburg ') im erzbischofiichen Museum zu Cöln , zwei im Domschatze zu
Bamberg, in der Schatzkammer zu Hannover^) (sämmtlich XII. Jahrh.) ;
aus Kloster Sayna bei Coblenz im Privatbesitz (XIII. Jahrh.) ^) , im Stift
Admont in Steiermark (XIV. Jahrh.). *) Der Reisealtar des heil. WiUibrord
in der Liebfrauenkirche zu Trier ist ein Kästchen , welches mit Elfenbein-
und MetallplSttchen von roh byzantinischer und streng romanischer Arbeit
bekleidet ist, untermischt mit gothischer des XIV. Jahrhunderts. ^) Im Dom
zu Xanten befindet sich ein Reliquienkästchen aus dem XII. Jahrh., welches
ursprünglich ein Tragaltar war, dessen geweihten Stein man später entfernt
und durch eine Silberplatte ersetzt hat. ^} Auch besitzt das German. Museum
zu Nürnberg einen Tragaltar von 1479 , der aus einem mit bunten Hölzern
eingefassten polirten Solenhofer Kalksteine besteht. ^)
Zum ferneren Schmucke der beweglichen Altäre gehörten oft kleine
Aufsätze in Form der Flügel- und Klappaltäre, Diptycha und Triptycha aus
Elfenbein oder edlem Metall, bemalten Tafeln etc. , die unter dem Namen
der Reisealtäre häufig in Museen und Galerien vorkommen, z. B. die Elfen-
beine No. 734. 794—796. 804. 832. 849. 863. 865. 872—874. aus ver-
schiedenen Jahrhunderten des M. A. auf der Kunstkammer im N. Museum
zu Berlin; ein Triptychon in vergoldetem Rothkupfer mit eingegossenem
Email (XII. Jahrh.) im Erzbischöflichen Museum zu Cöln (Catalog von 1855
No. 261); ein Diptychon in vergoldetem Silber des Hauscomtur Heinrich
Dagister von Lorich zu Elbing v. J. 1388, welches in der Schlacht von
Tannenberg 1410 erbeutet und von den Polen an den Dom zu Gnesen ge-
schenkt wurde, von wo es neuerlich wieder nach Marienburg gekommen
ist ^^) ; ein aus einer Menge kleiner quadratischer in Holz geschnitzter Felder
bestehendes Flügelwerk , deren jedes eine durch eine Glasscheibe geschützte
Reliquie enthält , in der Kirche zu Kirchlinde bei Dortmund aus dem XIV.
Jahrh. ''j u. a. m. — Sehr häufig kommen in Kunstsammlungen (z. B. in
der Kimstkammer zu Berlin unter No. 59 — 75, 81 — 96, 100 — 106) kleine
3 — 4 Z. hohe in Bronze gegossene byzantinisch - russische Klappaltärchen,
sämmtlich von ganz gleichem Typus, vor.
Anmerkung 2. Bei aller Mannichfaltigkeit des Bildschmuckes
der Altäre kehren doch gewisse ikonographische Orundzüge regelmässig
wieder. Auf den romanischen Antipendien erscheinen unter Bogenstel-
lungen einzelne Figuren : der verherrlichte Christus nimmt stets den mittleren
1) Abbüd. bei Bock, Fe, das heilige Cöln T. XXIX. Fig. 94 u. 94 a.
2) Abbüd. bei aua'm Weerth a. a. O. Taf. XXXI. 9. 9b-c.
3) Abbild, im Organ für chrisü. Kunst (1856] 3, l^H.
4) Abbüd. bei Vo gell, CA., Kunstarbeiten aus Niedersacbsens Vorzeit Hft. 3.
Bl. 16 — IS. Ausser diesem sind in der Schatskammer zu Hannover noch 14 andere
Tragaltare vorhanden, mehrere nicht publicirte auch in Hildesheim.
5] Abbild, bei Laib und Schwarz a. a. O. Taf. X. 6.
6} Abbild, in den Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. ;iü)60^ .i, 21.
7) Vgl. Kugler, Kl. Schriften etc. 2, 32*i.
8) Abbüd. bei aus'm Weerth a. a. O. Bd. I. Taf. XVU. 4; vgl. Bd. H. S. 4.
9) Anzeiger etc. (1856) 3, 236.
10) AWjüd. in den Pr. Prorinzialbl. IV. zu S. 30 — II.
n; Lflbke, W., Kunst in Westfalen S. 391.
AltarkreuKC. 1 1 3
Ehrenplatz ein , auf beiden Seiten umgeben von den Erzengeln Gabriel und
Michael und einzelnen Heiligen , oder von den in einer Doppelreihe ange-
brachten Aposteln. — Auf gestickten Altartüchern der gothischen Pe-
riode sind die gewöhnlich dem Leben Jesu und der Maria entnommenen
Darstellungen oft als Rundbilder behandelt. — Die Flügelschreine
zeigen die grosseste Mannichfaltigkeit , doch nimmt der Mittelschrein stets
die Hauptdarstellung auf, die aus der neutestamentlichen Geschichte, zu-
weilen mit Gegenüberstellung der alttestamentlichen Typen , oder aus der
Legende des Heiligen , dem der Altar gewidmet ist , gewählt ist ; auf den
Flügeln erscheinen häufig einzelne Heilige , deren Reliquien in dem Altare
enthalten waren , oder die von den Donatoren (die ebenfalls oft in betender
Stellung dargestellt werden) besonders verehrt wurden, vorzugsweise häufig
die Patrone der betreffenden Kirche, Stadt, des Landes oder Stiftes. Auf
der Predella kehrt namentlich das Schweisstuch der Veronica, auch das
heilige Abendmahl oft wieder, und auf der Rückseite des Altars, hinter dem
man Beichte zu sitzen pflegte , eine DarsteUung des jüngsten Gerichts. —
Auf Tragaltären umgeben den mittleren Stein einzelne Figürchen von
Heiligen etc. auf der Umrahmung und die Evangelistenzeichen oder die
Paradiesesflüsse auf den vier Ecken ; die Rückseite zeigt häuflg eine Oma-
mentation in sich wiederholendem Muster (ä diapri, , Bei den Altärchen in
Kastenform sind die Bilder der Seitenflächen ganz nach dem Vorbilde der
Antipendien entworfen.
35. Ein Kreuz, dazu bestimmt, dass Priester und Volk den
Opfertod Christi stets vor Augen haben sollen , gehörte seit den älte-
sten Zeiten zur litiygischen Zurüstung der Altäre. Wie das Ciborium
selbst oft aus edlem Metalle verfertigt , stand es Anfangs , den archi-
tektonischen Abschluss des ersteren bildend, oben auf demselben oder
hing über dem Altare schwebend von dem Ciborium herab , wurde
später auf dem Retabulum und endlich auf der Mensa selbst zwischen
den Leuchtern als Altarcrucifix aufgestellt, welchen Platz es bis heute
behauptet.
Nachrichten mittelalterlicher Schriftsteller, besonders aus dem Ponti-
ficalbuche des Bibliothekars Anastasius , über das Kreuz auf dem Cibo-
rium in römischen Basiliken , s. bei L a i b und Schwarz, Studien etc .
S. 24 u. 31 ff., und damit übereinstimmend die Abbildungen der Ciborien-
altäre in SS. Nereo ed Achilleo, S. Maria in Toscanella und S. Giorgio in
Velabro (Taf. III. 5, XI. 2. 4). Das Kreuz, welches hier lediglich als
passender omamentaler Abschluss des Ciboriums erscheint, konnte indess
auch fehlen, wie die Beispiele von S. demente und St. Agnes ausserhalb
der Stadt, auch S. Ambrosio in Mailand (Taf.'III. 1. 13. 7) beweisen. —
Belegstellen über Kreuze, die zuweilen in Verbindung mit Kronleuchtern,
über dem Altare hingen, ebd. S, 32. Nach dem Visitations- Protokolle
vom J. 812 (Monumenta Boica 7, 83) hing in der Michaeliskirche zu
Staffelsee über dem Altare eine Krone von vergoldetem Silber, 2 Pfund
schwer, in deren Mitte auf einer Krystallkugel ein Kreuz aus vergoldetem
Kupfer glänzte, und fflnfunddreissig bunte Perlschnüre umgaben die
Otte, Kunit-Archiologie. S
114 Altarkreuze.
Krone im Kreise. — Von der AufsteUung eines Kreuzes auf dem wage-
reehten Retabulum sind bei Laib und Schwarz a. a. O. Taf. III. 9,
VI. 4, IX. 7 Beispiele aus Frankreich gegeben. Die Aufstellung eines
Crucifixes auf dem Altartische selbst erscheint schon auf der Abbildung
zweier Ciborienaltare aus dem letzten Viertel des XII. Jahrh. (de Cau-
mont, Ab^o^daire etc. 4. 6d. i, 246 sq.) und beweist durch Vergleichung
mit den oben angefahrten , zum Theil gleichzeitigen und späteren Bei-
spielen von Kreuzen auf dem Ciborium und auf dem Retabulum, dass
eine chronologische Sonderung dieser verschiedenen Aufstellungsarten
nicht streng durchgeführt werden kann ; doch wird man annehmen dürfen,
dass mindestens seit dem XIII. Jahrh. das Crucifix allgemein seine SteUe
auf der Mensa erhielt. ^) — Von den Altarkreuzen sind zwar die Reli-
quien- und Vortragekreuze zu unterscheiden, fallen jedoch mit diesen oft
insofern in dieselbe Klasse, als man Reliquien- und Vortragekreuze auch
als Altarkreuze zu gebrauchen pflegte, indem man letztere von der Stange
herabnahm und mit der unten daran befindlichen Spitze in ein Postament
steckte. ') So ruht das wohl vom Anfange des XI. Jahrh. stammende
Lotharkreuz im Schatze des Münsters zu Aachen zwar jetzt auf einem
spätgothischen Fusse, war aber ursprünglich wohl ein Processionskreuz,
und ebenso verhält es sich mit einem Prachtkreuze in St. Mauritz zu
Münster vom Ende des XI. Jahrh. , welches jetzt auf einem gothischen
X3ntersatze befestigt ist. 'j Beide Kreuze sind, wie dies in der romanischen
Epoche gebräuchlich war, und wie vier Prachtkreuze aus dem X. u. XL
Jahrh. im Stiftschatze zu Essen (s.S. 117 Fig. 44) auf uns gekommen sind,
aus Holz, mit Goldblech in getriebener Arbeit bekleidet , mit Edelsteinen
und Emails geschmückt. Anderweitig begnügte man sich mit vergoldeten
Platten unedlen Metalls , und besonders kommen in Westfalen Crucifixe
aus Kupfer vor, die einen sehr alterthümlichen Charakter haben: im
Bischöflichen Museum zu Münster (mehrere) , in der Kirche zu Brilon etc.
Silberne Crucifixe romanischer Zeit in der evangel. Stiftskirche zu Her-
ford, ein messingenes in der Kirche zu Attendorn. Alle diese Kreuze
sind auf der Rückseite mit gravirten DarsteUungen verziert. — Höchst
merkwürdig ist ein grosses (restaurirtes) Crucifix aus Elfenbein (19Vt Pfd.
schwer) im Dom zu Bamberg , der mehrhundertjährigen Tradition zufolge
ein Geschenk K. Heinrich' s II. Die Kunstkammer im N. Museum zu
Berlin besitzt eine ganze Sammlung älterer Crucifixe [Bildwerke aus Metall
1 ) D u r a n d i Rationale 1. 1 c. 3 n. 3 1 : »Inter duo candelahra crux in alian media
coilocatur.n — Als bei der Krönung K. Rudolfs I. 1 273 kein Scepter bei der Hand
war, ergriff er anstatt dessen das auf dem Altare stehende Kreuz. Vergl. aus'm
Weerth, Kunstdenkm. Abth. I. Bd. U. S. 132. — Dessenungeachtet fehlt das
Crucifix auf vielen Abbild, geschmückter Altftre aus dem späteren M. A. ; z. B. bei
Laib und Schwarz a. a. O. Taf. VIII. J. 2. 3. 5. 7. S.
2' Jakob, die Kunst im Dienste der Kirche S. 67.
3) Umgekehrt finden sich auch jQngere Kreuze auf älteren Füssen, z. B. ein
Fuss aus dem XII. Jahrh. aus dem Schatze von St. Michael zu Lüneburg in der Gold-
kammer zu Hannover (abgebildet bei Vogel 1, C. A., Kunstarbeiten aus Niedersach-
sens Vorzeit, Heft 1 ) und ein anderer aus dem XH. Jahrh. in der Kathol. Kirche zu
Basel (abgebildet in den Mittheil. der Gesellsch. für raterländ. Alterth. in Basel IX,
8. 9 , beide mit den Figuren der vier Evangelisten geschmückt.
Altarkreuze, 1 1 5
No. 1 — 11 u. 39) von 1 bis 2 F. Höhe, meist aus vergoldeter Bronze,
theils mit Reliefs, Medaillons und Emails, theils mit Steinen verziert ; die
Mehrzahl waren Vortragekreuze, einzelne von Altären (besonders No. 39,
mit Emailverzierungen am Fusse). — Auch im National -Museum zu
München finden sich mehrere Crucifixe dieser Art. — Aus gothischer
Zeit haben sich sehr viele Kreuze erhalten, welche zuverlässig bereits ur-
sprünglich zu Altarcrucifixen bestimmt waren , obgleich ein grosser Theil
derselben zugleich auch in die Kategorie der Reliquienkreuze fSHi: sie
sind aus edlem oder gemeinem Metall, aus Elfenbein, am häufigsten aber
aus bemaltem Holz verfertigt. Als eines der mustergiltigsten und schön-
sten frühgothischen Beispiele kann das von K. Ottocar von BObmm
fi 127S) herstammende, als Altarkreuz behandelte Reliquienkreuz im
Domschatze zu Regensburg angeführt werden. *) Der bewegliche Ober-
theil desselben (das eigentliche Kreuz) soll von gediegenem Golde sein
und ist auf der Vorderseite mit vielen böhmischen Steinen, auf der Rück-
seite mit der Kreuzigung in Niello verziert ; das Fussgestell ist von vergol-
detem Silber und war ehedem mit Emails geschmückt. Nicht viel jünger
dürfte das aus Bergkrystallstücken zusammengesetzte und in vergoldetes
Silber gefasste, 2*/« F. hohe Altar- (und Processions-) Kreuz sein, welches
aus der grösseren Sammlung des Fürsten von HohenzoDem- Sigmaringen
im Erzbischöfi. Museum zu Cöln befindlich war (Catalog von 1855 No.
269). Ein Crucifix in Gestalt einer Lilie aus dem XV. Jahrh. ist aus dem
Basler Domschatze in die Kunstkammer zu Berlin gekommen (Bildwerke
aus Metall No. 122).
Ausser den zum Schmucke des Altars selbst verwendeten Kreuzen
kam es im früheren Mittelalter auch vor, dass man vor dem Altare ein
grösseres monumentales Prachtkreuz frei aufstellte. So stiftete Leo III.
,795 — 816) in St. Peter zu Rom ein Crucifix vom reinsten Silber, 72
Pfund schwer , welches mitten in der Kirche stand , und einen anderen
Crucifixus von bewundernswerther Grösse, ebenfalls von Silber und 52
Pfund schwer, Hess er vor dem Hochaltar aufsteDen. *) Von dieser Art
dürfte das Kreuz gewesen sein , welches der Dom zu Mainz besass , und
welches Benna ') genannt wurde Es war aus Holz und ganz mit Gold-
Ij Vgl. Bock, Fz., u. Jakob, G., die mittelalterl. KunBt in ihrer Anwendung
zu lituig. Zwecken. Regensb. (1S57; S. 14. No. 57, und die Abbild, bei Jakob, die
Kunst im Dienste der Kirche Taf. IX. 10.
2, Nach dem Lib. pontif. des Anastasius bei Laib u. Seh war z a. a. O, S. 33.
3) Der Name Benna (als Abkürzung von Beranharda, wie Benno von Beranhard ?
vgl. Wackernagel im Wörterb. zu seinem Lesebuche s. v. Bennunhovin) könnte
die Donatrix bezeichnen. Davon, dass Kreuze und andere Prachtgerftthe der Kirchen
mit Eigennamen belegt wurden , finden sich mehrere wenn auch spätere Beispiele.
Im 'Inventariiun der Georgskapelle zu Windsor kommt vor eine » crux nobiUt^ vocata
O ouehn (vgl. Pugin, Glossary p. S4 ; Laib u. Schwarz a. a. G. S. 61), und das
Würzburger Heiligthumsbuch von 14H3 führt an das Kreuz Meybronn und das gar
reich gezackte Kreuz Garn ah er, ausserdem Beliquienmonstranzen unter den Namen
Bybelrieth, Montater und Infuli, während andere nur mit Nummern oder
nach Ausseren Merkmalen oder mit dem Beisatze des Donators bezeichnet sind. (Vgl.
Niedermayer, And. , Kunstgesch. der Stadt Wirzburg S. 240 f.) Es ist wohl un-
zweifelhaft, dass das Bedürfniss, die verschiedenen Exemplare, die von derselben
Gattung in einem Kirchenschatze vorhanden waren, mit Leichtigkeit von einander
8»
116 Ornamentale und historische Kreuze.
blech überzogen. Das daran befestigte Christusbild von übermenschlicher
Grösse war aus dem reinsten Golde gearbeitet und konnte gliedweise aus-
einander genommen werden ; der Leib war hohl und mit Edelsteinen und
Reliquien gefüllt ; in den Augenhöhlen glänzten zwei Kar^nkel von £i-
dottergrösse. Dieses Kreuz wurde nur selten, bei besonders feierlichen
Veranlassungen aufgestellt, und zwar in der Höhe auf einem Balken,
• wohin kein Fremder gelangen konnte ; für gewöhnlich lag der Crucifixus
auseinandergenommen in einem dazu bestimmten besonderen Kasten
(arca). Erzbischof Rudolf nahm 1160 einen Arm davon zur Bestreitung
der Reisekosten mit nach Rom und starb unterwegs. Das Gewicht des
Ganzen wurde in einer Inschrift auf nicht weniger als 600 Pfund an
reinem Golde angegeben. ')
Anmerkung. Die zum Schmucke des Altars (wie die zum Vortragen
bei Processionen und zu Reliquienbehältem) bestimmten Kreuze sind regel-
mässig von der sogen, lateinischen Form (7) und entweder ornamentale
oder historische, d. h. sie zerfallen in Beziehung auf die Art der Be-
handlung in zwei wesentlich von einander verschiedene Klassen, je nachdem
sie entweder im Anschlüsse an die altchristlicbe Sitte nur als Darstellung des
Kreuzeszeichens erscheinen , oder den geschichtlichen Act der Kreuzigung
selbst zur Anschauung bringen. Erstere, die in älterer Zeit die häufigsten
waren, haben einen lediglich omamentalen Charakter, und das Bild des Ge-
kreuzigten fehlt entweder ganz oder nimmt, wenn es ja vorkommt, eine
durchaus untergeordnete Stellung ein, z. B. als kleine Emaillirung auf dem
Kreuzfelde , oder (wie auf dem Lothariuskreuze zu Aachen und auf dem
Regensburger Ottocarkreuze) nur auf der Rückseite , wo jedoch sonst das
Symbol des Gotteslammes die regelmässig das Mittelfeld einnehmende An-
deutung des Kreuzestodes Christi zu sein pflegt. Die zweite Klasse ist die
der eigentlichen Crucifixe, an denen die Figur des Gekreuzigten als die
Hauptsache erscheint, und deren Vorkommen bis jetzt erst «seit der Zeit
Karl's des Grossen nachgewiesen ist. Vergl. Laib und Schwarz, Stu-
dien etc. S. 33. Das Kreuz behält indess auch hier gern den omamentalen
Charakter insofern bei , als die äussersten Enden desselben in älterer Zeit
(X — Xn. Jahrh.) in breitere Ansätze (vgl. Fig. 44), später in die Kleeblatt-
form auslaufen und regelmässig mit den Evangelist«nzeichen geschmückt
sind. — Das Nähere über die Art und Weise, wie sich die Bildung des
Kreuzes und des Crucifixus im Laufe der Zeiten verschiedentlich gestaltet
hat, gehört in die Ikonographie (s. unten Abschn. HL C).
Ein anziehendes Beispiel von der Umgestaltung eines omamentalen in
ein historisches Kreuz ^) bietet ein der Kirche St. Maria-Lyskirchen zu Cöln
unterscheiden zu können, zu dergleichen Xamengebungen geführt hat , die wohl am
häufigsten von dem Namen des Donators, Verfertigers oder Ursprungsortes (wie Mey-
bronn und Bybelrieth) , oder (wie der Name Oamaher : gamahin «s Camee ; rergl.
O t te, Wörterbuch etc. S. 250) von bestimmten auffälligen Merkmalen hergenommen
wurden.
1 ) Vgl. Cbron. i'etus rer. Moguut. autore Conrad! ep. aus der Mitte des XIII.
Jahrh., bei Urstisius, Chr., Qennan. historicor. Ulustr. 1,56b lin. 46 sqq. et p. 572
1. 25 sqq.
2; Abbüd. bei Bock, Fz., das heilige Köln Taf. XXXVL 104.
Altarleuchter.
117
gehöriges, im Erzbischöfl. Museum daselbst (Catalog von 1855 No. 21)
befindliches Crucifix dar : die aus Silber getriebene Christusfigur nach dem
h^:i\t.:-z}i:-^^-
Fig. 44. Goldenes Vortragekretix vom Ende des X. Jahrh. im Stiftschat/e
zu Esten (nach aus^m Weerth).
älteren Typus ist hier ohne Rücksicht auf die dadurch zum Theil verdeckten
Gravirungen des aus Kupferblech gearbeiteten, dem XII. Jahrh. angehörigen
Kreuzes auf letzterem befestigt.
36. Das Alter der Sitte, auf den Altären neben dem Kreuze zwei
Leuchter aufzustellen, lässt sich zwar nicht näher bestimmen , doch
kommen die Altarleuchter mindestens seit dem XII. Jahrhundert
sicher vor und erscheinen im XIII. Jahrhundert allgemein eingeführt,
neben den in früherer Zeit anscheinend allein üblichen, vor dem
] I g Altarleuchter.
Altare aufgehängten Lichtkronen und grossen Standleuchtern ^ die
wenigstens in einzelnen Kirchen beibehalten wurden. *)
Nachweislich pflegte man bereits zu Anfang des IV. Jahrb. bei der
Abendmahlsfeier und bei den Gräbern der Märtyrer auch am Tage Lichter
{luminaria) anzuzünden, nnon utique ad fugandas ienebrcu, sed ad signum
laetiiiae demonstrandum a ^) y und das Verbot der Synode zu Elvira im
J. 305 (c. 37) konnte dagegen ebenso wenig ausrichten, als die Einwürfe
des Lactantius ') und des spanischen Priesters Vigilantius *) , welche die
Anzündung von Lichtem und die Masse von Kerzen am heUen Tage für
sinnlos und heidnisch erklärten , so dass es bald allgemeiner Gebrauch
wurde , nie ohne Licht das heil. Abendmahl zu feiern : zum Bilde jenes
Lichtes, dessen Sacrament die Kirche spendete. Im V. Jahrh. schildert
Paulinus von Nola die glänzende Erleuchtung der Altäre durch Leuch-
ter, die von der Decke herabhingen und mit bemalten Kerzen besteckt
waren. *) Im VI. Jahrh. wird Bischof Agericus von Verdun als Erfinder
einer künstlichen Erleuchtung gerühmt *) , und der Bibliothekar Ana-
stasius führt unzählige Male unter den Geschenken der Päpste, seit Syl-
vester (313 — 334), phari, pAaricant/iari xxad coronae^), eherne und sil-
berne Hängeleuchter an, auf denen theils Lampen, theils Kerzen gebrannt
wurden. Der bedeutendste P/iarus wurde von Hadrian I. (772 — 795) in
die Peterskirche gestiftet: er hatte Kreuzform und hing mit seinen 1370
Kerzen [candelae) vor dem Presbyterium. Eine kleine Krone (regnum)
.Hess der folgende Papst Leo III. über dem Altar einer Kapelle in der
Basilika St. Andreas aufhängen : sie war von Gold , mit Edelsteinen be-
setzt und wog 2 Pfund und 3 Unzen. Minder häufig kommen Stand-
leuchter {candelabra, cereostati, Lichtstöcke, LichtstOcklein) vor; doch
schenkte schon Sylvester mit Silber eingelegte eherne Candelaber, die
10 F. hoch waren, 30 Pfund wogen und vor den Altären standen, und
Hormisdas (7 523) opferte dem heil. Petrus zwei 70 Pfund schwere
silberne Leuchter. ^) Unter den Lichtträgem dieser Art sind besonders
hervorzuheben die siebenarmigen Leuchter, nach dem Muster des im
Tempel zu Jerusalem befindlich gewesenen , den Kömem als Beute zuge-
fallenen Candelabers, wie solcher an dem Triumphbogen des Titus er-
scheint und schon auf Glasgefässen aus den römischen Katakomben
nachgeahmt vorkommt. ®) Andere vielarmige Leuchter (arbores) sind
baumartig gestaltet, indem die zwar sämmtlich parallelen Lichtarme nach
\] Ueber Leuchter : Martin et Cahier in den M^langes d'arch^ol. 3, 1 und
Springer, Ant., in den Mittheil, der k. k. Central-Commiss. etc. (1860) 5, 309.
2) Hieronymus adv. Vigil. c. 7.
3) Lactantius de vero cultu 1. 6 c. 2, 4) Hieron. 1. c. c. 2.
5) n Clara corofiantnr densis altaria lychnis«. Paulin. Kol. poem. 14 v. 99;
cf. 22 t. 124; 26 y. 389.
6) Venant. Fortun. carm. 3, 30; vgl. Rettberg, Kirchengesch. Deutsch-
lands 1, 527.
7) Vgl. die BelegsteUen aus Anastasius bei Laib und Schwarz, Studien etc.
S. 40 ff. u. 63.
S) Spr inger a. a. O. S. 315. — Vgl. Munter, Sinnbilder u. Kunstvorstel-
lungen etc. I. No. 2 1 .
Leuchter. 119
der Mitte zu einander übersteigen und nicht wie an dem Jerusalemischen
Muster oben in wagerechter Linie abschliessen. Die Stelle dieser Arm-
leuchter war vor dem Altare, und die sieben Arme wurden auf die sieben
Cardinaltugenden bezogen. *) Ein ausgezeichneter Lichtträger war auch
die am Ambo (s. unten § 49} stehende Säule, welche die Osterkerze
trug '), wie solche in italienischen Basiliken noch in grosser Menge imd
Schönheit vorkommen. Ausser diesen sich an antike Vorbilder schliessen-
den Candelabem werden noch andere Vorrichtungen erwähnt, die vor den
Altären eine ganze Reihe von Kerzen trugen, und aus deren verschiedenen
Namen (in VIII. u. IX. Jahrh. bei Anastasius) per^ulae s^ S^eMere ^) ,
1 198 in Paris herciae =s Egg^n ^), im XIV. Jahrh. in Frankreich rastelia^s
Rechen ^)) man sich ungeföhr eine Vorstellung von ihrer Form machen
kann. Zu dieser Gattung gehört auch die Aercia ad ienebras, der dreieckige
Teneberleuchter mit seinen dreizehn oder fünfzehn Kerzen. *) — Im
Deutschen kommt für grosse, viele Kerzen tragende Standleuchter im
XV. Jahrh. die Benennung v> Kerzstall n vor. '') — Das älteste bekannte
Beispiel der später gewöhnlichen und vorschriftsmässigen auf der Mensa
stehenden Altarleuchter giebt die Abbildung eines mit zwei Leuchtern
besetzten Altars auf dem Reliquienkasten des heil. Calminius zu Mauzac
in der Auvergne aus dem letzten Drittel des XII. Jahrhunderts. ^) Be-
merkenswerth ist, dass auf den zahlreichen Abbildungen von Altären aus
dem Spätmittelalter stets nie mehr als zwei Leuchter vorkommen, wie
dies auch mit der Angabe des Durandus (s. oben S. 1 14 Note 1) völlig
übereinstimmt. — Wie die Altarleuchter kommen auch die sogen. Ako-
luthenleuchter stets paarweise vor, welche dem Messpriester von Ministran-
ten vorgetragen und nach der Ankunft am Altare auf den Fussboden
gestellt zu werden pflegen. *)
Aus der romanischen Periode haben sich in manchen Gegenden nur
wenige Lichtträger erhalten, was insofern auffällt, als die Leuchter der
deutschen Kirchen äusserst selten aus edlen Metallen angefertigt wurden
1) Nach der auf dem ehemals zu Cluny befindlichen siehenarmigen Leuchter
angebrachten Insclirift :
» De quo aeptenae sacro spiramine plenae
Virtutea manant, et in omnibue omnia donant.«
Vgl. Texier, Dictionnaire d'orf^rerie (Paris 1857) p. 328.
2) Durandi Rationale 1. 6 c. 80 n. 4 : »Cereua super eolumnam illuminatus,ti
3} Laib und Schwarz a. a. O. S. 63.
4) deLaborde, Notiee des dmaux etc. du mus^e du Louvre (Paris 1853) 2, 340.
5) Laib und Schwarz ebd.
6) Otte, Wörterbuch S. 124; vgl. die Abbild, des eisernen Teneberleuchters
(XV. Jahrh.) im Osnabrücker Dom bei Gailhabaud, die Baukunst Bd. 3 Taf. 24.
7) Kaiser Sigismiuid kaufte in Constanz von einem Meister aus Nümherg einen
9 Kerzstall a aus Messing für 1100 Goldgulden und schenkte ihn an den König von
Engleuid. Der Meister hatte für die treffliche Arbeit 2000 Gulden gefordert. Vergl.
Ulrich von Reichenthaler, Constanzer Concil. Fol. 28 b.
8) Texier a. a.D. p. 977; vgl. auch die bereits oben S. 114 aus de Caumont,
Ab^cödaire angeführte Abbild, eines Altars von einem anderen gleichzeitigen Reli-
qiuarium desselben Helligen in Riom , wo mitten auf der Mensa der Kelch , auf der
Evangelienseite das Kreuz und auf der Epistelseite ein Leuchter steht.
9) Durandi Rationale 1. 4 c. 6 n. 7.
120 Kronleuchter.
und deshalb die Habsucht nicht eben reizen konnten ; es kann daher nur
veränderte Geschmacksrichtung zur Verwerfung und Eins'chmelzung der als
unbrauchbar beseitigten älteren Inventarienstücke dieser Gattung geführt
haben^ wenn man nicht annehmen will, dass etwa ausser Bronze, Messing
und Eisen schon frühzeitig das vergängliche Holz zu Lichtgestellen ver-
wendet worden sei . Romanische Krön- oder Radleuchter [coronae,
rotae) , von welchen Frankreich kein einziges Exemplar mehr aufzuweisen
hat y sind in Deutschland bis jetzt vier nachgewiesen : zwei im Dom zu
Fig. 4%. Kronleuchter im Dom zu Hildethcim.
Hildesheim, ein grösserer , etwa 60 F. im Umfange, zu 72 Kerzen, und
ein um die Hälfte kleinerer *), zu 36 Kerzen, beide aus der Zeit Bischof
Acelins (1044 — 1054) und mehrfach restaurirt, der (in Folge eines im
J. 1848 erlittenen Unfalls schön hergestellte) Leuchter in der Kloster-
kirche zu Comburg aus der Mitte des XH. Jahrh. und der im Münster zu
Aachen*;, ein Geschenk K. Friedrichs Barbarossa, von 13 F. Durch-
messer zu 48 Lichten. Diese Kronen (wie auch eine nicht mehr vorhan-
dene im Dom zu Speier vom J. 1038) sind alle aus Eisen, vergoldetem
Kupferblech und Silber nach wesentlich gleichem Typus gearbeitet und
versinnbildlichen nach den auf ihnen befindlichen ausführlichen hexametri-
schen Inschriften das himmlische Jerusalem, das droben ist (Gal. 4, 26),
auf Grund der in der Apokalypse (21, 10 — 25) davon gegebenen Be-
schreibung. Der in Hildesheim und Comburg einfach runde , in Aachen
1) Abbild, bei Kratz, J. Mich., der Dom zu Hildesheim Thl. 2 Taf. S Fig. 2,
wonach der obige Holzschnitt.
2) Abbild, bei Cahier u. Martin a. a. O. und bei auB*m Weerth, Denkm.
L Abth. Bd. n. Taf. XXXV zu S, 98 ff. ; Details auch beiSchnaase, Gesch. der
bild. Künste 5, 7 88.
Kronleuchter.
121
mit Rücksicht auf das Oetogon des Münsters aus acht gleich grossen
Kreisabschnitten gebildete Reifen (cant/ius) mit den Lichttellern auf dem
Kamme bezeichnet die Mauer der Gottesstadt mit ihren 12, als offene
latemenartige Thürmchen dargestellten Thoren, denen in Aachen, die vier
Ecken der Stadt bezeichnend, noch vier grössere, und in Mildesheim noch
1 2 kleinere hinzukommen, in welchen sich silberne Statuetten der Apostel
und Propheten befanden. Ob die durchbrochen gearbeiteten Thürme
ebenfalls zu einer Beleuchtung durch hineingestellte Lampen bestimmt
waren, ist zwar wahrscheinlich, aber nicht erwiesen. Die schönen gra-
virten Details an den Kronen zu Comburg und Aachen können leider von
unten nicht erkannt, und die Inschriften nicht gelesen werden. — Ein
ausgezeichneter gothischer Radleuchter von c. 9 F. D. mit der Inschrift
»Gert Bulsmck 1489« (jüngst restaurirt) in der Pfarrkirche zu Vreden er-
Tig, 46. Muttergottesleuchter in der Kirche zu Kempen (nach ausbin Wcerth).
1 22 Standleuchter aus Stein.
innert durch seine Thünne und seine Apostelstatuen noch an den alten
Typus ') : es ist ein aus Eisen geschmiedeter sechsseitiger Doppelreifen
mit einem aus Holz geschnitzten Marienbilde unter einem Baldachin in der
Mitte. Durch das Marienbild in der Mitte charakterisirt sich diese Krone
als ein sogen. Muttergottesleuchter, deren sich noch mehrere aus
dem XV. und XVI. Jahrh. anführen lassen (in Kempen *), Calcar •), Er-
kelenz 1517 ^) , Ratzeburg ^)), die einander darin gleichen , dass sich von
einem, insgemein sechseckigen hölzernen Mittelstück rings herum die aus
Eisen geschmiedeten, mit Blattwerk besetzten Lichtarme herabschwin-
gen, und dass eine geschnitzte und bemalte Statue der Maria sich über
dem Lichtkranze erhebt. Die Krone in Kempen ist 11 F. hoch und hat
7 F. im Durchmesser. Das reizende Motiv der die Leuchter haltenden
geschnitzten Engelstatuetten wiederholt sich auch bei gothischen Stand-
leuchtem. — Uebereinstimmend in der Technik ist auch der grosse, eine
ganz mit geschmiedetem und vergoldetem Laubwerk bedeckte Kuppel
bildende spätgothische Kronleuchter im Dom zu Merseburg , mit den be-
malten Schnitzbildem der beiden Bisthums-Patrone in der Mitte. Auch
in den Domen zu Brandenburg und Magdeburg finden sich Lichterkrohen
aus Schmiedeeisen. — Ausser solchen aus Holz und Eisen gebildeten
kommen au€h aus Bronze oder Messing gegossene gothische Kronleuchter
vor ohne figürlichen Schmuck aus einer Vereinigung von stilgemftssen
architektonischen und vegetabilischen Elementen zusammengesetzt und
mit einer Doppelreihe von Lichthaltem versehen. Ein ausgezeichnetes
Werk dieser Art ist der dem XIV. oder XV. Jahrh. entstammende, aus
69 einzelnen Stücken bestehende Bronzeleuchter in der Klosterkirche zu
Seckau *) ; der sechseckige Kern endet nach unten consolenartig (en cul-
de-lampe) und steigt oben in einen mit Strebepfeilem und Fialen besetzten
und mit einer Kreuzblume gekrönten Thurm auf; die Mitte bildet ein
durchbrochener Kranz, dessen gezinnter Kamm noch an das alte Motiv
der Stadtmauer erinnert. Besonders anmuthig ist die Schwingung der mit
Eichenlaub besetzten Lichtarme, aus deren oberen Blattknospen und
Fruchtkelchen die Kerzenhalter hervorstehen. Verwandte Arbeiten sind
die Messingkronleuchter in der kathol. Kirche zu Dortmund, im Dom zu
Münster und in der Kirche zu ^Fröndenberg , wo jedoch dem Maasswerk-
und Blätterschmuck kleine gegossene Figürchen hinzutreten. — Im Dom
zu Lübeck ein aus Kupfer geschmiedeter, bemalter Kronleuchter. ^)
Grosse Standleuchter aus Stein erscheinen als besondere Selten-
heit. Sie zeigen den Typus der antiken Candelaber : säulenartig mit einem
mittleren Knauf am Schafte und mit einem den Stachel zur Aufnahme
i) Nach einer Mittheilung des Herrn Ferd. v. Quast befindet sich auch in der
Marienkirche zu Halberstadt ein Radleuchter.
2) Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. XXH. 5.
3) Abbüd. ebd. Bd. L Taf. XVI. 1.
4) Vgl. Organ für christl. Kunst 1861 S. 227.
5} Abbild, bei Statz imd Ungewitter, Goth. Musterbuch Taf. 216.
6) Abbild, von Heisse in den Mittheil, der k. k. Centralcommission etc. (1859)
4, 139.
7) Abbild, bei Statz und Ungewitter a. a. O. Taf. 60.
Standleuchter aus Stein.
123
einer grossen Kerze tragenden vasenartigen Capital. Das älteste bekannte
romanische Beispiel ist die sogen. Irmensäule vor dem Kreuzaltare des
Doms zu Hildesheim ') : auf einem gegliederten Steinsockel ruht eine
attische Basis aus Metall, welche den aus zwei durch einen ebenfalls
Fig. 47. Kronleuchter in der Klosterkirche xu Seckau (nach Heiase).^
metallenen Knauf verbundenen Stücken bestehenden Schaft von braun-
röthlichem Kalksinter trägt , der oben mit einem metallenen Kelche über
einem ebensolchen Schaftringe gekrönt ist. Statt des ehemaligen Kerzen-
stachels befindet sich seit dem vorigen Jahrh. ein silbernes Marienbild
als Muttergottesleuchter oben auf der (ohne den Sockel etwa 8 F. hohen)
Säule, deren ursprüngliche Bestimmung als Lichtträger diurch eine aus
drei Hexametern bestehende Inschrift erwiesen wird. — Diesem früh-
romanischen schliesst sich ein spätromanischer Sandstein - Candelaber an,
welcher sich in einem Nebenraume der Stiftskirche zu Königslutter er-
halten hat. ') Der eigentliche Kerzenstock zeigt ganz dasselbe Muster,
Bl.
1) Abbild, bei Kratz a. a. O. Taf. 7 Fig. 2 zu S. 91 ff.
2] Abbild, bei (Hase), die mittelalterl. Baudenkm. Niedersachsens Heft 2.
12 Fig. 2u. 3.
124 Standleuchter aus Metall.
nur daM Schaft iind Knäufe gewunden und theilweise mit Perlen belegt
sind; h(k}h&t originell dagegen ist der auf einer runden Grundplatte
ruhende Sockel behandelt, welcher ein kreuzförmiges Häuschen darstellt,
das sich auf den vier Qiebelfronten in iCleeblattnischen öffnet und oben
dachziegelartig abgedeckt erscheint. Die Höhe der ganzen Lichtsäule
beträgt gegen 5 F. , und der fast 1 F. hohe Stachel lässt auf die Grösse
der Kerze schliessen, welche zu tragen dieser Leuchter bestimmt war. —
Dass eine in der Vorhalle des Doms zu Merseburg aufgestellte (jetzt ein
St. Agnes -Bild tragende) romanische (bei Puttrich, Denkm. II. Serie
Merseb. Bl. 5. s. abgebildete) Säule zu einem Osterleuchter gehört habe,
ist lediglich eine Vermuthung des Herausgebers. — Gothische Stein-
leuchter aus der Zeit um 1400 finden sich drei ^) an der zum Sanctuarium
des Doms zu Havelberg hinauffahrenden Stufe angestellt, zwischen
denen, ersichtlichen Spuren zufolge, sich ehemals eine Steinbrüstung
hinzog, welche den Altarraum von dem übrigen Chore absonderte. Der
mittlere Leuchter ist 6'/4 F. hoch, von der Gestalt eines gothischen
Thtlrmchens , aus dessen im Sechseck aufgestellten Strebepfeilergruppen,
mit letzteren durch Bogenstreben verbunden , der cylinderförmige Licht-
träger aufsteigt und sich oben kelchartig ausbreitet. An den vier Ecken
der Grundplatte treten Löwenköpfe hervor, als Reminiscenz an die so-
gleich zu erwähnenden Bestienbildungen am Fusse romanischer Bronze-
leuchter. Die beiden seitwärts stehenden Leuchter sind etwa einen Fuss
niedriger un4 bestehen ganz einfach aus einer Säule mit lang gestrecktem
gothischen Blättercapit&l, gehalten von zwei jugendlichen männlichen Figu-
ren, die in sprechender Gebärdung dargestellt sind. — Einen ähnlichen,
etwas jüngeren, 7 F. hohen Steinleuchter bewahrt die Wallfahrtskirche
zu Wilsnack. *) Der cylindrische Körper ist mit vier Fialen umstellt, das
Blättercapitäl achteckig gebildet, und die verstümmelte Basis mit vier
hervorspringenden Löwen besetzt. Dieser isolirt stehende Leuchter trug
eine c. 16 F. lange achteckige Kerze von Holz, welche, nach oben sich
verjüngend, ganz mit kleinen hölzernen Pflöckchen bespickt ist, auf denen
die von den Pilgerscharen geopferten Kerzen aufgesteckt worden sein
sollen. — Andere Steincandelaber aus dem XV. Jahrh. in der Martins-
kirche zu Wesel ') , in der Johanneskirche zu Billerbeck , in der Wiesen-
kirche zu Soest ^) und zu Asbeck. — In Steinfüsse eingelassene, über 9 F.
hohe, spätgothische Lichthalter aus Schmiedeeisen befinden sich in St. Co-
lumba zu Cöln. *)
Häufiger als steinerne kommen metallene Leuchter , seltener grosse
als kleine , in Kirchen und Sammlungen vor , unter welchen besonders
die der romanischen Zeit angehörigen von archäologischem und Kunst-
Interesse sind. Der Lenchterfuss besteht aus einem drei-, seltener vier-
füssigen Ständer , dessen Ausgestaltung der animalischen Natur entlehnt
1; Abbild, von v. Quast in der Zeitschr. für chriBtl. Archflol. u. Kun»t 2, 2S6
Taf. 18. Fig. 1 -3.
2! Abbild, ebd. Fig. 4.
3^ Abbild, bei St atz u. Unge Witt er a. a. O. Taf. 139, 1.2.
4) Abbild, ebd. Taf. 114.
5) Abbüd. bei Bock, Fz., das heilige Köln Taf. XXI. 79.
Siebenarmige Leuchter. |{5
ist : geflügelte Drachen , Löwen und andere lichtscheue Bestien sind im
Kampfe mit einander oder mit nackten Menschengestalten dargestellt.
Auf dem Fusse ruht die , sich nach oben veijüngende , mit Knäufen be-
setzte, omamentirte Röhre, welche oben in die Lichtvase mit dem Kerzen-
stachel ausmündet. Bei den kleinsten, oft nur eine Spanne hohen Exem-
plaren fehlt die Röhre ganz , und nur ein Knauf verbindet den Fuss mit
dem Kelche, an welchem zuweilen eidechsenähnliche Thiere emporzüngeln.
Bei den vielarmigen Leuchtern, sind die Arme übereinstimmend mit dem
Schaft behandelt und wie dieser durch Knäufe gegliedert. — Die gotbi-
sehen Leuchter sind dagegen meist ganz einfache handwerkliche Gelb-
giesserarbeiten : der Fuss ist rund und profilirt, die Röhre in ebenmässigen
Abständen mit Ringen besetzt , von denen der mittelste am kräftigsten
hervortritt , die Schüssel zum Aufnehmen des Wachses ist breit und ge-
gliedert. Das einzige Ornament pflegt in der Durchbrechung des Fusses
mit Vierpässchen zu bestehen und etwa in der Zinnenkrönung des Schüs-
selchens, die noch an die Mauer des himmlischen Jerusalems erinnern
könnte (s. oben S. 121). Grössere Leuchter unterscheiden sich dadurch
von den kleineren , dass der Fuss zuweilen mit Löwen verziert , und der
Schaft mit einer grösseren Anzahl von Ringen versehen ist.
Siebenarmige Bronzeleuchter (S. 118] romanischen Stils sind
nachgewiesen : im Münster zu Essen (inschriftlich gestiftet von der Aeb-
tissin Mathilde, gest. um 1 003 ; ohne den Marmorsockel 8 F. 2 Z. hoch :
auf den vier Ecken des Fusses die [verstümmelten] Statuetten der vier
Winde) ^) , im Dom zu Braunschweig (urkundlich als vorhanden erwähnt
1223, traditionell Geschenk Heinrichs des Löwen, gest. 1195; 14*/, F.
hoch, 7 Centner schwer und aus 7 l einzelnen Stücken bestehend ; der reich
mit Drachen verzierte Fuss auf vier liegenden Löwen ruhend , das Uebrige
einfach ; die Arme nach der Mitte zu kaum merklich anwachsend) ^) , in
St. Gangolf zu Bamberg (dem Essener Leuchter angeblich verwandt) ^),
in der Bustorfkirche zu Paderborn (Messingguss, angeblich aus dem Xu.
Jahrh. ; am Fusse Hirsche und andere Thierfiguren; rohe Ornamente) *),
zu Klostemeuburg (gegen 13*/, F. hoch; das Fussges teil fehlt; die Arme
deutlich baumartig angeordnet ; reich verziert) *) und im Dom zu Prag
der ungemein reich mit kämpfenden Bestien und römisch costümirten
männlichen Figuren geschmückte Fuss eines nicht mehr vorhandenen
Candelabers. •) — Siebenarmige Leuchter aus gothischer Zeit und meist
weniger bedeutend finden sich vor in der Marienkirche zu Colberg
(gegossen von Johannes Apenghetere 1327; 12 F. hoch; Sockel
1) Abbüd. bei aus'm Weert h a. a. O. Bd. U. Taf. 28; 8. umstehend Pig. 48.
2) Abbild, bei Görges, Beschreib, vom St. Blasius-Dom zu Braunschw. Taf. 3
und bei K alle nb ach, Album etc. 2, 6.
3) Vgl. Weiss, C. , in den Mittheil, der k. k. Centralconunission etc. (1S61)
6,331.
4) Vgl. Lübke, die mittelalterl. Kunst in Westfalen B. 421; Abbild, bei
Statsnnd Ungewitter, a. a. O. Taf. 194, 1 -6.
5} Weiss a. a. O. S. 332ff.
6) Abbild, bei C. Weiss in den mittelalterl. Kunstdenkm. des Österreich. Kai&er-
staates etc. Taf. XXXV zu 1, 197.
126
Siebenarmige Leuchter.
aus drei Löwen bestehend, darüber drei Hundsköpfe; am Schaft die
Apostel ; von den Armen zwei aus Holz hergestellt) *) , in der Marien-
kirche zu Frankfurt a. d. O. (angeblich von 1376; 13 F. hoch; derFuss
Fig. 48. SiebenaiTOiger Leuchter zu Essen (naeh aus^m Weerth).!
besteht aus vier Adlern mit ausgebreiteten Flügel^, darüber Weinlaub-
gewinde; die Knäufe des mit biblischen Scenen unter Spitzbögen ver-
zierten Schaftes sind aus Weinblättern gebildet ; an den Armen heraldische
1) Vgl. Kugler, F«., Kl. Schriften 1, 784.
Altarleucbter.
127
Adler und Helme; restaurirt) ') , in der Augustinerkirche zu Brunn
(lOy« F. hoch und ganz einfach; am runden Fusse drei Löwenköpfe,
sonst am Schafte und an den in wagerechter Linie seh liessenden , unter
sich maasswerkartig verbundenen Armen nur profilirte Knftufe) ^) , im
Dome zu Magdeburg (von 1494 ; 6% F. hoch und ganz einfach nur mit
Knäufen verziert ; die Arme übersteigen einander und sind paarweise mit
etwas schräg ansteigenden Bändern verbunden ; der profilirte runde Fuss
steht auf einem 2y, F. hohen antiken Säulenfragmente aus Marmor). ') —
Ein fün farmiger Messingleuchter aus dem XV. Jahrh. , 5 F. hoch,
in Form eines Baumes mit abgestutzten Aesten und mit der Figur eines
Cruciiixus (also wohl mit Beziehung auf die fünf Wunden) befindet sich
Fig. 49. Romanischer Altarleuehtcr in Klotterau
(nach Sighart).
Fig. 50. Gothitcher Altarieuchter
aus Regensburg (nach Jakob).
in St. Cunibert zu Cöln *) , ein anderer von 1475 (über 9 F. h.) in der
Jacobskirche zu Perleberg, ein dreiarmiger (etwa 9 F. h.) aus dem
XVI. Jahrh. im Dome zu Xanten ") , andere dreiarmige im Dome und in
der Liebfirauenkirche zu Halberstadt.
I) Vgl. S piek er, Chr. W., Beschreib, u. Gesch. der Marien- oder Oberkirche
zu Frankfurt a. d. O. S. 59 ff.
2; Abbild, in den Mittheil, der k. k. Centralcommission etc. (1862; 7, 20.
:j; Nachzutragen ist der 5 F. 5 Z. hohe siebenarmige Leuchter in der Nicolai-
kirche zu Mölln bei Ratzeburg vom J. 1436, abgebild. in den Jahrbachem für die
Landeskunde von Schleswig etc. I. Fig. 2 a u. b.
4) Abbild, bei Bock, Fz., das heilige Köln Taf. XIV. 54.
5) Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Bd. I. Taf. XVni. 6.
128 Altorleuehter.
Von romanischen Altarleuchtern (wie die Akoluthenleuchter oft
noch paarweise erhalten; S. 119) finden sich (unter mehreren anderen) viel-
leicht die beiden grossesten, von 2yt F. Höhe, im Bischöfl. Museum zu
Münster *) , der kleinste (eine rohe Thiergestalt , die den Lichtteller auf
ihrem Rücken trägt) mit mehreren anderen im National-Museum zu Mün-
chen. ^) — Die ältesten Exemplare würden die beiden sogen. Thassilo-
leuchter in Kremsmünster') sein, wenn deren Alter (VIII. Jahrh.) nicht
bezweifelt würde. — Ausserdem nennen wir nach den vorliegenden Ab-
bildungen die Leuchter in der Magdalenenkirche zu Hildesheim (verfertigt
auf Geheiss Bischofs Bemward (f 1022) von einem seiner Schüler) ^), in
der Stiftskirche zu Fritzlar *) , in Klosterau am Inn •) , in der Jacobskirche
zu Stendal'), aus der Stiftskirche zu Wissel im Bischöfi. Museum zu
Münster ®y , zwei verschiedene im Jahre 1852 auf der mittelalterl. Aus-
stellung zu Crefeld befindlich gewesene *> und zwei ebenfalls verschiedene
aus deutschen Kirchen stammende Leuchter in Frankreich. *®j — Ange-
führt werden endlich noch romanische Leuchter von Jakob (Kunst im
Dienste der Kirche S. 91) in St. Aira zu Seligenthal bei Landshut, im
Schatze von St. Emmeram zu Regensburg (beschrieben von Bock \md
Jakob, die mittelalterl. Kunst etc. S. 72); von Sighart (Qesch. der
bild. Künste in Bayern 1, 193) in der Kapelle des Klosters Schejem,
im Museum zu Freising, in St. Moritz zu Augsburg; von Laib und
Schwarz (Studien etc. S. 63) in der Stiftskirche zu Comburg und im
Münster zu Ueberlingen; von Giefers (Prakt. Erfahrungen, die Erhal-
tung etc. der Kirchen betr. S. 67) drei kleine, kaum 4 Z. hohe im Dome
zu Minden; von Springer (a. a. O. S. 314) in der Gangolfskirche zu
Bamberg, ein Leuchterhiss in Göttweih und in Chur; im Catalog des
Erzbischöfl, Museums zu COln unter No. 59 u. 270. Für die schönsten
und grossartigsten Lichtträger in Deutschland erklärt Bock (das heil.
Köln. St. Columba S. 15) zweigrosse spätroman. Standleuchter im Dome
zu Bamberg. — Gothische Altarleuchter gewöhnlicher Art sind fast überall
häufig, wir beschränken uns daher auf Erwähnung der grossen Chor-
oder Sanctusleuchter, wie dergleichen paarweise vor dem Altar aufgestellt
zu werden pflegtdn und sich z. B. in St. Columba zu Cöln *') (7 F. hoch-,
und (nach Bocka.a.O.S. 15) auch in den Domen von Xanten, Münster
und Braunschweig, ein Paar frühgothische auch in der Magdalenenkirche
zu Hildesheim erhalten haben. Als abweichend von der gewöhnlichen
1) Vgl. Lübkea. a. O. S. 421.
2) Vgl. Mittheil, der k. k. Centralcommission etc. ,1801; 6, WA.
3] Abbild, ebd. (1S50) 4, 44; vgl. Springer ebd. JStiOj 5, 310.
4) Abbild, bei Kratz a. a. O. Taf. 4. Fig. 2.
5} Abbild, bei St atz u. Ungewitter a. a. O. Taf. 203, 1 — 5, u. ein anderer
in den Mittheil, der k. k. Centralcommission etc. :1S(»0; 5, 314. Fig. 6.
6) Abbild, bei Sighart, J., die mittelalterl. Kunst in der Erzdiöeese München-
Freising Taf. VII; vgl. S. 209 über einen anderen daselbst befindlichen Leuchter.
7} Abbild, bei Adler, F., Mittelalterl. Backsteinbauwerke etc. Heft IV. S. 04.
8) Abbild, bei aus'm Weerth a, a. O. Taf. X. b.
9) Abbild, im Organ fQr christl. Kunst ISb'-i. Artist. Beilage zu No. 7.
10} Abbild, in Didron, Annales archäol. 18, 10] und in den Mittheil, der k. k.
Centralcommission a. a. O. S. 313. Fig. 3. u. 4.
11) Abbild, bei Bock, das heU. Köln Taf. XXI. 81.
Ewige Lampen. 1 29
Art ist ein achteckiger , in den einfachen Formen des gothischen Stein-
haues gehaltener Leuchter in St. Afra zu Seligenstadt *) zu nennen, dem
sich zwei silheme vergoldete Altarleuchter vom Ende de» XIV. Jahrh.
im Münster zu Aachen insofern anschliessen , als hier der untere Theil
des Schaftes ebenfalls ein architektonisches Motiv befolgt, w&hrend die
sonstige Form sich der gewöhnlichen anreiht. ^) Endlich ist auf solche
Leuchter zu verweisen, die von Engeln gehalten werden und z. B. in
St. Sebald zu Nürnberg , in der Pfarrkirche zu Rottweil (aus Holz ge-
schnitzt), im Domschatze zu COln (in Silber getrieben) ') und in St. Mar-
tin daselbst (aus Holz geschnitzt und vergoldet) ^) vorkommen.
Als einzig in ihrer Art ist die prachtvolle 15 F. hohe Pergula
(s. oben S. 119) zu erwähnen, welche vor dem Altare des Doms zu Xanten
über die 30 F. betragende Breite des ganzen Chors geht , und aus drei
Arkaden besteht, von denen die mittlere 1 2, jede Seitenarkade 6 Leuchter
trägt; es ist ein Messingguss aus Maestricht vom Jahre 1501. ^) Dem
Ende des XV. Jahrh. gehören die Lichtrechen im Chor der Marienkapelie
zu Nürnberg an: rechts und links vom Hochaltare zieht sich längs der
Wand ein Balken hin, auf dem knieende Engel die Leuchter tragen. *)
Ein Kerzstall aus Eisen befindet sich in der Kirche zu Kiederich ^) ;
derselbe ist sechseckig und ruht auf vier Füssen.
Anmerkung 1. Obgleich im M. A. ausser den Kerzen auch Oel-
lampen im kirchlichen Gebrauche waren , und die Unterhaltung einer ewi-
gen Lampe vor der geweihten Hostie jetzt in der katholischen Kirche
allgemeine Sitte ist, so fällt es doch auf, dass Lampen aus dem M. A. an-
scheinend selten nachgewiesen sind; nur Jakob (die Kunst im Dienste der
Kirche S. 91) erwähnt eine Lampe {»o^ne besondere Schönheit a) in der
Kirche zu Usterling a. d. Isar, und Bergmann (Mittheil, der k. k. Cen-
tral-Commission etc. [1857] 2, 307) die ewigen Lichte in der Laurenzkirche
zu Lorch bei Ens und in der Kirche zu Freistadt in Oberösterreich, denen
sich die gothischen Chorlampen im Dom zu Lübeck ^j und in der Kirche zu
Haarbrück (Kr. Höxter) anreihen.
Anmerkung 2. Ausser den in näherem oder entfernterem Zusam-
menhange mit dem Apparat und Schmuck der Altäre stehenden Hänge-
und Standleuchtem bedurfte man bei nächtlichen Gottesdiensten , bei Exe-
quien, in Folge von Stiftungen vor Votivbüdem oder besonders gefeierten
1) Abbild, bei Jakob, die Kunst im Dienste der Kirche Taf. IX. 8.
2) Abbild, in den Mittheil, der k. k. Central- Commission etc. (18(j2) 7, 1 JG. —
Abbild, von gothischen Leuchtern in holsteinischen Kirchen bei Statz und Unge-
witter a. a. O. Taf. 203 u. 204. '
3) Abbild. bei.Bock a. a. O. Taf. X. 43; vgl. Domschätze S. 22.
4) Abbüd. ebd. Taf. XVI. 60. — Bei Laib und Schwarz, Studien etc. Taf.
XVI. ], findet sich die Abbild, eines grossen Lichtträgers des XVI. Jahrh. aus der
Kirche zu Schwerte bei Dortmund , ohne Angabe des Stoffes ; es ist eine gewundene
Sftule , auf deren polygonem Capital ein Engel steht , welcher den Leuchter in den
HAnden trfigt.
5) Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. XVm. 5.
6) Vgl. Laib und Schwarz a. a. O. S. 76.
7) Abbild, bei Statz und Ungewitter, Goth. Musterbuch Taf. 193, 3—7.
8) AbbUd. ebd. Taf. 59, 4.
0 1 1 e , KuDit-Arehftolofie. 9
130 Waiidleuchter. — Evangeliarien.
Reliquien u. s. w. noch anderweitiger Beleuchtung und bediente sich dazu
namentlich auch der Wandleuchter in Form beweglicher Arme, die,
insofern am Tage der Kirchweihe vor den zwölf Weihekreuzen der Kirche
Wandleuchter aufgehängt zu werden pflegten * ) , auch Apostelleuchter
genannt werden. Romanische Beispiele von solchen sind äusserst selten.
Sighart, die mittelalterl. Kunst in der Erzdiöccse München - Freising
S. 211, erwähnt im Chore der Kirche zu Fürstenfeld bei München zwei
romanische (Wand-) Armleuchter »mti zierlicher Darstellung des Kampfes
mit dem Drachens. Auch gothische aus Metall gegossene Wandleuchter (wie
in St. Cunibert zu Cöln^]) sind nicht eben häufig; spätgothische, aus Eisen
künstlich geschmiedet und polychromirt , kommen dagegen öfter vor ; wir
verweisen auf die Abbildungen zweier Wandleuchter im Rathhausthurme zu
Cöln aus dem XV. Jahrh. im Organ für christl. Kunst 1S61. Artist. Bei-
lage zu No. 19, und zweier aus Till und Wankun aus dem XVI. Jahrh. bei
aus'm Weerth, Kunstdenkmäler etc. Abth. I. Bd. I. Taf. VI. 10 und
Bd. II. Taf. XXI. 12. — In der vor dem Zither des Domes zu Halberstadt
belegenen Kapelle bemerkt man an den auf die Wand gemalten Weihe-
kreuzen noch die zum Anhängen der Leuchter bestimmt gewesenen Haken.
37. Die Verehrung für den heiligen Inhalt der zum gottesdienst-
lichen Gebrauche bestimmten Bücher führte bereits im christlichen
Alterthume zur prachtvollen äusseren Ausstattung derselben durch
die Kunst, und als Gegenstand öffentlicher Verehrung gehörte schon
frühzeitig ein kostbar eingebundener Evangeliencodex zum ständigen
Schmucke der Altäre. ') Gleicher Ehre genoss zunächst das Missale. *)
Den mit prächtigen Pergament -Codices und kostbaren Einbänden
der Bücher getriebenen Aufwand , den man mehr liebe, als das fleissige
und andächtige Lesen des göttlichen Wortes , rügen bereits Chrysosto-
mus und Hieronymus. ^) — Man darf annehmen , dass im Gegensätze zu
den antiken Schriftrollen die zwischen Tafeln gebundenen Bücher ihren
Ursprung gehabt haben in den spätrömischen Elfenbeinschreibtafeln , mit
Reliefs auf der äusseren Seite [diptycha consuhria, von Magistraten beim
Antritte des Amtes verschenkt und mit ConsularbUdem etc. geschmückt,
1) Pelliccia, Alex. Aur., de christ. eccl. politia, ed. Ritter 1, 129.
2) Abbüd. bei Bock, das heil. Köln. Taf. XUI. 52.
3) P e 1 1 i e c i a, a. a. O. 1,143: nEvangeliarum codex super ipsum altare perpetuo
erai.ti Cf. p. 157. — Das Chronicon Conrad! ep. aus der Mitte des XIII. Jahrh. (bei
Urstisius, Chr., Gennan. historicor. illustr. J, 56S lin. 31) sagt in Beziehung auf
den Dom zu Mainz : »Erant libri, qui pro omatu stiper altare ponebantttr , ut evan-
geliorum , epistolarum , plenariorum etc, aliqui vestüi ebore scwptOf alii argetito^ alii
auro et gemmis.« — Vgl. oben S. 1 02.
4) Ueber den Einband der Ritualbücher : T e x i e r, Dictionnaire d'orfevrerie, Art.
»Couvertures et reliures de livresa 'nach Dom Guöranger, Institution« Uturgiques
und Gu^nebanlt, Dictionnaire iconographique; p. 529 — 549. Vgl. auch d'Agin-
court, Histoire de Tart etc. 6, 107; Jakob, die Kunst im Dienste der Kirche
8. 97 f. — Die Namen der verschiedenen Ritualbücher sind erklärt in O t te, Archäol.
Wörterbuch S. 99 ff.
5) Neander, A. , Job, Cbrysostomus 1,190; Augusti, Denkwürdigkeiten
12. 2S9.
Büchereinbände. 131
und diptycha ecclesioitica , kirchliche Namenverzeichnisse und mit bibli-
schen Gegenständen geschmückt) *) , zwischen welche man beschriebene
Pergamentblätter legte, da beide Gattungen der Diptycha nur als Deckel
kirchlicher Handschriften auf uns gekommen sind, und bis ins XIII. Jahrh.
vorzugsweise £lfenbeintafeln zu Prachtbuchdeckeln verwendet wurden.
Die Buchdeckel selbst bestehen aus Holz, worauf man die Elfenbeintafeln
festnietete. Gewöhnlich jedoch bilden letztere nur den mittleren Theil der
Deckel, und die Ränder, als Umrahmung des meist etwa 7 Z. hohen und
5 Z. breiten Elfenbeinreliefs, sind mit Gold- oder Silberblech überzogen,
in welches Edelsteine und Perlen gefasst, und das mit getriebenen, email-
lirten und gravirten Darstellungen verziert wurde. Anderweitig sind die
Deckel auch ganz mit Metallblechen überzogen. Beide Deckel eines
Buches haben übrigens niemals denselben Schmuck : der vordere Deckel
[latm frontale) ist gewöhnlich am reichsten ausgestattet , der hintere oft
ganz schmucklos, wie der Rücken mit Seidenzeug überzogen und höch-
stens zur Vermeidung des Abscheuems an den Ecken beschlagen. Ausser-
dem legte man beim Gebrauche der Bücher Polster {ctisstni} unter oder
schlug sie in saubere Tücher (panni linet, camistae) ein. Auch hatte man
kostbar geschmückte Kästen (capsae) in Buchform, in welchen die Codices
aufbewahrt und auf den Altären ausgestellt wurden. Zuweilen begnügte
man sich indess mit der Ausstellung der leeren Capsae, ^ Als nach Erfin-
dung der Buchdruckerkunst und durch die Anwendung von Papier statt
des Pergaments die Bücher häufiger und wohlfeiler wurden, überzog man
die Holzdeckel der Prachtbände mit gewebten und gestickten Seiden-
stoffen , beschlug die Ecken mit Metall , die Mitte oft mit einer Metall-
Vignette und fügte metallene Clausuren hinzu. Einbände in gepresstem
Leder und vergoldete Schnitte gehören erst dem XVI. Jahrh. an.
Unter den in deutschen Bibliotheken noch ziemlich häufig vorkom-
menden Evangelien- und Messbüchem in mittelalterlichen Prachtbänden
finden sich manche , deren Einband ganz oder theil weise (besonders in
der Metallumrahmung des mittleren Elfenbeins) jünger ist als der Codex
selbst, seltener andere, deren Elfenbeindeckel älter sind als das Buch,
zu dem sie gegenwärtig gehören.
Von omamentirten Einbänden machen wir namhaft : Diptycha con-
sularia als Deckel von Evangeliarien zu Lüttich in St. Martin und im
Dom^J, desgleichen an einem Chorbuche aus dem XII. Jahrh. im Zither
des Doms zu Halberstadt. ') Der Form, Grösse und Arbeit, dieser an-
tiken Diptychen schliessen sich an die vier Elfenbeindeckel der beiden
Gebetbücher K. Heinrich' s II. und seiner Gemahlin Kunigunde in der k.
Bibliothek zu Bamberg {So. 1049j ; sie sind \i% Z. hoch und 4% Z.
1) Ueber die Diptycha: Müller, CO., Handb. der Archäologie der Kunst
§ 312 n. 3. — Vgl. Augusti a. a. O. S. 302 ff.
2) Abbild, bei Salig, de diptychis veterum (Halae) 1731, Titelkupfer.
3) Abbild, bei Augustin, Chr. F. Beruh., das Diptychon consulare in der
Domk. zu Halberstadt, in den N. Mittheil, des tharing.-sachs. Vereins VII. 2, 60.
Die mit Consularbildem geschmückten Tafeln sind oben und unten verkürzt , um sie
dem kleineren Format des Buches anzupassen; die Höhe beträgt jetzt 10*/, Z. , die
Breite S«/* Z. — Vgl. Kugler, Kl. Schriften 1, 135.
9»
132 Prachtbuchdeckel.
breit, enthalten vier einzelne Figuren (der thronende Christus und Maria,
Paulus und Petrus) und sollen nicht jünger sein als das VI. Jahrhun-
dert. — Der Zeit um 800 gehört das Evangelienbuch des heil. Liudger
an, welches sich im Besitze des Oberregierungsrathes Krüger in Min-
den befand: die Mitte des mit gravirten Darstellungen geschmückten
vergoldeten Deckels nimmt ein Crucifix aus Elfenbein ein. Ins IX. Jahrh.
fallen femer ein aus Bamberg stammendes Evangeliarium in der Hof-
bibliothek zu München (Cim. 56} mit seinen von Goldblech umrahmten
Elfenbeinbildem , vbm die Taufe Christi , hinten die Verkündigung und
die Geburt Christi darstellend *] , xmd der Evangeliencodex No. 65 der
Universitätsbibliothek zu Würzburg, dessen Elfenbeindeckel (von 10X7
Z.) in 37 Figuren die Hochzeit zu Kana, die Austreibung aus dem Tempel
und die Heilung des Blindgeborenen enthält. — Aus der Zeit um 900
rühren die Elfenbeindeckel des dem Tutilo zugeschriebenen Evange-
liariums in der Bibliothek zu St. Gallen (No. 53) von c. 10%X6% Z.,
vom den thronenden Christus *) , auf der Rückseite die Himmelfahrt
Maria und die Legende des heil. Gallus darstellend. — Dem X. Jahrh.
werden zugeschrieben die Schauseite des Missale No. 9 1 1 in der K. Biblio-
thek zu Bamberg (Umrahmung von gravirtem Silber mit eingelegten
Runden aus Gold in den Ecken, auf dem Elfenbein in der Mitte die
Halbfigur der Madonna) , eines Evangeliariums im Münster zu Aachen
(Umrahmimg Goldblech mit getriebenen Darstellungen und eingelegten
Edelsteinen; Mitte)stück die Madonna in Elfenbein; auf dem hinteren
Deckel ist nur das Elfenbein mit den vier Heiligenfiguren gleich alt, die
in Silber getriebene Umrahmung später) ') und eines Evangelienbuches
in der StadtbibHothek zu Leipzig ebenfalls mit dem Elfenbeinbilde der
Madonna , die Deckel der Evangelienbücher des heil. Kilian in der Uni-
versitätsbibliothek zu Würzburg (das Elfenbein zeigt. das Martyrium
des Heiligen und seiner Geföhrten ; Umrahmung und Einband aus dem
XV. Jahrh.) *), und des heil. Ulrich in der Hofbibliothek zu München
(Cim. 53) mit Elfenbeinbildem auf beiden Deckeln (Kreuzigung, Auf-
erstehung und Himmelfahrt), femer die Evangeliarien in der k. Bibliothek
zu Berlin (Cod. lat. fol. No.. 3) mit der Kreuzigung auf dem Elfenbein,
in der k. Bibliothek zu Dresden (A. 63) mit Darstellungen der Kreuzi-
gung, Grablegung, Auferstehung und Höllenfahrt, im Museum zu D ärm-
st ad t (No. 681) mit der Verherrlichung Christi auf dem vorderen, und
dem Propheten Jesaias auf dem hinteren Deckel , in der Stadtbibliothek
zu Frank furta. M. mit einer Darstellung der Messe*); endlich ein
Deckel mit getriebenen vergoldeten Figuren auf buntem Emailgrund
1) Abbild, der beiden Elfenbeine bei Förster, £., Denkmale. Bildnerei. Bd. 1
S. 23 u. Bd. 2 8. 5.
2) Abbild, bei Förster, £., a. a. 0. Bd. 1 8. 7, und verkleinert auch in dessel-
ben Gesch. der deutschen Kunst 1, 34, woher wir den Stahlstich, unten Abschn. II.
B. 1 entlehnt haben.
3) Abbild, der beiden Deckel bei aus'm Weerth, Kunstdenkm. II. Abth. Bild-
nerei Bd. n Taf. XXXIV. 2 u. 2 a.
4) Abbild, bei Becker u. y. Hefn er, Kunstwerke etc. Taf. XVI.
5) Abbild, des Elfenbeins im Archiv für Frankfurts Gesch. u. Kunst I. 1 . Taf. 4.
Prachtbuchdeckel. 1 33
(No. 216) in der Bibliothek zu St. Gallen und der mit Silberplatten
belegte Deckel des Codex No. 44 in der k. Bibliothek zu Bamberg. In
die früheren Jahrhunderte des M. A. gehört auch der Deckel eines Evan-
geüariums im Dom -Zither *zu Halberstadt mit dem Elfenbein des
unter Kuppelarchitekturen sitzenden und sein Evangelium einem Schreiber
dictirenden Evangelisten Johannes. — Wenn die Zeitbestimmung sämmt-
lieber vorgenannten Deckel grosse Schwierigkeiten hat , so zeichnet sich
dagegen durch sichere Datirung aus der Einband des Evangeliariums aus
Echternach in der Bibliothek zu Gotha, dessen mittleres die Kreuzigung
darstellendes Elfenbein mit einer reichen Umrahmung aus Goldblech,
Emails , Edelsteinen und Perlleisten versehen ist , auf welcher sich die
getriebenen Figuren der Geschenkgeber, der Kaiserin Theophanu imd
ihres Sohnes, Königs Otto III. befinden, deren gemeinschaftliche Regie-
rung in die Zeit von 985 bis 991 fällt. ^) Ebenfalls dem Schlüsse des
Jahrhunderts dürfte der kostbare Golddeckel mit dem segnenden Christus
in der Mitte, den vier Evangelisten auf den< Ecken und vier Darstellungen
aus dem Leben Jesu auf den B.ändern angehören , mit welchem der aus
St. Denys nach St. Emmeram in Regensburg gekommene und jetzt in der
Uofbibliothek zu München (Cim. 55) befindliche Evangeliencodex aus
dem IX. Jahrh. geschmückt ist. ^) Dem X. oder XL Jahrh. gehört der
Deckel eines Evangeliars der Universitätsbibliothek zu W ü r z b u r g an, mit
dem Lamm Gottes , Löwen , Vögeln und Schweinen auf zwei unter sich
verschiedenen Elfenbeintafeln , die ursprünglich eine andere Bestimmung
(etwa für ein Reliquiar) gehabt haben.') — Unter den aus dem XL Jahrh.
erhaltenen Frachtdeckeln zeichnen sich zunächst mehrere aus der Zeit
K. Heinrichs 11. (f 1024) stammende und von Bamberg in die Hofbiblio-
thek nach München gekommene Codices aus: ein um 1014 geschrie-
benes Evangelistarium (Cim. 57) mit den Darstellungen der Kreuzigung
und Auferstehung auf dem mittleren Elfenbein *j , welches in der Ein-
fassung die emaillirten Evangelistenzeichen auf den Ecken und die musi-
vischen Bilder der Apostel auf den Seiten enthält; ein Evangeliarium
(Cim. 58), dessen oberer mit Gold, Edelsteinen und Perlen belegter
Deckel eine Elfenbeintafel mit dem Tode der Maria umschliesst ; und ein
Missale (Cim. 60) mit dem Elfenbeinbilde der Kreuzigung und Auferste-
hung Christi. *) Der zweiten Hälfte des Jahrh. gehört ein Evangeliarium
(Cim. 59) an, dessen oberer mit Gold, Edelsteinen und Perlen belegter
Deckel in der Mitte einen grossen Onyx enthält. Diesen Bamberger Co-
dices schliesst sich der Zeit nach an das Evangelienbach Bischofs Heinrich
von Würzburg (f 1018) in der dortigen Univetsitätsbibliothek (No. 66)
mit der Darstellung Christi , der Maria und Johannes des Täufers unter
1 ) Abbild, des Deckels (etwa in y, der Originalgrösse) in der Zeitschr. f. christl.
Archäol. u. Kunst Bd. 2 Taf. 17, woher wir den neben stehenden Stahlstich ent-
lehnen.
2} Abbild, bei Sanftl, Colom., Diss. in aureum ac pervetustum SS. evangelio-
rum codicem ms. monasterii S. Emmerami (Regensb. 1786).
3) Abbild, bei Becker und v. Hefner a. a. O. Taf. IX.
4) Abbild, bei Förster, Denkmale. Bildnerei. Bd. 1 S. 9.
5) Abbild, ebd. Bd. 2S. 1.
1 34 Prachtbuchdeckel.
einem durchbrochenen Schirmdache auf der Elfenbeinplatte, deren ehe-
malige Umrahmung fehlt, und das Missale des heil. Burkard ebendaselbst
[No. 68) mit dem die Maria verehrenden heil. Nicolaus unter ähnlichem
Schirmdache auf dem oberen und einer durchbrochenen Silberplatte mit
der Majestas auf dem unteren Deckel. Gleichzeitig föllt auch der Einband
eines Evangeliariums in der Dombibliothek zu Hildesheim, ein Werk
des dortigen Bischofs Bern ward (f 1022), dessen Einfassung aus vergol-
detem Silberblech vom ein Elfenbein mit dem lehrenden Christus zwischen
Maria und Johannes, hinten eine Silbertafel mit der Gottesmutter um-
rahmt. Aus der Mitte des Jahrhunderts stammen der Evangeliencodex
der Aebtissin Theophanu (1039 — 1054) im Münster zu Essen (auf der
in Goldblech getriebenen , mit Edelsteinen reich verzierten Umrahmung
der mittleren die figurenreichen Darstellungen der Geburt, Kreuzigung
und Himmelfahrt Christi zeigenden Elfenbeintafcl unter anderen das Bild
der Donatrix) *) und zwei Evangelienbacher Bischofs EUenhard von Frei-
sing vom J. 1051 in der Hofbibliothek zu München, deren Deckel in
gravirter Messingumrahmung auf dem mittleren Elfenbein, das eine Scenen
aus der Passion ^) , das andere Scenen au^s der Kindheit Jesu und die
Auferstehung enthält. — Dem XI. Jahrh. gehören femer an der Deckel-
schmuck eines aus Paderborn stammenden Evangeliariums in der Dom-
bibliothek zu Trier aus vergoldetem Kupfer mit den Evangelistenzeichen
und einer aus Edelsteinen, Perlmutter und Emails bestehenden Einfas-
sung; ein griechisches Lectionarium in der Schatzkammer des dortigen
Doms, dessen Deckel ein Elfenbcinplättchen mit der Darstellung und
Taufe Christi enthält ') ; der Deckel eines Evangeliariums (No. 682) im
Museum zu Darmstadt mit einem die Kreuzigung vorstellenden Elfen-
bein ; ein Evangeliencodex in Maria- Lyskirchen zu C ö 1 n mit der Kreuzi-
gung auf dem mittleren , aus drei länglichen Elfenbeinstückchen zusam-
mengesetzten Theile des oberen Deckels, dessen kupfer - vergoldete
Einfassung spätgothische Gravirungen zeigt *) ; ein Evangeliarium aus
Kloster Abdinghof in Paderborn in der Bibliothek zu Gas sei, dessen
Messingdeckel mit Steinen, in der Mitte, in Elfenbein geschnitzt, Relief-
Brustbilder von Engeln und vier Heiligen enthält ; ein Evangelienbuch
im Dom zu Minden mit dem Elfenbein - Relief der Himmelfahrt und
silberner Randeinfassung aus gothischer Zeit ; ein Codex in der kOnigl.
Bibliothek zu Bamberg (No. 1049) mit einem Elfenbeindeckel, der auf
jeder Seite eine Figur in lang gefaltetem Gewände zeigt. — Im Vergleich
mit der gprossen Anzahl und kostbaren Ausstattung der aus dem XI.
Jahrh. auf uns gekommenen Prachtbände, ungerechnet die häufig in
Kunstsammlungen vorkommenden Elfenbeine aus jener Zeit, die von
zerstörten Buchdeckeln herrühren, erscheint schon das XII. Jahrh. minder
bedeutend; wir nennen aus demselben die omamentirten Deckel eines
Evangelienbuches im städtischen Museum zu Cöln (in der Mitte das
1) Abbild, des Deckels bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. XXVU. I.
2) Abbild, des Elfenbeins bei Förster a. a. O. Bd. 6 S. I.
3^ Ein Gypsabguss im Christi. Museum der Univ. zu Berlin.
4J Abbild, des DeckeU bei Bock, Fz., das heil. Köbi. Taf. XXXV. 103.
Prachtbuchdeckel. . 135
getriebene Relief des thronenden Erlösers , auf den Rändern buntfarbig
emaillirte Bilder der vier Weltgegenden auf den Ecken und der Apostel
auf den Seiten , in vergoldetem Kupfer) *) , zweier aus Paderborn stam-
menden Evangeliarien in der Dombibliothek zu Trier (das eine mit der
in einer späteren versilberten Umrahmung auf zwei Elfenbeinplatten dar-
gestellten Verkündigung; das andere mit den einem vergoldeten Kupfer-
blech aufgelegten Elfenbeinfiguren des Crucifixus zwischen Maria und
Johannes in emaillirter und gravirter Umrahmung) , eines Evangelien-
buches in der Stiftskirche St. Johann zu Herford (in Gold und Silber
Christus auf dem Regenbogen und auf dem imteren Deckel Arabesken in
Silber), eines Evangelienbuches in der Kirche zu Höxter, in der Samm-
lung des Herrn zur Mühlen inMünster (ein Elfenbein-Relief mit der Ab-
nahme vom Kreuz) , zweier Evangeliarien im Zither der Schlosskirche zu
Quedlinburg (das eine, No. 65, mit einer vergoldeten Silberplatte, in
deren vertiefter Mitte die Madonna dargestellt ist ; in der Umrahmung
Edelsteine , Perlen und kleine Emails ; das andere mit einem Christi Ge-
burt, Taufe, Kreuzigung und Abnahme vom Kreuze darstellenden Elfen-
beinrelief in einer breiten mit Edelsteinen geschmückten Umfassimg aus
vergoldetem Silberblech) *) und eines Evangelienbuches in der Stadt-
bibliothek zu Hamburg (mit dem merkwürdigen Elfenbeinrelief der
einen wendischen Krieger tödtenden Victoria in einer mit Glasflüssen
verzierten Einfassung aus Messing). ') — Im Laufe des XIII. Jahrh.
scheinen Buchdeckel mit grösseren Elfenbeinreliefs kaum noch vorzukom-
men. Der im Städtischen Museum zu Cöln befindliche Deckel mit dem
die thebäischen Märtyrer segnenden Christus *) gehört wohl spätestens in
den Anfang dieses Jahrhunderts. Dagegen finden sich mehrere Beispiele
einer neuen, minder kostbaren Ausschmückung durch auf Pergament ge-
malte ÄJiniaturbilderchen , die mit dünnen durchsichtigen Hornblättchen
zu ihrem Schutze belegt sind. So ein Evangeliencodex in der Dom-
bibliothek zu Hildesheim (aus St. Michael daselbst) , dessen mittleres,
älteres die Kreuzigung darstellendes Elfenbein in der vergoldeten Kupfer-
einrahmung zwischen 10 verschiedenförmigen Krystallen ebenso viele
Miniaturen (an Stelle der sonst üblichen Emails) enthält, und eii^Psalte-
rium (No. 232) in der k. Bibliothek zu Bamberg mit dem Miuelbilde
des thronenden Christus , umgeben von mehreren kleinen Bildern ; der
Rand ist mit Silberblech belegt, und die Homblättchen sind durch Süber-
streifen getrennt und befestigt ; der untere Deckel ist in gleicher Weise
geschmückt. Anderweitig kommen auch mit Metall bekleidete Deckel
vor mit kleinen Elfenbeinplättchen in der Umrahmung; z. B. ein aus
Hildesheim stammendes Evangeliarium in der Dombibliothek zu Trier,
wo auf der Mitte des Deckels die Kreuzigung und Auferstehung Christi
in Schmelz werk und in der Einfassung zwischen Edelsteinen acht Elfen-
1) Abhild. des Deckels bei Bock a. a. O.. Tof. XLVH. 125.
2} Abbild, bei Steuerwaldt, W., und Virgin, C, die mittelalterl. Kunst-
schätze im Zittergewölbe der Schlossk. zu Quedlinburg. Taf. 2. u. 4.
3) Abbild, des Elfenbeins in der Zeitschr. für christl. Archäol. u. Kunst. Bd. 2
Taf. 4.
4) Abbild, bei Bock a. a. O. Taf. XLVI. 124.
\ 36 Buchdeckel und Gehäuse.
beinreliefs erscheinen. Ein anderes Evangelienbuch ebendaselbst zeigt
als Deckelschmuck in Kupferblech roh getriebene Darstellungen Christi
zwischen den beiden grossen Aposteln. Ein Evangelistarium aus St. Trou
im Luxemburgischen, jetzt im Landesarchiv zu Düsseldorf, mit der
Darstellung des jüngsten Gerichts, umgeben von emaillirten Apostel-
bildern, in getriebenem Kupferblech. *) Ein Evangelistarium in der Kirche
zu St. Wolf gang in Oberösterreich, wo die Mitte des mit omamentirtem
Silberblech überkleideten Vorderdeckels ein ovaler Krystall einnimmt,
den die aus Elfenbein geschnitzten Evangelisten umgeben; der hintere
Deckel zeigt ein gravirtes Bild des heil. Michael. — Ein Evangeliarium
aus Kloster Zweifalten in der öffentlichen Bibliothek zu Stuttgart (Bibl.
fol. n. 71) hat einen Deckel von Leinwand, auf dem die Spuren einer
Stickerei (Christus und Heilige darstellend) zu erkennen sind. — Die
Einbände aus den späteren Jahrhunderten des M. A. bieten in jeder Hin-
sicht ein geringeres Interesse dar; wir beschränken uns daher auf die
Anführung einiger, die sich durch geschmack- und kunstvolle Ausstattung
auszeichnen: Ein Fest-Lectionarium der Petrikirche zu Hamburg mit
Silberblechdeckel , in der Mitte mit einem Salvatorbilde , auf den Seiten
mit Edelsteinen verziert, aus dem XIV. Jahrh. *), und ein ähnlicher Ein-
band im Dome zu Brandenburg. — Das Evangeliarium der Ada in
der Stadtbibliothek zu Trier, dessen Deckel vom J. 1499 mit theilweise
vergoldeter Silbereinfassung acht Figuren im Hochrelief und in der Mitte
eine grosse antike Kamee enthält ; das zu den Reichsinsignien gehörende
Evangelienbuch in der Schatzkammer zu Wien mit seinem etwa gleich-
zeitigen Prachtdeckel, welcher den thronenden Christus und die Ver-
kündigung Maria unter Laubbaldachinen im Hochrelief zeigt ; ein latei-
nisches Gebetbuch (Cim. 42) in der Hofbibliothek zu München vom
J. 1485, dessen Deckel aus vergoldetem Silber mit Bildern und Orna-
menten in Email geschmückt ist; ein Evangeliarium (No. 67) im Zither
der Schlosskirche zu Quedlinburg mit seinem mit Silberblech über-
zogenen vorderen Deckel von 1513, mit dem im Hochrelief getriebenen
Christusbilde in der Mitte und einem mehrere kleine Flachbilder um-
schliessendeU; geschmackvollen Rankengeflecht als Einfassung ') ; endlich
der Einband eines Antiphonariums in St. Martin zu Cöln als Beispiel
der spätgothischen mit einer mittleren Vignette und Eckstücken in Gelb-
guss beschlagenen überall noch häufig vorkommenden Deckel. *)
Omamentirte Kästen zur Aufnahme der Evangeliencodices finden
sich z. B. in der k. Bibliothek zu Bamberg (für das Evangelistarium
(No. 280) K. Heinrichs n., welches, niit einem dünnen ledernen, mit
rother Seide überzogenen Umschlage versehen, in einem Kasten aufbe-
wahrt wird, dessen Ueberzug aus grüner Seide mit violetten Verzierungen
besteht), in der Hofbibliothek zu München (fQr das Evangelistarium
der Aebtissin Uota von Niedermünster in Regensburg im XI. Jahrh. ein
1) Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. XXXI. 4.
2) Abbild, in der Zeitschr. des Vereins für hamburgische Gesch. I, 3 u. 4.
3) Abbild, bei Steuerwald u. Virgin a. a. O. Taf. 3.
4) Abbild, bei Bock a, a. O. Taf. XVU. 67.
Ausstattung der Codices. 137
Kasten in Buchform , der auf seinem Ueberzuge von Goldblech den seg-
nenden Christus in getriebener Arbeit vorstellt, und in der Dombibliothek
zu Hildesheim (für ein Evangelienbuch Bischof Hezilo's (f 1079) in
einfachen Pergamentdeckeln, dessen im XV III. Jahrh. erneuerte Kapsel
mit vergoldetem Kupfer verziert ist) .
Anmerkung. Dem Inhalte nach zerfallen die Evangelienbücher
{textus) des M. A. in zwei Klassen: solche, welche den vollständigen Text
der vier Evangelien , und andere*, die nur die sonn - und festtäglichen Perl-
kopen [evangelia de tempore et Sanciis per circulum anni) enthalten. Jene
hat man Evangeliaria^ diese Evangelistaria genannt, ohne dass sich die
Unterscheidung beider Benennungen bei mittelalterlichen Schriftstellern mit
Sicherheit nachweisen liesse. Auf den ersten Blättern sind regelmässig mit
Bögen verbundene Säulen dargestellt, zwischen denen ein Calendarium oder
die Harmonie der vier Evangelien tabellansch verzeichnet steht. Der evan-
gelische Text ist in der Uebersetzung der Vulgata wiedergegeben , dem in
den früheren Jahrhunderten ein Prolog des heil. Hieronymus vorausgeschickt
zu sein pflegt. Die Ausstattung namentlich der älteren Manuscripte ist zu-
weilen höchst prachtvoll : das Pergament erscheint mit dem Safte der Pur-
purschnecke violett röthlich geförbt und die Schrift in goldenen Buchstaben.
Dergleichen Codices memhranacet purpurei auret sind z. B. die n IV Evan-
gelia«, welche im J. 870 auf Befehl Karls des Kahlen von zweien Brüdern,
den Priestern Beringarius und Liuthardus geschrieben wurden und aus St.
Dehys bei Paris um das J. 88S nach St. Emmeram in Kegensburg und von
da in die Münchener Hofbibliothek [Cim. 55) gekommen sind, das Evan-
gelienbuch der Ada in der Stadtbibliothek zu Trier und das zu den Keichs-
kleinodien gehörige Evangeliarium in der Schatzkammer zu Wien, beide aus
der Zeit Karls des Grossen. In anderen Handschriften sind nur einzelne
Blätter gefärbt, z. B. in dem Evangeliencodex Bischofs Heinrich von Würz-
burg (f 1018) in der Universitätsbibliothek daselbst, wo das (auch ander-
wärts wiederkehrende) Anathema gegen etwaige Entwehder des Buches mit
goldenen und silbernen Buchstaben auf ein mit dunkelem Purpur getränktes
Pergament geschrieben ist, oder in dem Echternacher Evangeliarium König
Otto's III. in der herzogl. Bibliothek zu Gotha, wo der Text der vier Evan-
gelien durch Vorsatzblätter geschieden ist , die in Art und Weise gewebter
Seidenstoffe auf dem Purpurgrunde des Pergaments gemustert sind. Wenn
aber auch, wie es gewöhnlich der Fall zu sein pflegt , das Pergament weiss
und die Schrift schwarz ist, so sind doch die Initialen Gold oder Silber, oder
wechseln mindestens in Roth und Blau ab : eine Sitte die durch das ganze
M. A. geht und Anfangs auch noch in den gedruckten Büchern beibehalten
wurde, wo der Drucker die Initialen fehlen Hess , oder zur Vermeidung von
Irrthümem der Miniatoren , welche die Lücken nachher mit goldenen , sil-
bernen und farbigen Majuskeln ausfüllten , mit einer Minuskel ganz klein
vordruckte. Ein weiterer Schmuck vieler mittelalterlichen Codices war die
Hinzufügung von Illustrationen durch Miniaturen , die theils in bildlichen
Darstellungen, theils in Titel- und Randverzierungen bestehen. Die Ab-
bildung der vier Evangelisten (sitzend und ihre Bücher schreibend) pflegt den
alteren Evangelienbüchern selten zu fehlen, oft aber sind auch neutestament-
liche Geschichten und Gleichnisse an den betreffenden Textesstellen einge-
1 33 Reliquienbehftlter.
fügt. Die drei bildftrreichsten Evangelienhandschriften sind der Codex Erz-
bischofs Egbert von Trier (978 — 993) in der dortigen Stadtbibliothek
(Grossquart) mit 57 Bildern, das diesem gleichzeitige (bereits oben erwähnte)
Echternacher Evangeliarium Königs Otto III . in Gotha (Folio) und das in
der Stadtbibliothek zu Bremen befindliche, im Kloster Echtem ach für K.
Heinrich III. geschriebene Evangelistarium (Quartformat) , beide letztere
circa mit 50 Bildern. Die für vorzüglich reich illustrirt geltende Mainzer
Evangelienhandschrift in der Hofbibliothek zu Aschaffenburg vom Ende des
XII. Jahrh. hat nur 39 Bilder. Von ganz besonderem archäologischem
Interesse sind die in mehreren älteren Evangelien - Codices vorkommenden
Dedicationsbilder , welche durch erläuternde Inschriften Licht über die Zeit
und die Umstände verbreiten , unter denen die betreffende Handschrift ent-
stand. So findet sich in dem erwähnten Codex aureus aus St. Emmeram zu
Regensburg in der Münchener Hofbibliothek (Cim. 55.) ein Bild Karls des
Kahlen, in den Bamberger Codices (Cim. 57 u. 60) derselben Bibliothek
die Krönung des Donatorenpaares, Heinrichs II. und Kunigundens , darge-
stellt , in dem erwähnten Bremer Evangelistarium der Besuch der Kaiserin
Gisela und ihres Sohnes Heinrichs III. in Echtemach, die Schreibstube
dieses Klosters mit zwei schreibenden Mönchen und Kaiser Heinrich in
seinem Palaste thronend und von dem Abte des Klosters zwei Votivtafeln
entgegennehmend. *) — Wenn solche Darstellungen und Einschriften feh-
len , so kann das Alter des Codex nur aus der Technik und dem Stile der
Miniaturen (s. unten Abschn. II. B.) und aus dem Charakter der Schrift
bestimmt werden.
38. Ausser den zur Consecration der Altäre erforderlichen Reli-
quien, die innerhalb derselben beigesetzt wurden (s. oben S. 98),
pflegte man bei festlichen Gelegenheiten zur Erbauung der Gläubigen
und zur Befriedigung ihrer Schaulust auch andere heilige Ueberreste
auf den Altären auszustellen oder vor denselben an einer Stange [per-
tica) aufzuhängen, und der Heiligkeit des Orts und der den Reliquien
gewidmeten Verehrung gemäss bediente man sich dazu pracht- und
kunstvoller Behälter [vascula^ thecae) der raannichfaltigsten Art und
Formen , welche ausserdem in den kirchlichen Schatzkammern oder
in den Schreinen besonderer Reliquien altäre (s. oben S. 110) aufbe-
wahrt wurden. *)
Die Verehrung der Märtyrerleichen und Gräber datirt aus der Zeit
der Verfolgungen der Christen in den ersten Jahrhunderten : man besuchte
die Gräber und opferte an denselben, ohne ihren Inhalt zu stören. Seit
1) Vgl. Müller» H. A., das ETangelistarium K. Heinrichs m. in der Stadtbibl.
zu Bremen, in den Mittheil, der k. k. Central- Commission etc. (18r»2) 7, 57 ff.
2) Vgl. Augusti, Denkwürdigkeiten 12, 262— 280. — Texier, Dictionnaire
d'orfevrerie, Art. Reliquiaires p. IHM) — 1321. — Weiss, C, über Reliquienschreinc,
in den Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. (ISSß) I, 77 — SO. — Messmer,
Jos. Ant. , zur Gesch. der Formen und Bezeichnungen der Reliquienbehälter ebd.
(IS62) 7, 7S-80.
Reliquienwesen. \ 39
Constantinus wurde es , und zwar zuerst im Oriente Sitte , die Leiber der
Heiligen von dem ursprünglichen Begräbnissorte zu transferiren und
Gotteshäuser über denselben zu erbauen. Bald fing man auch an die
Ueberreste zu theilen und einzelne Partikeln der Gebeine nicht nur, son-
dern überhaupt aller der Gegenstände , die mit dem Leibe des Heiligen
im Leben und im Tode, oder mit seinem Grabe in Berührung gekommen
waren, namentlich nach solchen Orten als Heiligthümer zu versenden,
wo es an Reliquien fehlte , deren man zur Consecration der Altäre nach
der Weise der römischen Kirche bedurfte. *) Dem mit diesen Transloca-
tionen frühzeitig verbundenen Unfug der unrechtmässigen Zueignung und
Versendung von Reliquien ftir Geld musste schon ein Gesetz K. Theo-
dosius des Grossen vom J. 386 entgegentreten^), und obgleich man noch
Jahrhunderte hindurch sich darauf beschränkte, die Reliquien in den
Altären und Kirchenmauern (s. oben S. 34) beizusetzen, so nahm doch
die Zerth eilung und Versendung der Gebeine mit der Ausbreitung des
Chris tenthums in solchen Gegenden , wo es an Märtyrergräbern fehlte,
einen immer grösseren Umfang an, zumal als es üblich wurde, eine capsa
mit den Reliquien auch sichtbarlich auf den Altar zu stellen : eine Sitte,
die P. Leo IV. (S47 — 855; und das Concil zu Rheims vom J. 867 aus-
drücklich genehmigten. ^) Durch die Römerzüge der Deutschen kamen
unzählige Heilthümer aus Italien nach Deutschland, durch die Pilger-
reisen nach dem heiligen Lande und besonders durch die Kreuzzüge aus
Constantinopel und Jerusalem nach allen europäischen Ländern. An ge-
winnsüchtigen bewussten und an frommen unbewussten Täuschungen
fehlte es schon in den frühesten Jahrhunderten nicht; dennoch bleiben
noch immer die römischen Katakomben die unerschöpfliche Fundgrube
neuer Reliquien unter päpstlicher Autorität, obschon der frühere schmäh-
liche Handel damit und die Werthschätzung derselben nach Geld seit der
Reformation in der katholischen Welt aufgehört hat. Schon die Unge-
wissheit über die Echtheit der meisten Reliquien, die offenbare Unechtheit
vieler und die Skurrilität mancher hätte die Reformatoren zur Abschaffung
1) Ambrosiiad Marcellinam sororem ep. 22 et 54 ; vgl. Laib u. Schwarz,
Studien etc. S. 8 u. 16.
2) Cod. Theodos. 1. VII. tit. de sepulcr. violat. ; vgl. Augusti a. a. O. S. 275.
3) »Super aUttre nihil ponaiur nisi capsa et reliquiae Sanctorum, out forte qua-
tuor Evanpelia et buxida cum corpore Domini ad viaticum mfirmorum.tt Leo IV.
Homil. de cura pastoral. — Concil. Rhemens. apud Burcharal. 3. Beeret, c. 97. —
Vgl. Laib u. Schwarz a. a. O. S. 32. — In Kirchen mit Ciborienaltaren Mrurden
die Reliquiarien vor dem Altare aufgehängt, was durch die Weiheformel des Cibo-
riums [tegumen venerandi altaris) in einem angelsächsischen Pontificale ausdrücklich
bezeugt wird , worin erwähnt werden : » Omnia omamenta ad ipsum umbraculum
pertinentia, vel ab illo dependentia atU eidem subposita« (Texier, Dictionnaire d'or-
f^vrerie p. 3S3} , und das Chronicon Conradi aus der Mitte des XIII. Jahrh. giebt
in Beziehung auf diese im Dome zu Mainz damals noch übliche Sitte folgendes Zeug-
niss: »Erat pertiea argentea eoncava deaurata, quae tantum praecipuis festis ante
aUare dependehaty in qua vascula suapendebantur, quaedam ebumea, quaedam argentea,
formarum dirersarumy omnia reliquiis plena,« (Vgl. Urstisius, German. historicor.
illustr. ], 56S lin. 14). So erklären sich die an vielen Elfenbein- und anderen Kap-
seln oben befindlichen Löcher und Oesen : sie dienten zur Befestigung von Schnüren
oder Ketten beim Aufhängen an der Pertiea.
140 Reliquienbehälter.
der Reliquienverebrung nöthigen mflssen , wenn sie es nicht wegen der
damit verbundenen abergläubischen Missbräuche von Qewissenswegen
gethan hätten : unanständige und schimpfliche Behandlung der vorhande-
nen Reliquien erklärten sie für unerlaubt *) ; leider aber reizten die kost-
baren Behälter derselben vieler Orten zu gewinnsüchtigem Vandalismus,
und noch mehr gingen in Kriegsnöthen (auch schon im M. A.) durch
Feind und Freund zu Grunde.
Die erste Erwähnung eines Reliquiariums findet sieh schon im IV.
Jahrh. bei dem häretischen Priester Vigilantius ^) : ein geringes kleines
Behältniss, in welchem die Reliquie lag, gehüllt in köstliche Leinwand. —
Das vielfache Vorkommen einander typisch ähnlicher Elfenbeinkästchen,
entweder mit heidnisch agonistischen oder mit christlich antiken Reliefs
verziert , und in gleicher Weise geschmückten runden Elfenbeinbüchsen,
die in Italien tmd Constantinopel verfertigt worden sind , scheint zu er-
weisen , dass man im früheren M. A. die Reliquien meist in dergleichen
Elfenbeinladen und Büchsen aus Italien und dem Oriente versandte. Aus
der Zeit der Kreuzzüge kommen ähnliche omamentirte Kapseln und Käst-
chen vor, die aus Knochen oder Elfenbein verfertigt und mit arabischen
Inschriften versehen sind, und Mrie die gleichzeitigen Kästchen aus feinem
Holze (bemalt oder mit Seidenzeug überzogen) , zum Transporte von Par-
tikeln gedient haben werden, wozu anderweitig auch Beutel, imd zur
Fortschaifung ganzer Leiber selbstverständlich grössere Kisten benutzt
wurden. Nachdem die öiSentliche Zeigung {ostettaio) imd Ausstellung der
Reliquien aufgekommen war, vermehrte sich bis zum Zeitalter der Refor-
mation die Anzahl derselben bis ins Fabelhafte *) , und die Kunst und
das Kunsthandwerk schufen eine unzählige Menge von Reliquienbehält-
nissen in unerschöpflicher Mannichfaltigkeit der Formen aus den kost-
barsten Stoffen (Gold, Silber, Elfenbein , edelen Steinen, Krystall, feinen
Holzarten etc., am. häufigsten aus vergoldetem Kupfer imd Messing).
1) August! a. a. O. S. 279.
2) » Pulviscukim nescio quod in modico vasculo pretioao linteemiine circutndattim
osculantes adorant,n Hieronymusadv. Vigü. c. 7. — Vgl. Augusti a.a.O. S. 278.
3) Der Dom zu Halle a. d. S. besass nach dem Heiligthumsbuche von 1520 8133
Partikel (darunter in einem Sarge 1243 Partikel) und 42 ganze Körper (in m^hr als
200 Behaltnissen}, deren Zeigung jährlich am Sonntage nach Maria Geburt stattfand,
woran ein Ablass von 39,245,120 Jahren und 220 Tagen nebst 6,540,000 Quadragen
geknüpft war. Vgl. Dreyhaupt, Job. Chrstph: v. , Beschreib, des Saal-Creyses
1, 866 u. 855 (Czum neunden). — Die Zeigung der Reliquien geschah in einzelnen
Abtheilungen (Gängen), entweder vor einem Altare in der Kirche, während die
Gläubigen vorabergingen, oder von Altanen oder Galerien (Heiligthumsstahlen;
8. oben S. 77) herab an das im Freien versammelte Volk. Sehr interessant ist die
Darstellung mit dem nheyltumhsiueU bei St. Stephan in Wien auf einem Holzschnitte
des Wiener Heiligthumsbuches von 1512 (Sign, aiij f. v. ; im Kupferstichcabinet zu
Berlin) : man sieht ein rechteckiges, stadtthorartiges Gebäude, unten mit einer offnen,
überwölbten Durchfahrt , oben unter dem Dache mit einer Reihe von Spitzbogen-
fenstem, aus welchen Teppiche herabhängen ; an jedem Fenster stehen zwei Cleriker,
die mit der Vorzeigung von Reliquien beschäftigt sind. Unten auf der Gasse , und
zwar, wie man durch die offene Thorhalle sieht, auf beiden Seiten des Gebäudes,
sitzt das Volk , Männer und Weiber durcheinander , dichtgedrängt auf Bänken , und
noch mehr stehen im Kreise umher. — Durch verschiedene Hundegruppen gewinnt
das Bild noch an Lebenawahrheit.
Beliquienselifttze. 1 4 1
Dem Inhalte nach lassen sich die Reliquiarien in zwei Klassen theilen :
in solche, die nur die Ueberreste eines Heiligen umschliessen, und andere,
welche, was gewöhnlich der Fall war , die Partikeln von mehreren Heili-
gen aufiiahmen. Die zusammengehörigen Fragmente hüllte man -besonders
in seidene und leinene Stoffe und befestigte an den einzelnen Päckchen
Etikets (gewöhnlich Pergamentstreifen, seltener Bleitäf eichen) mit den
Namen der betreffenden Heiligen. ^) Auch war es üblich den Reli-
quien einige Weihrauchkömer oder andere balsamische Stoffe beizu-
schliessen. *)
Was die in deutschen Kirchen noch gegenwärtig vorhandenen Schätze
an Reliquiarien und deren antiquarischen und Kunstwerth anbetrifft , so
geht das Münster zu Aachen ') allen übrigen voran. Die ersten Plätze
nehmen femer ein die Ooldkammer des Münsters zu Essen ^ i, die Zither
der Schlosskirche zu Quedlinburg ^) und des Doms zu Halberstadt *) , die
Schätze von Lüneburg und Braunschweig in der Schlosskapelle zu Han-
nover ^) , der Dom zu Hildesheim ®) , der aus Trier stammende Schatz im
Dome zu Limburg a. d. Lahn. *) Die Cölner Schätze sind zerstreut :
manches Wichtige davon ist in das Museum zu Darmstadt übergegangen,
anderes findet sich noch in den Kirchen von Cöln. ^®) Ausgezeichnet ist
auch die aus der Stiftskirche zu Siegburg in die dortige Pfarrkirche ge-
kommene Sammlung ^^) , nennenswerth ebenfalls der Schatz in Kloster-
neuburg ^^) und für die spätere Zeit der Domschatz in Prag u. s. w.
1] Nicht selten freilich musste man gewissenhafter Weise darauf schreiben:
»De 8, reliquiis quoritm nomen novit Deus.n Vgl. Texier a. a. O. Sp. 829 u. 871.
2) Durandi, Rationale 1. ] c. 7 n. 25: » Hecanduntur reltqutae sanctorum cum
tribus granis thuris in Capsula,« Vgl. Bock, das heil. Köln. St. Andreas S. 1 9.
3} Weerth, E. aus'm, Kunstdenkm. des christl. M. A. in den Rheinlanden.
Abth. I. Bd. n. S. 55—139 u. Taf. XXXQ— XXXIX; Vgl. Floss, Geschichtliche
Nachrichten der Aachener Heiligthümer 1855. — Bock, Fz., der B^liquienschatz zu
Aachen. 1860.
4) Weerth, E. aus'm, a. a. O. S. 19—37 u. Taf. XXIV— XXIX.
5] Steuerwald, W., u. Virgin, C, die mittelalterl. Kunstschatze im Zitter-
gewölbe der Schlossk. zu Quedlinb. Ebd. 1855. Vgl. Wallmann, J. Andr., von den
Alterthümem der Stiftsk. zu Quedlinb. 1776. — Riecke, J. F. , Alterthümer und
Sehenswürdigkeiten des Stifts Quedlinb. 1852. — Kugler, Kl. Schriften 1, 623—
639. — Bock, Fz. , Kunstschätze des M. A. in der Schlossk. zu Quedlinb. , in der
Wiener Ztg. 1860 No. 96 f.
6) Augustin, Chr. F. Bemh., in den N. Mittheil, des thüring.-sachs. Vereins
Vn. 2, 65 u. 81. — Kugler, Kl. Schriften 1, 134. — Lucanus, F., Dom zu Hal-
berstadt. S. 9.
7) Vogell, Kunstarbeiten aus Niedersachsens Vorzeit 1845 etc. Vgl. Mola -
nus, Gerh. , Lipsanographia , siye thesaurus reliquiarum Elect. Bruns. Luneb.', als
Anhang zu Jung, Disquisit. antiq. de reliquiis ed. 4. 1783. — Die Reliquienkammer
im Residenzschlosse zu Hannoyer , in der Augsb. Postztg. 1 859 No. 22. — Der ehe-
mal. Braunschw. - Lüneb. Electoralschatz , jetzt in Hannoyer, in der Wiener Ztg.
1859. No. 21.
8} Kratz, J. Mich., der Dom zu Hildesheim. 1840.
9) Krebs, J. Ph., Lipsanotheca Weilburgensis. (Wiesbad.) 1820.
10) Bock, Fz., das heü. KOhi. 1858. Vgl. Kugler a. a. O. 2, 334.
11) Organ für christl. Kunst 1853 No. 19—23. Vgl. Kugler a. a. O. 2, 329.
12) Weiss, C, der Schatz des regulirten Chorherrenstiftes zu Klostemeuburg in
Niederösterreich, in den Mittheil, der k. k. Central-Commission eto. 1861. 6, 233 ff.
142 Reliqui ennftrge .
Anmerkung. Unter Zuhilfenahme alter Schatzverzeichnisse*)
und der mit Abbildungen versehenen Heiligthumsbücher*) des XV .
und XVI. Jahrh. lassen sich die Reliquiarien der Form nach etwa auf fol-
gende Klassen zurückführen :
1. Hierotheken in der Grundform eines viereckigen Kastens: Särge,
Kästchen, Pulte, Bücher, — Schachteln.
a. Behältnisse, welche für einen oder für einige ganze Körper bestimmt
sind; sie kommen vor unter der allgemeinen Bezeichnung Kasten (capsa,
im mittelalterlichen Deutsch vom VIII. bis XV. Jahrh. chaftta, kafo, caps,
cAetfsa, cAe/sa, chephsa, kafoe, kefs; franz. chd^se) , Kiste (cisia) ^ Lade
(coffra), Schrein {scrinium, arca), Sarg [tumba, feretrum, {r&nz. ßerte) , von
etwa 4—6 F. Länge, IV^— 2 F. Breite, 1%— 4 F. Höhe, länglich vier-
eckig, nach Art der antiken Sarkophage mit djichartigem Obertheil, also in
der Form eines Hauses oder einer Kirche, selbst in der Grundform des latei-
nischen Kreuzes oder gar mit niedrigeren Seitenschiffen unter Pultdächern
und analog dem Baustile der betreffenden Zeit : in der späteren gothischen
Periode mit Strebepfeilern und Maasswerkfenstem f Blenden) . Der Kasten
selbst ist aus Holz , mit vergoldetem Metallbiech (Silber oder Kupfer) über-
kleidet, welches mit getriebenen Reliefs (auf den Langseiten gewöhnlich mit
den sitzenden Figuren der Apostel etc. , auf den Giebelseiten mit dem seg-
nenden Christus und der Gottesmutter, auf den Dachschrägen mit Compo-
sitionen aus der biblischen Geschichte oder aus der Legende des betreffenden
Heiligen) , mit Email und cdelen Steinen oder Glasflüssen geschmückt ist.
Auf dem First und an den Giebelschenkeln zieht sich ein durchbrochener
Dachkamm hin, der auf den Ecken und in ebenmässigen Abständen Kugeln
oder Knäufe (häufig aus Krystall verfertigt) trägt. Von solchen glänzenden
Meisterwerken der beschriebenen Art, die in anderen Gegenden sich nur
selten erhalten haben , ist in den Rheinlanden noch eine reiche Anzahl aus
der Zeit von etwa 1150 bis 1250 vorhanden: im Münster zu Aachen der
Kasten mit den Gebeinen Karls des Grossen (der grosseste von allen, 6 F.
1 ) Unter den SchatEverzeiohnissen deutscher Kirchen , deren Bock in seinem
t> heiligen Köln« mehrere publicirt und erläutert hat, ist besonders wichtig das reich-
haltige , von demselben Gelehrten in den Mittheil, der k. k. Central - Commission
]S59. -1, 23S ff. mit Anmerkungen veröffentlichte »Inventarium ecelesiae Pragefiiam
von I3S7, weil in demselben die ReliquienbehAlter nach ihren Formen in verschie-
dene Kubriken getheilt und mindestens alle Hauptklassen repr&sentirt sind.
2) Dergleichen Heiligthumsbücher existiren von Würzburg , gedr. zu Nürnberg
1 483 (vgl. N i e d e r m a y e r, Antir. , Kunstgesch. der Stadt Wirzburg S. 2.*{9 ff. ) , Nürn-
berg, gedr. daselbst 1-1^7 u. 1493, Bamberg, gedr. zu Nürnberg 1493 u. 1509, An-
dechs, o. J., gedr. zu Wessobrunn, Wien, gedr. ebd. 1502, 1512 u. 1514, Wittenberg,
gedr. ebd. 1509 fabgedr. mit dem Hallischen zusammen durch Wolfg. Franzius,
Wittenberg HJls und Halle, gedr. ebd. 1520 (abgedr. bei Dreyhaupt a. a. O.
S. S53ff.j Vgl. Heller, Jos., das Leben und die Werke Lucas Cranachs (Bamb.
1821! S. 312 — 309. — Als in Halle die Reformation die Oberhand gewann, wurden
die Heiligthümer von da nach Mainz versetzt; vgl. Merkel, Jos., der Mainzer Dom-
schatz, in flithochrom.) Abbildungen nach einem in der Hofbibliothek zu Aschaffen-
burg befindlichen Miniaturwerke aus dem XVI. Jahrh. 1^4^. — Die vorgenannten
» Jfeiliffthumsbächem sind sehr selten; Exemplare derjenigen des XVI. Jahrh. besitzt
da» königl. Kupferstichcabinet zu Berlin.
Reliquiensärge.
143
4%Z. lang, 1 F. 10% Z. breit und 2 F. I1%Z. hoch) um 1166—1215*)
und der Kasten »ad laudem h. Virginisa mit den vier grossen Reliquien (in
fii>n
:-l-KJ.
sYä
m
im
,_L--."
Fig. 51. Kasten Karls des Grosi^en zu Aachen (nach aus^m Weerth).
Länge und Breite etwas geringer, aber mit Querschiff) nach I 2*20 *} ; meh-
rere in Co In, vor allen der Kasten der heil, drei Könige im Dom (mit
Seitenschiffen versehen, 5% F. lang und A% F. hoch, der höchste von
allen) aus dem XII. Jahrh., aber öfter und zuletzt nach einem Diebstahl der
glücklich wieder aufgefundenen Metallbcklcidung im J. 1827 restaurirt ') ;
ferner in St. Ursula der Kasten der Titelheiligen (nur 3% F. lang, mit runder
Bedachung und entsprechenden Giebellünetten) aus dem XII. Jahrh. *) und
noch zwei andere in dem alten Altaraufbau (s. oben S. 110), beide beschä-
digt , und der eine schon gothisch ; in St. Maria in der Schnurgasse der
Kasten des heil. Albinus vom J. 1 186 *) und der des heil. Maurinus , um
1200 *) ; endlich in St. Severin der beschädigte Schrein dieses Heiligen. '')
In der Kirche zu Deutz der Kasten des heil. Heribert, XII. Jahrh.®] ; in
der Pfarrkirche zu Siegburg der Kasten des heil. Anno und noch zwei
grössere romanische, ein gothischer und einige kleinere romanische Kästen®) ;
in der Kirche zu Kaiserswerth der Kasten des heil. Suidbert und
seines Gefährten Willeikus, um 1264 und noch romanisch*®) ; im Hoch-
altar des Doms zu Xanten der Kasten des heil. Victor aus dem XII.
1) Zuerst publicirt von aus'm Weerth a. a. O. Taf. XXXVII. 1 — le. Vgl.
Kftntzeler, P. St. , der die Gebeine Karls des Grossen enthaltende Behälter isöO.
2) Abbild, bei Ca hier, Mölangcs d'Arch^ol. Vol. I Taf. \—'.\ u. bei aus*m
Weerth a. a. O. Taf. XXXVI. 1—7.
3) Bock, das heU. Köln. Taf. XI. 44 u. Taf. XII. 44 a. Vgl. J.P.N. M. V(ogel},
Samml. der prächtigen Edelgesteine , womit der Kasten der h. 3 weisen Könige etc.
(Bonn 17S1).
4) Abbild, bei Bock ebd. Taf. VII. 2S.
5) Abbild, ebd. Taf. XXXVU. 107.
6] Abbild, ebd. Taf. XXXVIU. 108.
7) Abbild, eines Emails ebd. Taf. XLI. 114.
8) Abbild, ebd. Taf. XXIV. 86.
9) Skizzirte Abbild, im Organ für cbristl. Kunst 1853, artist. Beilage zu No. 23.
10) Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. XXX.
1 44 Keliquiensfirge.
Jahrh. (mit älteren Bestandtbeilen) *) ; in der Stadtbibliothek zu Trier ein
emaillirter Kasten aus dem XII. Jahrb. — Aus spätgotbischer Zeit ist der
über 4. F. lange Makkabäerkasten in St. Andreas zu Co In ganz mit figu-
renreicben Reliefs aus der Geschichte dieser alttestamentlichen Märtyrer
bedeckt^), sowie der Schrein des Titelheiligen in St. Emmeram zu Regens-
burg (vom J. 1423). — Dem Reichthum der niederrheinischen Gegend
schliesst sich Westfalen an, doch sind die Maasse der vorhandenen
Kästen meist bedeutend geringer und rühren erst aus spätromanischer und
gothischer Zeit her : im Dom zu Minden ein kleiner, aber prächtig ornamen-
tirter roman. Kasten , in der Johanneskirche zu Herford ein ähnlicher und
in der Kirche zu Beckum ein grösserer spätroman. Kasten, fünf Kästen im
Dom zu Osnabrück, unter denen zwei (die der heil. Crispinus und Crispi-
nianus) romanisch, ein etwa 5 F. langer (der heil. Regina) frühgothisch,
ein kleiner im ausgebildet gothischen Stil , mit Strebepfeilern und Maass-
werkfenstem, und der ähnliche Cordulakasten aus dem XV. Jahrh. ; endlich
der Patrocluskasten (über 5 F. lang und mit Querschiff; meisterhaft ih der
Architektur, weniger in den vielen Figuren) vom J. 1313 aus dem Dome zu
Soest auf der Kunstkammer im N. Museum zu Berlin, ein kleinerer Kasten
in der Kirche zu Rhynern von 14 57 und ein noch kleinerer aus dem XVI.
Jahrh. in der Kirche zu Bochum. ^} — Den älteren Prachtsärgen reihen sich
zwei niedersächsische Beispiele im Dome zu Hildesheim an: der Epi-
phanius- und der Godehardskasten (letzterer besonders prachtvoll, aus der
Zeit um 1150). *) — Ausgezeichnet durch Material, Grösse (6 F. lang,
V/f F. hoch) und Kunstarbeit ist der Kasten der heil. Elisabeth in der ihr
geweihteA Kirche zu Marburg, aus der Zeit um 1300. *) — Der aus
Bremen stammende Kasten der h. h. Cosmas und Damian in der Michaelis-
kirche zu München hat die Form eines gothischen Domes. ^) — Der Sarg
des heil. Scbaldus von 1394 in der gleichnamigen Kirche zu Nürnberg
ist mit Rauten aus Silberblech beschlagen, mit über die Fugen gelegten
Goldstreifen,' in einfacher Hausform ohne architektonischen und bildnerischen
Schmuck. Aehnlich orhamentirt ist der Kasten des heil. Arsacius in der
Frauenkirche zu München und der Kasten, in dem seit 1424 die deut-
schen Reichsreliquien in der Spitalkapelle zu Nürnberg (vor Diebstahl ge-
sichert unter der Decke schwebend) bis zur Auflösung des Reiches aufbe-
wahrt wurden; vgl. die Abbild, im Anzeiger des german. Museums 1861,
zu Sp. 437.
In spätgotbischer Zeit wurden auch ganz in der Weise der mit Metall
bekleideten Prachtsärge dergleichen in vergoldetem und polychromirten
Schnitzwerke ausgeführt; wir nennen: einen Reliquienschrein in der
Spitalkirche zu Salzburg ^) , den Antoninaschrein in St. Johann zu
1) Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Bd. I. Taf. XVm. 1.
2) Abbild, bei Bock a. a. O. Taf. V. 23.
3) Ueber diese westfkl. Beispiele vgl. Lübke, W. , die mittelalterl. Kunst in
Westfalens. 405 ff.
4 ) Ungenügende Abbild, bei K r a t s, Dom zu Hildesheim. T^f. XU. 3 u. Taf. IX. 1 .
5) Abbild, bei Justi, C. \V., Elisabeth, die Heilige. 1S35) S. 240.
6) AbbUd. bei den BoUandisten (27. Sept.) 7, 428.
7) Abbild, in den Mittelalterl. Kunstdenkm. des Österreich. Kaiserstaates, her*
auflgegeb. von O. Heider und Rud.- v. Eitelberger. Bd. 1 Taf. XX.
ReUquienkftatchen. 145
COln *) f den Kasten des heil. Castor in der Stiftskirche zu Garden, einen
kleineren zu Brühl bei Bonn und drei grössere im Zither der Schlosskirche
zu Quedlinburg. ^} Berühmt ist der Ursulakasten im Johannes-Hospital zu
Brügge w^en der Malereien Ton Hans Memling in den Füllstücken ; er-
wähnenswerth auch ein ähnlicher Kasten in der Pfarrkirche zu Str&len (im
Clevischen) wegen der kostbaren Miniaturen aus dem Leben Christi an den
vier Seiten etc.
Der Gebrauch, die Reliquiensärge auf Bahren in den Processionen
herumzutragen, veranlasste auch die Kunst, dergleichen Schreine anzuferti-
gen, die, auf den Schultern von Clerikerüguren ruhend , von diesen schein-
bar getragen werden. Bahin gehört das kostbare, geg^n 4 F. hohe, aus
vergoldetem Silber gearbeitete, 90 Pfd. schwere nFeretruma^ aus dem XIV.
Jahrh. im Münster zu Aachen : es ruht auf vier Säulen, neben denen Engel-
\md Bischofsfig^en stehen. ') Auch in St. Cimibert zu Cöln ist ein aus ver-
goldetem Kupfer verfertigter Reliquienschrein aus dem XV. Jahrh. , den
vier Akoluthen- Statuen bahrenartig auf den Schultern tragen. ^)
b. Kleinere Kästen zur Aufnahme von Partikeln : Kästchen, Särg-
chen [capsulae, arculae, cistulae, ladulae, scrintola) von länglich viereckiger
Form, mit Schieb- oder Klappdeckel und Schloss , auch mit nach allen vier
Seiten walmartig gehobenem Deckel, oder als Diminutiva der grossen Kästen
in Haus- und Kapellenform ; aus Holz verfertigt und mit Elfenbein, mit
emaillirtem Metallblech, mit Zeug überzogen oder auch bemalt. Dergleichen
Kästchen sind noch in grosser Zahl vorhanden ; wir beschränken uns auf
einige Beispiele von den verschiedenen Varietäten.
Mit Elfenbeinplatten überzogene Kästchen aus {einem Holze, mit
Schiebdeckel imd Schloss, etwa 16 Z. lang, 6 Z. breit und 4 Z. hoch, wie
sich dergleichen z. B. in der Elirche zu Cranenburg bei Cleve und im Dome
zu Xanten '^j vorfinden , scheinen in Italien (wo sich ein ganz übereinstim-
mendes Kästchen im Museum zu Arezzo befindet, ein ähnliches auch im
Capitular- Archive zu Cividale) •) allgemein gewesen, und als Behältnisse
zum Reliquientransport nach Deutschland gekommen zu sein. Die Relief-
darstellungen antiker Kämpfe, mit denen sie versehen sind, könnten auf
hohes Alter deuten; die aus Sternchen in Runden bestehende Verzierung
bietet zu näherer Bestimmung der Entstehimgszeit keinen Anhalt. Gleichem
Zwecke dürfte ein ähnliches in St. Gereon zu Cöln befindliches , mit einer
beinartigen Masse bekleidetes Kästchen ^) gedient haben, sowie ein anderes
in St. Andreas daselbst ®), beide mit einander verwandten eingravirten Orna-
menten, ersteres überdies mit einer arabischen Inschrift, also sicher orienta-
lischen Ursprungs und wohl aus der Zeit der Kreuzzüge. Einfacher Art
1] Abbild, bei Bock a. a. O. Taf. XXXII. 9S.
2) Vgl. Kugler, Kl. Schriften I, 638.
3) Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. XXVIII. 1 u. in den Mittheil, der
k. k. Central-Commission etc. 1859 Bd. 4 Taf. VHI.
4) Abbild, bei Bock a. a. O. Taf. XV. 56.
5) AbbUd. bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. VI. 8— 8c u. Taf. XVH. 2— -Zb.
6) Abbild, in den Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. 1859. Taf. zu 4, 325.
7) Abbild, bei Bock a. a. O. Taf. I. 5.
8) Abbild, ebd. Taf. IV. 22 ; b. den umstehenden Holzschnitt.
0 1 1 e , Kuntt- Arch&ologie. ] Q
146 Beliqtiien - Kflsten,
sind zwei Kästchen im Dome zu Merseburg , von denen das eine mit roma-
nischen Ornamenten bemalt (ersichtlich aber aus einem älteren ähnlichen
Kästchen umgearbeitet) , das andere mit einem gewebten Stoffe überzogen
ist. Sehr wahrscheinlich wurden dergleichen Kästchen in Byzanz und Italien
zu beliebigem Gebrauche verfertigt und an den Markt gebracht , wo sie zur
Verpackung von Reliquien gekauft wurden. Auch aus späterer Zeit kommen
in den Kirchen Kästchen vor, die ursprünglich für profane Zwecke bestimmt
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Fig. 52. Reliquienkftstchen in St. Andreas zu Cöln (nach Bork).
waren, z. B. in St. Ursula zu Cöln ein Paar sehr zierliche mit Liebesscenen
geschmückte Elfenbein -Toiletten aus dem XIV. Jahrb., Reliquien der Titel-
heiligen enthaltend. *) Von einigen anderen, älteren, mit Stickerei überzo-
genen Kästchen (mit abgewalmtem Deckel) daselbst *) ist die ursprüngliche
Bestimmung zweifelhaft ; dagegen erscheinen zwei im Zither zu Quedlinburg
befindliche mit figürlichen Reliefs geschmückte Elfenbeinkästen (No. 6 mit
Benutzung älterer Reliefs wahrscheinlich im XL Jahrb., das andere, No. 7,
inschriftlich gegen das J. 1200 verfertigt) bereits ursprünglich als Reliquiarien
gearbeitet. ')
Unter den mit Metallblech überkleideten Kästen (mit gehobenem Deckel)
haben sich einige sehr alte Exemplare erhalten : ein Reliquienkästchen in
orientalischer Emailarbeit , aus Constantinopel stammend , der griechischen
Inschrift zufolge aus der Zeit um 963, im Schatze des Doms zu Lim-
bui^ a. d. Lahn *) ; der Schrein des heil. Willibrord im Münster zu Em-
merich (mit Mansardendach ähnlichem O bertheil) , dessen Abstammung aus
dem VIII. Jahrh. gegründetem Zweifel unterliegt, der aber (abgesehen von
späteren Veränderungen) spätestens ins XL Jahrh. zu setzen sein wird *) ;
ein aus Erz gegossener hausförmiger Kasten mit figürlichen Reliefs auf den
Seiten- und Dachflächen in den Vereinigten Samml. zu München. •) Aus
dem XII. u. XHI. Jahrh. haben sich emaillirte Kästchen in Kapellenform
verhältnissmässig häufig erhalten und scheinen förmlich fabrikmässig am
Rhein und in Limoges verfertigt worden zu sein ; wir nennen nach den vor-
l) Abbild, bei Bock a. a. O. Taf. VI. 27. 2) Abbild, ebd. 26.
3] Vgl. Kugle r a.a.O. 1,627. — Abbild, bei Steuerwaldt u.Virgina.a. O.
Taf. 25—31. uio «^ 'wr^^ '»A> K ail/*,.f> f f : 5 I- " r", '.- i. .C v^/U C^^ •
4) Abbild, bei Ib ach, Reliquaireby'zantine de Llmboarg-sur- Lahn. Paris. 185S.
als besonderer Abdruck aus den Annales arch^ol. 17, 337 u. is, 42. 125.
5 Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. II. 9 u. III. 1. 2.
6 Vgl. Sighart, Gesch. der bild. Künste in Bayern 1, 121.
Pulte und Schachteln. 147
liegenden Abbildungen : ein Kästchen im Domschatze zu Prag *), drei andere
in Klöstern euburg ^> , ein ähnliches in der Kirche zu Gerresheim ') uad im
Stadt. Museum zu Cöln ; einige gothische im Museum zu Basel. *)
Minder kostbar als diese waren vergoldete und polychromirte, in Schnitz-
werk ausgeführte Holzkästchen, wie sich einige, in gothischen Arghitektur-
formen gebildet, mit Zinnenkrönung und abgewalmtem Öbertheil, im
Museum zu Klosterneuburg befinden. ^) Prächtiger ausgestattet ist eine
schwarze Holzkiste im Münster zu Aachen (XIII. Jahrh.} , welche mit
Emailmedaillons und Wappenschildern geschmückt erscheint. ^)
c. Den Reliquienkästchen reihen sich an die Behälter in Form eines
Setzpultes ipulpiium), wie dergleichen auf Altären zum Auflegen des
Messbuches gebräuchlich waren. — Das n silbern PuJpia im Hallischen Hei-
ligthumsbuche (Gang VI. 13) war auf der schrägen Fläche mit einem Fen-
ster versehen, durch welches man die Reliquien sah. Auch die Schlosskirche
zu Wittenberg besass nach dem dortigen Heiligthumsbuche ein solches Re-
liquienpult. — Häufiger als diese , wohl erst der Spätzeit angehörig waren
die Behälter in Form eines Buches in Prachtband (s. oben S. 136) , an
denen der HaUische Dom vorzugsweise reich war. ȀVi silbern vbergult
Plenariuma kommt Gang I. 5. 6. 1, Gang II. 17.19 und Gang V. 17 vor.
Zuweilen mochten es wirkliche Messbücher sein , in deren Deckeln kleine
Reliquien geborgen waren. — Das Stift Brewnow in Böhmen besitzt eine
solche Theka von 1406.
Als Nebengattung der viereckigen Kästchen sind die minder häufig
vorkommenden ovalen Schachteln zu nennen, deren sich einige im Zither
zu Quedlinburg befinden. Im Chore des Domes zu Cammin wird ein ovaler
Kasten (1»/, F. lang, 13 Z. breit, UZ. hoch) aufbewahrt, dessen Elfen-
beinbekleidung mit Bestiarien und Rankengew in den verziert ist. ^] Der
Schatz des Domes in Xanten bewahrt eine aus Eichenholz gefertigte, mit
Silberblech überzogene Reliquienschachtel aus dem XII. Jahrh. ; die vergol-
dete Wandung zeigt getriebene Heiligenbrustbilder, der gewölbte Deckel
biblische Darstellungen in Niello. ®j
2. Cylindrische Behältnisse : Büchse ipyxis, Capsula), Thurm [tur-
ris), Tabernakel {tabemaculum) . — Diese drei Arten von Hierotheken,
welche als Gefösse und Gehäuse zur Aufbewahrung der Eucharistie (s. unten
§. 46) mit einander verwandt sind, stellen wir auch als Reliquienbe-
halter zusammen , weil durch Uebertragung der architektonischen Formen,
wie aus dem viereckigen Kasten die Capeila , so aus der runden Büchse mit
zeltförmigem Deckel der Thurm, und aus letzterem in ^er Gothik das Taber-
nakel hervorgegangen ist.
1) Abbild, in den Mittelalter!. Kunstdenkm. des Österreich. Kaiserstaates etc.
Bd. n. Taf. XII (Farbendruck).
2) Abbild, in den Mittheil, der k. k. Central-Comimssion etc. 1861. 6, 239.
3) Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. XXXI. 8.
4 ) Abbild, in den Mittheü. der Gesellsch. für vaterlÄnd. Alterth. in Basel IX, 1 6 f.
5< Abbild, in den Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. a. a. O. S. 241 f.
6) Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. XXXVIL 4.
7 Vgl. Kugler, Kl. Schriften 1, 782.
h' Abbild, bei aus'm Weerth Taf. XXXVII. 4 u. 4a.
10*
148 Reliquien • Büchsen
a. Unter den aus allen Jahrhunderten zahlreich erhaltenen runden
Büchsen, Kapseln und Dosen aus Bein, Metall, Stein und Holz, die zu
dem verschiedensten kirchlichen Gebrauche, als Ciborien, Hostienschachteln
Fig. 53. Elfenbcinbüclise in St. Gereon zu Cöln (nach Bock).
und Salbbüchsen gedient haben mögen und gelegentlich auch als Reliquiarien
benutzt worden sind, erregen besonderes Interesse gewisse cylindrische
Elfenbeinbüchsen, aus dem unteren Theile eines Elephantenzahnes ausge-
höhlt und daher von etwa 4*/, bis 6*/, Z. Durchmesser, bei 3 bis 4 Z.
Höhe ; sie sind mit Reliefs verziert , die in sehr alterthümlicher , bisweilen
auch roher Weise entweder aus dem antik heidnischen (Büchse im Dom zu
Xanten *) ) oder aus dem altchristlichen Bilderkrdse (Büchse in der Kunst-
kammer des N. Museums zu Berlin *) , 5 dergleichen im Besitze des Herrn
F. Hahn in Hannover')) entnommen sind, und haben alle wesentlich glei-
chen Typus. Die flachen, mit Schloss versehenen Klappdeckel derselben
gehören regelmässig einer etwas späteren Periode an , und daran vorkom-
mende Spuren lassen erkennen, dass diese Büchsen zum Aufhängen (an der
Pertica vor dem Altare; s. oben S. 139) bestimmt waren, insofern also als
Reliquienbehälter gelten können. — Im Heiligthumsbuche des Doms zu
Halle kommt (Gang IX. 7) eine achteckige, mit hohem, abgewalmtem
Deckel versehene » htlffenbein Buchse mit viel alt gegrabenen Bilden o (ohne
Zweifel mit hölzernem Kerne) vor , welche nach ihrer Omamentation und
den eingefügten Relieftäfelchen in die Kategorie der oben angeführten Elfen-
beinkästchen zu Xanten, Craneburg etc. zu gehören scheint. Das sogen.
Ciborium des heil. Wolfgang in St. Emmeram zu Regensburg ist eine acht-
eckige mit Elfenbein belegte Holzbüchse mit p3rramidalem Deckel und mit
Apostelfiguren in byzantinischer Weise geschmückt. — Im Schatze von St.
1) Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. XVII. 1.
2) Vgl. Kugler a. a. O. 2, 327.
3) Hahn, Fr., Fünf Elfenbeinge^se des frühesten M. A. 1862, mit AbbUd.
lind Thürme.
149
Gereon befindet sich eine runde Elfenbeinbüchse mit zeltartig gehobenem
Deckel ^), deren eingravirtes Ornament und arabische Inschrift ihren orien-
talischen Ursprung aus der Zeit der Kreuzzüge enveist ; auch diese war zum
Aufhängen eingerichtet. Unzählige andere Beispiele aus späterer Zeit über-
gehen wir.
b. Die Ausgestaltung der cylindrischen Büchse zu einem runden oder
polygonischen Kuppelthurme scheint sich durch Uebertragung der For-
men des byzantinischen Centralbaues vermittelt zu haben und aus der mor-
genländischen Kirche zu stammen. Das Reliquiarium mit dem Kopfe des
beil. Anastasius im Schatze des Aachener Münsters ''^) zeigt einen quadrati-
Fig. 51. Roliqoienbehftlter des heil. Anastasius im Münster zu Aachen.
sehen, mit Apsis und kielbogigen Flügelthürchen versehenen Unterbau, aus
dessen Mitte sich ein runder, mit einem (erneuerten) Kreuze gekrönter
Kuppelthurm erhebt. Der orientalische Ursprung dieses 15 Z. hohen imd
halb so breiten silbernen , theilweise vergoldeten und mit schwarzem und
1) Abbild, bei Bock a. a. O. Taf. I. 2; 8. den Holzschnitt Fig. 53.
2) Abbild, in der Zeitschr. für chriatl. Archäol. u. Kunst 2, 130 u. 132 (woher
wir den Holzschnitt entlehnen} ; auch bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. XXXIV. 5.
152
Arme und andere Glieder.
(ebd. VIII. 10) mit zwei Röhren der heil. Ursula einen Pfeil u. s. w. —
Auch diese Art von Reliquiarien war sehr häufig ; wir nennen zwei Arme
in St. Gereon, zwei andere in St. Cunibert zu
Cöln ') y der Arm Karls des Grossen im Münster
zu Aachen , zwei Arme im ehemaligen Kloster zu
Mettlach (XV. Jahrh.) , ein Arm aus dem XVI.
Jahrh. im Domschatze zu Regensburg, ein Arm
in St. Mauritz zu Münster, vier geharnischte Arme
im Zither zu Halberstadt. — Hölzerne polychro-
mirte Arme kommen noch oft vor, z. B. in mehre-
ren Kirchen von Cöln.
<?. Finger: Ein silberner vergoldeter Finger,
mit einem Finger des heil. Vincentius, auf einem
Ständer befestigt, im Hallischen Heiligthume,
Gang VI. 38.
d. Füsse ipedes) scheinen nur selten vorge-
kommen zu sein. Im Basler Münster befand sich
im J. 1511 ein n Pes Innocentium argentetis, oma-
tus pluribus prectosis florihus , sians in una cistula
lipnea deargentataa. ')
e. Einzelne grössere Gebeine in Metall ge-
fasst , mit einem Fusse zum Aufstellen versehen ;
z.B. eine Rippe des heil. Sebald, quer auf einem
durch Laubwerk gebildeten hohen Fusse befestigt,
im Wittenberger Heiligthumsbuche (S. 23) , eine
Rippe der heil. Ottilie, ähnlich gefasst, im Hal-
lischen Heiligthume (Gang VIII. 35) , eine Arm-
röhre der heil. Wilhilde, auf zwei niedrigen Füssen ruhend (ebd. 26) u. a. m.
— Ein in dieser Weise spätgothisch gefasster Wirbelknochen befindet sich
im Besitz des Abts Zeidler in Prag.
5. Bilder (imagines) , d. h. Statuetten derjenigen Heiligen, deren
Reliquien darin enthalten waren , aus Metall getrieben oder hoM gegossen,
auch aus Holz geschnitzt und von verschiedener Grösse. Gewöhnlich war
hinten ein Thürchen angebracht zxim Hineinlegen der Reliquien , oder man
gab letztere, besonders wenn sie zu den Marterwerkzeugen des betreffenden
Heiligen gehört hatten , der Figur in die Hand oder verschloss dieselben in
einem kleineren , zierlich gearbeiteten Behältnisse , welches die Statuette in
der Hand hielt. Auch wurden Reliquien in dem Postament der Statuen ge-
borgen. Solche Bilder, die ehemals sehr häufig waren (die Schlosskirche zu
Wittenberg besass über 30 , der Dom zu Halle über 40) sind wegen ihres
bedeutenden Metall werthes selten geworden. Das älteste und kostbarste
unter den erhaltenen ist die sitzende Madonna mit dem Kinde (28 Z. hoch,
aus Goldblech über einem hölzernen Kerne) aus der Zeit K. Otto's 11. im
Schatze des Münsters zu Essen. *J Eine aus Silber getriebene frühromanische
Fig. f>0. Arm In St. Cunibert i\\
Cöln (nach Bock).
1) Abbild, bei Bock a. a. O. Taf. II. 7. 8. Taf. Xni. 53.
2) Mittheil, der Gesellsch. für Vaterland. Gesch. in Basel IX, 21.
3) Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. XXIV. 5.
Statuen. — Kreuze. J53
sitzende Statuette des heil. Petrus in der Johanniskirche zu Osnabrück.
Eine ausgezeichnete Arbeit des XV. Jahrh. ist die mit dem Untersatz 2 F.
hohe aus Silber getriebene und vergoldete Statuette des Ap. Petrus (mit
einem Stück seiner Kette in der rechten Hand) im Münster zu Aachen ^),
zu erwähnen auch die vergoldete aus Kupfer getriebene Figur der Madonna
in St. Maria in der Schnurgasse zu COln (XV. Jahrh.) ^) , sowie das Bild
des heil. Sebastian (aus gleichem Stoffe) vom Beginn des XVI. Jahrh. im
Domschatze zu Regensburg u. a. m. — Der Dom zu Bamberg (Heiligthums-
buchy Qang VIII) besass die silbernen Bilder mehrerer nackten Kinder,
von einem Schwerte quer durchstochen, mit Reliquien der unschiddigen
Kindlein.
Den ToBildema sind beizuzählen die zuweilen vorkommenden plastisch
ausgeführten Gruppen^ z. B. der Oelberg im Wittenberger Heiligthimis-
buche S. 75.
6. Behältnisse, welche durch ihre Form auf die in denselben enthalte-
nen Reliquien oder auf die Legende des betreffenden Heiligen deuten.
a. Kreuze und Crucifixe als Behältnisse von Partikeln des wahren
Kreuzes , von den colossalen Triumphkreuzen bis zu den als Amulets ge-
tragenen Schmuckkreuzen : in so unzähliger Menge, dass ziemlich die mei-
sten Kirchen der Christenheit nach und nach in den Besitz solcher Partikel-
kreuze gelangten. — Schon gleich nach der Erfindimg des wahren Kreuzes
gerieth die Kaiserin Helena auf den Gedanken dasselbe zu zertheilen , um
daraus theils eine Reliquie für die Kirche des heil. Grabes in Jerusalem , so
wie für die des heil. Kreuzes in Constantinopel , theils ein Phylakterion
(Amulet) für ihren Sohn Constantinus zu machen. Damit war die Loosung
zur weiteren Theilung gegeben , und schon dreissig Jahre später bezeugte
Cyrülus von Jerusalem , dass die ganze Welt mit Partikeln des Kreuzholzes
erfüllt sei. ') Je mehr aber die Sehnsucht nach dem Besitze solcher Kleinodien
zunahm, desto kleiner wurden die Partikeln, so dass zuletzt nur noch Splitter
Übrig blieben , und zwar in so unendlicher Menge verbreitet , dass die Au-
thentidtät derselben einmal vorausgesetzt, diese VervielMtigung nur auf
wunderbare Weise geschehen sein könnte* *) — Die Sitte aber, die Parti-
keln in ein Behältniss von Kreuzform zu legen, lässt sich schon im VI.
Jahrh. nachweisen ^j und herrschte das ganze M. A. hindurch , obgleich
1) Abbüd. bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. XXXVIII. 11 ; vollständiger in
den Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. 1859. 4, 243.
2) AbbUd. bei Bock a. a. O. Taf. XL. 1 12.
3) Vgl. die Beweisstellen bei Au gu st i, Denkwürdigkeiten 12, JOOu. 105.
4) npraffmenta iigni enteis tarn multa , utt 9% in aeervum redig antur^ vixuna
nams onerarta vehat.« Cf. Erasmi Roterodam., Annot. ad evang. Matth. 23, 25.
5) Gregor der Grosse schickte dem KAnige Adalowald •ßlateria , id est crucem
cum ligno sanetae crueiso. Vgl. Du Gange, Gloss. 7, 109 (ed. Didot) bei Texler,
Bictionnaire d'orf^vrerie Sp. 8^3. Das Wort filateria {(fvXaxTtjgiov), welches bei den
Griechen ausschliesslich Amulets in Kreuzform bezeichnet zu haben scheint, die man
um den Hals gehängt trug , und in diesem Sinne auch bei Gregor dem Grossen zu
nehmen ist, war später ganz allgemeine Bezeichniuig eines kleineren Reliquienbehäl-
ters, vielleicht eben deshalb, weil man solche ebenialls (an der Pertica, s. oben S. 139)
aufzuhängen pflegte. Durandi Hationale 1. 1 c. 3 n. 26: i>PhylaUeria vero est
vaseuhtm de argeiUo, vei auro, vel etystallo, vel ebore et hujusmodif in quo eanctorum
eineres vel reliquiae recanduntur.«
154 Attribute
man auch andere Reliquien mit hineinlegte. — Dass die Reliquienkreuze in
vielen Fällen mit den Altar- und Vortragekreuzen zusammenfallen, ist be-
reits oben S. 114 bemerkt, und viele von den dort beispielsweise angefahr-
ten Kreuzen enthalten zugleich Reliquien. — Das älteste vorhandene Exem-
plar dürfte das kleine Pectoralkreuz (von 2V4 Z. Höhe im Münster zu
Aachen sein, mit der in Goldblech, Perlen und Steinen gefassten, offen
liegenden Partikel, wenn dasselbe wirklich aus dem Orabe Karls des Grossen
herrührt ; die jetzige Umhüllung desselben aus vergoldetem Silber erscheint
jünger. ^) Sehr bedeutend durch materiellen und künstlerischen Werth ist
das Bemwardskreuz in der Magdalenenkirche zu Hildesheim , vom Schlüsse
des X. Jahrhunderts. Es ist auf der Schauseite mit einer starken Gk>ldplatte
belegt, in welcher viele Edelsteine gefasst sind. Dieses Kreuz wurde nur
an seltenen Festen ausgestellt und ist zu dem Ende unten mit einem eisernen
Stachel versehen. *) — Als ein zum Vortragen bestimmtes , inschriftlich
ausser der Partikel des Kreuzholzes noch viele andere Reliquien bergendes
Prachtkreuz nennen wir noch das Doppelkreuz, vom mit Gold-, hinten mit
Silberblech belegt , in der Abteikirche zu Burtscheidt aus dem XIII. Jahr-
hundert. *)
Auch Partikeln von dem Kreuze , an welchem der Ap. Andreas ge-
storben , legte man in kreuzförmige Umfassungen : ein solches Kreuz aus
guter gothischer Zeit (zum Theil erneuert) befindet sich im Domschatze zu
Regensburg.
Als complicirte Reliquienb^hälter sind die sogen. Heiligen Gräber zu
bezeichnen , wo der Fuss des Crucifixes die Gestalt eines in den üblichen
Architekturformen gebildeten kleinen Sarges hat. Ein theilweise aus ge-
diegenem Golde gearbeitetes Exemplar dieser Art aus dem XV. Jahrh. be-
sitzt das Museum zu Basel. ^)
b. Die verschiedensten Behältnisse in Form der Attribute oder
Symbole der betreffenden Heiligen, oder in solchen Formen, die an deren
Legenden erinnern. Es ist jedoch hiebei zu bemerken, dass, wenn ein sol-
ches Modell erst einmal für die Reliquien eines bestimmten Heiligen er-
funden war, es oft auch nachgeahmt und als Reliquiarium ohne die ursprüng-
liche Beziehung benutzt wurde. — Wir nennen aus dieser Klasse :
Ein silbervergoldeter züngelnder Drache, als Attribut der heil. Mar-
garethe , mit einer Reliquie vom Fusse dieser Heiligen , im Würzburger
Heüigthumsbuche (vgl. Niedermayer, Kunstgesch. der Stadt Wirz-
burg S. 239).
Eine Fahne, mit Perlen durchstickt, y^doryn sein II stück von S. Moritz
fane, II stück von S, Georgen /ans» im Hallischen Heiligthumsbuche , Gang
VI. 40. — Ausserdem ein anderes »Banira, dessen Tuch von dem Panier
des heil. Moritz herstammte, mit Reliquien dieses Heiligen und anderer
Ritter der thebaischen Legion in dem silbernen Fahnenstocke (Ebd. 2).
1) Abbüd. bei auB'm Weerth a. a. O. Taf. XXXVHI. 2.
2) Abbild, bei Krats a. a. O. Taf. IV. 1.
3) Abbüd. bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. XXXIX. 7. 8.
4) Photogr. Abbild, in den MLittheil. der Geaellsch. für vaterlftnd. Altarth. in
Basel IX, 18.
und Symbole. 155
Eine thOnerne Lampe der heil. Elisabeth, in einer dieselbe Form
genau nachbildenden silbernen Kapsel, befindet sich im Stifte Tepl in
Böhmen.
Ein geflügelter Löwe, als Symbol des Evangelbten Marcus, mit Re-
liquien desselben, im Wittenberger Heiligthumsbuche S. 56.
Eine aus Kry stallwanden zusammengesetzte Mitra von 1378, als Um-
Schliessung der Infal des heil. Eligius , im Besitz der Qoldschmiedezunft
in Prag.
Ein silberner Pelican, der seine Jungen mit dem eigenen Blute nährt,
als Symbol der sich selbst opfernden Liebe , mit 1 1 Partikeln von heiligen
Bischöfen, im Hallischen Heiligthume, Gang VII. 3.
Ein silberner Phönix auf dem Scheiterhaufen, als Symbol der Un-
sterblichkeit, mit 16 Partikeln von heiligen Jungfrauen, ebd. VIII. 36.
Ein Hahn kommt im Wittenberger Heiligthumsbuche (Gang ü. 7)
und im Wiener (Gang VI) vor : es mag dahin gestellt bleiben , ob die Reli-
quiarien in der Gestalt dieses Thieres etwa auf den heil. Vitus zurückzu-
fahren sind, dessen Attribut der Hahn ist.
Ein silbern übergoldet Schiff (betakelt) mit Beziehung auf die Le-
gende der heil. Ursula, mit Reliquien derselben und ihrer Gefährten, auch
vom Mastbaum ihres Schiffes; Hallisches Heiligthum Vni. 11. — Reli-
quiarien in Form eines Schiffes waren auch sonst beliebt, sowohl im An-
schluss an die Weihrauchschiffchen, als auch an einen seit dem XIV. Jahrh.
häufig vorkommenden Tafelaufsatz für Salz und Gewürze in der Form eines
mit Masten versehenen Schiffchens.
Ein Schwert als Marterwerkzeug vieler Heiligen, z. B. das Schwert
in einer prachtvollen Scheide aus Golblech über einem Holzkörper (Xu.
Jahrb.), mit dessen Klinge die heil. Cosmas und Damian enthauptet worden
sein sollen *) , im Münsterschatze zu Essen. — Der Schatz des Doms in
Prag bewahrt das Schwert des heil. Stephan von Ungarn mit einem viel-
leicht aus jener Zeit stammenden Elfenbeingriff und spätgothischer Scheide,
die Kirche St. Georg in Cöln ein Schwert , welches ihr Titelheiliger geführt
haben soll, in Fassung aus dem XIV. Jahrhundert. ^) Ueberhaupt waren
Schwerter unter den mittelalterlichen Heiligthümem nicht selten : der Dom
in Halle besass ein Schwert, welches Leo X. dem Kaiser Maximilian, und
dieser an Albrecht von Mainz bei Uebemahme des Cardinalats verehrt
hatte ^Gang I. 2). Aus dem XVL Jahrh. stammt auch ein ähnliches Cere-
monialschwert im Domschatze zu Cöln , das den dortigen Erzbischöfen als
KurfQrsten vorgetragen wurde. ^)
Eine silberne Wiege mit Heiligthum von den Unschuldigen Kindlein,
im Schatze des Hallischen Domes (Gang VI. 25). — Auch im Prager
Schatzverzeichnisse von 1387 kommt ein »parvum eunahulum aureum totum
n^iliatumii vor, und im Stadt. Museum zu Cöln befindet sich eine kleine
veigoldete Wiege (XIV. Jahrh.). *)
] > Abbild, bei au8*m Weerth a. a. O. Taf. XXYIL 2.
2j Abbüd. b«i Bock a. a. O. Taf. XLVHI. 128.
3) Abbüd. ebd. Taf. XIL 46.
4) Vgl. MittheU. der k. k. Central^Commission etc. 1839. 4, 274.
156
Reliquientafeln .
7. Reliquientafeln [tabulae) . Unter der Bezeichnung t Tafeln fas-
sen die Schatzverzeichnisse alle mit Flachmalereien oder Reliefs geschmückte
Tableaux zusammen, in denen Reliquien enthalten waren, und die verschie-
denen Arten von grosseren oder kleineren Flügelschreinen, die als Reliquia-
rien in der griechischen Kirche vorzugsweise beliebt sind , werden zu dieser
Rubrik gezählt; es würde daher der im ehemal. Kloster Mettlach befind-
liche, bereits oben S. 109 erwähnte Schrank ebenfalls als i^verpoldeie TafeU
(in modum ladulae) aufgeführt worden sein. Bei den gemalten Bildern um-
schliesst gewöhnlich ein Prachtrahmen die Reliquien. Das Hallische Heilig-
thumsbuch enthält (anscheinend spätgothische) Tafeln in grosser Menge:
Goldschmiedearbeiten , Schnitzwerke in Elfenbein und Perlmutter und Male-
reien, meistens m der Form von Flügelaltärchen. Mehrere der letzteren
waren auf der Aussenseite der Flügel bloss mit Farben gemustert , wie die
schon oben (S. 112) in anderem Zusammenhange erwähnte Reliquientafel zu
Kirchlinde, andere auch mit Sammet überzogen etc. — Der griechischen
Kunst angehörig sind die Tafel des r>Theodolus Abhasn, von 17X15 Zoll, reich
mit Gold verziert und über den 1 3 , Reliquien Christi und der Apostel ent-
haltenden Feldern mit Krystallplatten bedeckt, angeblich aus dem XI. Jahrh.
im Zither zu Halberstadt ; eine mit Emails geschmückte Tafel im Dome zu
Limburg a. d. L. ') , eine andere, grössere (aus St. Maximin in Trier) im
Dome zu Prag , und eine Tafel im Schatze der Metropolitankirche zu Gran
in Ungarn ^j, sämmthch aus dem XIII. Jahrhundert. Von abendländischen
Künstlern rühren dagegen her drei Re-
liquientafeln im Stift Strahof zu Prag,
drei aus dem XIV. Jahrh. im Münster
zu Aachen etc. — Ausser den vier-
eckigen kamen auch runde Reliquien-
tafeln (rotulae) vor, und zwar wie viele
kleinere unter ersteren, von einem
leuchterähnlichen Fusse getragen : eine
romanische in Kremsmünster ^) , eine
gothische aus dem XIV. Jahrh. im
Münster zu Aachen. ^)
Zu den Reliquientafeln sind auch
die Kusstäfelchen oder Pacems
(oscula pacis , oaeulatoria , pacißcalia)
zu zählen , welche, seitdem der eigent-
liche Friedenskuss nicht mehr üblich
war, den Gläubigen, besonders den
Geistlichen vor der Communion wäh-
rend des Agnus Dei'zum Küssen dargereicht wurden und gewöhnlich Reli-
quien enthielten. Sie kommen aus Elfenbein und Marmor, meist jedoch aus
edlem Metalk vor: von viereckiger und gewöhnlich etwas gewölbter Form,
Fiy. 57. Gt'Bchnitxt« KuMUfelchen mit Sllber-
umrahmung in St. Gereon xu Cöln (nach Bock).
1) Abbild. inDidron, Annales arch^ol. 1857. Livr. 6.
2) Abbild, in dem Jahrbuche der k. k. Central-CominiEsion etc. 1S6]. 6, 65.
3) Abbild, in den Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. 3, 36.
4) Bock, Fz., der Keliquienschats 2U Aachen. S. 6iF.
SchangefilBBe.
157
oben bogenförmig oder mit einem Giebeldreiecke gekrönt , mit Reliefs aus
der heiligen Oeschichte , oft mit dem Ootteslamme geschmückt und an der
Rückseite mit einer Handhabe versehen. — In dem Hallischen Heiligthume
(Gang I. 17. 19. 30) fanden sich auch runde Pacems: zumeist sind sie mit
in einander rankenden Pflanzen umfasst, deren Stiele unten die Handhabe
bilden. — Kusstäfelchen aus romanischer Zeit sind selten *) ; spätere
gothische kommen noch vielfach vor, z. B. im Dom, in St. Gereon, St. Ur-
sula, St. Martin und St. Jacob zu Cöln. ^)
8. Monstranzen (mon^/ran^a«) , Sch&uge&LSse (ostensoria) sind die
zwar nächst den Kästen und Büchsen mit am häufigsten vorkommenden,
aber verhältnissmässig jüngsten Reliquienbehältnisse und so eingerichtet,
dass das Heiligthum sich in einem cylindrischen Gefässe aus Krystall oder
Glas befindet, und also gesehen werden kann, wie sich demselben Zwecke
dienende Vorrichtungen auch an vielen anderen Arten von Reliquiarien an-
gebracht finden : an Särgen und an den Fussgestellen der Bilder in Form
von vergitterten Oeffnungen [fenestrellae) , oder an
Kreuzen unter einem der Mitte eingefügten Krystall
(wie an dem oben S. 154 angeführten Bemwards-
kreuze zu Hildesheim) weshalb anscheinend in dem
Prager Schatz Verzeichnisse von 1387 die Kreuze
in der Rubrik nde monstrantiü a aufgeführt wer-
den. In diesem Sinne würde man also auch die
frühromanischen Krystallfiacons (in Metall gefasst und
zum Anhängen eingerichtet) , wie sich deren drei aus
der Zeit Otto's HI. , Reliquien enthaltend, im Zither
zu Quedlinburg ') befinden , sowie die mit Reliquien
gefüllten Krystallkreuze, wie der Schatz von St. Gereon
in Cöln ein solches (in noch romanisirender Form auf
späterem Fuss) ^) besitzt, in die Klasse der Schauge-
fasse zu setzen haben. Indess man versteht unter
Reliquienmonstranzen seit dem XIV. Jahrh. diejeni-
gen Hierotheken, wo ein senkrecht gestellter Krystall-
cylinder von einem , dem gothischen Kelchfusse glei-
chenden metallenen Ständer getragen und oben mit
einem Tabernakel in den mannichfaltigen Formen der
gothischen Architektur gekrönt wird. Ausser diesen
Tabernakel - Monstranzen kommen (im Hallischen
Heiligthumsbuche VI. 23 und VII. 18) auch solche vor, wo der wagerecht
liegende Schaucylinder mit Ranken und Blättern der Erdbeere umschlungen
ist : yt Monstranzen mit Erdheeren <t. Zwei andere Beispiele von der sonst sei-
fig. 58. SchAugefJtos in
8t. Martiii tu Cöln (nach
Bock).
1) 8. die Abbild, eines frflhromaniscben aus Elfenbein geschnititen Pacificale
bei Hefner- Alteneck, J. v., Trachten des christl. M. A. Abth. I. Taf. 95.
2) Abbild, bei Bock, das heil. Köln. Taf. I. 3. — VIH. 31. — XVH. 66. —
XXV. 89.
3) AbbUd. bei Kugler, Kl. Schriften 1, 633 f. — In den Act. 8. Quirin. (bei
Du Gange) wird erwfthnteine ^»quadrangularis argentea^ ut vocantj moetrada, m qua
wb vitro cryBtalUno eruor . . . inelueue eonÜMtur*. Vgl. Texier a. a. O. Sp. 1 199.
4) Abbüd. bei Bock a. a. O. Taf. I. 1.
1 5§ Reliquiengeschirre.
tenen wagerechten Fassung des Cylinders finden sich im Schatze von St.
Ursula zu Cöln. *) — Auch Monstranzen mit zwei oder drei Kristallen
neben einander kommen vor . sie werden im Würzburger Heiligthumsbuche
Fig. 59. Schaugefäss in St. Ursula zu Cöln (nach Bock).
fizwief aliig Cfi und rxlretyaltigea genannt. — Gewöhnliche Monstranzen sind
noch vielfach erhalten, z. B. zu Cöln, einfachere thurm förmige: in St. Se-
verin, im Dom, in St. Ursida und in St. Alban *), auch im Domschatze zu
Prag') ; mit reicherer Tabemakelkrönung in St. Cunibert, St. Martin und
drei in St. Columba *) zu Cöln etc.
9. Allerlei, mehr oder minder werth volle G^efässe, Geräthe und Ge-
schirre aus Stein , Glas , Metall etc. , welche im kirchlichen und häuslichen
Gebrauche sonst zur Aufiiahme von Flüssigkeiten dienen, als Schalen,
Becken, Gläser, Becher, Kelche, Kannen etc. Dergleichen kost-
bare Profangeräthe waren sehr wahrscheinlich häufig Geschenke an die
Kirchen *'^) und , da man sie hier nicht benutzen konnte , wandte man die-
selben als Reliquiarien an und richtete sie erforderlichen Falls zu diesem
Zwecke ein, indem man offene Gläser und Becher mit Deckeln versah,
gläserne auch zum Schutze mit ornamentirten Metallreifen umlegte. Pracht-
kelche , die man aus dem vorhandenen Vorrathe zu Reliquiengefössen er-
wählte, verdeckte man mit der dazu gehörigen Patene, und brachte zuweilen
mehrere Scheidewände und Fächer im Innern derselben an etc. Die Heilig-
thumsbücher enthalten viele Beispiele. — Auch andere ursprünglich zu
liturgischem Gebrauche bestimmte GefSsse kommen als Reliquiarien vor,
z. B. Tauben. •)
Die in Kirchenschätzen vorfindlichen Blashörner^) sind wohl eben-
falls grösstentheils profanen, die älteren sicher orientalischen Ursprungs und
1) AbbUd. bei Bock a. a. O. Taf. VI. 25. u. Taf. VIII. 29.
2} Abbild, ebd. Taf. TV. 20, VHI. 33, X. 41, XIV. 55.
3) Abbild, in den Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. 1859. 4, 271.
4) AbbUd. bei Bo ck a.a.O. Taf. XV. 57, XVI. 61 u. 62. XX. 76 u. 78, XXI. SO.
5) Im Würzburger Heiligthume z. B. befand sich ein Becher, den die » Trubin
von Rothenburg* geschickt hatte. Vgl. Niedermayer a. a. O. S. 24L
6) Vgl. Augusti, Denkwürdigkeiten etc. 12, 355.
7; Vgl. Bock, Fz., über den Gebrauch der Homer im Alterth. und da« Vor-
kommen geschnitzter Elfenbeinhömer im M. A., in den mittelalterl. Kunstdenkm.
des Österreich. Kaiserstaates, herausgeg. von H e id e r etc. 2, 1 27 - 1 43 u. Taf. XXV.
Reliquienhömer und Kleinodien. ] 59
wurden von ritterlichen Pilgern und Kreuzfialirem als Kriegs- und Jagd-
hörner mit in die Heimath gebracht und nach deren Tode in den Kirchen
Fig. «0. Keliquienhorn in St. Severin xu Cöln (nach Bock).
niedergelegt. Die durch Stoff und Schnitzereien werthvoUsten sind die
grossen Elfenbeinhömer , die aus dem vorderen Theile eines Elephanten-
zahns bestehen, z. B. das Jagdhorn Karls des Grossen im Münster zu
Aachen (angeblich Geschenk des Harun-al-Raschid) , zwei andere im Dom-
schatze zu Prag, sowie die in der Ambraser-Sammlung zu Wien und in der
Kunstkammer des Neuen Museums zu Berlin (wahrscheinlich ebenfalls aus
Kirchenschätzen herstammend] , sämmtlich aus dem ersten Jahrtausend' sich
herschreibenden Hifthörner. Oefter verwandelte man kleipere Hömer dieser
Art durch Anbringung von Füssen, eines Deckels etc. in Reliquiarien : im
Dom zu Hildesheim das Hom eines Auerochsen *) , in St. Severin zu Cöln
ein Kuh- oder Büffelhorn *) etc. Das Bamberger Heiligthumsbuch (Gang VI)
zeigt mehrere solche y^ gezierte hömer ft.
10. Kleinodien. — Im Hallischen Heiligthumsbuche kehrt die all-
gemeine Bezeichnung ncletnotvi für solche Reliquiarien aus edelem Metall
öfter wieder, die sich sonst nicht bestimmter benennen Hessen, z. B. G^ang
I. 19 : ^Ein silbern cleinot vnd vbergult g estalt wie ein Apfel ia\ oder Gang
IX. 6 : tiEin silbern vbergult degnod, vnd oben eingefasste Perleinmutter v
von einem blattlosen Baum, der zwischen seinen dürren Aesten ein unförm-
lich gerundetes Nest (?) trägt, aus dem ein Thier hervorsieht. — Besonders
sind es viele kleinere Reliquiarien, welche man unter diese unbestimmte
Rubrik zu setzen genöthigt ist, z. B. die n lipsanotheca marianaa, in Form
einer Halbkugel von Silber, welche (ohne den späteren Fuss) fttr das älteste
Heiligthum des Doms zu Hildesheim gilt und von Ludwig dem Frommen
herrühren soll ^) ; oder das sogen. A Karls des Grossen im Schatze der
Kirche zu Conques , ein Reliquiar , welches ursprünglich die Form dieses
1) Abbüd. bei Kratz a. a. O. Taf. III. 2.
2) Abbüd. bei Bock, Fz., das beilige Köln Taf. XLI. 1J5.
3) AbbUd. bei Kratz a. a. O. Taf. II. 1.
160 Raritäten.
Buchstabens hatte, in späterer Zeit aber viele Zusätze erhalten hat. *) Auch
die häufig vorkommenden Agraffen {monilia) , als Mantelschlösser mit Reli-
quieninhalt , gehören hierher ; man befestigte dieselben oft als Schmuck an
den oben (S. 151) erwähnten Brustbildern, u. a. m.
11. Curiosa und Raritäten, besonders naturgeschichtliche , die
aus fernen Ländern von Pilgern mitgebracht und zur Heranziehung des
Volkes in den Kirchen aufbewahrt , auch nach Umständen als Reliquienbe-
hälter nutzbar gemacht wurden.
Besonders beliebt waren Strausseneier und zwar schon seit dem
IX. Jahrhundert. ^) Im ehemaligen Dome zu Ooslar hing ein solches £i an
einer Kette , und den Berichten der Reisebeschreiber zufolge hängt in den
Kirchen der africanischen Natronklöster die ganze Decke voll Strausseneier.
Im M. A. bediente man sich derselben häufig als Reliquiengefässe in Pocal-
form, durch Hinzufagung eines silbernen Fusses und Deckels. Wittenberg
und Halle besassen viele dergleichen , und im Zither zu Halberstadt finden
sich noch jetzt zwei. — Auch Kokosnüsse kommen in gleicher Verwen-
dung vor (z. B. im Domschatze zu Cammin). — Der Dom zu Mainz be-
sass (zu Anfang des XIII. Jahrb.) ein Gef^ss aus Smaragd in Form
einer halben Melone : man füllte es mit Wasser , setzte etliche kleine Fisch-
lein hinein, verschloss es mit einem Deckel und hängte es mit zwei goldenen
Ketten an der Pertica mitten unter den Reliquien auf, und wenn es sich nun
(durch die Fische) bewegte, behaupteten iyatmpltces et vetulaeu, der Stein sei
lebendig . ') Auch die fabelhaften Greifenklauen durften in den Kirchen-
schätzen selten fehlen: es waren wohl meist die oben (S. 159) erwähnten
Hörner, die man mit ThierfQssen versah und mit Reliquien füllte ; das Wit-
tenberger Heiligthumsbuch zeigt mehrere. Die in der Krypta des Braun-
schweiger Doms aufbewahrte sogen. Greifenklaue scheint das Hörn einer
Antilope zu sein. — Vorsindfluthliche Knochen finden sich in der
Kilianskirche zu Heilbronn, in der Klosterkirche zu Alpirsbach und im Dome
zu Halberstadt ; eine Wallfischrippe*) in der Nicolaikirche zu Jüterbog ;
>) Vgl. Texier a. a. O. Sp. 24. — Dieses A kann als Repräsentant einer ganzen
Gattung gelten, denn auch im Prager Inventarium von I3S7 wird eine »latnina ar-
gentea daawreda ad modum literae« angefahrt, und in Frankreich kommt ausser einem
doppelten F ein M im Museum des Louvre vor; vgl. Didron, Annales archeol.
16, 234 u. 239. Jedenfalls hängt die Entstehung dieser Keliquiarien mit der Soge zu-
sammen, dass Karl der Grosse so viele Kirchen gebaut, wie Buchstaben im Alphabet,
Xind dass er jeder einen goldenen Buchstaben geschenkt habe; ygl. Königshoven,
Chronik, herausgegeb. von Schilter S. 103.
2) Schon Papst Leo IV. schenkt einer römischen Kirche »duo ova Hruthio-came-
iorumt (Anast. Biblioth. vitae Rom. pontif. Leo IV. a. Chr. S47). Vgl. Bock,
in den Mittelalter!. Kunstdenkm. etc. a. a. O. S. 142. — D u r a n d i Rationale 1. 1
c. 3 n. 42 : »In nonnullis ecclesiis duo ova strutumum et kttjwimodif quae admirationem
indueunt et quae raro indentttr, caneueverant SHependi, ut per hoc poptilm ad eccleeiam
traliatur et magie aj[ficiatur.*
3) Chronicon Conradi ep. bei Urstisius, German. histor. iUustr. 1, 56S l. 1^.
4) In der Schlosskirche zu Wittenberg waren noch um die Mitte des vorigen
Jahrh. zwei Wallfischrippen in Ketten hangend vorhanden, und Faber (die Schlossk.
zu Wittenberg, S. 230} bemerkt dazu : Als im J. 133! im Lande Usedom bei Dame-
row ein grosser Wallfisch gefangen wurde, schickten die Herzoge von Pommern Wun-
ders halber die Rippen n^ch Wittenbei^, Brandenburg, Stralsund und anders wohin.
Heilige Geftsse. 161
eine grosse Schildkröten schale im Dome zu Merseburg; ein 70 Pfd.
schweres Stück von einem im J. 1492 gefallenen Meteorstein (260 Pfd.
an Gewicht) Hess König Maximilian im Chor der Pfarrkirche zu Ensisheim
im Elsass aufhängen; ein Alraun (die Wurzel der Bryonia alba) in der
Sacristei der Blasiuskirche in Nordhausen u. s. w.
b. Heiligte Oefässo.
Abbildangen heiliger Oefilsge der verschiedensten Arten finden sich in den
bereits oben zu B. (S. 95) angeführten Werken, denen hinzugefügt werden
können: Bock, Fz., das heilige Köln. 1S5S, das Organ für christliche Kunst
und besonders auch die Mittheilungen der.k. k. Central- Commission etc.
39. Unter heiligen Gefassen ipcisa sacra) im weiteren Sinne wer-
den alle diejenigen Geffisse und Geräthe verstanden , welche bei der
Liturgie gebraucht werden, als Kelche [mit ihrem Zubehör), Patenen,
Hostienbüchsen, Gefasse zur Aufbewahrung der Eucharistie (Oiborien
und Monstranzen j , Messkännchen und Giessgefässe, Weihrauchbecken
und Schiffchen , Gefasse für die heiligen Gele , Messglöckchen und
Weihwasserkessel : sammtlich Erzeugnisse der Kunst oder doch des
Kunsthandwerks, namentlich aber Arbeiten des Goldschmieds.
Vasa sacra im engeren Sinne sind nur diejenigen , die durch ihren
Gebrauch in unmittelbare Berührung kommen mit den consecrirten Species
im heiligen Abendmahl ; die Kelche imd Patenen mit ihrem Zubehör und
die Oefösse von verschiedenen Formen , welche zur Aufbewahrung der
Eucharistie dienen {vasa et instrumenta eucharistica) . Allein der Bischof
hat das Recht dieselben nach bestimmten Vorschriften zu weihen, weshalb
sie im späteren M. A. mit einem eingravirten Weihekreuze {signaculum)
bezeichnet wurden , wie dasselbe , insgemein in einen Kreis gezeichnet,
und dem heraldischen Tatzenkreuze entsprechend, an dem Fusse der
eigentlichen Messkelche und auf dem Rande der Patenen regelmässig
erscheint. Zuweilen nimmt an den Kelchfüssen ein Crucifixus die Stelle
des Signaculums ein. ')
Mittelalterliche Altargefässe haben sich noch vielfach erhalten, ob-
gleich die aus edlen Metallen verfertigten durch die Stürme der Zeiten oft
zu Grunde gegangen sind. Auch in sehr vielen alten, jetzt protestanti-
schen Kirchen findet man noch mittelalterliche Abendmahlsgefässe im
geschätzten Gebrauch, während leicht erklärlich die übrigen, für den
evangelischen Cultus entbehrlichen Geräthe grOsstentheils nicht mehr
vorhanden sind.
1 ) Das Signaculum bezeichnet am Kelche die Seite , wo der Messprietter den
Mund ansetzt » und nach der Communion die Ablutio vornimmt , an der Patene die
Stelle, wo sie angcfaast wird. Vgl. Bock, Fz., das heilige Köln. St. Gereon S. 21.
0 1 1 e , Kunst- Arch&olofno. | 1
162 Kelche.
40. Das ehrwürdigste und in jeder Beziehung bedeutendste unter
den heiligen Gefässen ist der zur Conseeration und Ausspendung des
Weins im heiligen Abendmahle dienende Kelch (calix) *) , welcher
schon vor der constantinischen Zeit oft, und seit dem IX. Jahrhun-
dert, mit seltenen Ausnahmen , stets vorschriftsmässig aus edlem Me-
tall verfertigt und bereits in alter Zeit künstlerisch ausgeschmückt
wurde. Derselbe besteht aus drei Haupttheilen : Fuss (pes) , Knauf
[noduSy pomellum) und Becher [cuppa] und ist in verschiedenen Pe-
rioden in den Einzelformen und Ornamenten verschieden gebildet
worden.
In der alten Kirche legte man kein besonderes Gewicht auf das
Material , aus welchem die Abendmabiskelche gefertigt waren ; neben
hölzernen und glflsenien kommen aber schon im III . Jahrh. Kelche aus
edlen Metallen vor: denn nach Augustinus c. Crescent. 1. 3 c. 29
wurden unter Diocletians Regierung zwei goldene und sechs silberne
Kelche aus der Kirche zu Cirta in Aft-ica weggenommen und confiscirt.
Erst seit dem VIII. Jahrh. finden sich kirchliche Verbote gegen den Ge-
brauch von Kelchen aus gewissen Stoffen. So verbot das Concil zu Nicaea
787 Kelche und Patenen n de camu bovis, qaod de sanguine eunta ^) , und
das Concil zu Rheims 8 1 3 ertheilte c. 6 die bestimmte Vorschriil : »Calix
domini cum patena, si non ex auro ex argento ßata, Hess aber den Armen
zinnerne Kelche nach und verbot (ausser hölzernen und gläsernen) die
von Kupfer und Messing verfertigten Kelche aus Gesundheitsrücksichten,
wenn sie nicht von innen und aussen stark vergoldet würden. ') Piatina
(de vitis pontif. Colon. XJbior. 1600) p. 25 erzählt schon von dem um
200 lebenden P. Zephirinus: »Staluif, ut consecratw dir int sanguinis in
vitreo vase, non autem in ligneo, ut antea, fieret^ ; fügt aber unter Bezug-
nahme auf die Concile von Tibur (811) und das erwähnte von Rheims
erläuternd hinzu , dass in der Folgezeit Kelche aus Holz [propter rariia-
tem), aus Glas (propter fragilitatem) und aus gemeinem Metall (oh tetrum
saporem) verboten worden seien.
Dem kostbaren Material entsprechend war der Schmuck der Kelche
mit Edelsteinen, und schon Chrysostomus (Homil. 51 in Matth.) er-
wähnt ein TiOTfiQio» Xif^'^ov» xai XtOoxokhjjoif, einen goldenen mit Edel-
steinen besetzten Kelch; bedeutungsvoller war der bei Tertullian (de
pudicitia c. 10) vorkommende Schmuck eines (vermuthlich gläsernen)
Kelches mit dem Bilde des guten Hirten. Im M. A. bis ins XIII. und
t) Dougthaeus, J. , de calicibus eucharisticis vet. Christianorum, ed. Fae-
sius. (Bremae) 1694. —Giefers, W. Eng., über den AlUr-Kelch. (Paderb.) ISSe.-
Weiss, C, Uebersicht der Entwickelung des Kelches im M. A. (als Einleitung der
Beschreib, des roman. Speisekelches des Stiftes Wüten in Tirol), im Jahrbuche der
k. k. Central- Commission etc. (1860) 4, 3 — 24. — Vgl. auch Didron, Annales ar-
ch^ol. 19, 143-151.
2) Godard, Cours d'arch^ologie sacr^e 2, 242; vgl. Weiss a. a. O. S. 6.
3; August i, Denkwürdigkeiten 12, 2S nach Canisii, Monum. eccl. 3, 399.
Ministerialkelche. 1 63
XIV. Jahrh. waren besonders am Becher und Fusse der Kelche bildliche,
emaillirte oder niellirte , meist gravirte Darstellungen aus dem alten und
neuen Testamente mit Beziehung auf den Opfertod Chi^isti und dessen
Vorbilder beliebt : man gab den einzelnen, oft von erklärenden Inschriften
begleiteten Bildern dieser ^icalices imapinati« gewöhnlich die Form von
Medaillons , die man in der Hegel so ordnete , dass der obere Rand der
Cuppa von jeglicher Verzierung frei blieb. Später beschränkte man sich mehr
auf blosses Ornament, das, wie auch schon früher, vorzüglich den Knauf
bedeckte. Auch kommen schon im VIII. Jahrh. an dem Rande des Fusses
ringsum laufende Inschriften vor, die über die Donatoren Auskimft geben ;
solche Kelche hat man calices UteraH genannt. — Unter Pontif ic al-
keichen versteht man besonders werthvoUe imd schmuckreiche Pracht-
kelche, welche, im Gegensatze zu den einfachen »calices Jeriales«, nur bei
festlichen Veranlassungen , bei bischöflichen Messen etc. gebraucht wer-
den. — Grabkelche sind diejenigen, welche man den Bischöfen mit
ins Grab legte : sie waren gewöhnlich klein , dünn und ziemlich werth-
los. — Reisekel che sind (mit Rücksicht auf die Tragaltäre) sehr klein
und wurden auch des bequemeren Transportes wegen zum Auseinander-
nehmen eingerichtet. Vgl. die Abbild, eines äusserst compendiösen Reise-
kelches (XIV. Jahrh.) zu Klostemeuburg in den Mittheil, der k. k.
Central-Commission 1861. 6, 268.
Anmerkung. Vor der Einführung der Kelchentziehung, und so lange
auch den Laien die heil. Communion unter beiderlei Gestalt gespendet
wurde, was an manchen Orten noch sehr spät und in einzelnen französischen
Fig. 61. MinitUrialkelch su Wiltcn (nach Weiss).
11^
164
Saugröhrchen.
Klöstern selbst bis ins XVIII. Jahrh. ^) , im allgemei-
nen indess nach dem XIII. Jahrh. nicht mehr geschah,
waren zwei Arten von Kelchen gebräuchlich : die ge-
wöhnlichen kleineren Altarkelche , in denen der Priester
den Wein consecrirte, und grössere, zur Austheilung
bestimmte Speisckelche {caliees mmfstertale») , welche
mit Wein gefüllt wurden , dem der Diaconus nach der
Consecration und Communion des Priesters das Blut des
Herrn aus dem Messkelche hinzunxischte. Diese Speise-
kelche waren so gross, dass man dieselben zum be-
quemeren Tragen mit zwei Henkeln versah, weshalb sie
auch Henkelkelche {caliees ansati) genannt wurden .
So besä SS noch zu Anfange des XIII. Jahrh. der Dom
in Mainz zwei goldene Kelche von der Grösse , dass sie
kaum zum ('onsecriren brauchbar waren : der kleinere
wog mit der Patene 9 Pfund, und der grössierc hatte
zwei Henkel, welche , ähnlich wie bei den Mörsern zum
Stossen von Pfeffer und Salz , die Hände des Hebenden
ausfüllten. Dieser Kelch fasste einen halben Sextarius
Wein , war eine Elle hoch , und nicht jedermann ver-
mochte ihn von der Erde zu erheben. *) Solche Kelche
waren indess sicherlich nur im Besitz der reichsten Me-
tropolen, dienten auch lediglich als Schaustücke zur
Ausstellung auf den Altären und gehören mithin zu der
Gattung der bereits oben (S. 15S) erwähnten Reliquien-
kelche. — Henkelkelchc sind nur noch sehr selten er-
halten : im Schatze des Stiftes St. Peter zu Salzburg ein
Speisekelch aus dem XIII. Jahrh. mit vasenförmiger, in
geschwungenem Profil ausgebauchter Cuppa *) , und im
Stifte Wüten in Tirol ein solcher (aus vergoldetem Sil-
ber, am oberen Rande von o'/i Z. Durchmesser und mit
der Patene 7 Pfd. 3 Lth. schwer^, der ganz mit gravirten
und niellirtcn Darstellungen bedeckt ist und inschriftlich
aus dem 9. Decennium des XII. Jahrh. stammt. ^)
Zur »sumtw sanguinis« bei der Ausspendung des
Weins an die Laien gebrauchte man, um die Gefahr der
Verschflttung zu vermeiden, etwa seit dem IX. Jahrb.,
ein Saugröhrchen ifislula, calatnus , canna^ arundo, ,
pipa) , in der Form eines langen, dünnen, ausgehöhlten
Stäbchens aus Gold , Silber oder Elfenbein , welches mit einem oder meh-
reren kleinen Henkeln verschen war , und mit dem die Communicanten den
b
Fi;. 62. K«>Ichr5hr.
chen XU W^ilten.
1) Godarda. a. O. 2, 243; vgl. Weiss a. a. O. S. -1.
2} Chron. Conrad! ep. m Urstisii German. histor. illustr. I, 5t>9 lin. 20.
3) Abbild, bei (Petzold, G.) Schätze mittelalterl. Kunst in Salzburg; vgl.
Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. 1861. 6, 45 und Organ für chrisü. Kunst
1861 S. 15.
4) Abbild, bei Weiss a. a. O. S. 24, und daraus im Organ für christl. Kunst
1S61 No. 3; 8. vorstehend S. 1G3 Fig. Gl.
FrOhromanische Kelche. 165
Wein aus dem Speisekelche einsaugten. *) — Dem Dome zu Merseburg
schenkte K. Heinrich II. einen goldenen Kelch ncumpatina et ßstulaa und
einen grossen silbernen Kelch mit demselben Zubehpr. *j — Der Mainzer
Dom besass um das J. 1200 r^fisiulae V. ad communicandum argenteae de-
aurataea ') , und das Stift Wilt^n bewahrt noch heute zwei zu dem vorhin
erwähnten Speisekelche gehörige Fistulae aus Silber von 1% Z. Länge,
welche an dem einen Ende dünner und mit einem herzförmigen Griffe ver-
sehen sind. Ebenfalls befindet sich auch bei dem Salzburger Kelche noch
die Fistula. — In der päpstlichen Messe sind die Kelchröhrchen noch ge-
genwärtig in Gebrauch.
41. Die ältesten Kelche bis ins XI. Jahrhundert ^ soweit deren
bekannt sind , erinnern an den Typus gewisser antiker Trinkgefässe
[pocula] y welche bei den Gastmählern der Römer in der Kaiserzeit
vielfach zu den Libationen in Gebrauch waren und zwei durch einen
breiten mittleren Knauf verbundene Trinkschalen von gleicher Grösse
bildeten, so dass beliebig aus beiden getrunken werden, und beim Nie-
dersetzen jede von beiden als Fuss dienen konnte. *) Denn obgleich
bei den Kelchen der angegebenen Periode die Cuppa und.der Fuss stets
von ungleicher Grösse und auch verschieden gebildet sind , so sind
doch beide ebenfalls durch einen Knauf mit einander verbunden, und
der Fuss, der immer die Form eines Trichters hat, könnte ebenfalls
zum Trinken gebraucht worden, wenn der Kelch umgekehrt wird.
Der älteste bekannte Kelch befindet sich unter dem Namen des
tiStifterhechersv in Kremsmünster und rührt, der rings um den Fuss lau-
fenden Inschrift zufolge, von Herzog Tassilo und seiner Gemahlin Liutpirc
her, welche das Kloster im J. 777 gegründet haben. Er ist 10 Z. hoch,
und der Durchmesser der C*uppa beträgt 6 Z. ; letztere fasst 5 Österreich.
Seidel, und der Fuss mit dem hohlen Knauf 1 Yj Seidel. Die Masse ist
in zwei Theilen aus Kupfer gegossen , und die ganze Oberfläche derartig
geschmückt, dass auf den kupfernen Grund, von Silberbändern umrahmt,
Silberblättchen mit niellirten Zeichnungen genietet, und dje omamentirten
Zwischenräume vergoldet sind. Der beim Anfassen beinahe die ganze
Hand füllende Knauf ist auf den Kreuzungspunkten der ihn netzartig
umspannenden Silberbänder mit kleinen Edelsteinen besetzt und wird
durch einen verschiebbaren, platte Kügelchen bildenden Ring von der
Cuppa getrennt. Die bildlichen Darstellungen bestehen aus Brustbildern
Christi \md einiger Heiligen , sowie aus den sitzenden Figuren der vier
]] Vgl. Vogt, J., Historia fistulae eucharisticae. Brem. 1772.
2} Thietmari Chron. rec. Wagner p. 19S.
3) Chron. Conradi ep. l. c. lin. 17.
4) Ein Becher aus vergoldeter Bronze , in oberer und unterer 'Mündung gleich
anwendbar, ist ganz neuerlich als einziger Gegenstand in einem aus grossen behaue-
nen Steinen ausgeführten, vielleicht römischen Grabe in der Nähe von Malmedy auf-
gefunden worden. Vgl. KreuzKtg. ]Sü2. Beilage zu No. 260.
1 56 Frühromanische
Evangelisten mit ihren Symbolen in roh -barbarischer Weise. *) — Die
Übrigen auf uns gekommenen Kelche aus dieser frühen Periode sind klein
Fig. 63. Taseilokflch in KretnsmUnster (nach Bock).
und schmucklos. In dem zu Anfange des IX. Jahrh. von dem h. Liudger
gegründeten Kloster Werden an der Ruhr wird ein goldener Kelch auf-
bewahrt , welcher der Ueberlieferung zufolge von dem Stifter dieses Klo-
sters gebraucht worden sein soll und wohl spätestens aus dem X. oder
XI. Jahrh. herrühren möchte: derselbe ist nicht ganz 4% Z. hoch; der
Becher von 2*74 Z. oberem Durchmesser verengt sich nach unten und der
3 Z. im Durchmesser haltende Fuss ist von eingebogener Trichterform.
Die rings um Cuppa und Fuss laufenden beiden Inschriften bezeichnen
diesen Becher ausdrücklich als Messkelch [calt'x sanguinis domini nostri
Jesu Christi) . ^} Nicht viel mehr als halb so gross ist der ähnliche
Kelch von vergoldetem Silber (mit der Patene nur 37, Loth schwer),
welcher im J. 1667 im Grabe des Bischofs Hezilo (i 1079) in der
Kirche auf dem Moritzberge zu Hildesheim gefunden wurde und seitdem
im dortigen Dome verwahrt wird : der Fuss desselben ist trichterförmig,
und ein Perlstab verbindet den Knauf mit der Cuppa, deren unterer halb-
kugeliger Theil den einen Kegelschnitt bildenden Obertheil umfasst, wie
ein Eichelnäpfchen die Eichel. ^) — Ein anderer Sepulchralkelch , aus
Erz, gefunden im Grabe des Bischofs Friedrich von Münster (f 1084)
1) Bock, Fz. , Frühkaroling. KirchengeriLthe im Stifte Kremsmanster , in den
Mittheil, der k. k. Central- Com mission etc. 1859. 4, 6 ff. nebst Abbild, auf Taf. I.
2^ Abhild. bei aus'ra Weerth, Denkmäler etc. Abth. U. Bd. IL Taf. XXVH. 4.
3) Abbild, bei Kratz, Dom zu Hildesheim. Taf. VIII. 3.
Kelche.
167
und in der St. Mauritskirche daselbst aufbewahrt, ist ebenfalls ganz
schmucklos, es erscheint jedoch zwischen dem Fasse und dem Knaufe
M\\<^^:C\PO.oöTir>rQ
Fig. 64. Kelch nebet Fatene zu Werden (nach aus^m Weerth).
einerseits , und zwischen diesem imd der Cuppa andererseits ein über-
leitendes Zwischenglied. *) Ausserdem erwähnen wir noch die Dar-
stellung des Kelches auf einem Elfenbeindeckel mit dem Relief eines
celebrirenden Priesters (IX. oder X. Jahrh.) in der
Stadtbibliothek zu Frankfurt a. M. : der Obertheil er-
scheint hier einer doppelt -gehenkelten antiken Vase
ähnlich und hat über dem Knaufe eine muschelartige
Verzierung ; der Fuss zeigt die Trichterform. ^) Nach
der Beschreibung, welche Adamnan im VII. Jahrh.
nach eigener Anschauung von dem Kelche giebt, der
in Jerusalem als der bei der Einsetzung des heil.
Abendmahles von Christo selbst gebrauchte gezeigt
wurde , war auch dieser gehenkelt ') , und schon bei
Plinius (Hist. nat. 1. 36 c. 29) kommen ncalices pterotia, Kelche mit
Flügeln oder Henkeln vor. — Vgl. oben S. 164.
42. Bei den Kelchen des XII. und XIII. Jahrhunderts hat die
Trinkschale mehr oder weniger die Form einer Halbkugel, der grosse
runde Fuss ist flach und gestaltet sich in der Mitte in geschwungener
Linie zu einem kurzen cylindrischen Schafte , der zuweilen auch sich
oberhalb des kugeligen Knaufes als Träger der Cuppa noch fortsetzt.
Fi?. 65.
1) Vgl. Lühke, W., die mittelalterl. Kunst in Westfalen S. 422.
2] Vgl. die Ahbild. des Deckels im Archiv für Frankfurts Gesch. u. Kunst I.
1, 133 Taf. 4. — Fast buchstäblich stimmt dieser Messkelch überein mit einer klei-
nen goldenen Vase, welche neben Münzen aus dem VI. Jahrh. zu Gourdon bei Cha-
lons-sur- Sa6ne in neuerer Zeit gefunden worden ist ; vgl. die Abbild, in de Cau-
mont, Ab^^aire (4. ^.) I, 66.
3) Mabillon, Act. SS. Ord. S. Bened. S. m. 1, 506 (Pariser Ausgabe), ange-
führt von aus'm Weerth a. a. O. S. 93.
j ßg Romanische
In den schönsten und anmuthigsten Verhältnissen sind besonders
mehrere Kelche gebildet , welche aus der Uebergangszeit des XIII.
Jahrh. stammen und im Ganzen zwar d^m älteren, romanischen Typus
getreu f dennoch schon in dem eckig gestalteten Knauf und in ein-
zelnen Ornamenten, sowie in der schmu^cklos und schlicht gehaltenen
Cuppa auf die folgende gothische Periode hindeuten.
Kelche aus dem XII. Jahrh. sind sehr sollen und aus der ersten
Hälfte desselben kaum nachgewiesen. *) — Im Stifte St. Peter in Salz-
burg zeigt der völlig schmucklose Vitaliskelch die Schale bereits in Halb-
kugelform ; der Fuss aber ist noch trichterförmig und zwischen Knauf
und Cuppa noch ein Perlstab. *) — Die Kirche zu Trzemeszno in der
Prov. Posen besitzt zwei Prachtkelche aus der Blüthezeit der romanischen
Kunst : der eine hat noch einen fast trichterförmigen Fuss , so dass ein
besonderer Schaft nicht ersichtlich ist ; der Fuss des anderen ist flach mit
kurzem Schaft. Bei beiden Kelchen bildet der Knauf ein quer gestelltes
Oval, worauf, nur durch einen Perlstab getrennt, die halbkugelige, am
Rande etwas ausgebogene Cuppa ruht. Beide Kelche sind aus vergoldetem
Silber und reich geschmückt : hei ersterem mit figürlichen Darstellungen
in Niello und blau emaillirten Zwischenräumen , bei dem anderen in ge-
triebenen Reliefs. ') — Das prachtvollste nur von dem oben S. 164 be-
schriebenen Calix mmisterialis zu Wüten übertroffene Exemplar eines
bischöflichen Pontiflcalkelches bewahrt die 1146 gegründete Oodehards-
kirche zu Hildesheim als Geschenk ihres Stifters , des Bischofs Bernhard
(f 1 153) : er ist aus vergoldetem Silber, gegen 7 V« Z. hoch und zeigt auf
dem Fusse vier alttestamentliche Scenen in getriebener Arbeit , an der
Cuppa eben so viele Parallelbilder aus dem neuen Testamente und in den
Zwischenräumen und am Knaufe ein mit Edelsteinen besetztes Filigran-
geflecht. *) — Ausgezeichnet ist auch. ein, dem beginnenden XIII. Jahrh.
zugeschriebener Prachtkelch aus vergoldetem Silber von fast 8 Z. Höhe
bei 5y, Z. Durchmesser am oberen Rande imd 5% Z. Durchmesser des
Fusses, in St. Aposteln zu Cöln : auf dem letzteren liegen vier Medaillons
mit neutestamentlichen Reliefs und die Zwischenräume zeigen die gravirten
Evangelistenzeichen ; der Knauf enthält in den Durchbrechungen eines
Filigrannetzes zartes Laubwerk mit erdbeerähnlichen Früchten, und um
die Cuppa läuft eine Arkadenreihe mit den zwölf Aposteln in gravirter
Arbeit. ***) — Mit dem eben beschriebenen sind nahe verwandt ein etwas
kleinerer Kelch in der Moritzbergerkirche zu Hildesheim *) und ein etwas
1 ) Im Dome zu Hildesheim befindet sich ein nur gegen 3 Z. hoher Grabkelch
aus dem Steinsarge des Bischofs Udo (f 1116;, dessen Form tuis nicht bekannt ist.
Vgl. Kratz, im Correspondenzblatt etc. 1857. Beilage zu No. 4 S. 3 No. 27.
2; Vgl. Mittheil, der k. k. Central -Commission etc. 1S61. 6, 45.
3) Przezdziecki, Alex., et Rastawiecki, Ed., Monuments du Moyen-age
dans Tancienne Pologne (Varsovie et Paris). S6r. 1 ; vgl. Weiss a. a. O. S, lö.
4) Vgl. Kratz a. a. O. No. 29.
5) Abbild, bei Bock, das heilige Köln. Taf. XXVIII. 92.
6) Abbild, bei Didron, Annales archäol. 19, 149.
Kelche. \ 69
grösserer , aber minder eleganter Kelch im Musemn zu Basel (mit einem
rings um die Cuppa gravirten, omamentirten Rundbogenfries und mit den
Fig. B6. Kolch in St. Apofitoln zu COln (nach Bock).
erhabenen Evangelistenzeichen in vier Medaillons auf dem Fusse). *)
Beide Kelche wurden in gothischer Zeit mit hohen Deckeln versehen, der
Hildeshcimer zum Gebrauche als Ciborium, der Basler zur Aufnahme von
Reliquien. Letzterer ist dadurch noch besonders wichtig, dass nach der
den Donator nennenden Inschrift, am Fusse die Entstehungszeit als zwi-
schen 1243 und 1289 fallend bestimmt ist. — Ein Kelch im Dome zu
Plock , inschriftlich bezeugt als Geschenk des Herzogs Konrad von Ma-
sovien (1191 — 1247) zeigt in dem achteckigen Nodus und in dem gravir-
ten "Vierblatt-Omamente schon Anklänge an die Gothik ; die Gravirungcn
des Fusses zeigen den Crucifixus (als Signaculum) mit Johannes und fünf
alttestamentlichen Propheten, die der Cuppa vier Medaillons mit neutesta-
mentlichen Scenen, in unbeholfener Zeichnung. *) — Künstlerisch in jeder
Beziehung , und durch die edelste Einfachheit ausgezeichnet dagegen ist
der in Form und Technik einigermaassen ähnliche, ebenfalls schon einige
gothische Anklänge verrathende Kelch in der Johanniterkirche zu Werben :
er ist 6*74 Z. hoch, in der regelmässig halbkugelfQhnigen Schale und im
Fusse S'/ji Z. breit. Erstere ist mehr am Grunde mit vier gravirten alt-
testamentlichen Rundbildern geschmückt, die durch flach-erhabene Oma-
mentstreifen verbunden werden; letzterer zeigt ebenfalls vier gravirte
Rundbilder, zwei aus dem alten Testament und zwei aus deni neuen (die
1) Photogr. Abbild, in den Mittheil, der Gesellsch. für vaterländ. Alterth. in
BasellX, II.
2) Abbild, bei Przezdziecklund Rastawiecki a. a. O. Ser. 2 Livr. 25.
\ 70 Romanische
Verkündigung und zugleich als Signaculum die Kreuzigung) . Der Knauf
hat die Form zweier sich durchschneidender TOnnchen und ist an den
vier Seiten mit den Medaillons der Evangelistenzeichen in Relief ge-
schmückt. ^ — Bei Befolgung des romanischen Grundtypus zeigt ein
Kelch im Kloster Zehdenik (fast 7 Z. hoch, oben b%, unten 6 Z. breit)
Fig. 67. Kelch zu Zehdenik (nach v. Quast).
eine schlichte halbkugelige Cuppa , einen weit vortretenden , nach oben
und unten durch achteckig - prismatische Anläufe mit dem Schafte ver-
bundenen Knauf mit acht kleinen, die Evangelistenzeichen und einen
viermal wiederholten Christuskopf darstellenden Relief- Medaillons , und
auf dem Fusse vier erhabene Medaillons mit neu testamentlichen Bildern
und dazwischen angeordneten Engeln mit Spruchbändern ; das der Natur
nachgebildete Pflanzenomament (Weinlaub imd EichenbLitter) am Ständer
und Knauf deutet dagegen auf die der Gothik eigenthümliche Schmuck-
weise. *) — Ganz übersponnen mit Ranken werk aus Weinlaub , an ge-
eigneten Stellen von Edelsteinen unterbrochen, erscheint als Kunstwerk
ersten Ranges imd wohl ohne gleichen ein Kelch der Nicolaikirche zu
Berlin, der ausserdem an der niederen breiten Cuppa , am Nodus und am
Fusse mit (steif gezeichneten) figürlichen Darstellungen in Flachrelief
belegt ist : an der Cuppa die Madonna inmitten der Apostel , am Fusse
der Crucifixus, zu dessen Seiten das Donatorenpaar, Markgraf Otto III.
von Brandenburg (1220 — 1267) mit seiner Gemahlin kniet. ^) — Sämmt-
liche vorgenannte Kelche sind aus vergoldetem Silber.
1) Abbild, in der Zeitschr. für christl. Archäologie und Kunst I. Bl. 4.
2) Abbild, ebd. H. Bl. 7.
3) Vgl. Pi schon, über einen alten Kelch und eine Patena in der St. Nicolaik.
in Berlin, im N. Jahrb. der Berlin. Gesellsch. für deutsche Spr. u. Alterthumskunde
5, 255—260. — v. Quast, im Correspondenzblatt etc. 1858. (VII.) No. 3. 8. 33. —
und gothische Kelche. \ 7 !
Kelche romanischen Stils auch im Schatze von St. Ulrich zu Ai
bürg ^), in Ottenbeuern *) ; ein Kelch im Domschatze zu Regensburg
ugs-
im Stifte Lambach und im Domschatze zu Salzburg zwei Kelche mit
Cuppen aus romanischer Zeit (erstere mit Gravirungen, letztere schlicht)*);
in der Wallfahrtskirche zu Frauenberg bei Zülpicb *) ; in Braunschweig,
Osnabrück und Halberstadt *) ; die Abbildung eines nicht mehr vorhan-
denen, sehr interessanten Kelches aus dem XIII. Jahrh. (aus Gerb er t,
Vetus Hturgia Aleman.) bei Didron, Annales arch6ol. 3, 206.
43. Wenn bei den Kelchen der romanischen Periode in allen
Details die Kreislinie vorhenscht, so tritt, den Principien des sich
auch der omamentistischen Künste bemächtigenden gothischen Bau-
stiles gemäss , im XIV. bis XVI. Jahrhundert das Polygon und der
Spitzbogen allmählich an deren Stelle , wovon eine grössere Schlank-
heit in der äusseren Erscheinung der durchschnittlich 6 bis 8 Zoll
hohen, regelmässig aus vergoldetem Silber verfertigten Kelche die
nothweudige Folge war. Die Cuppa verlässt die Ilalbkugelform, wird
eiförmig, kegelförmig, zuletzt geschweift oder kuppelartig gerundet.
Der in der frühromanischen Zeit ganz fehlende , später sich einschie-
bende Ständer wird zu einem selbständigen Haupttheile und nimmt
statt der bisherigen kreisrimden, bald die vieleckige Gestalt an. Der
Knauf bleibt zwar Anfangs noch eine plattgedrückte Kugel, jedoch
mit vielen Einkerbungen, so dass der Querschnitt desselben einen
Stern mit abwechselnd abgerundeten und spitzen Strahlen bildet;
häufiger indess treten aus dem flachrunden Nodus sechs runde oder
übereckgestellt viereckige Zapfen [rotult] hervor. Der Fuss, Anfangs
noch kreisrund, zerlegt sich in die Form der sechsblätterigen Kose
und steigt steil zum Ständer empor. ') — Dem Ornamente ist in der
Auf der Patene ist der Bruder u. Mitregent Otto's Markgr. Johann I. (1220 — 1266)
mit seiner Gemahlin dargestellt , wobei jedoch zu bemerken bleibt , dass auch des
letzteren älteste Söhne, Johann II. (t 1282) u. Otto IV. (t 130^) als Donatoren ge-
meint sein könnten.
1) Abbild, bei Sighart, J., Gesch. der bild. Künste im Königr. Bayern S. 125.
2) Abbild, bei Postelmayr, der St. Ulrichskelch in der Klosterk. zu Otten-
beuern , im Jahresbericht des hist. Vereins von Schwaben und Neuburg XVII. u,
XVnizuS. 12 ff.
3) Abbild, bei Becker und v. Hefner, Kunstwerke etc. Bd. m. Taf. 43.
4) Angefahrt in den Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. 1861. 6, 45.
5) Catalog des Erzbischöfl. Museums zu Cöln 1855. S. 11 No. 23.
6) AngeftLhrt von Bock, Fz., die Goldschmiedekunst des M. A. S. 20.
7) Eine strenge Chronologie ist in Beziehung auf die manniohfache Ausgestal-
tung der gothischen Kelche nicht durchzuführen , indem der einzelne Goldschmied
nicht immer die neuesten , sondern oft filtere Vorbilder befolgte , oder sich eigenen
Neigungen hingab. So hat der im Grabe des Erzb. Burchard von Magdeburg (f 1325)
gefundene Kelch bereits eine hftsslich geschweifte Cuppa , während die Grabkelche
der Erzbischöfe Otto (t 1361) und Johann (t 1475) eine angenehmere Schweifung
zeigen; bei ersterem ist der Durchschnitt des ein gekerbtes Pomellum bildenden
J 72 Ootliische
gothischen Periode bei den Messkelchen, anscheinend aus liturgischen^
Rücksichten, ein engeres Feld angewiesen : es beschränkt sich meist
auf Ständer, Knauf und Fuss und besteht in der Regel aus architek-
tonischem Maasswerk, seltener aus der Natur nachgebildeten ßlättem.
Die Schilder der sechs Rotuli sind häufig emaillirt oder niellirt und
mit den Buchstaben des Namens Jesu Ü^tSW, auch t munil bezeichnet.
Auf dem Fusse, dessen Rand oft von Vierblättchen durchbrochen er-
scheint, ist fast regelmässig der kirchlichen Vorschrift zufolge das
Signaculum angebracht, auch nach alter Sitte oft eine ringsum laufende
Inschrift mit den Namen der Donatoren.
Die anscheinend ftltesten Kelche der gothischen Periode mit run-
dem Fuss und Ständer, eingekerbtem Pomellum und niedriger
breiter Schale, sonst ganz einfach , sind schon seltener ; wir nennen nach
den vorliegenden Abbildungen: einen Kelch zu Emmerich^) und einen
(nicht näher bestimmten) Grabkelch im Dom zu Magdeburg*), beide
noch mit halbkugeliger, aber am Rande scharf ausgebogener Cuppa ; ferner
einen Kelch mit gothischer Cuppa in dem Dorfe Haffen bei Rees, auf
dem Fusse mit vier ciselirten Medaillons mit dazwischen gravirten Engeln
verziert*), den Meinwerkskelch im Dom zu Paderborn mit flacher
breiter Cuppa*), endlich die schon oben (S. 171 Anmerk. 7.) erwähnten
drei Magdeburger Sepulchralkelche mit geschweiften Cuppen. —
Zwar runden Fuss und Ständer, aber abweichende Nodusbildung
zeigen ein Kelch im Domschatze zu Mainz mit 6 runden Zapfen an dem
runden Knaufe **; ; ein Kelch der Kirche zu Wewer bei Paderborn mit
sechs viereckigen Zapfen an dem eckigen Knaufe *) ; ein Kelch zu Elten-
berg mit eiförmiger Cuppa, sphäroldischcm Knauf und den Evangelistcn-
zeichen in vier Medaillons auf dem Fusse ; Ständer und Nodus mit
stilisirtem Blattwerk geschmückt^); der fast 9 Z. hohe, goldene Bem-
wardskelch im Dome zu Hildesheim, ein seltenes Prachtexemplar, und
nach der Mitte des XIY. Jahrb. wahrscheinlich aus dem ursprünglichen
Bernwardskelche umgearbeitet : auf dem Fusse erscheinen zwischen 7
gravirten Rundbildern aus dem N. T. 14 Edelsteine, zum Theil antike
Gemmen und Kameen ; den kurzen Ständer umsäumt oben und unten ein
Palmettenband , der Knauf besteht aus einem 1 2 eckigen Topas von fast
Knaufes ein zehnstrahligcr, bei letztcrem ein achtstrah liger Stern ; Fus9 und Stander
sind rund ; man wird daher z. B. das EseUrÜckenprofil der Cuppa nicht immer als
einen Beweis später Entstehungszeit annehmen dürfen. — Die Abbild, der genannten
Grabkelche bei Rosenthal, Dom zu Magdeburg. Lief. V. Taf. I. 2 u. 3.
1; Abbild, bei auB*m Weerth a. a. O. Bd. I. Taf. II. fi. Der Fuss dieses
Kelchs ist als modern verdächtig.
2) Abbild, bei Rosen thal a. a. O. Fig. I.
3) Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Bd. II. Taf. XXI. «.
A) Abbild, bei Giefers, aber den Altarkelch. Fig. 1.
5) Beschrieben von Bock, Fz., die Goldschmiedekunst des M. A. S. 13.
6) Abbild, bei Giefers a. a. O. Fig. 2.
7) Abbild, bei au s'm Weerth a. a. O. Bd. I. Taf. 11. 1.
Kelche^
173
3 Z. im Durchmesser bei IV4 Z. Höhe, die eiförmige Cuppa endlich
Rchmackt unter umlaufenden Zackenbögen die gravirte Darstellung des
heil. Abendmahles*); die Grabkelche der Erzb. Günther (f 1445) und
Friedrich (■[ I4G4) von Magdeburg : ersterer mit einem gothisch ge-
gliederten Hinge statt des Nodus , letzterer mit runden Zapfen an dem
mit Maas» werk geschmückten Knaufe. *) — Mit eckigem Ständer,
runden Zapfen an dem Nodus und Maass werk Verzierung erscheinen
die Kelche zu Ruthen (um 1318) und zu D 0 r e n h a g e n bei Paderborn
(um 1370). ^J Auch ein Kelch im Stifte Admont vom J. 1355 gehört
noch zu dieser Gattung, sowie ein Kelch in der Hofbui^kapelle zu Wien
vom J. 1438.
Fig. G8. Kelch xu KQtlien (nach
Gieferf).
Fig. 09. Kt'lch in der Frälatur «i Klosti^r-
neuburg (nach den Mittheil, der k. k.
Central - ComuiiMion).
Die grosse Mehrzahl der gothischen Kelche, deren noch viele er-
halten sind , hat einen sechsblätterigen Fuss , sechseckigen Ständer und
Zapfenknauf, meist mit Maasswerk Verzierung , seltener mit Laubwerk.
Zwei reiche Prachtkelche befinden sich zu Klosterneuburg*); der
eine von ly^Z. Höhe (in der Schatzkammer) aus dem J. 1337 mit glatter
kegelförmiger Cuppa , ist bis zum Grunde derselben mit erhaben aufge-
legten Ornamenten ganz bedeckt ; auf dem Fusse drei neutestamentliche
Rundbilder in Email. Der andere (in der Prälaturkapelle) ist nicht bloss
an den unteren Theilen , sondern auch rings um den Grund des kuppel-
1) Abbild, bei Kratz, Dom zu Hildesheim. Taf. V. 1.
2) Abbild, bei Rosenthal a. a. O. Fig. 4. u. 5.
3) Abbild, bei Giefers a. a. O. Fig. 4. u. 3.
4) Abbild, in den Mittheil, der k. k. Centzal-Commltsion etc. 1S<;I. (i, 2GJi'.
1 74 Spätgothische Kelche.
förmigen Bechers mit emaillirten Filigranornamenten und einem erhabenen
Traubenkranze geschmückt. — Die kathol. Hauptpfarrkirche zu Wesel
bewahrt einen 8V4 Z. hohen, oben 474, unten ß'/* Z. breiten Kelch vom
Ende des XV, Jahrh. , mit den Wappen der Herzoge von Cleve und der
Grafen v. d. Mark an dem mit 6 Darstellungen aus der Passionsgeschichte
in ciselirten Figuren geschmückten Fuss, mit Maasswerkverzierungen
am Ständer, mit runden Zapfen am Knaufe und einem . Blattomament
unten am Becher. ') — Einfacher sind zwei 8 Z. hohe Kelche in der
Pfarrkirche zu Kempen*), der eine mit reichen Gravirungen am Fusse,
mit Maasswerk an Ständer und Nodus und Blättern am Grunde der
Cuppa ; der andere mit achttheiligem, an der Basis durchbrochenem Fuss,
mit den erhaben gearbeiteten Passions Werkzeugen am Sockel des Ständers,
mit Apostelstatuettchen vor den acht Zapfen des Knaufes und eiförmiger
Cuppa. — Gewöhnliche spätgothische Messkelche befinden sich zu Cöln
in den Kirchen St. Gereon, Maria Himmelfahrt, St. Andreas, im Dom
und in St. Martin. ') Alle, diese Messkelche sind sehr einfach mit glatten
Cuppen , und ihre Schönheit beruht lediglich in dem gegenseitigen Ver-
hältniss ihrer emzelnen Theile. — An Reliquienkelchen war
auch die spätere Gothik mit Verzierungen nicht sparsam ; das
Heiligthum des Domes zu Halle (Gang ü. 33) bewahrte einen
mit Reliquien vom heil. Kreuze gefüllten Kelch (Fig. 70) mit ge-
schweifter Cuppa, dessen ganze Oberfläche reich ornamentirt war.
Schöne gothische Kelche werden angeführt im Stift St.
Paul in Kärnthen , in der Stadtkirche zu Reutlingen , Petri-
^ kirche zu Soest , Marienkirche zu Danzig , im Schloss und in
Fig. 70. der Sacristei zu Marienburg. *) — Einfachere Exemplare in
St. Emmeram zu Regensburg, in Marklkofen, in Aunkofen,
in St. Jacob zu Straubing, alle im Sprengel von Regensburg. *) —
In der Diöces München-Freising: in der Pfarrkirche zu Wasser-
burg (ein Kelch von etwa HZ. Höhe), in Jasberg, in Trostberg (vom
J. 1500), Loiblfing, in Törwang, Steinkirchen, Greimering, Schlehring
in der Streichenkapelle, in Marzling und Altenhausen (1535). ^) — In
Westfalen: ein goldener Prachtkelch und mehrere andere im Dom zu
Osnabrück, zwei goldene Kelche in der Johanneskirche daselbst, ein
grosser ganz mit aufliegenden Ornamenten bedeckter Prachtkelch in der
Katharinenkirche daselbst, zwei Kelche im Dom zu Minden. ^) — Zu
Hildesheim: ein goldener Kelch aus dem ehemal. Karthäuserkloster,
mit einem Topas als Knauf, ein Kelch mit emaillirtem Fuss im Dom-
1) Abbild, bei auB'm Weerth a, a. O. Bd. U. Taf. XXI. 8.
2) Abbüd. ebd. Taf. XXH. 8 u. 10.
3) Abbild, bei Bock, das beilige Köln. Taf. II. 10. Taf. III. 14 u. 15. Taf. IV.
19. Täf. IX. 38. Taf. X\X 64.
4; Vgl. ebd. St. Andreas S. 7.
5) Vgl. Bock und Jakob, die mittelalterl. Kunst etc. S. 13; auch Jakob, die
Kunst im Dienste der Kirche S. 86.
6) Sighart, J. , die mittelalterl. Kunst in der Ersdiöcese München - Freising
S. 204.
7) Lübke, die mittelalterl. Kunst in Westfalen S. 424.
Patenen. ] 75
schätze, ein Kelch vom J. 1500 in der Magdalenenkirche. ^) — In der
Provinz Brandenburg: in der Kirche zu Beesko w, in der Dorf kirche
zu Herzberg bei Beeskow. — In Pommern: drei Kelche aus dem
XIV. Jahrh. im Dom zu Cammin. ^)
44. Eben so lange wie für den Wein die Kelche, sind für das
Brot im heiligen Abendmahle seit den ältesten Zeiten die Patenen ^)
im kirchlichen Gebrauche (vgl. oben S. 162) , und zu jedem Kelche
gehört eine gleichzeitig mit demselben geweihte Patena, von dem
nämlichen Stoffe und in verhältnissmässiger Grösse als Decke darauf
passend. In alter Zeit , vor der gewöhnlich in das XII. Jahrhundert
gesetzten allgemeinen Einführung der noch jetzt gebräuchlichen
Oblaten in Form einer Münze *] hatte man auch im Abendlande, wie
noch gegenwärtig bei den Griechen, grössere Schüsseln für das Weih-
brot, und neben den grossen Speisekelchen gab es auch grosse Patenae
ministeriales. Der Form nach sind die Patenen rund mit flachem
Rande „ und in der Mitte entweder in einem kleineren, zu der Cuppa
des Kelches passenden Kreise, oder im Vier-, Sechs- oder Vielblatt
etwas eingetieft , und zwar in früherer Zeit tiefer , als in späterer. —
Die zu Prachtkelchen gehörigen Patenen , besonders aus romanischer
Zeit, waren gewöhnlich ebenfalls, und zwar oft auf beiden Seiten, mit
Gravirungen oder en Email geschmückt, seltener mit erhabenen Ver-
zierungen auf dem Rande. Die auf Patenen am häufigsten wieder-
kehrenden, in der Regel von erläuternden Inschriften begleiteten
bildlichen Darstellungen sind das Gotteslamm , der leidende oder der
thronende Erlöser. Die meisten gothischen Patenen sind übrigens
ganz glatt und schmucklos, nur mit dem Signaculum (s. oben S. 161)
auf dem Rande.
Vielleicht die älteste unter den auf uns gekommenen , wenngleich
nicht aus dem IX. Jahrb. herrührend, ist die Patene, welche zu dem
Kelche des heil. Liudger zu Werben gehört (s. Fig. 64, S. 167). Sie
ist von Silber, T*/, Zoll im Durchmesser, \y^ Zoll hoch und etwas
grösser als der Kelch, der in der Cuppa nur 2^^ Z. Breite hat; laut der
auf vergoldetem Bande stehenden Inschrift enthält dieser »ciptiaa (d. i.
wahrscheinlich =s scyphus , Schale) ungewöhnlicherweise im Fusse : vom
Blute des heil. Liudger und andere Reliquien. ^) — Beachtenswerth ist
auch die Darstellung der Patene mit wiilstigem Rande auf dem Elfenbein-
deckel zu Frankfurt a. M., sowie die dreieckige Form der darauf liegen-
1) Kratz, im Correspondenzbl. etc. 1857. (V.) Beilage zu No. 4. No. 50. 56. 65.
2) Kugler, Kl. Schriften 1, 783.
3) Ueber die Patenen handeln auch die S. 162 angefahrten Schriften aber
den Kelch.
4) Vgl. Gräser, Ad. H.» die röm.-kathol. Liturgie (HaUe 1829) S. 157 ff.
5) Vgl. Weerth, £. aus'm, Kunstdenkmäler etc. Bd. II. S. 39.
] 76 Patenen und Zangen.
den Hostien, welche an die kanonische Vorschrift erinnert : » l'rtforme est
corptis domini.n *) — Ausgezeichnet durch Grösse (mehr als 9 Z. im
Durchmesser) und den beide Seiten bedeckenden bildlichen Schmuck ist
die zu dem Speisekelche in Wüten (s. oben S. 164) gehörige Patene :
auf der vertieften Mitte (von b% Z. Durchmesser) der oberen Seite sind
der Auferstchungsengel und die drei Marien am leeren Grabe dargestellt ;
der Rand zeigt in vier durch Architekturen gesonderten Abtheilungen die
Offenbarungen des Auferstandenen und die Himmelfahrt ; das Mittelfeld
der unteren Fläche enthält in erhabener Arbeit die Kreuzigung, der Rand
in drei verschiedenen Scenen die Höllenfahrt in niellirter Gravirung. ^) —
Ganz eigenthümlich ist die Ausstattung der zu dem Salzburger Henkel-
kelche (s. oben S. 164) gehörigen Patene, die in der Mitte eine dreizehn-
blätterige Rose mit der Darstellung des Abendmahles enthält ; das Cen-
trum zeigt das Lamm GK)ttes. — Schmuck voll sind ebenfalls die Patenen
zu den oben S. 169 f. erwähnten romanischen Kelchen in Trzemesno,
Plock, Werben und Berlin. Während indess alle diese nur gravirte Dar-
stellungen enthalten, ist die zu dem Prachtkelche der Godehardskirche in
Hildesheim gehörige Patene auf dem Rande mit Perlen und Edelsteinen
in Filigran geschmückt, und nur an der Stelle findet sich ein runder Aus-
schnitt des Filigranrandes , an welcher die vorgeschriebene Ablution vor-
zunehmen ist. ') — Als Beispiel einer mit Gravirungen , aber nur auf der
Rückseite verzierten gothischen Patene ist die des Bernwardskelches in
Hildesheim (s. oben S. 172) zu erwähnen: sie ist aus Gold, hat gegen
7 Zoll im Durchmesser und zeigt das von Weihrauchbecken schwingenden
Engeln und den Evangelistenzeichen umgebene Gotteslamm. *) — Die
zu dem Grabkelche des Erzb. Johann von Magdeburg (y 1475) gehörige
schmucklose Patene ist in der Mitte im Vielblatte vertieft , doch in einer
geschweiften Fläche, so dass das Centrum der Rose gehoben erscheint. *)
Im Zither des Doms zu Halberstadt befindet sich eine grosse , mit
vielen gravirten Darstellungen geschmückte silberne Abendmahlsbrot-
schüssel der griechischen Kirche, welche Bischof Conrad 1203 aus Con-
stantinopel mitgebracht hat , auf der man aber später die Steinigung des
heil. Stephanus in einer Gruppe von Statuetten befestigt hat. — Auch
der Dom zu Hildesheim besitzt eine über 1 F. im Durchmesser haltende
silberne Oblatenschüssel für die Laien - Communlon aus später Zeit , auf
dem Rande mit Gravirungen y in der Mitte mit Email verziert.
Anmerkung. In dem Prager Domschatz - In ventarium vom J . 1387
werden als damals anscheinend nicht mehr in Gebrauch befindlich zwei sil-
berne Zangen erwähnt, mit welchen den Leuten der Leib des Herrn dar-
1) Dist. 2 de consecr. c. 17; vgl. Gräser, a. a. O» u. oben 8. 167 Fig. 65.
2) Abbild, im Jahrbuch der k. k. Central - Commissiou etc. Taf. V. u. VI. zu
S. 34 ff.
3} So heisst es in dem Prager Schatzverzeichnisse von 13S7: »una peeia in
paienat per quam debet sumi ablatio, n — Vgl. Mittheil, der k, k. Central - Commis-
sion etc. 1859. 4, 303.
4) Abbild, bei Kratz, Dom zu Hildesheim. Taf. V. I a.
5) Abbild, bei Rosen thal, Dom zu Magdeb. Lief. V. Taf. I. 20.
OblateneiBen. \ 77
gereicht wurde. *) — Da anderweitig von einem solchen ii insirumentum
sacruma nichts verlautet, und der Zweck desselben nicht liturgisch begründet
werden zu können scheint , so liegt zwar die Vermuthung nahe , dass die
Zangen gebraucht worden sein möchten , um Aussätzigen und Pestkranken
die Hostie zu reichen , indess der Ausdruck des Inventars » hominibus « be-
günstigt andrerseits diese Annahme nicht , die vielmehr nöthigen würde an
ein ausgefallenes Wort hinter yi hominibus a^ z. B. leprosis, zu denken.
Es mag hier auch beiläufig das ^ferrum characteratum , ferrum oblaia-
rum , molle /erreum « , das Oblateneisen erwähnt werden zum Formen
und Backen der Hostien , mit deren Bereitung in manchen Kirchen nur die
Diacorien oder Subdiaconen , und zwar in einem dazu besonders bestimmten
Local, betraut waren. So ist auf dem Bauplane des Klosters St. Gallen vom
J. 820 in der Nähe der Sacristei ein eigenes Gebäude angegeben zum Backen
des heiligen Brotes und zum Auspressen des heiligen Oeles. *) Diese Eisen
waren dazu eingerichtet, um den Oblaten die bestimmte Form und Bezeich-
nung zu geben , und schon vor Einführung der letzteren war den Abend-
mahlsbroten die Figur des Kreuzes aufgedrückt. Wie auf dem Denar des
Kaisers Bild und Ueberschrift , so war im Xu. Jahrb. auf dem heil. Brote
das Bild des Herrn mit Buchstaben [imago , domini cum litteris)^) ausge-
drückt, und seit dem XIII. Jahrh. kommt gewöhnlich das Crucifix mit dem
Titulus INBI darauf vor. *) — Mittelalterliche Oblateneisen sind sehr
selten, da die Bereitung der Hostien bald in die Hände weltlicher Bäcker
übergegangen zu sein scheint. Das Musee de Cluny in Paris besitzt ein
grosses Exemplar aus dem XIII. Jahrh. mit den Bildern Christi und der
Apostel. *) — Gleiche Technik wie die Eisenformen zu den kirchlichen
Oblaten zeigen die Osterkucheneisen zum häuslichen Gebrauch ; vgl. die
Abbild, eines solchen aus Cöln (etwa aus dem XV. Jahrh.) im Organ für
Christi. Kunst 1862. Artist. Beilage zu No. 17.
45. Zu der auf urchristlicher Sitte beruhenden Aufbewahrung
der Eucharistie für die Gläubigen und für die Kranken bediente man
sich im Laufe der Zeiten verschiedener geweihter Geisse *), die unter
den Namen Büchse {pyxis) , Taube {columba , peristertum) , Thürm-
chen [turris, turrictcla), Kapsel [capsa], Speisegefäss [ciborium] u. s. w,
vorkommen. Jüngeren Ursprungs sind die zur Ausstellung der ge-
]) » Duo forcipes argentei, cum quibus porrigebiUur hominibus corpus domini-
cum,t* Vgl. Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. 1859. 4, 329.
2} Vg^. O tte, Qesch. der deutschen Baukunst, auf der lithogr. Beilage zu S. 92
unter D.
3) Cf. Honorius August. Oemma animae 1. 1 c. 35.
4) Vgl. August i, Denkwürdigkeiten etc. 8,280; deLaborde, Notice des
Emaux au Musöe du Louvre 2, 395. 420. 426.
5} T e X i e r, Dictionnaire d'orfövrerie p. 1 263.
6) Vgl. Pelliccia, de Christ, eccl. politia (ed. Braun) 2, 1 — 67 (Dias, de
eucharistia infirmorum). — Binterim, Denkwürdigkeiten etc. II. 2, 134—184. —
Augusti, Denkwürdigkeiten etc. 12, 38—44. — Laib u. Schwarz, Studien etc.
S. 27 ff. 59 ff. 72 ff. — Cor biet, J. , Essai historique et liturgique sur les Ciboires
et la r^erve de TEucharistie. Paris 1858.
Ott«, Kuntt-Areh&ologi«. 1 2
1 78 Oiborien.
weihten Hostie dienenden Monstranzen [mons^antiae),yre\che erst seit
Einführung des Fronleichnamsfestes üblich geworden sind.
In den ersten Jahrhunderten wurde die Eucharistie nicht in den
Kirchen aufbewahrt, indem es Sitte war, dass Priester und Laien dieselbe
mit in ihre Häuser nahmen, um ffir den Nothfall bei ausbrechenden Ver-
folgungen communiciren zu können. Im Zeitalter des Constantinus fielen
die Gründe ftlr diese mit vielen abergläubischen Missbräuchen verbundene
Sitte weg, es wurde aber die fortwährende Aufbewahrung der Eucharistie
in den Kirchen angeordnet. Das zur allgemeinsten und dauernden Gel-
tung gekommene Gefäss zu diesem Zwecke war eine runde cylindrische
Büchse, Pyxis genannt, in älterer Zeit aus Holz, Bein, Stein oder edlem
Metall, später fast immer aus letzterem verfertigt. Die bereits oben
S. 148 unter den Reliquiarien erwähnten, wohl sicher sehr früher Zeit
angehörenden Elfenbeinbüchsen *) dürften ursprünglich diese Bestimmung
gehabt haben, insofern das unter dem Schlosse derselben angebrachte
Signaculum (ein von einem Lorbeerkranz umgebenes gleicharmiges Kreuz,
in dessen Winkeln die vier Nägel des Kreuzes Christi , mit ihren Spitzen
einander gegenüber, mit den Köpfen nach aussen gestellt, ein zweites
Schrägkreuz bilden) doch sehr deutlich darauf zu deuten scheint , und es
ist nicht unwahrscheinlich, dass unter dem in den Apostol. Constitutionen
erwähnten naoToq^oQiOf, in M^elches die Diaconen nach beendigter Com-
munion beider Geschlechter die übrig gebliebenen Brosamen zu legen
hatten *) , eben nichts anderes zu verstehen ist , als eine solche oder
ähnliche Pyxis. Eine noch grössere Wahrscheinlichkeit findet statt in
Beziehung auf die y>capsa ad officium guideni aacerdotale ex ossibus fahrt"
caiady welche der Erzb. Lull von Mainz im VIII. Jahrh. aus England
zum Geschenke erhielt ') ; auch besass der Domschatz zu Trier nach
einem Verzeichnisse von 1238 zwei Elfenbeinbüchsen, deren eine jedoch
zur Aufbewahrung von Manna diente. *) Anderweitig kommt seit dem
VI. Jahrh. für die Gefösse zur. Aufbewahrung der Eucharistie der Name
Turris, Turriculum") vor , w orunter wahrscheinlich nur eine Pyxis
mit zeltförmigem Deckel (s. oben S. 147) zu verstehen ist, die indess,
wie schon bei den Reliquiarien dieser Art bemerkt, zuweüen auch in
grösserer Form und in der Weise eines Thurmes architektonisch ausge-
staltet worden sein wird, weshalb sie mit dem thurmförmigen Grabe
Christi verglichen werden konnte. ®; Als Beispiel scheint angeführt werden
zu können ein goldenes, reich mit Edelsteinen geschmücktes ncibortum
1) Vgl. Hahn, F., Fünf Elfenbein- Gef^e des frühesten M. A. 1862. S. 1 ff. —
Gori, Thesaurus diptychorum. Florenz 1759. 4, 69. Tab. 23. 24.
2) Const. Ap. 1. 2 c. 61 u. 1. Sc. J3; vgl. Laib u. Schwaraa. a. O. S. 30.
3) Epist. S. Bonifacii, ed. Würdtwein p. 313 ep. 130; v0. Bettberg,
Kirchengesch. Deutschlands 1, 405.
4) Mittheil. etc. herausgegeb. von dem hist.-archftol. Verein zu Trier 2, 125.
5) Vgl. Texier, Dictionnaire d'orfövrerie p. 1410. Art. Tour.
6) » Corpus vero domini ideo defertur in turribus, quin tnonumenium domini (da»
heilige Grab mit seinem Kuppelbau) in similititdinem turris foret seiswm in petra,^
Expositio brevis lit\irg. GalUcanae (aus dem VI. Jahrh.) bei Martene, Thesaur.
anecdot. 5, 95.
Ciborien.
179
qua^ratum^ in Form eines von zweimal vier Säulenarkaden umgebenen, zwei-
geschossigen, in vier Giebel au»laufenden Centralbaues von etwa 2 F. Höhe,
welches, inschriftlich ein Geschenk Königs
Ai-nulf (f 899) an St. Emmeram zu Regens-
burg, jetzt in der Reichen Kapelle zu München
aufbewahrt und in einem Berichte vom J. 1761
als •Turrita aediculaa bezeichnet wird. ') —
Gleichzeitig mit den Gefössen in Thurmform
werden auch goldene und silberne Tauben
erwähnt'), und zwar zuerst in der griechischen
Kirche , mit der ausdrücklichen, symbolischen
Beziehung auf den heiligen Geist. Diese Tau-
ben standen auf einer Schüssel, die mit den
daran befindlichen Kettchen an einer Schnur
von dem Ciborium über dem Altartische schwe-
bend herab hing und während der Messe her-
untergelassen wurde, eine Einrichtung, von
welcher der jüngere Titurel (s. oben S. 104)
eine anschauliche Beschreibung giebt , und die
besonders in Frankreich auch nach Abschaf-
fung der Ciborienaltäre sich in einzelnen Klö-
stern selbst bis in die Revolutionszeit erhalten
hatte , indem eine Art von Krahn au diesem
Zwecke am Altarbau angebracht war. *j Es
haben sich in Frankreich auch noch einige sol-
cher Tauben aus emaillirtem Kupfer erhalten :
auf dem Rücken zwischen den Flügeln be-
findet sich unter einem (mit dem Signaculum
bezeichneten) Deckel eine Oeffnung zur Auf-
nahme einer kleinen runden Pyxis. ^) In Deutschland sind bis jetzt nur .
drei liturgische GefSsse in Taubenform nachgewiesen : im Domschatze zu
Flg. 71. Pcristcrium (nach Laib und
Schwan).
1] Vgl, Bericht von den heil. Leibern u. Reliquien, welche in .... S. Emmeran
aufbehalten werden. Begensb. IIGI S. ^2 ff. ; bei Laib und Schwarz a. a. O.
S. 60. — Vgl. auch Sighart, Gesch. der bild. Künste in Bayern 1, 4-1.
2) Die antiochenische Geistlichkeit beschuldigte auf dem Concil z\x Constan-
tinopel im J. 53H (Act. V.) ihren Bischof, daas er sich »rcW tig tvnov rov iyiov
nvtvfuftros XQ*'^^^ '* **^' aQyv^«i neQKTTfQag x^iuu^tivas vnfQayui rdüy t^tftov
xoXvfißri^QtJiv xal i*vGiaaTrj()i(ovw widerrechtlich zugeeignet habe. Vgl. August!
a. a. O. 12, 41. — In dem Pontificalbuche des Anastasius kommen die »colnmhaen
sogar schon unter den Geschenken Constantins des Gr. an die Peterskirche in Rom
vor. Vgl. Laib und Schwarz a. a. O. S. 2^,
3) Auf einer Abbildung des alten Hochaltares der Kathedrale zu Arras aus dem
Xm. Jahrb. (bei Laib und Schwarz a. a. O. Taf. X. <i) hängt die Pyxis in den
Händen eines herabschwebenden Engels, was nach de Moleon, Voyages liturgiques
(Paris 171S) p. 244 u. 27H auch in N. D. von Paris und von Kouen der Fall war —
also gaj^ in Uebereinstimmung mit der Schilderung im Titurel.
4) VgL die Abbild, bei Laib und Schwarz a. a. O. Taf. H. 4. 6. 1 1. — Dass
die Eucharistie nicht unmittelbar in die Taube , sondern in eine darin angebrachte
Pyxis gelegt wurde , beweisen die Consuetudines cluniacenses aus dem XI. Jahrh.
(1. 2 c. 30 bei Da eher, Spicileg. I, 679j, woesheisst: ^Auream pyxidem dß columha
jugtter pendente super altare diuconua .... absfrahit,^
12*
180 Ciborien.
Salzburg ( mit emaillirten Flügeln, die Augen aus blauen Glasflüssen : ein
Oelgeföss aus dem Xu. Jabrh. ^)), im Kloster GOttweih und im Dom-
schatze zu Erfurt ('ausdrücklich als »columba euc/iaristicm bezeichnet. ^)] —
Da alle diese eucharistischen Gefässe (Büchsen, Thürmchen und Tauben)
über dem Altare aufgehängt zu werden pflej^ten (s. oben S. 104 u. 148),
so hatte sich für dieselben, ohne Rücksicht auf ihre Form, auch die allge-
meine Bezeichnung Suspensio gebildet, wie ebenso anderweitig der
Name des Altarbaldachins , Ciborium , von dem sie herabhingen , auf die
Speisegefässe selbst übertragen wurde, und derselbe im kirchlichen
Sprachgebrauche sich in dieser Bedeutung fortgepflanzt hat , für die noch
jetzt übliche Art von Sacramentarien , die nach dem Wegfall der Altar-
baldachine nicht mehr zum Aufhängen, sondern zum Aufstellen bestimmt,
in gothischer Zeit die Form eines Deckelkelchs mit polygonischer Cuppa
annahmen und Ciboria genannt werden. Sie dienen nicht bloss zum
Aufbewahren, sondern bei grösserer Anzahl der Coramunicanten auch
zum Austheilen des Weihbrotes und vertreten somit zugleich die Stelle
der früheren Brotschüsseln und Ministerial-Patenen. Für den Gebrauch
in der Kirche sind die Ciborien grosser, als die zur Provision der Kranken
bestimmten Gefässe dieser Art , welche überhaupt in zwei Klassen zer-
fallen : in schalenartige und thurmförmige , je nachdem ihnen der Typus
der Pyxis oder des Turriculums zu Grunde liegt. Der Fuss ist gewöhn-
lich sechsblätterig oder bildet einen Stern mit abwechselnd gerundeten
und gespitzten Strahlen ; Ständer, Knauf, Gefäss und Deckel sind ent-
sprechend polygonisch, bei den thurmförmigen mit hohem Spitzhelmt.
Die Höhe der Ciborien schwankt zwischen S Z. und 2 F. , der Stoff ist
vergoldetes Silber oder nur Messing ; der Schmuck besteht meist in archi-
tektonischem Maasswerk, in gravirten und emaillirten Bildern. Das aus-
gezeichnetste Exemplar in achtseitiger Schalenform mit ziemlich niedrigem
Deckel von geschweiftem Profil , mit Blattwerk und biblischen Darstel-
lungen en Email reich geschmückt, bei etwa 1 3 Z. Höhe in den anmuthig-
sten Verhältnissen (XIV. Jahrh.) befindet sich im Schatze des Stifts
Klosterneuburg ') ; in Thurmform das 2 F. hohe Ciborium (aus Rees
stammend) in der Dorfkirche zu Gber-Millingen am Niederrhein. *) Andere
Ciborien in Eltenberg, Kempen und im Münsterschatze zu Aachen ^) ; in
St. Mar^n und in St. Johann zu Cöln •) , in der Kirche zu Deutz (den
Kern bildet die romanisch gefasste hölzerne Trinkschale des heil. Heri-
bert; Fuss und Deckel aus dem XV. Jahrb.). '') — In Westfalen : in der
1) Abbild, bei (Petz old), Schätze mittelalterl. Kunst aus Salzburg, Taf. IL. der
kirchlichen Alterthümer. — Vgl. Mittheil, der k. k. Central - CommisBion etc. 1861.
6,47.
2) Vgl. Falükenstein, Analecta Thuringo-Nordgav. 2,361. — Fiorillo, J.D.,
Gesch. der zeichn. Künste in Deutschland I, 486. — Giefers, W. Engelb. , Prak-
tische Erfahrungen etc. S. 24.
3) Abbild, in den Mittheil, derk.k. Central-Commission etc. 1861. VI. Taf. VII.
zu S. 295.
4) AbbÜd. bei aus'm Weerth Denkm. etc. Bd. I. Taf. V. 2.
5) Abbüd. ebd. Taf. II. 2 u. in Bd. II. Taf. XXH. 6 u. XXXVHI. 5.
6) Abbüd. bei Bock, das heil. Köln Taf. XVI. 63 u. Taf. XXXIV. 102.
7j Abbild, ebd. Taf. XXni. 84.
Monstranzen.
181
Kirche zu Körbecke bei Soest (die Guppa aus einem zwölfseitigen Berg-
krystall bestehend : jetzt als Monstranz in Gebrauch) , in der Kirche zu
Eislohe, in der kathol. Kirche zu Dortmund ') ; in
den Kirchen zu Dülmen und zu Buldern. ^) — In
Bayern : in Ecksberg bei Mühldorf, in Hörgerts-
hausen , Geisenhausen , Pframmem bei Aibling, in
der Martinskirche zu Landshut (sftmmtlich unbe-
deutend, zum Theil defect). *) — In Oesterreich:
zwei einfache Ciborien im Stift St. Florian. *) —
In der Pro V. Brandenburg: in der Mönchenkirche
zu Jüterbog und in der Klosterkirche zu Zinna
(beide aus Messing, mit gravirten Figuren) .
Dem Fronleichnamsfeste, dessen allgemeine
Einführung erst dem Papste Johann XXII. im
J. 1316 gelungen zu sein scheint, verdanken die
Monstranzen^) ihren Ursprung . Da sich dieses
Fest, welches zuerst seit 1246 in der Diöces Lüt-
tich war gefeiert worden, indess auch später nur
allmählich und strichweise weiter verbreitete , und
da es überdies zweifelhaft ist , ob die Processionen
und die Ausstellung des Venerabile nicht überhaupt
erst später hinzugekommen sind ^), so kann es nicht
befremden , dass die meisten Monstranzen erst aus
dem XV. imd XVI. Jahrb. herrühren und deshalb
in archäologischer Beziehung nur von geringerem
Interesse sind. Offenbar haben denselben die be-
reits früher vorhandenen gothischen Reliquien -
Monstranzen (s. oben S. 157) zum Vorbilde ge-
dient, wahrscheinlich weil man sich Anfangs der
Schaugefässe dieser Art auch für das Sanctissimum
es sind tragbare Tabernakel , die , auf einem dem
gothischen Kelchfusse gleichenden Untersatze ruhend, den grössten Reich-
thum in der Entwickelung der dem gothischen Thurmbau entlehnten con-
¥ig, 72. Silbernes Ciborium
in St. Johann zu Cöln (nach
Bock).
bedient haben mag :
J) Vgl. Giefers a. a. O. S. 59.
2) Vgl. Lübke, die mittelalterl. Kunst in Westfalen S. 425.
3) Vgl. Sighar t, J. , die mittelalterl. Kunst in der Erzdiöcese München - Frei-
sing S. 202.
4) Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. a. a. O. S. 46.
5} Ueber Gebrauch und Form der Monstranzen: C. Weiss, in den Mittheil.
der k. k. Central-Commission etc. 1856. 1, 206, als Einleit. zur Beschreib, der goth.
Monstranz im Dome zu Pressburg.
6) Vgl. Gayanti, Thesaur. sacr. rit. 1, 499 — 516. — In dem Prager Dom-
schatzverzeichnisse vom J. 13S7 sind z. B. noch keine andere, als Reliquien - Mon-
stranzen angeführt. — In den Synodalstatuten von Basel vom J. 1506 (Hartzheim,
Conc. germ. 6, 8) wird den Pfarrern aufgegeben, Monstranzen anzuschaffen, nubi non
habentur*, und der Dompropst Georg von Anhalt (Schriften u. Predigten. Wittenb.
1555 S. 165) bemerkt, dass im Erzstift Magdeburg »für die [erst in newigkeit anff-
gerichU] proeesnon Corjioris Christi his auf den heutigen Tag kein eigen Monetrantz
oder heuslein dazu bereitet sei,« — Vgl. Mittheil, der k. k. Central-Commission etc.
1861. 6, 108.
182
Monstranzen.
striictiven und decorativen Fonnen im entschiedensten Hochstreben zeigen,
indem der Aufsatz bei den am glänzendsten ausgestatteten Exemplaren
in der Breite eine dreifache Pyramide bildet , von denen die mittlere auf
dem Ständer ruht und die beiden seitlichen übersteigt, welche unten con-
solenartig endend sich frei tragen. Anderweitig entwickelt sich der Ober-
bau mehr in die Breite und zwar aus Motiven , die dem Pflanzenreiche
entnommen sind. In der Mitte des Tabernakels befindet sich gewöhnlich
in viereckiger , seltener und später in runder Umrahmung das durchsich-
tige cylindrische oder eckige Krystallglas zur Auftiahme der Hostie, die
von einer halbmondförmigen Zwinge {lunuloy auch mit Beziehung auf
Fig. 73. MittelfltOck d«r MoDttr«iii lu Frei»inr (oach Sighart).
1 Mose 14,18 Melchisedek genannt) gehalten wird. ') Die Sonnenform
(vgl. Ps. 19, 5) der Monstranzen gehört erst der Renaissance an. — Der
zur Ausführung dieser Gefässe gewählte Stoff ist sehr verschieden, je
nach den zu Gebote stehenden Mitteln. Die Kathedralen haben Mon-
stranzen von Gold und Silber; die meisten Kirchen begnügten sich mit
vergoldetem Kupfer oder Messing, aber auch reich geschnitzte hölzerne
Monstranzen kommen zuweilen vor. — Die Grösse steigt von 1 — 5 Fuss,
1) Wir geben das Mittelstäck der prachtvollen, 4*/« F. hohen aus Holz ge-
schnitzten Monstranz des Doms zu Freising zur Veranschaulichung der Lunula im
Holzschnitt, nach der Abbild, bei Sighart, Joach., der Dom zu Freising Taf. VI.
Monstranzen. { g3
und mit der Grösse auch das Gewicht, so dass die grössten und schwer-
sten entweder gar nicht zum Tragen bestimmt , oder wie die zu Katibor,
Vallendar etc. mit zwei Handhaben zum Tragen für zwei Personen ver-
sehen waren. — Beispiele von gothischen Monstranzen, im Rheinlande:
zu Eltenberg, aus der abgebrochenen Collegiatkirche zu Rees, zu Vinen,
Calcar (XIV. Jahrh.) , Xanten ') ; zu Kempen ^) ; im Münsterschatze zu
Essen (auch in der Johanneskirche daselbst), zu Ratingen (von 1394) ^) ;
zu Cöln ün Domschatze (ein ausgezeichnetes Exemplar,, angeblich aus
dem XIV. Jahrh. , mit runder Kapsel, gegen 3 F. hoch) und zwei in St.
Columba (von denen die grössere, von 3 F. Höhe, den Vorzug verdient) *) ;
andere zu Orsbach bei Aachen (von 151 7), in Moselweis bei Coblenz und
in der Lambertikirche zu Düsseldorf. — In Westfalen: zu Bochold
(die schönste im ganzen Münsterlande) , in der Stiftskirche zu Vreden
(mit rundem Gehfiuse), zu Anholt ^).; auch zu Ostenfelde (mit Glöckchen
behängt). — In Bayern: zu Tegernsee (aus Weisskupfer mit Heiligen-
figürchen von Silber, 4 F. hoch und' 28 Pfd. schwer; vom J. 1448);
kleinere zu Kreut, Steinhöring und Salmanskirchen in der Diöces Mün-
chen - Freising ; zu Breitenbrunn im Sprengel von Eichstädt (von 1507) ;
in St. Emmeram zu Regensburg (handwerklicher Gelbguss). — In Tirol :
zu Hall (s^r reich, 4% F. hoch, über 25 Pfd. schwer; Fuss neu] , im
Domschatz zu Brixen (eine Monstranz, 2 F. hoch, um 1400^); eine
andere reicher und etwas grösser); in Kärnthen: zu St. Paul; in
Steiermark: zu Cilli, Marburg und Jägerberg ; in Oesterreich : zu
Prüglitz und Klostemeuburg ; in Böhmen : auf dem Schlosse zu Sedletz
(ausgezeichnet, 3 F. hoch, 9 Pfd. schwer; vor 1421) ') und in der Nicolai-
kirche zu Eger. — In Schlesien: zu Grünberg und in einer Landkirche
in der Gegend von Reichenbach. ^) — In Sachsen: in St. Godehard
zu Hildesheim (prachtvoll, 2 F. hoch) und zu Recklinghausen ; in Gotha. *)
— In Landkirchen des Meissener Sprengels kommen Monstranzen im
handwerklichen Gelbguss vor, genau nach demselben Modell, wie die
Monstranz (No. 618) aus Liebschütz im Museum des Grossen Gartens
zu Dresden.
Anmerkung. Nachdem die Aufbewahrung der Eucharistie in der
Suspcnsio (s. oben S. 180) ausser Gebrauch gekommen war, bedurfte es
eines anderen sicheren und würdigen Ortes zur Aufnahme des Ciboriums
oder der Monstranz, und dieses Bedürfniss führte zur Errichtung besonderer
1) Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Bd. L Taf. L 1. IV. 7. X. 11. XVL 3.
xvni. 4.
2) Abbild, in Originalgrösse bei Schmidt, Ch. W., Kirchenmöbel etc. Bd. I.
Lief. 4. Taf. Ib; auch bei aas'm Weerth a. a. O. Bd. II. Taf. XXIL 7.
3) Abbild, bei au s'm Weerth a. a. O. Taf. XXIX. 1 u. 9.
4) Abbild, bei Bock, das heü. Köln Taf. X. 39. Taf. XX. 78. Taf. XXI. 80.
b) Abbild, in Originalgrösse bei Schmidt a. a. O. Taf. 19—23.
6} Abbild, in den Mittheil, der k. k. Central- Commission etc. 1861. Bd. 6.
Taf. m. zuS. 132.
7) Abbild, in den Mittelalterl. Kunstdenkm. des Österreich. Kaiserstaates etc.
Bd. I. Taf. Vn.
5) Abbild, im Organ für christl. Kunst 1^62. Artist. Beilage zu No. 17.
9) Abbild, bei Hei de lo ff, Ornamentik des M. A. IV. 19 Taf. 4.
j g4 Saeramcntliäuschen.
Sacramenthäuschen (auch Tabernakel, Hengottshäuschen , Gottes-
hattchen , Fronwalme genannt) , und zwar regelmässig nördlich im hohen
Chore auf der Brotseite des Altars. ') Es lassen sich aber drei verschiedene
Arten derselben nachweisen : l. Wandschränk e> etwa in Brusthöhe über
der Erde, und bereits seit dem XIII. Jahrh. vorkommend. Als romanisches
Beispiel dieser Gattung kann der sich im Vierblatt öffnende, sonst ganz ein-
fache Schrank in der zierlichen Dorfkirche von Steinbach bei Bibra in Thü-
ringen angeführt werden. ^) Die Gothik fügte der Wand angeblendete
Zierden hinzu, indem sie den Schrank mit Fialen flankirte , mit einer Wim-
perge übersetzte und die Oeffnung desselben mit profilirtem Sims werk umgab.
Früh- und edelgothische Beispiele sind selten (wir nennen die Schreine zu
Volkmarsen ^) und zu Zinna '^)) ; spätgothische häufig. Den Verschluss des
Schrankes bildet Anfangs öfter eine feste Thür (wie in Zinna) , gewöhnlich
aber, und später immer, eine eisenne Gitterthür. — 2. Freistehende
Tabernakel in Form eines Thurmes, gewissermaassen monumentale
Monstranzen in grossem Maassstaibe, wie diese, wohl aus dem seit Ein-
führung des Fronleichnamsfestes sichtbaren Streben nach immer grösserer
Verherrlichimg des in der Hostie enthaltenen heiligen Leibes hervorgegangen
und erst seit dem letzten Viertel des XIV. , hauptsächlich aber im XV. und
XVI. Jahrh. vorkommend : auf einem hohen , dreieckigen , viereckigen,
polygonen oder runden Sockel ruht der rings von durchsichtigem Gitterwerke
(wie die Kapsel der Monstranz von KrystaÜglas) umschlossene Schrein *j ,
über welchem sich in den reichen , oft willkürlichen Formen der Spätgothik
eine Pyramide erhebt, die sich zuweilen bis zimi Gewölbe der Kirche empor-
gipfelt , wo sie , wie im Wachsthum verhindert , ihre obere Blüthenspitze
pflanzenartig umbiegt. Die glänzendsten Beispiele dieser Gattung linden
sich in Schwaben (im Münster zu Ulm, 90 F. hoch, von einem Meister aus
Weingarten, 1469 begonnen) und in Franken (in der Lorenzkirche zu Nürn-
berg"), 64 F. hoch, von Adam Kraft, 1496 — 1500^ weit berühmt wegen
des phantastischen Reichthums der bildnerischen Construction und der künst-
lichen Technik). Das älteste datirte Beispiel ist das Sacramenthäuschen in
St. Severin zu Cöln vom J. 1378. — 3. Die dritte Art besteht aus einer
Mittelgattung: es sind Thürme, die an einer Seite mit der Wand
verbunden sind, sämmtlich aus dem XV. und XVI. Jahrhundert, z. B.
das Tabernakel in der katholischen Kirche zu Dortmimd. — Obgleich die
meisten Sacramenthäuschen der beiden letzten Arten aus Steinmetzenwerk
1) Vgl. Laib und Schwarz, Studien etc. S. 72 fr.
2) Abbild, bei Put trieb, L. , Denkmale der Baukunst des M. A. in Sachsen.
Abth. II. Serie Mühlhausen El. 17.
3) Abbild, bei Statz, V. , und Ungewitter, G. , Gt)thi8ches Musterbuch.
Tttf. 119.
4) Abbild, bei Puttiich a. a. O. Serie Jüterbog. Bl. 11.
5) Nach Laib und Schwarz a. a. O. S. 73 waren die Gitter innerhalb mit
Leder oder Seidenstoffen überzogen, also in diesem Falle eigentlich zwecklos ; Jakob
Müller im nKirchengeschmuck. München J59I. S. 17« (a. a. O. S. 7-1) spricht aber
von Vorhängen,' die also erforderlichen Falb zurückgeschlagen werden und das
Geföss mit dem Venerabile sichtbar machen konnten.
6) Vielfach abgebildet, z. B. im Ntlmberger Gedenkbuch 4, 96 ^ auch in Einzel-
stichen von Poppe 1, Geissleru. A.
SacramenthAuschen. | g5
bestehen , so kommen doch auch , besonders im Gebiete des Ziegelbaues,
hölzerne in Schnitzwerk ausgeführte vor : in der Klosterkirche zu Doberan
(37 F. hoch) , in der Marienkirche zu Wittstock (von 1516) , in der alten
Kapelle zu Regensburg, in Pipping bei München (von 1480) , zu Weissen-
bach in Tirol (über einem Marmorsockel) ; oder metallene : ein bronzenes
in der Marienkirche zu Lübeck (von 1479) ') , ein eisernes, etwa 32 F.
hohes vom J. 1520 zu Feldkirch in Tirol /jetzt zur Kanzel umgeformt.) ') —
Die Kirche St. Ruprecht bei Strassenfuss in Krain besitzt ein einfaches
Tabernakel der dritten Gattung aus Elfenbein , über einem Untersatze von
Stein. ^) — Der oft überreiche, zuweilen jedoch auch ganz fehlende bild-
liche Schmuck der Tabernakel besteht namentlich in Heiligenfiguren, welche
in den Fialennischen und unter Baldachinen angebracht sind , und in häufig
wiederkehrender Symbolik aus dem Pelikanneste oder dem Gotteslamme.
Da der Gebrauch der Sacramenthäuser die spätgothische Periode kaum
überdauerte , indem die folgende Zeit das Tabernakel nach römischer Sitte
in den Altaraufsatz verlegte, so sind zwar sicher manche (wie das im Cölner
Dom im J. 1766) als zwecklos beseitigt worden; ihre Verbreitung dürfte
indess, da sie in manchen Gegenden von Deutschland sehr selten, in anderen
dagegen (wie in Schwaben , am Niederrhein und besonders in Westfalen *))
ausserordentlich häufig vorkommen, immer nur eine sporadische gewesen
sein , und ^ es scheint , als habe man an einigen Orten das Ciborium unter
einem besonderen thurmartigen Tabernakel auf dem Altare selbst deponirt :
so findet sich z. .B. ein zierliches, durchbrochen gearbeitetes Holzthürmchen
von 14 F. Höhe im Dome zu Brandenburg, ein anderes aus Schmiedeeisen
in der Wenzelskapelle des Doms in Prag ^], beide aus dem XV. Jahrhundert.
Mit Uebergehung der bereits vorstehend angeführten Sacramentschreine,
nennen wir noch folgende , zum Theil nach vorliegenden Abbildungen :
Im Rheinlande. Nach den Abbildungen in aus*m Weerth, Kunst-
denkmäler etc. Bd. I: in Gber-Millingen (Taf. V. 1), Griethausen, Till
(Taf. VI. 5. 9), Qualburg, Goch (Taf. X. 4. 12), Calcar (Taf. XVI. 4),
Kempen (Bd. II. Taf. XXII. 4) — alle diese zwischen 2.0 und 30 F. hoch;
in der Lambertikirche zu Düsseldorf, 40 F. hoch, um 1475—79 und zu
Gerresheim, 35 F. hoch (Taf. XXXI. 1.5). Ausser diesen : zu Altenberg
bei Cöln, in der Sacristei des Doms zu Cöln, in der Minoritenkirche daselbst
1) Abbild, bei Statz und TJngewitter a. a. O. Taf. 205—211; auch bei
Schlösser und Tischbein, Denkm. in Lübeck. Heft 2 BI. VI. u. VII.
2) Abbild, in den Mittheil, der k. k. Central - Commission etc. 1858. Taf. V.
zu 3, 162.
3) Abbild, ebd. J862. 7, 189.
4) In Westfalen waren die Sacramenthäuschmi so beliebt, dass sich in manchen
Kirchen drei (z. B. in der Wiesenkirche zu Soest und in der Kirche zu Freckenhorst),
oder doch zwei (z. B. in der Paulskirche zu Soest, in der Reinoldikirche zu Dort-
mund und im Dom zu Münster) vorfinden , ron denen noch dazu einige mehrere
Schranke enthalten , ersichtlich also , da sich der proyinzielle Geschmack einmal für
diese Form der Bepositarien entschieden hatte , auch zur Aufbewahrung der Geßlsse
mit den heil. Oelen und von Reliquiarien dienten. Es sind in den westfälischen Kir-
chen mindestens gegen 60 Tabernakel aller drei Gattungen nachgewiesen. Vergl.
Lübke, W., die mittelalterl. Kunst in Westfalen S. 302.
5) Abbild, im Organ für christl. Kunst 1857. Artist. Beilage su No. 19.
186
Sacramen thauschen .
(Ueberreste von 1475, restaurirt in der Abbild, des Organs für christl. Kunst
1862. Artist. BeiInge eu No 13) , in St. Cunibert daselbst (ebd. 1856, zu
No. 6) , im Kreuzgange am Dom zu Trier,
in der katholischen Kirche zu Remagen in
Mayen, Linz. — Nach den Abbild, in
Statz und Ungewitter, Gk)th. Muster-
buch : in der Pfarrkirche zu Münstereiffel,
von Friedrich Roir 1480 (Taf. 138), in
Gelnhausen (Taf. 121), Dom zu Limburg
(Taf. 124), Münstermaifeld (Taf. 136) und
in St. Martin zu Oberwesel (Taf. 139).
In Westfalen und Niedersachsen
gilt das (horizontal gekrönte) Wandtaber-
nakel zu Cappenberg für das älteste, vom
Anfange des XIV. Jahrh. und unter den
Werken des XV. Jahrh. nehmen die Schreine
in der Wiesen- und in der Paulskirche zu
Soest (Abbild, bei Statz und Ungewitter
a. a. O. Taf. 102. 103, bei Laib und
Schwarz a. a. O. Taf. XIV. 2) neben
dem in die dritte Klasse gehörigen Sacra-
menthause in der kathol. Kirche zu Dort-
mund die ersten Stellen ein ; Abbild, eines
aus zwei Schreinen neben einander bestehen-
den aus der Reinoldikirche daselbst bei
Statz und Ungewitter Taf. 140. 141;
ausserdem zeichnen sich aus die Tabernakel
zu Nieheim (25 F. hoch) und Steinheim
durch Feinheit der Ausführung, in der
Nicolaikirche zu Lemgo und in der Stifts-
kirche daselbst durch schlichte, kräftige
Formen , zu Schildesche (etwa 30 F. hoch)
und Marienfeld durch Olanz und Reich-
thum , in der Johanneskirche zu Osnabrück
neben edler Einfachheit durch künstlerischen
Werth der Bildwerke, in der Grossen Ma-
rienkirche zu Lippstadt, in den Kirchen zu
Lüdinghausen, Recklinghausen und im Dom
zu Münster (vom J. 1536) durch die üp-
pigste Entfaltung der schon entarteten spät-
gothischen Formen. Dem Ausgange des
XV. Jahrh. gehören an die Sacramenthäus-
chen in den Klosterkirchen zu Loccum,
Wunstorf und zu Bücken bei Hoya (letz-
teres gegen 29 F. hoch).
In Schwaben : in der Dionysiuskirche zu Esslingen, 1486 von Lorenz
Lechner aus Heidelberg, 40 F. hoch, zu Crailsheim, von 1498, in der
Michaeliskirche zu Schwäbisch - Hall , der Kilianskirche zu Heilbronn , um
Fig. 74. Sarrainrnth.ius in St. Nicolai
XU Jüterbog (nach Puttrit-h).
Sacrametithäuscb en . } g7
1 500 , in der Georgskirche zu NOrdlingen , von Stephan Weyrer und dem
Bildhauer Ulrich Creytz, 1515—25, c. 60 F. hoch (Abbild, in Eberhard,
National- Archiv) — alle glänzend. — Auch in vielen kleinen und Land-
kirchen: Königseggwald, Deichelried, Eibach, LaufFen a. N. , Stockheim,
Michelbach , ^aberfeld , Schweigern im Zabergäu ; Reichenbach bei Hirsau,
Jebenhausen (letzteres abgebildet bei Laib und Schwarz Taf. XIV. l) ;
Wandtabemakel : in zwei Pfarrkirchen zu Ravensburg, in Heiligenkreuzthal,
in Unterzeil (Abbild, ebd. 3).
In Bayern: im Dom zu Regensburg, vom J. 1493, 52 F. hoch (Ab-
bild, bei Schuegraf, J. Rud., Gesch. des Doms zu Regensburg Thl. 1.),
in St. Rupert daselbst, zu St. Jacob bei Plattling (Abbild, bei Jakob, die
Kunst im Dienste der Kirche Taf. VIII. 1) , in der Jacobskirche zu Strau-
bing, zu Aunkofen bei Abensberg, in der protestant. Kirche zu Redwitz. —
Wandtabemakel zu Regensburg in der Leonhards- und in der Aegidien-
kirche, zu Kirchberg bei Eggenfelden, zu U Sterling a. d. Isar u. a. m.
In Tirol: zu Taufers, aus der Kirche Maria -Himmelfahrt auf dem
Kirchhofe; in Steiermark: zu Aussee, zu Gratz (Wandtabemakel von
1499, abgebildet in den Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. 1859.
4, 219); in Oesterreich: in der Laurenzkirche zu Xorch bei Ens; in
Böhmen: ein prachtvolles im Dome zu Königgrätz, ein kleineres, 22 F.
hoch , in einfacher spfttgothischer Bildung in der Barbarakirche zu Kutten-
berg (abgebild. in den Kunstdenkm. des Österreich. Kaiserstaates etc. Bd. I.
Taf. XXXIV) ; in der Kirche zu Kaurim.
In Franken und Hessen. In der Nähe von Nürnberg und unter
Einfluss des berühmten Tabernakels der Lorenzkirche (s. S. 184) : zu Schwa-
bach , vom J. 1505, 46 F. hoch, zu Kalchreuth , 30 F. hoch, zu Fürth
24 F. hoch (Abbild, bei Heideloff, C, die Ornamentik desM. A. II. 8),
zu Kazwang, 21 F. hoch, im Münster zu Heilsbronn. Ein älteres Wand-
tabemakel in der Sebaldskirche zu Nürnberg. — Bei Statz und Unge-
witter. Goth. Musterbuch sind abgebildet die Sacramentschreine zu Im-
menhausen (Taf. 118), Haina (Taf. 120) und Fritzlar (Taf. 122. 123).
Im nordöstlichen Deutschland sind nur wenige nachgewiesen :
im Dome zu Meissen, im Dome zu Merseburg (in der Wand, von 1588),
in der Klosterkirche zu Wechselburg (Wandschrank; vgl. Puttrich,
Denkm. I. Serie Wechselburg Bl. 3), in der Nicolaikirche zu Jüterbog,
von Meister Michel 1507, 30% F. hoch (Abbild, ebd. II. Serie Jüterbog
Bl. 11), im Dome zu Fürsten walde , in der Elisabethkirche zu Breslaul455,
in der Marienkirche zu Danzig 1478.
46. Von minderer Wichtigkeit als die eigentlichen Vasa eucha-
ristica sind die übrigen Messgeräthe , die zum Auftragen des Brotes
und Weines dienenden Gefässe: die Hostienbüchse oder Schachtel
{pyxis, capsa] und die Wein- und Wasserkannen [amulae, ampullae] ;
die Löffel [cochlearia] und Siebe [colaioria] ; sowie die Griessgefasse
[maniliay aquaemanilia] zum Waschen der Hände fiir den Celebranten,
die Messglöckchen [tintinnabula^ cUnsae], die Rauchfässer [thuribula],
188
Hostienbüchsen. Kannen.
die Gefasse für die heiligen Oele [chrismaioria) und die Weihkessel
[vasa histraUa] .
Hostienbachsen kommen vorzugsweise in runder und ovaler
Form, mit einem Deckel versehen vor, und zwar aus den verschiedensten
Stoffen : Holz , Elfenbein , Silber , vergoldetem Kupfer und Messing,
schlicht oder ornamentirt, und es ist schwer, sie von den ähnlich geform-
ten Reliquiarien zu unterscheiden, weshalb wir auf das S. 148 über letz-
tere Gesagte verweisen. — In dem Basler Inventarium vom J. 1511 wird
unter No. 99 »«n silberin ostien bücAs« angeführt. *)
Die Kannen scheinen erst in spätgothischer Zeit einen bestimmten
Typus angenommen zu haben : sie kommen stets paarweise , auf einer
Schüssel stehend vor , das eine Kännchen fdr den Wein , das andere fttr
das (zur Ausspülung des Kelches etc. erforderliche) Wasser, und die
Höhe derselben beträgt durchschnittlich 7 Zoll.
Der polygone bauchige Körper ist gewöhnlich aus
Glas ; Fuss , Henkel, EJiappdeckel, und zur Siche-
rung des Glases Streifen längs desselben aus Metall
(Silber) ; auch gänzlich aus Metall, zuweilen email-
lirt, und zur Vermeidung von Verwechselung ist
das eine Kännchen mit einem F(tnum), das andere
mit einem A{qua) bezeichnet. Die Lambertikirche
zu Düsseldorf besitzt zwei Messkännchen aus viel-
eckig geschliffenem Krystall mit silber-vergoldetem
Beschlag vom Anfange des XVI. Jahrh. *) Ein
interessantes Exemplar besitzt der Schatz des Aache-
ner Münsters : es sind zwei in Silber getriebene
hohle Engelfiguren mit beweglichen bunt emaillir-
ten Flügeln ; der Ausguss fand durch eine kleine
Röhre auf der Brust statt, das Einfüllen durch
einen Schieber im Kopfe. *) — In der alten Kirche,
wo Brot und Wein von den Gläubigen als Opfer
dargebracht wurden, bedurfte man grösserer Ge-
fUsse zur Aufnahme des Opferweins , und es ist möglich , dass die an-
scheinend in der Zeit der Ottonen aus dem Morgenlande in mehrere
Kirchen Deutschlands gekommenen, sog. steinernen Wasserkrüge von der
Hochzeit zu Kana ursprünglich diesem Zwecke gedient haben : sie wurden
alljährlich am 2. Sonntage nach Epiph. mit Wein gefüllt auf den Altären
ausgestellt. Ein solches Gefiäss aus Travertin befindet sich noch im Zither
zu Quedlinburg ; es ist eine Vase von schöner , stark gerundeter Form,
leicht geschwungenem Sockel, etwas verengtem Hals, mit zwei schlangen-
artigen Doppelhenkeln (von denen der eine abgebrochen ist) , 16*/« Z. in
der Höhe, 8 Z. an der Mündung messend und angeblich etwa 22 Ber-
Fig. 75. Messkännchen der
Lambertikirche lu Dttwcldorf
(nach ausbin Weerth).
1 ) Mittheil, der Gesellsch. für vaterländ. Alterth. in Basel IX, 22.
2) Abbild, bei Weerth, E. au s'm, Kunstdenkmäler etc. Bd. II. Taf. XXXI.
2. 3. und im Organ für christl. Kunst 1853. Artist. Beilage zu No. 1 1, woselbst noch
eine andere Messpolle aus einer niederrheinischen Kirche abgebildet ist.
3) Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. XXXVm. 13.
Siebe und Löffel. GieBBgefilsse. 189
liner Maass fassend. *) — Im Dome zu Hildesheim wird nur noch ein
Stück von einem ähnlichen, im XVII. Jahrh. zerbrochenen Oefftsse aus
Porphyr aufbewahrt. — Aehnhch waren auch, den Abbildungen im Bam-
berger Heiligfchumsbuche von 1509 (Gang IX.) zufolge, die beiden Krüge
livon der hoehzeit zu Ckanan, welche der dortige Dom besass.
Der dargebrachte Opferwein erforderte Vorsichts halber einer Durch-
seihung durch ein Sieb, und dies ist der Ursprung der Colatoria, die
sp&ter nur für den Fall des besonderen Bedürfnisses , oder an einzelnen
Orten zur Aufrechthaltung der alten Sitte, beim Eingiessen des Weines
in den Kelch gebraucht wurden. Der Dom zu Mainz besass um das
J. 1200 r^colae argenteae IX. , per- guas vinum poterat colari , ei necesse
ßiuteeta, ^) Das Colum war ein Metallgeföss mit fein durchlöchertem
Boden, kommt aber auch in der Form eines Löffels vor. Anderer Löf-
felchen bediente man sich (was noch heute z. B. im Sprengel von Mün-
ster geschieht ')), um beim Offertorium der Messe dem Weine im Kelche
einige Tropfen Wasser beizumischen , wozu sonst das Messkännchen ge-
braucht wird. Dergleichen Löffel enden am Stiel häufig mit einem Figür-
chen der heil. Jungfrau oder eines Apostels : zu St. Maria in der Kupfer-
gasse in Cöln z. B. ist ein Löffel mit der Madonna *) , in der Kirche zu
St. Lorenz (Kr. Fischhausen in Preussen) und auf dem Schlosse zu
Schweiin ein Löffel mit dem Bilde des Apostels Jacobus. ^)
Die Giessgefässe, deren sich der Priester nach uralter Sitte zum
Waschen der Hände vor , während und nach der Messe bediente , hatten
bis ins XIII. Jahrh. und später die Form irgend eines der Natur nach-
gebildeten oder phantastischen Thieres, aus Metall gegossen und zuweilen
emaillirt, wie sich dergleichen in Kirchen und Sammlungen noch vielfach
vorfinden. So helsst es in der Beschreibung der Mainzer Domschätze aus
der Mitte des XIII. Jahrhunderts : »Urcet argentei diversarum formarutny
guoe manilia vocant, eo quod agua sacerdottim mantbus funderetur ex eie,
quaedam habenies formam leonum, quaedam draconumy avium vel grypho-
num, vel aliorum animalium quorumcunque.u •) — Ein Manile in Form
eines Löwen wurde bei Krucho in der Prov. Posen gefunden ^) , andere
dergleichen bewahren die Kirche zu Berghausen in Westfalen, die Patrocli-
kirche zu Soest und die Kunstkammer im Neuen Museum zu Berlin ; in
der Form eines Pferdes : die Sammlungen des Fürsten von HohenzoUem-
Sigmaringen, des Herrn v. Neuberg in Prag und des Herrn A. Essen-
wein (letzteres 6 Z. hoch®)) ; in der Gestalt einer Taube: im Erzbischöfl.
1) Abbild, bei Wallmann, J. Andr. , Abhandl. von den Alterth. der Stifts-
kirche zu Quedlinb. (1776). Taf. zu S. 39.
2) Chron. Conrad! ep. bei Urstisius, German. hlstor. illuatr. 1, 569 lin. 17.
3) Vgl. Gras er, die röm.-kathol. Liturgie S. 127.
4) Abbüd. bei Bock, das heil. Köln. Taf. XXV. 88.
5) Zu einem vollständigen Besteck solcher »ApoetdlöffeU gehörten 1 3 Stück ; der
dreizehnte mit einem Marienbilde , vielleicht in Beziehung ai^ die gewöhnliche Dar-
stellung des Pfingstwunders. Vgl. Otte, Wörterbuch etc. S. 200 unter Apostle
spoons.
6) Chron. Conrad! ep. 1. c. p. 568 lin. 34.
7) Abbild, in den Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. 1859. 4, 36.
S) Abbüd. ebd. S. 49.
190
GieugeflUse und Beoken.
Museum zu Cdln; einer Henne: die Sammlung des Herrn Dietz in
Coblenz ; eines fabelhaften Vogels (Basilisken) : die Johanneskirche zu
Herford, eines Ghreifen: das N. Museum zu Berlin *) ; andere befinden
Fig. 76. GieMgcilUse aus Broiue (nach den Mittheil, der k. k. Central-Commisnon).
sich im German. Museum zu Nürnberg, im National - Museum zu Mün-
chen (auch ein gothisches in Löwenform), in der Sammlung des thüring.-
sächs. Vereins zu Halle etc. — Im Münster zu Freising ein romanisches
Waschgefäss , dessen Giessrohr und Henkel von zierlich gestalteten
Drachen gebildet werden. — Besonders hervorzuheben ist noch ein
Manile im Münsterschatze zu Aachen : eine bärtige bekränzte männliche
Büste im römischen Costüm, aus vergoldetem Kupfer, von 7 Z. Höhe,
mit Klappdeckel oben auf dem Kopfe und Giessrohr an der Stirn. *) —
Die spätere Gothik setzte an die Stelle der alten Manilien zur Hand-
waschung einfache Kesselchen mit zwei Wasserabläufen , wie ein solches
von r» Z. Höhe im Erzbischöflichen Museum zu Cöln befindlich ist, und
ähnliche in ziemlich roher Form noch in vielen rheinischen Dorfkirchen
vorkommen. Ausser der Gicsskanne waren auch Waschbecken ipelveSy
pelviculae, ciphi, bachiniy vasa aquamanilia^)) erforderlich, und viele von
den in Kirchen und Sammlungen vorkommenden einfachen und ge-
schmückten Metallbecken hatten diese Bestimmung. Im Prager Schatz -
inventarium von 1387 wird angeführt: TnUna pelvia cuprea , in qua lavat
1 ) Dieses GefBss wurde in der Gegend von GlOckstadt an der Stöhr beim Mergel-
graben 4 F. tief m der Erde gefunden, und ähnliche Giesskannen sind in sla-
vischen Landern in Heidengräbem wiederholt gefunden worden , woraus folgt , dass
diese Geftsse, obgleich wahrscheinlich alle christlichen Ursprungs, dennoch auch
beim heidnischen Cultus benutxt worden sind und einer Zeit angehören, die in den
Slavenlfindem, wo die meisten gefunden werden, noch Heidenthum hatte. Die nähere
Bestimmung der Entstehungszeit für die roheren Manilien in Thiergestalt dürfte be*
sondere Schwierigkeiten haben. Vgl. die Bemerkung Leop. t. Ledebur's in den N.
Mittheil, des thüring.-sächs. Vereins VI. 4, 171.
2) Abbild, bei aui'm Weerth a. a. O. Taf. XXXVIII. 12.
3; Vgl. Augusti, Denkwürdigkeiten etc. 12, 56.
Schellen. Räucherapparate. t9|
suffragwMfus m^mttf.« ') Ein emaillirtes Kupferbecken aus dem XII. Jahrh.
befindet sich im Schatze des Klosters Tepl in Böhmen. ^) Oft (z. B. im
Zither des Doms von Halberstadt zwei emaillirte Kupferschalen) kommen
diese Becken paarweise vor (pemelliones) : das eine ist als Oiessgefäss mit
einer Tülle versehen, das andere als Waschbecken mit Löchern im Kande
zum Ausschütten des Wassers.
Die Schelle oder Klingel, mit welcher der Ministrant bei ge-
wissen feierlichen Momenten in der Messe dem Volke ein Zeichen giebt,
ist meist von gewöhnlicher Art; ein Exemplar aus Bronze in durch-
brochener Arbeit mit den Evangelistenzeichen und romanischem Laub-
werk geschmückt , befindet sich im erzbischöflichen Seminar zu Rheims,
und ein Messingabguss davon auch im Erzbischöfl. Museum zu Cöln. ^)
In Jenkofen und Milbertshofen (Diöces München-Freising) werden Mess-
klingeln von Eisen aus gothischer Zeit erwähnt; dagegen nennt das
Prager Schatzinventar vom J. 1387 mehrere i^nolae arpenteaeu. — Auch
Garnituren von mehreren im Dreiklang abgestimmten Messglöckchen
kommen vor. *)
Der Apparat zu den liturgischen Räucherungen besteht aus dem
Weihrauchgefäss {acerra, ineensartum, pyxis thurü) nebst Löffelchen
zum Herausnehmen des Rauchwerkes und dem Rauchbecken [thiiribu-
lum). Die älteren Acerrae waren oft aus edlem Gestein und hatten an-
scheinend zuweilen die Form von ungeheuerlichen Bestien : wenigstens
kommt zu Anfang des XIII. Jahrh. unter den Mainzer Domschätzen vor :
y* Acerra de lapide integro onychino concavo , habens similittidinem vermis
horrihilis y i. e, ui hufonis.v. Die Oeffiiung auf dem Rücken des Thieres
Fig. 77. WeihrauchichiflTchen (nach dem Organ fOr christl. Kunst).
war mit einem silbernen Ringe eingefasst, auf dem griechische Buch-
staben standen ; an der Stirn trug das Reptil einen Topas und hatte statt
1) Mittheil, der k. k. Central- Commission etc. 1S59. 4, 329.
2) Abbild, bei Stillfried, R. v., Alterth. u. Kunstdenkm. des Hauses Hohen-
zoUem. Heft 3.
3) Abbild, bei Didron, Annales arch^ol.
4) Vgl. Mittheil, der k. k. Central-Commission et£. a. a. O. S. 328.
192 Rauchftlsser.
der Augen zwei Karfunkel. Ausser diesem Onyxgefässe werden auch
»acerrae argenteaea erwähnt. *J Häufiger jedoch hatte die Weihrauchschale
die Form eines Schiffchens [navicula incensi; vgl. oben S. 155) , welches
durch einen in der Mitte getheilten (metallenen) KlappdeckeL verschliess-
bar und entweder aus edlem Stein oder Metall verfertigt war. In dem
mehr erwähnten Prager In ventarium von 1387 kommen vor: nNavicula
hyspidtna (aus Jaspis) circumdata auro puro pro portando thure. Item alia
navicula amatUtina , nondutn ornata argentoik ^) ; es sind jedoch solche
Weihrauchschiffchen nur sehr selten erhalten ^) , und nicht viel anders
verhält es sich auch mit den Rauchbecken selbst, da diese Gefässe, durch
den Gebrauch in den Händen der Ministranten schadhaft geworden, häu-
figen Erneuerungen unterworfen waren. Das Thuribulum ist seiner Be-
stimmung gemäss zum Hinstellen und zum Schwingen eingerichtet ; es
hat einen einfachen aus der Hohlkehle gebildeten runden Fuss , auf dem
das sich ausbauchende Kohlenbecken ruht, welches mit seinem durch-
Fig. 78. Silbernet Banchfau im Dom zu Trier (nach de Caumont).
brochenen Deckel die Architekturform eines Centralbaues nachahmt ; an
vier oder drei Punkten der Peripherie sind Ketten von etwa l F. Länge
1) Chron. Conrad! ep. 1. c. p. 568 lin. 24.
2) Mittheil, der k. k. Central-Commission etc. a. a. O.
3) Vgl. (Bock, Fz.,) Schiffchen zum Darreichen des Weihrauchs (XTV. Jahrh.),
nebst Abbild. , im Organ für cbristl. Kunst. 1 862. No. 15; die Abbild, einer Navi-
cula mit Löffel auch bei Didron, Annales arch^ol. 14, 263.
Rauchfiuser. 193
befestigt, die , zugleich durch an den entsprechenden Stellen des Deckels
angebrachte Oesen gehend, sich in eine Handhabe mit einer vom Centrum
des Deckels ausgehenden kürzeren Kette vereinigen. Die meisten der
älteren Rauchfässer sind aus Erz und erst später wurden silberne häu-
figer. Die Maasse betragen durchschnittlich 4 — 5 Z. im Diameter bei
5 — 6 Z. Höhe. — Der Dom zu Trier besitzt zwei spätromanische Rauch-
fässer, das eine einfachere aus Silber ^j , das andere mit Inschriften und
biblischen Figuren bedeckt , aus vergoldetem Kupfer ^j : beide in der
Grundform eines an den Enden in Halbkreise übergehenden gleicharmi-
gen Kreuzes ; der Deckel mit Kuppelthilrmchen und Giebeln geschmückt.
Zwei (einander ganz gleiche) spätest-romanische Rauchfässer befinden sich
in der Pfarrkirche zu Hohenwepel bei Warburg und in der zu letzterer ge-
hörigen KapeUe zu Menne , in ähnlicher Grundanlage und ausgezeichnet
durch die Fülle des aus Bestiengestalten bestehenden Ornaments, das
sich nicht nur auf die 8 apsidenf5rmigen Ausrundungen und die 72
Dreiecke des Beckens und Deckels selbst , sondern bis auf die Handhabe
erstreckt, in welcher die fünf Ketten, von Thierunholden gehalten , sich
vereinigen. *) Andere Rauchfässer romanischen Stils in den Kirchen zu
Hellefeld bei Arnsberg , zu Fürstenau und zu Lichtenau (Diöces Pader-
born). Ein sehr einfaches romanisches Thuribulum in Messingguss, an
welchem die Architekturformen rein und klar hervortreten, besitzt das
ErzbischOfl. Museum zu Cöln (Catalog von 1855 S. S. No. 17).*) Noch
unscheinbarer ist ein romanisches Thuribulum in der Kirche zu Heggen
bei Attendorn. Dagegen zeigt ein Rauchfass im Museum zu Freising ")
reiche imd geschmackvolle Architekturformen ; ein kleineres befindet sich
zu Jenkofen bei Landshut. — Die Gothik bildet den Fusstheil des Rauch-
fasses gewöhnlich in der Form des Vielecks oder einer sechsblätterigen
Rose und wendet durchgehend die stilgemässen Strebepfeiler- und Maass-
werkbildungen an, die Mitte des Deckels mit einem polygonen Spitz-
thurm krönend, yodurch das Höhenmaass bis auf 10 — 12 Z. anwächst.
Beispiele finden sich am Rhein in den Kirchen zu Eltenberg ®) , Orsoy ^),
St. Alban in Cöln ^j ; zu Paderborn im Dom und in der Bustorfkirche ;
im Bischöfl. Museum zu Münster und in der Mauritzkirche daselbst edel-
gothische, in letzterer auch ein elegant spätgothisches : in der Augustiner-
kirche zu Würzburg, zu Schweinbach bei Landshut, zu Haindling bei
Geiselhöring (Diöces Regensburg j . — Ausser diesen kleinen, zum Schwin-
gen eingerichteten Rauchfässern gab es in älterer Zeit auch grössere Thy-
miamateria, die neben den Altären aufgehängt oder hingestellt wurden,
i) Abbild, bei deCaumont, Ab^c^daire d'arch^ologie. 4. ^d. 1, 289.
2) Abbild, u. Beschreib, von J. G. Maller im Bulletin monumental 13, 196.
3) Abbild, im Organ für christl. Kunst 1853. Artist. Beilage zu No. 3 Fig. B.
Vgl. Oiefers, W. Engelb., Praktische Erfahrungen etc. S. 66.
4) Abbild, im Organ für christl. Kunst 1S54. Artist. Beilage zu No. 12.
5) Abbild, (nach Becker und y. Hefner, Kunstwerke etc. Bd. HI.) bei Sig-
hart, Gesch. der bild. Künste in Bayern 1, 195.
6} Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Bd. I. Taf. I. 2.
7) Abbild, ebd. Bd. U. Taf. XXI. 11.
8) AbbUd. bei Bock, Fz., das heilige Köln Taf. XIX. 73.
Ott«, Kantt- Arch&olofie. 1 3
194
Oelgefäsee.
und das Mainzer Schatzverzeichniss aus der ersten Hälfte des XIII. Jahrh.
(s. oben S. 189) erwähnt als solche zwei hohle silberne Kraniche von
natürlicher Grösse, die, auf dem Rücken offen und mit Kohlen und Rauch-
werk gefüllt, durch den Schnabel den Rauch ausströmen liessen und zu
beiden Seiten des Altars aufgestellt wurden.
Die Gefässe für die heiligen Oele (oleum catechumenorum,
oleum infirmorum und chritma , Heilöl , Krankenöl und Salböl) sind und
waren verschliessbare Büchsen {capsae, pyxides) und Flaschen [ampullae]
aus verschiedenen Stoffen verfertigt, einfach oder geschmückt; nur glä-
serne y^ampullae chriematism wurden von dem Provinzial - Concil zu Trier
vom J. 1227 verboten. *) Auch Hörner finden sich zu diesem Zwecke
schon frühzeitig benutzt ^), und die Kathedrale
zu Gran in Ungarn besitzt drei grössere Homer
mit silbervergoldeten Ständern und Deckver-
schlüssen aus dem XV. Jahrh., die indess erst
später als vasa olei (wozu sie noch heute die-
nen) in kirchlichen Gebrauch gekommen sind.')
— Auch die im Domschatze zu Salzburg auf-
bewahrte emaiUirte Taube aus dem XII. Jahrh.
(s. oben S. 181) gilt als Oelgeföss. — Inter-
essant sind solche Gefässe, welche die drei
Büchsen für die verschiedenen Oele vereinigt
enthalten, wie sich dergleichen z. B. im Dom-
schatze zu Regensburg, in St. Jacob zu Strau-
bing *), und aus dem J. 1489 in der Altstädter
Kirche zu Warburg (Diöces Paderborn) be-
finden: auf einem sechsblätterigen Kelchfiisse
ruht das über dem Grundriss des Dreipasses
aus drei Thürmchen mit Zinnen und Schiess-
scharten zusammengesetzte Gef&ss : denen in
Warburg noch drei ähnliche kleinere , die sich
nicht öffnen lassen, in den Ecken hinzugefügt
sind , in der Mitte des gemeinsamen Deckels
erhebt sich ein mit dem Kreuze gekrönter
pyramidaler Helm. *) Die Wahl der gezinnten
Kriegsthürme für diese Gefösse scheint sich
auf das bei der letzten Oelung vorkommende
Gebet: »Esto ei, domine, turris fortitudinis a fade inimtci cetAt (vgl. Ps.
61, 4) zu beziehen.
Fig. 79. GcfftM fbr die h. Oele in War-
burg (nach d. Organ f. rhristl. Kunst.)
1) Hartz heim, Conc. Germ. 3, 529; vgl. Jakob, die Kunst im Dienste der
Kirche S. 100.
2) Ein Oelhom wurde bei der Salbung Otto's des Orossen gebraucht. Vgl.
Giesebrecht, Gesch. der deutschen Kaiserzeit (1. Aufl.) I, 220.
3) Bock, Fz., im Jahrbuch der k. k. Central-Commission etc. 3, 130; vgl. Mit-
telalter!. Kunstdenkm. des Osterreich. Kaiserstaates 2, 143.
4) Abbild, bei Jakob a. a. O. Taf. Vni. 6.
5^ Vgl. die Beschreibung von Giefers, im Organ für christl. Kunst 1S56 No. 5
u. 6 , nebst Abbild, auf der artist. Beilage zu No. (>. — Vgl. auch desselben Verf. :
Prakt. Erfahrungen S. 64.
Weihkessel. f95
Tragbare Weihwassergefftsse (vasa lusiralia) aus romanischer
Zeit haben die Form eines kleinen Eimerchens (durchschnittlich etwa
7 Z. hoch, unten 5 Z. und oben 6 Z. breit) mit Tragbügel von Metall,
sind , insgemein unter Säulenarkaden und oft in zwei Keihen über ein-
ander, mit biblischen Reliefs geschmückt, und kommen aus Elfenbein ge-
schnitzt oder in Erz gegossen vor. Die Elfenbeingefässe , so viel deren
bis jetzt bekannt sind (im Domschatze zu Mailand 'j , im Kunsthandel
zu Aachen nach England verkauft ') , im Münsterschatze zu Aachen ')
und im Dom zu Lyon — die ersten beiden aus dem X., letztere angeblich
aus dem XII. Jahrh.) dienten, wie auf den beiden ältesten inschriftlich
bezeugt ist, dazu dem Kaiser bei seinem Eintritte in die Kirche das Weih-
wasser darzureichen. Die Erzgefässe (z. B. im Dom zu Speier, im Dom
und St. Stephan zu Mainz , in der Stiftskirche zu Berchtesgaden , im
National-Museum zu München (aus Bamberg stammend) , in der Samm-
lung des Fürsten von HohenzoUern - Sigmaringen befolgen denselben
Typus. Aus der gothischen Periode sind bis jetzt
nur Weihkessel der Spätzeit nachgewiesen, einfache
Arbeiten in Roth - oder Gelbguss , aber von geföl-
liger Form: das Eimerchen von 8 — tO Z. Höhe
hat ein becherartiges Profil und ist mit gegliederten
Reifen umgeben; der Schlangenhenkel wird von
menschlichen Figürchen oder von Köpfen gehalten,
die häufig über Wappenschilden emporstehen. Bei-
spiele : in der Schatzkammer der Abtei Reichenau
auf der Insel gl. N. im Bodensee (das reichste
Exemplar dieser Art) , in den Kirchen zu Elten-
berg imd Straelen *) , in der Kirche zu Deutz und
in St. Cunibert zu Cöln ; ein Weihkessel aus dem
XVI. Jahrh. in dieser Kirche hat schon ausge-
bauchte, krugartige Form. *) — Im Praffer Schatz-
Fig. «0. WeihkrRsel in der . ^ lor^i i.»
Kirche 8u Eitenberg (nach mveutar vou 1387 kommt vor em i^urceus argmteus
aiw'ra Wecrtii). q^ asperstonem cum imagmibusa, — Die Aspersio
geschah in alter Zeit mit einem Baumzweige, einem
Ysop - oder Strohbüschel , wenn nicht etwa auch mit den Fingerspitzen ;
auch benutzte man, wie das deutsche Wort Weihwedel ' a9pergillufn)
andeutet , den Schwanz eines Thieres , unc^ zwar , wie das französische
Wort für Weihwedel ngoupiUom (vom altfranz. yot^t7= Fuchs) beweist,
einen Fuchsschwanz. ^) Gewöhnlich jedoch war das Aspergill ein Stab
aus Metall oder Holz, oben in einem runden, mit Borsten besetzten Kopf
\) Abbild, in den Mittheil, der k. k. Central - Commission etc. 1860. Bd. V.
Taf. IV. zuS. 147.
2i Vgl. Kftntzeler, Pet. Steph. , eine Kunst -Reliquie des 10. Jahrhunderts.
Aachen MS.5G).
3i Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Bd. II. Taf. XXXIII. 10; vgl. Didron,
Annales archeol. 17, 141, wo dieses GefUss in die karoling. Zeit gesetzt wird.
4; Abbild, ebd. Bd. I. Taf. I. 4 u. Bd. n. Taf. XXII. 2.
5i Abbild, bei Bock, das heil. Köln. Taf. XIII. 48 u. 47.
6) Vgl. Gareifto, J., l'Archöologue chr6tien. Nirae« 1S52. p. 234.
1.3*
196 Credentia. Piscina. Depositoria.
endend, oder dieser Kopf hat die Gestalt eines Fruchtgehäuses (Arti-
schocke , Tannenzapfen) , ist mit feinen Löchern durchbohrt und birgt
einen Badeschwamm in sich. *)
Anmerkung. Zum Aufstellen der fflr den Messdienst erforderlichen
Oefässe und Geräthe dient ein insgemein beweglicher hölzerner Tisch,
Credenztisch [credefitia] , welcher an der Kelchseite neben dem Altare
aufgestellt und mit einem weissen Tuche bedeckt wird . im Dom zu Münster
ist zu diesem Zw^ecke ein zweitheiliger Tisch bestimmt , der aufgeklappt ein
Schachbrett zum Vorscheine kommen lässt und dem Wiedertäuferkönig Jo-
hann von Leyden gehört haben soll. Im Dome zu Magdeburg ist neben dem
Hochaltare, aber auf dessen nordöstlicher Ecke, eine der Altarplatte (s. oben
S. 100) vollkommen ähnliche, nur etwas kleinere imd niedrigere Marmor-
tafel befindlich, die zwar für das Grab Erzb. Dietrichs (f 1367) gehalten
wird, vielleicht aber als Credentia gedient hat. *)
Ebenfalls auf der Kelchseite nächst dem Altare befindet sich in der
Mauer zuweilen eine fensterartige Nische , Piscina (auch wohl Fenestella)
genannt , und innerhalb derselben eine halbkugelige kesselartige Vertiefung
mit kleinem Abzugscanal , die zum Waschen der Hände für den Priester
und zum Reinigen der heiligen Gefösse bestimmt war •) , z. B. im Dome zu
Naumburg, in der Klosterkirche zu Zinna, in der Katharinenkirche zu Brauns-
berg , in dem Dorfe Alt-Christburg (Kr. Mohrungen) : hier der Abfluss aus
einem Granitsteine bestehend , der sich frei durch die Mauer öffnet. *) —
Auch in der Sacristei muss ein Lavacrum , für die Handwaschung des Prie-
sters vor der Messe , vorhanden sein , nebst einem Handtuche [tuella] : ein
geschnitzter Handtuchhalter aus dem XVI. Jahrb., verziert mit einer Sirene,
die Kamm und Spiegel hält , befindet sich in der Sacristei der Stiftskirche
zu Xanten. *)
Der Depositorien für die heil. Oele ist bereits oben S. 185 gedacht
worden: es sind Wandschränke auf der Epistelseite, z. B. im Dome zu
Magdeburg neben dem im J. 1331 geweihten Altare des Täufers Johannes
am östlichen Ende des Schiffes, auch in der südlichen Chorwand im Münster
zu Ulm ; namentlich aber kommen dreitheilige Schreine vor für die drei ver-
schiedenen Oek , architektonisch ganz ähnlich ausgestattet wie die Wand-
tabernakel (§45 Anmerk. unter l, S. 184) , und von diesen nur durch die
Stellung an der Südseite zu unterscheiden, z. B. in der Reinoldikirche zu
Dortmund. Selbst freistehenck thurmartige Schreine dienten diesem Zwecke,
wie der kleinere südliche im Dome zu Münster, dem grösseren, auf der
Nordseite befindlichen Sacramenthäuschen gegenüber. — Andere Schränke
1 ) Der Kriegsknecht , welcher auf dem Elfenbeindeckel de» Echternacher Evan-
gelienbuches den Herrn mit Essig tränkt, bedient sich dazu eines Aspergills der
beschriebenen Art; s. den Stahlstich zu S. 133.
2; Vgl. Wiggert, F., der Dom zu Magdeburg S. 11.
3/ Durandi Rationale 1. 1 c. 1 n. 39: Prope altare . . . collocatur piscina seu
lavacrum.
4) Abbild, von architektonisch geschmückten einfachen und doppelten Piscinen,
welche letztere zugleich als Credentia benutzt werden konnten, aus französischen
Kirchen beiDidron, Annales arch6ol. 4, 87 — 93.
51 Abbild, bei aus'm Weerth, Kunstdenkm. etc. Bd. I. Taf. XVIII. 2.
Gestühle. 197
im Chore der Kirchen oder in den Sacristeien dienten zur Aufbewahrung
der heiligen Gefässe j Reliquiarien und Paramente : so die durch baldachin-
artige Krönung ausgezeichneten, aus je fünf spitzbogigen Schränken neben
einander bestehenden Repositorien auf beiden WaYidseiten zunächst dem
Altare in der Marienkapelle der Pfarrkirche zu Cilli in Steiermark aus spät-
gothischer Zeit. *} Gewöhnlich benutzte man indess bewegliche hölzerne
Schränke, welche oft durch ihre Schnitzereien, Bemalung und Thürbe-
schläge Aufmerksamkeit verdienen, z. £. der spätgothische Schrank der
Tuchmacherinnung in der Nicolaikirche zu Jüterbog. *)
c. Die Ansstattang der Kirchen mit Gestohlen, Kanzel, Taufatein,
Orgel, Grabdenkmälern und Glocken.
47. Unter dem Gestiihhverke der Kirchen nehmen wegen ihrer
mehr oder weniger reichen künstlerischen Ausstattung die Chor-
stühle *) {stallt, stalla) die ei-ste Stelle ein. Sie werden zwar seit dem
XI. Jahrhundert erwähnt, die Entstehung der im späteren Mittelalter
üblichen hölzernen Gestühle dieser Art dürfte jedoch nicht früher als
etwa in die zweite Hälfte des XIII. Jahrhunderts fallen : es sind die,
in Kloster- und Stiftskirchen an den beitlen Langseiten des Chores
[an der Epistelseite der chorus abbatis , auch latus praepos{ti , an der
Evangelienseite der chorus prioris , auch latus decani) aufgestellten
längereu oder kürzeren Reihen von Sitzbänken je nach der Anzahl
der Geistlichen zwei bis vier hinter einander) , welche in gewissen
Entfernungen von einander abstehen und sich in einzelne Armsitze
theilen. Die hinterste Reihe [alta forma , über dem Fussboden durch
einige Tritte erhöht, hat gewöhnlich eine hohe Rückwand mit über-
ragender Baldachinkrönung, während die übrigen Reihen {bassae
formae) sich nach und nach abstufen und durch Zugänge zu der hin-
tersten Reihe unterbrochen werden. Jeder einzelne Sitz (von etwa
2*74 F. Breite) ist zum Aufklappen eingerichtet, und um den früheren
anstössigen Gebrauch T förmiger Krückstöcke abzustellen, mit einer
sog. Misericordia versehen: einer Art Stütze für die beim Stehen
ermüdeten oder leiblich schwachen Mönche. Dieser Einrichtung ent-
I Abbild, in den mittelalterl. Kunstdenkm. der Österreich Monarchie. Bd. I.
Taf. VIII.
2) Abbild, bei Put tri eh, Denkmale der Baukunst etc. Abth. II. Serie Jüter-
bog. Bl. 8.
3; Riggenbach, Ch., die Chorgestühle des M. A. vom 13—16. Jahrb., in der
ZeitAchr. für christl. ArchAol. und Kunst 2, IHI ff; vgl. Jourdain et Duval,
histoire et description des Stalles de la cathödrale d'Amicns in den M^moires des anti-
quaires de la Picardie. 7, 81 — 106.
198
Chorgestahle.
sprechend sind doppelte Armlehnen vorhanden : die niedrigeren zum
Gebrauche beim Sitzen, die höheren zur Bequemlichkeit beim Stehen.
Vor der vordersten Bank ist ein Betpult angebracht, und jeder folgen-
den dient die Lehne der vorstehenden Reihe als Betschemel. Das
Rückgetäfel der hintersten Stuhlreihe ist gewöhnlich mit Bildwerken
geschmückt und wurde mit gestickten Teppichen (Rücklaken, dorsa-
lia] überhängt; auf den Sitzbrettem lagen Polster [bancalia] und vor
denselben Fussdecken [substratoria] .
Fig. 81. Chorgp»t(\hl in der Graumönchenkirche zu Daniig (nach Möller).
Bereits im IV. Jahrh. werden in der Kirche zu Tjtus hohe Thron-
sitze erwähnt zu Ehren der Vorsteher und überall in geordneter Reihe
eingerichtete Sitzstufen. *) — Auf dem Baurisse von St. Gallen aus dem
J. 820 finden sich mehrere Reihen von Betstühlen \mter dem Namen
formulae: sie stehen im Querschiff [charus psallmttum] mit der Front
1) Eusehil, Hist. eccl. 1. 10 c. 4, ed. E. Zimmermann p. 736: GQOvoig t«
ToTg avtoTurw €fg Trjv Toiy nQoiJ^iov t/^^v, xitl ngoafn ßd&Qoig iy Tti^d Totg
xafh* oXov xttTct To jQinov xoafir^aag.
Choigeatahle. 199
nach dem Hochaltare. — Das Wort nstalluma kommt seit Ende des XI.,
»misericordiaa zuerst im Xu. Jahrh. vor. ')
Eine vollständig erhaltene romanische Ausstattung des Altarhauses
der im J. 1275 geweihten Klosterkirche zu Loccum — einschliesslich der
Chorstflhle — ist seit der Restauration (1849) modern verändert. — Die
sehr edlen altgothischen , dem Ende des XIII. oder dem Anfang des
XIV. Jahrhunderts angehörigen Chorstuhle der Klosterkirche zu Neu-
Ruppin sind seit der Restauration (1836 — 41) verschwimden. — Wohl
als einzig in ihrer Art dCUrfen die in der Kirche zu Kaurim in Böh-
men hefindlichen frOhgothischen Steinsitze angeführt werden, die aus
zwei langen Reihen von Spitzbogennischen bestehen , welche, durch
Säulchen getrennt, sich an beiden Chorwänden bis zum Hochaltare hin-
ziehen. *) — Unter den das gewöhnliche Schema befolgenden Holz-
gestühlen scheinen die in der Klosterkirche zu Seligenpforten (bei Neu-
markt in der Oberpfalz) und die im Dome zu Xanten *) befindlichen
zu den ältesten zu gehören. — Chorstühle aus dem späteren Mittelalter
sind fast überall noch häufig vorhanden , aber die ursprünglich nur durch
sparsame Vergoldung gehobene schöne Naturfarbe des Eichen- oder
Nussbaumholzes ist meist durch Anstrich verunstaltet. Die berühmtesten
unter allen sind wegen ihrer Schönheit die im XJlmer Dom, verfertigt von
Georg Sürlin 1469 und 1474 : sie bestehen aus je zwei Reihen, die 89
Sitze (46 an der Evangelien- und 43 an der Epistelseite) enthalten, und
über der 17 F. hohen wagerechten Rückwand steigen zahlreiche Fialen
(über den Scheidewänden der Sitze) und Wimbergen (über jedem einzel-
nen Sitze) auf. Der Meister arbeitete über vier Jahre an dem Gestühl \md
empfing für jeden Stand 13 Gulden. Der bildnerische Schmuck besteht
hier aus einer übergrossen Anzahl von Brustbildern , die der heiligen und
profanen Geschichte entnommen, und sowohl an den Wangenstücken der
Bänke als in zwei Reihen an der hinteren Rückwand angebracht sind. *) —
Anderweitig sind es namentlich biblische Reliefs , Wappen , oder Füllun-
gen von Maasswerk und Teppichmustern, die an dem Rückgetäfel der
Chorstühle vorkommen, während an den Wangen theils Heiligenstatuetten,
theils Thiergestalten erscheinen. In sittengeschichtlicher Beziehung aber
sind besonders merkwürdig die an den Misericordien unterhalb im Ver-
steck als Consolen angebrachten und vielfach berufenen Schnitzbilder,
welche häufig in derb satirischen Darstellungen aus dem niederen Volks-
leben und aus der Thierfabel, oder in allerlei phantastischem Fratzen werk
bestehen. Ausgezeichnet durch lebensvollen Naturalismus sind die sämmt-
lich dem Ende des XV. Jahrh. angehörenden Gestühle mit 10 F. hohen
Rückwänden in der Minoritenkirche zu Cleve von 1474, in der Martins-
kirche zu Emmerich von 1486 und. in der Kirche zu Calcar*), und die
1) Vgl. die Beweise bei Jourdain et Duval a. a. O. S. 91 u. 103.
2) Vgl. Mittheil, der k. k. Centrai-Commission etc. 1857. 2, 163.
3} Abbild, bei aub'm Weerth, Kunstdenk mftler etc. Bd. I. Taf. XIX. 1.
4} Abbild, in den (von Ed. Manch gezeichneten) Kunstblättern, herausgegeb.
von dem Verein für Kunst u. Alterth. in Ulm u. Oberschwaben 1843 etc.
5) Abbild, der vollständ. Gestühle bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. IV. 1—6.
VUI. 1— 6u. XV.
200
ChorgedtQhle.
noch reicher ausgestatteten, 1 1 Va F. hohen in der Kirche zu Kempen. *)
Ein sehr reiches Werk ist auch das aus 67 Sitzen bestehende Gestühl in
der Hauptkirche zu Memmingen , und bemerkenswerth ebenfalls das Ge-
stühl in der Martinskirche zu Landshut, dessen mannichfache Menschen-
Vig. 82. Miserirordien von einem Gesttihl im Dom ivi Xanten (nach aui'm Weerth).
und Thiergebilde der Inschrift zufolge den heil. Martin als Patron der
Kirche feiern. ^) Dagegen erweist eine Inschrift an den 'bruchstücks-
weise) im Diöcesan-Museum zu Freising befindlichen Chorstühlen aus der
Andreaskirche daselbst vom J. 1423 die Berechtigung einer satirischen
Deutung der erwähnten Fabel- und Fratzenbilder; sie lautet. nCantent
in choro y stcut asellus in foro; hie hcus est horum, qui cantant, non
aliorum.«
Ausser den vorstehend bereits angeführten machen wir , zum Theil
auf Grund der vorliegenden Abbildungen, noch folgende Chorgestühle
namhaft : Am Rhein: in der Karmeliterkirche zu Boppard ') , in der
Stiftskirche zu Oberwesel *\ in den Kirchen zu Kiederich (von Eberhard
Salkener aus Abensberg 1510) und Gauodernheim (von demselben) , in
der Schlosskapelle zu Büdingen (von Peter Schanntz und Michel Silge,
beide von Worms, 1497), in den Domen zu Basel und Cöln. In Hes-
sen: in der Kirche zu Gelnhausen, Stiftskirche zu Fritzlar, in den
1) Abbild, des voUständ. Gestühles bei aus'm AVeerth a. a. O. Bd. II. Taf.
XXin. 2—39.
2) Abbild, im Organ für christl. Kunst 1S53. Artist. Beil. zu No. 17. — Die
Inschrift lautet :
»Si ßeri jwssetf qiiod arene pulvis et tinde
Undantm gutte rose gemme lilia flamme
Aethera ceiicoli nix grando sextis uierque
Ventorum penne volucrum pecudum genus omne
Siivarum ramifrondes avium quoque penne
Hos gramen stelle pisces angnes et aristae
Et lapides montes convalles terra dracones
Linptie cuficta forent, minime deprimere possent^
Quts sis vel quantus^ pastor patrone martinef
Qite tua Sit pietas, nee littera nee dabit etas.n
bei Statz und Ungewitter, Goth. Musterbuch Taf. 187. 188.
3) Abbild.
Fig. 2—5.
4) Abbild, ebd
Taf. 186 Fig. I. 2. Taf. ISS Fig. 6—12.
ChorgestQhle. 201
Kirchen zu Friedberg, Wetter und Immenhausen *) ; in der Kirche zu
Hofgeismar und in der Klosterkirche zu Haina. ^) In Schwaben:
im Dom zu Constanz (von dem Tischmacher Simon Haider und den^
Bildhauer Niclas [Lerch] von Leyen um 1470)'), in der Spitalkirche
zu Stuttgart (von den PredigermOnchen Conrad Zolner und Hans Hass
1495), in den Kirchen zu Blaubeuern (1493 — 1496) und Geisslingen
(1512), in der Stiftskirche zu Herrenberg (von Hinrich Schickhard von
Sigen, Bürgern zu Herrenberg 1517), in der Kirche zu Freudenstadt
(von Conrad Widmann von Calw 1588; , in der Stiftskirche zu Wimpfen
im Thal (von 1498). *) In Bayern*) : im Stift St. Veit bei Freising
(Bruchstücke von 1441), im Münster zu Freising ^) , im Münster zu
Moosburg (von Meister I. W.), in der Frauenkirche zu München, in den
Stiftskirchen St. Zeno bei Reichenhall (1510) und zu Berchtesgaden , in
der Dominicanerkirche zu Regensburg , in der Klosterkirche zu Reichen-
bach, im Dom zu Augsburg, im Westchor des Doms zu Bamberg, in der
Lorenzkirche zu Nürnberg und in der ehemal. Klosterkirche St. Clara
daselbst. In Oester reich : in St. Stephan zu Wien (vom Bildschnitzer
Wilhelm RoUinger um 1480)^.; in Steiermark: in der Hauptpfarr-
kirche zu Pettau (von 1446); in Böhmen: zu Kuttenberg in der Bar-
barakirche ^) und in der Erzdechanteikirche. In Sachsen in der Lieb-
frauenkirche zu Halberstadt , in den Domen zu Halberstadt , Magdeburg
(um 1445)*), Merseburg 'die westliche Abtheilung von dem Prediger-
mOnche Casper Schokholcz 1446, die östliche aus der Zeit um 1500),
Naumburg ***) und Erfurt (hier meist erneuert) , in der Nicolaikirche zu
Zerbst (von 1451 — 1453)*'), in der Klosterkirche zu Zinna (nur Wan-
genstücke; **), in der Schlosskirche zu Alten bürg. *') In Westfalen **):
zu Dortmund in der Reinoldikirche (um 1450,, Marienkirche fvon 1523)
und kathol. Pfarr (Dominicaner-) kirche (von Engelbert op der Soe 1 521),
in der Abteikirche zu Cappenberg (das reichste Werk der Provinz) , in
der Karthäuserkirche zu Wedderen , in der Jesuitenkirche zu Koesfeld
(aus dem XIV. Jahrb. ?) , in den Pfarrkirchen zu Borken und Bocholt,
i; Abbild, bei Statzu. Ungewitter, Goth. Musterbuch Ta f. ISl. 162 u. 183
Fig. 4 ; Taf. Vi; Taf. 1^3 Fig. 1-3; Taf. 177; Taf. 1S4. 1S5 Fig. 1—6.
2^ Abbild, von Details ebd. Taf. S3 Fig. 1—3; Fig. 6. 7.
3) Abbild, in Denkm. am Oberrhein I. Taf. 3 ; vgl. Anzeiger des German. Mu-
seums ISO! Sp. 9.
4] Details abgebild. bei Kugle r, Kl. Schriften 1, 9S f.
5; Vgl. Sighart, Joach. , die Chorgestühle des M. A. in Bayern, in den Mit-
theil, der k. k. Central-Commission etc. Jsöl. 6, 100.
tj; Abbild, bei Harr er, das Chorgestühl der Kathedrale zu Freising 1847.
7) Abbild, bei Tschischka, Fz., der Stephans-Dom in Wien Taf. 25—33.
8; Abbild, in Mittelalter!. Kunstdenkm. des Österreich. Kaiserstaates Bd. I.
Taf. XXXm.
9; Abbild, bei Rosenthal, der Dom zu Magdeburg. Lief. V. Taf. IV.
10) Abbild, bei Puttrich, Denkm. d. Baukunst d. M. A. in Sachsen. Abth. IL
Serie Naumburg Bl. 13.
1 1 ) Abbild, ebd. Abth. I. Serie Anhalt Bl. 2.
12) Abbild, ebd. Abth. H. Serie Jüterbog Bl. 17 u. 18.
13} Abbild, ebd. Abth. I. Serie Altenburg Bl. 6.
14) Vgl. Lübke, die mittelalterl. Kunst in Westfalen S. 400—404.
202 Bischofstühle. Levitensitze.
zu Vreden in der Stifts - und in der Pfarrkirche, in der Kirche zu Langen-
hörst, in der Stadtkirche (Kapelle) zu Iburg, in der Klosterkirche zu
Marienfeld, in der Kreuzkirche zu Stromberg, zu Lippstadt in der Marien-
und in der Stiftskirche , in den Kirchen zu Liesbom (einzelne Theile),
Diestedde und Everswinkel, in der Bartholomäikirche zu Ahlen, Kilians-
kirche zu Lügde, Kirche zu Falkenhagen und in der Oberen Stadtkirche
zu Iserlohn. ImMcklenburgischen: in der Klosterkirche zu Doberan,
in der Nicolaikirche zu Röbel (Bruchstücke) aus der dortigen Domini-
canerkirche (von Bruder Urban Schuman 1519) ; im Dome zu Lübeck. ')
In den Brandenburgischen Marken : im Dome zu Havelberg (XIV.
Jahrb.), in der Katharinenkirche zu Brand enbtirg, in der Klosterkirche
zu Berlin^), im Dom zu Stendal. In Pommern: in der Nicolaikirche
zu Stralsund (Ueberreste), im Dom zu Cammin, in der Kirche zu Qrimme,
in den Marienkirchen zu Colberg, Coeslin, Anclam und in der Nicolai-
kirche daselbst (letztere von 1498). InPreu8sen:in der QraumOnchen-
kirche zu Danzig etc. ')
Mittelalterliche gestickte Rücklaken, spätestens wohl aus dem
XII. Jahrb. , haben sich im Dome zu Halberstadt erhalten und sind da-
selbst über den Chorstühlen aufgehängt *) ; andere im Zither zu Qued-
linburg und in der Lorenzkirche zu Nürnberg.
Anmerkung. Nachdem die im Hintergrunde der Apsis befindliche
steinerne bischöfliche Kathedra der alten Kirche wegen Hinterrückung des
Altars aufgegeben war , kamen zwar bewegliche Sessel nach Art der Feld-
stühle ^) für die Bischöfe in Gebrauch , es finden sich jedoch in manchen
Kirchen auch noch thronartige, auf Stufen erhöhte, der antikrömischen
Weise entsprechende Bischofstühle vor, z. B. im Dom zu Augsburg
ganz am Ende des Westchores ein Thronsessel mit Säulendach aus Kalk-
stein, der dem XII. Jahrb. zugeschrieben wird. ^} — Ein sich abstufender
Dreisitz (oder Fünfsitzj für den Priester und zwei (oder vier) Ministran-
ten war wohl ursprünglich in allen grösseren Kirchen vorhanden und hat
sich noch sehr häufig erhalten, in der Nähe des Altares an der Epistelseite ;
solche Levitensitze aus Stein z. B. in der Lampertskirche zu Koesfeld,
Pfarrkirche zu Borken. Klosterkirche zu Berlin (im Mauerwerk einer
Nische) etc. ; in Schnitz werk z. B. in der Stiftskirche zu Wimpfen im
1) Abbild, bei Stat« und Ungewittera. a. O. Taf. TS.
2) Details abgebild. in Kugle r, Kl. Schriften etc. 1, Kbf.
3; Abbild, bei Moller, G., Denkmäler etc. Bd. I. Taf. 63—65.
4) Abbild, in Kunstdenkm. in Deutschland, bearb. von Bechotein u. A.
Abth. I. Lief. 5 Taf. 13 u. 14.
5) Ein solcheB Faldistolium, etwa aus dem XIV. oder XV. Jahrb., aber mit
aus frühromamscher Zeit stammenden Elfenbeinschnitzwerken belegt und augen-
scheinlich nach einem Alteren Muster gefertigt, befindet sich in dem Nonnenkloster
auf dem Nunberge in Salzburg ; es zeigt das aus vielen Siegelbildern thronender Bi*
schöfe bekannte Modell solcher SttLhle.
6) Detail abgebild. bei Sighart, Gesch. der bild. Künste in Bayern 1, 167. —
Die herkömmlich sog. Bischofstahle in den Domen von Naumburg , Halberstadt und
Magdeburg sind Lettner.
Betstühle. Beichtatahle. Kanzel. 203
Thal ^) im edel gothischen Stil ; auch in der ehemaligen Barfasserkxrche ')
und in der St. Albankirche zu Basel, im Chor der ehemal. Klosterkirche
am Oetenbach in Zürich etc. — Zuweilen finden sich besondere schmuck-
volle Stühle für bestimmte ausgezeichnete Personen, z. B. die Regalis
Cathedra Karls des Grossen, ein einfacher auf fünf Stufen erhöhter, mit
diesen 6 F. hoher weisser Marmorstuhl *) auf der Empore des Münsters zu
Aachen, dem Altare gegenüber; und aus gothischer Zeit, theils in Nischen etc.
mit architektonischem Schmuck , theils in reichem Holzsohnitzwerk : die
Abtstühle in den Klosterkirchen zu Pforta und zu Nienburg a. d. S. (hier
erneut) ; der Markgrafenstuhl und die Sedilien in der Marienkirche zu Salz-
wedel, der Betstuhl des Gr. Eberhard im Bart in der Amandikirche zu
Urach von 1472*) etc. — Beichtstühle von besonderer Einrichtung, %vie
sie anscheinend erst seit dem Tridentiner Concil in katholischen Kirchen
gebräuchlich geworden sind (mit hohem Aufbau , Mittelwand , Sprechgitter
und Vorhang) sind im M. A. nicht nachgewiesen: der Confessionar sass,
wie bildliche Darstellungen des Bussacraments erweisen, auf einem ge-
wöhnlichen Lehnstuhle (hinter dem Altare, wo, z. B. in kleineren Kirchen
Altbayems, dergleichen Stühle noch jetzt befindlich sind; vgl. auch oben
S. 113), und der vor ihm knieende Confitent empfing durch Handauflegung
die Absolution. *) Ob der aus zwei Sitzen bestehende, über 10 F. hohe
brillant spätgothische sog. Beichtstuhl hinter dem Hochaltar im Dome zu
Königsberg in der That diese Bestimmung gehabt habe , muss als zweifel-
haft gelten.
48. Aus den antiken Ambonen^ welche zu den kirchlichen Vor-
lesungen durch den Diaconus bestimmt und im Unterchore aufgestellt
waren, wo sie einen Theil der den letzteren umschliessenden Schran-
ken [cancelli] bildeten, ging im XIII. Jahrh. der Lettner (s. oben
§ 19 Anmerk. 1 S. 39) hervor, dessen Lesepult als Kanzel*) zum
Abhalten der Predigt benutzt vrurde, was in Deutschland noch im
XIV. Jahrhundert die Regel gewesen zu sein scheint, während in
Italien , dem Vaterlande der predigenden Bettelmönche , die Kanzel
[suffffestus) bereits im XIII. Jahrhundert von dem Lettner getrennt
und zuerst in der Nähe des letzteren , dann an einem Pfeiler auf der
1) Abbild, in Kunatdenkm. in Deutschland, bearb. von Bcchstein u. A.
Abth. I. Lief. 3 Taf. 9.
2) Abbild, in den Mittheil, der Geaellsch. für vaterländ. Alterth. in Basel III.
Taf. m.
3) AbbUd. bei aus'zn Weerth, Kunstdenkmäler etc. Bd. II. Taf. XXXII. 5.
4 ) Abbild, bei H e i d e 1 o f f, Ornamentik des M. A. Heft 4 Taf. 2 ff.
5) Vgl. Kirchenschmuck 1862. S. 10. — Den daselbst angeführten Beispielen
von bildlichen Darstellungen der Beichte kann noch der Altar in der Stadtkirche zu
Wittenberg (Schadow, J. G., Wittenbergs Denkm. No. 15) hinzugefügt werden.
Der Beichtstuhl hat hier eine hohe, oben verzierte Lehne : die mftnnüchen Confiten-
ten stehen rechts , die weiblichen links hinter dem Beichtvater , vor welchem zwei
Männer knieen, ein Bussfertiger rechts, ein Verstockter links.
6) lieber die Geschichte der Kanzel vgl. Zeitschr. für christl. Archäol. u. Kunst
1, 74—78; auch Augusti, Denkwürdigkeiten etc. 6, 331—334.
204
Kanzel.
Nord- oder Südseite des MittelschiflFes als selbständige^ auf Säulen
ruhende Empore errichtet wurde. Die Gothik gab der aus Stein oder
Schnitzwerk gebildeten Kanzel eine vieleckige Form , die unten von
einer Säule , von einem Kragsteine , später auch von einer Menschen-
oder Thiergestalt etc. getragen wird, und über der, um das Verfliegen
des Schalles in den hohen Räumen zu massigen, ein pyramidalisch
gekrönter Baldachin Schalldeckel, Kanzelhaube genannt) ange-
bracht ist.
In der alten Kirche predigte der Bischof von seiner im Grunde der
Tribüne hinter dem Altare befindlichen Kathedra herab, oder in Behinde-
Flg. H:3. Ambo im Münster zu AMchen (nach aus'ra Weerth).
rungsfällen desselben las der Diaconus auf dem Arabo eine Homilie vor.
Letzteren, der Laiengemeinde näher belegenen Ort wählte ungewöhn-
Ambonen. 205
licfaerweise schon Chrysostomus *) , um von der grossen Masse seiner
Zuhörer besser verstanden zu werden , und eine gleiche Ausnahme aus
demselben Grunde (opropier commoditatem depromendae vocisa) erlaubte sich
Augustinus. ') Der Bischof Petrus Chr^^sologus von Ravenna (gest. 450)
predigte je nach Zeit und Gelegenheit entweder i^de gradua (also wohl von
der Altarstufe , vielleicht aber auch vom Ajnbo aus) oder r>de sacerdoiali
sedea (vom priesterlichen Sitze) ; es scheint indess die Gemeinde damit
nicht recht zufrieden gewesen zu sein : denn er ermahnt seine Zuhörer,
sie möchten wegen dieser Abwechslung zwischen zvirei so nahe an einander
belegenen Stätten nicht lässig oder unwillig werden, ^j
Die Ambonen*) hatten in der alten Kirche wahrscheinlich ver-
schiedene Formen ; doch scheint die Anbringung einer Doppeltreppe nach
Osten und Westen hin, gradus ascensionis und gradvs descensionis, typisch
gewesen zu sein. In Italien haben sich noch in vielen Kirchen Ambonen
erhalten ; sie kommen gewöhnlich in zwiefacher Anzahl zu beiden Seiten
des Unterchores einander gegenüber aufgestellt vor : der nördliche ist zur
Vorlesung des Evangeliums bestimmt {ambo evangelii}, auf dem südlichen
{ambo epistolae) wird die Predigt gehalten. Der älteste bekannte Ambo
(aus dem VI. Jahrh.) befindet sich im Dome zu Ravenna: als der
jüngste gilt der in S. Pancrazio zu Rom mit der Jahreszahl 1249. Die
italienischen Ambonen stimmen im Wesentlichen darin überein , dass sie
mit der Front ein Trapez bilden , hinter dessen Schrägseiten die Treppen
liegen , und dessen mittlerer , zuweilen halbrund oder polygonisch vortre-
tender Theil als Standpunkt des Redners mit einem Lesepult versehen
ist. Das Material ist Marmor; die Trapezflächen sind durch Pilaster-
streifen in ebenmässige Felder getheilt und musivisch verziert. Nach
Pelliccia*) soll der Ambo seit dem IX. Jahrh. eine runde Form ange-
nommen haben, was durch den vom Jahre 820 datirenden Bauriss der
Klosterkirche von St. Gallen bestätigt wird , wo nämlich, ausser zwei an
der westlichen Schranke des ünterchores befindlichen Lesepulten [ana-
logta) , mitten im östlichsten Quadrate des Hauptschiffes ein nambo« von
kreisrunder Grundfläche eingezeichnet ist. — Im Münster zu Aachen hat
sich (jetzt im gothischen Chore übermässig erhöht und in der Zopfzeit
theil weise verändert) ein prachtvoller Ambo erhalten, der, inschriftlich
ein Geschenk Kaiser Heinrichs II. , im Grundrisse aus drei ungleichen
Kreisstücken zusammengesetzt ist und bei einer Höhe von etwa 4% F.
aus einem Kerne von Holz besteht, welcher ganz mit vergoldetem Kupfer-
blech überzogen und mit Verzierungen (Elfenbeinreliefs , Edelsteinen und
emaillirten Darstellimgen) bedeckt isU- ®) — In der Liebfrauenkirche zu
1) Vgl. Socrate», bist. eccl. 1. 6 c. 5; Sozomenus, hist. eccl. 1. 8 c. 5,
nach August i a. a. O. S. .'^32.
2) Vgl. Serm. 122 de diversis; vgl. Augustia. a. O.
3; Serm. 173; vgl. August! a. a. O.
4) ^'AfJißtav von araßtUt'ttv ä hinaufsteigen.
5) De Christ, eccl. politia, ed. Kitter 1, 135.
6) Abbild, bei aus'm Weerth, Kunstdenkmäler etc. Bd. U. Taf. XXXHI.
3—9; vgl. Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfr. im Rheinlande IX, 100 und
Taf. 7.
206
Kanzeln.
Halberstadt finden sich auf der Stufe zwischen Kreuz und Altarhaus
rechts \ind links an den Pfeilern des Scheidbogens und nach Westen ge-
kehrt zwei kleine ambonenartige Steinbrüstungen aus dem XII. Jahr-
hundert. ') -^ In der mit drei Apsiden schliessenden Kirche des Cister-
ziensernonnenklosters Wiebrechtshausen (bei Nordheim) ist an dem
Wandpfeiler, welcher die Hauptapsis von der südlichen Seitenapsis
trennt , auf viereckigem Postamente ein halbrund vortretender Ambo aus
dem XIII. Jahrh. angebracht. ^)
Fig. 84. Kanzel 7u WechM>lbnr?, XFIF. Jnhrh.
(iwrh Puttrich).
Kanzel von 15«! im Mttnster m Freiburg
(nach Schreiber).
Die Errichtung der Kanzel oder Aufstellung des Predigtstuhls auf
dem Lettner über dem Laienaltar ist für Deutschland bezüglich des XIII.
und XIV. Jahrh. durch die oben S. 39 angefahrten Stellen aus dem
Titurel und der Königsberger Urkunde erwiesen , während in Italien seit
der Wirksamkeit des die vernachlässigte Predigt eifrig fördernden Inno-
cenz in. (1198 — 1216) und der beginnenden Thätigkeit der Prediger-
mönche schon selbständige Kanzeln vorkommen; in S. Miniato bei
Florenz noch in Verbindung mit den Chorschranken. In Deutschland
dagegen ist nur die durch ihren bildnerischen Schmuck höchst ausge-
zeichnete Kanzel ') in der Kirche des ehemal. Augustinerstifts Zschillen
(Wechselburg) , nördlich am östlichsten Pfeiler des Schiffes , als einziges,
dem italienischen Typus verwandtes romanisches Beispiel aus dem XJII.
Jahrh. zu nennen, wobei es freilich zweifelhaft bleibt, ob nicht etwa die-
selbe ursprünglich ein integrirender Theil des später in den jetzigen Altar-
aufsatz umgewandelten Lettners (vgl. oben S. 106 Note 5 gewesen sein
möchte. Erwiesen ist letzteres von der ebenfalls ausgezeichneten roma-
nischen Kanzel in der Neuwerkerkirche zu Ooslar , welche , ehemals mit
dem westlichen Chorabschlusse in Verbindung stehend, und von dem Tische
des Laienaltares getragen, samrat letzterem erst neuerlich in das Schiff
1) Abbild, in der Zeitschr. für christl. Archftol. u. Kunst Bd. 2 Taf. XII. 6. 7.
2) Abbild, bei (Hase) die mittelalterl. Baudenkm. Niedersachsens. Heft 6 S. 190.
3^ Abbild, bei Puttrich, Denkmale etc. Abth. I. Serie Wechselburg, und bei
Förster, Denkmale etc. Bildnerei Bd. I zu S. 13 u. Bd. II zu S. 19.
Kanzeln. 207
versetzt worden ist ') ; die ursprflngliche Verwendung aber der dem süd-
östlichsten Pfeiler der Vierung angemauerten runden spätromanischen
Kanzelbrüstung in der Stiftskirche zu Bücken (unweit HoyaJ ist nicht
nachgewiesen. ^) Ein Gleiches gilt von der runden , stark romanisirenden
Kanzel im nördlichen Seitenschiffe der Jacobskirche zu Ooslar (jetzt ohne
Brüstung) . ') Wo Lettnerkanzeln nicht irorhanden waren , dürften sich
die terminirenden Bettelmönche tragbarer hölzerner Predigtstühle bedient
haben , die immer da aufgestellt wurden , wo es unter den obwaltenden
Umständen gerade am zweckmässigsten erschien, und die Errichtung
monumentaler Kanzeln aus Stein (mit hölzernen, bisweilen späteren
Schalldecken) oder Schnitzwerk an einem Pfeiler des Schiffes scheint
wesentlich erst in die Zeit des XV. Jahrh. zu fallen , wo unter dem Ein-
flüsse reformatorischer Männer endlich zuerst feste Predigerstellen an den
Kirchen errichtet wurden. *) Die spätgothischen Kanzeln, deren noch
eine ziemliche Anzahl erhalten ist , sind später nicht selten ausser Ge-
brauch gesetzt worden, weil sie als zu hoch und zu eng und mit schmalen
steilen Wendelstiegen versehen oft unbequem und selbst gefährlich waren :
die alte Kanzel z. B. in der Andreaskirche zu Eisleben, auf welcher
Luther seine letzte Predigt gehalten , hat eine nur t % F. breite aus 1 2
Stufen bestehende Treppe, die über einer Basis von nur 5 F. in einem
Winkel von 70 Grad aufsteigt. — Ein eigenthümliches Werk war die
nur in Ueberresten erhaltene, wohl noch dem XIV. Jahrh. entstammende
Kanzel ^) in der Ruine der Augustinerkirche zu Bemburg , welche , auf
einem Kragsteine ruhend , schwalbennestartig mit der Hauptmauer der
Kirche verbunden ist und (ähnlich wie in der Ulrichskirche zu Halle a.d.S.)
den Aufgang ausserhalb des Kirchenschiffes hat. — Als Curiosum mag
die in der Kirche zu Oberdiebach am Rhein (Lorch gegenüber] befindliche
Kanzel®) angeführt werden, welche aus Schmiedeeisen gefertigt ist. —
Der an den Brüstungswänden der Kanzel angebrachte bildnerische
Schmuck besteht am häufigsten aus den vier Evangelisten oder aus den
vier grossen Kirchenlehrern, und das vordere Hauptfeld nimmt oft ein
thronender Christus oder die Jungfrau Maria ein. — Die schon oben er-
wähnte hölzerne Kanzel in der Andreaskirche zu Eisleben ist mit einem
vermuthlich aus* dem XV. Jahrh. herrührenden prachtvoll gestickten
Tothen Sammetteppich ') (von 4X8V4 F.) behängt, der anscheinend be-
reits urspr anglich fßr diesen Zweck bestimmt war.
1) Abbild, bei Mithoff, H. W., Archiv für Niedersacbsens Kimstgesch. Abth.
in Taf. 23.
2 Vgl. Müller, H. A., in den Dioskuren JS60. S. 363.
3) Vgl. Lotz, W., Kunst -Topographie Deutschlands 1, 247.
4j In der Kirchenmeisterrechnung von St. Stephan zu Wien heisst es zum Jahre
1417: »Iteni den Tischler vor ain predig stuel new ze machn, vnd den altn abzeprechn,«
Die noch vorhandene steinerne Prachtkanzel entstand erst 1430. Vgl. Tschischka,
Fz., die Metropolitankirche zu St. Stephan in Wien S. 82. — Die Elisabethkirche in
Breslau hatte bereits 1 3sö einen npreJicatom, Vgl. S c h m e i d 1 e r, J. C. H. , die Ilaupt-
und Pfarrkirche zu St. Elisabet. S. 67.
5} Abbild, bei Pütt rieh a. a. O. Serie Anhalt No. 17.
6; Abbild, bei S tat z und Ungewitter, Goth. Musterbuch Taf. 193 Fig. 1.2.
7; Abbild, auf besonderem lithogr. Blatte zu : A rn o l d, J. A., die Beschreib, der
Luthers-Kanzel. Eisleben 1S45 ; auch bei Puttrich a. a. O. Abth. 11. Serie Eisleben.
208 Kanzeln.
Bemerkens werthe spätgothiscfae Kanzeln: Im Rheinlande: in der
Kirche zu St. Wendel 1462 *), im Münster zu Strassburg (nach dem Ent-
würfe des Hans Uammerer, angeblich unter Beirath des berühmten
Kanzelredners Geiler von Kaisersberg , dem zu Ehren das Werk gestiftet
wurde) 1486 ^j, im Münster zu Basel 1486, in den Kirchen zu Kiederich
(von Eberhard Salkener) 1491, Münstermaifeld ^) und Kirchberg, in der
Leonhardskirche zu Frankfurt a. M. , in der Stiftskirche zu St. Ooar, in
der Franciscanerkirche zu Cleve, im Münster zu Freiburg i. Br. (von
Georg Kempf aus Rhineck) 1561. *) — In Schwaben und Bayern:
in den Stiftskirchen zu Herrenberg '^'j und Stuttgart ^) , im Dome zu Re-
gensburg 1482 , in den Kirchen zu Ammerthal bei Amberg, zu Braunau
am Inn, zu Kneiting und zu Kager bei Regensburg , im Münster zu Ulm
(verfertigt von Burkhard Engelberger mit 5 Gesellen zu Augsburg: der
hohe Schalldeckel, aus Holz geschnitzt und eine kleinere Kanzel mit
Treppe bildend, von Jörg Sürlen 1510) um 1500 ') , in der Georgskirche
zu Nördlingen 1499. — In Tirol, Oesterreich und Böhmen: in
der Pfarrkirche zu Botzen (von Hans Lutz- 1514, Magdalenenkirche im
Thal Ridnaun (Mareit) aus weissem Marmor; in St. Stephan zu Wien
(von Hans Buchsbaum) 1430 ®}, in den Kirchen zu Eggenburg und Ams-
dorf; in der Teinkirche zu Prag (Schalldecke neu). — In Franken,
Hessen und Sachsen: in den Kirchen zu Heidingsfeld und Heldberg
1536; in der Katharinenkirche zu Eschwege 1509, in den Kirchen zu
Staussbach und Kauffungen, in der Pfarrkirche zu Frankenberg 1 554 ; in
der Blasiuskirche zu Mühlhausen , im Westchor des Domes zu Naum-
burg a. d. S. 1466, in der Kirche zu Gnandstein bei Kohren (Luthers-
kanzel) 1518, aus der Kirche zu Hohnstein im Museum des Gr. Gartens
zu Dresden 1513 , im Dome zu Merseburg um 1520 ') , in der Schloss-
kirche zu Dessau , im Dome zu Freiberg (in Form einer Tulpe ; wegen
ihrer schwindelnden Höhe ausser Gebrauch gesetzt) um 1500 ^®) , in der
Hauptkirche zu Annaberg um 1520, in der Marien- und in der Katha-
rinenkirche zu Zwickau (letztere von Hans Spork) 1538. — In West-
falen: in der Dominicanerkirche zu Warburg ; in der Blasiuskirche zu
Münden ; in der Kilianskirche zu Corbach in der Wetterau. — Im nord-
östlichen Deutschland: in der Marienkirche zu "Wittstock ; in der
Graumönchenkirche zu Danzig 1541 und in der zu derselben gehörigen
Annakapelle daselbst.
1} Abbild, bei Schmidt, Ch. W., Baudenkm. des M. A. in Trier. Lief. III. 8.
2) Abbild, bei Schmidt, Ch. W. , Grundriss u. Aufriss der Kanzel des Mün-
sters in Strassburg (Facsimile des Originalrisses).
A) Abbild, bei Statz und Ungewittera. a. O. Taf. 135.
4 ) Abbild, bei (Schreiber) Denkm. deutscher Baukunst am Oberrhein. Lief. II.
auf Taf. 9.
h] Abbild, bei Heideloff u. Müller, die Kun.st des M. A. in Schwaben S. 5.
6; Abbild, ebd. S. 2J (und daraus bei Kugler, Gesch. der Baukunst 3, 360).
7 1 Vgl. G r ü n e i 8 en , C. , und Manch, Ed. , Uim's Kunstleben , auf der Taf.
zu S. 2?.
8) Abbild, im Conversations-Lexicon für bild. Kunst 4, 457.
9) Abbild, in der Zeitschr. für christl. Archäol. u. Kunst Bd. I. Taf. 5 u. 6.
10) Abbild, bei Frenz el, J. G. A., die Kanzel der Domkirche zu Freiberg. 1856.
HeiligthuDXätahle. Adlerpulte.
209
Anmerkung 1. Zuweilen sind äusserlich an den Kircbengebftuden
Kanzeln angebrachtj z. B. an der Herrgottskirche bei Creglingen in Würt-
temberg auf der Ostseite , zu welcher man aus dem Innern der Kirche auf
einer steinernen Wendeltreppe von 62 Stufen emporsteigt; auch an der
Nordseite der Michaeliskapelle EiiKiederich bei Wiesbaden und an der Kirche
zu Christenberg in Kmrhessen: es sind dies aber wohl nicht Predigt-, son-
dern Heiligthumstühle, welche wie ähnliche Altane und Galerien
aussen an den Kirchen zur Vorzeigung von Reliquien dienten ; vgl. oben
S. 77 und 140. — Dagegen steht am nordöstlichen Ende der Stephans-
kirche zu Wien eine (1738 erneute) Kanzel im Freien, auf welcher der
Franciscaner Johann Capistranus 1451 gepredigt hat. Vgl. Tschischka,
Fz., die Metropolitank. zu St. Stephan in Wien S. 91.
Anmerkung 2. Die an den italienischen Ambonen und an den deut-
schen Lettnern befindlichen Lesepulte werden in der Regel von einem
Adler *) mit ausgebreiteten Flügeln (z. B. am
Lettner des Domes von Halberstadt in Bronze-
guss) , dem Zeichen des Evangelisten Johan-
nes, getragen, imd solche Adlerpulte (aquihe)
kommen auch als selbständige Lesepulte,
wie dergleichen zu gewissen Zeiten des Kir-
chenjahres und bei verschiedenen liturgischen
Verrichtungen erforderlich sind, in den Kir-
chen vor, sowohl in Metallguss als in Schnitz-
werk ausgeführt. Aus Bronze oder Messing
gegossene Adlerpulte des XV. Jahrb. finden
sich im Rheinlande im Münster zu Aachen
(4% F. hoch) , in der Kirche zu Erkelenz
(beide abgebild. bei aus*m Weerth, Kunst-
denkm. etc. Bd. II. Taf. XXXVIII. 14 und
XXXI. 11) und in der Franciscanerkirche zu
Dtlsseldorf vor ; auch in Westfalen : in der
Reinoldikirche zu Dortmund *) , in d«r Marien-
kirche daselbst, in der Kirche zu Marienfeld.
Der Unterbau des Pultes ist gewöhnlich aus Ar-
chitekturformen mit Strebepfeilern und Strebe-
bögen gebildet , und der Adler hält eine Fle-
dermaus in den Krallen, oder es reckt sich auf
den Flügeln des Adlers zur Aufnahme des
Buches noch eine Fledermaus aus. — In St.
Severin zu Cöln ein Lesepult mit kupfervergoldetem Adler auf einfachem
hölzernen Fusse aus dem XV. Jahrhundert. ^)
49. Die ältesten Taufbrunnen [piscinae] befanden sieh in beson-
deren Taufhäusem (oben S. 16) : es waren Bassins mit lebendigem
1) Durand! Rationale 1. 4 c. 24 n. 20: Legitur etiam de more evangelium
super aquilam juxta illud Pb. 1 7 : Et volavit super pennas ventorum , et aquila ip«a
seu locus, in quo legitur, in diebus festivis aliquo panno lineo vel serico cooperitur.
2) Abbild, bei Statz u. tJngewitter, Goth. Musterbuch Taf. 194 Fig. 7—9.
3) Abbüd. bei B ock, das heU. Köhi. Taf. XLII. 1 19.
Otte, Kunst-Archäologie. 14
Fig. S5. Adlerpult im Mftnster zu
iiachen (nach aus^m Weerth.)
210 Taufsteine.
Wasser^ an deren Stelle nach und nach die in Deutschland bereits seit
dem IX. Jahrhundert vorkommenden Taufsteine [fonB baptismalis)
traten^ welche^ vorschriftsmässig aus dichtem Stein oder aus Metall
verfertigt, nachdem das Taufrecht von den bischöflichen allmählich
auf andere ausgezeichnetere , imd etwa seit dem XIII. Jahrhundert
im Allgemeinen auf alle Kirchen übergegangen war, ihren Ort in den
Kirchen selbst erhielten. In den alten Taufhäusem nahm der Tauf-
stein, wie die ursprüngliche Piscina, die Mitte ein, in den Kirchen
wurde er am westlichen Ende, (sinnbildlich) beim Eintritte in die
Kirche aufgestellt, und zwar oft auf der Frauenseite (nördlich ; s. oben
S. 48) . Die Versetzung des Taufsteines in den hohen Chor scheint
nur in evangelischen Kirchen stattgefunden zu haben , aus äusseren
Gründen. — Die älteren Taufsteine bis ins XIII. Jahrh. haben nach
Analogie der runden oder polygonen Taufkapellen die Form eines
cylindrischen oder viel -, meist achteckigen Brunnenschreines ; ander-
weitig aber kommen auch von Säulen etc. getragene runde oder poly-
gonische Becken vor, welche Form in der gothischen Periode neben
der Pocalform die herrschende bleibt.
Die älteste Spur eines Taufsteines in Deutschland giebt die Feder-
zeichnung (No. 13) in dem berühmten, noch vor 814 geschriebenen
Wessobrunner Codex in der Hofbibliolhek zu München (Clm. 2205) :
die Taufe eines Juden durch den Bischof von Jerusalem *) : der Täuf-
ling steht völlig unbekleidet bis an den Gürtel in einem mit Wasser ge-
füllten cylindrischen Gef^se , welches unten , in der Mitte und oben mit
einem schlichten Bande verziert ist ; der Täufer , zur Linken neben dem
Taufgefösse , berührt den Kopf des Juden mit der hohlen rechten Hand,
anscheinend um ihn in dieser Weise mit Wasser zu übergiessen ; auf der
anderen Seite steht ein Cleriker mit einem Tuche. ^) — Dass schon damals
1) Abbild, bei Sighart, J., Gesch. der bild. Künste in Bayern 1, 50.
2} Diesen Taufritus »non rhergendo, verum desuper fundendo« erklärt in der
ersten Hälfte des IX. Jahrh. Walafr. Strabo, de rebus eccl. c. 26 (bei Augusti,
Benkwürdigk. 7, 234] bei Erwachsenen als sulttssig, »quum protectiorum granditas
corporum in mifwribns vasis kominem Hngi non patUur,n AehnUch wird man sich
das Verfahren zu denken haben bei den späteren Massen taufen unter den slavischen
Völkerschaften. Als im J. 1124 in Pyritz in wenigen Tagen 7000 Pommern getauft
wurden , grub man grosse Fässer mit Wasser in die Erde und umgab sie mit einem
Vorhange, hinter welchem die Taufe vollzogen wurde (Neander, A., Kirchengesch.
5, 10). Ganz wie im Wessobrunner Codex ist die Ertheilung dieses Sacraments auch
in den verschiedenen Taufscenen auf dem Taufkessel von 1 112 in der Bartholomäi-
kirche zu Lüttlch dargesteUt : die Täuflinge stehen in stilisirteu Fässern, mit geneig-
tem Haupte den Segen des Täufers empfangend (Abbild, bei Didron, Aunales ar-
chöol. 5, 21). Auf einem Taufsteine aus dem Xu. Jahrh. in der Schlosskirche zu
Pont-&-MoU8son bei Nancy empfangen zwei halberwachsene Täuflinge , zusammen in
einem Fasse stehend, die Taufe durch einen Bischof (Abbild, bei deCaumont,
Ab^c^daire 4. 6d. 1, 252), und selbst noch auf einem die Taufe des heil. Moritz dar-
stellenden Gemälde aus dem XV. Jahrh. (an der Rückwand des zopfigen Altarbaues)
Taufsteine. 21 t
in den Kirchen (selbst der Klöster) Taufsteine vorhanden waren , wird
durch den Bauriss von St. Qallen vom J. 820 erwiesen, wo am Westende
des Mittelschiffes vor einem Altare der beiden Johannes in einem um-
schränkten Räume ein runder » Fans « eingezeichnet ist. — In der Tauf-
kapelle zu Brixen (s. oben S. 18) steht der weite und tiefe Taufstein aus
rOÜilichem Marmor in der Mitte des Schiffes. — Der Taufstein in Gross-
Martin zu COln ^) , ein achteckiges Prisma aus Marmor von vier langen
und vier kurzen Seiten und an denselben mit einzelnen Blumen geschmückt,
gut traditionell far ein Geschenk P. Leo*s UI. aus dem J. 803 und wäre
demnach das älteste in Deutschland vorhandene Exemplar : er wird übri-
gens für eine antik römische Marmorwanne gehalten. Die sonst be-
kannten älteren Taufsteine reichen höchstens bis ins XI. Jahrh. hinauf. —
Die älteste kirchliche Vorschrift über die Taufsteine gab (nach Augusti
a. a. O. 12, 77) die Synode zu Lerida vom J. 500: i>Omnis preabyter,
qui fontem lapideum habere nequiverit, vas conveniens ad hoc sohmmodo
hapHzandi officium haheat, quod extra ecciesiam deportetum , was von den
Canon. Reginonis a. 899, und in den Synod. ad presb. des Ratherius von
Verona im XI. Jahrh. wiederholt wurde. *) Die von späteren Statuten
geforderten verschliessbaren Deckel [opercula) auf den Taufsteinen, welche
in gothischer Zeit zuweilen die Form hoher Tabernakel annehmen, las-
sen sich namentlich an den Erzkufen schon seit Anfang des XII. Jahrh.
(Taufkessel der Bartholomäikirche zu Lüttich von 1112) nachweisen ; die
von dem römischen Rituale vorgeschriebene Umgitterung (cancellt) aber
anscheinend erst seit dem XVI. Jahrh. (um den Taufkessel in der Marien-
kirche zu Salzwedel 1522). — Eine Vorrichtung zimi Erwärmen des
Taufwassers erscheint an dem Taufsteine (vom J. 1218) in der Kirche
zu Aldekerk ') bei Geldern, dessen achteckiges Becken auf einem offenen
Delphinrachen ruht, der vermuthlich zur Aufnahme von glühenden Kohlen
bestimmt war , und unter der becherförmigen gothischen Erztaufe in St.
Sebald zu Nürnberg *) befindet sich unzweifelhaft ein Feuerungsraum. —
Von der westlichen Stellung des Taufsteines kommen auch in katholischen
in der Nicolaikirche zu Jüterbog steht der Täufling in einem tiefen Tauikessel. —
Anders natürlich verhielt es sich mit der Kindertaufe : auf einer Wandmalerei aus.
der zweiten Hfllfte des XV. Jahrh. in der Kirche zu St. Johann bei Neunkirchen in
Niederösterreich (Abbild, in den Mittheil, der k. k. Central- Commission etc. Jh60
5, 326) hält der Täufer das nackte Kindlein mit beiden Händen am Hintertheil , und
der gegenüber stehende Pathe hat den linken Arm des Kindes ebenfalls mit beiden
Händen ergriffen und hilft es ausderTaufe heben. — Auf dem Altargemäldö der
Stadtkirche zu Wittenberg aus dem XVI. Jahrh. unterfasst der Täufer den Leib des
nackten Kindes mit der linken Hand {»tenena puerum ttna manu discretev — Stat.
synod. Leod* a. 1287 c. 2 ; bei Augusti a. a. O. S. 234) und giesst mit der rechten
dias in den Taufstein abfliessende Wasser darüber. — Durch schriftliche Zeugnisse
ist übrigens erwiesen, dass der Taufritus in verschiedenen Gegenden das ganze M. A.
hindurch verschieden war. Die Kinder ganz nackt zu taufen, verbot eine Synode zu
St. Omer 1583, und ebenso das Strassburger Rituale aus Rücksichten des Anstandes
und der Gesundheitspflege. Vgl. Augusti a. a. O. S. 226.
1) Abbild, bei Boisseräe, Denkmale etc. Taf. 23. A.
2) Hartzheim2, 440u. 3, 7, bei Jakob, die KunstimDienstederKircheS.il 1.
3) Abbild, bei aus'm Weerth, Kunstdenkm. etc. n Taf. XXII. 3.
4) Abbild, bei Rettberg, R. v., Nürnbergs Kunstleben S. 43.
14*
2 1 2 Taufsteine.
Kirchen Ausiiahmen tot : er steht z. B. im Dome zu Limburg a. d. L. im
südlichen Kreuzarme , hat dagegen in Tielen jetzt evangelischen Kirchen
(z. B. in den Domen zu Magdeburg und Halberstadt, in der Andreas-,
Martini' und in der Petrikirche zu Braunschweig ; in der Petri-Paulikirche
zu G6rlitz am Westende des n()rdlich8ten Seitenschiffes etc.) seine ur-
sprüngliche Stelle behauptet , und die Verpflanzung in den Chor scheint
wohl kaum aus dc^matischen Gründen , sondern überhaupt nur darum
stattgefunden zu haben , weil man den Raum im Schiffe zur Vermehnmg
der Gestühle benutzen wollte , \ind die Nähe der Sacristei empfehlenswerth
war. Bei der in kleinen Kirchen hinderlichen Grösse vieler alten Tauf-
steine (bis 5 F. Durchmesser) und der Rohheit ihrer äusseren Erschei-
nung wurden in Folge der m der Zopfzeit überhandnehmenden Sitte der
Haustaufen dieselben als unbrauchbar , oft in den Winkel gestellt , oder
aus den Kirchen entfern t, auf den Kirchhof geworfen , oder in den Pfarr-
höfen und in Privatgärten als Brunnentröge oder Blumentöpfe nützlich
gemacht, wie in manchen Gegenden (z. B. in Pommern, Sachsen, Hes-
sen etc.) noch viele sich in diesem profanen Gebrauche befinden. In
Pferdsdorf bei Vacha hat man den alten runden Taufstein mindestens zum
Fusse der Kanzel benutzt. Eine eigenthümliche Restauration erlitt im
J. 1665 der achteckige pocalförmige Taufstein im Dome zu Merseburg da-
durch, dass die ursprünglichen gothischen Ornamente abgehauen und dafür
Wappenschilde angebracht wurden. — Abgesehen von einzelnen völlig
schlichten Exemplaren besteht die Verzierung der Taufsteine entweder nur
aus Ornamenten , wobei vegetabilische seltener vorkommen als architek-
tonische (in romanischer Zeit der Rundbogenfries , in gothischer Maass-
werk) oder unter Bogenstellungen aus figürlichen Reliefs, die entweder
einzelne Gestalten (Apostel, Propheten etc.) darstellen, oder Scenen
aus dem Leben Jesu, besonders auch die Taufe durch Johannes; den
Kreuzestod und die Auferstehung des Herrn, wohl mit Rücksicht auf die
paulinische Symbolik Rom. 6, 3. In früherer romanischer Zeit kommen
die vier Paradiesesflüsse in menschlicher Personification am Fusse der
Taufsteine zuweilen vor (an dem alten Taufsteine in der Vorhalle des
Domes zu Merseburg, an dem Taufkessel in der Martinskirche zu Halber-
stadt), und es scheint, ^Is ob die häufig an Taufsteinen in der Vierzahl
angebrachten Menachenköpfe auf diese Flussgötter gedeutet werden kön-
nen, deren Stelle anderweitig die vier Evangelisten einnehmen (z. B. an
dem Taufkessel in St. Sebald zu Nürnberg aus dem XIV. Jahrhundert) .
Löwen als Träger der Taufsteine waren schon seit dem XII. Jahrh. be-
liebt und erscheinen bereits als Reliefs an dem unteren Theile des Tauf-
steines zu Freckenhorst in Westfalen , der vermuthlich aus der Zeit um
1129 herrührt. Sehener kommen Drachen vor (an einem Granittaufsteine
in der Kirche zu Graudenz), und Schweine (an dem bereits erwähnten zu
Aldekerk) .
Bei der Ueberschau über die noch zahlreich erhaltenen mittelalter-
lichen Taufsteine ergeben sich, namentlich in romanischer Zeit, bestimmte
provinzielle Besonderheiten, die zum Theil im Zusammenhang stehen mit
dem gewählten Material. Im Rheinlande zeigen zwar die romanischen
Taufsteine in der Stiftskirche zu Wetzlar, in der Kirche zu Schwarzrhein-
Taufeteine.
213
dorf und in St. Gleorg zu Cöln *) einfach cylindrische Fonn (erstere nach
unten etwa» yerjüngt und oben mit Rundbogenfries, letzterer mit 12
durch Rundbögen yerbandenen Halbsäulen) ; doch sind von einem Mittel-
rrrwi
(
Fig. 86. Taufttein lu Se^wvzrheindorf ( nach BoiMer^).
Ständer getragene und rings mit Säulen etc. umstellte halbkugelige Becken
im XII. — XIII. Jahrh. die Regel. Am Niederrhein erscheint dieser
Grundtypus in auffälliger Rohheit , und statt der Säulen kommen oft nur
einfach cylindrische Stützen vor. Das Material ist fast durchgängig der
schwarze Marmor von Namur , und die Unbeholfenheit der Arbeit darf
nicht verleiten, diesen (durchschnittlich 3 F. hohen und ebenso weiten)
Taufsteinen ein über das XII. Jahrh. hinausgehendes Alter zuzuschreiben,
da dem einzelne Details entgegenstehen ; wir nennen die Taufsteine der
Fi;. 87. Taafatein lu Zyfflich (nach ausbin Weerth).
Kirchen zu Warbeyen, Zyfflich, Qualburg (Fuss später?), CoUegiatkirche
zu Wissel, Kirchen zu Hönnepel, Straelen und Kempen (Fuss später) . *)
Aehnliche rohe Taufsteine findet man noch in Leuken, Veen und Menze*
1) Abbild, bei Boisseröe a. a. O. Taf. XXm. B u. C.
2) SftmmtUch abgebUd. bei ausbin Weerth a. a. O. Bd. I. Taf. VI. I ; VI. 6 ;
X. 5. 7. 10; Bd. n. Taf. XXII. J ; XXIIL 40. — Vgl. auch Engling, Job., die
alterten Taufsteine im apostolischen Vicariat Luxemburg , in den Publications de la
Sooi6t6 poox la lecherche des monuments historiques ä Luxembourg. Annöe 1S5S et
1859.
214 Taufsteine.
len bei Xanten, zu Nieukerk und in El. Hambom, zu Gladbach, Kapel-
len, Grefratii und Süchtelen, angeblich zu Hinsbeck, Herongen, Linnich,
Coslar^ Euskirchen etc. Auch der Taufstein in der Kirche zu Zülpich *)
gehört zu dieser Gattung ; ebenso der zu Wittlar ') , jedoch von späterem
Gepräge. — Der Taufstein in der Taufkapelle des Münsters zu Aachen ')
zeigt bei gleichem Material eine reichere und spätere Entwickelung ; der
Fuss ist gothisch. — Der Taufstein im Dome zu Limburg a. d. Lahn *)
ist achteckig und wird, wie der zu Aachen, von acht Säulen getragen.
Mit sechs Säulen sind umstellt die Taufbecken in- den Pfarrkirchen zu
Andernach , Adenau , Unkel ^) , in der Stiftskirche zu Garden und in der
Klosterkirche zu Sayn (hier fehlen die Schafte der Säulen) . — Aus spät-
gothischer Zeit nennen wir die achteckigen Sandsteintaufen in den Kirchen
zu Dornick , Hüsberden und Giederich •) , welche nach Typus und Dar-
stellungen einander gleichen; femer die Taufsteine in den Kirchen zu
St. Arnual ') , Bingen , Eibingen , Hermannstein bei Wetzlar , St. Justin
zu Höchst®), Kirche zu Lorch 1464, Augustinerk. zu Mittelheim, Kirche
zu Wanderath, Münster zu Strassburg.
Bei den Taufsteinen in Westfalen *) herrscht als Material der
Sandstein, und in der romanischen Periode ganz allgemein die Form eines
oft nach unten mehr oder minder verjüngten niedrigen Cylinders, der
gewöhnlich nur mit einem Laubfries , selten mit Reliefs geschmückt ist.
Die Arbeit ist häufig roh. Bloss mit Friesen verziert sind die Taufen zu
Rhynern , Asbeck , Iburg , Lüdinghausen , Ramsdorf und in der Jacobi-
kirche zu Koesfeld ; mit Reliefs : die beiden einander gleichen Taufsteine
zu Apierbeck und in der kathol. Kirche zu Bochum. Mehrfach findet sich
die Fläche des Cylinders mit angeblendeten Säulenarkaden belebt, wie zu
Rhede, Diestedde und Wallenhorst ***) bei Osnabrück und mit figürlichen
Reliefs unter den Arkaden zu Waltrog , Brenken , Boke und an dem aus
Marmor von Steinheim verfertigten Taufstein zu Elsen. Der Taufstein zu
Beckum ist achteckig und mit Reliefs geschmückt. Künstlerisch ausge-
zeichnet, auch durch seine vollendeten Reliefs, ist der Taufetein zu Brech-
ten^*) bei Dortmund mit spitzbogigen gothisirenden Arkaden. Häufig
erscheinen, wie zu Freckenhorst (s. oben S. 212) am Fusse der Tauf-
steine Löwengestalten ; als eigentliche Träger zuerst in Metelen. Edle
Verhältnisse und geschmackvolle Einfachheit zeigt bei aller Rohheit der
Technik der auf drei Füssen ruhende runde Taufstein zu Recke **) im
1) Abbild, bei Gubitz, F. W., Jahrbuch etc. (Volkskalender) 1844. S. 141.
2) Abbild, bei aus'm Weerth a. a. O. Bd. U, Taf. XXIX. 8.
3) Abbild, ebd. Taf. XXXII. 10.
4] AbhUd. bei Moller, Denkm. U. Taf. XXVII (IX).
5) Abbild, bei Boisseröe a. a. O. Taf. XXIV.
6) Sämmtlich abgebild. bei aus'm Weerth a. a. O. Taf. IV. 8; VI. 4 u. 4a;
XXI. 7. u. 7 a.
7) Abbild, bei Schmidt, Ch. W., Denkm. in Trier etc. Lief. III. Taf. 6.
8) Moller (Gladbach) a. a. O. m. Taf. 9.
9) Vgl. Labke, W., die mittelalterl. Kunst in Westfalen S. 372—376.
10) Abbild, in Mittelalterl. Baudenkm. Niedersacbsens. Heft 1 Bl. 7.
IJ) Details abgeb. ebd. Taf. XVI. 10.
12) Abbild, (von Alfr. Hartmann) in der Zeitschr. für christl. Archäol. und
Kunst 1, 26S.
TaiiTsteine.
215
Kr. Tecklenburg. Spätromanische Formen zeigt der Taufstein z\x Flech-
torf bei Corbach. — Die gothischen Taufsteine haben meist nur ein
Maasswerknetz und gehören, etwa mit Ausnahme der wohl aus dem
^^?7^>^
Fi;. 88. Taufstein in der Kirche lu Becke (nach Hartmann).
XIV. Jahrh. stammenden zu Ostenfelde und Watersloh spätgothischer
Zeit an: in St. Paul, St. Peter, St. Thomas und Maria zur Wiese in
Soest, in der Petrikirche zu Dortmund, in der Kirche zu Benninghausen,
in der Stiftskirche St. Maria vor Herford, in St. Ludgeri zu Münster
und in der Kirche zu Ascheberg. Mit Bildwerk verziert sind die Tauf-
steine in der Johanneskirche zu Billerbeck 1497 . die dem XVI. Jahrh.
entstammenden , in Form und Bildschmuck einander nahe verwandten in
den Kirchen zu Nieheim und Wiedenbrück , sowie in der Münsterkirche
zu Herford und in der Katharinenkirche zu Osnabrück : alle diese mit
biblischen Scenen , der Taufstein zu Lünen mit paarweise angeordneten
Einzelfiguren. Der spätgothische Taufstein in der Bustorfkirche zu Pader-
born , ein achtseitiges Prisma mit Figuren unter geschweiften BOgen , ist
mit einem hohen in Holz geschnitzten Deckel versehen. *)
1) Abbild, bei Statz und Ungewitter, Goth. Musterbuch Taf. 1S5. Fig. 7
u. 8; vgl. Lotz, W., Kunst-Topogr. Deutschlands 1, 496.
216 TaufBteine.
In Hessen *) sind die Taufsteine häufig aus Basaltblöcken gehauen
und haben in romanischer Zeit oft die Form eines niedrigen Zubers (d. i.
eines stark verjüngten Cy linders) , oben mit einem Hufeisenbogenfries und
abwechselnd auf ein den unteren Rand umziehendes Band hinablaufenden
Lisenen, als einfachem Schmuck: in Giessen und den nahe gelegenen
Ortschaften Grossenlinden ') , Heuchelheim , KirchgOns , Lieh , Nieder-
weidbach — meist aus den Kirchen entfernt. Der Taufstein zu Klein-
karben dagegen hat rein cylindrische Form , der auf dem Kirchhofe zu
Eckeishausen ist unten bauchig , und xLer halbzerstörte zu Breuna ist mit
Laubwerk verziert. Der Tauf stein zu Biedenkopf mit seinem ehemals mit
sechs Säulchen umstellten halbkugeligen Becken erinnert an rheinländische
Formen. Der von drei Löwen getragene achteckige Tauf stein in der
Liebfirauenkirche zu Friedberg (wo sieh mehrere alte Tauf steine in Privat-
gärten finden) stammt aus der Uebergangsperiode. Der Tauf stein in
Altenstadt (unweit der Kirche) ist äusserlich oval und innen achteckig. ') —
Ausser dem frühgothischen Taufsteine (mit sechs auf Löwen ruhenden
Säulen, deren Knospencapitäle sich am Rande des halbkugeligen Beckens
als Fries fortsetzen) in der Stiftskirche zu Wetter und dem zwölfeckigen
edelgothischen in der Klosterkirche zu Hersfeld , dem jedoch der Fuss
fehlt, sind als eigenthümliche Erzeugnisse aus gothischer Zeit anzufahren
die Basalttaufen in den Pfarrkirchen zu Münzenberg *) und Niederweisel,
sowie auf dem Pfarrhofe zu Fetter well von der Gestalt eines achtseitigen,
nach unten verjüngten Prisma' s mit niedrigem Sockel. Verwandte Bil-
dung zeigt der ebenfalls aus Basalt verfertigte, oben sechzehneckige, nach
unten pyramidale Taufstein zu Büdesheim. ^) Aus spätgothischer Zeit
stammen die meist mit Maasswerk verzierten achteckigen Taufsteine zu
Schlitz 1467, Billertshausen 1488, Felda, in der Todtenkirche zu Mei-
ches 1501 und zu Neustadt bei Marbuig, der sechseckige zu Frankenbach
1500, der pocalförmige zu Angersbach 1502, der colossale zwölfeckige
zu Niederwildungen (ohne Fuss) u. a. m.
Aus dem südlichen Deutschland fehlt es an speciellen und übersicht-
lichen Vorarbeiten; wir nennen in Schwaben die romanischen Tauf-
steine : in Freudenstadt ®) aus Kl. Alpirsbach (mit grotesken Sculpturen)
imd in der Stadtkirche zu Blaubeuren (sehr gross) ; die gothischen : im
Münster zu Ulm 1470, in der Marienkirche zu Reutlingen^), in der
Dionysiuskirche zu Esslingen^), in den Kirchen zu Magstatt, Bönnigheim,
Bietigheim (beide letztere sechseckig), Amegg^) von 1487 (achteckig,
1) Vgl. Dieffenbach, Ph., üb. mittelalterl. Taufsteine (in Hessen), im Archiv
für hess. Gesch. u. Alterthumskunde 6, 225 — 242, nebst einer Tafel mit vielen Ab-
bild, von Taufsteinen.
2) Abbild, auch bei Klein, J. V., die Kirche zu Grossen-Linden. Taf. I. 2.
3) Abbild, bei Dieffenbach a. a. O. Fig. 15.
4) Ebd. Fig. 5. 5) Ebd. Fig. H.
6] Abbild, bei Heideloff, Ornamentik Heft 14. Taf. 1.
7) Ebd. Heft 3. Taf. 7.
8) Abbild, bei Heideloff und Müller, Fr., die Kunst des M. A. in Schwa-
ben Taf . 15.
9) Abbild, in der 9. u. 10. Veröffentl. des Vereins fOr Kunst u. Alterth. in Ulm*
Tauftteine. 217
mit Astwerk yerziert) m der Amandikivche zu Urach ^) 1 5 1 S (voa Chnstoph
Statovariiis) . — InBajecn: die romanischen Tanüsteine in des Alten
Kapelle zn Regenshurg (mit Säulenarkaden) , in der Prämonstratenser-
kirche zu Windberg (Kalkstein ; auf yier LOwenkOpfen ruhend , mit den
Apostelbüdem in, den Blendarkaden) , in der Stiftskirche zu AltMmg ') ,
in der Marienkitche zu Chammünster , im Münster zu Biburg, in den
Kirchen zu Buebach (?) und Altenstadt in der Oberpfalz, in der Michaelis-
kirche zu Altenstadt ') bei Schongau (oben in Vierpassform , mit rohem
Bildwerk) und in der Klosterkirche zu Rohr : die drei letzteren im Ueber-
gangsstil. Gothische Taufsteine in den Kirchen zu Sulzbach , Parsberg,
Qriesbach, in St. Rupert zu Regensburg, zu Rieding, Geisenhausen 1 488,
Eggenfelden, Trostberg, St. Zeno bei Reichenhall 1516, Isen 1520 etc. —
InOesterreich: die spätromanigchen Taufsteine zu Schweiggers und
Salingstadt; der gothische kelchf5rmige von 1478 in der Frauenkirche
zu Freistadt , die Marmortaufsteine in der Liebfrauenkirche zu Wiener-
Neustadt 1472 (zehneckig, pocalfOrmig) und in St. Stephan zu Wien
1481 (von Meister Heinrich) u. v. a. — In Franken: ein romanischer
Taufstein zu Neustadt am Main (in den Arkadenblenden Christus und die
Apostel) ; gothische in der Schlosskapelle zu Meiningen ^} , zu Oberlind ^),
zu Heldberg, in der Schlosskirche zu Callenberg bei Coburg 1537.
In Thüringen und Sachsen sind mehrere interessante romanische
Taufsteine nachgewiesen : in der Nicolaikirche zu Zerbst ®) (aus Kloster
Alsleben a. d. S. , später eine Zeit lang im Besitz des Thüring. -Sachs.
Vereins in Halle ; ein 20 Z. tief ausgehöhltes achteckiges Prisma mit
biblischen Reliefs von äusserster Rohheit; nur 2% F. hoch bei 4 F.
Durchmesser), in der Vorhalle des l^oms zu Merseburg^) (aus der dortigen
Neumarktskirche; ebenfalls achteckig prismatisch, bei 4*/, F. Höhe bis
auf etwa 1 V« F. tief halbkugelig ausgehöhlt^ mit den Reliefs der Propheten
und Apostel unter Säulenarkaden) , zu Halle a. d. S. (im Besitz des
Thüring. -Sachs. Vereins im Hofe der Residenz aus der Kirche zu Trotha;
ebenfalls prismatisch , aber nur klein und ohne Fuss , mit den Bildern
der Apostel), in der Kirche zu Flötz bei B^rby (cylindrisch, 4 F. Durch-
messer) , zu Groningen bei Halberstadt (gleichfalls rund) , in der Kirdie
zu Nicolausberg bei Göttingen (cylindrisch , roh imd schmucklos) . Von
den vorgenannten Sandsteintaufen weicht der aus der EJrche zu Gleiss-
bach bei Nossen stammende, aus Porphyr gearbeitete Taufstein im Museum
des Grossen Gartens zu Dresden ®) völlig ab : er ist rund aber bauchig
und mit mancherlei willkürlichen Ornamenten versehen. Die Sandstein-
1^) AbbUd. bei Heideloff, Omamentik Heft 7 Taf. 7.
2) Abbild, bei Sighart, Gesch. der bild. Künste in Bayern S. 185. — In der
That aus romanischer Zeit ?
3) Abbild. bei.Heideloff a, a. O. Heft 20 Ta£. j.
4) Ebd. Heft 8 Taf. 5. 5) Ebd. Heft 14 Taf. 4.
6) Abbüd. in den N. Mittheil, des Thüring. -Sachs. Vereins VIII. 2 Taf. II zu
8. 125 ff. — Die jetzigen zierlichen Säulenfüsschen sind modern.
7} Abbild, bei Puttrich, Denkmale etc. Abth. II. Serie Merseburg Bl. 4 u. 10.
8) Abbild, bei Böaigk, Fz. L., Führer durch das Museum im Palais des grossen
Gartens S. 31.
218 Taufsteine.
taufe in der Klosterkirche zu Vessera *) bei Schleusingen hat die Form
einer auf stark verjüngter Mittelsäule ruhenden Schale. — Der firühgothi^
sehen Zeit gehören die Taufsteine in den Domen zu Halberstadt ^) und
Magdeburg an (beide völlig schmucklos; ersterer aus Marmor, pocal-
fbrmig und auf vier Löwen ruhend, letzterer aus polirtem Porphyr, scha-
lenförmig) . Gewöhnliche mit Maasswerk verzierte gothische Sandstein-
Fig. 89. Taufttein im Dom xu Halberstadt (nach Lueanus).
taufen sind häufig : in der Nicolaikirche zu Jüterbog und in den Kirchen
der nahen Dörfer Pechüle und Bocho , in der Kirche zu Dobristroh bei
Altdöbern, auf dem Pfarrhofe zu Wedlitz bei Nienburg a. d. S. , in der
Stadtkirche zu Freiburg a. d. U. (sechseckig), in der Severikirche zu Er-
furt ') (mit hohem Tabernakeldeckel) , in Langen weddingen bei Magde-
burg 1510, in der Archidiaconatskirche zu Mandelsloh 1512, in der
Schlosskirche zu Dessau , Johanneskirche zu Chemnitz , Annakirche zu
Annaberg : die fünf letzteren im spätestgothischen Geschmack.
In den Brandenburgischen Marken finden sich romanische
Taufsteine in den Kirchen zu Redekin bei Jericho w und zu Schönhausen
bei Tangermünde ; ein achteckiger gothischer in der Wallfahrtskirche zu
Wilsnack und im Dom zu Brandenburg. *) — InMeklenburg*) kom-
men unter der mundartlichen Benennung Fun t, Fönte, Fünte (von
foni) viele alte Taufsteine Vor, grösstentheils aus Granit und zuweilen mit
Reliefs versehen : in Altgaarz , Altkaien , Belitz , Bemitz, Hohen vicheln,
Pokrent, Steffenshagen (mit Reliefs), Teterow, Vietlübbe. Der Fünt zu
Fixen ist halbkugelig und am viereckigen Fusse mit Widder- und Men-
schenköpfen verziert, der zu Suiten mit Gesichtern am Sockel ; der Tauf-
stein zu Zarrentin hat die Form eines Doppelbechers und der zuDobbersen
eines achteckigen Pocals. Zu Witzin besteht die Taufe aus einem äusser-
lich unbehauen gebliebenen Granitblock. Anderweitig kommt bei sonst
wesentlich gleicher Behandlung als Material auch Kalkstein vor : in der
1) Abbild, im Anzeiger des german. MuBeums 1861 Sp. 317.
2) Abbild, bei Lueanus, der Dom zu Kalberst. Taf. V.
3) Abbild, bei Put tr ich a. a. O. Serie Erfurt Bl. 9.
4) Abbild, bei Adler, F., Mittelalterl. Backsteinbauwerke etc. Heft 11.
Taf. XX. 12.
5) Vgl. Jabrbacher (u. Jahresberichte) des Vereins für Meklenb. Gesch. imd
Alterthumskunde, von 6. C. F. Lisch, in den verschiedenen Jahrgängen.
TaufBteine. 219
Nicolaikirohe zu Röbel, in Lübchm , Thelkow , Proseken , Bachen (Pocal
in Vierpassform) . Der Taufstein zu Tamow ist oben aus Kalkstein , mit
rundem Fuss aus Granit. — Auch in Holstein imd Schleswig kom-
men Granittaufsteine vor : zu Vonsbftk bei Hadersleben und zu Hammelev
bei Hadersleben. — Zu Hamberge bei Lübeck ein romanischer , und zu
Schlutup b^i Lübeck ein pocalfSrmiger Taufstein aus Kalkstein. — Der
romanische Taufstein zu Heiligenfelde *) bei Bremen ist napffOrmig rund.
Bei den Tauf steinen inPommern^) herrscht als Material der Kalk-
stein vor. Ziemlich roh gebildet, in Form eines colossalen Bechers,
schmucklos oder mit einfachen Zierden versehen , tragen diese Taufbrun-
nen kaum charakteristische Kennzeichen zur näheren Bestimmung ihrer
Entstehungszeit an sich ; doch scheinen die einfachen Formen vieler auf
das XIII. Jahrb. zu deuten : in den Jacobikirchen zu Greifswald und
Stralsund, in den Kirchen zu Gollnow, Greiffenberg, Stolp, Freien walde,
Kloster Colbatz. Der Tauf stein zu Garz auf Rügen (vor der Kirchthür
liegend) war an der unteren Wölbung der Schale mit massenhaftem Flecht-
werk verziert ; der zu Altenkirchen ist mit vier menschlichen Köpfen ge- (
schmückt. Späterer Zeit entstammen den gothischen Ornamenten zufolge
die Taufsteine in der Nicolaikirche zu Stralsund , in der Johanneskirche ^
zu Stargard und im Dom zu Cammin. Der Taufstein in der Petrikirche
zu Treptow a. d. T. ist aus Granit imd mit rohen figürlichen und anderen
Ornamenten versehen. Auch die achteckigen Tauf steine im Dom zu
Marien werder Tind in der Kirche zu Graudenz sind aus Granit und mit
Reliefs geschmückt. Sonst ist über mittelalterliche Tauf steine inPreussen
wenig bekannt : die Johanneskirche zu Marienburg hat einen reich spät-
gothischen Taufstein.
Eine eigenthümliche Gattimg bilden die aus Metall (selten aus Kupfer
oder Zinn , gewöhnlich aus den Legirungen dieser Metalle , Bronze oder
Messing) gegossenen Taufgefässe, die insgemein als Taufkessel oder
Taufbecken bezeichnet zu werden pflegen. In ganz Deutschland spo-
radisch vorkommend , waren sie während der gothischen Periode nament-
lich in dem nördlichen Flachlande beliebt, wo es an einem zu feinerer
Ausarbeitung tauglichen Steinmaterial fehlte, und wurden hier von Grapen-
und Topfgiessern in der Form grosser , tiefer , von vier oder drei hohen
Füssen getragener Kessel (die in kleinerer Form im häuslichen Gebrauche
in den betreffenden Gegenden noch allgemein unter dem Namen Grapen
gebräuchlich sind) meist in handwerksmässiger Weise verfertigt. Die
Träger dieser Taufgrapen bestehen gewöhnlich aus hockenden oder
liegenden Löwen, oder aus stehenden oder knieenden, nur halb bekleide-
ten männlichen Figuren ') , welche für heidnische Slaven zu erklären man
sich versucht fahlen möchtq., wenn man nicht vorzieht , darin eine Remi-
1) Abbild, bei Moller a. a. O. L Taf. 13.
2) Vgl. Kugler, Kl. Schriften 1, 783 f.
3) Die unter dem Namen des Pflstrich von Sondershausen bekannte, früher
fQr ein Götzenbild gehaltene eherne Figur (von welcher sich ein Gypsabguss im
Museum des Thüring.- Sachs. Vereins zu Halle befindet) war sehr wahrscheinlich ur-
sprünglich ein Träger an einem mittelalterlichen Taufkessel. Vgl. Rabe, M. F., der
Pastrich zu Sondershausen. 1852.
220 TaufkesMl.
niscena an die personificirten Panuiieaesflüsse za erkennen; ander-
weitig kommen statt derselben auch Thierbeine Tor. Die Ausstattung des
Kessels selbst mit figürlichen Reliefs schliesst sich der bei den Steintaufen
heigebraditen Weise an. Wenngleich die Taufkessel, besonders aus
gothischer Zeit selten von künstlerischem Werthe sind , so gewähren sie
doch ein besonderes arch&ologisches Interesse dadurch, dass Donator,
Verfertiger und Datum schon seit dem Xu. und XIII. Jahrhundert fast
regelmässig inschriftlich genannt sind. Das älteste Oeföss der ganzen
Oattuhg ist das aus Kloster Orval stammende (wie das eherne Meer
Salomo's 1 KOn. 7, 25), von zwölf Rindern getragene, mit biblischen
Taufiscenen geschmückte runde Becken in der BartholomSikirche zu Lüt-
tich *), nach späterer chronistischer Angabe gegossen 1 1 12 von Lambert
Patras aus Dinant. Diesem schliessen sich an , die kupfernen Taufkessel
vom J. 1149 aus Thienen im Museum zu Brüssel (mit rohen Reliefs]
und im Dom ^u Osnabrück (in Form eines auf drei Füssen ruhenden,
sich nach unten verjüngenden, mit Flachreliefe unter Arkaden geschmück-
ten Cylinders), verfertigt von Oerardus, vielleicht noch im XII. Jahrhun-
dert. Sodann folgt der durch die sinnige Auswahl der bildlichen Darstel-
lungen, durch sehr gelungene Modellirung und sichere Ausführung im
Ouss künstlerisch bedeutende Taufkessel im Dom zu Hildesheim ^):
ein von vier knieenden Flussg5ttern getragenes, nach unten stark ver-
jüngtes cylindrisches Gefäss mit seinem kegelförmigen Deckel gegen 6 F.
hoch und ganz mit biblischen und allegorischen Reliefs bedeckt. Während
dieser etwa der Mitte des XIII. Jahrh. angehörige Taufkessel theilweise
schon gothisirende Motive zeigt , befolgt das auf vier liegenden Löwen
ruhende runde Taufbecken von 132i im Dome zu Salzburg') noch
vOUigden romanischen Typus in den sechzehn Bischofsfiguren unter Rund-
arkaden, mit denen es geschmückt ist. Ausser vorstehend genannten sind
noch anzuführen ein Taufkessel in der Stiftskirche zu Berchtesga-
den*), welcher der frühromanischen Periode zugeschrieben wird : er hat
die Form eines grossen Trinkglases und zeigt oben herum unter Rund-
bogenstellungen die Brustbilder Christi , der Apostel und Johannes des
Täufers , imten ausser den Paradiesesflüssen einige andere noch nicht er-
klärte Gestalten; femer der spätromanische Taufkessel ikn Dome zu
Bremen^), in der Form eines nach unten etwas verjüngten cylindrischen
Beckens, welches in zwei Arkadenreihen über einander mit vielen Figuren
decorirt ist und von vier auf Löwen sitzenden Männern getragen wird ;
t) Abbild, bei Didron, Annales archeol. 5, 21 u. 8, 330.
2} Vgl. Organ für chrUÜ. Kunst 1S62 S. 280-— 284, nebst Abbild, auf der artist«
Beilage zuNo. 23. — Kratz, der Dom zu Hildesh. 5, 195 u. Abbild. Taf. 12 Fig. 2. —
Schnaase, Kunstgesch. 5, 797.
3} Abbild, in Mittelalter!. Kunstdenkm. des Österreich. Kaiserstaates , heraus-
gegeb. von Heider etc. Taf. XXVII zu Bd. 1, 166— -170.
4) Vgl. Sighart, die mittelalterl. Kunst in der £rzdi5ce«e München« Freising
S. 21 1 ; neuerlich bezeichnet jedoch derselbe Verf. (Gesch. d. bild. Künste in Bayern
1, 121) diese Taufe als WeihwasaeigefilsB.
5) Vgl. Müller, H. A., der Dom zu Bremen S. 31. Nach der motivirten An-
sicht des Verf. soll der Fuss bedeutend alter sein als der Kessel.
Taufkessel.
221
endlich als eines der edelsten Denkmäler der ganzen Gattung das der
Uebergangspenode angehörige pocalförmige Taufbecken in der Qodehardi-
kirche zu Brandenburg^), dessen Fuss aus einer sdilanken Glocke
besteht, als Träger des eine gestürzte niedrige Glocke bildenden Beckens,
das mit einem schienen Blätterbande geschmückt und an dem mit Thier-
kOpfen besetzten Rande von den auf Blumenkelchen stehenden vier Evan-
gelisten gestützt ist. — Die übrigen bekannten Taufkessel aeigen deutlich
gothische Formen; wir nennen aus dem XIII. Jahrhundert: die
Taufen im Dome zu Würzburg ^) , 1279 von Meister Eckart von Worms
(mit reichem gothisch constructivem Apparat und acht das Leben Christi
darstellenden Relieüsj , und in der Kirche des holstein. Dorfes Büsum ^)
Fig. 90. Tauflieaacl xu Bttsum (nach v. Zahn).
an der Nordsee (ohne architektonische Formen, getragen von vier rohen
Figuren , mit gutem Relief des thronenden Christus) , den Buchstaben-
formen der Inschrift zufolge noch aus diesem Jahrb. , welchem auch der
Taufkessel in der Petri- Paulikirche zu Liegnitz zugeschrieben wird. —
1) Abbild, bei Adler a. a. O. Fig. ]0. — Die Innchrift um den unteren Saum
des Beckens bezieht sich -^ohl auf die Donatrix und scheint »Obiü Elisabeth XI, Kai.
Septemhr.* gedeutet -werden zu können.
2) Abbild, bei Becker und r. Hefner, Kunstwerke etc. Bd. I. Taf. 19; vgl.
Niedermayer, Kunstgescb. der Stadt Wirzburg S. 145 ff.
3) Abbild, bei Z a hn, A. v., in der Zeitschr. für christl. Archäol. u. Kunst 2, 230.
222 Taufkessel.
Aus dem XIV . Jahrhundert, meist nur handwerksmässige Arbeiten
der Grapengiesser : im Dome zu Mainz *) 1328 , gegossen von Johannes ;
in der Marienkirche zu Lübeck 1337, von Hans Apengheter; in der
Nicolaikirche zu Kiel*) 1340, von demselben; in der Kirche zu Witten-
burg 1 342, von Meister Wilkinus ; in den Marienkirchen zu Colberg 1355
und zu Parchim (von Meister Hermann) 1365; in der Ulrichskirche zu
Sangerhausen 1369, von i>erbeit der Aeyse endner vn. hevne bechern ; in der
Marienkirche zu Frankfurt a. O. 1376 von Meister Arnold (ein ursprün-
lich auf den Evangelistenzeichen ruhendes Zwölfeck von sechs langen und
sechs kurzen Seiten mit pyramidalem, 12 F. hohem Deckel und vielen
biblischen Reliefs); in der Nicolaikirche zu Elbin^ 1387, von Meister
Bernhuser (achteckig , auf acht liegenden Löwen ruhend , reich architek-
Fiff. 91. Taufkefsel lu Angermande (nach LOsener).
tonisch gebildet, mit Prophetenfiguren rings um den Fuss und biblischen
Reliefs am Becken) ; in der Blasiuskirche zu Münden ') 1392, von Meister
Nicolaus von Stettin (Träger des mit vielen Heiligenfiguren unter Wim-
bergen geschmückten Beckens sind vier auf fliegenden Drachen sitzende
Männer über vier liegenden Löwen) . Nicht datirt, aber "dem Stile und den
Buchstaben der Inschriften nach aus dem XIV. Jahrh. sind ein Taufkessel
aus der Liebfrauenkirche zu Halberstadt im Dome daselbst (cylindrisch,
nach unten verjüngt mit Reliefs aus dem Jugendalter Christi) , der glocken-
1) Abbild, bei Moller a. a. O. Taf. 13.
2) Abbild, bei Statz und üngewitter, Goth. Musterbuch Taf. 195 u. 199
Flg. 1—5; vgl. Nitzsch, C. W., das Taufbecken in der Kieler Nicolaik. 1857.
3) Abbild, bei Statz und Üngewitter a. a. O. Taf. 196 u. 199 Fig. 6 — ^9.
Tatifkessel.
223
förmige , von drei Männern getragene mit rohen Figuren verzierte Tauf-
grapen in der Marienkirche zu Ahgermünde *) (mit nicht sicher erklärten
Inschriften) ; die Taufbecken in der Magdalenenkirche zu Neustadt-Ebers-
walde *) (pocalförmig) , in der Jacobi - und in der Marienkirche zu Prenz-
lau •), in der Nicolai- und in der Petrikirche zu Rostock, in der Kirche
zu Siek*) in Holstein, von Meister A. Gherardus. — Aus dem XV.
Jahrhundert Arbeiten von verschiedenem, aber nicht ausgezeichnetem
Werthe: in der Katharinenkirche zu Salzwedel 1421 von Ludolf (nicht
Ludwig) , Grapengiesser, wohnhaft zu Braunschweig, der sich auch mit
seinem Sohne Heinrich an den beiden (einander gleichen) Taufkesseln
von 1430 in der Marien- und in der Ulrichskirche zu Halle als Verfertiger
nennt; femer die Taufen in Gettorf *) bei Kiel von y>WTf de Aleveldt van
Aneveld<t 1424, in der Petrikirche zu Nordhausen 1429, Marienkirche zu
Fig. 92. Tau(8t&nder von 1457 tu Wittenberg (nach Schadow).
Berlin 1434, Katharinenkirche zu Brandenburg •). 1440 (mit reichem
Tabernakeldeckel) von Titrich Molner aus Erfurt, in der Martinikirche zu
Braunschweig 1441, Wenzelskirche zu Naumburg a. d. S. 1441, Nicolai-
kirche zu Osterburg i. d. Altmark 1446 von Meister Volker von Mundt,
1) Vgl. Lösen er, Beschreib. . , . . eines Taufsteins in der Marienk. zuNeu-
Angermünde in den Mark. Forschungen I., nebst Abbild
2) Vgl. Bellermann, J.J., Neust.-Eberswalde 1829 S. 140; Minutoli, A. v.
Benkm. mittelalterl. Kunst in den Brandenb. Märken S. 29.
3) Vgl. V. Minutoli ebd.
4) Abbild, bei Milde, C. J., die Kirchen der Herzogth. Holstein u. Lauenburg,
in den Jahrb. fOr die Landeskunde von Schleswig etc. Bd. I. Hft. 3.
5} Vgl. Lotz, Kunst-Topographie 1, 239.
6) AbbUd. bei Adler a. a. O. S. 20.
224 -r Taufechflsseln.
in der Kirche zu Segeberg in Holstein 1447 von Ghert Klinghe, in der
Aegidienkirche zu Hannover^) 1450, im Dome zu Lübeck^) 1455 von
Laurens Groven, in der Stadtkirche zu Wittenberg ') 1457 von Hermann
Vischer zu Nürnberg, in der Marienkirche zu Stendal 1464, Jacobikirche
zu Lübeck 1466, Ileinoldikixohe zu Dortmund 1469 von Johann Winnen-
brock daselbst, Stiftskirche zu Bützow 1474 (ohne Fuss und Deckel),
Katharinenkirche zu Lenzen 1483 von Heinrich Graweve von Braun-
sohwe^, Johanneskirche zu Werben *) 1489 von Hermann Bonstede, in
der Nicolaikirche zu Spandau 1498. Ausserdem undatirtdie Tatifkessel
in der Elisabethkirche zu Breslau, in der Heil. Kreuzkirche zu Han-
nover ^) , in der Marktkirche daselbst und im Dom zu Münster. — In
Böhmen kommen mehrfach zinnerne Taufkessel vor , unter welchen der
von 1414 in der Teynkirchezu Prag für den ältesten gilt, indem die an-
gebliche Datirung der Taufe in der Dechanteikirche zu Benatek von 1289
sehr zweifelhaft ist. Den auf hohen Thierfüssen stehenden Taufgrapen in
der Dechanteikirche zu Tabor *) von 14.. goss »rn^r. smon^ (Meister
Simon). — Aus der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts befin-
den sich Taufkessel in der Lambertikirche zu Koesfeld 1504 von Reinolt
Widenbrock und Klaes Potgeiter in Dortmund, in der Lambertikirche zu
Hildesheim 1504, in der Kirche zu Kröpelin 1508 von Andreas Riwen,
in der Stephanskirche zu Tangermünde 1508 von Heinrich Mente zu
Braunschweig , welcher auch 1510 die Taufe in der Kirche zu Nordheim
gegossen hat; ferner in der Nicolaikirche zu Mölln ^) 1509 (mit kegel-
förmigem Deckel) , in der Kirche zu Flintbeck ®) bei Kiel 1515 von
Meister Reumer, in der Marienkirche zu Salzwedel 1520 von Hans von
Köln zu Nürnberg, Petrikirche zu Braunschweig 1530, Andreaskirche zu
Hildesheim 1547. Im südlichen Deutschland die undatirten Taufen in
der Martinskirche zu Amberg im Regenkreis von Meister Paul in Amberg ;
in der Stiftskirche zu Heinsberg im Reg. -Bez. Aachen.
Anmerkung. Bei Ertheilung der Taufe mittelst blosser Benetzimg
(adspersio) des Kopfes, welcher Ritus hie und da bereits im XV. Jahrh.
vorgekommen zu sein scheint, aber erst im XVII. allgemein geworden sein
dürfte, bediente man sich der Taufschüsseln, welche auf den Tauf-
stein etc. gesetzt wurden , und deren sich in den^Kirchen weit und breit
viele vorfinden , die aus Messing getrieben sind , vermuthlich von Becken-
gchlftgern in Nürnberg, Augsburg, Braunschweig etc. fabrikmässig gefertigt
und durch den Handel bis in ausserdeutsche Länder verbreitet wurden. Sie
kommen in runder und ovaler Form in verschiedenen Grössen vor; die
kleinsten oft nur mit einer Granatäpfelverzierung in der Mitte, die grosseren
1) Abbild, bei Mithoff, Archiv für Niedersachsens Kunstgesch. Abth. I.
Taf. 9. 10.
2) Abbild, bei Stata u. Ungewi tter a. a. O. Taf. 197 u. 199 Fig. 10. 11.
3) Abbild, bei Schadow, Wittenbergs Denkmäler Taf. A.
4} Vgl. Sotzmann, in den M&rk. Forschungen 2, 30; nebst Abbild, derlnachr.
5] Abbild, bei Mithoff a. a. O. Taf. S. 10.
6] Abbild, in Mittheil, der k. k. Central - Conunlssion etc. 1856. 1, 210.
7) Abbild, in Jahrb. für die Landeskunde von Schleswig etc. I. Fig. 1 a u. b.
8) Vgl. Lotz a. a. O. S. 208.
Orgeln. 225
mit einem Relief aus der biblischen Geschichte oder Legende : der SOnden-
fall^ ein im Wasser stehender Hirsch (nach Ps. 42, 1), die Verkündigung,
der Kampf des heil. Georg mit dem Drachen etc. ; alle aber mit Inschriften
auf dem Rande, deren Deutung viel zu schaffen gemacht hat. *) — Bei dem
Uebergiessungsritus bediente sich der Täufer statt der Hand anscheinend
schon frühzeitig auch eines geeigneten Giessgefässes, in Uebereinstim-
mung mit den Beschlüssen der Synode zu Lüttich vom J. 1 287 c. 2 : »Sacerdos
super verticem pueri ter infundat aqiuim cum pelv i, vel aUo mundo vase et
honesto, tenens puerum nihihminus una manu dtscretea^ und der Synode zu
Cambray von 130Ü: nBapHzans infundat aquam cum bachino, vel
alio mundo vase et honesto.nL^) Im National - Museum zu München befindet
sich ein höchst eigenthümliehes Gefäss dieser Art : es ist der obere Theil
eines ursprünglichen Jagdhornes aus Elfenbein mit einem oberen und un-
teren Metallrande , deren eingegrabene Inschriften die Bestimmung für die
Taufhandlimg beweisen. ')
50. Die erste Orgel*) [organon] kam um die Mitte des VIII.
Jahrhunderts ins Frankenreich, und zwar als ein Geschenk von Byzanz
aus an Pipin, der sie in Compiegne aufstellte. *) Eine andere bauten
die Künstler Karls des Grossen , die es den Griechen abgesehen hat-
ten, für das Münster zu Aachen®), wo sie zuerst in kirchlichem Ge-
brauche erscheint und bei aller ünvoUkommenheit dennoch so grossen
Beifall fand, dass vom X. Jahrhundert ab in den bischöflichen Kathe-
dralen und in manchen Klosterkirchen in und ausser Deutschland
Orgeln gebräuchlich wurden. Im Allgemeinen war die Verbreitung
derselben zwar nur eine langsame ; dennoch befanden sich seit dem
Ende des XIII. Jahrhunderts, und nachdem die Kunst des Orgel-
baues wesentlich fortgeschritten war, in grösseren Kirchen gewöhn-
lich zwei Orgeln , eine grössere , welche auf einer Empore am west-
lichen Ende des Mittelschiffes, und eine kleinere, welche auf dem
Lettner (S. 39) ihre Stelle erhielt. — In ihrer seit dem XV. Jahr-
hundert vervollkommneten Einrichtung gilt die Orgel für eine Erfin-
dung der Deutschen.
1) Vgl. unten Abschnitt III. A. b. Inschriften auf Taufbecken.
2) Vgl. August!, Denkwürdigkeiten 7, 234 f.
. 3) Vgl. Mittlvsü. der k. k. Central- Commission etc. 1S6I. 6, 113.
4) Vgl. Chrysander, W. C. Just., Histor. Nachricht von Kirchenorgeln. Rin-
teln 1756. — Antony, F. Jos., Geschichtl. Darstellung der Entsteh, u. Vervoll-
kommn. der Orgel. Münster 1832. — Rettberg, R. v. , zur Gesch. der Musik-
instrumente, im Anzeiger des german. Museums 1 860 in Xo. 5 — 9 (Notizen über die
Orgel: Sp. 160. 205. 240. 242. 2S2 u. 319). — Organ für christl. Kunst 1861 No. 20
S. 229 f. — Vgl. auch Coussemaker, E. de, Histoire des Instruments de musique
au moyen-äge. Paris 1 S59, besonders abgedruckt aus den Annales arch^ol. Vol. III sqq.
5) EinhardiAnnal. ad a. 757. 1, 10 bei Pertz, M. G. , 1, 141 ; vgl. Rett-
berg, F., Kirchengeschichte Deutschlands 2, 778.
6) ErmoldNigell. III. 639 bei Pertz 2, 513; vgl. Rettberg a. a. O.
0 1 1 e , Kunst- Arch&olo|rl«- 1 ^
226
Orgeln.
In Byzanz bediente man sich der Orgel bei öffentlichen Lustbar-
keiten : die erste Einführung derselben in die Kirche geschah zu Aachen,
und der Mönch von St. Gallen (2, 7. p. 751) beschreibt ihren Bau aus
Bälgen von Rindsleder und ehernen Pfeifen und vergleicht ihren Ton an
Stärke dem Donner, an Lieblichkeit der Lyra oder Cymbel ; dennoch war
ihre Einrichtung noch 200 Jahr später eine unglaublich mangelhafte, und
die Wirkung kann keine besonders angenehme oder würdige gewesen
sein, so sehr dieselbe auch das Erstaunen der Zeitgenossen erregte. Unter
den Miniaturen eines Psalteriums aus der Zeit der sächsischen Kaiser in
der Königl. öffentl. Bibliothek zu Stuttgart (Ms. bibl. in 4. n. 23) be-
findet sich zu Ps. 150 die Abbildung einer Orgel *) : es ist ein einfaches
Holzgestell , auf dem die Windlade steht , und über dieser eine von zwei
Querhölzern gehaltene Reihe dicht gestellter und gleich grosser Pfeifen,
deren Labien angegeben sind ; vor der Windlade befindet sich anscheinend
die Claviatur, die aus neun in zwei Abtheilungen (links drei, rechts sechs)
getheilten Tasten besteht. Der Blasebalg, aus welchem drei Windleitun-
gen in die Orgel gehen , ist ein seitwärts auf dem Fussboden liegender
Schlauch, den drei Männer niedertreten, deren einer ihn mit einer Hand-
habe wieder aufzieht. — Auf einer Miniatur in dem Psalter Edwins in
Fig. 93. Orgel aas dem Psalter Edwin^s zu Cambridge, 12tes Jahrhundort (nach Coustemaker).
der Bibliothek zu Cambridge aus dem Xu. Jahrh. erschaut die Orgel*)
als eine Art Tisch , aus dem in zwei Registern zehn Pfeifen (sechs ein-
fache und vier doppelte) von symmetrisch wachsender Länge hervorragen.
Zwei Mönche als Organisten , jeder ein Register dirigirend , stehen hinter
1) Abbild, bei Hefner-Alteneck, J. v., Trachten des christl. M. A. Abth. L
Tof. 53.
2) Abbild, bei Coussemaker, in den Annales archöol. 4, 31.
Orgeln. 227
dem Tische und ertheilen ihre Weisungen an die zu beiden Seiten paar-
weise aufgestellten vier Calcanten , welche angestrengt beschäftigt sind,
die vor dem Tische in einem besonderen Kasten befindlichen Blasebälge
mit langen Stangen aufzuziehen und niederzudrücken. Vor dem Gehäuse
der Bälge sieht man drei starke , wohl verwahrte Cylinder : offenbar Be-
hälter zur Ansammlung des Windes behufs gleichmässiger Vertheilung
desselben in den Pfeifen. — Bei weitem unvollkommener in der Wind-
zuführung als dieses englische Orgelwerk erscheint die in der (aus Kloster
Scheyem stammenden) Mater verborum aus der ersten Hälfte des XIIL
Jahrh. auf der HofbibHothek zu München (cod. Schir. 3, pict. 7 c) abge-
bildete Orgel: ein hoch- viereckiger Kasten, aus welchem vom lange Züge
hervor-, oben mehrere Pfeifen emporstehen, und wobei hinten ein Ge-
hilfe an ein kleines Loch des Kastens einen genau mit der Spitze hinein-
passenden Blasbalg einsetzt. ^) — Gegen Ende des XIII. Jahrh. führt
der jüngere Titurel in der Beschreibung des prachtvollen Oralstempels
bereits zwei Orgeln an, eine kleinere im Chore *;, eine grössere ') hoch
über dem Westportale : erstere zum Intoniren des Priestergesanges, letz-
tere zur Verherrlichung feierlicher Hochämter. Der Dichter vergleicht
die Orgel einem Baume aus rothem Golde mit vielen belaubten Zweigen,
die Pfeifen mit Vögeln , die in den Zweigen sassen und durch den von
Bälgen künstlich hineingeleiteten Wind mit süsser Stimme sangen, hoch
und niedrig, wie es der Meister nach Anleitung der verschiedenen Schlüssel
bestimmte. Zu den Seiten der Orgel standen vier auf goldenen Hörnern
blasende, an das jüngste Gericht mahnende Engel. Die Bälge waren
draussen angebracht und wurden von Windmühlen getrieben. *)
Die ältesten Orgelmacher waren Geistliche : im J. 826 meldete sich
bei Ludwig dem Frommen ein Priester aus Venedig, Namens Georg,
welcher verspricht eine Orgel nach griechischer Art zu bauen und freund-
lichst empfangen wird, da er etwas biete, was zuvor im fränkischen
Reiche nicht im Gebrauch gewesen wäre. *) Dagegen erbat sich etwa
fünfzig Jahr später Papst Johann VIII. bereits einen deutschen Orgel-
bauer aus Freising. •) — Nach der unverbürgten Angabe eines Schrift-
stellers aus dem XVII. Jahrh. ^) sollen sich bereits im XI. Jahrh. in Er-
furt , Magdeburg und Halberstadt Orgeln befunden haben , von denen er
noch Ueberreste mit Inschriften gesehen haben will. Sicher ist, dass noch
um das Jahr 1700 eine sehr alte Orgel im Halberstädter Dome vorhanden
war : bei einer Breite von etwa drei Fuss hatte sie nur wenige sehr grosse
bleierne Pfeifen und neun Tasten von Handbreite, die man nur mit der
Faust oder dem Einbogen niederdrücken konnte. Sie hatte viele kleine
1) Vgl. Rettberg, R. v., a. a. O. Sp. 205.
2) Str. S I . S2, in den Abhandl. der philosoph.-philolog. Klasse der Bayerischen
Akad. der Wissensch. Bd. 1. 1835 S. 372.
3). Str. 96—102, ebd. S. 380.
4) Str. 102: »WindrniU von aussen ferne mit bälgen da den bradern gebten,*
5) Anon. vita Hludow. imp. 40 u. Einhardi Annal. ad a. 826 bei Pertz
I, 215; Rettberg, R. v., a. a. O. Sp. 161.
6) Kreuser, Kirchenbau f, 152.
7) Praetorius (f 1621), Synteigma music. 2, 3.
15*
228 Orgeln.
Blasbälge, und es waren an derselben drei singende Mönche abgemalt. ^) —
Im Münster zu Freising ging die alte Orgel 1 1 59 durch Feuer zu Grunde.
— Gleiches Schicksal hatte im J. 1200 die Orgel in der Klosterkirche
auf dem Petersberge bei Halle a. d. S. : bis 1207 vollendete der Keller-
meister Tidericus eine neue. — Während in Cöln schon 1250 der Laie
Johannes als y^factor organorum a vorkommt ^) , wird der Dominicaner
Ulrich Engelbrecht, ein Schüler des Albertus Magnus, um 1260 als Ver-
fertiger der ersten Orgel für das Strassburger Münster genannt ; wie denn
bis zum Ausgange des M. A. sich einzelne Mönche mit dem Orgelbau
beschäftigten. — In Nördlingen soll es schon im XIII. Jahrh. einen be-
soldeten Organisten gegeben haben. — Im J. 1312 erbaut ein Deutscher
eine Orgel in Venedig, und bei der Oberkirche zu Frankfurt a. O. hat
sich vom J. 1330 eine Instruction für den Organisten erhalten: rtwy eyn
orgenhte st/n ding halden sal.a Darin heisst es, wer der Orgel vorsteht,
der soll zu den Zeiten , wo man auf den Orgeln singen soll , in den Chor
zu dem Schulmeister gehen und ihn um einen Treter bitten, zugleich sich
mit ihm besprechen , was man singen solle , damit Chor und Orgel über-
einstimmen, und nicht eine Confusion entstehe. ') — Im J. 1388 wird die
Orgel in der Martinikirche zu Braunschweig erwähnt. — Um 1400 lebt
der Orgelmeister Jörg zu Wien , welcher die grosse Orgel zu St. Stephan
daselbst und auch viele andere in dem ganzen Lande zu Gestenreich
machte und verbesserte. *) — Im Laufe des XV. Jahrh. vervollkommnete
sich der Orgelbau wesentlich. Auf dem Genter Altare der Gebrüder van
Eyck von 1432 im Museum zu Berlin ist die heil. Caecilie vor einem
grossen tragbaren Positive dargestellt, dei^sen im Prospect stehende Metall-
pfeifen völlig den noch jetzt üblichen gleichen ; auch hat dieses Werk be-
reits eine chromatisch geordnete Claviatur und anscheinend zwei Register-
züge ; die Art und Weise, wie die Heilige die Tasten niederdrückt , setzt
eine schwere Spielart voraus. — Ein wichtiger Fortschritt war die Er-
findung des Pedals, welche dem Heinrich Drassdorf (Traxdorf; zu Nürn-
berg 1444, oder einem Deutschen, Namens Bernhard, in Venedig um
1470, oder endlich erst dem Joachim Sti-unck, Organisten der Petrikirche
zu Braunschweig, 1589 zugeschrieben wird. — Die noch in der Renais-
sance übliche Disposition des im Prospect stehenden Pfeifen erscheint
schon mindestens seit der Mitte des XV. Jahrh. gewöhnlich: der Orgel-
macher Meister Stephan Kaschendorf baut 1460 die Orgel in der ElLsabeth-
kirche zu Breslau, »mit zweien Ausladungen und Türmena. *) Namen von
Orgelbauern sind besonders seit der zweiten Hälfte des XV. Jahrh. viel-
fach auf uns gekommen ; dem geistlichen Stande gehörten an : der Priester
Michael Gerlach von Lipss (Leipzig?) , welcher mit Hilfe von Peter
1) Zeiler, Topogr. Sax. inf. 8. 119.
2) Fahne, Ant. , Diplomat. Beiträge zur Gesch. der Baumeister des Cölner
Domes S. 3S.
3) Spieker, Ch. W. , Beschreib, u. Gesch. der Marien- oder Oberkirche zu
Frankfurt a. O. S. 30. — Abbild, von Orgeln aus dem XIV. Jahrh. in Wagner,
Trachtenbuch des M. A. Hft. 5 Bl. 7 Fig. 10 u. 12.
4) Vgl. Schneegans, L., im Anzeiger des german. Museums 1857 Sp. 177 ff.
5] Schm eidler, die evangel. Haupt- u. Pfaxrk. zu St. Elisabet S. 91.
Orgeln.
229
Oeneris (oder Gereis) von St. Polten in Oesterreich 1433 die Orgel im
Münster zu Strassburg neu erbaute ') ; der Mönch Johannes erhielt 1507
für die kleine neue Orgel in der Oberkirche zu Frankfurt a. O. 26 Fl.
und im folgenden Jahre wiederum eine Zahlung für das Stimmen dieses
Positivs ^j ; Jakob Kunigsschwerd , Frater des Klosters Zwetl , erneuerte
1544 die- Orgel bei der untern Sacristei in St. Stephan zu Wien, und war
Fi;. 94. 0rg9\ im Uebergmngtttil, nach einem Entwürfe von ▼. Quatt für den
Lettner des Doms in Naumburg.
ein so berühmter Künstler , dass ihn König Ferdinand nach Prag berief,
um dort eine neue Orgel zu verfertigen. ') — Um 1500 galten die Orgeln
1} Schneegans a. a. O. Sp. 17S. 2) Spieker a. a. O. S. 31.
3) Tschischka, Fz., die MetropoUtank. zu St. Stephan in Wien. 2. Ausg. S.IOS.
230 Tonschrift.
in der Barfüsserkirche zu Nürnberg (von Konrad Rotenburg um 1495)
und in der Capitelskirche zu Bamberg als die besten , und die Orgel im
Dome zu Braunschweig (von Heinrich Kran2 1499) für die grOsste in
Deutschland.
Erhalten haben sich nur wenige mittelalterliche Orgeln, und diese
gehören dem Ende des XV. und dem XVI. Jahrh. an: in der Karmeliter-
kirche zu Kiederich (die mittlere Ausladung) ^) , in der Marienkirche zu
Dortmund *) , im Münster zu Strassburg (von Friedrich Krebser von
Anspach; gest. 1493) ') , in der Stiftskirche zu Bützow, in der Jacobi-
kirche zu Lübeck die grosse Orgel (von Peter Lasur 1504), in der Marien-
kirche daselbst die grosse Orgel (von Meister Bartold Hering 1516 — 18) *)
und die aus der dortigen Katharinenkirche stammende kleine über der
Todtentanzkapelle. Das grosse, aus mehr als 200 Pfeifen bestehende
Orgelwalzwerk auf der Festung Hohen - Salzburg (unter dem Namen
»üTom« oder nSiiera als Stadtwahrzeichen geltend) aus der Zeit von 1495
— 1519 ist im J. 1858 nach langem Verfall wieder hergestellt worden. *) —
Die genannten Orgeln in Dortmund und Strassburg haben ihre Stelle an
der (nördlichen) Langseite des Schiffes : eine öfter, besonders in Preussen
vorkommende Abweichung von der normalen Aufstellung am Westende. —
Die künstlerische Ausgestaltung und Verzierung der Orgelgehäuse folgt
dem in der Architektur der Zeit herrschenden Geschmack: das van
Eyck'sche Positiv ist am unteren Theile des Kastens mit reichem Maass-
werk schön geschmückt ; die Orgel in Kiederich zeigt an ihren Thürmen
den Zinnenkranz ; die in Dortmund hat vegetabilischen Charakter ; die in
Strassburg lässt die Horizontallinie überwiegen ; die grosse Orgel in Lübeck
(über 72 F. rhl. hoch und halb so breit) ist ein mächtiger, pflanzenhaft
behandelter Tabemakelbau mit einer Figur der Himmelskönigin im
Wipfel. — Die Orgelthüren wurden zuweilen mit werthvollen Malereien
geschmückt : dergleichen mit neutestamentlichen Vorgängen bemalte Ta-
feln von^ Anfange des XVI. Jahrh. haben sich aus der Stiftskirche zu
Wettenhausen in der Pinakothek zu München erhalten.
Anmerkung. Die Tonschrift bestand bis ins X. Jahrh. aus Neu-
men (mancherlei Punkten, Häkchen, Strichen und Schnörkeln) , die nur zur
Nachhilfe des Gedächtnisses dienten und höchst unbestimmt und vieldeutig
waren. •) Hu c bald zu St. Amand in Flandern (f 930) soU sich zuerst
der Linien bedient haben, und der Benedictiner Guido von Arezzo in
Toscana (1000 — 1050) erleichterte die bisherige Notation mehrfach, nament-
lich auch durch Einfahrung einer zweiten gelben Schlüssellinie zu der schon
vor ihm gebrauchten rothen : letztere den Grundton , erstere die Quinte be-
1) Abbild, von y. Quast in der Zeitschr. für Bauwesen 1853 Bl. 9 Fig. 2.
2) Abbild, ebd. Fig. 3.
3) Abbild, bei Gailhabaud, Denkm. Lief. CXXXI. — Schmidt, Ch. W.,
der Aufriss zu der Orgel des Münsters zu Strassburg.
4) Abbild, bei Förster, E., Denkm. Baukunst Bd. VL Taf. zu S. 31.
5) Vgl. Jahrbuch der k. k. Central - Commission etc. 3, XVII; Anzeiger des
german. Museums 1S5S Sp. 2S8.
6) Hucbald Elnon. (bei Gerbert, SS. 1, 117) : »Incerio enim semper videniem
ducunt vestigxo,«
Grabdenkmäler. 231
zeichnend. Die vennuthlich von einem Laien ausgegangene eigentliche
Notenschrift (Zirkel, Vierecke und Punkte auf einem Liniensysteme) blieb
zuerst von der Kirche ganz unbeachtet , indem für den kirchlichen Gesang
im XII. Jahrhundert noch lange die Neumen beibehalten wurden. — Auf
Pergament geschriebene Chorbücher, namentlich des späteren M. A.^
kommen noch häufig vor und sind oft mit Miniaturen geschmückt.
Mittelalter]. Quellenschriften über Musik findet man gesammelt bei Ger-
bert, Scriptores eccl. de musica sacra (St. Blasien 1784). — Der älteste und
wichtigste musikal. Codex ist das Antiphonarium in der Bibliothek zu St.
Gallen aus dem YIII. Jahrb. (in Facsimile herausgegeb. von dem Jesuiten L.
Lamblllotte. Paris 1851); vgl. Schubiger, Ans., die S&ngerschule von
St. Gallen vom YIII— XII. Jahrh. Einsiedeln 18.58. — Belehrend über die
Möglichkeit einer sicheren Entzifferung der Neumen u. mittelalterl. Noten ist
die von LambiUotte a. a. O. gegebene Zusammenstellung eines und des-
selben Gesanges (des Graduale der dritten Weih nachtsmesse : Yiderunt omnes
fines terrae etc.) in Tonschrift des YIII— XIV und XYII. Jahrhunderts aus
Antiphonarien der betreffenden Zeit (abgedr. auf der Musikbeilage zu No. 10
des Organs für christl. Kunst 1 855) . — Andere Proben von Musikschrift aus
verschiedenen Jahrhunderten bei G e r b e r t, de cantu et musica sacra 2, 6 1 sqq. ;
in W alt h er, J. L., Lexicon dipl. 2 zugleich mit Auflösung in moderne Noten-
schrift; auch bei Anthes, F. C. , die Tonkunst im evangel. Cultus 1846.
Beil. ] — 3. — T. O.Weigelln Leipzig besitzt eine Sammlung von Facsimiles
sp&tmittelalterlicher Musikschriftproben (von Y arges aus Nordhausen), zum
Theil mit Miniaturen. — "Ueber die alten musikal. Bezeichnungen: Revue
arch^ol. 1850. J2. livr. — üeber Gesch. der mittelalterl. Musik: Neu-
mai er, J., Gesch. der christl. Kunst, der Poesie, Tonkunst etc. 1856. Bd. 1
(Abth. 2) ; vgl. auch Jakob, die Kunst im Dienste der Kirche S. 164—223.
51. Die Sitte, Verstorbene, besonders geistlichen und adeligen
Standes , in den Kirchen und deren Nebenräumen zu begraben und
die Stätten mit Grabdenkmälern *) zu bezeichnen, geht durch das
ganze christliche Mittelalter ; der hohe Chor blieb indess in der Kegel
von Gräbern frei, und nur die Stifter der Kirchen wurden hier beige-
setzt. Während das Mittelschiff gewöhnlich der höheren Geistlichkeit
vorbehalten war, wurden die niederen Geistlichen und vornehme Laien,
diese meist wohl nur in Folge von Stiftungen oder gegen sonstige
Bezahlung, in den Seitenschiffen und Kreuzgängen begraben; die
Würdenträger der Klöster nicht selten im Capitelsaal. *) — Die Grab-
1) Sammlungen mittelalterl. Grabdenkmäler in künstlerischen Abbild. : Borst,
J. G. Leon., Grabdenkmäler. (1842.) 1846. — Schmidt, Chr. W., Grabdenkmäler
des Hauses Nassau- Saarbrücken zu St. Amual. 1846. — Eine sehr reichhaltige chro-
nolog. TJebersicht von Grabmälem im Conversat.-Lex. für bild. Kunst. VII. S. 364 —
440 und die betr. Literatur ebend. S. 440 ff.
2) Die »Comuetudines*^ der bischöflichen Kirche zu Merseburg aus der Zeit um
1323 besagen: »Nulliis nisi episcopus aut prepositns in navi JEcclanet Canonicus in
lateribua in ecolesia, et vicarius et alia memhra in ambittf, laydforie sanctum michae-
lem, nisi essent insignesi in ambitt* (d. h. in dem sog. kleinen Kreuzgange bei der
Michaeliskapelle) sepelienttir et non in ecclesia.^ Vgl. N. Mittheil, des Thüring.-Sächs.
Vereins 2, 232. — Anderivärts galten andere Gebräuche : so befinden sich z. B. die
Gräber der Bischöfe von Freising fast alle in den Seitenschiffen.
232 Begräbnisse in den Kirchen etc.
denkmäler sind der Form nach entweder liegende oder stehende;
letztere gehören , mit einigen Ausnahmen aus dem früheren Mittel-
alter, erst späteren Zeiten an.
Ursprünglich war das Begraben von Todten in den Kirchen zwar
strenge verboten , und diese sollten ausser den Heiligenleibem und den
Reliquien in den Altären keine sterblichen Ueberreste umschliessen :
indess selbst wiederholte Verbote drangen nicht durch gegen die allge-
meine Sehnsucht der Gläubigen , dem Leibe in Erwartung der künftigen
Auferstehung eine Ruhestätte innerhalb der geweihten Mauern des Gottes-
hauses zu bereiten. Auch musste man es gerechtfertigt finden, für hoch-
verdiente Kirchen- und Klostervorstände , wie auch für besonders ausge-
zeichnete Wohlthäter der Kirchen einen Grabraum in denselben zuzulassen,
wodurch allmählich das ursprüngliche Verbot in Vergessenheit gerieth,
und das Begraben der Todten in den Kirchen zur Sitte wurde. ') Am
längsten wurde noch von den Cisterziensem das Gksetz aufrecht erhalten,
dass in ihren Klöstern Frauen, sei es lebend oder todt , nicht eingelassen
werden durften, und ein Abt dieses Ordens, der das Begräbniss einer
Frau in seiner Kirche erlaubt hatte , wurde von dem General - Capitel im
J. 1 193 hart bestraft. ^) Die Bestattung von Königen, Königinnen und
Bischöfen war dagegen überall in den Kirchen gestattet, und den Stiftern
derselben gestand man seihst ein Grab in der Mitte des hohen Chores zu.
Bischöfe wurden regelmässig in ihren Kathedralen begraben ; es sei denn,
dass sie eine andere Kirche gestiftet hatten , in welcher sie denn auch ihr
Grab bestimmten. So z. B. wurde Erzbischof Bruno von Cöln im J. 965
in der von ihm erbauten Kirche St. Pantaleon begraben , Bischof Werner
von Merseburg in der Kirche des von ihm gestifteten dortigen Petri-
klosters 1093 und Erzbischof Werner von Magdeburg 1078 in der von
ihm erneuerten Marienkirche daselbst. Letztere wurde auch die Ruhestätte
seines Nachfolgers Heinrich 1107, weil dieser wahrscheinlich den Bau
weiter geführt hatte. Mit derselben Kirche, die er abermals erneuerte, ver-
band Erzbischof Norbert ein Prämonstratenserkloster, galt deshalb als neuer
Stifter der Kirche und wählte auch sein Grab in ihr. — Aehnlich verhielt
es sich auch mit den Stiftern und Wohlthätern von Messaltären , welche
häufig vor denselben begraben wurden, z. B. der Merseburger Bischof
Heinrich von Stolberg 1366 vor dem von ihm in der Kathedrale gegrün-
deten Altare des heil. Killan, sein Nachfolger Friedrich von Hoym (gest.
1382 als Erzb. von Magdeburg in Merseburg) vor dem von ihm im Dome
gegründeten Altare der heil. Barbara etc. — Im Capitelsaal am Dome
zu Magdeburg befindet sich das Grab eines Dechanten aus dem XIV.
Jahrhundert, und nach den Statuten der Cisterzienser konnten die Aebte,
wenn sie es wünschten, im Capitelsaale bestattet werden ; im Capitelsaale
des Cisterzienserklosters Maulbronn waren nicht bloss mehrere Aebte be-
graben, sondern ausser einigen auswärtigen Stiftsherren selbst zwei
I) Vgl. Mittheil, der k. k. Central- Commission etc. 1856. 1, 57.
2] Vgl. Feil, in den Mittelalter!. Kunstdenkm. des Oesterreichischen Kaiser-
staates ], 9.
Grabsteine.
233
»sorores« (1276) und eine Bürgerin von Speier (1345). *) Im Capitelsaale
des Klosters Bebenhausen liegen mehrere Glieder des Geschlechts der
Pfalzgrafen von Tübingen aus dem XIII. und XIV. Jahrh. mit Frauen
und Kindern begraben ^j , und der Capitelsaal galt hier als die ehrenvollste
Begräbnisstätte. Vgl. oben S. 80. — Nach einer Festsetzung des Kir-
chenpatrons von 1513 mussten für ein Begräbniss im Münster zu Frei-
burg i. B. 20 rhein. Gulden zum Kirchenbau numb Gottes Willens ent-
richtet werden, und zwar mit Rücksicht darauf, dass Papst Leo X. das
Begraben der Todten in imd bei den
Kirchen der Stadt wegen der häufigen
Pestläufte verboten und die Errich-
tung eines neuen Gottesackers ausser-
halb der Stadt befohlen hatte. ^)
Liegende Grabdenkmäler:
Leichensteine, als einfache Bedeckung
des Grabes. Die Form derselben war
in verschiedenen Gegenden und zu ver-
schiedenen Zeiten verschieden ; insbe-
sondere gilt dies von dem Verhältniss
der Länge zur Breite, welches z. B. im
Magdeburgischen in der zweiten Hälfte
des XIII. Jahrh. wie 5 : 2. ist, um 1400
dagegen oft wie 5:4. Ueberhaupt sind
wohl überall die älteren Grabsteine auf-
fallend schmal. *) Während sonst das
Rechteck die gewöhnliche Form ist,
kommt zu Cöln in St. Maria auf dem
Capitol (unter der Orgel) eine ganze
Reihe von Grabsteinen aus rothem
Sandstein vor (ein ähnlicher auch in
St. Pantaleon) , die zu Raupten etwa
um % breiter sind als zu den Füssen,
und das Verhältaiss der unteren Breite
zu der etwa 7 F. betragenden Länge
ist wie 1:3. Höchst eigenthümlich ist
die Verzierung derselben mit einem
flach erhobenen Stabwerk, welches sich theils kreuzförmig durchschneidet,
theils durch Rundungen eine grössere Abwechslung hervorbringt; auf
einzelnen finden sich Kreuzstäbe , auch , wie es scheint , Bischofstäbe an-
gedeutet, und einige sind im Spätmittelalter nochmals benutzt worden
und dem entsprechend mit Inschriften etc. versehen. Data über das
Rg. 95,
Grabetein in St. Maria auf dem Capitol
in Cöln (nach de Öaumont).
1) Vgl. Klunzinger, C, , Artist. Beschreib, der Abtei Maulbronn. 3. Aufl.
S. 38 0".
2) Pfalzgraf Rudolf (t 1219) war Stifter dieses Klosters ; vgl. Klunzinger,
Artist. Beschreib, der Abtei Bebenhausen S. 24.
3) (Schreiber) Denkm. deutscher Baukunst ani Oberrbein, Beil. zum 2. Text-
heft S. 22.
4) Wiggert in den N. Mittheil, des Thüring.- Sachs. Vereins VI. 2, 29.
234
Grabsteine.
eigentliche Alter dieser Steine fehlen ganz ; die Annahme ihres Ursprungs
aus fränkischer Zeit hat das Vorkommen eines den Cölnischen völlig ver-
wandten, mit drei Erummstäben bezeichneten Grabsteines im Dome zu
Bremen durchaus gegen sich, was vielmehr frühestens auf das XI. Jahrh.
Fig. 96. Leichenstein von 1 125 zu St. Moritx in Naumburg (nach Lepsius).
ZU deuten scheint. *) Auch die mit einer auf Erzbischof Adalbert *)
(f 980) bezogenen Relieffigur geschmückte Qrabplatte in Bronzeguss im
Dome zu Magdeburg ist am oberen Ende breiter als unten. — Sehr selten,
und dann jedenfalls älterer Zeit angehörig, sind wohl solche Leichen-
1) Abbild, der Cölner Grabsteine bei Kugler, Kl. Schriften 2, 252 und bei
deCaumont, Ab6c4daire 4. 6d. 1, 274. Der Bremer Stein ist abgeb. bei Müller,
H. A., der Dom zu Bremen S. 32.
2) Abbild, bei Rosen thal, der Dom zu Magdeb. Lief. V. Taf. VI. 3.
Hocbgräber. 235
steine, die den römischen entsprechend an der oberen Schmalseite giebel-
artig zusammenlaufen, wie der Grabstein des Bischofs Richwinus von
Naumburg (f 1125) zu St. Moritz daselbst. *) — Während in Bronze
gegossene Grabplatten bereits früher vorkommen (z. B. im Dome zu
Merseburg mit der Relieffigur des Öegenkaisers Rudolf von Schwaben,
gest. 1080), werden seit dem XIII. Jahrb., besonders in Norddeutsch-
land, MetaUgrabplatten (Messing, Bronze) häufig, die aus mehreren Tafeln
zusammengesetzt zu sein pflegen und mit geschnittenen oder gravirten
Darstellungen versehen sind : die älteste bis jetzt bekannte Platte (von
6ytX2Ys F«) mit gravirter Zeichnung des Verstorbenen (Bischofs Yso
von Verden^ gest. 1231) befindet sich in der von demselben gegründeten
Andreaskirche daselbst. ^) — Die ältesten Grabsteine mit dem Bilde des
Verstorbenen zeigen dieses ebenfalls nur in vertieften Umrissen , die zu-
weilen mit schwarzem oder rothem Kitt ausgefüllt sind : Reliefbilder wur-
den Anfangs vermieden , um den Fussboden nicht uneben zu machen ') ;
sie gehören erst späterer Zeit an, wenn auch einzelne bereits im Xni.
Jahrh. vorkommen, z. B. der Grabstein eines Ritters, dem Wappen nach
eines Herrn v.* Hahn, im kleinen Kreuzgang am Dome zu Merseburg. *) —
Eine eigenthümliche Gattung bilden mehrere Grabplatten aus dem XFV.
Jahrh. in der Klosterkirche zu Doberan , welche, im Anschluss an das
in Norddeutschland vorherrschende Backsteinmaterial , aus einer Mosaik
kleiner Ziegelplättchen (4 — 5 0 0 zu einem Leichensteine von c . 6 y4 X 3 V4F . )
zusammengesetzt sind , die in quadratischer Form gebildet ein Schach-
muster von abwechselnd rother iind dunkler Farbe darstellen , und theil-
weise, wie die zur Beplattung der Fussboden (s. oben S. 72) dienenden
figurirten Ziegel, mit Thierbildem oder Omamentmustem versehen sind. ^)
Tumbe n : aufgemauerte mit einer Stein- oder Metallplatte bedeckte,
auch ganz aus Metallplatten zusammengestellte , über den Fussboden er-
hobene Gräber oder Grabmäler. — Die älteren sind nur niedrig und imi-
schliessen zuweilen wirklich den Leichnam. Dahin gehört das Grab
Kaiser Otto's des Grossen in der Mitte des hohen Chores in dem von ihm
zuerst gestifteten Dom zu Magdeburg : unter einer schlichten Marmorplatte
ruhen die Gebeine über der Erde innerhalb eines aus MOrtelguss beste-
henden, an manchen Stellen nur einen Zoll dicken Kastens, in einer nicht
ganz so grossen , roh aus starken Brettern gearbeitet-en Holzkiste. *) —
Die mit der bereits erwähnten Gussplatte bedeckte ebenfalls ganz niedrige
Tumba Rudolfs von Schwaben in der Vierung des Doms von Merseburg
ist massiver Stein , an den Seiten mit schlichter Täfelung gegliedert. —
1) Abbild, bei Lepsin 8, C. P., Gesch. des Moritzkl. zu Naumburg Taf. HL 1.
suS. 122.
2) Abbild, im Correspondenzbl. des Gesammtvereins etc. 1S53. I, 19.
3) Das Generalcapitel der Cisterzienser von 1194 verordnete wegen der Grab-
steine: »Coaequentur terrae, ne sint ofendicnlo transeimtium.n Vgl. Feil a. a. O.
4) Abbild, bei Puttrich, Denkm. II. Serie Merseburg Bl. VIII. 4 u. 5.
5) Vgl. Jahrbücher des Vereins fQr meklenb. Gesch. u. Alterthumskunde 9, 428 ;
19» 3SS ; Abbild, in der Zeitschr. für christ. Archaol. u. Kunst Bd. II. Taf. 2 zu
S. 28 ff.
6) Dieses wohl aus dem XIII. Jahxh. hersührende (also nicht das ursprOngliche)
Grab musste am 22. Nov. 1S44 wegen Schadhaftigkeit geöffnet werden.
236
Hochgrftber.
Seit dem XIII. Jahrh. kommen Tumben in Form eines Altares vor, z. B.
ein Hochgrab von 124 1 in der Gruft der Stiftskirche zu Oehringen mit vier
Fi;. 97. Sarkophagnitche Ivo't (f 1142) iin Dom xu Trier (nach de Caamont).
Ecksäulen. — Zuweilen, namentlich im Rheinlande, stehen die Tumben
nicht frei, sondern sind mit einer Seite an die Wand gerückt und nischen-
förmig überbaut ; wie die niedrigen Sarkophage des Cardinais Ivo (gest.
1142)^) und eines Erzbischofs (HiDin, gest. 1169, oder Arnold, gest.
1) Abbild, beide Caumonta. a. O. S. 266.
Epitaphien. 237
1183) M ina Dome zu Trier, und die höheren, gothischen der Erz-
bischöfe Cuno von Falkenstein (gest. 1 388) *) und Werner (gest. 1418) •)
in der Castorkirche zu Coblenz : beide letztere mit den Reliefbildem der
Verstorbenen. — Auch die aus vier gegossenen Bronzeplatten zusammen-
gestellte Tumba Bischofs Thilo von Trotha (gest. 1514) im Dome zu
Merseburg steht an der Wand, aber ohne Ueberbau. — Auf Füssen
ruhende, bahrenartige Stein- oder Metallgrabmäler kommen in Deutsch-
Tig. 98. Grabmal des KarfQrtten Johann Cicero ron 1530 im Dom za Berlin (nach Babe).
land anscheinend erst gegen den Ausgang des M. A. vor. — Seit dem
Xni. Jahrh. tragen alle Hochgräber ein Bild des Verstorbenen und auch
die Seiten wände sind mit Reliefs oder mit Inschriften versehen ; vgl. imten
in. C. Historische Bilder.
Stehende Grabdenkmäler: sog. Epitaphien im engeren Sinne,
zum Gedächtnisse Verstorbener an den Wänden und Pfeilern der Kirchen,
Kreuzgänge etc. , gern in der Nähe der Grabstätte selbst angebrachte
Denkmäler der verschiedensten Art , als Inschrifttafeln , Reliefs in Metall
und Stein, Gemälde, Statuen etc. , wohin auch Waffen, Rüstungs- imd
Kostümstücke, Trauerfahnen und Wappenschilder zu rechnen sind. —
Während seit dem XV. und XVI. Jahrh. die Epitaphien der mannich-
faltigsten Formen in den Kirchen überhand nahmen, scheint anderweitig
nur jene frühe Zeit , wo Leichenbestattungen in den Kirchen noch zur
Ausnahme gehörten , und selbst Geistliche niederen Standes auf zuweilen
abgelegenen Gottesäckern begraben wurden, die Sitte der Ge*dächtniss-
tafeln gekannt zu haben, wovon einige, noch erhaltene, in archäologischer
Beziehung sehr interessante Denkmäler Kunde geben. Es befinden sich
nämlich im Münster zu Bonn unter den Pfeilersockeln im ältesten aus
der Mitte des XI. Jahrh. stammenden Theile der Krypta mehrere In-
schriftensteine *) , «deren hohes Alter aus dem Umstände zu folgern ist.
1) Abbild, bei Gailhabaud, Denkm. Liefg. CXHI. Taf. 11.
2) Abbüd. bei Moller, Denkm. I. Taf. 46. 3) Ebd. Taf. 55.
4) Von den 5 unter den Pfeilern liegenden Inschriftplatten sind auf Veranlassung
des Herrn Prof. aus'm Weerth neuerlichst zwei ausgegraben und neben einer ähn-
lichen bereits im Kreuzgange befindlichen eingemauert worden. Die in Figur 99
238
Epitaphien.
dass dieselben schon in so früher Zeit als Baumaterial behandelt >vurden,
mithin also bereits damals ans irgendwelchen Gründen ihre Bedeutsam-
keit verloren haben mussten. Diese
Steine , sammt einem im Kreuzgange
in dessen westlicher Wand schon seit
längerer Zeit eingemauert befindli-
chen, sind einander im Material (ter-
tiärer dichter Kalkstein des Mainzer
Beckens) völlig, in den Rand- und
Eckverzierungen, in dem för die Auf-
nahme von Namen, Stand und Todes-
tag des Verstorbenen angebrachten
Kreuze , sowie in der Grösse wesent-
lich gleich ; die letztere (durchschnitt'*
lieh 3Xiy« F.) ist aber so gering,
dass sie für Grabsteine nicht füglich
angesehen werden können- Vier Reste
ähnlicher Steinplatten befinden sich
im Museum zu Cöln , zwei andere im
Museum zu Bonn. Diesen Gedächt-
nissteinen reihen sich an ein Epitaph
des im J. 938 gest. Diaconus Megin-
bracht in der Krypta der Michaelis-
kirche zu Fulda und die Gedenktafel
des 1048 gest. Wignandus in der Ost-
mauer des Kreuzganges von St. Ste-
phan in Mainz. ^) — Als Epitaphium
charakterisiren sich auch die Inschrif-
ten mit den Namen und Todestagen
dreier Bischöfe von Merseburg aus
dem XI. Jahrb. auf dem jetzt in der
Vorhalle des dortigen Doms aufge-
stellten Deckst^ine einer aus drei kleinen Spitzarkaden gebildeten Nischen-
stellung, die sich ehemals zwischen der ursprünglich auf den hohen Chor
führenden Doppeltreppe befand, in Schriftzügen des XIII. Jahrhunderts. —
Manche andere Gedenktafeln auf im früheren M. A. Verstorbene (z. B.
das Epitaphium der Fastradana, Gemahlin Karls des Grossen, gest. 794,
im Dome zu Mainz) gehören erst einer viel späteren Zeit an.
Die ältesten bekannten Wappenschilder, die ihrer ursprüng-
lichen Bestimmung gemäss zum Gedächtnisse Verstorbener in der Kirche
sind aufgehängt worden , befinden sich in St. Elisabeth zu Marburg und
stammen wohl aus der letzten Zeit des XIII. Jahrh. ^)
Fig. 99. Gcdächtnisstein im Münster zu Bonn.
wiedergegebene Zeichnung der letzteren Steintafel verdanken wir der Güte des
Herrn aus'm Weerth, welcher die Abbildung der gedachten drei Platten in-
zwischen in den Jahrb. des Vereins von Alterthumsfr. im Kheinlande XXXII. Tab. IL
zu S. 1 H— I2n publicirt hat.
1) Vgl. V. Quast, im Correspondenzbl. des Gesamratvereins 1853. I, 37.
2) Abbild, bei v. Hefner-Alteneck, Trachten. Abth. I. Taf. 80 u. S2.
Kenotaphien. — Steinsftrge.
239
Kenotaphien sind Sarkophage zum Andenken an Verstorbene,
die an einem anderen Orte , als wo man ihnen das Denkmal errichtete,
begraben liegen.
Vornehme Prälaten des XIV — XVI. Jahrh. (z. B. die Erzbischöfe
Engelbert III. von Cöln, Ernst von Magdeburg, die Bischöfe Heinrich III.
von Bamberg, Thilo v. Trotha von Merseburg etc.) , seltener weltliche
Personen, Hessen sich zuweilen schon bei ihren Lebzeiten prächtige Grab-
mäler errichten. Andrerseits finden sich aber auch Beispiele davon, dass
man aus verschiedenen Veranlassungen berühmten Verstorbenen erst
mehrere Jahrhunderte nach ihrem Tode neue Denkmäler setzte, z. B. im
XIV. Jahrh. das Denkmal des heil. Bonifacius ("i- 755) im Dome zu
Mainz, im XVI. Jahrh. die Tumba der im J. 947 gestorbenen Kaiserin
Editha im Dome zu Magdeburg.
Anmerkung 1. Vornehme Verstorbene pflegten in Steinsärgen *)
begraben zu werden, und diese Sitte gehört der ersten Zeit nach Einführung
des Christenthums in unserem Vaterlande an, findet sich aber (wenigstens
bei Bischöfen) auch noch um die Mitte des XIV. Jahrhimderts. Ein sehr
merkwürdiger, spätestens dem XII. oder XIII. Jahrhamdert angehöriger, im
Innern der Moritzkirche zu Halle a. d. S. ausgegrabener Steinsarg befindet
sich im Museum des Thüringisch - Sächsischen Vereins daselbst : es ist eine
starke Platte aus rothem Sandstein , in welche das Behältniss für den Leich-
nam , den körperlichen Verhältnissen genau entsprechend , eingehauen ist,
und war mit einer zweiten schwachen Platte bedeckt; in der Mitte des Bo-
dens befindet sich eine runde Oefi'nung zum Ablaufen der Flüssigkeiten aus
Fig. 100.
der Leiche. Ein ganz ähnlicher, aber nur kleiner und der Länge nach aus
zwei Stücken zusammengesetzter Steinsarg wurde im J. 1844 im Peters-
kloster zu Merseburg ausgegraben und steht jetzt in der Vorhalle des dor-
tigen Domes. In der Krypta des Braunschweiger Domes zeigt man den
Steinsarg der Aeltermutter Heinrichs des Löwen, und zwanzig alte Steinsärge
ähnlicher Art hat man im J. IS 34 auf dem Domplatze zu Worms ausge-
graben ; in den meisten derselben fanden sich die Gerippe mehrerer Leichen
bei einander. *) — Bei der im J. 1856 stattgehabten officiellen Aufgrabimg
der Gräber des Wettinischen Fürstenhauses') aus der Zeit von 1146 bis
1) Vgl. Feydeau, E., Cercueils et inhumations au moyen-dge, in den Annales
archöol. 1854. N, 153—162. — 1855. 15, 30-50.
2) Lange, G., Gesch. u. Beschreib, der Stadt Worms. S. 155 fr.
3] Vgl. Köhler, Gust. , das Kloster des heil. Petrus auf dem Lauterberge bei
Halle und die ältesten Grabstätten des sächs. Fürstenhauses. Dresden 1857. —
V. Quast, in der Zeitscbr. für christl. Archäol. u. Kunst 2, 269 — 280, von wo wir
240
Steinsflrge.
1217 in der Kirche auf dem Petersberge bei Halle fand man in der Mitte
des Schiffes , hart unter dem Fussboden , zwei Reihen Särge aus Sandstein,
in der Weise gegen einen Fuss tief ausgehöhlt, dass die Vertiefung am Fuss-
Fig. 101. Steinsärge der Wettiner auf dem Petersbei^e bei Halle.
ende am schmälsten , in der Gegend der Schultern , wo sich eine besondere
flachere Aushöhlung für den Kopf anschliesst , am breitesten ist. Nur die
beiden ältesten Särge mit der Asche des Stifters der Kirche, des Markgrafen
Konrad und seiner Gemahlin (Fig. 1 u. 2 des Holzschnittes) , zeigten bei
sorgftlltigerer Arbeit eine etwas abweichende Bildung: der Sarg Fig. 1
durch die geschweiften Linien der Aushöhlung , welcher folgend auch das
Aeussere sich gestaltet , und der Sarg Fig. 2 durch zwei am unteren Ende
ausgesparte , oben abgeschrägte Steinklötze , zwischen denen ein Raum für
die Fasse eingetieft ist. Der Sarg Fig. 5 , der eine Elle tiefer stand , war
nicht wie die übrigen aus einem Steine gehauen , sondern aus mehreren
Porphyr- und Sandsteinstttcken zusammengesetzt mit einem Pflaster von in
Kalk gelegten Porphyrstücken ; am Kopfende befand sich hier noch ein Rest
des ursprünglichen innen ausgehöhlten Steindeckels. Völlig verschieden von
den übrigen ist der Sarg (Fig. 3) der Mechtildis , einer Schwester Markgraf
Konrads; es ist eine kleine rechteckige Steinkiste, in welcher nur noch
wenige Gebeine lagen, untermischt mit Resten von Zeugstoffen. Da Mech-
tildis in der Feme (wahrscheinlich in Bayern) gestorben war, so werden
vermuthlich die Gebeine nach damaliger Sitte ausgekocht und mit edlen
Stoffen umwickelt nach der Familiengi-uft übertragen worden sein. Zu den
Füssen des Sarges Fig. 2 befanden sich die beiden Kindersärge Fig. 10
und 11. — Die in mehreren der Särge vorgefundenen Reste von Holz und
Nägeln scheinen dafür zu sprechen, dass die Leichen in Holzeinsätzen lagen.
Die Steinsärge der gleichzeitigen im nördlichen Kreuzarme der Kärche bei-
gesetzten Klosterpröpste fanden sich wesentlich gleichartig mit den be-
den obigen Holzschnitt entlehnt haben, der ausser der Reihenfolge der Gräber die
beiden Särge No 1 u. 2 zugleich in grösserem Maasstabe gezeichnet darstellt.
Grabelnlagen. 241
schriebenen fürstlichen. Da fast alle Gräber sicher zu bestimmen waren, so
ergab sich als Regel , dass bei mehreren in einer Reihe liegenden Gräbern
eines Geschlechts die mittleren die ältesten sind , denen sich die jüngeren
auf beiden Seiten anschliessen. Wenn die vordere/ östliche Reihe voll war,
wurde dahinter westlich eine neue eröfihet und dabei in derselben Weise
verfahren. So liegen auch im Königschore des Domes zu Speier ^j die
Kaiser- und Königsgräber in zwei Reihen hinter einander. Die vordere
Reihe enthält die Gräber des salischen Kaiserhauses und besteht aus fünf
Gräbern , so dass die vier Kaiser dieses Geschlechts jeder ein besonderes
Grab haben, während das fünfte den beiden Kaiserinnen Gisela und Bertha,
Gemahlinnen Konrads II. und Heinrichs IV., gemeinsam war ; in der zweiten
Reihe hatten die Könige Philipp von Schwaben und Rudolf von Habsburg
jeder ein eigenes Grab ; die Leichen Adolfs von Nassau und Albrechts von
Oesterreich dagegen wurden erst später in denjenigen beigesetzt , in denen
vorher schon die Tochter Kaiser Friedrichs I. , Agnes , und seine Gemahlin
Beatrix bestattet waren. Jedes Grab bildet eine einzelne, etwa 8 F. tiefe
und lange und 4 F. breite , unten mit Quadern , oben mit Ziegeln ausge-
mauerte Grube. — lieber die Ergebnisse bei der Untersuchung der zahl-
reichen Grabstätten in der Münsterkirche zu Heilsbronn vgl. Stillfried,
Rud. v., Alterthümer u. Kimstdenkih. des Erlauchten Hauses Hohenzollern.
Neue Folge Lief. 4.
Anmerkung 2. In Särgen des XII. bis XVI. Jahrh. hat man zu-
weilen Bleitafeln vorgefunden mit eingegrabener oder eingeschlagener
Schrift nekrologischen Inhalts, z. B. im Sarge der Gertrud, Aeltermutter
Heinrichs des Löwen 'f 1117), in der Krypta des Domes in Braunschweig ;
im Grabe des Erzb. Adalbert I. (7 1137) in der Gothardskapelle am Dome
zu Mainz ; im Sarge des Propstes Gerhard von Are (-J- 1 169) im Münster zu
Bonn (unter der Orgel) ; im Grabe Friedrichs von Beichlingen, Erzb. von
Magdeburg (f 1464) im Dome daselbst*) ; im Grabe Kaiser Maximilians I.
(■5* 1519) in der Schlosskapelle zu Wiener Neustadt. — Dass man Geist-
lichen, die in Pontificalibus in das Grab gelegt wurden, einen Kelch mitgab,
ist schon oben S. 163 bemerkt worden: im Grabe Otto's von Hessen, Erz-
bischofs von Magdeburg (f 1361) stand der Kelch auf der Brust des Leich-
nams, und ausserdem lagen sechs bronzene Siegelstempel des Verstor-
benen in dem Steinsarge, nach der im M. A. sehr gewöhnlichen Sitte, die
Siegel eines Verstorbenen zu Verhütung von Missbrauch entweder mit der
Leiche oder anderwärts zu vergraben. ') Wenn in den Gräbern von Fürsten
und Rittern Waffen und sonstige Stücke des ritterlichen Kostüms häufig nicht
gefunden werden , so erklärt sich dies daraus , dass sich weltliche Personen
oft im Mönchskleide wenigstens begraben liessen , wenn sie nicht vor dem
Tode noch selbst die Klostergelübde abgelegt hatten, um auf diese Weise der
guten Werke des Ordens theilhaftig zu werden. — Die zuweilen in Gräbern
1) Vgl. Die Kaisergräber im Dom zu Speier. Carlsruhe 1 S5Ö, u. v. Q uas t a. a. O.
S, 94 ff.
2; Abbild, bei Rosen thal, Dom zu Magdeb. Lief. V. Taf. I. 22.
3) VgL Lepsius, C. P., in den N. Mittheü. des Thüring.-Sächs. Vereins VI.
3, &S f.
O 1 1 e , Kunit-Areh&olof ie. 1 0
242 Separatbestattung der Eingeweide.
befindlichen Thonge fasse (oder doch wie in mehreren Särgen auf dem
Petersberge — s. oben S. 240 — Scherben von solchen, und zwar links
neben dem Kopfe) deuten auf den Gebrauch , den Todten Weihwasser oder
Weihrauch mitzugeben. *) Ueber die in Bischofsgräbem vorkommenden
Kämme s. unten §. 53.
Anmerkung 3. Die Separatbestattung der Eingeweide
fürstlicher Personen und Prälaten ist eine bereits sehr frühzeitig vorkom-
mende Sitte , und wie die ältesten bekannten Beispiele beweisen , zunächst
dadurch veranlasst, dass wenn der Tod in der Fremde erfolgt war, die
Section und Einbalsamirung des Leichnams zur besseren Erhaltung auf dem
Conduct in die Heimath oder nach dem von dem Verstorbenen vorher be-
stimmten Begräbnissorte erforderlich wurde. Die herausgenommenen In-
testina wurden dann gewöhnlich da begraben, wo der Tod erfolgt war, oder
man brachte dieselben auch nach einem dritten Orte , zu welchem der Ver-
storbene im Leben in näherer Beziehung gestanden hatte. Die Leiche des
heil. Bonifacius (f 755) wurde von Dockum , wo er den Märtyrertod er-
duldet hatte, zuerst nach Utrecht und dann nach seiner Kathedralstadt Mainz
geführt, wo das Herz im Alten Dome bestattet ward , der Leichnam sodann
im Kloster Fulda, welches Bonifacius selbst «chon bei d^r Gründung zu
seinem Begräbnissorte bestimmt hatte. — In Memleben , wo K. Otto der
Grosse 97 3 starb, wurden dessen Eingeweide begraben, der Leib in dem
von ihm gegründeten Dome zu Magdeburg. Hier wurde auch die Leiche
des 1012 in Giebichenstein verschiedenen Erzbischofs Waltherd bestattet,
nachdem die Eingeweide an dem Sterbeorte, und zwar zwischen der Kirche
und dem Sterbezimmer begraben waren. Bischof Godehard von Hildesheim
starb 1033 auf dem von der Kathedralstadt y^ Stunde entfernten Moritz-
berge ; sein Leib wurde drei Tage darauf im Dome begraben ; die heraus-
genommenen Intestina wurden zum Andenken daran , dass er hier seinen
Geist ausgehaucht, in einer Kapelle des Moritzklosters beigesetzt, die im
Volksmunde den Namen » Kaldaunenkapelle « erhielt. Kaiser Konrad II.
verschied 1039 zu Nym wegen; aber seine Eingeweide wurden nicht hier,
sondern in Utrecht begraben , der einbalsamirte Leib in dem von ihm ge-
gründeten und zu seiner Grabstätte bestimmten Dome zu Speier. — Im
XII. Jahrh. war die Separatbestattung der Intestina an manchen Orten be-
reits zum stehenden Gebrauche geworden : so nahm das Cisterzienserkloster
Ebrach von 1151 — 1573 die Herzen von 33 Würzburger Bischöfen in
bleiernen Behältnissen auf, während die Eingeweide in die Burgkapelle, die
Gebeine in den Dom kamen. *)
.1) aApponebatur qnoque in monumeniü a^na benedicta .... unde etiam repe-
riuntur in coemeteriis vatta vitrea et lutea, in dictum ustt'm veriaimillter ihi accommo-
data,» Casalius, de Christ, ritibus. p. 3.'{().
2) Ebrachiana meo creverunt claustra favore,
Hinc cor diffecti continet illa domu'«.
Mos manet : haec uno tumulantur corpora templo,
Vi8<'era mons, aedes maxima corpus habet.
Cf. Ludewig, Script. Wirceb. p. 36rt; Niedermayer, Kunatgesch. der Stadt
Wireburg S. 127.
Glocken. 243
52. Die Glocken^) [signum , tinimnahulum , nola , campaua] ,
der geschichtlich nicht zu begründenden Ueber lieferung zufolge eine
Erfindung des ^Bischofs Paulinus von Nola in Campanien um das Jahr
400, werden zuerst im VI. Jahrhundert unter der Bezeichnung y^stffnum«
in den Schriften des Gregor von Tours *) erwähnt und mögen durch
die irischen und britischen Missionare zuerst in Deutschland bekannt
geworden sein, wo sie im VIII. Jahrhundert in Kirchen und Klöstern
vorkommen; aber erst die Mitte des IX. Jahrhunderts kann als die
Zeit der allgemeinen Verbreitung des kirchlichen Glockengebrauches
bezeichnet werden. — Die ältesten Glocken waren nur klein und aus
Blech geschmiedet ; doch kommen schon gegen Ende des VIII. Jahr-
hunderts gegossene Glocken vor, grössere indess erst seit dem XI.
und XII., die grossesten im XV. Jahrhundert.
Das Wort nchcaa kommt zuerst als lateinisches in der Briefsamm-
lung des Bonifacius (ed. Wardtwein, ep. 124 p. 3t 1) vor, als deutsches
erscheint es {y>gloffga, cloecna) nicht vor dem IX. Jahrh. (vgl. Graff,
Sprachschatz 4, 292) und kann etymologisch noch am ersten auf das alt-
hochdeutsche Thema chlachan ^^frangi , mmpi, clangere bezogen wer-
den. — Die Sage von der Erfindung der Glocken zu Nola [nola = Schelle;
in Campanien (ffarm/?ana = Glocke; wird schon im IX. Jahrh. von Wala-
fried Strabo mit dieser doppelten , indess nicht zweifellosen Etymologie ^)
begründet , während der Name des als Erbauer und Beschreiber zweier
Kirchen in Nola berühmt gewordenen Bischofs Paulinus in keinem älteren
Zeugnisse damit in Verbindung gebracht wird. Es ist vielmehr wahr-
scheinlich, dass die bei den alten Römern als häusliche Weck-, wohl auch
als öffentliche Versammlungszeichen üblichen Klingeln sich ohne eigent-
liche Unterbrechung aus dem Alterthume in die mittleren Zeiten fortge-
pflanzt haben und aus Gründen der Zweckmässigkeit zuerst etwa von
einzelnen Klöstern aufgenommen wurden , bis allmählich der kirchliche
Glockengebrauch zur allgemeinen Sitte wurde, so dass wie im Spätmittel-
alter aus den kleinen nach und nach die Riesenglocken hervorgingen , so
in der Frühzeit aus den häuslichen Klingeln die ersten bescheidenen
Glocken der Klöster und Kirchen.
1) Vgl. Otte, H., Glockenkunde. Leipzig 1S58, woselbst die frühere Literatur
8. 2 f. u. S. 102 angeführt ist ; später sind erschienen: Ledebur, Leop. v. , Bei-
trage zur Glockenkunde der Mittebnark , in den Mflrk. Forschungen Bd. VI. — Die
Qlockenkunde in Alt-Bayern, in der Augsb. Postzeitung 1858 No. Hö. — Müller, F.,
zur älteren siebenbürg. Glockenkunde, im Archiv des Vereins für siebenbürg. Landes-
kiuide. Neue Folge IV. 2. 1h60. — Ueber Glocken, deren Alter, Form, Inschriften
und Schicksale, bes. in Deutschland, in der Augsb. Postzeitung 1861 Beil. zu No. 40
u. 41. — Vgl. auch Unger, F. W., in den Jahrb. des Vereins von Alterthumsfr. im
Kheinlande. XXIX u. XXX. S. 32'— 39. — Hitzinger, zur Gesch. alter Glocken
in Krain, in den Mittheil, des histor. Vereines für Krain. Jahrg. lSt>2. — Straub, A.,
Nachlese zur Glockenkunde. Aus dem Elsass , im Organ für christl. Kunst. 1 b63
S. 64-Ö7.
2) Vgl. Otte a. a. O, S. 3. 3) Ebd. S. 4.
16*
244 Glocken.
Die auf den britischen Inseln sehr frühzeitig weit verbreiteten Glocken
waren aus geschmiedeten Blechen zusammengesetzt, und von dem irischen
Mönche Dagaeus, der 586 gestorben sein soll, heisst es, er sei nicht bloss
ein ausgezeichneter Schreiber, sondern auch der vorzüglichste Arbeiter
{/aber) in Eisen und Erz im Kloster St. Hieran gewesen und habe 300
Glocken verfertigt. ') In Deutschland gab es nach dem Berichte des
Beichenauer Abtes Walafried Strabo (de exord. et increment. rer. eccl.
c. 5) in der ersten Hälfte des IX. Jahrh. zwei Arten von Glocken [signa] :
gegossene [vasa fusilia) und geschmiedete [vasa productilia) , wie eine
solche (Saufang genannt) von jedenfalls sehr hohem Alter, aus der
Caecilienkirche in Cöln herstammend, im dortigen Stadt. Mu-
seum bewahrt wird. Sie ist von der Form d€r sog. Kuh-
schellen , besteht aus drei mit kupfernen Nägeln zusammen-
genieteten Eisenplatten und soll in der Zeit des Erzbischofs
Kunibert um 6 1 3 im Peterspfuhle von Schweinen ausgewühlt
worden sein : ihre Weite beträgt am ovalen Bande I3y4 und
8% Z., ihre Höhe lb%Z.^) Nicht grösser als diese eiserne
dürften auch die damaligen Bronzeglocken gewesen sein, und
wenn Karl der Grosse zu einem Glockengusse statt des Zinns
Fig. 102. Blech- 1^0 Pfund Silber bewilligte') , so kann, falls das Zinn da-
giocke im Mu- mals , wie jetzt , etwa ein Viertel der Legirung betrug , die
(nach Didron" Glocke sclbst nur auf 400 Pfund berechnet gewesen sein. —
Eine um die Mitte des XI. Jahrhunderts von Bischof Azelin
für den Dom von Hildesheim beschaffte, im J. 1590 gesprungene Glocke,
Cantabona genannt, soll schon 100 Ctr. gewogen haben. *) — Im J. 1206
wurde auf dem Petersberge bei Halle die Glocke Petronella geweiht,
welche 50 Ctr. wog. *) — Die Glocke auf dem mittleren Domthurme zu
Olmütz in Mähren von 358 Ctr. gilt als die grosseste in Deutschland;
die grosse Glocke auf dem Dome zu Erfurt, Maria Gloriosa, von 1497,
wiegt 275 Ctr., die grosseste Glocke des Cölner Domes (von 1448)
224 Ctr., der Elisabethkirche in Breslau (von 1507) 220 Ctr., der Petri-
Paulikirche zu Görlitz 217 Ctr., des Domes zu Halberstadt (Dominica
von 1457) 150 Ctr., der Marienkirche zu Danzig (Sigismundus von 1453)
121% Ctr. — Die grossen Glocken der Dome zu Wien (von 324 Ctr.,
mit Helm und Schwengel 402 Ctr.) und zu Magdeburg (von 266 Ctr.)
stammen aus neuerer Zeit ; letztere aber war früher schon in dieser Masse
vorhanden. — Zuweilen kommt es vor, dass man die Peripherie grosser
Glocken als Wahrzeichen an den Kirchengebäuden angebracht hat: z. B.
war im Dome zu Cöln die Weite der zwei grossesten Glocken in die (jetzt
hinweggenommenen) Steinplatten zwischen dem Pfeilerpaare zunächst dem
Eingange des Glockenthurms eingehauen ; an der Nordseite der Stadt-
1) Kai. Cassel. in Actis S. S. Aug. III. 656, angeführt von Wattenbach, in
der Zeitschr. für christl. Archäol. u. Kunst 1, 22.
2) V. Lassaulx in Klein* s Rheinreise. S. 493; vgl. Didron in den Annales
arch6ol. 4, 95.
3) Monachus Sangalensis, gesta Caroli M. 1, 29 (bei Pertz, M. G. 2, 744).
A) Hannoversche gelehrte Anzeigen vom J. 1754. Sp. 615.
5; Chron. Mont. seren. ad. a. 1206.
Glocken.
245
kirche in Weissenfels ist der Umkreis der Brfurter Glocke angemalt, und
im Erfurter Dome selbst zeigt man ein Rundfenster, dessen Peripherie
der früher dort vorhandenen Glocke (Susanna) entsprochen haben soll.
Anmerkung 1. Die Sitte, den Glocken bestimmte Namen beizu-
legen, von welcher sich die frühesten Spuren im X. Jahrhundert vorfinden,
ist nur aus dem Bedürfhisse hervorgegangen, unter mehreren ') vorhandenen
jede einzelne mit Bestimmtheit bezeichnen zu kOnnen: man wählte die
Namen nach den Stiftern oder Patronen , aber auch nach den Eigenschaften
oder nach der Bestimmung der Glocke. Die Merseburger Domsturmglocke,
die aus dem XII. Jahrh. zu stammen scheint, heisst Clinsa, die Klingerin;
die beiden grossesten Glocken des COlner Doms von t44S und 1 449 heissen
Preciosa und Speciosa. — Der Merseburger Dom hat eine Quarta und eine
Nona, beide von 1458. — Männliche Glockennamen, welche im Hoch-
mittelalter die häufigeren gewesen zu sein scheinen, wichen später den weib-
lichen fast völlig.
Anmerkung 2. Die älteste bekannte datirte Glocke. (von 3 */, F. rh.
unterem Durchmesser) ist vom J. 1249 und befindet sich in der Burchardi-
Fig. 103. Glocke zu Ltthnde, vom J. 127;» nach Kratz).
kirche zu Würzburg*) , eine Glocke von 1251 auf dem Dome zu Minden,
eine von 1261 auf dem Thurme der Peters-Pfarrkirche zu Aachen, zwei von
1] Carl Borromaus 't 16S4- setzte für seinen Mailänder Erzsprengel de in^tru-
ctione fabricae 1, 25} für eine Kathedrale sieben oder mindestens fünf Glocken fest,
für eine CoUegiatkirche drei, für eine Pfarrkirche ebenfalls drei oder mindestens zwei
Glocken. — Das Kloster Fulda hatte übrigens schon im J. 779 mehrere Glocken
Pertz, M. G. 2, 37 7^ Die Kirchen der Cisterzienser durften nur kleine Glocken,
die Bettelklöster eigentlich nur eine Glocke haben.
2) Vgl. Deutsches Kunstbl. 1S54 S. 273.
246
Glocken.
1258 und 1281 sind auf dem Münster zu Freiburg i. B. , sowie zwei vom
J. 1268 auf dem Thurme der Georgskirche in Hagenau, und auf der Stadt-
kircbe zu Markgröning sollen zwei Glocken vom J. 1272 befindlich sein. *)
Die Kirche zu Lühnde (zwischen Hildesheim und Lehrte) besass eine (1859
umgegossene) Glocke von 1278, 38 Ctr. 15 Pfd. schwer und unten 4 F.
2*74 Z. rh. weit. *) Von einer kleinen Glocke zu Gilching in Oberbayern
(von 17*/, Z. rh. Höhe amd 1574 Z. Weite) steht die Entstehungszeit durch
den darauf stehenden Namen des Donators zwischen 1 162 und 1 194 fest. ')
Aelter datirte Glocken (die Datirung wird in Deutschland erst im XIV. Jahr-
hundert, allgemeiner jedoch nur im XV. und XVI. Jahrhundert üblich) sind
in Deutschland bis jetzt nicht bekannt, aber aus der Form mancher un-
datirten Glocken kann auf ein zum Theil sehr hohes Alter derselben ge-
schlossen werden. Wir geben die Abbildung von vier solchen älteren Glocken :
die bienenkorbförmige aus der Kirche zu Diesdorf bei Magdeburg, welche
aus der (im J. 1011 mit allen Glocken abgebrannten, bald darauf erneuerten)
Stiftskirche von Walbeck stammt ; die zweite sehr unschön profilirte , be-
findet sich zu Wolmirstedt *) , die dritte , völlig geradlinige und nicht mehr
brauchbalre Glocke von UZ. Höhe und überall V4 Z. Dicke der Wandung
ist von Hrn. Pastor Teile zu Lunow im Dorfe Nordhausen bei Königsberg
i. d. N. entdeckt worden*) , die vierte endlich, wie die zuletzt angeführte
ohne Inschrift, aber mit zwei einander gegenüber aus JDraht eingelegten
Kreuzen verziert, ist in der Kirche zu Idensen bei Wunstorf, und hat bis zur
Krone 27 Z. Höhe bei 24 V4 Z. unterem Durchmesser. ®) — Auch zu Tutten-
dorf bei Freiberg war ehemals eine zuckerhutförmige Glocke.
L \
Fig. 104.
Fig. 105.
Fig. 106.
Fig. 107.
Anmerkung 3. Die Untersuchung der m usikalischen Eigen-
schaften der mittelalterlichen Glocken, ein noch ganz unbebautes Feld,
ist vom grossesten, auch für unsere Zeit praktischem Interesse. Auf An-
regung der zuerst von Kreuser (Kirchenbau l , 260) herausgehobenen
1} (Stalin) Denkm. des Alterth. im Königr. Württemberg S. 11«^.
2) Kratz, J. M., ein Beitrag zur Geach. der Glocken, im Organ für chrifltl.
Kunst iS.iS S. 6-1, nebst Abbild, auf der artist. Beil. zu No. Ö.
3) Oberbayerisches Archiv 1 , J 49 ff.
4} Diese beiden Glocken entdeckt, beschrieben und abgebildet von Wiggertin
den N. Mittheil, des ThOr.-Sächs. Vereins VI. 2, 14 u. 36.
5) Nach freundlicher Mittheilung ihres Entdeckers.
6) Abbild, in den mittelalterl. Baudenkm. Niedersachsens. Heft 4. Bl. 32 Fig. 7.
Verschiedene Gegenstände. 247
Stelle des Vincentius von Beauvais *) : » Campana in tribus locia, si puhetur
(d.i. wenn man %. B. mit dem Finger daran klopft) , tres habere aonos in-
venitur, in fundo mediocrem, in extremitate subtiiiorem , in medio graviorem «
hat der Verf. dieses Handbuchs mehrere mittelalterliche Glocken aus dem
XIV. und XV. Jahrhundert untersucht und dabei gefunden, dass dieselben,
nach unserem Tonsysteme zu reden, in Dur- und in Mollglocken zu theilen
sind , d. h. in solche , deren Mittelton zwischen beiden Octaven die grosse
Terz , und andere , deren Mittelton die kleine Terz ist. — Die Glocken-
giesser von heute liefern anscheinend nur (Metall sparende) Durglocken , an
denen sich der Diameter zur Höhe wie 5:4 verhält, während z. B. die
grosse Erfurter Glocke , welche demnach eine MoUglocke sein dürfte , das
Verhältniss von 6 : 5 ergiebt *) ; die Vereinigung mehrerer Durglocken in
einem Geläute kann nur Ohr zerreissend wirken , mögen auch die verschie-
denen Grundtöne für sich allein in schönster Harmonie getroffen sein.
Anmerkung 4. Das Gewicht einer Glocke, deren grosseste Weite
sich zu der äusserlich in schräger , gerader Linie gemessenen Höhe bis zur
Platte derselben wie 5 : 4 (oder annähernd gewöhnlich wie 14: II] verhält,
lässt sich mit einiger Sicherheit ermitteln , wenn man das in Zollen ausge-
drückte Maass des grössten Durchmessers der Glocke in den Cubus erhebt
und mit 0,^^, multiplicirt ; das Product drückt das Gewicht der Glocke in
Pfunden aus, deren 100 auf einen Centner gehen. Vergl. Prechtl, Ency-
clopädie t. Aufl. 7, 87 u. Hahn, Campanologie S. 115.
53. Verschiedene Gegenstände in alphabetischer Reihen-
folge: 1. Agnus Dei. — 2. Betsäulen. — 3. Brunnen. — 4. Calvarien-
berge. — 5. Christusstatuen mit beweglichen Gliedmaassen. — 6.
Goldene Rosen. — 7. Gotteskasten. — 8. Götzenbilder. — 9. Hei-
lige Gräber. — 10. Heilige Stiegen. — 11. Kämme. — 12. Kreuze
an den Kirchenwänden. — 13. Krippen. — 14. Lichtputzen. — 15.
Maasse und andere öffentliche Bestimmungen. — 16. Oelberge. —
17. Opferstöcke. — 18. Passionssäulen. — 19. Processionsgerälhe. —
20. Raritäten. — 21. Schlosserarbeiten. -:- 22. Stationen. — 23. Stein-
kreuze (Mordkreuze). — 24. Teppiche. — 25. Todtenleuchten. — 26.
Uhren. — 27. Votivgeschenke. — 28. Wahrzeichen. — 29. Wärm-
äpfel. — 30. Weih Wasserbecken.
1 . Agnus Pei sind vom Papste geweihte und am Sonnabend nach
Ostern in Masse unter das Volk vertheilte, insgemein länglich runde Me-
daillen, aus Wachs von der vorjährigen Osterkerze unter Beimischung
von Chrisma lauch aus Oblatenteig oder Metall) verfertigt, welche auf
dem Avers das Gotteslamm, auf dem Revers irgend ein Heiligenbild dar-
1) Speculum naturale l. 4. c. 14 ^Speculumquadruplum. Duaci 1624. I. p. 241).
2] Vgl. Kirchner, Musurgia. Homae lH5i). 1,522. Hier sind nicht bloss die
Maasse anscheinend sehr genau mitgetheilt , sondern es wird auch bemerkt : Sonus
infimo D respondet , sonutn eundem gratisnmum reddit consonantia Tertiae , quae in
eo commista percipitur et constituit intervallum D F,
248 Verachiedene
stellen (Naturalienkabinet des Waisenhauses zu Halle a. d. S.)- Sie
wurden den Neugetauften um den Hals gehängt , um dem Tragen heid-
nischer Amulete entgegen zu wirken. Vgl. Casalius, J. Bapt., de ve-
ter ib. sacr. Christian, ritibus. (Francof. et Hanno v. 16S1.) p. 265. —
Durandi Rationale 1. 6 c. 79 n. 3. : r>Hi agni a fulgure et tempestate
ßdeles et credentes defendunt propter vt'rtutem consecrationis tt benedtctio-
nis.a — Papst Urban V. (1362 — 1370) schickte dem griechischen Kaiser
mehrere Agnus Dei mit folgenden, deren Kräfte preisenden Versen :
Bahamus et munda cum cera ehrismatis unda
Conficiunt agnum, quod munus do tibi magnum,
Fulgura desursum depellit et omne malignum,
Peccatum frangit, ut Christi sanguis, et angit*
Praegnans servatur, simul et partu liheratur.
Dona parat dignis, virtutem destruit ignis,
Portatua munde, de ßuctibus eripit unde.
Cf. Sirmond in Ennodium p. 74, angefahrt bei (Buddeus) ^Allgem.
histor. Lexicon 3. Aufl. l, 70. — Das Heiligthum des Domes zu Halle
enthielt nach dem Verzeichniss von 1520 (Gang I. 4) i>Egn heJffenhegnefi
serchlen, darinne werden enthalten siebenhalbhundert Agnus dei vnd ein. ^
Vgl. Dreyhaupt, J. Christoph v., Beschr. des Saal-Creyses 1, 854.
2. Betsällei, in Oesterreich Denksäulen genannt (wahrscheinlich
mit Rücksicht auf deren fromme Stifter) , in Bayern Marksteine (weil
sie oft auf Wegscheiden und Grenzen der Feldmarken und Weichbilder
stehen) oder Feldkreuze, sind auf den kleinsten Raum zurückgeführte
Feldkapellen , weshalb sie auch in manchen Gegenden vom Volke Ka-
pellen genannt werden. Sie wurden häufig ex voto errichtet (daher V o ti v-
kreuze) und bestehen insgemein aus einem Steinpfeiler, der ein Taber-
nakel mit einem Heiligenbilde oder eine Tafel mit einem biblischen oder
legendarischen Relief trägt (daher Bildstöcke) und zuweilen unten mit
einem Altärchen versehen ist. Viele dieser Betsäulen werden im Volks-
munde mit localen Namen bezeichnet , die gewöhnlich von äusseren Um-
ständen hergenommen sind, und die oft wiederkehrende Bezeichnung
Kreuz lässt sich entweder auf das Kreuz zurückführen, worin die Taber-
nakelkrönung auszulaufen pflegt , oder beruht insofern auf Uebertrag^ung,
als die Betsäulen häufig aus einem Crucifixus bestehen. Zu den ältesten
nachgewiesenen gehören die romanische (restaurirte) Predigersäule
vor dem Petersthor in Regensburg und das frühgothische Rastkreuz
(so genannt von den Steinbänken , womit diese Bildsäule umgeben war)
bei Oedenburg (Abbild, in den Mittheil, der k. k. Central - Commission
1957. 2, 321 Fig. 1) ; zu den weithin bekanntesten und künstlerisch aus-
gezeichnetsten das (restaurirte) mit dem Stufenuntersatze gegen 32 F.
hohe Hochkreuz bei Godesberg unweit Bonn vom J. 1333 (Abbild,
bei Qua gl io, Dom., Samml. merkwürd. Gebäude des M. A. II. 2 Bl. 2,
und mehrfach anderwärts z.B. bei Kugler, Gesch. der Baukunst 3, 227)
und die Spinnerin*) am Kreuz bei Wiener - Neustadt , ein stattlicher
65 F. hoher Tabemakelpfeiler von Michael Meinwurm (■}■ vor 1418) in
I ) Spinnerin, provinziell « Spinne.
Gegenstände.
249
Wien. — Spätgothische Betsäulen sind in dem katholischen Theile
Deutschlands , namentlich wo der Steinbau herrscht , fast überall häufig
und von sehr verschiedenem Werthe ; wir nennen die Denksäule (Taber-
nakelpfeiler) auf dem Wiener Berge ; die Votivsäule vor dem Jacobsthor
in Regensburg (mit vielen Statuetten und Reliefs ; restaurirt) ; einen Mark-
stein in Erlstätt bei Traunstein (sehr roh , aber originell) ; Abbildungen
von Betsäulen in den Thür. -Sachs. Ländern bei Puttrich, Denkmale
I. Serie Reuss Bl. S u. II. Serie Pforta Bl. 8 , Serie Halle Bl. 5 a, Serie
Erfurt (das Sibyllenthürmchen) Bl. 12.
3. Brunei iputei sacri) kommen Öfter in Kirchen vor und dienten
zum Schöpfen des zu den kirchlichen Handlungen erforderlichen Wassers,
scheinen indess zum Theil früher vorhanden gewesen zu sein, als das
gottesdienstliche Gebäude , in welchem sie sich befinden ; der Quell des
(jetzt verschütteten) Brunnens im Münster zu Strassburg z. B. soll ur-
Fif. 108. Brunnen (ehemali) im Münster zu 8tra«iburg (nach Oailhabaud).
Sprünglich zu einem römisch-heidnischen Tempel gehört und zum Waschen
der Opferthiere gedient haben , und der Brunnen im Regensburger Dom
soll schon das Wasser bei Erbauung des Domes selbst geliefert haben.
Gewiss ist, dass dem Wasser der Kirchen brunnen (z. B. dem Brunnen
des heil. Kilian in der Krypta des Neumünsters zu Würzburg) oft W^un-
derkräfte zugeschrieben wurden. — Bei tief stehendem Wasser ist ausser
der Einfriedigung des Brunnens durch einen Steinschrein {margella) noch
250 Verschiedene
ein tabernakelartiger Ueberbau mit einer Rolle errichtet , um welche sich
das Seil mit den Schöpfeimern schlingt, und der aus dem XV. Jahrh.
datirende Brunnenbau im Dome zu Regensburg (Abbild, bei Gailha>
band, die Baukunst des V. bis XVI. Jahrh. Bd. III. Taf. 17), ge-
schmückt mit den Statuen Christi und der Samariterin, ist künstlerisch
ausgezeichnet ; der Brunnen im Strassburger Münsiter war von einfacherer
Construction (Abbild, a. a. O., dem Texte eingedruckt). — Brunnen be-
finden sich im Chorumgang des Münsters zu Freiburg i. Br. von 1511
und in der Krypta der Petri-Paulikirche zu Görlitz ; unter dem Dome zu
Paderborn entspringt ein Arm der Pader etc. — Ob die als Taufstein be-
zeichnete Margella in der Krypta des Domes zu Speier etwa von einem
Brunnen herrühren möchte, mag dahin gestellt bleiben : Taufsteine kom-
men sonst in Krypten nicht vor.
4 . €alf ari<>Bberse (mons calvariae r= Schädelstätte) sind statuarische
Darstellungen des zwischen den Schachern gekreuzigten Erlösers , mit
Maria und Johannes unter dem Kreiize , wie dieselben zu den Stationen
der Leidensgeschichte gehören; z. B. der Jerusalemsberg bei Lübeck mit
einer Passionsgruppe von 1468.
5. ChristMSstätuen aus Holz mit beweglichen Armen und Beinen
(z. B. in der Marienkirche zu Danzig) ,' welche am Himmelfahrtsfeste in
den Kirchen durch eine Oeffnung im Deckengewölbe hinaufgezogen wur-
den ; andere, hohle, mit fünf offenen Wundenmalen (z. B. in Pforta, ab-
gebildet bei Puttrich, Denkm. II. Serie Pforta Bl. 8), aus welchen
man Blut fliessen lassen konnte, das durch eine Oeffnung im Kopfe
hineingegossen wurde.
6. Coldene Rosen, d. h. aus Gold gearbeitete Nachbildungen eines
Blätter und Blüthen tragenden Rosenstockes in Form eines Tafelaufsatzes,
kamen öfter in Kirchenschätzen vor, in die sie von hohen Personen,
welche dieselben vom Papste zum Geschenke erhalten hatten, nieder-
gelegt wurden. Seit der Mitte des XI. Jahrhunderts nämlich weihte der
Papst jährlich am Sonntage Laetare*, dessen Liturgie mitten in der Zeit
der Trauer im Hinblick auf den endlichen Sieg der streitenden Kirche die
Gemeinde zur Freude erweckt, in der Basilika S. Croce in Gerusalemme
nach der Messe eine goldene Rose , die er darauf als ein Zeichen der
geistlichen Freude den Gläubigen in Procession zeigte und demnächst
einem gerade am päpstlichen Hofe anwesenden Fürsten zum Ehrenge-
schenke übermachte, welcher mit der Rose sodann unter grossem Reiter-
gefolge einen Umzug durch die jubelnde Stadt hielt. Vgl. Durandus,
Rationale 1. 6 c. 53 n. 8: Hospinianus, Rud. , Festa Christianorum.
Tiguri 1593. Fol. 43: Ughelli, Ital. Sacr. I. 1, 297; (Buddeusj
Allgem. histor. Lexicon 4, 154; Texier, Dictionnaire d'orfevrerie p.
1335. *) — Wenn am Sonntage Laetare kein dieser Ehre würdiger Fürst
1 1 Die Uebersetzung L u t h e r * s von Micha A , S, wo er , abweichend von allen
alten Versionen, das hebr. -j-^-r:? (ad te) in Folge einer unrichtigen Punctation = orna-
tu8 tuus nahm und völlig willkürlich durch »deine güldene jRnse« wiedergegeben hat,
kann nach dem Contexte wohl nur al« beziehungsreiche Anspielung auf die Liturgie
des Sonntags Laetare erklftrt werden. Vgl. Schmieder im Volksbl. für Stadt u. Land
JS54 Sp. 237 fr.
Gegenstände.
251
in Rom zugegen war, pflegten die Päpste die goldene Rose nach ausser-
halb zu verschenken: an PMrsten, Städte oder Kirchen. Alexander III.
verehrte goldene Rosen an König Ludwig
VII. von Frankreich und an den Dogen von
Venedig: Urban V. beschenkte damit die
Königin Johanna von Sicilien, Pius II. seine
Geburtsstadt Siena, Sixtus IV. im J. 1408
den Kurfürsten Ernst von Sachsen, Leo X.
1519 den Kurfürsten Friedrich den Weisen
und den Cardinal Albrecht von Mainz »ztm
besunder Ere<f der löblichen Stiftskirche zu
Halle, deren Heiligthumsbuch (Gang I. l)
eine Abbildung der goldenen Rose enthält
(verkleinert wiedergegeben Fig. 109). Auch
der Dom zu Basel besass nach No. 21 des
Schatz Verzeichnisses von 1511 (Mittheil, der
Gesellsch. für vaterländ. Alterth. in Basel
IX, 2 1 ) eine » Hosa aurea, cum triginta octo
foliis , quinque parvis rosis , duobus nodis et
tribus clipeis i( aus geschlagenem Golde. —
Davon, ob sich irgendwo eine goldene Rose
aus dem M. A. bis auf unsere Zeit erhalten
habe, verlautet nichts, ein Exemplar, an-
geblich aus dem XVII. Jahrh. , dem Her-
zoge von Lucca gehörig, befand sich im J.
1855 bei einem Goldarbeiter in Dresden
(Deutsches Kunstbl. 18iS5 S. 119 u. 166).
7. Cdt^eskasten, gewöhnlich mit Eisen beschlagene, ausgehöhlte
Eichenstämme, hie und da Tezelskasten genannt, z. B. in den Domen
von Magdeburg , Naumburg und Ulm, in den Nicolaikirchen zu Jüterbog
und Beelitz bei Potsdam etc.
8. Qdtsenbililer wurden zuweilen in solchen Kirchen, die an dem Ort
zerstörter heidnischer Heiligthümer errichtet wurden (s. oben S. 14;, ent-
weder in den Fundamenten , oder über der Erde sichtbar in umgestürzter
Stellung als Siegeszeichen eingemauert : ein Suantevitsbild in der Kirche
von Altenkirchen auf Rügen , ein metallener wendischer Götze von dem
Abteigebäude zu Colbatz im vaterländischen Museum zu Berlin. *) — Im
Museum zu Trier befindet sich der antike Marmortorso einer Diana oder
Venus, welcher ehedem, neben der Klosterk. zu St. Matthias auf einer
rohen Steinbasis aufgepflanzt und später auf dem angrenzenden Kirchhofe
in Ketten aufgehöngt, zur Zielscheibe für die Steinwürfe der Wallfahrer
diente. *i — Dagegen haben die in Niedersachsen in den Kirchen vor-
Fig. 109. Goldene Rose (nach dem
Halli^chen Heiligthumsbuchc).
1) Ueber heidnische Bildwerke in christl. Kirchen: Piper, Mythologie der
Christi. Kunst. 1, 4Sfr.
2) Florencourt, W. Ch. v., der gesteinigte Venustorso zu St. Matthias bei
Trier 'nebst Abbild.) in den Jahrbüchern des Vereins von Alterthum^freunden im
Rheinlande XIU. S. 12S-140.
252 Verschiedene
kommenden sog. Götzenkammern mit dem Heidenthume durchaus
nichts gemein , und heissen im Volksmunde nur deshalb so ; weil die in
diesen kirchlichen Rumpelkammern zusammengeworfenen Heiligen- etc.
Figuren von zerstörten alten Denkmälern dem evangelischen Volke als
Ueberbleibsel der mittelalterlichen Bilderverehrung galten und wegen ihrer
zum Theil monströsen Formen hin und wieder selbst fttr heidnische
Götzenbilder gehalten werden, wie dies z. B. zutrifft bei den in der
Marienkirche zu Berlin befindlichen geschnitzten Evangelistenstatuetten
aus dem XV. Jahrb., denen statt menschlicher Köpfe die ihrer aus dem
Thierreiche entnommenen Symbole (Löwe, Stier und Adler) gegeben sind.
9 . Reillge draber, statuarische Gruppen, die Grablegung Christi dar-
stellend, welche in den drei letzten Tagen der Charwoche in Trauer aus-
gestattet wurden; entweder in den Kirchen selbst (Maria auf dem Capitol
in Cöln ; St. Gangolf in Trier ; St. Martin in Münstermaifeld ; Pfarrkirche
zu Andernach; Kathol. Kirche zu Remagen; Kirche zu St, Wendel:
Liebfrauenkirche in Trier vom J. 1530; Dom zu Mainz, abgebild. in
Photogr. bei Emden u. Wetter, der Dom zu Mainz Taf. 25; Münster
zu Freiburg i. Br. ; Marienkirche zu Reutlingen, abgebild. in den Jahres-
heften des würtemb. Alterthums Vereins IV. Bl. 3; aus der Stadtkirche
in Chemnitz von 1480 im Museum des Grossen Gartens in Dresden und
in der Frauenkirche zu Zwickau von 1507 (beide letztere in Schnitz werk,
sämmtlich spätgothisch) oder in besonderen Heil. Grabkapellen (zuSchlett-
stadt; auf dem Johanniskirchhofe zu Nürnberg von 1507, abgebild. bei
Wolff, Nürnbergs Gedenkbuch Taf. 89; vgl. oben S. 18). Das heilige
Grab zu Görlitz von 1489 (Abbild, bei Puttrich, Denkm. IL Serie
Görlitz Bl. 5) ist eine Nachbildung des Originals zu Jerusalem als Keno-
taphium ohne statuarische Ausstattung. — Vgl. über die heiligen Gräber
der Charwoche, im Kirchenschmuck (1862) VI. 5, I ff.
10. Reuige Stiegen^ wohl erst seit dem Ausgange des M. A. beson-
ders an Wallfahrtsorten vorkommende Nachbildungen der aus 28 Mar-
morstufen bestehenden Scala santa beim Lateran in Rom, welche aus jener
Treppe erbaut sein soll , die in Jerusalem zu dem Richthause des Pilatus
hinauffahrte. Die Stufen sind mit einem Kreuze bezeichnet und werden
von den Gläubigen auf den Knieen imter Gebeten erstiegen; oben ist
eine Passionsdarstellung angebracht (in der Kirche zu Graupen in Böhmen
z. B. die Ausstellung Christi, in vielen lebensgrossen bemalten, in Holz
geschnitzten und auf drei Altanen aufgestellten Figuren) , und eine zweite
Treppe führt wieder hinab.
11. Kanne ^ aus Elfenbein geschnitzt, wurden im früheren M. A.
bis ins XIII. Jahrb. in den Kirchen gebraucht, um das Haar des ponti-
ficirenden Geistlichen vor der Messe zu ordnen , und nach dem Schatz-
verzeichnisse der Ecclesia Sarum in England vom J. 1222, wo es heisst:
» Pectines ehumeae V. exceptis Ars qtiae sunt ad altaria, « gewinnt es den
Anschein , als ob zu jedem Altare ein solcher Kamm als Inventarienstück
gehört habe. Auch bei der Consecration der Bischöfe kam ein reich ver-
zierter Elfenbeinkanim in Anwendung, um nach der Salbung des Hauptes
mit Chrisam das Haar wieder zu ordnen. Dieser Consecrationskamm
verblieb den Bischöfen als Eigenthum und wurde ihnen nach ihrem Ab-
Gegenstände.
253
Fig. 110. Der sog. Bartkamm K. Hein-
richs I. in Quedlinbui^ (nach Kugler).
leben mit ins Grab gelegt, wie dergleichen Kämme auch in deutschen
Bischofsgräbem gefunden worden sind : der Kamm Erzbischofs Anno von
Cöln (i 1075) in der Abteikirche zu Sieg-
burg ^jetzt aufbewahrt in der Stadtpfarr-
kirche daselbst) ; der Kamm Bischofs Benno
von Osnabrück (f lOSS) in der Abteikirche
zu Iburg. Anderweitig scheinen auch die
Kämme ausgezeichneter Personen nach
deren Tode zu ihrem Andenken in den
Kirchenschätzen aufbewahrt worden zu
sein ; es haben sich erhalten ein angeblich
von Karl dem Grossen herrührender Kamm
im Dome zu Osnabrück , der sog. Bart-
kamm König Heinrich's I. im Zither der
Schlosskirche zu Quedlinburg (abgebild. bei
Kugle r, KL Schriften 1, 633), der Kamm
des heil. Ulrich (f 973) in der Kirche St.
Ulrich und Afra in Augsburg (abgebild. bei
Sighart, Gesch. der bild. Künste I, 108),
der Kamm der heil. Kunigunde im Dom-
schatze zu Bamberg (abgebild. bei Becker
und V. Hefner- Alteneck, Kunstw. u.
Geräthschaften Bd. l Taf. 28), der Kamm
der heil. Hildegard (f 1 179 ; abgebild. bei
V. Hefner-Alteneck, Trachten etc. I. Taf. 38). — Abbildungen von
zwei Elfenbeinkämmen im Stadt. Museum zu Cöln bei Bock, das heil.
Köln. Taf. XLm. 121 u. XLIV. 122; andere spätere bei Becker und
V. Hefner a. a. O. Bd. 3 Taf. 13 u. 33. — Diese Kämme, stets mehr
hoch als breit , haben entweder nur eine oder zwei Reihen lange , enger
oder weitläufiger gestellte Zähne. Bei den Doppelkämmen ist das Mittel-
stück, bei den einfachen der obere, gewöhnlich lyraförmig doppeltgehörnte
Griff mit antikisch - agonis tischen , biblischen oder erotischen Flachreliefs,
zuweilen auch nur mit Ornamenten geschmückt : der Quedlinburger Kamm
ist am Griff mit ausgeschnitztem naturalisirendem Ranken - und Blätter-
werk und Einfassungen von Gold und Edelsteinen reich verziert und viel
jünger als die Zeit Heinrichs I. — Vgl. Bock, Fz., das heilige Köln zu
No. 121 u. 122. — Bretagne, Recherches sur les peignes liturgiques
im Bulletin monumental (3. Serie. T. 6) Vol. 27 No. 4.
12. Kreaie von vier gleichen Schenkeln, in einen Kreis gezeichnet,
in bunten Farben innerlich an die Wände der Kirchen angemalt und von
decorativem Charakter, sind die Zeichen der bischöflichen Weihe; vergl.
oben S. 130. — Eine farbige Abbild, der in der Marienkirche zu Röbel
im Meklenburgischen befindlichen stilisirten W^eihekreuze aus dem XIII.
Jahrb. (hochroth auf weissen Scheiben mit rothen und blauen Blattver-
zierungen) s. in der Zeitschr. für Bauwesen (1852) Jahrg. II. Bl. 55.
Fig. III.
13. Krippen > in Hochrelief geschnitzte und bemalte Darstellungen
der Geburt Jesu , der Anbetung der Hirten imd der Weisen , welche in
254 Verschiedene
der Weihnachtszeit ausgestellt wurden; ein Krippchen (6 F. hoch, 4 F..
breit) in der Klosterkirche zu Berlin beschreibt Bellermann, J. Joach.,
das graue Kloster in Berlin 1, 43 fF., und in der Klosterkirche zu Marien-
feld bei Gütersloh befindet sich ein solches in Metallguss.
14. Llchtpntzen werden von Dura ndus f Rationale 1. 1 c. 3 n. 28. 29)
unter den kirchlichen Geräthschaften erwähnt : nEmunctorta sive forcipes,
quorum gemino denie componitur ignis, ad emungendum Igchnum,« und als
dazu gehörig : » Vasa, in quibt*s emuncti lychni exttnguuniura.
15. Haasse und andere öffentliche Bestimmungen finden sich zuwei-
len figürlich an den Kirchengebäuden verzeichnet und durch Inschriften
erläutert; z. B. sind an der Vorhalle des Münsters zu Freiburg i. Br.
die Brotmaasse von 1270, 1317 und 1320, sowie Normalmaasse der
Elle, der Klafter, der Kohlen , der Ziegel und ein Jahrmarkts verzeichniss
eingegraben und an der Kirche zu Engen im Badischen ebenfalls ver-
schiedene Normalmaasse : r>der stat buty der etat khfter^^ auch an der Ost-
seite der Pfarrkirche zu Culm in Preussen.
16. Oelberge d. h. Christi Leiden, in Gi-uppen oft lebensgrosser
Steinbilder, von Gethsemane an bis zur Kreuzigung, Grablegung und
Auferstehung ; gewöhnlich in Nebenräumen oder ausserhalb der Kirchen,
und zwar, soweit bekannt, .sämmtlich aus dem XV. und XVI. Jahrhundert.
Bewundert waren die nicht mehr vorhandenen Oelberge auf dem Münster-
platze zu Ulm von 1474 (erweitert 1516 — 1518; in den -letzten Resten
1807 weggeräumt) imd in der Mitte des Kreuzgartens am Dome zu
Speier von 1509: beide mit architektonischem Beiwerk. Erhalten haben
sich die Oelberge zu Xanten (auf dem Hofraume bei St. Victor 1536;
abgebild. bei aus'm Weerth, Kunstdenkm. I. Taf. XIX. 4 — S), Worms
(in der Sacristei des Domes einzelne Figuren) , Warburg (zwischen zwei
Strebepfeilern am Chor der Johanneskirche), Donauwörth (nördlich neben
dem Thurm der Hauptkirche) , Landshut (am Aeussem der Martinskirche
zwei Reliefs), Wasserburg, Wang bei Moosburg (von 1478», Regensburg
(im Dom , St. Emmeram und Obermünsterj , Klosterneuburg (Holz-
sculpturen in der Stiftskirche), Knittelfeld (am Chor der Pfarrkirche,
ebenfalls in Schnitzwerk) , Nürnberg (neben der Brautthür der Lorenz-
kirche) ; seltener in Norddeutschland : in Wittenberg oben am östlichen
Giebel der Stadtkirchej , Merseburg (in der Vorhalle des Domes, nur noch
der Berg) etc. — Oelberge gehören wie die Calvarienberge und die heil.
Gräber auch zu den Stationen; s. diese.
17. Opferstöcke ^ eine Art von verschlossenen Kästen oben mit einer
Oeffnung zum Einlegen von Almosen, vor den Thüren der Kirchen,
Hospitäler etc. Oft ist es nur ein ausgehöhlter, oben mit Eisen beschla-
gener in die Erde gegrabener Baumstamm oder Pfahl; zuweilen jedoch
sind die Opferstöcke auch aus Stein und künstlerisch omamentirt z. B.
in der Sacristei der Frauenkirche zu Jüterbog , in der Klosterkirche zu
Eschau bei Strassburg, beide aus dem XVI. Jahrhundert.
18. Passi«B8Saalea sind Darstellungen der Säule, an welcher Christus
gegeisselt wurde : der Schaft ist mit den Marterwerkzeugen und sonstigen
Emblemen des Leidens Jesu verziert, und oben auf der Säule sitzt insge-
Gegenstftnde.
255
mein der Hahn Petri. Eine Passionssäule in bemaltem Schnitz werk in
der Krypta des Doms von Braunschweig, abgebild. bei Görges, Be-
schreib, vom St. Blasius-Dom in
Braunschweig Taf. IV.
19. Pr«€essUii8gerätke verschie-
dener Art: Vortragekreuze frrw-
ces processionales) *), welche auf einer
hohen, oben in einem Knauf enden-
den verzierten Stange [Aasta, hastile)
befestigt, den Processionen vorange-
tra gen werden . Durandus, Ratio-
nale 1. 4 c. 6 n. IS: nCrux ergo
quasi regale vexillum et triumphale
Signum in processionibus praemitti-
tur.u — Die ältesten und kostbarsten
Exemplare aus dem X. u. XI. Jahrh.
befinden sich im Schatze der Mün-
sterkirche zu Essen und sind bei
aus'm Weerth, Kunstdenkm. II.
Taf. XXIV — XXVI. in grossem
Maasstabe in Farbendruck abgebil-
det (s. oben S. 117 Fig. 44) ; andere
etwas jüngere in der Reliquienkam-
mer auf dem Schlosse zu Hannover.
Abbildungen von Processionsk reu-
zen des XII — XVI. Jahrhunderts
aus verschiedenen Kirchen Cölns bei
Bock, das heil. Köln Taf. III. 11,
IX. 35. 37, XX. 77, XXVI. 104,
XXXIX. IU9, XL. 113.
Fahnen (vexilla) . — Der Ge-
brauch von Fahnen bei den Bitt-
gängen wird von Durandus (1. c.
1. 6 c. 102 n. 8) auf das Labarum
Constantins des Grossen zurückge-
führt: » Quod vero cruces et vexilla portantur, a Constantino sumpsit ec-
clesia j qui cum in somnis crucis signum vidisset, eique dictum Juisset :
Vinces in hoc signo y jussit cruces in vexillis hellicis insigniri.u — Die
Kirchenfahnen entsprechen der Form nach im Wesentlichen der Beschrei-
bung, welche Eusebius (de vita Constantini 1. l c. 31) von dem Laba-
rum gegeben hat : an einem langen Stabe ist eine Querstange befestigt,
von welcher das viereckige (unten in drei Spitzen ausgezackte) Fahnen-
tuch herabhängt ; letzteres ist mit einem gestickten oder gemalten Kreuze
oder Heiligenbilde geschmückt. Der Gebrauch dreieckiger oder solcher
Fahnen , die wie die Kriegsfahnen nicht an einem Querstabe , sondern an
der Fahnenstange selbst befestigt sind , ist im römischen Rituale unter-
Fig. 111. PassioDSfiftule im Dome zu Braun-
schweig (nach Giyrges).
\) Ueber die Verwendung der Vortragekreuze als Altarkreuze 8. oben S. 1 14.
256 Verschiedene
sagt; vgl. Jakob, die Kunst im Dienste der Kirche S. 160. — Einige
bemalte Processionsfahnen aus Penig , der Zeit um 1500 angehörig , be-
finden sich im Museum des Grossen Gartens in Dresden ; andere ältere
in der Kirche zu Lüne bei Lüneburg.
Baldachine, Traghimmel , wenn auch wohl schon viel früher bei
feierlichen Aufzügen, Leichenbegängnissen etc. vorkommend, scheinen
jedoch zugleich mit den Fronleichnamsprocessionen erst in allgemeine Auf-
nahme gekommen zu sein, wobei die leitende Idee von den Ciborienaltären
hergenommen worden sein könnte. Der Name Baldachin (baudekynus : ^
übertragen vom it. Baldacco = Bagdad, woher ursprünglich der dazu ge-
brauchte, aus Goldföden und Seide gewebte Stoff kam (vgl. Diez, Wör-
terb. der roman. Spr. S. 39). — Die mittelalterlichen Traghimmel, wie
Durandus, Rationale 1. 4c. 6n. 11. 12') dieselben beschreibt, und
wie sich aus Malereien (z. B. aus der colorirten Federzeichnung eines
jüdischen Baldachins in der Chronik des Ulrich von Reichenthaler vom
J. 1417 auf dem Rathhause zu Constanz; Abbild, bei v. Hefner-
Alteneck, Trachten Abth. IL Taf. 23) ergiebt, bestanden (ohne das
erst späterer Zeit angehörende feste Gestell) nur aus einem viereckigen
Tuche, das zuweilen rundherum mit herabnängenden Zotteln besetzt, mit
den vier Zipfeln an leichten Stangen befestigt war. Die Farbe des Bal-
dachinstoffes scheint meist roth gewesen zu sein: das Inventarium der
Londoner Paulskirche von 1275 fahrt drei Traghimmel an, von denen es
zwei als »purpureia und den dritten, obwohl von einem Leichenbegäng-
nisse herrührend, als ^yrubeusn bezeichnet. — Cardinal Albrecht von Mainz
schenkte 1540 dem dortigen Dome drei reich gestickte, mit Edelsteinen
und Perlen geschmückte » Himmeln aus rothem Goldstoff, von denen der
eine, 10 Schuh lang und 9 Schuh breit, von sechs vergoldeten Stangen
getragen, und auf IbOOO Gulden geschätzt wurde. — Vgl. Bock, Fz.',
der Baldachin (Processionshimmel) in seinem Ursprimg, seiner Form und
Bedeutung, im Organ für christl. Kunst 1862 No. 19. 21 — 23.
Bahren i/eretra) zum Tragen der Reliquiensärge und Gnadenbilder.
Vgl. oben S. 145.
Tragleuchter, nach Cölner Mundart T o r t s c h e n (ital. torcia s^
Fackel), Stäbe, oben mit Lichtteller und Kerzenstachel, zuweilen in be-
maltem Schnitz werk ausgeführt: ein 4^/4 F. hoher Processionsleuchter,
an dessen sechseckigem mit Zinnen und Mauerthürmen (s. oben S. 125'
geschmücktem Obertheil aus Blech zwei Engel schweben mit Kreuz und
Domenkrone, in der Abteikirche zu Gladbach ; ein anderer, grösserer mit
Tabernakelaufsatz , in welchem ein Marienbild , in der heil. Geistkapelle
zu Wismar — beide abgebildet im Organ für christl. Kunst 1856 , artist.
Beil. zu No. 3. — Zwei gegen 6 F. hohe, zierlich geschnitzte, bemalte
und vergoldete Kerzenhalter (XV. Jahrh.) aus Penig im Museum des
Grossen Gartens zu Dresden ; ebendaselbst auch ein , eine gewundene
1 ) » Quatuor tnittistt-i super pontificem majjptUam Jferun t in eummitatibue quatnor
haculorum colligatOf et inde ipsi mtnistri mappularü nuncupantur: mappula xUa
diversis ßgurata est imaginibus, — In summttatibtis baculorum imagines quatuor
evangelisiarum collocantur,«
Gegenstände. 257
Säule bildender, oben eine Heiligenstatue tragender Wallfahrtstab
aus der Kirche in Boda bei Frohburg vom Ende des XV. Jahrhunderts.
Äehnliche zum Theil mit Bildwerk geschmückte Stangenleuchter im Dome
zu Lübeck und in der Johanniskirche zu Lüneburg, vier Processions-
stangen auch in der Stadtkirche zu Jena.
20. Karitätei^ besonders naturgeschichtliche, s. oben S. 160.
21. ScU^sserarbeiteij oft gleich ausgezeichnet durch Künstlichkeit
der Arbeit , durch geschmackvolle , stilgemässe Muster , wie durch Be-
malung und Vergoldung. Vgl. Hefner- Alteneck, J. v., Eisenwerke
oder Ornamentik der Schmiedekunst des M. A. und der Renaissance
1861 etc., auch Am^, E. , Ferronnerie du moyen-äge, in den Annales
arch^ol. (1854) 14, 304 sqq. — Ausser Lichtträgern verschiedener Art
(s. oben S. 119 — 122 und 130) und anderen Utensilien kommt hier
namentlich in Betracht das Gitterwerk vor Hallen im Innern der Kirchen
(z. B. im Dome zu Magdeburg vor der Kapelle unter den Thürmen, vom
J. 1498; Abbild, bei Statz und Ungewitter, Gtoth. Musterbuch Taf.
57 u. 58) und von Thüren an kirchlichen Nebenräumen und Schreinen.
(Vgl. die Abbild, von Gitterwerken aus Fritzlar, Immenhausen und Ander-
nach ebd. Taf. 55 Fig. 11—18, aus Marburg ebd. Taf. 12 Fig. 12. 13,
vom Sacramenthäuschen im Dome zu Meissen ebd. Taf. 56 Fig. 1 — 8,
vom Sacramenthäuschen im Dome zu Fürstenwalde bei Kallenbach,
Chronologie etc. 2. Taf. 21). Ferner die zuweilen mit gefärbtem Leder,
Tuch, Papier etc. unterlegten Eisenbeschläge hölzerner Thüren (s. oben
S. 67), welche die letzteren oft ganz überziehen. Man sehe die polychrome
Abbild, des abwechselnd mit rothem und blauem Pergament unterlegten
Beschlages der Sacristeithür aus dem XV. Jahrh. in der Pfarrkirche zu
• Brück a. d. Mur in den Mittelalterl. Kunstdenkm. des Österreich. Kaiser-
staates Bd. 1 (S. 150 Fig. 4) Taf. XXI. u. XXII. und die Abbüd. der
Beschläge an Thüren der Kirche zu CoUin, der Pfarrkirche zu Brück, der
Friedhof skapeUe und eines Schrankes in der Sacristei daselbst a. a. O.
S. 14S ff.; an einer Thurmthür der Liebfrauenkirche zu Wiener-Neustadt
a. a. O. Bd. 2 S. 188; mehrere Thürbeschläge aus Gestenreich u. d.
Enns u. Steiermark in den Mittheil, der k. k. Central-Commission (1859)
4, 104 u. 137, aus Krakau ebd. (1857) 2, 305. Die Hauptthür der
Pfarrkirche zu Boppard ist bei der Restauration im J. 1841 vernichtet
and durch moderne Tischlerei ersetzt; eine Abbild, des ehemaligen roma-
nischen Beschlages bei Moller, Denkm. Bd. III. Taf. 21. — Im Dome
zu Magdeburg ein Wandschrank , dessen Thür über einem Ueberzug aus
rothem Pergament ganz mit schön gezeichnetem Laubwerk überkleidet
ist; s. den aus der Zeitschr. fdr christl. Archäol. u. Kunst 1 , 233 ent-
nommenen Holzschnitt Fig. 112. — Abbildungen von Thürbeschlägen
von St. Elisabeth in Marburg bei Statz und Ungewitter a. a. G.
Taf. 51 u. 52 Fig. 1—6, von der Schlosskapelle daselbst Taf. 49 Fig. 1
u. Taf. 53 Fig. 1—3, vom Dome zu Erfurt Taf. 11 Fig. 1—3 u. Taf.
52 Fig. 7 — 9, aus St. Severi daselbst Taf. 10 Fig. 4. 5. 10, von meh-
reren Kirchen in Mühlhausen Taf. 49 Fig. 6 — 8 u. Taf. 53 Fig. 7 u. 9,
von der Kirche in Schmalkalden Taf. 1 0 Fig. 3 , von einem Schrein in
Andernach Taf. 53 Fig. 5 u. 6, von verschiedenen hessischen Werken
0 1 1 e , Kuntt- Archäologie. 1 7
258
Verschiedene
Taf. 11 Fig. 8, Taf. 12 Fig. 1 — 7. 9—11, Taf. 49 Fig. 2—4, Taf. 53
Fig. 1—4, Taf. 54, aus Fulda Taf. 55 Fig. 8. 9, aus dem Dome in
Magdeburg Taf. 50 Fig. 1 u. Taf. 53 Fig. 8, aus dem Dome in Meissen
Fi^. 112. TbUr eines Wandschrankei im Dom zu Magdeburg.
Taf. 49 Fig. 5, Taf. 50 Fig. 2 — 5, aus der Wiesenkirehe in Soest Taf.
10 Fig. 6. 7; Kast^nbeschläge aus St. Elisabeth in Marburg Taf. 59
Fig. 1 (kupferne ebd. Fig. 2) und verschiedene Schlosserarbeiten Taf.
7—9, Taf. 55 Fig. 1 — 7 u. 10. — Beschläge von dem Tabemakel-
schrein in der Kirche zu Bernau bei K u g 1 e r, Kleine Schriften 1 , 116. —
Ein Schlüssel von Bronze aus dem XII. Jahrb., mit drei männlichen Ge-
stalten verziert , hat sich in der Elisabethkirche zu Marburg erhalten und
ist abgebildet bei Becker u. v. Hefner-Alteneck, Kunstwerke etc. I.
Taf. 64.
22. Stationen d. i. Stillstandsorte der Wallfahrten und Processionen
in abgemessenen Entfernungen , bezeichnet durch Bildwerke, welche ein-
zelne Vorgänge aus dem Leben, namentlich aus der Leidensgeschichte
Jesu zur Anschauung bringen ; oft in Verbindung mit den Calvarienbergen
Gegenstände. 259
(s. oben No. 4) . Die berühmtesten Stationen sind die in Nürnberg am
Wege vom Thiergflrtnerthor bis auf den Johanneskirchbof : sieben Stand-
säiüen mit Reliefs von Adam Kraft um 1490, den Leidensweg Christi
bezeichnend (restaurirt; vgl. die Abbild, bei Wolff, Nürnbergs Gedenk-
buch Taf. 81— 88).
23. Steiikrenze im freien Felde bezeichnen oft die Stelle ^ wo ein
Mord verübt worden (oder jemand plötzlich verstorben) ist , und mussten
von den Todtschlägem zur Sühne errichtet werden» z.B. vor dem westlichen
Eingange der Marienkirche zu Berlin, wo 1335 der Propst Nicolaus von
Bernau vom Volke erschlagen wurde. Viele Beispiele solcher Kreuze bis
zum J. 1596 (das älteste datirte von 1350) bei Waldmann, H. , über
denthüring. Gott Stuffo (Heiligenstadt 1857) S. 99ff; vgl. auchBösigk,
Fz. L., über Mordkreuze, in den Mittheil, des k. Sachs. Vereins für
Erforsch, vaterländ. Alterth. 1857 Heft 10. — Walthierer, Stein-
kreuze, von Todtschlägem zur Sühne errichtet (Beispiele von 1436 und
1463], im Anzeiger des german. Museums 1860 Sp. 207. — Eine Ab-
bild, des dem Herzog Friedrich von Braunschweig 1400 bei Fritzlar er-
richteten Kreuzes bei Steinruck, disqu. bist, de Frid. duce Brunsv. et
Luneb. anno 1400 haud procul Fritzlaria caeso. Marb. 174 3. — In den
Gegenden, wo sich solche Kreuze finden (im Hohensteinischen, bei Wetz-
lar, in Westfalen, Franken, Oberpfalz, Altbayem, Schwaben) führen
dieselben oft den Namen ^^ Schwedenkreuze ^ , nach dem Volksglauben zur
Bezeichnung solcher Stellen, wo im 30jährigen Kriege Gefallene ein ge-
meinsames Grab gefunden hätten. — In mitten der Vorstadt Neumarkt
bei Jüterbog steht ein sehr altes (ursprünglich 3 Ellen hohes) Granit-
kreuz, der Localsage zufolge an einer Stelle, wo ehemals heidnische Sacra
gefeiert wurden , und daselbst zum Andenken an die Einführung des
Christenthums im XII . Jahrh. errichtet.
24. Teppiche fanden in den mittelalterlichen Kirchen ausgedehnte
Anwendung , nicht bloss als Vorhänge vor Thüren [vela januarum) und
Fenstern [panni; s. oben S. 68.) , als Rücklaken und Sitzkissen {dorsalia,
bancalia; oben S. 198) in den Chorstühlen, oder statt der Scheidewände
des Chores {^velum inter clerum et populum(i bei Durandus, Rationale
1. 1 . c. 3 n. 35), zu beiden Seiten der Altäre (»cortinae in utroque latere
altariaa, welche in manchen Kirchen während der Secreta in der Messe
vorgezogen wurden, nquae tunc extenduntum und den Priester »quask ver-
hüllten; ebd. 1. 4 c. 39 n. 1, vgl. oben S. 104) , sondern auch zum Be-
hängen der Wände und Pfeiler bei festlichen Gelegenheiten (ocortinae in
/esiivitaiibus propter omaiumd ] ebd. 1. l c. 3 n. 39) und in der Fasten-
zeit vor dem Sanctuarium {welum, quod sacrarium aclero divideh; ebd.
n. 35) als Fastentücher (cortinae quadroffestmales) zur Erinnerung an
den Vorhang im Tempel zu Jerusalem. Ausserdem erwähnt Durandus
(ebd. n. 23) auch der Fussdecken: tu Substratoria , quae pedibus subsier-
nuniur, « und der Fussteppiche : » Tapetia sunt panni, qui pedibus subster-
nuntur.it — Im früheren M. A. bezog man die Teppiche aus dem Orient
(cortinae Alexandrinae, Tyriae; vela Byzantea, Syrica) , die dann später
auch im Abendlande, in Palermo unter den Normannen zuerst durch
sarazenische und byzantinische Arbeiter, nachgeahmt wurden : diese kost-
17*
260 Verschiedene
baren Seidengewebe waren oft mit symmetrisch (in kreisrunden Einfas-
sungen, daher pallia scutellaia, rotata) geordneten Tbierfiguren gemustert
(£iephanten, LOwen, Pfauen, Papageien, Adler, EinhOmer, Greife;
daher vela leonata , aquilata etc, ) . Seit dem Ende des X. Jahrb. wurden
Teppicbe in einzelnen (besonders französiscben und niederländischen)
KlOstem durch LaienbrQder, und später durch zünftige Handwerker, stets
aber auch in den Nonnenklöstern (aus Seide , Wolle , Zwirn auf einem
Aufzuge von starken Hanffäden} gewebt und zeigen figarliche Darstel-
lungen biblischen, symbolischen und profanen Inhalts. Diesen Webereien
schliessen sich die (auf grober Leinweind mit gezwirnter Wolle etc.)
von Frauenhand gestickten Arbeiten an. Auf Leinwand mit Leimfarben
gemalte Teppiche kommen frühestens erst seit dem XIV. Jahrb. vor.
Fast regelmässig sind die Teppiche (die orientalischen mit arabischen) mit
erläuternden oder anderen Inschriften versehen. — Ueber Gebrauch,
Stoffe, Technik und Bezugsquellen der Teppiche vgl. Jubinal, AchiUe,
Recherches sur l'usage et Forigine des tapisseries ä personnages. Paris
1840. — Bock, Fz. , Gesch. der liturg. Gewänder des M. A. 1856;
auch desselben Catalogus pannulorum hoiosericorum textura et antiqultate
memorabilium. Colon. (1859). — Springer, Ant. , Teppiche als Bild-
motive, in den Mittheil, der k. k. Central-^ Commission (1860) 5, 67 ff.
75 ff. — Schnaase, Kunstgesch. IV. l, 341.
Wie aus der Vergänglichkeit imd der oft schonungslosen Benutzungs-
weise der Teppiche erklärlich, ist aus dem früheren M. A. wenig erhal-
ten , das meiste jedoch in niedersächsischen ehemaligen Nonnenklöstern :
die romanischen (bereits oben S. 202 erwähnten) Rücklaken der Chor-
stühle des Domes zu Halberstadt (Christus und die Apostel, die Opferung
Isaacs, zwei Enden von etwa 43 F. Länge bei ungefähr Sy« F. Breite) ;
ein aus verschiedenen Bruchstücken zusammengesetzter orientalischer
Seidenteppich mit braun violetten Tbierfiguren und Palmetten auf gelbem
Grund aus der Zeit der Kreuzzüge, früher im Kloster Wienhausen, jetzt
»im Privatbesitz n (abgebildet bei Mithoff, Archiv für Niedersachsens
Kunstgesch. Abth. II. Taf. 9. 10) ; Theile eines gewebten Teppichs aus
der Zeit um 1200 mit der Vermählung des Mercurius und der Philologia
nach dem Dichter Marcianus Capeila (abgebildet bei Steuerwaldt und
Virgin, Kunstschätze im Zitterge wölbe zu Quedlinb. Taf. 36 — 40;
vgl. Kugler, Kl. Schriften 1, 63 5 ff.) in der Stiftskirche zu Quedlinburg;
femer im Kloster Wienhausen ein gestickter Teppich von 13X7 F. mit
der Geschichte von Tristram und Isolde nebst 37 Wappen, aus der ersten
Hälfte des XIV. Jahrb. (abgebild. bei Mithoff a. a. O. Taf. 6) ; zwei
ebenfalls dem XIV. Jahrb. angehOrige gestickte Teppiche , der eine mit
Jagdscenen, der andere mit Prophetenffguren (abgebild. a. a. O. Taf. 7),
das Bruchstück eines aus derselben Zeit stammenden mit alttestament-
lichen Scenen (abgebild. ebd. Taf. 2) und zwei gestickte Teppiche aus
dem XV. Jahrb. , der eine mit der Legende des Ap. Thomas (abgebild.
ebd. Taf. 8) , der andere mit der Geschichte der heil. Elisabeth (abge-
bildet ebd. Taf. 2). Auch finden sich noch Teppiche in den ehemaligen
Klöstern Heiningen (XIU. oder XIV. Jahrb.) , Ebsdorf (XV. und XVI.
Jahrb.), Lüne (1505 und 1506) , Weende und im Dome zu Halberstadt
Gegenstände. 261
(um !500) ; über den Kanzelteppich in Eisleben s. oben S. 207. — Die
Lorenzkirche in Nürnberg besitzt Teppiche aus dem XIV — XVI. Jahrh.,
die ältesten mit den Aposteln und der Legende der heil. Katharina ; die
dortige Sebaldskirche einen Teppich von 1497 mit der Geburt Christi und
vier Heiligen; die Elisabethkirche zu Marburg einen Teppich mit der
Geschichte des verlorenen Sohnes, aus der Zeit um 1400. — Der Katalog
des Erzbischöfl. Museums in Cöln (vom J. 1855) fahrt an (No. 102.
105 — 109) gewebte Teppiche aus St. Johann zu Cöln (Bruchstücke aus
dem Beginn des XVI. Jahrb.), ein Bruchstück mit der Fahrt der heil.
Ursula und einen grösseren Altarteppich mit Thier- und Pflanzen - Orna-
ment (beide aus dem XV. Jahrh. und Eigenthum des Museimis) , aus
Maria - Lyskirchen in Cöln (XVI. Jahrh.) , aus den Kirchen zu Nieder-
werth (XV. Jahrh.) und Kerpen (Stickerei aus dem XV. Jahrh.) — In
der bischöflichen Residenz zu Gurk ein Behang der Fensterbrüstung des
bischöflichen Oratoriums in der Schlosskapelle mit symbolischen Darstel-
lungen, aus dem XVI. Jahrhundert. — Interessant ist ein Teppich aus
dem XVI. Jahrh. im National - Museum zu Manchen (mit der Anbetung
der Könige) durch die kleine Darstellung einer Nonne, die einen Teppich
webt, welcher vor ihr der Höhe nach ausgespannt ist. — Unter den be-
malten Teppichen des späteren Mittelalters sind namentlich die Fasten-
tücher hervorzuheben. Der grosseste bekannte Teppich dieser Art ist
das Hungertuch^ welches zum Andenken an eine überstandene Hungers-
noth von dem Gewürzkrämer Jacob Gorteler zu Zittau in die dortige
Johanneskirche gestiftet wurde und sich jetzt im Museum des Grossen
Gartens zu Dresden befindet : eine grobe Leinwand mit Darstellungen aus
der biblischen Geschichte alten und neuen Testaments in 108 durch
deutsche Reime erläuterten Bildern. Vgl. Bösigk, L., Führer durch das
Museum etc. S. Soff". — Das Palmtuch in Güglingen. von 25X15 F.
aus dem XV. Jahrb., bemalt mit 60 biblischen Bildern; vgl. Kunstblatt
IS47 S. 200. — Viel älter ist die noch im romanischen Stil mit dem
Bilde der Maria und sechs Aposteln bemalte Leinwand in St. Aposteln
zu Cöln, angeblich das von Richmondis von Aducht (f 1350; gesponnene
Bahrtuch derselben, vielleicht aber ein Fragment eines grösseren Fasten-
tuches; vgl. Bock, das heil. Köln. St. Aposteln S. 8. — Auch im Mün-
ster zu Freiburg i. Br. ein Stück eines späteren Fastentuches.
25. T^dtenleHclitei sind hohle runde, vier- oder vieleckige Säulen
in der Mitte eines Kirchhofes , deren (zuweilen auf einer Treppe zugäng-
licher) oberer laternenartiger und mit einem Spitzdach gekrönter Aufsatz
zur Auftiahme eines n Arme- Seelenlichtes (n diente, welches zu Ehren der
Entschlafenen die ganze Nacht brennend erhalten wurde und den Friedhof
erleuchtete. — Petrus Venerabilis, de miraculis 1.-2 ; mObtinet
medium cimeterii locum airuciura quaedam lapidea, habena in 9ummitate
9ua quantitatem unius lampadia capacem, quae ob reverentiam ßdelium ibi
quieacentium toiia nociibua fulgure auo locum illum aacratum illuatrat.
Sunt et gradua , per quoa illuc aacenditur; aupraquea etc. Vgl. Lenoir,
Architecture monastique 2, 441. — Braun, über Todtenleuchten, ii^den
Annalen des histor. Vereins für den Niederrhein. Hft. 8 (1860). —
Riggenbach, Gh., über Todtenleuchten, Arme Seelen-Lampen, in den
262
Verschiedene
Mittheil, der k. k. Central -Commission (1862) 7, 228. — Essen-
wein, A. , über einige Todtenleuchten in Oesterreich , ebd. S. 317 bis
325. — Diese Kirchhofslaternen scheinen früher in manchen Gegenden
ziemlich allgemein verbreitet gewesen zu sein und blieben bis ins XVI.
Jahrh. beliebt , sind aber seitdem ausser Gebrauch gekommen imd meist
zu Grunde gegangen ; die Ältesten bekannten rühren aus dem XIII. Jahrh.
her. Als ältester Ueberrest einer Todtenleuchte wird angeführt ein in der
Mitte des Kreuzgartens am Dome zu Magdeburg befindlicher (vermuthlich
aus dem 1207 abgebrannten Ottonischen Dome herrührender) 6 F. hoher
Säulenschaft aus orientalischem Granit mit einer gegliederten sechseckigen
Deckplatte aus Sandstein , welche bedeutend ausladet und das ehemalige
Lichthäuschen trug , von dem nur noch
die fialenartige Bedachung vorhanden ist.
Todtenleuchten frühgothischen Stils auf
dem Kirchhofe zu Schulpforta (abgebildet
bei Pütt rieh, Denkmale II. Lief. Schul-
pforta Bl. 8) und neben dem Dome zu
Regensburg ; spätere mehrfach in West-
falen (auf dem Kirchhpfe vor Paderborn,
zu Salzkotten, Brakel, Delbrück, Schild-
esche, Oelde, Stromberg, Werl, Apler-
beck, beim Dome zu Münster, bei der
Bartholomäikirche zu Ahlen) ; zu Mühl-
hausen in Th. bei der Georgskirche: zu
Klostemeuburg vom J. 1381 (von einem
Bürger nach einer Pest gestiftet und wohl
das ausgezeichnetste Monument dieser
Art; 30 F. hoch, mit ^echs Hochreliefs
aus der Leidensgeschichte : abgebild. in
den Mittheil, der k. k. Central-Commis-
sion a. a. O. Taf. XV. zu S. 320), zu
Hainburg auf dem Dechanthofe (15 F.
hoch; XIV. Jahrh.), Gurk neben dem
Dome ( 1 5 F. hoch ; abgebild. bei Essen-
wein a. a. O. S. 320 Fig. 3), Brixen auf dem Domkirchhofe 1483
(10 F. hoch; ebd. Fig. 4), Schwaz bei Innsbruck (mit noch unterhalte-
nem ewigen Lichte; , Freistadt in Oberösterreich 1488 (30 F. hoch , ab-
gebild. a. a. O. S. 321 Fig. 5) , Penzing nächst Wien (26 F. hoch; ab-
gebild. ebd. S. 322 Fig. 6) ; ehemals im Kloster Klingenthal zu Basel
1520 (abgebildet bei Riggenbach a. a. O. S. 229 Fig. 1 ; vgl. oben
S. 92). — Von eigen thümlicher Construction ist die Todtenleuchte auf
dem Kirchhofe der Katharinenkirche zu Oppenheim (abgebild. ebd. Fig. 2),
welche mit dem dortigen, im XV. Jahrh. erbauten Karner dergestalt erker-
artig verbunden ist , dass das Tragsäulchen derselben , freistehend , auf
einer Console ruht und die Krönung der Laterne ebenfalls eine Vor-
kvagung bildet, während eine kleine Steintreppe im Innern der Kapelle
zu einer Maueröffnung führt, durch welche man das Licht an seinen Ort
setzen konnte. Dieselbe Einrichtung hat ein Lichtgehäuse an der Pfarr-
Fig. 113. Todtenleuchte zu Schulpforta
(nach Puttrich).
Gegenstände. 263
kirche zu Botzen (abgebild. bei Essen wein a. a. O. S. 324 Fig. 13),
welches indess keine öffentliche Kirchhofslaterne war, sondern eine Privat-
stiftung zu Ehren eines bestimmten einzelnen Grabes, wie dergleichen
Lichthäuschen Öfter als Angebäude an Kirchen vorkommen, z. B. mehr-
fach an St. Stephan in Wien (vgl. die Abbildungen ebd. S. 323 Fig. 1 1
u. 324 Fig. 12), an der Pfarrkirche zu Bingen (abgebildet bei St atz und
Ungewitter, Goth. Musterbuch Taf. I4t, 3 — 6) etc. — Ebenso sind
auch die Betsäulen (s. oben No. 2) zuweilen mit einer Vorrichtung zur
Aufnahme eines Lichtes verbunden.
26. Uhren. Zuweilen sind Sonnenuhren {solaria) an den Kirchen an-
gebracht, z. B. am Dome zu Regensburg aus dem J. 1487, am Münster
zu Strassburg, am Chor des Freiburger Münsters von 1502 u. a. m. —
Im Domkreuzgang zu Regensburg befindet sich eine aus dem Convent-
garten von St. Emmeram herstammende Säule von Granit mit einem
Astrolabium aus dem XIII. Jahrh. , womit wahrscheinlich eine Sonnen-
uhr verbunden war. Gleiche Bestimmung mag eine mit den personificirten
Monaten des Jahres (in zweimal sechs Statuetten über einander) verzierte
Sandsteinsäule aus dem XIV. Jahrh. gehabt haben, die bei der jüngsten
Restauration der Klosterkirche zu Nienburg a. d. 3. in der Erde liegend
gefunden wurde und jetzt in der Sacristei aufgestellt ist. — Mechanische
Uhren, welche durch ein Gewicht in Bewegung gesetzt werden , sollen
von dem berühmten Gerbert (f als Papst Sylvester II. 1003) erfunden
worden sein. Schlaguhren werden zuerst erwähnt in den um 1120 zu-
sammengetragenen Usages de Tordre de Ctteaux , wo dem Sacristan auf-
gegeben wird , die Uhr so zu regeln , dass sie schlägt und ihn vor dem
Frühgottesdienste weckt. Ausserdem wird vorgeschrieben , die Lectionen
80 lange fortzusetzen, bis die Uhr schlägt. Vgl. Pottier, Monuments
fran9ais in^dits 2, 29. Auch bei Job. Beleth, divini officii explicatio
c. 86, und nach ihm bei Durand us (Rationale 1. 1 c. 1 n. 35) werden
Schlaguhren in den Kirchen erwähnt : » Horologia, per quae horae hguntur,
id est colUguntur.a Das Zifferblatt war bis ins XVI. Jahrh. in 24 Stunden
getheilt ; darum die g a n z e, auch die grosse Uhr genannt. (Ein solches,
früher im Dome zu Magdeburg befindliches Zifferblatt ist seit dem Restau-
rationsbau nicht mehr vorhanden.) — Künstliche astronomische Uhren
erhielten das Münster zu Strassburg 1352 — 54, die Marienkirche in
Lübeck 1405 (an beiden Orten im XVI. Jahrh. durch neue Werke er-
setzt), die Marienkirche zu Danzig 1464 (von Hans Düringer), die
Klosterkirche zu Heilsbronn im XVI. Jahrh. (von Thomas Teichmann;
vgl. die Abbild . , nach einer alten Zeichnung , bei S t i 1 1 f r i e d , R . v . ,
Alterth. u. Kunstdenkm. des Hauses Hohen zollem. Neue Folge. Lief. 4.
Schlussvignette) . Letztere , im Schiff der Kirche aufgestellte Uhr bildete
einen Schrein mit spätgothischer Decoration und zierlicher Bekrönung.
Auf einem Sockel vor dem Schrein stand die Figur eines Löwen, auf dem
das Knochengerippe des Todes rittlings sass und stündlich mit einem
Knochen auf das Haupt des Löwen schlug, der dann brüllend die Zeit
angab. Ein noch complicirteres Werk solcher Art ist das weithin berühmte
Männleinlaufen am Michelschörlein der Frauenkirche zu Nürnberg,
verfertigt von dem Schlosser Georg Heuss mit in Kupfer getriebenen
264 Verscliiedene
Figuren von Sebastian Lindenast (1506 — 1509): Kaiser Karl IV. auf
dem Throne und vor ihm stehend ein Herold. Mit dem Schlage der
StuAde, die der Tod einläutete, setzten zwei Paar Hornbläser neben dem
Throne ihre Hörner an, aus einer Thür traten die sieben Kurfürsten her-
vor , zogen sich verneigend vor dem Kaiser vorüber und verschwanden
durch eine andere Thür. — Oeffentliche Thurmuhren wurden seit der
Mitte des XIV. Jahrh. allmählich eingeführt, und der Dom zu Magdeburg
erhielt eine solche 1396.
27. Y«ti?ge8clieike. Wie ehemals in den Tempeln heidnischer QOtter,
fand man bereits in den Märtyrerkirchen des christlichen Alterthums
(Theodoret. Opp. 4, 922; vgl. Neander, Kirchengesch. 2, 481) Nach-
bildimgen der Glieder , deren Heilung der Hilfe der Märtyrer verdankt
worden, aus Gold oder Silber als Weihgeschenke aufgehängt, und die
Sitte solche Votivgeschenke , häufiger aus Wachs als aus edlem Metall,
bei Gnadenaltären aufzuhängen, hat sich bis heute in der katholischen
Welt erhalten. Auf einem Flügelbilde des Sebaldialtars aus dem XVI.
Jahrh. in der Kreuzkirche zu Schwäbisch -Gmünd sind zwei Altäre dar-
gestellt, über denen an einer beweglichen Stange mehrere Füsse, ein Kopf
und ganze Kinderfigürchen hängen (Abbild, bei Laib und Schwarz,
Studien zur Gesch. des christl. Altars Taf. IX. 1.2). Bekanntlich aber
beschränkte und beschränkt sich die fromme Dankbarkeit nicht auf die
Dedication von Modellen erkrankter und geheilter KOrpertheile , sondern
errichtet ex voto Kirchen und Kapellen , Altäre etc. und stattet die Got-
teshäuser mit den verschiedensten Denkmälern und Schmuckgegenstän-
den aus.
28. Wfthrieiclieii sind allerlei Denkmale und Curiosa etc. in oder an
Kirchen und anderen öffentlichen Orten einer bestimmten Stadt, die jeder
reisende Handwerker gesehen haben musste , um sich über den Besuch
der betreffenden Stadt gehörig ausweisen zu können, z. B. die grosse
Glocke auf dem Dome zu Erfurt, das Kauermännchen am Domkreuzgange
zu Merseburg, den Grabstein mit dem auf dem Dudelsack spielenden
Esel im ehemal. Dom (jetzt im Museum) zu Hamburg, die Riesenrippe
in der Nicolaikirche zu Jüterbog, den auf Rosen gehenden Esel an der
Marktkirche zu Halle a. d. S., die sechs Töpfe über dem Eingange ziur
Krypta der Petri-Paulikirche zu Görlitz (angeblich als Erinnerung an den
früher an dieser Stelle abgehaltenen Topfmarkt) , die oben (No. 26) er-
wähnten automatischen Kunstuhren zu Nürnberg u. Heilsbronn u. a. m. —
Vgl. über Städte- Wahrzeichen, in der lUustrirten Zeitung 1857 No. 706 ff.
29. Wärniäpfel (poma cahfactoria), zum Erwärmen der Hände beim
Altardienste im Winter , sind hohle durchbrochene aus Metall verfertigte
Aepfel , in welchen sich ein Einsatz mit glühenden Kohlen oder heissem
Wasser oder einem glühenden Eisen befindet. Ein Inventarium von Laon
aus dem J. 1502 führt an; »Pomum argenieum, deauratum, foratum in
plerüque locis, habens receptacuhtm etiam argmteum, in quo solet poni fer-
rum candens, ad cakfciciendaa manus sacerdotis celebrantis tempore hye-
malLa Vgl. DeLaborde, Notice des emaux du musee du Louvre.
(Paris 1853) 2, 456, woselbst aus fürstlichen Schatzverzeichnissen des
XIV — XVI. Jahrh. noch mehrere Exemplare angeführt werden. Nach
Gegenstände.
265
F1|r. 114. Weihwatseretein Jn
der Klosterkirche tu Hcrren-
alb.*)
*) Nach einer gütig»t von Herrn
Perd. V. Uuatt milfetlieilten Zeich-
nang.
Bock, die Gteldschmiedekunst des M. A. S. 28 (Inhalt von Lief. IV. 24)
besitzt der Dom zu Halberstadt ein Calefactorium aus dem XIV. Jahrb.,
und auf der archäolog. Ausstellimg des Vereines Arcadia in Prag im
J. 1861. (Katalog No. 94 u. 95) waren zwei aus der dortigen Valentins-
kirche stammende , zierlich aus Erz gearbeitete und theilweise vergoldete
Wärmäpfel befindlich. — Eine andere Gattung von Calefactorien fClhrt
Durandus (Kationale 1. 1 c. 3 n. 30) an: uScutra, id est vasa aequalts
ampliludinis infundo et in ore ad calefaciendum facta. a
30. Weihwasserbecken aus Stein oder Metall, entweder in der Form
der Taufsteine (nur kleiner) oder consolenartig aus der Wand hervor-
tretend, an den Kirchthüren befindlich zur symbo-
lischen Reinigung der Eintretenden, erinnern an
die von Eusebius, Hist. eccl. 1. 10 c. 4 n. 16
als Sinnbilder der heiligen Reinigung (itgöiv xa-
^agaltav nvfAßoka) im Vorhofe der alten Kirche er-
wähnten Becken mit lebendigem Wässer («(^i^i^a«),
in welchen sich die Eintretenden vor dem Betreten
der Kirche die Fasse waschen mussten (Oifx ev&vg
i<prjx(if uvuyifOiq xai a^mroig ironi twp i'ydop ini^
ßaiiKvif dyloiif.), — Ueber die verschiedenen Be-
nennungen der Weihwasserbecken vgl. Kreuser,
Kirchenbau 1 , 185. — Wir nennen die romanischen
Weihwassersteine auf dem Kirchhofe zu Cham-
münster (aus Granit, mit figürlichen Reliefs), in der Kirche zu Wechsel-
burg (s. die Abbild, oben S. 206 in Fig. 84) , den wie eine Muschel
geformten in der Klo-
j^,^ [] ^ sterkirche zu Herrenalb
(Fig. 114) und die gothi-
schen im sfidlichen Kreuz-
arme des COlner Domes
(aus schwarzem Marmor) ,
rings um den Fuss eines
Pfeilers zwischen den Sei-
tenschiifen zunächst der
Sacristei des Münsters zu
Ulm (abgebildet im V.
Bericht des Vereins fttr
Kunst und Alterthum in
Ulm und Oberschwaben,
Taf. 2 [VII.]), in der
Klosterkirche zu Beben-
hausen, neben dem oben
S. 250 angeführten Brun-
nen im Regensburger
Dom (abgebildet bei Gailhabaud, die Baukunst etc. Bd. HI. auf
Taf. 17) etc. — In Beziehung auf den eines Fusses entbehrenden Granit-
stein im Pfarrgarten zu Coeselitz bei Cammin in Pommern (abgebildet in
der Zeitschr. für christl. Archäol. und Kunst 1,85, woher wir den
+
+
Fig. 1 15. Steinbecken bei CoeseUts.
266 Schlussbemerkung.
Holzschnitt Fig. 1 1 5 entlehnt haben) mag es (wie in manchen ähnlichen
Fällen) zweifelhaft sein, ob er als Tauf- oder Weihwasserbecken gedient
hat; für letzteres scheinen die nicht bedeutenden Maasse zu sprechen.
Schlnssbemerknng
aber Polychromatie und Restauration der mittelalterlichen Kirchen.
Die nüchterne, einfarbige Tünche, womit das Innere der meisten alten
Kirchen gegenwärtig überstrichen ist , war nicht der mittelalterliche Ge-
schmack : Pfeiler und Bögen , überhaupt alle aus Werkstücken errichteten
Theile blieben durchaus von Tünche befreit und zeigten den Stein in seiner
natürlichen Farbe ; nicht bloss das Blattwerk der Säulencapitäle wurde oft
(z. B. in der Predigerkirche zu Basel *)) vergoldet oder bunt geförbt, son-
dern auch die Portale mit ihren Bildwerken erhielten den Farbenschmuck ;
die Wandflächen waren gewöhnlich mit Malereien geschmückt, die getäfelten
Decken zuweilen bemalt (z. B. in St. Michael zu Hildesheim*)) und reich
gemustert. — Aehnlich verhielt es sich meist auch mit den aus gebrannten
Steinen errichteten Gebäuden : die Ziegel behielten ihre natürliche Farbe
(wie z. B. noch jetzt im Dome und in der Marienkirche zu Stendal, in der
Wallfahrtskirche zu Wilsnack , in der Klosterkirche zu Doberan etc.) , die
Gewölberippen wurden polychromatisch geförbt , nur die Kappen erhielten
einen Ueberzug von Putz und wurden zuweilen, aber selten, mit Gemälden
geschmückt (z. B. in den Marienkirchen zu Colberg und zu Herzberg a. d.
Elster). Im Meklenburgischen kommen indess auch Kirchen fz. B. die
Marienkirche zu Röbel ')) mit weiss oder roth geputzten Wänden vor, die
dann aber beziehendlich mit rothen oder weissen Linien gequadert sind, und
zwar grösser als das Format der Ziegel. — Im früheren M. A. war auch
die an byzantinische Vorbilder erinnernde Sitte beliebt , durch Verwendung
verschiedenfarbiger Steine in wechselnder Folge eine polychromatische Wir-
kung hervorzubringen. So ist z. B. die Facade der aus karolingischer Zeit
stammenden Durchgangshalle im Kloster Lorsch ganz mit einem Schach-
brettmuster aus rothen und weissen Marmortafeln mosaikartig bekleidet.
Auch die dem XI. Jahrh. angehörenden Theile des Domes in Trier und der
Michaeliskirche in Hildesheim zeigen in den Bogenstirnen einen regelmässigen
Wechsel rother und weisser Sandsteine , der sich in letzterer Kirche selbst
bis auf die Säulen (mit weissen Basen und Capitälen, mit rothen Schäften
und Kämpfern) erstreckt. — In Norddeutschland gehen bunt glasirte Ziegel-
steine (Wechselsteine in roth, schwarz und grün) als eigenthümliches
Ornament des Aeussern durch das ganze Mittelalter, und die glänzendste
Wirkung wurde z. B. an der Fronleichnamskapelle *) der Katharinenkirche
1) Abbild, in Farbendruck in den Mittheil, der Gesellsch. für vaterländ. Alterth.
in Basel VI. Taf. 6 u. 7.
2) Die Deckengemälde der St. Michaeliskirche in Hildesheim in Chromo-Litho-
graphie, bei Storch u. Kramer in Berlin, mit Text von J. M. Kratz.
3) Abbild, in Farbendruck in der Zeitschr. für Bauwesen (IS52) Ü. Bl. 55.
4) Ansicht in Farbendruck bei Adler, Mittelalter!. Backsteinbauwerke Heft II.
Taf. 14.
Schlussbemerkung. 267
zu Brandenburg (XV. Jahrh.) erzielt. — Anderweitig dienten zuweilen auch
Malereien zum Schmucke des Aeusseren der Kirchen wände ; in Norddeutsch-
land z. B. am Chore des Domes zu Breslau, an der südlichen Vorhalle der
Peterskirche zu Magdeburg etc. — Selbst die Dächer nahmen an der allge-
meinen Farbenpracht Theil : das Chordach des Domes von Cöln , mit einem
durchbrochenen Kamme auf dem Firste gekrönt, hatte eine Decke aus Blei,
die vermittelst flacher Zinnlöthungen mit vielfachen vergoldeten Zierrathen
und grossen Buchstaben, welche Verse auf die heil, drei Könige bildeten,
damascirt war. — In Süddeutschland kamen sehr häufig bunt glasirte Dach-
ziegel in Anwendung, z. B. an einem Theile von St. Stephan in Wien, in
Botzen, Colmar und Basel, auf dessen Münster die Ziegel ein Rautenmuster
bilden, das in grün, gelb, rothbratm und weiss abwechselt.
Wenn im M. A. Erweiterungen und Umgestaltungen älterer Gebäude
vorgenommen wurden , behielt man gern so viel als möglich das alte Mauer-
werk bei. So ist z. B. das gothische Schiff der Klosterkirche zu Schulpforta
eine Umgestaltung einer älteren Kirche romanischen Stils , in der Kloster-
kirche zu Doberan enthält das südliche Seitenschiff noch Reste einer alten
Rundbogenkirche, und in der Leonhardskirche zu Frankfurt a. M. erscheint
das kleine ursprüngliche Gebäude in das spätere grössere wie in eine Schachtel
eingeschoben. Als Beispiele geschickter mittelalterlichen Restaurationen sind
zu nennen : die Abteikirche zu Deutz, St. Severin und St. Andreas zu Cöln.
Eine der am häufigsten vorgenommenen Umänderungen ist die Vertauschung
der ursprünglichen flachen Holzdecken mit Steinüberwölbungen, z. B. im
Schiff von St. Maria auf dem Capitol zu Cöln, in der Liebfrauenkirche zu
Halberstadt (jetzt wieder mit Holzdecke) etc. Auch die Vergrösserung der
ursprünglichen Fensteröffnungen , ohne Rücksicht auf den ursprünglichen
Baustil, findet sich nicht selten, z. B. in der ELlosterkirche zu Echtemach
Oberlichter aus dem XIII., in Wänden aus dem XI. Jahi'h. ; minder häufig
scheint man mit Thüren Umwandelungen vorgenommen zu haben, z. B. ein
Portal aus dem XVI. , in der Giebel wand des nördl. Kreuzarmes aus dem
XIII. Jahrh. am Dome zu Merseburg. Als einzig in seiner Art ist der Umbau
der Klosterkirche zu Drübeck zu bezeichnen , wo die vorhandenen Stein-
capitäle der Arkadensäulen in verändertem Geschmack zwar, aber ebenfalls
noch in romanischem Stil mit Stuckblattwerk überzogen wurden. Bei theil-
weisen Neubauten verfuhr man in der Regel mit unbefangenster Rücksichts-
losigkeit, indem man den Stil des Vorhandenen nicht weiter beachtete,
sondern die neuen Anbauten etc. nach dem jeweiligen veränderten Zeitge-
schmack ausführte. Zuweilen Hess man selbst unfertige Details verschiedener
Stil weisen unbekümmert auf einander stossen , wie sich deutliche Merkmale
davon zeigen, z. B. im Westchor des Domes zu Naumburg a. d. S. , oder
an den Pfeilern der Vierung in der Klosterkirche zu Nienburg a. d. S. —
Von einer archäologischen Vorliebe für Conservirung des Alten finden sich
nur selten einzelne Spuren , z. B. die Nachbildung der ursprünglichen Säu-
lencapitäle des abgebrannten Ottonischen Domes zu Magdeburg bei dem
Neubau des Chores im XIII. Jahrh., oder die Wiederverwendung des roma-
nischen Bogenf^ieses an dem spätgothischen Langhause der Stadtkirche zu
Freiburg a. d. U. — Am wenigsten Werth scheint man auf vorhandene
ältere Wandmalereien gelegt zu haben : man übermalte dieselben bei Restau-
268 Schlussbemerkiuig.
rationen mit neuen — besseren oder auch schlechteren. Am häufigsten
wurden noch einzelne, mit merkwürdigen Bildwerken, Wahrzeichen etc.
versehene Steine conservirt. So findet sich z. B. an einer Ecke der Georgs-
kirche zu Tübingen ein Stein mit einem Löwen und einem Greif, und dar-
über die Inschrift : T»der stain lit an der dritten kirche uf diser hqfstatjH und
im Treppenhause der Vorhalle an der Stadtkirche zu Freiburg a. d. U. eine
alte mit Reliefs geschmückte Thürlünette etc. — Es ist daher erklärlich,
dass die meisten grösseren Kirchen in Folge von Erweiterungen und theil-
weisen Neubauten verschiedene Baustile in ihren aus verschiedenen Zeiten
herrührenden Theilen zeigen, wovon die Chorwände des Münsters zu Bonn,
an denen m^ auf geringer Fläche die Reste aus mindestens drei verschie-
denen Bauperioden neben und durch einander erblickt, eines der sprechend-
sten Beispiele darbieten (vgl. die Abbild, bei Otte, Gesch. der deutschen
Baukunst S. 157) , und da überdies die Erbauung grosser Kirchen oft Jahr-
hunderte hindurch dauerte (am Dome zu Regensburg z. B. wurde über 450
Jahre gebaut) *) , während welcher Zeit sich der Geschmack vielfach änderte,
so wurde der Fortbau selten nach dem ursprünglichen Plane, oder doch
wenigstens im Geiste desselben , weiter geführt , was jedoch bei einigen der
bedeutendsten Werke (Dome von Cöln, Magdeburg etc.) glücklicherweise
der Fall war. — Wenn nun ihrer streng genommen heterogenen Bestand-
theile ungeachtet die mittelalterl. Kirchengebäude dennoch meist einen ein-
heitlichen und harmonischen Eindruck hervorbringen , so ist dies darin be-
gründet, dass die verschiedenen Baustile des M. A. in genetischer Aufein-
anderfolge von demselben kirchlichen Geiste durchdrungen waren , während
die späteren zopfigen Zusätze und Veränderungen deshalb überall störend
wirken , weil der aus ihnen sprechende Geist ein fremdartiger und unkirch-
licher ist. — Noch mehr als in baulicher Beziehung sind die alten Kirchen
durch ihre innere Ausstattung mit Denkmälern etc. ein Spiegel aUer der
seit ihrer ersten Vollendung an ihnen vorüber gegangenen Perioden, was bei
den häufigen Restaurationen der Gegenwart stets sorgfältig beachtet werden
soUte , damit nicht die ehrwürdigen Denkmale unserer Voreltern ihres ge-
schichtlichen Charakters völlig entkleidet , und die Fäden zerrissen werden,
die uns durch sie geschichtlich und gemüthlich mit der Vorzeit in organische
Verbindung setzen.
TJeber die bei Restaurationen zu befolgenden Grundsätze: Vitet, L., in
der AUgem. Bauzeit. 1852 Heft 11 u. 12. — v. Quast, in der Zeitschr. für
Christi. ArchAol. u. Kunst die Rubrik »Erhaltung und Zerstörting der Denk-
malen^ lind im Correspoadenzbl. des Gesammtvereines etc. (I85S) VII. S.
29 ff. — Jahrbuch der k. k. Central- Commis. etc. in den verschiedenen Jahr-
gängen die »Ahtheilung I.n — Reichensperger, Fingerzeige S. 29 ff. —
Giefers, W. Engelb. , Prakt. Erfahrungen die Erhaltung, Ausschmückung,
Ausstattung der Kirchen betr. Paderborn 1S58.
1 ) Um den gottesdienstlichen Bedürfnissen zu genügen, wurden die Kirchen vor
ihrer gänzlichen Vollendung gewöhnlich schon theilweise geweiht und in Gebrauch
genommen, und man führte zu diesem Zwecke Nothdächer auf, über denen man den
Oberbau fortsetzte (Dom zu Halberstadt), oder schloss vollendete Theile .durch einst-
weilige Scheidewände von dei) noch im Bau begriffenen ab (Dom zu Cöln).
Geschichte der Kunst
Ulvralur: I. litemdaclifl HiHsmittel : Mertens, Fz., Histor. TTeber*
sieht der bisher. Abhatidluiigen über die Bnukun^t des M*-A., in Kuglfir*»
Museum, lSä5, No» 15 — ^G. — ^ Reidetj fil. v. ^ die liemfüiimgeti der Deut-
TSC Ken in Erfornebuug: dt^r Den km ^ Altdeutt^eher Baukunst, (Zwui Progrumme. )
Bamberg iSH u^ IS\~. — VursRciehniia» der Schriften und Bilder werke über
illt deutsche I£uti!4t de;» Mittelalters und des IG. J^hrh., als Anhang ku Lotz,
KunstttipogTEphie Deut^ehlands 2, fil? — 6&H. — IHe T^itcratiir Übür deutsch-
mittelalterh Baukunst k. im Conr, -Les* für bilfL Kun«t -I, 4Bfi — Hä ; tlb(*r
die Mak*rei in Kiii^ler'si Oescb. der Walerei 2» Aufl* 2, 5J>7— tH^^i,
Büchetverzeichnisae^ ^Vei^el, Hud., Kimatlagereatoloif {i'^3S)*
Ko. 1—33, 3. Aufl. 1S19— IMjL (No. Jfi enthalt oiu ütT eng wifl*eijschaftUch
geordnete« liepcrtorium über die vorh ergeh euden Abtheüungen)* — Qatalog
der dem Dr/ L, Pu ttrieh in Leipzig geb5reuden Kmistbiblijotbek^ 18 -IS, —
I>r, Sulpiz Botsöer^e'a Bibliothek. Bonn 1 >ä4 (S. 4 J — l OS) , -— Athtzehntefl
VerKeichnisa der Buch- und AiitiquiLTiatuhELTidltuig von W* Weber in Berlin;
Kunst, Kunstge*ch. u, Gesph, aas der uacbgelasaenen Bibliothek Fi, Kur-
ier* ä [|S5^).
IL Aeathetik und Propldentik : ViRcber, F. Th. ^ Aestbetik Bd- 3,
\sh% — Dur« eil j ti, M., Aesthctik der chmtL bild, Kunst des Mittelttlten
in DeutschlamL (1%54]. 2. "verro. Ausg. 1S50, — Semper, Gottfr., der Styl
in den techn. u. tecton* Ktlnsten , r>der pr^t, Aesthetik* 3 Bde. lÖliO, —
Förster, E,. Vorschule der Kunstgeäch. 1*s62, — Riegel, C\ H.* Grundriiia
der bild. Künste. \b^^. — Lemcke, C\» Populiire Aeetbetik. I8üi,
in« B«arbeitttngen der EmutgetcMehte : Fiorillo, J, D^, Gesehlühte
der «eiebuenden Künste in Deutschland. 2 Bde. I&15. — Kugler, Fse., Hand-
buebder Kunstgeseh. (ISI2), 3 Bde. 4, Aufl- l^ftL — Sebnaase, C, Ge-
»ebiehte der bild. Künste. Bd* 1—7 l. Abtbeilung JS42— liSf>4* ^ Kinkel,
Gottfr., Gcfitchvehte der bild. Künste bei den chriMtL Vrtlkern, Lief, 1 : die alt^
thristl. Kuniit. IH15* — Fürst er, E., Gcych. der dcutfujhen Kunst. 5 Bde.
1 f>5 1 ^ 1 Stiü. — Springer, Ant, IL , llandb. der Kunsitgesth. 1 S5&. —
Lübke, W., Orundriss derKunatgeseb, ']sm) H. Aufl. l§64, — Deleulre,
Cb., Gesch. der Kunst, insbesondere der Malerei, in den drei grossen Cultur-
epochen. Frei bearb, von G, Fester, 2, Aufl. i\SB3).
Otte. H., Geftcb. der kircbl. Kuniit des dcutaehen M.-A» in iiuHgewilbUen
BelBpieleii. 2, beriebt. Aui>^. der Grund/,ago der ktrchL Kunst - Arcbilologie,
l^{J2. — Becker, A. W., ChnrakterbÜder aus der Kunatgcsch. in chronolog.
Folge. Nach den DAretell. der Tor&ügUt^hsten Kunstst'hHftst eller- (IS^2}^ 2*
A ü n . t *» H fi . — Aul ei t . z ur Er f 1 1 r^ eh . der k ireh L Baudenkm ftl e r, L in» 1 ^ ÜÄ .
'''Mf, hu^]*t-AruhMulciflt,
IS
270 Kunstgeschichtliche
IV. Knpforwerke : Agincourt, J. G. L. B. Seroux d\ Sammlung von
Denkm. der Architektur, Sculptur u. Malerei vom IV. bis XVI. Jahrh. (1823).
Revidirt von Ferd. v. Quast. 3 Abth. (1840). — Müller, Fz. Hub., Bei-
trage zur deutschen Kunst- u. Geschichtskunde durch Kunstdenkmale (1832 ff.)
2. Ausg. 1837. — Heideloff, C. die Ornamentik des M.-A. Bd. 1— -5.
1 838 — 1 852. — KunstdenkmAler in Deutschland , bearb. von Bechstein,
v. Bibra, Gessert, Lucanus, J. Meyer, Sündermahler u. A. I. Abth.
Lief. 1—6. 1841 ff. — (Voit, A), Guhl, E., und Caspar, J„ Denkmäler
der Kunst zur Uebersicht ihres Entwicklungsganges bis zur Gegenwart, fortges.
von W. L üb k e (als Atlas zu K u gl e r's Kunstgesch.) 4 Bde. 1 845 ff. (Neue Ausg.
1858 u. Volksausgabe, als Btlderatlas zu Lübke's Grundriss der Kunstgesch.,
1864). — Kallenbach, Geo. Gottfr., Album mittelalterl. Kunst. Lief. 1—4.
1846 ff. — Förster, E. , Denkmale deutscher Baukunst, Bildnerei und
Malerei. Bd. 1—10 (auf 12 Bde. in 300 Lief, berechnet). 1853 ff. — Gail-
habaud, Jul., die Baukunst des V. bis XVI. Jahrh. und die davon abhäng.
Künste Bildhauerei, Wandmalerei, Glasmalerei, Mosaik, Arbeit in Eisen etc.
Bd. 1—5 (auf 6 Bde. berechnet). 1856 ff. — Menzel, C A., die Kunstwerke
vom Alterth. bis auf die Gegenwart. 2 Bde. (1857). 3. Aufl. 1860. — Ram-
boux, J. A., Beiträge zur Kunstgesch. des M.-A. 1860.
V. Vermischte Schriften : Fiorillo, J. D., Kleine Schriften artist. In-
halts. 2 Bde. 1S(»3. 1S06. — Kugler, Fz., Kleine Schriften u. Studien zur
Kunstgesch. 3 Bde. 1853. 1854. — Reichensperger, A. , Vermischte
Schriften über Christi. Kunst. 1856.
(Schorn, L. v.), Altdeutsche u. normannische Kunst (Deutsche Viertel-
jahrschrift. 1841. Heft 4). — Merz, H., die Entwickelung der christl. Kunst
in Deutschland u. Frankreich. (Ebend. 1843. Heft 1.)
VI. Knniljtatittik nnd Kunstreiten: Waagen, G. F., Kunstwerke u.
Künstler in Deutschland. 2 Thle. 1845. —Müller, Herm. Alex., die Museen
u. Kunstwerke Deutschlands. 2 Bde. 1857. 1858. — Lotz, W., Kunsttopo-
graphie Deutschlands. 2 Bde. 1862. 1863.
VII. Lexioali^che Werke : Conversationslexicon für bild. Kunst (begründ.
von J. A. Romberg, fortgeführt von F. Faber, Lorz. Cjlasen). Bd. 1 — 7.
Lief. 4 (A — Heiligthumsbücher). 1845—1857.
Füssli, J. R., Allgem. Künstlerlexicon (1763—1771). 2. Aufl. 4 Bde.
1779; fortges. von Hans H. Füssli in 12 Thlen. 1806—1824. — Nagler,
G. K., Neues allgem. Künstlerlexicon. 22 Bde. 1835—1852. — Müller, F.,
die Künstler aller Zeiten und Völker, fortges. von K. Klunzinger u. A.
Seubert. 3 Bde. 1857.
Vln. KuBStMitschriften mit Beiträgen zur Kunstgesch. des M.-A. : Kunst-
blatt (Beilage zum Morgenbl.), herausgegeb. von L. Schorn. 1820 — 1849. —
Berliner Kunstblatt, herausgegeb. von E. H. Tölken. 1828 u. 1829. — Mu-
seum. Blätter für bild. Kunst, herausgegeb. von Fz. Kugler. 1833 — 1837. —
Deutsches Kunstblatt, herausgegeb. von F. Eggers. 1850 — 1858. — Die
Dioskuren. Deutsche Kunstzeitung, herausgegeb. von Max Schasler.
1 856 ff. — Recensionen u. Mittheilungen über bild. Kunst, Unter besonderer
Mitwirkung von R. v. Eitelberger, Jak. Falke, W. Lübke, C. v.
Lützow u. F. Pecht. 1862—1865.
Im Uebrigen vergl. auch die oben S. 7 Anmerk. 2 und S. 9 angeführte
Literatur.
Anmerkung. Von steigender Wichtigkeit für das Studium der Kunstge- •
schichte durch die Denkmale erweisen sich in neuester Zeit die zu immer grösserer
Vollkommenheit fortschreitenden Leistungen der Photographie; vergl. Wolt-
mann, A., die Photographie im Dienste der Kunstgesch., in den D. Jahrbüchern
für Politik u. Literatur. X. 3. — Als einige der ältesten und zum Theil ausge-
zeichnetsten Productionen sind zu nennen: Für Architectur: Michiels,
J. F., Album von Köln (1^51). — Derselbe, Kölner Domalbum. 1855. — Für
Sculptur etc. : Emden, Herrn., u. Wetter, J.. der Dom zu Mainz u. seine
Literatur. 271
Denkmäler. 1S57. —MichieU, Photogr. Album. 1854. — Für Malerei: Mi-
chiels, der Reliquiensohrein der h. Ursula zu Brügge von Joh. Memling. 1854. —
Hotbo, H. G., der Altar Ton Gent im Museum zu Berlin. 1861.
A. BMkwnt.
Lfterafur: I. Bearbeitimgeii der Architeoturgeteliiehte : Stieglitz,
Chr. L., Gesch. der Baukunst. (1827). Neue Ausg. 1837. — Derselbe, Bei-
träge zur Gesch. der Ausbild, der Baukunst. 2 Thle. 1834. — Rosen thal,
C. A., Vollstand. Uebcrsicht der Geech. der Baukunst. 3 Bde. 1841—1850.
(Auch in Grelle, Journal für Baukunst. Bd. 13—18. 20— 28.) — Lübke,
W., Gesch. der Architectur. (1855), 3. Aufl. 1865. — Kugler, Fz., Gesch.
der Baukunst. 3 Bde. 1855 — 1860." — Rosengarten, A., die architekton.
Stylarten. 1857. — Lübke, W., Abriss der Gesch. der Baukunst (1861).
1866. — Otte, H., Gesch. der deutschen Baukunst. Lief. 1—3. 1S61 ff. —
Busch, C, die Baustyle. 2. Aufl. 1864. — Köhler, C, Lehrbuch zum
Studium der Gesch. der Baukunst. 1866.
Büsching, J. Gust. G., Versuch einer Einleit. in die Gesch. der altd.
Baukunst. 1821. — Heller, Jos., Skizze einer Gesch. der Kirchenbaukunst
im M -A. 1826. — Klenze, L. v., Anweisung zur Architectur des christl.
Culttts (Cap. IV). 1833. —Kugler, Fz., Vorlesung Ober die Systeme des
Kirchenbaues (1843) 1852. (Auch in den Kl. Schriften 3, 385—396.) — Kal-
lenbach, Geo. Gottfr., Geschichtsabriss der deutsth-mittelalterl. Baukunst.
Sendschreiben, aus Bd. 6 des N. Jahrb. der Berlin. GeseUsch. für deutsche
Sprache bes. abgedruckt. 1844. — Derselbe, Chronolog. Formenfolge der
altdeut. Baukunst ( i 847) . — Derselbe, Grundriss der mittelalterl. Baukunst.
1S49. — Lübke, W., Vorschule zur Gesch. der Kirchenbaukunst des M.-A.
(1851) 4. Aufl. 1858. — Brand, F. J., Kirchl. Baukunst. Anleit. zur Kennt-
niss der Kirchengeb. des M.-A. 1853. — Springer, Ant. H., die Baukunst
des christl. M.-A. 1854. — Schiller, C, Ueberblick des Entwickelungs-
ganges der Kirchenarchitectur. 1854. — (Laib, Fr., u. Schwarz, Fr. Jos.)
Formenlehre des roman. u. goth. Baustyls (1855). 2. Aufl. 1858. — Kallen-
bach, Geo. Gottfr., Beiträge zum Verständniss der Kirchenbaukunst. 1857.
— Quast, Ferd. v., die Entwicklung der kirchl. Baukunst des M.-A. 1 858. —
Sacken, Ed. v., Katechismus der Baustyle. 1861. — Lützow, C. F. A.,
die Meisterwerke der Kirchenbaukunst. Eine Darstcll. der Gesch. des christl.
Kirchenbaues durch ihre hauptsächl. Denkmäler. 1862. — Vergl. auch Kreu-
s er 's Kirchenbau. 1, 271 — 618.
Kreuser, J., Kölner Dombriefe, od. Beiträge zur altchristl. Kirchen-
baukunst. 1844. — Hübsch, H., die Architectur u. ihr Verhältniss zur heu»
tigen Malerei u. Sculptur. 1847. — Mertens, Fz., die Baukunst des M.-A.
(enth. eine Gesch. der Studien über diesen Gegenstand). 1850. — Forch-
hammer, F. W., über Reinheit der Baukunst auf Grund des Ursprungs der
vier Hauptbaustyle. 1 856.
II. Xupferwerke: Costenoble, J. 0. , über altdeut. Architectur u.
deren Ursprung. 1812.— Stieglitz, Ch.L., von altdeut. Baukunst. 1820. —
Moller, Geo., Denkmäler der deutschen Baukunst. 2 Bde. (1821—1836).
4. Aufl. herausgegeb. von F. M. Hessemer. 1854. (Als erläuternder Text :
M o 1 1 e r , Geo., über die altdeut. Baukunst. 2. Aufl. 1 83 1 ) . Fortsetzung von
E. Gladbach, als Bd. 3. 1844 ff. — Wiebeking, C. F. v. , Theoret.
prakt. bürgerl. Baukunde, durch genaue Abbild, bereichert. 4 Thle. 1821 bis
1825. — Quaglio, Dom., Merkwürd. Gebäude des teutschen M.-A., erläut.
von Alois Schreiber. 2 Bde. (1825). — Lange, L., Lange, Jul., u.
18»
272 Baugescliichtiiche Literatur.
Rauch, E. , Original - Ansichten der historisch merkwürdignten StAdte in
Deutschland, ihrer wichtigsten Dome, Kirchen etc., mit Text Ton O. Lange.
1S32— 1858. — Grueber, fiemh., Vergleichende Sammlungen für christl.
Baukunst. 2Bde. 1837 u. 1841. — Müller, Rob., Denkmäler der Tier romant.
Baustyle. 2 Hefte. 1845. 1846. — Kallenbach, Geo. Gottfr., Chronologie
der deutsch - mittelalterl. Baukunst. 2 Abth. 1844. 1845; als Text dazu:
Derselbe, Geschieh ts-Abriss der deutsch - mittelalterl. Baukunst. 1846. —
Derselbe, Atlas zur Gesch. der deutsch-mittelalterl. Baukunst in S6 Taf.
1847 ; als Text hiezu: Derselbe, die Baukunst des deutschen M.-A. chro-
nologisch dargestellt. 1847. — Lassaulx, J. Claud. v., Bausteine. 1847. —
C h a p u 7 , r Allemagne monumentale et pittoresque. 1 2 Livr. 1 845 — 1 850. —
Ham^e, Dan., le Moyen-Age monumental et arch^ologique. 1846. — Kal-
lenbach, Geo. Gottfr., u. Schmitt, Jak., die christl. Kirchenbaukunst
des Abendlandes. 185U. — Gailhabaud, Jul., Denkmäler der Baukunst,
herausgegeb. von L. Loh de. 4 Bde. (Die deutsch-mittelidterl. Bauwerke in
Bd. 2 Abth. 5D u. in Bd. 3 Abth. 6^.) 1842—1852. — Die kunstgeschicht-
lich merkwürdigsten Bauwerke vom Beginn der altchristl. Architectur bis zur
Blüthe der Renaissance. Zusammengestellt vom Architectenvereine zu Berlin.
2 Abth. 1854. 1856. — Denkmäler der deutschen Baukunst, dargestellt von
dem hessischen Vereine für die Aufnahme mittelalterl. Kunstwerke zu Darm-
stadt. Bd. 1. 1856. — Als besondere Ausgabe von des Herausgebers die sämmtl.
bild. Künste umfassenden Denkmälerwerke (s. oben}: Förster, £., Denk-
male deutscher Baukunst von Einführung des Christen th. bis auf die neueste
Zeit. Bd. 1 — 4. 1858 ff. — Ebenso gieht es eine Separatausgabe aus Gailha-
baud's Denkmälern unter dem Titel: Denkm. des M.-A. 41 Hefte, u. aus
dem Atlas zu Kugler's Kunstgesch. unter dem Titel : Denkmäler der Archi-
tektur mit 57 Taf. 18öS. — Auch von dem Bilderatlas zu Brockhaus Con-
versationslexicon ist Abth. 7, Geschichte der Baukunst, mit 60 Taf., beeonders
ausgegeben.
III. Bauftatistik und Karten: Emmich, W., Versuch einer Uebersicht
sämmtl. bekannter Bauwerke der Vorzeit. 1843. — Mertens, Fz., die Bau-
kunst des M.-A. in Deutschland von 900 — 1600. Chronographische Tafeln u.
Text. 1851. — Lübke, W., Karte der mittelalterl. Architectur in Deutsch-
land (1854). — Kirchenregister, in Otte's Gesch. der kirchl. Kunst (Grund-
zOge). 1855. S. 195— 210. — Müller, Herrn. Alex., Karte der mittelalterl.
Kirchen- Architectur Deutschlands. Nebst einem erläuternden Texte : Die mit-
telalterl. Kirchengebäude Deutschlands nach der aiphabet. Reihenfolge ihrer
Oerter. 1856. — Mertens, Fz. , das Abendland während der Kreuzzflge.
Denkmalkarte mit Text. 1864.
IV. BauwiBtonsohaftliohe Zeitiohriften mit architecturgeschichtlichen Bei-
trägen : Journal für die Baukunst, herausgegeb. von A Leop. Grelle, 1 82S ff. —
Allgem. Bauzeitung, herausgegeb. vonL. Förster. 1835 ff. — Zeitschrift für
prakt. Baukunst, herausgegeb. von J. Andr. Romberg, fortges. vonE. Knob-
lauch. 1841 ff — Zeitschrift für Bauwesen, herausgegeb. von C. Hoff-
mann, fortges. von £. Erb kam. 1851 ff.
Anmerkung. Besonders förderlich für das Studium der mittelalterl. Bau-
kunst sind die von Geo. Gottfr. Kallenbach nach übereinstimmendem Maass-
stabe (160: 1) verfertigten ca. 250 Modelle von Kirchen etc., welche sich (nebst
anderen) im neuen Museum zu Berlin befinden. Viele Modelle hat auch seit 40
Jahren C. Schropp in Bamberg verfertigt, besonders neuerlichst ein riesenliaftes
Modell der Stephanskirche in Wien, u. früher den Dom von Cöln. Ein Modell
des Domes zu Magdeburg hat Bosch e, ein Modell des Regensburger Domes
Blank, ein Modell von der Thurmfa9ade der Wiesenkirche in Soest hat Ross
angefertigt. Ein Modell der ehemal. Marienkirche auf dem Harlunger Berge be-
findet sich in dem Dom zu Brandenburg. — Nachbildungen architektonischer Or-
namente etc. sind käuflich zu haben bei Fz. Lenhartin Cöln.
273
Vorbemerkung über altohristliohe AroMtektur.
IV. bis X. Jahrhundert.
Literatur: Bunsen, Chr. C. JosiaB, die Basiliken des christl. Rom.
(18-12). — Quast, Ferd. T., die Basiliken der Alten. 1845. — Zestermann,
A. Chr. Ad., de basilicis libri III. BruxelUs 1847, u. ausführlicher in deut-
scher Bearbeitung: Die antiken u. die christl. Basiliken nach ihrer Entstehung,
Ausbildung u. Beziehung zu einander dargestellt. 1847. — Urlichs, L., die
Apsis der antiken Basilika. 18-17. — Quast, Ferd. v., Über Form, Einrich-
tung u, Ausschmückung der ältesten christl. Kirchen. 1853. — Messmer,
Jos. Ant., über den Ursprung, die Entwicklung u. Bedeutung der Basilika in
der christl. Baukunst. 1854. — Derselbe, über den Ursprung der christl.
Basilika, in der Zeitschr. für christl. Archäologie u. Kunst. 2, 212 ff. —
Braun, £., die röm. Basilika, in dem von Elfr. v. Mühlenfels herausgegeb.
Dresdner Album. 1855. — Weingflrtner, W., Ursprung u. Entwicklung
des christl. Kirchengebäudes. 1858. — (Kayser, J.), über das Yerhältnisa
der christl. zur dassischen Architektur, im Organ für christl. Kunst. 1859.
No. 5— 10 u. 18G0. No. 2 — 9. — Merz, H. , der älteste Kirchenbau, im
christl. Kunstbl. 1859. S. 164 ff. -— Kreuser, J., ein Wort über den Ur-
sprung der christl. Basilika, in den Mittheil, der k. k. Central-Comm. (1859).
4, 85 ff. — Derselbe, zur Basilika-Frage, im Organ für christl. Kunst. 1861.
No. 22 ff. — Roisin , F. de, l'Origine de la Basilique chrötienne, im Bulletin
monumental. XXVI. No. 3. — Ueber den Zusammenhang der antiken Archi-
tectur mit dem christl. Kirchenbau, in der Baltischen Monatsschr. (1861).
II. 4. — Mothes, Ose, die Basilikenforra bei den Christen der ersten Jahr-
hunderte. 1865.
Vergl. Kugler, Kl. Sehr. 1, 181—203; 2, 94—102. — Kreuser, Kir-
chenbau 1, 3 — 49. — Zestermann, in Gersdorfs Repertorium 1848. S. 1 ff.
1S54. S. 222—227. — Brunn, H., im Kunstbl. 1848. S. 73 ff. — Wein-
gärtner, in Prutz's Deut. Museum. 1859. No. 39 8. 457—469 u. in den
Mittheil, der k. k. Central-Comm. (1860) 5, 92. — Messmer, ebend.
5. 178—180.
Knp&rweike: Gutensohn, J. O., u. Knapp, J. M., Sammlung der
ältesten christl. Kirchen od. Basiliken Roms; früher unter dem Titel: Denkm.
der christl. Religion etc. 5 Hefte. 1827 ; als erläuternder Text: Bunsen, die
Basiliken etc. — Quast, Ferd. v., die altchristl. Bauwerke von Ravenna.
1842. — Hübsch, H., die altchristl. Kirchen nach den Baudenkmalen u.
älteren Beschreib. Lief. 1 - 9. 1858—1861. — Vergl. Gailhabaud, Denk-
mäler. Bd. 1. Abth. 8. No. 6 u. Bd. 2. Abth. 1 u. 2. No. 4. —
54. Der christliche Kirchenbau als Kunstbau datirt aus der Zeit
Kaiser Constantinus des Grossen (gest. 337).
Es gab allerdings schon im III. Jahrh. im römischen Reiche zahl-
reiche christliche Kirchen, und Eusebius berichtet aus der Zeit vor der
Diocletianischen Verfolgung , dass man , sich nicht mehr mit den alten
Gebäuden begnügend, in allen Städten geräumige Kirchen von Grund
aus neu erbaut habe. *) Grösstentheils werden dies sehr wahrscheinlich
nur einfache Nützlichkeitsbauten gewesen sein : ^) denn selbst die hoch-
1) Euseb. hist. eccl. 1. 8. c. 1. n. 2: jurjdaficSe frt toTs naXatoTg ofxodof^ri/Ltaaiv
tt^xovftivoi, (V()€ia9 €ig nkdrog ava ndastq tag nolftgfx H^ffz^Utav «viortov ixxXrjoittg.
2) Selbst Holzfachwerk ist nicht auszusohliessen, da die gemeinen Bedürfniss-
bauten der Römer (Cato, de re rustica 14} oft in dieser Weise ausgeführt wurden.
274 Altchristliche
gepriesene Kirche zu Nicomedien konnte, nachdem Diocletian die Zer-
störung derselben durch Feuer aus polizeilichen Gründen unstatthaft ge-
funden hatte , von den Prätorianem mit Aexten und Brechstangen in
wenigen Stunden dem Erdboden gleich gemacht werden. *) Obgleich von
der Beschaffenheit dieser primitiven Kirchengebäude keine Kunde auf
uns gekommen ist ^) , so darf doch vermuthet werden , dass dieselben
nach einem wesentlich übereinstimmenden, den gottesdienstlichen Be-
dürfnissen angemessenen Typus errichtet waren.
55. Gleichzeitig kommt für das christliche Gotteshaus als Ver-
sammlungsstatte der Gemeinde der Name Basilika {ßaailixtj) vor,
und zwar in solchem Zusammenhange, dass damit in baulicher Be-
ziehung ein völlig bestimmter Begriff verbunden erscheint, wodurch
der Schluss auf eine Uebereinstimmung des Typus mit den heidnisch-
römischen Profanbauten gleiches Namens gerechtfertigt wird.
Andere Benennungen der christlichen Versammlungsstatten haben
lediglich religiöse und keine Beziehung auf die bauliche Gestaltung.
In einem Briefe des Constantinus an den Bischof Makarios von Je-
rusalem (bei Euseb. de vita Const. 3, 31) beauftragt ihn der Kaiser,
über dem heiligen Grabe eine Basilika zu erbauen, schöner als irgend-
wo und so ausgestattet, dass Alles, was in jeder Stadt Schönes sei, von
diesem Bau übertroffen werde, ^) benachrichtigt ihn, dass er wegen der
Errichtung und Verzierung der Mauern dem Drakilianos bereits Auftrag
gegeben habe, und erfordert darüber schleunigen Bericht, ob nach der
Ansicht des Bischofes die Säulen aus Marmor oder anders, ob die Decke
der Basilika *) als Täfelwerk oder in anderer Weise auszuführen am an-
gemessensten sei. Aus diesem Auftrage des kaiserlichen Bauherrn folgt
unwiderleglich, dass Makarios durch das einzige Wort Basilika über
die Grundgestalt des Gebäudes im Klaren sein musste (vergl. Zester-
mann, Basiliken, S. 167; Messmer, Ursprung etc. der Basilika, S.
13; Weingärtner, Ursprung des Kirchengeb.S. 31 ; MothesS. 22),
und wenn damals eine bestimmte Gattung römischer Profangebäude be-
reits seit etwa 500 Jahren mit diesem Namen zu bezeichnen allgemein
üblich war, so ftlllt danach die christliche Basilika, zur Unterscheidung
von den Profan basiliken auch bamUca ecclesiae genannt, mit der römisch-
heidnischen in baulicher Beziehung unter denselben Begriff. Der Name
1) Lactant. de mortibus persec. c. 12: VeniebarU tgitur praetoriani acte atructa
cum aecuribus et aliis ferramentü ; et immissi ttndiquey tarnen tUud editüsimum paueie
horie solo adaequarunt.
2) Die Basilika des Reparatus in Algerien, deren Ueberreste bisher dem J. 252
▼indicirt wurden, datirt nach neueren chronologisch-kritischen Untersuchungen der
betreffenden Inschrift erst aus dem J. 325 oder 327, also aus der Constantinischen
Zeit. Vergl. Messmer, Jos. Ant., in den Mittheil, der k. k. Central - Commiss.
(1864)9, 236. ^
3) Baaikixinv rtSv anatfra/ov ßslriova... <us narra ra f<f* ixdartjs xttXXiarsvovta
uokitog vno toO xTiofiaxo^ tovrov vixaat^ai,
4) Tqy r$; ßaaikixrjg XfXfiaqav,
Baukunst. 275
Basilica (sc. porticus) , abzuleiten von hasiUcus, a, um = schön, prächtig
(einem bei Plautus^ zu dessen Zeit die erste Basilika in Rom erbaut
wurde, vorkommenden Worte) , und nur indirect von dem griechischen
ßaaikfvg = König, bezeichnete allerdings zunächst eine Prachthalle,
aber es hatte sich mit demselben im Laufe der Zeit ein bestimmter bau-
licher Begriff verbunden.
Andere Benennungen des christlichen Gotteshauses aus der Con-
stantinischen Zeit sind: 7?xx/>;a/a, oixqg ixulr^attaif, ecclesta^^ Gemeinde-
hav.s, domus dominica, dominicum, i(VQtaxi^, niß^iaxov = Hslus des Herrn,
Kirche ; auch templunij vuog = Tempel : eine durch das alte Testament
geheiligte Bezeichnung, ohne bestimmten baulichen Begriff. Später nahm
auch hamlica durch Beziehung auf den Baadfvg Christus symbolische
Bedeutung an,^) und alle diese verschiedenen Benennungen wurden ohne
irgendwelche Beziehung auf die bauliche Form promiscue gebraucht.
56. Abgesehen von den dem öffentlichen Handels- und Gerichts-
verkehr gewidmeten forensischen Basiliken der römischen Städte kom-
men hiebei vorzugsweise in Betracht die zur Abhaltung von berathen-
den und schiedsrichterlichen Versammlungen u. s. w. bestimmten
basilikenartigen Säle (Oeci) und eigentlichen Basiliken in den Häusern
der reicheren Römer, da die Gottesdienste der ersten Christen nach
dem Zeugnisse der heiligen Schrift in den Sälen von Privathäusern
gehalten zu werden pflegten, die geräumig sein mussten, um die oft
zahlreiche Versammlung zu fassen. Auch finden sich Andeutungen
davon, dass solche Privatbasiliken in den gottesdienstlichen Gebrauch
der Christen übergegangen sind.
In Korinth war Gajus der Wirth des Ap. Paulus und der ganzen Ge-
meinde \Tfjg tKHh^olag bhjg), Höm. 16, 23. — In Rom, Korinth und
Ephesus, wo er, durch sein Gewerbe als Teppichmacher veranlasst, sich
zu verschiedenen Zeiten authielt, hatte Aquila eine Versammlung der
Gemeinde in seinem Hause h) fxxXrjala iv tm oixm avtov)^ Rom. 16, 5.
1. Korinth. 16, 19. 20; Philem. 2. ' . '
Unter den verschiedenartigen Sälen der römischen Häuser bezeichnet
Vitruv (de architectura VI. cap. 5) die oeci Aegyptii als den Basiliken
ähnlich [ita hasiUcarum ea similitudo .... vid^tur esse) und schildert (ebd. 8)
die Hausbasiliken der Vornehmen : Basilieas, non dissimili modo qtutm
puhUcorum operum magnißcentia comparatas, quod in domibits eorum saepius
et pubUca consiUa et privata consiUa, arbitriaque conßcittntur. In der Villa
der Gordiane allein waren drei solcher Prachtsäle , jeder mit hundert
Säulen, und einer von ähnlicher Pracht im Palaste des Domitian. Vergl.
Zestermann, Basiliken S. 67; Messmer, in der Zeitschrift för
Christi. Archäol. u. Kunst 2, 217.
1) IsidorusHisp. (Oiig. etymolog. 1. XV. 4, 11) im VII. Jahrb.: Basilicae
pritis vocabantur regmn habitacula, unde et nonien habent^ nam ßaOiXevg rex et basi-
licae regiae kabitationes ; nimc autem ideo divina templa basilicae nominaniur, qnia
regi ibi omnium, deo cultns ei sacrißcia offerentur.
276 AltchriBtUche
In einem dem ClemensRomanus untergeschobenen, wahrschein-
lich in der ersten Hälfte des III. Jahrh. entstandenen Romane (Recogni-
tion. X n. 71, ed. Brickmann, Col. 1569 p. 155) wird von dem
Theophilus in Antiochia, welcher in dieser Stadt erhabener gewesen sei,
als alle Gewaltige, erzählt, er habe y>domu8 suae ingentem hasilicam ecchsiae
nomineii gewidmet. Auch die bei Ammianus Marcellinus 27, 3 mit
dem Zusätze r>uhi rttits Christiani est corwenHctUimw erwähnte basiUca Sianini
(oder Stcinü) scheint eine Hausbasilika gewesen zu sein. — Optatus
von Mileve (de schism. Donatist. 1 , 23) redet vom Gottesdienste im
Hause der Fausta de Laterano in Rom. Vergl. Mothes S. 14. 22. 33.
57. Die forensischen Basiliken der Körner^ meist an einem von
Säulenhallen umgebenen Platze belegen, waren zwar keineswegs
überall nach demselben Schema erbaut, doch war der oblonge Innen-
raum derselben durch Säulenreihen stets in Schiffe getheilt. Das Mit-
telschiff war breiter und höher als die Seitenschiffe, über denen sich
zuweilen Emporen befanden, und empfing seine Beleuchtung über
diesen durch hochstehende Seitenfenster. An der einen Schmalseite
befand sich in der Axe des Mittelschiffes ein erhöhter Platz, das Tri-
bunal der Richter, welches häufig in einem besonderen rechteckigen
oder halbrunden Ausbau belegen war. Gegenüber an der anderen
Schmalseite war oft eine Vorhalle von geringer Tiefe in der ganzen
Breite des Gebäudes angebracht. — Die Oeci waren die einzigen grös-
seren Räume des römischen Wohnhauses und lagen an der Rückseite
des inneren, mit einem Wasserbecken versehenen oblongen Säulen-
hofes (Peristyl) . Die bauliche Einrichtung dieser Versammlungszimmer
war verschieden und je nach ihrer Grösse waren entweder keine, oder
mehr oder weniger Säulen zur Unterstützung der Decke erforderlich:
die tetrastylen hatten vier ins Quadrat gestellte Säulen, die korinthi-
schen eine Doppelreihe von Säulen von unbestimmter Länge und in
den ägyptischen waren die Säulen über einander verdoppelt : die un-
tere Reihe trug mit den gleich hohen Umfassungsmauern über ihrem
Architrav einen äusseren Umgang unter freiem Himmel, die obere
Reihe war mit Wänden geschlossen, welche Fenster durchbrachen, so
dass sich also eine basilikale dreischiffige Anlage mit erhöhtem Mittel-
schiffe ergab. Auch finden sich Beispiele von einem halbkreisförmigen
Schlüsse solcher Säle.
Unsere Kenntniss der römisch-heidnischen Basiliken aus zum Theil
dunkeln und sich widersprechenden schriftstellerischen Nachrichten, ^)
I) Die Hauptstelle des Vitruv (5, I) übersetxt und erklArt bei ▼. Quast, die
Basilika der Alten S. 13 ff.
Baukunst. 277
sowie aus einzelnen auf uns gekommenen Ueberresten in Italien ist nur
fragmentarisch, und das sich ergebende sehr allgemein gehaltene Bild der-
selben bedarf zu seiner Vervollständigung noch weiterer Forschungen. —
'Ueber die Oeci giebt Vitruv 6, 5 ein deutliches Bild. Vergl. O ver-
beck, Pompeji 2, 191. — In den beträchtlichen Ruinen der Villa des
LucuUus fand Mothes (Basilikenform S. 89) zweifellos zwei grosse
Säle mit halbkreisförmigem Schluss.
Anmerkung. Gegen die bis dahin unangefochtene, aber unbewiesene
Ansicht, dass die christlichen Basiliken eine Nachbildung der römisch-
forensischen gewesen, und dass in vielen Fällen die letzteren seit Constan-
tinus den Christen ohne Weiteres seien eingeräumt worden (Schnaase,
Kunstgesch. 3, 32; Kugler, Gesch. der Baukunst 1, 354), trat zuerst
Zestermann in seiner gekrönten Preisachrift »de Basilicis« 1847 auf
und kam, gestützt auf philologisches Material, zu dem Resultate, dass das
christliche Kirchengebäude, hervorgegangen aiis dem Bedürfnisse der Ge-
meinde, eine freie Schöpfung des christlichen Geistes sei. Dieser Ansicht
war auch 1851 Kreuser {Kirchenbau 1 . Aufl. 1 , 29) . Dagegen verthei-
digte Messmer Anfangs (über den Ursprung . . . der Basilika. 1854) die
ältere Meinung, erklärte sich jedoch später (Zeitachr. für christl. Archäol.
u. Kunst 2, 212) für die Ableitung der christlichen Basilika von den Oecia
und Hausbasiliken. Dieselbe Ansicht über das christliche Gemeinde-
haus hatte schon Weingärtner (Ursprung des Kirchengebäudes S. 32 ff.)
zwar ausgesprochen, suchte sich aber dadurch selbst zu widerlegen, dass er
das christliche Gotteshaus der Constantinischen Zeit für die reinste Fort-
setzung des heidnischen Hypäthral - Tempels (ebd. S. 138) zu erklären
unternahm. Neuerlich gelangte Kreuser (Kirchenbau 2. Aufl. S. 42 ff.)
dahin, den christlichen Basilikenbau von der jüdischen Synagoge zu Ale-
xandria, die nach einer Stelle im Talmud nach Art einer grossen (christ-
lichen?) Basilika erbaut gewesen, abzuleiten. Mothes endlich hat den
ganzen sehr umfänglichen Apparat vom Standpunkt des Architekten und
Technikers übersichtlich neu bearbeitet und gezeigt, wie sich das Ideal des
christlichen Gotteshauses durch Combinirung aus mehreren dem Bedürf-
nisse angepassten Gebäudeformen allmählich entwickelt habe , da auch
ausserhalb des Römerreiches bei allen gebildeten Völkern sich Gebäude
fänden, die mehr oder weniger basilikale Elemente an sich trugen, und von
deren Formen also ein grösserer oder geringerer Theil bei Ausbildung der
christlichen Basilika verwendet zu werden fähig war. — Ueberall, wo ein
grosser Mittelraum von kleineren umgaben anzubringen war, und man
dennoch dem ersteren das Licht nicht entziehen durfte — die Aufgabe der
Kirchenbaumeister — fand sich die Baukunst fast zu der basilikenartigen
Anlage genöthigt. Vergl. v. Quast, die Basilika der Alten S. 21.
58. Die christliche Basilika erscheint in einem bestimmten, den
Bedürfnissen des christlichen Cultus entsprechenden Typus : ein läng-
liches, von einer Mauer umschlossenes Viereck, an der dem Eingange
gegenüber belegenen Schmalseite von einem halbrunden Ausbau be-
grenzt, wird von parallelen Säulenreihen in drei (oder fünf) Schiffe
278
Altchristllche
getheilt und zwar so, dass die Breite des Mittelschiffes ungefähr die-
selbe ist, wie die der Seitenschiffe zusammengenommen. Die durch
Rundbögen mit einander verbundenen Säulen tragen auf diesen die
mit vielen rundbogigen Fenstern versehenen Seitenmauern des mit
Täfelwerk flach gedeckten Hauptschiffes, während die niedrigeren,
dasUntergeschoss bildenden, durch eigene Fenster beleuchteten Neben-
Fig. 116. 4. demente in Korn (nach d'Agincourt).
schiffe sich mit ihren Pultdächern an den Hochbau des Mittelschiffes
unterhalb der Fenster des letzteren anlehnen. Bald ward auch ein
Querschiff von der Breite des Langhauses (d. h. ohne die späteren
Vorlagen), und zwar unmittelbar vor dem Scheidbogen der Tribüne
angeordnet und von dem Langschiffe durch einen zweiten hohen
Schwibbogen getrennt, wodurch die Kreuzform der Kirchen entstand.
Baokanst. 279
Emporen über den Seitenschiffen sind nur im Oriente ein integrirender
Theil des Gebäudes. Eine schmale loggienartige Vorhalle (Nartiex)
und ein Vorhof mit Brunnen ist Erfordemiss.
Ueber die Baulinie und die Orientirung s. oben S. lOu. S. 11 Anmerk.^l.
— Ueber die Confessio mit dem Märtyrergrabe S. 40 Anmerk. 2. — Ueber die
Kreuzform und das QuerschifF S. 16 Anmerk. u. S. 45. — Ueber die Vorhalle
und den Vorhof mit dem Reinigungsbrunnen S. 63 f. u. S. 265. — Ueber die
Emporen S. 73 f.
Die mächtige Wirkung der äusserlich ganz schmucklos gehaltenen
altchristlichen Basiliken beruht lediglich in der Grossartigkeit der Ge-
sammtanlage. Die Säulen pflegte man ohne weitere Rücksicht von zer-
störten heidnischen Tempeln etc. zu nehmen , begnügte sich auch nö-
thigenfalls mit Pfeilern, so dass sich mehrere Beispiele finden von fünf-
schiffigen Kirchen, wo nur das Mittelschiff Säulenreihen hat, während
die Seitenschiffe imter sich durch Pfeilerstützen getrennt sind. In ein-
zelnen Fällen behielt man zwar noch das regelrechte Horizontalgebälk
über den Säulen bei, entschied sich jedoch meist für die auch anderweitig
in Römerbauten vorkommende Verbindung derselben durch Bögen, was
zwar gegen den Geist der antiken Baukunst, aber in Betracht der schwer
lastenden Seitenmauem des Mittelschiffes organisdier war. — Die Apsis
erscheint zuweilen nicht als besonderer Ausbau, sondern ist am Ende des
Mittelschiffes in den rechtwinkeligen Schluss des Gebäudekörpers nur
eingeschoben. — Die für die verschiedenen Abstufungen der Büsscr be-
stimmten äusseren Theile, der Narthex und der Brunnenhof, erinnern
mehr an das vor den Oecü belegene Peristyl des Privatfiauses (S. 276),
als etwa an den Vorhof des jüdischen oder gar des heidnischen Tempels.
Der Narthex erscheint aus der dem Oecus unmittelbar vorliegenden hin-
teren Säulenhalle des Peristyls hervorgegangen.
Das grossartigste Denkmal des römisch-christlichen Basilikenbaues,
bis zu einem Brande 1823 erhalten und seitdem wieder gebaut, war die
Kirche des h. Paulus ausserhalb der Mauern Roms (3S6 — 400) ; ^) s. den
Grundriss Fig. 117. (Die das Querschiff in zwei Hälften zerschneidende
in Arkaden geöffnete Wand war erst in Folge eines Erdbebens vom J.
801 eingezogen worden.) — Das anschaulichste Bild der alten Cultus-
einrichtungen gewährt die zwar erst dem IX. und XÜ. Jahrh. angehö-
rende Kirche S. demente in Rom (oben Fig. 116). Das Innere zeigt
die vollständige Choreinrichtung (/) mit Schranken und Ambonen, im
Aeusseren die Vorhalle (h) und den Vorhof (t). S. den Grundriss
Fig. 118. 2) — Eine tabellarische Uebersicht der altchristlichen Basiliken
des IV. bis VI. Jahrh. bei Mothes, Basilikenform.
1) d'Agincourt, Archit. Taf. 4 — 7; 69 No. 2. 3. — Guten söhn u. Knapp.
Taf. 4—7. — Hübsch, altchristl. Kirchen Lief. 1 u. 2.
2) d'Agincourt, a. a. O. Taf. 16. 64 No. 4. — Gutensohn u. Knapp Taf.
32 — 34. — Gailhabaud, Benkm. Lief. 7,
280
AltohiiBÜiche
Fig. 117. GrandriM von 8. Paul Tor den
Mauern Soms (nach d^Agineourt).
Flg. 118. Orundriai von 6. Cle*
mente in Rom (nach dWgincourt).
59. Neben dieser zur Zelt des Constantinus als Versammlungs-
stätte der Gemeinde (Pfarrkirche) bereits feststehenden Hauptform der
Basilika kam dann anderweitig besonders für die Gotteshäuser (memo-
rtae), die an denkwürdigen Orten, über den Gräbern der Märtyrer
u. s. w. von diesem ersten christlichen Kaiser und seiner frommen
Mutter Helena gegründet wurden, der Centralbau des antiken Grab-
mals (Si oben S. 18) als Vorbild in Anwendung. Ein achteckiger,
runder (später besonders viereckiger), hoher, von einer Kuppel über-
deckter, auf einem Säulenkreise oder auf Pfeilern ruhender Mittelbau
ist von einem concentrischen, niedrigeren Umgange gestützt und um-
geben.
Ein solcher Centralbau ist das Mausoleum der Constantia
(Schwester oder Tochter Kaiser Constantin des Grossen) ausserhalb der
Mauern Roms, die jetzige Kirche S. Costanza, an der Via Nomentana
BaiÜLunst.
281
über den Katakomben der h. Agnese gelegen. ^) Der Grundriss ist ein
Kreis ; innerbalb der Umfassungsmauer ist ein ooncentrischer Kreis ge-
kuppelter, durcb Rundbögen verbundener Säulen angeordnet, auf wel-
chen sich die cylindrische, von zwölf Rundbogenfenstern durchbrochene,
von einem kugelförmigen Kuppeldache gedeckte Mauer dieses Central-
raumes über dem erstgedachten niederen, in der Tonne überwölbten Um-
gang erhebt; das Ganze 79 F. im D. — Nach Eusebius (de vita
Const. c. 50) hatte der innere Hauptraum der von Constantin zu Anti-
ochia erbauten Kirche eine achteckige Gestalt. ^)
Fig. lli). Mausoleum der Constantia ausserhalb
der Mauern Roms (nach d^Agincourt).
Anmerkung. Zur Zeit der Römerherrschaft in Deutschland war
das derselben unterworfene Gebiet bereits mit Kirchengebäuden ganz be-
deckt. (Vergl. oben S. 17.) Als der Bischof Athanasius von Alexandria
zu Trier 336 — 338 in der Verbannung lebte, versammelten sich die Gläu-
bigen daselbst in Tempeln, an denen noch gebaut wurde. In Cöln rühmen
sich die Kirchen zu den goldenen Märtyrern (St. Gereon), St. Cornelius
nnd Cyprian (St. Severin) und der älteste Dom stiftungsmässig des höchsten
Alters. Der ursprüngliche Dom von Mainz soll bei dem Vandalenüberfalle
im J. 406 vielen tausend Menschen als Zufluchtst&tte gedient haben. In
Regensburg, Lorch und Passau waren christliche Kirchen, und an letzterem
Orte (im heutigen Innstadt) wird um die Mitte des V. Jahrh. eine Basilika
erwähnt. In Augsburg ist ein Fortbestehen der kirchlichen Einrichtungen
bis zur Mitte des VI. Jahrh. nachgewiesen. Vergl. Rettberg, F., Kir-
1) d*Agincourt a. a. O. Taf. 8. No. 7. 8.
?) Vergl. oben S. 16 ff. u. S. 22 ff.; auch Büsching, J. Gust. G., über die
achteckige Gestalt der alten Kirchen ; D renke, £., und Lassaulx, J, Claud. v.»
die Matthiascap. bei Kobern a. d. Mosel. 1837. S. 51—64.
282 Komanischer und
chengesch. Deutschlands 1, 189. 541. 581; 2, 145. 276. — Alle diese
Bauten sind unter den Stürmen der Völkerwanderung zu Grunde gegangen ;
doch rühren noch aus der Römerzeit her der älteste Kern des Domes von
Trier (s. oben S. 53) und die jetzige evangel. Kirche daselbst ^) (wahr-
scheinlich das von Eumenius Rhetor gerühmte Constantinische Oerichts-
gebäude) , sowie mehrere zum Theil grossartige Ueberreste von Profange-
bäuden hier und an anderen Orten der Rheinuferländer.
60. Der Basilikenbau fand seine weitere Ausbildung im Abend-
lande als romanischer Stil; der Centralbau^ von zwei gleich langen
Schiffen durchkreuzt^ im Morgenlande als byzantinischer Stil. ^)
Das erste und zugleich bedeutendste Muster der griechisch-christ-
lichen (byzantinischen) Bauweise ist die von 532 — 537 erbaute und nach
einem Erdbeben im Jahre 557 erneute Sophienkirche (jetzige
Moschee) zu Constantinopel ; vergl. oben S. 34 Note 3, S. 31
Note 5 . ^) — Das einzige lebhaft an den christlichen Baustil des Moigen-
landes erinnernde und darum höchst merkwürdige Kirchengebäude in
Deutschland war die Wallfahrtskirche St. Maria auf dem Har-
lungerberge vor Brandenburg, ein im Jahre 1722 leider abgebro-
chener Ziegelbau aus der ersten Hälfte des XIII. Jahrb., auf der Stelle
eines von dem letzten Wendenkönige Heinrich (Pribislav) 1136 in eine
christliche Kapelle umgewandelten Heiden tempels. *)
61. Im Laufe der Zeit nahm der romanische Stil manche Elemente
des byzantinischen Stiles in sich auf und bildete sich zum Gewölbebau ^)
aus ; ebenso wie sich der byzantinische Stil die Grundform der Basilika
aneignete und den Basilikenbau zu einem eigenthümlichen Kuppel-
system umschuf.
Eine eigenthamliche Verbindung des Centralbaues und der Basili-
kenform findet sich in den armenischen und georgischen, freilich nur in
geringen Maassen erbauten Kirchen am Kaukasus. ^)
1] Yergl. Die Basilika zu Trier, deren Gesch. u. Einweih, zur evangel. Kirche.
1857. — Schmidt, Chr. W., Baudenkm. in Trier. Lief. 5.
2)£itelberger, R. v. , Zur Orientirung auf dem Gebiete der Baukunst u.
ihrer Terminologie. I. Byzantinisch u. Romanisch, in den Mittheil. der k. k. Central-
Comm. etc. (1856). 1, 49—52. Vergl. ebd. S. 69—76. 117—120.
3) Das Hauptwerk Über die byzantinische Baukunst ist: Salzenberg, W.,
Altchristi. Baudenkmale Constantinopels' vom V. bis XU. Jahrh. 1853.
4) Adler, F., Mittelalter!. Backsteinbauten I. 1, 5 — 8 u. Bl. 2. — Schneider,
L., die Marienk. auf dem Harlunger Berge bei Brandenb., in Mittheil. des Vereins
für die Gesch. Potsdams. II. 4, 1 — 16. — Förster, Denkm. Baukunst. 10, 11—14
u. 2 Taf. — Bei dem nach dem Stile vorauszusetzenden Neubau dieser Kirche im
XIII. Jahrh. dürfte der alte Grundriss aas Pribislavs Zeit beibehalten worden sein,
der eine sehr grosse Uebereinstimmung zeigt mit der von einem Sohne Waidemars
des Grossen um 1 160 — 1 180 ebenfalls aus Ziegeln -erbauten Marienkirche zu Kallund-
borg auf der Insel Seeland. Vergl. Mittheil. der k. k. Central -Comm. etc. (1864)
9, 1— III.
5) Leibnitz, H., die Organisation der Gewölbe im christl. Kirch enbau. 1855.
6) Dubois de Montp^reux, F., Voyage au Gaucase. 1840. Atlas. S^rie III.
byzantinischer Baustil.
283
62. Ungeachtet der Vorliebe des Abendlandes für den Basiliken-
bau finden sich doch unter den Kirchen, welche zur Zeit der Gothen-
herrschaft am Schlüsse des V. Jahrhunderts durch römische und grie-
chische Baumeister in Italien ausgeführt wurden, auch einzelne Cen-
tralbauten, und gerade diese waren es, die Carl der Grosse für seinen
ersten bedeutenden Kirchenbau in Deutschland zum Vorbilde wählte,
welches jedoch bald und auf immer wieder verlassen wurde.
Fig. 12Ü. Längendurchschiiitt von 8. Vitale in Raveuna (nach d'Agincourt).
Von den Bauten aus der Zeit der Gothenherrschaft ist der wichtigste
S. Vitale in Ravenna, ^) von der katholischen Geistlichkeit ohne
Zuthun der arianischen Gothen erbaut : die Umfassungsmauern bilden
ein Achteck (mit östlich vorgelegter Apsis), aus dessen Mitte sich eine
gleichfalls achteckige Kuppel erhebt ; der niedrigere Umgang besteht aus
zwei Stockwerken : das untere Stockwerk öffnet sich zwischen den acht
die Kuppel tragenden, durch Bogenwölbungen verbundenen Hauptpfeilern
(zwischen denen, mit Ausschluss der Ostseite, je z\vei, im Ganzen also
vierzehn Säulen aufgestellt sind) innerlich in den Centralbau ; das obere
Stockwerk bildet eine von jenen Säulen und Kreuzwölbungen getragene,
umlaufende, vor der Apsis unterbrochene Empore. — Das von Carl dem
Grossen 796 — S04 als zu seiner Grabstätte bestimmte Palastkapelle er-
baute Münster zu Aachen ist eine offenbare, wenn auch abweichende
Nachbildung von S. Vitale: den Kern bildet ein Achteck (D. = 50',
H. = 100'), umgeben von einem sechszehnseitigen etwa 60' hohen Um-
gange von zwei Stockwerken ; vor die Ostscite legt sich die ehemals
I] Gailhabaud, Dcnkin. Bd. '2. Abth. I. 2.
284
Karolingiaohe
wahrscheinlich platt geschlossene Apsis, vor die Westseite eine von zwei
Kundthürmen flankirte Vorhalle^ deren Obergeschoss die kaiserliche Loge
bildete. — Der von uns (oben S. 54 Fig. 23) mitgetheilte, durch das
Obergeschoss des Umgangs gelegte Qrundriss zeigt die zwischen den acht
Hauptbögen vertheilten Säulenstellungen : unter jedem Bogen* stehen
zunächst zwei Säulen unter sich und mit den Hauptpfeilern durch Bögen
verbunden; darüber sind dann den unteren entsprechend wieder zwei
kleinere Säulen angebracht, welche völlig unmotivirt an die schräg an-
steigende Leibung des Hauptbogens an-
stossen. Ueber die Bogenstellungen er-
hebt sich, die Bedachung des Umganges
übersteigend , der mit einem kuppel-
artigen Klostergewölbe gedeckte Fen-
stergaden; vergl. Fig. 121. Dem die-
sem Bau zu Grunde liegenden sehr
complicirten baumeisterlichen Gedan-
ken entspricht wenig die rohe Technik
und die Zusammenstellung der mit
einigen rohen Granitsäulen und der
Zeit angehörigen Capitälen abwechseln-
den , in Farbe . Steinart und Gestalt
verschiedenartigen, aus mehreren an-
tiken Gebäuden entlehnten .Säulen-
schafte und Capitäle. *) — Dem Aache-
ner Muster gleichen mehr oder we-
niger : die Centralanlagen der Schloss-
kapelle auf dem Valkhofe in
Nymwegen (XI. und Xu. Jahrb.), 2) des Nonnenchores im
Münster zu Essen (oben S. 75 Fig. 29 und S. 76) noch aus dem
X. Jahrb., ^) der Nonnenkl osterkirche zu Ottmarsheim (Mitte
des XI. Jahrb.), ^) des sogen. Thurmes zu Mettlach a. d. Saar
Fi«.
121. Kuppel des Mumien zu Aachen
(nach E. Förster).
1) Die ursprüngliche, spflter vielfach und namentlich im XIV. Jahrh. durch den
Anbau eines neuen Chores veränderte Anlage des Aachener Münsters ist durch eine
würdige tuid prachtvolle Restauraüon neuerdings wieder ins rechte Licht gestellt
worden. — Vergl. Nolten, F., Archftol. Beschreib, der Münster- oder Krönungs-
kirche in Aachen. 1818. — Quix, Chr., Histor. Beschreib, der Münsterkirche in
Aachen. 1825. — Mertens, Fz., aber die karoling. Kaisercap. zu Aachen, in L.
Förster's Allgem. Bauzeitung. 1S40. S. 135—152 u. Taf. 339. — Nöggerath,
über die antiken Säulen im Münster zu Aachen, in L. L er seh Niederrhein. Jahrb.
1843. S. 193. — Debey, M. H., die Münsterkirche zu Aachen. 185J. — Scher-
vier, C. G., die Münsterkirche zu Aachen. 1855. — Die besten Abbild, bei Förster,
£., Denkm. Baukunst Bd. 3 zu S. 41 ff. ; vergl. Otte, Gesch. der deut. Baukunst.
8. 80. — Vergl. Weerth, E. aus'm, Kunstdenkm. in den Rheinlanden I. 2, 58 ff.
2) Oltmans, Alex., Description de la chapelle Carlovingienne de Nimdgue,
1847. — Organ für christl. Kunst. 1856. S. 3 ff.
3) Quast, Ferd. v., in der Zeitschr. für christl. Archäol. u. Kmist ], 1 ff. u
Taf. ] — 3, daraus in £. Förster's Denkm. Baukunst. Bd. 1 zu S. 33 ff.
4) Golbery, Ph. de, et Schweighaeuser , J. G., Antiquit6s de l'Alsace.
PI. 40. — Burckhardt, Jac, die Kirche zu Ottmarsheim, in den Mittheil, der
Gesellsch. für vaterl. Alterth. in Basel. Heft 2. 1844. Vergl. Schnaase, im Kunst-
blatt 1843. No. 24.
Baukunst.
285
(XI. bis XV. Jahrh.), *) der Ruine einer Kapelle zu Lonnig (XII.
Jahrh.), -^i endlich die Säulenstellungen des Nonnenchores in Maria auf
dem Capitol zu Cöln (XL Jahrh.). ^)
63. Ausser dem Münster zu Aachen haben sich in Deutschland
nur zu Fulda und Lorsch einige Bauwerke erhalten , die mit völliger
Bestimmtheit der karolingischen Periode zugeschrieben werden können.
Wie in Aachen finden sich auch hier antike und byzantinisirende Ele-
mente neben einander: jene in der zumTheil steifen und rohen Nach-
bildung der römisch -korinthischen oder ionischen Säulencapitale und
attischen (in Aachen willkürlich gegliederten) Basen ^ diese in den
Kämpferaufsätzen über den Capitälen, um die Säulen zur Aufnahme
der Bögen geeigneter erschei-
nen zu lassen, und in der bun-
ten Decorirung der Wandflä-
chen. In den Gesimsen ergiebt
sich der Karniess als Haupt-
glied.
In Fulda ^) birgt die Kirche
auf dem Petersberge (*/, M. von
der Stadt) in ihrer Krypta den
ältesten, anscheinend von dem zu
Ende des VIII. Jahrh. gegrün-
deten, 837 geweihten Bau her-
rührenden Ueberrest von der
Form dreier Tonnengewölbe ne-
ben einander, welche durch ein
viertes davor hinlaufendes mit ein-
ander verbunden sind. Wichtiger
ist wegen der Details die 820 bis
822 erbaute, im XL Jahrh. ver-
änderte Grabkapelle S. Michael
(neben dem Dome) : ^) eine mit
einem niedrigeren Umgange ver-
sehene Rotunde von 44' D., de-
ren innerer Theil über Rundbögen anfacht Säulen mit compositen (später
verstümmelten) Capitälen ruht, welchen acht Fensteröffnungen unter
Fig. 122. Säule aus der Michaelskirche xu Fulda
(nach V. Quast).
1) Schmidt, Chr. W., Baudenkm. in Trier. Lief. 3. S. 8 u. Taf. 4.--Kugler,
Kl. Sehr. 2, 184. ^ Otte, Gesch. der deut. Baukunst S. 217. Fig. 100; S. 218
u. 281.
2) Seul, F. J., (u. T. La 8 sau Ix), das Maifeld u. die Kirche zu Lonnig. Frogr.
des Gymnas. zu Coblenz 1840.
3) Quast, Ferd. v., in den Bonner Jahrb. 13, 180 u. Taf. 4.
4) Lange, J. F., Baudenkm. u. Alterthümer Fulda's. 1847.
5) Derselbe, die S. Michaelsk. zu Fulda. 1855; vergl. Deut. Kunstbl. 1855.
S. 95 f. — Mittelalter!. Baudenkm. in Kurhessen. Lief. 4.
0 1 1 e , Kuost-Archftologie.
19
2gg KomaniiBi^er
dem Dachgesimse entsprachen. Die Krypta bat statt des Säulenkreises
eine von vier BogenOffnungen durchbrochene Mauer, kleine Fenster im
Umgange und im Centrum eine Säule mit ionischem Capital als Träger
des Gewölbes. — In Lorsch datirt die im XI. Jahrb. in eine Kapelle
umgewandelte zierliche Durchgangshalle, ein Rechteck von c. 35X23'
Fläche und 24' Höhe, besonders beraerkenswerth wegen ihrer in der
Weise eines römischen Sarkophags mit Halbsäulen und Filastern in zwei
Etagen geschmückten und auf der Wandfläche mit abwechselnd rothen
und weissen Steinplättchen musivisch belegten Frontmauern, wahrschein-
lich aus der Zeit Kaiser Ludwigs HI. 876—882. ')
I. BomaniBcher Stil. ^)
XI. bis XIH. Jahrhundert.
Li terator : Heideloff, C, der kleine Byzantiner. Tasohenhuch des
byzant. Baustiles. 1837. — v. R., Byzant. Kapitaler aus verschiedenen Kirchen
Deutschlands etc. 1845. — Möllinger, C, Elemente des Rundbogenstils.
7 Hefte. 1845 — J848. — Mezger, Formenlehre zur Rundbogen - Archi-
tektur. 1851.
64. Der wie im grossesten Theile des übrigen Europa vom X.
oder XI. bis ins XIII. Jahrhundert auch in Deutschland herrschende
Baustil wird passend der romanische genannt: derselbe verhält sich
ähnlich zu der antik römischen Bauweise, wie die neueren romanischen
Sprachen zu der altrömischen Sprache.
Die Vergleichung der altrömischen Sprache und der antikrömischen
Baukunst einerseits mit den neueren romanischen Sprachen und der
mittelalterlichen, romanisch genannten Bauweise andrerseits will zeigen,
dass das antike Element in der romanischen Baukunst nur der Stoff ist,
die künstlerische Thätigkeit aber ein Neues, so dass das Antike, nach-
dem es seine volksthümliche Bedeutung ganz verloren hatte, nur in sei-
nen allgemeinen Grundformen wirksam blieb : diese wurden von den
neuen Völkern aufgenommen und dem neuen Geiste entsprechend umge-
bildet. Vergl. Schnaase, Kunstgesch. IV. 1, 158.
65. Die Kirchenbauten der romanischen Periode gingen von der
Geistlichkeit, besonders von den Erdstern aus und standen unter der
ausschliesslichen Leitung des Clerus. Viele hochgestellte Geistliche
1) Abbild, bei Moller I. Taf. 1—4. — Gailhabaud, Denkm. Bd. IL Abth.
2. No. 4. — Förster, Denkm. Baukunst. 1, 11—14 u. 1 Taf. Vergl. Savelsberg,
J., die Begrftbnisskap. deut. Könige su Lorsch, im Deut. Kunstbl. 1851. S. 163 ff. ;
Kugler, Gesch. der Baukunst. l,411;Franck,W., die Ueberreste des Kl. Lorsck,
im Frankf. Conversationsbl. 1861. No. 239 ff. ; Organ fürchristl. Kunst. 1862. No. 6.
2) Derselbe wurde früher allgemein, aber wie aus §$. 60. 61 erhellt, unpassend
byzantinischer Stil genannt; sonst heisst er auch liundbogenstil , auch wohl vor-
gothischer oder lombardischer Stil.
Baustil.
287
waren Architekten; das eigentlich Handwerkliche aber wurde von
Laien besorgt, die zwar gewöhnlich als Conversi zu den Klöstern iin
Verhältnisse der Hörigkeit standen, aber doch auch zuweilen mehr
selbständig auftretend als Handwerksmeister ein freies Wanderleben
führten und mehrfach aus der Ferne herangezogen wurden. Eigent-
liche Baumeister aus dem Laienstande finden sich erst gegen das Ende
des Zeitraumes.
Die aDsschliessliche Leitung der
Bauten durch die Geistlichkeit ist von
K r e u 8 e r (Dombriefe S. 1 26 ff.) durch
überreiche Lesefrüchte dargethan ;
Springer (die Künstlermönche im
M.-A., in den Mittheil, der k. k. Cen-
tral-Comm. [1862] 7, 1— lOu. 36—48)
hat indess mit Recht hervorgehoben,
dass nicht alle geistliche Bauherren
und Bauleiter schon deshalb auch als
Baukünstler angesehen werden dür-
fen. — Als Hauptvertreter der clericalen
Kunstthätigkeit ihrer Zeit sind zu nennen
die Bischöfe Bruno von Osnabrück,
auch im Burgen- und Wasserbau sehr
erfahren (gest. 1068), und Otto von
Bamberg (gest. 1139). — Bischof Geb-
hard II. von Constanz (980—996) ver-
wendete diejenigen seiner Leibeignen,
welche Handwerke trieben, bei der Er-
bauung des Klosters Petershausen und
schenkte ihnen dafür die Freiheit vom
Leibfalle (Anzeiger des German. Mu-
seums 1860. Sp. 2S5). — Beim Baue
des Domes zu Paderborn (1008—1015)
rief Bischof Meinwerk Arbeiter von
überallher herbei und setzte einen un-
bekannten Mann, der sich auf der Bau-
stelle einfand und sich für einen Zim-
merer und Maurer ausgab, nach von ihm
selbst angestellter Prüfung seiner Fähig-
keiten , dem ganzen Werke vor (Vita
Meinwerci, bei Pertz, M. G. SS. 11,
112). — Beim Baue des Klosters von
S. Vannes unter Abt Richard wurden die
Maurer und übrigen Handwerker aus
Geschenken Kaiser Heinrichs II. reich-
lich bezahlt (Vita Richardi, a. a. O. S.
283) . — Bei Erbauung des Klosters für
die eingewanderten Schottenmönche in
19*
Fig. 123. Mönchischer Baumeister des
Magdeburger Dompnrtnlet.
288 Romanisciier
Hegensburg um 1090 bezahlten die dortigen reichen Bürger die Stein-
metzen (Wattenbach, in der Zeitschr. für christl. Archäol. u. Kunst
1, 28). — Im Jahre 1099 wurde Bischof Conrad von Utrecht von dem
Friesen Pleber, einem Laien, ermordet, weil er dem Sohne desselben
das Tiarchanum mctgisteriuma zu sicherer Fundamentirung des Domes im
Sumpfgrunde abzulocken gewusst hatte (Kreuser, Kirchenbau 1, 456).
— Im Jahre 1133 übertrug Bischof Embricho von Würzburg dem Laien
Enzelin das nnu^isfen'iema bei der Reparatur seiner Kathedrale, weil sich
derselbe schon durch einen Brückenbau bewährt hatte (Niedermayer,
Kunstgesch. von Wirzburg. S. 87). — Im Jahre 1219 vollendete der
Laie Albero das Gewölbe von S. Aposteln zu Cöln, und ist vermuthlich
identisch mit dem Magister Wolbero, welcher 1209 den Grund zur
Stiftskirche in Neuss legte, also Baumeister war (Boisseree, Denkm.
der Baukunst am Niederrhein S. 19). *) — Wenn zuweilen hohe Prä-
laten nicht bloss, sondern auch weltliche Vornehme (s. oben S. 13) sich
bei den Bauhanddiensten betheiligten und Steinlasten herbeischleppen
halfen, so waren dies lediglich zur Anfeuerung des Volkes dienende
fromme Hebungen und keineswegs Erweise künstlerischer Thätigkeit
(Springer a.a. O. S. 43). — Vergl. auch: Brunner, Seb., die Kunst-
genossen der Klosterzelle. 2 Thle. 1863.
Anmerkung. Die Kunstübung ausschliesslich durch die Kirche und
unter ihrer speciellen Leitung bedingt den gleichartigen Typus der roma-
nischen Kirchengebäude im ganzen Abendlande ; die einzelnen Schulen er-
klären sich aus dem verschiedenen Geiste derjenigen Orden, die sichern
der Baukunst betheiligten, und aus der unabweisbaren Einmischung des un-
geachtet der klösterlichen Abschliessung dennoch mächtigen nationalen
Elements : alles Factoren^ die auch über die romanische Periode hinaus das
ganze Mittelalter hindurch ihre Wirksamkeit äusserten. Einzelne byzanti-
nische und arabische Formen wurden namentlich durch die Kreuzzüge, in-
dess immer nur sporadisch, aus dem Orient in das Abendland übertragen. —
Endlich bleibt stets der Einfluss des verschiedenen Baumaterials zu be-
achten; vergl. oben S. 27 Anmerk. 1.
66. Die Zeitstellung der Kirchengebäude dieses Stils innerhalb
der angegebenen Periode hat bedeutende, zuweilen schwer zu über-
windende Schwierigkeit: die Identität der vorhandenen Gebäude mit
denen, von welchen die Geschichtsquellen Bericht erstatten, lässt sich
nur in sehr seltenen Fällen mit Sicherheit feststellen, und die Zeitbe-
stimmung für alle übrigen muss dann auf dem Wege der künstlerischen
Vergleichung gefunden werden.
1} Andrerseits waren aber mönchische Baumeister auch noch in späteren Jahr-
Hunderten thätig: dies beweist unter anderen die Baumeisterstatue in klösterlichem
Gewände am Hauptportale des Magdeburger Domes vom Anfang des XIV. Jahrb.,
deren (noch nicht publicirte) Abbild, oben Fig. 1 2.'{ nach einer Originalzeichnung ge-
geben ist, die ich der Güte des Herrn Domcustos Brandt in Magdeburg zu ver*
danken habe.
Banstü. 289
Die obwaltenden Schwierigkeiten sind , tief eingehend und mit
grossem Scharfsinne, zuweilen freilich etwas unklar im Ausdrucke^ ihrem
ganzen Umfange nach dargethan von Mertens (die Baukunst des M.-A.
S. 65 ff.) ; doch darf behufs richtiger Würdigung der hier vorgetragenen
Ansichten und ihrer Anwendung die ebenso gründliche als unbefangene
Beurtheilung Sehn aase's im Deut. Kunstbl. 1852. No. 3 ff, nicht über-
sehen werden.
Es sind nach Mertens hiebei drei Hauptgesichtspunkte zu be-
achten: 1) Die Mutation. Es lag in den Verhältnissen der ersten
Ausbreitung des Christenthums in den deutschen Landen, dass man mit
Dürftigkeitsbau oder doch in kleinerem Maasstabe begann , und erst
später, wenn die neue Stiftung befestigt und erstarkt war, einen auf die
Dauer berechneten Denkmalbau an die Stelle setzte. So wurde die Kirche
des Klosters Huyseburg in dem Zeitraum von nur 70 Jahren dreimal neu
gebaut, bloss weil sie für den Wachsthum der Stiftung immer wieder zu
klein befunden wurde. Ebenso fanden in dem ersten Jahrhundert (1 1 24 bis
1205) nach der Stiftung des Klosters auf dem Petersberge bei Halle a. d. S.
an der dortigen Kirche sehr viele Veränderungen und Erweiterungen statt,
und im Innern des noch jetzt vorhandenen romanischen Gebäudes hat man
Grundmauern einer früheren kleineren Kirche aufgefunden. — In der
1255 — 1379 erbauten Klosterkirche zu Altenberg bei Cöln wurden bei
Erneuerung des Fussbodens ebenfalls Mauerreste von einer älteren der
Gründung des Klosters im Jahre 1145 angehörigen Kirche entdeckt. —
Ausser solchen völligen Erneuerungen kamen im Laufe der Zeit aber
auch mancherlei theil weise Veränderungen und Restaurationen an den
Gebäuden vor, von denen gewöhnlich keine geschichtliche Nachricht sich
erhalten hat. — Aus der ältesten Zeit von der karolingischen Periode
bis zum XI. Jahrhundert ist eine ganze Generation von Bauwerken zu
Gnmde gegangen, da nach dem Zeugnisse eines französischen Mönchs ^)
aus der ersten Häli'te des XI. Jahrhunderts damals ein gleiches Streben,
Neues an die Stelle des Alten zu setzen, die ganze abendländische Welt
beseelte, und auch gleichzeitige deutsche Zeugen ^) bekunden, eine hie
1) Rodulphus Glaber, Hist. HI. 4 (beiBouquet X. 29): Inframille-
aimum tertiojam fere imminenU anno contigit in univerao pene terrarttm orbe, prae-
cipiie tarnen in Italia et in Galliis , innovari ecclesiarum basilicas , licet pleraeqtie
aecenter locatae minime indiguisaent. Aemnldbatar tarnen ^tiaeque gens Christico-
larum adver aus alteram decentiore frui : erat enim instar ac st muudus ipse excutiendo
semet, rejecta veitistate, passim candidam ecclesiarum vestetn indueret. Tunc denique
episcopalium sedium ecciesias pene universas ac cetera quaeque diveraorutn sanctorum
monasteria seu minor a rillarum oratoria in meliora qitique pennutavere jßdeles. Vergl.
Ja nk mann, W., Diss. de peregrinationibus et expeditionibua sacri«. Vratislav.
1859. p. 37.
2) Anonymus Haser ensis c. 32 (bei Pertz, M. G. SS 7, 261): Suh Heri-
berto episcopo (von Eichstädt 1022 — 1042) primitas apud noa (anderwärts also schon
früher; vergl. Lotz, Kunst-Topogr. 1, 6} coepit veterum aedijiciorum dejectio et no-
vorum aedißcatio, Anteceasores eftia imia et mediocribus aedijiciia contenti erant ma-
gnamque in hiis häbundantiam habere volebant. late rero eptacouus ei omnea aticceaorea
ejus aut navaa eccleaiaa aut nova palatia aut etiam caatella aeaißcabant et hocjugiter
op&rando, populum aerviturum ultima pattperlaie attenuebant Von den Würzburger
Bischöfen heisst es ;dann : Wircebnrgenaibus quodammodo naturale eat deatruere et
aedißcarej quadrata rotundia mutare (Horatius, ep. I. 1, lOü).
290 Romanischer
und da fast bis zur Manie gesteigerte Regsamkeit unter den deutschen
Bischöfen, die älteren, oft kaum vollendeten Gebäude abzubrechen, um
prachtvollere Neubauten an deren Stelle zu setzen, so dass fast der ge-
sammte deutsch -romanische Denkmalbau erst seit dem XI. Jahrhundert
datirt. Ueber die Gründe dieser Erscheinung vergl. Otte, Gesch. der
deut. Baukunst S. 148, nach W. Giesebrecht, Gesch. der deut.
Kaiserzeit. 2. Aufl. 2, 534.
2) Die Documentation. Die Gründung der Kirchen und Klöster
ist regelmässig durch bestimmte urkundliche oder chronistische Daten
documentirt, aber es ist mit Ausnahme von Inschriften und Baubeschrei-
bungen, die selten vorkommen, wegen des Gesetzes der Mutation nicht
zu erweisen, dass die geschichtlichen Nachrichten für die auf uns ge-
kommenen Gebäude Geltung haben. Ueber spätere Veränderungen und
völlige Neubauten , welche für die Geschichtschreibung nicht dieselbe
Wichtigkeit hatten wie die erste Stiftung, fehlt insgemein alle Kimde,
und die Continuität in . der Aufzeichnung von Vorfällen war im Mittel-
alter nicht vorhanden. Die vielen Feuersbrünste, von denen die Kirchen
betroflFen wurden (oben S. 70), sind zwar gewöhnlich von den Chronisten
registrirt, aber man erfährt daraus nicht, ob der Brand ein Gebäude ganz
oder nur theilweise zerstört hat, und ob nur eine Wiederherstellung oder
ein völliger Neubau darauf gefolgt ist. So erklärt es sich, dass die deut-
lichen und urkundlichen Stiftungsdaten sich auf untergegangene Bauten
beziehen, während die undeutlichen und gelegentlichen Angaben am
ehesten auf die vorhandenen Gebäude anzuwenden sind, Die Dome zu
Merseburg, Naumburg und Bamberg z. B. wurden bestimmten Daten
zufolge im XI. Jahrhundert gegründet oder neu gebaut; es finden sich
aber Ablassbriefe und sonstige gelegentliche Nachrichten aus dem XIII.
Jahrhundert, wo ganz nebensächlich von der nreaedtßcatio«, »restauraito^n
oder der Vollendung derselben die Rede ist, und dem Baustile dieser
Kirchen zufolge sind allein die letzteren Nachrichten auf die vorhandenen
Gebäude anzuwenden, nicht aber jene von ihrer Gründung. Andrerseits
fehlt es indess auch nicht an Beispielen, besonders aus dem XII. und
Xm. Jahrhundert, wo sich der Stiftungsbau bis auf unsere Tage erhalten
hat, was, namentlich bei grösseren Bauwerken aus dem XI. Jahrhundert,
nur sehr selten vorkommt. — Die Zeitbestimmung eines Gebäudes auf
dem Wege der künstlerischen Vergleichung erfordert nicht bloss eine
sehr gereifte Sachkenntniss, sondern besonders auch ein feines Gefühl
für die Eigenthümlichkeiten und Nuancen der architektonischen Detail».
3) Die Creation. Es ist immer ein bestimmtes, gewöhnlich be-
deutendes Gebäude , welches zuerst eine gewisse Form hat , also als
eigentlicher Schöpfungsbau dasteht, und von welchem dann eine grössere
oder geringere Anzahl von Gebäuden als von ihrem Ursprünge ausge-
gangen ist. ^) Diese Ausbreitung einer neuen Creation ging aber an
verschiedenen Orten nicht gleichzeitig vor, und andrerseits machten sich
verschiedene Wirkungen auf demselben Räume und in derselben Zeit
1) Das erste Beispiel von Schöpfung in der romanischen Baukunst seit dem Jahre
1000 sieht Mertens (a. a. O. S. 90) in 6. Benigne zu Dijon.
Baiutil.
291
geltend (Prftcesaion oder Propagation) . Während z. B. am Niederrhein
der Oewölbebau schon in der ersten Hälfte des Xu. Jahrhunderts be-
ginnty begnügte man sich in Süddeutschland bis zum Anfange des fol-
genden Jahrhunderts noch mit der althergebrachten Holzdecke der Basi-
lika. — Zu Cöln ist die im romanischen Stile erbaute Cunibertskirche
1247 vollendet, und schon im Jahre darauf wurde der gothische Dom
daselbst gegründet. — An der Liebfrauenkirche zu Trier ist der sich
über dem gothischen Gebäude erhebende, nothwendig spätere Mittel-
thurm noch in romanischen Formen gehalten. — Der romanische Stil
dauert in der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts fast überall und in
manchen Gegenden zuweilen bis gegen 1300 fort, während die Gothik
bereits seit den ersten Decennien des XIII. Jahrhunderts sporadisch auf-
zutreten beginnt.
67. Die Kirchen romanischen Stils sind einfache, massenhafte,
mehr niedrige als hohe Gebäude von starkem Gemäuer und grosser
Festigkeit, Anfangs schwerfallig und schlicht, später zierlicher und
reicher. Das Vorherrschen der Horizontallinie ist an ihnen charakte-
ristisch ; ebenso der in allen Wölbungen angewendete halbkreisförmige
Bundbogen.
^Pig. 124. Der Dom in Merseburg (nach urtprOngHcher Anlage).
68. Der Grundriss erscheint nach einem bestimmten Gesetze
rhythmisch gegliedert. — Delikt man sich die mittlere Vierung g als
die Basis eines Würfels, so giebt das Netz desselben das Maas für die
Haupttheile des Gebäudes : eine Würfelfläche für den Chor -B, zwei
andere für die Kreuzarme C, die beiden übrigen für das Mittelschiff
Ay welchem jedoch zur nothwendigen Verlängerung westlich noch
eine Fläche hinzugefügt ist. Die Seitenschiffe B haben die halbe Breite
des Hauptschiffes, welcher auch die Entfernung der Säulefx oder Pfeiler
von einander entspricht Die Apsiden sind halbkreisförmige Vorlagen,
292
Romanischer
später zuweilen ein halbes Achteck oder Zehneck bildend ; die kleinen
Nischen [z] an den Kreuzarmen dürfen nicht fehlen. Der Chor ist
bedeutend über dem Fussboden des Schiffes erhöht, und eine Krypta
befindet sich darunter. Die Vierung wird von vier hohen Schwibbogen
begrenzt.
Offenbar liegt dem ganzen Entwürfe die Gestalt des lateinischen
Kreuzes zu Grunde, aber das von Stieglitz (Beiträge 2, 49) aufgestellte
Princip von der (/Onstruction des Grundplanes nach dem Netze des Wür-
fels , obgleich es als Princip schon wegen der Verlängerung des Schiffes
(die bei den Cisterziensern noch bedeutender zu sein pflegt) verwerflich
ist, dient doch zur schnellen Veranschaulichung. — Vergl. übrigens oben
S. 36. Anmerkung und S. 48 zu § 21.
Anmerkung. Kleine einschiffige Kirchen zeigen eine strenge Drei-
theilung des Raumes: in Apsis, Chor und Schiff, welches letztere etwas
breiter ist ; an einen etwaigen späteren Anbau desselben wird in den we-
nigsten Fällen gedacht werden dürfen. Zuweilen fällt die Apsis
weg, und der Östliche Schluss ist rechtwinklig (z. B. in der Prieg-
nitz und Ukermark) ; ein Thurm fehlt entweder ganz, oder ist auf
der Westseite quadratisch, auch rechteckig in der ganzen Breite
des Schiffes (am Harz, bei Halle a. d. S., zuweilen in der Alt-
mark und in der Mark Brandenburg) , selbst breiter als letzteres
(häufig in der Altmark) vorgelegt. Anderweitig ist der Thurm
über dem Chorquadrate angeordnet (mehrfach im südlichen
Deutschland, auch in der Altmark) ; vergl. oben S. 59 f. Doppel-
thürme sind bei den Landkirchen sehr selten (oben S. 55 unter c), kommen
jedoch vereinzelt vor : zu Lugau bei Dobrilug , zu Ihlo bei Dahme , zu
Broacker bei Flensburg. — Die Anlage einer Krypta fehlt stets.
69. Im Aufbau zeigen die romanischen Kirchen regelmässig die
Basilikenform, d.h. das Mittelschiff ist von den halb so hohen Seiten-
schiffen durch Bogenreihen geschieden, über welchen die Seitenmauem
des Langhauses aufsteigen. Die Scheidbögen (Ar-
kaden) zwischen den Schiffen werden entweder von
Säulen oder von Pfeilern getragen. Auch kommt es
in einigen Gegenden vor, dass Säulen und Pfeiler
regelmässig mit einander wechseln, und zwar zu-
weilen in der Weise, dass die Pfeiler unter sich
durch höhere Blendbögen verbanden sind und die
dazwischen stehenden Säulen durch niedrigere offene Bögen, woraus
eine glücklich abgerundete belebende Gruppirung entstand. Vergl.
Fig. 126 und 146.
Säul,enbasiliken, an sich die ursprüngliche Form , sind im
Allgemeinen selten, haben sich jedoch gerade aus der älteren Zeit häu-
figer erhalten : Limburg a. d. Hardt, St. Justinus zu Höchst, St. Georg
Fig. 125.
\
1
Fig. 120. Bogenstellang
zu ntenburg.
BaiMtil. 293
zu Cöln, St. Jacob zu Bamberg, Moritzbeig bei Hildeshcim — aus dem
XI. Jahrhundert; Dom zu Constanz und mehrere kleinere Kirchen in
Schwaben, Schottenkirche zu Regensburg, Klosterkirche zu Hersfeld
(1037 — 1144), Paulinzelle, Hamersleben und Jerichow — aus dem Xu.
bis XIII. Jahrhundert.
Pfeilerbasiliken kommen mindestens seit dem XI. Jahrhun-
dert vor (Dome zu Mainz, Augsburg und Bremen, Maria auf dem Capitol
in Cöln etc.) und bilden die übergrosse Mehrzahl, da man die Errichtung
von einfach viereckigen Pfeilern wegen der grösseren Solidität und er-
heblich leichteren Ausführung vorzog, und die Säulen für den im XII.
Jahrhundert aufkommenden Gew(Jlbebau überdiess ganz ungeeignet
waren .
Bei den Basiliken mit regelmässigem Wechsel von Pfeilern
und Säulen, die nur provinziell, besonders in Niedersachsen, vor-
kommen, erscheinen erstere immer als die Hauptstützen, nicht nur,
wenn, wie in Gemrode, zwischen zwei Pfeilern je eine Säule angeordnet
ist, und wenn diese Gruppen, wie in Echternach im Trierschen und öfter
am Harz, durch höhere Blendbögen zusammengefasst sind, sondern auch
dann, wenn zwischen jedem Pfeilerpaare, wie in mehreren Hildesheimer
Kirchen und in der Stiftskirche zu Quedlinburg, je zwei Säulen stehen,
da die Entfernung der Pfeiler von einander gewöhnlich der Breite des
Mittelschiffes entspricht, welches daher durch die Pfeilerstellungen in
seine regelrechten Quadrate getheilt erscheint.
In den Krypten ist die Scheidung der Schiffe durch Säulen die ge-
wöhnlichere : der Stützenwechsel findet sich nur in der Krypta des Wi-
pertiklosters zu Quedlinburg.
Anmerkung 1. Die Säule, eine den antiken Bausystemen ent-
lehnte und nach einem bestimmten Grundtypus gebildete senkrechte cy-
lindrische Stütze, besteht aus drei Haupttheilen : Fuss, Schaft und Capital.
Das Capital ist der am meisten charakteristische Theil, und der ro-
manische Baustil nahm aus der karolingischen Periode zunächst das dem
korinthischen ähnliche spät-römische Säulencapitäl auf: es ist vasen-
förmig gebildet, mit mehreren Reihen sich nach aussen überbiegender
Blätter (Acanthus) besetzt und trägt eine gewöhnlich vieleckige Deckplatte
(Abacus) , unter welcher sich kleine Schneckenstengel zwischen dem Blatt-
werk ansetzen. Dergleichen korinthisirende Capitäle kommen nicht bloss
in der Frühzeit (Fig. 127 — 129), sondern während der ganzen romanischen
Periode öfter vor, in mehr oder weniger willkürlicher Behandlung, doch
stets mit Durchscheinen des antiken Typus. Dagegen erscheint eine Nach-
bildung des ionischen Capitäls nur in der Frühzeit, wohl niemals nach
dem XI. Jahrhundert und überhaupt nur sehr selten, z. B. (ausser den oben
S. 285 f. erwähnten karolingischen Beispielen in Fulda und Lorsch) in den
Krypten der Wiperti- und der Schlosskirche zu Quedlinburg, in Ganders-
heim, Essen, Limburg a. d. H. (Fragmente) und in Oberzell auf Reichenau.
Das Charakteristische der ionisirenden Bildung besteht in den grossen
Schnecken (Voluten) des blätterlosen und flachen Capitäls. Während in
der Antike und in den übrigen bekannten mittelalterlichen Beispielen die
Voluten abwärts gewunden sind, erscheinen dieselben in der Schlosskirche
294
Romanischer
zu Quedlinburg (Fig. 130) in umgekehrter Weise aufwärts gekehrt. *) Zu-
folge eines richtigen Gefühls, nach welchem das schlanke korinthische Ca-
pital wenig geeignet erschien , statt des wagerechten antiken Gebälkes
Fig. 127. Corvey (nach Lübke).
Tig. 128.= Paderborn
(nach L&bke).
Fig. 129. QuedUnburg (nach Kugler}.
f Fig. 130. Quedlinburg (nach Kugler).
]) Als Reminiscenzen des ionischen Capitflls können auch die an Würfelknäufen
mehrfach (z. B. an der Schlosskirche zu Quedlinburg, in der Marienkirche zu Magde-
burg, in der Krypta des Domes zu Zeitz etc.) vorkommenden eingemeisselten Voluten-
verzierungen angesehen werden.
Baustil.
295
ATkadenbögen und eine auf denselben lastende dicke Mauer zu tragen,
hatte nach dem Vorgange des Byzantinismus bereits die karolingische Kunst
zwischen Capital und Bogen den Kämpfer (oben S. 285 § 63 und Fig.
122) eingeschoben, welcher in Fig. 130 nach byzantinischen Mustern in
trapezförmiger Ausladung gebildet ist, in Fig. 127 und 129 dagegen (wie
schon in Fig. 1 22) als ein aus dem Capitäle aufsteigender, mit ausladendem
Simswerk gekrönter viereckiger Pfeiler, der in Fig. 127 in bewusster Weise
dem antiken Säulengebälke nachgebildet erscheint und wie dieses förmlich
aus drei Abtheilungen besteht : Architrav und Fries sind durch einen Perl-
stab getrennt, und der Kranz ist (wie auch in Fig. 128) mit dem Zahn-
schnitte verziert. Später verwandelte sich der
Kämpfer gewöhnlich in einen verstärkten mehr-
gliedrigen Abacus und bildet nicht mehr ein beson-
deres Glied für sich. — Ausser den der Antike ent-
lehnten Capitältypen tauchen im Romanismus zwar
hin und wieder auch mannichfache eigene Erfin-
dungen (z. B. von Trapez- oder Trichterform) auf,
unter welchen jedoch nur das Würfelcapitäl
zur allgemeinen Herrschaft und Ausbildung in
Deutschland gelangt ist. In dem ältesten bekannten
Beispiele, an einem Fenstertheilungs-Säulchen im
Westchore des Münsters zu Essen aus der zweiten
Hälfte des X. Jahrhunderts (Fig. 131) gleicht es
einer halbkugeligen Schale, die mit dem unmittel-
bar darüber aufsetzenden Mauerwerke des Bogens
dadurch verschmolzen ist, dass letzterem entspre-
chend auf allen vier Seiten der obere Theil der
Schale senkrecht abgeschnitten erscheint, wodurch
sich über dem kugelförmigen Grunde vier halb-
kreisförmige Schilde ergeben. Diese an das do-
rische Capital der Antike erinnernde, nur noch in
der ebenfalls hochalterthümlichen Krypta zu Em-
merich nachgewiesene anmuthige Bildung dürfte
sich als eine gcföllige Uebertragung des wohl ohne
Zweifel dem urdeutschen Holzbau entlehnten Wür-
felknaufes auf den Steinbau ergeben, während an-
dere ebenfalls noch frühzeitige, namentlich sächsische Beispiele (Fig. 132)
in schlagender Weise auf diesen Ursprung hindeuten. Ueberhaupt erwies
sich das an sich einfache Motiv mannichfaltigster Modificationen fähig,
wenngleich die in Fig. 133 wiedergegebene Form am häufigsten auftritt.
Die Theilung der Würfelflächen in zwei oder mehrere Schildchen ist eine
später vorkommende spielende Variante (Fig. 137 und 142), von welcher
das hin und wieder in Süddeutschland anzutreffende sogen. Pfeifencapitäl,
das unter der Deckplatte eine ganze Reihe von Schildchen zeigt, die nach
unten kegelförmig gefältelt zusammenlaufen, wiederum als eine besondere
phantastische Modification erscheint. — Gegen Ausgang der romanischen
Periode tritt eine zierliche Verbindung der Kelch- und Würfelform auf,
indem sich der Cubus zu einer starken Platte vermindert, deren Uebergang
Fif. 131. S&ulcheo aus dem
MQosterzu Essen (nach v. Quast),
296
Romanischer
Fig. 132. llsenburg (nach Hase). Fig. 133. Würfelcapit&l (nach Schnaaae).
Fig. 134.') Maria in Capitolio xa Cöin Fig. 135.* Konradsburg (nach Futtrich).
S(uach V. Quast). 'J
Fig. 136. Laach (nach Geier). *'»?• *37. Eisenach Fig. 138. Königalutter
(nach Puttrich). (nach Ha»e).
Baustil.
297
zu dem cylindrischen Schafte nicht wie früher durch Ahrundung der Ecken,
sondern durch eine schlanke Auskehlung vermittelt wird (Fig. 137 und
1 38) . — Das Ornament macht sich anfangs nur sparsam und schüchtern
geltend (Fig. 134, gegen Mitte des XI. Jahrhunderts), behandelt sodann
die halbkreisförmigen Schilde gesondert [Fig. 136, gegen Mitte des XII.
Jahrhunderts) und überzieht zuletzt das Ganze in einer Fläche ohne Rück-
sicht auf die Schiidtheilung (Fig. 135, gegen Ende des XII. Jahrhunderts) ;
doch lässt sich diese Classificirung nicht in chronologischer Beziehung
durchführen, da völlig schlichte Würfelcapit&le neben sparsam oder reich
verzierten die ganze Periode hindurch vorkommen. Die Verzierungen be-
stehen zuweilen aus geometrischen Linien (Fig. 136), meist aber aus frei er-
Fig. 139. Paradies zu Laach (nach Geier).
Fig. 141. Quedlinburg (nach Kugler).
'immm i i mm
Fig. 140. Uamertlpben (nach v. Quast).
298 llomanucher
fundenem autliegendem Blatt- und Ranken werk, wobei häufig antike Mo-
tive (Palmetten etc.), niemals aber (mit Ausnahme der spätesten Zeit) na-
türliche Pflanzenformen als Muster benutzt werden. Bezeichnend für den
Schluss der Periode, welcher die reichsten und edelsten Beispiele ange-
hören, ist die Besetzung der Blattrippen mit Perlen oder facettirten Qua-
drätchen (Diamanten); Fig. 139, Ende des XII. Jahrhunderts. Eine be-
sondere Gattung machen die mit Menschen- oder Thierflguren geschmückten
sogen, ikonischen oder Bildercapitäle aus; Fig. 140^ c. 1100, Fig.
141, um 1140. Ueber das Technische ist zu bemerken, dass in der Früh-
zeit die (oft erst nach dem Versetzen der Steine gearbeiteten) Verzierungen
aus der Tiefe herausgearbeitet mehr einer sculptirten Zeichnung gleichen,
als dem eigentlichen Relief, während später selbst Unterarbeitungen des
noch in einer Fläche liegenden Blattwerkes und zuletzt Ablösungen und
freies Hervortreten namentlich der Eckblätter beliebt werden. — Die ganze
Periode hindurch gilt als Regel, dass die Säulencapitäle eines Gebäudes
selten oder nie übereinstimmend decorirt sind, sondern mit bewunderns-
werther Erfindungskraft jedes einzelne in eigenthümlicher Behandlungs-
weise.
Der Schaft, der mittlere walzenförmige (zuweilen achtseitige) Haupt-
theil der Säule, bleibt im Romanismus (mit höchst seltenen Ausnahmen)
regelmässig ohne die in der Antike übliche Cannelirung, also schlicht, be-
hält aber in den besseren Beispielen die Verjüngung seiner oberen Hälfte
bei, während anderweitig und regelmässig bei Halbsäulen, die
mit anderem Mauerwerke verbunden sind, die reine Cylinder-
form angewendet ist. Im XII. Jahrhundert kommen decorirte
Säulenstämme vor : mit gewundener Ausrinnung, wodurch der
Schaft wie aus Tauen zusammengedreht erscheint (Fig. 135) ;
über und über mit Rauten, facettirten Prismen, Sternchen,
Zickzack, Palmetten und Ranken werk etc. bedeckt. Zuweilen
wird der Schaft aus mehreren dünnen Cylindern zusammenge-
setzt, die in manchen Fällen in der halben Höhe einen starken
Knoten bilden ; vergl. das Fenstertheilungssäulchen aus Ilben-
stadt Fig. 142. — In technischer Beziehung ist der Säulen-
schaft entweder aus einem Stück errichtet (monolithisch),
oder aus Trommeln zusammengesetzt, oder aufgemauert.
Fig. 142. (nach Der Säulenfuss befolgt fast ausnahmslos das antike
F. H. Müller). Muster der attischen Basis, die über einer Grundplatte aus zwei
starken Rundstäben (dem unteren und oberen Pfühl) und einer
zwischen beiden angeordneten Hohlkehle nebst einigen feinen Verbindungs-
gliedern bestehend, durch die gegenseitigen Verhältnisse ihrer Theile ver-
schiedener charakteristischer Modificationen föhig erscheint; Fig. 143. Die
ältere Zeit liebt schwere steile Basen (Fig. 143 a), die spätere verflacht die
Pfühle und lässt den oberen gegen den unteren mehr zurücktreten, endlich
letzteren über die Grundplatte zuweilen Überquellen. Als charakteristisch
für- das XII. Jahrhundert gilt das Anbringen einer Verbindung, welche,
von den vier Ecken der Grundplatte ausgehend, sich an oder über das un-
tere Pfühl legt und in den mannichfaltigsten Bildungen (Fig. 143 ä, c, d)
vorkommt : als roher Knollen oder Klotz, als blosse Anschrägung, als pro-
Banttil.
299
ftlirtea Blatt, als Thierkopf oder Klaue, zuweilen als eine den Kern des
Pfühls umgebende Umhülsuug (Fig. 143 e). — Wenn der Säulenschaft or-
namentirt ist, pflegt auch die Basis an dem Schmucke Theil zu nehmen. —
c
Fig. 143.
a. Qnedlinburgr
(nach Kugler).
b. CoDstanz c, Wartburg
(nach Schreiber).
d. Frei barg a. d. ü.
<nach Puttrich).
e. Frose
Hin und wieder (anscheinend nicht vor dem Xu. Jahrhundert) vertreten
Menschen- oder Thiergestalten, in Correspondenz mit den ikonischen Ca-
pitAlen, als Trfiger des Schaftes die Stelle der
Basis; Fig. 144. — Dagegen scheint es eine
(nicht eben häufig vorkommende) Eigen thümlich-
keit der früheren Zeit zu sein, wenn (wie z. B.
in der Krypta des Münsters zu Es^en um 1051 ,
oder im Kreuzgange des Klosters auf dem Non-
nenberge zu Salzburg vom Ende des XI. Jahr-
hunderts) sich die Capitälform in gestürzter
Stellung zu unterst als Basis wiederholt.
Anmerkung 2. Passender als die Säule
zum Tragen der Arkaden und der Scheidmauem
erscheint der schlicht quadratisch oder rechteckig
gebildete Pfeiler, dessen Anwendung schon
Fig. 144. KrypU zu Klosterrath ^^^ Spät - römiSchc KuUSt (obcu S. 279) UUter
(nach dem Organ für chrUti. Kunst). Umständen nicht verschmähte, bei welchem die
Gliederung des Sockels und des Kämpfergesimses
das allein Charakteristische ist. Hier gilt die einfachste Verbindung der
Grund- oder Deckplatte mit dem Pfeilerkerne durch eine Schmiege (s. in
Fig. 133) für eine specifisch deutsche, vielleicht dem Holzbau entlehnte
Erfindung des XI. Jahrhunderts, und anderweitig kommt in dieser Früh zeit
an den Kämpfern vorzugsweise der (mehr eingezogene, als nach antik-rö-
mischer Weise ausladende) Kamiess (Fig. 145a; vergl. in Fig. 127 — 129
und 134) vor, neben brfeiten Halbkehlen und starken Rundstäben (Fig.
145 b, c) einerseits, und einer wiederum an die Technik der Holzarbeiten
erinnernden Häufung vieler Gliederchen über einander andrerseits , und
zwar in sauberer, sorgf<iger Ausführung. Im XII. Jahrhundert erscheint
die attische Basis als Fuss , und in umgekehrter Folge der Glieder als
300
RomaniBcher
Krönung der Pfeiler yorherrschend^ neben complicirter, aber minder frei
und edel, sondern mehr willkürlich und handwerksmässig componirten Ge-
simsprofilirungen (Fig. 145 e — h), — Der Kamiess kommt übrigens in der
ganzen Periode vor, später jedoch viel seltener als in der Frühzeit. — Eine
Ausgestaltung der Pfeilermasse selbst, abgesehen von der zuweilen beliebten
Abschmiegung der Ecken oder Anbringung von engagirten Säulchen an
denselben, trat ^st durch den Gewölbebau ein ; vergl. unten § 75 Fig. 160.
a
X
E
Fig. 145.
a. Cttln, Maria in Cap. b. Froae c. Oernrode d. HUdedieim, 8. Mleh. §-~h Bchwanrheindorf
(nach V. Qaatt). (nach Puttrich). (nach Hase). (nach Simons).
70. Die kahle ^ todte Fläche der auf den Arkaden lastenden
Scheidmauer, an welche sich äusserlich die Pultdächer der Seitenschiffe
lehnen, ist über den letzteren (im Lichtgaden) durch die verhältniss-
massig kleinen, im Rundbogen überdeckten Fenster belebt. Der unter-
halb des Lichtgadens und oberhalb der Arkaden gelegene Theil wurde
gewöhnlich mit Malereien geschmückt; ausserdem wird die Fläche des-
selben architektonisch nur durch ein Gurtgesims (den sogen. Arkaden-
sims) gegliedert. Die Anordnung von Emporen, Zwerggalerien oder
Blendenreihen als Zwischengeschoss gehört, mit Ausnahme einiger
älteren Nonnenkirchen (Gemrode, Essen], erst dem Gewölbebau an. —
Die Wände der Kreuzarme und des Altarhauses (sowie die der Krypten)
erscheinen in der Frühzeit gern durch blosse Blendbogen Stellungen
decorirt und erhielten ebenfalls den Schmuck der Malerei.
Baiutil. 301
In Thttringen und Sachsen (Paulinzelle^ Hamersleben, St. Godehard
in Hildesheim) ^ sowie in Süddeutschland (Maulbronn, Brenz, Sekkau)
kommt es zuweilen vor, dass von dem- Arkadensimse gleich profilirte
Streifen auf die Säulen- oder Pfeilermitten hinabgeführt sind, wodurch
eine dem Auge wohlgefällige rechtecKige Umrahmung der einzelnen Ar-
kadenbOgen entsteht. — Wanddecoration durch Blendarkaden kommt aus
dem XI. Jahrhundert in Limburg a. d. H. und Hersfeld vor, vom An-
fange des XII. Jahrhunderts im Ostchore zu Laach.
Anmerkung. Die Fenster haben stets schräg ein- und ausgehende
Gewände und abfällige Sohlbänke, um auf diese Weise den Lichteinfall zu
verstärken. In der Frühzeit ist die Fensterwandung schlicht, und eine
Gliederung derselben durch Proülirungen oder durch ein Halbsäulchenpaar,
dessen Schafte sich über dem Capital am Deckbogen wulstförmig fortsetzen,
wird erst seit dem XII. Jahrhundert üblich. — Bemerkenswerth ist die im
XI. Jahrhundert einigemal (in der Krypta zu Limburg a. d. H., in der
Westwand der Domkrypta zu Speier, unten in der Apsis der Klosterkirche
zu Hersfeld] vorkommende Anordnung kleiner sechseckiger Fensteröff-
nungen. Im Uebrigen vergl. oben S. 67 § 25.
71. Das Mittelschiff wurde mit einer Holzdecke flach belegt;
Wölbungen finden sich nur in den Halbkuppeln der Apsiden und in
den Kreuzgewölben der Krypten; in einzelnen Fallen jedoch wurden
auch schon frühzeitig die Seitenschiffe mit Kreuzwölbungen überspannt.
Ueber die Holzdecken s. oben S. 69 § 26. Das einzige Beispiel,
wo das Sparrwerk des Daches nach innen offen liegt, scheint das Schiff
der Abteikirche zu Schwarzach am Oberrhein zu geben. — Das älteste
bekannte Beispiel einer ursprünglichen Ueberwölbung der Seitenschiffe
würde die Klosterkirche zu Echternach von 1031 darbieten, ') wenn dies
nicht von den Leitern der neuesten Restauration bestritten würde. —
Viele ursprünglich flach gedeckte romanische Basiliken wurden später in
organischer Weise in Gewölbebauten verwandelt, wie z. B. der (1819
abgetragene) Dom zu Goslar, der Dom zu Bremen, die Marienkirche zu
Magdeburg. Dasselbe Verhältniss scheint auch obzuwalten gerade bei
den drei grossartigsten Denkmälern des deutsch-romanischen Gewölbe-
baues , den mittelrheinischen Domen zu Mainz , Speier und Worms :
Mainz und Worms wenigstens haben sicher schon früher mit flachen
Decken existirt. Bei weitem häufiger war die spätere Einziehung von
Kreuzgewölben eine völlig unorganische Zuthat, z. B. in Maria auf dem
Capitol zu Cöln, in den Klosterkirchen zu Echternach und Maulbronn
u. s. w., was sich oft sogleich dadurch verräth, dass die Fenster nicht
genau in der Mitte der Gewölbeschilde stehen ; doch kommt diese Un-
regelmässigkeit auch in solchen (selbst gothischen) Kirchen vor, welche
schon ursprünglich auf Gewölbe berechnet waren. — Dass man in dem
ganzen romanischen Zeitalter gewölbte Decken zu bauen verstand, geht
aus den Deckenwölbungen der Krypten hervor ; doch sind hier die über-
spannten Räume immer nur schmal, und das Ueberwölben des weniger
]) Otte, Gesch. der deut. Baukunst S. 280 zu S. 212.
Otte, Kun^t-Archiologic. 20
d02
ttomaniBclier
gesicherten Hauptschiffes scheint man allerdings gescheut zu hahen, wenn
man auch, wie bisweilen geschah, das Altarhaus mit einem Gewölbe ver-
sah. — Flach gedeckte Kirchen finden sich übrigens von Anfang bis zu
Ende der romanischen Bauperiode.
Fig. Ufi. Kiiclie zu Iluyvuburg (nach Struck).
72. Das Aeussere der romanischen Basiliken ist bei aller Schlicht-
heit in edler Einfachheit gehalten : je einfacher desto älter, je schmuck-
voller desto jünger. Die Gliederungen am Sockel entsprechen insgemein
den Basamenten der Säulen oder Pfeiler ; ebenso stimmt das Kranzgesims
iULILi
Fig. i4S. Krcuzgiebcl xu Frei-
burg a. d. U. (nach Puttrich).
Flg. 147. Langhaus zu Panlinxell«
(nach T. Quast).
gewöhnlich mit den Kämpfern der Pfeiler des Innern überein, besteht
jedoch oft nur aus Platte und flacher Hohlkehle. Im ausgebildeten
Stile laufen an den Ecken und in ebenmässigen Entfernungen auch
an den Wänden des Gebäudes von dem Kranzgesimse flach hervor-
tretende, bandartige Mauerstreifen (Lisenen *) senkrecht auf den
I) lieber die Etymologie dieses altitalienischen Wortes : Otte, Wörterbuch
S. 74; vergl. Hübsch, altchristl. Kirchen S. 7 Anmerk. 4 u. S. 26 Anmerk. 3. —
Die Schreibweise mit 8s (Lissenen) ist unrichtig.
Baustil.
303
Sockel herab und Üieilen die Wandflächen in vertiefte, längliche
Felder, welche oben stets von einem aus aneinandergereihten kleinen
Rundbögen bestehenden Friese begränzt sind; Fig. 147. Letzteres ist
auch an den Giebelseiten (Fig. 148) der Fall, wo der Rundbogenfries
die Grundlinie bildet für das rechtwinkelige Giebeldreieck , welches
in der Mitte gewöhnlich mit einem oft runden, selten viereckigen über
Eck gestellten Fenster versehen zu sein pflegt. — Die Apsiden bilden
stets deutlich gesonderte Vorlagen unter einem besonderen Walmdache.
Die grosse Schlichtheit eines Gebäudes, die ja auch durch andere
Umstände (z. B. durch das Material; s. S. 27 Anmerk. 1) bedingt sein
kann, ist selbstverständlich nicht immer ein Beweis für das höhere Alter
desselben; dagegen spricht die Ueberladung mit zu vielem Detail, die
zuweilen an rheinischen Beispielen (St. Quirin zu Neuss etc.) vorkommt,
unbedingt für den Ausgang der Periode im XIII. Jahrhundert. — An
den wenigen in ursprünglicher Gestalt erhaltenen frühromanischen Resten
erscheint das Aeussere fast ohne allen Schmuck : allenfalls sind Pilaster
angeordnet, die entweder (wie am Altarhause der Gereonskirche zu Cöln
[Fig. 149] und des Münsters zu Bonn) durch grosse Blendbögen ver-
bunden sind , oder (wie an den
Apsiden zu Gernrode und Hersfeld)
vom Sockel zu einem Gurtgesims
aufsteigen, über welchem (wie in
Gernrode) kurze Wandsäulchen das
Dachgesims tragen , oder ( wie in
Hersfeld) ein Kranz kleiner Flach-
nischen angebracht ist. Eine ]ähn-
liche Pilasterdecorätion mit Einthei-
lung der Stockwerke durch Schmie-
gengesimse zeigen auch die alten
Rundthürme am Ostchore des Domes
von Mainz und die Thürme zu Gern-
rode, wo jedoch die enger gestellten
Wandpfeiler giebelartig oder rundbogig imter einander verbunden sind.
An allen diesen Gebäuden findet sich noch keine Spur von Lisenen
und Bogenfriesen, die sogar noch am Dome zu Speier gänzlich fehlen.
Der erste Versuch eines Bogenfrieses (zwischen Pilastern und unter den
sich um diese verkröpfenden Schmiegengesimsen auf Consölchen ruhend)
findet sich an den alten westlichen Theilen von St. Pantaleon in Cöln ;
Lisenen und Rundbogenfriese aber erscheinen in einem sicheren Bei-
spiele zum ersten Male am Querschiffe und an den Nebenapsiden der
Abteikirche zuLimbuiga. d. H. von 1042, um an allen späteren deutsch-
romanischen Bauten (wie in Italien) regelmässig wiederzukehren, und
man darf diesen Schmuck wohl als eine Abbreviatur jener früheren Wand-
arkaden betrachten , die , von Halbsäulen getragen , besonders an den
Apsiden die ganze Periode hindurch angeordnet wurden. Das Motiv des
Rundbogenfrieses (Fig. 150) , der wie am Obergaden zu Paulinzelle
20*
Tig. 149. Waodarkaden von St. Gereon zu Cöln
(nach V. Quast).
304
KomaniBcher
Fig. 150 (ntteh Pttttrieb).
(Fig. 147) auch ohne Lisenen für sich allein vorkommt, Hess die man-
nichfaltigsten Variationen zu; er findet sich aus grösseren (z. B. wie in
Laach die Fenster umrahmenden), oder kleineren Bögen bestehend;
jeder einzelne Bogen aus mehreren Steinen zu-
sammengesetzt oder mehrere aus einer Stein-
platte gehauen ; halbkreisförmig oder flachbogig;
mit überhöhten Schenkeln oder hufeisenförmig ;
die einzelnen Kleinbögen enger oder weitläufiger
gestellt, und in letzterem Falle entweder hori-
zontal verbunden oder wellenartig aneinander
gezogen ; die Bogenschenkel von Consölchen ge-
tragen oder schwebend ; einfach oder gegliedert ;
schlicht oder verziert ; die Bogenfelder leer oder
mit einer Blume etc. gefüllt, und gegen Ende des Zeitraumes erscheinen
zuweilen (wie am Domchore zu Magdeburg) je zwei kleinere Bögen unter
einem grösseren vereinigt, oder die Bögen einander durchschneidend
(wie im Ziegelbau), endlich kleeblattartig, rechteckig oder spitz ge-
brochen. — Die grosse Beliebtheit dieses Ornamentes machte dasselbe
gewissermaassen unentbehrlich, und man brachte dasselbe auch an den
Schrägseiten der Giebelfelder an, entweder senkrecht gestellt und mit
abwechselnd verlängerten Schenkeln stufenförmig ansteigend, oder gleich-
laufend mit den Giebelschrägen und an der Spitze kleeblattartig zusam-
mentreffend (besonders im Ziegelbau) . — Statt des Bogenfrieses oder in
Begleitung desselben, die Grundlinie der Dach- und Gurtgesimse bil-
dend, kommen vor: das sogen, deutsche Band (auch Zahnfries
genannt), eine schmale zurückweichende Linie mit übereckgestellten,
also dreieckig vortretenden Steinen (vergl. Schnaase, Kunstgesch. IV.
1, 204)
Perlstab
der Kugelfries (Fig. 151), der
(Fig. 152), die Schachbrettier-
zierung u. a. m. — Bei schmuckvolleren
Bauten pflegen auch die Gesimse, beson-
ders die runden Theile derselben mit
Verzierungen (s. unten § 73) bedeckt zu
sein, und zuweilen wird das Dachgesims
von Kragsteinen getragen, die dann entweder einfach sind, oder auch die
Gestalt von Köpfen, Masken, Ungeheuern annehmen.
F%. 151.
I iri TT T,3i:,nl,3l
Fig. 152.
73. Den grossesten Schmuck verwendet die ausgebildete roma-
nische Baukunst auf die Portale, welche der altchristliche Basiliken-
bau noch völlig vernachlässigt hatte. Die Seitenwände, zu dem Ende
zuweilen nach aussen verstärkt, sind weit abgeschrägt und stufen sich
in zwei oder mehrere Pfeilerecken ab, welche in ihren rechtwinkeligen
Vertiefungen Säulen aufnehmen; dieselbe abwechselnde Gliederung
pflanzt sich über den Kämpfern in der Bogenwölbung fort, und das
Bogenfeld über dem wagerechten Thürsturz ist gewöhnlich mit einem
Relief geschmückt.
Baustil.
306
-I -I i i T f T T M, Vivt^T^
1 1 ^ 1 *! t 1 "i 1 1 TlHUte^bifar.
''S*si>'^äS£
Fig. 1 53. Portill tu Andernach (nach BoUwrfe).
b
tow^-^S^-A
7 -y
Fig. 154. Kom«Qi*cbet OrnamcDt.
306 Romanischer
An der Gliederung der Thürdeckbögen (wie auch häufig an den
rund profilirten Gesimsgliedern im Innern und am Aeusseren der Ge-
bäude) kehren gewisse dem Romanismus eigenthümliche Ornamentgat-
tungen, wenn auch verschiedentlich variirt, doch nach demselben Typus
oft wieder, z. B. das Tau (s. in Fig. 153), das Zickzack, die Rauten, die
Sterne, die Nagelköpfe (Diamanten) , die Rollen (Pfeifenstiele) , die Zin-
nen u. a. m. Vergl. Fig. 154.
Dem architektonischen Schmucke der Portale gesellt sich später
nicht bloss der bildnerische , indem Statuen zwischen den Säulen und
Pfeilerecken der Wandung eingereiht werden, sondern es kommt auch
oft die Pracht farbiger Bemalung und Vergoldung hinzu. Das pracht-
vollste spätromanische Portal ist die goldene Pforte des Freiberger Domes.
Vergl. Puttrich, Denkmale der Baukunst I. Serie Freiberg. — Förster,
Denkmale. Bildnerei. Bd. 1 zu S. 4 ff.
74. Die Thürme, welche der romanische Baustil zuerst in Ver-
bindung mit dem Kirchengebäude selbst aufführte, fehlen in der
Fruhzeit nicht selten, erscheinen dann von runder, später von vier-
eckiger Grundform, durch Gurtgesimse und den Bogenfries in mehrere
Geschosse gesondert und im Oberstockwerke in das Achteck um-
setzend. Die Thurmfenster sind in der Regel durch ein Mittelsäulchen
in zwei Oeffnungen getheilt (Fig. 155), während anderweitig auch eine
Dreitheilung durch zwei Mittelsäulen beliebt wird (Fig. 156), und die
gewöhnlichen einfachen Rundbogenöffnungen ebenfalls vorkommen.
Ueber die Thürme vergl. auch oben § 22 e. f. S. 59 ff.
Die Theilung der Fenster durch eine Mittelsäule scheint orientali-
schen Ursprungs zu sein und kommt schon an der Kuppel von S. Vitale
in Ravenna vor (oben S. 283 in Fig. 120), hat aber an dem Aachener
Kuppelbau (oben S. 284 Fig. 121) keine Nachahmung gefunden. Das
älteste sichere Beispiel in Deutschland findet sich an der das Aachener
Vorbild befolgenden Kuppel des Münsters zu Essen (Fig. 155) aus der
zweiten Hälfte des X. Jahrhunderts, wo durch die in dem Blendbogen-
felde angebrachte Kundöffnung bereits eine Gruppirung und Massenthei-
lung vorgedeutet ist, die erst am Schlüsse der romanischen Periode wieder
aufgenommen wurde und deren Resultate sich erst im gothischen Stile
vollständig entwickelten. Die Fensterblenden, die in Essen tief in der
Mauer liegen, wurden später flacher eingelegt, wesshalb man einen über
dem Capital der zurückstehenden Theilungssäule sich nach vorn und
hinten weit auskragenden charakteristischen Kämpfer anzuordnen pflegte,
um in dieser Weise die volle Mauerstärke wieder zu gewinnen ; vergl.
den Durchschnitt in Fig. 156. — Aehnliche Tbeilungen grösserer Bogen-
öffnungen durch Mittelsäulchen finden sich auch an den Emporengalerien
der Spätzeit im wirksamen Gegensatze gegen die ungetheilten Scheidbögen
der die Schiffe trennenden Hauptarkaden, und ebenfalls in denOeffnungs-
bögen der Kreuzgänge mit höchst malerischer Wirkung.
Baustil.
307
■a^A^.?'^. .0 -^>-:^v^
Fig. IS*». Thurmfeoster in £c«en
(nach T. Quast).
IXCZXZXrr
Fif* 156r Thurmfenster in Laaoh (nach Geier).
Fig. 157. Dom zu Bpeier (nach Strack).
308
Romanischer
75. Ein bedeutsamer Schritt zur weiteren Ausbildung der kirch-
lichen Baukunst war die in Deutschland erst seit dem XII. Jahrhun-
dert durchgeführte Bedeckung des ganzen Innern der Pfeilerbasilika
mit Kreuzgewölben ^j statt der bisherigen ^ übrigens namentlich bei
kleinern Kirchen und in manchen Gegenden die ganze romanische
Periode hindurch beibehaltenen flachen Holzdecke.
Das roipianische Kreuzgewölbe besteht aus zwei sich durchschnei-
denden Tonnengewölben von gleichem Durchmesser, und zum richtigen
Verständniss der Construction desselben ist zunächst die Eigenthflmlich-
keit der Tonnenwölbung ins Auge zu fassen. Das Tonnengewölbe (Fig.
158), als gleichförmige (etwa wie in unserem Holzschnitte nur durch
unterlegte Verstärkungsbögen einigermaassen belebte) Masse nach einem
Halbcylinder oder einer halben Tonne gebildet, erscheint als einfache
Verlängerung eines auf zwei Stützen gestellten Gurtbogens und verbindet
nur die beiden gegenüber liegenden Wände eines vierseitigen Raumes,
Fig. 158. Tonnengewölbe Fig. 159. Kreuzgewölbe
(aus E. Fftwter's Vorfchule).
von denen es getragen wird, während die beiden anderen Wände (Stirn-
wände oder Schildwände genannt) , an welche die Wölbung nur anstöest
und den sogen. Stirnbogen oder Schildbogen bildet, lediglich zum Ab-
schlüsse dienen und gleichsam den Boden der Tonne darstellen. Denkt
man sich nun zwei Tonnengewölbe von gleichem Durchmesser, welche
einander rechtwinkelig durchkreuzen, so laufen beide auf ihrem höchsten
Punkte zwar ununterbrochen fort, in allen anderen Punkten aber durch-
brechen sie sich gegenseitig, so dass ein aus vier in scharfen Kanten
(Graten) aneinander stossenden sphärischen Dreiecken (o) gebildetes Kreuz-
gewölbe (Fig. 159) entsteht, das, weil die sich durchschneidenden beiden
1) Leibnitz, H., die Organisation der Gewölbe im christl. Kirchenbau. 1855.
— Essen wein, A., die Entwicklung des Pfeiler- u. Gewölbesystems in der kirchl.
Bankunst bis zum Schluss des XIII. Jahrb. , in dem Jahrbuch der k. k. Central-
Comm. etc. J85<^. S. 1—101.
Baiutil.
309
Tonnengewölbe einander gegenseitig in der Spannung erhalten^ nicht mehr
zwei Paar gleichlaufende Mauern aU Trfiger verlangt, sondern nur vier,
aber nothwendig quadratisch gestellte Eckstützen (n) y indem die beiden
Tonnengewölbe von gleichem Durchmesser sein müssen, um auf einander
zu passen. Das in dieser Weise entstehende Kreuzgewölbe war nur für
quadratische Räume anwendbar, wie sich solche in den drei gleich breiten
Schiffen der Krypten, durch die Pfeiler (oder Säulen) markirt, darboten :
ein gleiches Verhältniss fand in den Seitenschiffen der Oberkirche statt,
wo demnächst auch die ersten Versuche der Ueberwölbung gemacht
wurden, die sich dann später auf die ebenfalls quadratischen Räume des
Chores, der Kreuzvorlagen und der Vierung, sowie auf die Vorhalle des
mit einer Emporenanlage ausgestatteten westlichen Zwischenhauses er-
streckten ; um dies bewerkstelligen zu können, machten sich jedoch in
den Ecken der zu überwölbenden Quadrate vorgelegte Wandpfeiler oder
Säulen nothwendig, wenn die Ansätze der Gewölbe nicht völlig roh er-
scheinen sollten. Nachdem nun einmal das Wagniss der Ueberwölbung
breiterer Räume geglückt war, gab jene Erfindung der Wandpfeiler und
Halbsäulen die Vermittelung zur Ausdehnung des Gewölbesystems auch
auf das Hauptschiff, welches man dadurch in quadratische Joche ein-
theilte, dass man jeden zweiten Arkadenpfeiler mit einer Halbsäulen-
vorli^i^e. versah, welche, das Pfeilercapitäl durchbrechend, unverjüngt an
der Scheidmauer, dieselbe in ebenmässige Felder (Traveen) theilend,
emporlief und als Träger eines Gurtbogens diente : zwischen diesen Quer-
gurten konnten nun die Kreuzgewölbe eingespannt werden. Wählte man
statt der vorgelegten Halbsäule eine rechteckige Vorlage, deren breite
Fig. 160. GrundriM eines Hauptpfeilers im Schiffe des Münsters zu Basel
(nach Biggenbach).
Fläche der Leibung des Gurtbogens besser entsprach, so ergab sich für
den Grundriss des Pfeilers das gleichschenkelige Kreuz, an dessen Arme
dann wiederum Halbsäiden gelehnt werden konnten, deren Schafte sich
als Rundstäbe an den dem Pfeiler entsprechend abgestuften Lieibungeii
310
Romanisoher
der GewOlbegurte und der Arkadenb(^gen fortsetzten. Da man im wei-
teren Verlaufe anfing, auch den Gewölbegraten schmale GurtbOgen
(Kreuzgurte) unterzulegen, so basirte man dieselben auf Halbsäulen von
geringerem Durchmesser, die man in den Ecken des kreuzförmigen Pfei-
lers aufsteigen Hess, wodurch derselbe die in Fig. 160 dargestellte orga-
nische Ausgestaltung erhielt. An dieser yollständigen Ausbildung nah-
men jedoch nur diejenigen Pfeiler Theil, welche als Stützen des Gewölbes
dienend nunmehr als Hauptpfeiler erschienen, während man die dazwi-
schen liegenden blossen Arkaden pfeiler theils in der ursprünglichen Ein-
fachheit beliess, oder nur an der Rückseite, wo sie den Gewölbegurten
der Seitenschiffe als Stützen zu dienen hatten, mit einer Gliederung ver-
sah , welcher gegenüber an der Abschlusswand eine übereinstimmend
gegliederte Vorlage entsprach. Das romanische Kreuzgewölbe besteht
daher im Mittelschiffe aus qua-
dratischen Doppeljochen, deren
jedes je zwei Arkadenbögen in
sich schliesst; vergl. Fig. 161.
Kam es dagegen darauf an einen
oblongen Raum mit einem rund-
bogigen Kreuzgewölbe zu Über-
spannen^ musste man die Schild-
bögen der Schmalseiten über-
höhen oder denselben eine ellip-
tische Form geben, so dass das
Gewölbejoch nun aus der gegen-
seitigen Durchdringung zweier Tonnengewölbe von ungleichem Durch-
messer bei gleicher Kämpfer- und Scheitelhöhe bestand, wenn man grös-
serer Festigkeit halber nicht vorzog, den Scheitelpunkt etwas zu erhöhen
und die Wölbung um so viel ansteigen zu lassen. Dies geschah zwar
bereits in der ersten Hälfte des XII. Jahrhunderts bei der aus einfachen
rechteckigen Jochen bestehenden Ueberwölbung der Abteikirche zu Laach,
wo daher sämmtliche Pfeiler gleichmässig mit Gurtträgern ausgestattet
wurden ; aber dieser Fortschritt eines selbständig schaffenden Meisters
war nur eine sporadische Creation und blieb im romanischen Gewölbe-
bau, welcher der Doppeljochgruppirung den Vorzug gab, wesentlich ohne
Nachfolge. — Als noth wendige Folge der Ueberspannung des Mittel-
schiffes mit Kreuzgewölben ergab sich eine veränderte Stellung der Ober-
lichter, die nun meist paarweise gruppirt die Mitte der Gewölbeschilde
einnahmen.
T\g. 161. Doppeljoch auf dem Dome zu Bamberg
(Dach Landgraf).
Anmerkung 1. In Frankreich war die Ueberwölbung der Basiliken-
schiffe mit Tonnengewölben zwar schon seit dem Anfange der romanischen
Periode üblich geworden; man kann es dagegen (nach Mertens, die
Baukunst des M.-A. S. 96) nicht unwahrscheinlich finden, dass in Ober-
italien schon bei den alten Longobarden einige Versuche zu ganz oder doch
zum Theil mit Kreuzgewölben überspannten Schiffkirchen gemacht worden
sind, obgleich ein strenger Beweis sich darüber nicht mag fahren lassen.
Unleugbar genoss die lombardische Baukunst im Mittelalter eines gewissen
Baustil. 311
Anaehens, ^} und von einem niederrheinischen Chronisten des XIII. Jahr-
hunderts '^) findet sich der Name Lombardische Baukunst zur Be-
Zeichnung einer besonderen architektonischen Gestaltung eines Gebäudes,
und zwar in der Voraussetzung angewendet, dass die Leser damit einen
bestimmten Begriff verbinden würden, der uns indess nicht mehr geläufig
ist; es könnte aber sehr wohl dabei an den rundbogigen GewOlbebau zu
denken sein, weshalb ältere Archäologen (z. B. Wetter, Dom zu Mainz
S. 76 ff.) eine gewisse Berechtigung hatten, diese Bauweise als Lombar-
dischen Baustil zu bezeichnen , obgleich die von ihnen dafür beige-
brachten Gründe allerdings nicht stichhaltig waren. YergL Schnaase,
Kunstgesch. IV. 2, 125.
Anmerkung 2. Die Hauptrepräsentanten des deutsch- romanischen
GewGlbebaues sind die drei grossen mittelrheinischen Dome zu Mainz,
Worms und 8 p e i e r , vor denen in ganz Deutschland kein Gebäude von
gleicher Mächtigkeit und Durchbildung vorhanden war. In Beziehung auf
die Zeitstellung dieser drei Dome waren die Forscher früher nur etwa darin
einig, dass der Mainzer Dom der ältere sei, man hat sich indess, in Folge
einer neuerlich bekannt gewordenen historischen Notiz, jetzt wenigstens
dahin geeinigt, einzuräumen, dass derselbe als Gewölbebau nicht der (mit
flacher Holzdecke versehene) Dom sein kann, welcher im Jahre 1036 ge-
weiht wurde, sondern entweder von einem Neubau nach einem Brande von
1081, oder von einem solchen nach einer abermaligen Feuersbrunst von
1137 herrühre. Der Dom von Speier, dessen noch vorhandene grossartige
Krypta im Jahre 1039 geweiht wurde, wird daher, sofern man die Archi-
tektur desselben für abhängig von Mainz anerkennt, nicht füglich der um
1061 geweihte und um 1100 vollendete Bau sein können, sondern kann erst,
worin auch die meisten Stimmen einig sind , einem Neubau nach einer
Feuersbrunst von 1159 entstammen. Der Wormser Dom, entschieden der
jüngste von allen dreien,- kann dann ebenfalls nicht der 1110 geweihte Bau
sein und muss erst der zweiten Hälfte des XII. Jahrhunderte angehören,
wie sich denn auch die Nachricht von einer Weihung im Jahre 1181 vor-
findet. Uebrigens bestehen alle drei Dome aus anerkannt älteren und jün-
geren Theilen und haben überdies verschiedentliche und durchgreifende
Aenderungen erfahren. Die aufgestellte Vermuthung, dass die jetzigen
Gewölbekirchen lediglich Umbauten früherer fiachgedeckten Pfeilerbasiliken
seien , scheint immer mehr an Bestätigung zu gewinnen , obgleich noch
1) Die Magisti^ Comaeini (Meister aus der Gegend um den Comersee) mit ihren
Gehilfen {colUgae, eonsortes), ala ein XJeberrest der römischen Zünfte, werden als
Leiter der Bauten schon in den alten, im VII. Jahrh. aufgezeichneten Gesetzen der
Longobarden ansführlich erwähnt (Reumont, im Kunstbl. 1847. S. 117 ff. ; Krieg
v. Hochfelden, Gesch. der Militär- Architektur S. 1 öS) u. führten bis zum XIV.
Jahrhundert die meisten Bauwerke im grösseren Theile Italiens auf.
2) E? hat Mertens a. a. O. nicht gefallen, seine Quelle näher zu bezeichnen;
ich vermuthe aber, dass die Annales Rodensea (Histolre de Limbourg. Liege 1852.
T. VII) gemeint sind, aus welchen Fz. Bock im Organ für christl. Kunst. 1859.
S. 170 die betr. merkwürdige Stelle mitgetheilt hat, wonach der Grund der Stifts-
kirche zu Rolduc (Klosterrath, unweit Aachen] zu Anfang des XII. Jahrh. T»scemate
lonffobardinom gelegt worden ist. Die Kirche ist ein romanischer Gewölbebau, der
manche structire Verwandtschaft hat mit dem Dome zu Modena (1099 — 11S4},
312
RomauiBcher
manche Räthsel zu lOsen sind, und einige Localforscher in Speier und
Worms die älteren Ansichten unerschütterlich festhalten.
Vergl. über die Zeitstellung der drei Dome: Quast, Ferd. v., die roman.
Dome des Mittelrheins zu Mainz, Speier, Worms, krit. tintersueht u. histor.
festgestellt. 1853. — Derselbe, in der Zeitschr. für Archftol. u. Kutfst 1.
59 ff. u. 125 ff. — Kugler, Kl. Sehr. 2, 724 ff. — Schnaase, im Deut.
Kunstbl. 1S58. S. 145,
Vi^, 162. System de« SchifTe« im Dom xu Limburg a. d. L. (nach EMenwein).
Baustil.
313
76. Im Laufe des XIII. Jahrhunderts erscheint der romanische
Baustil verlebt, und es bildet sich durch Beimischung verschiedener
neuer Elemente der sogenannte Uebergangsstil, wobei man an
deutschen Bauwerken zu scheiden hat zwischen der Minderzahl solcher
Gebäude, in deren Formen das Suchen nach einem noch unentdeckten,
hochstrebenden Neuen ersichtlich, und der überwiegenden Mehrzahl
anderer, wo das bereits bekannte, aber noch verschmähte oder unge-
übte Neue dem Alten anzupassen versucht wird.
Es finden sich namentlich im nördlichen Deutschland an vielen
Kirchen romanischen Stils entschieden gotbische Details, welche von
früheren oder gleichzeitigen gothischen Bauwerken offenbar copirt sind ;
dagegen findet z. B. bei dem Chor des Magdeburger Domes der umge-
kehrte Fall insofern statt, als das Gerippe dieses Gebäudes dem gothischen
Systeme entspricht, während die Detailbildung sich gewissermaassen un-
gern von der hergebrachten romanischen Weise zu trennen scheint, und
die Technik dies nicht vollständig vermag. Unzweifelhaft, dass der Bau-
plan in der Fremde entworfen ward, und dass es den heimischen Bau-
leuten schwer wurde, sich in das Neue zu finden. — Bei dem Dome zu
Limburg a. d.L. ist der Grundriss (Fig. 167) noch entschieden dereiner
romanischen Kirche und ebenso gehören alle Profile und Verzierungen
dem romanischen Stile an, das ganze structive System dagegen (Fig. 162]
ist bereits gothisch.
77. Im GiTindrisse der spätromanischen Kirchen kommt statt der
halbrunden Apsiden häufig das halbe Acht- oder Zehneck vor; der
Chorraum liegt niedriger, weil die Krypten in Wegfall kommen; die
Fig. 163. Limburg a. d. L.
(oftcb Moller).
Fig. 164. Aschalfenburg
(oaeh Moller).
Fig. 165. AiichafTenburg
(nach MoUer). .
Fenster treten in pyramidalen Gruppen zu dreien neben einander ; die
Bogen stufen die breite Leibung ab und umsäumen sich mit Rund-
stäben; die Durchschneidungslinien der Deckengewölbe werden mit
Kreuzgurten versehen; das Würfelcapital nimmt die Kelchform an.
314 Romanischer
und das Ornament liegt nicht mehr flach auf dem Kern, sondern tritt,
gleichsam dem natürlichen Wüchse des Blattwerkes folgend, freier
hervor und bildet Knospen ; wo jedoch das Hochstreben am entschie-
densten sich darstellt: in den als Gurtträger und in senkrechten Glie-
derungen vorkommenden, sehr oft auf Consolen basirten, schlanken
und hohen Halbsäulen, wird es häufig durch trennende Kinge oder
gegliederte Knäufe wieder unterbrochen, welche die Cy linderlängen
in zwei, drei und mehr Theile sondern. Diese Knoten, die in techni-
scher Beziehung als Binder dienen und selbst an den Gewölbegurten
vorkommen, sind den Knoten der Gewächse zu vergleichen : Stillstand
um neue Kraft zum höheren Wachsthum zu gewinnen. — Die oft ab-
geschärften Gesimse zeigen tiefe Unterhöhlungen, entstanden aus der
Hinüberführung der Hohlkehle in den Rundstab zu einer nicht mehr
unterbrochenen, geschwungenen Linie.
Die in der Uebergangsperiode so häufigen Theilungsringe (Fig.
166) an engagirten Säulenschaften und Rundstäben kommen in den or-
namentist ischen Kleinkünsten schon seit dem IX. Jahrhundert vor, und
Riggenbach hat in den Mittheilungen der k. k. Central-Oom-
mission (1862) 7, 53 dies treffend aus der Technik der Gold-
schmiedekunst (die XJeberlegung eines Bandes oder Ringes, wo
zwei Bleche aneinander stossen) erklärt. Aehnliche Ursachen
brachten in der Baukunst ähnliche Wirkung hervor : zur gehö-
rigen Verfestigung der schlank an der Mauer aufsteigenden cy-
Fiir. 166. lindrischen Gurtträger waren in gewissen Abständen Binder er-
(n. Schüler), forderlich, zu denen die Verkröpfung des Arkadensimses um die
Gurtträger wohl den ersten Anlass gegeben haben mag ; die Ver-
mehrung solcher Theilungsringe aber ist aus der vorwiegend decorativen
Richtung der Uebergangszeit völlig erklärlich.
78. Als die wichtigste Neuerung dieser Uebergangsperiode ist zu
bezeichnen die aufkommende Anwendung des Spitzbogens (we-
sentlich von breiter Leibung, wenn auch in gegliederter Abstufung
und mit Rundstäben umsäumt] : zuerst gewissermaassen schüchtern im
Innern an den Arkadenbögen und Kreuzgewölben, sehr niedrig, oft
in kaum merkbarer Erhöhung über dem der gleichen Sehne entspre-
chenden herkömmlichen Rundbogen, dann auch mit grösserer Ent-
schiedenheit am Aeusseren der Kirchen : an dem Bogenfriese, den Por-
talen und Thurmfenstern, zuletzt wohl an den Fenstern und Fenster-
gruppen des Langhauses.
Die gleichzeitige Aufnahme des Spitzbogens mit anderen vereinzelter
vorkommenden gebrochenen Bogenformen (dem Kleeblattbogen, dem
Zackenbogen) , dem Hufeisenbogen und gewissen Friesomamenten, z. B.
dem Zickzack, deutet auf die gemeinschaftliche Heimath im Morgenland.
Baustil.
315
wo dieselben wahrscheinlich schon im VII., sicher datirt seit dem IX.
Jahrhundert in voller Anwendung waren, und die Kreuzfahrer und Pilger
an den arabischen Bauwerken damit bekannt wurden. — Im Innern der
Gebäiide empfahl sich der Spitzbogen, zumal für die üblicher gewordene
Decken Wölbung besonders aus constructiven Rücksichten. Denn während
der Rundbogen, weil er ein bestimmtes Höhenverhältniss seiner Träger
verlangt und überdies bei stärkerem Schübe auch stärkere Widerlagen
erforderlich macht, oft unbequem erscheinen musste, so erlaubt der
Spitzbogen eine beliebige Veränderung seiner Grundlinie, ohne dadurch
auf die Höhe der Träger zurückzuwirken, und nimmt bei beträchtlich
geringerem Seitenschub auch mit schwächeren Widerlagen fürlieb. Als
solche wurden besonders zur Sicherstellung des Hochbaues Strebepfeiler
üblich, und Strebe wände, die man unterwölbte (Strebebögen) und an-
fangs unter der Bedachung der Seitenschiflfe zu verbergen suchte. Dabei
vermied man, um die Streben nicht vermehren zu müssen, immer noch
die Einführung halbquadratischer Gewölbejoche, und behielt zwar die
Fig. 167. GinndrUs de« Dornet la Limburg a. d. L. (nach Moller}.
quadratischen Doppeljoche bei, theilte indess, was in Frankreich schon
hundert Jahre früher geschah, das Kreuzgewölbe durch einen mittleren
Hilfsgurt, der über den Zwischenpfeilern auf einem cylindrischen Gurt-
träger basirt wurde, in zwei rechteckige Hälften, wodurch sechs Dreiecke
entstanden : zwei grosse in der Längenaxe des Schiffes und vier halb so
grosse zwischen den Sargmauern; vergl. Fig. 162 und 167. Aus der
Anordnung der Hilfsgurtträger entwickelte sich die Manier, die Gewölbe-
dienste theil weise nicht vom Fussboden aus aufzuführen, sondern die-
selben erst in einer gewissen Höhe auf Consolen zu basiren. *) Die
1) Essen wein, A., das Princip der Vorkragung in der mittelalterl« Baukunst,
in den Mittheil, der k. k. Ccntral-Comm. etc. (lb(il) 6, 81 ff.
31g Romanischer Baustil.
Mauern, die oft übermässig dick angelegt wurden (s. in Fig. 167), suchte
man durch ausgesparte Nischen wieder zu erleichtem und die Fläche
derselben durch EmporenOffnungen und Scheingalerien anmuthig zu be-
leben. Letzteren Zweck wusste man auch zu erreichen, indem kreisrunde
oder kleeblattförmige Durchbrechungen in den Blendbogenfeldem der
Thurmfenster und Kreuzgangsarkaden beliebt, und die grossen Rund-
fenster an den Oiebelfronten mit Radspeichen ähnlicher Füllung ver-
sehen wurden.
Anmerkung. Von einer ganzen Reihe deutscher Kirchen, in welchen
der Spitzbogen neben dem Rundbogen in ausgedehnterAnwendung
vorkommt, und welche alle Merkmale der Uebergangsperiode an sich tragen,
ist aus historischen Gründen früher mit einer gewissen Hartnäckigkeit be-
hauptet worden, dass sie schon im X. und XI. Jahrhundert entstanden
seien, während man im XII. Jahrhundert den Spitzbogen durchgängig wie-
der vermieden habe; dahin gehören die Kirchenruine zu Memleben, die
älteren Theile der Dome zu Naumbui-g, Merseburg, Bamberg und Basel,
der Stadtkirche zu Freiburg a. d. Unstrut, der Sebaldskirche zu Nürn-
berg etc. Gegenwärtig kann diese Ansicht als völlig abgethan betrachtet
werden.
C. R. Lepsius, über die ausgedehnte Anwendung des Spitzbogens in
Deutschland im X. und XI. Jahrh.» als Einleitung zur Uebersetsung von:
H. GallyKnight, Eut Wickelung der Architektur unter den Nonnannen.
Ib41. — Desselben Briefe aus Aegjpten, Aethiopien etc. S. 52. — Vergl.
dagegen Kugler, Kl. Schriften 2, 376 ff. ; 455 ff.
79. Die Mischbauten der in die erste Hälfte des XIII. Jahrhun-
derts (und darüber hinaus) fallen den Uebergangsperiode sind in Deutsch-
land in allgemeinster Verbreitung erhalten, und viele von ihnen (z. B.
die Dome zu Limburg a. d. L., zu Bamberg und Naumburg, die Ma-
rienkirche zu Gelnhausen etc.) gehören durch geistvolle Anordnung
und Fülle des schönsten Details zu den liebenswürdigsten Schöpfungen
des Kirchenbaues : unselbständig zwar in den structiven Verhältnissen,
aber an Reichthum und höchster Zierlichkeit des Ornaments unüber-
troffen. Man darf es bedauern, dass sie eben nur die letzten Ausläufer
geblieben sind der älteren nationalen Baukunst, die mit ihnen zu
Ende ging.
lieber den Stil der Uebergangsperiode vergl. die geistvolle Darstellung
beiSchnaase, Kunstgesoh. 5, 300 ff. ; auch y. Quast, Entwicklung der
kirchl. Baukunst. S. 23 u. 51.
KircheiiÄCbäiuTc rointiiiiselicii 8tils
nach alphabetiaclieF Reihenfolge der OrtschEfieti.
tif . Ifi$, AbUikirche lu Lucb (naob £. FONltr),
i In den Hheiulandeu.
Llt^raiu r : (SuhTeihei, H,) Denkmale deuUcher HaukuuMt den MitUH^
!ilt(>TR am Obenrliei«, \on einem Vereine vaterl. Künstler heraiisg. Lief. J — 3.
l!i25"lS2Si^ Ssch weighaeu&CT, J. F,, etGolb^ry, Ph- de, AntiquiU^s
de TAleace, \h2^. — Lange, L,, Malt^riachc Anaiehtcn der merk wOrdigstMi
11. schönsten KathedTalcn elc» am Rhein, Main u. a. d. Lahn. I^:i;i — 1S43, —
LaiBAulx, L Claud. v,, ATchitektoniäch-hiBlorifichc Bemerkutigen über die
Bauwerke am Rhein ^ in J. A. Klein' ö Rh einreise von ?!^ traasburg hl« Kotter-
dara. 2. Aufl. JSSß. S, lliU ff. — Sc hmidl, Clir. W., Baudenkmale der röm.
Periode und des Mitti^lnLtcrt<i in Trier u. seiner LTmg;ebuug. Lief* 2 u. ^1. 1SH9.
IhAl. — Püttm&nn, IL^ KunsUchätze u. Baudenkmftler am Rhein, von
Basel bifl Holland. IS-i2. — Boitigeri^e, tSulp., Denkmale der Bank un»t am
Niederrbein. Neue Ausgabe JSI3. — Lernch, Lor., Nioderrh<?in, Jahrbuch
für Geschichte, Kunst u. Poesie. I>>^3 u. lS-14. — Waagen, G. F,, KunsU
werke n. Kilnatlor in Deutschland. Thl. ? (Ba>ern, Scbwaben, Basiel» Elsfu^a
u. Rheinpfalz). IS 15, — Girier, F. X,, u. Gdrz, tt., Denkmale romanLacher
OUp, iLunit-Arehlolof^le.
21
318 RomanlBche Kirchen
Baukunst am Rhein. 1846 etc. — Füssli, W., Zflrich u. die wichtigsten
Städte am Rhein mit Bezug auf alte und neue Werke der Architektur, Sculptur
u. Malerei. 2. Aufl. 1846. — (Henry, A.) Bauwerke am Rhein. Heft 1
(Schwarzrheindorf u. Kreuzgang am Münster zu Bonn). J846. — Denkmfller
aus Nassau. Herausgegeb. von dem Verein fOr nassauische Alterthumskunde.
Heft 1—3. 1852—1862. — Quast, Ferd. v., Die roman. Dome des Mittel-
rheins SU Mainz, Speier, Worms. 1853. — Kugler, Fz., Rheinreise, in Kl.
Sehr. 3, 114—123. 182—220; 722^740.— Prisao, Sieben alte Landkirchen
in dem ehemal. Erzstifte Cöln, im Dombl. 1854. No. lOS. — Mooren, J.,
u. Schneider, J., lieber einige christl. Denkmäler am Niederrhein, in den
Annalen des histor. Vereins für den Niederrhein. Jahrg. 1856. S. 38 — 62. —
Riehl, W. H., Kunstdenkmäler der Pfalz, in der Augsb. Allgem. Ztg. 1857.
Beil. zu No. 1 — 3. — Bulletin de la sociötö pour la conseryation des monu-
ments historiques d'Alsace. 1857 etc. — Back, F., Die ältesten Kirchen im
Lande zwischen Rhein, Mosel u. Nahe. Thl. 1. 1860.
Torbemerkung.
80. Die Lande am Rhein erscheinen als die Wiege der christlichen
Baukunst in Deutschland : zunächst wegen des hier stattgefundenen
unmittelbaren Einflusses der römischen Kunst auf die christliche (in
Trier und Cöln; oben S. 281 Anmerk.), dann nach den Stürmen der
Völkerwanderung wegen der hier durch Carl den Grossen erneuten
Kunstthätigkeit (in Aachen; §. 62 S. 283), endlich wegen der Macht
und des Beichthumes des erzbischöflichen Stuhles von Cöln, als Be-
dingung einer Baudichtigkeit, wie sie gleichzeitig in keiner anderen
Gegend von Deutschland möglich war. Die geringen Ueberreste ältester
Zeit zeugen davon, dass eine Bauweise beliebt war, welche sich in der
Decoration der Mauern durch verschieden gefärbte, aus Bruchstein
und Ziegeln (später aus rothem Sandstein und TuflT) bestehende Wech-
selschichten und dadurch hervorgebrachte, oft seltsam gestaltete Muster,
sowie in grossen Blendarkaden (oben S. 303 Fig. 149) als Schmuck
des Aeussern gefiel, wovon sich die Spuren (in Cöln, Trier, Pfalzel
und Bonn) bis in das XI. Jahrhundert hinab verfolgen lassen. *) Femer
macht sich, ohne Zweifel wohl als Nachwirkung von Aachen, eine be-
sondere Vorliebe für den Centralbau bis zum Schlüsse der romanischen
Bauperiode geltend in den häufig über Vierung und Chor der Kirchen
angeordneten Kuppelgewölben und Mittelthürmen, sowie in dem eigen-
thümlichen Schluss der Kreuzvorlagen durch einen Halbkreis an ihren
Frontseiten, wodurch der Grundriss der Ostpartie der Kirchen klee-
blattförmig erscheint; vergl. S. 46 Fig. 18. ^ Die ganze Construction
1) tJeber die Technik s. oben S. 32.
2) R o i 8 i n , Ferd. de , Die sogen. rOmiflchen Bflder zu Trier als Vorbild der
Chor- u. Kreuzconchenanlage der K. St. Marien im Capitol zu Cöln (abgedr. aus den
Mittheil, des christl. archaolog.-hist. Vereins für die DiOzese Trier). 1856. — Vergl.
▼. Quast, in der Zeitschr. fQr christl. Archaol. u Kunst. I, 92—96.
in den Hheinlanden. 819
ist auf malerische Gruppirung der Massen berechnet^ deren Wirkung
noch erhöht wird durch die über den Fenstern und unter dem Dach-
gesimse^ besonders der östlichen Theile , angeordneten umlaufenden,
aus Zwergsaulen bestehenden ' (sonst nur in der Lombardei vorkom-
menden] Arkadengalerien 9 ^j und durch den unter letzteren ange-
brachten sogen. Felderfries 9 welcher aus aneinander gereihten vier-
eckigen Tafeln dunkeln Schiefers in vortretenden Umrahmungen be-
steht und durch den Wechsel lichter und beschatteter Stellen mit der
Zwerggalerie harmonirt. Die ältesten Beispiele von Dachgalerien finden
sich sicher datirt an der Gothardskapelle neben dem Dome von Mainz
(1138) und an der Kirche zu Schwarzrheindorf ^ Bonn gegenüber
(1151). — In Cöln hebt seit dem furchtbaren Stadtbrande von 1149
eine neue glänzende Bauperiode an^ indem nach der prachtvollen
Wiedergeburt, welche den abgebranjiten Kirchen bei den vorhandenen
grossen Reichthümern zuTheil geworden war, der Wetteifer erwachte,
auch die übrigen Kirchen mit entsprechendem Glänze auszustatten,
der sich denn auch über die zahlreichen Neubauten verbreitete, welche
in Folge des verheerenden Krieges zwischen den beiden Gegenkönigen
Otto von Braunschweig und Philipp von Hohenstaufen (1198 — 1206)
besonders auf der Strecke von Andernach bis Bonn nothwendig wur-
den. — Im allgemeinen herrscht am Niederrhein die Pfeilerbasilika,
am Oberrhein die Säulenbasilika vor ; Pfeiler mit dazwischen gestellton
Säulen finden sich in der flach gedeckten Klosterkirche zu Echtemach
von 1032 (und zwar durch Blendbögen verbunden) und in einigen
Gewölbebauten. Abgesehen von den bereits oben S. 31 1 besprochenen
drei mittelrheinischen Domen von Mainz, Speier und Worms ist die
im Trierschen, auf der Grenze des Cölner Sprengeis belegene Abtei-
kirche zu Laach (geweiht 1156) der erste grossartige, bereits in der
Anlage darauf berechnete gewölbte Schiffbau, während die kleinere
Kirche St. Mauritius in Cöln ( 1 1 44 als neu bezeichnet) ein etwa gleich-
zeitiges, aber in jeglicher Beziehung geringeres Beispiel giebt. — Im
Detcdl lässt die Fr^zeit strengere, ernstere und doch zugleich zier-
lichere Formen erkennen, als die spätere Zeit, wo sich bei grösserer
Uebung das Handwerkliche mehr hervorthut; vergl. Fig. 1 69 und 1 70.
Am Mittelrhein steht man^in der ersten Hälfte des XII. Jahrhunderts
noch bei alterthümlichen, unentwickelten, harten und theilweise sogar
1) Die bei Anordnung dieser Umgftnge obwaltende constructive Kacksioht (Er*
leichterung der Mauermasse über den Gewölbeansätzen) setst Bchnaase (Kunstgeücb,
rV. 1, 191) nach dem Vorgange ron Simons (die Kirche zu Schwarzrheindorf S. 46)
treflbnd auseinander.
21
320
Romanische Kirchen
rohen Bildungen; Fig. 171. Im Mosellande bleibt meist eine schlichte
Strenge vorherrschend ; die Gliederungen sind trocken, selbst plump ;
die Ornamente, auch wo sie in der Spätzeit nach Reichthum streben^
zuweilen unschön. Gothische Elemente wurden hier frühzeitig aufge-
nommen, während in den eigentlich niederrheinischen Gegenden noch
Fig. 169. Aus St. Gereon lu Cöln 1068
(nach T. Quast).
Fig. 171. Aus der Gothardskapelle lu
Mainz 1J3S (nach ▼. Quast).
Fig. 172.
Fig. 170. Au« St. Gereon tu Cöln 1160
(nach ▼. Quast).
im Xin. Jahrhundert neue, zum Theil spielende Formen (besonders
auch phantastisch-abenteuerliche Fensterbildungen; Fig. 172) aus dem
augenscheinlich verlebten Romanismus abgeleitet, und die Massen in
überreicher Weise mit bunt wechselnden Details überkleidet wurden.
in den Rheinlanden. 32 1
Andrerseits finden sich weiter rheinabwärts (Gerresheim bei Düssel-
dorf, Werden a. d. Ruhr) Beispiele maassvollster Behandlung und
klassisch edeler Durchbildung. — Einen völlig anderen Eindruck als
die Bauten des nördlichen Bheinthales machen die oberrheinischen in
den Sprengein von Strassburg^ Basel und Constanz. Im Elsass er-
scheinen die Formen auffallend schwer imd düster^ und in der Oma-
mentation giebt sich die Neigung zum wild Phantastischen und Bizarren
kund, anscheinend unter mannich faltigen verwirrenden Einflüssen aus
den benachbarten romanischen Provinzen, vielleicht selbst von Italien
her. Die beiden grossartigsten Denkmäler, die Münster zu Strassburg
und Freiburg i. B., dagegen tragen in ihren der Uebergangsperiode
angehörenden ältesten Theilen das Gepräge einer freieren und edleren
Entfaltung und stehen mit ihren Vierungskuppeln mehr unter mittel-
rheinischem Einfluss. Aehnlich verhält es sich mit dem ältesten, un-
gefähr derselben Spätzeit entstammenden Kerne des Münsters von
Basel, wo indess neben anmuthigen Omamentbildungen wiederum
schwere, seltsame, barbaristische Formationen erscheinen. Die Bauten
in der Gegend des Bodensees bilden einen eigenen Cyclus von zum
Theil sehr alterthümlicher Erscheinung, besonders in den Kirchen auf
der Insel Beichenau. Der rechteckige Chorschluss erscheint häufig und
anscheinend schon frühzeitig. — Der Kreuzgang am Grossmünster zu
Zürich bietet an Fülle ornamentaler und figürlicher Sculptur eine glän-
zende Leistung, die einen unmittelbaren Vergleich mit anderen Bau-
werken nicht gestattet. *)
Vergl. Schnaase, Kunstgesch. IV. 2, 93— 12T. 134— 140. V, 337—377.
— Kugler, Geschichte der Baukunst 2, 303-350. 443 — 460. 466—470.
482 — 493. — Lübke, Geschichte der Architektur 3. Aufl. 8. 355—371. —
Otte, Geschichte der deutschen Baukunst 8. 202—230. 311—115.
Aaehen. Münster. S. oben S. 283. Elegant spätest romanische Reste
der Klostergebäude. (Lersch, II. Taf. 4; G. Möller, in der Zeitschr.
für Bauwesen 1854. Sp. 529. Bl. 64). — Adalbertskirche, nicht
mehr der 1015 geweihte Bau ; drei Apsiden ; die nördliche Thür im steilen
Giehel über rohen Pilastern gedeckt; der quadrat. Westthurm aus dem
Xra. Jahrh. 2)
Alspach bei Kaisersberg. Ruine. Im Schiff Pfeiler mit eingelassenen
Ecksflulchen.
1) Die nachstehend aufgeführten Kirchen der Rheinlande sind, insofern nicht
ausdrücklich etwas anderes bemerkt ist, sämmtlich drei schiffige Pfeilerbasi-
liken mit Querschiff und runder Apsis. Bei Gewölbebauten verstehen sich
quadratische Doppe^joche im Langhause.
2) Kreutzer, Beschreib, u. Gesch. der ehemal. Stiftsk, zum h. Adalbert in
Aachen.
322 Romanische Kirchen
Alt-Brebach. Mflnster. Die älteren Theile Gewölbebau, nach Art der
mittelrheinischen Dome. Zwei Chorthürme und Nebcnconchen. Säulen-
krypta. (Chapuy, TAUemagne. Livr. 7).
Altenahr. Kirche, spätgothisch überwölbt; Chor gothisch.
Altenberg bei Cöln. Im Gnmdbau der goth. Klosterk. Ueberreste des
Stiftungsbaues von 1147. *) — Die schönen spätroman. Klostergebäude
(Boisseree Taf. 59. 60) sind 1815 abgebrannt.
AHtB-Casp bei Geldern. ''^J Das überwölbte von zwei quadratischen
Thürmen flankirte Altarhaus der im XVII. Jahrh. erbauten Kirche des 11 22
gegründeten Cisterzienserklosters. (Zeitschr. für Archäol. u. Kunst 1, 138).
AlteaUreheB unweit Coblenz. Kirche mit Holzdecke. Die Nebenapsiden
sind aussen rechtwinkelig.
Altorf bei Molsheim. Abteikirche. Das Schiff ist ein spitzbogiger Ge-
wölbebau, die Ostpartie von 1725.
Altstadt Kirche, flach gedeckt mit später angebautem Querschiffe. Das
Erdgeschoss des quadrat. Westthurmes bildet die Vorhalle.
Aaderaaell« Pfarrkirche ohne Querschiff mit westl. und östl. Thurm-
paar und Emporen über den Seitenschiffen. Das Langhaus Gewölbebau im
Uebergangsstil. Der Chor und die östl. Thürme älter. (Boisserde, Taf.
45—49; das südl. Portal oben S. 305 Fig. 153).
Aadlai. Die Vorhalle (mit Thierkämpfen etc. auf einem Friese) und
die Säulenkrypta (Schweighaeuser et Golbery II. Taf. 8) unt^r der
gothischen Nonnenkirche.
Arasteln. Prämonstratenserkirche , nach Lotz (1, 60) Basilika im
Uebergangsstil mit zwei viereckigen West- und zwei gothischen Ostthürmen.
Af^lsheiM. Dom Petrin streng roman. Basilika mit modernem Thurm
und flach gedecktem Mittelschiff. — Eine durch den Anbau eines Lang-
schiffes 1774 verstümmelte Kapelle in der Grundform des gleichschenkc-
ligen Kreuzes mit vier Apsiden und achteckigem Mittelthurm.
Bacharadli Pfarrkirche (sogen. Tempelherrenkirche) : Spätroman. Ge-
wölbebau mit schlanken einfachen Jochen^ hohen Emporen und kleinen
Arkadengalerien über denselben. An der Ostseite der nicht ausladenden
Kreuzflügel zwei Rundthürme, an der Westseite ein starker Viereckthurm,
an der Nordseite ein reiches Portal. (Quaglio I; Kallenbach und
Schmitt Taf. 21. Fig. 6.)
Basel. Kreuzgangreste bei der Albanikirche. — Münster. ^) Von
dem 1018 geweihten Bau sind nur Reste vom Grundbau eines ehemal.
Westchores nachgewiesen, und für die auf uns gekommenen romanischen
Gebäudetheile bieten nur die beiden Brände von 1185 und 1258 einigen
histor. Anhalt. Aus der auf den ersten Brand folgenden Bauperiode rühren
her der Unterbau der Frontalthürme, das Querhaus mit der Gallenpforte,
die Krypta (deren ältester Thcil verschüttet ist) und ein Theil des im halben
J) Orund, F., die aufgefundenen Kaste der wahrscheinlich ältesten Abteik. in
Altenbefg; in den Bonner Jahrb. X. 142— 1 16 u. Taf. 3.
2) Michels, Gesch. u. Beschreib, der ehemal. Abtei Camp. 1832.
3) Beschreib, des Münsters u. seiner Merkwürdigk. in Basel (Ilasler et Comp.)«
(1842) 1846. -- Förs;ter, £., das Münster in Basel, im D. Kunstbl. 1855. S. 33.
io dea RheinUuiden. 323
Achteck geschlossenen, mit Umgang versehenen Altarhauses; nach dem
zweiten Brande entstand das Langhaus, ein Gewölbebau mit Spitzarkaden
und im Kundbogen geöffneten Emporen über den Seitenschiffen. Das
Ganze wurde sodann in Folge des Erdbebens von 1356 vielfach verändert:
das Mittelschiff gothisch eingewGlbt, zwei äussere Seitenschiffe angebaut,
die Thürme vollendet. (Förster, Denkm. l, 29—32 u. 3. Taf . ; vergl.
den Grundriss eines Hauptpfeilers oben S. 309 Fig. 160.) Der alte
Kreuzgang.
BeBil«rf bei Coblenz. Kirche, Gewölbebau im Uebeigangsstil ohne
Querschiff und Thurm.
Neber bei Andernach. Kirche, deren Schiff Spitzbogenarkaden über
achteckigen Pfeilern und eine flache Decke hat. Der Chor ist geradlinig
geschlossen ; kein Querschiff.
Bilk bei Düsseldorf. Kirche mit viereckigem Westthurm, 1860 re-
staurirt.
Btagen. Die Krypta unter der Pfarrkirche, deren Säulen einfache
Wflrfelknäufe und Basen ohne Eckblätter haben. — Ueberreste der Rup~
pertsberger Kirche am linken Naheufer.
Bbrgelen bei Heinsberg. Die Kirche, »einfach romanisch, ziemlich er-
halten.a Lotz 1, 82.
B«n. Das Münster: ') Gewölbebau; der Grundriss der östlichen
Theile in Kleeblattform; fünf Thürme. Nach v. Quast (Bonner Jahrb.
X, 197 — 201) drei Bauzeiten : 1) der Chor und der westliche Theil der
Krypta, mindestens aus dem XI. Jahrhundert ; 2) der östliche Chorschluss
nebst seinen Thürmen und der östliche Theil der Krypta aus der Mitte des
XII. Jahrhunderts ; 3) die vier Abtheilungen des Schiffes , der polygone
Schluss der Kreuzarme, der an 300' hohe Mittelthurm und die Spitzbogen-
gewölbe des Chores, begonnen zu Anfang des XIII. Jahrhunderts. (B o is-
ser ee Taf. 56. — Gailhabaud, Denkm. Bd. II. Abth. V. No. 23 mit Text
von Kugler. — Förster, Denkm. 4. 31 f. und 1 Taf. — Otte, Gesch. der
deut. Baukunst S. 157 Fig. 63.) Der Kreuzgang und Capitelsaal um 1150.
— Auf dem Friedhofe ist die ehemalige Deutschherrenkapelle von
Kamersdorf, ^) mit Rettung der alten Säulen und Consolen, in einer
Copie wieder aufgebaut : ein spätromanischer gewölbter Säulenbau, dessen
gleich lange und gleich hohe Schiffe östlich in drei Apsiden auslaufen und
von einem gemeinschaftlichen Dache bedeckt sind. — Die abgetragene
Martinskapelle (Boisseree Taf. Ij s. oben S. 22 Fig. 4. 3)
B«ppanli Pfarrkirche, ^) Umbau eines zu Anfang des XII. Jahrh. er-
richteten älteren Gebäudes im Uebergangsstil aus der ersten Hallte des
Xin. Jahrhunderts : Gewölbebau mit hohen Emporen, ohne Querschiff, mit
1) NOggerath, die Bausteine der Münsterk. in Bonn, in Lorsch, Jahrb. ],
209. Ueber die Gebäude vergl. ebend. 217—244.
2) 8 c h n a a 8 e , C. , die Kirche tu Ramersdorf, inKinkel's Taschenbuch vom
Rhein. 1847. S. 191 ff. — Vergl. Lassaulz, im Cölner Bombl. 1845. No. 2.
3) Haff er, Herm., die alte Martinsk. in Bonn u. ihre Zerstörung, in den An-
naien des histor. Vereins für den Niederrhein. Heft 13 u. 14. S. 146 ff.
4) Krüger, W., die Ffarrk. su Boppard. Mit 4 Taf. 1865.
324 Romanische Kirchen
zwei den im halben Achteck geschlossenen Chor flankirenden Viereck-
thOrmen ; reiches Westportal. (Gladbach [Moller III.], Denkm. Tat*.
19—21. — Quaglio II. 1. — Kugler, Kl. Sehr. 2, 213.)
Branweiler bei Cöln. Klosterkirche, *) mit Ausnahme der vierschiffigen,
mit zwei Säulen- und zwei Pfeilerreihen versehenen, 1051 geweihten Krypta,
Gewölbebau im Uebergangsstil, theils von 1193. theils nach einem Brande
zu Anfang des XIII. Jahrhunderts. Das Querschiff ladet nicht aus und die
Seitenschiffe setzen sich neben dem Chore fort, dessen Apsis von zwei
Thürmen flankirt wird. Die Westfront bildet ein dreifacher Thurmbau.
Der ehemalige Mittelthurm fehlt; die Gewölbe des Schiffes von 1514.
(v. Quast, in den Bonner Jahrb. XIII, 179.) Kreuzgang und Capitelsaal.
Brauenbirg bei Limburg a. d. L. Ruine der Prämons traten ser-Non-
nenkirche. Das Kloster gestiftet um 1170. (Lotz 1, 125.)
Urrig bei Cöln. Einschiffige überwölbte Dorfkirche, deren Apsis ein
halbes Achteck bildet.
Casp bei Boppard. Kirche ohne Querschiff, mit gothischem Chor. Im
flach gedeckten Schiff, dessen westliche Hälfte eine unterwölbte Empore
einnimmt, nur je zwei Arkaden.
CardeB a. d. Mosel. Die Ostpartie der Stifskirche ^) mit zwei vier-
eckigen Thürmen am Chor, im Uebergangsstil ; das Langhaus frühgothisch .
(Kugler, Kl. Sehr. 2, 215. 240.)
Chir. Der Dom, ^) ein höchst unregelmässiger Gewölbebau im Ueber-
gangsstil, ohne Querschiff, mit quadratischem Chor, an den sich ein schmä-
leres rechteckiges Altarhaus schliesst; geweiht 1282. Die unter dem Altar-
hause beflndliche kleine Säulenkrypta, anscheinend von einem früheren,
1178 geweihten Bau übrig; der westliche Theil unter dem Chore ist mit
einem von einer Mittelsäule gestützten Kreuzgewölbe überspannt. Der
Thurm steht südlich neben dem Chore.
CleMensUrehe bei Rheinstein. Die Kirche mit spätroman., flach ge-
decktem I^anghause und achteckigem Thurme über dem Westende des süd-
lichen Seitenschiffes. Das überwölbte Querschiff mit der sich an die Vie-
rung schliessenden Apsis im Uebergangsstil.
Ctbleu. Die Castorkirche, ^) mit westlichem und östlichem
Thurmpaar und einem nicht über die Breite des Langhauses vortretenden
Querschiff. Der älteste Theil ist der Unterbau der beiden mit halbrund
vortretenden Treppenthürmchen besetzten Westthürme ; dann folgt der
Chor, zuletzt Langhaus, Querschiff und Decoration der Apsis : der Haupt-
bau geweiht 1208. Die Pfeiler des ursprünglich flach gedeckten, 1498 mit
Sterngewölben überspannten Mittelschiffes viereckig, mit Halbsäulen be-
setzt. (Moller I. Taf. 7. 8.) — Das im XVII. Jahrh. gothisircnd über-
wölbte und veränderte Langhaus der Kirche St. Flor in mit zwei vier-
1) Giersberg, die Kirche zu Brauveiler, im Organ für christl. Kunst. 1 S5 1 .
S. 10 ff. — Mohr, in Förster's Bauzeitung. 1860. No. 2.
2) V. Quast, die Stiftsk. St. Castor zu Garden a. d. M., in der Zeitschr. für
Archäol. u. Kunst. 1, 90.
3) Beschreib, der Domk. von Chur, in den Mittheil, der antiquar. Gesellsch. in
Zürich. Bd. XI. Heft 7.
4) Richter, A. J., die 8t. Castork. zu Coblcnz, deren Gesch., Architektur,
Kunstwerke a. Denkm. (1850). 2. Aufl. 1854.
in den Rheinlanden. 325
eckigen Westthürmen ; kein Querschiff; Chor gotbisch von 1356. (Wiebe-
king Taf. 55; Kugler, Kl. Sehr. 2, 211). Zierlich spätroman. Reste
der ehemal. Stiftsgebäude in der jetzigen Küsterwohnung. — Das (mit
spätgothischen Sterngewölben gedeckte) Langhaus der 1182 gegr. Lieb-
frauenkirche mit zwei viereckigen Westthürmen und Emporen über den
Seitenschiffen, im Uebergangsstil 1242—1259; Chorgothisch 1404 — 1431.
(Lotz, 1, 145.)
Colli. ^) St. Andreas, spätroman. GewOlbebau von 1220, mit quer-
schiffartigem, eine Empore enthaltendem Westbau, niedrigem Mittelthurm
und ursprOnglich kleeblattfOrmiger Ostpartie; Chor gothisch von 1414,
aucli sonstige gothische Anbauten und Veränderungen. Vermauerte Krypta.
— St. Aposteln, ^) nach dem Vorbilde der Capitolskirche, im Kern des
Langhauses und Westthurmes nach einem Brande von 1098 ; das westliche
Querschiff und alles Uebrige nach dem^Stadtbrande von 1199, bis 1219.
(Boisseree, Taf. 16—20. — Michiels, Photogr. Album. — Förster,
Denkm. 4, 17—20 und 4 Taf.) — St. Cäcilia, ^) ohne Thurm und
Querschiff; im Westen eine Empore und westlich von dieser eine kleine,
angeblich uralte Krypta. Das Mittelschiff ist spätgothisch überwölbt. Nörd-
lich von der Kirche in der östlichen Mauer des angrenzenden Hospitalhofes
Reste von Blendbogenstellungen aus der Zeit vor dem X. Jahrh. — St.
Columba enthält den Kern einer ursprünglichen Pfeilerbasilika in dem
gegenwärtig fünf schiffigen gothischen Umbau. — St. Cunibert, *j spät-
roman. Gewölbebau mit zwei Querschiffen und drei viereckigen Thürmen,
von denen einer (1830 eingestQrzt und seitdem neu erbaut) über der west-
lichen Vierung, die beiden anderen über den nicht ausladenden östlichen
Kreuzarmen aufsteigen; begonnen zu Anfang des XIII . Jahrb., geweiht
1247. (Boisseree Taf. 67—72.) — St. Georg. Säulenbasilika, gegr.
1059, geweiht 1074, ursprünglich mit kleeblattförmiger Ostpartie, jetzt aus
drei in Apsiden endenden Langschiffen bestehend, mit späterem unvollen-
deten Westthurm, dessen Erdgeschoss die sogen. Taufkapelle bildet. Die
Säulen des später überwölbten und veränderten Mittelschiffes und der zum
Theil vermauerten Krypta haben schlichte Würfelknäufe. (Vergl. Bois-
seree Taf. 21. 22; Kugler, Kl. Sehr. 2, 199.) — St. Gereon, ^) ur-
sprünglich ein in dem Mauerwerk des jetzigen, ein längliches Zehneck bil-
denden, die Stelle des Schiffes vertretenden Vorbaues theil weise noch er-
1) Ennen, L., Gesch. der Stadt Cöln. Bd. 1. 2. 1862. 1865. — Quast,
Fcrd. y., Beitrage zur chronolog. Bestimmung der älteren Gebäude Cölns bis zum
XI. Jahrh., in den Jahrbüchern des Vereins von Alterthumsfr. im Rheinlande X,
186—224 u. XIII, 168—189. Bonn 1847 u. 1848. — Weyden,E., Rückblicke auf
Cölns Kunstgesch , im Oigan für christl. Kunst. 1862 No. 1—1864 No. 24.
2) Der »die Apostelkirche in Cöln« überschriebene Artikel von G. Eckertz im
D. Kunstbl. 1 858. S. 263 — 265 bezieht sich nicht auf diese, sondern auf die Cimi-
bertskirche; vergl. die Erklärung des Verf. in den Dioskuren. 1859. S. 115.
3) Mering, E. E. v., die Petersk. u. CAcilienk. in Cöln (1834). 2. Aufl. 1836.
4) Eckertz, G., zur Gesch. der Cunibertsk. in Cöln, in den Dioskuren. 1859.
S. 115 f. — Weyden, E., im Organ für christl. Kunst. 1859. S. 157—160.
5) Gesch. der Kirche zum h. Gereon in Cöln, herausgegeb. von dem Kirchenvof-
Stande. 1824. — Weyden, E., die Kirche St. Gereon in Cöln, a. a. O. 1860. No.
16—23; vergl. 1862, die artist. Beilage zu No. 19.
326 Romanische Kirchen
haltener Rundbau von höchstem, schwer zu bestimmendem Alter, dessen
Ostliche Schlussmauer 1066 abgebrochen und bis 1069 dafür ein Langchor
(mit zwei nicht mehr vorhandenen Thürmen) angebaut wurde, woran sich
um die Mitte des Xu. Jahrh. der von zwei viereckigen Thürmen flankirte
Oberchor und die üeberwölbung des Ganzen schloss. Mit dem Oberchor
gleichzeitig ist der Ostliche Theil der Sfiulenkrypta, während der westliche
von 1067 datirt. Das mit einem Kuppelgewölbe überdeckte, 1227 vollendete
polygonische Schiff mit westlicher Vorhalle ist ein den Uebergang in den
gothischen Stil zeigender Prachtbau. Der sich letztcrem anschliessende
elegant spätroman. Kreuzgang wurde 1S21 abgebrochen; die südlich an-
grenzende unregelmässig achteckige Taufkapelle vollendet um 1219. (B o i s-
seree Taf. 61—63. 31—33; v. Quast, in den Bonner Jahrb. X. Taf. 8
und Xm. Taf. 3; Mich i eis, Photogr. Album. Vergl. oben S. 303 Fig.
149 und S. 320 Fig. 169 und 170.) — St. Johannes Bapt., eine aus
drei gleich langen Schiffen bestehende , gänzlich verbaute ursprüngliche
Pfeilerbasilika. — St. Maria auf demCapitol, Prototyp der nieder-
rheinischen Kirchen mit kleeblattförmigem Kreuzbau und Kuppel ; mit
Ausnahme der dem XII. und XIII. Jahrh. entstammenden Chorhaube und
der Gewölbe im Hauptschiffe, im Wesentlichen die 1049 geweihte Pfeiler-
basilika mit einer (hinter der Orgel verborgenen) zweigeschossigen Halle
in Westen , welche dem System des Aachener Münsters entspricht ; die
Seitenschiffe waren schon ursprünglich auf Üeberwölbung berechnet, wäh-
rend das Mittelschiff nur eine flache Decke trug. Um die drei Hallen des
Kreuzbaues zieht sich eine durch einen Kranz freier Säulen getragene Ga-
lerie, und unter dem Östlichen Theile erstreckt sich eine ausgedehnte Krypta
mit mehreren Nebenkapellen. Vor den Portalen des Querschiffes waren
rechteckige, offene, flach gedeckte Säulenhallen angeordnet, von denen nur
noch die südliche existirt. Der Westthurm mit den daneben stehenden po-
lygonen Treppenthürmen ist erneuert und der angrenzende Kreuzgang mit
Zinshäusern bebaut. (Boisseree Taf. 2 — 9. — Förster, Denkm. 1,
19 f. und 2 Taf. — v. Quast a. a. O. XHI. Taf. 3 Fig. 6. 7; Taf. 4.
Vergl. oben S. 46 Fig. 18; S. 296 Fig. 134.) - St. Maria in Lys-
kirchen, Gewölbe bau im Uebergangsstil, mit Emporen über den Seiten-
schiffen, zwei die Stelle der Kreuzarme vertretenden Ostihürmen und einer
Krypta unter dem polygonisch schliessenden Chor. — St. Martin, nach
dem Typus von Maria auf dem Capitol, aber mit hohem von vier Eckthürm-
chen flankirtem Mittel thurm über der Vierung 1206 — 1211. Aelter sind
die westlichsten Arkaden des I^nghauses und stammen von einem 1172
geweihten Bau ; die Seitenmauern mit ihren Wandarkaden und den Ge-
wölben sind wiederum später. (Boisseree Taf. 10 — 15. — Förster,
Denkm. 8, 59 ff. und 2 Taf.) — St. Mauritius, *! kurz vor 1144 voll-
endeter Gewölbebau, aus drei in Apsiden schliessenden Langschiffen be-
stehend, mit zwei aus der viereckigen in die Rundform übergehenden
Thürmen zwischen den Apsiden. Die westliche Hälfte ist 1858 abgetragen
1) V. Quast, St. Mauritius in Cöln, in der Zeitschr. für Archäol. u. Kunst 1,
235—240.
in den Rheinlanden. 327
und ein modem-gothischer Polygonbbu an die Stelle getreten. — St. Pan-
talcon, mit Nebenconchen an den Kreuzarmen, gothischem Chorschluss
und Gewölben aus dem XVII. Jahrhundert. Der westliche Vorbau kann
(mit Ausnahme des Thurmes) noch ron einem 980 geweihten Bau her-
rühren; alles Uebrige von einem zwischen 1216 und 1227 fallenden Um-
bau. (Kugler a. a. O. S. 238.) — St. Severin, 1043 geweiht, aber am
Schluss des XI. Jahrh. umgebaut, wovon als Ueberrest einer kleineren
Kirche der westl. Theil des Chores mit den kreuzarmartigen Anbauten,
sowie der westl. Theil der Krypta herrühren konnte; einem späteren 1247
geweihten Bau scheint der polygonisch schliessende Ostl. Chortheil mit dem
betr. Theile der Krypta anzugehören. Alles andere , mit Ausnahme des
Unterbaues der beiden Chorthürme ist gothisch, aus dem XIV. Jahrh.
(Michiels, Photogr. Album.) — St. Ursula, mit Emporen über den
Seitenschiffen und am Westende im Thurm. Die Sargwände innerlich mit
Lisenen und Bogenfries. Das Mittelschiff ist mit gothischen Kreuzgewölben
gedeckt und der Chor ebenfalls gothisch . (Kallenbach und Schmitt
Taf. 4 No. 6. 7. 10; Kallenbach, Atlas Taf. 6.)
C^BStam.') Dom, kreuzförmige, östlich geradlinig schliessende Säulen-
basilika mit Krypta und westlichem ITiurmbau, soll zwischen 1051 — 1069
erbaut sein : die Capitäle der mit Eckknollen versehenen Arkadensäulen
bilden im unteren runden Theile nicht sowohl ein Kugelsegment, als viel-
mehr acht Cylinderfragmente , die an den Kanten durch eine vortretende
Naht verbunden sind. Die Krypta mit dicken Säulen, theils mit Akanthus-,
theils mit rohen Figurencapitälen. Das im XVII. Jahrh. überwölbte Lang-
haus ist mit spätgothischen Kapellen besetzt, die Kreuzgiebelfronten sind
gothisch , der Chor verzopft. Ueber der von dem gothisch veränderten
Thurmpaare begrenzten Vorhalle erhebt sich der Hauptthurm mit modern
gothischem hohem Steinhelm.
Craifthal bei Zabem. Ruine des Cisterzienser - Nonnenklosters.
(Schweighaeuser et Golb^ry 11. Taf. 29.)
ieitl. Abteikirche mit Spitzarkaden, nach Zerstörungen im XIV. und
XVII. Jahrh. roh hergestellt. (Kugler. Kl. Sehr. 2, 206.)
MetUrchen bei Limburg a. d. L. Stiftskirche, Gewölbebau mit Em-
poren über den Seitenschiffen, nicht vorspringenden Kreuzflügeln und zwei
Westthürmen. Die Apsis umgiebt ein schmaler Umgang mit einzelnen Ka-
pellen. (Lotz 1, 164.)
Mssifetdenberg in Odemheim bei Meisenheim. Reste des um 1 150 neu
erbauten Klosters.
■btelrath (zwischen Düren und Zülpich) mit der angeblich ältesten
Pfarrkirche dieser Gegend.
••rUsheta bei Rosheim. Kirche, Gewölbebau.
••magen gegenüber Monheim. Dorfkirche in einschiffiger Kreuzform
und mit Westthurm.
1) (Schreiber) Denkmale am Oberrhein. 1. Lief. Konatans. — Führer durch
die Münsterk. zu Constanz. 1853. — 8., Constanz, im Organ für christl. Kunst 1856
in No. 1 u. 2. — Der Dom zu Conatanz, in den Beilagen zur Augsb, Postztg. 1856.
No. 13—15.
328 RomaniBche Kirclien
Eberbach bei Elfeld. ^) Cisterzieitserkirche, geweiht 11S6: Gewölbe-
bau mit geradem Cborschluss und je drei Kapellen an der Ostseite der
Kreuzarme. Das Refectorium (die sogen, ältere Kirche), mit drei Säulen*
schiffen im Uebergangsstil. Die Mauern des gothischen Capitelsaales.
(Geier und Görz. Lief. 1 Taf. 1—3.)
Eehteniaeh. Klosterkirche, geweiht 1031: Basilika, deren Ar-
kaden von durch Blendbögen verbundenen Pfeilern, * die mit Säulen wech-
seln, getragen werden. Die Säulen haben einander gleiche korinthische
Capitäle. Der Obergaden des gothisch überwölbten Mittelschiffs hat gothische
Fenster von 1244. Die Kreuzarme laden nicht aus; der Chor ist gerade
geschlossen. Die Krypta hat verschiedene Nebenräume. Von den vier
Thürmen ist wenig übrig ; überhaupt war die herrliche Kirche eine profa-
nirteKuine, wird aber jetzt restaurirt. (Schmidt, Baudenkm. Lief. 2
Taf. 8 und 9. — Förster, Denkm. 8, 25—28 und 1 Taf.) — Die Pfarr-
kirche, spätgothisch umgebaut.
Eiseaberg bei Frankenthal. Der Chor der Kirche mit dem über dem-
selben aufsteigenden Thurm.
Emerieh. Chor und Krypta des Münsters ; letztere mit Bündelsäulen ;
frühromanisch. (Kinkel, Kunstgesch. Taf. 5. h — /.)
Ems (Dorf). Die kleine dreischiffige Kirche hat Emporen über den
Seitenschiffen und eine äusserlich rechteckige Apsis.
Engen bei Constanz. Kirche aus dem XU. Jahrb.
Enkenbach bei Kaiserslautern. Klosterkirche (1265 noch im Bau be-
griffen) , Gewölbebau im Uebergangsstil, im Schiff mit durch Blendbögen
verbundenen Pfeilern und dazwischen gestellten Säulen und mit recht-
eckigem Chore. Das südl. Seitenschiff wird durch einen Flügel des Kreuz-
ganges vertreten, der sich auch an der Westseite fortsetzt und hier mit einer
Empore versehen ist. (Denkm. der deut. Baukunst von dem hess. Verein
zu Därmstadt. Bd. 1. — Sighart, Bayer. Kunstgesch. S. 245—248. —
Förster, Denkm. 10, 33—38 und 3 Taf.)
Erluratt bei Düsseldorf. Kirche aus dem XU. Jahrb. mit mächtigem
Westthurme.
Erjpel gegenüber von Remagen. Das Langhaus der Kirche ursprünglich
mit Emporen; der im halben Zehneck geschlossene Chor im Uebergangsstil.
Eschai bei Strassburg. Einfach romanische Klosterkirche.
Essen. Münster. ^ Der polygonische Westchor (S. 284) mit zwei
Rundthürmen, aus der zweiten Hälfte des X. Jahrb. ; die Krypta, geweiht
1051, hat mit Ecksäulen besetzte Pfeiler. Das Paradies, ein Säulenhof aus
dem XI. Jahrh. (Vergl. oben S. 75 Fig. 29 und S. 295 Fig. 131.)
Enskirehen bei Bonn. Westthurm imd Langhaus der Kirche in ein-
fachem Uebergangsstil.
1) Bär, P. Herrn., Diplomat. Gesch. der Abtei Eberbach. Bd. 1. 1855. — Kloster
Eberbach im Rheingau, in Didaskalia. (1857). No. 132. — Rössel, C, Beschreib,
der Abtei Eberbach, in : Denkm. aus Nassau. Heft 2 u. 3. 1S57. 1862.
2) Die Münsterk. in Essen, im Organ für chrisü. Kunst 1851. S. 89—91 ; 1852.
S. 3 — 5. — Quast, Ferd. v., die Münsterk. in Essen, in der Zeitschr. für Archäol.
u. Kunst I, 1—20. (Auch in Förster's Denkm. 6, 33-^9 u. 3 Taf.)
in den Rheinlanden. - 329
BusenUial bei Landau. Von der 1260 vollendeten Klosterkirche ist
nur der gerade geschlossene Chor und das östlich mit je zwei eine Abseite
bildenden Kapellen besetzte QuerschifT vorhanden; gothisirender Ueber-
gangsstil. (Sighart, Bayer. Kunstgesch. S. 250—252.)
frankeythal bei Worms. Ruine der 1224 geweihten Stiftskirche mit
zwei Thürmen über dem Ostende der Seitenschiffe und prachtvollem West-
portal. (Lotz 2, 119.)
heibnrg L B. Das Querschiff des Münsters im Uebergangsstil. —
Die evangelische Kirche (ehemal. Klosterk. von Thennenbach, seit
1829 abgetragen und verändert wieder aufgebaut) : Gewölbebau im Ueber-
gangsstil mit quadratischem Chor und je zwei Kapellen an der Ostseite der
Kreuzflügel. Querliegende Tonnengewölbe in den Seitenschiffen. (Hübsch^
H., Bauwerke S. 12—15.)
Cebwiller bei Thann. Lazariuskirche, begonnen 1182, Oewölbebau im
Uebergangsstil mit offener Vorhalle und zwei viereckigen Thürmen in
Westen und einem hohen achteckigen Thurm über der Vierung. (Seh we ig-
haeuser et Golbery I. Taf. 20.)
Ceigeybaeh unweit Strassburg. Die im Innern verunstaltete Stifts-
kirche, eine der Klosterkirche zu Alpirsbach in Schwaben ähnliche Säulen-
basilika. (Lotz 2, 137.)
tIerresheiH bei Düsseldorf. Stiftskirche, Oewölbebau im Uebergangs-
stil, mit hohem Thurm über der Vierung.
(liebdoif bei Bonn. Kapelle, fttnfseitig geschlossen, mit schwerfälligem
viereckigem Thurm. Krypta.
(ÜMderidi bei Xanten. Kleine Kirche im Uebergangsstil.
Gladbach bei Düsseldorf. ^) Abteikirchc, ^) begonnen seit 1242, Ge-
wölbebau im Uebergangsstil mit niedrigem eine Empore enthaltenden West-
thurme und einer Wandgalerie über den Spitzarkaden ; kein Querschiff;
der Chor, neben welchem sich die Seitenschiffe in späterer Verlängerung
fortsetzen, bereits frühgothisch. Die Krypta stammt von einem älteren Bau.
Restauration seit 1857.
filockebberg bei Strassburg. Ruine einer Kapelle.
MIesberg bei Bonn. Kirche von 1208.
fiols bei Coblenz. Alte Kirche, kleiner Gewölbebau mit Spitzarkaden
und Emporen über den Seitenschiffen, die zu den Seiten des Westthurmes
vortreten. Der Chor erhöht, mit kleiner Apsis. Am Mittelschiff Strebe-
bögen, meist unter den Dächern verstehet. (Kugler, Kl. Sehr. 2, 215.)
lageia«. St. Georg, begonnen 1149, geweiht 1184 : Säulenbasilika
mit einfachen Würfelcapitälen ; die Westseite im Uebergangsstil; Chor und
Kreuzarme gothisch; das Schiff mit gothischen Gewölben. (Schweig-
haeuser et Golbery 11. 145. Taf. 34.) — Der Thurm der alten Spital-
kirche.
1) Eckertz, Gottfr., u.NoeveT,E. J. Konr., die Benedictiner- Abtei inMün-
chen-Oladbach. 1853.
2) Die ehemal. Benedictiner - Abteikirche zum h. Veit in M.-Gladbach u. ihre
Wiederherstellung, im Organ für christl. Kunst 1859. No. 22—24.
330 BomaniMfae Kirchen
letaenhelH bei Sinzig. Die Kirche ^) mit Wulst-umzogenen Spitz-
arkaden und mit ungewölbten Emporen über den Seitenschiffen ; das Mittel-
schiff ist gothisch überwölbt auf Consolen. Ueber der Vierung eine Kuppel
mit achtgiebeligem gothischen Thurm. Der Chor polygonisch geschlossen ;
ebenso die Nebenconchen.
leiiskerg. Die rechteckige Säulenkrypta unter der Gangolfskirche, ^
erste Hälfte des XII. Jahrh.
lebterbach bei Königswinter. Kuine der etwa 1202 begonnenen und
1237 geweihten Cisterzienserkirche : ^) Oewölbebau mit Umgang um den
halbrund geschlossenen Chor und mit zwei Querschiffen. (Boisserce
Taf. 39—44. — Förster, Denkm. 2, 13—16 und 2 Taf.)
UMei bei Düsseldorf. Die Kirche, ein schlichter spätroman. Oe-
wölbebau.
lineMAck bei Boppard. Die Kirche mit flach gedecktem Langhause,
nicht ausladendem, spätgpthisch überwölbtem Querhause und einfachem
Westthurme; der Chor frühgothisch. (Kugler, Kl. Sehr 2, 211.)
Hod-AtieMhefai bei Strassburg. Dreischiffige Kirche.
Hoch-Eltes (Eltenberg) bei Elton. Stifts- (jetzt Pfarr-) Kirche, Oe-
wölbebau mit wechselnden Pfeilern und Säulen, Emporen über den Seiten-
schiffen und westlichem Thurm. Chor frühgothisch.
lochst Justinuskirche, ^) Säulenbasilika mit korinthisirenden Capi-
tolen und trapezartigen Kämpfern darüber; mit Ausnahme des spätgoth.
Quer- und Altarhauses nach 1090. (Gladbach [Mo 11 er III.], Denkm.
Taf. 7 — 11 ; v. Quast, die roman. Dome etc. Taf. 5 Fig. 1 — 5).
lölhgei bei Dürkheim. Wenige Ueberreste der 1 120 gegr. Augus ti-
nerkirche. — Die kleine einschiffige Jacobsk. auf dem Kirchhofe.
Ikei bei Kreuznach. Kleine, trefflich ausgeführte Kirche.
Iigelheta (Nieder -Ingelheim) bei Bingen. In der jetzigen evangel.
Kirche Ueberreste der Palastkirche Friedrichs Barbarossa von 1154, be-
stehend aus dem Kreuzbau mit der Apsis und zwei schlanken viereckigen
Thürmen in den Winkeln zwischen dem Chor und den Kreuzarmen. Das
Langhaus von 1766. *)
JohMlisberg. Kirche der 1106 gestifteten Benedictiner- Abtei, mit
Holzdecke; modernisirt.
Jilldl. Der westliche Theil der Kirche romanisch; der östliche im
TJebezgangsstü.
Kaisenkerg bei Colmar. Die Westseite und die Arkadenpfeiler der
goth. Pfarrkirche.
1) Kinkel, Gottfr. , die Kirche zu Heimersheim , in L er seh, Jahrb. 2,
313^340.
2) Lindemann, J. W., die Stiftsk. vom h. Gangolphus zu Heinsbeig, (auft
einem Schulprogramm) im Organ für christl. Kunst 1853 No. 18 — 21 u. 1851 No. 2;
vergl. den Nachtrag von v. Quast, ebd. 1853 No. 22.
3) Harless, Heisterbach, in den Bonner Jahrb. XXXVII, 45—50.
4) Müller, Fz. Hub., über die Architektur der alten Kirche zu Höchst a. M.,
in den Annalen des Vereins fOr Nassauische Altcrthumskunde II. 3, 73 — 90.
' 5) Cohausen, A. v., der Palast K. Carl des Or. in Ingelheim u. die Bauten
seiner Nachfolger daselbst, in den Abbild, von Mainzer Alterth. V ; vergl. S. 17.
in den Bheinlanden. 331
Kaisenwerth« Die Stiftskirche, ^) ihrer ursprünglichen im flach ge*
deckten Langhause erhaltenen Anlage nach eine schlichte Pfeilerhasilika ;
der dreischüHge mit drei polygonen Apsiden geschlossene Chor, ein Ge-
ivölbebau von gleicher Breite mit dem Querschiff, zeigt ein Gemisch von
verdorbenem spätromanischem Uebergangsstil.
Kappel bei Zug. ^) Der rechtwinkelig geschlossene Chor und das öst-
lich mit je zwei abseitenartig angelehnten Kapellen versehene Querhaus der
übrigens goth. Cisterzienserkirche im Uebergangsstil.
KeHpei bei Krefeld . Die flach gedeckte einschiffige Peterskapelle
ausserhalb der Stadt. — Die Spitzarkaden und der Westthurm der übrigens
goth . , 1858 restaurirten ehemal . Stiftskirche im Uebergangsstil .
Urchbiel bei Sempach. Schmucklose einschiff'ige Kirche '^] mit goth.
Chor und an der südl. Langseite stehendem Thurm.
Kl«8terrath (Rolduc) bei Aachen. *) Die Augustiner -Stiftskirche, *)
ein rundbogiger Gewölbebau (begonnen 1138, geweiht 1209). in dem die
gurttragenden Pfeiler mit dazwischen stehenden Säulen wechseln , wobei
jedoch diese Anordnung durch zwei querschiffartige Joche unterbrochen
wird. Am Westende ein rechteckiger Thurm mit einer Empore. Die Säulen-
krypta (S. 299 Fig. 144), welche sich kleeblattlörmig unter dem spätgoth.
Altarhause befindet und bis unter die Vierung des weit vortretenden Quer-
hauses erstreckt, besteht aus zwei Theilen, deren ältester von 1108 datirt.
Kneehtetedey bei Dormagen. Die Prämonstratenserkirche , ®) (heg.
1 138) , eine überwölbte doppelchörige Anlage, in deren Langhause die gurt-
tragenden Pfeiler mit dazwischen gestellten Säulen wechseln. Ueber der
Vierung des weiträumigen mit drei Kuppeln gedeckten Querschiffes ein
achteckiger Mittelthurm und zwei kleine quadratische Thürme in den Win-
keln zwischen den Kreuzarmen und dem Altarhause. Das schmuck volle
Hauptportal unter besonderer Giebelhalle befindet sich am südl. Seiten-
schiffe.
Koben bei Coblenz. Mathiaskapelle, ^) sechseckiger Centralbau
mit niedrigem Umgang und noch niedrigerer östlicher Apsis im elegantesten
Uebergangsstil. — Der Thurm der ehemaligen Kirche mit zwei Erkern
am Walmdache. (Lotz 1, 327.)
Laach ^) bei Andernach. Abteikirche (t 1 12 — 1156), ausgezeichneter
(schön restaurirter) doppelchöriger Gewölbebau (einfache rechteckige Joche
1) Bock, Fz., die Stiftsk. zu Kaiserswerth, im Organ für christl. Kunst 1S53«
No. 9 f.
2) Esche r, H., die Stiftung des Kl. Kappel, in den Mittheil, der antiquar.
Geselisch. in Zürich. II. 1, 1 — 8. — Vögelin, Sal., u. Keller, Ferd., da« ehemal.
Kloster Kappel im Canton Zürich, ebd. III. 1 .
3) GeschichtBfreund. Mittheil, des histor. Vereins der fünf Orte Luzem etc. M,
35—38; 15,95—99.
4) Schaepkens, Alex., Rolduc et ses enyirons. 1854.
5) Bock, Fz., die ehemal. Augustiner^ Abteik. Klosterrath, im Organ fürchristl.
Kunst. 1859. No. 15 f. Vergl. oben S. 31 i Nota 2.
(5) Derselbe, diePrftmonstr.-Ahteik.Knechtsteden,a.a. O. 18(>0. No. 21 u. 23.
7) Dronke, E., u. Lassaulx, J. Claud. t., die Mathiaskap. auf der oberen
Burg bei Kobern a. d. Mosel. 1837.
8) Wegeler, Im., das Kloster Laach. Geschichts- u. Urkundenbuch. 1854.
332 Romanische Kirchen
im Langhause) mit zwei Querschiffen, einem achteckigen Kuppelthurm über
der östl. Vierung, zwei Viereckthürmen in den Winkeln zwischen den
Nebenapsiden und dem Altarhause, einem über der westl. Vierung aufstei-
genden viergiebeligen Thurm und zwei Rundthürmen vor den Giebeln des
westl. Querhauses. Unter dem östlichen Hauptchore eine Säulenkrypta.
Westlich vor der Kirche ein Säulenhof (Paradies) im edelsten und elegan-
testen Spätstil. (Boisseree Taf. 25. 26. — Geier und Görz in Lief.
1—4. — Förster, Denkm. 2, 1—6 und 3 Taf. — Vergl. oben S. 296
Fig. 136; S. 297 Fig. 139; S. 307 Fig. 156; S. 317 Fig. 168.)
UHtarg A. d. Itardt bei Dflrkheim. Ruine der um 1030 gegründeten,
1042 geweihten Klosterkirche, einer rechtwinkelig geschlossenen Säulen-
basilika mit Nebenapsiden und einem Westthurm über der Vorhalle, an
deren Ecken (ursprünglich runde) Treppenthürme vortraten. Die quadrat.
Krypta, 1035 vollendet. (Geier und Görz Lief. 2 Taf. 4 und 5. —
Förster, Denkm. 1, 7 und Taf, 3 Fig. a—e.)
LiHbwg a. d. Lahy. Die Stiftskirche (Dom) ^) aus der ersten Hälfte
des Xin. Jahrb., Gewölbebau im Uebergangsstil mit Emporen über den
Seitenschiffen und dem Chorumgange und einer Säulengalerie unter den
Oberlichtem. Ausser zwei mächtigen Westthürmen in der Axe der Seiten-
schiffe ein achteckiger Kuppelthurm mit hohem Spitzhelm über der Vierung
und je zwei kleinere über den Ecken der Kreuzflügel angeordnete Viereck-
thürme. (Moller II. Taf. 19—31. — Förster, Denkm. 1, 15—18 und
4 Taf. — Kugler, Kl. Sehr. 2, 182. — Vergl. oben S. 312 Fig. 162,
S. 313 Fig. 163 und S. 315 Fig. 167.)
liadav am Bodensee. Die schmucklose einschiffige Petrikirche mit nur
einem Fenster in der Apsis ; jetzt Magazin.
Uni bei Andernach. Spätgothisch veränderte Kirche im Uebergan-^^'s-
stil. Gewölbebau mit Emporen über den Seitenschiffen; kein Querschiff;
Chorschluss fünfseitig ; viereckiger Westthurm mit schlankem Helm.
Loiaig bei Coblenz. Der Chor der modernen Kirche mit Apsis und
zwei schlanken Thürmen im Uebergangsstil. — Ueberreste eines Central-
baues. (Kugler, Kl. Sehr. 2, 41 und 210. Vergl. oben S. 285.)
Lorsch bei Bensheim. Buine der 1130 geweihten und anscheinend
bald darauf vergrösserten Klosterkirche, einer flach gedeckten Pfeiler-
basilika mit Krypta. (Moller I. Taf. 4. — v. Quast, die roman. Dome
des Mittelrheins Taf. 5 Fig. 7 und 8.) — Ueber die karoling. Durch-
gangshalle s. oben S. 286.
Lörenich bei Cöln. Die Kirche, ein einfacher Bau ohne Querschiff mit
Nebenapsiden an den Seitenscbiffen und Überwölbtem Chor.
Uflelberg bei Meckenheim. Kirche im Uebergangsstil, mit älterer
Vorhalle.
Llteabach bei Gebweiler. Die spätroman. flach gedeckte Capitels-
kirche, in deren Arkaden Pfeiler mit cannelirten Säulen wechseln. An der
1) Busch, Einige Bemerk. Aber das Alter der Domkirche zu Limburg a. d. L.
1S4I. — Dahl, J. C, die Domkirche in Limhurg, in den Annalen des Vereins für
Kassauische Alterthumsk. II. f, 153 — 170.
in den Rheinlanden. 333
Westseite zwischen zwei zerstörten Thfirmen eine sich in drei Bögen nach
aussen öffnende Vorhalle . Der Chor mit Strebepfeilern . (Schweighaeuser
etGolb6ryI. Taf. 24.)
laiu. ^) Der Dom, ^) ein grossartiger doppelchöriger Gewölbebau,
sehr wahrscheinlich im Langhause aus einer früheren Basilika mit Holz-«
decke umgebaut, mit zwei Kuppel-gekrönten Querhäusern (von denen jedoch
nur das ausladende westliche innerlich ein Querschiff bildet, w&hrend das
östliche, von der Breite des Langhauses, die Fortsetzung der Seitenschiffe
aufnimmt, die hier mit Kapellenräumen übersetzt sind;, zwei auf den Ecken
vortretenden runden Ostthürmen und zwei den polygonen Westchor flanki-
renden achteckigen Thürmen. Abgesehen von gothischen, zopfigen und
modernen Veränderungen, Anbauten und Restaurationen ergeben sich nach
V. Quast und Wetter drei verschieden^ Hauptbauperioden (vergl. oben
5. 311 Anmerk. 2); 1) die beiden östlichen runden Treppenthürme (mit
Ausnahme der oberen Aufsätze) 1009 — 1036; 2) die Gothardskapelle (ein
nördlich am Dom belegener zweistöckiger, aus je drei gleich hohen, von
vier Säulen getragenen und in Apsiden endenden Schiffen bestehender Ge-
wölbebau; vergl. oben S. 20) 1135 — 1138 und das Schiff (mit Ausnahme
der später erneuerten Gewölbe) nach dem Brande von 1137; 3) das Quer-
«chiff, geweiht 1228, und der Westchor, geweiht 1239. (Mol 1er L Taf.
6, 9 und 12. — Gailhabaud, Denkm. Bd. II. Abth. 5. No. 22. —
Förster, Denkm. 1, 57 — 66 und 2 Taf. — v. Quast, die roman. Dome
des Mittelrheins. Taf. l und 2. — Vergl. oben S. 320 Fig. 171.) Die
unter dem Ostchor befindlich gewesene Krypta existirt nicht mehr, und die
goth. Gruft des h. Bardo ^) ist unzugänglich. Der Capitelsaal (die sogen.
Memorie) gehörte zu dem 1243 geweihten (später gothisch erneuerten)
spätroman. Kreuzgange. — Der Unterbau des nordöstl. Thurmes von St.
Christophorus im Uebergangsstil. — Die um 1230 bis 1236 errichtete,
spätgothisch umgebaute , jetzt profanirte Heil. Geist- Hospitalkirche,
von welcher ein geschmücktes Portal gegenwärtig im Innern des Domes (im
nördl. Kreuzarm) angebracht ist. — Reste der ehemal. Heil. Grabkirche,
eines kleinen einschiffigen Bauwerkes mit hohem Thurm über dem klee-
blattförmig ausgestalteten quadratischen Chor, im Hofe der preuss. Genie-
Direction.
Iirback bei Gebersweier. Reste der Augustinerstiftskirche. (Seh weig-
haeuser et Golb6ry I. Taf. 19).
laimtester (Marmoutier) . Der spätroman. aus rothen und weissen
Steinen errichtete Westtheil der gothischen und zopfigen Benedictinerkirche,
bestehend aus zwei quadrat. Thürmen auf beiden Seiten einer nach aussen
geöffneten dreischiffigen Säulenhalle, aus deren Giebelfront ein dritter
1} Joannis, Geo. Chr., Kenun Mogunt. VoU. II. 1722. — Schaab, C. A.,
Oesch. der Stadt Mainz. 4 Bde. 1841—1851.
2) Werner, Fz., der Dom zu Mainz u. seine Denkm. 2 Bde. 1S27 u. 1830. —
Wetter, J., Gesch. u. Beschreib, des Domes zu Mainz. 1835. — Emden, Herrn.,
u. Wetter» J., der Dom zu Mainz u. seine bedeutendsten Denkm. in Photogra-
phien. 1857.
3) Dahl, J. C, die Krjpta des h. Bardo im Dom zu Mainz, in den Nassauer
Annalenlll. 3, 3—10.
0 1 1 1 , KuDSt-Archtologit. 2 2
334 Romanische Kirch«n
Thurm aufsteigt. (Schweighaeuser et Golb^ry IT. 105 und Taf. 25.
— Gailhabaud, Denkm. H. Abth. V. No. 17. Taf. 1—4. — Förster,
Denkm. 9, 61 und 1 Taf.)
layeH. Die verstammelte im goth. Vebergangsstil errichtete flach ge-
deckte Frauenkirche unfern des Ortes.
■ayeihanswiller bei Zabem. Die Benedictinerkirche , dreischiffiger,
in drei Apsiden schliessender Qewölbebau ohne Querschiff , mit Eopfiger
Westfront.
leckeiheta bei Bonn. Die Kirche, ein schlichter, spätgothisch über-
wölbter Bau (ohne nOrdl. Seitenschiff) im Uebergangsstil.
lehtei bei Aachen. Die profanirte Quirinuskapelle, ^) einschiffig im
Uebergangsstil^ zwischen 1215 und 1242.
■eriig a« d. Saar. Die Kirche, eine spätgothisch aberwölbte SSulen-
basilika in Uebergangsformen, mit drei Apsiden, einem Westthurme und
zwei Tharmen an der Ostseite der Kreuzarme. (Schmidt, Baudenkmale
in Trier etc. Lief. 3. Taf. 1.)
letdach bei Merzig. Ruine eines gothisch veränderten ehemaligen
achteckigen Centralbaues, genannt der Thurm ; s. oben S« 284 f.
■ittelhete. Augustinerkirche ^) (gegen 1140), eine schl'ichte, flach ge-
deckte Pfeilerbasilika mit sehr kurzem und aberwölbtem Chor, einem Kup-
pelthurm über der Vierung und sehr schmalen Seitenschiffen.
■•■heta bei Dormagen. Das dreischiffige Langhaus der Dorfkirche im
Uebergangsstil.
■oselweb bei Coblenz. Die Kirche, der in Bendorf (s. d.) ähnlich,
aber mit gerade geschlossenem Chor.
liden bei Moselkem. Die Kirche mit gerade geschlossenem Haupt-
und polygon schliessenden Seitenschiffen und mit viereckigem Westthurm.
(Lotz 1, 449.)
lindelheta bei Düsseldorf. Pfarrkirche.
IfinsterelffeL -^) Die Stiftskirche, eine später überwölbte einfache Pfei-
lerbasilika mit grosser, meist erneuerter Krypta.
HttBsteraalfeM. Von der gothischen Martinskirche ist der mit zwei
halbrunden Treppenthürmen besetzte Westthurm romanisch ; der im
halben Zehneck geschlossene Chor (begonnen 1225) mit innerem Arkaden-
umgang, sowie die Nebenapsiden am Querschiff zeigen den Uebergangsstil.
(Kugler, Kl. Sehr. 2, 217.)
■■rbadi bei Oebweiler. *) Die noch stehenden Theile der 1139 ge-
weihten Benedictinerkirche : der dreischiffige, gerade geschlossene und flach
gedeckte Chor und zwei viereckige Thürme über den Kreuzarmen. (Schweig-
haeuser et Golbery L Taf. 25. — Lübke, Qesch. der Architektur
S. 385.)
1) Qu ix, Chr., die Kapelle zu Melaten. 1843.
2) Görz, R.y die Kapelle zu Mittelheim im Kheingau, in den Nassauer Annalen
m. 2, 95—104.
3) Katzfey, Gesch. der Stadt MOnstereiffel. (Mit Grundriss der Kirche.) 2 Bde.
IS54. JS55.
4) Otte, Ferd., die Abtei Murbach. 1S57.
in den Rheüilanden. 335
NeiM bei Dttsseldorf. St. Quirin, ^) gegr. 1209, in der Chorpartie
nach dem Vorbilde von St. Aposteln zu Cöln, Qewölbebau mit Emporen
über den Seitenschiffi^n. Die Westseite mit hohem Mittelthurm bildet im
Aeusseren ein überreich decorirtes Querhaus; ausserdem hat das west-
lichste Drittel des Langhauses doppelte Seitenschiffe mit Giebelfronten.
Restaurirt. (Boisser^e Taf. 50 — 52. — Förster, Denkm. 5, 13—16
und 2 Taf.)
Neiweller. Die St. Adelphikirche, QewOlbebau im Uebergangs-
Stil mit viereckigem Thurm über, der Vierung und Nebenapsiden an den
Kreuzarmen ; an der Westseite zwei zierliche halbrunde Thürme. Der halb
zerstörte dreischitfige Chor ist gothisch . (SchweighaeuseretGolbery
II. Taf. 32.) — Von der Abteikirche ist das gerade geschlossene, mit
zwei ahnlichen Seitenkapellen begleitete Altarhaus und das Querschiff noch
in reicher roman. Ausstattung, während das I^anghaus bereits gothisch ist.
An die Ostseite des Chores schliesst sich eine zweistockige, in drei Apsiden
endende dreischiffige Kapelle, deren Decken von S&ulen getragen werden.
(A. a. O. S. 136 und Taf. 3t.) Der von Säulen getragene Capitelsaal.
KickMich bei Andernach. Die kleine Kirche mit gewOlbtem Schiff und
spätgoth. Chor.
NMefgeM bei Düren. Rundbogig spätroman. Kirche. ''^) Dem drei-
schiffigen, mit Triforien versehenen und auf UeberwOlbung in zwei Doppel-
jochen berechneten, aber flach gedeckten Langhause, dessen Abseiten in
Apsiden enden, legt sich in der Breite des Schiffes ein kleines über Eck-
säulen eingewölbtes und viel niedrigeres Altarhaus mit Apsidenschluss vor.
Vor der Westseite ein quadrat. Thurm.
KlederlahutelM bei Coblenz. Die Kirche St. Johann, eine flach ge-
deckte , rechteckig geschlossene Pfeilerbasilika ohne Querhaus mit einem
älteren massigen Westthurme, aus den Ruinen 1856 — 1861 wiederher-
gestellt.
NkderMlltler unter St. Odilien. Ruinen der 1180 geweihten Nonnen-
kirche und einiger zu dem Kloster gehörig gewesenen Kapellen.
NjHwegea. Ueber die Kapelle auf dem Valkhofe s. oben S. 284. Die
Ruinen der daneben befindlichen Schlosskirche aus dem XII. Jahrb.
tberbreisig bei Andernach. Die Kirche, eine kleine überwölbte zier-
liche Pfeilerbasilika im Uebergangsstil , mit Empore über der nördlichen
Abseite, ohne Querschiff; die Apsis bildet ein halbes Zehneck ; der West-
thurm ist später umgebaut.
•berkirch unweit Strassburg. Unter der goth. Kirche eine Krypta.
•kenteigei bei Zabem. Die Augustinerkirche, überwölbte Basilika
ohne Querschiff mit kleinem Chor im gothisirenden Uebergangsstil; re-
staurirt.
Ifeibich am Glan bei Grumbäch. Die gothisirend überwölbten Reste
1) B., die St. QuirinuB- Kirche zu Neuss, im Orgaa far christl. Kunst. 1852.
S. 203—205. — L., die Münsterkirche von St. Quirin in Neuss, ebd. IS53. S. 29—31.
2} Dr. . . . r, Nideggen, seine Kirche u. seine Burg, im Organ für christl. Kunst.
1866. No. 7 nebst 2 Taf.
22 •
336 Romanische Kirchen
der ehemal. Benedictinerkirche : ^) das QuerschifF mit dem wenig vertieften
Chore, der fünfseitigen Hauptapsis, dreiseitigen Nebenapsiden und einem
geringen Fragment des dreischifilgen vollkommen goth. Langhauses; auch
der achteckige Thurm über der Vierung ist gothisch . (Schmidt, Baudenkm .
in Trier etc. Lief. 3. Taf. 2 und 3.)
Iphoren bei Heinsberg. Die ziemlich erhaltene einfache Kirche.
•ppeiheiH. Die Westthürme der Katharinenkirche und Chor,
Querschiff und Westfront der Altstadt. Pfarrkirche im Uebergangsstil.
Itterberg bei Kaiserslautern. Cisterzienserkirche , ^) GewOlbebau in
einem Gemisch roman. und goth. Formen : das Altarhaus hat dreiseitigen
Apsidenschluss, das schmale Querhaus tritt weit hervor und das Langhaus
mit gratigen Kreuzgewölben ist mit ausgebildeten Strebepfeilern besetzt;
die Westfa^ade mit reichem dreitheiligen Portal, einer Fensterrose und im
Giebel ein breites goth. Fenster. Der Bau soll 1225 im Wesentlichen voll-
endet gewesen sein. (Gladbach [Moller IIL] Denkm. Taf. 12 — 15. —
Sighart, Kunstgesch. von Bayern S. 249 ff. — Förster, Denkm. 10,
39 ff. und 2 Taf.)
Ittvarsheta bei Mühlhausen im Elsass. Ueber den achteckigen Cen-
tralbau s. oben S. 284.
Petershaisei bei Constanz. Von der ehemaligen Klosterkirche, einer
westlich orientirten, rechteckig geschlossenen, flach gedeckten Säulenbasi-
lika mit isolirtem Thurme aus dem XII. Jahrh. existirt nur noch das jetzt
zu Neu-E berstein aufgestellte, restaurirte östliche Hauptportal. *) (Denk-
male am Oberrhein I. Titelvignette und Taf. 10.)
Pfaffenheta bei Ruffach. Der polygonisch geschlossene Chor der Kirche
und der viereckige Thurm im Uebergangsstil. (Schweighaeuser et
Golb6ry I. Taf. 21. — Lübke, Gesch. der Architektur S. 386.)
PfaffenschwabenheiH bei Kreuznach. Der Chor der Klosterkirche mit
zwei runden Thürmen auf den Seiten des dreiseitigen Schlusses, ein klei-
nes , aber glänzendes Beispiel des Uebergangsstils. (Hess. Denkm. Taf.
15—18.)
Pfkliel bei Trier. Die Stiftskirche, *) eine kreuzförmige Basilika mit
romanischen, gothischen, zopfigen und modernen Bestandtheilen, besonders
bemerkenswerth durch die Technik der theilweise bis in die karoling. Zeit
hinaufreichenden Umfangsmauern. (S. oben S. 32.)
Radolftzeli bei Constanz. Krypta unter der goth. Kirche.
RatiBgen bei Düsseldorf. Der Westthurm der Pfarrkirche mit dem
Portal und zwei kleine Thürme über der Mitte der Seitenschiffe.
1) V. Quast, die Kirohe cu Offenbach am Ol., in der Zeitschr. für Archäol. u.
Kunst 2, 87 f.
2) Das Münster zu Otterberg, in der Augsb. Allgein. Zeitung 1S56. Beilage zu
No. 219.
3)Kriegv. Hochfe\den,0. H., das Kirchenportal der Abtey Petershausen.
1852. (Vergl. den im Anseiger des german. Museums 1860 Sp. 2S4 ff. enthaltenen
Auszug) .
4) Die Stiftskirche zu Pfalzel , in den Mittheil, des histor. Vereins zu Trier.
Heft 1 No. 6.
in den Rheinlanden. 337
Rareigienkug ^) bei Simmern. Die Tburmfa9ade ^ der einschi£figen
spätgoth. Klosterkirche.
KegbheiH bei Mühlhausen. Die Kirche, ein schöner Quaderbau mit
Thurm.
Reiehenai) ^) Insel im Bodensee. Die Klosterkirche zuMittelzell
(Marienmünster) , eine flach gedeckte Pfeilerbasilika mit östlichem und west-
lichem Querschiff, an welches letztere sich eine Apsis schliesst, die von
einem rechteckigen Thurme eingeschlossen ist, dessen Erdgeschoss sie
bildet, während in zwei Stockwerken über derselben sich Reste einer in
drei Bogenstellungen nach innen geöffneten Empore befinden. Das Ganze
ist auffallend unregelmässig und scheint der 1172 vorgenommenen Er-
neuerung eines älteren Gebäudes anzugehören. Der Ostchor ist spätgoth isch.
(Dorst, C. H., Reiseskizzen. 1848. Heft 1 No. 8. — Hübsch, die
altchristl. Kirchen Taf. 49 Fig. 1 — 13.) — Die Stiftskirche St. Georg zu
Oberzeil, eine Säulenbasilika ohne Querschiff, westlich von einer Apsis,
Östlich von einem Thurme begrenzt, an den sich der erhöhte Ostchor mit
einer quadratischen Säulenkrypta schliesst. Die Westapsis ist auch hier
von einem zweistöckigen Gebäude ummantelt, dessen Oberstockwerk Säulen-
fenster nach dem Mittelschiffe zu hat. Die Kirche , die noch Reste aus der
Zeit um 900 enthalten soll , wird ins XI. Jahrb. versetzt. — Die Stifts-
kirche St. Petri-Pauli in Unterzell, eine aus drei gleich langen Schiffen
bestehende Säulenbasilika, mit Thürmen Über dem Ostende der Seiten-
schiffe und drei in der Mauerstärke ausgesparten Altarnischen; Xu. Jahr-
hundert. — (Vergl. Lotz 2, 411—413.)
Reicheoberg ^) bei St. Goarshausen. Sehr geräumige Kapelle in der
Ruine des 1284 gegründeten Schlosses im Uebergangsstil : ehemals drei-
stöckig und durch eine Säulenreihe in zwei Schiffe von ungleicher Breite
getheilt ; der östliche Schluss aussen rund, innen dreiseitig.
ReHagei. Kathol. Kirche: im flach gedeckten Schiff rohe Pfeiler
und Rundbögen ; der kleine fünfseitig geschlossene (spätgoth. überwölbte)
Chor, geweiht 1246, in zierlichem Uebergangsstil. — Portal am kathol.
Pfarrhof , mit vielen rohen symbol. Reliefs an den Pfosten und dem Bogen
des Thores ; anscheinend aus dem XII. Jahrhundert. ^)
]) Back, F., das Kl. Ravengiersburg u. seine Umgebungen. 2 Bde. (1S4I).
2. Aufl. 1853.
2}FTeudenberg, J., Portal u. Thürme der Klosterk. zu Ravengiersburg, in
den Bonner Jahrb. XII, 1 19 u. Taf. 7—10.
3) Fi ekler, C. B. A., die kirchl. Bauten auf Reichenau, in den Denkmalen
der Kunst u. Gesch. des Heimathlandes, herausgegeb. von dem Badischen Alter-
thumsvereine durch A. v. Bayer. Heft 5 nebst 4 Tafeln. — Die Insel Reichenau,
in der Augsb. Postzeitung. ]855. Beilage zu No. 214. — Drei uralte Basiliken auf
der Insel Reichenau im Bodensee, ebd. 1S57. Beilagen zu No. 272 — 276. — Staiger,
Fz. X. C, die Insel Reichenau im Untersee mit ihrer Abtei. 1860. - Veigl. Waa-
gen, G. F., aber Denkm. der Kunst etc., im Kunstbl. 1848. S. 253 f.
4) Burkart, J., die Burg Reichenberg, in der Zeitschr. ftLr Bauwesen. 1853.
8p. 87— S9 u. Taf. 71 u. 72.
5) Braun, J. W. J., das Portal zu Remagen. (Festschrift zu Welcher« Jubi-
läum.) 1859. — Derselbe, Kunstarchäolog. Betracht, über das Portal zu Remagen.
(Programm zum Winckelmannsfeste.) 1859. Vergl. die Anzeige von Chr. Riggen-
bach, in den Mittheil, der k. k. Central -Comm. etc. (1860) 5, 60 u. Annalen des
histor. Vereina fOr den Niederrhein 8, 264—266.
338 Romanische Kirchen
Kepelen bei Mors. Die alten llieile der Kirche, Gewölbebau.
Rheinkassel bei Cöln. Die Kirche mit zwei Thürmen zu den Seiten
des Chores.
Riydiern bei Cleve. Die Apsis, als Uebcrrcst einer ehemal. Kirche.
RiMsehlfiden bei Ospem (Luxemburg). Die Kirche, deren Wölbung
auf einer Mittelsäule ruht.
lUHHenilorf bei Sayn. Die schon im späteren M.-A. verstümmelte,
spätgothisch überwölbte Prämonstratenserkirche , zum Theil von 1135,
meist von 1210 mit goth., 1351 geweihtem Chor. An die Ost- und an die
Südseite des südlichen Kreuzarmes stossen einige' Kapellen, der Capitelsaal
und der Kreuzgang, der im östl. gothisirenden Flügel aus der Zeit von
1214 — 1236 stammt. (Boisseree Taf. 57 und 58.)
R«sheta. Die Kirche, ein Qcwölbebau, in dessen Langhause Pfeiler
als Gurtträger mit dazwischen gestellten Säulen wechseln. Die Westansicht
erinnert in ihrer Thurmlosigkeit , mit ihrem flachen Giebel und flachen
Seitenschifidächern und der das Profll des Aufbaues befolgenden Lisenen-
decoration an italienische Vorbilder. Schweighaeuser et Golbery
IL 66 Taf. 16. — Förster, Denkm. 9, 23 und 2 Taf. — Schnaase,
Kunstgesch. IV. 2, 137 ff.)
lUth A. d. Iwr (Luxemburg). Die spätgoth. überwölbte Kirche, angeb-
lich von 1256, in deren Spitzarkaden Säulen zwischen Pfeilern stehen, die
unter sich durch Blendrundbögen verbunden sind. Von den Nebenapsiden
ist nur die nördliche erhalten.
RotheMkIrchei bei Alzei. Das ehemal. Kloster-Refectorium, ein zwei-
scbiffiger, von Säulen mit gleich massigen, korinthisirenden Capitälen (Sig-
hart, Bayer. Kunstgesch. S. 244 No. 85) getragener Gewölbebau ; jetzt
Kuhstall.
Rifach. Die Kirche, gothisirender Gewölbebau mit Strebebögen und
Pfeilern ; im Langhause wechseln gegliederte Pfeiler als Gurtträger mit da-
zwischen gestellten Säulen , über der Kuppel-gedeckten Vierung ein acht-
giebeliger, schlank behelmter Thurm, Zwei unvollendete Westthürme.
(Schweighaeuser et Golbery I, 59. Taf. 22. 23.)
St Coar. Die Säulenkrypta unter der goth. Stiftskirche. (Kugler,
Kl. Sehr. 2, 208.)
St. le«fehanl bei Rosheim. Ruine der Stiftskirche.
St. 0diliefe. Einige Kapellen neben der zopfigen Klosterkirche. Die
Kreuzkapelle, zweistöckiger Gewölbebau mit Mittelsäule. (Schweig-
haeuser et Golbery 11. 48. Taf. 11 und 12).
St. ThoHas bei Andernach. Kapelle ^) im ehemal. Nonnenkloster (jetzt
Kirche der Irrenanstalt), ein überwölbtes Rechteck; äusserlich in zwei
Stockwerke getheilt.
St. ThoHas a. d. Kyll. Einschiffige überwölbte Nonnenkirche, geweiht
1222, beendet 1225. Die westl. Hälfte durch eine von Säulen getragene
unterwölbte Empore ausgefüllt; Schluss fünfseitig; Ueb^rgangsstil ; fast
Ruine. (Schmidt, Baudenkm. in Trier etc. Lief. 3. Taf. 4.)
1) Altbof, die Kapelle zu St. Thomas, in der Zeitschr. für Bauwesen. 1855.
Sp. 5:13—548 u. Bl. 69.
in den Rheinlanden. 339
Sayn« Die Klosterkirche, einschiffig in Kreuzform, überwölbt und im
Kreuz mit einer Kuppel gedeckt; Uebergangsstil ; Chorschluss gothisch. —
Reste des Kreuzganges.
SdafflMse«. Das Münster der Abtei AUerheMigen , geweiht 1064,
vollendet IIOI, eine flach gedeckte, schlichte (verzopfte) SÜLulenbasilika mit
gerade geschlossenem Chor, an dessen nördl. Ecke ein viergiebeliger Thurm
(Hope, an historical essay on architectüre. 3. ed. 1840. Taf. 73) isolirt
steht. Reste des anstossenden Klosters. (Ebd. Taf. 44 B.)
ScUeUsUdt. Die Kirche St. Fides, Gewölbebau, in dessen mit Strebe-
pfeilern versehenem Langhause rings mit Halbsäulen besetzte, die Ourte
tragende Pfeiler, welche durch runde Blendbögen verbunden sind, abwech-
selnd mit Kleeblattsäulen die Spitzarkadeil tragen ; ein achteckiger Thurm
über der Vierung ; zwei Westthürme und eine zierliche Vorhalle . (Schweig-
haeuser et Golbery I. 11. Taf. 4.)
Schtiai bei Heidelberg. Die jetzige Kirche ist das ehemal. Refecto-
rium des früheren Cisterzienserklosters : ein durch eine Säulenreihe in zwei
spitzbogig überwölbte Schiffe getheiltes Rechteck im Uebergangsstil. (Glad-
bach [Moller HL], Denkm. Taf. 22. 23. — Vergl. Lotz, 2, 458.)
SehoMStitt bei Vallendar. Ruine der Kirche des 1143 gestifteten Non-
nenklosters : zwei Westthürme im Uebergangsstil.
Sckwtnach bei Baden-Baden. Die Abteikirche, eine Säulenbasilika
(im Mittelschiff mit offenem Dachstuhl), mit niedrigem Thurm über der
Vierung und ehemals mit Nebenapsiden an den Kreuzarmen. Die Seiten-
schiffe setzen sich am Langchore fort und schliessen, wie dieses, mit Apsiden.
Die östl. Theile sind 1224 erhöht und im Uebergangsstil überwölbt. (Geier
und Gör z Lief. 3 Taf. 6, Lief. 4 Taf. (B.)
SchwATf-UeMorf bei Bonn. Eine Doppelkirche, ^) deren oberes für
die Nonnen bestimmtes Stockwerk in der Vierung mit dem unteren durch
eine achteckige Oeffnung verbunden war ; nach ursprünglicher Anlage von
tl5t als Grabkapelle ein Kuppelbau im gleicharmigen Kreuz mit Apsiden
an allen vier Enden^ aber mit einem schon 1157 nach Durchbrechung der
Westseite angebauten einschüHgen Langhause. (Förster, Denkm. 8,
1—8 und 3 Taf.)
Seebfteh bei Dürkheim. Ueberreste der Benedictiner-Nonnenkirche im
zierlichen spätroman. Stil : der Chor ist gerade geschlossen, über dem Kreuze
ein niedriger Thurm aus weissen und rothen Steinen^ der aus dem Viereck
ins Achteck übergeht. Das Schiff war frühgothisch.
Siegbirg. Die fünfschiffige, mit drei Apsiden schliessende Krypta der
1667 erneuerten Abteikirche von 1183 (für die Irrenanstalt nutzbar
gemacht). — Die Pfarrkirche mit roman. und goth. Theilen.
SigtbhelM bei Colmar. Die Kirche, ein Gewölbebau im Uebergangs-
stil mit Vierungsthurm und schönem Westportal. (Abbild, des letzteren in
Levrault, Musee historique de TAlsace. 1858. 1, 28.)
Slnsheta unweit Heidelberg. Reste der Klosterkirche, einer kreuzför-
migen Pfeilerbasilika. (Schriften des Alterth. -Vereins für Baden, Bildtafel 6
zu Band l.)
1) Simons, Andr., die Doppelkirche zu Schwarz rheindorf. — Noüe, Ars. de,
Bxamen de rinscription inaugurale de Täglise de Schwarzrheindorf, in den Bonner
Jahrb. XXTX. u. XXX, 186—192.
340 Romanische Kirchen
Sillig, bei Andernach. Die Pfarrkirche, ^) ein bald nach 1206 ent-
standener Gewölbebau mit Emporen über den Seitenschiffen, achteckigem
Thurm über der Vierung des wenig ausladenden Querhauses und zwei vier-'
eckigen ThOrmchen zu» den Seiten des im halben Zehneck endenden Chores,
im TJebergangsstil. (Boisser^e Taf. 53 — 55.)
Speier. Der Dom,^) gegr. um 1030, der grossartigste Bau seiner Zeit,
mit zwei viereckigen Thürmen im Westen und zwei anderen in den Win-
keln am Chor und Kreuz und einem Kuppelthurm über letzterem. Der dem
Langhause westlich vorliegende Querbau mit kleinerem Kuppelthurm ist
eine Erneuerung in modern-roman. Stil. Im Wesentlichen unverändert ist
von dem Urbau allein die sich auch unter dem Querschiffe ausbreitende
Krypta (vollendet 1039) erhalten. Eine zwischen 1060 und 1072 stattge-
fundene Weihe bezog sich nur auf den Chor, und die am Schlüsse des
Jahrhunderts vollendete Kirche , ohne Zweifel eine flach gedeckte Pfeiler-
basilika, wird erst nach einem Brande von 1 1 59 mit Erhöhung der Sarg-
mauem in den auf uns gekommenen Qewölbebau umgewandelt worden
sein, der nach der französischen Zerstörung von 1689 (wobei vom Lang-
hause nur die beiden östlichsten Joche unversehrt blieben), 1772 — 1784
mit zopfiger Westfa9ade wieder hergestellt und 1820 — 1858 prachtvoll re-
staurlrt worden ist. Neben dem nördlichen Seitenschiffe ist die am Schlüsse
des XI. Jahrhunderts angebaute Afrakapelle gleichfalls im Xu. Jahrhundert
erneuert worden , welchem auch der gegenüber am südlichen Seitenschiffe
befindliche Kapellenbau angehört. (Geier und Görz in Lief. 2 — 4. —
Gailhabaud, Denkm. Abth. V. No. 21 Taf. 1—6, mit Text von L.
Lohde. — Hübsch, die altchristl. Kirchen Taf. ^0—52. — Förster,
Denkm. 1, 1—10 und 3 Taf. und 4, 21—24 und 1 Taf. — v. Quast,
die roman. Dome etc. Taf. 3. — Vergl. oben S. 307 Fig. 157.)
Spoohete bei Kreuznach. Die Abteikirche, '^) ein 1123 geweihter
Kreuzbau, ursprünglich ohne Seitenschiffe und mit unvollendet gebliebenem
Westarm, mit jüngerem Oberbau in edlem gothisirenden Uebergangsstil.
Ueber der Vierungskuppel ein achteckiger Thurm.
SteinfeM. *) Die Klosterkirche, inschriftlich gegründet 1142. (Lotz,
1, 568.)
Stranburg. Die östlichen Theile des Münsters (die 1190 vollendete
Krypta, das Querschiff und die sich der mit einer Kuppel gedeckten Vie-
rung unmittelbar vorlegende, äusserlich rechteckig ummantelte Apsis, nebst
1) Kinkel, Oottfr., die Kirche in Sinzig, in Lersch, Jahrbuch 2, 313—340.
2) Geissei, J., der Kaiserdom zu Speier. 3 Bde. 1826—1828. — Sehn aase,
C, der Kaiserdom in Speier, im Kunstbl. 1845. No. 63 — 66. — Blaul, F., der
Kaiserdom zu Speier. Mit Abbildungen. 1 860. — Remling, Fz. X., der Speierer
Dom, zunächst Ober dessen Bau etc. unter den Saliern. Nebst 1 Taf. 1861. Vergl.
die Anzeigen in den Mittheil, der k. k. Central-Comm. von Springer (1861) 6, 247
u. von Sehn aase, ebd. S. 275; auch Otte, H., wann ist der Gewölbebau des
Doms in Speier entstanden ? in den Bonner Jahrb. XXXII. 10U — 1Ü6. — Vergl. oben
S. 311 Anmerk. 2.
3) Reichensperger, A., die Schlosskirche zu Querfurt u. die Sponheimer
Abteikirche in dessen Verm. Sehr. S. 349 — 351. — Vergl. WOrzburger Sonntagsbl.
1862. No. 19.
4) Barsch, G., das Prämonstr.-Mönchskloster Steinfeld i. d. Eifel. 1857. Vergl.
Annalen des histor. Vereins fOr den Niedezrhein 11. Heft 4, 89 ff.
in den Rheinlanden. 341
schönem Doppelportal an der südlichen Kreuasfront) im spatromanischen
und gothisirenden Uebergangsstil . (C h a p u y , Cath6drales fran^aises . 1826.
Taf. 14. — Gailhabaud, Denkm. ü. Abth. V. No. 18. — Denkm.
deutscher Baukunst am Oberrhein. Lief. 3. Taf. 8.) — Reste der Abtei*
kirche St. Stephan, eines östlich mit drei unmittelbar am Querschiff lie-
genden Apsiden versehenen romanisch-spitzbogigen Gewö]bebaues. (v. Wi e-
beking, Bau künde Taf. 86.) — Der westliche Vorbau der gothischen
Thomaskirche.
Surbirg bei Hagenau. Die CoUegiatkirche, in deren flach gedecktem
Langhause Säulen mit Pfeilern wechseln. Die östlichen Theile (der Chor
mit Apsis und das Querschiff mit zwei Nebenapsiden) sind überwölbt.
Trier. ^) Der Dom, ^) in seinem ursprünglichen römischen Kern ein
quadratischer Säulenbau, im XI. Jahrh. westlich verlängert und mit zwei
Thürmen, an deren Ecken runde Treppen thürme hervortreten, und einer
Apsis (nebst Krypta) versehen, wobei die alten Säulen mit Pfeilern um-
mauert wurden; dann zu Ende des XII. Jahrh. nach Osten (mit Anlage
einer Krypta) erweitert und durch die im halben Zehneck construirte und
von zwei Thürmen flankirte gothisirende Westapsis geschlossen ; zu Anfang
des Xni. Jahrh. das Ganze überwölbt. Nach einem Brande im XVIII.
Jahrh. wurde ausser anderen Verunstaltungen eine Art Querschiff einge-
richtet, und in neuester Zeit eine durchgreifende Restauration des ganzen
Gebäudes ausgeführt. Unter den anstossenden Klosterbaulichkeiten finden
sich einige frühromanische und viele spätromanische Theile ; der herrliche
Kreuzgang ist meist frühgothisch. (Schmidt, Baudenkm. in Trier. Lief. 2
Taf. 1—6. — Gailhabaud, Denkm. ü. Abth. V. No. 20 Taf. 1—11,
mit Text von L. Lohde. — Förster, Denkm. 1, 21—27 und 3 Taf. —
Hübsch, die altchristl. Kirchen. Taf. 6.) — Reste der Irminenka-
pelle bei St. Paul, zum Theil frühromanisch. — Die Abteikirche von
St. Matthias bei Trier 1127 — 1148,. aber spätgothisch verändert und
überwölbt : das anscheinend ursprünglich auf TJeberwölbung in einfachen
Jochen (ähnlich Laach) angelegte Mittelschiff hatte eine Balkendecke, wäh-
rend die Seitenschiffe, die sich jenseits des Querhauses als mit viereckigen
Thürmen übersetzte Nebenchöre fortsetzen und gerade schliessen, gewölbt
waren. Zwei niedrige Westthürme. Säulenkr}'pta. Der Kreuzgang und
das Kloster im Uebergangsstil. (Schmidt a. a. O. Taf. 10.) — Die nach
Umwandelung der römischen Porta nigra in eine Kirche (St. Simeon) der-
selben angebaute Apsis im «spätroman. Stil und die daneben liegenden äl-
teren Stiftsgebäude. (Ebd. Lief. 5 Taf. 6 und 7.)
Trifels bei Landau. In den spätroman. Trümmern der Reichsburg die
im Hauptthurm über der Thorhalle belegene überwölbte quadratische Ka-
ll Müller, Mich. Fs. Jos., Literatur-Anzeige über die in Trier bestehenden u.
lerstörten Bauten aus der ältesten u. mittleren Zeit. 1840. — Marx, J., Gesch. des
Enstifts Trier. 3 Bde. 185S— 1862.
2) Hansen, J. A. J., der Dom tu Trier. Gesch. u. Beschreibung. 1833. —
Steininger, J., Bemerkungen zur Gesch. des Doms zu Trier. 1840. — Roisin,
F. de, la Cath^drale de TrÖTes du IV. au XXX. siMe. Mit 4 Tafeln. Paris 1863.
(Abdruck aus den Annales arch^l. par Didron.)
342 BomaniBche Kirohen
pelle mit vorgekragter Apsis. (Kriegv. Hochfelden, Gesch . der Mi-
litär-Architektur. 1859. S. 304 und 307.)
UfeiM^ ') Insel im Züricher See. Die einschiffige, flach gedeckte
Kirche St. Petri-Pauli (geweiht 1141) mit im XVH. Jahrh. verlän-
gertem Querhaus und Thurm üher dem gewölbten Chorraum. — Die
Martinskapelle, geweiht 1141 , aber im XIII. Jahrh. erneuert, ein-
schiffig mit schmälcrem Chor.
VläBden A. d. #ir. Dopkelkapelle '^] in der Schlossruine : ein über-
wölbtes Zehneck mit i'ünfseitiger Tribunenvorlage an der Südseite im Ueber-
gangsstil. Die Oeffnung im Fussboden nach dem dunkeln und rohen Unter-
raum bildet ein Sechseck. Restaurirt.
VillilgeB im Breisgau. Der alte Kern des Münsters^) im Ueber-
gangsstil; Seitenschiffe, Thürme und Chor gothisch. — Die Oottes-
ackerkirche.
Wasseoberg bei Heinsberg. Ziemlich erhaltene einfache Kirche, 1118.
Weilerbach bei Kaiserslautern. Pfeilerbasilika mit Holzdecke.
Werdeo a« d. Knhr. Die Abteikirche , *) restaurirter Oewölbebau mit
Kuppelthurm über der Vierung, Nebenapsiden an den Kreuzarmen und
polygoner Apsis , wesentlich im Uebergangsstil , geweiht 1275; um circa
1 00 Jahre älter ist der westlichste Theil des Langhauses nebst dem West-
thurm; wiederum circa 100 Jahre älter die sich östlich über die Kirche
hinaus erstreckende quadratische Säulenkrypta mit runder Apsis ; am äl-
testen endlich die unter der Chorapsis belegene, mit der Krypta durch einen
in der Tonne gewölbten Umgang verbundene einfache Gruft des h. Liudger
(1809).
Vij^perfirth. Die Nicolaikirche, ^) ein Gewölbebau spätroman. Stils
mit drei den Langschiffen entsprechenden Apsiden, unmittelbar an der Ost-
seite des Querschiffs, über dessen Vierung sich ehemals ein Thurm erhob.
In den Ecken vor der Hauptapsis zwei auf einer Säule basirte schlotför-
mige Thürmchen ; ein quadratischer Thurm vor der Mitte der Westfront.
Wisiel bei Calcar. Das Langhaus und Querschiff der äusserlich ein-
fachen Stiftskirche; ersteres mit schon gothisirender Pfeilerstellung und
mit Rippengewölben. Zwei Thürme neben dem gothischen Chore.
Wlldar bei Düsseldorf. Die kleine dreischifiige Kirche mit Chorapsis.
Die Fenster des Obergadens liegen aussen in Säulenarkaden.
J) Keller, Ferd., Gesch. der Inseln TJfenau u. Lützelau, in den Mittheil. der
antiquar. O eselisch, in Zürich II. I, 9 — 31 nebst 3 Taf. — Brandes, C, die Kirchen
auf der Ufenau. 1 S59.
2) Reichensperger, A., die Doppelkapelle auf 8chloM Vianden, in dessen
Verm. Sehr. S. 100— 11U u. Taf. 3—5. Vergl. Sehn aase, in derZeitschr. fOr Bau-
wesen. IS54. Sp. 98. — T. Koenig, im Organ für christl. Kunst. 1S65. No. 24.
3) Bader, J., das ehetnal. Stift St. Georgen in Villingen. 1844.
4) Geck, H., die Abteikirche zu Werden, histor.-architekton. dargestellt. Mit
I Taf. 1856. (Vergl. Kugler, im D. Kunstbl. 1856. S. 24U u. v. Quast, in der
Zeitschr. für Archftol. u. Kunst 1, 47.) — 'Die Abteikirche zu Werden a. d. R., mit-
getheilt von A. Stfller, mit Text TonL. Loh de. 1857. (Aus der Zeitschr. far Bau-
wesen 1857. Sp. 163 ff. nebst Taf. 20—25 u. Bl. .Firn Text.)
5) Strauven, die K. des h. Nicolaus zu Wipperfürth, im Organ ftlr christl.
Kunst 1854. S. 2 ff.
in den Rheinlanden. 343
W«nM. *) Der Dom, ^ ein dopp^chöriger Qewölbebau nach dem
Systeme der Dome von Mainz und Speier, und wie diese wahrscheinlich
Umbau einer früheren flach gedeckten Basilika (von 1110), nur noch durch-
greifender, in etwas geringeren Maassen und etwas später (c. 1172 — 1234).
Dem alten Bau scheint nur das schlichte Erdgeschoss der vier schlanken
(oben meist gothisch veränderten) Rundthürme anzugehören, von denen
zwei die aussen in gerader Giebelwand geschlossene Ostapsis zwischen sich
einschliessen. und die beiden anderen das Quadrat des mit polygoner Apsis
versehenen und mit einer Kuppel gedeckten Westchores flankiren; eine
zweite Kuppel krönt die Vierung des Querhauses. Restauration seit 1859.
(Moller I. Taf. 5. 10. 18. — Stieglitz, Baukunst Taf. 11. 13. 20.
21. — Förster, Denkm. 2. 25—28 und 2 Taf. — v. Quast, die roman.
Dome etc. Taf, 4.) — St. Andreas, als Magazin benutzte und verstüm-
melte spätroman. Basilika : das Querschiff und der quadratische Chor mit
zwei Thürmen zur Seite überwölbt, das Langhaus mit goth. Kreuzgewölben
aus Holz. (Lotz 2, 584.) — Portal und Untertheil des Thurmes der mo-
dernen Kirche St. Magni, spätroman. (Ebd. S. 587.) — Die Stiftskirche
St. Martin, Gewölbebau ohne Querschiff mit gerade schliessendem Chor
und zwei Westthürmen, Umbau einer älteren flach gedeckten Basilika, ge-
weiht 1265, im Uebergangsstil , unter Einfluss des Domes, (v. Quast
a. a. O. taf. 5 und 6 zu S. 49—52.) — St. Paul, umgebaut 1110, wo-
von noch die beiden runden Westthürme herrühren ; der Chor, im halben
Zehneck geschlossen, ist glänzend spätromanisch; der querschiffartige Vor-
bau in Westen mit einem Mittelthurme 1261, im Uebergangsstil ; das Lang-
haus zopfig erneuert. Der Kreuzgang ist schon fast gothisch. (Moller U.
Taf. 14—18. — Förster, Denkm. 2, 29—32 und 1 Taf.)
Worschweiler bei Zwei brücken. Ruine der Kirche des 1197 gegrün-
deten Klosters im Uebergangsstil.
Ullrich. Die Kirche, im Schiff spitzbogiger Qewölbebau, im Chor mit
Bcstandtheilen aus frühroman. Zeit, welcher auch die Säulenkrypta ange-
hört. (Kugler, Kl. Sehr. 2, 120 und 193).
Xiridi. Am Frauenmünster ^) rühren die beiden niedrigen Thürme
an der Ostseite des Querhauses von einem 1170 geweihten Neubau h.er,
wSlirend dieses selbst und der gerade geschlossene Chor in der ersten Hälfte
des Xni. Jahrb., das Langhaus im XV. Jahrb. umgebaut worden sind.
Der nördl. Flügel des Kreuzganges aus der Mitte des Xu. Jahrb. — Das
Grossmünster *) bestebt aus verschiedenartigen Theilen : das Langhaus,
ein rundbogiger Gewölbebau mit Emporen über den östlich in Apsiden en-
denden und westlich mit Thürmen besetzten Seitenschiffen von 1227; das
1) Lange, G., Gesch. u. Beschreib, der Stadt Worms. 1837.
2) Hohenreuther, J. B., Kunstgeschich tl. Darstellung des Domes zuWonns.
1857. — Derselbe, welcher Zeit gehört der Wormser Dom an? im D. Kunstbl.
1S57. S. 58. — T. Quast, Erbauungszeit des Doms zu Worms, in der Zeitschr. für
Archäol. u. Kunst 2, 35. — Vergl. ohen S. 311 Anmerk. 2.
3) Wyss, G. v., Gesch. der Abtei Zürich (mit 12 Tafeln), in den Mittbeil, der
antiquar. Gesellsch. in Zürich. VIII.
4) Vögelin, S., u. Keller, Ferd., der Grossmünstcr in Zürich (mit 9 Tafeln
von F. Hegi, a. a. O. I. u. II. — Neujahrsblatt, herausgegeb. von der StadtbibUo*
thek in Zürich. 1853 u. 1854.
344 Romaniflohe Kirchen in den Rheinlanden.
dem altere Theile enthaltenden Chorende unsymmetrisch angesetzte quadra-
tische Altarhaus im Uebergangsstil aus der Mitte des XIII. Jahrh. Die sich
unter beiden Chorabtheilungen erstreckende Säulenkrypta datirt im westl.
Theile aus dem XII. Jahrh. Der spätromanische Kreuzgang, ^) nirgends
übertroffen durch die unerschöpfliche Fülle ornamentaler und figürlicher
Sculpturen.
Anmerkung. An vielen Kirchen der Rheinlande finden sich noch
Thürme romanischen Stils; wir nennen:
Albisheim bei Kirchheim-Boland , Alken bei Münstermaifeld,
Altripp bei Mannheim, Appenthal bei Neustadt a. d. H., Asch-
bach bei Lauterecken, Bremm bei Cochem, Briedern bei Beilstein,
Brünen bei Ringenberg , Cornelimünster bei Aachen, Colgen-
stein bei Frankenthal, Drewenack bei Wesel, Dittelsheim bei
Alzei , Feidenheim bei Mannheim, Gross-Bundenbach bei
Zweibrücken, Guntersblum bei Oppenheim, Hatzenport, Hess-
heim bei Frankenthal, Hochheim, Laybei Coblenz, L e h m e n bei
Cobem , Leutesdorf bei Andernach , L 0 f bei Hatzenport , Mosel-
kern, Mundenheim bei Mannheim, Nieder-Barmen, Neckarau
bei Mannheim , Niederzündorf bei COln , Ober-Ernst bei
Beilstein , Oberfell bei Münstermaifeld , Oberkassel bei Bonn ,
Reinheim bei Saargemünd, Rodenba ch bei Worms, Trarbach
a. d. Mosel, Uedem bei Calcar, Vallendar bei Coblenz, Wande-
rath bei Adenau, Welmich bei St. Goar, Winningen bei Coblenz,
Walsheim bei Zweibrücken, Weiher bei Bruchsal, St. Victor in
Xanten.
Femer im E 1 s a s s :
BOrsch, Dimsthal, Eckartsweiler, Gundolsheim,
Hägen, Jetterswiller, St. Regula in Kiensheim, Klßsterle
bei Laubenheim, Lochwiller, Monswiller, Mutzig, Rein-
hardsmünster, Rittenburg, Rumersheim, St. Nabor,
Schweighausen, Sindeisberg, Singrist, Still , Sulzmatt,
Thal, Truttenhausen, Ungersheim, Weissenburg, Pfarr-
kirche zu Z a b e r n.
Romanische Ueberreste überhaupt in :
A d e n a u bei Coblenz, Bedburg bei Cleve, in der Schlosskapelle
auf dem Greifenstein bei Weilburg, Muri bei Zürich, Katholische
Kirche zu Ober-Ingelheim, St. Ilgen bei Heidelberg, St. Re-
migiberg bei Cusel, Zy ff lieh u. s. w. — Vergl. Lotz, Kunst-
Topographie.
Ueber die Rundbauten in den Rheinlanden s. oben S. 22 Anmerk. I.
1) Der iLreuzgang beim grossen Münster 8U Zürich, 16 Abbild. Ton F. Hegi,
in den Mittbeil, der Züricberischen Gesellsch. für vaterl. Alterth. II. (1838.)
^=fl__
Fig. 173. Kirche zu Altenttadt (nach E. Förster).
IL In Bayern und Schwaben.
Literatur: Still fr ied-Hattonits, Kud. v., AUerthümer u. Kunst-
denkmale des erl. Hauses Hohenzollern. Ente u. zweite Folge. 16 Hefte.
1838 — 186-1. — Jahreshefte des Wirtenbergischen Alterthumsvereins. Stutt-
gart 1844 etc — (St&lin) Benkm. des Alterth. u. der alten Kunst imKönigr.
Warttemberg, zusammengestellt von dem kön. statist.-topogr. Bureau. 1843.
(Vergl. auch die von derselben Stelle hexausgegeb. Beschreibungen der
einzelnen >irarttemberg. Oberfimter.) — Merz, H., Uebersicht über die haupt-
sächlichsten alten Denkm. christl. Architektur u. Sculptur in Schwaben , im
Kunstbl. 1843. No. 47—52. — Thrän, G. 0. Ferd., Denkm. altdeut. Bau-
kunst, Stein- u. Holzsculptur aus Schwaben. tS46. — Manch, J. M., Ab-
handlung über die mittelalterl. Baudenkm. in Württemberg. 1849. — Eisen-
lohr, Fz., Mittelalterl. Bauwerke im südwestl. Deutschland u. am Rhein.
Heft 1—5. 1853 etc. — (Aretin, CM. v.) Alterth. u. Kunstdenkm. des
bayer. Herrscherhauses. Herausgegeb. auf Befehl Kön. Maximilian II. Lief.
1—3. 1851—1857. — Sighart, Joach,, die mittelalterl. Kunst in der Erz-
346 RomaniBche Kirchen
diöcese München - Freising. IS55. — Lfthke, W., eine Fahrt durch Sftd-
deutschland, im D. Kuustbl. 1855. No. 47 u. 4U. — Beitrüge zur Erforschung
Christi. Kunstdenkm. in der Augsburger Diöcese I — XXXIX, in den Beilagen
zur Augsb. Postztg. 1855. No. VA\, mit Unterbrechungen fortgesetzt bis tSliO
No. 64 — (Niedermayer, Andr.}, zur Kunstgesch. Niederbayems, ebd.
1855. Beilage zu No. 168. — (Derselbe), zur Kunstgesch. der Diöcese Re-
gensburg I— XXII. ebd. 1856. No. II, mit Unterbrechungen fortgesetzt bis
No. N6. — Die Kunst des M.-A. in Schwaben. Denkm. der Baukunst, Bild-
nerei u. Malerei. Herausgegeb. Ton C. Hei de! off unter Mitwirkung von C.
Beisbarth, mit Text von F. Müller. Heft f — 6. 1855— 1858. Als Supple-
ment dazu: Mittelalter!. Baudenkm. aus Schwaben. I— III. 1S5S — 1S62. —
Eye, A. v., Reisestudien in Franken u. Schwaben, im D. Kunstbl. 1S56.
No. 34 u. 36. — Rettberg, R. v., Uebersichtstafel zur Begründung einer
Gesch. der christl. Kunst in Oberbayern. I85S. — Marggraf, Rud., zur
oberbayer. Kunstgesch., im Abendbl. der N. Münchener Ztg. 1859. No. 32
bis 35. — Hassler, C. D., die Kunst- u. Alterthumsdenkm. Württembergs.
Lief. 1, in den Württemberg. Jahrb. für vaterl. Gesch. 1859. S. 22 ff. Lief. 2,
ebd. 1862. Heft 1 u. 2. — Bavaria. Landes- u. Volkskunde des Kön. Bayern,
bearb. von einem Kreise bayer. Gelehrten. Bd. I. 1. Oberbayem. 2. Nieder-
bayern. 1860. — Sighart, Joach., Gesch. der bild. Künste im Kön. Bayern.
2 Abth. in 1 Bd. 1862. — Leins, Beitrag zurKenntniss der vaterl. Kirchen-
bauten, im Jahresbericht der polytechn. Schule zu Stuttgart. IS64.
Eine Architekturkarte des Sprengeis von München - Freising , als
Beilage zu Sighart, die mittelalterl. Kunst in der Erzdiöcese München-
Freising.
Yorbemerküng.
S l . Obgleich die Donau-Hochebene nicht weniger als das Rhein-
land an der römischen Bildung Antheil nahm, so ist doch weder aus
dieser noch aus der grösstentheils erst mit dem Anfange des VII. Jahr-
hunderts für diese Länder beginnenden altchristlichen Zeit irgend ein
namhaftes Denkmal übrig geblieben: die Völkerwanderung, deren
grosse Strasse den Lauf der Donau verfolgte, beseitigte die Spuren
römischer Cultur, und noch im IX. und X. Jahrhundert waren es die
wilden Ilngamhorden , welche das unglückliche Land vollends zur
Wüste machten. So wurde denn erst durch die Siege Heinrich's des
Vogelstellers und Otto's des Grossen der Anfang einer neuen Cultur
ermöglicht, wozu die grossen Benedictinerklöster des Bayerlandes we-
sentlich mitwirkten; doch scheinen sich letztere mehr auf die Erzeu-
gung beweglicher als unbeweglicher Kunstdenkmale gelegt und den
Kunstbau Anfangs vernachlässigt zu haben. Unter allen süddeutschen
Städten hat Begensburg als Residenz der Agilolfinger und deutschen
Karolinger, sowie im X. und XI. Jahrhundert der bayerischen Herzoge
noch den begründetsten Anspruch auf Bauwerke aus dem Hochinittel-
alter, allein nach den gründlichen Untersuchungen von v. Quast ^}
finden sich auch hier nur geringe, an jener sorgsam- ängstlichen Technik
1) Deutsches Kunsthl. 1852. No. 19 ff.
in Bayern und Schwaben.
347
und antikisirenden Zierlichkeit der Profile kenntliche Ueberreste aus
dem XL Jahrhundert (der sogen, alte Dom und einige llieile der
Vorhalle von St. Emmeram), während die spateren zu Ende des XII.
und zu Anfang des XIII. Jahrhunderts entstandenen Bauwerke (die
Schottenkirche zu Begensburg, die Krypta des Domes zu Freising),
ungeachtet einer gewissen Ueppigkeit in Erfindung phantastischer
Ornamente, eine grosse Rohheit der Formen darlegen, welche in an-
deren Gegenden Deutschlands damals bereits überwunden war. Be-
sonders die Portale zeigen bei meist schwerer Behandlungsweise eine
IMIillMMM»
Fig. 175. Aui 8t. Jacob in Rf^eniburg (nach Kallrnbach).
Fülle von figürlichem Sculpturwerk in fast monströsen symbolischen
Compositionen utid starrer Ausführung. In Schwaben kommen zwar
treffliche Bauwerke vor, und namentlich war Kloster Hirschau (1082
348 Bomanische Kirchen
bis 1091) sehr bedeutend, im Allgemeinen aber blieb in diesen ganzen
süddeutschen Gegenden die Architektur hinter den rheinischen, hes-
sischen und sächsischen Landen zurück. Schon der Grundriss der
Kirchen ist meist reducirt: das Querhaus fehlt, die drei gleich langen
Schiffe laufen in drei Apsiden aus, und die Thürme erheben sich qua*
dratisch über dem östlichen Ende der Seitenschiffe, wodurch die An-
sicht von Osten her in ansprechender Gruppirung erscheint. Ander-
weitig kommt auch, besonders bei kleineren einschiffigen Kirchen in
Schwaben, der geradlinige Schluss des Chores vor, der zugleich den
Unterbau des Thurraes bildet. Nicht selten ist die abgesonderte Stel-
lung des Thurmes neben einer Langseite der Kirchen. Im Innern
herrscht in Bayern der Pfeilerbau durchaus vor, während sich in den
unter mehrere auswärtige Bischofssprengel vertheilten schwäbischen
Gegenden Pfeiler- und Säulenbasiliken (die Säulen mit Würfelcapi-
tälen) gleichzeitig vorfinden. Der regelmässige Wechsel von Pfei-
lern und Säulen ist anscheinend ohne Beispiel, dagegen die willkür-
liche Unterbrechung der Säulenreihen durch Einschaltung eines Pfei-
lers nicht ungewöhnlich. Regelmässig begnügte man sich mit der
flachen Holzdecke, und die wenigen Gewölbebauten gehören erst der
. spät eintretenden Uebergangsperiode an. — Das Aeussere der Kirchen
ist, abgesehen von den bereits erwähnten Portalen, grösstentheils ganz
einfach, mit Lisenen und Rundbogenfries , welchen letzteren gern das
sogen, deutsche Band begleitet. Einzelne Beispiele schmuckvoller
Decoration in Schwaben gehören der Spätzeit an, — Den alten Kunst-
denkmalen der süddeutschen Lande haben die Stürme der Reforma-
tionszeit und des dreissigjährigen Krieges weniger gethan, als die
darauf folgende Verzopfungsperiode, deren Einfluss sich an den begü-
terten katholischen Kirchen fast überall geltend machte, während
die ärmeren protestantischen glücklicherweise sich davon frei halten
mussten. ^]
Vergl. Schnaase, Kunstgesch. IV, 2, 141-145. V, 318-323. — Kug-
le r, Gesch. der Baukunst 2, 493—514. — Lflbke, Gesch. der Architektur.
3. Aufl. S. 377—388. — Otte, Gesch. der deut. Baukunst 8. 415 — 455. —
Die lithograph. Tafeln in G. Jakob, die Kunst im Dienste der Kirche (1857)
u. inLaibu.Schwarz, Formenlehre (1858) enthalten Abbild, von Gebäuden
aus den süddeutschen Ländern.
I) Die nachstehend aufgefahrten bayerischen u. schw&bischen Kirchen sind, so-
fern nichts anderes bemerkt ist, sämmtlich flach gedeckte Basiliken ohne
Querschiff. *
in Bayern und Schwaben. 349
Aftdterback bei Ingolfing. Einschiffige roman. Kirche.
Alterhofei bei Straubing. Die Kirche mit viergiebeligem , einen
schlanken Helm tragenden Westthurm^ Pfeilerarkaden, gerade schliesaen-
den Seitenschiffen und gothisch veränderter Apsis. Quaderbau. (Details
bei Jakob, die Kunst etc. Taf. 3. Fig. 10.)
Alpinbach« Die Kirehp des 1095 gegründeten Klosters, eine kreuz-
förmige Säulenbasilika, deren Seitenschiffe sich am Chore fortsetzen ; ge-
weiht 1098, aber wohl aus dem XII. Jahrb. Die Apsis ist im Erdgeschosse
mit einer in halbrunder Nische schliessenden quadratischen Kapelle und
zwei Altarnischen neben der letzteren ausgefüllt; der Oberbau ist gothisch.
Der Thurm mit Satteldach steht über dem östl. Ende des nOrdl. Seiten-
schiffes. Vor der ganzen Breite der Westseite eine Vorhalle, (v. Still-
fried-Rattonitz I. Heft 2 u. 5. — Detail bei Kallenbach, Album
Heft 1 No. 4. — Vergl. oben S. 347 Fig. 174.)
Alteistadt bei Schongau. Die Michaeliskirche, ') ein spitzbogiger Ge-
wölbebau von sechs einfachen rechteckigen Jochen, mit drei Apsiden und
mit Thürmen über dem Ostende der Seitenschiffe. Die Arkadenpfeiler be-
stehen aus vier Halbsäulen. (Förster, Denkm. 2, 7 — 12 und 2 Taf. —
Grueber, Vergleichende Samml. I. Taf. 4. II. Taf. 28 und Taf. 16 No.
8. — Vergl. oben S. 345 Fig. 173.)
Altittiig. Die Gnadenkapelle , ein hoher Achteckbau mit Nischen im
Innern und einem Kuppelgewölbe.
AMMenee bei München. Die Kirche am See, einschiffig mit Apsis;
modern überwölbt.
Ast bei Landshut. Das flach gedeckte Schiff der Kirche mit rundbo-
gigem Nordportal.
Algsbug« Der D o m ^) enthält in seinem gothisch überwölbten und
veränderten Bau den Kern einer doppelchörigen Pfeilerbasilika aus dem
XI. Jahrb., mit schmalem westl. Querschiff und Altarrund. Die ursprüng-
liche Beschaffenheit der in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrh. völlig er-
neuten Ostpartie ist zweifelhaft. Von den vier Thürmen stehen die west-
lichen über den Flügeln des nicht ausladenden Querschiffes, die östlichen
treten neben dem Ende der Seitenschiffe frei heraus. Die Säulenkrypta
unter dem quadratischen Westchore erstreckt sich bis unter die Vierung,
ist aber in ihrer älteren westlichsten Abtheilung verbaut. In dem spätgoth.
Kreuzgange romanische Ueberreste. (v, Wiebeking, Baukunde Taf. 1.
5. 6. 44. — Grueber, Vergleichende Samml. I. Taf. 14. 16. 23. 24.—
Förster, Denkm. 3, 9 — 14 und 1 Taf.) — Krypta und Thurm der Mo-
ritzkirche. — Der Perlachthurm bei der aus drei gleich hohen
Schiffen bestehenden einfachen Peterskirche.
1) Förster, £., die St. Michaelisk. in Altenstadt, im B. Kunstbl. 1S50. S. 122.
2) Braun, Placid , die Doxnk. von Augsburg u. der Klerus an derselben. 1829.
— Herberger, Th., die ältesten Glasgemälde im Dom 8U Augsburg mit der Gesch.
des Dombaues in der roman. Kunstperiode. 1860. Vergl. Derselbe, im Augsb.
Anzeigeblatt 1857. No. 132—148. — Kugler, Kl. Sehr. 1, 148; 2, 731 ; 3, 753. —
Hase, C. W., im Correspondenbl. des Gesammtvereins etc. VI. S. 80 ff. — Angsb.
Postztg. 1858. No. 143—146. 151. 152.
Otte, Knnrt-Archiologie. 23
350 Romanische Kirchen
BackMMg bei Stuttgart. Das Querschiff der zu Anfang des Xu. Jahrh.
gegründeten Stiftskirche mit Resten von zwei sich ehemals über den Kreuz-
armen erhebenden Thürmen. Chor gothisch, Langhaus modern. Vergl.
Lotz 2, 31.
Baildt bei Ravensburg. Die Kirche, soweit bekannt, eine spater über-
wölbte rohe Pfeilerbasilika mit schönem Säulenportal.
lebenhauei ^) bei Tübingen. Die Cisterzienserkirche , eine später
überwölbte, 1227 geweihte Pfeilerbasilika im Uebergangsstil , in der ver-
änderten Ostpartie ursprünglich nach der gewöhnlichsten Weise des Ordens,
wie Fig. 36 -S. 89. Der grosseste Theil des Langhauses existirt nicht mehr.
— In den spätgothischen Klostergebäuden einige Überwölbte dreischifiige
Säulensäle im Uebergangsstil. (Leibnitz, Organisation der Qewölbe.
1858. S. 41—43.)
Belsei bei Tübingen. Eine Kapelle ^) mit antikisirendem Gesims,
welche im Westgiebel mit Stier- und Widderköpfen, auf den Thürstürzen
mit mystischen Kreisen verziert, deshalb lange für einen römischen Isis-
tempel gehalten worden ist.
Bergei bei Neuburg a. d. D. Nonnenklosterkirche, nach einem Brande
in der zweiten Hälfte des XII. Jahrb., ein aus drei in Apsiden schliessen-
den Schiffen bestehender barbarisirter Langbau mit fünfschiffiger Säulen-
krypta und einem oben modernen Thurm vor dem reich ausgestatteten Süd-
portal.
Beitebkack unweit Schorndorf. Eine Krypta, die sich noch weit unter
der jetzigen gothischen Kirche hinaus erstreckt. Aeltere roman. Details
am Aeusseren eingemauert. (Württemb. Jahrbücher. 1838. Heft 1. Fig. 8.)
Blkirg bei Abensberg. Das Münster (1125 — 1150), eine kreuzför-
mige^ spätgothisch überwölbte Pfeilerbasilika mit Apsiden am Chor und an
den neben diesem verlängerten Seitenschiffen, über denen sich zwei vier-
eckige Thürme mit Walmdächern erheben. (Jakob, die Kunst Taf. 1
und 2.)
MM bei Göppingen. Die modemisirte Stiftskirche, im Mittelschiffe
hochstrebender Pfeilerbau mit späterem Chor und isolirtem Thurm.
BinigheiM bei Besigheim. Die Pfarrkirche, eine verunstaltete spitz-
bogige Säulenbasilika mit gothischem Chor und oben achteckigem Thurm,
dessen Unterstock als Kapelle diente.
BrackeihelM bei Heilbronn. Die ehemal. Pfarrkirche vor der Stadt,
eine kreuzförmige Basilika, in deren Spitzarkaden Pfeiler und Würfel-
knaufsäulen wechseln; das Erdgeschoss des Thurmes bildet den über-
wölbten Chor.
Breu bei Heidenheim. Die Pfarrkirche, eine in drei Apsiden endende
kleine Basilika, deren rechteckig umrahmte Arkaden auf Säulen mit oma-
1) Graf, H., Darstellung des alten schwflb. Klosters Bebenhausen in 1 f Kupfer-
tafeln. (1S28.) 2. Aufl. 1835. — Klunzinger, C, Artist. Beschreib, der vormal.
Cisterz. -Abtei Bebenhausen. 1852. — (Roth v.) 8(chTecken8tein), Beben-
hausen, ehemal. Cisterzienserkl., Constanzer Sprengeis, im Organ für christl. Kunst.
1854. S. 116 f. XL. S. 123— 126. — Leibnitz, H., Bebenhausen, als Supplem. II
zu: die Kunst des M -A. in Schwaben. 1858.
2} (v. Hövel) , die Kapelle zu Belsen. Stuttg. u. Sigmar. 1841.
in Bayern und Schwaben. 35]
mentirten Würfelcapitälen und Eckblatibasen und einem achteckigen Pfeiler
ruhen, mit flach überwölbtem Chorraum und einem westlich vorgelegten,
von zwei Kundthürmen flankirten viereckigen, oben achteckigen Thurm,
welcher die Vorhalle und über dieser eine sich nach dem Mittelschiffe öff-
nende Empore enthält. Der rechtwinkelig umrahmte Kundbogenfries mit
vielen Menschen- und Bestiengebilden. (Württemberg. Jahrbüchef . Heft 1
S. 38. — Manch, Abhandlung 8. 13 und Taf. 1.)
C«Mkurg ^) bei Schwab. Hall. Von der ehemaligen^ später in ein
Ritterstift umgewandelten, verzopften Benedictinerkirche sind nur
noch drei romanische Thürme ^) wesentlich unverändert und eine auf der
Nordseite derselben über einer in der Tonne überwölbten Durchfahrt bele-
gene sechseckige Kapelle im Uebergangsstil, deren Spitzgewölbe auf einer
schlanken Mittelsäule (Heideloff, Ornamentik. Heft 17. Taf. 2) ruhen. —
Die flach gedeckte Josephskapelle. — Wichtiger ist der gleichfalls
romanische, von zwei viereckigen Thürmen flankirte Thor bau des Klosters.
(Jahreshefte des wirtenberg. Alterthums Vereines. Heft 1 Taf. 3.) S. auch
Klein- Com bürg.
CralbhelM bei Ellwangen. Die Johanniskirche mit schlacken Säulen
und runden verzierten Capitälen als Träger der Spitzarkaden. Thurm und
Chor gothisch.
Vechaitsreit bei Landshut. Kapelle mit einspringendem gerade ge-
schlossenem Chor; Ziegelbau.
VeMkeidvif. ^) Heil. Grab-Klosterkirche, eine gothisch veränderte, ge-
rade geschlossene, spitzbogige Pfeilerbasilika mit dreischifPiger, durch den
Thurm vom Langhause getrennter, rundbogig überwölbter Vorhalle (lieib-
nitz , Organisation der Gewölbe S. 27) in Westen. Die grosse einschiffige,
an dem Bergabhange hinausgebaute Krypta (das heil. Qrabj ist mit einem
spitzbogigen Tonnengewölbe gedeckt. (Details in Heideloff, Ornamentik.
Heft 2. Taf. 2d; Heft 8. Taf. 3c/.)
VettiBgei bei Urach. Die Pfarrkirche, eine einfache kleine Pfeilerbasi-
lika mit goth. Chor.
9«rastaiK bei Dinkelsbühl. Erwähnt wird die roman. Pfarrkirche.
SUwMgei. Die Stiftskirche, Gewölbebau mit Querschiff im spätroman.
Stil (gothisch und zopfig verändert) . Die Seitenschiffe, mit Emporen dar^
über, setzen sich, mit Thürmen übersetzt, neben dem Chore fort und
schliessen wie dieses in Apsiden ; ausserdem sind noch zwei Apsidiolen an
den Kreuzvorlagen. Vor der Westseite eine dreischiffige Vorhalle mit Em-
pore und spätgoth. Thurm. Die Krypta hat kleeblattförmige Säuleti* (Laib
und Schwarz, Formenlehre Taf. 5. — Grueber, vergL Samml. n.
Taf. 12. — Heideloff, Ornamentik. Heft 2. Taf. 1 a, ä, c. — Manch,
Abhandl. Taf. 1.) — Diese Kirche entspricht unter den schwäbischen am
meisten der gewöhnlichen roman. Anlage.
1) (Rothv.) S(chrecken8tein), Comborg, ehemal. Benedictinerkl. Würz-
burger Sprengeis, im Organ ftlr christl. Kunst. 1854. No. 22 u. 23.
2) Merz, H., dieThOrme derKomburger Stiftsk., in: Wirtembergisch Franken.
Zeitschr. des histor. Vereins für etc. V. 3. Abschn. III. No. 5.
3) (Rothv.) S(chrecken8tein), Denkendorf, ehemal. Chorherrenkl , Con-
stanzer Sprengeis, im Oi-gan für christl. Kunst. 1854. No. 19 u. 20.
23*
352 Romanische Kirchen
EsdiBgeM. Die filteren Theile der Dionysiuskirche (das nOrdl. Portal
und der Unterbau der die Stelle der Kreuzarme einnehmenden Tharme) im
Uebergangsstil.
Vamilav bei Göppingen. Die (ehemal. Kloster-) jetzige Pfarrkirche,
eine kleine Säulenbasilika mit drei Apsiden und westlichem Thurm» der
eine übft-wölbte Vorhalle und Empore enthält. Das reich geschmückte
Aeussere zeigt am Ostgiebel Halbsäulen statt der Lisenen. (Thrän, Denkm.
Helt 1 ff . — Laib und Schwarz, Formenlehre. Taf. 1 Fig. 7 und
Taf. 5. — Heideloff, Ornamentik. Heft 5. Taf. irf; Heft 12. Taf. 1
a,b,c; Heft 17. Taf. 1.)
PraaeichleMSee bei Wasserburg. Die Klosterkirche, eine Basilika mit
abgekanteten Pfeilern, einem massigen Thurm und rohem Portal, dessen
Sockel und Capitäle aus Köpfen bestehen. (Gruober, Yergl. Samml. I.
Taf. 23. 24.)
VraveulMMeni bei Gtiglingen. Die gothisch und modern veränderte
einschiffige Kirche im Uebergangsstil ; der Thurm steht über dem gewölbten
Chor. Kleeblattfenster.
Vrebllg. Der Dom ^) (1160—1205), eine gothisch und zopfig ver-
änderte, in drei Apsiden schliessende Pfeilerbasilika mit Emporen über den
Seitenschiffen und zwei viereckigen Westthürmen. In der goth. Vorhalle
ein reiches Säulenportal. Die vierschiffige Krypta mit mannichfachen Säulen
ist berühmt wegen ihrer reichen Bildercapitäle und der ganz mit figürlichen
Sculpturen bedeckten grossen Mittelsäule. (Quaglio, Denkm. 12. —
Sighart, Bayer. Kunutgesch. S. 155 f. 182 f.) — Die einschiffige flach
gedeckte Martinskapelle mit sehr engen Fensterschlitzen in der Apsis;
nur Sockel und Ecken aus Haustein« das Uebrige Ziegel.
VrickellMfeB bei Dingolfing. Kirchlein mit gerade geschlossenem Chor
und einfachem Thurm.
Meiienried bei Neunburg vorm Wald. Kirchlein, anscheinend ur-
sprünglich überwölbt ; im Westen eine unterwölbte Empore. Chor spät-
gothisch.
Vissei bei Hohenschwangau. Die moderne Abteikirche mit altem
Thurm und einer westlich belegenen, anscheinend frühromanischen Krypta
(Gruft des h. Magnus), die mit drei Tonnengewölben gedeckt ist. Die
Schiffe sind durch vier Pfeiler und zwei Säulen mit streng gebildeten atti-
schen Basen und kelchartigen Capitälen geschieden. (Sighart, Bayer.
Kunstgesch. S. 75.)
fiMdenthal bei Schwab. -Hall. Die Kirche des 1245 hieher verlegten
Cisterzienser-Nonnenklosters, einschiffig, mit einem Nonnenchor im Westen
und einer inneren Scheidewand vor dem gerade geschlossenen, allein über-
wölbten Osttheile des gothisirenden Gebäudes.
fiogging bei Neustadt a. d. D. Einschiffige, flach gedeckte Kirdie mit
einspringendem Chor, Apsis und Thurm Über dem Chor ; bemerkenswerth
durch das an den Pfosten des einfach abgekragten Portals und an der Nord-
seite angebrachte rohe symbolische Bildwerk, erinnernd an die Sculpturen
I) Sighart, Joach , der Dom zu Freisitig. Mit 4 Tafeln. IS52.
in Bayern und Schwaben. 353
der Kirche des Schottenklosters zu Regensburg, welchem diese Kirche eigen
war. (S ig hart, Bayer. Kunstgesch. S. 187.)
fiorgeukerg unweit Kauf heuern. Einschiffige Kirche mit flacher Decke ;
an der Apsis Halbsäulchen und Bogcnfrics.
firaisbaeh bei Donauwörth. Eine romanische Kapelle in der Burg-
ruine.
lall in Schwaben. Von einem älteren, 1156 geweihten Bau der spät-
gothischen Hauptkirche ist nur der Unterbau des Westthurmes tkbrig,
der im Erdgeschoss eine nach drei Seiten offene Halle bildet, deren Ueber-
wölbung auf einer mittleren Kleeblattsäule ruht. (Heideloff, Ornamientik .
Heft 2. Taf. 4.) — Das Schiff der Katharinenkirche mit einem recht-
eckigen Thurme im Osten, an den sich der goth. Chor schliesst, im Ueber-
gangsstil. — Die einschiflige Urbanskirche in der Vorstadt Unter-
Limburg mit dreiseitiger Apsis im Uebergangsstil.
leiileikaM bei Landshut. Kirchlein, das Schiff rundbogig, der Chor
mit Spitzbögen.
leillir#Mt Die in dem südöstlichen Thurm der (kathol.) Josephs-
kirche befindliche Michaeliskapelle im Uebergangsstil, mit arabischem
Blattomament am Schlusssteine des Gewölbes. (Manch, Abhandl. Taf. 3.)
HebnerdiMgeu bei Memmingen. Einschiffige Kirche mit schönem Rund-
bogenfries.
lenreialk ^) bei Wildbad. In der 1817 gänzlich veränderten Cister-
zienserkirche, ursprünglich einer romanischen, später gothisch umgebauten
kreuzförmigen Pfeilerbasilika^ Ueberreste aus roman. Zeit (1148). (Hei-
deloff. Ornamentik. Helt 8. Taf. 2 f.) Westlich von der Kirche die
Trümmer eines spätroman. Paradieses.
HiMrifhauei bei Herrenberg. Das verstümmelte Langhaus der Kirche,
dessen Kundarkaden von abgekanteten Pfeilern getragen werden ; der Chor
spätgothisch.
liltersried in der Oberpfalz. Kleine Kirche.
linchaa ^) bei Calw. Von der grossartigen Petri-Paulikirche
(1082 — 1091), einer von den Franzosen 1692 zerstörten kreuzförmigen
Basilika mit dreischiffigem, gerade geschlossenem Chor, ist nur ein westl.
Thurm von sechs Geschossen erhalten. (Mittheil, der k. k. Central -Com-
mission etc. [1S58] 3, 11. Fig. 5.) In den Trümmern des Kreuzganges
einzelne romanische Theile. — Die Aureliuskirche, eine kreuzförmige
Säulenbasilika mit zwei Westthürmen, von welcher nur noch die unteren
Theile der letzteren und die überwölbten Seitenschiffe bestehen. (Hei-
deloff, Ornamentik. Heft 8. Taf. 2e.]
IlMMliaster bei Piaffenheim. Die Stiftskirche, eine in drei Apsiden
endende Pleilerbasilika mit Sattelthurm am Westende des sOdl. Seiten-
schiffes, 1746 gewölbt und verzopft. Die mit einer Apsis versehene Krypta
1) Vexgl. Krieg t. Hochfei den, G. H., Gesch. der Grafen von Eberstein.
8. 233—248.
2) Derselbe» die alten Gebfiude im ehemal. Kloster Hirschau, mit 2 Tafeln,
in Mone's Anzeiger für Kunde der teut. Vorzeit. 1835. Sp. 101 ff. u. Sp. 25U ff.
354 Romanisohe Kirchen
mit acht Pfeilerchen, vier sculptirten Säulen und zwölf Halbsäulen. (Sig-
hart, die mittelalterl. Kunst. Taf. 2.)
isen bei Erding. Die Canonicatskirche (zwischen 1177 — 1202) ^),
eine spätgothisch überwölbte, in drei Apsiden endende Pfeilerbasilika mit
einem Westthurm und sculptirtem Westportal hinter der goth. Vorhalle.
Unter dem Chor eine Säulenkrypta.
Ktger bei Regensburg. Eine Kapelle mit Apsis und roman. Details.
Kastei bei Amberg. Die drei ursprünglich Üach gedeckten Pfeiler-
schiffe der Benedictinerkirche (angeblich 1098 — 1125) und eine benach-
barte ebenfalls flach gedeckte Kapelle.
KelheiM bei Regensburg. Das flach gedeckte Schiff^ der Ostthurm und
die Apsis der Michaelskirche aus der Uebergangsperiode. Ebenso die
um 1232 erbaute Ottokapelle. ^)
KeMpten. Die Ruine der Abteikirche mit Krypta ; Uebergangsstil.
KenthelM bei Calw. Die gothisch veränderte einschiffige Waldkapelle
mit Thurra über dem Chor.
Kleia-C«Mkvrg ok Steinkach bei Schwäb.-Hall. Die Klosterkirche, eine
kleine kreuzförmige Säulenbasilika mit gewölbtem und äusserlich gerade,
innerlich in einer Rundnische geschlossenem Chor, deren Langhausarkaden
auf massigen Säulen ruhen ; die platt austretenden Pfühle liegen auf einer
schmalen runden Plinthe von 17*/,' im Umfange.
KlefalTieckt bei Freising. Kleine einachifl^ge Kirche.
Kaaigtndenkapelle zwischen Röttingen und Aub, einschiffig mit ein-
springendem überwölbtem Chor, der als Unterbau des Thurmes diente und
unter dem sich eine Krypta befand. Die ausgekragte Apsis mit Bestienfries
ruht auf zwei Löwen.
Kappingea bei Herrenberg. Eine Kapelle mit rohem Bildwerk, das
man auf Wuotan hat beziehen wollen. (Sattler, Topogr. Geschichte von
Würtemb. 1, 317. Fig. XIV.)
LftMilskat. Die oben S. 21 erwähnte Schlosskapelle auf der Trausnitz,
begonnen um 1204 — 1231 und im XV. und XVI. Jahrh. sehr verändert.
(Ar et in, Alterth. des bayer. Herrscherhauses. Lief. 1. — Sighart,
Bayer. Kunstgesch. S. 18.)
Leonkerg. Die Stadtkirche, in ihrer ersten roman. Anlage als Pfeiler-
basilika der Stiftskirche von Tiefenbronn entsprechend.
LiekeostelMt Die achteckige Schlosskapelle zeigt romanische, gothische
und Renaissance-Formen ; den Chorschluss bildet der Untertheil des acht-
eckigen Thurmes. (Beschreib, des Oberamts Besigheim. S. 229.)
Liekensteia unweit Kempten. Kirche , deren drei Schiffe in Apsiden
auslaufen.
Lorck bei Schwab. -Gmünd. Gothischer Umbau der Kirche des um
1102 gestifteten Klosters, in welcher das Mittelschiff mit Pfeilerarkaden,
ein Theil des Querhauses und der südl. Thurm noch aus roman. Zeit
stammen. (Heideloff , Ornamentik. Heft 8. Taf. 2b; Heft 12. Taf. ic.)
1) Föringer, Qeschichtl. Denkm. in der Pfarrkirche zu Isen, im Oberbayer.
Archivs, 141.
•2) Vergl. Verhandl. des histor. Vereins far Kiederbayem 6, 329—342.
in Bayern und Schwaben. 355
lalleHlhtteB bei Schieissheim. Kirche mit roman. Friesen am Schiff.
- lailkMU. ^) Die Cisterzienserkirche, eine spätgoth. überwölbte und
umgeänderte kreuzförmige Pfeilerbasilika mit geradem Chorschluss, deren
Kreuzarme, in der östlichen Hälfte zweistöckig eingerichtet, unten je drei
Kapellen und oben einen Säulensaal enthalten ; zuerst geweiht 1178. Die
Arkaden des Langhauses mit rechtwinkeliger Einrahmung. Der Westseite
ist das Paradies {B des Grundrisses zu S. 90), ein im zierlichsten Ueber-
gangsstil ausgeführter überwölbter Raum, vorgebaut (oben S. 64 Fig. 26).
Von den Klostergebäuden gehören die zweischiffigc Säulenhalle G, das
prachtvolle Refectorium H (oben S. 90 Fig. 37) und der Südflügel des
Kreuzganges der Uebergangsperiode an. (Förster, Denkm. 7, 23 — 32 und
4 Tal'. — Leibnitz , Organisation der Gewölbe S. 37—46.)
lichtelkeireB unweit Salzburg. Das reich geschmückte Portal der
Klosterkirche.
Iitleir«th bei Gaildorf. Einschiffige Kirche mit gerade geschlossenem
Chor und dem Thurm über letzterem.
■•••bug unweit Landshut. Die Klosterkirche (nach einem
Brande von 1207 im Jahre 1212 geweiht), eine gothisch und zopfig ver-
änderte Pfeilerbasilika mit gothischem Chor. Unverändert ist der viereckige
Thurm vor der Westseite und das reiche Säulenportal (Quaglio, Denkm.
Taf. 10. — Sighart, Bayer. Kunstgesch. S. 180). — Die Michels-
kirche auf dem Gottesacker ist ein einschiffiger flach gedeckter Langbau
mit Apsis, daher in dem Verzeichnisse der Rundkirchen oben S. 23 V. zu
streichen.
■•tthg bei Holzhausen in Niederbayem. Kleine Kirche mit gerad-
linigem Chorschluss und schmalen Fensterschlitzen.
liBChM. Die Angerkirche, dreischifl^g mit drei runden Apsiden
im Uebergangsstil ; innerlich verbaut. — An der gothischen und moderni-
sirten Peterskirche ein romanischer Thurm, als Rest eines 1327 abge-
brannten Baues. — Die einschifiige überwölbte Wieskapelle mit runder
Apsis, verbaut.
Iwhardt ^) unweit Stuttgart. Die Klosterkirche, eine Basilika
mit achteckigen Pfeilern und zwei viereckigen Thürmen an der Ostseite der
Kreuzarme, vielfach verändert und entstellt. Die Walderichskapelle
neben der Klosterkirche, quadratisch mit Apsis, elegant ornamentirt, erbaut
um 1180. (Jahreshefte des wirtenb. Alterthumsvereines, Heft 5. Taf. 1
und Heft 6. — Grueber, Vergleich. Samml. I. Taf. 9.)
NagoM bei Calw. Die Stadtkirche, begonnen 1370, mit schlichten
Rundpfeilem, welche die Spitzarkaden tragen, eine Basilika noch ganz in
der Weise des gothisirenden Uebergangsstils.
HeektrthalllMgeB bei Nürtingen. Die Pfarrkirche, eine Säulenbasilika
1) Klunzinger, C, Artist. Beschreib, der vormal. Cisterz. -Abtei Maulbronn.
(1849.) 4. verb. Aufl. von C. B. Klunzinger. I>»(5I. — Eisenlohr, Fi., Cister-
xienserkloöter Maulbronn, mit 30 Taf. (Heft 1 — 5 der mittelalterl. Bauwerke im süd-
westl. Deutscbl.) 1853. — Bäumlein, Progr, des Seminars Maulbronn. 1S59.
2) (Rothv.) Slcbreckenstein), Murhardt, ebemal. Benedict.-Kl. , Würab-
Sprengels, im Organ fftr christl. Kunst. 1854. 8. 186—190. ^
356 Romanische Kirchen
mit drei äusserlich rechtwinkeligen Apsiden am Chor und am Ostende der
Seitenschifife , als Nachbild der Klosterkirche zu Alpirsbach bezeichnet.
Thurm und Anderes spätgothisch .
Kieilerahall bei Kflnzelsau. Die Stadtkirche St. Laurentii, eine Pfeiler-
basilika mit Spitzarkaden und gothischen Zusätzen.
Obentenfeld bei Besigheim. Die Kirche des in der ersten Hälfte des
XIIL Jahrh. gegründeten Frauenstiftes, eine Basilika mit Apsiden am Ost-
ende der Seitenschiffe und mit stattlichem Thurm über dem quadratischen
Chor. Die Spitzbogenarkaden werden von unregelmässig wechselnden
Säulen (mit Warfelknäufen) und Pfeilern (mit korinthisirenden Capitälen»
getragen. Unter den um 8 Stufen erhöhten drei östlichsten Arkaden be-
findet sich eine Säulenkrypta, der sich unter dem um noch 1 1 Stulen er-
höhten Chore (im Thurm) eine zweite, wie der Oberraum über Ecksäulen
überwölbte Krypta anschliesst. Eine beabsichtigte Ueberwölbung des Lang-
hauses ist nicht zur Ausführung gekommen. (Leins, im Jahresber. der
polytechn. Schule zu Stuttgart von 1864. Taf. 1.)
•wem bei Kirchheim unter Teck. Die jüngst restaurirte Pfarrkirche
von 1280 im gothisirenden Uebergangsstil, gleicht der Johanniskirche zu
Crailsheim.
Passai. Buine der 1660 abgebrannten Marienkirche, einer über-
wölbten spätroman. Pfeilerbasilika mit zwei Westthürmen und Nonnen-
empore im Zwischenbau, die sich bis ins Mittelschiff erstreckt. Die Arkaden-
pfeiler sind mit vier Halbsäulen besetzt. (Yei;handl. des histor. Vereins für
Niederbayern IL 2 ; vergl. IV. 2, 111.) — Romanische Ueberreste in der
Nonnenkirche in Niedernburg und in der einschiffigen Severinkirche
in der Innstadt.
Penchei vor Nabburg. Die Kirche, eine gerade geschlossene Pfeiler-
basilika im Uebergangsstil mit zwei Thürmen am Ostende der Seitenschiffe.
Die Ueberwölbung sammt den Strebepfeilern ist späterer Zusatz. (Sighart,
Bayer. Kunstgesch. S. 231.)
Petenberg bei Dachau. Ehemalige Klosterkirche, eine kleine rohe
Pfeilerbasilika, erbaut 1104, die aus drei gleich langen in Apsiden schlies-
senden Schiffen besteht; über der südlichen Apsis ein Thurm. (Sighart,
die mittelalterl. Kunst etc. Taf. 1.)
Petenkerg bei Flintsbach. Kleine verunstaltete Pfeilerbasilika (1135
his 1139) mit rohem Bildwerk am Portal.
Petteidorf bei Regensburg. Kleine roman. Kirche.
PfaffenMfiiister bei Straubing. Die Stiftskirche (seit 1156), eine ver-
zopfte Pfeilerbasilika mit Chorapsis und zwei Westthürmen.
Pßriag bei Abensberg. Einschiffige Pfarrkirche mit zwei Nebenka-
pellen zu den Seiten des schmäleren Chores, die, wie dieser, mit Apsiden
schliessen, und über welchen sich hohe Thürme erheben.
Pfenheta. Die AltstädterKirche, eine höchst einfache, sehr mo-
demisirte Pfeilerbasilika. — Die Schlosskirche mit grossartiger spät-
romanischer , dem mittelrheinischen Geschmack folgender Westfa^ade :
zwischen zwei Thürmen eine überwölbte Vorhalle mit reichem Rundbogen-
portal. (Kugler, Kl. Sehr. 1, 147.) Der Gewölbebau des Langhauses
in Bayern und Schwaben. 357
geht von Westen nach Osten aus romanischen in gothische Fonnen über ;
der einschiffige Chor spätgothisch .
Platdlng unweit Straubing. Die gothisch und zopfig veränderte Jacobs-
kirche, ursprünglich eine flach gedeckte Pfeilerbasilika mit Westthurm.
PUenlngeB bei Stuttgart. Die einschiMge Kirche mit spätgothischem
Chor und Westthurm ; das Aeussere theilweise bemerkenswerth durch die
der Antike entlehnten Motive des Gesimses. (Manch, Abhandl. Taf. 4.)
föring bei Landsberg am Lech. Wallfahrtskapelle spätroman. Stils
mit Fenstern in Kreuzform. (Dorst, Reiseskizzen I. Taf. 1.)
Prifeibg bei Regensburg. Die Kirche des um 1 109 gestifteten Klosters,
eine kreuzförmige Pfeilerbasilika mit zwei Ostthürmen, an die sich Neben-
apsiden schliessen. Der Chor ist gothisch, die UeberwOlbung etc. aus der
Zopfzeit. (Chlingensperg, M. v., das Königreich Bayern. 1843. 2, 79,
Stahlstich.)
Raveiskirg unweit Lindau. Rundkapelle, sogen. Heidenhäuschen,
ausserhalb der Stadt.
Eegeasbarg. M Aller-Heiligenkapelle im Domhofe, erbaut als
Grabkapelie des Bischofs Hartwig IL (1155 — 1165), von der Grundform
eines an drei Seiten mit Apsiden besetzten Quadrates, und an der vierten
mit einer rechteckigen Eingangshalle, mit einer das Ganze übersteigenden
achteckigen Kuppel; innerlich ganz schlicht, äusserlich mit lisenenartigen
PilasteiTi und Rundbogenfriesen. (Grueber, Vergl. Samml. U. Taf. 26. —
Kallenbach, Chronologie IL Taf. 2. — v. Quast, Reihenfolge. Fig.
13— 15.— Förster, Denkm. 3, 27 und Taf. l Fig. 12— 14.) — Der »alte
Dom« (St. Stephan), nördlich am Domkreuzgange belegen, ein Rechteck,
aus zwei durch einen von schlanken Wandpfeilem getragenen Gurtbogen
getrennten Quadraten bestehend, die mit rund bogigen Gratgewölben gedeckt
sind. Jede Seite der beiden Abtheilungen ist, mit Ausnahme der zu einer
Apsis ausgerundeten Ostseite, in je zwei hohe Rundbogennischen von 6 — 7
Durchm. getheilt, so dass im Ganzen 1 1 Nischen an den Umfassungswänden,
durch schmale und schlanke Wandpfeiler getrennt, vertheilt sind. Basen
und Kämpfer zeigen in übereinstimmender Bildung eine zierliche, entschie-
den roman. Gliederung. Die Fenster sind nicht mehr die ursprünglichen ;
wohl aber gehört die westlich angebrachte Empore zu dem ursprünglichen
Bau, der nur an den Pfeilern und Bogeneinfassungen aus regelmässigen
Quadern, sonst aber aus verputzten Bruchsteinen besteht. Die Entstehungs-
zeit dieser früher dem VIIL Jahrh. zugeschriebenen Kapelle fällt nach
V. Quast ins XL Jahrh. (Grueber a. a. O. Taf. 36. No. l. — Kallen-
bach a. a. O. I. Taf. 1. — v. Quast a. a. O. Fig. 1—8. — Förster
a.a.O. Fig. 1 — 5.) — Die »alte Kapelle«, eine Pfeilerbasilika mit goth.
Chor, gründlich verzopft. — St. Cassian, ein verzopfter Bau roman. Anlage
mit spätestgoth. Chor. — Die Dreifaltigkeitskapelle ausserhalb der
1) Popp, J., u. Bülau, Tb., die Architektur des M. - A. in Regensburg. tO
Lief. 1831 — 1S39. — Quast, Ferd. v., Reihenfolge und Charakteristik der vorzüg-
lichsten Gebäude des M.-A. in Regensburg, im D. Kunstbl. IS")?. No. 19—26. Nebst
I Taf. — Niedermayer, Andr., Künstler u. Kunstwerke der Stadt Regensburg.
1S57. — Prisac, Zwei Gänge dirrch das mittelalterl. Nürnberg u. das noch ältere
Regensburg, im Kölner Dombl. 1S65. No. 247 ff.
358 Romanische Kirchen
Stadt, eia Rundbau. — St. Emmeram, 1052, nach einem Brande von
1163 im Jahre 11S9 neu geweiht, eine gänzlich verunstaltete doppel-
chörige Basilika mit Krypten unter beiden mit Apsiden schliessenden
Chören. Die westliche Krypta bildet ein in fflnf Schiffe getheiltes Quadrat
und stammt in den Umfassungswänden (Details bei v. Quast a. a. O.
Fig. 12) aus dem XI., in den sechzehn, theils runden, theils achteckigen
Säulen (Jakob, die Kunst im Dienste der Kirche. Taf. 3. No. 4. —
Förster a. a. O. Fig. 7) aus dem XII. Jahrh. Ein sich nördlich an-
schliessender Nebenraum mit einem Mittelpfeiler, vermuthlich der Grund-
bau eines Thurmes, gehört der älteren Bauperiode an. Die Entstehungs-
zeit des Kryptenumgangs um den massiven Kern der östlichen Apsis bt
ungewiss. Durch bestimmte Datirung (1049 — 1064) und sehr eigenthüm-
liche antikisirende Architektur zeichnet sich der aus zwei in Conchen lie-
genden geradlinig gedeckten Thüren bestehende Eingang (v. Quast a. a. O.
Fig. 9 — 11) in das nördliche Seitenschiff aus, welcher sich im Hintergrunde
eines elegant spätromanischen Paradieses befindet, das indess nur noch in
Bruchstücken erhalten ist. Ein Prachtbau im gothisirenden Uebergangsstil
ist der Kreuzgang (Popp und Bülau Lief. 7. Taf. 4—6. — Sighart,
Bayer. Kunstgesch. S. 222 — 226), dessen Vollendung in den Anfang des
XIV. Jahrh. fiel. Der Thurm der Kirche, spätgothisch , steht isolirt. —
St. Erhard 's Krypta {Kallenbach, Atlas. Taf. 3), ein höchst einfacher
dreischiffiger Pfeilerbau mit östlichei Nische, unter einem Privathause in
der Nähe des Niedermünsters. — Das Langhaus der Deutschhauskirche
St. Gilgen, ein Gewölbebau im Uebergangsstil. — Die Kirche des Schot-
tenklosters St. Jakob, Basilika, aus drei in Apsiden endenden Schiffen
bestehend, mit zwei Thürmen über dem Ostende der überwölbten Seiten-
schiffe. Die Arkaden werden im Chortheile von Pfeilern, im westlichen
Theile von hoch strebenden Säulen (oben S. 347. Fig. 175) getragen. In
Westen legt sich ein Querbau vor, der über einer sehr niedrigen gewölbten
Halle eine von Säulengruppen getragene Empore enthält. Der an der nörd-
lichen Langseite belegene grossartige Portalbau ist, durch reiches sehr
eigenthümliches Sculpturwerk charakterisirt, einzig in seiner Art. Die mit
Ausnahme der älteren Thürme c. 1150 — 1204 erbaute Kirche hat nach
einem Brande von 1178 anscheinend durchgreifende Herstellungen erfahren,
und vielleicht datiren die Reste des Kreuzganges ebenfalls aus dieser Spät-
zeit. (Popp und Bülau Lief. 2 und 6. — Kallenbach, Chronologie I.
Taf. 6. — V. Quast a. a. O. Fig. 16 — 22. — Förster a. a. O. 9,
19 — 22 und 3 Taf.) — Die Johanniterkirche St. Leonhard, ein aus
drei von Säulen und Pfeilern getrennten, gleich hohen Schiffen bestehender
Gewölbebau mit östlicher Apsis im Uebergangsstil ; modemisirt. — Das
Niedermünster, völlig verzopft, zeigt geringe Ueberreste aus dem XII.
Jahrh. — Das Obermünster ist eine modernisirte, sehr einfache Pfeiler-
basilika mit Ost- und Westapsis , westlichem Querschiff und isolirtem
Thurm und kann in ihrem Kern aus dem XI. Jahrh. datiren. (Details bei
Grueber, Vergleich. Samml. I. Taf. 23 und 24. — Förster a. a. O.
3, 15. Taf. 1. Fig. 9 und 10.) — Die Spitalkapelle in Stadtamhof, *)
I) Weininger, Hans, über das Kirchlein des Katharinenspitals im Stadtamhof ,
inWcstcrmann's lUubtr. Monatsheften. 1860. No. 41.
in Bayern und Schwaben. 359
ein Sechseck, dessen Ge\i'ölbe auf Ecksäuich en ruht; erbaut 1287 im Ueber-
gangsstil und nach einem Brande von 1809 im Jahre 1859 mit erneuertem
Chor beigestellt. (Sighart, Bayer. Kunstgesch. 8. 227. No. 69 und 70.)
BeicheBbach unweit Freudenstadt. Georgskirche, eine Pfeilerbasllika
mit zwei Nebenkapellen zu den Seiten des halbrund geschlossenen Chores
und einer überwölbten Vorhalle im Westen. (Leins, Jahresbericht der
polytechn. Schule in Stuttgart. 1864.)
K*kril«rf bei Isny hat eine dreischiifige roman. Kirche.
K^ttweli unweit Hechingen. Die Pelagiuskirche, sehr modernisirte
flach gedeckte Pfeilerbasilika mit jüngerem Thurm. (Heideloff, Orna-
mentik. Heft 6. Taf. 5.) — Das Westportal und ein Thurm etc. der goth.
Heil. Kreuzkirche im Uebergangsstil.
St. BgM unweit Regensburg. £inschi£fige8 Kirchlein mit Apsis und
Westempore; sehr kleine Kundbogenfenster.
St. Nicola bei Gangkofen. Einschiffige, sehr modernisirte Ziegelkirche,
mit Apsis am gewölbten Chor.
St. Nl€*lau bei Wartenberg, einschiffige Bergkirche mit Thurm und
'Apsis.
Sckw&bbck-tailil. Die Johanniskirche, eine durch den Zopf verun-
staltete, unsymmetrische Pfeilerbasilika, die aus einer ursprünglichen Säu-
lenbasilika umgebaut sein soll, betonders bemerkenswert!! durch die man-
cherlei phantastischen Figürchen, mit denen die KleinbOgen des Rund-
bogenfrieses, die Fensterbänke u. s. w. ausgestattet sind. Der Thurm steht
frei auf der Nordseite; der Chor ist spätgothisch. (Württemberg. Jahrb.
1838. Heft 1. Fig. 7. — Kallenbach, Chronologie I. Taf. 5.)
SehwinUeh bei Tübingen. Einschiffige Kapelle mit jüngerer Apsis,
ausgezeichnet durch den mit allerlei seltsamen Figürchen ausgefüllten Rund-
bogenfries, und deshalb früher für einen Isistempel erklärt. (Württemberg.
Jahrb. 1838. Heft I. Fig. 6.)
Seligenthal; Cisterzienser- Nonnenkloster bei Landshut. Die Afra-
kapelle an der Nordseite der zopfigen Klosterkirche, ein einschiffiger, durch
eine Nonnenempore fast ganz ausgefüllter Langbau im Uebergangsstil (vor
1232), mit gothischem Chor.
SMelilgeM bei Böblingen. Stiftskirche, eine Pfeilerbasilika, deren
drei Schiffe in Apsiden schliessen. Die Arkadenpfeiler haben an den vier
Ecken engagirte Würfelsäulchen. Der Thurm steht südlich isolirt. Vor
dem Spitzbogenportal dieser Seite eine Vorhalle, deren Oberstock eine Ka-
pelle mit vorgekragter Apsis bildet. Die 1110 geweihte Krypta existirt
nicht mehr. (Heideloff, Kunst des M.-A. in Schwaben 1, 10 — 14 und
Taf. 3. 4.)
SteiagadeM bei Schongau. Die Prämonstratenserkirche, häss-
lich verzopfte Pfeilerbasilika mit drei Apsiden, aus der zweiten Hälfte des
XII. Jahrhunderts. Reste des spätroman. Kreuzganges. Am Eingang des
Klosterhofes eine halb verbaute zierliche überwölbte Rundkapelle, geweiht
1177. (Grueber, Vergl. Samml. H. Taf. 36. Fig. 2.)
Straihbig« Die Altstftdter Pfarrkirche, eine kreuzförmige Pfeilerbasi-
lika mit drei Apsiden und westlichem Thurm. Das Innere verzopft, das
360 Romanische Kirchen
Aeussere mit schönem Westportal (Sighart, Bayer. Kunstgesch. 8. 186
No. 47) reich verziert.
TbierhaBpteM unweit Augsburg. Die um 1 150 einfach aus Ziegeln er-
baute Klosterkirche St. Petri und Pauli, eine aus drei gleich langen Schiffen
bestehende Pieilerbasilika mit Apsis am Mittelschiff und ursprünglich zwei
Westthürmen in der Axe der Seitenschiffe ; verzopft.
Tlefenbrouu bei Pforzheim. Die Stiftskirche, *) eine Basilika, deren
abgekantete Spitzarkaden von achteckigen Pfeilern getragen werden , im
Uebei^ngsstil. Chor und Westportal gothisch.
Mlbatk unweit Ingolstadt. Einschiffiges Kirchlein mit Apsis und
einem am Ostgiebel vorgekragten Thürmchen, bemerkenswerth wegen der
grossen Mannichfaltigkeit roh phantastischer Menschen- und ThierkOpfe,
welche dem Rundbogenfries als Knäufe dienen, '-^j
llBter-SchMdorf bei Landsberg. Einschiffiges Kirchlein mit Apsis und
einem am Westgiebel ausgekragten Thürmchen. ( Oberbayer. Archiv X.
2, 265.)
VrschftlliKg bei Prien am Chiemsee. Nach Sighart (Bayer. Kunstgesch.
S. 200) eine Kirche mit roman. Wandmalereien.
WelMgsrteM bei Ravensburg. Ruine der 1715 zerstörten Klosterkirche.
Weiasbergt Die Kirche hat im flach gedeckten Langhause auf runden
und achteckigen Säulen ruhende schlichte Spitzbogen; reich verzierte Ca-
pitäle ; ein quadratischer Thurm am Ostende vor dem spätgothischen Chor.
Der Bogenfries am Langhause mit vielen mystischen Verzierungen.
Welssetd^rf bei Ingolstadt. Die Kirche, ähnlich der zu ToUbath; s. d.
Wind berg* unweit Deggendorf im bayer. Wald. Die Prämonstratenser-
kirche, einfacher Quaderbau von 1142 — 1167, eine kreuzförmige Pfeiler-
basilika mit Chorapsis und zwei Nebenapsiden an den neben dem Altar-
hause verlängerten Seitenschiffen. Reiches Westportal mit figurirten Capi-
tälen und Laubwerk am Thürsturz ; ähnlich das kleinere Nebenportal an
der Nordseite. Der Thurm über dem Ostende des nördl. Seitenschiffes, an
der Westseite der Kreuzvorlage , von 1416. In den Jahren 1436 — 1460
wurde die Kirche überwölbt und 1755 innerlich verzopft. (Eichinger,
Geo., Kloster Metten und seine Umgebungen. Landshut. 1859. S. 270 ff.
mit Ansicht. Abbild, der Portale in den Verhandl. des histor. Vereins für
Niederbayern 5, 249.) 0
IlrgesbelH bei Donauwörth. Romanische flach gedeckte Marienkirche
mit gothisch veränderten Fenstern und spätgothischem Chor.
Anmerkung. Kirchthürme romanischen Stils finden sich noch
an vielen Kirchen, im Württembergi sehen :
Adelberg bei Schorndorf, Altheim bei Riedlingen, Balt-
ringen bei Laupheim, Dorndorf bei Laupheim, Gemrigheim bei
1) Weber, P., die Kirche zu Tiefenbronn mit iliren Merkwürdigkeiten. Mit 4
Abbild. 1845.
2} Panser, F., Beschreib, der Kirchen in ToUbath u. Weissendorf, im Oberb.
Archiv. V. 3, 314 ff. mit 4 Taf.
in Bayern und Schwaben. 361
Besigheim, Hohcnmemmingen bei Heidenheim, H Ü r b e 1 bei Och-
senhausen, Hüttisheim bei Laupheim, Ingelfingen beiKünzelsau,
Kirchheim am Neckar, Laupheim, Lautern bei Blaubeuem,
Mariazell bei Schramberg, Michelbach bei Gaildorf, Mietingen
bei Laupheim, Mittelbiberach bei Biberach, Mönch berg bei Her-
renberg, Münster bei Gaildorf, Kirchhofskirche zu Nagold bei Calw,
Nellingen bei Esslingen, Nieder- Geltingen im schwäb. Berg-
lande, Nufringen bei Herrenberg, Ober- Fischach bei Gaildorf,
Oberholzheim bei Laupheim , Ober-Wälden bei Göppingen,
Stiltskirche zu Oeh ringen, Orsenhausen bei Laupheim, Scharen-
stätten bei Blaubeuern, Sulmingen und Unter-Balzheim bei
Laupheim, Wangen bei Stuttgart, Weil im Schönbuch bei Tübingen,
Wildberg bei Herrenberg.
Die meisten dieser Thürme sind einfach viereckig, mit Satteldach und
mit nach Westen und Osten gekehrten abgestuften Giebeln.
In Bayern :
Allersdorf bei Abensberg, Altdorf bei Kaufbeuern, Alten-
heuern bei Rosenheim, Asenkofen bei Kegensburg, St. Georg und
Kreuzkirche in Augsburg, Bergheim bei Augsburg, Bernbach bei
Kaufbeuern, Diedorf und Dietkirch bei Augsburg, Ebranzhausen
bei Abensberg, F i s c h a c h bei Augsburg, Gan^kofen bei Mühldorf,
Gersthofen und Gögg in gen bei Augsburg, Goldern bei Dingolfing,
Gross-Konreuth unweit Eger, Hebramsdorf bei Asenkofen,
Hirnheim unweit Regensburg, Indersdorf bei München, Inningen
bei Augsburg, Kaufbeuern, Kirch berg bei Eggenfelde, Landau
bei Straubing, Lechhausen bei Augsburg, Moosham bei Eggenfelde,
Pfarrkirche zu Neunburg vorm Wald, Oberhausen bei Augs-
burg, Oberndorf bei Abbach, Oth marshausen bei Augsburg,
Reichenbach bei Regensburg, Remnatsried bei Schongau, Rotz
bei Neunburg vorm Wald, Ruderatshofen bei Kaufbeuern, Schaz-
hofen bei Landshut, Scheyern bei Ilmmünster, So s sau bei Strau-
bing, Tu rk h e i m bei Landsberg am Lech.
Sehr viele dieser Kirchthürme sind einfach viereckig mit Rundbogen-
blenden, mit von Säulchen getheilten Schallöffnungen und Zeltdächern.
Einzelne Theile und Ueberreste roman. Stils finden sich an den Kirchen
folgender Ortschaften, im Württembergischen:
Abtsgemünd bei Ellwangen, Michelbergskirche zu Bönnig-
h e i m bei Besigheim, B o p f i n g e n bei Nördlingen, Braunsbach bei
Schwäb.-Hall, Cleebronn bei Besigheim^ St. Georg in Dinkelsbühl,
Gültstein bei Herrenberg, St. Martin zu Langenau bei Ulm, Lie-
benzell bei Pforzheim, Maichingen bei Böblingen, Mönsheim
bei Heinsheim, Stadtkirche zu Munderkingen bei Ehingen, Oeschel-
bronn bei Herrenberg, Pappelau bei Geislingen, Reichertsrod
bei Rothenburg a. d. T., Marienkirche zu Reutlingen, St. Martin zu
Rottenburg a. N. , Schöckingen bei Leonberg, Sülchen bei
Rottweil, Wangen im AUgäu, Weiler in den Bergen, Wurmlingen
bei Tübingen.
362
Komanische Kirchen in Bayern und Schwaben.
In Bayern :
Chammünster bei Cham, Feldmoching bei München, Mallers
dorf bei Regensburg. Nieder- AI taich bei Deggendorf. Ober-
Haunstadt bei Ingolstadt, Pasing bei München , Scheggendorf
bei Mauern, Schongau, Stadtbergen bei Augsburg, Stulln in der
Oberpfalz, Vilssattling bei Vilsbiburg. — Vergl. Lotz, Kunst-Topo-
graphie Bd. 2.
lieber die Rundbauten in Bayern und Schwaben s. oben S. 23 V.
Vig. 175a. Eingang in das nördl. Seitenschiff von St. Emmeram in Rrgensburg. Vtrgl. oben S. 358
Wcttteitc laa $L StupLaiä iu Wien (nacli Tieliifrchka),
IIL In den dentsch-östiirroicliif^clien liänderii.
Lilerntiin LUOmo ^vsk y , Kd. v., T)en]cm>ile dtr Baukutii^t u. Bild-
nev^i des M*-A. im Ocaterr. Kaiaerthujne , (*ez. von Jos. Pischcr. 1817. —
BscTior, C,i DenXra» iiUerth. Baukanat in Mahren. 1^22* — Techiscbka,
Fä,, Kunat u. Alterth. Im Oesterreich. Kaiserstaat* 183Ü. — Hawlik, E.,
stur Geach. der Baukunst, der bildenden u. zeichnenden KtLnste in Mfthren.
l^^i^, — Derselbe! Znsaty.e u. Verbcssefungcn zur Gescb, der Künste in
Mahren. 1841. — Wietäenfeld, C, Skizzen einer Geatli. der Baukunst in
Böhmen» 1&44. — Wocel, J, Era^m, , Grundztlge der bdhm* Altorthumsi-
künde. l^4&. — Schmidl, A, A,| Oosterreich. Blatter für Literatur n. Kunst*
ISn— 1848. — Derselbe, Kunst u. Alterth, in Oeaterreich, Heft h JS4fi»
— Ernst, Leop., u, Ocscher, L,i Baudcnkm. des M.-A* ira Erzherz ogth,
Oesterreich, Lief. I — L IS-16* — ■ Primiaser, Aloys, u, Hormayr^ J, v*,
Künat u* Alterth. in OesterTeich, in Hormayr'a Taschenb, i"ör die vaterK
Cie.?ch. 184^* S. 2'^0— :Jit3. — M elly, Ed.^ die Archftolngte in Oesterreich (in
Oeatef reich herau-^^ckomtnene archäol. Werke}, in den Annaies archeoU IS^IK
Livr. i^. — Sehiiiidl, A. A,, Reiae-NotiEen zu Kuiist u, Alterth, l*3"Sft» —
Wücel, L Erasm., Bericht über die 1851 unternomniene kunstatcböol. Be-
reiaung Bülinient«, in den SiUungsterichten der philo». -histor. Olaaec der Aka-
demie der Wiaaenach. zu Wien, ä, 4 — 24» — Hclder, tiust.f n. UiUiflcfi
364 Romanische Kirchen
J. V., Archflol. Notizen, gesammelt auf einem Ausfluge nach Henogenburg,
Göttweih u. Seitenstetten, im Archiv für Kunde Österreich. Geschichtsquellen.
5, i:i9 — 178; 525—540. — Schmitt, Ant., Abbild, der Baualterthümer in
Böhmen, gezeichnet Ton Fz. Lorenz. 1853. — Zapp, C. Wlad., PamAtky
archaeologickö a möstopisnä (Archttol. - topograph. Denkwardigkeiten. Organ
des Museums zu Prag). 1854 etc. — Mittelalter!. Kunstdenkm. des Österreich.
Kaiserstaates, herausgegeb. von Gust. Held er, Rud. v. Eitelberger u.
J. Hie 8er. 2 Bde. I>55li— 1S59. — Springer, Fz , u. Waldheim, R. v.,
Oesterrelchs kirchl. Kunstdenkm. der Vorzeit. Lief. I. 2. 1850. — Sacken,
£d. V., Baudenkm. im Kreise unter dem Wiener Walde, In den Mittheil, der
k. k. Central-Comra. etc. (J856J. 1,^2—85; 103—107. — Ankershofen,
Gli. V., Uebersicht der kirchl. Baudenkm. in Karnthen, ebd. S. 121 — 126. —
Wocel, Erasm., Uebersicht der roman. Baudenkm. in Böhmen, ebd. S. 145
bis U9. — Grueber, Beruh., Cfiarakteristik der Baudenkm. Böhmens, ebd.
S. 189—200; 213—222; 241—248. — Tlnkhauser, Geo., Bericht über
eine Reise von Brixen nach Inichen u. in das Thal Taufers in Tirol, ebd.
S. 200 — 206. — Sc beiger, J., ein archäol. Ausflug nach Feldbach, Feh-
ring u. Pertlstein in Steiermark, ebd. S. 248 — 251. — Passavant, J. D.,
aber die mittelalterl. Kunst in Böhmen u. Mähren (tlber die Baukunst), in der
Zeitschr. für christl. Archäol. u. Kunst I, 145—256; 234. — Haas, C,
Kunstdenkm. des M.-A. in Steiermark. 1857. [Aus dem Jahrbuche der k. k.
Central-Comm. etc. 2, 203—232). — Sacken, Ed. v., Mittelalterl. Kunst-
denkm. im Kreise ob dem Wiener Walde. 1857. (Ebd. S. 101— MiO.) — Tink-
hauser, G., die alten Baudenkm. des Iselthales in Tirol, in den Mittheil,
der k. k. Central-Comm. etc. (1857). ?, 174—180. — Derselbe, Reiseber,
aber einige Denkm. zwischen Botzen, Tirol u. St. Pauls u. s. w., ebd. S. 322
bis 327. — Mikoweo, Ferd. B,, AUerthamer u. Denkwardigkeiten Böh-
mens. Mit Zeichn. von Jos. Hellich u. W. Kandier. Bd. 1. 1858. —
Haas, C , Notizen aber mittelalterl. Baudenkm. in Steiermark, IndenMitth.
des hlstor. Vereins far Steiermark, 7, 205—236; 8, 156-160; 9, 257—275;
10, 297—309. — Eggers, F., Reisebemerk, in Tirol, im D. Kunstbl 9, 95 ff.
— Wocel, Erasm., Bericht aber eine kunstarchäol. Reise in Böhmen u.
Mähren, in den Mittheil, der k. k. Central-Comm. etc. (185S). 3, 141—149;
169—180; (1859). 4,9«— 100; 135—137; 158-163; 212— 218. — Scheiger,
J. , aber einige mittelalterl. Kunstdenkm. in der Gegend von Judenburg u. s. w.
in Steiermark, ebd. S. 293—304; 323 — 328. — Ankershofen, Gli. v.,
Kärntens älteste kirchl. Denkmalbauten. 1860. (Aus dem Jahrbuche der k. k.
Central-Comm. etc. 4, 61 — 104.) — Sacken, Ed. v., Kunstdenkm. des M.-A.
im Kreise ob dem Manhartsberge , in den Berichten u. Mittheil, des Alter-
thumsvereines zu Wien. 5, 71 — 126. — Kirchl. Baudenkm. im Erzherzogth.
Oesterreich u. d. E. nach Konr. Grefe's Aquarell- Aufnahmen in Farbendr.
dargestellt. 1861. — Die von den Zöglingen der Wiener Architekturschule ge-
machten Aufnahmen älterer Bauwerke, herausgeg. von dem Vereine Wiener
Bauhatte. 1862 etc. — Weiss, C, aber einige Kunstdenkm. in Nieder-
österreich u. Steiermark, in den Mittheil, der k. k. Central-Comm. etc. (1862).
7, 158—164; 190—195; 297— 301. — Schmitt, Ant.P., Bericht aber einige
Kunstdenkm. Böhmens, ebd. (1863). 8, 32o — 325. — Petschnig, Hans,
aber das Gailthal in Karnthen, ebd. (I86i). 9, 107—121.— Levitschnig,
Barth., Baudenkm. des Gailthales, ebd. S. 122— 12S. — K. A., Beiträge zur
Entwicklungsgesch. der kirchl. Baukunst in Tirol. 2 Lieff. 1S64. — Petsch-
nig, Hans, aber einige Kirchen in Steiermark, in den Mittheil, der k. ^.
Central-Comm. etc. (1865). 10, 191 — 204. — Sacken, Ed. v., ArchäoL
Wegweiser durch das Viertel unter dem Wiener Walde von Niederösterreich.
186(i.
Die period. Publicatlonen der k. k. Central-Comm. zur Erforschung u.
Erhaltung der Baudenkm. s. oben S. 7. Das Jahrbuch scheint mit dem
1861 herausgekommenen 5. Bande zum Abschlüsse gelangt zu sein; die Mlt-
thellungen erscheinen seit 1 864 unter anderer Redaction und in veränderter
Einrichtung.
in den deutsch-österreichischen Ländern. 365
Areh&ologische Karten: Schmitt, Ant., Archttol. Karte des Königreichs
Böhmen. 1856. — Haas, C, Arehäol. Karte der Steiermark, in den Mitth.
des histor. Vereins für Steiermark. Heft 10. ISÜÜ. — Sacken, Ed. v., Karte
der Kunstdenkm. des M.-A. im Kreise u, d. W. W. von Niederösterreich.
1865, in Desselben Archäol. Wegweiser,
Yorbemerkang.
S2, In den dciitschrn Kronlsndern des jcUigen Kuiserthums
Oester reich sind Rimdenkniale aus der Finihzoit der rnmanisrlien
Periode nicht Tiactjgr wiesen. In den AlpfnprovinKen lassen die wenig
zahlieiclien roiunniseheu Kirchfn neben ilireni ullgemein süddeutschen
Typus, wie aus der Grenz nach bar schuft leicht erklärlich, in gewissen
Einzclnheitcn norditjdienische Einflüsije erkennen, und es sind na*
STientlkh praditvolle Portal bautrii t durch die abwechselnde Aufein-
anderfolge vt'rschiedentarbigcn Materials (nuber Marmor und weisses
Gestein) von polychromatischer Wirkung, mit vielen schlanken, theils
runden, tlieils achteckigen korinthisirendcn Säulen besetzt und mit
einem kleineu Vorbau versieben, dessen Frontsäulcn einen Flachgiebel
tragen und auf liegenden Löwen ruhen, wie solche in Verona und
Tricnt vorkommen , die sich von Tirol bis nach Salzburg verfolgen
lassen. In Tirol sind nur wenige romanische Kirchen bekannt, und
zwar zeigt sich der lombardische Eintiuss hier auch in der langen Dauer
des RoinanismuK, der sich mit Anw^endung der Uebergang&foxiuen auf
den beibehaltenen Rundbogen und mit der fast quadratischen Anord-
nung der einfachen GewCilbejoche bis ins XIV. Jahrb. hineinzieht*
In iSakburg, w*o dag Cbtistenthiini schon im VIT. Jahrb. gepflanzt
wurde, birgt die Erde zwar manchen Ueberrcst der vorangegangenen
römischen Cultur, aber ausser der unbedent enden, angeblich merovin-
gischeu Rupertnskapelle (am Eingange der Klause) finden sich christ-
liche Denkmale (der Kreuzgnng auf dem Nunnberge, vielleicht noch
vom Ende de« XI, Jahrh. ; oben S. 78] erst aus dem XI L Jahrb.? und
auch diese vielfach verbaut nnd modcrn^irt. Besonders bemcrken«-
w*er*h ist die anscheinend durch den zeit weisen Aufenthalt Erzbischofs
Conrad I* von Salzburg (111)6 — tl47) in Niedersachsen vermittelte
Uebertragung einzelner dort heimischen Bau formen die Basilika mit
je Äwei Säulen im Wechsel mit einzelnen Pfeilern, die juit dem Würfel-
ornament verzierte rechtwinkelige Umrahmung der Arkadcnbögcn) in
seinen Sprengel, w^obin er sächsische Angustin er- Chorherren übersie-
delte. Hcit der Mitte des XII. Jahrb. erscheint in Steiermark und
Kärnten in den Domen von Sckkau, Gurk und in !St, Paul im Tiaviuit-
thale eine durch Alter, Stil^ Ornamentik und gute Erhaltung gleich
Oll*, Ktuwl^Afel^»l«Si(<« 3 1
366 Bomaniflche Kirchen
ausgezeichnete Architektturgruppe. In Oesterreich selbst sind nur Bei-
spiele aus der Uebergangsperiode bekannt (Michaelerkirche in Wien^
Kirchen in Wiener -Neustadt, Schöngrabern etc.), welche sich hier
weniger in einzelnen Gliederungen und Ornamenten, als vielmehr in
dem Bestreben nach grösserer Schlankheit der Verhältnisse und nach
mehr mannichfaltiger Gestaltung eines phantastischen, zuweilen über-
ladenen Zierwerkes charakterisirt und tief in das XIII. Jahrh. hinab-
reicht. Die Cisterzienser - Abteikirche zu Heiligenkreuz, in ihrem
Langhause höchst schlicht und einfach, doch schon mit ursprünglicher
Absicht der Ueberwölbung , zeigt mit Ausnahme der spitzbogigen
Westportale überall den Rundbogen , wogegen in Kloster Lilienfeld
desselben Ordens (1202 — 1230) das System des stark gothisirenden
Uebergangsstiles mit dem Spitzbogen vorherrscht. Derselbe Stil kenn-
zeichnet auch die prachtvollen Kreuzgänge in beiden genannten Klö-
stern und zu Zwetl. Die Stephanskirche in Wien zeigt in dem reichen
Hauptportale der alten Westfront eine entschiedene Mittelstufe zwi-
schen dem Romanischen und dem Gothischen. Unter den zahlreichen
kleinen einschifiigen Kirchen finden sich einige gewölbte (Wildungs-
mauer, Petronell, Schöngrabern etc.) und viele andere, bei welchen
sich nach dem in Süddeutschland beliebten Typus der Thurm am Ost-
ende erhebt und in seinem Unterbau zugleich den Chor enthält. — In
Böhmen, wo, wenn ausnahmsweise eine reiche Ornamentik angeordnet
i^t, die Formbildung an einer gewissen Plumpheit leidet, findet sich
zwar eine nicht unerhebliche Anzahl romanischer Bauwerke, aber sie
sind nur klein in den Maassen und einfach in der Structur fast wie
Bedürfnissbauten; ältere Kirchen von Basilikenanlage (St. Georg in
Frag, Frosek, Tismitz, Altbunzlau) sind nur wenige bekannt. In den
einschiffigen Landkirchen ist sehr oft eine unterwölbte Empore am
Westende angeordnet, welche von Säulen oder Ffeilern getragen wird.
— In Mähren sind die Benedictinerkirche zu Trebitsch und die Cister-
zienser-Nonnenkirche zu Ti^hnowitz zwei bedeutende Gewölbebauten
im gothisirenden Uebergangsstil , beide durch Frachtportale ausge-
zeichnet. — Ueber die in diesen südöstlichen Gegenden von Deutsch-
land zahlreich vertretene Klasse kleiner Rundbauten ist bereits oben
S. 19 und 23 VI. und VII. gesprochen.
Im Detail herrscht in Oesterreich das der Uebergangsperiode
eigen thümliche Knospencapitäl stark vor, während Böhmen anschei-
nend bis gegen 1300 bei einem schweren Würfelknaufe stehen blieb.
Sehr beliebt erscheint in den Bauwerken des XIII. Jahrh. die (in
Tischnowitz, Heiligenkreuz, Lilienfeld, Kaurzim etc. vorkommende)
in den deuUch-österreichischen Ländern. 367
•
Manier, die Gewölbeanfönger (tas de Charge) über den Capitälen in
Form von Blendschilden anzusetzen; vergl. Fig. 177. Am Aeusseren
ist die süddeutsche Verbindung des
deutschen Bandes mit dem Bogenfriese
sehr beliebt, welcher letztere oft reich
gegliedert und in gebrochenen Formen
vorkommt; zuweilen vertritt dessen
Stelle der Zinnenfries. Statt der Li-
senen sind häufig Halbsäulen ange-
ordnet.
Vergl. Schnaase, Kunstgesoh. IV. 1,
149—154; V. 324 f. u. 458. — Kugler,
Gesch. der Baukunst 2, 51ir-531 ; 545 — 547;
3, 274 f. u. 303—306. — Lübke, Gesch. der
Architektur. 3. Aufl. S. 388—400. — Otte,
Gesch. der deut. Baukunst S. 238—24 1 u. 456 fi.
Fig. 177. Heiligenlireuz (nach Heider). Bei Springer, die Baukunst des christl.M.-A.,
findet sich Manches über Böhmen.
Alt-BtiixUii unweit Prag. Die Kr}'pta unter der vielfach umgebauten
Collegiatkirche, mit 32 Säulen, die Eckblätter an den Basen und plump-
rohe Würfelknäufe tragen. (Grueber, in den Mittheil. etc. 1, 197,)
Ali-PdUa in Niederösterreich. Eine ursprünglich flach gedeckte, spät-
gothisch überwölbte Basilika mit östlichem Thurm, an den sich der spät-
gothische Chor schliesst.
Arilagger in Niederösterreich. Die dreischiöige Krypta der zwischen
1226 und 1240 geweihten Collegiatkirche mit Gratgewölben und dünnen
Säulen mit Knospencapitälen. Die Wände mit einfachen Blenden mit
Schmiegengesimsen vielleicht von einem älteren, 1066 geweihten Bau. Das
zopfig überwölbte Schiff mit spitzbogigen Pfeilerarkaden. Der Chor gothisch.
(v. Sacken, in den Mittheil. etc. 2, 106.)
As^Kg unweit W. -Neustadt. In Unter- Aspang eine Kirche mit Apsis ;
neben derselben eine einfache Rundkapelle.
Bercktesgaden bei Salzburg. Die goth. veränderte Stiftskirche enthält
in dem Unterbau der beiden Westthürme und dem inneren Rundbogen-
portal mit farbigen Marmorstreifen durchsetzte Ueberreste aus der Zeit um
tl22. Ebenso datirt der Kreuzgang (Abhandl. der Akad. der Wissensch.,
histor. Kl., zu München. V. l) aus dem XII. Jahrh.
Boeklitl bei Prag. Kirche in Form des gleicharmigen Kreuzes, geweiht
1158; modern vergrössert.
IttiPB. ^) Die alte Pfarre mit Apsis und Balkendecke. — Die
ehemal . Dominicanerkirche (jetzt Magazin} hat einen roman . West-
]) Messmer, Alois, Alte Kunstdenkm. in Botzen u. seiner Umgebung, in den
Mittheil, der k. k. Central-Comm. etc. (IS57). 2, 57 — 63; 97—103; 120—123 u,
Taf. A.
21*
368 Romanische Kirchen
thurm. — Der Kreuzgang bei der Franciscanerkirche ^) im Ueber-
gangsstil. (Messmer S. 60 und 61.) — Die Liebfrauenkirche, ^) von
einem älteren roman Bau noch den Unterbau der beiden östlich stehenden
Thürme und zwei Marmorportale enthaltend, zeigt in dem aus drei gleich
hohen gewölbten Schiffen bestehenden unregelmässigen Langhause (um
1320 — 1350) stark gothisirenden Uebergangsstil ; der Chor, um den die
Seitenschiffe einen Umgang bilden, ist spätgothisch . (Ebd. S. 100 und
Taf. 4.) — Die einschiffige, ohne Rippen im Spitzbogen überwölbte Kirche
St. Johann im Dorf hat den Thurm über dem mit einer Apsis schliessen-
den Chore. Aehnlich ist die 1303 geweihte Kirche St. Martin in Campill.
BrilfD. Per zopfig umgebaute Dom, **) mit Ausnahme der beiden.
Westthürme aus Ziegeln, lässt im Lang- und Querhause den im Jahre 1237
geweihten Gewölbebau im Uebergangsstil erkennen. Der Chor w^ar spät-
gothisch. Am südl. Flügel des elegant spätroman. Kreuzganges "*) die ein-
schifHge, zum Theil in der Tonne überwölbte Taufkapelle mit einem Kup-
pelthurm über dem Chor (ebd. [1861]. 6, 130; vergl. oben S. 17 Fig. 1)
in rohem Stil.
teitseh - Altenbirg bei Hainburg. Die Johann iskirche, ^) eine spät-
gothisch überwölbte rundbogige Pfeilerbasilika von 1213, mit goth. Thurm
und Chor. Der südl. belegene Karner, ein Rundbau mit reichem spätroman.
Westportal.
lUlBersbaehaK nächst Irdning in Steiermark. Reste der einschiffigen,
später überwölbten Kirche St. Egydi, bcmerkenswerth wegen des ährenför-
migen Mauerverbandes {opus spioatum) .
BoXAD in Böhmen. Die 1144 gegründete Stiftskirche mit einer Säulen-
krypta.
Ebemilorf bei Völkermarkt in Kärnten. Augustinerstiftskirche , eine
goth. veränderte kreuzförmige Pfeilerbasilika mit dreischiffiger Krypta unter
dem Querschiff und viereckigem Thurm an der südl. Langseitc.
IS^er« Die unteren Etagen der beiden Ostthürme an der gothischen
Dechanteikirche im Uebergangsstil. — Die Schlosskapelle , ein
zweistöckiger Oranitbau mit achteckiger Oeffnung in der gewölbten Zwi-
schendecke, besteht in beiden Stockwerken aus einem quadratischen Schiff,
welches über vier Säulen in neun Jochen im Erdgeschoss mit rundbogigen
Gratgewölben, im Oberstock nach einem Brande von 1270 mit frühgoth.
Rippengewölben gedeckt ist. An das Schiff schliesst sich östlich ein qua-
dratischer Altarraum, der mit zwei in der Tonne überwölbten Nebenrüumen
versehen ist, so dass das Ganze rechteckige Grundform erhält. Die Säulen
1) Schöpf, J. B., die Kirche u. das Kl. der Franciscaner zu Bozen.
2) Ladurner, Justin. , Beitrage zur Gesch. der Pfarrkirche von Botzen. 1851.
3)Tinkhauser, G., die alte u. neue Domkirche zu Brixen in Tirol, in den
Mittheil, der k. k. Central-Comm. etc. (1861). (», 6S— 72 ; 9U— lol ; 120—134.
4) Derselbe, der alte Kreuzgang des bischöfl. Münsters zu Brixen, ebd. ( 1 856) .
1, n— 22u. Taf. 2.
5) Sacken, Ed. v., die Kirche u. Rundkap. zu Deutsch* Altenburg in Nieder-
österreich, ebd. S. 251—254 u. Taf. 13. — Vergl. Derselbe, die röm. Stadt Car-
nuntum, in den Sitzungsber. der Wiener Akademie der Wissensch , philos.-histor.
Kl., 9, 765-772 u. Taf. 8 u. 15.
in den deutsch- österreichischen Ländern. 369
de8 Oberstockes sind aus weissem Marmor. Erbaut ist die Kapelle unter
Kaiser Friedrich I. *) (Förster, Denkm. 10. 7 — 10 und 3 Taf.)
Vriedenbaeh bei Zwetl in Niederösterreich. Durch Umbau völlig ver-
änderte Pfarrkirche von 1250 im IJebergangsstil ; Chor gothisch.
Vriesaeh. *^) In der einschiffigen goth . Stiftskirche nimmt die west-
liche Hälfte des Schiffes eine Nonnenempore ein , und darunter eine von
Würfelknaufsäulen in drei Schiffe getheilte Halle, die im niedrigen Spitz-
bogen mit Gratgewölben gedeckt ist. — Die Dominicanerkirche, ge-
weiht 1251, eine ursprünglich flach gedeckte spitzbogige Pfeilerbasilika mit
innerlich runden , äusserlich polygonen Apsiden am Ostende der Seiten-
schiffe und goth. Chor. Das Mittelschiff hat kleine Kundfenster. Der
Kreuzgang mit rundbogigen Gratgewölben im Uebergangsstil. (Springer
und Waldheim, Oesterr. Kunstdenkm. Lief. 3 — 6.)
€an bei Eggenburg in Niederösterreich. Das Langhaus der Kirche am
Berge, Kest einer einfach spitzbogigen Pfeilerbasilika, mit Radfenstern an
der Westseite. Ueberwölbung modern ; Chor spätgothisch. (v. Sacken,
in den Ber. und Mittheil, des Wiener Alterth.- Vereines 5, 90.)
taatil unweit Zwetl in Niederösterreich. Verunstaltete, flach gedeckte
schlichte Pfeilerbasilika mit östl. Thurm, an den sich ein spätgoth. Chor
schliesst.
fiiiffei bei Völkermarkt. Prämonstratenserkirche^) in Griven-
thal, begonnen 1251, eine höchst einfache, rundbogig überwölbte Pfeiler-
basilika, deren Seitenschiffe in der Flucht des Triumphbogens geradlinig
schliessen, ebenso wie der quadratische Chor. Ueber dem nördl. Seiten-
schiffe liegt der Capitelsaal, welcher sich als Empore nach dem Mittelschiffe
öffnet. Die Westfront ist modern, und alles Uebrige meist verbaut. — Die
südwestlich belegene Pfarrkirche in Oberndorf (älter als das 1236 ge-
stiftete Kloster) war ursprünglich einschiffig , mit östlichem in der Tonne
überwölbtem Chore, über dem sich der Thurm erhebt, woran sich ein goth.
Chor schliesst. Das Westportal ist rundbogig und hat ein Rundfenster
über sich.
€«rk. Der Dom, ^) vollendet um 1216—1218, eine rundbogige Pfei-
lerbasilika , deren Schiffe in Apsiden enden , mit zwei Westthürmen, die
1) Quast, Ferd. v., die Burg zu Eger, im Berl. Kunstbl. 1S2S. S. 230. 334 u.
1829. S. 84 u. 144, nebst 2 Taf.; vergl. Zeitschr. für christl. Archäol. u. Kunst I,
15U. — Grassold, P. A., Beschreib, der alten Burg zu Eger. 1831. — Grueber,
Beruh., die Kaiserburg zu Eger u. die sich anschliessenden Denkm., in den Beitr.
zur Gesch. Böhmens. Abth. III. Bd. 2. 1S64. — Die Kaiserburg zu Eger, in der
Oesterr. Wochenschr. 18H5, No. 3.
2) Essen wein, A., die mittelalterl. Baudenkm. der Stadt Friesach inKamth.,
in den Mittheil, der k. k. Central- Comm. etc. (1863). 8, 149—173; 190-205 u.
Taf. 5-7.
3) Ankershofen, J. v., die Stiftskirchen zu Griffen u. Obemdorf inKftmtben,
ebd. (1857). 2, 41-44.
4) Quast, Ferd. t., der Dom zu Gurk, in Otte, Gesch. der kirchl. Kunst
(Grundzflge). S. 69 — 77. — Ankershofen, G. F. v., über die Zeitstellung des
Gurker Dombaues, in den Mittheil, der k. k. Central-Comm. etc. (1856). 1, 22—25.
— Derselbe, über die Vollendung des Gurker Dombaues, ebd. S. 229 f. — Haas,
C, der roman. Dom zu Gurk in Kamthen, in den Mittelalterl. Kunstdenkm. im
Oesterr. Kaiserstaat von G. Heider etc. 2, 144—172 u. Taf. 26—29.
370 RomanUche Kirchen
einen bis ins Mittelschiff vortretenden Nonnenchor flankiren ; anscheinend
auf ein Querschiff angelegt, Avelches aber nicht an der gewöhnlichen Stelle
zur Ausführung gelangte, sondern am östlichen Ende des Langbaues, wo
die Wände der Seitenschiffe zu hohen Giebelfronten ausgebildet erscheinen.
Die Krypta (wohl bereits 1174 vollendet), durch je drei Pfeiler in drei
Schiffe getheilt, ist in *diesen mit einem wahren Wald von Würl'elknauf-
säulchen labyrinthisch ausgesetzt. Das ganze Gebäudt^ ist durch edles Detail
und durch das herrliche marmorartige Material ausgezeichnet. (Vergl. oben
S. 42 Fig. 14 und S. 47 Fig. 19.)
lardeck unweit Eggenburg in Niederösterreich. Kunder Karner mit
oberirdischer Gruft und erkerartiger Apsis ; Ruine, (v. Sacken, in den
Ber. und Mittheil, des Wiener Alterth .-Vereines 5, 104.)
Iftrtberg.^) Der Karner St. Michael und Ulrich, eine über dem Kuppel-
gewölbe mit hohem Kegeldach gekrönte Rotunde, deren entsprechend ge-
deckte Apsis fast die volle Kreisform hat. Der Stil ist entschieden spät-
romanisch. (Heider, in den Mittheil. etc. [1856], 1, 59 f. und Taf. 4.)
leiligeMkreu ^) unweit Wien. Von dem 1187 geweihten Bau der
Cisterzienserkirche scheint nur noch das ehemals über der Vierung
mit einem Kuppelthurm gekrönte Querschiff herzuröhren, indem der in fünf
Doppeljochen überwölbte Pfeilerbau des Langhauses seinen Abschluss wohl
erst im ersten Viertel des XIII. Jahrh. gefunden haben wird, da die Säulen -
portale der Westfront schon den Spitzbogen zeigen. Der dreischiffige, fast
quadratische Hallenbau des Chores, von gleicher Breite mit dem Quer-
hause, ist gothisch und vermuthlich erst gegen 1400 entstanden. Der Kreuz-
gang zeigt gothisirenden Uebergangsstil ; die Bögen sind mit Marmorsäul-
chen ausgesetzt. Capitelsaal und altes Dormitorium (eine Säule aus dem-
selben oben S. 367 Fig. 177) scheinen etwas älter. — Die einschiffige,
1295 geweihte Spitalkirche hat sechstheilige Rippengewölbe, spitzbogig
über ausgekragten Wandpfeilern.
leiiigenstailt bei Wien. Das Schiff der kleinen Jaoobskirche, mit goth.
Chor und innerlich modernisirt.
lenenilMf bei Wien. Das Aeussere der Kirche mit rohen Halbsäulen
unter dem Bogen- und Schachfriese. Der Chor schliesst gerade, und dar-
über erhebt sich ein goth. Thurm.
linberg bei Wien. Das Langhaus der iin Innern modernisirten Kirche
mit nur einem in einer Apsis schliessenden Seitenschiffe und mit spät-
gothischem Chor.
R^ltbltx unweit Prag. Die Kirche ist ein Rundbau, ursprühglich mit
Apsiden auf vier Seiten, doch ist die nördliche in eine viereckige Sacristei
verwandelt, und im Westen ein spätgoth. Thurm hinzugefügt.
1) Grave, H., die kirchl. Gebflude zu Hartberg in Steiermark, in den Mittheil,
der k. k. Central-Comm. etc. (I8ö6). 1, I7S — 181.
2) Heider, Gast., Heiligenkreutz ; mit einer histor. Einleit. von Jos. Feil, in
den Mittelalter!. Kunstdenkm. etc. von G. Heider etc. 1, 1 — 54 u. Taf. 1 — 3. —
Essenwein, A., die Zeitbestimmung des Chores der Kirche u. des Dormitoriums
zu Heiligenkreaz» in den Mitth. der k. k. Pentral-Comm. etc. (1S59). 4, 313—322. —
Feil, iur Feststellung der Bauzeit des Chores der Abtei kirche zu Heiligenkreuz,
ebd. (1861). 6, 165—173.
in den deutoch-österreiohiachen Ländern. 37 1
iMtiwar bei Prag. Eine kleine dreischifiige Kirche mit Apats am
Mittelschiffe.
Igia« in Mähren. Die kleine Kirche St. Johann am Hügel.
iKicheu im Pusterthal. Die Benedictinerkirche, ^) eine kreuzförmige,
überwölbte Pfeilerbasilika im Rundbogen, deren Seitenschiffe sich im
schiefen Winkel neben dem Chore fortsetzen und wie dieser mit Apsiden
schliessen, geweiht 1284. Die ehemals unter dem Chor und der mit einer
Kuppel gedeckten Vierung befindliche Säulenkrypta in neuerer Zeit zer-
stört. Westlich vor dem südlichen Seitenschiffe ein quadratischer Thurm,
an dessen Nordseite vor dem Säulenportale des Mittelschiffes sich eine go-
thische Vorhalle schliesst, die mit einer nördlich angebauten Kapelle zu-
sammenhängt. Die Fenster sind meist neueren Ursprungs, von der 1846
bis 1853 ausgeführten Restauration.
Katowiti bei Strakonitz in Böhmen. Rechteckige einschiffige Kirche
mit einer rundbogig unterwölbten Empore in Westen und einem viereckigen
Thurme über der Nordostecke.
KamiH in Böhmen. Die Erzdechanteikirche, eine gewölbte Basilika
im gothisirenden Uebergangsstil (begonnen wahrscheinlich 1232), mit
Thürmen an der Stelle der Kreuzarme und zwei Nebenchören, die wie der
Hauptchor polygonisch geschlossen sind. Am Westende drei Emporen,
unter dem Altarhause eine achteckige Kryi)ta, deren Gewölbe auf einem
mittleren Säulenbündel und in den Ecken auf Kragsteinen ruht. (Zapp,
Pamätky 1. Taf. 10.) Die Details sind reich und mann ichfaltig, aber dick
mit Kalk bedeckt. Ein dritter Thurm steht isolirt vor dem schönen mit
Zackenbögen geschmückten spitzbogigen Portal der Nordseite.
KirliBg bei Klosterneuburg. An der Apsis der Kirche Halbsäulen mit
attischen Basen.
lUiBgenberg bei Pisek in Böhmen. Die Schlosskapelle mit kleinem
Chor und Westempore im Uebergangsstil.
KiMteneibirg ^) bei Wien . Die S t i f t s k i r c h e 3) enthält im Chor
und Querschiff vielleicht noch einige Reste des ältesten, 1136 geweihten
Baues. Die Westfront ist spätromanisch, die Thürme auf den Flanken sind
gothisch, aber unvollendet. Der Chor datirt aus der Zopfzeit, und das ganze
Innere der ehemaligen Pfeilerbasilika, deren Mittelthurm im XVII. Jahrh.
abgetragen wurde, ist gründlich entstellt. Von dem grossentheils frühgoth.
Kreuzgange zeigt der Östliche Flügel noch Uebergangsformen. (Ernst und
Oescher, Baudenkm. in Oesterreich. Lief. 1 — 3.) — Die Gertruds-
kirche'') ist einschiffig und flach gedeckt, mit einer Empore in Westen
und einem quadratischen Chore , über dem der Thurm aufsteigt, und der
mit einer Apsis schliesst.
1) Tinkhauser, G., die roman. Stiftskirche zu Iniehen in Tirol, ebd. (1858).
3, 225—237 u. Taf. 10.
2) Festorazzo u. Haller, das Stift der regulirten Chorherren St. Augustins
in Klosterneuburg. Wien 1846.
3) Br. K. L., die Stiftskirche zu Klosterneuburg, in den Mitth. der k. k. Central-
Comm. etc. (1805). lü, LIX— LXIII.
4)H(eide]r, die St. Oertrudskirche zu Klostemeubuig, ebd. (1856). 1, 225
bis 227 u. Taf. 12.
372 Romanische Kirchen
Koidratf bei Wlaschim in Böhmen (Kr. Tabor) . Das Schiff der Dorf-
kirche, dessen Westfront von zwei runden Eckthülrmen über rechtwinke-
liger Grundlage flankirt wird ; der einspringende, viereckige Chor ist go-
thisch. (Zapp, Pamdtky l, Taf. 11.)
K^paniM bei Prag. Runde Dorfkirche mit Apsis und viereckigem
Thurme. (Wocel, Grundzüge der höh m. Alterthumsk. Taf. 6. Fig. 5.)
K^warj bei Prag. Dorfkirche röman. Stils auf alter Burgstelle.
KtenriBg bei Eggenburg in Niederösterreich. Die Kirche (neben
den Burgruinen), ein vielfach veränderter, ursprünglich flach gedeckter
Langbau mit einem Seitenschiff auf der Südseite, welches östlich den Thurm
trägt und mit hufeisenförmiger Apsis schliesst; das Hauptschiff mit ge-
wöhnlicher Apsis. (v. Sacken, in den Ber. und Mittheil, des Wiener
Alterth.- Vereines 5, 76 f.) — Der Karner, südlich neben der Kirche,
mit der Gruft fast über der Erde und ausgekragter Apsis des Oberraumes,
im Uebergangsstil. (a. a. O. S. 78.)
Lsas in Tirol (Vintschgau) . Komanische Kirche St. Marx mit kleiner
Krypta.
Laifea a. d. Salzach bei Salzburg. Der Thurm der goth. Stiftskirche
und die spätroman. zweistöckige Mariahilfkapelle am Kreuzgang: das vier-
eckige Erdgeschoss mit auf Kragsteinen ruhendem Gurtgewölbe, das neun-
eckige Oberstock mit flachem Tafel werk. ( S i g h a r t , Baver. Kunstgesch.
S. 218.)
Laxeubirg bei Wien. Von der 1222 geweihten, 1318 durch Feuer
beschädigten und 1799 zerstörten Capella speciosa zu Klosterneuburg ' )
sind einzelne Theile in der Kapelle und in dem Speisesaale des 1801 er-
bauten Ritterschlosses verwendet : das Portal, Säulchen und Bögen im Ueber-
gangsstil, die Marmorbekleidung der Wände etc.
LIbisck unweit Prag. Das flach gedeckte Schiff der Jacobskirche mit
einem Thurm an der Westecke, dessen Innenraum von einer Säule getragen
wird: der schmälere, polygonisch geschlossene Chor ist frühgothisch.
(Zapp, Pamdtky 1, 111 und Taf. 6 ff.)
Uebskaise« bei Laun in Böhmen (Kr. Saatz). Westthurm , schönes
Portal und Schiff der Kirche; Chor gothisch und 1852 erweitert.
Liecbtenstein bei Mödling in Niederösterreich. Die oblonge Pancratius-
kapelle auf der Burg, mit kleiner Apsis und rundbogigen Gurtgewölben
über Ecksäulen mit derben Würfelcapitälen und attischen Eckblattbasen.
LiflllBg bei Strassburg in Kärnten. Das Schiff der Pfarrkirche und die
unter dem goth. Chore befindliche dreischiffige, mit Gratgewölben im niedri-
gen Spitzbogen gedeckte Krypta.
Liru in Tirol (Iselthal) . Die Doppelkapelle des Schlosses Brück von
quadratischer Grundform mit Apsis. Der obere Raum ist von dem unteren
durch eine umlaufende hölzerne Empore, in der Apsis durch ein Steinge-
wölbe geschieden. Die Ueberwölbung des Quadrates ist gothisch.
1} Esse 11 wein, A., die Kapelle des h. Johannes des T., genannt Capeila spe-
ciosa, zu Klosterneuburg, in den Ber. u. Mittheil, des Wiener Alterth. -Vereines. 5,
1—44 u. Taf. 1—3. — Vergl. oben S. IS.
in den deutsch^Osterreichisohen Ländern. 373
UiieifeM in Niederösterreich (Kr. o. d. W. W.) . Die Kirche des 1202
gestifteten Cisterzienserklosters, ein bei der 1232 stattgefundenen Weihe
sicher noch nicht vollendeter GewOlbebau von grossartigem Orundplan in
einem Gemisch romanischer und gothischer Elemente. Die Pfeiler des aus
sechs spitzbogigen Jochen bestehenden Langhauses sind kreuzförmig und
an allen vier Seiten und in den Ecken mit Halbsäulen besetzt. Die Kreuz-
arme von je drei Jochen sind Ostlich mit einer Abseite versehen, und über
der Vierung war ehemals ein achteckiger Thurm. Im östlichsten Joche des
Langhauses haben die SeitenschifTe gleiche Höhe mit dem Mittelschiffe.
Der im halben Zehneck geschlossene , aus zwei rnndbogigen Jochen be*
stehende Chor wird von einem niedrigen rechteckigen Umgange umzogen,
welcher der jüngste Theil des Ganzen ist. Die Fenster sind überall rund-
bogig. Das nördliche Seitenschiff hat Strebepfeiler, der Obergaden und der
Chor Lisenen zwischen dem Rundbogenfries. Im Detail herrschen Knospen-
und Laubcapitäle vor. Die Quer- und Kreuzgurte des Mittelschiffes zeigen
gothische Bildung, im Querhause schlichte Bandform. Die verzopfte West-
front hat ein reiches Spitzbogenportal , dessen Schrägwände mit rothen
Marmorsäulen, in Gruppen von zweimal vier, besetzt sind, die Knospen-
capitäle von gelblichem Sandstein tragen. An das südliche Seitenschiff der
Kirche schliesst sich der prächtige im gothisirenden Uebergangsstil gebaute
Kretizgang, dessen Arkaden mit gekuppelten Marmorsäulchen ausgesetzt
sind. liCtztere, im Ganzen über 400, haben höchst zierliche Knospenca-
pitäle. Die Klostergebäude zeigen ebenfalls eine harmonische Durchdrin-
gung romanischer und gothischer Formen, (v. Sacken , im Jahrbuch der
Central-Comm. 2, 109—120 und Taf. 1—3.)
Lorck bei Enns. Das ursprünglich flach gedeckte Langhaus der Lorenz-
kirche mit einfachen Pfeilerarkaden im Spitzbogen. Der gerade geschlossene
Chor ist gothisch ; die Seitenschiffe sind gothisch verändert.
largurethei nm Iom unweit Wien, Die Dorfkirche (mit moderner
Abseite) hat im Schiff, über dessen Ende sich ein achtgiebeliger Thurm mit
Steinpyramide erhebt, über kurzen Halbsäulen zwei spitzbogige Kreuzge-
wölbe im Uebergangsstil ; der gerade geschlossene Chor hat spätgothische
Ueberwölbung. — Die kleine daneben stehende oblonge Johanniskirche
ist mit einem spitzen Tonnengewölbe gedeckt und durch eine an der Fa^ade-
mauer angebrachte , aus fünf verzierten Spitzarkaden bestehende offene
Säulengalerie ausgezeichnet, (v. Sacken, in den Mittheil. etc. [1857]. 2,
303.) Unter dem Kirchlein eine Gruft.
■lecknifJ^W bei Stemberg in Böhmen (Kr. Tabor) . Kleine Dorfkirche
mit runder Apsis und niedrigem Westthurme.
Ilbtailt unweit Villach in Kärnten. Die ehemalige Benedictinerkirche,
eine spätgothisch überwölbte und jetzt unter ein Dach gebrachte kreuzför-
mige rundbogige Pfeilerbasilika, deren östlicher aus drei fast gleich hohen
polygonisch schliessenden Schiffen bestehender Theil dem älteren west-
lichen um 1289 — 1293 hinzugefügt ist. Das Westende des Mittelschiffes
mit einer Empore öffnet sich durch ein reiches Rundbogenportal nach einer
auf den Seiten mit zwei viereckigen Thürmen verbundenen überwölbten
Vorhalle. Der spätgothisch überwölbte Kreuzgang ist in den Arkadenbögen
374 Romanische Kirchen
mit mannichfachen späUoman. Säulen ausgesetzt, (v. Ankers hofen, im
Jahrbuch etc. 4, 83—104 und Taf. 4, 5.)
IMÜBg bei Wien. Der Kamer St. Pantaleon neben der Pfarrkirche,
ein mit sechstheiligem Gratgewölbe gedeckter Rundbau mit mehr als halb-
runder Apsis, im Uebergangsstil. ')
■•kehice a. d. Iser, bei Turnau in Böhmen (Kr. Tabor). Dorfkirche
mit Westthurm, Empore am Ende des Schiffes und Apsis; seit 1852 um-'
gebaut.
■•Mkehl bei Gröbning in Steiermark. Kleine einfache^ flach gedeckte
Kirche mit Apsis und zum Theil gothisch veränderten Fenstern.
■lUkaweii ^ in Böhmen (Kr. Tabor). Die Kirche des um VI 80 ge-
grfindeten, 1190 abgebrannten ehemal. Prämonstratenserklosters , jetzt
Dechanteikirche, eine rundbogige Säulenbasilika mit zwei Thürmen
auf den Flanken der modemisirten Westfront. Am Ostende des Langhauses
hören seltsamer Weise die Arkaden auf und die Scheidmauem steigen in
schlichter Fläche auf. Das nicht ausladende Querschiff und der Chor sind
frahgothisch. Die grösstentheils unter dem Fussboden liegenden Basen der
Säulen bestehen aus abgeschmiegter Platte und Rundstab ; die Capitäle aus
einem Wulst mit vier Eckknollen unter dem viereckigen Abacus. Die
Ueberwölbung des Langhauses datirt von 1648. — Die einschiffige edel-
gothische Aegidiuskirche enthält noch die West- und Nordwand eines
früheren romanischen Baues geringerer Dimension mit bemerkenswerthen
Details.
Nieilerdorf bei Inichen in Tirbl. Die 1500 erneuerte und überwölbte
Annakapelle lässt noch den früheren zweistöckigen romanischen Bau er-
kennen.
Merbarg in Steiermark, unweit Laibach. Die einschiffige flach gedeckte
Magdalenenkirche mit einem Thurm vor der Westseite und einem
quadratischen Chor, dessen Rundbogenwölbung auf vorgekragten Ecksäul-
chen mit Knospencapitälen ruht, im Uebergangsstil. [Haas, im Jahrb. etc.
2, 213 f.) — Der Thurm der Stiftskirche.
9lnitl. Die Krypta des zum Theil gothischen, zum Theil modernen
Domes.
fnegg bei Teplitz. Der an dem frühgothischen Kreuzgange der Cister-
zienserabtei belegene Capitelsaal im Uebergangsstil.
fniach bei Yillach in Kärnten. Die Krypta der Benedictinerkirche.
PetTMiell bei Hainburg in Niederösterreich. Die cinschifilge Pfarr-
kirche ^) mit Westthurm und überwölbtem rechteckigen Chor ; das Schiff
gänzlich modemisirt. — Die Rundkapelle *) s. oben S. 17 f.
1) Sacken, Ed. v., die Rundkapelle zu Mödling u. das in derselben aufgedeckte
Freskogemaide, in den Mittheil, der k. k. Central-Comm. etc. (1^58). 3, 263 — 268
u. Taf. 11.
2) Wocel, Erasm., die Baudenkm. zu Mahlhausen in Böhmen, ebd. (1S63).
8, 1 1—16 u. S. 36—16 nebst Taf. 2.
3) Sacken, Ed. v., die röm. Stadt Camuntum, in den Sitzungsber. der Wiener
Akademie der Wissensch., philos.-histor. Kl., 9, 756 — 765 u. Taf. 6 Fig. 1 —4.
4) Ebd. Taf. 6. Fig. 6. 7 u. Taf. 7.
in den deutsch-österreichischen L&ndern. 375
Fiber unweit Gratz. Einschifiige Kirche mit Apsis und Thurm über
dem Chor; gothisch .verändert. (Haas, im Jahrbuch etc. 2, 212.)
Piaaiai bei Kolin. Die Dechanteikirche mit gothischem Chor zeigt am
Westthurm und am Aeusseren des innerlich verzopften Schiffes Rundbogen-
fries und deutsches Band.
PoilwiBee bei Jungbunzlau in Böhmen. Die kleine Kirche von quadra-
tischer Grundform mit unterwölbter, von einem Pfeiler getragener Empore
in Westen. Letztere nimmt zwei Drittel des ganzen Raumes ein und ist
gegen den Ueberrest des Schiffes durch eine mit kleinen Fenstern durch-
brochene Mauer völlig abgeschlossen. Der polygonische Chorschluss ist
späterer Anbau. Fast überreiches, aber unsymmetrisches und schwerüllliges
Ornament. (Schmitt, Abbild, etc. — Mikowef, Alterth. etc. — Wo-
cel, Grundzüge etc. auf Taf . 5 und 6.)
Porits a. d. Sazawa, unweit Prag. Die einschiffige Galluskirche
mit Krypta, deren RundbogengewOlbe von vier schlanken achteckigen
Säulen mit Würfelknäufen getragen werden. — Die einschiffige Petri-
Paulikirche. (Schmitt, Abbild, etc.)
Potwomr bei Kralowitzln Böhmen. Die 1241 gegründete Pfarrkirche,
einschiffiger Quaderbau mit Apsis und unterwölbter, von Säulen getragener
Empore in Westen. Aeusserlich Lisenen, Bogenfries und Schachornament.
Westthurm und Vorhalle später.
Prag. ^) Die Benedictiner-Nonnenkirche St. Georg ^J auf dem Hrad-
schin, nach einem Brande von 1142 um 1150 — 1179 neu erbaut und später
vielfach verändert, schlichte massenhafte Basilika mit drei Apsiden und
viereckigen Thürmen neben dem Ostende der Seitenschiffe, an der Stelle
der Kreuzvorlageu. In den Schiffarkaden kurze plumpe Pfeiler und rohe
Säulen mit kleinen Arkadenemporen Über den Seitenschiffen. Die Tonnen-
gewölbe von unsicherer Entstehungszeit. Eine Krypta mit sechs zierlichen
Würfelknauf Säulen unter dem Chorraume. (Grueber, in den Mittheil. etc.
[1856]. 1, 193—197. Fig. 3—7.) — Die Kapelle S t. Johann in vado,
unfern der Moldaubrücke am Ufer, kreuzförmig mit Apsiden an allen vier
Schenkeln; nur in Ueberresten, die zu Privathäusem gezogen sind. — St.
Michael, Basilika mit kurzen dicken Säulen. — Collegiatkirche St.
Petri-Pauli am Wissehrad , spätgothisch fünfschiffig, mit Ueberresten
einer früheren Säulenbasilika. — Prämonstratenserkirche Strahow auf
dem Hradschin, ursprünglich eine Pfeilerbasilika von 1143; umgestaltet
1579. — Die Smichower Kirche zeigt noch roman. Chorschluss. — Ueber
die Rundkapellen s. oben S. 24. (Abbild, der 1865 restaurirten Kapelle in
der Postgasse bei Schmitt, Abbild, etc.)
PrMek bei Prag. Die Kirche, deren drei Schiffe in Apsiden schliessen ;
doch ist das Mittelschiff länger und trägt an seinem östlichen Ende, unmit-
telbar vor der Apsis, einen Thurm. (Schmitt a. a. O.)
1) Hertens, Fz., Prag u. seine Baukunst in L. Förster, AUgem. Bauzeitg.
1845. 8. 15—38 nehst 2 Taf.
2)Halakovsk7, J. M., über die St, Georgskirche in Prag, im Niederlausits.
Magazin. Bd. 37. 1860.
376 Romanische Kirchen
P*ir bei Wlaschim in Böhmen (Kr. Tabor). Kleine flach gedeckte
Dorfkirche mit Apsis.
Pllkai am Manhartsberge in Niederösterreich. Kundthurmartiger
Kam er ^) im Uebergangsstil mit aber halbrunder Apsis, dessen zweites
zwölfeckiges Geschoss in ebenso vielen Giebeln endet und mit einer Pyra-
mide gekrönt ist; zierlich ornamentirt. — Der Thurm der Michaels-
kirche, welcher im Erdgeschoss einen schmalen Durchgang bildet zwi-
schen Schiff und Chor.
Raabs bei Drosendorf in Niederösterreich. Die Pfarrkirche, '^) eine
schlichte, jetzt unter ein Dach gebrachte Pfeiler basilika mit östl. Thurm,
dessen Erdgeschoss einen schmalen Yerbindungsgang nach dem goth. Chor
bildet.
Raaheneek bei Baden in Niederösterreich. Die flach gedeckt gewesene
Burgkapelle mit Apsis ; die Rundbogen thür mit einem Rundstabe umzogen,
der auf attischen Basen mit Eckwarzen steht'.
Reiehenhali bei Salzburg. Romanische Reste in der goth. Acgidien-
kirche. — Die Johann iskirche, einschiffig mit Apsis, 1147. — Die
Nicolaikirche, eine kreuzförmige Basilika mit wechselnden Pfeilern
und Säulen , drei Apsiden und einem Marmorportal, dessen Säulen Blatt-
knäufe zeigen. Der Westthurm ist gothisch.
Repy bei Prag. Romanisches Kirchlein.
Raiiig bei Saatz in Böhmen. Die überwölbte einschifllgc Jacobskirche
mit Apsidenschluss , deren Aeusse res mit pilasterartigen Lisenen, Rund-
bogenfries und Schachornament geschmückt ist. Das Säulenportal ist ver-
stümmelt.
Saliagstailt bei Schweigers in Niederösterreich. Der den Chor enthal-
tende Ostthurm der zweischifilgen goth. Kirche , an den sich ein kleiner
Altarraum schliesst.
Sallbarg. ^) Die spätgothische Nunnbergerkirche enthält an dem
Marmorportal der Südseite noch romanische Reste und westlich eine jetzt
finstere Vorhalle mit Rundbogenblenden an den Wänden; vor derselben
steht der grösstentheils zopflge Thurm. Unter den modern veränderten
roman. Klostergebäuden erscheint der Kreuzgang mit dem Capitelhause sehr
alterthümlich : die aus rechteckigen Jochen bestehenden gurtenloscn Kreuz-
gewölbe mit Stichbogenschilden ruhen auf schlichten Würfelknaufsäulen,
deren Basen das gestürzte Capital bildet ; die Oeffnungsbögen mit ähnlichen
Säulchen an den Seiten sind breiten und niedrigen Stichbogenfenstern ähn-
lich. Im Capitelsaale ruhen die vier Gewölbe, die denen des Kreuzganges
gleichen, auf einer Mittelsäule mit trapezartigem Capital und einer Wulst-
1) Sacken, Ed. v., die Rundbauten zu Scheiblingkirchen, Pulkau etc., in den
Mittheil, der k. k. Central-Comm. (I8t>(i). 5, 33S— 340 u. auf Taf. 10.
2} Feil, Jos., die Kirche zu Raabs, in C h m e 1* s Oesterr. Geschichtsforscher
2 576—580.
3) Hertens, Fz., Salzburg u. seine Baukunst, inL. Förster's Allg. Bauztg.
1840. S. 241—261 u. 5 Tafeln. — Pezolt, G., das Herzogth. Salzburg u. seine An-
grenzungen, enth. 90 landschaftl. Darstellungen, mit Text von J. G ri e s. 181 7— 1 85 1 .
— Hei der, Gust., Mittelalter!. Kunstdenkm. in Salzburg, im Jahrbuch der k. k.
Central-Comm. etc. 2, 1—62 u. Taf. 1—4.
in den deutBch-Osterreiehuchen Lftndem. 377
basis mit Eckklötzen. (Heider a. a. O. S. 16 und 17.) — Di^ Benedic-
tinerkirche St. Peter, eine verzopfte Basilika (1127 — 1131), in deren
Langhause nach niedersächsischem Muster je zwei Säulen zwischen einem
Pfeilerpaare standen. Ueber der Vierung des wenig vortretenden Quer-
hauses eine Kuppel. An der Westseite des viereckigen, oben gothischen
Thurmes ein spätroman. Säulenportal hinter einer gewölbten quadratischen
Vorhalle. Die am sfidlichen Kreuzgiebel belegene, 1227 geweihte, in zwei
rechteckigen Jochen Oberwölbte, im Innern verunstaltete Katharinenkapelle
zeigt an der Apsis den von Halbsäulen getragenen Bogenfries. Ein Theil
des Kreuzganges und die zweistöckige, oben mit ausgekragter Apsis ver-
sehene Brunnenkapelle im Uebergangsstil. (Ebd. S. 52 — 60.) — Das äus-
serlich verderbte Langhaus der Franciscanerkirche zeigt spitzbogige
Pfeilerarkaden und doppeljochige Kreuzgewölbe mit schweren Bandgurten
und Rippen. Die massigen Pfeiler sind mit starken Halbsäulen besetzt,
deren Capitälc im Mittelschiffe nur roh zugehauen, in den Seitenschiffen zu
Blattwerk ausgearbeitet sind. Die schmuck vollen Portale an der West- und
an der Südseite aus wechselfarbigem Marmor gleichen dem von St. Peter.
Der langgestreckte Chor ist spätgothisch. (Ebd. S. 37 — 44 und Taf. 4.) —
Die unbedeutende Rupertikapelle soll angeblich aus frühester Zeit
stammen.
St. Aailrä in Lavant. In dem spätgothisch überwölbten und später ver-
unstalteten Dome geringe Reste der ursprünglichen kreuzförmigen Pfeiler-
basilika aus der Zeit von 1212 — 1218.
St. BenedicteB bei Knittelfeld in Steiermark. Die Kirche, ein schmuck-
loser Rundbau mit östlich angebautem goth. Chor und flach gedecktem Schiff
in Westen.
St. Egiileil auf dem Steinfelde bei W. Neustadt. Die viereckige moder-
nisirte Kirche, deren Thurm eine Halle zwischen dem ehemals basiliken-
förmigen Schiffe und dem Chore bildet, zeigt einige roman. Ueberreste;
am Chore über dem kleebogenartig umfassten Rundbogenfenster zwei Thier-
gestalten mit Menschenköpfen in den Klauen, (v. Sacken, Archäol. Weg-
weiser S. 4 Fig. 1.)
St. VUriin bei Linz a. d. Donau. Unter der zopfigen Stiftskirche eine
Krypta mit achteckigen Granitsäulen, deren Capitäle theils rohe Blätter,
theils volutenähnliche Verzierungen haben. (Arneth, in den Sitzungs-
berichten der philos.-histor. Cl. der Wiener Akad. derWissensch. [1851].
VII. 2, die Taf. zu S. 247.)
St Horiai unweit Botzen. Einschiffige Kirche im Uebergangsstil mit
Lisenen und auf Köpfen ruhendem Bogenfries an der Apsis.
St. (ie#rgeil bei Neumarkt in Steiermark. Ruine der einschiffigen Kirche
mit Apsis.
St. ISeorgei bei Unzmarkt in Steiermark. Die einschiffige Kirche mit
Rundbogenportal und polygoner Apsis. Der runde Kamer daneben durch
die Kirchhofsmauer zerschnitten.
St. ISetrgskapelle am Berge Rip bei Raudnitz in Böhmen, mit einem
runden Thurme. (Wocel, Grundzüge etc. Taf. 6. Fig. 4.)
378 Romanwohe Kirchen
St. Ideiia am Wieserbeige bei Orafendorf in Kärnten, eine einschiffige
flach gedeckte Kirche mit Apsidenschi uss und Thurm am Ostlichen Ende
der Südseite.
St. Jacob bei Kuttenberg in Böhmen. Die Kirche «ein schmuckvoller
rechteckiger Bau (vollendet 1165), mit Apsis und mit einem westlich vor-
gelegten Quadratthurme. Am Westende des Schiffes eine von zwei Wflrfel-
knaufsäulen getragene Empore. Das Aeussere mit Wandarkaden und Bild-
werk decorirt. (Wocel, in den Mittheil. etc. [1857]. 2, 155—158. —
Passavant, in der Zeitschr. für Archftol. und Kunst 1 , 149 und
Taf. 10.)
St. JohailB bei Ourk. Romanische Kirche mit goth. Chor.
St. Jakaan bei Neunkirchen in Niederösterreich. Der gewölbte Chor
und der östliche Theil des Schiffes der im Uebrigen spätgoth. zweischiffigen
Dorfkirche im Uebergangsstil.
St Jahaan im Felde bei Knittelfeld in Steiermark. Westportal und
Chor mit Apsis an der goth. Friedfelder Kirche spätromanisch.
St Laaibrecht unweit Judenbui^ in Steiermark. Der Karner St. Mi-
chael neben der goth. Benedictinerkirche, Kundbau, dessen Qrult sich bis
unter die Apsis erstreckt. (Haas, im Jahrbuch etc. 2, 215.)
St Leaabanl unweit Judenburg. Die äussere Pfarrkirche, eine gothisch
umgebaute roman. Pfeilerbasilika.
St. Lareaiea bei Markersdorf in Niederösterreich. Die Kirche, ein an-
sehnlicher Rundbau mit Wandstreifen, vor welchen Halbsäulen angebracht
waren ; Chor spätgothisch.
St. lareia bei Neumarkt in Steiermark. Die gothisch umgebaute ein-
schiffige Pfarrkirche, deren Presbyteriura unter dem Thurme hineinreicht.
Auch der Karner ist gothisch verändert.
St ■aiiaiillaa nächst Baumkirchen in Steiermark. Flach gedeckte
Rundkapelle mit Apsis und ohne Gruft.
St Paal in Lavant. Die 1264 geweihte Benedictinerkirche , ^) theils
spätromanisch, theils im Uebergangsstil, eine spätgothisch überwölbte l^ei-
lerbasilika mit Apsiden am Chor und an der Ostseite der Kreuzvorlagen
und mit zwei im Oberbau gothisch en Westthürmen, die über der Vorhalle
eine bis ins Schiff vortretende Empore zwischen sich einschliessen. Die
rechteckigen Arkadenpfeiler sind an den Innenseiten mit Halbsäulen be-
setzt, welche die abgetreppte Bogenleibung tragen ; die Bögen selbst waren
rechtwinkelig umrahmt. Das mit reichem Sockel, Rundbogenfriese und
zum Theil mit Lisenen versehene Aeiissere ist mit zwei schönen Säulen-
portalen geschmückt, deren Detail, wie das der Halbsäulen im Innern, als
von edelster Art erscheint. Die Kirche ist 1852 restaurirt. (v. Ankers-
hofen, im Jahrbuch etc. 4, 61—82 und Taf. 1 — 3.)
St. Peter bei Gurk in Kärnten. Wohl erhaltenes roman. Kirchlein.
St Peter bei Nassenfuss in Krain. Ruine eines schlichten mit einer
Kuppel gedeckten und mit Apsis versehenen Rundbaues. (Mittheil, des
histor. Vereines für Krain 2, 85 mit Abbild.)
1) Seh roll, Beda, die Feststellang der Bauzeit der Kirche St. Paul in Kärnten,
inden Mitth. der k. k. Central-Comm. etc. (1862). 7, 78.
in den deutsch-österreichischen lAndem. 379
8t Peter im Passeirthal. Kirche im roman. oder Uebergangsetil.
St. PolteM in NiederOsterreich. Die Stiftskirche, eine ganz verunstaltete
und schon im XV. Jahrh. veränderte , aus drei in Apsiden schliessenden
Langschiffen bestehende Pfeilerbasilika mit zwei Westthürmen, nach einem
Brande von 1266 im Uebergangsstil erneuert.
St« Stephan bei Marienberg im Vintschgau. Komanische Kirche.
St. Veit bei Neumarkt in Steiermark. Der romanische Thurm der un-
bedeutenden Pfarrkirche enthält den Chor. — Ueber den K a r n e r St.
Martin s. oben S. 19.
St. Imm bei Reichenhall. Die 1126 neu begonnene Augustinerstifts-
kirche, eine spätgothisch überwölbte, theilweise verzopfte Pfeilerbasilika
ohne Querhaus mit Chorapsis, mit westlicher Thurmanlage und reichem
Löwenportal. Der Kreuzgang zeigt schöne mannich faltige Säulen mit figu-
rirten Würfelcapitälen.
ScheibliBgkirckeB ^} unweit W.- Neustadt. Die Dorikirchc, ein sehr
ansehnlicher Rundbau (um 1150 begonnen, 1189 vorhanden) mit mehr
als halbrunder Apsis. Das Innere deckt ein Kreuzgewölbe, dessen breite
Bandgurte auf Kragsteinen ruhen ; das Aeussere ist mit Wandstreifen be-
setzt, vor denen Halbsäuleu mit Eckklotzbasen und mit rohen Blatt- oder
Würfelcapitälen stehen.
Sehelkowiti bei Trebnitz in Böhmen. Die Dorfkirche, ein kleiner
Rundbau mit zierlichem Rundbogenfries an der Äpsis und als rahmenartigem
Ornament der südlich angebrachten Rundbogenthür. (Abbild, bei Schmitt,
Abbildungen etc.)
Schongraben im Kr. unter dem Manhartsberge. Die überwölbte ein-
schiffige Kirche^) mit Apsis am schmäleren Chor; das Aeussere, zwei-
stöckig behandelt, ist mit Lisenen, Halbsäulen, Bogenfriesen, deutschen
Bändern und willkürlich angebrachten ungeheuer rohen Bildwerken reich
decorirt.
Sehiniia bei Meran. Die Qeorgskapelle, ein Rundbau, dessen
Gewölbegurte von einem schlanken runden Mittelpfeiler getragen werden.
— Die kleine zweischiffige Martinskirche im romanischen oder Ueber-
gangsstil.
SeiteMtetteM bei Steier in Niederösterreich. Die (1116 geweihte) Be-
nedictinerkirche, eine ganz modernisirte Pfeilerbasilika mit goth. Chor, an
deren Nordseite sich eine im Rundbogen überwölbte einschiffige Kapelle
befindet, deren Apsis äusserlich in halber Höhe von einem durch Halb-
säulen getragenen einfachen Bogenfriese umzogen ist.
Sekktl in Ober-Steiermark. Die Augustinerstiitskirche 1 142 — 11 95,
eine aus drei in Apsiden schliessenden gleich langen Schiffen bestehende
spätgothisch überwölbte Basilika mit zwei Westthürmen. Die Arkaden-
bögen sind mit würfelverzierten Leisten rechtwinkelig eingerahmt, und die
Träger bestehen zumeist aus je zwei Säulen mit einem Pfeiler wechselnd,
1) Sacken, Ed. v., die Rundbauten zu Scheiblingkirchen etc. in Niederöster-
reich, ebd. 5, 337 f. u. Taf. 10 Fig. 1—3,
2) Heider, Ouat., die roman. Kirche su Schöngrabem in Niederöaterreich. Mit
3 Kupfertaf. u. 35 Holzschn. 1855.
380 Romanuche Kirchen
wobei die Pfeiler verschieden behandelt erscheinen. Das Detail ist schwer
und massig : attische Basen mit Eckknollen , Würfelcapitälc mit derbem
Zierwerk. Das im Zwischenbau belegene reich gegliederte Hauptportal ent-
hält in acht Abstufungen über gemeinsamem Basament Säulen, die statt der
Capitäle zum Theil nur durch ein gemeinschaftliches Kämpfergesims ver-
bunden sind. Das schlichte Aeussere mit Bogenfriesen und reichen Dach-
simsen. (Haas, im Jahrbuch etc. 2, 205 — 209.)
Sieding bei Ternitz in Niederösterreich. Ruine der einschifiigen, mit
Apsis versehenen Pancratiuskapelle unweit des Dorfes.
Skalltl im Kr. Prag. Der Chor der Dorlkirche ist romanisch, mit
Thiergestalten an der Aussenseite.
SoUeschiB im Czaslauer Kreise. Thurm und Apsis der Dorfkirche sind
romanisch.
Spitalitsch bei Gonobitz in Steiermark. Die Kirche , ein einschiffiger
Gewölbebau mit quadrat. Chor und modernem Westthurm. Am Triumph-
bogen Ringsäulen mit Knospencapitälen ; am Aeusseren Strebepfeiler, um
die sich das attische Basament des Sockels verkröpft.. (Mi tth. etc. 10, 190.)
Strakonitl a. d. Watawa bei Pisek. Die Johanniterkirche St. Prokop,
ein einschiffiges modemisirtes goth. Gebäude npiit zwei Thürmen im Ueber-
gangsstil. Dieser Periode gehört auch der Kreuzgang an, und das rund-
bogige Säulenportal, das in den verzopften Capitelsaal führt.
Strtsswalchen unweit Salzburg. Die Pfarrkirche ein roman. Gewölbe-
bau mit zierlichem Thurm.
Telfs ober Innsbruck. Gottesackerkirche, ein fast quadratischer Ge-
wölbebau, durch zwei Säulen in drei Schiffe getheilt, mit Gruft über der
P^rde.
Tepl unweit Eger. An der verzopften goth. Prämonstratenserkirche in
Kreuzform zeigen die beiden Nebenchöre und die Wcstthürme mit dem
Zwischenbau noch romanische und Uebergangsformen. (Zapp, Pamätky
1,21.)
Tetill bei Beraun in Böhmen. Die aus zwei durch einen runden Scheid-
bogen verbundenen trapezförmigen Räumen bestehende Schlosskapelle, von
denen der östliche kleinere Raum den überwölbten Chor bildet, der grössere
flach gedeckte mit einer Empore in Westen das Schiff. (Grueber, in den
Mittheil. [1856], 1, 199.)
TejB unweit Jungbunzlau. Romanische Kirche.
Theniberg 'bei W. -Neustadt. Einschiffige überwölbte spätromanische
Kirche mit Säulen-geschmückter Apsis.
Tisehiowiti unweit Brunn. Cisterzienser- Nonnenkirche, ') eine in
einfachen Jochen gewölbte kreuzförmige Pfeilerbasilika, deren Seitenschiffe
sich neben dem quadratischen Altarhause fortsetzen und wie dieses im
halben Achteck schliessen ; im göthisirenden Uebergangsstil. Die spitzen
Arkadenbögen sind , wie die mit Diensten besetzten fast quadrat. Pfeiler
fein und zierlich gegliedert. Das prachtvolle Westportal (mit den Resten
einer Vorhalle) zeichnet sich nicht nur durch das reiche Pflanzenomamen t
1 ) W o c e 1 , Eraam , die Kirche des ehemal. Cistenienser-Nonnenkl. Porta coeli
zu Tischnowitz, im Jahrbuch der k. k. Centrol-Comin. etc. 3, 249 — 27C und 4 Taf.
in den deatsch-österreichiachen Lftndern. 381
aus, sondern auch durch die zwischen den je fünf Ringsäulchen mit schönen
Knospencapitälen in Nischen angeordneten, würdevoll edelen Apostelsta-
tuen. Bei der im Jahre 1239, sechs Jahre nach der Stiftung des Klosters,
stattgefundenen Weihe war der schöne einfach edele Quaderbau der Kirche
sicherlich noch nicht vollendet. Der Kreuzgang mit dem Capitelsaal zeigt
gleichen Stil.
Tisniti bei Böhmischbrod. Die stark veränderte, aus drei gleich langen
in Apsiden schliessenden Schiffen bestehende Kirche mit zwei Westthürmen.
(Schmitt, Abbild, der Baualterth. in Böhmen.)
Toschen bei Melnik in Böhmen. Romanisches Kirchlein.
Trebitoch a. d. Iglawa. Die Abteikirche, ^) eine überwölbte Pfeiler-
basilika ohne Querschiff mit mancherlei Absonderlichkeiten, die sich am
besten aus zwei verschiedenen, aber nahe aneinander liegenden Bauperioden
der Uebergangszeit erklären dürften und daraus, dass die sicherlich erst ins
XIV. Jahrh. fallende Üeberwölbung des Mittelschiffes mit einer Art von
Rautengewölben der ursprünglichen Anlage nicht entsprach. Der recht-
eckige Chor, westlich vom Schiff, östlich von dem polygonischen Schluss
und nochmals in der Mitte durch drei übermauerte und in der Ueber-
mauerung mit kleinen Rundbogenfenstern versehene spitze Schwibbogen
von ungleicher Kämpfer- und Scheitelhöhe abgetheilt und durch volle
Mauern von den sich neben letzteren fortsetzenden in Apsiden schliessen-
den Seitenschiffen geschieden, hat noch Rundbogenfenster und äusserlich
Lisenen, den Bogenfries und das deutsche Band und besteht aus zwei qua-
dratischen, mit achteckigen Fächerkuppeln gedeckten Traveen. Ebenso ist
der den originellsten Theil des Ganzen bildende niedrigere Chorschluss mit
einem vollen Achteck überwölbt; derselbe ist innerlich unten mit spitz-
bogigen Säulenarkaden geschmückt und darüber mit schönen Radfenstem
versehen ; äusserlich ist über letzteren ein auf den verstärkten Eckpfeilern
und runden Wandbögen ruhender, von schmalen Rundbogenfenstern he-
leuchteter Mauerumgang unter Pultbedachung angebracht, über welchem
die oben mit kleinen Rundfenstern versehenen Mauern bis zu dem Dach-
gesimse aufsteigen. Unter diesem ganzen Östlichen, mit dem westlichen in
gleichem Niveau liegenden Räume befindet sich eine gänzlich unter der
Erde liegende dreischifiige Krypta, deren spitzbogige Gurtgewölbe von acht-
eckigen Säulen getragen werden, und in den einschiffigen Nebenchören von
Wandsäulen. Das mit Strebepfeilern und Spitzbogenfenstem versehene,
äusserlich schlichte Langhaus der Kirche war, wie aus der Pfeilerbehand-
lung zu schliessen , auf Üeberwölbung in drei Doppeljochen berechnet,
während es jetzt in sechs schmal gestellte Compartimente getheilt ist. Den
westlichen Schluss im äusserlich modemisirten Zwischenbau zwischen den
beiden quadratischen Thürmen macht eine niedrige, wiederum achteckig
überwölbte Vorhalle mit einer Empore darüber. Einen Glanzpunkt des
Ganzen bildet das sehr reiche, an der Nordseite hinter einer offenen Vor-
halle befindliche rundbogige Säulenportal. (Zapp, Pamätky 2, 273—280.)
]) Heider, Gust., die Benedictiner-Abteikirche zu Trebitsch in Mähren, nach
den Aufnahmen von E. Kirschner, in den Mittelalterl. Kunstdenkm. etc., heraus-
gegeben von Gu8t. Heider etc. 2, 67—90 u. Taf. 13—17.
0 1 1 e , Kontt-Arcli&ologie . 25
382 Bomaiüsohe Kirohen
TnebetcUtl bei Wlaschim in Böhmen. Die stark verbaute Pfarrkirche
mit Apsis und sechseckigem Westthurm.
TbIb unweit Wien. Kapelle, ') innen rund, äusserlich eilfeckig, mit
Ostlicher Apsis und nördlichem Portalvorbau, schmuck voll im spAtroman.
Geschmack. Darunter eine Gruft.
IlBternais bei Meran. Die einschifl^ge, dreiseitig geschlossene Maria-
Trostkirche, in der Tonne überwölbt, mit einem Seitenthurm.
Viktriag bei Klagenfurt in Kärnten. Die Cisterzienserkirche , eine
kreuzförmige Pfeilerbasilika, scheint nochTheile des 1200 — 1202 geweihten
Baues zu enthalten.
Yölkemarkt ^) unweit Klagenfurt. Die ursprünglich flach gedeckte
einschiffige Pfarrkirche St. Ruprecht, ein Oblongum mit östlich vorgelegtem
Quadratthurm, der in der gewölbten Halle des Erdgeschosses den Chor ent-
hält. Nördlich daneben ein kleiner runder Karner.
WelgeMorf bei Ebrichsdorf in Niederösterreich. Die Kirche, ein klei-
ner Quaderbau mit Apsiden vorläge an der südlichen Abseite.
Weitra in Niederösterreich . Die spätgothisch veränderte Pfarrkirche,
ursprünglich eine flach gedeckte Pfeilerbasilika (1182 — 1190) mit vier-
eckigem Ostthurm, dessen gewölbtes Erdgeschoss zwischen dem Schiff und
dem spätgoth. Chor einen Durchgang bildet. Ebenso dient der einschiffigen
flach gedeckten Gottesackerkirche die Thurmhalle als Chor.
Wels unweit Linz. In der spätgoth. einschiffigen Pfarrkirche ^) roman.
Reste, besonders das rundbogige Hauptportal mit rohen Sculpturen.
Wien. Die Kirche St. Michael, ^) zuerst vollendet 1221 und nach
einem Brande von 1275 im Jahre 1288 aus den Trümmern erstanden^ ur-
sprünglich eine überwölbte kreuzförmige Pfeilerbasilika im trefflich durch-
gebildeten Uebergangsstil , wovon sich noch das Langhaus , das Querschiff
und die Seitenmauem des in späteren Zeiten zweimal verlängerten Chores,
wenn auch theil weise verzopft, erhalten haben. — Die spätromanischen und
gothisirenden Ueberreste an der We8tfa9ade von St. Stephan^) (oben
S. 363 Fig. 176) : das reich geschmückte Hauptportal ^) und die beiden
Thürme, mit Ausschluss der späteren gothischen Abänderungen und Zu-
sätze, datiren aus der Zeit nach zwei Bränden, von denen die zuerst 1144
bis 1147 erbaute Kirche 1258 und 1275 betroffen wurde, (v. Lich-
nowsky, Denkm. Lief. 1.) — Der Thurm der Kirche St. Johann am
Alserbache mit rundbogigen Säulenfenstem.
1) Heider, Gu8t., die Kapelle der h. drei Könige in Tuln. IS47.
2) Ankershofen, Gli. v., Kirchl. Baudenkm. des M.-A. in Völkermarkt, in
den Mittheil, der k. k. Central-Comm. (1856). I, 141 — 145.
3) Sacken, Ed. v., die Stadtpfarrkirche zu Wels in Oberösterreich, ebd. S.
227—229.
4) Lind, C, die Kirche St. Michael in Wien, in den Berichten u. Mittheil, des
Wiener Alterth. -Vereines 3, 1 — 59 u. Taf. 1 — S. Ein Aussug aus dem Texte in den
Mittheil, der k. k. Central-Comm. (1859). 4, 305— 308.
5) Einige Details von dem ältesten Tbeile des St. Stephansdomes zu Wien, ebd.
(1864). 9, 269 — 278 u. Taf. 13 — 15 (nach Zeichnungen von Leop. Oescher).
6} Melly, Ed., das Westportal des Domes zu Wien in seinen Bildwerken u.
seiner Bemalung. 1 850.
in den deut6ch*68terreichiBchen Ländern. ggg
WieMer-NeaiUii Die Westthürme und das Langhaus der Marien-
kirche ') (geweiht 1279), erstere stattlicher als die von 8t. Stephan in
Wien, letzteres, ein Gewölbebau, im Innern schwer und unentwickelt, mit
plumpen Pfeilern und abgetreppten Spitzarkaden, im Aeussern mit feinem
spätroman. Detail, besonders an den schmuckvollen Portalen. Der Kamer,
südlich zur Seite der Kirche, ist sechseckig mit runder Apsis und einem
später angebauten gothischen Schiff.
WIMugSMtaer bei Regelsbrunn in Niederösterreich. Kleine einschiffige
Kirche mit gerade geschlossenem Chor, rundbogig Überwölbt und äusserlich
mit reichem Bogenfries.
Wiaiiiseh-Iatrei im Iselthal (Tirol) . Das nahe gelegene gothisch ver-
änderte Wallfahrtskirchlein, einschiffig mit quadrat. Ostthurm, in dessen
Unterraume zwei Kapellen über einander liegen. (Tinkhauser, in den
Mittheil. etc. [1857]. 2, 178 f. Fig. 3—5.)
Wolfsberg bei St. Andrä in Lavant. Die Pfarrkirche mit reichem Portal
ist Umbau einer Pfeilerbasilika.
Zabori bei Teinitz in Böhmen (Kr. Czaslau) . Die Dorfkirche ^) be-
steht in ihrem älteren Theile aus einem quadratischen, durch vier Säulen
mit Würfelknäufen in drei überwölbte Schilfe getheilten Raum, ehemals
mit östlicher Apsis, und auf den vier in die Mitte gestellten Säulen erhebt
sich ein Thurm. Südlich befindet sich ein grösserer rechteckiger Anbau
aus späterer Zeit mit einem von dem älteren Theile hieher versetzten schön
omamentirten rundbogigen Säulenportal.
leioberg bei Meran. Die schmucklose Schlosskirche, die aus zwei
rechteckigen, neben einander belegenen, ehemals flach gedeckten zwei-
stöckigen Kapellen mit Apsidenschlüssen besteht, mit einem kleinen Thurm
an der Langseite der südlichen Kapelle und einem aus weissen und rothen
Marmorquadem bestehenden, mit Thierreliefs geschmückten spätroman.
Portal an der nördlich belegenen Kapelle. (Eggers, im Deut. Kunstbl.
9, 139 f.)
tuia an der Taya in Mähren. Die Burgkapelle (im Militärspital],
ein Rundbau mit Apsis.
ZwetI am Kampflusse in Niederösterreich. Der Kreuzgang mit dem
sechseckigen Brunnenhause neben der gothischen Cisterzienserkirche in
einem reichen Uebergangsstil ; am prachtvollsten ist der am meisten den
romanischen Charakter bewahrende Nordflügel. Das östlich liegende Ca-
pitelhaus, ein überwölbtes Quadrat mit einer Mittelsäule, ist noch rund-
^fi»^^- (^* Sacken, in den Mittelalterl. Kunstdenkm. etc., herausgegeben
von Heider etc. 2, 51—57 und Taf. 7. 10. II.) — Die Kirche des
Klosterspitals , geweiht 1218, ein einschiffiges Rechteck mit Apsis und
Rundbogenfenstern ; das Innere modemisirt.
1) Sacken, £d, v., die Liebfrauenkirche zu W.-Neustadt in Niederösterreieb,
in den Mittelalterl. Kunstdenkm. etc., herausgegeben von Gust. Heider etc. 2^
176-196 u.Taf. 31—36.
2) Wocel, J. Erasm., die roman. Kirche zu Zähorz in Böhmen, in den Mittheil,
der k. k. Centrsl-Comm. (1857). 2, 1 16—1 19 u. Fig. 1—7.
25»
384 Romanische Kirchen
Anmerkung. Romanische Theile und Ueberreste finden
sich noch an sehr vielen Kirchen in den deutsch-österreichischen Ländern ;
wir nennen :
In den Alpenprovinzen:
Admont in Steiermark (Reste der 1865 abgebrannten Benedic-
tinerkirche ?) , B u r g e i s im Vintschgau (Portal) , Dietmannsdorf bei
Rottenmann in Steiermark, Fei st ritz bei Knittelfeld, Gais bei Bru neck
im Thal Taufers, Gösting bei Gratz (Burgkapelle), Gr. Sonntag bei
Friedau in Steiermark, Hallein bei Salzburg (Thurmbau), Hohen-
berg bei Irdning in Steiermark (Kapelle), Jahring bei Marburg in
Steiermark (Kamer), Kobenz bei Knittelfeld, Mals im Vintschgau
(Thürme), Mariahof bei Neumarkt in Steiermark (Nicolaikapelle),
Marienberg im Vintschgau (Pprtal) , M a r 1 i n g bei Meran (Thurm) ,
Naturns im Vintschgau, Rad Stadt a. d. Enns (Thurm der Haupt-
kirche) , Saldenhofen unweit Marburg in Steiermark , S t a m b s im
Innthal (Theile der Cisterzienserkirche) , Taufers in Tirol (Burgka-
pelle), Ter laut bei Meran, Tirol (Theile der Schlosskirche) , Tra-
boch bei Walpern in Steiermark (Sacristei) , Villach in Kärnten
(Thurm der Stadtkirche) .
Im Erzherzogthum Oesterreich:
Eggenburg (Thürme der Stephanskirche), Emmerberg bei
W. -Neustadt (Schlosskapelle), Emmersdorf bei Melk (Pancratiuskap.
in der Nähe), Enzesfeld bei W.- Neustadt , Fischament unweit
Wien (Chor), Globnitz bei Zwetl (Thurm, zugleich Chor), Hoch-
wolkersdorf bei W. -Neustadt, Klein-Mariazell unweit Baden
(Portale) , Krems (Thurm der Piaristenkirche) , Moosbrunn bei Him-
berg (Thurm) , Neunkirchen bei W. -Neustadt (Thurm) , Pötten-
dorf (Kapellenthurm) , Regelsbrunn bei Petronell, Scheuchen-
stein unweit W.- Neustadt (Theile des Schiffes), Solenau unweit
Baden (Details bei v. Sacken, Archäol. Wegweiser S. 56 Fig. 101),
Spital bei Weitra (Thurm am Ostende), Starhembergbei W. -Neu-
stadt (Schlosskapelle) , Urschendorf bei W. -Neustadt (Portal aus St.
Egiden als Quelleneinfassung, Detail a. a. O. S. 57 Fig. 104), Weid-
mannsfeld bei W. -Neustadt (Chor) , W e i n z i e r 1 bei Weissenkirchen
(Thurm).
In Böhmen und Mähren :
Albrechtitz im Budweiser Kr. (Thurm), Brada bei Jitschin,
Budin im Leitmeritzer Kr. (Kirche am Friedhofe) , Brozan ebd.,
Charwatez im Rakonitzer Kr., Cirkwitz bei Kuttenberg (Thurm),
Czabonosi bei Planian, C z a s 1 a u (Dechanteikirche , Reste) , C z e 1 a-
kowitz unweit Prag (Dechanteikirche, Reste), Czestin im Taborer Kr.
' (Thurm und Portal), Dobrzichow bei Kolin, Hoch-Aujezd im
* Königgrätzer Kr. , H o w o r z o w i t z bei Prag, H ru si tz bei Prag (Portal) ,
Jankau unweit Tabor, Iglau in Mähren (Portal der Dominicaner-
kirche), Klein-Boz im Pilsener Kr., Lanschau im Jitschiner Kr.,
in den deuUeh* Österreich lEcben Ländern.
3S5
Lad^an im t'hrudimer Kr. (Thurm), Libschan im Kdniggrjltzer Kr.,
N a e si e r a c x bti Wlastlum (Thurm] , N c i> o m u k utnveit Pilsen [Portal
der alten Pfarrkirche], Ncuendorf bei BrQx (l'ortalj^ Pcrtoltitz bei
KulUnberg (Thvirm) , SautilK im Czaülaucr Kr. l Thurm), Turn au bei
J uiigbunKlau (Thurm der FranciscancrkircheJ , W e i s s k i r c h c n (Wino*
wen] bei Melnik (Kirche in Form den griechischen Kreuzes; Schmitt,
Abbikl.'i, Wrbuo bei Melnik (Chor).
Fig. l7Ta. Votii nördlichen Tortal der A^iU-ikirchi' Ju TrcbEttch (natli Kirjctmer). Yer^Lttbeu 3. 39t.
Fig. 17'^. Dom xu Bamberg (nach Chapuy).
387
IV. In Pranken und Hessen.
Literatur : D i 1 i c b, W., Neue Chronica u. Beschreib, des Landes Hessen.
1604. — Schöpf, Greg., Histor.-statist. Beschreib, des Hochstifts Warzburg.
1802 — Heller, Jos., u. JTäck, H. J., Beiträge zur Literar- u. Kunstgesch.
Jg2l. — Heller, Jos., Handbuch für Reisende in dem ehem. fränk. Kreise.
182S. — Heeringen, Gust. v. , Wanderungen durch Franken. 1839. —
Landau, G., Beschreib, des Kurfflrstenth. Hessen. 1842. — Derselbe,
Malerische Ansichten von Hessen. 1842. — Eberhard, H. W., National-
Archiv für Deutschlands Kunst u. Alterth. Lief. I —3 mit 36 Tafeln. — Eber-
lein, G., Rangau - Album , in 25 skizz. Aquarellen. — Waagen, G. F.,
Kunstwerke u. Künstler in Deutschland. Theil 1 : im Erzgebirge u. (S. 72 bis
390) in Franken. 1843. — Spruner, C. L. v., Handbuch fOr Reisende auf
dem Main. 1843. — Dieffenbach, Fh., Auszug aus dem Tagebuche einer
im Auftrage des histor. Vereines unternommenen Reise, im Archiv ftlr hess.
Gesch. u. Alterthumskunde. IV. 2u. V. 1 u. 2. 1843 u. 1846.— Beckstein,
L., Kunstdenkm. in Franken u. Thüringen. Heft 1. 1844. — Eye, A. v.,
Rcisestudien in Franken u. Schwaben, im D. Kunstbl. 1856. No. 34 u. 36. —
Denkmäler der deut. Baukunst, dargestellt von dem hess. Verein für die Auf-
nahme mittelalterl. Kunstwerke zu Darmstadt. Bd. 1. 1856 etc. — Wipper-
mann, C. W., Notizen über das Alter der Kirchen in Hessen, in derZeitschr.
des Vereins für hess. Gesch. u. Landeskunde. VII. 1 u. 2. 1859. — Mittel-
alterl. Baudenkm. in Kurhessen, herausgegeb. von dem Verein für hess. Gesch.
u. Landeskunde. Lief. 1—4. 1862—1865.
Vorbemerktiiig.
83. Die ältesten, freilich nur unbedeutenden, aber durch ihr ge-
sichert hohes Alter sehr bemerkenswerthen Baudenkmäler in diesen
mitteldeutschen Gegenden, die zuerst durch den h. Bonifacius der
christlichen Kirche gewonnen wurden und in baulicher Beziehung
unter dem Einflüsse der angrenzenden älteren rheinischen Culturländer
standen, finden sich in Fulda (oben S. 285), wo indess an die Stelle
der ehemaligen Benedictinerkirche, einer doppelchörigen Sftulenbasi-
lika aus dem IX. und X. Jahrhundert, seit 1697 leider in dem heu-
tigen Dome ein zopfiger Neubau getreten ist, und auch die herrliche
Säulenbasilika von Hersfeld, die nach einem Brande von 1038, fast
gleichzeitig mit Limburg a. d. H. (oben S. 332) und unter der Leitung
desselben Baumeisters, des berühmten Cluniacenser - Abtes Poppe von
Stablo, begonnen ward, liegt, von den Franzosen im siebenjährigen
Kriege zerstört, in Trümmern, welche nur noch die in edler Einfach-
heit unübertroffene Grossartigkeit der Anlage (s. den Grundriss S. 4 5
Fig. 1 7) bewundern lassen. Unter den wenigen hessischen Pfeilerba-
siliken zeichnet sich die Prämonstratenserkirche zu Ilbenstadt (1123
bis 1159) durch reiche Gliederung der Arkadenbögen aus und zwar in
einer Weise, die an thüringische Beispiele erinnert, während die mit
vier Halbsäulen besetzten Pfeiler theils ^dereckigen, theils runden
388 Romanische Kirchen
Kernes sind : eine Art der Abwechselung, diÄ sich an keine der bis-
herigen Schulen anschliesst. In Franken sind St. Jacob zu Bamberg
(geweiht 1109) und die Klosterkirche von Heilsbronn (geweiht U36)
Säulenbasiliken im schwäbischen Geschmack; in St. Burchard zu
Würzburg (1033 — 1042) wechseln kurze Säulen mit Pfeilern; dagegen
sind der dortige Dom und die Schottenkirche St. Jacob daselbst, sowie
die Michelsbergerkirche in Bamberg (alle drei leider modemisirt) Pfei-
lerbauten ^ wobei die Würzburger Schottenkirche (1134 — 1146) mit
ihren gleich langen, in neben einander liegenden Apsiden schliessenden
Schiffen und den beiden über dem östlichen Ende der Seitenschiffe
aufsteigenden Thürmen den süddeutschen Typus repräsentirt. Der
Gewölbebau tritt erst in Verbindung mit dem Spitzbogen auf: in der
Cisterzienserkirche zu Bronnbach (begonnen 1157) nach einem dem
französisch- romanischen Tonnengewölbe entsprechenden, im Detail
jedoch eigenartigen Systeme, und in der Benedictinerkirche zu Fritzlar,
bei einer zwar bereits umfassenderen Anwendung des Spitzbogens,
aber ebenfalls noch in verhältnissmässig strengen romanischen Formen;
dagegen zeigt die künstlerische Behandlung des Domes zu Bamberg
(oben S 44 Fig. 16 und S. 386 Fig. 178) überall die spätromanische
Bildung, im Innern in edler Einfachheit, am Aeusseren in grossartiger
Pracht. — Wie der polygone Schluss der Benedictinerkirche zu Fritzlar
mit seiner Zwerggalerie im allgemeinen an rheinische Formation, im
besonderen an St. Paul zu Worms erinnert, so zeigt die Ostpartie der
Pfarrkirche von Gelnhausen, mit einem Kuppelthurm über der Vie-
rung, das zierlichste und reichste Spiel spätest - romanischer nieder-
rheinischer Decoration in anmuthigster und glänzendster Entfaltung.
Im Detail kommt in der Frühzeit, im Langchore von Hersfeld,
die Decoration der inneren Wände mit Reihen von schlanken Bund-
bogenblenden vor, ohne Zweifel als Uebertragung aus dem verwandten
rheinpfalzischen Bau von Limburg a. d. H. Die ältere Capitälform
ist der schlichte Würfel, der in der Krypta von Hersfeld allmählich
aus der unteren Abrundung in das obere Viereck übergeht, und in St.
Jacob zu Bamberg mit einem einfach gegliederten hohen Kämpfer-
gesimse gekrönt ist. In St. Burchard zu Würzburg haben die Säulen
einfache Würfelknäufe mit nach unten convergirenden Seitenflächen
und mit vier oder acht an der Rundung herablaufenden Riemchen. In
der Uebergangsperiode herrscht das kelchförmige, zuweilen schlichte,
gewöhnlich mit Knospen oder mit dem schönsten und mannichfachsten
Blattwerke geschmückte Capital vor; s. oben S. 313 Fig. 164 und 165
die Beispiele aus dem Kreuzgange zu Aschaffenburg. — Die Oma-
in Franken und Hessen. 3g9
mentik in Franken ist (nach Mertens) scharfer in der Zeichnung und
ungefügiger in der Zusammensetzung als in Thüringen und Sachsen.
Die Traditionen des Landes weisen auf den Mittelrhein hin : der Dom
zu Bamberg in seiner bunt geschnitzten Verzierungsweise ist wie eine
Fortsetzung der einfacheren des Domes von Worms, und Würzburg
erinnert in seiner Baukunst an Mainz. Sporadisch kommen in Nürn-
berg und in der Umgegend arabische Blatt- und Bandmuster vor.
Vergl. Schnaase, Kunstgesch. IV. 2, 145—149; V, 314—316; 373 bis
377; 433 f.; 443—415; 451-457; 464 f.; 577 f. — Kugler, Gesch. der Bau-
kunst 2, 456—480. — Lübke, Gesch. der Architektur. 3. Aufl. S. 351 bis
355; 371 — 377. — Otte, Gesch. der deut. Baukunst S. 242—248. — Mer-
tens, das Abendland während der Kreuzzüge S. !9.
kUemtmrt bei NQmberg. Rundkapelle ^) mit Kuppelgewölbe und jün-
gerer Apsis; vergl. oben S. 23. IV.
Anhauei im Rezatkreise. Theile der Benedictinerkirche^ einer Basilika
mit zwei Thürmen ; andere Theile gothisch von 1333 und 1519.
Ansbarg a. d. Wetter, unweit Grünberg. Ruine der Cisterzienser-
kircbe, Qewölbebau im Uebergangsstil ; der Ostliche Theil der Doppeljoche
des Langhauses rundbogig, der westliche spitzbogig. Die Mittelschiffge-
wölbe sechstheilig, auf vorgekragten Gurtträgern. Um den gerade geschlos-
senen Chor ein niedriger Umgang mit kleiner Apsis. Nebenapsiden an den
Kreuzarmen. Ueber der Vierung ehemals ein achteckiger Thurm, und vor
der Westfront eine geschlossene niedrige Vorhalle. Der Capitelsaal mit dem
Dormitorium darüber gleichfalls im Uebergangsstil, doch schon gothisirend.
(Fz. Hub. Müller, Beiträge 3. Taf. 5. — Gladbach [Moller HI.],
Denkm. Taf. 52—60. — Förster, Denkm. 6, 19—22 und 2 Taf.)
Aschaffeabarg. ^) Die Stiftskirche, ^) eine ursprünglich flach, jetzt im
Zopfgeschmack gedeckte Pfeilerbasilika 1116 — 1120, mit einer in spätrem.
Zeit eingebauten, von vier Säulenreihen getragenen unterwölbten Empore
am Westende. Das Querschiff und der gerade geschlossene Chor, spitz-
bogig im Uebergangsstil überwölbt. Der Thurm an der südwestl. Ecke des
Langhauses spätgothisch. (Lotz 2, 18.) — Der nordöstlich belegene Kreuz-
gang im Uebergangsstil, zwar nur mit Holzdecke, aber ausgezeichnet durch
viele feine (nur 6" dicke) auf das mannichfachste geschmückte Säulchen
(oben S. 313 Fig. 164 und 165) und die eigenthümliche Bogenconstruction.
(Moller, Denkm. I. Taf. 14 — 16.)
. Am bei Hammelburg. Ruine des 1108 gegründeten Klosters. ^) Die
1) Soden, F. v., Histor. - topograph. Beschreib, der uralten Kapelle zu Alten-
furth. 1834.
2) Itittel, M. B., u. Riedel, Alb. , die Bauomamente aller Jahrhunderte an
Gebäuden der Stadt Aschaffenburg. Lief. 1—12. 18r2— 1861.
3) May, J., Beschreib, der vormal. CoUegiat-Stiftskirche zu den h. Peter u.
Alexander in Aschaffenburg, nebst H Taf., im Archiv des histor. Vereins von Unter-
franken u. Aschaffenburg. IV. 2, 1—210.
4) Rein in g er, N., die Benedictiner- Abtei Aura an der fränk. Saale etc., a. a. O.
XVI. 1, 1—96.
390 Romanüche Kirchen
Kirche, eine flach gedeckte Pfeilerbasilika mit zwei Tharmen zur Seite der
Apsis, ist gänzlich modemisirt.
labeBhailsei bei Aschaffenburg. Die spätgoth. Pfarrkirche^} von 1472
enthält in ihrem flach gedeckten Mittelschiff und Thurm die Reste einer
kleinen spitzbogigen Säulenbasilika.
lasberg. ^ Der Dom, ^) ein doppelchöriger, vierthürmiger Gewölbe-
bau mit westlichem Querschiff, innerlich im Spitzbogen, äusserlich im Rund-
bogen, umgebaut aus einer ursprünglich flach gedeckten Pfeilerbasilika und
1237 geweiht; der gothisirende Westtheil sammt dem Oberbau der West-
thürme 1257 — 1274 etc. Von den beiden Krypten enthält die Ostliche vier-
zehn, theils Tunde, theils achteckige Säulen ; die westliche ist unbedeutend.
Reiche Prachtportale zu den Seiten der östlichen Apsis, und in der Mitte
des nördlichen Seitenschiffes: die Fürstenthür. Restaurirt 1828 — 1837.
(Förster, Denkm. 3, 33—40 und 6 Taf. — Chapuy, AUemagne
Livr. 11. — Kallenbach und Schmitt Taf. 22. — Kugler, Kl. Sehr.
1, 152—162. — Vergl. oben S. 44 Fig. 16, S. 310 Fig. 161, S. 386
Fig. 178.) — Die Thürme der Pfarrkirche St. Gangolf in ihren spät-
romanischen Untergeschossen. — Die Stiftskirche St. Jacob mit goth.
Chor scheint in ihren verzopften roman. Theilen aus zwei verschiedenen
Bauperioden herzurühren. Das jetzt westlich belegene Querschiff, an dessen
Ostseite sich zwei Apsiden und zwei viereckige Thürme schliessen, könnte
einem älteren Bau angehören, in dem es die gewöhnliche östl. Lage hatte,
so dass das gegenwärtige Langhaus mit seinen durch Säulen getrennten
* Schiffen (1073 — 1109) an die Stelle eines dreischifilgen Altarhauses ge-
treten wäre. (Lotz 2, 36.) — Die Katharinenkapelle (in der Hof-
haltung am Domberge) , zweischiffig mit Würfelsäulen, einem Portale und
zierlichem Fries an der Apsis. — Der roman. Bau der Michelsberger
Kirche, ^) einer durch den Zopf gänzlich entstellten Pfeilerbasilika, dürfte
nicht mehr der 1021 geweihte ursprüngliche sein, sondern gehört erst dem
XII. Jahrb. an, wo 1147 Vergrösserungsbauten stattfanden; der Chor ist
gothisch. — Die Thürme der zopfigen Kirche St. Stephan *) im Ueber-
gangsstil. — Ein Theil des Westbaues mit dem Portal der zopfigen Theo-
dorkirche (Karmeliter) spätromanisch. Reste des Kreuzganges im zier-
lichen Uebergangsstil. (Kallenbach und Schmitt Taf. 21 No. 7.)
latteifeM bei Frankenberg. Die Kirche, ein der Seitenschiffe be-
raubter kreuzförmiger, spätroman. Gewölbebau mit rechteckigem Chor und
rechteckigem Westthurm. Die Kreuzarme mit Tonnengewölben. (Denkm.
der deut. Baukunst, dargestellt von dem hess. Verein zu Darmstadt. Bd. 1.)
1) Franck, die luth. Pfarrk. in Babenhausen, im Archiv für Hess. Gesch. u.
Alterthumskunde IX. J, 15—29.
2) Murr, C. 6. v., Merkwürdigkeiten der fürstbischöfl. Residenzstadt Bamberg.
1799. — Jäck, H. Joach., Bamberg u. dessen Umgebungen. 1813. — Heller, Jos.,
Taschenb. von Bamberg. 1831. — Derselbe, Uebersicht der Kunstdenkm. su Bam-
berg, in Mone, Anzeiger für Kunde der deut. Vorzeit 3, 113 — J20 ; vergl. Berichte
über das Wirken des histor. Vereines des Obermainkr. zu Bamberg 8, 29—59.
3) Landgraf, M., der Dom zu Bamberg. 1836. — Heller, Jos., Gesch. der
Domkirche zu Bamberg. 1837. — Derselbe, der Dom zu Bamberg. 1843.
4) Jftck, H. Joach., Gesch.. der Abtei MicheUberg. 1826.
5) Heller, Jos., Gesch. der protest. Pfarrk. zum b. Stephan in Bamberg. 1S30.
in Franken und Heasen. 39 1
bei Breitenbacb. Barbarisirte Ueberreste der 1682 abge*
brannten einscbiffigen Kreuzkirche des 1218 hieher verlegten Nonnenkl.
im Uebergangsstil. (Lotzl,83.) •
IreiteiM bei Cassel. Kirche des 1113 gegründeten Benedictinerkl.,
eine seit 1579 verstümmelte und profanirte Pfeilerbasilika mit Apsiden an
den Kreuzarmen und spätgoth. Chor, überwölbt 1508. Zwischen den beiden
unvollendet gebliebenen Westthürmen eine gewOlbte Vorhalle mit Empore.
Die Arkadenbögen des Schiffes mit rechtwinkeliger Einrahmung. (Hase,
Baudenkm. Niedersachsens 1, 117 — 128 nebst Taf. 27—29. — Förster,
Denkm. 8, 13 f. und 2 Taf.)
ireid-L^reaiei unweit Schweinfurt. Spätroman. Kirche. (Details bei
Heideloff, Ornamentik 18, auf Taf . 3.)
ir»MsUrchei bei Frankenberg. In der Kirche zwei roman. Doppel*
Joche des Mittelschiffes mit dicken viereckigen Pfeilern; die Gewölbe ohne
Kippen zwischen den auf den rechtwinkeligen Vorlagen der Hauptpfeiler
ruhenden Rundbogengurten. (Denkm. der deut. Baukunst, dargestellt von
dem hess. Verein zu Darmstadt. Bd. 1.)
irtubach bei Wertheim. Cisterzienserkirche im Uebergangsstil, eine
in Doppeljochen überwölbte Pfeilerbasilika mit Säulen statt der Zwischen-
pfeiler. An der Ostseite der Kreuzarme abseitenartig je zwei niedrige Ka-
pellen; das Altarhaus mit Apsidenschluss. (Schnaase, Kunstgesch. 5,
423 und 425. — Kugler, Gesch. der Baukunst 2, 462 f.)
iirg - liSlBgei ') bei Cassel. Die Ruine der ehemal. Klosterkirche,
einer Basilika ohne Querschiff (Schutthaufen) ; nur ein achteckiger West-
thurm über niedrigem viereckigen Unterbau ist erhalten. (Hase, Baudenkm.
Niedersachsens. Heft 4. Sp. 129—132 und Taf. 30.)
Ivttbach bei Friedberg. Die Marcuskirche, eine gothisch umgebaute
ursprünglich flach gedeckte spitzbogige Pfeilerbasilika mit Rundstäbchen
an den abgeschmiegten Ecken der viereckigen Pfeiler. (Lotz 1, 132.)
Calderi bei Marburg. Nonnenklosterkirche, im Uebergangsstil, eine
Basilika ohne südl. Seitenschiff mit Spitzbogenkuppeln. (Lotz 1, 134.)
Baalphe unweit Marburg. Roman. Kirche mit viereckigem Ostthurm.
Ehrach unweit Bamberg. Cisterzienserkirche im Uebergangs-
stil, geweiht 1285, eine kreuzförmige, in rechtediigen Jochen überwölbte
Pfeilerbasilika mit Umgang um den gerade geschlossenen Chor, an den sich
ein zweiter noch niedrigerer schliesst, der durch Scheidewände in Kapellen
getheilt ist. (Vergl. oben S. 89 Fig. 35. — v. Heeringen, Wande-
rungen. — Details bei Grueber, Vergleich. Samml. I. Taf. 13 und II.
Taf. 10.) — Die Michaeliskapelle am nördl . Kreuzarme der Kirche,
kreuzförmig, mit Ringsäulen und Kleebogenblenden im Innern.
Elchstädt« Der Dom, ^) ein theils gothisches, theils zopfiges Gebäude,
(ursprünglich eine doppelchörige Pfeilerbasilika mit östl. Krypta aus dem
XI. Jahrh.) enthält in den östlich stehenden Thürmen und am nördlichen
Seitenschiffe romanische Uebcrrestc ; der gerade geschlossene Westchor
1) Schlereth, das Kloster Hasungen, in der Zeitschr. für hess. Gesch. u.
Landeskunde. III. 2, 1 37-^159. Mit 2 Taf.
2) Becker, C, der Dom zu Elchstädt, im D. Kunstbl. 1853. 8. 444 f.
392 Romanische Kirchen
scheint aus der Uebergangsperiode {1259 — 1269) zu datiren. — Der Kreuz-
gang theils romanisch, theils im Uebergangsstil. (Wiebeking, Baukunde.
Taf. 61. — Sighart, Bayer. Kuiretgesch. S. 169 und 232.)
l^rankAlTt a. H. In dem goth. Bau der Leonhardskirche findet
sich ein älteres spStroman. Gebäude eingeschachtelt, woran zwei mit Scul-
pturen, dem Zickzack etc. reich verzierte Portale besonders bemerkenswerth
sind. (Moller, Denkm. I. Taf. 11.) — Die Doppelkapelle in einem noch
erhaltenen halbrunden Thurme des ehemal. Saalhofes, ^) anscheinend
aus dem XII. und XIII. Jahrh. ; vergl. oben S. 21.
Praaei-Aarach bei Herzogen -Aurach. Reich spätroman. Kirche; das
Portal ähnlich den Westportalen von St. Sebald in Nürnberg.
Praaeirtde bei MOnnerstadt. Ziemlich erhaltene Kirche des 1231 ge-
gründeten Cisterzienser-Nonnenkl osters. (Details bei Heideloff, Orna-
mentik. Heft 18 auf Taf. 3.)
fritllar. Die Stiftskirche, ^) eine spitzbogige, in Doppeljochen über-
wölbte Pfeilerbasilika mit Querschifif und füniseitiger Apsis. Die Haupt-
pfeiler sind sehr breit rechteckig, an der Vorderseite mit Vorlagen, die sich
zu Spitzbogenblenden zusammen wölben ; sodann an beiden Fronten mit
nochmaligen Pilaster vorlagen, die, mit einem Bündel von drei Halbsäulen
besetzt, die Scheidgurte der Gewölbe tragen. Die quadratischen Zwischen-
pfeiler mit einer Halbsäule auf jeder Seite. Die weiteren Details meist
schwer und barbarisircnd ; die Capitälgesimse der Pfeiler völlig nach der im
Wormser Dome angewandten Bildung. Unter dem Chore und der Vierung
eine dreischififige Säulenkr}'pta mit einem Nebeniaume unter dem nördl.
Kreuzarme. Jünger als die erwähnten, gewöhnlich einer Bauperiode nach
1171 zugeschriebenen Theile ist die sich in der vollen Breite vor die beiden
roman. Westthürme und den roman. Zwischenbau legende überwölbte vier-
schiffige Pfeilervorhalle mit zierlichem Detail, angeblich nach 1232. (Glad-
bach [Moller III.], Denkm. Taf. 4—6 imd 24.)
Palda.^) Das der altchristl. Michaeliskapelle (oben S. 285) auf-
gesetzte Obergesohoss, das kleine westlich hinzugefügte Langhaus mit dem
Thurme, die aussen gerade und innen rund geschlossene Apsis, sowie die
südliche Vorhalle. Die in dieser Gestalt 1092 geweihte Kirche, nach einer
Verunstaltung von 1716, seit 1854 hergestellt. — Die y^ Meile von der
Stadt entfernte Petersberger Kirche (oben S. 285) ist 1479 aus einer
roman. Pfeilerbasilika einschifiig umgebaut und zeigt an den Chormauern,
sowie an dem östlichen und dem westlichen Thurme noch Spuren des äl-
teren Baues. — In dem südwestlich vor der Stadt belegenen Kloster St.
1) Krieg y. Hochfei den, G. H., die ftl testen Bauwerke im Saalhof zu Frank*
fürt a. M., im Archiv für Frankfturts Gesch. u. Kunst I. 3, 1—27 nebst Taf. 1—26. —
Rado vitz, J. M. y., die Kapelle im Saalhof zu Frankfurt a. M., ebd. 1, 1 17— i2S
nebst Taf. 1—3.
2) Hoff mann, F., u. Dehn-Rotf eiser, H. v., die Stiftskirche St. Petri zu
Fritzlar, als Lief. 3 der Mittelalter!. Baudenkm. in Kurhessen. 1865. — Vergl.
Deutochland. 1857. Beilage zu No. 2S6.
3) Schlereth, der Dom u. die vorigen Ilauptkirchen in Fulda, in Schnei-
der'« Buchonia I. 2, 85—151 u. II. 1, MS— 201. — Vergl. oben S. 285 Nota 4 u. 5.
in Franken tmd Hessen. 393
Andreasberg (Neuenberg) soll der frabromanische Chor der Kirche noch
von dem 1023 geweihten Stiftungsban herrühren. Spätromanisches Detail
auch in den Klostergebäuden.
debnidda bei Nidda. Der unsymmetrisch gestellte Westthurm und das
kleine basilikale in drei Jochen überwölbte Langhaus der Kirche in gothi-
sirendem Uebergangsstil ; Chor gothisch. (Gladbach [Moller III.],
Denkm. Taf. 16—18.)
delahaiseB* ^) Die Pfarrkirche St. Maria, an deren älteren schwer
roman. Westthurm sich ein basilikaler spitzbogiger Pfeilerbau mit flacher
Decke und gothisch veränderten Seitenschiffen schliesst, ist durch die reiche
und malerische Gestaltung der Östlichen Theile eines der ausgezeichnetsten
Beispiele des Uebergangsstiles. Ueber den halbrunden Apsidiolen des
Querschiffes erheben sich leichte Achteckthürme und über dem kuppel-
artigen Gewölbe des Kreuzmittels ein dritter achteckiger Thurm mit ge-
brochenbogigen Säulenfenstern; die Kreuzfronten haben prächtig decorirte
Spitzbogenportale und der mit Strebepfeilern besetzte, dreiseitig geschlos-
sene Langchor zeigt schlank spitzbogige Fenster mit Kosetten darüber,
welche letztere hinter einer gebrochenbogigen leichten Säulengalerie liegen.
Nicht minder reich ist die Ausgestaltung des Inneren mit schlanken King-
säulenbündeln als Gewölbediensten und leichten im gebrochenen Bundbogen
gedeckten Wandarkaden zwischen denselben. (Moller, Denkm. I. Taf.
19—25. — Ruhl, Taf. 8—15. — Kallenbach, Chronologie Taf. 22 f.
— Förster, Denkm. 2, 33 — 36 und 2 Taf.' — Von der profanirten
Peterskirche ist der mit zwei Bundthürmen flankirt gewesene Chor ab-
gerissen ; das Querschiff zeigt noch roman . Detail ; das flach gedeckte Lang-
haus mit rohen, schwer spitzbogigen Säulenarkaden gehört in die Ueber-
gangsperiode ; die Westfa9ade ist zopfig. (Ruhl Taf. 3 etc.) — In der
Buine des Barbarossapalastes ^j von 1170 die ehemals zweischiffige
Burgkapelle über einer gewölbten Thorhalle. (Gladbach [Moller III.] ,
Denkm. Taf. 36—42. — Förster, Denkm. 1, 33—36 und 2 Taf.) —
Die einfach rechteckige Gislakapelle vor der Stadt, deren ehemaliges
Gewölbe auf einer Mittelsäule ruhte. (Buhl.)
demerode bei Eschwege. Kirche des 1145 gegründeten Prämonstr.-
Nonnenklosters, •*) verstümmelte überwölbte Pfeilerbasilika mit drei Apsi-
den, einer kleinen Krypta, einem von Pfeilern und Säulen getragenen westl.
Nonnenchor und zwei Thürmen.
Cirtsseahltseck bei Giessen. Kreuzkirche mit viereckigem Thurm ; Chor
gothisch.
4ir«8S«BUndeB bei Giessen. Einschiffige gerade geschlossene Kreuz-
kirche *) mit viereckigem Mittelthurm und zwei Bundthürmen an den
1) Buhl» Jul. £ug., Gebäude des M.-A. zu Gelnhausen. 1831.
. 2) Hundeshagen, Beruh. , Kaiser Friedrich's I. Barbarossa Palast in der Burg
zu Gelnhausen. (1819). 2. Aufl. IS32.
3) Schminke, das Nonnenkloster Germerode, in der Zeitschr. für hess. Gesch.
u. Landeskunde 7, 1.
4) Bitgen, H. v., über die Kirche zu Grossenlinden, inL. Forste r's Allgem.
Bauztg. 184t>. S. 36S. — Klein, J. Val., die Kirche zu Grossenlinden. Versuch
einer histor, - symbol. Ausdeutung ihrer Bauformen u. ihrer Portalreliefs. 1857. —
Vergl. Archiv fOr hess. Gesch. u. Alterthumskunde III. 2 u. V. 2.
394 BonumiBohe Kirchen
Ecken der Westseite. Flache Decke. Das Portal ist mit rohem symbolischen
Bildwerk verziert.
Crossenlader bei Fnlda. Kirche, mit Resten im Uebergangsstil. (Be-
richte der deutschen Oesellsch. in Leipzig. 1833. Taf. 3 — 6.)
feusfeMhaueB bei Grünsfeld. Die Kirche besteht aus zwei acht-
eckigen Kapellen, die durch einen in der Tonne überwölbten Zwischenbau
verbunden sind, über dem sich ein Thurm erhebt.
latsfeld bei Frankenbetg. Todtenkapelle a. d. Edder, GewOlbebau.
leidilgsfeM bei Würzburg. Die Pfarrkirche, eine gothisch verftnderte
kreuzförmige Pfeilerbasilika mit flach gedecktem Schiff und viereckigem
Thurm auf der Südseite; Chor gothisch.
MbbrMI unweit Nürnberg. Die Münsterkirche des 1132 ge-
stifteten Cisterzienserklosters , eine 1150 geweihte kreuzförmige Basilika
mit einfach derben Würfelknauf Säulen, deren Seitenschiffe sich neben dem
Chore fortsetzten und wie dieser in Apsiden schlössen; 1263 — 1280 aber
wurde der Chor, gleichfalls in dreischifiiger Anlage ^ verlängert und in
frühgothischem Stile umgebaut. Andere Veränderungen fanden in spät-
gothischer und modemer Zeit statt, letztere aber sind durch die Restau-
ration 1856 — 1860 wieder beseitigt. Die an der Südseite des Kreuzes be-
legene Heideckerkapelle ist ein Rechteck mit Holzdecke und einer
auf einem Kragsteine ruhenden Apsis. (v. Stillfried-Rattonitz,
Alterth. und Kunstdenkm. des Hauses Hohenzollern. Lief. 1. Neue Folge.
Lief. 4.) — Eine an der Nordseite des Kreuzganges belegene, gothisirend
überwölbte, rechteckige [nicht orientirte) Kapelle (Conventskirche) im
Uebergangsstil ist ausgezeichnet durch ein prächtiges Portal *) mit je vier
verschieden decorirten Ringsäulen und fein profilirter Rundbogenwölbung,
in deren Einschluss ein kleeblattförmig gebrochener, von reichem Ornament
umgebener Bogen den eigentlichen Thürsturz bildet ; die ganze Decorations-
weise zeigt eine gewisse Verwandtschaft mit arabischem Zierwerk. (Eber-
hard, National -Archiv Lief. 1. 2. — Kallenbach, Chronologie L
Taf. 7. — Schnaase, Kunstgesch. 5, 464. — Förster, Denkm. 6, 51
nebst 1 Taf.)
leReBoireltVBgei bei Schmalkalden. Die (ehemal. Benedictiner-)
Schlosskirche enthält noch das basilikale Langhaus eines roman. Baues,
in dessen Arkaden Pfeiler und Würfelknaufsäulen mit Eckblattbasen wech-
seln. Der viereckige Thurm über der Westseite öffnet sich gegen das
Mittelschiff. — Die zopfige Dorfkirche hat noch einen roman. Thurm,
dessen Erdgeschoss eine gothisirend überwölbte Halle bildet. (Lotz,
1, 291.)
lersfdlil. Die Ruine der nach einem Brande von 1 038 neu erbauten
Benedictinerkirche , ^] einer grossartigen Säulenbasilika (geweiht 1144],
deren Langhausarkaden völlig zerstört sind ; ebenso die 1040 geweihte drei-
1) Eine genaue Nachbildung dieses Portales, in gebranntem Stein, gegenwärtig
an der Friedenskirche zu Potsdam.
2) Lotz» W., die Stiftskirche zu Hersfeld, im Correspondenzbl. des Gesammt-
vereines etc. (1858). 6, 115 ff. nebst Taf. — Veigl. v. Quast, Entwicklung der
kirchl. Baukunst S. 14.
in Franken nndHeiMn. 3^5
schiffige Säulenkrypta. Ohne Gleichen ist die Ausdehnung des Altarhauses
und des weit ausladenden Querschiffes ; sehr eigenthümlich auch die An-
ordnung einer in der Tonne überwölbten niedrigen Vorhalle in Westen,
deren Oberstock , mit einer Apsis versehen . als Westchor behandelt ist.
(Vergl. oben S. 45 Fig. 17.)
lofgelsMar unweit Cassel. Die Liebfrauenkirche in der Altstadt er-
scheint als gothischer Umbau einer vorauszusetzenden ursprünglichen ge-
wölbten Pfeilerbasilika im Uebergangsstil. Der viereckige Thurm vor der
Westseite ist einfach romanisch, der Chor elendes Machwerk neuerer Zeit.
(Lotz 1, 305.)
loMbng bei Qössenheim in Unterfranken. Prachtvolle Reste einer
Doppelkapelle auf der Burg; vergl. S. 21.
Ilbeutadt bei Friedberg. Die (1159 geweihte) spater gothisch über-
wölbte Prämonstratenserkirche , eine Pfeilerbasilika mit Nebenapsiden an
den Kreuzarmen, gerade schliessendem Chor und zwei Westthürmen, zwi-
schen denen eine sich nach aussen in zwei Rundbögen öfi'nende Vorhalle
angeordnet ist, mit einer Empore über derselben. Die Pfeiler des Schiffes
sind viereckig, auf der Nordseite jedoch abwechselnd rund, und sämmtlich
mit vier Halbsäulen besetzt, von denen die vorderen Blendbögen als Ein-
fassung der Arkaden tragen, und die inneren sich als Wulste an der Lei-
bung derselben fortsetzen. In den Schallöffnungen der Thürme kommen
Theilungssäulchen mit Knotenverschlingungen (oben S. 298 Fig. 142) vor.
(Fz. Hub. Müller, Beiträge I. Taf. 10. 19 und 20.)
KMlfugei bei Cassel. Von dem Stiftungsbau der Kirche der um
1008 gegründeten Nonnenabtei stammen die unteren aus kleinen Bruch-
steinen erbauten Theile des nördl. Seitenschiffes und der breite viereckige
Thurm, sowie die hohe nördl . Nebenapsis, die östlichen Vierungspfeiler
und der nördl. Kreuzarm. Der Spätzeit des XII. Jahrh. scheint die reiche
Umgestaltung des Langchores anzugehören, dem Xm. Jahrh. endlich die
westl. Vierungspfeiler und die weiten Spitzarkaden des Schiffes. Statt der
Chorapsis wurde 1470 ein' spätgoth. Chorschluss errichtet und Manches
verändert und nach einem Brande von 1564 wahrscheinlich die jetzige
Holzdecke eingezogen, welche die ArkadenbÖgen verschliesst. Südlich von
der Kirche der unbedeutende Bruchsteinbau einer Kapelle mit Apsis.
(Lotz 1, 319.)
KouaiM«rf bei Büdingen. Die profanirte, 1191 gestiftete Kloster-
kirche, eine kleine Pfeilerbasilika ohne Querhaus und Thurm mit Chor-
apsis, Holzdecke und westl. Balkenempore. Die Mauern des Langhauses
divergiren gegen Westen. (Gladbach [Moller III.], Denkm. Taf. 34 f.)
MniAetal bei Mergentheim. Die Ruine der Burgkapelle im Ueber-
gangsstil mit reichem Portal an der Vorhalle. (Heideloff, Ornamentik.
Heft 23. Taf. 1 f.)
LaagheiM bei Lichtenfels. Romanische Kirche.
Uhr unweit Aschaffenburg. Das flach gedeckte Schiff der Pfarrkirche,
dessen Arkadenpfeiler ohne Kämpfergesimse nur eine Abkantung der Ecken
zeigen, welche beim Anfange der Bögen aufhört.
396 Romanische Kirchen
lellldistadt unweit Meiningen. Die beiden schweren roman. Thürme
auf den Seiten des gerade geschlossenen der Uebergangszeit entstammenden
Chores der im Uebrigen modernisirten Kirche.
lergeitteiM. Die goth. Hauptkirche mit Bogenfriesen an den unteren
Geschossen des Thurmes und rundbogigen Fenstern im Hauptschiffe, das
durch schlanke Säulen von den Seitenschiffen getrennt ist.
lerihausen bei Naumburg in Hessen. In der spätgothisch hergestellten
Kirche des 1213 gegründeten Augustinerklosters anscheinend noch Reste
des Stiftungsbaues. (Lotz 1, 442.)
lockenlohe bei Eichstädt. Ein angebliches Baptisterium aus dem XII.
Jahrhundert.
■aBBersUdt bei Schweinfurt. Romanische Reste und Spuren in dem
modernisirten Langhause und in der Thurmhalle der Pfarrkirche mit go-
thischem Chor.
Reastadt a. 1* ^) unweit Wertheim. Die Arkaden des Langhauses der
alten grossartigen Klosterkirche zeigen einen »angenehmen« Wechsel von
Würfelknauf Säulen und Pfeilern , deren Kämpfer nur aus Platte und
Schmiege bestehen; der Thurm an der Nordseite der Apsis. (Sighart,
Bayer. Kunstgesch. S. 84.)
Nledenibwrg bei Aschaffenburg. Der Chor der Kirche, ähnlich dem der
Pfarrkirche von Gelnhausen.
Niederweissel bei Friedberg. Die zweistöckige Johanniterkirche im
Uebergangsstil, deren Erdgeschoss aus drei niedrigen Schiffen von gleicher
Hohe besteht, durch zweimal zwei viereckige und zwei Rundpfeiler ge-
trennt, welche, auf den vier Seiten mit Halbsäulen besetzt^ die einfachen
GurtbOgen tragen, zwischen denen die GratgewOlbe eingespannt sind. Das
unvollendete Obergeschoss hat eine flache Decke und eine polygonische
Apsis über der halbrunden unteren. (Denkm. der deut. Baukunst, darge-
stellt von dem hess. Verein zu Darmstadt. I.)
Nordhavsei bei Cassel. An der einschiffigen goth. Kirche des 1257
gestifteten Cisterzienser- Nonnenklosters zeigt der den Nonnenchor enthal-
tende, sich als Glockenhaus über die Kirche erhebende Westbau den Ueber-
gangsstil. (Lotz 1, 477.)
Nunberg« Die in dem sogen. Heidenthurme der Burg belegene Dop-
pelkapelle, in beiden Stockwerken von annähernd quadratischer Grund-
form mit viereckigem Chörlein und einem westlichen Vorräume mit einer
im Erdgeschosse von Pfeilern, im Oberstock von kurzen Säulen getragenen
Empore. Je vier Säulen, kurze und schwere in der Unterkapelle, sehr
schlanke mit korinthisirenden Capitälen in der Oberkapelle , theilen den
mit Rundbogengewölben überspannten Raum in drei Schiffe von gleicher
Breite ; nur eine Abtheilung des Mittelschiffes in der unteren Kapelle hat
ein Spitzbogengewölbe, welches voraussetzlich an der Stelle der ursprüng-
lichen Deckenöffnung (oben S. 20) später entstanden sein wird. Die Unter-
kapelle kann von den Bauten Friedrich's Barbarossa um 1158 herrühren,
die obere Kapelle ist entschieden viel später. (Popp und Bü lau, die
Architektur des M.-A. in Regensburg. Heft 7. — Heideloff, Nürnberg.
1) Kraus, J., die Benedictinerabtei Neustadt a. M. 1856.
in Franken nnd Hessen. 397
Baudenkm. Heft 1. Taf. 8. — Wolff, Nürnbergs Gedenkbuch I. Taf. 33.
— V. Rettberg, Nürnbergs Kunstleben S. 7.) — Die Eucharius-
kapelle bei der Aegidienkirche, ein zweischiffiger Hallenbau, über zwei
frei stehenden und acht Wandsäulen zwischen runden ScheidbOgen spitz-
bogig eingewölbt ; an den Würfelknäufen der Säulen arabische Blatt- und
Bandmuster und im sonstigen Detail mancherlei Eigenartiges. (Wolff
a. a. O. Taf. 12. — v. Rettberg a. a. O. S. 6.) — Die Sebalds-
kirche zeigt in ihren älteren Theilen , dem Schiff mit Triforium (oben
S. 77 Fig. 30) und dem dreiseitig geschlossenen Westchor, einen mit goth.
Formen stark versetzten schweren Uebergangsstil. (Heideloff a. a. O.
Taf. 1—3. — Kallenbach, Chronologie I. Taf. 9. — v. Rettberg
a. a. O. S. 9 — 14. — Förster, Denkm. 4, 25—30 und 4 Taf. Vergl.
oben S. 30 Fig. 6.)
iher-Kichstadt bei Eichstädt. Ritterkapelle mit massivem Thurm und
Rundbogenfenst em .
iber-WIttighaisei unweit Würzburg. Die Sigismundkapelle , ') ein
achteckiger Centralbau mit Apsis, im Uebergangsstil, mit einem Portal,
das an Reichthum und Charakter der Verzierung dem der Schottenkirche in
Regensburg gleichkommt.
ther-Zell bei Würzburg. Profanirte, Reste der Kirche des 1128 ge-
gründeten Prämonstratenserklosters, einer flach gedeckten Säulenbasilika :
stattliche Oranitsäulen mit Würfelknäufen und eckblattlosen attischen
Basen. — Im Garten der Maschinenfabrik schöne Säulchen vom ehemal.
Kreuzgange. — Der aus einem grossen und kleinen Thor bestehende, von
drei Säulen getragene Eingang in den Klosterhof.
PlankstetteB bei Beilngriess im Eichstädtischen. Die ziemlich in alter
Form erhaltene Klosterkirche, eine flach gedeckte Pfeilerbasilika mit zier-
lichem Rundbogenportal, einer Vorhalle und zwei Westthürmen. Die ehe-
malige Krypta ist durch den goth. Umbau des Chores zerstört.
PoflfMihMSeB bei Grünsfeld. Einschiffige Pfarrkirche mit östlichem
Thurm.
Raadsacker bei Würzburg. Die Pfarrkirche, eine Pfeilerbasilika mit
vierstöckigem Thurm an der Südseite und spätgoth. Chor.
Kasdorf bei Fulda. Die Kirche des schon im IX. Jahrh. vorhandenen
Klosters enthält in ihrem goth. Umbau noch von rohen Säulen getragene
ungegliederte Spitzarkaden und eine Westempore, deren Unterbau sich in
von Säulen getragenen Rundbögen gegen das Schiff Öffnet. (Lotz 1, 510.)
ledwitl bei Wunsiedel. Die Pfarrkirche, aus drei gleich hohen Schiffen
bestehend, mit Säulen und Kreuzgewölben; Chor gothisch.
lelcheabach bei Lichtenau unweit Cassel. Die vielfach veränderte
Klosterkirche, eine flach gedeckte Basilika, in deren Arkaden ein Mittel-
pfeiler und je zwei Würfelknaufsäulen stehen ; .kein Querschiff; Chor qua-
dratisch. (Lotz 1, 514.)
Retxhach bei Würzburg. Der Chor der Wallfahrtskirche.
1} Bauer, H., in Wirtenb. Franken. Zeitschr. des Vereins für etc. III. 1 ,90
u. 3, 59 u. 66 f.
Ott«, Kaiwt-Anh&ologie. 26
398 Romaniflche Kirchen
Kiieck bei Gemünden a. M. Im Thurme der Burg eine Doppelkapelle
mit kleeblattförmigem Obergeschoss.
KMStoll bei Nürnberg. Das einschifiFige flach gedeckte Langhaus und
die Kr3rpta der Kirche mit spätgoth. Chor und Thurm. (Eberlein,
Rangau^-Album. Bl. 24.)
Bothenburg a« d. T. In dem sogen, hohen Hause der Herzogsburg die
Reste einer gothisch veränderten Doppelkapelle, deren Stockwerke durch
eine Holzdecke geschieden waren. (Heideloff, Ornamentik. Heft 25 auf
Taf. 1. — Kallenbach, AÜas. Taf. 27.)
Sdllfenberg bei Oiessen. Die Kirche des 1129 oder 1141 gegründeten
Augustinerstifts, eine verstümmelte, spätgothisch überwölbte doppelchörige
einfache Pfeilerbasilika mit runden Treppenthürmen zu den Seiten der
Westapsis und achteckigem Thurm über dem Kreuzmittel. (Denkm. deut.
Baukunst von dem hess. Verein zu Darmstadt. Bd. 1. — Lotz 1, 539.)
ScUndilg bei Wunsiedel. Einschiffige Kirche mit zwei GewOlbe-
jochen, die durch einen auf Wandpfeilem ruhenden Ourtbogen getrennt
sind ; enge Rundbogenfenster.
Sehlitt bei Fulda. Die sehr verstümmelte Kirche , ursprünglich eine
Basilika mit oben achteckigem Thurm über der Mitte des Hauptschiffes und
Apsis am quadratischen Chor; letzterer und das Westportal im Uebergangs-
Stil. (Lotz l, 541.)
Schweiiiftirt. ^j Das durch zwei kreuzförmige Pfeiler in zwei überwölbte
Schiffe von gleicher Breite getheilte Querhaus und die an der Ostseite der
Kreuzarme belegenen rechteckigen Thürme der Pfarrkirche im reichen
Uebergangsstil um 1240; alles Uebrige gothisch aus verschiedenen Zeiten
mit modernen Abänderungen. (Beck a. a. O. 1, 54 — 98 mit Abbild.)
SeUgensttdt bei Hanau. Die Benedi ctinerkirche, ^) kreuzförmig, mit
halbachteckigem Chor in zierlichem Uebergangsstil , achteckigem Mittel-
thurm und zwei roman. Westthürmen zu den Seiten des zopfigen Zwischen-
baues; doch ist nur der nOrdliche Thurm erhalten. (Kallenbach, Atlas.
Taf. 29. — Lotz 2, 471.)
8taBll«rf bei Creglingen. Die aus dem Achteck construirte flach ge-
deckte Ulrichskapelle ^) mit schmalem rechteckigen, überwölbtem Chor und
Apsis ; zu den Seiten des letzteren zwei viereckige Nebenräume, der eine
mit einem Thurme übersetzt, der andere mit einem Tonnengewölbe gedeckt
und mit einer kleinen vorgekragten Apsis versehen. Die Details deuten
auf späte Zeit.
Steiabach bei Michelstadt. Ruine der Benedictiner- Nonnenkirche,
einer einfachen Pfeilerbasilika in T Form, Ostlich mit drei Apsiden und mit
zwei Westthürmen. Eigenthümlich ist die sich weit in das Schiff er-
streckende kreuzförmige Krypta, deren Arme schmale in der Tonne über-
wölbte Gänge bilden, deren Enden wiederum kreuzförmig gestaltet sind.
(Archiv für hess. Qesch. und Alterthumskunde III. 2.)
n Beck, H. Chr., Chronik der Stadt Schweinfurt. 2 Bde. 1836 u. 1841.
2) Dahl, J. C, das tausencfjährige Jubelfest der Pfarrk. zu Seligenstadt, nebet
Gesch. u. Beschreib, der Kirche. 1825.
3) Bauer, H., die Ulrichskap. bei Standorf, in Wirtembezg. Franken. Zeitschr.
des Vereins für etc. 5, li 1 — 1 17 nebst AbbUd.
in Franken und Heasen. 399
TreyM in der Grafschaft Ziegenhain. Die Ruine der gothisch umge-
bauten Stiftskirche : ein basilikaler Langbau mit meist runden Pfeilerarkaden
und einschiffigem, polygonisch geschlossenem goth. Chor ; der Thurm über
dem Westende des nördlichen Seitenschiffes zeigt Uebergangsstil. (Lotz
1, 590.)
Vaterregeaktcb bei Langenburg im Hohenlohischen. Der Keller des
Pfarrhauses ist eine alte, anscheinend frühromanische dreischiffige Pfeiler-
krypta, von einer untergegangenen Kirche herrührend. (Kugler, Gesch.
der Baukunst 2, 534. — Anzeiger des German. Museums. 1863. Sp. 355
nebst Abbild, und 1865. Sp. 43.)
Vessera bei Schleusingen. Profanirte Reste der Kirche des 1130 ge-
gründeten Prämonstratenserklosters , einer flach gedeckten kreuzförmigen
Pfeilerbasilika ohne Apsiden mit wagerecht schliessendem Zwischenbau und
einer nach Westen offenen Vorhalle zwischen den beiden Thürmen. {Putt-
rich, Denkm. der Baukunst in Sachsen, ü. Serie Mühlhausen. Taf. 13.)
Wachbach bei Mergentheim. Einschiffige spätroman. Kirche mit Thurm
über dem gewölbten Chor.
WertheiM, Die Pfarrkirche ^) enthält in ihrem gothisch umgebauten,
mit modemer Holzdecke versehenen Schiffe von einfachen Pfeilern getragene
schlichte Spitzarkaden im Uebergangsstil.
Wetllar. Der alte ruinenhafte Westbau der Stiftskirche : zwei vier-
eckige Thürme mit halbrunden Treppenthürmen auf den Seiten, eine Vor-
halle zwischen sich ednschliessend, die sich über einer mittleren Säule im
Doppelbogen nach aussen öffnet. Die rohe Masse aus Basalt, das theils
feine, theils schwere und wild phantastische Detail aus rothem Sandstein ;
anscheinend XII. Jahrh. (Kugler, KL Sehr. 2, 165 ff.)
Wllhelnshaasen bei Münden. Die Kirche des ehemal. Cisterzienser-
klosters Wahlshausen, eine verstümmelte und entstellte flach ge-
deckte Basilika, in welcher Pfeiler und Säulen wechseln. Am Chor eine
Apsis, am Querschiff zwei Nebenapsiden. (Hase, Baudenkm. Niedersach-
sens. Heft 3. Sp. 82—84 und Bl. 19.)
WdlcUagea bei Boxberg. Die Johanniterkirche , eine spitzbogig ge-
wölbte kreuzförmige Pfeiler basilika , ursprünglich mit drei östl. Apsiden
und ohne Thurm. Die Arkadenpfeiler sind mit mächtigen Säulen besetzt,
deren kunstreich gearbeitete Capitäle verschiedene Formen haben. Unter
dem Chore eine kryptenartige Gruft. Die Fenster rundbogig, das Aeussere
mit Bogenfriesen und Lisenen, die zum Theil strebenartig vorspringen.
(Wirtenb. Franken. Zeitschr. des Vereins für etc. IV. 1, 31 mit Abbild.)
Winharg. ^) Die Burchardikirche^j gilt in ihrem flach gedeckten
' Schiffbau , in welchem Pfeiler und kurze Säulen mit plumpen Capitälen
wechseln, als Ueberrest des 1042 geweihten Neubaues. Die ursprünglich
die Stelle der Kreuz vorlagen vertretenden beiden Thürme wurden um 1240
bis 1257 im Uebergangsstil erhöht. Das nördliche Portal und die vor dem-
]) Becker, C, die Kirche zu Wertheim u. ihre Grabmftler, imD. KunBtbl.
1855. 8. 154 ff.
2)NiedeTmayer, Andr., Kunstgesch. der Stadt Wirzburg. 1 860.
3) Wieland, Mich., Histor. Darstell, des Stiftes St. Burkard zu Wflrzburg, im
Archiv des histor. Vereins von Unterfranken etc, XV. t, 43 — 114 ; 2 u. 3, 1 ff.
26
«
400 RomaniBche Kirchen in Franken und Hessen.
selben belegene flach gedeckte Vorhalle von c. 1168. (Gruöber, Vergl.
Samml. 2. Taf. 13. Fig. 2 und 3. — Sighart, Bayer. Kunstgesch. S. 174.)
Der westliche Thurmbau und die Krypta 1677 zerstört. Chor und Quer-
schifF spätgothisch. — Der zum Theil verzopfte Thurm an der Südwestecke
der goth. Deutschhauskirche im Uebergangsstil. — Der Dom, *) ein
gothisch und zopfig verändertes Bauwerk, dessen ältester Bestandtheil (seit
1042) die schmucklose Westfront mit den beiden Westthürmen ist, die in
dem geringeren Breitenmaasse zu dem übrigen Bau nicht passt, dessen Er-
richtung in die Zeit von c. 1133 — 1189 fiel: es ist eine grossartige, ur-
sprünglich fiach gedeckte Pfeilerbasilika mit Apsiden an der Ostseite der
weit ausladenden Kreuzvorlagen und dem rechteckigen, von zwei etwas
späteren Thürmen flankirten Altarhause. Die Krypta %vurde 1749 gänzlich
umgebaut und enthält nur noch in ihren Vorräumen roman. Würfelknauf-
säulen. (Förster, Denkm. 9, 25 — 32 und 4 Taf.) — Die Schottenkirche
St. Jacob, eine gothisch und zopfig veränderte, aus drei gleich langen in
Apsiden schliessenden Schiffen bestehende Pfeilerbasilika mit zwei ThÜrmen
über dem Ostende der Seitenschiffe, 1134 — 1146. -^— Der gothisch und
zopfig veränderte Rundbau der Kapelle auf dem Marienberge; vergl.
oben S. 23. IV. — Das Aeussere der innerlich und an der Fa^ade gänzlich
modernisirten Neu münsterkirche (c. 1213 — 1247), mit spielender
Eleganz decorirt. (Kugler, Kl. Sehr. 2, 419.)
Anmerkung. Kirchthürme roman. Stils finden sich in Franken
und Hessen noch an vielen Orten, unter anderen zu
Amorbach bei Aschaff'enburg , Bettenhausen bei Giessen,
Crainfeld bei Fulda, Ehlen bei Cassel, F euch tw an gen bei Din-
kelsbühl, Florenberg bei Fulda, Frommershausen bei Cassel,
Gaurettersheim bei Ochsenfurt, Hungen bei Friedberg, Karl-
stadt bei Würzburg, Königshof en bei Mergentheim, Münzenberg
bei Butzbach an der Pfarrkirche, Muschenheim bei Giessen, Nicder-
Elsungen bei Cassel , O s t h e i m bei Butzbach, Konshausen bei
Breitenbach, Schmalkalden an der Stadtkirche, Thüngen bei
Würzburg an der Gottesackerkirche, Unter-Zeil bei Würzburg, Well-
heim bei Eichstädt,
und sonstige Ueberreste und Einzeltheile in^
Berstadt bei Friedberg, Biedenkopf bei Marburg an der Pfarr-
kirche, Fürstenau bei Michelstadt an der Schlosskapelle ein Portal
aus Kl. Steinbach, Gleiberg bei Giessen von der Burgkapelle, Hai na
bei Frankenberg in der Cisterzienserkirche, Heidenheim bei Weissen-
burg, Jobstgereuth bei Windsheim, Johannisberg bei Fulda,
Kreuzberg bei Vacha an der Schlosskirche, Künzelsau bei Schwäb.-
Hall, Münster bei Laubach, Trais-Münzenbergbei Münzenberg,
U 1 f a bei Nidda, Z e 1 1 bei Alsfeld.
1) Scharold, C. G., Gesch. u. Beschreib, des St. Kiliansdomes zu Würzburg,
a. a. O. IV. 1, 1—148 mit 2 Taf. ^ Himmel stein, Fz. X., der St. Kiliansdom zu
Warzburg. Ein Wegweiser etc. Mit einem Plane des Domes etc. 1 850.
Ftff. 179, ßU*Ukir<tliij in Gern rode {vgr dpr RcrtatintiDD).
V- In Tlnlrini|:en nnd Sachsen.
liUertifiir: Weideubach, die Kirchen im Köni^l. Prema. S&eHaoit.
]h2^. — Puttrich, L, ^ Denkmale der Baukunst des M.-A. in Sachi«n,
{Abth. 1. da* Kl^nigreich Saeh?en, das GrosslierZDgtbum u, die HeTxogthflmer
Emastinisclier Linie, die Hcrzogthümer u. Fürstcnthömer AnbsU, Schwarz-
burg u. Rous»»^ enth., 2 Bde. — Abth, II. die K, Preusp, FrovinE SacbHCti eiitb.,
2 Bde,] 1 *iH5 — 1 *^52. — Der^clbe^ t^jTitematische Darstellung der Ent Wicke-
lung der Baukunst in den ObcTsflcbs. l-?liiderii vom X. bis XV. .Tuhrh. 1852, —
Thdriugen u, der Har?, mit ihren Merkwflrdijjkeiten. 7 Bde. I'i39 etc, —
Schiffner, A., BcKclireib. von Sachsen u. der Ernesthüschen, lieuüaischcn
ti, Schwarviburg. Lzinde. Mit 2m StahUt, iS4iK — f Kastner), Beiträge zur
Kuuötgefieh. de« M.-A. in Nied erwachsen, im Hnnnfi veraschen Magazin. 1^50,
S, 42—96.^ I.flbke, W., Beitrag zur Kuustgench des M.-A. in Nieder*
»achflcn, im Beut, ICunstbl. H50. S. ISfifT, — Derselbe, Studien KurGeeeh.
dor mittelalteTl, Kxmst in Niedcraachsen* im Deut. KunstbL. IH5L S, b\, 6J.
74ii. 83, — Quast, Ferd, v., Atehaolog, Wanderung durch einige roman.
402 Romanische Kirchen
Kirchen am Harze. (Erster Artikel : Huyseburg) in der Zeit<«chr. für Bauwesen.
1S52. Sp. 113—122. — Mit hoff, H. W. H. , Archiv für Niedersachsens
Kunstgesch. (Abth. 1. Hannover. Abth. 2. Wienhausen. Abth. 3. Goslar.)
1S52 — 1862. — Rein, W., Bauwerke der roman. Zeit an dem mittleren Laufe
der Werra, in der Zeitschr. des Vereins für thüring. Qesch. u. Alterthums-
kunde 2> I ff. — Hess, H., über einige Bauwerke der roman. Zeit in den
östl. Theilcri Thüringens, ebd. 3, 145 ff. — Lepsius, C. P., Kl. Schriften,
Beiträge zur thüring. -sächs, Oesch. u. deutschen Kunst- u. Alterthumskunde,
herausgegeb. von SanMarte. Bd. I. 1854. — Quast, Ferd. v., Arohäolog.
Reiseberichte, in der Zeitschr. für christl. Archäologie u. Kunst. 1, 165 — 180.
213—229 240—260; 2, 72— Sl. 171—177.— (Hase, C. W.), die mittel-
alterl. Baudenkm. Niedersachsens, herausgegeb. von dem Architekten- u. In-
genieur-Verein für das Königr. Hannover [als besondere Ausgabe aus der im
Anhange der Zeitschr. des Vereins enthaltenen «Uebersicht der mittelalterl.
Baudenkm. Niedersachsens«). 1S56 ff. — Sprenger, £., Baudenkm. im Al-
tenburgischen, in der Zeitschr. für Bauwesen. 1R«0. Sp. 519 ff. 1863. Sp. "
377 ff. u. 555 ff. — Reiseskizzen der Niedersftchs. Bauhütte. Schöningen,
Helmstedt, Königslutter. Pfingsten 1S62. Hannover 1864. — Mithoff, H.
W. H., Kirchen u. Kapellen im Königr. Hannover. Heft I. Gotteshäuser im
Fürstenth. Hildesheim. 1865. — Quast, Ferd. v., Vortrag über den histor.
Gang<ler Ausbreitung des roman. u goth. Styls in der Gegend von Halberstadt,
im Correspondenzbl. des Gesammtvereines etc. 1866. No. 1 — 3.
Vorbemerkimg.
84. Im inneren Deutschland erscheint die Heimath der sächsischen
Kaiser als der bedeutendste Sitz der Kunstübung, und wir finden na-
mentlich in Niedersachsen seit dem X. und XI. Jahrhundert den
Basilikenbau nicht bloss in zahlreichen Beispielen, sondern auch in
eigenthümlicher und mannichfaltiger Ausbildung. Häufig ist die doppel-
chörige Anlage, und grössere Kirchen haben stets die Grundform des
Kreuzes, gewöhnlich mit Nebenapsiden an der Ostseite der Kreuz-
arme. Während im Aufbau der reine Säulenbau selten (in Hamers-
leben, auf dem Moritzberge in Hildesheim] und der Pfeilerbäu beson-
ders nur in der Spätzeit der Periode und häufig in Verbindung mit
Gewölben vorkommt, erscheint der Wechsel von Pfeilern und Säulen
namentlich in den Ortschaften am nördlichen Fusse des Harzes hei-
misch , so dass in den Arkaden entweder (wie in der Stiftskirche zu
Quedlinburg) immer zwei Säulen gruppenweise zwischen zwei Pfeilern
stehen, oder dass einzelne Pfeiler mit einzelnen Säulen (wie in Gern-
rode) abwechseln. Die letztere Weise hat in manchen Fällen, wie in
Bsenburg, Huyseburg (vergl. oben S. 292 und 302 Fig. 126 und 146),
Drübeck etc., zu einer eigen thünilichen organischen Ausbildung ge-
führt, bei welcher die Last der Scheidmauer des Hauptschiffes für das
Auge in gelungener Weise dadurch beseitigt ist, dass die Pfeiler, deren
Entfernung von einander stets der Breite des Mittelschiffes entspricht,
unter sich durch hohe Blendbögen verbunden sind, welche sich über
die zurücktretenden, niedrigeren auf den Säulen ruhenden Arkaden-
in Thüringen und Sachsen. 403
bögen hinweg wölben. Allen diesen Kirchen, namentlich insofern sie
zu Nonnenklöstern oder solchen Mönchsklöstern gehörten, mit denen
ein Nonnenconvent verbunden war (oben S. 73) ist die Anordnung
einer nur von dem Inneren des Schiffes aus zugänglichen, zweige-
schossigen Halle am westlichen Ende eigenthümlich, wie davon auch
in anderen Gegenden zahlreiche Beispiele vorkommen. Häufig finden
sich die Kreuzarme von der zum Chore gezogenen Vierung durch
niedrige Scheidewände getrennt, welche mit Arkadenstellungen und
Sculpturen geschmückt sind. Als schwer und im Widerspruche mit
dem emporstrebenden Charakter der Thürme, muss der in Nieder-
sachsen häufige Abschluss des Zwischenbaues durch eine Horizontal-
linie (vergl. oben S. 69) bezeichnet werden, indem nicht die Giebel-
seite, sondern die schräge Dachfläche zwischen den Thürmen Front
macht. Noch ungünstiger wirkt die ebenfalls oft wiederkehrende Ma-
nier, den gesammten Westbau als eine ungetheilte Masse zu behandeln,
über deren Flügeln dann erst die beiden, insgemein achteckigen Thürme
beginnen. — Das älteste Baudenkmal dieser Gegend ist, abgesehen
von der Wipertikrypta in Quedlinburg, die um 958 begonnene Kirche
des Frauenklosters Gernrode, ein herrliches Denkmal des ehedem
so verrufenen X. Jahrhunderts, dessen Ehre durch die meisterhafte
Bestauration gegenwärtig glänzend gerettet erscheint, und während wir
in Hildesheim der reichsten Blüthe des romanischen Basilikenbaues
begegnen, treffen wir in den Kirchen Braunschweigs, welche der Masse
nach allerdings nur Gebäude zweiten Banges sind, mehrere Beispiele
jenes Uebergangsstiles, welcher die strengen Formen der romanischen
Pfeilerbasilika mit den Elementen des gothischen Gewölbebaues auf
das glücklichste zu verschmelzen gewusst hat. — In Ober Sachsen,
wo sich im Thüringer Walde die Grenze gegen den fränkischen Bau-
kreis ersichtlich macht, kommen flach gedeckte Basiliken (Paulinzelle
mit Säulen, Bürgelin mit Pfeilern) nur vereinzelt vor; dagegen hat
hier der Gewölbebau mit Anwendung von gegliederten Pfeilern und
Spitzarkaden (Dom zu Naumburg) seine reizvollsten Blüthen ent-
wickelt.
Im Detail erscheinen frühzeitig neben den der Antike entlehnten
Formen solche eigenthümliche Bildungen, die sich am wahrscheinlich-
sten aus der altnationalen Holztechnik erklären lassen. In Gemrode
bekunden sich die ersten energischen Schritte, beide, zum Theil ein^
ander widerstrebenden Formbildungen harmonisch zu vereinigen : die
Arkadensäulen haben byzantinisirende Capitäle, die auf die korinthische
Formation zurückzuführen sind, und die Säulen der Emporengalerien
404
Romanische Kirchen
schlichte Würfelknäufe und statt der Basen cylindrische Steinklötze,
die an den Holzbau erinnern. In der Krypta zu Quedlinburg finden
sich korinthisirende Blättercapitäle (üben S. 294
WFig. 129), in lUenburg dagegen Würfelcapitäle
(oben S. 296 Fig. 132), die ebenso gut aus Holz
gearbeitet sein könnten, wie aus Stein. In der
Krypta des Domes von Merseburg zeigt die com-
plicirte Bildung der Pfeiler (Fig. 180) durchaus
die Eigenthümlichkeiten der Schnitzarbeiten. Im
Verlauf des XII. Jahrhunderts begegnen wir
einer grossen Mannichfaltigkeit des Ornaments,
welches, wie nirgend anderswo, in edler Anmuth der Motive, in ge-
schmackvollem Reichthum und in fieissig sorgfaltiger Ausführung bis
zum Schlüsse der Periode sich zu wahrhaft klassischen Leistungen
durchbildet. Vergl. Fig. 181—183 und oben S. 296 und 297 Fig. 135.
137. 138 und 141. *)
Fig. 180. Merseburg
(nach Puttrich).
Fig. 181. Naumburg
(nach Puttrich).
'T'
Fig. 182. Naumburg
(nach Puttrich).
Mm
Fig. 183. Freiburg a. d. ü.
(nach Puttrich).
Vergl. Schnaase, Kunstgesch. IV. 2, 55—93; V. 316 — 318. 327—336.
445—449. 45S — 463. — Kugler, Gesch. der Baukunst 2, 364 — 124.-
Lübke, Gesch. der Architektur. 3. Aufl. S. 317 — 351. — Otte, Gesch. der
deut. Baukunst S. 111 — 121. 159—190.
Aken a. d . Elbe. Die Liebfrauenkirche, eine einfache Basilika
ohne QuerschifF im Uebergangsstil, mit vorgesetztem gothisirenden West-
bau: zwei Thürme, die achteckig über dem eine Masse bildenden, zwischen
ihnen in einem Oiebel endenden Unterstock emi>orsteigen. (Puttrich,
Denkm. II. Serie Halle. Bl. 19.) — Die Nicolaikirche mit ähnlicher
Westfafade.
1) Die nachstehend angcftlhrten sächsischen und thüringischen Kirchen von ba-
silikaler Anlage haben sämmtlich die Grundform des Kreuzes und ausser der Haupt-
apsis noch zwei Nebenapsiden an der Ostseite der Kreuzarme ; Ausnahmen von dieser
Hegel sind besonders bemerkt.
in Thüringen und Sachsen. 405
Alteabirg. *) Die zum Theil erneuerte Krypta der Bartholomäi-
kirche, zweischiffig, mit vier gekuppelten Säulen in der Mitte. (Spren-
ger, in der Zeitschr. für Bauwesen. 1863. Bl. 65.) — Die Westfront der
1172 gestifteten Augustinerchorherren-Kirche, die sogen, »rothen
Spitzen«, zwei Thürme, Ziegelbau roman. Stils. (Pu.ttrich, Denkm. I.
Serie Altenburg. Bl. 8.) — Der Thurm der ehemal. Nicolaikirche,
oben im Ueborgangsstil.
Alteiielle bei Nossen. Reste der Klostergebäude, besonders das zwei-
schiffige Refectorium. (Puttrich, Denkm. I. Serie Reuss. Bl. 9. c. h. k.)
AneloMlhorii'bei Stadtoldendorf. Das Langhaus derCisterzienserkirche,
dessen Arkaden auf wechselnden Pfeilern und Würfelknaufsäulen ruhen ;
das Querschiff mit roman. Südportal ist frühgothisch ; der gerade geschlos-
sene Chor geweiht 1309.
Anneuleben bei Wolmirstädt. Die 1135 geweihte, spätgothisch über-
wölbte Chorherrenkirche, ein unregelmässig dreischiffiger Langbau mit
Pfeilerarkaden. (Zeitschr. für christl. Archäol. und Kunst 2, 72.)
Arnsttllt bei Erfurt. Die liiebfrauenkirche , ^) deren Langhaus mit
rundbogigen Pfeilerarkaden vielleicht erst in der Uebergangsperiode zum
Gewölbebau, mit Emporen über den Seitenschiffen, umgestaltet worden,
oder damal§ neu entstanden ist. XJeber dem eine ungetheilte Masse bil-
denden Westbau erheben sich zwei schlanke achteckige Thürme, ein dritter
Thurm steht über dem in der Tonne überwölbten östlichsten Joche des
Mittelschiffes. Querschiff und Chor sind gothisch ; das ganze unbenutzte
Gebäude droht den Einsturz. (Puttrich, Denkm. I. Serie Schwarzburg.
Bl. 1—8.)
Ballenstedt am Harz. Die Säulenkrypta unter der bei den Umbauten
des jetzigen Schlosses im XVIII. Jahrh. zu Grunde gegangenen Benedi-
ctinerkirche, in strengem Stil, aus der Zeit Albrecht des Bären und ziemlich
gut erhalten.
Barhy bei Zerbst. Kirche im Uebergangsstil^ mit pyramidal gruppirten
Giebelfenstern.
Berne bei Oldenburg. Die unteren Theile der Nordseite und der nörd-
liche Thurm der im Uebrigen frühgoth. Kirche ^) Sandsteinbau, doch sind
einige Rundbogenöffnungen und die Giebel der drei Paralleldächer aus
Ziegeln.
Bieek^firolla bei Kreuzburg. Rohe einschiffige Kirche mit viereckigem
Thurm, dessen gewölbtes Erdgeschoss das breitere flach gedeckte Schiff mit
dem schmäleren in der Tonne überwölbten Chorraume verbindet.
Bbnkenharg im Harz. Die fast quadratische Bartholomäikirche im
Uebergangsstil, angeblich der Liebfrauenkirche in Bremen sehr ähnlich.
Bosai bei Zeitz. Die Krypta und die Grundmauern . der mit fünf
Apsiden versehen gewesenen Benedictinerkirche, nach 1160. Details von
1) Wagner, über die alteren Bauwerke der Stadt Altenburg, in den Mittheil.
der geschichta* u. alterthumsforsch. GeselUch. des Osterlaudes 2, 20 — 29.
2) He IIb ach, J. Chr. t., Nachricht von der Lieben Frauenkirche zu Arnstadt.
(1821). 3. Aufl. 18J0. Mit 6 Kupfern.
3) Maller, Herrn. Alex., die Kirche in Beme u. das Kloster Hude, im D,
Kunstbl. 1854. S. 256 f.
406 Bomanische Kirchen
der Kirche befinden sich in der Krypta der Schlosskirche zu Zeitz. (Lotz
1, 648.)
BrMUckweig, *) Der Dom, ^ gegründet 1173, geweiht 1227, eine
überwölbte Pfeilerbasilika mit zwei westlichen Thürmen, welche sich acht-
eckig über einem gemeinschaftlichen Unterbau erheben; die Pfeiler sind
viereckig, abwechselnd kreuzförmig und an den Ecken mit engagirten Wür-
felknaufsäulchen ; die Gewölbe ohne Quer- und Kreuzgurte. Unter Chor
und Vierung eine dreischiffige Krypta, in der östlichen Abtheilung mit
Pfeilern, in der westlichen mit Säulen. Um 1344 wurde südlich und im
Jahre 1469 nördlich ein Seitenschiff hinzugefügt, so dass die Kirche jetzt
fünfschiflRg erscheint. (Kallenbach, Atlas. Taf. 38. — v. Quast, Ent-
wicklung der kirchl. Baukunst. Fig. 2. 7. 15.) — Die Katharinen-
kirche, bereits ursprünglich bei ihrer Gründung 1173 als Gewölbebau
angelegt und im Uebergangsstil mit gegliederten viereckigen Pfeilern durch-
geführt, aber im Jahre 1252 im goth. Stil umzubauen angefangen; die
Zeitbestimmungen nach Schiller S. 48: das unterste Thurmgeschoss nebst
dem Hauptschiff 1173. die Seitenschiffe nebst dem zweiten Thurmstockwerk
1252, das Glockenhaus 1280—1300; die beiden oberen Thurmetagen 1379,
die Seitenschiffe östlich vom ehemal. Querschiff 1450, die Chornische um
1500. — Die Martinikirche, ebenfalls zu Ende des Xu. Jahrh. als
Gewölbebau in Kreuzform gegründet, vielleicht aber nie in dieser Weise
ganz vollendet, sondern mit goth, Seitenschiffen als Hallenkirche fertig ge-
baut; Zeitbestimmungen nach Schiller S. 66: Thurm, Mittelschiff und
die ehemal. Kreuzflügel um 11 SO — 1190, Seitenschiffe bis zu den Kreuz-
flügeln um 1250—1280, die Annakapelle an der Südseite 1434, der Chor-
schluss 1490—1500. (Kallenbach, Chronologie 11 . Taf. 2.) —Ebenso
verhält es sich mit der Andreaskirche, deren Thurmunterbau und
Mittelschiff den Uebergangsstil zeigen; auch die Magnikirche und die
Petrikirche enthalten Bestandtheile aus der Uebergangsperiode. — Der
Capitelsaal bei der A e g i d i e n k i r c h e hat Säulen mit Würfelcapitälen und
verzierte Schafte im Geschmack des Xu. Jahrhunderts.
Brunei, ^) Die Ansgariuskirche, ^) ursprünglich eine kreuzför-
mige gewölbte PfeilerbaRilika mit gerade geschlossenem Chor und einem
Westthurm im Uebergangsstil (1229 — 1243), aber als Hallenkirche in
spätgoth. Zeit entstellend umgebaut. Hausteinbau mit Ziegelgiebeln ; auch
die spätgoth. Zuthaten sind aus Ziegeln. — Der Dom, *) eine doppel-
chörige, östlich und westlich gerade geschlossene, ursprünglich flach ge-
deckte kreuzförmige Pfeilerbasilika mit zwei Thürmen zu den Seiten des
Westchores, aus der zweiten Hälfte des XI. Jahrb., welche aber im XIII.
1) Schiller, C. Geo. W., die mittelalterl. Architektur Braunschweigs. 1852.
Mit 8 Grundrissen.
2) Görges, F., der St. Blasiusdom in Braunschweig. (1S15}. 2. Aufl. 1836.
Mit 5 Taf.
3) Storek, A., Ansichten der fr. Hansestadt Bremen. 1822. Mit 16 Kupfern.
4) Müller, Herrn. Alex., die St. Ansgariikirche zu Bremen u. ihre Kunstdenkm.,
im Organ für christl. Kunst. 1S62. No. 3 — 5 nebst 1 Taf.
5) Derselbe, der Dom zu Bremen u. seine Kunstdenkm. 1861. Mit 4 Taf. u.
eingedr. Holzschnitten.
in Thftringen und Sachsen. 407
Jahrh. in einen frühgoth. Gewölbebau umgewandelt und im XVI. Jahrb.
entstellend restaurirt wurde. Von den beiden dreischiffigen Krypten hatte
die grössere, sich unter Chor und Vierung erstreckende östliche ursprüng-
lich Säulen statt der jetzigen aus neuerer Zeit stammenden Pfeiler; die
kleinere Westkrypta hat im westlichen Theile Pfeiler, im östlichen Sflulen
mit Eckknollen an den Basen. (Kugler, Kl. Sehr. 2, 640 ff.) — Die Lieb-
frauenkirche^) zeigt zwei roman. Westthürme, im Langhause gleich
hohe, von kreuzförmigen mit Halbsäulen besetzten Pfeilern geschiedene
überwölbte Schiffe im Uebergangsstil und einen rechteckigen goth. Chor.
Die älteren Theile sind möglicherweise Umbau einer früheren Basilika. —
Die Martins- und die Stephanskirche sind goth. Umbauten ursprüng-
licher Basiliken im Uebergangsstil.
Bocken bei Verden. Die Stiftskirche, ^) eine schlichte Pfeilerbasilika
mit zwef rechteckigen, eine in der Tonne unterwölbte Westempore zwischen
sich einschliessenden Thürmen und einem Querschiff von der Breite des
Langhauses. Der ganze alte Bruchsteinbau (Schiff, Chor und die drei Ap-
siden) um 1248 — 1250 mit Backsteinen bedeutend erhöht und später go-
thisch überwölbt. Seit 1861 restaurirt.
Bürgelh (Thalbürgel) bei Jena. Ruine der Cisterzienser- Nonnen-
kirche, einer grossartigen Pfeilerbasilika mit zwei in Apsiden schliessenden
Nebenchören und spätgoth. Schluss des Hauptchores. Die beiden am Ost-
ende der Seitenschiffe vor den Kreuzarmen stehenden Thürme aus Bruch-
stein, begonnen 1174; das Schiff aus Quadern mit rechteckigen, auf den
Ecken und an den Zwischenseiten mit Säulchen besetzten Pfeilern und ent-
sprechend gegliederten rechtwinkelig eingerahmten Arkadenbögen um 1199.
Vor dem reichen Westportal eine grosse dreischifiige, nur theilweise erhal-
tene Vorhalle, die wahrscheinlich eine Nonnenempore trug. Ausgezeich-
netes Ornament. (Puttrich, Denkm. I. Serie Weimar. Bl. 8 — 11.)
Birgwerhen bei Weissenfcls. Verstümmelte Basilika mit Spitzarkaden.
(Weidenbach, die Kirchen etc. Heft 1. Taf. 4.)
Birsfelde a. d. Weser bei Minden. Die spätgothisch veränderte, später
verstümmelte und profanirte Benedictinerkirche, eine Basilika ohne
Querschiff mit zwei eine Empore einschliessenden Westthürmen und drei
Apsiden an den gleich langen Schiffen. Im westlichen Theile wechseln
Pfeiler und Würfelknaufsäulen, im östlichen, als Chor behandelten Theile
stehen je zwei niedrige Säulen zwischen zwei Pfeilern auf einer die Schiffe
trennenden BrüvStungsmauer. (Hase, Baudenkm. 1, 73 — 80 und Taf. 17 f.)
Clis bei Gandersheim. Die 1124 geweihte Benedictinerkirche, eine
kleine ziemlich rohe Basilika ursprünglich mit zwei West-- und einem Vie-
rungsthurm. Im Schiffe zwei Säulen und ein Pfeiler zwischen ihnen. Die
östlichen Theile überwölbt, Chorschluss gothisch.
Broheck bei Ilsenburg. Die vielfach und schon in roman. Zeit ver-
änderte (die ursprünglich korinthisirenden Capitäle waren mit jetzt wieder
1) Müller, Herrn. Alex., die Liebfrauenkirche zu Bremen, im Organ für christl.
Kunst. 1861. No. 16 u. 17 nebst 1 Taf.
2) Derselbe, die Stiftskirche zu Bflcken (unweit Hoya) u, ihre Kunstdenkm.,
in den Dioskuren. 1860. No. 43 u. 4J. — Klopp, Onno, u. Hotzen, Adelb , Ge-
schichte XL. Beschreibung der Stiftskirche St. Matemiani zu Bücken. 1860.
408 Romanische Kirchea
abgefallenem Stuck überzogen und im Ornament vOllig umgebildet) , ganz
verstümmelte Klosterkirche, *) eine kleine doppelchörige Basilika mit
zwei achteckigen Westthürmen über einem mit Apsis versehenen gemein-
samen Unterbau. In den Arkaden sind die mit einzelnen Säulen wechseln-
den Pfeiler unter sich durch höhere Blendbögen verbunden. Die unter dem
Altarhause befindliche Krypta ist in einem chaotischen Zustande. (Putt-
rich, Denkm. II. Serie Stolberg. Bl. Ib. — Hase, Baudenkm. 1, 141
bis 146 und Taf. 33 f. — Kugler, Kl. Sehr. 1, 616 f.) — Die Dorf-
kirche, eine verstümmelte spfltroman. Pfeilerbasilika mit massigem West-
thurm; die Apsis an dem sehr kleinen Chore aussen polygonisch. (Hase
a. a. O. 6p. 147 f.)
EiseMck. Die Benedictiner (Nicolai-) k i r c h e , eine spätroman .
Basilika ohne Querschiff, in welcher verschieden gebildete Pfeiler mit Säulen
wechselnd die gegliederten Arkadenbögen tragen. Vor 'dem Westportal eine
rechteckige Vorhalle. Der im Erdgeschosse viereckige , sonst achteckige
Thurm steht südlich am Chore. (Pütt rieh, Denkm. I. Serie Weimar.
Bl. 7ö und 17.) — Die Dominicanerkirche, ^) Reste eines spitz-
bogigen basilikalen Langbaues im gothisirenden Uebergangsstil ; seit 1235.
Eidagsei bei Hildesheim. Reste einer ehemal. Säulenbasilika.
Erdnanskah bei Leipzig. Die Kirche, roher Bruchsteinbau mit Apsis ;
modern verändert.
Irfirt. ^) Die profanirten Ueberreste der Benedictinerkirche auf
dem Petersberge : die Umfassungsmauern und die Pfeiler einer grossartigen
Basilika mit vier Thürmen über den Pocken des Langhauses, geweiht 1147.
(Put trieb, Denkm. II. Serie EWurt. Bl. 11.) — Die restaurirten Doppel-
thürme zwischen Chor und Schiff des Domes und einige Theile des Kreuz-
ganges im Uebergangsstil. (Ebd. Bl. 3. 7. 11.) — Die Reglerkirche und
die Schottenkirche lassen unter den späteren Umänderungen noch die
ursprüngliche roman. Anlage erkennen.
hedekloh bei Eimbeck. Die Kirche des Augustiner - Doppelklosters,
vollendet 1172, nach einem Brande um 1290 und modern verändert: eine
doppelchörige Pfeilerbasilika mit einer westlichen Empore, die auf einer in
der Westapsis befindlichen Wendelstiege zugänglich ist. Die Vierung ist
von dem Langhause durch eine S — lO' hohe Mauer getrennt. Die beiden
Thürme nehmen die ganze Westfafade ein und steigen, mit einem hohen
Sockel anhebend, in mehreren Geschossen von schwach pyramidaler Ver-
jüngung auf. (Hase, Baudenkm. Heft l. Taf. 8 und Heft 2, 49—52.)
Vreiberg. Die goldene Pforte des Domes *) im reichen Uebergangsstil
mit berühmten Sculpturen. (Puttrich, Denkm. I. Serie Freiberg.)
Vrelhirg a. d. Unstrut. Die offene Vorhalle, die beiden oben acht-
eckigen Westthürme, das Querhaus und der Vierungsthurm der Stadt-
1} Hart mann, Alfr., Kloster Drübeck, in R o m b e r g ' s Zeitschr. für prakt.
Baukunst. 1857.
2) Rein, W., das Dominicanerkloster zu Eisenach, geschichtlich u. architekto-
nisch dargestellt. 1857. Mit 1 Taf.
3) Schöler, die mittelalterl. Baudenkm. in Erfurt, im D. Kunstbl. 1852.
8. 273 f.
4) Heuchler, Ed. , der Dom su Freiberg. 1 862.
in Thüringen und Sachsen. 409
kirche im Uebei^angsstil des Naumburger Domes. (Puttrich, Denkm.
IL Serie Freiburg. Bl. 2 — 6; vergl. oben S. 302 Fig. 148. — Förster,
Denkm. 7, 7—12 und 3 Taf.) — Die Doppelkapell^ auf dem Schlosse,
deren älteres Erdgeschoss sich ursprünglich nach Westen weiter fortsetzte
und hier eine von zwei Säulen getragene Empore enthielt ; das Obergeschoss
im glänzendsten Uebergangsstil : von einer Bündelsäule in der Mitte gehen
die in arabischer Weise ausgezackten Gurtbögen des Gewölbes aus. (Putt-
rich Bl. 7— 10; vergl. oben S. 20 Fig. 3 S. 299 Fig. 143rfund S. 404
Fig. 183. — Förster a. a. O.)
Prosa bei Hoym. Die Nonnenstiftskirche ^ eine Basilika mit zwei
westlichen Thürmen, die eine nach innen offene Vorhalle mit Empore ein-
schliessen. Im Schiff wechseln Pfeiler mit je zwei Säulen. Die Kreuzarme
sind von der Vierung durch Mauern abgetrennt. (Puttrich, Denkm. I.
Serie Anhalt. Bl. 36 f. — Kugler, Kl. Sehr, l, 607—611. — Vergl.
obenS. 299 Fig. 143 c.)
danderskeifli bei Eimbeck. Die Nonnenstiftskirche, eine Basilika^ als
deren ältester, nach einem Brande von 1073 datirender Theil ausser der
ursprünglichen Choranlage das Untergeschoss des querschiffartigen west-
lichen Vorbaues gilt, während die im Oberstock befindliche Nonnenempore
und die beiden achteckig aufsteigenden Thürmc einer späteren Zeit ange-
hören. Das zwischen den genannten alten Theilen eingebaute Langhaus,
in welchem je zwei Säulen zwischen zwei Pfeilern stehen, wurde nach einem
abermaligen Brande um 1170 in einen Gew^ölbebau umgewandelt, der je-
doch niemals ganz vollendet worden zu sein scheint und bei der neuesten
Restauration wieder beseitigt ist. Chor und Querschiff haben spätroman.
Kreuzgewölbe, und auch die Krypta erscheint als eine Erneuerung aus der
zuletzt erwähnten Bauperiode. Das Westportal ist modern.
deUbayn bei Rochlitz. Die Thürme und der Zwischenbau der goth.
Nicolaikirche. (Puttrich, Denkm. I. Serie Reuss. Bl. 13 und 16.)
deorgestkal ^) bei Gotha. Ruine eines dreischiffigen Säulenbaues^ ver-
muthlich des Capitelsaales von dem ehemal. 1142 gegründeten, aber erst
nach 1186 reicher baulich ausgestatteten Kloster; die Säulen mit Würfel-
capitälen und weit über die Plinthe ausladenden Pfühlen, zum Theil canne-
lirt. Die Kirche selbst hatte eine grosse Apsis.
(leTDrode bei Quedlinburg. Die 964 vollendete Nonnenstiftskirche^ ^)
eine flach gedeckte doppelchörige Basilika mit kaum vorspringenden Kreuz-
armen, zwei den Westchor flankirenden Rundthürmen und zwei Krypten.
Im Langhause steht ein Pfeiler in der Mitte zweier Säulen mit byzantinisch-
korinthisirenden Capitälen, und über den Seitenschiffen ist unterhalb der
sehr kleinen und hoch belegenen Fenster des Obergadens eine Emporen-
galerie angeordnet, die in Verbindung steht mit einer im Westchore ange-
]) Stark, Bemh., die Cisterscienserabtei Georgenthal, in der Zeitschr. des Ver*
eins für thüring. Gesch. u. Alter thumskunde I. 3 u. 4. Mit 3 Taf. — Eberhard, G.,
Aufgefundene Reste einer Klosterkirche bei Georgenthal, in der Zeitschr. für Bau-
.wesen. 1852. Sp. 538 u. Bl. 83. —Vergl. Illustr. Ztg. 1853. No. 498.
2} Lucanus, F., die Stiftskirche zu Gemrode etc., im Anseiger des German.
Museums. 1857. Sp. 12—14; 42—44.
410 RomaniBche Kirchen
brachten Empore. Letztere gehört jedoch nicht dem Stiftungsbau an, sondern
einer wesentlichen Veränderung, welche die Kirche um die Mitte des Xu.
Jahrb. erlitt, wobei der ursprüngliche Westchor entfernt, das Obergeschoss
des jetzigen Glockenhauses hinzugeffigt , eine Erhöhung der alten Trep-
penthürme vorgenommen und eine grosse neue Westapsis errichtet wurde.
Zugleich fand eine Vermauerung der (jetzt wieder eröffneten) Seitenemporen
und eine Erhöhung des Fussbodens der Kreuzarme über kryptenartigen
Säulenunterbauen statt. Auch die geräumige dreischiffige Säulenkrypta
unter dem Westchore gehört erst dieser Zeit an, während die kleine qua-
dratische Pfeilerkrypta des Ostchores mit ihren völlig aller Gurtungen ent-
behrenden Kreuz- und Tonnengewölben ursprünglich ist. Bemerkenswerth
durch ihre mit Sculpturen bedeckten Wände ist die dem Ostende des südl.
Seiten Schiffes eingebaute Heil. Grabkapelle, aus der Zeit etwa gegen 1100.
— Der noch erhaltene, an der Kirche belegene Nordflügel des Kreuzganges,
mit einem Corridor über demselben zeigt die vollendeten Formen einer
spätroman. Erneuerung. (Puttrich, Denkm. I. Serie Anhalt. Bl. 18 bis
28. — Derselbe, Systemat. Darstellung, Titelvignette. — Förster,
Denkm. 2, 37—42 und 2 Taf. — Vergl. oben S. 401 Fig. 179.) Bei der
im Jahre 1865 unter v. Quast's Leitung vollendeten gründlichen Restau-
ration der gänzlichen Verfall drohenden Kirche ist alle fremdartige Zuthat
vorsichtig beseitigt und das Ganze möglichst im ursprünglichen Geiste (mit
einer nach Mustern des X. Jahrh. geschnitzten und polychromirten Balken-
decke aus natürlichen Eichenstämmen) hergestellt worden. (Vergl. Luca-
nus, Wegweiser durch Halberstadt etc. 2. Aufl. 1866. S. 76—80 und
v. Quast, im Correspondenzbl. etc. 1866. S. 3 f.)
dölUngen ^) bei Sondershausen. Von der dortigen Benedictinerkirche
sind nur die Grundmauern des Altarhauses nachgewiesen. Bemerkenswerth
ist eine westlich von diesen Ueberresten belegene schmuckvolle quadratische,
oben in einen achteckigen Thurm übergehende Kapelle mit einer viersäu-
ligen Krypta, deren Gewölbegurte die Hufeisenform haben. Beide Räume
öffneten sich nach Osten in eine Vorhalle. (Puttrich, Denkm. Serie
Schwarzburg. Bl. 19. 20.)
Mrlitl. Die Westfront der Petri-Paulikirche im Uebergangsstil : zwei
oben achteckige Thürme und ein sehr reiches, aber stark beschädigtes Spitz-
bogenportal. (Kallenbach, Atlas Taf . 27.)
ÜMeck ^) bei Weissenfeis. Das gerade geschlosseue Altarhaus und das
mit Nebenapsiden besetzte Querschiff, als Ueberreste der ehemal. Kloster-
kirche. Die zum Theil verbaute Krypta erstreckt sich bis unter die Vierung
und gehört verschiedenen Bauperioden an. (Puttrich, Denkm. Serie
Mühlhausen. Bl. 18.)
(iMbr. Der Dom (eine Basilika, in welcher je zwei Säulen zwischen
zwei Pfeilern standen, geweiht 1050, in spätroman. Zeit in einen Gewölbe-
bau umgewandelt) ist 1819 abgetragen und nur in Zeichnungen (Mithoff,
Archiv. Abth. m. Lief. 1. Taf. 1—3. — Otte, Gesch. der Baukunst
1) Bleichrodt, W. G , das Kloster GöUingen. 1838.
2) Sturm, C. O. A., Gesch. u. Beschreib, der ehemal. Grafschaft u. Benedi-
ctinerabtei Goseck. 1844.
in Thllringen und SaohMn. 41 1
S. 166) erhalten; conserrirt ist allein die Vorhalle der Nordseite, ein über-
wölbtes dreischifiiges Rechteck in reichem spätroman. Stil : den Eingang
bilden zwei offene Bögen, seitwärts auf Pilastem, in der Mitte auf einer
ganz mit Ornament bedeckten Säule ruhend, deren Basis auf einem Löwen
liegt, und deren Würfelknauf vier von Drachen umstrickte Menschenköpfe
zeigt. (Gladbach [Moller m.], Denkm. Taf. 1—3. — Mithoff a. a. O.
Taf. 4—6. — Förster, Denkm. 6, 17 und 2 Taf.) — Die Kirche auf
dem Frankenberge, ursprünglich eine flach gedeckte Pfeilerbasilika
mit rechtwinkelig eingerahmten Arkadenbögen (1108), seit 1208 in einen
spitzbogigen Oewölbebau umgewandelt und am Ostende gothisch verändert.
(Mithoff a. a. O. Lief. 5 — 7.) — Die Jacobikirche, eine vielfach
und schon frühzeitig veränderte ursprüngliche Pfeilerbasilika mit zwei
Westthürmen, in der Uebergangsperiode in eine überwölbte Hallenkirche
umgewandelt; der Chor ist frühgothisch. (a. a. O. Taf. 24.) — Die Markt-
kirche, eine überwölbte Pfeilerbasilika mit zwei Westthürmen, im LTeber-
gangsstil ; das Langhaus erhielt später noch zwei äussere Seitenschiffe ; der
polygonisch schliessende Chor ist frühgothisch. (Ebd.) — Die Kirche des
Cisterzienserklosters N e u w e r k , eine überwölbte Pfeilerbasilika im Ueber-
gangsstil, mit zwei achteckigen Westthürmen über gemeinschaitlichem Un-
terbau. (Ebd. Taf. 17—23.) — Die Doppelkapelle St. Ulrich am
Schloss, *) restaurirt; s. oben S. 22. m. (Ebd. Taf. 15 f.) — Die Clus,
in einen isolirten Felsen gehauene Kapelle im Uebergangsstil, vor der Stadt.
üotUMgude bei Calbe a. d. S. Die Hospitalkapelle Joh. Bapt. (jetzt
evangelische Kirche), polygonisch geschlossen, mit breitem Sattelthurm in
Westen, geweiht 1208.
drafeahailidieB bei Wittenberg. Kirche im einfachen Uebergangsstil ;
am Giebel pyramidal gruppirte Fenster.
dfalken bei Grimma. Romanische Landkirche; als Giebelträger ein
roher menschlicher Arm.
Clrinna bei Leipzig. Die Marienkirche, einfache überwölbte Pfeiler-
basilika im schlichten Spitzbogen; die Gewölberippen von Consolen ge-
tragen ; die Fenster des gerade geschlossenen Chores zu dreien in p3rrami-
daler Gruppe ; zwei innerlich runde, äusserlich oberwärts polygone Neben-
apsiden an der Ostseite der Kreuzarme. Zwei Westthürme. (Puttrich,
Denkm. I. Serie Reuss. Bl. 17 und Systemat. Darstell. Bl. IV, 7; V, 7;
VI, 13.)
Cr^MfSch. Ruine einer Rundkapelle; s. oben S. 20 Fig. 2. (Puttrich,
Denkm. I. Serie Reuss. Taf. 5, c.)
driailgei bei Halberstadt. Die dreischiffige Kirche, mit roh spitz-
bogigen Pfeilerarkaden und gerade schliessendem Chor. (Lotz 1, 259.) —
Im nahe gelegenen Dorfe Kloster-Groningen, eine verstümmelte Ba*
silika ^ mit achteckigem Thurm über der Vierung ; in den Arkaden steht
IJ Blumenbach, Beschreib, des alten Kaiserpalastes su Goslar u. der daneben
neu entdeckten kaiserl. Haaskapelle, im Archiv des histor. Vereins far Niedersachsen.
1846. 8. 1—27.
2) Hartmann, H., Kloster Groningen, in Romberg's Zeitschr. fürprakt.
Baukunst. 1858. Sp. 235—240 u. Taf. 25,
412 Romunische Kirchen
ein Pfeiler zwischen je zwei Säulen, die hohe attische Basen und an den
Würfelcapitalen zum Theil rohe phantastische Zierden zeigen. Anscheinend
war ursprünglich ein Westchor vorhanden, statt dessen sich ein jQngerer
kryptenartiger Kapellenein bau findet, mit einer Empore darüber und in der
Mitte mit einer in das Schiff vortretenden Apsis versehen. (Kugler, Kl.
Sehr. 1, 597—600.)
CadeMwegen bei Magdeburg. Einschiffige Kirche mit Apsis und recht-
eckigem Westthurm.
ladnersleben bei Halberstadt. Benedictiner - Nonnenkirche , ^) ein«
schiffig, rechteckig, mit zwei Westthürmen, gothisch umgebaut. Die west -
liehe Hälfte nimmt eine Nonnenempore ein mit kryptenartigem Säulen- und
Pfeilerunterbau .
lalberstadt '^) Die Cisterzienser- Nonnenkirche St. Burchardi,
eine profanirte , der Seitenschiffe beraubte , flach gedeckte , rundbogige
Pfeilerbasilika (angeblich erbaut 1208), mit gewölbtem Umgang um den
gerade geschlossenen Chor; schönes Sildportal. — Die (restaurirte) West-
fa^ade des Domes: der von zwei Thürmen '^) flankirte, in einen schlanken
Giebel aufsteigende Zwischenbau mit dem Portal und einem Radfenster über
letzterem im reichen Uebergangsstil, seit 1237. (Lucanus, Dom zu Hal-
berstadt. Taf. 4. — Kallenbach, Chronologie I. Taf. 8. — Förster,
Denkm. 8, 37 — 42 und 3 Taf. nach der Restauration.) Auch der Kreuz^
gang am Dom zeigt die Formen der Uebergangsperiode. (Kallenbach
a. a. O. Taf. 12.) — Die Liebfrauenkirche, ^) eine einfache Pfeiler-
basilika in schlichten, aber den edelsten Formen ; neben dem Chore zwei
in Apsiden auslaufende Seitenkapellen ; zwei westliche , viereckige , und
zwei östliche, achteckige Thürme; das Ganze noch im roman. Stile später
überwölbt. Nach v. Quast's Untersuchungen gelten für diesen Bau fol-
gende Zeitbestimmungen: der untere Theil des westlichen, horizontal
schliessenden Thurmvorbaues aus der Zeit von 996 — 1023; der ältere
Hauptbau, geweiht 1146; hierauf wahrscheinlich die vier Thürme (der
nordöstliche ist nach dem alten Muster um 1844 neu erbaut), und endlich
in der Zeit von 1274 — 1284 die (durch die Restauration wieder beseitigte)
Ueberwölbung. (Kallenbach, Chronologie. II. Taf. 1. — v. Quast,
in der Zeitschr. für Archäol. und Kunst 2, 176 f. und Taf. 11. 12. —
Romberg, Zeitschr. für prakt. Baukunst. 1856. Taf. 38 f. — Förster,
Denkm. 8, 15 — 20 und 3 Taf.) — Die Vierungspfeiler der Martini-
1) Hartmann, Alfr., Klosterkirche St. Peter u. Paul zu Hadmersleben, in der
Zeitschr. des Architekten- etc. Vereins für Hannover. VII. 4, 213— 218 u. Taf. 53—56.
2) Lucanus, F., Wegweiser durch Halberstadt u. die Umgegend. (1843.)
2. Ausg. 1866.
3) Ueber die Restauration der Thürme, vergl. Organ für christl. Kunst. ISGl.
S. 215.
4) Augustin, Chr. F. Bemh., die Liebfrauenkirche zu Halberstadt, in Kugle r's
Museum. 1833. S. 86 u. 103 fil — Quast, Ferd. v., die Liebfrauenkirche zu Hal-
berstadt, im Kunstbl. 1845, No. 52 — 56. — Lucanus, F., die Liebfrauenkirche zu
Halberstadt, deren Geschichte, Architektur u. Kunstwerke. 1848. Mit 2 Abbild. —
Hartmann, Alfr., Klosterkirche zu U. L. Fr. zu Halberstadt, im Anhange zu
Bd. vm. (18Ö2) der Zeitschr. des Architekten- u. Ingenieur- Vereins für Hannover.
in Thüringen und Sachsen. 413
kirche, romanisch von 1197. — Die Moritzkirche, ^) eine flach ge-
deckte, gerade schliessende Pfeilerbasilika, mit zwei Westthürmen neben
dem wagerecht abgeschlossenen Zwischenbau, im Uebergangsstil , nach
1240; 1843 unverständig restaurirt. — Die Paulskirche, eine profa-
nirte, verstümmelte, flach gedeckte Pfeilerbasilika im Uebergangsstil, mit
zwei roman. Westthürmen über dem Glockenhause; Chor gothisch.
lalle a. d. S. Die beiden Östlichen, achteckig neben dem wagerechten
Zwischenbau aufsteigenden Thürme der Marktkirche, im Uebergangsstil ;
sie waren ursprünglich die Westthürme eines früheren Baues. (Kallen-
bach, Chronologie. I. Taf. 12.)
laoierslebeii unweit Oschersleben. Kirche des um 1 1 1 2 gegründeten
Augustiner-Doppelklosters, eine (restaurirte) flach gedeckte Säulenbasilika
mit zwei Thürmen über dem Ende der Seitenschifie an der Westseite des
Querhauses, dessen Arme von der Vierung über einer Brüstungsmauer
durch Säulenarkadeu geschieden sind, und zwei in Apsiden schliessenden
Nebenchören. An das westliche Doppelportal schloss sich ehemals ein«
Vorhalle mit Nonnenempore. Bemerk enswerth ist die Architektur der drei
Fenster der Hauptapsis, von denen das mittlere etwas höher aufsteigt ; die-
selben sind wie die zwischen ihnen liegenden ähnlichen Blenden äusserlieh,
wie die SchifFarkaden des Innern, rechtwinkelig eingerahmt. Das maassvoll
reiche, zum Theil ikonische Ornament der Säulen mit Würfelcapitälen ist
ausgezeichnet und besonders in den jüngeren Theilen der Kirche (im Quer-
schiff) nirgends übertroffen, (v. Quast, in der Zeitschr. für Archäol. und
Kunst 2, 74—81 ; 171 — 176 und Taf. 5 f. — Hase, Baudenkm. Helt 3,
97 — 108 und Taf. 21—24. — Schnaase, Kunstgesch. IV. 2, 77. —
VergL oben S. 297 Fig. 140.)
leckUugen bei Bernburg. Benedictiner-Nonnenkirche , eine Basilika
mit wechselnden Pfeilern und Säulen und ursprünglich zwei Westthürmen,
spätroman. Stils ; der reich decorirte Emporeneinbau am Westende des
Mittelschiffes und unter den Arkaden des südlichen Seitenschiffes, sowie
die ausgezeichneten Stucksculpturen datiren später als der Hauptbau. (Putt-
rich, Denkm. I. Serie Anhalt. Bl. 29—36. ~ Förster, Dcnkm. 1,
49—52 und 2 Taf.)
leiligenkreu bei Meissen. Ruine der Benedictiner-Nonnenkirche im
Uebergangsstil (1217 — 1233) : eine überwölbte Basilika, nur mit einem
(südlichen) Seitenschiff, welches wie der Chor mit einer Apsis schliesst;
allein die östlichen Theile sind erhalten. (Puttrich, Denkm. I. Serie
Meissen. Bl. 20 — 23.) — Das Refectorium mit vier von einer Mittelsäule
getragenen Kreuzgewölben.
lelningen bei Wolfenbüttel. Die nacn einer Inschrift 1 012 gegründete,
aber später erneuerte und überwölbte Augustiner-Nonnenkirche, ^) eine
mehrfach verstümmelte Basilika, in der Pfeiler und Säulen wechseln und
erstere unter sich durch höhere Blendbögen verbunden sind ; die Seiten-
1} Hartmann, Alfr., u. Quast, Ferd. v., St. Moritz in Halberstadt, in der
Zeitschr. für Archäol. u. Kunst 2, 2Sü— 2S3 u. Taf. H.
2) Lüer, W., Klosterkirche zu Heiningen, in der Zeitschr. des Arcbitekten-
etc Vereins für Hannover. VIU. 4, nebst 2 Taf.
Otte, Kttn»t-Archftologle. 27
414 Romanische Kirchen
schiffe setzen sich auch neben dem Chore fort und enden in Apsiden ; in
den Kreuzarmen Altamischen in der Mauerstärke.
■einstallt. Die Krypta des ehemal. Ludgeriklosters, geweiht
1098; die ehemals viertharmige Kirche, begonnen 1133; die zierliche
Doppelkapelle im Kreuzgang, erste Hälfte des XI. Jahrh. — Die Kirche
des Augustinerinnenklosters Marienberg vor der Stadt, eine 125G ge-
weihte Pfeilerbaailika im Uebergangsstil, mit gothisch umgebautem Chor.
Itldeskeifli. ^) Der Dom, ^) eine flach gedeckte, innerlich ganz ver-
zopfte, früher auch schon gothisch veränderte Basilika, in welcher je zwei
Säulen zwischen zwei Pfeilern stehen. Die unter dem Chor und der Vie-
rung befindliche Krypta ist ganz entstellt, die Westthürme sind modern.
Die elegant verzierte Apsis von einem 1190 geweihten Bau. Der zwei-
stöckige Kreuzgang an der Ostseite des Domes in spätroman. Stil. — Die
Godehardikirche, 1133 — 1172, eine flach gedeckte Basilika (in den
rechtwinkelig eingerahmten Arkaden des Langhauses dem beim Dome er-
wähnten Schema folgend), deren Seitenschifi*e sich jenseits des über der
Vierung mit einem achteckigen Thurme und Östlich mit Apsiden versehenen
Querhauses fortsetzen und einen in der Tonne übenvölbten und mit drei
radianten Apsidiolen besetzten Umgang um den halbrunden Chorschluss
bilden. An den wagerecht abschliessenden Zwischenbau zwischen den beiden
oben achteckigen AVestthürmen, der im Innern zweistöckig behandelt ist,
schliesst sich eine niedrige Westapsis; diese westlichen Theile datiren seit
1187. Die ausgezeichnete Restauration (seit 1848) hat viele gothische und
spätere Entstellungen beseitigt. Das Ornament der Würfelknauf Säulen im
Schifi* ist ebenso edel als maassvoll. (Hase, Baudenkm. Niedersachsens.
Heft 1, 5—11 und Taf. 1 f. — Förster, Denkm. 5, 9—12 und 2 Taf,
— Kallenbach und Schmitt, Kirchenbaukunst. Taf. 13. Fig. 1 — 10.)
— Die Kirche des Benedictinerklosters St. Michael von grossartigster
Anlage, vollendet 1033 : eine doppelchörige Basilika mit zwei Querschiffen,
die jedes über der Vierung mit einem viereckigen Mittelthurm und an den
Giebelfronten mit achteckigen Treppenthürmen versehen sind, welche die
Aufgänge enthalten zu den in den Vorlagen der Kreuzarme angeordneten,
von Arkaden getragenen Emporen. Das Langhaus bietet das älteste Bei-
spiel des schon beim Dome und bei St. Godehard bemerkten Stützen wech-
seis von je zwei Säulen zwischen zwei Pfeilern. Brand und Vernachlässigung
des Gebäudes veranlassten im XII. Jahrh. einen 1186 geweihten Neubau;
doch rühren ausser sämmtlichen Arkadenpfeilern auch einige Säulen noch
von dem alten Bau her : letztere haben über den schweren und schlichten
Würfelknäufen aus antikisirenden^Gebälkstücken bestehende Kämpfer (oben
S. 300 Fig. 145 c/), während die Säulen des Neubaues mit glänzend korin-
thisirenden Capitälen geschmückt sind. Die unter dem Westchore zu ebener
Erde belegene (vielleicht erst im XVI. Jahrh. mit einem Umgange ver-
sehene) dreischiflfige Säulenkrypta ist eine Erneuerung aus dem XII. Jahrh.,
und die erhaltenen Theile des Kreuzganges datiren von der Mitte des XIII.
1) Lüntzel, H. A.» Gesch. der Diöcese u. Stadt Hildesheim. Tlieil 1. 2.
1S57etc.
2) Kratz , J. M., der Dom 2U Hildchheira. Theil 2 u. 3. 1840.
in ThOringen und Sachsen. 415
Jahrhunderts. Die nur fragmentarisch auf uns gekommene Kirche ist seit
1855 nur ebenso , doch sachkundig restaurirt worden. (Gladbach
[Moller m.], Denkm. Taf. 43—48. — Hase, Baudenkm. Heft 1. Sp.
17—28 und Taf. 3—6. - Vergl. oben S. 56 Fig. 24.) — Die Kloster-
kirche auf dem Moritz berge (y^ Stunde von der Stadt) ist eine veieopfte
Säulenbasilika von circa 1060, mit einem später ins Achteck umgesetzten
Thurm über dem quadratischen Altarhause, dem sich ursprünglich wahr-
scheinlich eine Apsiden vorläge anschloss, welche, wie die an den Kreuz-
flügeln befindlichen, innen im Halbkreise, äusserlich rechtwinkelig gebildet
war. Die kleine Säulenkrypta mit gurtenlosen QewOlben ist entstellend
verändert. Den westlichen Abschluss des Schiffes bildet eine von zwei
Säulen getragene Empore zwischen zwei quadratischen Treppenhäusern.
Der südlich angrenzende Kreuzgang zeigt verdorbenen spätroman. Stil.
(Hase a. a. O. Heft 4 Sp. 109—114 und Taf. 25 f.)
liUenlehes bei Wolmirstädt. Die in Trümmern liegenden östlichen
Theile (Querschiff und Altarhaus mit zwei Nebenchören) der Benedictiner-
kirche, vom Ende des Xu. Jahrh. ; das verstümmelte Langhaus (gewölbter
Pfeilerbau) mit dem Westthurm in rohem Uebergangsstil, circa 1259 — 1304.
(v. Quast, in der Zeitschr. für Archäol. und Kunst 2, 20—27.)
lokeilohe unweit Leipzig. Dorfkirche mit schmälerem, gerade schlies-
sendem Chor, im Uebergangsstil. (Bericht der deut. Gesellsch. in Leipzig.
1832. S. 68 und Fig. 4. 5.)
Iiyseharg ^) bei Halberstadt. Benedictinerkirche, eine dopi)€lchörige,
flach gedeckte Basilika, in welcher die mit Säulen wechselnden Pfeiler unter
sich durch hohe Blendbögen verbunden sind, geweiht 1121. Die Säulen
haben meist korinthisirende Capitäle. Kreuzarme ohne Nebenapsiden ;
neben dem sehr langen, mit einer Apsis geschlossenen Altarhause zwei
Seitenchöre, deren Altamischen in der geraden Schlusswand liegen. Die
beiden rohen Westthürme von 1487. Kreuzgang und Klostergebäude (Ca-
pitel- und Bibliotheksaal) , zum Theil glänzend spätromanisch, aber ver-
stümmelt. (Vergl. oben S. 302 Fig. 146.)
Icktenkaisei bei Erfurt. Cisterzienser-Nonncnkirche, rechteckig, mit
drei Apsiden und zwei westlichen Thürmen.
Jeaa. Die einschiffige Johanniskirche auf dem Kirchhofe, mit recht-
eckigem überwölbtem Chor. Die Fenster meist gothisch verändert.
Ikenbirg bei Wernigerode. Benedictinerkirche, ^) eine verstümmelte,
ursprünglich doppelchörige Basilika, in welcher Pfeiler mit Wörfelknauf-
säulen (s. oben S. 296 Fig. 132) wechseln, geweiht 1077. Im XII. Jahrh.
wurde das Schiff überwölbt, und an die Stelle der westlichen Apsis trat ein
Portal. Gleicher Zeit (circa 1150 — 1176) gehören das Refectorium und der
Capitelsaal an : dreischifllge gewölbte Säulenbauten. (Puttrich, Denkm. 11.
1) Oeiwitz, Geo., Reisenotiz, im D. Kunstbl. 1S51. S. 352 f. -<- Quast,
Ferd. v., BLuyseburg, in der Zeitschr. für Bauwesen. 1852. Sp. 1 1 1 ff . — Hart-
mann, Alfr., Kloster Huyseburg. Ebd. 1851. Sp. 401 ff. u. Bl. 53— 5'».
*2) Niamey er, Chr., über die Kirchen zu ILsenburg u. Walbock, in den N.
Mittheil des Thü ring. - Sachs Vereins. IV. 2, 132—137. — Hart mann, Alfr.,
Kloster Ilsenburg, in Romberg's Zeitschr. für prakt. Baukunst. 1857.
27 •
416 Romaniflche Kirchen
Serie Stolberg. Bl. 6 und 7a, 5 und 10. — Hase, Baudenkm. Heft 5.
Sp. 151 — t62 und Tat. 35 — 37. — Förster, Denkm. 5, 21 f. und
1 Taf.)
Kleln-SchöppeMtedt bei Braunschweig. Verkehrt orientirte einschifiige
flach gedeckte Kirche , mit der Apsis in Westen und dem rechteckigen
Sattelthurm in Osten.
Könlgslitter bei Braunschweig. Die 1135 gegründete Benedictiner-
kirche, ^) eine grossartige Pfeilerbasilika mit zwei Nebenchören und fünf
Apsiden' (drei an den Chören, zwei an den Kreuzarmen) in Osten, acht-
eckigem Hauptthurm auf dem Kreuz und zwei kleineren achteckigen West-
tKürmen über einem rechteckigen Unterbau, mit einer Empore zwischen
denselben. Die Gewölbe des Langhauses sind erst von 1693, im Querschiff
und der Chorpartie dagegen ursprünglich. Der Nordflügel des Kreuzganges
spätroraanisch , von zierlichen Säulen in zwei Schiffe getheilt. (Hase,
Baudenkm. Heft 2. Sp. 37—52 und Taf. 9—12. — Förster, Denkm.
5, 1—4 und 3 Taf. — Vergl. oben S. 296 Fig. 138.)
Kouradsburg bei Gernrode. Von der Benedictinerkirche ist nur die
Chorpartie erhalten: ein spätroman. basilikaler Gewölbe bau mit drei Ap-
siden. Die Krypta hat dieselbe Grundform , ist aber durch prachtvolle
Säulen in fünf Schiffe getheilt. (Puttrich, Denkm. II. Serie Eisleben.
Bl. 12 — 16. — Kugler, Kl. Sehr. 1, 614. — Förster, Denkm. 5,
5—8 und 3 Taf. — Vergl. oben S. 296 Fig. 135.)
Krenzhiirg bei Eisenach. Der spätromanische, überwölbte Chor der
Stadtkirche, begonnen 1215. — Theile der 1252 angelegten Gottes-
ackerkirche. — Geringe Reste in der Ruine der Kirche des 1173 ge-
sti fteten Augustiner-Nonnenklosters .
Laidsberg bei Halle a. d. S. Die zweistöckige Schlosskapelle, ^
dreischiffiger zierlicher Hallenbau mit drei Apsiden; die Schiffe sind durch
kreuzförmige Pfeiler mit engagirten Würfelknaufsäulen getrennt; 1 156 bis
1180. (Puttrich, Denkm. II. Serie Halle. Bl. 14—18. — Förster,
Denkm. 1, 45 — 48 und 1 Taf.) — Die einschiffige Stadtkirche mit
Apsis und rechteckigem Westthurme.
LaiSAltl bei Eisenberg. Chor und Querschiff der seit 1862 wieder her-
gestellten Augustiner -Nonnenkirche (geweiht 1180), Östlich mit drei Ap-
siden, im flach gedeckten I^anghause Pfeiler, die mit vier Halbsäulen und
mit eingelassenen Ecksäulchen versehen sind. (Puttrich, Denkm. I.
Serie Altenburg. Bl. 14. 16. 17. — Sprenger, in der Zeitschr. für Bau-
wesen. 1863. Sp. 377—384 und Taf. 55 f.)
Leitikai unweit Zerbst. Die 1155 geweihte Prämonstratenserkirche,
eine verstümmelte und profanirte kreuzförmige Pfeilerbasilika aus Haustein,
ehemals mit drei Apsiden und zwei Westthürmen. Details von der Krypta
im Schlossbau. (Adler, Backsteinbauwerke. Bd. II. S. 23 ff.)
1) Stamm, die Stiftskirche zu Königslutter, im Organ für chri«tl. Kunst. 1853«
No. 13 nebst Abbild. ; vergl. ebd. 1S56. No. 18.
2) Stapel, A., die Doppelkap. zu Landsberg. ISU. — Mühin er, Gesch. der
Schlosskap, St. Cruois zu Landsberg. 1 SG2.
in Thüringen und Sachsen. 4t 7
Liknde bei Hildesheim. Kirche in der Grundform des gleicharmigen
Kreuzes, einschiffig, mit goth. Gewölben und goth. Chorschluss.
Itgdebirg. Der Kreuzgang am D o m zeigt im südlichen Flügel spät-
romanische Formen; der nördliche Flügel, ursprünglich im Uebergangsstil,
ist gothisch umgebaut ; der östliche Flügel zeigt gothisirende ITebergangs-
formen; der westliche Flügel ist gothisch. Im Capitelsaal fjetzt Provincial-
archiv) sind Granitsäulen zur Anwendung gekommen, die auf umgestürzten
byzantinischen Marmorcapitälen stehen und vermuthlich aus dem 1207 ab-
gebrannten Dome Otto's des Grossen herrühren. ^) — Die Westfa^ade der
Johanniskirche im Uebergangsstil, nach 1207 ; der Giebel des Glocken-
hauses modernisirt. (v. Quast, in der Zeitschr. für Archäol. und Kunst
l, 253 und Taf. 16. Fig. 9.) — Die Marienkirche, ^j ursprünglich eine
kreuzförmige flach gedeckte Basilika mit Pfeilern und Säulen und im We-
sentlichen von einem Neubau seit 1 1 29 herrührend (vielleicht mit einigen
älteren Bestandth eilen von 1064 bis circa 1100], welche in frühgoth. Zeit
in einen Gewölbebau umgewandelt worden ist. Die dreischiffige Krypta
unter dem Chore enthält zum Theil Säulen aus edlem Gestein und ist ein
Umbau aus der Spätzeit des XII. Jahrh. ; gleichzeitig erscheint auch das
von zwei runden Treppen thürmen flankirte mächtige quadratische Glocken-
haus, welches im Innern mehrere gewölbte Hallen über einander enthält.
Der prachtvoll grossartige Kreuzgang mit einem Brunnenhause (oben S. 79
Fig. 31) und die mächtigen Klostergebäude datiren seit 1129 und sind
neuerlich stilgemäss restaurirt, zum Theil umgebaut. (Kugler, Kl. Sehr.
1, 127. — V. Quast a. a. O. S. 167—180; 213—216 und Taf. 12.) —
Der Thurm der Petrikirche. — Die Westfront der Sebastianskirche
mit zwei Thürmen zu den Seiten des wagerecht abschliessenden Zwischen-
baues , höchst einfach ; auch das Querhaus hat im wesentlichen noch die
roman. Formation behalten, (v. Quast a. a. O. S. 250 — 253 und Taf. 16
Fig. 1-5.)
■aildelslok ^) bei Wunstorf. Die Archidiakonatkirche, eine flach ge-
deckte kreuzförmige Pfeilerbasilika mit breitem Westthurm und ursprüng-
lich mit zwei Nebenchören ; einfacher Ziegelbau, zum Theil mit Haustein-
details. (Hase, Baudenkm. Heft 6. Sp. 171 ff. und Taf. 45.)
■aufeM bei Eisleben. Die Kirche des '/g Meile entfernten, 1 170 ge-
stifteten Klosters, eine verstümmelte Säulenbasilika. (Detail bei Puttrich,
Systemat. Darstellung. Bl. VII. 10.)
■arieafliftl bei Helmstädt. Die Cisterzienserkirche , eine gerade ge-
schlossene, nur im Chor überwölbte Pfeilerbasilika, ursprünglich mit je
zwei Kapellen an der Ostseite der Kreuzarme ; 1 138 — 1 146.
larieBwerder bei Hannover. Die Augustiner - Nonnenkirche , eine
thurmlose gewölbte Pfeilerbasilika mit drei Apsiden, im Uebergangsstil,
geweiht 1200; 1860 restaurirt. (Hase, Baudenkm. Heft 6. Sp. 177—182
und Taf. 46.)
1) Die Literatur über den Dom s. unten Abschn. 2. V. imter Magdeburg.
2) Hartmann, Alfr., die Klosterk. u. 1. Fr. zu Magdeburg, inRomberg's
ZeitBchr. etc. I85U Sp. t:i7 ff. u. Taf. 15—23; vergl. ebd. Sp. 330.
3) Fiedeler, über MandeUloh^s Vorzeit, in der Zeitschr. des hist. Vereins ftU
Ntedersachsen. 3, 254 u. Taf. 4.
418 RomanUche Kirchen
leissen. Die Kapelle auf dem Martinsberge, einschiffig mit schmälerem
Chor und Apsidenschluss.
HelTerode bei Braunschweig. Die Dortkirche , ein Gewölbebau im
Uebergangsstil. Das fast quadratische Langhaus besteht aus drei durch ein
Pfeilerpaar geschiedenen Schiffen von gleicher Höhe und dem quadratischen
Chore von der Breite des Mittelschiffes, welcher wie die schmalen Seiten-
schiffe mit einer Apsidenvorlage schliefst. Ueber dem Westende erhebt
sich ein Thurm, der mit seinen Giebelmauem auf den Seitenschiffwftnden,
mit der Ostmauer über zwei Pfeilern auf drei Gurtbögen ruht und im Erd-
geschosse eine schmale Vorhalle bildet, welche durch eine südlich ange-
brachte Thür zugänglich ist. Merkwürdig ist die Construction der Gewölbe,
die aus quer und längs liegenden sich durchschneidenden Tonnengewölben
besteht. (Kallenbach, Atlas. Taf. 4. — Schnaase, Kunstgesch. 5,
331 f.)
■ealebei bei Bibra. Ruine der Klosterkirche im Uebergangsstil : eine
flach gedeckte Basilika, deren gegliederte Spitzarkaden auf Halbsäulen vor-
lagen der rechteckigen Pfeiler ruhen. Die drei Apsiden am Chor und Quer-
schiff sind polygonisch. Unter dem Altarhause eine Säulenkrypta mit Gurt-
gewölben. Ehemals zwei Westthürme und ein Mittel thurm über dem Kreuz.
(Puttrich, Denkm. II. Serie Memleben. Bl. l — 7. — Grueber, Vergl.
Samml. 2. Taf. 29.)
■enebarg. Die älteren Theile des Domes: *) die Krypta (oben S. 41
Fig. 12) mit sehr complicirten , fein gegliederten Pfeilern (oben S. 404 Fig.
180), und der Unterbau der beiden seitlich einschneidenden Rundthürme
aus dem XI. Jahrb., das gewölbte Altar- und Querhaus mit den den Chor
von den Kreuzflügeln trennenden, elegant decorirten Brüstungswänden, der
Oberbau des südl. Chorthurmes (oben S. 59 Fig. 25), das spätgothisch
überwölbte Zwischenhaus, die beiden Westthürme und die vor letzteren
befindliche spät est gothisch umgebaute dreischiffige Vorhalle, durchgängig
spitzbogig im einfachen Uebergangsstil (um 1256 — 1274). (Puttrich,
Denkm. II. Serie Merseburg. Bl. 2. 3. 5. 6. 9. 10. Vergl. oben S. 35
Fig. 9. — Die Krypta, in Desselben Systemat. Darstellung. Bl. 3 No. 1.
Vergl. Grueber, Vergleich. Samml. 2. Taf. 13. — Die Vorhalle, in C.
R. Lepsius, Einleit. zu H. Gally K night, Entwickl. der Architektur
unter den Normannen. S. 32 und Taf. 4.) — Die Neumarktskirche,
eine bei der Restauration theil weise der Seitenschiffe beraubte kreuzförmige
flach gedeckte Basilika mit drei Apsiden, um 1188 — 1198; in den Lang-
hausarkaden wechseln Pfeiler mit Würfelknauf Säulen. Von den beiden
Westthflrmen steht allein noch der nördliche. Zwei reich geschmückte Por-
tale. (Puttrich, Denkm. a. a. O. Bl. 4. 7..9.) — Die einfache Pfeiler-
krypta des nicht mehr vorhandenen Petersklosters (geweiht 1091),
ganz finster und nur aus angrenzenden Kellerräumen zugänglich. Drei aus
I) Vergl. die Abhandlungen Über Gesch. u. Architektur des Domes zu Merse-
burg, in den N. Mittheil, des Thüring. -Sachs. Vereins: von C. P. Lepsius VI. -1,
67 ff. u. VII 4. 103 ff. ; u. von Otte VII. 3, 1 ff. nebst 1 Taf. — Otto, J. Gottfr.,
die Schloss- u. Domkirche su Merseburg, ihre Denkm. u. Merkwürdigkeiten. 1834.
Mit Ansicht.
in ThOrixigen und Sachsen . . 419
dem Kloster herrührende roman. Gewölbeschlussteine, jetzt in der Dom-
vorhalle. — Der einfach rechteckige Westthurm der Stadtkirche.
leicheB bei Pegau. Das Schiff und. der ostwärts von demselben vor
dem spätgoth. Chor stehende Thurm der 1857 restaurirten Kirche.
■ichaelsteln bei Blankenburg im Harz. Reste des Cisterzienscrklosters.
■UilenfMrt bei Weida. Verstümmelte Theile der ehemal. Augustiner-
stiftskirche : Gewölbebau im Uebergangsstil. Die Pfeiler sind mit zahl-
reichen Halbsäulen besetzt. (Puttrich, Denkm. I. Serie Reuss. Bl. 3 — 5.)
lOMchenUhra bei Nordhausen. Die Klosterkirche, eine verstüm-
melte Pfeilerbasilika. (Puttrich a. a. O. II. Serie Mühlhausen. Taf. 16.)
— In Schloss Lohra das Untergeschoss einer ehemal. Doppelkapelle,
dessen Gewölbe von vier Säulen getragen werden; spätromanisch. Das
ganze Oberstockwerk ist völlig entstellt. (Puttrich ebd.)
■ÜhlhaueB i. Th. Die gothisch veränderten Thürme der Blasius-
kirche (oben S. 59 Fig. 25) im Uebergangsstil; ebenso die seitlichen
Westthürme der Marienkirche.
NftMbvrg a. d. S. Der Dom, ^) eines der bedeutendsten Beispiele
des Spätroman. Gewölbebaues in Sachsen: der Mittelbau der Krypta, viel-
leicht von 1030; die übrigen Theile derselben, der Kreuzbau^ das Schiff
und die beiden Thurmpaare in Osten und Westen aus der ersten Hälfte des
XIII. Jahrh. (Eine Kirch weihe wird 1242 berichtet.) Im Langhause
kreuzförmige, mit vier Halb- und vier Ecksäulen besetzte Hauptpfeiler und
verschieden gebildete Zwischenpfeiler, als Träger der abgetreppten Spitz-
bögen; äusserlich herrscht der Rundbogen. Der Kreuzgang gehört der-
selben Zeit an i. (Puttrich, Denkm. II. Serie Naumburg. Bl. 2. 7. 19.
21—25. — Förster, Denkm. 4, 1 — 12 und 8Taf. — Vergl. oben S. 404
Fig. 181 f.) — Eine zweistöckige Curie am Domplatze, ein interessanter
spätroman. Gewölbebau , dessen Oberstockwerk eine Kapelle mit ausge-
kragter Apsis bildet. (Puttrich a. a. O. Bl. 27.)
Nevstailt am Rübenberge, unweit Hannover. Die Kirche, ^ine spät-
gothisch umgebaute gewölbte Basilika im Uebergangsstil, mit rechteckigen
Haupt- und verschieden gebildeten Zwischen pfeilern der Spitzarkaden.
Zwei reich mit Arabeskenwerk verzierte Spitzbogenportale an den Lang-
selten der Kirche. Der mächtig angelegte Westthurm gehört nicht dem
ursprünglichen Bau an. (Hase, Baudenkm. Heft 5. Sp. 157 — 162 und
Taf. 38—40.)
Nicolassberg bei Göttingen. Das Querschiff mit den in den Ost wänden
der ursprünglichen Vorlagen eingetieften Nebenapsiden und der westliche
Theil des Altarhauses der kleinen goth . Augustincr-Nonnenkirche als Ueber-
reste eines älteren Baues aus dem XII. Jahrh. (Hase a. a. O. Heft 2 Sp.
65—72 und Taf. 16.)
N^rdhaMsen. ^) Der Dom in seinen östlichen Theilen (verwüstete
Krypta, gerade geschlossenes Altarhaus, zwei Östliche Thürme mit Seiten-
t) Lepsius, C. F., über das Alterth. u. die Stifter des Doms zu Naumburg, in
den Mittheil, des Thüring.-Silchs. Vereins. Heft I. 1821. — Quast, Ferd. v., die
Erbauungszeit des Domes zu Naumburg, im D. Kunstbl. 1855. S. 202.
2) Lesser's histor. Nachricht von der Stadt Nordhausen, umgearb. u. fortgcs.
von £. G. Försfemann. IStiO.
420 Romanische Kirchen
apsiden] wahrscheinlich nach einem Brande von 1234 im Uebeirgangsstil
aus einer älteren Kirche umgebaut. (Puttrich , Denkm. II. Serie Mühl-
hausen. Bl. 12.) — Die Marien- (Cisterziensemonnen-) Kirche, eine
rundbogige, gewölbte Pfeilerbasilika im Uebergangsstil 1233. Die recht-
eckigen Hauptpfeiler vom mit Vorlagen für die Quergurte der rippenlosen
Gewölbe; die Zwischen pfeiler quadratisch. (Ebd. Bl. 13.) — Der über
Ecksäulen mit einem Rippengewölbe überdeckte gerade schliessende Chor
der Petrikirche im Uebergangsstil .
tberail^rf bei Arnstadt. Die Kirche, eine verstümmelte Pfeilerbasilika,
in schlichter Weise. Der östlich stehende Thurm enthält den Altarraum.
(Puttrich, Denkm. I. Serie Schwarzburg. Bl. 8 a.)
tber-Preilipp bei Saalfeld. Die einschiffige Dorlkirche, ^) mit einem
östlichen , oben achteckigen Thurm vor dem gerade schliessenden go-
thischen Chor.
tber - RoUingeB bei Eisleben. Spätroman. Dorfkirche mit Steinmetz-
zeichen. (Zeitschr. für Archäol. und Kunst 1, 269.)
isterwik a. d. Ilse. Die Front der Stephanskirche mit Doppelthurm.
PMÜBielle ^) bei Stadt- Dm. Ruine der Benedictinerkirche, '*) 1105
bis 1119 : eine grossartige, östlich mit fünf Apsiden versehene Säulenbasi-
lika mit späterem dreischiffigem Emporen vorbau vor dem Westportal und
zwei Westthürmen. Die Säulen haben einfach verzierte Würfelknäufe, und
die Arkadenbögen sind rechteckig eingerahmt. (Puttrich^ Denkm. I.
Serie Schwarzburg. Bl. 9 — 12. 14a. h, xmd 16. — Kallenbach. Chro-
nologie. I. Taf. 3. — Förster, Denkm. 2, 49 f. und 1 Taf. — Vergl.
oben S. 47 Fig. 20 und S. 302 Fig. 147.)
Petenberg ^) bei Halle. Die 1853~-1S57 stilgemäss aus der erhal-
tenen Ruine neu erbaute Augustinerkirche (geweiht 1 184, dann nach einem
Brande von 1200 im Jahre 1224) : eine nur in dem mit NcbenchOren und
seitlichen Emporen versehenen, von einem Dache gedeckten Altarhause
überwölbte Pfeilerbasilika mit rechteckigem Sattelthurm von der Breite des
Langhauses am Westende, welcher eine sich nach innen Öffnende geräumige
Halle bildet. (Puttrich, Denkm. II. Serie Halle. Bl. 5Ä. 7—11.—
Kallenbach, Chronologie I. Taf. 4.) — Die Peterskapelle, ein
kleiner Rundbau mit östlicher Apsis, dem später ein westliches Langschiff
nebst Sattelthurm hinzugefügt wurde; Ruine. (Pu t tr i ch a. a, O. Bl. 7. —
Vergl. oben S. 20. Nota 1, S. 22. III. und S. 59 Fig. 25.)
1) Stark , Bernh., die Kirchen zu Zeigerheim u. Oher-Preilipp, in den N. Mitth.
des Thüring.-Sachs. Vereins. Vin. 3 u. 4, 101—120.
2) Hesse, L. F., Gesch. des Kl. Paullnzelle. 1815. Vergl. desselben Beiträge
zur Gesch. des M.-A. I. 2, 337. — Weininger, H., Paulinselle bei RudoUtadt, im
Münch. Sonntagsbl. 1S65. No. 3.
3) Kugler, Fz. , Bemerkungen über die Kirche von Paulinzelle, in den N.
Mittheil, des Thüring.-Sachs. Vereins VI. I, 19—25.
4) Wichmann, Chronik des Petersberges. 1S57. — Köhler, Gust., das Kl.
des h. Petrus auf dem Lauterberge bei Halle. 1857. — Ritter, F. A., die Kloster-
kirche auf dem Petersberge bei Halle u. ihre Restauration. Mit 5 Taf. 1857. (Aus
der Zeitschr. für Bauwesen. 1S5S. Sp. 31 ff.) — Quast, Ferd. v., die Kirche u. das
Kloster auf dem Petersberge bei Halle, in der Zeitschr. für Archäol. u. Kunst 2,
145—100. 205—212 u. Taf. S f. (Auch in Förster, Denkm. 9, 1—4 u. 1 Taf.)
in Thüringen und Sachsen. 421
Pforte bei Naumburg a. d. S. Das gothisch umgebaute Lang- und
Querhaus der Cisterzienserkirche enthält noch den Kern eines roman.
Baues aus dem XII. Jahrh. • — Die Abtskapelle, ein einschifiiger Ge-
wölbebau (also unter den Rundbauten S. 23 zu streichen) im spätroman.
Stil, mit polygoner Apsis. (Puttrich, Denkm. II. Serie Pforta. Bl. 8 — 10.)
P«rtiti bei Leipzig. Dorfkirche mit einspringendem Altarhaus.
PMnits bei Dessau. Die Kirche des ehemaligen, 1198 gestifteten
Klosters ; eine der Seitenschiffe beraubte spitzbogige Basilika mit (neuem)
Thurm über dem Kreuz, in deren Arkaden ganz ungewöhnlich zwei Pfeiler
zwischen zwei Säulen stehen. Ziegelbau mit Hausteindetails. (Puttrich,
Denkm. I. Serie Anhalt. Bl. 7 und 10.)
PrieMiti bei Dresden. Unter der spätgoth. Kirche mit Thurm von
1204 angeblich eine roman. Kiypta.
U«eilliilb«rg. Die Stiftskirche, ^) deren zu ebener Erde belegene
Krypta (oben S. 294 und 297 Fig. 129 f. und 141) Chor und Querschiff
umfasst und noch mit einem unterirdischen Nebenraume versehen ist, eine
Basilika, in welcher je zwei Säulen mit Adlercapitälen zwischen zwei Pfei*
lern stehen, mit zwei Westthürmen, die einen Emporenbau einschliessen.
Am Aeusseren statt der Lisenen sparsame Halbsäulen, die zu den Bogen-
und Bestieni'riesen emporlaufen. Die Fenster haben eine Wulstumfassung
über Säulchen am Gewände. Die grossartige, jetzt in der Restauration be-
griffene Kirche ist der nach einem Brande von 1070 angefangene und 1129
geweihte Bau, enthält aber Theile, die aus der Zeit vor dem Brande her-
rühren; der Chor ist gothisch von 1320. (Hartmann, inHase's Bau-
denkm. Heft 7. [II, 1.] Sp. 193 ff. und Taf . 49 — 52.— Förster, Denkm.
8, 9 — 12 und 1 Taf.) — Die Klosterkirche St. Wiperti, 2) eine einfache
rundbogige Pfeilerbasilika (jetzt verstümmelt und profanirt), an welcher
1266 noch gebaut wurde. Die Krypta ^) (oben S. 42) aus dem X. Jahrh.
besteht aus drei Schiffen von ziemlich gleicher Breite mit halbrundem
Schluss, um den die Seitenschiffe einen Umgang bilden, und ist mit Tonnen-
gewölben gedeckt, die von einem wagerechten Gebälk getragen werden,
welches auf wechselnden Pfeilern und Säulen mit verschieden gebildeten
Knäufen ruht. (Ku gl er, Kl. Sehr. 1, 593 ff.)
UMeifvrt unweit Merseburgs. Die Schlosskirche, fast in der Grundform
des gleicharmigen Kreuzes mit drei Apsiden an Chor und Querschiff, flach
gedeckt und mit einem achteckigen Kuppelthurm über der Vierung; am
Westende eine Empore. (Puttrich, Denkm. 11. Serie Eisleben. Bl.
12—16.)
Suephas bei Altenburg. Der Chor und der Westthurm der im Uebrigen
modernen Kirche. (Sprenger, in derZeitschr. für Bauwesen^ 1863. Bl. 65.)
• l)Ranke, E. F., u.Kugler, Fz., Beschreib, u. Gesch. der Schlosskirche in
Quedlinburg. Mit 8 Taf. 1S38. (Auch in Kugler, Kl. Sehr. 1, 540 — 639.) —
Steuerwaldt, W., u. Virgin, C, die mittelalterl. Kunstschatze im Zittergewölbe
der Schlosskirche zu Quedlinburg, nebst mehreren Ansichten des Stifts. 1855.
2) Hartmann, Alfr., Kirche des Kl. St. Wiperti zu Quedlinburg, in der Zeit-
schrift für Bauwesen. 1853. Sp. 141 — 144 u. Taf. 25.
3) Hase, C. W., die Krypta der Klosterk. St. Wiperti in Quedlinburg, in der
Zeitschr. des Architekten- etc. Vereins für das Könige. Hannoyer. VHI. 4 mit Abbild.
422 Romanificfae Kirchen
Richenberg bei Goslar. Ruine der 1131 geweihten Augustinerkirche,
einer Basilika mit drei Apsiden am Chor und an den Kreuzarmen , zwei
Thürmen über der östlichen Ausmündung der Seitenschiffe in das Quer-
schiff und zwei Westthürmen. Vollständig erhalten ist nur die dreischiffige,
mit gurtenlosen Gewölben überspaünte Krypta, deren Säulen kannelirte und
ornamentirte Schafte und an den Würfclcapitälen brillantes, vorwiegend
aus der Thierwelt entnommenes Zierwerk von lebendiger Auffassung und
technischer Vollendung haben. (Hase, Baudenkm. Heft 2. Sp. 53 — 64
undTaf. 13—15.)
RMflagshauen bei Braunschweig. Die 1278 geweihte (^isterzienser-
kirche, ^) eine spitzbogige, gewölbte Pfeilerbasilika im entschiedensten
Uebergangsstil, deren Seitenschiffe jenseits des Querschiffes einen Umgang
um das quadratische Altarhaus bilden, den ein in einzelne Kapellen ge-
theilter, noch niedrigerer Umgang umgiebt (ähnlich wie in Ebrach, s. oben
8. 89 Fig. 35) . Die Pfeiler sind an der Rückseite und an den Zwischen-
seiten mit je einer Halbsäule besetzt, die Hauptpfeiler überdies mit je drei
Frontalsäulen. Die Fenster stehen in pyramidalen Gruppen. (Schiller,
Architektur Braunschweigs und seiner nächsten Umgebung. S. 132 — 145
undTaf. 6. — Kallenbach, Chronologie. II. Taf. 5.) Erhalten sind
auch Ueberreste des Kreuzganges und die nordwestlich belegene Kapelle für
die Frauen.
Saigerhauen bei Nordhausen. Die zuerst 1083 gegründete Ulrichs-
kirche, bei welcher zu Anfang des XIII. Jahrh. ein Cisterzienser-Nonnen-
kloster errichtet wurde , eine (vielleicht aus einer ursprünglich flach ge-
deckten umgebaute) in einfachen Rundbogenjochen überwölbte Pfeilerbasi-
lika, deren gleich lange Schiffe in Apsiden enden und das an den mit
Tonnengewölben gedeckten Kreuzvorlagen mit Apsiden besetzte Querschiff
durchschneiden. Die Pfeiler haben an den inneren Seiten Vorlagen für die
entsprechend abgestuften Arkaden bögen. Die Quergurtc der gratigen Kreuz-
gewölbe setzen auf Wandpfeilem auf, die nicht bis zum Fussboden hinab-
gehen. Die aus Platte und Schmiege bestehenden Pfeilerkämpfer zeigen
streng romanische und Bestienornamente ^ Das Querschiff hat in den mitt-
leren Theilen spitzbogige Rippengewölbe. Ueber der Vierung erhebt sich
ein hoher Thurm, und an die Westseite des Mittelschiffes schliesst sich
eine spätere rechteckige Kapelle. (P u 1 1 r i q h , Denkm. II. Serie Eisleben.
Bl. 4. 5a und 6; Systemat. Darstell. No. 2, 6.)
Seh^Mbeck unweit Magdeburg. Die Kirche, eine verbaute, geradlinig
geschlossene ehemalige Basilika ohne Querhaus, mit zwei den wagerecht
endenden Zwischenbau einschlieasenden Westthürmen, im Uebergangsstil.
SehMingen bei Helmstädt. Die Liaurentiuskirche, deren einschiffiges
Langhaus als gothischer Umbau einer früheren Basilika erscheint, hat ein
rundbogig überwölbtes Quer- und Altarhaus, dessen Apsis von zwei vier-
eckigen Thürmen flankirt ist.
Stebibtdi bei Bibra. Einschiffige Dorfkirche, flach gedeckt, im zier-
lichen spätromanischen Stil, mit freistehenden Säulen am Aeussern der Apsis
1) Ahlburg, die Klosterkirche zu Riddagshausen. Mit 3 Taf . 1857. (Aus der
Zeitschr. für Bauwesen. 1857. Sp. 543->552 u. Taf. 65^67.)
in Thüringen und Sachsen. 423
des schmäleren Chores. Rechteckiger abgewalmter Westthurm. (Pütt rieh,
Denkm. IL Serie Mühlhausen. Bl. 17.)
SippÜBS^nbirg bei Helmstädt. Die roman. Templerkirche, die schon
in der Uebergangsperiode bedeutende Veränderungen erfahren bat, ist eine
gewölbte spitzbogige Pfeilerbasilika mit Nebenapsiden am Querschiff und
einem gerade geschlossenen Altarhause.
TeBBSt&dt unweit Erfurt. Kirche im Uebergangsstil.
TeitlebeB unweit Naumburg. Dorfkirche mit Thurm über dem Chor,
woran sich eine Apsis schliesst. Thür und Fenster meist roh entstellt.
Thedakirche bei Iicipzig. Typus der ältesten dortigen Landkirchen :
Schiff rechteckig mit breitem Thurm ohne Portal ; Chor schmäler und gerade
geschlossen; flache Decken. (Puttrich, Systemat. Darstell. No. 3, 11.)
T^rgailt Ruine der Marktkirche im Uebergangsstil.
Trebenkirche bei Weissenfeis , zeigt den T}^us der dortigen Land-
kirchen, mit Apsis am schmäleren Chor und westlich vorgelegtem quadra-
tischen Sattelthurm. (Puttrich, Denkm. IL Serie Memjeben. Bl. 9.)
Vater -8mU bei Eisenach. Die Dorfkirche, ein Rundbau mit östlicher
Apsis. Fenster, Thüren und Bedachung nicht ursprünglich.
ValkearaiU bei Mühlhausen. Chor und Querschiff (mit drei Apsiden)
der zerstörten, flach gedeckten, 1140 geweihten Cisterzienserkirche.
Walbeck bei Helmstädt. Ruine der Stiftskirche, ') einer höchst ein-
fachen Pfeilerbasilika mit Querschiff und drei Apsiden, nach einem Brande
von 1011.
Walkearied ^) bei Nordhausen. Ruine der circa 1207—1290 in einem
gothisirenden Uebergangsstil erbauten, später zum Theil gothisch verän-
derten Cisterzienserkirche, einer grossartigen gewölbten PfeilerbasUika mit
breitem, anscheinend fünfschiffigem Chor und einer niedrigen Abseite an
der Ostseite des Querschiffes. Die Gewölbe des Mittelschiffes bestanden
aus Doppeljochen mit sechs Rippen. (Vergl. Otte, Qesch. der deutschen
Baukunst. S. 292 Fig. 138.) — Das zweischiffige Refectorium im Ueber-
gangsstil, aber gothisch umgebaut. — Reste des spätroman. Thorbaues.
Waribvg bei Eisenach. Die Schlosskapelle, ^) einfach, mit einer
Mittelsäule als Träger der gurtenlosen Gratgewölbe. Restaurirt in dem stil-
gemäss neu erbauten Landgrafenhause der Burg. (Puttrich, Denkm. L
Serie Weimar. Bl. 1~6.)
Wechselbarg bei Rochlitz. Die Kirche des ehemaligen, 1174 gegrün-
deten AuguRtinerklosters Zschillen (geweiht 1184), eine spätromanische,
im Mittelschiff ursprünglich flach gedeckte, in den Seitenschiffen und in
der Ostpartie gratig überwölbte Pfeilerbasilika mit drei Apsiden am Quer-
schiff und Chor. Die Pfeiler, auf den Ecken gegliedert oder mit einge-
lassenen Säulchen, die Arkadenbögen schlicht. Zwischen den beiden West-
thürmen eine Empore mit einem grossen Radfenster. Vor dem Doppel-
1) Vergl. oben 8. 415 Nota 2.
2) LotE, W., Walkenried, in der Zeitochr. für Archäol. u. Kunst 2, 193—204
u. Taf. 13.
3) Ritgen, H. y., Einige Worte über die Gesch. der Kap. auf der Wartburg.
1855. Vergl. Desselben Führer auf der Wartburg. 1860. S. 122 u. 124.
424 Romanische Kirchen
portale des nördlichen Seitenschiffes eine verfallene offene Vorhalle in
reichem und zierlichem Stil. (Puttrich, Denkm. I. Serie Wechselbarg.
Bl. 2—13.)
WelMeben bei Quedlinburg. Krypta mit achteckigen Pfeilern und
GratgewOlben unter dem gothischen Chor der im Uebrigen neuen Kirche.
Wieprechtshauen bei Nordheim. Die Cisterzienser- Nonnenkirche im
Uebergangsstil, eine aus drei in Apsiden endenden Schiffen von gleicher
Länge bestehende, in Doppeljochen überwölbte Basilika mit wechselnden,
unter sich durch Blendbögen verbundenen Pfeilern und verschieden gebil-
deten Säulen als Zwischenstützen. Im Westen eine Nonnenempore , die
sich über den von viereckigen Treppen thürmen flankirten Paradies vorbau
ausdehnt. (Hase, Baudenkm. Heft 6. Sp. 183—190 und Taf. 47 f.)
Winnelbirg bei Eisleben. Ruine der Klosterkirche, mit fünf Ostlichen
Apsiden, ähnlich wie Paulinzelle (s. d.), gestiftet 1121. (Lotzl, 630.)
WHUtorf unweit Hannover. Die Stiftskirche, eine überwölbte spät-
romanische Basilika, in welcher je zwei Säulen mit kreuzförmigen Pfeilern
wechseln. Der breite rechteckige Sattelthurm enthielt eine bis ins Lang-
haus vortretende Nonnenempore. Am Chor und an den Kreuzvorlagen
Apsiden. Nur die Gratgewölbe der Vierung und des südlichen Kreuzarmes
sind noch die ursprünglichen ; im Chor und Mittelschiff stammen die Ourt-
gewölbe aus der Uebergangsperiode (1284), im nördlichen Kreuzarm und
Seitenschiff sind sie gothisch, und das südliche Seitenschiff ist bei der Re-
stauration neu erbaut. Das Ornament der Säulen und Pfeiler meist ge-
schmacklos. (Hase, Baudenkm. Heft 6. Sp. 165 — 170 und Taf. 41 — 44.)
Zeigerhein bei Saalfeld. Landkirche ^) im Uebergangsstil, mit einem
Thurm, dessen Erdgeschoss den Durchgang aus dem Schiffe in den schmä-
leren, gerade geschlossenen Chor bildet.
Zeiti. Die dreischiffige Krypta unter der Schlosskirche (dem ehemal.
Dom) , deren durch Gurtbögen verbundene Würfelknaufsäulen Basen ohne
Eckblatt, aber keine Deckplatten haben ; schwerlich von dem 974 voll-
endeten Bau herrührend. (Puttrich , Denkm. 11. Serie Wittenberg. Bl. 2.)
In der spätgoth. Kirche bemerkt man noch die roman. Giebel wand des süd-
lichen Kreuzarmes mit zwei kleinen Rundbogenfenstern.
Anmerkung. Einzelne Theile, Ornamente, Trümmer etc. roma-
nischen und Uebergangsstils finden sich noch in vielen thüringischen und
sächsischen Kirchen ; wir nennen nur :
Aisleben bei Bernburg, Alt-Penig bei Chemnitz, Bibrabei
Naumburg, Brehna bei Halle, Eisenberg unweit Weimar, im Palais
des Gr. Gartens zu Dresden Details aus Göda bei Bautzen, Fries au
bei Schleitz, Hilwartshausen bei Münden, Hohenlohe bei Chem-
nitz, Klein-Ottersleben bei Magdeburg, Stadtkirche zu Kranich-
feld bei Erfurt, Lichtenhain bei Jena, Nicolaikirche zu Leipzig,
Marienborn im Magdeburgischen, Neuenhofen bei Neustadt a.D.,
Obern itz bei Saalfeld, Oldendorf bei Lauenstein, die Wasser-
kapelle und die Apotheke in Saal fei d, die Kirchen St. Huden und
1) VergU oben 8. 420 Nota 1.
in Thüringen und Sachsen. 425
St. Wendel vor Salzungen, Schafstädt bei Merseburg, SchOnfeld
bei Dresden, Schraplaii bei Eisleben, See bürg (Bergkirche) bei Eis-
leben, Treffurt bei Mühlhausen, Triptis (Kloster) bei Neustadt a. O.,
Vei ta berg bei Neustadt a. O., Wallensen bei Alfeld, Wey da bei
Neustadt a. O., Zwätzen bei Jena, Katharinenkirche zu Zwickau.
Portale unter anderen an folgenden Kirchen :
C o 8 s w i g bei Wittenberg, Elend bei Ilsenburg, Griesheim bei
Stadt-Ilm, Heilingen bei Kahla, Enauthayn bei Leipzig, Kohren
bei Altenburg, N o s s e n bei Freiberg (aus Altenzelle) , Ober-Ebers-
bach bei Grossenhain, Pffltzthal bei Halle, Rochsburg bei Penig,
Schleitz (Bergkirche), Wiederau bei Rochlitz, Wo rlitz bei Dessau.
Thürme, z. B. an den Kirchen zu
Altstadt bei Querfurt, Ammerbach bei Jena, Bardowik bei
Lüneburg (am Dom) , Derenburg bei Halberstadt, Dippoldswalde
bei Dresden (an der Lorenzkirche) , Dorndorf bei Eisenach, Hopf-
garten bei Weimar , K r a k a u bei Magdeburg , Kübelingen bei
Schöppcnstedt, Langenweddingen bei Magdeburg, Lehnstedt bei
Weimar, Lemsdorf bei Magdeburg, Mascherode bei Braunschweig,
Meiningen (an der Stadtkirche), Mihla bei Kreuzburg, Nieder-
Dodeleben bei Magdeburg, Ober-Weimar bei Weimar, Raut-
heim bei Braunscliweig , St. Leonhard bei Braunschweig, Stadt-
Ilm, Stöckheim bei Wolfenbüttel, Sulzbach bei Weimar, Süssen-
born bei Weimar, Thangelstedt bei Tannroda, Tonndorf bei Erfxirt,
Umpferstedt bei Weimar, Vacha bei Eisenach (an der Haupt kirche) .
Fig. 184. Dom zu Paderborn (nach LObke).
VI. In Westfalen.
Literatur: Schimmel, Corael., Westfalens Denkmäler deutscher
Baukunst. 10 Lieferungen (Abbild, ohne Text). (I82(i). — Curtze, L., Ge-
schichte u. Beschreibung des Fürstenthums Waldeck. 1S50. — (Lübke, W.),
Kirchl. Denkmaler in Westphalen, eine längere Keihe von Artikeln im Jahrg.
1852 des Organs für christl. Kunst. No. 1 ff. — Giefers, W. Engelbr., Drei
merkwürdige KapeUen Westfalens, zu Paderborn, Extemstein u. Drüggelte.
2. verm. Aufl. 1854. — Lübke, W., die mittelalterl. Kunst in Westfalen.
Mit einem Atlas von 29Taf. u. einer Architekturkarte. 1S53. — Becker, C,
Nachträge zu Lübke' s mittelalterl. Kunst in Westfalen, im Deut. Kunstbl.
2, 404 ff. — Kugler, Fz., Baugeschichtliches, Bei Gelegenheit des Werkes
von W. Lübke über die.Denkm. Westfalens, in der Zeitschr. für Bauwesen.
1857. Sp. 3S9— 402. — Orth, A., die roman. Kirchen im Fürsten th. Waldeck,
in der Zeitschr. für Bauwesen. 1862. Sp. 157— J 64 u. Bl. 32 f.
Yorbemerkiing.
85. Abgesehen von geringen Ueberrcsten in Corvey und einigen
dem XI. Jahrhundert zugeschriebenen Bauwerken (die Bartholomäus-
kapelle neben dem Dom und die Krypta von Kloster Abdinghof in
Paderborn, sowie die Kiypta zu Vreden) ist es namentlich eine über-
aus reiche Anzahl in spatromanischer Zeit entstandener oder aus älteren
umgewandelter Bauten, wodurch Westfalen ausgezeichnet ist. Wie
es von der Beschaffenheit des Landes zum Theil bedingt und in dem
Charakter des Volkes also begründet ist, schloss man sich hier von den
rheinischen und sächsischen Nachbaren so völlig ab, dass die Ent-
Romanische Kirchen in Westfalen.
427
Wickelung der Baukunst zwar betrachtlich zurückblieb, dafür aber bei
längerem Verweilen im Romanismus nicht bloss eine sehr grosse An-
zahl zumeist freilich kleinerer Kirchen entstand, sondern auch die
völlig eigenthümliche Gestaltung des romanischen Gewölbebaues zur •
Hallenkirche (mit Schiffen von gleicher Höhe; vergl. Fig. 185) her-
ausgebildet wurde, wobei man sich in mancherlei Ueberwölbungs-
formen versuchte. — Bezeichnend für die ältere westfälische Kunst
Fig. 185. Qiierdurchtchnitt der Kirche zu Balve (nach Lübke).
ist die gänzliche Nacktheit des Aeusseren, welches jeder Detailbildung
(also auch der Lisenen und des Bogenfrieses) entbehrend, meist ledig-
lich den Eindruck eines schlichten, ja rohen Bedürfnissbaues hervor-
bringt, wozu die auch bei grösseren Kirchen insgemein beliebte An-
ordnung nur eines Thurmes und der gewöhnlich geradlinige Chor-
schluss das Ihrige beitragen; erst in der Spätzeit von 1150 — 1250
macht sich namentlich im Münsterlande eine massige Ornamentirung
bemerklich in der Anordnung von Lisenen, des Bogenfrieses, von
Säulen an den Thür- und Fensterwänden etc. Von zierlicher Ent-
wickelung des Decorativen gewährt besonders das Westportal der Ja-
cobikirche zu Koesfeld ein glänzendes Beispiel. — Im Innern herrscht
der Pfeilerbau vor,, aus dem sich die überwölbte Basilika (Dome zu
Soest und Münster, Kirchen zu Brenken, Husten, Lippoldsberg etc.)
und die Hallenkirche ( Johanniskirche zu Billerbeck, Ludgerikirche zu
Münster, Maria zur Höhe in Soest etc.) entwickelt; doch finden sich
auch einzelne Beispiele sowohl des Säulenbaues (Neuenheerse) , als des
Wechsels zwischen Pfeilern und (namentlich gekuppelten) Säulen
(Kirchen zu Boke, Böle, St. Peter in Soest etc.). Die Seitenschiffe
der kleinen Kirchen sind oft sehr schmal angenommen, und statt der
Nebenapsiden wurden oft in der Mauerstärke ausgesparte Wand-
nischen angebracht.
428 Bomanisohe Kirchen
Vergl. Sehn aase, Kunstgeach. IV. 2, 51—55; 128—134 ; V. 378^393.
— Kugler, Gesch. der Baukunst 2, 42-1 — 142. — Labke, Gesch. der Ar-
chitektur. 3. Aufl. S. 371 — 377. — Otte, Gesch. der deutschen Baukunst.
S. 104 f.; 194—202.
Ad«lf bei Corbach. Die Kirche, eine in drei Doppeljochen überwölbte
Pfeilerbasilika mit Apsis am quadratisch vorgelegten Chor und ursprünglich
mit zwei Nebenapsiden am Ende der Seitenschiffe. Der Westthurm mit
einer Empore, zu welcher eine in einem angelehnten Treppenhäuschen ent-
haltene Wendelstiege führt. Sparsames Ornament. (Orth. in der Zeitschr.
für Bauwesen. 1862. Taf.''32 f.)
Affeln bei Plettenberg. Hallenkirche mit Ohorapsis und zwei in Altar-
nischen endenden Kapellen neben dem Chor, in etwas rohem Ueber-
gangsstil.
Ahenheene bei Paderborn. Einschiffige überwölbte und gerade ge-
schlossene Kirche.
Apierbeek bei Dortmund. Die Kirche, eine kreuzförmige, gerade ge-
schlossene und gewölbte Basilika im Uebergangsstil, mit wechselnden Pfei-
lern und Säulen. Die Mittelschiffgewölbe nicht ursprünglich. (Details bei
LübkeTaf. 16 und 18.)
Apelenij westlich von Hannover. Durch drei kurze Würfelknaufsäulen
mit Eckblattbasen und einen Pfeiler in zwei Schiffe getheilte Kirche mit
gothisch erneuerter Ueberwölbung und einem Portal im Uebergangsstil.
Asbeck bei Ahaus Die Nonnenklosterkirche, in einschiffiger Kreuz-
form und gerade geschlossen, überwölbt und ehemals mit einer Balken-
empore in Westen; die Fenster paarweise. — Reste eines zweistöckigen
Kreuzganges *) mit Säulengalerien. (Lübke Taf. 7 Fig. 3 — 7.)
Balfe bei Iserlohn. Kreuzförmige , in einfachen Pfeilerjochen über-
wölbte Hallenkirche spätroman. Stils mit Apsis und zwei Altarnischen in
der östlichen Wand der Kreuzflügel. Der Chor ist in der Tonne überwölbt.
Die Pfeiler im Schiff mit vier Halbsäulen, die Seitenschiffe mit Stichkappen-
wölbung. Im zweiten Stock des im Erdgeschosse mit der Kirche verbun-
denen Westthurmes eine Kapelle mit Altamische und nach dem Innern des
Schiffes gerichteten Fenstern. (Lübke Taf. 11. Vergl. S. 427 Fig. 185.)
BanilghaweB; westlich von Hannover. Kirche des 1203 gegründeten
Nonnenstifts, ein kreuzförmiger Hallenbau mit runder Chorapsis und poly-
gonen Nebenapsiden am Querschiff; ohne Thurm. Nonnenemporen über
dem südl. Seitenschiff und im südl. Kreuzarm. (Lübke Taf. 12.)
Belen bei Warendorf. Einschiffige , gerade geschlossene, überwölbte
Kirche mit Westthurm im Uebergangsstil.
lein bei Osnabrück. Die Kirche, angeblich aus Wittekinds Zeit.
BerghaueB bei Schmallenbei^. Kleine gewölbte Pfeilerbasilika mit
Apsiden am Chor und an den Kreuzarmen und einem Thurm über dem
Westende des Mittelschiffes. In den Seitenschiffen halbirte Kreuzgewölbe.
1] Quast, Ferd. v., der Kreuzgang neben der ehemal. Stiftskirche zu Asbeck
im Münsterlande, in der Zeitschr. für Archaol. u. Kunst 2, 89.
in Westfalen. 42d
Bergkein bei Nieder- Wildungen. Die Kirche mit sechs gerade durch
die Mitte aufgestellten Säulen ; der Thurm bei dem Chor, und wie dieser
anscheinend jünger als das Uebrige.
Bernil«rf bei Corbach. Die Kirche, eine aus zwei Doppeljochen be-
stehende , rechteckige, gewölbte Pfeilerbasilika mit gerade schliessendem
('hör und überwölbter Halle unter dem Westthurm. Die nur 7' breiten
Seitenschiffe haben Stichkappengewölbe. (Orth, in der Zeitschr. füi: Bau-
wesen. IS62. Taf. 32 f.)
Biilerbeck bei Koesfeld . DieJohanniskirche, Hallenbau im Ueber^
gangsstil, ohne Querschiff, mit in Apsiden endenden Seitenschiffen und
quadratischem Chor. Die kreuzförmigen Hauptpfeiler sind mit je acht
Säulen besetzt ; die Zwischenpfeiler, statt deren auf der Nordseite Säulen
angeordnet sind, haben viereckige Form und sind mit je vier Säulen be-
setzt. Das Mittelschiff mit achtrippigen, die Seitenschiffe mit gratigen Ge-
wölben ; herabhängende Schlusssteine. Reiches Nordportal. Das Mittel-
schiff steigt mit seinen Sargmauern etwas über den Dächern der Seiten-
schiffe empor und ist wie letztere mit dem Rundbogenfriese versehen.
(Lübke Taf. 10.) — Die Ludgerikirche, ein verzopfter, ein-
schiffiger Bau,
Bisseftd^rf bei Osnabrück. Einschiffige gewölbte Kirche mit geradem
Schluss.
BdiliiekeM bei Paderborn. Profanirte Reste der Nonnenkirche.
B«ke bei Paderborn. Die Kirche, eine gerade geschlossene, quer-
schifflose, gewölbte Basilika mit nach dem Schiffe zu offenem Westthurm,
in welcher Pfeiler mit Säulen wechseln, die paarweise hinter einander ge-
kuppelt sind. An der Südseite eine zierliche Thür. (Lübke Taf. 5
und 18.)
Bile bei Hagen. Die Kirche, eine gewölbte Basilika mit in der Mauer
ausgesparten Seitenapsiden und einer den Chor bildenden Apsis auf schmaler
mit einem Tonnengewölbe gedeckter Vorlage. Im Schiffe wechseln Pfeiler
mit Würfelknaufsäulen ^ die nur auf der Nordseite gepaart stehen. Der
Thurm mit Pyramidendach.
Brakel bei Dortmund. Die Templerkirche , roher spätest gothischer
Umbau einer kreuzförmigen gewölbten Pfeilerbasilika mit drei Apsiden.
Das Querschiff tritt nicht über die Breite des Langhauses vor. (Lübke
Taf. 6.)
Brtkel bei Paderborn. Die Kirche, deren ursprüngliche Anlage ganz
dem System der Klosterkirchen von Lippoldsberg und Gehrden folgt, doch
ist das südliche Seitenschiff später auf gleiche Höhe mit dem Mittelschiffe
gebracht und ein polygoner gothischer Chorachluss angesetzt. Thurm
modern.
BrecktcB bei Dortmujid. Gerade geschlossene, spitzbogige Hallenkirche
mit viergiebeligem Westthurm. Die Pfeiler mit eleganten Ecksäulchen.
(Details bei Lübke Taf. 12.)
Breftken bei Paderborn. Gewölbte, kreuzförmige Pfeilerbasilika mit
drei Apsiden und einem im unteren Theile eine Vorhalle bildenden West-
thurm unter Pyramidendach. (Lübke Taf. 3.)
Ottc, Kuiwt-Archiiulogie. 2S
430 Romanische Kirchen
BrilOB an der Ostgrenze des Sauerlandes, Pfarrkirche, Hallcnbau im
Uebergangsstil ; Chor, Querschiff und Thurra gothisch .
BireB unweit Lippstadt. Die Stadtkirche, eine gewölbte, kreuzförmige
Pfeilerbasilika im Uebergangsstil, mit gerade schliessendem dreischiffigem
Chor. Die Hauptpfeiler mit Vorlagen für die Quer- und Schildbögen der
Gewölbe; die Zwischenpfeiler sehr schmal rechteckig. (Lübke Taf. 3.)
Cappetberg bei Lüne. Die 1122 gegrflndete Prämonstratenserkirche,
eine ursprünglich flach gedeckte (gothisch überwölbte) Pfeilerbasilika mit
gothisch verändertem Chorschluss und ehemals mit Nebenapsiden an den
Kreuzflügeln.
Castrop bei Dortmund. Die Kirche, Hallenbau im Uebergangsstil, mit
einer äusserlich polygonen Chorapsis und in der Mauerdicke ausgesparten
Nebenapsiden. Die Pfeiler mit Halb- und Ecksäulen. Die Seitenschiffe
unter Giebeldächern.
C^rrej bei Höxter. Die nach dem 30 jährigen Kriege völlig umgestal-
tete Benedictinerkirche ; nur die unteren Theile des Zwischenbaues und der
Thürme mit schwerfälligen Pfeilern und Säulen, welche letztere an ihren
Capitälen eine eigenthümlich strenge Nachbildung des korinthischen Ca-
pitäls und überdies die Anordnung eines architravähnlichen Kämpfers mit
antikem Zahnschnitt über der Deckplatte zeigen (oben S. 294 Fig. 127),
werden einem im Jahre 885 geweihten Bau zugeschrieben — wenn sie nicht
vielleicht doch erst einem Neubau um 1058 — 1071 angehören sollten, zu-
mal jener Unterbau noch ein gleichzeitiges Oberstock trägt, dessen ganze
Bauweise für das XL Jahrh. spricht. (Lübke Taf. 15 Fig. 1.)
Cronbach bei Siegen. Die Kirche, Hallenbau im Uebergangsstil, mit
Chorapsis, Wandnischen am Ostende der Seitenschiffe und Westthurm.
Die schwerfälligen Pfeiler mit vier Halbsäulen als Gurtträger. In den Seiten-
schiffen sechstheilige Gewölbe .
Belbruek bei Lippstadt. Die Kirche enthält die verbauten Reste einer
gewölbten Basilika, in welcher Pfeiler mit gekuppelten Säulen wechselten.
(Lübke Taf. 5.)
Bene bei Dortmund. Kleine gewölbte Kreuzkirche mit geradem Chor-
schluss und Nischen in den Ostwänden des Querschiffes. Die Seitenschiffe
haben fast die Höhe des Hauptschiffes, von dem sie durch einen Mittel-
pfeiler und Zwischensäulen getrennt sind. (Lübke Taf. lO.j
BortnMBd. Die Marienkirche, eine spätroman . gewölbte Pfeiler-
basilika ohne Querschiff, mit zwei den Giebel des Mittelschiffes flankirenden
Westthürmen. Die Pfeiler haben mit Säulen besetzte Vorlagen. Im Mittel-
schiff Doppeljoche mit Kuppelgewölben. Chor gothisch. (Lübke Taf. 18
und 24 Fig. 8 f.) — Die Reinoldikirche, eine kreuzförmige, gewölbte
Pfeilerbasilika im Uebergangsstil ; die Pfeiler von Kreuzform mit vier Haib-
und vier Ecksäulen. Chor gothisch, Thurm aus dem XVII. Jahrhundert.
(Lübke Taf. U und 25.)
Broggelte bei Soest. Heil. Grabkapelle, ^) s. oben S. 85 und Fig. 34.
l}Blanken8tein, die Kapelle zu Drflggelte, in der Zeitschr. für Bauwesen
1S54. Sp. 397—102 u. Taf. 52.
in Westfalen. 431
(Giefers, Drei Kapellen. Taf. 3—5. — Lübke Taf. 14 und IG Fig.
24—26.)
Ebey bei Iserlohn. Prämonstratenser-Nonnenkirche, roher Hallenbau
in Kreuzform mit geradem Chorschluss, Wandapsiden in den Querschiff-
mauern und einem Westthurm. Uebergangsstil.
Ebpe bei Attendorn. Die Kirche, ein kleiner Hallenbau im Ueber-
gangsstil, ähnlich dem zu Crombach.
Elger bei Herford. Von der goth. Stiftskirche gehören der Chor nebst
Apsis und das Querhaus mit Nebenapsiden der spätroman. Zeit an. Der
Thurm steht isolirt.
Eftliiger bei Ahlen. Kleine spitzbogige Hallenkirche mit quadratischem
Chor und Westthurm. (Details bei Lübke Taf. 7 Fig. 10.)
Erwitte bei Lippstadt. Die Kirche, eine gewölbte, kreuzförmige Pfeiler-
basilika mit drei Apsiden und massenhaftem viergiebeligem Westthurm.
Die Gewölbe ohne Rippen, zwischen breiten Quergurten. (Lübke Taf. 16
und 25.)
Eite» bei Rinteln. Einschiffige Gewölbekirche mit Chorapsis. (Lübke
Taf. 3.)
Hschbeck unweit Hameln. DieBenedictiner-Nonnenkirche, eine kreuz-
förmige, durchweg flach gedeckte Pfeilerbasilika mit bedeutend erhöhtem
Chor und Chorapsis, zwei Nebenapsiden an den gleichfalls erhöhten, von
der Vierung durch Brüstungs wände abgeschlossenen Kreuzarmen, mit west-
lichem Thurm- und Vorhallenbau : sehr unregelmässig in allen Maassver-
hältnissen, und in der südl. Arkadenreihe mit Einmischung zweier Würfel-
knaufsäulen. Die Krypta hat Gratgewölbe, flie von zwei Reihen Würfel-
knaufsäulen getragen werden ; auch unter den Kreuzarmen befinden sich
rundbogig Überwölbte Räume. Der Kreuzgang südlich neben der Kirche,
mit herausgeschlagenen Gewölben. Das schon 954 gegründete Kloster
wurde 1234 zerstört und 1254 neu eingeweiht, die Kirche scheint aber der
ersten Hälfte des Xu. Jahrh. anzugehören. (Lübke Taf. 3.)
FlechUrf bei Corbach. Die Kirche des 1101 gegründeten Benedictiner-
klosters, ursprünglich eine rechteckige, aus zwei Doppeljochen bestehende,
überwölbte Pfeilerbasilika, welcher in der Uebergangsperiode westlich noch
anderthalb Joche und zwei ganz stattliche Thürme hinzugefügt sind. Das
südl. Seitenschiff ist in frühgoth. Zeit zu gleicher Höhe mit dem Mittel-
schiffe gebracht und das Xjfanze unter ein Dach. (Orth, in der Zeitschr.
für Bauwesen. 1862. Taf. 32 f.)
Freckenk^rst bei Warendorf. Die Benedictinerkirche, eine zum Theil
gothisch veränderte und überwölbte, 1129 geweihte Pfeilerbasilika mit
zwei schlanken Thürmen an der Ostseite der Kreuzarme und einem massen-
haften, eine Vorhalle umschliessenden Thurme vor der Westseite, der ur-
sprünglich von zwei runden Treppenthürmen flankirt war. Krypta mit
Würfelknauf Säulen .
VrereB bei Lingen. Einfache Kirche spätroman. Stils mit gerade
schliessendem Chor.
rroBileBkerg a. d. Ruhr. Cisterzienser-Nonnenkirche, begonnen 1230
und 1371 noch nicht vollendet, einschiffiger, kreuzförmiger Gewölbebau
2S*
432 Romanische Kirchen
ohne Apsiden im Uebergangsstil. Die zwei westlichsten Joche mit einer
Nonnenempore sind frühgothisch. (Lübke Taf. 18.)
ClehnleB unweit Paderborn. Die Nonnenklosterkirche, eine gewölbte
Pfeilerbasilika in Kreuzform (nach 1146), mit gothisch verlängertem Chor
und zwei in Apsiden schliessenden Nebenchören. Quadratische Arkaden-
pfeiler mit abgeschrägten Ecken und angelehnten Halbsäulchen. Ein vier-
eckiger Sattelthurm mit Dachreiter. (Lübke Taf. 6.)
Cleseke bei Lippstadt. Die Nonnenstiftskirche, eine vielfach
veränderte, romanisch und gothisch umgebaute und in einen Hallenbau
verwandelte ursprüngliche Pfeilerbasilika mit Apsiden an den Kreuzarmen
und zwei östlichen Thürmen in gleicher Linie mit der Giebelmauer des ge-
rade schliessenden Chores; ausserdem ein kräftiger Westthurm. (Lübke
Taf. 16 Fig. 9.) — Die Pfarrkirche, eine ebenfalls vielfach romanisch
und gothisch veränderte gewölbte Pfeilerbasilika mit dreiseitig geschlos-
senem Chor und ursprünglich mit Nebenapsiden am Querschiff; ein Sattel-
thurm in Westen.
fl«MebheiM bei Corbach. Kirche, der zu Adorf ähnlich.
CI«ilelheiM bei Höxter. Einschiffige Kirche mit goth. Chor.
CIrMseB-WieileB bei Hameln. Einfache einschi£fige, gerade geschlossene,
überwölbte Kirche.
iMnebb Das Münster, dessen Kern in der Uebergangsperiode aus einer
Basilika in eine kreuzförmige Hallenkirche umgebaut und erweitert, und
wiederum gothisch verändert worden ist. Bemerkenswerth ist die Anlage
eines mächtigen Kuppelthurmes über der Vierung. Unter letzterer und dem
ursprünglich mit einer Apsis geschlossenen Chor eine aus zwei verschieden
behandelten Abtheilungen bestehende Säulenkrypta. (Lübke Taf. 9 Fig. 7.)
lardekaueB bei Warburg. Geringe Ueberreste der Cisterzienser-
kirche (Lübke Taf. 15 Fig. 4) und eine zum Kloster gehörig gewesene
zweistöckige Kapelle im Uebergangsstil, deren viereckiges Erdgeschoss
dem durch eine Freitreppe zugänglichen achteckigen Oberstock als Unterbau
dient. Das Pyramidendach erhebt sich zwischen den vorgebauten Dächern
von acht Giebeln. (Ebd. Taf. 14.)
legge« bei Attendorn. Kleine spitzbogige Hallenkirche, ähnlich der
zu Crombach.
leitleB bei Attendorn. Die Kirche, eine in drei Apsiden schliessende
gewölbte Pfeilerbasilika im Uebergangsstil , ohne Querschiff. Unter dem
Chor eine rohe Pfeilerkrypta.
leMbergen bei Münster. Einschiffige gewölbte Kirche.
leaserde bei Unna. Ueberwölbte einschiffige Kirche in Kreuzform.
Der mit Apsis versehene Chor und das Querschiff mit Wandapsiden, an-
scheinend älter als das spitzbogige Langhaus und der Westthurm.
leriieke bei Dortmund. Die Nonnenkirche, eine gewölbte Pfeiler-
basilika mit gerade schliessendem Chor in rohem Uebergangsstil. — Eine
rechteckige Kapelle mit Apsis ebenfalls roh.
leif^fd. Die Münsterkirche, ein dem Dome in Paderborn verwandter
mächtiger, kreuzförmiger Hallenbau von drei gleichen Schiffen mit zwei
Westthürmen zu den Seiten des wagerecht schliessenden Zwischenbaues,
im Uebergangsstil. Im nördlichen Kreuzarme eine von Säulen getragene
in Westfalen. 433
Nonnenempore. Alle GewOlbe ohne -Rippen, im Mittelschiff kuppelartig
zwischen spitzbogigen Quergurten. Die langen schmalen, meist rundbogigen
Fenster zu zwei oder drei in Gruppen. Die Seitenschiffe unter Giebel-
dächern. Der gerade Schluss des Altarhauses spätgothisch.
lerilgkaueB bei Corbach. Kirche der zu Adorf ähnlich.
lerifeM bei Lippstadt. Die einschiffige Nonnenkirche, aus einer ro-
manischen spätgothisch umgebaut.
■•heur^de bei Rinteln. Einschiffige gewölbtet Kirche , geweiht 1172
und 1440 erweitert. (Vergl. Lotz 1, 306.)
lorste bei Lippstadt. Die Kirche, der zu Boke vollkommen ähnlich,
jedoch mit in der Mauer ausgesparten Apsiden am Ostende der Seitenschiffe.
lölter. Die Kilianskirche, eine Pieilerbasilika mit gerade schliessen-
dem Chor, Nebenapsiden an den Kreuzarmen und zwei spätroman. West-
th armen neben dem wagerecht geschlossenen Zwischenbau. Das Schiff,
ursprünglich flach gedeckt, hat bereits in roman. Zeit eine Ueberwölbung
in Doppeljochen erhalten; ebenso die niedrigeren Kreuz vorlagen. Die
Halbsäulen an den einfachen Pfeilern, welche die Gewölbegurte tragen,
zeigen mannichfaltiges Ornament der Capitäle mit Adlern, Drachen, Pflan-
zen etc. und Eckblattbasen. Der Chor hat goth. Gewölbe; das südl. Seiten-
schiff ist in spätgoth. Zeit verdoppelt. (Lübke Taf. 4 Fig. 6.)
Ivckanle bei Dortmund. Die Kirche, ein aus zwei Jochen bestehender
Hallenbau mit westlichem Thurm und gothischem polygonen Chorschluss.
Die sehr Whmalen Seitenschiffe enden in flachen Wandapsiden. (Lübk«
Taf. 11.)
liisteB bei Arnsberg. Die Kirche, eine aus drei gleich langen, in Ap-
siden schliessenden Schiffen bestehende kleine gewölbte Pfeilerbasilika mit
westlich vorgelegtem Thurm. Die breiten Hauptpfeiler der drei Doppel-
joche mit Pilastervorlagen," die Zwischenpfeiler schmäler. Die Seitenschiff-
gewölbe ohne alle Gurtungen. An der Nordseite ein reicher gestaltetes
Portal. (Lübke Taf. 3 Fig. 4. Taf. 4.)
Meuen ^) bei Wunstorf. Die Kirche in einschiffiger Kreuzform, mit
der innerlich durch einen Blendbogenkranz über frei stehenden schlanken
Würfelknaufsäulen gesclimückten, äusserlich polygonen Apsis an der Ost-
seite der Vierung, zwei Wandapsiden in den .Kreuzarmen und einem West-
thurm von der Breite des Schiffes : spätroman. Gewölbebau mit kuppel-
artigen Gewölben, deren Quer- und Kreuzgurte auf Halbsäulen basiren,
mit denen die Wandpfeiler besetzt sind. (Hase, Baudenkm. Niedersach-
sens. Heft 4. Sp. 133—140 und Taf. 31 f. — Lübke, Kunst in West-
falen. Taf. 13 Fig. 5—7,)
herlohl. Kirchspielskirche, goth . Umbau einer kreuzförmigen
Basilika. — Theile der spätgoth . OberenStadtkirche.
Rappel bei Lippstadt. Die Nonnenstiftskirche, eine verstümmelte ge-
wölbte Pfeilerbasilika mit gerade geschlossenem Chor, aber ehemals mit
zwei Nebenapsiden an den^reuzarmen. In den Seitenschiffaxen zwei West-
thürme, verbunden durch den horizontal geschlossenen Zwischenbau. Den
1] Fiedeler , Zur Gesch. des Dorfes Idensen, in der Zeitschr. des histor. Ver-
eins für Niedersachsen. 1856. 2,88—144.
434 Romanische Kirchen
grössten Theil des Schiffes nimmt eine von zwei Reihen Pfeilern und Säulen
getragene Nonnenempore ein.
Kemade bei Bodenwerder a. d. Weser. Die kleine Nonnenkirche,
eine flach gedeckte Pfeilerbasilika mit Chorapsis , ursprünglich auch mit
Nebenapsiden an den Kreuzarmen, ohneThurm; vielleicht der 1046 ge-
weihte Bau. (Detail bei Lübke Taf. 3.)
Keppel bei Crombach. Kleine einschiffige gewölbte Stiftskirche im
Uebergangss til .
Hirch-Btrchei bei Paderborn. Gewölbte einschiffige, gerade geschlos-
sene Kirche mit Sattelthurm. An den Kämpfern der Wandpfeiler das
Schach- und das Tauornament.
KircUlsile bei Dortmund. Die Kirche, ein Hallenbau im Uebergangs-
stil, ohne Querschiff mit äusserlich polygoner Apsis und Wandnischen am
Ostende der sehr schmalen Seitenschiffe. Das Mittelschiff hat zwei Kuppel-
gewölbe zwischen rundbogigen Quergurten ; die Seitenschiffe mit querlie-
genden Tonnenwölbungen mit einschneidenden spitzen Stichkappen. West-
thurm neu. (Lübke Taf. 11.)
Kirch - Teisched« ini Kr. Olpe. Einschiffige, völlig einfach behandelte
Kirche im Uebergangsstil.
K^esfeM. Die Jacobikirche, vielfach verbauter und entstellter
spitzbogiger Hallenbau in der Grundform des Kreuzes mit gerade schlies-
sendem Chor, im reichsten Uebergangsstil. Im Schiff wechseln achteckige
Pfeiler und Säulen. Der höchste Glanz erscheint an dem Portal, welches
aus der unter dem (älteren) Westthurm liegenden Vorhalle in das Schiff
führt. (Schimmel, Denkm. Lief. 9. — Lübke, Gesch. der Architektur.
S. 376.) — Die Lambertikirche ist eine gothisch umgebaute, ur-
sprünglich romanische Basilika.
Hruckeberg bei Oldendorf. Einfache, spitzbogig über Kragsteinen ein-
gewölbte Kirche im Uebergangsstil.
Klflkeibflrg bei Karlshafen a. d. Weser. Ruine der Burgkapelle : ^)
ein mit Kuppel gedeckter Rundbau, an den sich kreuzförmig vier niedrige
Schenkel legten, die mit Tonnengewölben bedeckt waren. [Lübke
Taf. 14.)
Langeihtrst unweit Rheine. Die Kirche des 1 178 gestifteten Nonnen-
klosters , ein unsymmetrisch geplanter Hallenbau in der Grundform des
Kreuzes mit einer an der Chorgiebelwand rechteckig ausgebauten Apsis und
der Anlage zweier Thürme in den Winkeln zwischen Chor und Querschiff.
Das ganze Schiff nimmt eine Nonnenempore ein, welche von einer mitt-
leren Säulenreihe getragen wird, deren Capitäle in ausgezeichneter Arbeit
reich geschmückt erscheinen. Die Wandflächen der Ostpartie sind durch
Blendbögen belebt, die auf schlanken Halbsäulen ruhen. (Lübke Taf. 10.)
Legdea bei Ahaus. Die Kirche, in der Anlage der Johanniskirche von
Billerbeck nahe verwandt, doch mit kürzerem^Langhaus und in den Orna-
menten der Capitäle weniger elegant. Die Aussenflächen, hier wie dort,
durch Lisenen und Rundbogenfriese detaillirt. Zwei zierliche Säulenportale ;
1) Lassaulx, J. Claud. v., die Kirche zu Krukenburg, in Wigand's Archiv
für Gesch. u. Alterthumakunde Westfalens. VII. I, 87— SD.
in Westfalen. 435
vor dem südlichen eine nach Osten offene Vorhalle mit Kleeblogeneingang.
(LübkeTaf. 10.)
Lemg^t Die Nicolaikirche, gothischer Umbau einer gewölbten Pfeiler-
basilika im Uebergangsstil. Die beiden Westthürme mit dem horizontal
abschliessenden Zwischenbau aus der früheren Bauperiode. (Lübke
Taf. 9 )
Lette bei Rheda. Flach gedeckte einschiffige Kirche mit prachtvollem
spätroman. Südportal. (LübkeTaf. 16.)
Lippeidsberg oberhalb Karlshafen a. d. Weser. Die Nonnenkirche,
eine überwölbte Pfeilerbasilika, deren Seitenschiffe sich jenseits des Quer-
hauses neben dem Chore fortsetzen und wie dieser in Apsiden enden. Die
rundbogigen Quergurte der Gewölbe werden an den Hauptpfeilern von aus-
gekragten Vorlagen getragen , in den Seitenschiffen von Consolen. Die
schlanken Zwischenpfeiler sind auf den Ecken mit Würfelsäuich en besetzt
und die Arkadenbögen mit einer feinen Hohlkehle gegliedert. Weit hinein
in die westliche Hälfte der Kirche schiebt sich die Nonnenempore , auf
niedrigen Säulen- und Pfeilerstellungen ruhend. Von den ursprünglichen
beiden Westthürmen steht nur noch der südliche. (Lübke Taf. 6.)
LiffStailtt Der massige Westthurm und das Querhaus der Grossen
Marienkirche mit den beiden schlanken Thürmen an der Ostseite der
Kreuzarme datiren von einem 1198 geweihten Bau. Der dreischifilge
Hallenbau des Langhauses ist ein Umbau aus dem XIIE. Jahrh. im Ueber-
gangsstil, die Pfeiler- und Gewölbeanordnung ähnlich der Johanniskirche
in Billerbeck; der Chor spätgothisch. (iTtibke Taf. 10.) — Die Nicolai-
kirche mit geradem Chorschluss und innen runden, aussen polygonen
Nebenapsiden am Querschiff im Uebergangsstil. Das aus zwei Doppel-
jochen bestehende Langhaus ist in der westlichen Hälfte basilikal, mit
einem Thurm über dem Mittelschiff, in der östlichen Hälfte Hallenbau.
Leccflm bei Stadthagen. Die 1240 begonnene, 1277 vollendete Cister-
zienserkirche, ^) eine gewölbte, spitzbogige Pf eiler basilika im Uebergangs-
stil: Chor (geweiht 1250) gerade geschlossen ; je zwei Kapellen abseiten-
artig an den Kreuzarmen (oben S. 89 Fig. 36; ; die Hauptpfeiler des Lang-
hauses mit ausgekragten Ecksäulen für die Gewölberippen , die etwas
schwächeren Zwischenpfeiler mit engagirten Ecksäulchen. Die Fenster
stehen paarweise unter jedem Schildbogen und sind in der Ostpartie rund-
bogig, im Schiff spitzbogig. Restaurirt seit 1848. (LübkeTaf. 8.) —
Der Capitelsaal, wohl älter als die Kirche.
Lfigde bei Pyrmont. Die Kilianskirche, eine kleine gewölbte Basilika,
in der Pfeiler und Säulen wechseln ; das Querschiff mit Apsiden, der Chor
mit einer grösseren Apsis ; Westthurm mit Satteldach, die Halle im Erd-
geschoss mit einem Tonnengewölbe. Die ornamentale Behandlung der
Würfel- und trichterförmigen Capitäle und der beiden an den Kreuzgiebel-
fronten befindlichen Portale zwar reich, aber in unbehilflicher Zeichnung
und von ziemlich roher Arbeit. (Lübke Taf. 5 und 15 Fig. 7 f.)
i)L(abke, W.), Fünf Cisterzienser-Abteikirchen. 2. Loccum, im Organ für
Christi. Kunst. 1S53. 8. 17 — 19. Vergl. die Bemerkung von v. Quast, ebd. S. 54.
436 Romanische Kirchen
Harleilfelil unweit Gütersloh. Die Cisterzienserkirche, ') Zie-
gelbau im Uebergangsstil mit Hausteindetails, geweiht 1222 : eine kreuz-
förmige, spitzbogige, überwölbte Basilika mit wechselnden Pfeilern und
Säulen und einem niedrigen Umgang um den gerade geschlossenen Chor.
Die Stelle des südlichen Seitenschiffes nimmt ein Ueberrest des gothischen
Kreuzganges ein. Am Aeussern Rundbogenfriese aus Ziegeln. (Lübke
Taf. 8.)
■arierainster bei Höxter. Die Benedictinerkirche, eine völlig ver-
änderte und verzopfte Basilika mit achteckigem Thurm über dem Kreuz-
mittel und zwei durch einen wagerecht endenden Zwischenbau verbundenen
Westthürmen.
leogede bei Dortmund. Die Kirche in Kreuzform mit geradem Chor-
schluss, ein dreischiffiger Hallenbau in rohem Uebergangsstil.
letelen bei Steinfurt. Die Nonnenkirche in merkwürdig unregel-
mässiger Anlage und Ausbildung , ein Hallenbau ohne südliches Seiten-
schiff im Uebergangsstil, anscheinend aus einem älteren Gebäude umge-
wandelt, mit gerade schliessendem Chor, mit einer weit in beide Schiffe
vortretenden unterwölbteh , von Pfeilern getragenen Nonnenempore in
Westen. Der Zwischenbau mit Staffelgiebel ; ebenso der südlich anliegende
Thurm, während der nördliche nur im Unterbau vorhanden ist. Auf der.
Südseite ein prachtvoll spätromanisches Säulenportal. (Lübke Taf. 7
Fig. 8.)
Hethler unweit Dortmund. Die Kirche, ein dreischiffiger Hallenbau
mit quadratischem Chor und polygonen Apsiden am Ostende der Seiten-
schiffe, in zierlich durchgeführtem spitzbogigem Uebergangsstil. Die kreuz-
förmigen Pfeiler mit vier HalbsSulen und vier Ecksäulen für die Quer- und
Kreuzgurte der Gewölbe. Die Seitenschiffe, die fast ebenso breit und ebenso
hoch sind, wie das Hauptschiff, haben einzelne Giebeldächer von gleicher
Höhe mit dem Dache des letzteren. Der Westthurm ist älter als das Uebrige.
Restaurirt. (Lübke Taf. 11 . 1 5 f. und 25 .)
limleB. Der Westbau des Domes: ein Glockenhans von der vollen
Breite der Kirche mit von Säulen getheilten Schallöffnungen im Oberge-
schoss, aus dessen Mitte ein mit ähnlichen Oeffnungen versehener niedriger
Sattelthurm aufsteigt. Diese Theile sehr wahrscheinlich 1062 — 1072; die
niedrige (gothisch veränderte) Vorhalle vor dieser Fa^ade anscheinend etwa
gleichzeitig mit dem Querhause und dem Langchore im spätroman. Stil.
Das Uebrige ist gothisch. (Lübke Taf. 2 Fig. 2.) Der Kreuzgang in
höchst einfachem Uebergangsstil. — Die Marienkirche enthält in ihrem
goth. Umbau noch den Kern einer roman. Basilika. Die Martinikirche,
jetzt ein goth. Hallenbau, war früher ebenfalls eine gewölbte romanische
Basilika.
lölleilbeck bei Rinteln. Die beiden runden Westthürme der spät-
gothischen ehemaligen Benedictiner - Nonnenkirche. Romanische Reste
in der Krypta, vielleicht auch im Querschiff. (Lübke Taf. 20 Fig. d. e.)
I) L(abke) a a. O. S. laf. ; 3. Marienfeld.
in Westfalen. 437
iJUttter. ^) Der Dom, an Ausdehnung den ersten Hang unter den
westfölischen Kirchen einnehmend, eine doppelchOrige gewölbte Pfeilerba-
silika mit zwei Querschiffen, im vollendeten Uebergangsstil (1225 — 1261),
theilweise mit brillant spätgoth. Veränderungen. Der Ostchor mit Umgang
bildet einen fünfseitigen Schluss , der Westchor , von zwei viereckigen
Thürmen flankirt, schliesst in gerader Linie. Im Schiffe sind nur die sehr
breiten, durch Spitzbogen verbundenen Hauptpfeiler erhalten, die Zwischen-
pfeiler schon frühzeitig herausgebrochen. Die Fenster stehen zu dreien in
pyramidalen Gruppen. Im Chor eine Galerie, die sich in den Ereuzarmen
fortsetzt. Das westliche Querhaus mit schönen Kundfenstern und einem
Doppelportal an der Südseite, an die sich ein ursprünglich offenes Paradies
schliesst. (Schimmel, Denkm. in Lief. 1. 4. 6 f. — Lübke Taf. 9. —
Förster, Denkm. 4, 13—17 i^nd 2 Taf.) — Der Thurm der Lamberti-
k i r c h e , neuerlichst Behufs Neubau abgetragen . — DieLudgerikapelle
bei der Liebfrauenkirche, ein kleiner überwölbter Raum, vielleicht Thurm-
rest der früheren Kirche. — Die Ludger iki r che, eine gothisch ver-
änderte, kreuzförmige, ursprünglich spätromanische (1203), gewölbte Pfei-
lerbasilika mit achteckigem Mittelthurm. (Schimmel a. a. O. in Lief. 1
und 4.) — Der untere Thurmtheil der goth. Martinikirche. — St.
M a u r i t z , kleine einschiffige Kirche (nach 1197) mit Westthurm und zwei
kleinen Chorthürmen ; Chor spätgothisch. — St. Servatius, Hallen-
kirche im Uebergangsstil, in welcher Pfeiler mit schlanken Säulen wechseln ;
gothische Veränderungen und Zusätze. (Lübke Taf. 10.)
Netie bei Waldeck. Zweistöckige Kapelle im Uebergangsstil.
Heien -leene bei Paderborn. Die Benedictiner- Nonnenkirche, spät-
gothischer Umbau einer kreuzförmigen, gerade geschlossenen und flach ge-
deckten Säulenbasilika von 1165 mit einem von zwei runden Treppen-
thürmen flankirten Westthurm. Im südlichen Kreuzarm der gewölbte Ca-
pitelsaal, darüber der Nonnenchor. Unter dem Chore eine dreischiffige
Säulenkrypta. (Lübke Taf. 12.)
#ber*lanberg unweit Paderborn. In dem jetzigen dreischiffigen, viel-
fach veränderten Hallenbau der alten Benedictinerkirche der Kern eines
Bauwerkes roman. Stils. Krypta. (Lübke Taf. 12 und 15.)
tbenkifchei bei Rinteln. Die westliche Vorhalle der goth. Nonnen-
kirche mit zwei ohne Zwisohenbau dicht aneinander gerückten viereckigen
Thürmen im Uebergangsstil.
Mer*Tid«rf bei Paderborn. Die Kirche, ein einschiffiger Gewölbebau
mit quadratischem Chor. (Lübke Taf. 18.)
#ber*Werbä bei Waldeck. Ruine der jetzt einschi£ßgen , gewölbten
Klosterkirche. (Denkm. der deut. Baukunst, dargestellt von dem hessischen
Verein zu Darmstadt. I.)
tcktnif unweit Rheine. Spätromanische Kirche mit gerade geschlos-
senem Chore.
MIe bei Plettenberg. Die Kirche, Hallenbau im Uebergangsstil, der
Kirche zu Heggen ähnlich ; nur steht der Thurm über dem quadratischen
Chorraume, aus dessen Ost wand die Apsis hervortritt.
1) (Geisberg, H.), Merkwürdigkeiten der Stadt Münster. 1854.
438 Romanische Kirchen
tfheriieke unweit Dortmund. Die Kirche, eine überwölbte Basilika
mit nur einem (nördl.) SeitenschiflP, schmal rechteckigem, in der Tonne
eingewölbtem Chor, an den sich eine äusserlich polygonische Apsis schliesst,
und mit Wandapsiden in der Mauerst&rke der Kreuzarme. Im Schiff wech-
seln gekuppelte Säulen mit Pfeilern, die fttr die Schildgurte mit Pilaster-
vorlagen, für die Quergurte mit Halbsäulen versehen sind. Brillante oma-
mentirte Ausstattung. Westthurm mit niedriger Dachpyramide. (Lübke
Taf. 5.)
teiede bei Osnabrück. Die einschiffige kreuzförmige Nonnenkirche
mit gerade geschlossenem Chor und Flachnischen in den Ostwänden der
Kreuzflügel , Gewölbebau im Uebergangsstil. In Westen eine Balken-
empore. In der Ostpartie spätgothische Fenster. Ein Westthurm an der
Nordseite.
taiabrack. *) Der Dom, eine vielfach veränderte überwölbte Pfeiler-
basilika im Uebergangsstil mit einem Thurme über der Vierung und zwei
Westthürmen ; die Arkadenpfeiler, in Pilasterecken abgetreppt, sind höchst
massig, die Kreuzarme durch eine Brüstungswand von der Vierung ge-
schieden ; der ursprünglich gerade geschlossene Chor ist in gothischer Zeit
mit Umgängen und Kapellen versehen. Die Sacristei, sehr schön im spät-
romanischen Stil; auch der Kreuzgang grösstentheils noch romanisch.
(Lübke Taf. 7. — Förster, Denkm. 9, 55 f. und 1 Taf.) — Die
Johanniskirche, kreuzförmiger dreischiffiger Hallenbau im gothisi-
renden Uebergangsstil mit gerade geschlossenem Chor und zwei West-
thürmen am wagerecht endenden Zwischenbau. Die Pfeiler im Schiff mit
eingelassenen Ecksäulchen. Die Seitenschiffe mit Giebeldächern. Plumpe
Strebepfeiler. — Der Thurm der Marienkirche im Uebergangsstil.
ttteBfeMe bei Warendorf. Die Kirche , ein einschijßger Gewölbebau
im Uebergangsstil. Das Aeussere zierlich schmuck voll ; doch alles Orna-
mentale arg verwüstet.
tsterwick bei Koesfeld. Spätromanische Kirche mit gerade schlies-
sendem Chor.
PaderlMni. Die Bartholomäikapelle, ^) ein gewölbter drei-
schiffiger, von Säulen getragener Hallenbau mit Apsis und einer sehr
niedrigen in der Tonne überwölbten Vorhalle in Westen. Die Säulen zum
Theil mit korinthisirenden, denen von Corvey sehr ähnlichen Capitälen.
Die Gewölbe sind rechteckige gestutzte Kuppeln zwischen Gurtbögen. Er-
baut 1017. Restaurirt 1859. (Schimmel, Denkm. in Lief. 9 und 10. —
Giefers, Drei merkwürdige Kapellen. S. 10 und Taf. 1 f. — Lübke
Taf. 2 und 15 Fig. 2. — Kugler, Gesch. der Baukunst 2, 425.) — Die
Benedictinerkirche Abdinghof, eine gerade geschlossene, überwölbte
Pfeilerbasilika in profanirten Ueberresten ; die unter dem Chore befindliche
1) Prisac, Kirchen u. kirchl. Alterthümer u. Kunstwerke in Osnabrück, im
Kölner Dombl. No. 58. — Lübke, W., Kunstwerke des M.-A. in Osnabrück, im
D. Kunstbl. 1853. No. 1 f.
2) Die Marien- u. Bartholomäuskapelle su Paderborn, im Organ für christl.
Kunst. 1852. No. 12 f. — Kayser, J., die Bartholomäikapelle zu Paderborn, in
den Mittheil, der k. k. Central-Comm. etc. (1865). 10, 32—10; auch im Organ für
Christi. Kunst. 1865. S. 91 ff.
in Westfalen. 439
dreischifiige Krypta, mit Tonnengewölben und einschneidenden Stichkappen
über Pfeilern und Bündelsäulen , wird dem XI. Jahrh. zugeschrieben.
(Lübke Taf. 2 und 15 Fig. 10.) — In der im Uebrigen goth. Stiftskirche
Bustorf hat der von zwei RundthOrmen flankirte Chor roman. Ueberwöl-
bung und der Westthurm einen roman. Unterbau. — Der Dom, ^) in der
ursprünglichen Anlage eine gerade geschlossene Pfeilerbasilika mit öst-
lichem und westlichem Querschiff und einem westlich vorgelegten Thurm,
nach einem Brande von 11 33 geweiht 1143, sodann in der ersten Hälfte
des XIII. Jahrh. grösstentheils zu einer Hallenkirche im Uebergangsstil
umgebaut und (abgesehen von späteren gothischen Veränderungen) früh-
gothisch vollendet. Als älteste Theile charakterisiren sich der massige, von
zwei kleinen runden Treppenthürmen flankirte Giebelthurm (oben S. 426
Fig. 148) und die unter dem Chor und der Vierung belegene dreischiifige
Krypta mit gurtenlosen Kreuzgewölben, welche von sechs Paar Würfel-
knaufsäulen mit Eckblattbasen und einem eingereihten Pfeilerpaare ge-
tragen werden. Bemerkenswerth sind die beiden am westlichen Querschiff
befindlichen reichen Portale, besonders das Doppelportal der Südseite
(Moller, Denkm. I. Taf. 17). Der nordöstliche Kreuzarm hat statt des
Giebels einen polygonischen frOhgothischen Schluss. (Schimmel, Denkm.
in Lief. 1. 2. 4—6 und 7. — Lübke Taf. 2 Fig. 1. Taf. 13.) — Die
Gaukirche (des 1230 gestifteten Cisterzienser - Nonnenklosters) , eine
kleine ursprünglich gewölbte und später veränderte Pfeilerbasilika mit ge-
radem Chorschluss und ehemals mit Seitenapsiden. Ein achteckiger West-
thurm.
Peetiei bei Minden. Die einschiffige gewölbte Kirche mit einem West-
thurm, dessen Erdgeschoss, mit einem Tonnengewölbe gedeckt, sich gegen
das Schiff in einem Doppelbogen über einem Pfeiler öffnet.
Plettenberg. Die Kirche, ein Hallenbau, an Grösse und Raumtheilung,
in der Ueberwölbung und rohen Behandlung der Pfeiler dem zu Balve fast
gleich, zeichnet sich durch den äusserlich polygonen, innerlich halbrunden
Schluss der KreuzflOgelfronten und durch die beiden schlanken Chor-
thürmchen aus. Der Chor hat einen späteren gothischen Schluss. (Lübke
Taf. 11.)
Keeke im Kr. Tecklenburg. Beachtenswerthe Dorfkirche, verschie-
denen roman. Bauperioden angehörig, mit Vorhalle im Thurme.
SeckllighilseB unweit Dortmund. Gothischer und verzopfter Umbau
einer kreuzförmigen Hallenkirche mit Westthurm.
Rehme bei Minden. Dorfkirche ^) in der Grundform des fast gleich-
schenkeligen Kreuzes mit Chorapsis und Westthurm ; zum Theil gothisch
verändert.
Rhynen bei Hamm. Die Kirche, eine gewölbte spätroman. Basilika
mit wechselnden Pfeilern und Säulen ; gerade geschlossener Chor, Wand-
apsiden in den Kreuzarmen, viereckiger Westthurm mit schlankem Helm.
1) Brand, F. J., der Dom zu Paderborn. 1827. — Giefcrs, W. Engelbr.,
der Dom zu Paderborn. 1860.
2) E(ye, A. v.), die roman. Kirche zu Rehme, im Anzeiger des German. Mu-
seums. 1861. Sp. 235— 237.
440 Romanische Kirchen
liiteh« Die Marktkirche, ^) gothischer Umbau einer gewölbten Pfeiler-
basilika im Uebergangsstil (1238). Originell spätroman. Hauptportal an der
Südseite. (Lübke Taf. 18.)
Ritten bei Brilon. Hallenkirche im Uebergangsstil mit polygonisch
geschlossenem Chor und Wandapsiden am Ostende der Seitenschiffe. Die
Gewölbe im Schiff, Kuppeln (zum Theil eingestürzt), in den Seitenschiffen
Halbkuppeln ähnlich. Die Pfeiler mit flck- und Frontalsäulchen, als Träger
der spitzbogigen Gurte. Moderner Thurm.
Stisktttei bei Paderborn. Einfache Hallenkirche in Kreuzform mit
gerade geschlossenem Chor und Westthurm ; Uebergangsstil und gothisch
verändert.
SchnaUenberg unweit Arnsberg. Hallenkirche, der zu Brilon ähnlich ;
Chor gothisch.
Seidenh^nl unweit Münster. Die Kirche, einschiffiger Gewölbebau
in Kreuzform mit gerade geschlossenem Chor ; Uebergangsstil, Thurm älter.
Siegen. Die Nicolaikirche, ein sechseckiger Centralbau mit niedrigem
Umgang, rechteckigem Chor mit Apsis und viereckigem Westthurm ; roher
Uebergangsstil.
Stest,^) Der Dom, eine kreuzförmige Pfeilerbasilika von grossen Di-
mensionen, mit Chorapsis und einer nördlichen Nebenapside, ursprünglich
nur mit überwölbten Seitenschiffen, später (um 1166) in einen Gewölbebau
umgewandelt und zum Theil mit gothischen Veränderungen. Ausgezeichnet
ist die Vorhalle mit ihrer Empore und dem sich über derselben erhebenden
Thurm , dessen Bauformen aus dem romanischen in den gothischen Stil
übergehen, und besonders bemerkenswerth die spätromanische zweistöckige
Vof halle vor der Westfront, deren starke Pfeiler reich mit Halbsäulen be-
setzt sind, und die sich in fünf Rundbögen öffnet. An der Südseite des
Chores unter der roman. Sacristei befindet sich noch ein Nebenraum der
ehemal. Krypta, dessen Kreuzgewölbe von Würfelknaufsäulen getragen
werden. (Lübke Taf. 4. — Förster, Denkm. 8, 33—36 und 2 Taf.) —
Ueberreste eines Kreuzganges, der die östlichen Theile der Kirche wie eine
Ringmauer umfasste, und eines zweiten längs der Südseite. — St. Maria
zur Höhe (die* ZToAn« genannt), eine zur unsymmetrischen Hallenkirche
im Uebergangsstil umgebaute bescheidene Pfeilerbasilika mit quadratischem
Chor, einer äusserlich polygonen Apside am Ende des nördlichen und einer
Wandnische am Ende des südlichen Seitenschiffes. Im Innern an der west-
lichen Wand sind Reste des alten Baues kenntlich : eine niedrige Halle
unter dem Thurm, mit Tonnengewölbe und eine zum Theil erhaltene Em-
pore. Das Aeussere reich mit Lisenen, Bogenfriesen und mancherlei Blen-
den; das südwestliche Säulenportal ^) mit Figurencapitälen. (Lübke
Taf. 17.) — Die Nicolaikapelle (neben dem Dom) , ein zweischiffiger
1) Wippermann, die luther. Pfarrk. St. Nicolai zu Rinteln, in der Zeitschr.
des Vereins für hess. Gesch. u. Landeskunde 7, 66.
2) Tappe, W., die Alterthümer der deut. Baukunst in der Stadt Soest. 2 Thle.
1823. — Barthold, F. W., Soest, die Stadt der Engem. 1855. 8.
3) (y. Medem), Bildwerke des M.-A. in Soest. Das Südportal an der Marienk.
zur Höhe. (Berlin 1863.)
in Westfalen. 441
Hallenbau mit Ostlicher Apsis und westlich dreiseitig geschlossen mit Em-
porenanlage; die Schiffe geschieden durch zwei schlanke, 20' hohe mono-
lithe Würfelknaufsäulen, auf. denen die gurtenlosen Kreuzgewölbe ruhen.
(Ebd. Taf. 14 Fig. 4—6.) — St. Peter (die alte Kirche genannt), eine
kreuzförmige, gewOlbte Basilika mit drei frühgothischen, pölygonisch ge-
schlossenen Choren, in welcher massige, mit Vorlagen versehene Pfeiler
mit streng ornamentirten WtLrfelknaufsäulen wechseln. Der Thurm erhebt
sich über dem Westende des Mittelschiffes und bildet im Unterstockwerke
mit den anliegenden Theilen der Seitenschiffe eine dteischiffige, sich weiter
nach Osten vorschiebende Säulenvorhalle mit Empore. Als spätere Hinzu-
fügung aus der Uebergangsperiode ergeben sich die Über den Seitenschiffen
angeordneten Emporen, und gleichzeitig fand auch ein Umbau des Quer-
schiffes mit den prächtig verzierten Spitzbogenportalen statt. (Ebd. Taf. 5
und 16.) — Die ruinOse Thomaskirche, eine 117^ begonnene über-
wölbte Basilika; welche durch Erhöhung des nördlichen Seitenschiffes in
der Uebergangsperiode und durch den gothischen Umbau des südlichen in
eine Hallenkirche mit frühgothischem , polygonisch schliessendem Chore
verwandelt erscheint. Auch der westliche Theil mit dem Thurme und einer
sich unter diesem und zu beiden Seiten erstreckenden Empore stammt aus
der Uebergangsperiode.
8«iniieneh unweit Paderborn. UeberwOlbte einschiffige Kirche.
Stetafirt unweit Münster. Zweischifiige Doppelkapelle im Schlosse
Burgsteinfurt, mit viereckiger Oeffnung im Fussboden des Oberstockes.
(LübkeTaf. 14.)
Stelilieiin unweit Pyrmont. Die Kirche, ursprünglich eine der Kirche
zu Lügde sehr ähnliche, nur zierlichere und jüngere gewOlbte Basilika, die
in gothischcr Zeit in eine Hallenkirche umgewandelt worden ist.
Siniighauei bei Beckum. Einschiffige gewOlbte Kirche, durch eine
Chorapsis und ein zierliches Portal ausgezeichnet.
Sylnirg am Zusammenflusse von Ruhr und Lenne. Einschiffige flach
gedeckte Kirche mit spätroman. viergiebeligem Westthurm und einem Säulen-
portal an dessen Südseite; der Chor spätgothisch .
Thnle bei Paderborn. Die Kirche, ein einschiffiger roher GewOlbebau ;
der Thurm, dessen Innerei mit zur Kirche gezogen ist. mit angelehntem
runden Treppenhause.
Twiste bei Corbach. Kleine T förmige in zwei Doppeljochen über-
wölbte Pfeilerbasilika mit Chorapsis und Flachnischen in den Wänden der
Kreuzarme. Das Innere des Westtkurms bildet eine überwölbte Halle.
(Orth . in der Zeitschr. für Bauwesen. 1862. Taf. 32 f. — Vergl. oben
S. 38 Fig. 10.)
YalberC bei Attendorn. Eine im XTV. Jahrh. umgebaute, ursprünglich
roman. Pfeilerbasilika ; halb zerstört.
YeUei bei Obemkirchen. Schlichte einschiffige GewOlbekirche.
Vene unweit Lippstadt. Die Kirche zeigt im nördlichen Seitenschiffe
die frühere Anlage einer gewölbten Basilika, in welcher Pfeiler mit gekup-
pelten Säulen wechselten. Der Westthurm ist achteckig mit schlankem
achtscitigem Helm. (Lübke Taf. 5.)
Vredei. Die Stiftskirche, in einschiffiger Kreuzform und gewölbt, mit
442 Romanische Kirchen
dreiseitig geschlossenem, gothisch überwölbtem Chor und mit gothischen
Fenstern. Die dem XI. Jahrh. zugeschriebene dreischiffige Krypta wird
durch zwei massenhafte Pfeiler in zwei Theile getheilt, von denen der Ost-
liche kleiner, aber von höheren Säulen und Gewölben ist, als der westliche,
der sechs Stützen hat, vier Pfeiler und zwei Säulen, die mit Cannelirungen
und Honstigen verticalen Gliederungen versehen sind ; die Gesimse überall
in Kamiessform; die Gewölbe zwischen Längen- und Quergurten einge-
spannt. (Lübke Taf. 2. 15 und 16.)
Wallenh^rst bei Osnabrück. Die Kirche, eine kleine überwölbte Pfeiler-
basilika im Uebergangsstil mit vorgelegtem quadratischem Chor und mit
einem querschiffartigen Westbau , vor dessen Mitte der viereckige Thurm
steht. Ueber den Seitenschiffen waren ehemals Emporen. (Hase, Bau-
denkm. Heft 1. Sp. 29—32 und Taf. 7, Vergl. Mittheil, des histor. Ver-
eins zu Osnabrück 5, 325—338.)
Warbarg. Die Johanniskirche, ein dreischiffiger Hallenbau im
Uebergangsstil ; Westthurm und Querschiff gothisch verändert ; Chor go-
thisch . — Die zweistöckige Schlosskapelle^ ein Rechteck mit Apsiden-
schluss ; das Erdgeschoss bildet eine dreischiffige kryptenartige Säulenhalle,
das Oberstockwerk ist gothisch eingewölbt und auf zwei Freitreppen zu-
gänglich. (Lübke Taf. 3 Fig. 8.)
Wafersloh bei Lippstadt. Kleine Hallenkirche im Uebergangsstil mit
gerade geschlossenem Chor und Wandapsiden in den Kreuzarmen. Seiten-
schiffe später verbreitert und Fenster verändert.
Wefebbarg *) bei Paderborn. Die durch eine Reihe von drei Rund-
pfeilem in zwei gleich hohe Schiffe getheilte Burgkapelle mit niedrigen
Kreuzarmen.
Weibeck bei Hameln. Flach gedeckte einschiffige Kirche mit gothisch
gewölbtem Chor.
Weuigsei bei Hannover. Reste der Nonnenkirche im Uebergangsstil :
ein Langhaus mit nur einem (südlichen) in einer Apsis endenden Seiten-
schiff; nördlich baut sich ein Querarm mit einer Nonnenempore an, der
wie der Chor spitzbogig eingewölbt ist. Ein viereckiger Westthurm.
Werdohl bei Plettenberg. Hallenkirche von derselben Anlage wie die
von Balve, doch ohne Querschiff und um ein Joch kürzer und mit Wand-
apsiden am Ende 'der Seitenschiffe.
Wester-Kappeh bei Osnabrück. Romanische Kirche.
Wetter ^j bei Herdecke. Romanische Kirche im Dorfe ; in der goth.
Kirche auf der Freiheit roman. Reste.
Wickeile bei Unna. Hallenkirche im zierlichen Uebergangsstil, der
sich besonders in dem quadratisch geschlossenen Chor und äusserlich an der
Südseite entfaltet. Der Westthurm ist älter, auch anscheinend die später
erhöhten Umfassungsmauern der Kirche.
WiedeBbrÜck bei Gütersloh. Chor und Querhaus der spätgoth. Capi-
telskirche in zierlich reichem Uebergangsstil. Drei polygonische Apsiden.
(Lübke Taf. 9.)
1) Giefera, W. Engelbr., Gesch. der WefeUburj?. 1855.
2) Hark ort, Gesch. des Dorfs, der Burg u. der Freiheit Wetter. lS5ü.
in Westfalen. 443
WiiAete unweit Minden. Gewölbte einschiffige Kirche mit gerade
geschlossenem Chor. Westthurm mit Satteldach.
Wtmback im Kr. Meschede. Hallenkirche, der zu Heggen ähnlich.
Anmerkung. Einzelne Theile und mehr oder minder beträcht-
liche Reste aus der romanischen und Uebergangsperiode finden sich unter
anderen in folgenden westfälischen Kirchen :
Böddeken bei Paderborn, Breckerfeld bei Wipperfürth,
Clarholz bei Belen, Dellwig bei Menden, Dringenberg bei Pa-
derborn , G e h r d e n unweit Hannover, Gembeck im Waldeckischen ,
Kapelle zu Hauhenhorst bei Münster, Abteikirche zu Iburg bei
Osnabrück, L ü n n e r n bei Unna, Massenhausen im Waldeckischen,
Meschede unweit Soest, N o 1 1 u 1 n bei Koesfeld, Rh e n a bei Corbach ,
Rh öden bei Arolsen, Rietberg bei Gütersloh, Schwerte bei Dort-
mund, Vasbeck bei Corbach, Kapelle zu Visbeck bei Wildeshausen.
Romanische Thürme z. B. in:
Altenberge bei Münster, Alten-Rüthen bei Brilon, Asseln
bei Dortmund, Attendorn bei Siegen, Bennighausen bei Lipp-
stadt , C a m e n bei Dortmund , Diestedde bei Beckum , Elsen bei
Paderborn , G i m t e bei Münster , Grafschaft bei Schmellenberg,
Greven bei Münster, Grohnde bei Hameln, Liesborn bei Lipp-
stadt, Lingen bei Osnabrück, Rhede bei Bocholt, Roxel bei Münster,
Senden bei Lüdinghausen.
v-4-4 P 'A ¥ ? % ? S'-*"
Fi;. 186. Klotterkirchc in Jericbow (nach r. Minutoli).
445
YII. Im norddentschen Tieflande.
Literatur: Kumohr, C. F. v., Einige Nachrichten von Alterthümern
des transalbing. Sachsens, in F. Schi e gel' s Deutschem Museum. 4, 479 iF.
Ibl4. — Büsching, J. G., Wöchentl. Nachrichten für Freunde der Gesch.,
Kunst etc. des M.-A. 24 Hefte. 1816 — 18. — Derselbe, Reise durch einige
Münster u. Kirchen des nOrdl. Deutschlands. 1819. — Derselbe, Merk-
würdigkeiten altdeut. Kunst in der Altmark. 1825. — Strack, J. H., u.
M e y e r h e i m , F. C, Architekt. Denkmttler der Altmark Brandenburg ; mit
erläuterndem Text von Fz. Kugler. 4 Hefte. ts33. — Humohr, C. F. v,
Ueberblick der Kunsthistorie des transalbing. Sachsens, im Archiv für Gesch.
der Herzogth. Schleswig etc. 2, 1 — 22. 1*^3^. — v. d. Hagen, Kunstalterth.
in Schlesien, Preuss. Polen u. Preussen; aus J. G. Büsching's Nachlass
mitgetheilt, in Kugler 's Museum. 1835. No. 5 ff. — Minutoli, Alex, v.,
Denkm. mittelalterl. Kunst in den Brandenb. Marken. Lief. I u. 2. 1S36. —
Wiggert, F, Histor. Wanderungen durch Kirchen des Reg. -Bez. Magde-
burg, in den N. Mittheil, des Thüring.-Sftchs. Vereins III. 4, 99 ff. u. VI. 2,
1 ff. 1S3T. 1842. — Kugler, Fz., Pommersche Kunstgesch. 1840. (Wieder
abgedruckt u. mit vielen Abbild, ausgestattet in den Kl. Sehr. 1, 652 835.)
— Riedel, Ad. F., Klöster u. Klosterruinen in der Churmark Brandenburg,
in den Mark. Forschungen. 1, n»5 ff. 1841. — Jahresberichte des Vereins für
Meklenburg. Gesch. u. Alterthumskunde. VI— VIII. 1S41 — I843. ~ Lisch,
G. C. F , Jahrbücher des Vereins für Meklenb. Gesch. u. Alterthumskunde.
IX. etc. 1S44 etc. — Hirsch, Th., Beiträge zur Gesch. Westpreuss. Kunst-
bauten. Tbl. 1 (Kloster OH va). 1850.— Quast, Ferd. v., Beiträge zur Gesch.
der Baukunst in Preussen, in den Neuen Preuss. Provinzialbliittern. Bd. IX.
bis XI. Heft 3. 1850 f. - Derselbe, Zur Charakteristik des älteren Ziegel-
baues in der Mark Brandenburg, im D. Kunstbl. 1850. No. 29 ff . — (Kal-
lenbach, G. G.) Ausflug zu den Alterth. {nehrerer norddeutschen Städte.
I — XXI, eine Reihe von Artikeln im Organ für christl. Kunst. 1S51. No. 8
bis 1852. No. 21. — Minutoli, Alex, v., d^r Dom zu Dronthcim u. die
Baukunst der skandinav. Normannen. 1853. (Enthält gelegentliche Notizen
u. Abbild, über den norddeutschen Ziegelbau.) - Luchs, Herrn., Stilbe-
zeichnung u. Datirung einiger Kirchen Schlesiens, in der Zeitschr. des Ver-
eins für Gesch. u. Alterth. Schlesiens. I, 298 — 303. ISöO. — Essen wein,
A., Norddeutschlands Backsteinbau im M.-A. 1^56. — Kirchner, E., Ge-
schichte der Klöster in der Mark Brandenburg. Bd. 1. 2 mit Abbild. 1857. —
Milde, C. J., die Kirchen der Herzogth. Holstein u. Lauenburg, in kunst-
geschichtlicher Hinsicht untersucht, im Jahrbuch für die Landeskunde der
Herzogth. Schleswig, Holstein u. Lauenburg. (I. Propatei Stormam) I. 3,
331-334. (IL Propstei Segeberg) IL 3, 369—377. l85Sf. — Luchs, Herrn.,
Roman, u. goth. Stilproben aus Breslau u. Trebnitz. Kurze Anleitung zur
Kenntniss der bild. Künste des M.-A., zunächst Schlesiens. J859. — Adler,
F. , Mittelalterl. Backsteinbauwerke des preuss. Staates. Bd. I. (die Mark
Brandenburg. I. Stadt Brandenburg. II. Die Altmark) in 6 Heften ; Bd. II.
Heft ! u. 2 (oder 7 u. 8) . 1859— 1864. — Weingärtner, W., Charakteristik
der schlesischen, bes. Breslauer Architekturen, in der Zeitschr. des Vereins
für Gesch. u. Alterth. Schlesiens. 3, J— 32. 1861.— Drescher, C, Bei-
träge zur Gesch. des Kirchenbaues in Schlesien, in den Mittheil, der k. k.
Central-Comm. etc. (1864). 9, 45—69.
Vorbemerkimg.
86. Erst in der zweiten Hälfte des XII. Jahrhunderts konnte das
Christenthuui in den Ländern östlich und nördlich von der Elbe
festen Fuss fassen, und dieser Periode des Ueberganges aus dem roina-
0 1 1 e , Kunst-Archäologie. 29
446 RomaniBche Kirchen
nischen ia den gothischen Baustil, welche sich hier in einzelnen Fällen
bis in den Anfang des XIV. Jahrhunderts hineinzieht^ gehören die
ältesten erhaltenen Denkmale an, in welchen daher grösstentheils der
niedrige Spitzbogen neben dem Bundbogen vorkommt Da es in dem
ganzen norddeutschen Tieüande an Bruchsteinen mangelt, so war man
theils auf den im Geschiebe mehr oder weniger reich verbreiteten
Granit, theils auf das künstliche Material der Ziegel [opus laterictum)
angewiesen, ^] und es finden sich beide Baumaterialien in dem ganzen
Gebiete dergestalt neben einander angewendet, dass grössere Kirchen
meist immer aus Ziegeln, kleinere oft (z. B. auf dem Fläming und in
dem grösseren Theile der Mark Brandenburg, namentlich in der Alt-
mark, der Priegnitz, der Grafschaft Ruppin und der Ukermark in
überwiegender Mehrzahl] aus Granit erbaut sind. ^) Im Lande Stargard
(etwa mit Ausnahme der Stadt Neu- Brandenburg und des Cisterzienser-
Nonnenklosters Wanzka, wo der Ziegelbau herrscht), ist Beides durch
einander zur Anwendung gekommen : Granit zu dem rechteckigen
Körper des Gebäudes und Ziegel zur Bekleidung der Fensteröffnungen.
Granit und Backstein, zwei an sich höihst verschiedenartige Baustoffe,
stimmen jedoch darin mit einander überein, dass sie sich gleichmässig
zur Aufführung glatter Mauern, also im Allgemeinen für den roma-
nischen Baustil sehr wohl eignen, während jedoch auch hier, was das
Ornament anbetrifft, der harte, nur sehr schwer zu bearbeitende Granit
hinter dem bildsamen Backstein zurückbleibt; wir finden daher die
Granitgebäude höchst einfach, und ihr ganzer, ernster Schmuck pflegt
lediglich in rechtwinkeligen Abstufungen derThür- und allenfalls der
Fensterwände, sowie in Abtreppungen der Giebelschenkel zu bestehen,
aber eine eigentlich künstlerische Ausbildung lässt sich nur an dem
Ziegelbau wahrnehmen. Das System desselben schliesst sich im Ganzen
zwar genau an niedersächsische Vorbilder mit treuer Festhaltung des
überlieferten Basilikentypus an^ indess anders verhält es sich in Be-
ziehung auf gewisse Details, (wenn diese nicht, was zuweilen vor-
1) Vergl. obenS. 27 Tl. 32— 34.
2) In dem Landstriche des bischöfl. Sprengeis Brandenburg, welcher nördlich
vom Flauer Kanal, westlich von der £lbe begrenzt wird u. sich südlich bis etwa zur
Anhaltischen Grenze erstreckt, kommen in den Stftdten (Beizig, Niemegk [ehemals],
Burg, Genthin) u. auf dem Lande nur Granitkirchen vor; im Havelbergischen da-
gegen (nördlich von Genthin) scheint ausschliesslich der Ziegelbau üblich gewesen zu
sein. Auf dem Fläming u. in der ganzen Umgegend sind die Landkirchen regelmassig
aus Granit; die älteste Kirche des Landes Jüterbog (u. 1. Fr. auf dem Damm) ist da-
gegen Ziegelbau. Letzterer kommt auf dem Lande in dieser Gegend nur ganz ver-
einzelt vor: zu Pechüle u. Bardenitz bei Treuenbrietzen, u. weiter südlich: zu Axien
bei Torgau.
im norddeutschen Tieflande.
447
Fig. 187. Jerichow (nach v. Quast).
kömmt, aus Hausteinen gearbeitet sind). Das Aeussere ist wie ge-
wöhnlich mit Lisenen verziert, deren Stelle indess namentlich an den
Apsiden auch wühl von Halbsaulenbündeln vertreten wird, und der
herkömmliche Kundbogenfries, auf verschieden profilirten Consölchen
aufsetzend, besteht aus mehreren in Stein -
schnitt zusammengefügten , nicht profilirten
gewöhnlichen Ziegeln, ist jedoch in der Regel
so angeordnet, dass die Bogenschenkel ein-
ander durchkreuzen, so dass jeder Bogen den
andern einmal durchschneidet und von die-
sem einmal durchschnitten wird. Dieser Fries
(Fig. 187) begleitet auch die schrägen Gesimse der Giebelschenkel und
stösst in der Spitze des Giebeldreiecks kleeblattartig zusammen. Die
Gesimse laden nur so weit aus, als es das beschränkte Format der
Backsteine erlaubt; es wird aber häufig durch hinzugefügte Consolen
Und durch das aus übereck gestellten Ziegeln gebildete sogen, deutsche
Band, welches sägezahnartig in
einem vertieften Falze liegt, eine
sehr anmuthige Wechselwirkung
zwischen Licht und Schatten in
einfachster Weise erreicht. Im In-
nern herrscht zwar, von der Eigen*
thümlichkeit des Materials begün-
stigt, der Pfeilerbau vor, doch
' finden sich auch Säulenarkaden,,
und fast regelmässig sind an den
Ecken der Vierung als Träger der Scheidbögen starke Halbsäulen an-
gebracht. Der Säulenknauf besteht aus einer dem Material gemässen,
höchst merkwürdigen Umbildung des romanischen Würfelcapitäls : die
Vermittelung des runden Säulenschaftes und der rechteckigen Deck-
platte geschieht nämlich nicht wie beim Hausteinbau durch Kugel-,
sondern durch Kegelabschnitte, weshalb die Seitenflächen des Capi-
täls sich nicht als Halbkreise, sondern als Trapeze oder Dreiecke dar-
stellen. ^) Hiezu tritt das eigenthümliche, das ganze Mittelalter hin-
r\g. 1S8. Jrrkbow
(nach V. Qua»t).
Fig. 189. Ringctod
(nach Worsaac).
J) »Wie dieses Capital praktisch hergesteUt worden, lässt sich schvi'er entscheiden.
Da die schiefen Kegelflfichen nicht geformt, sondern gemeisselt sind, so ist zu ver-
muthen, dass die über dem Schaftringe anfangenden Capitälschichten in der Diagonale
des Quadrats schichtweise Aber einander yortretend gemauert worden sind, bis mit-
telst der letzten vorgestreckten Schichten die Abacusecken erreicht waren, dass dann
▼on diesen Scheltelecken aus nach bestimmten Punkten der kreisförmigen Grund-
ebene Schnurachlfige gemacht und endlich mittelst des Meisseis die schiefen Kegel-
29*
448 RomaniBche Kirchen
<larch festgehaltene Princip, die Gebäude äusserlich und innerlich im
Rohbau stehen zu lassen und die sauberen Fugen (gelegentlich auch
bei ährenförmiger Lagerung der Steine [Fig. 190], wie an den Giebeln
der Marienkirche zu Bergen,
der Nicolaikirche zu Treuen-
brietzen etc.], sowie die warme
Färbung des Mauerwerkes, in-
sofern der Grund nicht behufs
Aufnahme von Wandmalereien
verputzt wurde, als wesent-
Fig. 190. AehrenförmigeSteiula^run,. j.^j^^^ ^ ^^^^j^ buntfarbige
Wechselziegel noch erhöhten Schmuck zu behandeln. ^) — Der Um-
stand, dass die geschilderten Besonderheiten des Ziegelbaues (zu denen
sich überdies noch eine häufig buchstäbliche Uebereinstimmung der zu
Profilirungen und Ornamenten verwendeten Formziegel an den ver-
schiedensten Orten gesellt, was nur aus Benutzung der nämlichen
Formen in den verschiedenen Ziegeleien erklärt werden kann) in dem
ganzen weiten Gebiete, welches in Westen bis zur Altmark einschliess-
lich, in Osten bis nach Freussen reicht und sich südlich vom Fläming
und vom Fusse der Karpathen bis nördlich zu den dänischen Inseln
erstreckt, nicht bloss übereinstimmend vorgefunden werden, sondern
auch in den ältesten Beispielen (Jerichowj mitten im uncultivirten
Lande schon in hoher, spater so kaum wieder erreichter Vollendung
erscheinen, rechtfertigt die Annahme einer Einführung dieser Typen
in die neu christianisirten Lande aus der Fremde: indirect sicher
wohl aus Italien, direct vielleicht von dem damals rasch an Macht
wachsenden Dänemark aus, wo der Ziegelbau unter Waldemar dem
Grossen (1 157 — 1182) bereits fest gewurzelt und allgemein üblich war.^)
flftchen ( — sei es geradlinig, wie in Fig. 1 S^, oder, wahrscheinlich nach einem Lehr-
brett, ausgekehlt, mehr kelchartig, wie in Fig. 1 89 — ) sur Verbindung des Cylindera
mit dem Kubus hergestellt wuiden.« Vergl. Adler, Backsteinbauwerke. I. 3, 40.- —
Nachgewiesen ist dieses TrapezcapitAl : zu Thorsager in Jfltland ; zu Köskild, Bjemede,
.Ringsted und Soröe auf Seeland (und in Schonen weit verbreitet) ; zu Altenkirchen,
Bergen, Eldena und Colbatz, auf Rügen und in Pommern ; zu Altenkrempe, Gettorf,
Lütjenburg, Segeberg, Schlagsdorf, Labeck, Ratzeburg, Yietlübbe, Mölln, Dargun,
Wittenburg und Bachen an der Niederelbe ; zu Prenzlau in der Ukermark ; zu Je-
richow, Sandau, Schönhausen, Diesdorf, Arendsee, Salzwedel, Gardelegen, Gross-
Beuster in der Altmark ; zu Lehnin in der Mark ; zu Oliva bei Banzig.
1} Vergl. oben S. 266. — Die Verputzung wurde nur angewendet an den Ge-
wölbekappen und Bogeiüeibungen (auch wenn leutere nicht aus verhauenen Ziegeln
bestehen), an Nischen- und Blendenfeldern, sowie h&ufig in den Vertiefungen zwi-
schen den Schenkeln des Rundbogenfrieses.
2) Die Yermuthung einer Uebertragung der Backstein- Architektur aus der Lom-
bardei in die norddeutschen lleflande hat v. Quast [D. Kunstbl. JS50. S. 235) aus-
im norddeatschen TiefUnde. 449
Die ältesten, noch aus der Zeit um die Mitte des XII. Jahrh. her-
rührenden Bauwerke sind in der Altmark Brandenburg, wo Hil-
lersleben, Wolmirstädt und Leizkau in der Zauche die Grenze des
Hausteinbaues bilden, zu suchen, während in den übrigen Marken und
auf dem Fläming der Denkmalbau höchstens bis in das letzte Viertel
des genannten Jahrhunderts hinaufreicht. — In Niedersachsen
bildet eine Linie nördlich von Braun«chweig über Hannover, Neustadt
am Rübenberge bis Verden, bestimmt durch den südlich von derselben
gelegenen Gebirgszug, die Grenze des Ziegelbaues; doch sind in dem
rein deutschen Gebiete Niedersachsens^ von den Grenzen der Altmark
bis zu den Niederlanden hin nur wenige Denkmale des romanischen
und Uebergangsstiles im Ziegelbau nachgewiesen. Auch westlich von
der Weser, im Oldenburgischen, finden sich nur wenige Spuren, und
meist gemischt mit Haustein, der in den älteren Monumenten vor-
herrscht und auf der Weser und ihren Nebenflüssen vom Oberlande
her eingeführt wurde. — luden Nord- albingi sehen Herzogthü-
mern scheint bei den ältesten, vielleicht bis ins XI Jahrh. hinaufrei-
chenden Denkmalbauten der rheinländische , zu Schiffe eingeführte
Tuff (s. oben S. 27} zur Anwendung gekommen zu sein; später findet
sich Backstein und Granit, letzterer auch mit Ziegeldetails. Eigen-
thümlich ist bei einigen Dorfkirchen die Anlage eines runden West-
thunues, und selbst das Beispiel eines Doppelthurmes (Broacker) wird
angetroffen. — In Meklenburgist das ganze Land mit stilgemässen,
meist einschifiig rechteckigen und oft zierlich decorirten Backstein-
kirchen des XIII. Jahrh. förmlich übersäet, welche sich namentlich in
gesprochen; seitdem hat Lübke (Mittheil, der k. k. Central-Comm. [1860]. 5, 135]
das Vorkommen des TrapezcapitAls in der bis ins XI. Jahrh. hinaufreicbenden Kirche
S. Ix)renzo in Verona nachgewiesen und gefunden, dass die Art der Verputzung der
Vertiefungen zwischen den sich durchkreuzenden Schenkeln des Bogenfrieses (der
selbst in Kom an dem Ziegelbau des QuerschifFes von St. Johann im Lateran, Abbild,
in den Annales archöol. 15, 56, erscheint) an den lombardiscben Backsteinbauten
gleichfalls vorkommt. Die Erfindung dieser Typen in dem italienischen Locale kann
wohl nicht bezweifelt werden. — Die Uebertragung aus Dänemark (vergl. über den
dortigen Ziegelbau: [Worsaae , J. A.], Kongegravene i Ringsted Kirke. Kjöbenhavn
1958), die schon Kugler (Kunstgesch, 2. Aufl. S. öJMi) für wahrscheinlich gehalten
hat, konnte sehr wohl vermittelt sein durch Erzb. Hartwig von Bremen, aus dem
Grafenhause Stade, einen Mitstifter von Jerichow*. Dagegen hat Adler (die nieder-
ländischen Kolonien in der Mark Brandenburg; Separatabdruck aus: Mark. Forsch.
Bd. VII.), zwar aus guten Gründen die Uebertragung des mftrki.schen Backsteinbaues
aus Holland und vom Niederrhein nachzuweisen versucht, ohne jedoch auch nur e i n
Beispiel vcn dem Vorkommen des specifischen TrapezcapitäU in jenem Locale beige-
bracht zu haben. Die Uebertragung der vollendeten Backs teinfabrica tion als
solcher (s. oben S. 33) durch die niederländischen Colonisten kann dessenungeachtet
als gesichert angenommen werden. — Uebrigens findet sich an den Ziegelhauten (z. B.
in Jüterbog und Dobrilug) auch das gewöhnliche abgerundete Würfelcapitäl, zuweilen
selbst neben dem trapezförmigen.
450 Romanische Kirchen
den kleinen Städten und auf dem Lande (besonders in dem häufig ge-
rade geschlossenen Chorraum mit Lanzettfenstem) noch unverändert
erhalten haben. *) — In Pommern und auf Rügen datiren vielleicht
einige wenige Ueberreste (Granit und Ziegel) noch von dem- Ende des
XII. Jahrh., während im Ordensland Preussen vor dem dritten
Jahrzehnt des XIII. Jahrh. kein Denkmalbau vorkommt. Nicht viel
mehr ist in Schlesien zu finden, wo übrigens in den Gebirgsge-
genden der Steinbau üblich ist, und die Details der Ziegelbauten über-
haupt meist aus Haustein bestehen. — lieber die Holzbauten in Ober-
schlesien etc, s. oben S. 25 f.
Vergl. T. Quast, im D. Kunstbl. 1^50. No. 29 ff.; auch in derZeitschr.
fflr Archäol. n. Kunst ], 271 ff. — Schnaase, Kunstgesch. 5, 393 — 408. —
Kugler, Gesch. der Baukunst 2, 549 — 5G7. — Lflbke, Qesch. der ArchU
tektur S. 400—104.
Alteikircbei auf Rügen. Der mit grosser Apsis yersehene romanische
Altiirraum der Kirche, einer Pfeilerbasilika ohne Querhaus und Thurm,
deren spfttgothisch überwölbtes Schiff im schweren Uebexgangsstil gebaut
ist. (Kugler, Kl. Sehr. 1, 666 f.)
Alt«^lkrenpe bei Neustadt a. d. Ostsee. Die Kirche, eine gewölbte
Pfeilerbasilika mit flachrunder Apsis, ohne Querschiff, mit Westthurm über
dem Ende des Mittelschiffes, im Uebergangsstil. Die abgetreppten Haupt-
pfeiler des Langhauses sind mit Halbsäulen besetzt, die Zwischenpfeiler im
Vierblatt mit Ecksäulchen. Alle drei Schiffe jetzt leider unter einem Dache.
Vergl. Lotz 1, 44.
AH-Kalei bei Gnoien. Einschiffige gerade geschlossene Kirche, zier-
licher gewölbter Ziegelbau im Uebergangsstil. Aeusserlich Lisenen und
Rundbogenfriese. Gothischer Westthurm.
Alt-6aan in Meklenburg. Dreischiffige Gewölbekirche mit quadrat.
CJhor und Westthurm ; Uebergangsstil.
Areiilsee in der Altmark. Die Benedictiner-Nonnenkirche, der älteste
märkische Gewölbebau :. eine rundbogige Pfeilerbasilika mit Chorapsis und
zwei Nebenapsiden an den Kreuzarmen, ohne Thurm; nach v. Quast
nach 1184. Einfach viereckige Arkadenpfeiler; im Mittelschiff kuppel-
artige, in den Seitenschiffen Tonnengewölbe mit Stichkappen. Ueber dem
Ostende des südl. Seitenschiffes eine Nonnenempore. Die Kirche neuerlich
restaurirt. (Adler I, 47—49 und Taf. 26—28.)
Araebwrg bei Stendal. Die Georgenkirche, flach gedeckter Granitbau
in einschiffiger Kreuzform.
!) Lisch (Zeitschr. für Bauwesen. 1^.52. Sp. 313) schätzt die Zahl der in Mek-
lenburg-Schwerin überhaupt vorhandenen Backstein kirchen auf etwa 200 ; leider fehlt
CS gänzlich an Abbildungen und zum Theil auch an widerspruchslosen Beschrei-
bungen. — Vergl. Jahresbericht des Vereins für Meklenb. Gesch. u. Alterthumsk.
Vir, 60 ff. ; VIII, 102 ff. — Lisch, Jahrbücher 10, 30S ff. ; 12, 460 ff. — D. C. W.,
tJebersicht über die kirchl. Denkm. mittelalterl. Kunst in Meklenburg, ebd. in Bd. 29
(1864).
im norddeutsohen Tieflande. 451
Balll in Pommern. Die Kirche, eine rohe Pfeilerbasilika im schweren
Spitzbogen, ohne Querschiff; Granitbau.
lardeBitl bei Treuenbrietzen (dicht neben Pechüle; s. d.). Backstein-
kirche ^ deren ältester rund bogiger Theil das Schiff ist, mit dem in gleicher
Breite vorgelegten (neuerlich geputzten) fast quadratischen Westthurme,
durch welchen der Haupteingang führt. An das Schiff ist Ostlich ein in vier
schmalen Jochen edel gothisch überwölbtes, breiteres, rechteckiges Altar-
haus, nördlich aus- und südlich einspringend, angebaut mit schmalen L4in-
zettfenstem, bei welcher Gelegenheit auch das Schiff in drei Jochen mit
goth. Kreuzgewölben überspannt wurde. Sämmtliche Quer- und Kreuz-
gurte werden von zierlichen polygonischen Consolen getragen. Das Aeu'ssere
de& Schiffes ist ganz schlicht^ das Altarhaus zeigt ein deutsches Band und
am Giebel eine Blendengruppe.
BassHH zwischen Verden und Bremen. Die Benedictiner- Nonnen-
kirche, ein dreischiffiger Gewölbebau im Uebergangsötil mit Chorapsis und
einer Nebenapsis am nördl. Kreuzarm ; am südl. Kreuzarm dafür ein Trep-
penhaus, als Zugang zu dem über der Vierung angeordneten Thurm*. Das
Langhaus mit der Anlage zweier Westthürme passt nicht recht zu der Ost-
partie und hat überdies erst nach einem Brande um 1328 seine jetzige Ge-
stalt erhalten. Ziegelbau mit Hausteindetails. [Hase, Baudenkm. Nieder-
sachsens. Heft 3 Sp. 87—96 und Taf. 20.)
Behleailerf bei Lübeck. Einschiffige rechteckige Kirche, im älteren
Theile von Granit, im Uebrigen von Ziegeln. Oestlich drei kleine Fenster
und ein zierlicher Giebel. An den Langseiten gekuppelte Spitzbogenfenster
in Rundbogenblenden. Vergl. Lotz 1, 65.
Bergzai bei Genthin. Backsteinkirche, ähnlich der zu Melkow (s. d.],
nur etwas grösser.
Bfrgea auf Rogen, Ueberreste der 1193 geweihten Nonnenkirche St.
Maria: Westportal, Nonnenempore, Scheidbögen der Vierung, Mauern des
Querschiffes und Chores , Unterbau der Apsis ; das Uebrige nach einem
Brande von 1445. (Kugler, Kl. Sehr. 1, 664 f.)
Berlin. Die unteren Theile der Thurmfa^ade der Nicolaikirche mit ab-
getreppt spitzbogigem Portal, runden und rundbogig gedeckten Fenstern ;
Granitbau.
Berne unweit Breslau. Der gerade geschlossene Chor der Kirche.
BraidealMirg. ^) Der.Dom,^) in seiner ursprünglichen, im Schiffe
kenntlichen Anlage eine schlichte rundbogige Pfeilerbasilika von der Grund-
form des Kreuzes, nach v. Quast 1165 bis nach 1 179. Von der zu ebener
Erde unter Chor und Vierung gelegenen Krypta gehören nur die Lang-
wände mit ihren Gurtträgem dem ursprünglichen Bau an; die ein halbes
Zehneck bildende Apsis und die zweischiffijje Einrichtung mit der mittleren
0 Heffter , Mor. W., Brandenburg u. seine Alterth. 1S40.
2) Schröder, A., Kurzer Abriss einer Gesch. der Stifte- u. Domkirche zu.
Brandenburg. lS'36 — Derselbe, zur Gesoh. de» Bisthums Brandenburg. Einla-
dungsschrift zur 9' >0 jähr ig^h Jubelfeier. IS49, :- Vergl. Kugler, Kl. Sehr. 1, 448
bis 454.
452 Romanische Kirchen
Säulenreihe^) im Uebergangsstil um 1235, wo der Altar der Krypta ge-
weiht wurde. Ziegelbau, meist mit Hausteindetails und im XIV. Jahrh. in
einen jgoth. Gewölbebau umgewandelt; 1834 restaurirt. (Adler I, 11 — 15
und Taf. 5 — 7.) — Der roman. Westbau der goth. Godehardskirche
mit dem Unterbau zweier Thürme und dem Hauptportal aus grossen Gra-
nitquadem, um 1160. (A. a. O. S. 25 und Taf. 18.) — Der Granitunter-
bau der rechteckigen goth . Petrikapelle auf der Dominsel. — Die N i-
colaikirche vor der Altstadt, eine Aach gedeckte Pfeilerbasilika ohne
Querschiff mit Chorapsis und Nebenapsiden am Ostende der Seitenschiffe.
Die Toman. Ostpartie älter als die im Uebergangsstil ausgeführten übrigen
Theile, als deren jüngster sich die einen grossen abgetreppten Giebel bil-
dende Westfront darstellt, aus welcher sich zwei niedrige dicht aneinander
stehende viereckige Thürmchen entwickeln. Die Fenster im Obergaden des
Langhauses sind theils kreisförmig, theils übereck gestellt viereckig. (A. a. O.
S. 8 — 10 und Taf. 3 f.) — Ueber die ehemal. Marienkirche auf dem Har-
lungerberge s. oben S. 282.
Breslau« ^) Die kleine Aegidienkirche auf dem Dom im Ueber-
gangsstil: der polygone Chor mit rundbogigem Kreuzgewölbe, das Schiff
mit Tonnengewölbe. — An der Südseite der goth. Magdalenenkirche
ein reich geschmücktes spätroman. Hausteinportal von der alten "Vincenz-
kirche. ^)
Breaeker unweit Flensburg. Kreuzkirche im Uebergangsstil, mit Apsis
und breitem Westthurm, der zwischen je vier Giebeln mit zwei neben ein-
ander stehenden Helmen gekrönt ist. (Ansicht im Jahrb. für christl. Unter-
haltung auf das Jahr 1866. [Kaiserswerth] . S. 117.)
Rachel bei Lauenburg. Das Langhaus der Kirche, ein dreischifilger
Hallenbau im Uebergangsstil. Die Pfeiler bestehen abwechselnd aus vier
runden und aus vier achteckigen Halbsäulen, die aus rothen und schwarzen
Ziegelschichten aufgemauert sind und schwarze Trapezcapitfile tragen. Der
ursprünglich einschiffige Chor hat s^JÄtgoth. Seitenschiffe erhalten. Vergl.
Lotz 1, 128.
Borg unweit Magdeburg. Die Untere Pfarrkirche, eine Basilika
mit Chorapsis und zwei Nebenapsiden an den Kreuzarmen; zwei West-
thürme mit schlanken Helmen schliessen das hohe geradlinig endende Zwi-
schenhaus ein. Granitbau. (Bernewitz, in der Allgem. Bauztg. 1845
zu S. 385.) — Die Obere Kirche hat einen ähnlichen Thurmbau. Vergl.
Lotz t, 131.
Cannfa in Pommern. Der Dom, eine kreuzförmige Basilika mit Chor-
apsis, ist mit Ausnahme des wohl noch dem XH. Jahrh. angehörenden
Granitportals im nördlichen Kreuzarme, in seinen älteren Theilen im Spitz-
bogen des XIII. Jahrh. erbaut, die Fenster zu dreien in p3*ramidalen
1) Adler, F., dns Figuren-Kapitell in der Krypta des Domes »u Brandenburg.
(Separat- Abdr. aus: Mark. Forsch. Bd. VII.) 1$6I.' Vergl. v. Minutoli, Denkm.
Taf. 4 u. 10.
2) Die Literatur s. im folgenden Abschnitt unter VII.
3) Fischer, die Prachtthür der Maria Magdalenenkirche. ISI7. Vergl. Luchs,
über einige mittelalterl. Kunstdenkm. von Breslau. 8. 44 — 47 u. Desselben Stil-
proben. Taf. I Fig. 2 f.
im norddeutschen Tieflande. 453
Gruppen ; am Südgiebel des Querschiffea ein reiches Portal im spätroman.
Geschmack (das einzige der Gattung in Pommern) , dessen Säulen aus gla-
sirten Ziegeln mit Stuckomamenten bestehen. Die Sacristei an der Nord-
seite des Chores mit geschmackvoller Säulenthür ist eine Kapelle mit inner-
lich runder, äusserlich dreiseitiger Apsis, im Uebergangsstil . (Kugler,
Kl. Sehr, l, 678—688.) Die Kirche ist seit 1846 restaurirt und mit einem
schlank aufsteigenden Thurmbau versehen worden. Vergl. Zeitschr. für
Bauwesen 1851. Sp. tOl.
. Culbatl in Hinterpommern. Die Cisterzienserkirche, eine verstümmelte
und profanirte ehemalige Pfeilerbasilika mit abseitenartigen Kapellen an
der Qstseite der Kreuzarme. enthält bedeutsame Ueberreste im Ueber-
gangsstil. (Kugler, Kl. Sehr.. 1, 669 — 678, vergl. D. Kunstbl. 1850.
S. 140.)
Cnnesse bei Lübeck. Die Kirche, Hallenbau mit zweischiffigem Lang-
hause, rechteckigem Chor und Westthurm, im Uebergangsstil. Die Pfeiler
bestehen aus acht Halbsäulen ; die schmalen mit Säulchen eingefassten
Fenster in der Schlusswand des Chores zu dreien in pyramidaler Gruppe.
Vergl. Lotz 1, 151.
Cülnsee unweit Thorn. Die kleinen Thürme am Ostende der Seiten-
schiffe des 1251 gegründeten Domes mit Lisenen und Rundbogenfries.
Banbeck bei Salzwedel. Die einschiffige flach gedeckte Nonnenkirche
mit grosser Apsis, im Uebergangsstil ; Westthurm jünger. (Adler I. auf
Taf. 31.)
Banngartei bei Ribnitz in Pommern. Die verbaute einschifHge Kirche
mit quadratischem Chor und mit einem mehrfach geradlinig gebrochenen
Fries unter dem Dache. (Kugler, Kl. Sehr. 1, 695.)
BargHB bei Demmin. Das wüst liegende Schiff der Cisterzienserkirche
im Uebergangsstil 1219 ; 1237 — 1241. Die niedrigen Gewölbe ruhen auf
Bündeldiensten. Vergl. Lotz 1, 159.
Bassaw unweit Lübeck. Das flach gedeckte Schiff der Kirche von Gra-
nit; die grossen Spitzbogenfenster mit Backsteinpfosten. Der viereckige
Chor von Ziegeln, über Eckdiensten mit Laubcapitälen von Thon einge-
wölbt; äusserlich noch mit Rundbogen fri es.
Mesflarf unweit Salzwedel. Die Kirche des Augustiner-Doppelklosters,
eine gewölbte Pfeilerbasilika mit Chorapsis, zwei Nebenapsiden an den
Kreuzarmen und der Anlage zweier Westthürme. Die ältesten Theile, Chor
und Querschiff, (um 1157 — 1161) sind noch ohne Gewölbe ; im nördlichen
Kreuzarme eine Nonnenempore , welche auf Gratgewölben über vier- und
achteckig oder säulenartig gebildeten Pfeilern ruht und im XIV. Jahrh.
durch einen Anbau nach aussen erweitert ist. Das Langhaus ist etwas
jünger : die abgetreppten Arkaden- und Gurtbögen der rippenlosen Ge-
wölbe in Doppeljochen werden von Halbsäulen vorlagen der Pfeiler getragen.
Im nördlichen Seitenschiff eine später eingebaute heilige Grabkapelle. Ein
reiches Portal am südlichen Kreuzarm. Aeusserlich Lisenen, Bogenfriese
und deutsche Bänder. (Adler I, 49 — 52 und Taf. 29.) Die Klostergebäude
im Uebergangsstil sind erst neuerlich grösstentheils zerstört.
Bäbbenea bei Wittenburg. Die Kirche, einschiffig und überwölbt, im
Uebergangsstil.
454 Romaniech« Kirchen
Mienul« Im -südlichen Seitenschiffe und an der Westseite der Kloster-
kirche noch Reste des älteren. 1232 geweihten Baues. Die Heil. Bluts-
kapelle neben dem nördlichen Kreuzanne, achteckig, aus lauter bunten
Wechselziegeln aufgemauert; nach Lisch in kräftigem Uebergangsstil. ^)
^•brilHg bei Luckau in der Niederlausitz. Die Kirche des 1181 ge-
gründeten Cisterzienserklosters^ eine kreuzförmige gewölbte Pfeilerbasilika
mit Chorapsis, im Uebei^angsstil. Das Langhaus in Doppeljochen, wie die
Ostpartie mit Rippengewölben überspannt, die Pfeiler mit Halbsftulen be-
setist. Aeusserlich an der Apsis ebenfalls Halbsäulen ; letztere zumeist mit
kubischen Capitälen. (Puttrich , Denkm. II. Serie Lausitz. Bl. 10 f. —
Derselbe, Systemat. Darstell. Bl. 2 No. 15. — Adler, Backsteinban-
werke. Heft 7 Taf. 62 f.)
Elbing« Im Chor der Marien- (Dominicaner-) Kirche ein Rest des ur-
sprünglichen, gegen 1284 vollendeten Baues im gothisirenden Ueber-
gangsstil.
Eldeaa bei Greifswald. Die älteren Theile der in Trümmern liegenden.
Kirche des um 1203 gestifteten Cisterzienserklosters, einer kreuzförmigen
Basilika im Uebergangsstil. (Kugler, Kl. Sehr. 1 690 f.)
Eldena^ südlich von Schwerin. Die Cisterzienser-Nonnenkirche, ein-
schiffig mit dreiseitigem Schluss, nach einem Brande von 1290 im gothisi-
renden Uebergangsstil ; der Thurm imd das Innere modern , nach einem
Brande von 1835.
Falkfühagei bei Manch eberg in der Mark. Die aus Granit erbaute
Kirche, ^) eine der Seitenschiffe beraubte, flach gedeckte, schlicht spitzbo-
gige Pfeilerbasilika ohne Querhaus, mit einschiffigem rechteckigem, von
der Axenlinie nach Norden abweichendem Chor und einem oblongen West-
thurm mit Backsteinschallöchern, zu dessen Seite noch Reste der ehemal.
Nebenschiffe übrig sind.
fiadebucll unweit Schwerin. Das rundbogig überwölbte^ aus drei
gleich breiten und gleich langen Schiffen bestehende Langhaus der Kirche.
Die sämmtlich verschieden gebildeten Pfeiler sind mit Säulen besetzt, deren
Würfelknäufe mit Menschen- und Thierköpfen versehen sind. Entstellende
Restauration 1842.
Mgelaw bei Stemberg in Meklenburg. Die einschifiige Gewölbekirche
mit quadratischem Chor: Granitbau mit Ziegeldetails im Uebergangsstil.
(ialeabeck bei Friedland in Meklenburg. .Granitkirche im Ueber-
gangsstil.
ISardelegei. Theile des Aeusseren und Inneren der Marienkirche
nebst ein^m Rundbogenportale der Nordseite. Trapezcapitäle. — An der
Nicolaikirche Reste der Westfront mit Rundbogenöffnungen; auch alte
Rundbögen im Innern, 1222. (Adler I. S. 91.)
(iettorf bei Kiel. Einschiffige Kreuzkirche mit geradem Schluss und
1) Lisch, G. C. F., Blätter zur Geftch. der Kirchen zu Doberan u. Althof. (Aus
Bd. 19 der Jahrbücher etc.) S. 62 ff.
2) Kuchenbuch, die Marienkirche zu Müncheberg'u. die Kirchen der nächsten
Umgegend, im IV. Jahresbericht u. Mittheil, des histor.*8 tatist. Vereins zu Frank-
furt a. O. 1S64. S. 53 f. nebst Abbild.
im norddeutschen Tieflande. 455
hohem Westthurm. Trapezcapitäle an den Wandsäulen ; Uebergangsstil.
Vergl. Lotz 1, 239.
tteanMliBiJerf bei Bunzlau. Einschifiige, flach gedeckte, spätroman.
Kirche ans Sandsteinquadem mit schmälerem, ursprünglich annähernd qua-
dratischem, über Ecksäulen gewölbtem Chor, welcher im X\1I. Jahrh. mit
Benutzung der alten polygonischen Apsis verlängert wurde. Letztere ist
über Halbsäulen mit einem vom deutschen Bande begleiteten omamentirten
Rundbogenfries und Kranzgesims geschmückt. Vor der Mitte der West-
seite ein quadratischer, oben kurz achteckiger Thürm aus dem XVI. Jahrh.
mit Spitzhelm. (Drescher, in den Mittheil, der k. k. Central-Comm .
1864. S. 55—69 und Taf. 3.)
i^lelekenderf bei Lübeck. Die flach gedeckte einschiflige Granitkirche
mit Apsis am gleich breiten Chor; ebenso breit ist der niedrige Westthurm ;
roher Uebergangsstil. Vergl. Lotz 1, 242.
Mssaii unweit Lübeck. Einschiflige Kirche im Uebergangsstil^ mit
Holzdecke ; der rechteckige Chor schmäler und niedriger als das Schifi* ;
breiter niedriger Westthurm mit hölzernem Obertheil. Aussen Ecklisenen
und Rundbogenfries. Vergl. Lotz 1, 243.
faejea unweit Rostock. Der viereckige Chor der goth. Kirche mit
Ecklisenen und Rundbogenfries ; in der Schlusswand drei Spitzbogen-
fenster.
€•!■ bei Neu-Brandenburg. Granitkirche im Uebergangsstil mit zwei
Fenstern in der Seh luss wand ; das Langhaus war früher zweischiffig ein-
gewölbt.
firabew in Meklenburg. Die Kirche scheint im Chor und am West-
thurm roman. Spuren zu zeigen.
firaMZOW bei Prenzlau. Die Kirche mit drei pyramidal gruppirten
Fenstern in der Schlusswand. Der zweigiebelige Westthurm ist gothisch.
firMsee unweit Zehdenick. DerWesttheil der Marienkirche im Ueber-
gangsstil.
fireiffeHliagei in Pommern. Die Nicolaikirche , eine später vielfach
veränderte dreischiffige Kreuzkirche mit geradem Chorschluss; gothisch
überwölbter Granitbau im schweren Spitzbogen. Neuerlich restaürirt.
firefiMinUeB bei Wismar. Die Kirche, ein dreischifiiger Hallenbau
mit einschifiigem, gerade geschlossenem Chor und Westthurm, äusserlich
mit Lisenen und Rundbogenfriesen, hat im Chore Rundbogenfenster und
Thüren. Die Träger der Spitzbogengewölbe des Langhauses sind Säulen-
bündel.
firoiliU bei Neustadt a. d. Ostsee. Kleine Granitkirche, im Schiff mit
Holzdecke, im gerade geschlossenen Chor überwölbt. Die Gewände der
spitzbogigen Fenster von Ziegeln. Vergl. Lotz 1, 258.
6r«88-Bewter bei Seehausen. Die Collegiatkirche, eine später gothisch
eingewölbte schwere Pfeüerbasilika ohne Querschifi* mit Apsis an dem qua-
dratischen Chor und einem rechteckigen Westthurm • von der Breite des
MittelschiflTes. Von den Pfeilern der Arkaden sind zwei runde Trapezca-
pitäle. Um 1150.
(intt-laigeUkrf bei Jericho w. Romanische Kirche aus Ziegeln.
456 Eomaniflche Kirchen
fofSS-Wrikew bei Jerichow. Die einschiffige Kirche mit Apsis am ein-
springenden Chor und Westthurm; Ziegelbau.
fiistrtw. Der Kern des goth. Domes, eine einschiffige Kreuekirche im
Uebergangsstil seit 1226 : die Fenster zu dreien in pyramidalen Gruppen.
Am Querschiffgiebel ein gestelzt aufsteigender Rundbogenfries (Essen-
wein, Backsteinbau. Taf. 13 Fig. 5).
MwUthj bei Schleswig. Einschiffige Kirche mit einspringendem, ge-
rade geschlossenem und überwölbtem Chor; Granit mit Ziegelfenstern.
lageiow unweit Schwerin. Der gerade geschlossene Chor der im
Uebrigen gothisch umgebauten Kirche im Uebergangsstil.
laTelberg« Der Sandstein -Unterbau des Domes und andere roman.
Ueberreste rühren von dem 1 170 geweihten Bau her.
leiligeiliafeii am Fehmarsund. Der Chor der Kirche im Uebergangs-
stil, mit drei Spitzbogenfenstern in der geraden Schlusswand und äusserlich
mit Lisenen und Rundbogenfriesen. Vergl. Lotz 1, 285.
leiligeBstedtei bei Itzehoe. Niedrige Granitkirche mit grossen Spitz-
bogenfenstern, die paarweise in einem Blendbogen stehen, dessen Feld von
einer RundOffnung durchbrochen ist. Vergl. Lotz 1, 287.
liMHelpfert bei Fürstenberg in Strelitz. Das der Seitenschiffe beraubte
Langhaus der Kirche des 1299 gegründeten Cisterzienserklosters mit goth.
Chor. (Mark. Forsch. 6, 1.)
■oheagdlireB bei Stendal. Dorfkirche aus Ziegeln.
Ilde im Oldenburg. Kr. Delmenhorst. Ruine der Cisterzienserkirche,')
einer stattlichen, gerade geschlossenen, gewölbten, spitzbogigen Pfeilerba-
silika in Kreuzform von schönen Verhältnissen , in gothisirendem Ueber-
gangsstil, um 1236. Die viereckigen Pfeiler mit Ecksäulen ; an den Scheid-
mauern unterhalb des aus rothen und gelben Wechselziegeln bestehenden
Arkadensimses eine fein gegliederte Blendenreihe. In den Schilden der auf
sculpirten Backsteinconsolen ruhenden Mittelschiffgewölbe je ein Fenster
zwischen zwei Blenden.
Jerichow bei Tangermünde. Die Prämonstratenserkirche, eine
kreuzförmige, flach gedeckte Säulenbasilika mit je einem Pfeiler in Westen :
die Säulen mit Trapezcapitälen (oben S. 447 Fig. 188), deren Deckplatten
aus Haustein bestehen. Unter dem mit einer Apsis versehenen Chore zu
ebener Erde eine zweischiffige Säulenkrypta aus Sandstein (oben 8. 41
Fig. 13); neben demselben zwei in der Tonne gewölbte, mit Apsiden
schliessende Seitenkapellen; diese Ostpartie und die beiden Thflrme in
Westen (oben S. 444 Fig. 186) etwas später als der übrige zwischen 1147
und 1152 angefangene Bau. Das Aeussere überall mit Lisenen, Bogen-
friesen und deutschen Bändern (oben S. 447 Fig. 187). Die ganze Kirche
ein durch vollendete Sauberkeit der Technik und klare Durchbildung des
Aeusseren ausgezeichneter Schöpfungsbau; restaurirt 1856. (Strack und
Meyerheim, Denkm. No. 20. — v. Minutoli, Denkm. Lieif. 2. —
V. Quast, im D. Kunstbl. 1850. No. 30 S. 233 ff. — Essenwein,
1) Mühle, das Kloster Hude. Mit Grundriss. 1S26. — Müller, Herrn. Alex.,
die Kirche in Herne u. das Kloster Ilude, im D. Kunsthl. 1854. S. 257 f. — All-
mers, H., die Ruinen der Cistersienserabtei Hude, ebd. 1856. S. 19.
im norddeutschen lieflande. 457
Backsteinbau. Taf. 1 Fig. 3. — Adler, Backsteinbauwerke I, 36--43
und Taf. 21—23. — Förster, Denkm. 10, 1 flf. und 3 Taf.) -— Der
Kreuzgang mit den Klostergebäuden, zum Theil mit schönen Sandstein-
details, noch aus dem XII. Jahrh., aber später erweitert und verschönert. —
Die einschiffige Stadtkirche mit gerade geschlossenem Chor, ziemlich
aus derselben Zeit wie die Klosterkirche.
lUew bei Dahme. Dorfkirche mit Doppelthurm.
Jaterbog« Die Frauenkirche auf dem Damm, nach ursprünglicher An-
lage eine flach gedeckte, rundbogige Pfeilerbasilika von sauberer Technik,
geweiht zwischen 1172 und 1 179 ; das ehemals mit Nebenapsiden versehene
Querschiff, ungeachtet seiner sehr alterthümlichen Kundbogenportale, jün-
ger, vermuthlich um 1227; die beiden westlichsten Spitzbogenstellungen
des der Seitenschiffe beraubten Langhauses und die westliche Granitgiebel-
wand mit Ziegel - Rundfenster wahrscheinlich von 1282. Der polygone
Chorschlussistspätgothisch. [Pütt rieh, Denkm. II. Serie Jüterbog. Bl. 5.)
iaiberwisch bei Osterburg. Einschiffige Kirche von 1164 aus Granit
und Ziegeln, mit Westthurm von gleicher Breite und einspringendem qua-
dratischem Chor; letzterer ist überwölbt. (Adler I, 47.)
Keitsn auf Sylt. Die einschiffige , flach gedeckte Severinskirche im
Uebergangsstil. Der Unterbau aus Granit, der Chor mit Apsis aus Tuff.
Hoher Westthurm mit Satteldach. Vergl. Lotz 1, 319.
lUrch-iaggeidorf bei Triebsees. Die Kirche im Uebergangsstil, be-
merkenswerth durch kuppelartige Wölbungen mit untergelegten Gurten, im
Chor in zierlicher Behandlung, sowie durch Gruppirung und Gliederung an
Portal und Fenstern und klare Bildung der Details.
Klidei bei Arendsee. Granitkirche mit einzelnen Backsteinzierrathen.
Der Thurm im Uebergangsstil, dem zu Kalberwisch ähnlich.
Klein - Weselberg bei Lübeck. Einschiffige, flach gedeckte Kirche im
Uebergangsstil , mit einspringendem , ursprünglich gewölbtem , gerade
schliessendem Chor. An der Südseite des letzteren eine Vorhalle mit abge-
trepptem Giebel. Vei^l. Lotz 1, 324.
Uieti bei Sandau in der Altmark. Romanische Ziegelkirche.
Klitl bei Grevismühlen. Verstümmelte, gothisch veränderte Hallen-
kirche im Uebergangsstil. Am Schiff gekuppelte, am einschiffigen, gerade
schliessenden Chor zu dreien pyramidal gruppirte Fenster und Blenden.
Aussen Lisenen und Rundbogenfriese.
ielzftW bei Marlow in Meklenburg. Einschiffige Granitkirche im'
Uebergangsstil mit einigen Ziegeldetails ; der schmälere quadratische, roh
eingewölbte Chor mit drei Fenstern in der Schlusswand.
idiigsiiark bei Werben. Die Kirche, ursprünglich eine Pfeilerbasilika
ohne Querschiff mit Apsis am einschifllgen Chor, 1164. Granitbau mit
Backsteindecoration .
iöpenifk bei Berlin. Kirche mit Spitzarkaden im Uebergangsstil.
irtka«. Die unter dem Schiffe belegene Krypta des Domes, deren
Würfelknaufsäulen auf Cy linderplatten ruhen.
irewete bei Osterburg in der Altmark. Die Kirche des 1 157 gegrün-
deten Benedictiner-Nonnenklosters, eine später gothisch überwölbte Basi-
lika ohne Thurm und Querschiff, mit Apsis am rechteckigen Chor und mit
458 Romanisclie Kirchen
bereits ursprünglich gewölbten, zum Theil spfitgothisch erneuerten Seiten-
schiffen. Die Arkadenträger sind mit einigen runden gemischte viereckige
Pfeiler. Granitbau mit 'Ziegeldetails. (Adler I, 45 und Taf. 25.)
Kropellft unweit Rostock. Der rechteckige einspringende Chor der
einschiffigen goth. Kirche, im unteren Theile aus Qranit, im Uebergangs-
Stil, dessen zwei durch einen Gurtbogen geschiedene Gewdlbejoche abge-
treppte Rippen haben, die von zierlichen Wandsäulen getragen werden.
Aeusserlich Ecklisenen, Rundbogen- und Zinnenfriese.
Knischwiti am Goplo-See. Der Dom, ^ine kreuzförmige, rundbogige
Basilika aus Sandstein, neuerlichst mit modernen Zusätzen in Ziegelbau.
Krüppel tin bei Flau in Meklenburg. Das flach gedeckte Schiff der
Kirche aus Granit im Uebergangsstil ; der sehr hohe, gewölbte, polygonisch
schliessende Chor ist frühgothischer Ziegelbau.
Lage unweit Rostock. Der gerade schliessende einschiffige Chor der
dreischifiigen goth. Kirche im Uebergangsstil ; die Gewölberippen ruhen
auf Bündeldiensten mit schönen Blattwerk capitälen. Die Fenster stehen zu
zwei oder drei gruppirt in Blenden.
Lattai in Pommern. Der gerade geschlossene., gothisch überwölbte
Chor der Kirche, an der Ostwand mit Fenstern und Blenden in Gruppen,
im Uebergangsstil. (K u g 1 e r , Kl. Sehr. 1 , 69 1 . )
Leeiea bei Segeberg. Schlichte, flach gedeckte Granitkirche mit ein-
springendem gerade schllessendem Chor.
Lehiihi bei Brandenburg. Die Kirche des 1180 gegr. Cisterzienser-
klosters, ein Gewölbebau, wesentlich aus zwei verschiedenen Bauzeiten:
die später überhöhte Ostpartie (der Chor, dessen Apsis in zwei Reihen zehn
Fenster zeigt, das Querschiff und die der Ostseite der Kreuz vorlagen anlie-
genden abseitenartigen Kapellen) und das jüngere dreischiffige Langhaus
(vermuthlich von 1272), dessen Arkadenpfeiler abwechselnd mit Vorlagen
als Qurtträger versehen sind; über je zwei Arkadenbögen wölbt sich ein
höherer Blendbogen. Besonders ausgezeichnet ist die Westfront mit zwei
Eckthürmchen auf den Flanken, zwei Reihen von je drei grossen Fenstern
über einer Reihe von Wandarkaden und einer aus Sechspässen componirten
grossen Blendrose im Giebelfelde. Die stilgcmässe Herstellung der zum
Theil in Trümmern liegenden schönen Kirche steht in Aussicht, (fissen-
wein. Backsteinbau. Taf. 1 Fig. 1. — Adler, Backsteinbauwerke. Heft 6
Taf. 58—60.)
Lewetiew unweit Güstrow. Die 1304 erbaute Kirche (jetzt Kapelle)
zeigt noch den Rundbogen.
liehteBberg bei Neu-Ruppin. Granitkirche mit aufgemaltem Bogen-
fries unter dem Dachgesimse.
liehtenhagen bei Doberan. Der aus Granit erbaute Chor und der Thurm
der goth. Backsteinkirche im Uebergangsstil.
IhdeBa« bei Dobrilug. Die Kirche, eine kleine, mit sehr schmalen
Abseiten versehene, überwölbte, rundbogige Pfeilerbasilika mit einschiffigem
rechteckigem Chor und Apsis. Der Westthurm von der Breite des Mittel-
schiffes ist gothisch, innerlich mit der Kirche verbunden. (Adler, Heft 7
Taf. 64.)
im norddeutschen Tieflande. 459
Lfai4#W bei Neu-Ruppin. Ruine des Prämonstratenser-Nonnenklosters,
Qranitbau im älteren Spitzbogen, ähnlich Zehdenick, jedoch kleiner.
lebllf unweit Magdeburg. Die Todtenkirche, Ueberrest einer Basilika
aus Granit, mit Pfeilern und Säulen, die aus GranitblOcken zusammenge-
fügt sind. (Wiggert, in den N. Mittheil, des Tharing. -Sachs. Vereins
III. 4. Taf. 2. No. 5.)
Loiti bei Demmin. Die Kirche, eine Basilika, welche aus einem bar-
barischen Gemisch aller möglichen Bauformen besteht, enthält auch roman.
Bestandtheile.
UbcUB bei Triebsees. Die einschiffige Granitkirche mit Apsis an dem
gewölbten Chor und einem etwas jüngeren, oben achteckigen Westthurm ;
Uebergangsstil.
Liibeck« ^j Der Dom, nach seiner ursprünglichen Anlage von 1173
(kenntlich im Hauptschiffe, dem Kreuzbau und den beiden Thürmen in
Westen) , eine einfache Pfeilerbasilika mit Gewölben ohne Diagonalrippen ;
die Vorhalle auf der Nordseite mit dem innerhalb derselben befindlichen
Portal (aus Sandstein mit Basaltsäulen) im reichen Uebei^angsstil aus der
Zeit um 1266 — 1276. Die Seitenschiffe gothisch , ebenso der Chor von
1 335 mit Rundpfeilern. (Schlösser und Tischbein, Denkm. altdeut.
Baukunst in Lübeck. Bl. 8—11 und 17 f. — Milde , Lübecker A-B-C.)
Theile des Kreuzganges im Uebergangsstil. — Der Thurm der Petri-
kirche theilweise und ein Hausteinportal an der Südseite der Spital-
kirche (Milde, A-B-C) im Uebergangsstil.
Ubow bei Wismar. Einschiffige, flach gedeckte Backsteinkirche mit
einspringendem, überwölbtem und mit Apsis versehenem Chor; der West-
thurm im Uebergangsstil.
Liderf bei Röbel. Die Kirche, ein achteckiger Central bau mit östlicher
Apsis, halb achteckigen Anbauten nördlich und südlich und viereckigem
Westthurm. Die goth. Ueberwölbung ist von 1346.
iMgai bei Dobrilug. Einschiffige, flach gedeckte Dortkirche mit schmä-
lerem, gerade schliessendem Chor, Granitbau mit Ziegeldetails im Ueber-
gangsstil. Höchst merkwürdig ist der breite westliche Thurm bau : über
einem aus zwei Absätzen bestehenden Granitunterbau mit Spitzbogenthür
und Ziegelrundfenster erhebt sich ein schmuckvolles Geschoss aus Backstein
(mit Ecksäulen , paarweise gestellten, theils rundbogig, theils apitzbogig
oder giebelartig gedeckten Fenstern und Blenden, deutschen Bändern und
einem völlig rheinländischen Felder fries), woraus sich zwei dicht an-
einander gerückte , an den Aussenseiten in je drei Giebeln schliessende
Thürme entwickeln, deren Rautendächer den lebhaft an rheinische
Vorbilder erinnernden Eindruck verstärken. (Adler, Backsteinbauwerke.
Heft 7 Taf. 61 und 64.)
LntJnbHrg westlich von Kiel. Einschiffige, überwölbte Kirche im
Uebergangsstil, mit schmälerem, gerade geschlossenem Chor und schmälerem
Westthurm. Die Gewölbe ruhen im Schiff auf Wandpieilern mit starken
Trapezknaufsäulen. Vergl. Lotzl,411.
1) Die Literatur s. im folgenden Abschnitt unter \II.
460 BomaniBclie Kirchen
laleite bei Eutin. Einschiffige, flach gedeckte Granitkirche im Ueber-
gangsstil, mit einspringendem gewölbtem Chor und einem isolirt stehenden
Holzthurm. A. a. O. S. 421.
larieihafe bei Norden. Die erst in neuer Zeit zerstörte Kirche *) war
eine gewölbte Basilika im Uebergangsstil mit flachrunden Apsiden am Chor
und an den Kreuzvorlagen , in deren Langhause gegliederte Pfeiler mit
dicken Säulen als Zwischenstfltzen wechselten. Das Aeussere zeigte Sand-
steinfriese mit zahllosen Scenen aus der Thierfabel. Es steht nur noch der
dachlose Untertheil des Thurmes mit Lisenen und Bogenfriesen.
larlew unweit Rostock. Die Kirche von 1244, eine (1841 restaurirte)
der Seitenschiffe beraubte, kleine, gewölbte, rundbogige Pfeilerbasilika
ohne Querschifi* mit quadratischem Chor. Die Spitzbogenfenster paarweise
oder zu dreien unter den Schildbögen. Ausse9 Ecklisenen und Bogenfriese.
larrin bei Cörlin. Der Thurm der modernen Kirche im Uebergangs-
stil mit Blendenreihen und Satteldach. (Abbild, in der Zeitschr. für Bau-
wesen. 1851. Sp. 103.)
leldorf zwischen Norderau und Süderau in Dithmarschen . Sehr an-
sehnliche Gewölbekirche im Uebergangsstil mit gothischem Thurm. Die
Gewölbeträger sind Halbsäulen mit i^vierechigen^ii Capitälen. Vergl. Lotz
1,438.
lelkow bei Jerichow. Einschiffige kleine Backsteinkirche mit Apsis an
dem überwölbten schmäleren Chor und mit breitem, auf den Schiffmauem
ruhendem Westthurm. (Adler I, 43 und Bl. 24 Fig. 5 f.)
lestlll bei Goldberg in Meklenburg. Der Chor der Kirche aus Granit
im Uebergangsstil ; das Uebrige gothisch und aus Ziegeln.
lockeri unweit Magdeburg. Die Kirche, eine alte Basilika, deren
Schiffe unter ein Dach gebracht sind.
■dlla bei Ratzeburg. Die Nicolaikirche, eine gewölbte Basilika ohne
Querschiff und mit Apsis am kleinen Chor und rechteckigem Thurm am
Nordwestende, in allen Details in sehr enger Verbindung mit dem Ratze-
burger Dom , doch mit fast durchgängiger Anwendung des Spitzbogens
und mit in gothischer Zeit umgebautem südlichem Seitenschiff. Vergl.
Lotz 1, 447.
Nei-Blkew bei Wismar. Die Nicolaikirche, Ziegelbau mit Granit-
sockel, im Langhause mit drei Schiffen von gleicher Höhe und mit ein-
schiffigem, gerade geschlossenem Clior im Uebergangsstil. Die Schiffpfeiler
sind kreuzförmig, mit starken Halbsäulen in den Ecken. Die Gewölbe und
die Schifffenster sind jünger. Am Chorgiebel der ährenförmige Mauerver-
band in bunten Wechselziegeln. Der Thurm aus spätgoth. Zeit.
Neibirg bei Wismar. Die Kirche, eine der Seitenschiffe beraubte Pfei-
lerbasilika ohne Querhaus und mit gerade geschlossenem, gewölbtem Chor
im Uebergangsstil. Die kreuzförmigen Arkadenpfeiler mit Ecksäulchen,
deren Schafte sich als Wulste an den Bögen fortsetzen. Der Thurm ist
jünger.
Neieikircliei bei Schwan in Meklenburg. Einschiffige gewölbte Granit-
I) Die alte Kirche zu Marienhafe in Ostfriesland. Mit 17 Taf. Herausgegeb. von
der GeselUch. für bild. Kunst etc. in Emden. 1845.
im norddeutschen Tieflande. 461
kircbe mit Ziegeldetail; der quadratische Chor ist äusserlich über den
breiten Fugen des Granitmauerwerks mit rotben Strichen quadrirt (vergl.
oben S. 32 f.) und unter dem Dache mit einem roth gemalten Omament-
streifen verziert.
Nenklrchei bei Heiligenhafen. Der quadratische Chor der Kirche von
1248 im Uebergangsstil , ähnlich dem in Heiligenhafen. Vergl. Lotz
1, 467.
Nenklrchei bei Eutin. Die 1238 gegründete noch rundbogige, ein-
schiffige, flach gedeckte Antoniuskirche aus Granit, mit schmälerem, später
verlängertem Chor und mit einem Rundthurm vor der Westseite. Vergl.
a. a. O. S. 468.
NenUester bei Wismar. Die Kirche des 1219 gegründeten Cisterzienser-
Nonnenklosters in einschififiger Kreuzform im Uebergangsstil ; der gewölbte
Chor erscheint jünger. Der Glockenthurm steht isolirt.
NeM-RHpph. An der streng goth. Dominicanerkirche Reste der Chor-
wände mit sich kreuzendem Rundbogehfries ; 1246.
tderberg i. d. Mark. Kirche im Uebergangsstil.
Mira bei Danzig. Die Cisterzienserkirche, ^) das älteste Gebäude in
Preussen, gegründet wahrscheinlich erst nach 1253, in ihrer ursprünglichen
Anlage eine kreuzförmige Pfeilerbasilika mit stumpfen Spitzbögen ; Pfeiler
und Bögen vielfach abgetreppt, mit Ausnahme der den innersten Bogen tra-
genden Stützen, welche aus etwas gestauchten Halbsäulen bestehen.
fsterbwg i. d. Altmark. Der Kern der goth. Nicolaikirche, einer
ursprünglichen kreuzförmigen Basilika aus Granit mit rechteckigem West-
thurm, dessen Mauern 8*4' dick sind. (Adler I, 79—81 und Bl. 46.) —
Die Martinskirche vor der Stadt, einschiffig und flach gedeckt, mit
Apsis am einspringenden gewölbten Chor und mit frühgoth. Westfront.
Mit Ziegeln geblendeter Granitbau.
•strawitsdl bei Kowallen. Kleine Granitkirche, östlich mit Rundbogen-
fenstem und Blenden am Giebel ; der Westthurm mit Zinnen.
f archin in Meklenburg. Der Kern der Altstädterkirche, einer
ursprünglichen Basilika im Uebergangsstil. Ebenso erscheint die Neu-
städterkirche als älterer Bau aus der Uebergangsperiode mit goth . Ver-
änderungen.
farkeatta bei Doberan. Der rechteckige, gewölbte Chor der goth.
Hallenkirche, aus Granit im Uebergangsstil.
fasewalk. Die Nicolaikirche, ein einschiffiger Granitbau in der Grund-
form des gleichschenkeligen Kreuzes ohne Apsis ; die Vierung durch vier
schwere Spitzbögen geschieden. Verändert im XVI. Jahrhundert.
Pecbftle bei Treuenbrietzen. Schmucklose Backsteinkirche mit ein-
springendem gewölbtem Chor und Apsis ; der rechteckige Westthurm aus
Granit mit Ziegelaufsatz stand ursprünglich mit dem Schiffe in Verbindung,
welches in goth. Zeit über zwei kreuzförmigen Mittelpfeilem zweischiffig
eingewölbt worden ist.
1) Hirsch, Th. , das Kloster OHva. Ein Beitrag zur Gesch. der westpreuss.
Kunstbauten. 1S.M». Mit I Taf. 1S50.
Otte, Kanft-Areh&oloyle. 30
462 Romanische Kirchen
flu in Meklenburg. Das Langhaus der Kirche ist ein Hallen bau aus
Ziegeln mit schmalen Seitenschiffen, verschieden gebildeten Pfeilern und
spitzbogigen Rippengewölben. Die Fenster stehen zu dreien in pyramidalen
Gruppen. Der rechteckige Chor und der Unterbau des Westthurmes sind
aus Granit, beide mit wohl gegliederten Thüren.
Pekrest bei Gadebusch. Einschiffige Backsteinkircbe mit polygonischer
Apsis an dem schmäleren Chor; überall restaurirt.
Prenzlai. Franciscaner- (Johannis-) Kirche: ein einfaches Recht-
eck aus Granitmauerwerk mit Ziegelfenstem ; goth. Gewölbe über Wand-
säulen mit Trapezcapitälen. — Das Aeussere der nicht gewölbten Jacobi-
kirche mit einspringendem Chor und breitem Westthurm entspricht der
Johanniskirche völlig; nach v. Quast um 1270.
Prodel bei Leitzkau. Einschiffige Granitkirche mit Apsis am einsprin-
genden Chor.
pTMsderf bei Segeberg. Einschiffige Granitkirche mit schmälerem,
gerade geschlossenem, später verlängertem Chor und einem runden West-
thurm. Unter der Kirche eine Gruft, deren Gewölbe auf einer Mittelsäule
ruhen. Vergl. Lotz 1, 505.
PrMekfl bei Wismar. Einschiffige, spitzbogig gewölbte Backstein-
kirche mit gerade geschlossenem Chor und kräftigem Westthurm.
Ratekai bei Plön. Einschiffige Granitkirche mit Apsis am schmälerem
Chor und einem westlichen Rundthurm.
Ratiebirg« Der Dom, eine rundbogige Pfeilerbasilika in der Grund-
form des Kreuzes mit Chorapsis und zwei Nebenchören, ein ausgebildeter
Gewölbebau mit altspitzbogigen Kreuzgewölben ohne Rippen ; nach Lisch
(Jahrbücher XI, 420) gegründet 1154; nach v. Quast (Deut. Kunstbl.
1850. S. 242] eine mit den für den Ziegelbau nothwendigen Abänderungen
versehene, fast wörtliche Copie des Braun Schweiger Domes, also frühestens
aus dem Anfang des XIII. Jahrh. — Die südliche Vorhalle etwas jünger
als das übrige mit gothischen Veränderungen und Zusätzen versehene Ge-
bäude. Im Kreuzgange roman. Reste. — Die Georgskirche, einschiffiger
Backsteinbau mit quadratischem Chor ; der Westthurm aus gelben Ziegeln
mit rothen Ecken.
Reckliitf bei Güstrow. Granitkirche mit Ziegeldetails. Das Langhaus,
dessen Gewölbe auf einem Mittelpfeiler ruhen, ist zweischiffig ; der Chor
ist gerade geschlossen'.
Redekia bei Jerichow. Einschiffige, flach gedeckte Backsteinkirche mit
Apsis an dem einspringenden Chor und Westthurm, der oben mit sechszehn
Fenstern versehen ist, die zu zweien in Rundbogenblenden stehen. (Adler
I, 43 und Bl. 24.)
Rehia bei Gadebusch. Der Kern des einschiffigen Langhauses und
Westthurmes der gothisch und modern veränderten Kirche des 1236 gegr.
Benedictiner-Nonnenklost^rs im Uebergangsstil.
Reiafeld bei Lübeck. Einschiffige , flach gedeckte Backsteinkircbe
mit dreiseitigem Chorschluss und kleinen Spitz bogen fenstcm. Vergl. Lotz
1, 515.
ReiashigeB bei Güstrow. Die Kirche, ein gothisirender dreischiffiger
im norddeutschen Tieflande. 463
GewOlbebau aus Ziegeln über einem Sockel ans Granitquadern ; der Chor
mit Kundbogeufries ist gerade geschlossen.
Ribniti unweit Rostock. Der westliche Theil der einschiffigen Stadt-
kirche im Uebergangsstil.
Kfalidt unweit Salzwedel. Einschiffige, in der Tonne überwölbte Gra-
nitkirche mit Apsis am einspringenden Chor.
Röbel in Meklenburg. Der rechteckige, überwölbte Chor der Marien-
kirche (Zeitschr. f. Bauwesen. 1852. Bl. 65 f.) und die Nicolaikirche,
ein dreischiffiger Hallenbau mit rechteckigem Chor, sind völlig gothisirend,
zeigen aber äusserlich Lisenen und Rundbogenfriese.
Salzwedel. Der Westthurm der Katharinenkirche und die anlie-
genden Theile des Langhauses als Reste einer 1246 begonnenen ursprüng-
lichen (später gothisch umgebauten) überwölbten Pfeilerbasilika im Ueber-
gangsstil. (Adler I, 35 und S7 nebst Bl. 48 — 50.) — Die (restaurirtenj
Ueberreste der Lorenzkirche, einer nur kleinen gewölbten Pfeilerbasi-
lika ohne Querschiff mit gerade geschlossenem (etwas jüngerem) Chor und
oblongem Westthurm, zeigen den Uebergangsstil in höchster Vollendung
bei origineller Erfindung. (Ebd. S. 84 f. und Bl. 30.) — Der Körper
der im XV. Jahrh. fünfschiffig umgebauten Marienkirche, einer ur-
sprünglich gewölbten, kreuzförmigen Pfeilerbasilika im Uebergangsstil
mit einem achteckigen Westthurm, der über einem älteren runden Granit-
unterbau (jetzt innerhalb der verlängerten Kirche) aufsteigt. (Ebd. S. 85 f.
und Bl. 49 f.)
St. Jehaines auf Föhr. Die Kirche, ein kreuzförmiger Gewölbebau mit
einem c. lOO' hohen Thurm ^ dessen Mauer unten gegen lO' dick ist.
Vergl. Lotz 1, 535.
Saadaii bei Havelberg. Die Pfarrkirche, eine Pfeilerbasilika mit Chor-
apsis und oblongem Westthurm, Ziegelbau von ausgezeichneter Technik,
aber verunstaltet und unter ein Dach gebracht.
Saaitl bei Marlow in Meklenburg. Einschiffige, gewölbte Granitkirche
mit Ziegeldetails ; der schmälere Chor ist gerade geschlossen , der West-
thurm oben achteckig; Uebergangsstil.
Sat#W bei Plan. Einschiffige, gewölbte Granitkirche mit Ziegeldetails,
im Uebergangsstil.
Sehaprede auf Rügen. Der Chor der Kirche romanisch, das Schiff
gothisch .
SeUagsderf bei Ratzeburg. Die Kirche mit zweischiffigem Langhaus,
dessen Gewölbe von drei Stützen getragen werden, die theils aus vier
runden, theils aus viet achteckigen Säulen mit Trapezknäufen zusammen-
gesetzt sind. Der einschiffige Chor ist gothisch.
Scllbuiiendftrf bei Segeberg. Die Kirche, ein runder Centralbau aus
Granit^ dessen rundbogige Kreuzgewölbe zwischen breiten Gurten einge-
spannt sind, die auf vier ins Quadrat gestellten dicken Rundpfeilem und
auf achteckigen Wandpfeilern ruhen. Oestlich ist an der Stelle der
Apsis ein flach gedecktes Langschiff aus Ziegeln angebaut. (Milde,
im Jahrbuch für die Landeskunde von Schleswig etc. 2, 375 mit Abbild.)
30*
464 Homanische Kirchen
Schleswig. Der Dom in Kreuzform von Ziegel und Qranit aus dem
XII. bis XV . Jahrh . — Die Michaeliskirche, ^) ursprünglich ein wohl
um 1100 entstandener runder Centralbau aus Tuff ohne alle Gewölbe,
dessen (nur auf der Nordseite erhaltener) eine Empore tragender zwei-
stöckiger Umgang sich in doppelten Pfeilerarkaden gegen den noch höher
aufsteigenden und mit Oberlichtem versehenen Mittelraum (von 38' D.)
öffnete. Auf der Südseite ist der Umgang c. um 1200 in ein oblonges
Seitenschiff (Tuff und Granit) verwandelt und östlich eine (später wiederum
veränderte) kleine hufeisenförmige Apsis angebaut worden, und um 1400
ein rechteckiger, langschiffartiger, gothischer Westbau aus Ziegeln. Das
Ganze (oben meist in Ziegelbau übergehend) mit (geputzten) Zusätzen und
Veränderungen anscheinend aus der Zeit um 1600.
ScUöa bei Waren in Meklenburg. Das einschiffige Langhaus der
Kirche, dessen Wölbung von einem (späteren) Mittelpfeiler gestützt ist, im
Uebergangsstil ; der gleich breite rechteckige Chor ist gothisch.
Schvitsdoif bei Tangermünde. Romanische Backsteinkirche.
Schönberg bei Werben. Romanische Granitkirche mit einzelnen Ziegel-
verzierungen ; der oblonge Westthurm im Uebergangsstil.
Schotthavsen bei Tangermünde. Die 1212 geweihte Kirche, eine flach
gedeckte Pfeilerbasilika ohne Querschiff, mit Apsis an dem in der Tonne
überwölbten Chor und einem westlichen Thurmbau^ der das Langhaus an
Breite übertrifft und mit den gen Nord und Süd fallenden Giebeln den Ein-
druck eines Querhauses macht. Die Arkadenträger des Langhauses sind
verschieden : achteckig, kreuzförmig und rund (mit Trapezcapitälen) , die
Bögen ausgezackt. Das Aeussere sehr verwandt mit dem benachbarten Je-
richow. (Adler I, 44 und Bl. 24.)
ScborreDtitt bei Dargun. Der gerade geschlossene Chor der Kirche im
Uebergangsstil ; das einschiflige Langhaus gothisch von 1390.
Schwerin. Der Dom , dessen gothisch veränderter Westthurm noch
von dem 1222 — 1248 errichteten Bau herstammt, ist im Uebrigen gothisch.
Seehavsen i. d. Altmark. Die zuerst 1192 erwähnte Pfarrkirche zeigt
in den Untermauern des Querhauses noch die Reste eines roman. Granit-
baues; die Westthürme und das zwischen denselben angeordnete rund-
bogige Prachtportal mit Sandsteinsäulen im Uebergangsstil; das Uebrige
spätgothisch. (Adler I, 82 f. und Bl. 47.)
Segeberg in Holstein. Die Stadtkirche, eine (jetzt von einem Dache
bedeckte) gewölbte Basilika, deren Quergurte auf den Vorlagen breiter vier-
eckiger Pfeiler mit engagirten Ecksäulchen ruhen, die mit 5' dicken Trapez-
knaufsäulen als Zwischenstützen wechseln ; der kleine quadratische Chor
schliesst gerade ; über dem westlichsten Joch des Langhauses erhebt sich
ein viereckiger Thurm. Aeusserlich am Schiff Lisenen und Bogenfriese.
Vergl. Lotz 1, 553.
Seview bei Marlow in Meklenburg. Einschiffige Granitkirche mit
Ziegeldetails, westlichem Thurm und überwölbtem quadratischem Chor.
Serrabn unweit Güstrow. Die rechteckige Kirche mit westl. Thurm,
ein zierlicher überwölbter Ziegelbau im Uebergangsstil.
1) Nach einer gefälligen Mittheilung des Herrn v. Quast.
im norddeutschen TiefUnde. 465
Sonp in Angeln beim See gl. Namens. Einschifiige Kirche aus Granit-
quadern mit Apsis, Säulenportal an der Nordseite und Westthurra. Vergl.
Lotz 1. 563.
Stenilal* Die beiden Westthürme des Domes zu den Seiten des wage-
recht scbliessenden Zwischenbaues im Uebergangsstil ; restaurirt. ^) Die
älteren Theile des Kreuzganges mit Hausteindetails.
Stück bei Schwerin. Der gerade schliessende überwölbte Chor der 1857
neu erbauten Kirche im Uebergangsstil.
Svlejow bei Piotrkow in Gr. Polen. Die stattlich spätroman. Cister-
zienserkirche, Hausteinbau. Im Innern Säulen mit platt wulstigen Eck-
blattbasen und reichen Blattwerkcapitälen ; ein mit einem Giebel (Iber-
setztes rundbogiges Säulenportal.
Sissei bei Eutin. EinschifEige Granitkirche mit Apsis am einsprin-
genden gewölbten Chor, welcher südlich mit einer zierlich decorirten Rund-
bogenthür versehen ist. Westthurm axis Ziegeln. Vergl. Lotz 1, 579.
Tangemiittil«« Die Nicolaikirche, modemisirter , einschifHger,
flach gedeckter Granitbau mit quadratischem Chor und spätgoth. West-
thurm aus Ziegeln. — An der Nordseite der Stephanskirche ein alter
Mauerrest mit Kiindbogenfenstern und Lisenen ; nach v. Quast vor 1192.
Teterow unweit Güstrow. Der gerade geschlossene, gewölbte Chor der
dreischifligen goth. Kirche spitzbogig in einem edelen Uebergangsstil.
Thelkow bei Triebsees. Einschiffige, gewölbte Granitkirche mit qua-
dratischem Chor im Uebergangsstil.
Trebaitz unweit Breslau. Die 1209 geweihte Cisterzienser - Nonnen-
kirche, eine kreuzförmige, gewölbte Pfeilerbasilika, ursprünglich mit drei
Apsiden ; Ziegelbau mit Hausteindetails im Uebergangsstil. Unter dem
Chor eine dreischiffige Pfeilerkrypta. In dem jüngeren, mit Strebepfeilern
und Strebebögen besetzten Schifi* sind die abgestuften rechteckigen Haupt-
pfeiler mit je drei Halbsäulen besetzt, die Zwischenpfeiler nur mit einer.
Die Spitzbogengewölbe des Mittelschiffes sechsrippig. Das Innere ist ver-
zopft. (Luchs, Stilproben. Taf. 1 Fig. 5—14.)
TreaenbrietieB. Die Marienkirche, kreuzförmige, gewölbte Pfeiler-
basUika mit Chorapsis, spitzbogig, im Uebergangsstil ; Ziegel und Granit.
Viereckiger spätgoth. Westthurm mit vier Giebeln und Kreuzdach. — Die
Nicolaikirche, der vorigen ähnlich, aber schmuckvoller und mehr aus-
gebildeter durchgängiger Ziegelbau, mit drei Apsiden. Die Hauptpfeiler
mit einer Vorlage für die Quergurte und mit Ecksäulen für die Rippen, die
Zwischenpfeiler einfach ausgeeckt ; über der (jetzt mit einem Holzgewölbe
geschlossenen) Vierung ein Mittelthurm. (Put trieb, Denkm. II. Serie
Jüterbog. Bl. 12. — Adler}, Backsteinbauwerke. Heft 7 Bl. 70.)
Yerchen bei Demmin. Das flach gedeckte Schifi" der Nonnenkirche, ^)
dessen geschmackvoll im Uebergangsstil decorirtcr Ostgiebcl durch späteren
Anbau verdeckt ist. In Westen ehemals eine Nonnenempore. Chor und
Thurm spätgoth isch.
1) Quast, F. v., der Dom zu Stendal, in der Zcitschr. far Archäol. u. KunHt 1,
186—188 u. Fig. 26 f.
2) Lisch, G. C. F., die Kirche zu Verchen, in den Halt. Studien VU. 2, lü2 ff.
466 Romanische Kirchen
Yenlei. Die Andreaskirche, einschiffig mit Apsis und westlich vor-
gelegtem viereckigem Hausteinthurm ; spätroman. Ziegelbau mit wesentlich
goth. Elementen. Das Schiff, aus drei von rechteckig gegliederten Gurten
getrennten kuppelartig überwölbten Jochen bestehend ; äusserlich einfache
Strebepfeiler, an der Apsis schlanke Halbsäulen ; vor 1231. (Details bei
Essen wein, Backsteinbau. Taf. 13 Fig. 1.) — Die unvollendeten West-
thürme des Domes, als Ueberrest eines 11 SO geweihten Baues.
Yietlvbbe bei Gadebusch. Ueberwölbte , rundbogige Kirche von der
Grundform des gleicharmigen Kreuzes mit östlicher Apsis. Die Halbsäulen-
vorlagen der Vierung mit Trapezknäufen.
Vippemr. Rechteckige Granitkifche mit Ziegeldetails; Uebergangsstil.
Wftriler bei Segeberg. Einschifiige , flach gedeckte Granitkirche mit
rechteckigem, gerade geschlossenem Chor und kurzem viereckigem Thurm.
Lotz 1, 613.
Waren in Meklenburg. Der Chor der Pfarrkirche, Granitbau, und
der Chor der Neuen Kirche, beide viereckig und im Uebergangsstil.
Wattaianukagei bei Güstrow. Der gerade schliessende gewölbte Chor
der Kirche, Granitbau im Uebergangsstil.
Werben bei Havelberg. Der im roman. Erdgeschosse mit einem Ton-
nengewölbe versehene, schmal rechteckige Westthurm der goth. Johannis-
kirche, oben im Uebergangsstil. (Adler I, 77 und Bl. 43 Fig. 6.)
Wiesenbirg bei Beizig. Einschiffige, flach gedeckte Kreuzkirche mit
polygoner Apsis; Granitbau im Uebergangsstil.
Wittenbirg in Meklenburg. Die Kirche um 1260—1280 im Ueber-
gangsstil : das Langhaus mit drei Schiffen von gleicher Höhe, deren Pfeiler
meist mit je vier Trapezknauf säulen und dazwischen mit Diensten für die
Wulsteinfassungen der Qu^rgurte und für die Kreuzgurte besetzt sind ; der
rechteckige, gerade geschlossene Chor mit späteren Sterngewölben und drei
in eine Spitzbogenblende zusammengestellten schmalen Lanzettfenstem. Am
Aeusseren Ecklisenen und Rundbogenfriese.
Welkew bei Treptow a. d. R. Kleine Backsteinkirche im spätesten
Uebergangsstil.
Welvirstadt bei Magdeburg. Die jetzige Stadtkirche enthält den Kern
der nach 1240 im Uebergangsstil aus Haustein gebauten Cisterzienser-
Nonnenkirche. (v. Quast, in der Zeitschr. für Archäol. und Kunst 1,
263—266 und Fig. 35 f.)
Zahna bei Wittenberg. Die Kirche, eine schlicht rundbogige. flach ge-
deckte, anscheinend schon frühzeitig der Seitenschiffe und der Nebenapsiden
des Querhauses beraubte ursprüngliche Pfeilerbasilika mit Chorapsis : Gra-
nitbau ; das Fenstergeschoss des T^anghauses und der viereckige Westthurm
von der Breite des letzteren aus Ziegeln.
Zarpen bei Lübeck. Die einschiffige, gewölbte Kirche mit (K)lygoner
Apsis am einspringenden Chor und niedrigem Westthurm von derselben
Breite; Uebergangsstil. Paarweise gestellte Spitzbogenfenster ; aussen Rund-
und Spitzbogenfriese und deutsche Bänder. Vergl. Lotz 1, 647.
If hdenik. Der östliche Flügel des 1250 gegründeten Cisterzienser-
k 1 o s t e r s , ein Granitbau mit zwei langen Reihen kleiner Spit^bogen-
fenster und am Südgiebel mit drei hohen gekuppelten Fenstern, ebenfalls
im norddeutschen Tieflande. 467
im älteren Spitzbogen. (Mark. Forsch. 5, 174 nebst Ansicht.) — Der ro-
manische Thurm der Stadtkirche.
linnu bei Jüterbog. Die Kirche ^) des 1170 gestifteten Cisterzienser-
klosters, eine schlichte, spitzbogige Pfeilerbasilika aus Granitquadern ; auf
beiden Seiten des flachen Chores je zwei wie letzterer selbst innen rund,
aussen im halben Achteck geschlossene, in der Tonne überwölbte Kapellen,
wodurch der Chorraum die ganze Breite des Querschiffes einnimmt. Die
Kirche ist mit Kreuzgewölben überspannt, die im Schiff nach einem abge-
flachten Rundbogen construirt sind und deren gothisch gegliederte Quer-
und Kreuzgurte auf schlichten Kragsteinen aufsetzen, von denen einige in
den Seitenschiffen mit romanisch ornamentirten Stuckmänteln ^ maskirtsind.
(Puttrich, Denkm. ü. Serie Jüterbog. Bl. 13. 15. 16. — Derselbe,
Systemat. Darstell. Bl. 2. No. 13.)
Anmerkung. Die bei weitem überwiegendste Mehrzahl der zumeist
erst aus der Uebergangsperiode stammenden Dorfkirchen des nord-
deutschen Tieflandes ist aus Granit erbaut und zwar in den ältesten Bei-
spielen nach dem oben 8. 292 Fig. 125 skizzirten Planschema, welchem in
der Altmark ^) noch ein rechteckiger Sattelthurm (mit der Thür auf der
Giebelseite, nördlich oder südlich) von der Breite des Langhauses (zuweilen
noch breiter als letzteres) westlich hinzugefügt ist : Gross-Schwechten
und H äs ewig bei Stendal, Walsleben und Iden bei Osterburg, Min-
den bürg bei Sandau; bei anderen fehlt bereits die Apsis, und der Chor
schliesst in gerader Linie : Binde bei Osterburg, Krusemark bei Sandau,
Vielbaum bei Seehausen, Wiepke bei Gardelegen. Eine besondere
Gattung bilden die im Yolksmunde sogen. 9 sieben verkehrten <ii Dorfkirchen^
wo nach dem in Süddeutschland häufigen Muster der Thurm in Osten über
dem Chore steht, woran sich die Apsis lehnt: Hemerten *) bei Tanger-
münde, Tangein bei Salzwedel, Belitz und Staffeide bei Stendal etc.
— Auf dem Fläming ist die Apsis meist vorhanden ; dagegen fehlt eine
ursprüngliche Thurmanlage grösstentheils : Raben, Mörz und D a h m s-
dorf bei Beizig, Lindo, Kaltenborn, Höh engörsdor f , Werbig,
Lichterfelde, Borgisdorf, Reinsdorf, Wahlsdorf bei Jüterbog,
und die Eingänge befinden sich nie auf der Westseite. In einigen Bei-
spielen ist (wie an der Dammkirche vor Jüterbog) die westliche Mauer mit
wagerechtem Abschluss über die Dachhöhe der Kirche hinaufgeführt und
bildet die Vorderseite für den daran gelehnten Fachwerkthurm : Neu mark t
an Jüterbog und Dorf-Zinna. Durch einen Steinthurm über der Westseite
zeichnet sich Langenl ipsdorf ^) aus. Geradlinigen Chorschluss haben
1) Otte, H., die Kirche des ehemal. Cisterzienser-Mönchsklosters zu Zinna, in
den N. Mittheil, des Thüring.- Sachs. Vereins VIL 2, 33—00.
2) S. oben S. 33 Fig. 7. Diese Consolen sind mit Kalkmörtel üherschmiert, unter
welchem sie roth erscheinen und deshalb bisher für Backstein gegolten haben. Bei
gründlicherer Untersucliung durch Hrn. Prof. Adler stellte sich indcss heraus, dass
die rothe Farbe nur altere Bemalung ist, und die Masse selbst aus Stuck besteht.
3) Vergl. Adler, Backsteinbauwerke I, 92,/
4) Strack u. Meyerheim, Denkm. No. 5.
5) Puttrich, Denkm. IL Serie Jüterbog. Bl. 12.
468 Romanische Kirchen im norddeutschen Tieflande.
in der Gegend um Jüterbog : Welsigkendorf^ Hohenahlsdorf und
Rohrbeck; Schlenzer (zuerst urkundlich erwähnt 1227) und Werder
mit oblongen Westthürmen ; der Thurm von Werder mit Ziegeloberbau. —
In der Mittelmark bei Berlin repräsentiren Tempelhof, Marien-
felde, Franz. Buchholz, Herzfelde bei Fürstenwalde, Tempel-
berg und Heinersdorf bei Müncheberg den Typus. Mariendorf und
Bukow sind zweischiffig überwölbt: ersteres mit drei, letzteres mit zwei
Pfeilern. — In der Ukermark und in der Priegnitz ^) findet sich der
oblonge, hier aber mit einem kleinen Dachreiter besetzte Westthurm, aber
die Apsis fehlt, z. B. in Gaartz, Kampehl, Nebelin bei Lenzen,
Gross-Welle (ohne Thurm) ,Breddin, Zernitzbei Havelberg (mit
unter dem Dach aufgemaltem Rundbogenfries). Die Kirche zu Herz-
sprung ist durch die Verwendung von kolossalen Granitplatten bemer-
kenswerth. Die Kirche zu Altenzaun bei Havelberg hat über dem West-
giebel zwei Pfeiler, zwischen denen die Glocke hängt. — Im nördlichen
Theile des Landes Stargar d^) ist der rechteckige Chorschluss mit drei
von Ziegeln eingesetzten Fenstern die Regel : Neddemin, Neverin,
Staven, Roga, Dahlen, Salow, Broma, Helpte, Käbelich,
Cölpin, Teschendorf, Warbende; nur Lübberstorf und Golm
mit Gewölben. Die Glocken hängen, auch wenn ein Thurm vorhanden ist,
oft in einem neben der Kirche aufgerichteten Glockenstuhl. Dagegen sind
die Landkirchen in der Gegend von Rostock, bei gleichem Grundplane und
mit viereckigem Westthurm, aus Ziegeln gebaut und zeigen nur an den
Ecken und an den Thürmen häufig Granitquadem, z. B, Schwan, Ruchow,
Lüssow, Cambs, Grossengrenz, Hohensprenz.**) — Als Typus
der Granit-Dorfkirchen in Pommern wird Tribohm (zwischen Damm-
garten und Triebsees) angelührt. Diese Kirche besteht aus dem oblongen
Schifi^ mit schmälerem Altarhaus, ohne Apsis. ^)
1) Vergl. Adler a. a. O. II, 19.
2] Lisch, Jahrbuch etc. ]0, 314.
3) Derselbe, im VI. Jahresbericht etc. S. 87.
4) Derselbe, Jahrbuch etc. 23, 320; vergl. Kugler, Kl. Sehr. 1, 689.
469
n. Gothischer StO. ')
Xm. bis XVI. Jahrhundert.
Literatur: Schlegel, F., Grundzage der goth. Baukunst, auf einer
Reise durch die Rheingeg^nden, die Niederlande, die Schweiz und einen Theil
Frankreichs. 1 SO 1— I SU5. [VT. W. VI.) — Sammlung goth. Kirchen in Deutsch-
land. 1808. — Costenoble, J. C, Über altdeut. Architektur und deren Ur-
sprung. 1812. — Murphy, J, über die Grundregeln der goth. Baukui^st.
Aus dem Engl, von J. D. E. W. Engelhard. 1828. — Zwirner, E., Rede
über deut. Baukunst, im Kolberger Wochenbl. vom 22. Aug. 1829. — Melas,
Th., Erwin von Steinbach oder Geist der deut. Baukunst. 3 Bde. 1834. —
Metzger, J., Gesetze der Pflanzen- u. Mineralienbildung, angewendet auf
altdeut. Baustil. 1835. — Kopp, E., Beitrag zur speciellen Darstellung des
spitzbog; Baustils. 6 Hefte. 1839~-!944.— Hoffstadt, F., Goth. A.-B.-C.
Buch, d. i. Grundregeln des goth. Stils für Künstler u. Werkleute. 1840 etc.
— Wiegmann, Rud., über den Ursprung des Spitzbogenstils. 1842. — Die
Artikel »Altdeutsche Kunst« in Bd. 1 S. 303 — 310 u. »Germanische Baukunst«
in Bd. 4 S. 416— 49S des Converaat. -Lexik, für bild. Kunst. 1843. 1848. —
MöUinger, C, Elemente des Spitzbogenstils, systematisch entwickelt. 1845.
— Reichensperger, A., die christl.-german. Baukunst u. ihr Verbftltniss
zur Gegenwart. (1815). 3. Aufl. 1859. — Heideloff, C, der kleine Alt-
deutsche (Gothe), oder Grundzüge des altdeut. Baustils (1847 etc.). — Kau-
mann, Über die german. Baukunst des M.-A. 1847. — MeUy, Ed., Goth.
Briefe. (Heftweise erschienen bis 1856.) — Statz, V., u. Ungewitter, G.,
Goth. Musterbuch, mit einer Einleit. von A. Reichensperger. 18 Lieff.
1856 — 1861. — Ungewitter, G., Lehrbuch der goth. Constructionen. Nebst
Atlas. Lief. 1 — 3. 1859 etc. — Ursprung u. Schfttzung des goth. Stils, in den
Grenzboten. 1865. No. 12. S. 460 ff. — Aus der Gesch. des christl. Kirchen-
baues. III. Der goth. Styl, im Christi. Kunstbl. 1866. No. 1 ff.
87. Der wie im grossesten Theile des ganzen Abendlandes von'
der Mitte des XIII. bis etwa zur Mitte des XVI. Jahrhunderts auch in
Deutschland herrschende Baustil wird hergebrachter Weise der go-
thische genannt: nicht weil dieser Name etwa dem Wesen dieser
Architektur oder ihrem geschichtlichen Herkommen entspräche, son-
dern lediglich dem einmal üblichen Sprachgebrauche gemäss, da es
anderweitig an einer Benennung fehlt, an welche sich nicht falsche
Nebenbegri£fe anknüpften.
Der Name goth is eh ist nicht von dem Volke der Oothen abzu-
leiten ; wir haben denselben vielmehr von den Wälschen in der Zopfzeit
überkommen, welche mit dem Worte ffoüco, gotMque alles Altfränkische,
Aussermodegekommene und Barbarische zu bezeichnen liebten (vergl.
die Bemerkung Goethe's, von deutscher Art und Kunst; W. W. 39,
344 . Ausg. letzter Hand) , und — barbarisch erschien der damaligen
Zeit der mittelalterliche Baustil. — Es fehlt uns leider ein passender
Name für diese Baukunst, und die sonst empfehlenswerthe Benennung
1) Derselbe wird sonst auch deutscher, romantischer, 'germanischer oder Spitz-
bogenstil genannt.
470 Gothischer
»germanisch« hat sich nicht einbürgern wollen und beruhte bei ihrem
Erfinder (v. Rumohr) auf einer irrigen wissenschaftlichen Ansicht. —
Die Franzosen sagen architecture ogtvale ^ d. i. wörtlich »Vermehrungs-
oder Verstärkungsbaukunst«: ein innerlich passender Name, da man als
innerstes Princip der gothischen Baukunst die durch fortgesetzte Thei-
lungen und Vermehrungen der Stützen ermöglichte folgerichtige Durch-
führung des Gewölbebaues zu erkennen hat. Vergl. § 93. S. 475.
88. Durch die fortschreitende Entwickelung der mittelalterlichen
Kunstgeschichte ist der Ursprung des gothischen Baustils aus Frank-
reich unwiderleglich dargethan, indem in den nordöstlichen Gegenden
dieses Landes nicht nur die ältesten gothischen Bauwerke vorkommen,
an welchen der neue Stil in seinen noch unentwickelten Principien in
schlechthin primitiver Weise erscheint, sondern auch die allmähliche
Ausbildung sich Schritt vor Schritt bis nahe zur höchsten Staffel der
Vollendung verfolgen lässt ; letztere wurde jedoch erst in Deutschland
erreicht.
Das älteste gothische Bauwerk in Franzien ist die Front und der
Chor von St. Denis, und der ausdrücklich bekundete Leiter dieses Baues,
der dortige Abt S u g e r , wird deshalb von Hertens (die Baukunst in
Deutschland S. 8) geradezu als Erfinder der gothischen Bauweise be-
zeichnet. Obwohl die Rechtfertigung dieser Behauptung füglich dem
Autor derselben überlassen bleiben muss, so hat doch die Idee von der
Erfindung des gothischen Baustiles durch ein bestimmtes Individuum in
Betracht des diesem Stile zu Grunde liegenden, so höchst eigenthüm-
lichen Constructionsprincipes unläugbar viel Ansprechendes , während
der Geist des Stiles immerhin als gemeinsames Erzeugniss jener ganzen
Zeit anzuerkennen sein wird.
In Deutschland tritt der gothische Baustil bald nach dem Beginn
des Xin. Jahrh. an einzelnen, von einander unabhängigen Stellen zu-
nächst sporadisch auf, und in mehreren Fällen lässt sich die Verpflanzung
aus Frankreich nicht bloss mit vieler Wahrscheinlichkeit, sondern selbst
mit voller Bestimmtheit nachweisen. Das älteste Beispiel von Anwen-
dung eines französischen Bauplanes auf ein deutsches Gebäude betrifft
noch ein romanisches Denkmal: die Kirche St. Godehard in Hildes-
heim [gegr. 1133), soviel bekannt, die einzige dieses Stils auf deutschem
Boden, welche einen halbkreisförmigen Chorumgang mit radianten Ka-
pellen hat, eine Bauform, die schon im XL Jahrh. im südlichen Frank-
reich ganz üblich und bis zur Loire hin völlig verbreitet war. Bei der
Kanonisation des h. Godehard 1131 auf dem Concile zu Rheims war der
Stifter der gedachten Kirche, Bischof Bernhard l. von Ilildesheim, zu-
gegen; es ist deshalb wahrscheinlich, dass er dort oder in Frankreich
überhaupt jene Chorform kennen gelernt und bei der von ihm neu ge-
gründeten heimischen Kirche zum Muster genommen haben wird. ^) —
1) Vergl. Zeitschr. für christl. Archäol. u. Kunst t, 218 u. 276.
Baustil. 471
Der an Stelle des 1207 abgebrannten Ottonischen Domes zu Magde-
bürg getretene Neubau zeigt in seiner mit einem zweigeschossigen Um-
gange und einem Kapellenkranze versehenen Chore, in der durchgängigen
Anwendung des so frühzeitig im inneren Deutschland sonst nicht nach-
gewiesenen Spitzbogensystemes und in manchen anderen Eigenschaften
deutlich den Einfluss des nordfranzösischen Kathedralenstils, und muss,
trotz der Menge deutsch-romanischer Details und Eigenthümlichkeiten,
im Wesentlichen als ein altgothisches Denkmal anerkannt werden. Man
darf annehmen, dass Erzbischof Albert 11., welcher wenige Tage nach
dem Dombrande seinen Einzug in Magdeburg hielt und vorher auf der
Universität zu Paris studirt hatte, wo sich ihm Gelegenheit bot, den da-
mals so grossen Aufschwung der dortigen Baukunst kennen zu lernen,
entweder fertige Baupläne aus Frankreich kommen Hess oder deutsche
Bauleute dorthin sandte, um sich mit der neuen Kunstweise bekannt zu
machen. ^ — Die 1227 begonnene Lieb fr au enkir che zu Trier,
ein frühgothischer Centralbau mit einzelnen romanischen Erinnerungen
und von sehr complicirtem Grundriss, hat den Chor der Kirche St. Ived
in Braine bei Soissons (IJSO — 1216) in der Art zum Vorbilde, dass zu-
nächst der Chor copirt und dann nochmals westlich vom Querhause wie-
derholt wurde, statt des von Säulen getragenen Langhauses in dem fran-
zösischen Urbilde.2) — In Naumburg, wo 1242 eine Weihe des im
deutsch-romanischen Uebergangsstile erbauten, noch unvollendeten Domes
stattfand, ^) wurde in demselben Jahre ein gelehrter Mann und Magister
artium, Namens Peter, von Paris, wo er sich den Studien widmete, durch
das Domcapitel auf den bischöflichen Stuhl berufen, den er, von der
markgräflichen Partei verdrängt, freilich nicht zu behaupten vermochte ; *)
es darf indess darauf hingewiesen werden, dass der am Westchor von
seinem Nachfolger bald darauf wieder aufgenommene Dombau im un-
mittelbaren Anschlüsse an das Vorhandene, aber in grellem Gegensatze
dazu nunmehr in entschieden gothischer Weise offenbar durch andere
Bauleute vollendet wurde. — Der Plan zu dem 1248 gegründeten Chore
des Domes von Cöln ist, wie unzweifelhaft feststeht, im Wesentlichen
eine genaue Nachahmung des bei der Grundsteinlegung desselben im Bau
begriffenen und schon weit vorgeschrittenen Chores der Kathedrale von
Amiens, und beide Grundrisse decken fast einander. *) — In den Jahren
von 1262 — 1278 fand ein Neubau der Stiftskirche zu Wimpfen
1) V. Quast, ebd. S. 172 u. 219 ff.
2) Schnaaae, Kunstgesch. 5, 478, wo beide Grundrisse neben einander gestellt
sind, auf deren Verwandtschaft zuerst Mertens (ebd. S. 4 SO) bereits im Jahre 1841
hingewiesen hat. — Didron, Annales arch^ol. 11, 272 — 286.
3) V. Quast, im D. Kunstbl. 1855. S. 102.
4) Lepsius, C. F., Gesch. der Bischöfe von Naumburg 1, 81.
5) Schnaaae a. a. O. S. 528, wo beide Grundrisse neben einander gestellt sind.
Vergl. Verneilh, ¥6\. de, la cath^drale de Cologne, in den Annales archäol. 7,
57 — 69; 225 240; 8, IM — 135. — Die Uebereinstimmung beider Grundpläne war
übrigens in Deutschland längst bekannt , und schon 1811 stellte Boisser^e der
Vergleichung halber beide zusammen. (Sulpiz Boisaeree. Stuttgart 1862. S.^121.)
Das Studium französ. Vorbilder wird auch durch die Fenster der Apsidiolen darge-
than, welche mit denen der Ste. Chapelle in Faris (1243—1248) fast buchstäblich
472 Gothiachcr
im T h a 1 e statt, zu welchem nach dem Berichte eines fast gleichzeitigen
Chronisten^) ein in der Baukunst sehr erfahrener Steinmetz herbeige-
rufen wurde, der erst kürzlich aus Paris gekommen war und das Werk
aus Hausteinen i^opere Franciffmou auf das Trefilichste ausführte. — Ausser
solchen einzelnen Beispielen der Verpflanzung des neuen Stiles aus
Frankreich trugen im Allgemeinen zu dessen Ausbreitung die Orden der
Cisterzienser (bei ihrer fortwährenden Verbindung mit den dortigen
Mutterklöstern) , der Dominicaner, der Franciscaner und der Deutschen
Ritter wesentlich bei. ^)
Obgleich die deutsche Gothik ihren französischen Ursprung nicht
verläugnen kann, so erfassten doch die deutschen Meister das Fremde
mit wahrhaft genialem Blick und unter Bethätigung ihrer volksthüm-
lichen Individualität in durchaus selbständiger Verarbeitung : sie repro-
ducirten das neue System von innen heraus, führten es auf seine Grund-
Züge zurück und entwickelten , dasselbe unter Entkleidung von mancher
verhüllenden decorativen Zuthat in edeler Keuschheit zu einer weder in
Frankreich noch England erreichten inneren Harmonie , Klarheit und
Lauterkeit. {Vergl. Kugler, Gesch. der Baukunst 3, 203. — Lübke,
Gesch. der Architektur S. 543. — Mertens, in der Zeitschr. für Bau-
wesen. 1862. Sp.* 178 — 183.) Die Anwendung des gothischen Stils auf
die Hallenkirche (oben S. 5 2 Anmerk. ) ist rein deutsche Erfindung.
89. Die gothische Baukunst ging in Deutschland von Laien-Bau-
meistern aus, die sich zu Kunstgenossenschaften ^) zusammen thaten,
indem seit dem XIII. Jahrhundert die Kunstübung aufhörte, aus-
schliessliches Privilegium der Klöster zu sein, und bei der wachsenden
Macht der Städte ihre Vertretung nunmehr in dem erstarkenden Bür-
gerthume fand, während der Clerus verweltlichte und das Mönchsthum
erschlaffte.
Die baukundigen Laien (s. oben S. 287], deren sich aus den Con-
versen der Klöster immer mehr herangebildet hatten, wurden dadurch
selbständig, dass neben den Kirchenbauten nun auch bürgerliche Kunst-
bauten in den St&dten (Thore, Brücken etc.) ein Bedürfniss waren, wel-
ches man von Seiten der Bürgerschaften unabhängig von dem Clerus,
dem Beschäftigung mit weltlichen Bauten (durch ein Gesetz von 1157)
verboten worden war , "*) nicht bloss befriedigen musste , sondern im
übereinstimmen. — Vergl. auch Roisin, Ferd. de, lea cathödrales de Cologne et
d'Amiens, in den AnnaleB etc. 7, 178 — 187. — Reichensperger , Verm. Sehr.
S. 381—399.
1) Chron. ecclesiae Wimp., bei Schannat, Vindemiae litterariae 2, 59, woraus
Dahl bei Fz. Hub. Müller (Beiträge zur deut. Kunst I, 73 f.) die betr. wichtige
Stelle (auch bei Schnaase a. a. O. S. 553) zuerst mitgetheilt hat.
2) Vergl. Roisin, Ferd. de, les missionnaires de Tart gothique en Allemagne
au Xlldme sidole, im Bulletin monumental. Vol. 25. No. 8. 1S59.
3) Die sogen. Bauhütten. S. den Anhang zu diesem Abschnitte.
4) Martdne et Durand, Thesaur. IV. p. 1248 u. 1250, angeführt in Kreu-
8 er' 8 Kirchenbau 1, 469.
Baustil. 473
Drange nach Selbständigkeit auch befriedigen wollte. Dass aber die
Geistlichkeit der alten Meisterschaft in der Baukunst verlustig ging, ge-
schah durch eigene Schuld ; die gesteigerten Ansprüche an die Technik
schreckten die jetzt fast ausschliesslich aus dem an das Kriegshandwerk
gewöhnten hohen Adel hervorgehenden Grosswürdenträger der Kirche
zurück ; andrerseits war aber auch die frühere Nothwendigkeit der Bau-
führung durch den Clerus nunmehr weggefallen, und die Geistlichkeit
hätte Gelegenheit gehabt, dringenderen Aufgaben ihres Standes zu ge-
nügen.
90. Die Schwierigkeiten in Beziehung auf die Zeitstellung der
kirchlichen Bauwerke mindern sich im Verlaufe dieses Zeitraumes^
indem die Ausbildungsphasen des gothischen Baustiles sich mit grosser
Bestimmtheit von einander sondern lassen ^ und die Continuitat der
überlieferten schriftlichen Nachrichten immer mehr zunimmt.
Die chronologischen Schwierigkeiten, die aus der Von Hertens
sogen. Mutation (dben S. 289) entsprangen, hören mit dem Verlaufe
des Xm. Jahjrh. in demjenigen Theile Deutschlands , wo das Christen-
thum schon lange herrschend war, grösstentheils auf, dauern dagegen in
dem baltischen Tief lande, wo christliche Bildung erst seit der Mitte des
XII. Jahrh. eine feste Stätte gewonnen hatte, zum TheÜ noch das XIV.
Jahrh. hindurch fort, und werden hier , wo der in Beziehung auf Glie-
derungen und Ornamente nicht anders als fabrikmkssig zu betreibende
Ziegelbau herrscht, dadurch noch vermehrt, dass die Entstehungszeit der
Gebäude nicht nach den für den Hausteinbau geltenden Regeln beurtheilt
werden kann.
9 1 . Die Kirchen gothischen Stils sind hochstrebende Gebäude^
deren Gerippe (s. den Querdurchschnitt des Halberstädter Domes S. 476
Fig. 192) aus schmalen senkrechten Gliedern besteht» zwischen wel-
chen von grossen Fenstern durchbrochene leichte Wände als blosse
Füllungen zum Abschlüsse des Baumes eingefugt sind. Das Vor-
herrschen der VerticalUnie ist an ihnen charakteristisch; ebenso der in
allen Wölbungen angewendete Spitzbogen von schrägen, gegliederten
Seitenflächen und das aus. Rippen, zwischen denen leichte Kappen
eingespannt sind, bestehende Kreuzgewölbe, welches Pfeiler als Stützen
und Strebepfeiler als Widerlagen bedingt. Die Detailbildung, anfangs
streng und einfach, spater freier und reicher, artet zuletzt einerseits in
Ueberfülle, andererseits in Trockenheit aus.
Beim Rfickblicke auf den Weg. welchen die christliche Kirchen-
baukunst bis zur Vollendung des gothischen Baustils zurückgelegt hat,
zeigt sich, dass dieselbe erst in diesem das mit dem Blicke nach Oben
gesuchte Ideal, die Vergeistigung der todten Masse gefunden hat. Der
474
Grothischer
gothische Dom entspricht der evangelischen Forderung des mittelalter-
lichen Dichters : ^)
Man soll an lichter weite
Chriaten-glauben künden und Chrieius-ammetj
und wenn der griechische Tempel nur den Aussenbau und die romanische
Kirche nur den Innenbau ausgebildet hatte, so gelang dem gothischen
Stile eine gleichmässige Ausbildung des Innern und des Aeussern. — In
technischer Beziehung ist zu bemerken, dass die gothische Architektur
die Kunst verstand, mit möglichst wenig Steinen die grössest möglichen
Räume zu umschliessen. — Getadelt hat man an dem Stile eine gewisse,
namentlich an der Chorpartie bemerkliche Zerklüftung des Aeussern und
die übermässige Grösse der Fenster, deren überreichliches und grelles
Licht das Mittelalter indess durch gefärbtes Glas zu massigen und zu
dämpfen wusste. '^)
92. Der Grundriss des gothischen Domes zeigt bei wesentlicher
Beibehaltung der alten Basiliken- und Kreuzförm eine freiere Behand-
lung des überlieferten strengen Typus , welche sich namentlich aus-
spricht in dem mit dem ganzen Langhause in Eins verschmolzenen,
verlängerten Altarraum und dessen polygonischem Schluss.
Fig. 191. Dom zu H&lbersUdt (nach Lucanui).
In dem Plane der gothischen Kirche ist in reformatorischer Weise
die Bahn zum Tische des Herrn eröffnet, und der zwischen Chor und
Schiff eingeschobene Lettner (oben S. 39 Anmerk. 1) erscheint nur als
eine schwache hierarchische Reaction. — Mit dem Wegfall der Krypten
hörte auch die bedeutende Erhöhung des Chores auf, die im gothischen
Stil nur wenige Stufen beträgt. An die Stelle der in der romanischen
Kirche stets einen besonderen , für sich bestehenden Theil bildenden
Apsis tritt jetzt der, vom Kreuzgewölbe bedingte, aus mehreren Seiten
li
S. oben S. 41 NoU 1.
2) Die Mängel des goth. Stils legt nicht ohne Einseitigkeit dar: Hübsch (die
Architektur u. ihr Verhältniss etc. S. S8 ff.), welcher den goth. Dom ein »»Glashaus*
nennt: ein Bonmot, das sich auch Lübke 'Gesch. der Architektur S. 464) ange-
eignet hat.
Baustil. 475
eines Vielecks bestehende , eine grossartige Wirkung hervorbringende
Schluss; wir finden denselben: dreiseitig aus dem Achteck, Zehneck
oder Sechseck ; vierseitig aus dem Zehneck ; fünfseitig aus dem
Achteck , Zehneck oder Zwölfeck ; sechsseitig aus dem Achteck ;
siebenseitig aus dem Zehneck, ^j aus dem ZwOlfeck oder aus dem
Vierzehneck; neunseitig aus dem Achtzehneck ; zwölfseitig aus
dem Vierundzwanzigeck; jedoch, mit seltenen, unschönen Ausnahmen
aus später Zeit (Ostchor des Domes zu Naumburg , Kapellenkranz des
Münsters zu Freiburg i. B.) stets so, dass die Längenaxe der Kirche nicht
in einen Polygon winkel , sondern in die Mitte einer Seite fällt. Der
Schluss mit zwei Seiten eines gleichschenkeligen Dreiecks (also im spitzen
Winkel) ist eine höchst selten vorkommende blosse Sonderbarkeit (Chor-
kapellen zu Hohenfurt in Böhmen, Clarissenkirche in Trier). — Im Dom
zu Halberstadt (s. den Grundriss Fig. 191) ist an das dreiseitige Chor-
haupt noch eine niedrigere Kapelle mit fünfseitigem Schluss angebaut. —
Die alte Kreuzform des Grundrisses wird nach dem XIII. Jahrh. aufge-
geben, zuerst wohl bei den für die Zwecke der Predigt berechneten Volks-
kirchen der sich seit dem XIII. Jahrh. in den Städten niederlassenden
Bettelorden, und kommt hauptsächlich nur noch da vor, wo auf der Stelle
des Neubaues schon früher eine Kreuzkirche gestanden hatte ; das Quer-
schiff konnte auch um so eher wegfallen, als dessen Anlage nie in den
eigentlichen Bedürfnissen des Cultus begründet gewesen war. Neben-
apsiden an der Ostseite der Kreuzarme, die im Romanismus so sehr be-
liebt waren, fallen gänzlich weg, wogegen die Seitenschiffe zuweilen po-
lygonisch schliessen. — Wo, was nicht unverbrüchliche Regel ist, die
Seitenschiffe (wie in Halberstadt ; s. den Grundriss) sich als Umgang um
den Chor herumziehen, kommt es nach Analogie des Grundplanes der
französischen Kathedrale öfter vor, dass der Chorschluss noch von einem
Kapellenkranze (oben S. 50 f. und Fig. 21) umzogen wird, indem man
jeder Seite des polygonen Schlusses einen kleineren, ebenfalls polygonen
Anbau gab, welcher fast immer mit drei Seiten des Achtecks geschlossen
ist. — Als eine anderweite Bereicherung des Grundrisses ist auch die
aber nur selten beliebte Anordnung von doppelten Seitenschiffen zu be-
zeichnen. — Endlich kommt die organische Verbindung der Thurmanlage
mit dem Langhause der Kirche in Betracht, indem man entweder die Zu-
gänge zu den Seitenschiffen durch die Thürme legte, oder letztere doch
durch offene Hallen einerseits mit dem Zwischenbau, andrerseits mit den
Seitenschiffen verband. (S. oben S. 61.)
93. Das eigentliche Princip des gothischen Baustiles besteht in
der durch folgerichtige Durchführung des spitzbogigen Gurtgewölbes
erreichten vollständigen Vermittelung zwischen Kraft und Last, wovon
der ganze Aufbau des Gebäudes abhängig wurde.
1) Wenn der Chorschluss, was (z. B, in der Klosterkirche zu Berlin, an der
Johanniskirche zu Stettin, dem Münster zu Aachen, der Peters- u. der Wiesenkirche
zu Soest u. St. Ludgeri zu Münster) selten vorkommt, aus 7 Seiten des Zehnecks ge-
bildet ist, so tritt der Polygonabschnitt seitwärts Über beide Chormauern hinaus.
476
Gothiacher
Obgleich der Aufbau eines Gebäudes von unten nach oben fort-
schreitet, so lässt sich doch der dem gothischen Baustile zu Grunde lie-
gende, wohl berechnete technische Gedanke am fasslichsten darlegen,
wenn man den umgekehrten Weg einschlägt und, die gothische Kirche
ge Wissermassen von oben nach unten construirend, bei dem Deckenge-
wölbe den Anfang macht. Während das KundbogengewOlbe, abgesehen
von künstlichen Aushilfen, quadratische Gewölbefelder (s. oben S. 309)
schlechthin noth wendig machte, weshalb immer nur der je dritte Pfeiler
Stütze des Mittelgewölbes sein konnte, so erlaubt das Spitzbogengewölbe,
da der Spitzbogen nach . Bedürfniss mehr oder weniger steil construirt
werden kann, die grosseste Freiheit in der Bildung der Decke : die Ge-
wölbejoche des Mittelschiffes können schmäler gestellt, also in Rechtecke
verwandelt und mit den quadratischen Jochen der Seitenschiffe gleich
gelegt werden, so dass nun jeder einzelne Pfeiler als gleich massige Stütze
des Ganzen benutzt wird, und das Innere an perspectivischer, das Aeussere
Fig. 192. Querdurehschnitt des Dornet zu Halberttodt (nach Lucanui).
an malerischer Wirkung wesentlich gewinnt. Das gothische Kreuzge-
wölbe selbst besteht ferner nicht mehr aus sich durchschneidenden Ton-
nengewölben, sondern nur aus einem starken Gerippe von gegliederten
Quergurten zur Begrenzung der einzelnen Joche und aus ähnlichen, nur
leichteren Diagonalrippen, welche im Durchschneidungspunkte in einem
Steinringe als Schlussstein zusammenstossen . Dieses feste Gerippe wird
nun mit leichten Kappen von der Form sphärischer Dreiecke ausgefüllt,
und die ganze aufgelöste Gewölbemasse beschränkt auf diese Weise ihren
Druck und Seitenschub lediglich auf die Ausgangspunkte der Quer- und
Baustil. 47f
Kreuzgurte ; weshalb nur diese Punkte verstärkt zu Werden brauchen,
welches durch vortretende schmale, nach unten äusserlich in Absätzen
verstärkte Mauertheile , die Strebepfeiler , geschieht. Diese sind nach
innen als Träger für die Gewölbegurte, wie letztere, durch Vorlage von
Halbsäulchen, gegliedert ; eine gleichartige Gliederung erhalten auch die
Arkadenpfeiler, welche dadurch zu Säulenbündeln von cylindrischem
oder prismatischem Kern umgebildet werden, indem sich ihrem Unter-
theile überdies noch die Träger für die Gurte der Seitenschiffe und der
an ihren schrägen Seitenflächen am reichsten gegliederten Arkadenbögen
anfügen. — Da die Strebepfeiler für die MittelschifFgewölbe axif die
schlanken Arkaden pf eiler aufgesetzt und deshalb schwächer gehalten
^ werden müssen, so erscheinen dieselben, wenn auch wohl zur Aufnahme
des Seitenschubes, so doch nicht stark genug, um die hohen Sargwände
vor dem Auseinandergehen zu bewahren : man führte deshalb die ver-
stärkten, pyramidalisch gekrönten Strebepfeiler der Seitenschiffe über die
Dachhöhe der letzteren hinaus und wölbte von ihnen aus Strebebögen zu
den dadurch gestützten, ihrerseits wiederum das Kranzgesims des Lang-
hauses übersteigenden und ebenfalls in Pyramiden ausgehenden Strebe-
pfeilern des Hauptschiffes hinüber ; doch kommen die Strebebögen an
deutschen Kirchen im Allgemeinen nur seltener vor und wurden auch,
wo man die Seitenschiffe von gleicher Höhe mit dem Mittelschiff anord-
nete, überdies völlig entbehrlich. — Die Abbildung Fig. 192 von dem
Querdurchschnitte des Domes zu Halberstadt veranschaulicht die gegebene
Erläuterung^] und zeigt das gegenseitige Verhältniss der einzelnen Theile,
sowie das lebenvoUe Hochstreben des Ganzen an einem Beispiele des
ausgebildeten Stiles aus dem XIV. Jahrhundert. In der Frühzeit des
Stiles sind alle Theile noch schwerer und einfacher ; in der Spätzelt da-
gegen verlieren die Pfeiler entweder die Gliederung ganz oder doch die
Capitäle , welche in ihrer Becherform überdies fast nur decorativ die
Grenze zwischen der Vertical- und d6r Bogenlinie zu bezeichnen ge-
eignet waren.
94. Das Innere der gothischen Kirche erscheint als ein erhabenes,
wohlgeordnetes Ganzes, dessen mannichfaltige Theile in leichter, le-
bendiger Gliederung senkrecht aufsteigen. Die starre romanische
Mauerinasse mit ihrem lastenden Druck ist verschwunden ; das Auge
sieht nur verticale Stützen, welche sich zuletzt in schlanken Spitz-
bögen gegen einander neigen ; die weite, nirgends unterbrochene Per-
spective nöthigt die Einbildungskraft, ohne sie zu beunruhigen, das
Ziel zu suchen, welches jenseits liegt, und sich den Tempel des Herrn
zu vergegenwärtigen, der nicht mit Menschenhänden gemacht ist.
Die fast völlige Auflösung der in der romanischen Kirche mehr oder
weniger drückend wirkenden Last der Scheidmauer des Hauptschiffes hat
IjBi« Construction des Strebepfeiler- u. Strebebogensystcms bei einer Kirche
mit doppelten Seitenschiffen erhellt aus Abbild. 2\Ct vom Dom zu Cöln; S. 4SG.
Otte, Kunst-Arch&ologie. 31
478 Gothischer
der gothische Stil erreicht Bowohl durch die höher aufsteigenden Spitz-
bogen der Arkaden, als durch die hohen und weiten, tief hinabreichenden
Fenster des Hauptschiffes ; die zwischen den Spitzen der Arkadenbögen
und den Fensterbänken übri^ bleibende geringe Fläche ist in vielen
Fallen durch eine schmale, nur in der Mauerdicke angebrachte Spitz-
bogengalerie, das Triforium (s. oben S. 77), oder eine ähnliche Blenden-
stellung, dem hochstrebenden Principe des Ganzen entsprechend, lebendig
gegliedert. — Die inneren R&ume erscheinen dadurch noch höher als sie
in der That sind, dass man die Pfeilerabstände geringer genommen hat,
als die Breite des Mittelschiffes, wodurch die Traveen schmäler werden
und an Schlankheit gewinnen. — Die Durchschneidung von Langhaus
und Querschiff wird nur durch vier stärkere Pfeiler bezeichnet, welche
die Perspective kaum merklich unterbrechen und doch Wechsel in die-
selbe bringen. — In der Hallenkirche, wo den Seitenschiffen gleiche
Höhe mit dem Hauptschiffe gegeben ist, wird die freie lichte Weitendes
ganzen Innern unläugbar noch gefördert, allein dies geschieht auf Kosten
des Aeusseren, welches dadurch an Leben bedeutend verliert. — Es liegt
in der Natur der Sache, dass es lediglich technische Mittel sind und sein
müssen, auf welche die Wunderwirkung des gothischen Domes zurück-
zuführen ist ; allein in der schöpferischen geistigen Kraft, die jene Mittel
erfand, erkennt der gläubige Sinn das Wehen des christlich -germa-
nischen Geistes.
95. Am Aeusseren der gothischen Kirche tritt uns im Gegensatze
gegen die rukige Fläche der romanischen Umfassungsmauer eine le-
bendige Abwechselung von mannichfachen vor- und zurücktretenden
verticalen Theilen entgegen: die Horizontallinie ist überall durch-
brochen und die Mauerflache fast ganz in mächtige Spitzbogenfenster
aufgelöst. Am grossartigsten ist die westliche Hauptfacade geschmückt
mit ihren prächtigen Portalen und dem hohen Spitzgiebel des sehr
steilen^ gewaltigen Daches in der Mitte und den majestätischen Thür-
men auf beiden Seiten.
Jener Wechsel vor- und zurücktretender Theile wird durch die
Strebepfeiler hervorgebracht, welche in Absätzen, unten mehr, oben we-
niger, vor der Wandfläche hervortreten und, indem sie das eine Spitz-
bogenbrüstung tragende Kranzgesims durchbrechen, die Horizontallinie
desselben in kurze Abschnitte zerlegen, deren Mitte überdies durch die
sich über den Fenstern erhebenden Spitzgiebel (Wimbergen genannt)
nochmals getheilt wird. — Die Fenster selbst sind durch Steinpfosten in
mehrere Längsfelder getheilt ; die Pfosten neigen sich in Spitzbögen zu-
sammen, und der Raum oberhalb derselben und unter dem Deckbogen
de9 Fensters wird mit durchbrochenem .Maasswerk (§ 97) ausgefüllt. Die
Fensterwände und Deckbögen sind wie die der Portale reich gegliedert.
IjCtztere behalten zwar im Allgemeinen die romanische Anordnung bei,
bringen aber durch ihre Profil irung, und dadurch einen völlig verschie-
denen Eindruck hervor, dass sie, den Fenstern gleich, von Spitzpfeilern
Baustil. 47d
flankirt und von Wimbergen überragt werden. Ueber dem Hauptportal
wird eine mit Maasswerk gefüllte Fensterrose oder ein anderes Pracht-
fenster angebracht. Die Thürme, in ihren verschiedenen Stockwerken
ebenfalls mit grossen Fenstern versehen, erheben sich in mehreren vier-
eckigen Oeschossen, aus deren Masse sich verjüngende Strebepfeiler her-
vortreten, welche in Spitzsäulen ausgehen ; das Obergeschoss setzt in das
ähnlich von Spitzsäulen umgebene Achteck um, und über demselben
steigt, gänzlich aus durchbrochenem Maasswerk bestehend, der schlanke
achteckige Helm empor, mit einer mächtigen Kreuzblume (Fig. 196) auf
seiner Spitze. Leider sind die projectirten Prachtthürme nur selten, und
noch seltener nach dem ursprünglichen Entwürfe zur vollständigen Aus-
führung gekommen. ^) — Die gewaltige Masse des grossen Kirchendaches
macht sich am meisten auf der Ostseite bemerkbar, wo sich die Walme
des polygonen Chorschlusses bis zum Firste erheben.
96. Die Verbindungs- und Neigangsforinen, sowie die Ornamente
sind die vorzüglichsten Merkmale für die Ausbildung des Stiles auf
seinen verschiedenen Entwickelungsstufen.
Die Profilirungen (Ausgestaltungen der gegliederten Theile) erhalten
ihr eigenthümliches Gepräge durch die Abschrägung
aller geradlinigen, die tiefe Unterschneidung aller
hohlen Glieder und die Verwandelung des Rund-
stabes in die Bimenform. (Man vergleiche hiezu die
sämmtlichen folgenden Abbildungen Fig. 193 — 225.)
— In der Kunst der Profilirung, die der eigentliche
Ausdruck ist von dem die Architektur beseelenden
Geiste, hat die deutsche Gothik durch edles Maass-
fftadt (nach^Lucanuf).* " halten die Magerkeit der französischen und die Ueber-
treibungen der englischen Gothik weit übertroffen
und dadurch ihre Superiorität dargethan.
97. Das gothische Ornament besteht aus Maasswerk, Laubwerk
und Bildwerk.
Das Maasswerk ^) besteht aus rein geometrischen Elementen, die
zwar verwickelt scheinen und es oft auch sind, indem die mannich faltig-
sten Combinationen von Rosetten und sphärischen
Figuren vorkommen : der charakteristische Bestand-
theil sind und bleiben indess die sogenannten Nasen
(Fig. 194). Die nicht immer gelungenen Versuche
Fig. 194. der Neueren, das gothische Maasswerk auf streng
geometrischem Wege nachzuconstruiren , scheinen
den Beweis geliefert zu haben, dass die Alten nicht auf diese "Weise,
1) Den Beweis, dass der goth. Thurmbau nicht bloss, was die Höhe u. die Aus-
arbeitung der Details anbetrifft, sondern besonders auch in ideeller Ilin.sirbt nur in
Deutschland zur Vollendung gelangt ist, s. bei Schnoase, Kunstgesch. ü, 2-1 G — 2ül.
2) Ueber das Maasswerk vergl. Kugler, im Deut. Kunstbl. 1S53. S. 3SG. —
31»
4S0
Gothischer
sondern durch ein schöpferisches Suchen und Probiren mit Lineal und
Zirkel zu ihren bewunderten kaleidoskopischen Resultaten gelangten. —
Das Maasswerk füllt alle Oeffnungen (besonders die Bogenfelder der
Fenster) und überkleidet alle Flächen. —
Das Laubwerk ist der Natur entnommen;
namentlich sind es gewisse vaterländische
Pflanzen , deren Blatt man nachbildete
(Eichenlaub , Weinlaub , Epheu , Kreuz-
kraut, Hopfen, Stechpalme, Haselwurz etc.) ,
um damit in leichten Sträusschen sym-
metrisch die kelchförmigen CapitAle zu
schmücken. Die äusseren Kanten der Qie-
belschenkel und Pyramiden werden mit
196 Blättern besäumt (Fig. 195) , welche am
*^' * '** meisten dem Kohlblatte gleichen und unter
dem Namen der Bossen, Krabben oder des Frauenschuhes bekannt sind;
auf den Spitzen gruppiren sich mehrere dieser Blätter zur Kreuzblume
(Fig. 196) zusammen. — Das Bildwerk theilt sich in Statuen und
Reliefs. Die Statuen von biblischen Personen und Heiligen werden an
den Arkadenpfeilern auf Consolen unter Baldachine gestellt, am Aeusseren
Fig. 197. Von der Lorenzkirchc zu Nürnberg (nach Kollenbacli).
des Gebäudes in die Bildernischen der Strebepfeiler, an die Theilungs-
pfosten der Thüröffnung, besonders aber in die Einkehlungen der Portal-
wände und, den Regeln des Geschmackes und der Statik zuwider, umlaufend
auch in die Hohlkehlen der Thflrdeckbögen ; Fig. 197. Thier-
gestaltcn kommen als Wasserspeier in phantastischer Bildung
vor; Fig. 198. — Das Relief nimmt seine alte Stelle in dem
Bogenfelde über dem Thflrsturze ein. — Den norddeutschen
Ziegelbauten fehlt mit sehr wenigen Ausnahmen der Bildwerk-
*''«^-'»«- schmuck.
98. Die Entwickelungsstufen des gothischen Baustiles können
zwar im Allgemeinen bezeichnet werden als früher oder strenger,
als ausgebildeter oder edler, als später oder ausartender Stil; allein
S t o o s M, C, aber die Construction der Maasswerke etc. Mit 1 5 Taf. 1 S53. — Re u s c h,
Bd., der Spitzbogen u. die Orimdlinien seines Maasswerkes. Mit 25 Taf. 1854.
Baustil.
481
es gehen doch den ganzen Zeitraum hindurch zwei Bauweisen neben
einander, eine reichere und eine einfache, welche letztere auch in der
Blüthezeit der Gothik strengere, schmucklose Formen beibehält und in
der Spätzeit in Trockenheit ausartet, während erstere in spielender
Decoration ihre Endschaft erreicht.
Die schmucklose einfache Bauweise, principiell von den Cisterzien-
sern (Chor in Marienstadt 1221 — 1230) und den Bettelorden (Minoriten-
kirche in Cöln, geweiht 12G0; Dominicanerkirche in Regensburg 1274
bis 1277) ausgehend, wurde überall da befolgt, wo nur bescheidene
Geldmittel vorhanden waren, oder wo der durch das Material der Ziegel
bedingte Geschmack es verlangte.
M»P°?S^y B-
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Fig. 199. Klosterkirche zu Nienburg a. d. S. (nach FnUrich).
99. Frühgothischer Stil (XIII, Jahrhundert): Strengein
den noch schweren Formen mit romanischen Reminiscenzen und
ernstes Ebenmaass der Theile. Vergl. Fig. 199-211.
Die Grundform der grösseren Kirchen ist das Kreuz mit dreiseitigem,
fünfseitigem, selten siebenseitigem oder rechteckigem Chorschluss, den
in mehreren Fällen ein Kapellenkranz umzieht.
Fig. 'iUO. Ki«nborg (nach Puttrieb).
482
Gothischer
V\g, 2ül. Elisabcthkirchc lu Marburg (nach Möller).
Fig. 202.
Magdeburg.
An die Pfeiler von rundem Kern und mit vieleckigem Basament
reihen sich vier Dreiviertelsäulen als GuTtträger, deren Kelchcapitäle zu-
weilen dicht mit Blattwerk geschmückt sind, welches sich friesartig auch
um den Hauptstamm des Säulenbündels zieht. — Pfeiler
von viereckigem Kern sind eine selten vorkommende roma-
nische Reminiscenz. — In dem aus dem XIII. Jahrh. her-
rührenden Theile der Dome von Cöln und Halberstadt
scheinen entweder die Pfeiler ursprünglich auch nur auf
vier Gurtträger (wie in St. Elisabeth zu Marburg und in
Nienburg) entworfen gewesen zu sein, indem die zwischen
denselben angebrachten feineren Säulchen nicht im Ver-
bände mit dem Pfeilerstamme stehen, sondern demselben nur angelehnt
sind ; oder, was wahrscheinlicher ist, es beruhte dies lediglich auf einer
noch unvollkommenen Technik, da im östlichen Theile des
Langhauses vom Dome zu Magdeburg sich dieselbe Erschei-
nung wiederholt. — Die Gurte der einfachen Kreuzgewölbe
sind entweder noch Rundstäbe oder haben theilweise geradlinige
Profile. — Die Strebepfeiler, schwer und massig, sind mit
Giebeldächern bedeckt, die Strebebögen, wo sie vorkommen,
ohne Gliederung und eigentlich unterwölbte Strebemauern. Charakteristisch
ist die Anordnung an den rechtwinkligen Ecken der Fronten,
wo gewöhnlich zwei Strebepfeiler rechtwinkelig neben einander
stehen, während selten nur einer vorkommt, welcher dann in die
Fig. "204. Diagonale gestellt ist. — Die Fenster, mit Halbsüulen an den
B«a8tU.
483
7ig, 2uä. Bt. Genon in Cölo
(nacli ü^tii Orj^nti für clirUU' Kutifttf.
Ft§, 2D«, FfurU (nach FiillrJtb),
(tisch KillculfWh). MjrfTT I>om* (pttcb Puttrieh). (it«eK Molkn*
^ .JJl-rr-^
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484
Gothischer
Wänden, werden durch eine Säule in zwei Felder getheilt ; das Maass-
werk in der Bogcnfüllung besteht aus Kreisen, die aus Rundstäben zu-
sammengestellt sind. Im einfachsten Stil ist in das Fensterbogenfeld eine
Steinplatte mit durchbrochener Arbeit oder statt des Maasswerkes ein
Steinring eingesetzt. — Die Portalbildung ist noch schwer und stark
romanisirend ; an den Schenkeln der Wimbergen und Giebel er-
scheinen als Verzierung sich abbiegende Stengel , welche Kugeln oder
Knospen tragen. — Die Gesimse zeigen neben der specifisch gothischen
noch häufig eine romanisirende Bildung, und ähnlich verhält es sich mit
dem Ornament.
Fig. 212. Dom XU Cöln (nach strack).
Baustil.
4S5
100. Ausgebildet gothischer Stil (XIV. Jahrhundert): Ele-
ganz und Reichthum der Formen und lebendige Bew^ung aller Therle.
Die Hundp feiler sind reich mit Halbsäulen und Säulchen (alten
und jungen Diensten) umstellt, so dass oft auf der Seite des Mittel-
schiffes fünf Gurtträger angebracht sind, von denen der stärkste in der
Mitte für den Quergurt , die beiden nächsten für die Kreuzrippen und
die beiden äussersten für die Stirnbögen über den Fenstern des Haupt-
schiffes bestimmt sind ; für die Arkadenbögen und Gurte der Seitenschiffe
ist dieselbe Anordnung beobachtet, nur in feinerer Gliederung; am
reichsten ausgestattet erscheinen die vier grossen Pfeiler der Vierung.
Gewöhnlich sind die Gurtträger unter sich durch Hohlkehlen verbunden,
so dass die Kreislinie des Kerns nicht mehr angedeutet ist , und der
Pfeiler mehr als eine Masse erscheint. Die Basis ist ein übereck ge-
stelltes Viereck mit abgeschnittenen Ecken ; auf derselben ruhen die po-
lygonischen Sockel der einzelnen Gurtträger. Die Capitäle sind mit
Fi;. 213. Dom zu CiMn (nach Caspar).
Fig. 2 14. Halberttadt
(nach Kallenbach).
WV
Fig. 216. Gurtpronie.
leichten Blätter st räusschen geschmückt, jedoch so, dass sich das Blatt-
werk nicht mehr friesartig um das ganze Säulenbündel herumzieht, und
die Einkehlungen nun frei davon bleiben. — Die Gurtungen der Ge-
wölbe zeigen tiefe Einkehlungen, und der unterste Rundstab hat gewöhn-
lich die Birnenform ; es kommen aber statt der einfachen Kreuzgewölbe
auch Stern- und Rauten- oder Netzgewölbe auf. — Die mit Maasswerk
bekleideten Strebepfeiler sind mit hohen Spitzthürmchen (Fialen
genannt) gekrönt, die Strebebögen durchbrochen, oben mit Blumen
besetzt und an der Unterseite stilgemäss gegliedert. — Die grossen
Fenster sind mit Wimbergen überdeckt und mit Fialen flankirt. Die
486
Gothischer
Wandungen und Deökbögen derselben zeigen reiche Gliederungen aus
Rundstäben und Hohlkehlen; die Oeffnung wird durch stärkere und
Fig. 216. Flg. 217.
Dom lu Cöln (nach Boi««er^).
schwächere Säulchen (alte und junge Pfosten) in mehrere (gewöhn-
lich in vier) Lichter getheilt, und das Maasswerk in der Füllung besteht
aus den mannichfaltigsten Combinationen , die
aber alle auf die Motive des Kreises, des Vier-
passes und Vierblattes, des Dreipasses und Drei-
blattes zurückgeführt werden können. — Die
Portale sind ebenfalls an dem nicht mehr ab-
gestuft, sondern schräg gebildeten Thüreinschlage
reich profilirt : die Rundstäbe sind verkleinert,
die Einkehlungen zur Aufnahme von Statuen
nischenartig erweitert und über letzteren statt der
Capitäle Baldachine angebracht, welche Anord-
nung auch in den Einkehlungen fortgeführt wird.
— Wo an einfacheren Portalen (Fig. 218) das
Bildwerk fehlt, bleiben die Capitäle dennoch oft
weg, was übrigens auch an den Arkadenpfeilern
und Fenstern schon zuweilen der Fall ist. — Die
an den Schenkeln der Giebel und Bögen ange-
brachten Blätter biegen sich mit ihren Stengeln
oft nicht mehr ab, sondern kleben mit denselben an und tragen statt der
früheren Knospe ein Blatt. — Auf allen Spitzen löst sich die Bewegung
in einer Kreuzblume auf. — (Vergl. Fig. 212 — 218.)
Fig. 218. Nicolaikirrhe zu
Jüterbog (nach Put trich).
Bsustit.
487
Fi;. 219. Pctri'Paulikirchc in Görlitx (nach Puttrich).
101. Spätgothischer Stil (XV. und XVI. Jahrhundert): Es
machen sich allerlei willkürliche Neuerungen beinerklich, die in den
Principien des Stiles nicht begründet, zuweilen jedoch nicht ohne Reiz
sind. Entweder übertriebene Schlankheit oder schwerer Charakter des
trockenen oder überladenen Ganzen ; Verflachung der Formen, Dis-
harmonie der ITieile. Vergl. Fig, 219—225.
Die stets oblongen Kirchen sind nur ausnahmsweise von basilikaler
Anlage mit niedrigeren Seitenschiflen ; gewöhnlich erscheint das Haupt-
schiff mit den Seitenschiffen als Hallenbau unter einer gemeinschaftlichen
Bedachung. — Bei grosser Nüchternheit des Pfeilerbaues ergeht sich die
Phantasie des spätgothischen Meisters in reichen Oewölbeanlagen : aus
den weitläufig gestellten achteckigen Pfeilern entspringen frei, oft
ohne Vermittelung von Gurtträgem und Kämpfern, die flach und gratig
gegliederten , meist tief herabhan-
genden Gurte der ein zierliches, zu-
weilen verwirrtes Netzwerk bil-
denden , hin und wieder im Flach-
hogen gespannten zusammengesetzten
Kreuzgewölbe. — Die S t r e b e -
p f e i 1 e r nehmen gewöhnlich wieder
ein schweres Verhältniss an; sie reichen nicht mehr Über das Kranzge-
sims hinaus und enden nicht in Spitzsäulen, oder wenn dieses der Fall
ist, so steht die Spitzsäule über Eck auf dem Pfeiler. Charakteristisch
ist die Einbiegung der Wasserschrägen an den Strebepfeilern. — Das
Maasswerk erscheint in allen mathematisch möglichen Figuren, be-
sonders oft in dem sogen. Fischblasenmuster^ oder es nimmt
¥lg, 220. Pfeiler und Gewölbegurte.
488
Gothischer Baustil.
pflanzenartige Formen an, indem entweder mancherlei Blumen (z. B.
Tulpen etc.) nachgeahmt werden, oder was häufiger vorkommt, dürres
Ast- und Stengelwerk als trockener Zierrath dient. Wie diese
Aeste lässt man auch Rundstäbe einander durchkreuzen und Säulchen
schraubenförmig sich winden. — Neben dem gewöhnlich niedrigen Spitz-
bogen wird auch die Umkehrung desselben beliebt, und die geschweifte
Linie des sogen. Eselsrückens; auch Stichbögen, elliptische und
halbkreisförmige Bögen kommen vor.
Fig. 221. Schorndorf bei Stuttgart
(nach Kallcnbach),
Fig. 222.
Fig. 223. Dom xu Merse-
burg (nach Puttiich).
Fig. 224. St. Llricl* und Afra in
Augsburg (nach Kallenbach).
Fig. 22.'). Von einem sächs. Gebäude (nach dem Send-
schreiben des K. Sächs. AlterthumsTereins).
48d
Kirchengebäude gothischen Stils,
nach alphabetischer Reihenfolge der Ortschaften.
Fig. 226. Münster xu Freiburg i. B. (nach Quaglio).
I. In den Kheinlanden.
Literatur: Vergl. die oben S. 3J7 angeführten 'Schriften u. Kupfer-
werke. — lieber goth. Bauten der Rheinuferlander s. Kugle r. Kl. Sehr. 2,
221-^247.
Vorbemerkung.
102. Die Rheinlande enthalten nicht bloss in dem Chor der
Cisterzienserkirche von Marienstadt und in der Liebfrauenkirche von
Trier die ältesten Denkmale entschieden gothischen Stils in Deutsch-
4d0 Gothische Kirchen
land, sondern in den Domen von Cöln, Strassburg und Freiburg auch
die weithin berühmtesten und glänzendsten Kirchen unseres Vater-
landes. Neben diesem reichen Kathedralenstil finden sich dann be-
sonders abwärts von Cöln Beispiele einer einfacheren Bauweise, na-
mentlich an den Kirchen der Bettelorden, und in der Umgegend des
Bodensees sogar mehrere ungewölbte Kirchen (St. Stephan in Constanz,
Stadtkirche in St. Gallen, Franciscanerkirche in Lindau). — Am
Niederrhein und unterhalb Xanten von Calcar an weicht der Tuffstein
dem Ziegelbau, welcher hier jedoch (wie in Holland und Bayern] ohne
alle künstlerische Ausbildung nur bei den Mauermassen angewendet
erscheint; alles Detail ist von Haustein. — Die grosse Mehrzahl der
gothischen Kirchen des Rheinlandes datirt erst aus dem XV. Jahr-
hundert.
Vergl. Schnaase, Kunstgesch. 5, 475—487; 496—554; 6, 2ö4— 274.—
Kugler, Gesch. dcT Baukunst 3, 205—230; 361—367; 370—391. — Lübke,
Gesch. der Architektur S. 548 ff.
Aachen« Die Franciscanerkirche, spätgoth . Hallenbau mit ein-
schifiFigem Chor; runde Pfeiler. — Der dem karoling. Münster (s. oben
S. 283) im Jahre 1353 angebaute Chor, in reichem glänzenden Stil. Re-
staurirt. *) — Die spätgoth . Paulskirche mit fast gleich holten Schiffen
und einschiffigem Chor. Runde Pfeiler. — Die Pholianskirche, spät-
gothisch mit niederen Seitenschiffen ; Pfeiler theils rund, theils viereckig,
theils mit, theils ohne Dienste. Vergl. Lotz 1, 36.
AileuM unweit Altenahr. Der gerade geschlossene Chor der Kirche,
einfach ausgebildet gothisch ; das Schiff mit seinen Rundpfeilern oder doch
die Ueberwölbung desselben spätgothiscli.
Ahrweiler. Die Lorenzkirche, begonnen zwischen 1245 und 1274,
doch im Wesentlichen wohl aus dem XIV. Jahrb., oblonger Hallenbau mit
drei polygonisch schliessenden Schiffen , so dass der Schluss der Seiten-
schiffe über die Flucht der Langwände hervortritt. Rundpfeiler. Ueber der
Westseite ein achteckiger Thurm. Die Emporen ein spätgoth. Einbau.
(Müller, Fz. Hub., Beiträge II. Taf. 5. 9. 10. 15. 20 f.)
Allerheiligen bei Oberkirch. Kirchenruine des 1 196 gegr. Cisterzienser-
klosters : kreuzförmiger Hallenbau mit Nebenchören an der Ostseite der
Kreuzarme und einfachem Mittelthurm ; die östlichen Theile frflhgothisch .
Die Pfeiler mit vier Diensten und Capitälen, im Westen ohne Capitäle.
Vergl. Lotz 2, 7.
Altenherg a. d. Lahn. Prämonstratenser - Nonnenkirche , einschiffige
Kreuzkirche mit ausgedehntem Nonnenchor über einer zweischiffigen Halle
mit zwei Fensterreihen , einfach frflhgothisch um 1267. (Kugler, Kl.
Sehr. 2, 179 f.)
1) Jungbluth, F., die Restauration des Aachener Münsters. 1862. — Bock,
Fz.» das Liebfrauenmanster zu Aachen. Ein Vortrag. 1866. — Crem er, R., Be-
sprechung des durch Dr. Bock gehaltenen Vortrages etc. 1 SG6.
in den Kheinlanden. 491
Altenberg bei COln. Die Cisterzienserkircke, ^) ganz nach dem
Systeme des Cölner Domes, jedoch im Langhause nur dreischifiig und der
Sitte des Ordens gemäss einfacher gehalten, ohne Thürme; der Chor 1255
bis 1265, der ganze Bau erst 1379 vollendet; die Rundpfeiler fast durch-
gängig ohne Dienste. Nach einem Brande 1835 — 1S47 hergestellt.
(Schimmel, Westphalens Denkm. in Lief. 8 und 10. — Förster,
Denkm. 9, 9 — 12 und 2 Taf.)
Alt>Breisach. Chor und Thurmfa^ade des Stephansmünsters aus dem
XIV. Jahrhundert.
Abey unweit Worms. Spatgoth. dreischiffige Stiftskirche 1476 — 1499.
Aldenach« Die Franciscanerkirche, Hallenbau mit nur einem Seiten-
schiff, um 1414 — 1463. (Kugler, Kl. Sehr. 2, 243.)
AnMheiM bei Alzey. Kirche von 1430.
BackaTftch. Malerische Ruine der Wernerskirche, ^) eines einschiffigen,
edel gothischen Kreuzbaues mit polygonem Schluss des Chores und der
Kreuzarme und einer Empore im Schiff. Chor geweiht 1293, Schiff
um 1428.
BadeM unweit Carlsruhe. Die verzopfte Stiftskirche, Hallenbau
von 1453 mit einschiffigem Chor und viereckigem Westthurm; Portal von
1518. — Die spatgoth. Spitalkirche ist unbedeutend.
■tScL Albanikirche, nach 1362; seit 1845 verändert. — Bar-
füsserkirche,^; einfache basilikale Anlage, jetzt durchgängig mit flacher
Decke. Rundpfeiler, aus denen die reiche Gliederung der Arkaden bögen
hervorwächst; die Seitenschiffe in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrh. ver-
breitert. Profanirt, — Dominicaner-Nonnenkirche Klingenthal; s. oben
S. 91 f. — Leonhardskirche, Hallenbau mit Netzgewölben, 1496 bis
1500 ; der Kreuzgang daneben in reinerem Stil. — Das Münster, nach
durchgreifender Restauration eines älteren Baues geweiht 1363 ; der südl.
Thurm 1484—1500. Der jüngere der beiden Kreuzgänge 1470—1487. —
Predigerkirche, ^) mit einschiffigem, frühgothischem , 1261 gegrün-
detem Chor und dreischiffigem basilikalem Langhaus mit flacher Decke aus
der zweiten 'Hälfte des XIV. Jahrhunderts. Wie in der Barfüsserkirche sind
Chor und Schiff durch einen Lettner geschieden, der zugleich einen Durch-
gang quer durch die Kirche bildet. Das sechseckige Qlockenthürmchen an
der Südseite des Chores 1420 — 1423. — Theodor kirche 1420, moder-
1 ) Schimmel, Com . , die Cisterzienserab tei Altenberg. 1833. — Zuccal-
maglio, V. T., Gesch. u. Beschreib, des Kl. Altenberg. 1836. — Beltz, C. Ch.,
Altenberg u. seine Kirche, in Lersch, Jahrbuch 1, 201 ff. — Biercher, die Kirche
SU AUenberg in histor. u. architektonischer Beziehung, im Kölner Dombl. 1843.
No. 32 f. — Die Kirche zu Altenberg, im Organ für christl. Kunst. 1857. No. 3 f.
u. 1865. No. 22. S. 255—259.
2) Wagner, R. , die Wemerakirche in Bacharaeh, im Cölner Dombl. 1846.
No. 18. — Weidenbac*h. A. J., Bacharach, Stahleck u. die Wernerskirche. 1854.
— Reichensperger, A., Verm. Sehr. S. 467 — 170.
3} Sarasin, Ad., die Barfüsserkirche in Basel, in den Mitth. der Gesellsch. für
TaterUnd. Alterth. in Basel. III. 1845.
4) Burckhardt, L. A., u. Riggenbach, Gh., die Dominicanerklosterkirche
in Basel, ebd. VI. 1855.
4d2 Oothiache Kirolien
«
nisirt. — Ulricbskirche aus der zweiten Hftlfte des XIV. Jahrh. ; der
Thurm 1440 — 1444. Profanirt.
Beibtetal bei Cochem. Spätgothische Hallenkirche mit runden Pfeilern
und geradem Chorschluss.
* len« Die Marienkapelle um 1465. — Das Münster^) mit ba-
silikalem Langhaus und einschiffigem Chor 1421 — 1520. Kreuzförmige
mit Diensten besetzte Pfeiler und reiche Netzgewölbe. Zwischen den nach
innen gezogenen Strebepfeilern Kapellen. Das -grossartige Hauptportal in
verschwenderischem Schmuck . Westthurm unvollendet. (Riggenbach,
in den Mittheil, der k. k. Central-Comm. etc. (1861). 6, 29—33. —
Förster, Denkm. 10, 47 f. und 2 Taf.) — Die frühgoth. Prediger-
kirche 1277, ähnlich der Kirche dieses Ordens in Basel. '^)
Bingei. Die ursprünglich dreischiffige Pfarrkirche von 1403 wurde im
Jahre 1500 durch den Anbau zweier äusseren Abseiten erweitert.
Bitthirg unweit Trier. Die spätgoth. Oberkirche mit nur einem (sfldl.)
Seitenschiff und modernem Chor.
B«mi. Die Minoriten (Stadt-] kirche von 1450 mit dreischifiig basili-
kalem Langhaus und einschiffigem Chor. Kundpfeiler mit zwei Diensten.
B^pptrd. Die Franciscaner- und die Karmeliterkirche, ^) beide ein-
schiffig, letztere mit einem später angebauten gleich hohen Seitenschiff.
BrtVBfek bei Weilburg. Die Schlosskirche, spätgoth., ohne Bedeutung :
ein niedriger Hallenbau mit capitällosen Rundpleilern.
BrachiuiL Die Stiftskirche von 1444, die Michaelskirche
von 1472.
Calcar« Die Stiftskirche , dreischiffiger Hallenbau mit Rundpfeilern,
nach Kinkel (Kunstbl. 1846 S. 150) das schönste, in sich zur grossesten
Harmonie vollendete Modell des niederrheinischen Backsteinbaues.
Ctnleil. Das Langhaus der 1247 geweihten Stiftskirche, *) frahgothisch
basilikal; Rundpfeiler mit vier Diensten und edlen Laubcapitälen ; sehr nied-
rige Arkaden. Restaurirt.
Castell a. d. Saar. Spätgothische zweischifiige Hallenkirche mit acht-
eckigen Pfeilern, Netzgewölben und schon rundbogigen Fenstern.
ClaweM bei Trier. Die spätgoth. zweischiffige Wallfahrtskirche mit
achteckigem Pfeiler; der Chor geweiht 1474.
Ciefe. Die Capitelskirche von 1334 führt den Stil des nieder-
rheinischen Backsteinbaues in strenger Grossartxgkeit durch : zwei Thürme
erheben sich über dem Westende der niedrigeren Seitenschiffe, welche neben
dem fünfseitigen Chorschlusse vierseitig schliessen und mit zwei Polygon-
seiten über die Fluchtlinie vortreten. Die Arkadenpfeiler sind rund und
nach dem Hauptschiffe zu mit einem Bündel von Rundstäben besetzt, auf
deren Capital die Gurte der einfachen Wölbung aufsetzen. Die Fenster-
1) Probst, das Münster zu Bern. — Stantz, Münsterbuch. Eine artist.-Mst.
Beschreib, des St. Vincenzen- Münsters in Bern. 1865.
2) Das Dominicanerkloster in Bern. Neujahrsblatt 1857.
3) Nolden, die Carmeliterkirche in Boppard. Schulprogramm 1854. Vergl.
Reichensperger, Verm. Sehr. S. 420.
4) Quast, Ferd. v., die Stiftskirche »St. Castor zu Garden a. d. Mosel, in der
Zeitschr. f ür Archäol u. Kunst I, !)U u. Fig. 4U.
in den Rheinlanden. 4^3
bögen sind zum TheÜ mit Maa8S werk geffillt. (Schimmel, Westf. Denkm.
Lief. 6.) — Die Franciscanerkirche, mit nur einem fnördlichen)
Seitenschiff.
Cfotten bei Cochem. Spätgothische zweischiffige Hallenkirche mit
reichen Netzgewölben. Westthurm mit schlankem achteckigem Helm.
€«UeBf • Die frühgothische, 1 239 gegr. Dominicanerkirche mit
sehr niedrigen Abseiten; die Pfeiler der abgetreppten Arkadenbögen ver-
schieden. Profanirt. (Kugler, Kl. Sehr. 2, 239.) — Von der einfach
spätgoth. Franciscanerkirche (1450) steht nur noch der Chor. — Die
einschiffig rechteckige Georgskirche^ spätest gothisch von 1618. (£bd .
S. 249.)
Msar. Das Münster St. Martin, eine 1237 begonnene kreuzförmige
Basilika mit zwei Westthürmen, von denen nur einer vollendet ist. Die
Pfeiler des mit Strebebögen versehenen Langhauses (1263 — 1303) rund mit
vier Diensten und grösstentheils schlichten Capitälen. Der Chor von 1350
mit timgangartigen Anbauten. Die südliche Kreuzfront mit reichem früh-
gothischem Portal, zwei Galerien, einem grossen Fenster zwischen zwei
schmuckvollen Blenden und einer Rose im Giebel. (Schweighaeuser et
Golb^ry Taf. 15 f. — Statz und Ungewitter, Musterbuch, auf Taf.
147. 179 und f.) Vergl. Lotz 2, 82.
CSIft. Der Dom, *) das vollkommenste und wahrhaft classische Bei-
spiel des goth. Baustiles, nicht bloss in Deutschland, sondern in dem ganzen
1) Ritter, C, die Ruinen am Rhein. Ueber die Alterth. von C61n (ein Vortrag
des berühmten Geographen, namentlich über den Born, voll hoher Bewunderung u^
für jene Zeit von feiner Auffassung der deutschen mittelalterl. Kunst), in Vogt u.
Weitzel, Rhein. Archiv für Gesch. u. Litteratur. 1810. 3, 1 99—22 1 .— Der Dom
in Cöln, 1. Heft, mit Kupfern von Prof, Thelott. Dortmund. 1810. fol. —
£. d' (Harne), Histor. Beschreib, der h. Erzdomkirche zu Cöln a. Rh. 1S2I. —
Boisseräe, Sulp., Ansichten, Risse u. einzelne Th eile des Doms von Cöln. 1822
bis 1 83 1 . Prachtausgabe in Folio ; wohlfeile Ausgabe in Quart. 1842. — Desselben
Gesch. u. Beschreib, des Doms von Cöln. (1823). 1842. — Der Dombau zu Cöln.
Beilage zu No. 5 der Cölner Ztg. 1834. — Nachrichten über den Dom zu Cöln. 3
Hefte. Cöln 1839. — Cölner Domblatt. Monatsschrift. Amtl. Mittheil, des Central-
Dombauvereins. 1842 etc. No. 1 — 255. — Zwirn er, E., Vergangenheit u. Zukunft
des Cölner Dombaucs. 1842. — Bruchstücke Über das Entstehen des Grundrisses u.
der ersten Mittel zum Cölner Dombau, in der Zeitschr. für vaterlfind. Gesch. u. Alter-
thumskunde; herausgegeb. von dem Verein für Gesch. etc. Westfalens. 1842. rt,
123 ff — Kugler, Fz., der Dom von Cöln u. seine Architektur, in der Deutschen
Vieite^ahrsschr. 1842. Heft 3. No. XIX. S. 269>-3ll (auch in Desselben Kl. Sehr.
2, 123—152 nebst 2 Taf.) Vergl. Desselben Gesch. der Baukunst 3, 216—22(1. ^
Dal 7, C68., Projet d'achevement de la cath^drale de Cologne, Paris 1842. — La-
comblet, Th. Jos., Urkunden-Samml. für die Gesch. des Niederrheins. 1846. 2,
XVI—XXVII. Vergl. Desselben Archiv für die Gesch. des Niederrheins II. 1. S. 103
bis 180 u. III. S. 177. — Reichensperger« A., Verm. Sehr. IH56. S. 7-54.
319—327. 381—398. 446—448. 454 — 156. (Verschiedene Aufsätze aus den Jahren
1840—1853.) — Schnaase, C, Kunstgesch. 1856. 5, 510—544 u. 6, 67—71.
Vergl. Desselben Abhandl» in den Mittheil. der k. k. Central-Comm. etc. (1861). 6,
137—140. — WeingArtner, W., zur Gesch. des Cölner Dombaues, a. a. O. (1860).
5, 84 — 86. — Springer, Ant., zur Baugesch. des Cölner Domes, in den Bonner
Jahrb. XXII, 102 ff. Vergl. Desselben Abhandl. in den Mittheil. der k. k. Central-
Comm. a. a. O. S. 203 — 207. — Mertens, Fz., u. L»ohde, L., die Gründung des
Cölner Domes u. der erste Dombaumeister, in der Zeitschr. für Bauwesen. 1862.
Otte, Kunat-ArchKologie. 32
494 Gothifldlie Kixcken
Gebiete der mittelalterlichen Kirchenbaukunst. Der Grandrias ergiebt die
fünfschifiige Anlage, in der Grundform des Kreuzes, mit zwei westlichen
Thürmen ; das dreischiffige Querschiff durchschneidet das Gebäude fast in
der Mitte, so dass sechs Joche auf das Langhaus, fünf Joche auf den Chor
fallen, neben welchem sich die vier Seitenschiffe fortsetzen. Während die
äusseren Abseiten nur die drei westlichen Joche des Chores begleiten und
dann rechtwinkelig schliessen, ziehen sich die inneren um das fOnfseitig aus
dem Zwölfeck geschlossene Chorhaupt herum, und zwischen den Strebe-
pfeilern des letzteren sind, von den Abschluss wänden der äusseren Seiten-
schiffe anhebend, sieben mit drei Seiten des Achtedcs schließende Kapellen
angeordnet, welche gewissermassen eine Fortsetzung der äusseren Seiten-
schiffe bilden. Die Abseiten haben die halbe Höhe und jede eineeine die
halbe Breite des Hauptschiffes. Die Pfeiler von rundem Kern sind mit
Diensten von verschiedenem Durchmesser reich besetzt, und die Sockel-
platten haben die Gestalt eines länglichen verschobenen Vierecks, auf wel-
chem die polygonen Basen der einzelnen Halbsäulen ruhen. Der Raum des
Triforiums ist durch eine umlaufende Galerie belebt. — Das Aeussere er-
scheint durch die Doppelreihe der in hohe Spitzthürme auslaufenden, ein-
ander übersteigenden Strebepfeiler und durch die vierfachen Strebebögen
im glänzendsten Schmuck, namentlich an der frei gelegenen Südseite, wäh-
rend die nach einer engen Gasse belegene Nordseite einfacher gehalten ist.
— Die Geschichte des Baues ist noch nicht ganz aufgehellt : die Gründung
fand statt durch den Erzbischof Conrad von Hochsteden am 14. August
1248 ; es kann indess aus verschiedenen historischen Gründen zweifelhaft
erscheinen , ob der Bau in den ersten zehn Jahren wesentlich gefördert
worden sein mag, gewiss aber wurde gegen den Ausgang des XIII. Jahrh.
hin und am Anfange des folgenden eine ernste Thätigkeit entwickelt, so
dass die Weihe des Chores am 27. September 1322 stattfinden konnte.
Hierauf scheint hian eifrig fortgebaut zu haben , so dass die Pfeiler des
Querschiffes bis zu den Capitälen der Abseiten arkaden bald beendigt worden
sein mögen ; auch nahm man das Langhaus in Angriff und war besonders
an der Aufführung des südlichen Thurmes thätig, welcher im Jahre 1437
bis zum dritten Geschosse vorgerückt war. Für die südliche Kreuzvorlage
und den nördlichen Thurm, sowie für das ganze Langhaus mit Ausnahme
Sp. 163^198. 339—368; nebst Nachtrag von v. Quast, ebd. Sp. 497—500. Vergl.
auch den Aufsatz von 6. Eckerts ebd. Sp. 367—370. — Ennen, L., Baugesch.
des alten u. neuen Domes zu Cöln. 1863. Vergl. Organ für christl. Kunst. 1863.
No. 15 f.
De Noel, M. J., der Dom zu Cöln. (1834). 2. Aufl. 1837. — Binser, A. t.,
der Cölner Dom, in 4 Stahlst. erUutert. 1840. — Kiefer, Neue u. vollatänd. Be-
schreibung des Domes von Cöln. 1840. — Pfeil Schmidt, £. H., Gesch. des Doms
SU Cöln. 1842. — Schücking, Chr. Beruh. Levin, der Dom zu Cöln u. seine Voll-
endung. 1842. — Gerhardt, £., u. Levy-Elkan, D., Erinnerung an den Dom
zu Cöln. (1845.) — Elsen, F. C, Neueste Beschreib, des Domes zu Cöln. (1856).
2. Aufl. 1857. — Der Dom zu Cöln, in der lUustr. Ztg. 1864. No. 1082.
Ueber den Vollendungsbau des Domes vergl. die Bauberichte der Dombaumeister
Zwirner u. Voigtel (No. 1 — 56) im Cölner Dombl. , abgedruckt auch in der
Zeitschr. für Bauwesen. — Ein Artikel zur Literatur des Cölner Domes im Dombl.
von 1847. No. 30 ff.
in d«n BlieiiilAiiden. 4^5
des nördlidien, zu Anfalle des XVI. Jahrh. Oberwölbten und verglasten
Seitenschiffes war am wenigsten gethan, als um diese Zeit der Bau völlig
ins Stocken gerieth. Der allein ganz vollendete Chor war schon frflhzeitig
nach Westen zu durch eine unten 7' dicke interimistische Giebelmauer (be-
seitigt 1863) geschlossen worden, und auch auf der Sfld- und Nordseite
des Chores waren am Querschiffe Abschlussmauem (fortgenommen 1848)
errichtet. — Es lässt sich an dem Chore eine dreifache Entfaltung des goth.
Baustiles nachweisen : Erstes Stadium: Die untere Hälfte des Chores
bis dahin, wo das Mittelschiff sich über die Nebenrftume erhebt. Zweites
Stadium: Der obere Theil des Mittelschiffes im Chor. Drittes Sta-
dium: Das System von Strebe- Thürmen und Bögen, die sich Aber den
Seitenräumen des Chores erheben, zu deren ursprünglich nicht in dieser
Weise beabsichtigten Anlage man bereits fertige Theile verändern und schon
vorhandenen bildnerischen Schmuck theilweise wieder zerstören musste. —
Der Dom von Cöln ist mit Hecht als das höchste Wunderwerk der christ-
lichen Baukunst zu preisen : denn, obgleich bei der ersten Anlage nord-
französische Vorbilder stark benutzt wurden (s. oben S. 471), so ist doch
bei der allmählichen Ausbildung des ursprünglichen Planes das Princip des
goth. Baustiles, wie nirgend anderswo, mit der genialsten Consequenz
bl6 zur Verkörperung des Ideals entwickelt worden, wie dies namentlich
von den etwa aus der Mitte des XIV. Jahrh. herrührenden Originalzeich-
nungen derThürme (oben S. 28) anzuerkennen ist. Kleine Inconvenienzen,
K. B. die Verdeckung der westlichsten Fenster des Langhauses bis zur
Hälfte ihrer Breite durch den riesigen Unterbau der Thürme, die Zusam-
menpressung des Zwischenbaues zwischen letzteren etc. können nicht in
Betracht kommen. Bedauerlich bleibt allein die Wahl eines Bausteines
(Trachyt vom Drachenfelsen), welcher zwar von schöner graugrünlicher
Farbe, aber leider mit unzähligen Stückchen eines leicht verwitternden
Feldspaths durchwachsen ist, was, zumal bei der traurigen Vernachlässigung
des Gebäudes im vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts, den Ruin
einzelner Theile ded Riesenbaues zur Folge hatte , dem indess durch eine
schwierige Reparatur (1824 — 1842) auf lange Zeit glücklich abgeholfen
worden ist. In den nun folgenden 21 Jahren wurde nach dem grossen Ge-
danken Königs Friedrich Wilhelm IV. der Vollendungsbau des ganzen
Domes (mit einem Kostenaufwande von 2,220,000 Thalern) aus Staats-
mitteln und aus freiwilligen Beiträgen deutscher und fremder Fürsten und
des katholischen und evangelischen Volkes von ganz Deutschland verwirk-
licht. Die Weihe fand am 15. October 1863 statt; die Thürme hofft man
im nächsten Decennium zu vollenden. (Gailhabaud, Denkm. Bd. 3
No. 3. — Kallenbach, AÜas. Taf. 36. 39—41. 50. — Ouhl und
Caspar, Denkm. Taf. 54a. h. c. — Springer, Baukunst. Taf. 18. 21.
23 f. — Förster, Denkm. 7, 47—68 und 7 Taf. — Photographien von
Michiels, oben S. 270. — Details u. A. bei Grueber, Vergl. Samml.
I, Taf. 9. n. Taf. 23 f. und 34. — Statz und Ungewitter, Muster-
buch 45 f. und 63. — Vergl. oben S. 51 Fig. 21. S. 484 Fig. 212. S. 485
und 486 Fig. 213. 216. 217.)
St. Columba, s. oben S. 325. — Kreuzgang und Dorniitoriiim der
zerstörten Johanniterkirche 1483 — 1490. — Der spätgoth. Kreuz-
32*
4d6 GothiBche Kirchen
gang der ehemal. Karthause (Lazareth). — Die 1260 geweihte, einfach
frühgoth . Minoritenkirche^) mit basilikalem Schiff und einschiffigem
Chor. Rundpfeiler mit vier Halbsäulen und meist schlichten Capitälen.
Die Strebepfeiler der Seitenschiffe entwickeln sich erst aus den unten stär-
keren Mauern und senden Strebebögen gegen den Hochbau. (Kugler
a. a. O. S. 233. — Essen wein, in den Mitth. der k. k. Central-Comm.
3, 98.) Der Kreuzgang mit Holzdecke und Flachbogenfenstern. (Kugler
a. a. O. S. 23S.) — St. Peter, ^) eine 1524 begonnene basilikale Kirche
mit Emporen über den Seitenschiffen; viereckige, an den Ecken ausge-
kehlte Pfeiler. — Rathhauskapelle, geweiht 1426, mit zierlichem
Dachreiter. (Zeitschr. für Bauwesen. 1857. Taf. 1.) — Das basilikale
Langhaus, der Chorschluss und der obere Theil der Östlichen Thürme von
St. Severin aus dem XIV. Jahrh. ; die Pfeiler rund mit vier starken und
vier schwachen Gurtträgem. Der Westthurm, im niederrheinischen Ge-
schmack aus Ziegeln, 1394 — 1411. Der Kreuzgang, ebenfalls aus dem
XIV. Jahrh. »)
C«MttM. ^} Ueber den Dom s. oben S. 327. Der Kreuzgang und
die anstossenden Säle, bis um 1480. Die frühgoth. polygone Heil. Grab-
kapelle in der runden, mit gerade geschlossenem Chor versehenen Morrtz-
kapelle. — Die Ruine der einfach frühgoth. Dominicanerkirche v5n
basilikaler Anlage mit gerade geschlossenem Chor und Holzdecke; die
Pfeiler rund mit achteckigen Capitälen . — Die Stephanskirche, 1428
bis 1486, einfach, mit Holzdecke; achteckige Pfeiler mit schlichten Ca-»
pitälen.
€«68 a. d. Mosel. Die kurz vor 1458 erbaute Hospitalkirche, in wel-
cher das Gewölbe des quadratischen Schiffes auf einer Mittelsäule ruht.
(Schmidt, Baudenkm. in Trier. Lief. 3. Taf. 10.)
ivbhvg. Die einschiffige Minoritenkirche mit unsymmetrisch
angesetztem Chor; die Strebepfeiler entwickeln sich aus den unten stär-
keren Mauern und sind meist nach innen gezogen ; die zweitheiligen Fenster
im Bogenfelde mit einfachem Steinring. (Ungewittef, Lehrbuch Taf. 20
Fig. 551 f.) — Die Salvatorkirche (Backstein mit Hausteindetails und
Tuffstein- Verblendungen) , 1415 — 1507, reiche basilikale Anlage mit nicht
ausladendem, giebellosem Querschiff und drei Chören. Rechteckige, abge-
kantete Pfeiler mit zwei Diensten an den Frontseiten. Restaurirt. Vergl.
Lotz 1, 188.
Mirkheiv. Die dreischifilg basilikale Hauptkirche mit Kreismaasswerk
in den Fenstern und schwerem Südportal.
Edlger bei (Cochem. Spätgothische zweischiffige Hallenkirche mit zwei
Rundpfeilem ; Giebeldächer.
1) Braun, J. W. J., das Minoritenkloster u. das neue Museum. 1862. VergU
Organ für christl. Kunst. 1862. S. 150.
2) Mering, P. E. v. , die Peterskirche u. die Cäcilienkirche in Cöln a. Rh.
(1834). 2. Aufl. 1836.
3) Der Kreuzgang Ton St. Severin in Cöln, nebst Ansicht desselben u. der Kirche,
im Organ für christl. Kunst. 1862. No. 1.
A) Ansichten der goth. Kirchen bei Bergmann, J., Samml. der Torzflglichsten
Merkwardigkeiten des Grosshersogth. Baden. 1825.
in den Rheinlanden. 497
BUei bei Emmerich. Die Kirche, spätgoth. Ziegelbau, eine verklei-
nerte Copie von St. Algund in Emmerich.
Eltfille. Der spätgoth. Kirch thurm mit zierlichem Leistenwerk.
EMMerich. Die Algundenkirche, Ziegelbau von 1483 mit drei
fast gleich breiten und gleich hohen Schiffen ; gegliederte Pfeiler. West-
thurm aus Tuff. — Die spätgoth. Backsteinzusätze am Münster.
Srkeleu im Reg. -Bez. Aachen. Die Kirche, einer der grossartigsten
und interessantesten spätgoth. Ziegelbauten am Rhein.
KMei. Der gerade geschlossene dreischiffige Ostchor und das Langhaus
des Münsters 1265 — 1316; glatte Rundpfeiler mit Laubcapitälen ; Quer-
haua zweischifßg; die nach innen vortretenden Strebepfeiler mit Durch-
gängen einer Galerie. — Die westlich am Vorhofe des Münsters belegene
Johanniskirche, Hallen bau von 1471 mit quadratischem Chor.
Nnrich bei Andernach. Einschiffige Kapelle 1369. ^)
helhirg im Breisgau. Das Münster:^) das Langhaus mit dem Unter-
bau des vor der Mitte der Fa^ade vortretenden Thurmes erscheint als von
Osten nach Westen vorgeschrittene Fortsetzung des spätroman. Querschiffes
und gehört dem Verlaufe des XIII. Jahrh. an. (Die Pfeiler, eine Zusammen-
häufung von Halbsäulen über einer viereckigen Grundform bildend, schlies-
sen sich den roman. Pfeilern der Vierung an.) Der achteckige Obertheil
des Thurmes, ersichtlich von dem ursprünglichen einfacheren Plane ab-
weichend, ist von keinem unter allen zur Ausführung gekommenen goth.
Prachtthürmen an Reichthum, Kühnheit und Adel der Formenbildung
übertroffen. — Der Chor, gegründet 1354, erbaut 1471 — 1513, mit seinem
Kapellenkranz und seinen aus den schlanken Pfeilern emporwachsenden
Netzgewölben vergegenwärtigt die letzte Entwicklung des goth. Stils.
(Moller, Denkm. IL Lief. 19 — 22. — Schreiber, Denkm. am Ober-
rhein. Heft 2. — Gailhabaud, Denkm. Bd. 3. No. 4 mit Text von
Kugler (s. in Dessen Kl. Sehr. 2, 410—415 und 520). — Förster,
Denkm. 2, 51—54 und 2 Taf. — Theile bei Statz und Ungewitter,
Musterbuch auf Taf. 87. 92. 94—96. 113. 154. 156.)
lislach im Elsass. Collegiatkirche von basilikaler Anlage mit einem
Westthurm: der Chor seit 1274, das.Uebrige im XIV. Jahrh. (Schweig-
haeuser et Golbery 2. Taf. 21.)
latieip^H bei Münstennaifeld. Kirche mit einem Mittelpfeiler im
Schiff, ähnlich der Hospitalkirche in Cues.
ieiilelheif . Heil. Geistkirche, Hallenbau mit Chorumgang, seit
1398. Rundpfeiler mit weh ausladenden Kämpfergesimsen. Seitenschiffe
mit zwei Reihen Fenster. — Peterskirche, einschiffig mit Holzdecke;
der schmälere Chor gewölbt; roher ü^estthurm ; 1491. Vergl. Lotz 2, 136.
lelnsheif. Die Stiftskirche St. Gangolf, Ziegelbau, dessen drei gleich
hohe Schiffe von schweren viereckigen, mit Gurtträgem versehenen Pfeilern
1) Re ich ensp erger, A., die Kapelle in Fornich betr. (1844), in Venn. Sehr.
S. 333 f.
2) Müller, J. N., Führer durch die Dom- u. Münsterkirche «u Freiburg i. B.
1839. — Engelberger, G., Beschreib, der Domkirchc zu Freiburg i. B. 1847. —
Mone, F. J., über das Münster su Freibuig, in der Zeitschr. für die Oesch. des
Oberrbeins. 1852. 3, 17-38.
498 Gotbiache Kirchen
geschieden werden. Das untere Langhaue, geweiht 1262; die Sterngewölbe
des Mittelschiffes aus dem XIV. bis XV. Jahrh. ; ebenso der Chor und der
Thumi. Restaurirt. S. oben S. 330.
lensheim bei Worms. Hallenkirche mit einfachem Westthurm, 1478.
Gewundene achteckige Pfeiler. Vergl. Lot« 2, 176.
HaUenhttten. Die 1288 erbaute Stiftskirche, ein dreischiffiger
oblonger Hallenbau mit zwei Fensterreihen ; über dem noch romanisirenden
Chor ein achteckiger Thurm und über dem Westende der Seitenschiffe, die
mit Giebeldächern versehen sind, zwei gleichfalls achteckige Thüme, wie
der ('horthurm mit Spitzhelmen. Die Pfeiler des Innern sind sechseckig,
mit Diensten an zwei Seiten und Laubcapit&len. Ueber dem schmucklosen
Westportal eine Fensterrose ; an der Nordseite eine schöne Vorhalle. (Sig-
hart, Bayer. Kunstgesch. S. 330 No. 116.) — Die einfache Francis-
canerkirche mit nur einem Nebenschiffe und Rundpfeilem ohae Capi-
t&le, jetzt flach gedeckt. Der von der Axe abweichende Chor adieint später
zu sein als das Uebrige.
Helkerg unweit Mayen. Zweischiffige Hallenkirche mit zwei Rand-
pfeilern.
leMpciich bei Mayen. Spätgothische zweischiffige Hallenkirche mit
drei achteckigen Pfeilern.
Uedttkh bei Wiesbaden. Die Karmeliterkirche, spätgoth.
Hallenbau mit Emporen in den Seitenschiffen und einschiffigem, 1481 ein-
gewölbtem Chor. Achteckige Pfeiler. Sacrlstei mit zierlichem Giebel. —
Die Michaeliskapelle, ^} brillant spätgothisch von 1449, mit erker-
artiger Apsis, altanartigem Vorbau an der Nordseite und schlankem West-
thurm. Restaurirt seit 1854. (Quaglio, Merkw. Gebäude IL 1. Taf. 2. —
Kallenbach, Chronologie. 2. Taf. 20.)
ILirclherg bei Simmern. Spätgothische Hallenkirche mit einschiffigem
Chor. Rundpfeiler. (Detail in Kugler, Kl. Sehr. 2, 244.)
lUapeilch bei Adenau. Zweischiffige spätgoth. HaUenkirche mit drei
achteckigen Säulen.
Kreuiach. Der zierliche Chor und das Querschiff an der Evangel.
Kirche 1332. — Die Kathol. Kirche, frühgoth. Basilikcnanlage mit
kurzen Rundpfeilern und abgetreppten Arkadenbögen. — Der Chor der
profanirten Liebfrauenkirche auf dem Wi5rth, begonnen 1 40^ .
ILyllharg unweit Trier. Die einschiffige frühgoth. Stiftskirche, begonnen
1276, mit schmälerem Chor und Thurm auf der Nordwestecke. Der etwas
spätere Kreuzgang liegt zum Theil in Trümmern. (Schmidt, Baudenkm.
von Trier. Lief. 3 Taf. 4.J
LadealMUrg bei Heidelberg. Gallu^rche, von basilikaler Anlage mit
Thürmen statt der Kreuzarmc und einsclkifilgem Chor^ mit Ausnahme des
südlichen, 1412 begonnenen Thurmes im strengen Stil. Niedrige glatte
Rundpfeiler mit schlichten Polygoncapitälen. Strebeböfon zerstört. Vergl.
Lotz 2, 232.
1) Hochstettcr, J., Mittelalterl. Bau wecke im Büdwestl. Beutachland u. am
Rhein. (1S57). (Enthält auf 9 Taf. die Michaeliskapelle in Kiederich.)
in den lUieinlanden. 499
in der Pfalz. Die profanirte Augustinerkirche von 1407,
dreischiffig basilikal mit einschiffigem Chor; Rnndpfeiler mit einfachen
Kämpfern. Ein schön durchbrochener Dachreiter in Westen. — Die gleich-
falls profanirte Katharinenkirche von 1341, dreischiffig mit Rund-
pfeilern.— Die Stiftskirche von 1281, dreischiffig mit einschiffigem
Chor, jetzt im Hauptschiffe mit flacher Decke. Rundpfeiler mit einfachem
Kämpfer. Schönes Westportal. Im Jahre 1458 wurde der Thurm und
1466 ein viertes Seitenschiff angebaut.
Itltertach bei Oberkirch. Einschiffige 1471—1483 erbaute, seit
1846 restanrirte, verlängerte und mit einem Thurm versehene Kirche. ^]
Umh« am Bodensee. Die profanirte Franciscanerkirche von
1270: hoch, leicht, einschiffig und sehr einfach; eleganter ist der dem
XIV. Jahrh. angehörige Chor, aber wie das Schiff nur mit flacher Decke
und deshalb ohne Streben. — Die evangel. Kirche.
Um bei Andernach. Veränderungen an der Kirche 1512 ; der schlanke
Thnrmhelm nach 1391.
laisf. Der Chor der Antoniterkirche mit südlich anliegender
Kapelle, zierlich gothisch aus dem XIV. Jahrh. — Das basilikale Lang-
haus der Cristophoruskirche, 1292 begonnen . Niedrige Rundpfeiler
mit vier Gurttrftgem. — Mehrere reiche Fenster etc. in den Seitenkapellen
des Domes 1292 — 1332 ; das Maasswerk zum Theil erneuert. (Moller,
Denkm. I. Taf. 44 und 54. — Statz und Ungewitter, Musterbuch.
Taf. 145.) Der Kreuzgang zwischen 1397 und 1412. — St. Emmeram,
spätgoth. mit niedrigen Seitenschiffen und einschiffigem Chor. Achteckige
Pfeiler; um 1450. — Karmeliterkirche, spätgoth. basilikaler Bau
mit einschiffigem Chor, vollendet 1404. Pfeiler mit acht ungleichen Seiten.
Magazin. — St. Quintin, Hallenkirche mit einschiffigem Chor, geweiht
1348; SeitenschifFgewölbe 1425 — 1430. Pfeiler viereckig mit vier runden
Diensten, (v. Wiebeking, Baukunde Taf. 61.) — St. Stephan, doppel-
chörige Hallenkirche in der Grundform des Kreuzes mit gerade geschlos-
senem Westchor, XIII. bis XIV. Jahrh. Rundpfeiler mit vier Gurtträgern
und Laubcapitälen. (Details bei K allen b ach, Chronologie. 2. Taf. 13.
— Moller, Denkm. I. Taf. 38. — Ungewitter, Lehrbuch Taf. 28.
Fig. 660a.) Der Kreuzgang von 1499. (Ungewitter a. a. O. Taf. 11.
Fig. 278 Ä. und c.) Vergl. Lotz 2, 258 ff.
lanehaeh bei Adenau. Spätgothische zweischiffigc Hallenkirche mit
drei Pfeilern.
lufolsUMll^ nördlich von Hachenburg. Cisterzienserkirche , ^) nach
dem Plan der französischen Kathedralen. Der Chor, begonnen 1227, mit
Umgang und Kranz von sieben n||h halbrunden Apsidiolen ; an der Ost-
seite des Querhauses nach der Weise des Ordens je zwei viereckige Ka-
pellen. Das Schiff i^eiht 1330. Schwere RundpfeUer mit meist schlichten
(nur in der OstpärCe korinthisirend geschmückten) Kelchcapitälen , über
welchen Halbsäulchen als Gurtträger mit besonderer Basis aufsetzen. Im
1) SensbuTg, £., die Kirobe zu Lautenbach, mit Abbild. 1830.
2) (Book, Fb.), die ehemal. CistorzieBBeiv Abteikirche Marienstadt [Nassau], im
Oxgan für chrisü. Kunst. 1860. No. 19 u. 20 nebst 2 Taf.
500 Gothische Kiruhen
Chor und im südl. Kreuzarme ein triforienartiger Umgang mit gebrochenen
Rundbögen. Aeusserlich schwere einfache Strebebögen.
Iftyei. Die einfach spätgoth. Pfarrkirche^ Hallenbau mit Rund-
pfeilern, aus denen die Profilirungen der Wölbung hervorwachsen.
lekenheiM in Hessen-Hombuig. Evangelische Kirche, ^) ein spätgoth.
Hallonbau mit einschiffigem Chor und ins Achteck umspringendem vier-
eckigem Thurm vor der Westseite, angeblich erst 1479 begonnen. Die
Dienste der Rundpfeiler gehen in die Gewölberippen über. Strebepfeiler
mit Giebelbedachungen.
letl. Der Dom, ^j basilikaler Prachtbau in der Grundform des Kreuzes
mit Chorumgang und Kapellenkran z und zwei Thürmen über der Mitte der
Seitenschiffe, welcher schon im XIII. Jahrh. begonnen, dann nach langer
Unterbrechung um 1327 weiter geführt und in der spätgoth. Ostpartie
(i486 — 1520) erst 1522 vollendet und 1546 geweiht wurde, jedoch auch
in den späteren Theilen im Sinne der älteren ausgeführt ist. Rundpfeiler
mit Laubcapitälen, theils mit vier, theils mit acht Diensten besetzt, auch
nackt. Seit 1830 restaurirt. — St. Eucharius, roh spätgoth. Umbau
einer Basilika der Uebergangsperiode. — St. Martin, basilikale Kreuz-
kirche, deren Kreuzarme jedoch nicht vorspringen. Rundpfeiler mit Laub-
capitälen, über welchen die Bündeldienste erst beginnen. Der westl. Theil
mit einer grossen Empore noch im Uebergangsstil. — Das Langhaus der
aus der Uebergangszeit datirenden Kirche St. Maxim in, spätgothisch mit
Rundpfeilem. — St. Segolene, einfach frühgothisch mit zwei Neben-
chören und zwei Ostthürmen. — St. Vincens, edel goth. Basilikenbau
in Kreuzform mit zwei Thürmen in den Ecken zwischen dem Quer- und
Altarhause . an welche erstere sich polygone Apsiden schliessen. Rund-
pfeiler, mit 16 stUrkeren und schwächeren Gurtträgern und Laubcapitälen.
— Vergl. Lotz 2, 281 f.
■iinster bei Bingen. Einschiffige spätgoth. Kirche mit zierlichem Netz-
gewölbe.
■iluteniiayfeld unweit Coblenz. Schiff und Querschiff der Martins-
kirche, frühgothisch. Rundpfeiler mit Bflndcldicnsten. Schwere Strebe-
bögen.
NtMeiiy bei Andernach. Die Klosterkirche, zweischiffiger Hallenbau
mit achteckigen Pfeilern und etwas schmälerem Chor^ vollendet im zweiten
Jahrzehnt des XVI. Jahrb. (Ungewitter, Lehrbuch. Taf. 21 Fig. 568.)
KcttSttdt a. d. Haardt. Die Hauptkirche, basilikal dreischifiig mit
Rundpfeilern , denen in Landau ähnlich ; der Chor um 1 394 ; die beiden
einfach viereckigen Westthürme erst seit 1487. (Sighart, Bayer. Kunst-
geschichte. S. 387 No. 151.) j^
Neder-Litziogea. Einschiffige spätgoth. Kirche.
MernfDdig bei Mayen. Spätgothischc Kirche mit drei fast gleich hohen
Schiffen , achteckigen Pfeilern und sehr zierlichen Nitzgewölben. Keine
Streben.
I) Vergl. Gubitz, F. W., Jahrb. des Nützlichen etc. 1S42. S. 1 72 f. mit Abbild.
*i) Bägin, £. A., Uistoire et description pittoresque de la cath^drale de Metz.
2. Voll. 1&43.
in den Rheinlanden. 501
fberwesel. Ruine der Franciscanerkirclie, eines spätgoth. Hallen-
baues mit nur einem (sQdl.) Seitenschiff und übereck stehenden viereckigen
Pfeilern. — Die Stiftskirche u. 1. Fr. mit basilikalem Langhaus, ein-
schiffigem Chor und unten viereckigem, oben achteckigem Thurm, geweiht
1331. Sechseckige Pfeiler mit rechteckiger Vorlage an der Front. Strebe-
pfeiler nach innen gezogen, im Chor für einen Mauerumgang durchbrochen,
(Quaglio, Merkwürd. Gebäude. II. 1. Taf. 3.) — St. Martin, spät-
gothisch , mit hur einem niedrigeren Seitenschiffe auf der Nordseite und .
achteckigen Pfeilern ; über dem Westende ein Thurm.
Mf rwintfr bei Unkel. Kleine spätgoth. Kirche, in dem mit Holzdecke
versehenen Langhause mit nur einer (nördl.) Abseite, im Chor mit nach
innen gezogenen Strebepfeilern und Netzgewölben. Vergl. Lotzl, 485.
fppenhelM. Die Katharinenkirche:^] das mit zwei niedrigen sich
in den Hauptchor und in die Kreuzarme Öffnenden Nebenchören versehene
Altarhaus, angeblich begonnen 1262, in einfachen frühgoth. Formen; der
Prachtbau des basilikalen Langhauses im ausgebildeten Stil mit reich ge-
gliederten, im Kern Obereck stehend viereckigen Pfeilern und in den Fenstern
der Seitenschiffe schon mit bloss decorativem, aber glänzendem Maasswerk.
Zwischen den Strebepfeilern der Seitenschiffe sind unterhalb der breiten
Fenster niedrige Kapellen angebracht, die sich nach innen in Spitzarkaden
öffnen und einen Umgang tragen, während ein äusserer Umgang die Strebe-
pfeiler durchbricht ; die .ehemal. Sti^bebÖgen sind zerstört. Ueber dem
Kreuze erhebt sich ein achteckiger Thurm mit hässlichem Zopfdach. Das
schöne Westportal zwischen den beiden (älteren) Thürmen wird durch den
erst 1439 geweihten, jetzt in Trümmern liegenden Anbau des gleichfalls
brillanten Westchores verdeckt; die übrige Kirche ist restaurirt. (Moller,
Denkm. I. Taf. 31—37. — Kallenbach, Atlas. Taf. 46. —Förster,
Denkm. 6, 23—26 u^d 2 Taf.) Ueber den Karner auf dem Kirchhofe s.
oben S. 262.
Pfalzel bei Trier. Kleine edel goth. Kapelle, deren Schluss so aus vier
Seiten eines Achtecks gebildet ist, dass die Axe in eine Ecke fällt. (Kug-
1er, Kl. Sehr. 2, 225.)
Ihetabftch bei Bonn. Einfache spätgoth. Hallenkirche mit achteckigen
Pfeilern, die unmittelbar in die Wölbung übergehen.
Mehfeb bei St. Goar. Kuine der 1315 gegr. Schlosskapelle.
lUkeskyll unweit Adenau. Die der Hospitalkirche in Cues ähnliche
Kirche aus der Zeit zwischen 1511 und 1535.
lUseithftl bei Eisenberg. Spätgothische Ruine der Cisterzienser-Non-
nenkirche: ein gestrecktes Langschiff mit einer Empore, die bis zum Altar-
raum reichte ; am Giebel ein ausgeklagtes Thürmchen.
ftMeiweiler bei Rosheim. Chor und Thurm der Pfarrkirche aus dem
XIV. Jahrb.
Rüffftch. Die reich ausgestattete Westseite der Kirche.
SaiurweHea. Der Chor der Kirche, der mittelst eines Emporganges
mit dem ehemal. grätlichen Schloss verbunden war.
1) Maller, Fs. Hub., die St. Katharinenkirche zu Oppenheim. 1824. (Pracbt-
werk mit 40, s. Th. colorirten Kupfern. 3. Auag. 1853.)
502 OothUche Kirchen
SftlMMMttWeUef am Bodensee. Cisterzienserkirche in der Grundform
de» Kreuzes mit Kapellen längs der niedrigen Seitenschiffe und gerade
schliessendem Chor, dessen Ostwand mit grosser Fensterrose beleuchtet
ist; erbaut 1282 — 131 1 , aber erst um 1430 vollendet. Vergl. Lotz 2, 429.
Sl. Amal. Die Stiftskirche mit frühgoth. Chor and Querschiff und
Strebemauem unter den Dächern der halb so hohen Seitenschiffe des 1315
begonnenen, über der Westseite mit einem Thurm versehenen Langhauses.
Gegliederte Pfeikr von kreuzförmigem Kern. (Schmidt, Baudenkm. in
Trier. Lief. 3. Taf. 6-. — Kugler, Kl. Sehr. 2, 223.)
8t« fi«ar. Die Stiftskirche, Hallenbau mit Mhgoth. Chor und spätgoth.
Langhausc nebst Westthurm, 1441 — 1469. Achteckige Pfeiler mit je zwei
Halbsäulen; Emporen über den Seitenschiffen; Netzgewölbe.
St. Lftnprecht bei Neustadt a. d. H. Dominicaner- Nonnenkirche aus
dem Xiy. Jahrh., ein edel goth. einschiffiger Bau, dessen westlichen Theil
eine Nonnenempore mit schöner Brüstung einnahm.
St. Weidel. Hallenkirche (geweiht 1360) mit einschifiigem Chor und
westlichem Thurm ; glatte Rundpfeiler als Stützen der einfachen Netzge-
wölbe. ^) (Schmidt, Baudenkm. in Trier. Lief. 3 Taf. 10.)
Sftya« Der Chorschluss der Klosterkirche, sechsseitig aus dem übereck
gestellten Achteek.
Sdllettstailt. St. G^org, basilikale edel goth*. Anlage von Kreuzform
mit gerade geschlossenem etwas älterem Chor, hohem Westthurm und acht-
eckigem Thurm über der Vierung. Rundpfeiler mit vier Diensten und
Laubcapitälen. Am Schiff Strebebögen. Reiches Portal an der Südseite.
(Statz und Ungewitter, Musterbuch. Taf. 179 Fig. 3 f.) Vergl.
Lotz 2, 457.
SchwaieaUrdie ^ bei Carden. Thurmlose Hallenkirche mit einschiffigem
Chor, um 1473. Nackte Rundpfeiler mit achteckigen Basen und Capitälen
als Stützen der Netzgewölbe. Restaurirt. (Kugler, Kl. Sehr. 2, 245.)
SiMnera unweit Bingen. Spätgothische Hallenkirche mit rohen acht-
eckigen Pfeilern und Sterngewölben; der durch eine Mauer abgetrennte
Chor im Verfall.
S^benhetai unweit Bingen. Spätgothische Hallenkirche von etwas ge-
drücktem Verhältniss mit kleinem und niedrigem Chor. Achteckige Pfeiler ;
zierlich decorirtes Nordportal. Thurm vor der Westfront mit steinerner
Spitze.
Speler. Der sehr entstellte Chor der Augustinerkirche, angeb-
lich von 1265. — Der einfache Chor der Dominicaner- (Seminarkirche),
geweiht 1308; restaurirt 1827.
Straeiea unweit Wesel. Die Pfarrkirche, ein spätgoth. Ziegelbau mit
roman. Resten aus Tuffstem.
1 ) Bemerkungen über die Zeit« in welcher die St. Wendeler Pfarrkirche erbaut
worden ist, in Kugler's Kl. Sehr. 2, 226—231.
2) Reichen s per ger, A., die Schwanenkirche bei Font auf dem Haifelde, in
Venu. Sehr. S. 111—12] u. Taf. 6 f.
in den Rheinlanden. 503
Stranbtrg. ]>a8 Münster^) zeigt die Entmckelung der goth. Bau-
weise seit der Zeit des Romanismns von ihren strengen Anfängen bis zu
ihrer edelsten Ausbildung und ebenso in ihrer Abnahme und volligen Aus-
artung durch alle Stufen. Das Langhaus mit seinen in 16 Säulchen geglie-
derten Pfeilern hat noch einigermassen schwere Formen ; es wurde bis 1275
vollendet und gleicht dem Münster von Freiburg, das es jedoch an Durch-
bildung des Stils übertrifft;. Die weltberühmte Fa9ade, gegründet 1277,
25. Mai, befolgt zwar in den angebrachten trennenden Horizontalgalcrien
den französischen Kathedralenstil, bildet denselben jedoch selbständig und
dem Princip der Qothik gemäss in edelster Weise aus und um ; sie zerfällt
in drei Etagen, deren untere die drei Portale, die mittlere ein grosses Rad-
fenster, und die obere, von dem ursprünglichen Entwürfe abweichende,
drei hohe Spitzfenster enthält. Von reizender Wirkung ist besonders die
Anwendung des in einiger Entfernung vor der Vorderwand angebrachten
leichten, vielfach durchbrochenen und reich gegliederten Stab- und Maass-
werkes, welches sich gleichsam wie ein frei schwebender Steinkranz um
die grosse Fensterrose legt. Die Farade war zwar im Wesentlichen im
Jahre 1339 vollendet, die Plattform ist indess erst 1365 ganz zu Stande
gekommen. Von den projectirten beiden Thürmen ist nur der nOrdliche
fertig geworden : derselbe befolgt nur bis zu den Fenstern des Gloeken-
hauses den ursprünglichen Plan und ist in seinem Oberbau in zwar will-
kürliehen, aber von technischer Meisterschaft zeugenden, spätgoth. Formen
erst 1439 vollendet worden. (Schreiber, Denkm. am Oberrhein. Lief. 3.
— Chapuy, Cathedrales. Lm. 10 — 12. — Details bei Statz und Un-
gewittter, Musterbuch auf Taf . S8 f . und 93^. — Ungewitter, Lehr-
buch. S. 387 und auf Taf . 1. 13—15 und 27.)
Alt-St. Peter, ^) mit schönem spätgoth. Chor von etwa 1450; das
Uebrige von 1428 und 1381. — Die 1260 geweihte einfach frühgoth. Do-
minicanerkirche, ^) ursprünglich von basilikaler Anlage, aber mit später
erhöhtem südl. Seitenschiff. Die ursprünglichen Pfeiler rund mit schlichten
Capitälen, die späteren concav achteckig ohne Capitäle. Der jetzt als Bi-
bliothek dienende abgetrennte^ Chor 1308 — 1345 in schlanken Formen.
1) Schadaeus, Ca., Summum Argent. templiun: d. i. : Ausfflhxlicke v.
Eigendtliche Beschreib, etc. (Mansterbachlein). 1617. — (Bohr), Strassburger
Münster- u. Thurn- Büchlein. (1732). 4. Aufl. 1773. — (Boehm), Description
nouvelle de la cath^drale de Strasbourg et de sa fameuee tour. 1743. — (Göthe),
Von deutscher Baukunst.. D. M. Erwini a Steinback. 1173^ in: Von deutscher Art
u. Kunst. Hamburg 1773. S. 119 — 136. — Grandidier, Essais bist, et topogr.
Bur VögUse catb^rale de Strasbourg. 17S2. — Schuler, Th. , das Strassburger
Münster. 1817. — De Wette, W. M. L., das Strassburger Münster, in Zschocke,
Erheiterungen. 1822. Heft 2. S. 141 ff. — Schneegans, L. , Essai bist, sur la
cathädrale de Strasbourg. 1836. (Uebers. von Ti sehender f, in Ilgen, Zeitschr.
fOf die hiator. Theol. VIU. (II.) 4, 90—14:2. — Friedrich, A., la cath^drile de
Strasbottig et se& ddtails. lg;^9>-1841. — Strobel, Ad. Walth., da» Münater in
Strassburg. 1844. — Straab, A., le s3rinbolisme de la cathedrale de Strasbourg.
Discours etc. )8&&. — Piton, F., la cathedrale de Strasbourg. 1862.— Lübke,
W., Zwei deutsche Münster, in Westermann's Monatoheften. 1862.
2) Strobel, A. W., Gesch. der Kirche sum alten St. Peter. 1824.
3) Edel, die Neue Kirche in Strassburg. Nachrichten von ihrer Entstehung,
ihren Schicksalen etc. 1 825.
504 Gothiflche Kirchen
Vergl. Lotz 2, 49t. — Die Johanniskirche, sehr einfach spftt^thisch,
begonnen 1477. — Jung SU Peter, eine ffinfschiffig basilikale Anlage
aus dem XIV. Jahrh. ; der einschiffige Chor von 1290. (Ungewitter,
Lehrbuch. Taf. 20 Fig. 548.) Vergl. Lotz a. a. O. — Die sehr einfache
Magdalenenkirche ^) mit schönem Chor, geweiht 1480. — Die Ni-
colaikirche, ^) deren Ältester Theil der Thurm ist, an dessen Ostseite
1371 — 1378 ein Langhaus gebaut wurde, welches 1454— -1455 mitHinzu-
ffigung von Kapellen zu den Seiten des Thurmes und eines neuen Lang-
hauses an der Westseite des letzteren zum Chor und in der Zopfzeit zur
Vorhalle umgestaltet wurde. — Die Thomaskirche, •*) ein fünfschiffiger
Hallenbau (angeblich 1313 — 1330) ; das äussere Schiff der Nordseite, durch
tief einwärts tretende Streben oder Quermauern in Kapellen getheilt. Kund-
pfeiler mit vier alten und vier jungen Diensten. Ueber der Vierung des
frOhgoth. Querschiffes ein 1348 — 1367 erbauter achteckiger Thurm. Der
einschiffige Chor^ schlicht frühgothisch, begonnen 1270. (Schweighaeuser
et Oolbery. IL PI. 20. — Details in Statz und Ungewitter, Muster-
buch. Taf. 15 Fig. 6 — 8 und 9—11.) — Die Wilhelmskirche, ^)
Ziegelbau mit Hausteindetails. 1 300 ; das Schiff mit Holzdecke ; der Chor
schmäler.
Thaui. Die Kirche von basilikaler Anlage mit einschiffigem Chor (be-
gonnen 1351), an dessen Nordseite sich ein schöner hoher Thurm (1430
bis 1516} mit durchbrochenem Steinhelm erhebt. Am Langbause Strebe-
bögen. Reiche Portale. Am Westgiebel ist ein viereckiges Thürmchen
übereck ausgekragt. (Schweighaeuser et Golb^ry. I. PI. 29 — 32. —
de Laborde, monuments. IL PI. 190. — de Caumont, Abecedaire
A\ ed. 1, 585.)
Th^ley bei St. Wendel. Einfache frühgoth. Benedictinerkirche , ein
basilikaler Langbau mit drei Polygonschlflssen in Osten. Rundpfeiler mit
vier Halbsäulen und meist schlichten Capitälen. Die einfachen Fenster,
zum Theil noch ohne Maasswerk und selbst rundbogig. Strebemauem
unter den Dächern der Seitenschiffe. (Schmidt, Baudenkm. in Trier.
Lief. 3 Taf. 4.)
Traheaa. d. Mosel. Spätgothische zweiscTiiffige Kirche mit einem runden
Mittel pfeiler im Schiff, ähnlich wie Cues. Westthurm mit spitzem Helm.
Treis unweit Coblenz. Alte Kirche , ein spätgoth. Hallenbau mit
Rundpfeilern.
Trier. Clarissenkirche, spätgotbisch mit zweiseitigem Schluss und
halb isolirtem Thurm. Vergl. Lotz 1, 591. — Gangolfskirche, ein-
schiffig mit geradem Schluss und einem nördlich später hinzugefügten
niedrigen Seitenschiff. Der hohe spätgoth. Westthurm mit ausgekragten
1) Vergl. Straub, A., notice sur les verridres de TögUse de Ste. Marie-Made-
leine 4 Strasbourg, im Bulletin de la sociötö etc. d'Alsace. 1S57. 1, 110 — 116.
2) Fries, l'^lise de St. Nicolas k Strasbourg, a. a. O. IV. 2, 174—177.
3) Heitz, F. C, die St. Thomaskirche in Strassburg. 1841. — Schneegans,
L., r^glise de 8t. Thomas a Strasbouig et ses monuments. 1842. — Schmidt, Ch.,
Histoire du chapitre de St. Thomas ä Strasbourg, suivie d*un recueil decfaartes. 1860.
4) Hub er, über die Kirchen St. Wilhelm u. St. Stephan in Strassburg. Mit
Abbild.
in den Bheinlanden« 505
Eckthürmclien und spitsem Helm. — Gervasiuskirche, spätgothisch,
mit nur einem niedrigen Seitenschiff auf der Nordseite und neben stehendem
Thurm. — Jesuitenkircbe, einfach goth. Hallenbau mit einschiffigem
Chor. Rundpfeiler mit vier Halbsäulen. Schönes Westportal. (Schmidt,
Baudenkm. in Trier. Lief. 3 Taf. 5.) — Die Liebfrauenkirche (1227
bis 1244), das älteste deutsche Gebäude entschieden goth. Stils, von höchst
eigenthümlicher Grundform in der Weise der altchristl. Centralbauten : ein
gleicharmiges Kreuz mit verlängertem, fünfseitig geschlossenem Chor und
je dreiseitig geschlossenen niedrigen Kapellen zwischen den ebenfalls drei-
seitig geschlossenen Kreuzarmen, so dass das Ganze sich als ein mit Halb-
polygonen umkränztes Zwölf eck gestaltet, über welchem sich ein einfacher
viereckiger Mittelthurm erhebt. Die zwölf schlanken Rundpfeiler des Innern
haben attisirende Basen, Schaftringe und runde Laubcapitäle ; nur die der
Vierung sind mit je vier Halbsäulen besetzt, lieber das Vorbild des Grund-
planes s. oben S. 471. (Schmidt a. a. O. Lief. 1. — ^ Gailhabaud,
Denkm. Bd. 3 No. 1. — Förster, Denkm. 1, 27 und 1 Taf.)
IJeherlingei ^) am Bodensee. Das Münster aus dem XIV. bis XVI.
Jahrb., fünfschifilg und ausserdem noch mit Kapelleneinbauten zwischen
den einwärts Quermauern bildenden Strebepfeilern der I^ngseiten. Der
einschi£fige Chor, nur von der Höhe der inneren Seitenschiffe (begonnen
13SÜ), mit Seitenräumen, welche den Unterbau zweier Thürme bilden, von
denen nur der südliche vollendet ist. Sämmtliche Pfeiler sind rund und im
Mittelschiffe meist mit je acht Diensten besetzt. Die Seitenschiffe über-
steigen einander stufenweise und sind jetzt beiderseits durch ein breites
Pultdach bedeckt. — Die Jodocuskirche (1424 — 1462), die Leon-
hardskapelle (1437) und die Luciuskapelle (geweiht 1486), sämmt-
lich spätgothisch.
Üelnea unweit Cochem . Kleine spätgoth . zweischiffige Kirche , deren
Kreuzgewölbe von 1538 auf einem runden Mittel pfeiler ruhen; der sehmä-
lere Chor ist gerade geschlossen.
Vakel bei Bonn. Späfgothische Hallenkirche mit einschiffigem früh-
gothischem, aber spätgothisch eingewölbtem Chor und Westthurm. Die
Rundpfeiler im Langhause an der Front mit einem Gurtträger. Jedes Schiff
hat sein besonderes Dach.
Waaderath bei Adenau. Zweischiffige Hallenkirche mit zwei Rund-
pfeilern und später angebauten Seitenschiffen.
WeiMenhnrg im Elsass. Das Münster, ^) elegant streng gothisch (der
Hochaltar geweiht 1284) , von basilikaler Anlage in der Grundform des
Kreuzes mit einem in die Diagonale gestellten polygonen Anbau im Winkel
zwischen dem kurzen Chor und dem nördlichen Kreuzarm und einem süd-
lich hinzugefügten äusseren Seitenschiff, dessen westlicher Theil sich in drei
quadratischen Jochen als hohe prächtige Vorhalle nach aussen öffnet, und
welchem östlich von dem weit ausladenden Querschiff ein polygon geschlos-
sener Nebenchor entspricht. Die Pfeiler sind rund mit je vier Diensten.
Ueber dem Kuppelgewölbe der Vierung ein Thurm mit Zopfaufsatz ; vor
1) Staiger, X., die Stadt Ueberlingen. 1859.
2) Ohley er , die Kirche zu St. Peter u. Paul zu Weissenburg. 1863.
506 GotlitfelM
dem Wertende des inneren «fidlidien Seitensdiiffes ein alter nranan. Tknm.
An die Nordteile der Kirche sUtetit ein com Theil lerstörter i^ichaeitiger
Krenigang. (Lfibke, Geech. der Architektur. 3. Aufl. S. 561 F^. 456).
— Veigl. Lot» 2, 549.
W^nm. Die Liebfranenkirche von 1467, mit älteren Theilen: bsBÜi-
kale Anlage in der Grundform des Kreuzes mit Chommgang und zwei
Weattbarmen. Die LanghauapfeUer kreuzförmig mit ahgeacfanittenen Ecken
und je zwei runden Gurttifigem ; die Chorpfeiler reicher gefedert. Strebe-
bdgen unter den Dächern der Seitenschiffe. VeTgl. Lotz 2, 587.
Xaalen. Die Collegiatkirche , ') grossartig fOnfschUng, jedcxrh ohne
Querhaus, in reicher, indess späterer Ausbildung; die Seitenschiffe jedes
mit einem diagonal gestellten Polygonscfaluss ; die Pfeiler des Langhauses
von rundem Kern mit 12 und S Gurttrfigem besetzt. Zeitbestimmungen :
die romanischen Thflrrae 1213, der Chor 1263 b^onnen, die Sacristei
1356^ die östlichen Theile der nördlichen Seitenschiffe 136S, Restauration
der Tharmeetc., Beginn der Gewölbe 1417, Strebepfeiler und Bögen 1437 ;
Stillstand des Baues bis 1483, Vollendung der Fenster des Mittelscbiffes
1487; Ausbau der Sfldseite 1492, Gewölbe der sfldlichen Seitensdiüie
1500, die Strebepfeiler 1508; das grosse Fenster zwischen den Thfirmen
1519, Ausbau des nördlichen Thurmes 1525. — Jetzt restaurirt. (Schim-
mel, Westf. Denkm. in Lief. 2—7.)
leWi^en a. d. Mosel. Kleine zweischiffige Kirche, der zu Cuea
ahnlich.
lag. Die spätgoth. Oswaldkirche von basilikaler Anlage; der ein-
'schiffige C*hor 1478—1480; der Westgiebel des Schiffes vollendet 1545.
liricb« Das spAtgoth. Schiff des Frauenmansters, und ein llieil
der Klostergebäude (1484 — 1507). — Die Gewölbe des Grossmünsters,
theilweise fröhgothisch ; der Oberbau der Westthflrme 1480 — 1490. — Der
profanirte Chor der Predigerkirche. — Die Wasserkirche (jetzt Stadt-
bibliothek}, einfacher Bau mit Netzgewölben, 1479 — 1486.
Xweifcricken« Die Alexanderkirche, ^ seit 1496, ein dreischiffiger
Hallenbau mit einschiffigem Chor und zierlichen Emporen im jetzt flach
gedeckten Langhause. Der Chor hat ein mit Fischblasenmustem bunt de-
oorirtes Gewölbe und herabhängende durchbrochene Verzierungen ; zu den
Seiten desselben zwei Thtlrme mit durchbrochenen Helmen. Sdiönes Nord-
portal.
1) Die 3t. Victorskirche zu Xanten. Geschichtliches u. Beschreibendes. 1S5I.^
Schölten, H. C, Auszüge aus den Banrechnungen der Vietorskirche zu Xanten.
]952. — Zehe, B., Beschreib, des Doms zu Xanten. 1852.
2) Heints, Ph. Cas., die Alexandersk. zu Zweibracken. 1817. — Krause,
Gesch. der Stiftftk. in Zweibrflcken. (?)
Fif. 227. Hftniter za Ulm (nach Uaacb).
II. In Bayern nnd Schwaben.
Literatur: Vergl. die oben S. 345 angefahrten Schriften u. Kupfer-
werke. — Auf die goth. Baukunst beziehen sich in den daselbst angefahrten
Abhandlungen von Merz (Uebersicht etc.) im Kunstbl. von 1S45 No. 84.
87—91 u. von v. Quast (Reihenfolge etc.) im D. Kunstbl. von 1852 No. 23
bis 26; in Sighart's Bayer. Kunstgesch. S 299—319. 347-375. 4I8--470.
— Grueber, Beruh,, Deutsche Bauverzierungen von Gebäuden aus dem
XIII. u. JCIV. Jahrh. in Bayern. 183G.
Yorbemerknng.
103. In Schwaben und Bayern sind die Dome von Ulm und
Regensburg die bedeutendsten gothischen Bauwerke, die sich jedoch
508 GothiBche Kirchen
mit den berühmten rheinischen Denkmalen dieses Stiles nicht messen
können. Die Anlage des Münsters von Ulm, einer der raumlich gros-
sesten deutschen Kirchen, fallt bedeutend spät, und die Ausführung
ist nicht aus einem Gusse ; dagegen besitzt Bayern zwar in dem Dome
von Regensburg, einem der schönsten unseres Vaterlandes, allerdings
das erste grössere Gebäude in Süddeutschland ^ welches von Grund
aus neu im gothischen Stile ausgeführt wurde, allein schon der Grund-
plan ist hier ein beschrankter : die Seitenschiffe bilden keinen Umgang
um den Chor, der Kapellenkranz fehlt, und das Querschiff tritt nicht
über die Breite des Langhauses hervor. Ausserdem geht durch das
ganze Gebäude ein Gemisch alterthümlich roher und edler Formen,
und letztere finden sich wiederum theils in überreicher Entwickelung,
theils geradezu ausgeartet, und alles dieses aus derselben Zeit und oft
sogar an einem und demselben Bautheile: wie sich Aehnliches bereits
an einigen älteren frühgothischen Kirchen derselben Stadt bemerklich
macht, wo neben den noch nicht völlig überwundenen romanischen
Reminiscenzen schon die Keime zum Verderben des Gothischen gleich-
zeitig ersichtlich sind. Ueberhaupt repräsentiren die wenigen ^ von
den Bettelorden ausgegangenen frühgothischen Denkmale in diesen
süddeutschen Gegenden lediglich den reducirten Stil (oben S. .481),
und in den meisten spätgothischen Kirchen findet sich die immerhin
nüchterne Anwendung gleich hoher Schiffe : in Schwaben mit Aus-
bildung eigenthümlicher Motive besonders in der Formation der Schiff-
pfeiler und verbunden mit dem Streben nach reich decorativer Ent-
faltung, während in Bayern zwar die inneren Räumlichkeiten durch
Kühnheit der Verhältnisse und machtvolle Disposition imponiren,
aber im Einzelnen trocken und starr erscheinen. Die kleineren schwä-
bischen Kirchen begnügen sich zuweilen mit dem geradlinigen Chor-
schluss und im Schiffe mit einer Holzdecke. Sporadisch erscheint in
Schwaben und Bayern der Backsteinbau; vergl. oben S. 27 und 490.
Vergl. Schnaase, Kunstgesch. 5, 580— 5S9 ;/>, 295—30«. — Kugle r,
GeBch. der Baukunst 3, 293—303; 33«^— 345; 347—361. — Lübke, Gesch.
der Architektur. S. 548 ff.
Ah^Mherg unweit Regensburg. Karmeliterkirche , basilikal , nach
1398; verdorben. Die alte Kapelle an der Nordseite des Chores mit
schmalem Fenstern.
Adlersherg bei Regensburg. Einschiffige flach gedeckte Kirche mit
schmälerem gewölbten Chor; frühgothisch.
Alpinhaeh bei Freuden^tadt. Spätgothischer Kreuzgang und Capitel-
haus um 1460 — 1482; andere Klostergebäude aus dem XVI. Jahrhundert.
in Bayern und Soh-waben. 50d
AltheiM bei Riedlingen. Einfache, 1486 neu geweihte Kirche mit äl-
terem Ziegelthurm.
AithgeB bei Herrenberg. Die Magnuskirche, einfach. Den Chor bildet
ein ehemaliger Wartthurm mit hölzernem Obergeschoss.
Altorf bei Landshut. Verzopfte Hallenkirche.
Aititting in Niederbayem. Die Stiftskirche, begonnen 1489, niedrige
Hallenkirche mit Chorumgang, achteckigen Pfeilern und^ Netzgewölben.
Zwei schlanke Westthürme.
Askerg in der Oberpfalz. Die Frauenkirche, Hallenbau mit Hund-
pfeilern, 1312. — . Die Georgskirche, ganz verunstalteter dreischiffiger
Ziegelbau mit gleich hohen Schiffen, Hundpfeilem und drei unvollendeten
Thürmen in Westen; 1359. — Die Levinische Kapelle, einschifilg mit
erkerartigem Chörlein und zierlichen Details; XIV. Jahrh. (Sighart,
Bayer. Kunstgesch. S. 363 No. 138.) — Die Martinskirche, Hallenbau
mit Chorumgang, nach innen gezogenen Streben und einem Westthurm,
1421—1534. (Sighart a. a. O. S. 452 No. 163.) — Die Spitalkirche,
.die Katharinenkapelle von 1415, die Gottesackerkapelle von 1514 ;
alle einschiffig.
Aserdial bei Amberg. Zwei spätgoth. Kirchen mit schönen Gewölben
und Streben.
Algskirg.^) Der Chor der Annakirche von 1510 ; dasUebrige älter,
aber innerlich verunstaltet. — Der Dom wurde 1321 in einen Gewölbebau
verwandelt, die Seitenschiffe verdoppelt und das Uebrige gothisirt ; der Ost-
chor mit Umgang, Kapellenkranz und zwei Prachtportalen 1356 — 1431 ;
abermalige Veränderung der alten Theile, vollendet 1484. (Sighart, Bayer.
Kunstgesch. S. 371 No. 146.) Die Ueberspannung des alten Kreuzganges
mit seltsamen Sterngurtenge wölben, etwa 1500 — 1510. — Die zweischiffige
Dominicanerkirche mit niedrigen Kapellen an den Langseiten; das
Innere gänzlich umgestaltet. — Die Georgskirche, basilikaler Ziegelbau
1490 — 1505; verunstaltet. — Die spätgoth. Moritzkirche. — Die Ul-
richskirche, ^j basilikal und in Kreuzform 1467 — 1594 ; achteckige, an
der Front mit gegliederten Gurtträgern besetzte Pfeiler und reiche Netzge-
wölbe. Renaissance thürme. (v. Wiebeking, Baukunde. Taf. 61. — Kal-
lenbach, Atlas. Taf. 78. — Sighart ä. a. O. S. 462 f. No. 169—171.
— Vergl. oben S. 488 Fig. 224.)
Bekeahaisea bei Tübingen; Das zierliche Mittelthürmchen der Kloster-
kirche 1407—1409 (Heideloff, die Kunst des M.-A. in Schwaben. II.
Suppl. Taf. 2 und 4—6); der Kreuzgang 1460—1496 (Graf, Beben-
hausen. Taf. 3. 4) ; der sog. Sommerchor, angeblich von 1335, mit Stein-
thürmchen von 1410 (ebd. Taf. 6. 7. — Leibnitz, Organisation der Ge-
wölbe. S. 48 f. Fig. 66—69) ; das Winterrefectorium mit reicher Holz-
decke 1471 u. 1516 (Graf a. a. O. Taf. 8) ; die Zellenräume 1513—1516
(Kallenbach, Atlas. Taf. 77) ; das einfache Herrenhaus 1532.
1) Stetten, P. v. , Kunst-, Gewerbs- u. Handwerksgesch. der Reichsstadt
Augsburg. 2Thle. 1779 u. 17S8.
2) Witt wer, Catalogus Abbatum monast. S. Udalrici, inSteichele, Archiv
far die Gesch. des Bisth. Augsburg. 3, 243 ff.
Ott«, KuiMt-Arcbiologfe . 33
51 0 Oothiflcbe Kirchen
I bei Waiblingen. Kirche Ton 1450 ; der Chor 1454.
Berchlesga^M« Die zweischiffige Franciscanerkirche, e. 1500. —
Oothisimng der Stiftskirche und der das Schiff weit Oberragende Chor,
vielleicht schon vor 1400.
leilgkeiM unweit Stuttgart. Der Chor der Pfarrkirche geweiht 1383 ;
das Schiff modern verändert.
Nukcven bei Ulm. J o h an n i sk i rch e , in einschiffiger Kreuzform
mit Mittelthurm und Kapellen zwischen den Strebepfeilern, reich verzierter,
grOsstentheils profanirter Ziegelbau 1467 — 1499. Der Kreuzgang und die
Klostergebftade, gleichzeitig. — Spätgoth. Stadtkirche.
BilteilMrg bei München. Einschiffige Schlosskapelle mit reichen
Fenstern und vorspringendem Portalbau, 1488; restaurirt 1856.
KMlBgea bei Stuttgart. Der Chor der Pfarrkirche aus dem XIV.
Jahrb.; das Uebrige aus späterer Zeit. — Die verwüstete Gottesacker-
kirche 1529—1587.
■•gcvberg bei Bogen in Niederbayem. Die Frauenkirche, Hallenbau
um 1463 ; reich gegliederte Pfeiler.
lirghMSMl bei Neuötting. Zwei einschiffige spätgoth. Scfalosskapellen
von 1490; restaurirt.
■«rgkIrcheB bei AltAtting. Zweischiffiger spätgoth. Prachtbau mit einem
Mittelpfeiler; auch Chor und Thurm werden gerühmt.
Canstadt bei Stuttgart. Spätgothische Hallenkirche, im Langhause mit
Holzdecken, im einschiffigen Chor mit NetzwOlbung. Restaurirt.
Chaamaster in der Oberpfalz. Der Chor der Marienkirche 1470;
gleichzeitig die Oothisimng des Uebrigen.
Seggeii^rf in Niederbayem. Die Onadenkirche, ein 1337 begonnenes
massenhaftes Bauwerk von basilikaler Anlage mit achteckigen Pfeilern und
einschiffigem Chor.
lhg«lflg in Niederbayem. Hallenkirche mit Rundj^eilem und Chor-
umgang, begonnen 1467; verzopft.
•iakeisbiU/ Die Oeor^kirche, 1444 — 1499 : ein Bau von einfSEu^em
Aeussern; das Innere mit den um den Oior. laufenden, mit dem Mittel-
schiffe gleich hohen Abseiten, wird von 24 mit je vier starken Runddiensten
besetzten achteckigen Pfeilern ohne Capitäle gestützt und ist mit seinen reich
gemusterten Wölbungen von überraschend schOner Wirkung, (v. Wiebe-
king, Baukunde. Taf. 61.)
MtliBgea (O.-A. Leonberg]. Die Speiererkirche vor dem Dorfe,
fast Ruine, aus guter goth. Zeit. — Die Pfarrkirche, spätgothisch.
itnawirtk. Derb stattliche Pfarrkirche, ^) basilikal, doch mit Blenden
statt der Oberlichter 1444—1473; achteckige Pfeiler. (Sighart, Bayer.
Kunstgesch. S. 465 No. 172.)
Eggeafeliei in Niederbayem. Spätgothische Hallenkirche von harmo-
nischen Verhältnissen mit Kapellenumgang und aufstrebendem Spitzthurm ;
Rundpfeiler. Restauration seit 1861.
I) (Grimm), die Pfarrkirche St. Ulrich u. Maria Himmelfahrt in Donau wArth,
in der Beilage zur Aiig«b. Postztg. 1S57. No. 73.
in Bayern Und Schwaben. 511
lUagei« Die Marienkirche , einschiffiger Ziegelbau mit Holzdecke ;
der schmälere Chor ursprünglich gewölbt. Vergl. oben S. 31.
EhaiBgea bei Böblingen. Einschiffige Pfarrkirche mit Holzdecke (1400)
und gewölbtem Chor von 1416.
Ellwaagei« Die Wolfgangskapelle vor der Stadt, einschiffig mit schma-
lerem Chor und schönem Fenstermaasswerk , 1476. (Laib und Schwarz,
Formenlehre. Taf. 10 f.)
Iltilgei bei Leonberg. Einschiffige Kirche von 1487 mit schönem
Rundfenster über dem Westportal.
Eitrhgei boi Herrenberg. Spätgothische 1452 gegründete Kirche mit
schönen Netzgewölben im Chor und einem schlanken Thurm.
Erdlhg unweit München. Pfarrkirche von etwa 1430 mit niedrigen
Seitenschiffen und einschiffigem Chor.
Esckeikadi in der Oberpfalz. Pfarrkirche, ein zierlicher Hallenbau mit
drei fast gleich hohen Schiffen und mächtigem Thurm, gegr. 1435.
Ssslhgea. *] Das flach gedeckte basilikale Langhaus der Dionysius-
kirche, mit Spitzarkaden und achteckigen Pfeilern, stark romanisirend,
aber in den westlichsten Jochen, im Fenstermaasswerk und in den Strebe*
pfeilern der Seitenschiffe bereits frühgothisch ; der Chor etwa um 1400.
(Baudenkm. aus Schwaben. I. Taf. 5 f.) — Die Frauenkirche, ^) deren
schon 1321 beschlossener Bau etwa voii 1406 an eifriger betrieben wurde,
von oblonger Grundform mit drei gleich hohen Schiffen ; die unregelmässig
sechseckigen, mit je zwei gegliederten Diensten besetzten Pfeiler haben keine
Capitäle und führen ihre Gliederung unmittelbar in die Gewölbegurte über.
Der sich über d^m Westende erhebende, erst 1440 begonnene und um
1528 vollendete Thurm ^) gehört zu den schönsten in Deutschland. (Ebd.
Taf. 1—6. — Heideloff, Kunst des M.-A. in Schwaben. Taf. 12. 13.)
— Von der Georgenkirche des 1237 entstandenen Franciscanerklosters,
einer schlichten flach gedeckten frühgoth. Basilikenanlage mit Kundpfeilern,
steht nur noch der schlanke überwölbte Chor mit zweitheiligen Fenstern
und Strebepfeilern, die Giebelbedachung haben. (Ebd. Taf. 6 Fig. 4.) —
Die Nicolaikapelle auf der Brücke, einschiffig, einfach mit einem Thürm-
chen über dem Westgiebel. (Heideloff a. a. O. 1, 62.) — Die Pauls-
kirche des 1219 gestifteten Dom inicanerklostcrs, ein basilikaler einfach
frühgothischer Bau mit einschiffigem Chor 1233 — 1268. Niedrige Rund-
pfeiler mit achteckigen Sockeln und schlichten Capitälen. (Ebd. Taf. 16. —
Baudenkm. aus Schwaben. I. Taf. 6.)
lUal *) in Oberbayern. Wallfahrtskirche, ein zwölfeckiger Centralbau
1330 — 1370, ursprünglich mit einem runden Mittelpfeiler und zweistöcki-
gem Umgang mit Empore; später wurde östlich ein Chor angebaut und
1744 das Ganze gründlich verzopft. (Sighart. Bayer. Kunstgesch. S. 358
No. 134.)
1) Vergl. Lübke, W., im D. Kun«tbl. 1855. No. 47.
2) Pf äff, C, Qesch. der Frauenk. in Esslingen u. ihrer Restauration. 1863.
Vergl. Kemmingcr, M. J. D. G., Würtemb. Jahrbücher. ISaft. 2, 177.
3) Ein grosser Aufriss auf 2 Bl. in den Jahresheften des Wirtenb. Altertliums-
vereins. 1868. VIII.
4) Holland, II., Kaiser Ludwig der Bayer u. sein Stift zn Ettal. 1860.
33*
51 2 OothUcbe Kirchen •
fraieakerg bei Landshut. Kleine spätgoth. Kirche der Landshuter
Bauhütte.
f reUag« Die Benedictskirche, ein hochstrebender basilikaler Bau
1347 ; im Innern verzopft. — Die dreischifiige Vorhalle des Domes 1314;
das nördliche Portal mit seinem Vorbau, die Ueberwölbung des Schiffes und
andere Veränderungen um 14 SO. — Die einschifiige Gottesackerkirche
1545, niedriger Ziegelbau mit gedrückten Netzgewölben . — Die Johannis-
kirche, vollendet 1319, mit sehr niedrigen Seitenschiffen und schmal auf-
steigendem Hochbau ; quadratische Pfeiler mit polygonen Diensten und
Laubcapitfilen ; an den Oewölbeschlusssteinen ausser Heiligengestalten
Pflanzen- und ßestienverzierungen. Ziegelbau mit Sandsteindetails. (Sig-
hart, Bayer. Kunstgesch. S. 360 No. 135—137. — Derselbe, die
mittelalterl. Kunst in der Diöces Freising. Taf. 3.)
freiieBsttdl. Die Kirche, von 1601 — 1608 in einer Art von goth.
Zopfstil erbaut : sie besteht aus zwei einen rechten Winkel bildenden Flü-
geln mit je zwei Thürmen an den Enden.
PNBtoBhaMsea in Niederbayem. Spatgothische Hallenkirche von be-
deutenden Dimensionen.
hlbach (O.-A. Canstatt). Die Kirche, von Wassergraben und Ring-
mauer mit Schiessscharten umgeben; der Chor und Thurm aus der goth.
Periode; letzterer mit Satteldach und abgetreppten Giebeln, auf deren
Stufen sich Fialen erheben.
dailikrf. Einschirige Stadtkirche mit Westthurm 1518—1521.
IhltaenheiM bei Ingolstadt. Der Chor der modern gothischen , mit
einem befestigten Friedhofe umgebenen Kirche von 1488.
fiärtrilgea bei Herrenberg. Einschiffige frühgothische^ spätgoth isch
veränderte Kirche mit nach innen gezogenen Strebepfeilern und hohem
Thurm.
deiseahMMB bei Landshut. Hallenkirche mit hohem Thurm , voll-
endet 1477.
diadleBkerg bei Neumarkt. Malerische Kirchenruine des Brigittiner-
Doppelklosters , ^) um 1474: dreischiffige Halle mit Nonnenempore im
Nordschiffe und gerade geschlossenem Chor. (Chlingensperg, das Kö-
nigreich Bayern 2, 43.)
firiBflkarh unweit Memmingen. Schlanke spätgoth. Hallenkirche ohne
Streben.
lahukaek bei Amberg. Hallenkirche aus dem XIV.. und XV. Jahrh.
lall in Schwaben. Die Hauptkirche, *^) deren Langhaus mit drei fast
gleich hohen Schiffen und schlanken Rundpfeilem ohne Capitäle 1427 bis
1492 erbaut wurde; der schief angesetzte Chor 1495 — 1525. — Die ein-
schiffige, 1404 geweihte Johann iterkirche mit zierlichem Thurm ander
Seite. — Der Chor der Katharinenkirche, geweiht 1343.
1) Sigh art, J., die Kirchenruine des Klosters Gnadenberg in der Obeipfalz, im
MQnchcner Sonntagsbl. 1S65. No. 51. -- Vergl. Fuchs, in den Verhandl. des histor.
Vereins far den Regenkreis. M, 104.
2) Jäger, C. , die St. Michaelisk. zu Hall in Schwaben, im Kunstbl. 1S29.
No. 91; 1834. S. 3GI ff.
in Bayern und Schwaben. 5 1 3
le^rkerg bei Gaildorf. Einschiffige, flachgedeckte Kreuzkirche mit
Thunn über dem nördlichen Kreuzarm. (in. Veröffentlichung des Vereins
für Kunst etc. in Ulm, Umschlag.)
lellkrtttB. Die Kilianskirche ^) , ursprünglich wohl ein frühgothischer,
später umgewandelter Basilikidbau, von welchem noch die beiden sich über
dem Ostende der Seitenschiffe erhebenden Thürme herrühren ; der aus drei
gleich hohen Schiffen bestehende Chor wurde 1480 beendet, der Westthurm
im XV. Jahrh. begonnen und 1510—29 beendet. Das 1578—80 mit
Stuckverzierungen bereicherte Schiff hatte ursprünglich Kundpfeiler mit
schlichten Capitälen und flache Decke ; im Chor sind reich gegliederte, im
Kern achteckige Pfeiler. (Kallenbach, Atlas, Taf. 71. — Heideloff ,
Ornamentik. Lief. 5. Taf. 7. Fig. e.)
leiligkreuthaP) bei Hicdingen in Oberschwaben. Klosterkirche,
gerade geschlossener Basilikalbau von 1319, renovirt 1532 und 1699. In
der Ost wand ein grossartiges Fenster.
lerreakerg. Die Stiftskirche, 1336 erbaut und seit 1440 erweitert;
der Chor aus ersterer Periode, der Hallenbau des Langhauses mit etwas er-
höhtem Mittelschiff aus letzterer Zeit. Die Pfeiler von eckigem Kern, mit
starken Diensten und Einkehlungen , ohne CapiUlle. (Heideloff, die
Kunst des M. A. in Schwaben. Heft 1. Taf. 1.)
linduiM. Die Marienkapelle 1508 — 1516. — Der spätgothische Kreuz-
gang nebeti der vormaligen Petri-Paulikirche, Ruine.
Jeak^fea bei Landshut. Kleine drcischifflge Kirche mit schönem Hip-
penwerk, um 1447.
lBg«btMll. Die Franciscanerkirche: in dem seit 1275 erbauten
basilikalen Langhause Rundpfeiler, im Hauptschiffe eine flache Decke,
Lanzettfenster und keine Streben ; an dem erst dem XIV. Jahrh. angehö-
rigen sehr langen Chor Strebepfeiler mit Pultdächern. — Die Frauen-
kirche''), Ziegelbau mit Sandsteindetails, gegründet 1425; der Chor ge-
weiht 1439; fortgesetzt 1495 — 1525; grossartige Hallenkirche unter
Einem Dache, doch ist das Mittelschiff beträchtlich höher als die einen
Chorumgang bildenden Seitenschiffe, zwischen deren nach innen gezogenen
Strebepfeilern spätestgothische Kapellen mit herabhängendem Rippenwerk
angeordnet sind. Die Netzgewölbe ruhen auf je zwei Diensten mit Laub-
capitälen, mit welchen die capitälloscn Rundpfeiler besetzt sind. Die bei-
den viereckigen, von unten auf übereck stehenden Westthürme «nd un-
vollendet. Restauration 1848 — 1851. (v. Wiebeking, Baukunde. Taf. 57.
— Sighart, Bayrische Kunstgesch. S. 421 Nr. 156.) — Die Spital-
kirche von 1460, dreischiffiger Hallenbau mit Rundpfeilern über abge-
kantetem Sockel.
Maisheia bei Donauwörth. Cisterzienscrkirche , basilikal in der
Grundform des Kreuzes, begonnen 1352, geweiht 1387. Im Lang-
1) Titot, H., Ausfahrt. Beschreib, u. Gesch. der evangel. Hauptkirche zu
Heilbionn. Mit Abbild. 1833.
2) (Rothv.)S(chrecken8tein), Heiligkreu2thal, ehemal. Cistercienser-Non-
nenkl., constanzer äprengels, im Organ für christl. Kunst. 1856. S. 28 — 31.
3) Gerstner, Beschreib, der Stadt-Pfarrk. zu u. 1. schönen Fr. in Ingolstadt.
1840. — Becker, C.^ die Frauenk. su Ingoist., im D. Kunstbl. 1853. Nr. 46 f.
514 Gothische Kirchen
hause ^^quadratfOrmige'' Pfeiler und Bcsticnconsolen ; um den polygon
geschlossenen Chor mit gegliederten dreieckigen Pfeilern ein halbkreisför-
miger Umgang, der durch Rundpfeiler in zwei Schiffe von ungleicher Breite
getheilt wird. Die Strebepfeiler am Chorumgangc mit Giebeldächern.
Ueber dem Kreuz ein achteckiger Mittelthurm mit Zopfaufsatz. Die West-
seite zopfig erneut. (Sighart, Bayr. Kunstgesch. S. 372 — 374. Nr. 147
bis 150.)
Kft«fbeieni. Die Blasiuskirche, Hallenbau, in dem um 1420
vollendeten Langhause mit Sechseckpfeilem ; der einschiffige, minder hohe
Chor 1435 — 1444. — Die Martinskirche, dreischiffig basilikaler Zie-
gelbau mit profilirten Pfeilern und Arkaden und flach gedecktem Mittel-
schiff: der anscheinend ältere Kern seit 1438 gothisirt und ein neuer Chor
erbaut; der Thurm 1404 erhöht.
Melheta bei Regensburg. Der 1463 an das ältere, flach gedeckte Schiff
der Franciscanerkirche angebaute Prachtchor. Profanirt. — Die
Pfarrkirche, dreischiffig basilikal, mit einschiffigem Chor um 1468.
MeM|plei* Die Magnikirche, ein massiger Ziegelbau, im Langhause mit
flachen Decken und achteckigen Pfeilern ohne Streben: der Chor von 1427;
1428 Verlängerung der Kirche ; noch später Anbau eines vierten Seiten-
schiffes.
Kirehkerg in Kronlng in Niederbayem. Spätgothische Hallenkirche
mit nur einem (nördlichen) Seitenschiff.
Kirchdorf bei Haag in Oberbayem. Zweistöckige Gottesackerkirche
aus dem XIV. Jahrh.
Kirchheia im Ries. ^) Die sehr ausgedehnten, grösstentheils noch er-
haltenen Räume des Cisterziensernonnenklosters ; die einschiffige Kirche
mit Nonnenempore und einem achtseitigen Steinthürmchen mit Spitzhelm
über dem Westgiebel, wohl aus dem Ende des XIV. Jahrh. und einige
Kapellen.
Laadskerg in Oberbayern. Basilikale Pfarrkirche mit einschiffigem
Chor und Thurm an der Nordseite 1458 — 1488.
iMdshll. Die Heil. Geist (Spital-)Kirche, dreischiffiger Hallenbau
mit Chor Umgang und einem Thurm mit Staffelgiebeln an der Nordseite,
1407—1461. Rundpfeiler, aus denen die Rippen der Sterngewölbe heraus*
wachsen. (Grueber, Vergl. Samml. II. Taf. 35.) — Der basilikale Zie-
gelbau der Jodocuskirche mit Hausteindctails , begonnen 1 338 ; abge-
stuft profilirte Pfeiler mit Wulstkämpfern; 1407 Erbauung eines neuen
Chores, Erweiterung der Seitenschiffe und Hochbau des Spitzthurmes. — •
Die Martinskirche^, ebenfalls aus Ziegeln mit Hausteindetails, doch
mit drei gleich hohen Schiffen, begonnen um 1392, vollendet etwa 1478.
Höchst schlanke, achteckige Pfeiler von nur 3 F. D. mit geringem Kämpfer-
1) Vergl. Motz , H., Mittheilungen aber alte Kunstwerke im Ries, im Kunstbl.
1817. S. 14 f.
2) Spörl, J., der Bau u. die Erbauer des Chores zu St. Martin in Landshut,
in den Verhandl. des histor. Vereins für Niederb. V. :) u. 4, I - 136. — Werner,
Gesch. der Pfarrei St. Martin in Landsh., ebd. V, 265 — 279. — Auracher, F., zur
Gesch. von St. Martin in Landsh., ebd. X. 4. — Die St. Martinsk. zu Landshut, im
Organ fflr christL Kunst. 1853. S. 135 f.
in Bayern und Schwaben. 515
Vorsätze tragen das Stemgewölbe. Zwischen den nach innen fortgesetzten
Strebepfeilern ein niedriges Kapellenschiff unter Pultbedachung ; vor der
Westfront, den Haupteingang und die Vorhalle der Kirche bildend, ein
massenhaft behandelter, aber mächtig und kühn emporsteigender, in eine
zierliche Spitze auslaufender Thurm ; ganz vollendet erst 1580. (Quaglio,
Merkwürd. Gebäude I. Taf. 11. — v. Wiebeking, Baukunde. Taf. 5.
Fig. 1 und 2. — Sighart, Bayrische Kunstgeschichte. S. 434.)
LMlfea am Neckar. Der Chor der 1227 gegründeten Regiswindis-
kircbe, einfach frühgothisch ; das Uebrige spätgothischer Umbau einer
ursprünglich basilikalen Anlage in Hallenform. — Die Kapelle gl. N.
frühgothisch, mit spätgothischem Chor.
LtlilgeB an der Donau. Die Stadtkirche, dreischiffiger Hallenbau mit
einfachen Kundpfeilem, 1518 — 1576.
iMlklrck bei Memmingen. Die katholische Kirche basilikal mit acht
Rundpfeilern und Netzgewölben , 1514 — 1519.
Liebnuell bei Pforzheim. Der Chor der Pfarrkirche.
lagstadlt bei Böblingen. Einschiffige Kirche mit Netzgewölben im
Chor, 1511; befestigter Kirchhof.
laria lata bei Füssen. Spätgothische Kirche mit niedrigen Abseiten.
larklk^fea bei Frontenhausen . Spätgothische dreischiffige Hallenkirche .
iMlkMIB. Gothisirung der Klosterkirche 1424; der grösste Theil des
Kreuzganges (seit 1303) mit der spätgothischen Brunnenkapelle, der Capi-
telsaal aus dem XIV. Jahrb., das Herrenhaus um 1384 — 1402.
■emBtagea. Der Chor der Martinskirche^) 1496— 1509 ; reiches
Fenstermaasswerk und mit Fialen gekrönte Strebepfeiler. Die westlichen
Theile der aus Haustein erbauten Kirche sind im Kern älter; das Schiff
wurde 1419 verlängert, 1489 und 1491 verändert; die niedrigen Seiten-
schiffe wurden 1457 angesetzt und zwischen den nach innen gezogenen
Strebepfeilern Kapellen angeordnet. Die Gewölbe des Schiffes sind 1655
gefallen. — Andere spätgothische Gebäude : die katholische Kirche
der Elisabethinerinnen, ein verzopfter dreischossiger Hallenbau mit Rund-
pfeilern, dieehemalige Deutschherrenkirche, eine zweischiffige Halle
(ebenfalls verzopft) , der Chor der Frauenkirche und die Antonierka-
pelle auf dem Kirchhofe .
■•■helM bei Donauwörth. Niedere dreischiffige Hallenkirche mit
Krenzschiff und Rundpfeilern, um 1450. Der Chor ist verzopft. Der
Thurm und der halbe Kreuzgang , mit gekuppelten Würfelsäulen , sind
romanisch.
iMskirg. Die 1353 gothisch erneuerte Johann iskirche mit flach ge-
decktem Hauptschiff, während die niedrigen Seitenschiffe und der Chor mit
einfachen Kreuzgewölben überspannt sind. Der Westthurm ist mit Blen-
den und vier Eckthürmchen geschmückt.
lihlhMueB am Neckar. Die einschiffige Veitskirche mit alter getäfel-
ter Decke und westlichem Thurm, 1380 — 1383, erbaut von einem Prager
]} V. Ehrbardt, dio geachichtl. Beschreib. derMartinsk. in Memmingen. (An-
geführt von Sighart, Bayr. Kunstgesch. S. 465.)
51 6 Gothische Kirchen
Bürger und in der breit birnfOrmigen Profilirung der Wanddienste des ge-
wölbten Chores dem Charakter der Profile des Domes vpn Prag nahe ver-
wandt. (Heideloff^ die Kirnst des M. A. in Schwaben. I, 35 f. und
Taf. 4. Fig. 4-7.)
luchei. Die Frauenkirche^), grossartiger dreischiffiger Hallenbau
aus Ziegeln mit Chorumgang und zwei mächtigen Westtharmen^ 1468 bis
1488, geweiht 1494. Achteckige Pfeiler ohne Capitftle, an welchen die
reichen Netzgewölbe auf kurzen vorgekragten Diensten ruhen ; zwischen
den einwärts gezogenen Strebepfeilern schmale Kapellen unter hoher Pult-
bedachung. Das Aeussere fast ganz schlicht ; die Thürme, oben achteckig,
mit flachen Zw iebelhauben . Restaurirt 1858 — 1861. 2) (v. Wiebeking,
Baukunde. Taf. 5. Fig. 4 f.) — Die übrigen gothischen Kirchen sind nur
unbedeutend und meist verzopft.
Nabbirg in der Oberpfalz. Die Pfarrkirche von basilikaler doppel-
chöriger Anlage und in der Grundform des Kreuzes, doch ohne Vorlagen
der Arme mit zwei einfachen Westthürmen in gleicher Flucht und inner-
lich in Verbindung mit den Seitenschiffen, doch ist nur der südliche Thurm
vollendet. Der in die zweite Hälfte des XIV. Jahrh. fallende edle Bau von
c. 160 F. Länge scheint um 1402 im Wesentlichen beendigt gewesen zu
sein und hat viel Verwandtes mit dem Dome zu Regensburg. Die geglie-
derten Pfeiler sind im Kern viereckig mit Gurtträgem auf den Ecken und
in der Mitte der vier Seiten. Die Streben haben Giebelbedachungen und
mit Ausnahme des Ostchores Fialenktönungen ; am Langhause massive
Strebebögen. Der apsidenartige Ostchor ist niedriger als das Schiff und
unter besonderem Dach ; im Westchor ist eine gothische Orgelbühne einge-
baut. (Sighart, Bayr. Kunstgesch. S. 363—68 und Nr. 139—145.)
Nagold bei Calw. Der Clior der Stadtkirche, begonnen 1401 ; zum
Theil verdorben.
NeiMarkl in der Oberpfalz. Die Pfarrkirche, ein spätgothischer drei-
schiffiger Hallenbau mit Chorumgang ; der Chor 1404 — 1434. Der stattliche
ins Achteck übergebende Westthurm mit freiem Pfostenwerk vor den
Fenstern. (Sighart, Ba}^-. Kunstgesch. S. 453. Nr. 164 — 167.) — Die
Hofkirche von 1487, im Hauptschiff mit flacher Decke, im Chor mit
Netzgewölben ; etwas entstellt.
Neiikirg vor dem Walde (Oberpfalz) . Der Chor der P f a r rk i r c h e ,
geweiht 1443; das anscheinend ältere Schiff wurde 1478 erweitert, 1482
die Südseite und dann die Nordseite gebaut und das (später verzopfte)
Ganze 1491 geweiht. — Die Jacobs- und die Spitalkirche sind kleine
spätgothische Gebäude.
PieiöttiMg in Oberbayem. Die Pfarrkirche, deren Chor mit dem
auf der Nordscite stellenden kühnen und zierlichen Thurm 1410 begonnen
wurde, das Langhaus mit Rundpfeilem und zwei eleganten Portalen 1485.
1) (Gsell), Die Metropolitan- u. Stadt-Pfank. zu u. 1. Frau in München.
1839. Mit Abbild. — Sighart, J., Gesch. u. Schilderung der Frauenk. in Mün-
chen. 1853. Mit Abbild. — Holland, H., Gesch. der Münchener Frauenk. 1859.
2) Vergl. Abendbl. der N. Mflnchener Ztg. 1861. Nr. 5-7. ^ Neueste Mün-
chencr Nachr. 1862. Nr. 24.
in Bayern und Schwaben. 517
— Etwa gleichzeitig ist die Spitalkirche mit herrlicher Empore und die
Annakirche mit Sterngewölben, cinschifiPig mit schmälerem Chor (1511).
Newtadit an der Donau. Dreischiffigc Hallenkirche mit Rundpfeilern
und zierlichen Streben, wohl vom Ende des XIV. Jahrh.
NMÜBgea. ') Die Hauptkirche, 1428 — 1505, deren Aeusseres
ausser dem vor der Westfront angeordneten hohen, oben achteckigen Thurm
nichts Ausgezeichnetes hat, ist ein dreischiffiger Hallenbau mit drei-
schiifigem, aber schmälerem Chor. Die reichen Netzgewölbe ruhen auf ca-
pitällosen Rundpfeilem, die vorn mit je zwei Runddiensten besetzt sind.
In den Seitenschiffen und am Westende Emporen mit schönen Steinbrüstun-
gen. (v. Wiebeking, Baukunde Taf. 51 und 61.) —Der Chor der Sal-
vatorkirche 1381 — 1407; das flach gedeckte Schiff in der Neuzeit er-
weitert und Yßrändert.
•ekklgeB unweit HcHbronn. Die Stiftskirche^, dreischiffiger Hallen-
bau in der Grundform des Kreuzes mit einschiffigem Chor und mit Kapel-
len längs der Seitenschiffe, welche mit den Querhausfronten Flucht halten,
c. 1450 — 1500. Viereckige Pfeiler mit abgeschnittenen Ecken als Träger
der meist sternartigen rundbogigen Netzgewölbe, deren Anfänge ausRelief-
brustbildem bestehen. Zwei fast gleich hohe ThÜrme : der eine vor der
Westfront über romanischem Unterbau, der andere östlich am südlichen
Kreuzarm. Unter dem Chore eine Gruft.
Paipipeakerg in der Oberpfalz. Spätgothische Kirche von trefflicher
Ausführung.
Pusu. An dem nach einem Brande von 1662 im Barockstil neu er-
bauten Dom rühren noch der Chor, das Querschiff und die Kuppel über
der Vierung (freilich entstellt) von dem 1407 begonnenen spätgothischen
Prachtbau her. — Die Sal vatorkirche a. d. Hz, 1479 — 1484 ander
Stelle einer Juden-Synagoge erbaut und dicht an einen Felsen gelehnt: ein
einschiffiges Gebäude, mehr hoch als lang, dessen Erdgeschoss mit um-
laufenden Steinbänken noch dem jüdischen Bau entstammen soll. Eine
hohe Treppe führt in die eigentliche Kirche, zwischen deren nach innen
gezogenen Streben unten Kapellen und oben Emporen angeordnet sind, zu
denen man auf zwei Seitentreppen gelangt. Jetzt reich restaurirt.
(Chlingensperg, das Königr. Bayern 2, 405.) — Die Spitalkirchen
zum heiligen Geist (1512, elegant zweischifflg mit schmälerem Chor)
und zu St. Johann (Haupt- und ein Nebenschiff). — Der Chor der
Ilzpfarrkirche 1476.
Percha bei Starnberg. Spätgothische Kirche von 1525.
PfaffeiWea in Oberbayern. Spätgothische Pfarrkirche (verzopft) mit
kunstvollem Thurmbau aus Ziegeln.
PijppiBg bei München. Die einschiffige Hofkirche mit Holzdecke und
gewölbtem schmälerem Chor, 1478 — 1480.
Pdttaies in Oberbayern. Zopfig entstellte Pfarrkirche mit achteckigen
1) BeyBchlag, D.-E., Beiträge zur Kunstgesch. der Reichsstadt Nördlin-
gen. 1798.
2) Alb recht, Jos., die Stiftsk. su Oehringen, 1837.
518 G ethische Kirchen
Pfeilern und spätgothischen Seitenschiffen, die viel niedriger sind als das
flach gedeckte Hauptschiff; allein am Chore sind Strebepfeiler.
Prill bei Regensburg. Chor der Karthänserkirche 1498 — 1513.
(Chlingensperg, das Königreich Bayern 2, 91.)
lUst bei Freising. Spätgothische Kirche mit zwei Schiffen.
Rfgeiskirg^) Der Dom^), grossartige dreischiffig basilikale Anlage in
der Grundform des Kreuzes mit zwei unvollendeten Ostthürmen über dem
Westende der Seitenschiffe, die sich östlich jenseits der nicht über deren
Fluchtlinie vortretenden Kreuzarme als kurze Nebenchöre neben dem Lang-
chore fortsetzen und wie dieser im halben Achteck schliessen. Eigenthümlich
ist die Zerlegung des Chores in zwei Geschosse mit Ober- und in Nischen
eingebauten Unterfenstern, zwischen denen im Innern noch ein Triforium
angeordnet ist, welches sich auch im Langhause vorfindet und zwar deige-
stalt, dass das Pfostenwerk der Oberlichter sich vor demselben fortsetzt.
Die Arkadenpfeiler bilden im Kern ein übereck gestelltes Viereck und sind
mit je vier durch Hohlkehlen verbundenen Bündeldiensten besetzt. Am
Aeusseren mit Fialen gekrönte Strebepfeiler und Strebebögen, welche letz-
tere an der Chorpartie jedoch meist nur decoratlven Charakter haben. Die
Westfront, ausgezeichnet durch eine vor dem Prachtportal in zwei Seiten
des Sechsecks vortretende offene Halle, zeigt nach oben reiche, aber bereits
entartete Bildungen. Mehr als das besonders nur durch die Masse imponi-
rende Aeussere wirken die weit und hoch gespannten Hallen des Inneren.
Gegründet wurde der Dom 1275, der Chor bis 1280 vollendet, das Lang-
haus seit 1381 — 1436, diespätgothi8cheWestfa9ade vollendet 1482— 1486 ;
der 1524 liegen gebliebene Bau der Thürme ist seit 1859 wiederaufge-
nommen. Der Kreuzgang datirt theils aus der Zeit von 1410 — 1421, theils
aus dem XVI. Jahrhundert. (Popp und Bülau Lief. 1, 3. 5. 8 — 10. —
Förster, Denkm. 3, 16 — 28 und 6 Taf. — Chlingensperg, das
Königreich Bayern 1, 333 und 351. — Sighart, Bayerische Kunstgesch.
S. 299—306 und Nr. 102—104. S. 347 — 355 und Nr. 120—133. S,
440—448 und Nr. 458. S. 768 und Nr. 198.)
Die äusserlich verbaute Aegidiuskirche um 1377, mit drei fast
gleich hohen und polygonisch schliessenden Schiffen. Rechteckige mit
Diensten besetzte Pfeiler und schöne Capitäle. Westempore über reich ge-
gliederten Bögen. — Die Alte Pfarr(kirche) , ein rings herum mit
Emporen umgebenes Rechteck, frühgothisch und mit vielen noch romani-
schen Details ; letztere an dem Blattwerk der Capitäle in mannichfaltiger
und edelster Bildung; nach v. Quast nicht vor 1250 — 1263. Der Mittel-
1) Popp, Just., u. Bülau, Th., die Architektur des M. A. in Regensb. 1834
bis 1839. — Orueber, Bernh., Regensburg u. seine Umgebungen. 1843 ff. —
Schuegraf, J, R., Regensburgs Naturschönheiten, Kunstdenkm. u. Kunstscbfltze,
in den Beilagen der N. Münchener Ztg. 1 858. Ko. 86—88 ; vergl. das Regensb. Un-
terhaltungsbl. 1861. No. 8 ff. — S. auch oben S. 357. Nota 1.
2) Der Dom zu Regensb. Eine gedrängte Schilderung etc. 1843. — Orueber,
Bernh., der Dom zu Regensb. 1813. — Schuegraf, J. R., Gesch. des Domes von
Regensb. 1847. 2 Bde. Vergl. Desselben Nachtrage zur Gesch. etc. in den Ver-
handl. des hbtor. Vereins für den Eegenkreis. Bd. 16 u. drei Rechnungen über den
Regensb. Dombau. 1487—1489, ebd. 18, 135—204.— Vergl. auch N. MOnchener
Ztg. 1856. No. 98 u. 115. — Regensb. Morgenbl. 1861. No. 259 f.
in Bayern und Schwaben. 519
räum ist flach gedeckt, die Arkadenpfeiler unter den Emporen sind acht-
eckig. Veränderungen an der Ostseite 1440. (Popp und Bülau Lief.
4. — Grueber, Vergleichende Sammlungen IT. Bl. 16 und 18. — Sig-
hart a. a. O. S. 220. Nr. 54.) — Die Dominicanerkirche*), ein-
fach, edel, frühgothisch : die rechtwinkelig geschlossenen niedrigen Seiten-
schiffe reichen nur bis an den Chorschluss ; die Fensterfüllungen des Cho-
res bestehen aus Steinplatten, die von einem Dreipass durchbrochen sind;
die Fensterstöcke ohne Capitäle; die Arkadenpfeiler achteckig mit vier
Halbsäulen; nachv. Quast 1274 — 1277. — (Grueber a. a. O. Bl. 31.
— Kallenbach, Chronologie, I. Taf. 13.) — Die profanirte Minori-
tenkirche mit einfachem basilikalem Schiff und schlankem edelgothischem
Chor. — Die Neu-Pfarrkirche , 1519 — 1521, in einem Gemisch von
gothischen und Kenaissance-Formen.
ReiÜhgea. Die Marienkirche ^) , in der Grundform des Kreuzes und
mit niedrigen Seitenschiffen, begonnen 1247 mit dem noch romanisirenden
gerade schliessenden Chor und erst im XIV. Jahrh. bis 1343 in edelgothi-
schem Stil wesentlich vollendet. Das Querschiff hat nur die Breite des
Langhauses , die Stelle der Vorlagen vertreten aber zwei niedrige Tliürme,
die sich nach dem Innern der Kirche Offnen. Die Schiffpfeiler sind acht-
eckig und scheinen nach einem Brande von 1726 an den Capitälen verän-
dert zu sein. Auch gelten nur die Chorgewölbe für alt, und die Seiten-
schiffe sind mit Holzwölbungen gedeckt. Die mit Fialen gekrönten Strebe-
pfeiler entsenden mit Blumen besetzte Strebebögen gegen den Hochbau.
Ueber der mit drei Portalen versehenen Westfront steigt ein hoher vier-
giebcliger Thurm auf mit massivem achteckigem Helm. (Laib und
Schwarz, Formenlehre Taf. 7 f.)
Riedel bei Schwäbisch Hall . Ansehnliche schmuckvolle Kirche von 1436.
SiedIhgeB unweit Sigmaringen. Dreischiffige Kirche mit Stemgewöl-
ben und gerade schliessendem Chor.
R^tteakirg am Neckar. Die bischöfliche Kirche, 1421 aus einer ro-
manischen Pfeilerbasilika umgebaut ; am südlichen Kreuzarm ein einfacher
gothischer Thurm mit achteckigem Steinhelm.
R«ttweil. •) Die Heil. Kreuzkirche, ausser einigen älteren Thei-
len aus dem XII. und XIII. Jahrh. von 1364 — 1473. Die achteckigen mit
Halbsäulen besetzten Pfeiler des dreischiffigen Langhauses sind ohne Capi-
täle, die Streben nach innen gezogen. — Der imposante Thurm der Ka-
pellenkirche wird schon 1364 erwähnt.
8t RlwU bei Landshut. Dreischiffige Hallenkirche mit eingezogenem
Chor, 1450—1470.
Sailgai unweit Sigmaringen. Dreischiffige flachgedeckte Kirche mit
niedrigen Seitenschiffen und viereckigen Pfeilern; an der Nordseite des
einschiffigen gewölbten Chores ein schlanker viergiebeliger Thurm mit acht-
1) Niedermayer, Andr., die Dominicanerk. in Regensb., in den Verhandl.
des histor. Vereins far den Regenkreis IS, I — 74.
2) Hassler, C. D., über die Marienk. in Reutlingen, im Correspondenzbl. des
Oeaammtvereins etc. 10, 94 — 98.
3)Rhoiiiwald,C. F., RottweU u. seine Sehenswürdigkeiten. 1S61.
520 Oothitfohe Kirchen
eckigem Helm; vor dem Westportal eine nach drei Seiten offene Vorhalle.
(Laib und Schwarz, Formenlehre. Taf . 12.)
Schejeni in Oberbayern. Die Prälatenkapelle von 1565, ein'
Quadrat mit erkerartiger Apsis; das Gewölbe mit decorativen Thonrippen,
welche Sechsecke bilden. — Der Capitelsaal mit einem Mittelpfeiler.
8cli«nidl«rf unweit Stuttgart. Die Marienkirche, ein dreischifflger Hal-
lenbau, von welchem nach einem Brande von 1 634 nur die Mauern des
jetzt flach gedeckten Langhauses stehen blieben und der 1477 erbaute ein-
schiffige Chor von meisterhafter Steinmetzarbeit. (Kallenbach, Chrono-
logie. L Taf. 21.)
SchMkeahaiseB unweit Ingolstadt. Hallenkirche aus Ziegeln mit Chor-
umgang und südwestl. Thurm, 1440 — 1480. Aus den capitäUosen Rund-
pfeilern entspringen die Rippen der Rautengewölbe ; die nach innen gezoge-
nen Strebepfeiler sind hier gegliedert und durch Spitzbögen verbunden.
Schwakbeh-fiMBil. Die Heil. Kreuzkirche 1351—1510: drei gleich
hohe Schiffe, welche durch schlanke Rundpfeiler mit Laubcapitälen getrennt
werden und einen breiten Chorumgang bilden. Am Chor treten die mit
Fialen gekrönten Strebepfeiler zugleich nach innen und schliessen Kapel-
len zwischen sich ein, über denen ein ausgekragter Laufgang angebracht
ist. Die beiden, die Stelle der Kreuzvorlagen einnehmenden Thürme sind
nach dem Einstürze von 1492 schmuckvoll wieder gebaut. (Laib und
Schwarz, Formenlehre. Taf. 9.)
8«ttM bei Straubing. Der Chor der Marienkirche 1350-^1352, mit
fünfmal abgestuften Streben und schönem Fensterwerk ; das Schiff ein-
fadier gehalten. (Chlingensperg, das Königr. Bayern 2, 309.)
StftdtkcHBatll in der Oberpfalz. Einfach spätgothische dreisdiiffige
Kirche.
StraiUlg in Niederbay.ern. Die Jakobskirche, grossartiger Hal-
lenbau mit Chorumgang und niedrigen Kapellen zwischen den Strebepfei-
lern. Kühne Rundpfeiler tragen das 1 780 eingestürzte, aber wieder er-
neuerte Gewölbe. Ziegelbau mit Hausteindetails, erbaut im XV. Jahrb.,
geweiht 1512. Der stattliche aus dem Viereck ins Achteck umsetzende
Westthurm ist erst 20 Jahr später vollendet. — Die minder grosse, aber
ebenso leicht und schlank erscheinende Karm eliter kir che , ein drei-
schiffiger Hallenbau mit Rundpfeilem aus gleichem Material, geweiht 1430 ;
der einschiffige Chor scheint bereits um 1397 vollendet gewesen zu sein.
Auf dem Kirchhofe die zierliche Bernauerkapelle von 1436 und die
zweischiffige Tod ten k a pel 1 e mit Gruft. — Die Residenzkapelle,
geweiht 1373, mit zierlichem Erkerchor.
Staltgart ^) Die Stiftskirche, 1436—1490, mit drei fast gleich
breiten und hohen Schiffen und einschiffigem Chor. Die Pfeiler von vier-
eckigem Kern mit starken Diensten und Einkehlungen tragen reiche Netz-
und Sterngewölbe, welche im Chor in Holz erneuert sind» Am Langhause
treten die Strebepfeiler nach innen und schliessen Kapellen zwischen sich
ein. Das »Apostelthqr« an der Südseite der Kirche, ein Prachtportal mit
zwei Reihen von Bilderhäusern, 1494. Aus der Westfront tritt ein oben
1} VergL Heideloff, Kunst des M. A. in Schwaben. I, 14—34 u. Taf. 4—10.
in Bauern und Schwaben. 64l
acbteckiger Thurm hervor, der nach innen auf gegliederten Pleilern ruht-
ein zweiter Thunn an der »adlichen C'hormte iftt im Unterbau noch Toma-
nisch. — Die Leon hard«kirch e (I 170 — 1474} und die Spi talklrchc
(1471 — ]4^%] sind einfache Ilallenbautcn mit gegliederten achteckigen Pfei-
lern und einschifllgcm Chor; in dem nördlichen SeitenftchifTe der Spital-
kirche eine reichgeschmtlckte Empore von 1479, und daneben ein 1505
vollendeter Kreus^gang mit in neuerer Zeit zerstörten Gewölben.
Sili bei Wiklberg. Kirche von I4&fl mit älterem roman., gothisch
verändertem Thurm.
Sii]tbacli bei Amberg. Kirche mit niedrigen Seitenschiffen und eini-
gen Kajiellen in Verbindung mit letzteren; anscheinend aus dem XIV. und
XV. J a b r li . , a ber d u rch gre i t en d v eründer t .
Tinifhf Rreit unweit Eger. CTlior der Kirche mit schönen NeUgewöl-
ben von I4b2.
TiUinoiiJiig in Oberbayern. Öpätgothische Hallenkirche.
Tilil in Oberba^'ern, Hallenkirche mit polygoni sehen Pfeilern und
einschitfigem Chor, nach 14 53; innen modern verändert. Der Westtburm
nnvollendet.
Troftlberg in Oherbaycrn. Hallenkirehe von M9S,
Tubin^f^ll. Die Georgenkirche, 1470—1529; der filteiife Theil
kt der sieli allein durch schöne Verhältnisse anszeiehnende Chor; die
Schifte ohne Wöllning. Einige Fenster zeigen an Stelle des Maass werke«
figdrlicbe Sculpturen. — Der Chor der Spilalkirche mit schönem Ge-
wölbe, 1504 ; das Schiff ist älter,
M«.*] Das Manater'^j, von weiträumiger Anlage in oblonger Grund-
form ; im basilikalen Langhause (wahrscheiiUich erst in Folge späterer An-
ordnung) fünfschiffig, im iiiedrigeren Alrarhause, mit unvollendeten Ser-
tenth firmen, nur einschiffig. Die Mittelpfeüer von viereckigem Kern sind
an den Innen Heit<?n schlicht imd nur vorn und hinten mit aufsteigenden
G u rtt rage r bündeln versehen, wodurch sie sechseckig ersclieinen, Ihre Stel-
lung ist sü eng, dass die Arkadenbügen sehr steil lanzetttßrmig gehalten
werden mussten. Die hoben bis ku den vcrhältnissmässig kleinen Ober*
lichtem gan» kahlen Sargmauern und die mit wenigen Hijipen versehenen
Stich kappenge wölbe machen einen ntSchterncn Kindruck ; der Kweitherlige
Hallenbau der Seitenschiffe dagegen mit je einer Reihe von schlanken
Rund [»feilern und zierlichen Sterngewölben ist voll T/cbcn und Anmuth.
Der Körper des ausser lieh fast nirgend ganz vollendeten Gebäudes ist Back-
stein, mit Hausteindetailsi. Gan/^ von Haustein ist der leider unvollendet
1) GrüneiBen, C^ u. Mauch, Ed., Ulnxs Kunstleben im M. A. lS4ft, —
Hasäler, C D^, lIlmR KuastgcJ^ch. im M. A. 1804. — Mauch, Ed** die Baugesch.
der Stadt Ulm und ihres Münsters. l*^l)t,
2) Fr ick. E,, Ausfahrh Ecachreib« d<.>3 Münster- Gebäudes ku Ulm. Mit Kpfrn.
^Ulm o. J,) 1760; in erpfttereu AuR^abeu von Ci, Haffner, — Thifin, O, C+ Ferd,,
da« Mtln^tor in Ulm, iHhl. — HaRater, C, D., zur Gesch. der Itirchh UaiUtunftt im
M* A., mit bes, Be/jehnng auf dan Ulmer MftUF^tcr, Ein Vortrag, 1*^57, — Deraelhe,
der Ulmer Man&tcr, im Christi. Kun^tbl. 1^511. No. 9 f. — MiUclaltcrU Bau den km,
nUH Schwaben HL Ilft. U iVcUüU aus dem M finster.) — Vergl, die Verhandlungen^
Kunstblätter u. Veröflentlichungen de» VerHns ftlr Kun»t u, Alterth, in Ulm u*
O bc rut h w abt' n . iSA'deic.
522 Gothiflche Kirchen
gebliebene gewaltige und glänzend decorirte Thurm^) in der Mitte der
Westfront, mit prachtvoller dreitheiliger Vorhalle zwischen den geglieder-
ten Vorsprängen der Streben desselben. — Die Erbauungszeit von 1377
ununterbrochen, aber mit mehrfachen Aenderungen des ursprünglichen
Planes, bis ,1494, die jetzige Anordnung im Innern der Seitenschiffe an-
geblicherst 1502—1507. Restauration seit 1843.^ (Quaglio , MerkwOrd.
Gebäude. I. Bl. 6 u. 17. — v. Wiebeking, Baukunde Taf. 2; 5 Fig.
3 u. 9,7 Fig. 2. — Förster, Denkm. 7, 37—46 u. 1 Doppeltafel. —
Vergl. oben S. 507 Fig. 227.)
VeMei in Oberbayern. Hallenkirche mit einschifiigem Chor und aus-
gezeichnetem Westthurm, etwa 1450.
VikUbwg bei Landshut. Spätgothische Hallenkirche von grossartigen
Verhältnissen mit einschiffigem Chor und hohem Westthurm. Abgekan-
tete achteckige Pfeiler mit wulstförmigen Kämpfern tragen die Netzge-
wölbe. — Die kleine Spitalkirche von 1460.
WaiUiBgCM bei StuUgart. Die äussere Kirche, 1459 — 1489, mit
niedrigen Seitenschiffen, aber nur einem Dach. Der Westthurm, oben ins
Achteck übertretend, mit spitzem Zeltdach. Daneben eine Kirchhofs-
kap eile mit Gruft, 1496. — Die einschiffige Nicola ikirche, 1488.
Wasserbirg ^) in Oberbayern . Die Frauenkirche, 1386, eine ba-
silikale Anlage^ deren durch den 2k)pf entstellte Schiffe jetzt unter ein
Dach gebracht sind. Der sich über die Westfront erhebende Thurm mit
vier EckthÜrmchen am Helm . — Die Pfarrkirche, begonnen 1410 als
basilikaler Ziegelbau mit nach innen gezogenen Strebepfeilern ; der Chor
mit Umgang und der unvollendete Thurm aus Haustein, seit 1445. Das
Innere ist 1635 entstellt. — Die profanirte Michaeliskirche mit Gruft,
vollendet 1508.
Weil der SUii unweit Stuttgart. Die Städtkirche, mit Beibehaltung
der romanischen Chorthürme eines älteren Baues, begonnen 1492 und im
Chor 1519 vollendet. Das jetzt flach gedeckte dreischifHge Langhaus hat
gewundene Pfeiler und nach innen gezogene Streben. Der mit Eckfialen
geschmückte, oben achteckige Westthurm bildet unten die Vorhalle.
Wfilheta unweit Stuttgart. Die Benedictinerkirche , 1489 — 1495,
Hallenbau mit achteckigen Pfeilern, aus denen die Kippen der Netzgewölbe
hervorwachsen.
Weag uuweit Freising. Zierliche einschifilge Gewölbekirche mit schmä-
lerem Chor und spitzem Westthurm, XV. Jahrh.
Wisipfei Mü Berge. Die Stadtkirche, an deren von zwei schmucklosen
Thürmen flankirtes einfach frühgothisches Altarhaus seit 1492 ein aus drei
gleich hohen Schiffen bestehendes Langhaus mit Rundpfeilem und schweren
Netzgewölben angebaut wurde.
1) Der Originalplan, herausgegeb. von Schmidt; s. oben S. 28 Nota L Vergl.
auch bei Moller, Denkm. L Taf. 57 f. n, Kallenbach, Atlas Taf. 70.
2) Die Restaurationsarbeiten haben im Laufe der Jahre zu lebhafter Polemik ge-
führt; veigl. Aber den gegenwärtigen Stand derselben das Organ fürchristl. Kunst.
1866. S. 42 f. 106 f.
3) Heiserer, Gesch. der Stadt Wasserburg, im Oberbaier. Archiv für vater-
Und. Gesch. 19, 251—314.
in Bayern und Schwaben. 523
WlMipfeB Im TlaL Die Augustinerstiftskirche, zwischen 1262 und 1278,
basilikale Anlage in der Grundform des Kreuzes, begonnen mit dem von
zwei Nebenchören und zwei unvollendeten Thürmen begleiteten Altarhause
und im Anschluss an das System der französischen Gothik (oben S. 471]
fortgeführt : die Bundpfeiler sind mit vier alten und vier jungen Diensten
besetzt und haben Capitälkränze von feinem und leichtem Blattwerk. Die
Arkadenbögen sind lebendig gegliedert, die Wandfläche über ihnen und un-
ter den schmalen zweitheiligen .Säulenfenstern mit regelrechtem Maasswerk
im Bogenfelde ist leer und nur durch ein Gurtgesims getheilt. Am ein-
fachen Aeussem Strebepfeiler mit Kreuzbedachung und schlichte Strebe-
bögen ; allein die Front des südlichen Kreuzarmes ist reicher ausgestattet.
Noch ungeheuerliche Wasserspeier. — Der Kreuzgang mit Holzdecke,
meist in strenggoth. Formen.
Fig. 22S. St. Stephan zu Wien (vor der Ilestauration).
Ilt. In den deutsch-österreichischen Ländern.
Literatur: Vgl. die oben S. 363 angefahrten Schriften und Kupferwerke.
— Schmidt, F., über Baukunst u. Bauwerke in Niederösterreich. Ein Vor-
trag etc. im Kölner Dombl. von 1865. No. 250. — Atz, C, Oberzweischiffige
Kirchen in Tirol, in den Mittheil, der k. k. Central-Comm. (1S65). 10,
XLVf.
^HithiMhe KirL'hijii In dtd deuü:n:li-6hti!iTL''iL'liiM h^ii handerii, 525
Vorbemerkung.
Uli. Da tiir Misrlisiil drr It lj(^rgaiin:8[RrinrlM \n tlrii (l{MilMch-
ü?^t e i t iUi- li i sf li r ü 1-jnnlfni S. MlUi seilt' hiu^ri- ht rnsrlu nd l>liolu
SM h hlin H( i^ipiili! tlcr rciiH n imd strengen FriiligiJtljik ^hii/Iil^Ii, iiml
für i^^utliisriio Vorm tritt in inriir ntU r weniger bclndifii]! (Vinlra^t L^f-
gt?ii ilic rmiiaiiUrliLii MUclihaiihui la.st nur in ihr<:r rrducirtni lUi-
<iiiiiy;>\veise idit'. Die verliähiiisMiiässi^; st.ltiTiieu Driikiiulln tlrs
\IV. Ja]iiLurL(U its liabrn tlir J lalit nf<3rjn, iiiid die iiuisrei^ilh-^lrii
unter ilmtai giui^eu von den ( 'Uteri^ienserii aus: der nach dein \ ni-
bilde der Abl<nkirelie \ou l\>ntigny in NertM^nrgiind ;r(.|d:Lnte ( hoi
der Klosterklielie i^uZvtell in Xiedenisicin'ieh und die vaw derrisiii
sslensür-Abtei Kiin abbäiigige Widllalirtäkirelie zu Slrassen^tl in Steicr-
uiurk; leti^tere nur in tferin^erer tiiiii^se und naeli di-ni altbrr^^elirai li-
ten .süddenUelien (irLindscliema dreier fa^t ^^ieieh lainreu in Ah^n-
uisrhen seid iesson den Schilfe. Der anderwärts, bestnidei:; in Nixden,
SU seirr liäufig Norkainniende rnn^ang der SeitinselnifL^ njn dt^n ( 'imr-
Kcbhis^ ist in diesen südlielM'n (iegend^Mi äll:i>er^,l selten; die nn^^lm
Kirchen hel'ulgen ini (üimdiis^e dlt \\ eisr <lir lleUciordeiu indem
sicli der Tlnn', ein^ehitiig luul ^on der Breite des ^littvlsc liilles, iani,^
gestreckt und nnter liesendeieju Daelie dein i^eradliniu^ ireseble^se-
nen L;in^bause an^ebliesst. Uelieraus zabh'eieh nnd in i^daii/einhn
Beispielen i>t die (inthik des \\\ .labihnndert& vertieten, ;ds deren
j [an[ilrt^|nHsenlsnit der Ste]>lninsdNtn /u Wien mit seinem riesigen
l*rachttburm an t^rstei' Stelle zu nenjien ist. Hr.annkensvvei th er><'lLeJnl .
dn^ii in Jel/ler Sjfatzuit. ber^euders Ini kleineren Kire]ien> die b ülier
fast ^anz vernaehbissi^te basiHkale Anbii^^e mit nitabnen Sriten^ebiften
und u lach an^etrofien wird. Naeb \ erludtniss biutfi^ kmmnt aueb iVir
zweisebiifif*e Ilallenlo] in \or, die sicli zum Theil nnr auf dns l*an^lnm*^
l>e^(^hrankt, zum Tbeil aber aueb dureb tbts t^anze (iebfunb^ las zu di m
/weit'aelien (liorselilnssc erstreckt: das am cünset[iR*ntesfen durebge-
Jubrlc Heispiel dieser Gattung ist die vierscbinii^e IM'arrkiiehe zn
♦Sebwaz in 'rirnl, eine zweien Patrenen gewidmete vull^ländi^L^e Faial
lebDüpitelkireliü , deren eine Jlidfte der 3Kiri;er^eliaU, die andere dij-
Bergknappscbalt zustand, Unter den s^aldreieh Vt»i iiandenen ein-
sebifflLren Kirebcn zciebnen sieh mehreie Kartliänsii hauten de?^
XIW Jahrhunderts Ganiin^^ mnl A^gsbaeli in Niederusl<'ri(i< li. St il^
in Steieiinaik ete. dnreh edlc^ liebaHdhlni^^\v ei^e, zum I'Ik il aneli
dui'eb lihei nlJL^^i^e llidie nnd /ierbebe 'l'hiirmrlHai aus: einr> \erilieii-
ten Knies erlreut sich be^t)nderä die eiiiäeldtlige Kirebe Maria *Sli( gi*ri
52l6 OothiBche Kirchett
in Wien. — Eine Ausnahmestellung in der Entfaltung der gothischen
Baukunst nimmt unter den übrigen deutschen Kronländern das sla-
vische Königreich Böhmen ein, wo die Architektur keine eigentliche
Entwicklung durchgemacht hatte. An den wenigen Bauwerken, die
mit ziemlicher Sicherheit dem XIII. Jahrhunderte zugeschrieben wer-
den dürfen^ (wie an der kleinen einschiffigen Clarissenkirche St. Agnes
zu Prag, an der Ostpartie des Cisterzienserklosters Hohenfurth) erschei-
nen neben romanisirenden frühgothische Elemente; von dem gross-
artigen Cisterzienserbau zu Hradisch haben sich nur geringe Reste im
gothisirenden Uebergangsstil erhalten, darunter ein elegantes Spitz-
bogenportal, welches zwar in der Pflanzendamascirung der abgetrepp-
ten Gewände an das Prachtportal von Tisclmowitz in Mähren
(oben S. 380) erinnert, aber in den Details der zweimal fünf schlan-
ken, in der Mitte durch scheibenförmig abgeschärfte Ringe getheilten
Säulchen mit polygonen Basen und Laubcapitälen bereits entschiede-
ner gothisch erscheint. Es bleibt jedoch fraglich, ob diese Ordens-
bauten einheimischen oder fremden Künstlern ihren Ursprung ver-
danken, da der Prager Bischof Johann von Draschitz (1301 — 1343),
welcher in seiner Jugend lange am päpstlichen Hofe zu Avignon ge-
lebt hatte, von daher zum Bau einer Eibbrücke in Raudnitz 1333
einen Baumeister kommen liess, der mit seinen Gehilfen zwei Pfeiler
und einen Bogen errichtete, dann aber nach Frankreich zurückkehrte,
während einheimische Werkleute, die von anderen Fremdlingen {ab
aliis advenis) vollständig unterwiesen waren, das Werk vollendeten.
Diese aUi advenae können wohl nur Deutsche gewesen sein und er-
scheinen als die eigentlichen Lehrmeister der Böhmen: wenigstens
deuten die unter demselben kunstliebenden Bischöfe entstandenen
Kirchenbauten (die 1330 beendete Augustinerkirche in Raudnitz nebst
Kreuzgang) nur auf deutsche Schule hin. Das frühgothische Lang-
haus der Bartholomäikirche in Kolin hat die specifisch deutsche Hal-
lenform, der 1292 gegründete Chor der Erzdechanteikirche zu Pilsen
ist unter dem Einflüsse des deutschen Ordens entstanden und die De-
chanteikirche zu Nim bürg, gegründet 1282, sowie der Dom zu König-
grätz, gegründet 1302, bekunden schon durch das Material (Ziegel mit
Hausteindetails) ihre Verwandtschaft mit süddeutscher Weise. In der
zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts gab Kaiser Karl IV. (1346 bis
1378] durch Herbeiziehung französischer und süddeutscher Baumeister
zu dem Prager Dombau der Gothik in Böhmen einen glänzenden Auf-
schwung und eine bestimmte Richtung (die Neigung zu überraschen-
den Wirkungen durch ungewöhnliche Bildungen bei einer besonde-
in den deutsch-Östeireichischen Lflndern. ^2^
ren Magerkeit der Details), welche die nunmehr hervortretende na-
üuiial-böh mische Schule mit cliLiraktens tisch eigener Behandlung ver-
folgte.
VergL Schnaase. Kunat^escb. 6, 3fJ7— 32^. — Kugler, GeBeli. der
^ Baukunst :) » 274— 2 Tu; M^—'S'll. — Lübku, GeÄCh, d^t Archit(!ktur,
3; Aufl. S- h\S ff, — Urueber, in den MittheiL der k» k. Central-Comnüs-
, Äion etc. (»S5li;. I, IVÄ-lTli 241— 2 4H,
.iggübicb uinveit Melk (Kr. üb dem W. W.). Einschiffige Kirche der
l.'^SO gcsttifteten Kartliause. Die GurUrägcr sind im VorderHchiff voTge-
kiagt, im Chor herablaufend; die Fenstt;r xvveilheilfg mit einfachem MaasN-
wcrk.
Aller Heiligen Kapelle an der Mnr, sohrägilber von Brück, in der
Grundform eines ^leith.'^jeitif^ren Dreiecks* dessen Ecken Jibij^eschniften ninU ;
1497. Im Innern bildet sich durch Anordnung von drei breileii Spilzhögeii
ein Sechseck, welches mit einem Hterngewölbe bedeckt ist. Die in den
Winkeln de*^ Dreieck k bofindlifhen trnpcztörmij^en Küume Nind hHlbkup-
pelartig überwOlbt nnd dienttm mir Aufnahme von Altüren* Das Kirchlein
ist seit lange Wirthi^haus. [Petschnig, in den Miltheil. etc. 10^ MM f.
Fig. 1-3.1
Anihach unweit St. Polten (Kr, ob dem W. W.]- Kirche von ba^ilika-
ler Anlage mit acht eck igen Preüern und Netr.ge wölben von 14 IM ; die drei
Schiffe liegen unter einem «ehr hohen und ätoiien Dache. Der t'hor er^
Hcheint etwas älter. Ostwärts von der Kirche eine einschiffige S|jäfgolhi8che
Gnibkapcllc mit Gruft,
Ar4la|;;|fT (Kr. ob d.W.). Der Chor der Collegiatkirche mit übereck
stehenden Strebepfeilern und rohen Strcbebdgen^ etwa aus dem XIV. Jahr-
hundert. Kreu/gang um 14 10,
iriiiiJDrfj gegenüber Spitz a. d. Donau. Kirche aus dem XIV. oder
XV. Jahrh* mit niedrigeren Seitenschiffen, viereckigem Wentthurm und
zopfigem Chor ; restaurirt IS 59,
AlÄSee') bei Hallstadt in Steiermark. Grosse f^patgothiscbc Pfarr-
kirche mit nur einem niedrigeren Scilensthiff. . An den Mtarkei^ vicreiki-
gcn Pfeilern der breiten Arkadcnbögen runde Dienste ohne Capitflle, al.«*
Trager der Netzgewölbe. — Spätgolhisth sind auch die einsehiffigc S^ii'
t a 1 k i r c [i e und die F i j I a 1 k i r c h e .
Baden unweit Wien, Pfarrkirche aus dem X V. Jahrh . , mit etwas
höherem MlttekchifT. Die Pfeiler unten vier-, oben achteckig; die Fenwler
mit schönem Maasswerk. — Der Kreu/.gang des A ugus t inerklost er?i,
XV. Jahrh , — - Die M a g d a l e n e n k a p e 1 1 e , spHtgothisch ,
Bärnerk im Murthale, unweit Eruck, Die Frauenkirche'-^), ein Hallen-
hau von 14ij| mit achteckigen Pfeilern und einem flach rechteckigen , mit
1) Sacken, Ed. v., Bnudenkm. in Au^ee, in den Mittheil, der k. k. Central
Commusioa (Isfjüj 1, <i:j f.
2) Seheiget , J,, di^ä K. zu Bürneck In SteicTm,, a, a. ü, (l^i5T) 2, l(il f. U. Taf* Öp
34*
528 Gothische Kirchen
vier Walmen gedeckten Thurm vor der Mitte der Westseite, dessen Unter-
bau die Vorhalle büdet vor dem reich geschmückten Portal.
Beneschai (Kr. Tabor). Die Decanatkirche, deren Chor der
zweiten Hälfte des XIII. Jahrh. zugeschrieben wird; das höchst einfache
dreischiffige Langhaus aus der zweiten Hälfte des XVI. Jahrh. — Geringe
Keste der 1420 zerstörten Minoritenkirche.
BerchtoMsdvrf bei Mödling in Niederösterreich. Die spätgothische
Pfarrkirche, Hallenbau mit gegliederten achteckigen Pfeilern, Emporen in
den Seitenschiffen und Sterngewölben ; der ältere und niedrigere Chor ist
dreifach polygon geschlossen und hat einfache Kreuzgewölbe. Schönes
Fenstermaasswerk. Der Thurm steht isolirt.
Blatna unweit Pisek (Kr. Prachin). Das Langhaus der Dechantei-
kirche, ein spätestgothischer, grösstentheils erst dem XVIL Jahrh. ange-
höriger zweischiffiger Hallenbau aus Granit mit drei Rundpfeilern und
einer Art von Zellengewölbe ; der viel schmälere einschiffige Chor mit
Rautengewölben um 1530. (Grueber, in den Mittheil. etc. 1, 244 und
Fig. 44—46.)
Bockstall (Kr. ob dem Manhartsb.) . Die Pfarrkirche, ein in zwei
Schiffe getheiltes Quadrat mit reich gegliederten Pfeilern, westlichem Orgel -
chor und Thurm an der Südseite; XV. Jahrh. — Ruine der ausserhalb
des Fleckens belegenen spätgothischen Annakirche: ein dreischiffiger
Hallenbau mit zwei Chören , von denen der Hauptchor sich gegen das
nördliche Seitenschiff und das Mittelschiff Öffnet, der Nebenchor nur gegen
das südliche Seitenschiff.
Bitten. *) Die vielfach entstellte und als Magazin benutzte Dominica-
nerkirche, ein (wegen localer Bedingnisse) von Norden nach Süden ge-
richteter , spätgothischer , dreischififiger Hallenbau mit achteckigen Back-
steinpfeilern und Netzgewölben; im Mittelfenster des einschiffigen Chores
noch schönes Maasswerk (Messmer, in den Mittheil. etc. 2, 97 Fig. 3).
Ein einfacher Kreuzgang. — Die Franciscanerkirche, ebenfalls ein
spätgothischer Hallenbau mit schmalen Seitenschiffen, schlanken acht-
eckigen Pfeilern und Netzgewölben; der ältere einschiffige Chor, geweiht
1348. Am Kreuzgange etc. mehrere Kapellen aus dem XIV. Jahrh. —
Ueber die Pfarrkirche u. 1. Fr. s. oben S. 368.
Brauiai am Inn. Die Stephanskirche ^), dreischiflfiger Hallenbau
aus Ziegeln mit Hausteindetails, gegr. 1441, geweiht 1466; das etwas
höhere Schiff nach einem Einsturz von 1485 im folgenden Jahre hergestellt.
Die nach innen gezogenen Strebepfeiler des I^anghauses bilden Kapellen-
reihen. Im nördlichen Winkel zwischen dem Abschluss des Seitenschiffes
und dem einschiffigen Chore erhebt sich ein stattlicher , in der oberen
Hälfte achteckiger Thurm. Die Pfeiler sind an den Capitälen mit Ausschluss
beinahe jeglichen Laubwerkes mit Apostel- und Heiligenbildern geschmückt.
— Die Spitalkirche von 1417.
1) Vergl. oben 8. 367 Nota 1 ; 368 Nota 1 u. 2.
2) Die Stephansk. zu Braunau, in den Mittheil, der Central-Commission (1S63)S,
81 f.
in den deutsch- österreichischen Ländern. 529
Breitenil bei Brück a. d. Mur. Die einschiffige Erhardskirche
von guten Verhältnissen. — Der spätgoth. Chor der zopfigen Jacobi-
kirche. — Vergl. auch die nahegelegene Kap. Aller Heiligen, oben
8. 527.
Bl^nherg bei Thernberg in Niederöst. Der schön gewölbte Chor der
Kirche, XV. Jahrh.
Irvek a. d. Mur. Ausser der 1301 gegründeten einschiffigen Mino-
ritenkirche noch einige andere dem XV. Jahrh. angehörige, ebenfalls
nur einschiffige Kirchen: Die Pfarrkirche am hohen Markt 1464
(Kunstdenkm. des Österreich. Kaiserstaates l, 148 u. 150), die Spital-
kirche, die Qeorgkirche am Pöglhof . — Die Ruprechtskirche
( an der Strasse nach Leoben ) rührt aus verschiedenen Zeiten her : das
Langhaus besteht aus zwei durch eine mittlere Reihe achteckiger Pfeiler
getrennten, mit Kreuzgewölben überspannten, gleich hohen Schiffen, von
denen das nördliche polygonisch schliesst, während das südliche auf einen
quadratischen roman. Thurm stösst, der den Durchgang bildet nach dem
einschiffigen, sternartig eingewölbten spätgothischen Chor. Südlich an dem
Thurme und am Östlichsten Joche des Südschiffcs sind noch zwei quadrati-
sche Kapellen, die äusserlich gleiche Flucht halten und, wie das ganze
Langhaus, der Strebepfeiler entbehren. (A. a. O. S. 149. — Petsch-
n ig, in den Mittheil. etc. 10, 193. Fig. 4.)
Bram bei W. Neustadt. Kirche von 1519 mit niedrigen Abseiten und
zusammengesetzten Kreuzgewölben. Der oben achteckige Thurm am Ende
des Schiffes ruht auf vier Pfeilern. Schöne Eingangshalle an der Südseite.
BrUBll. Die Augustiner- (ursprünglich Cist er zienser-) Kir-
che^), Ziegelbau mit Sandsteindetails, begonnen 1323, nach dem Hussi-
tenbrande von 1466 stark restaurirt und später im Innern vielfach entstellt.
An das nur an der Südseite mit einem niedrigen (vermauerten) Seiten-
schiffe versehene Langhaus schliesst sich ein weit ausladendes Querhaus,
jenseits dessen sich das Langhaus in einem dreischiffigen Joche fortsetzt.
Hierauf folgt ein zweites schmäleres, minder weit ausladendes und niedri-
geres Querhaus, das nach Nord und Süd polygonisch abgeschlossen ist,
und dessen rechteckige Vierung in einen kurzen Langchor mit gleichfalls
polygonem Schluss überführt. Die Schiffpfeiler sind in rechtwinkeligen Ab-
sätzen mit Eckkehlen gebildet und pflanzen diese Gliederung an den Arka-
denbögen fort. Die einfachen Kreuzgewölbe ruhen überall nur auf Conso-
len^ Die grossen Fenster der Ostpartie sind mit reichem Maasswerk aus-
gestattet. An die Nordseite des Schiffes stösst ein gänzlich verbauter Kreuz-
gang. — Die Jacob ikir che, Hallenbau mit Chorumgang, begonnen
1314; das nördl. Seitenschiff 1502. Schlanke Bündelpfeiler mit schlich-
ten Capitälen ; ein hoher Thurm. — Die Pe tri kirche , Hallcnbau mit
niedrigem Thurm an der nördl. Langseite; Brandschäden im XVII. Jahrh.
Broi unweit Saatz. Die Dechante ikir che , Hallenbau mit Chor-
umgang, 1522 — 1594; Gemisch von gothischen und Renaissence-Formen.
1) Essenwein, A., die K. der P. P. Augustiner in Brunn. (Das Königinskl.
in Altbrünn), a. s. O. (1862) 7, 11—21 u. Taf. 1.
530 Gothische Kirchen
Die Rippen der labyrinthischen Gewölbe entwickeln sicji aus den polygo-
nen Pfeilern. Zwischen den nach innen gezogenen Strebepfeilern niedrige
Kapellen und darüber Emporen. — Die Spital kir che zum h. Geist,
XIV. Jahrh.
Bviiweis. Die Piaristenkirche, Hallenbau aus dem XV . Jahrh .
mit einschiffigem Chor ; doch ist nur letzterer in ursprünglicher Weise er-
halten und an den Wandpfeilem besonders schöne Capitäle. Das Lang-
haus (von gleicher Anordnung und Grösse mit der Kirche zu Krumau) ist
im obern Theil im Renaissancestil umgebaut.
Chriilill in Böhmen. Die doppelthürmige Dechanteikirche aus
dem XIV. Jahrh. — Die Katharinen^irche mit ihren malerischen
drei Thurmspitzen wurde 1850 durch Brand zerstört und wird jetzt re-
staurirt. ,
Cilli in Steierm. Die Stadtkirche von spfttgothischer basilikaler
Anlage mit einschiffigem Chor ; im Schiff später verändert. An der Ost-
seite des nördlichen Seitenschiffes ist die einschiffige, dreiseitig geschlos-
sene MuttergotteskapelLe angebaut, deren Gewölberippen über zier-
lichen Bildhäusern mit reichen Baldachinen aufsetzen ; ausserdem sind im
Altarraume zwei höchst schmuckreich behandelte Wandnischen angebracht.
(Haas, im Jahrbuche der Central-Commiss. 2, 223. — Petschnig,
in den Mittheil. etc. 10, 202.) — Die Übrigen Kirchen sind durch Reno-
virungen entstellt.
CiasUl bei Kuttenberg. Spätgoth. Dechanteikirche mit dem angeb-
lich höchsten Thurme in Böhmen.
lestseb-Altenlllirg. Vergl. oben S. 368. Der Chor der Johanniskirche
aus der zweiten Hälfte des XIV. Jahrh., ein edler Bau mit reichen Strebe-
pfeilern, deren Fialenkrönungen verstümmelt sind. Der Thurm voi: der
Westseite hat einen achteckigen Oberbau mit einfachem, von Giebeln um-
gebenem Steinhelm.
lietMamis bei Weitra (Kr. ob d. Manhartsb.). Spätgoth. zweischiffige
Kirche mit zwei Pfeilern und Netzgewölben.
•roseHli^rf (Kr. ob d. Manhartsb.). Die spätgoth. basilikalc Obere
Pfarrkirche mit einfach viereckigen Pfeilern. Die Gewölbe werden von
Consolen getragen. Durch Brand 1846 beschädigt und stark erneuert.
Noch mehr renovirt ist die ebenfalls dreischiffige Altstädter Kirche.
lomsteiH (Kr. ob d. Manhartsb.). Ruine der 1289 gestifteten Cla-
rissenkirche : ein sehr schlanker dreischiffiger frühgoth. Hallenbau jnit
einschiffigem und niedrigem Chor. ')
Eillitz bei Glocknitz in Niederöst. Zweischifilge spätgoth. Kirche mit
einem achteckigen Mittelpfeiler ; der oben achteckige Thurm steht an der
Nordseite des schmäleren Chores.
Egcr. Dechanteikirche^: der frühgothische Chor, nach einem
Brande von 1270; das spätgoth. Langhaus, ein dreischiffiger Hallenbau
1} Biölsky, W., in den Berichten und Mittheil, des Alterth ums vereine« zu
Wien 3, 163 ff.
2) Grueber, Bemh., in den Mittheil. der Central-Commission (1857) 2, 193.
in den deutoch-dsterreichischen Ländern. 53 1
mit Rundpfeilern und ohne äussere Streben, vollendet 14.50. (Convers.-
Lex. für bild. Kunst 3, 359.)
EggenbvgJ) DieFranciscanerkirche 1460—1466, —Die Ste-
phanskirche, Hallenbau von 1485 mit einschiffigem Chor, dessen Fen-
ster sehr reiches Maasswerk zeigen.
Eiseseri unweit Leoben in Steierm. Die einschiffige, von Thürmeif
umgebene Oswaldskirche mit Westthurm und befestigtem Zugang, 1506.
Ennemlvrf bei Melk. Spätgoth. Kirdie mit niedrigen Seitenschiffen
und achteckigen Pfeilern : der Chor viel höher.
VeMkirch in Vorarlb. Zweischiffige Pfarrkirche (nach 1478), an deren
durch fünf Rundpfeiler getheilte Doppelhalle nördlich noch eine Abseite
mit dem Glockenthurme am Ostende, östlich ein rechteckiges Altarhaus
mit niedrigen Seitenschiffen sich in gleicher Breite anschliesst ; sämmtliche
Räume mit zierlichen Rautengewölben. (Atz, in den Mittheil. etc. 10,
XLVL Fig. 2.)
Nkisd^rf bei Judenburg. Niedrige einfache Pfarrkirche mit schmale-
rem Chor und dem zwischen Schiff und Chor den Durchgang bildenden
Thurm ; im ersleren ruhen die Gewölberippen auf Wanddiensten, im letz-
teren auf Consolen. Renovirt.
VrtlieBlierg bei Kapfenberg in Steierm. Spätgoth. Wallfahrtskirche,
Hallenbau mit gegliederten Pfeilern: der Chor mit eingezogenen Streben.
Pnmeilivrf bei Unzmarkt in Steierm. Die einschiffige Jacobikirche
von 1434 ; an das in der Tonne Überwölbte Schiff schliesst sich ein quer-
hausartiger Raum, und an diesen der mit einer Gruft versehene Chor.
Vriedberg in Steierm. Zweischiffige spätgoth. Pfarrkirche mit drei Pfei-
lern ; der einschiffige Chor mit Rautengewölben.
Vriesack. '^) Der gestreckte Chor der Dominicanerkirche in früh-
goth. Formen, etwa gegen 1300. Die aus Halbsäulcn mit schlichten Rund-
capitälen bestehende Dieustgliederung reicht im Polygonschluss bis zum
Fussboden und wird an den Langwänden von Bestienconsolen getragen;
die Fenster sind dort zweitheilig, hier ohne Maasswerk. An der Nordseite
liegt die wenig jüngere Sacristei, in Form einer einschiffigen Kapelle mit
schmälerem Chor. Die an den modernen Kreuzgang stossende Wand des
Capitelsaales mit zwei dreitheiligen Säulenfenstern, romanisirend friihgo-
thisch. (Essenwein in den Mittheil. etc. 8, 198—203 u. Fig. 29—38.
— Herrinann a. a, O. S, 27 f. u. Taf. 8.) — Der Chor der Pfarr-
kirche, dessen Wanddienste in Consolen enden, XIV. Jahrb.; das alte
basilikale Langhaus wurde im XV. Jahrh. in einen Gewölbebau verwan-
delt und später entstellt. (Essenwein a. a. O. S. 190 — 194 u.Fig. 15—
20.) — Die östliche Hälfte der einschiffigen Seminarkirche, sehr ein-
fach, aus dem XIV. Jahrh. (Ebend. S. 194—196 u.Fig. 24.)— Die Chor-
ruine der Virgiliuskirche mit Gurtträgem, die auf Bestienconsolen
ruhen; XIV. Jahrh. (Ebend. S. 196 f. u. Fig. 26—28. — Herrmann
1) Sacken, Ed. v., die Kunstdenkm. des M. A. zu Maria- Laach u. Bggen-
burg in Unteröst., in Quellen und Forsch, zur vaterländ. Gesch. 1849. S. 2S3— 312.
2) Vergl. oben 8. 369 Nota 2. — Herrmann, IL, Friesach in Kftrnthen, in
Oesterr. Kiiehl. Kunstdenkm., herausgegeben von Springer u. v. Waldheim.
Lief. 3—6.
532 Gothische Kirchen
a. a. O. Beiblatt 2.) — Die dreischifFige Deutsch ordenskirche aus
dem XIV. Jahrb., verzopft.
Üairach bei Lichtenwald in Untcrstcierm. Die einachiffige Kirche der
1208 gegr. Karthause« urspranglich romanisch, aber später gothisch ge-
wölbt mit unprofilirtcn Kippen , bemerkcnswerth durch den achteckigen
Dachthurm in edel gothischen Formen. (Petschnig^ in den Mittheil,
etc. 10, 199 Fig. 13.)
fiaishvni bei Rottenmann in Steicrm. Die zweischifHge Dreiialtigkeits-
kirche mit zwei verschieden gebildeten Pfeilern und mit StemgewOlben.
Der Westthurm ist oben achteckig. — Die einschiffige spätgoth. Virgi-
liuskirche.
fianing (Kr. ob d. Walde). Ruine der Dreifaltigkeitskirche
1451. — Einschiffige Kart h aus erki r che von 1342, übermftssig hoch
(100' bei 29' Breite) und deshalb mit zwei Reihen (verzopfter) Fenster;
die auf gegliederten Diensten ruhenden Gewölbe ebenfalls verzopft. Ein
zierliches Dachthürmchen von Stein, ähnlich wie in Gairach. An jeder Seite
der profanirten Kirche eine zweistöckige polygon schliessende Kapelle. Der
Kreuzgang, vollendet 1358, nur in Ueberresten erhalten, (v. Sacken, im
Jahrbuch der Central-Comm. 1857. S. 140—142). — Die Pfarrkirche,
geweiht 1510.
fiang bei Kuttenberg. Die einschiffige Laurentiuskirche mit flach ge-
decktem , sehr breitem Langhause, schmälerem überwölbtem Chor unli
Westthurm; aus verschiedenen Zeiten. (Grueber, in den Mittheil. etc.
6, 313.)
toja« bei Krumau. Zierliche zweischiffige Marienkirche.
CdldeBkr^n bei Krumau. Die jetzige Pfarrkirche (ursprünglich Kirche
des 1260 gestifteten Cisterzienserkl.), basilikal und in Kreuzform, anschei-
nend frühgothisch, aber besonders in dem aus dem Zwölfeck geschlossenen
Chore gründlich verzopft. Im Langhause »einfach gegliederte« Pfeiler, em-
porsteigende Halbsäulendienste und paarweise gestellte schmale. Ober-
lichter; Reste des Kreuzganges, Capitelsaal und Abtszimmer.
Msg bei Leoben in Steierm. Dreischiffige Benedictinernonnenkirche
aus dem XYL Jahrb. mit älterem einschiffigem Chor. Im Langhause (mit
Nonnenchor) sind die Pfeiler des verschlungenen Netzgewölbes zum Theil
spiralförmig gewunden.
döttwcih (Kr. ob d. Walde). Chor und Krypta der Klosterkirche um
1420. Die zweischiffigc Krypta mit achteckigen Marmorsäulen und Netz-
gewölben.
Crafeniidrf bei St. Polten (Kr. ob d. Walde). Spätgoth. Kirche mit
niederen Seitenschiffen. Viereckige abgekantete Pfeiler. Netzgewölbe über
Consolen.
firatl. Der basilikale Dom mit schmälerem Chor 1450. Reiche Netz-
gewölbe. — Die Franciscanerkirche, einfach spätgoth . Uallenbau
mit etwas höherem Mittelschiff, in welchem achteckige Pfeiler die Rauten-
wölbitng tragen ; der Chor ist älter. — Die Leechkirche*) der Deutsch-
1} Sc^(eiger}, die goth. Leechkirche in Gratz, in den Mittheil, der k. k.
Centr.-Comin. ( l«59) 4, 1S2 -185. 218-220.
in den deutsch-österreichischen Ländern. 533
ordens-Commende , angeblich von 1 283 , einschifFig mit zwei einfachen
Westthürmchen, die ein tiefeingehendes schlankes Portal zwischen sich ein-
schliessen, welches mit einem steilen Gesimsgiebel eingerahmt ist. Die
birnförmigen QewOlbegurte nihen auf gegliederten Wandpfeil6m hiit Laub-
capitälen; die Fenster haben edeles Maasswerk. — Die Pfarrkirche
um 1466, mit niederen Seitenschiffen und achteckigen Pfeilern, die, mit
zierlichen Capitälen versehen, die Netzgewölbe tragen. — Die einschifiige
spätgoth. Spitalkirche.
firesten unweit Ips (Kr. ob d. Walde). Die basilikale Nicolaikirche
von 1 482 mit achteckigen Pfeilern und Netzgewölben.
fir^Vth bei Neumarkt in Steierm. Einschiiiige spätgoth. Martinskirche,
mit Thurm zwischen Chor und Schiff.
firiet bei Botzen. Einschiffige Pfarrkirche: im Chore von 1411 Gurt-
träger mit Laubcapitälen, schöne Baldachine und Consolen; das gleich breite
Schiff ist später und hat runde capitällose Dienste. Dem Chore ist südlich
die reich ausgestattete Muttergotteskapelle (mit Gruft) 1529 angebaut und
1539 die offene Halle vor dem Portal der Südseite. Ein Thurm mit hohem
Steinhelm, Übel restaurirt 1848.
firMS l«biiiHg bei Knittelfeld. Die mit Ausnahme des »im Dreieck«
geschlossenen Chores stark renovirte Kirche zeigt dünne gekuppelte Wand-
säulen als Dienste der birnförmigen Rippen des Sterngewölbes und ein-
faches Fenstermaasswerk ; das Langhaus hat noch eine durch zwei Pfeiler-
arkaden getrennte nördliche Nebenhalle mit besonderem Chorschluss. Der
Thurm steht an einer Langseite.
Cress Pechlan (Kr. ob d. Walde). Die nach einem Brande von 1766,
besonders im Langhause zopfig erneuerte Kirche von 1496; der jetzt
dieselbe nicht übersteigende ältere Thurm steht über dem Ostende des
nördlichen Seitenschiffes. — Grabkapelle S. Joh. Bapt., polygon ge-
schlossen, vom Anfang des XV. Jahrh.
Mabwg unweit Völkermarkt. Zweistöckige, dreiseitig geschlossene
Burgkapelle.*) Vergl. oben S. 20.
lalbladt in OberÖst. Spätgoth. zweischiffige Kirche mit nackten Rund-
säulen und Sterngewölben. Der Nordseite schliesst sich eine rechteckige
Kapelle an, die sich in zwei Spitzbögen nach dem Innern öffnet. Durch
den an der Südseite stehenden Thurm führt ein Portal aus rothem Marmor
von 1519.
leiligflkltt bei Weiten (Kr. ob d. Manhartsb.}. Hallenkirche von
1494 ; die Rippen der Netzgewölbe entspringen aus den schlanken sechs-
eckigen Pfeilern.
■•Iieilfiiltll bei Rosenberg. Cisterzienserkirche , geweiht 1259; ein
kreuzförmiger Hallenbau aus Granit mit flachem, im halben Achteck ge-
schlossenem Chor und je zwei quadratischen Kapellen an der Ostseite des
Querschiffes, von denen die beiden inneren gerade, die beiden äusseren in
einem spitzen Winkel schliessen : in diesen östlichen Theilen ruhen die
1) Moxo, Max V., die Dopp«lcapelle und der Thurm auf der Ruine Orünburg
in Kämthen, a. a. O. ( 1S57.} 2, 327 f.
534 Gothische Kirchen
einfachen Kreuzgewölbe meist auf Laubconsolen und die breiten GurtbOgen
auf Halbsäulen oder Bündeldiensten : die hohen zweitheiligen Fenster zei-
gen frühgothisches Maasswerk und erinnern an die der Ste. Chapelle in Pa-
ris, doch fehlen den Rundstäben die Capitälchen. Das entschieden jüngere
Langhaus hat achteckige Pfeiler, die in ihrem oberen Theile die Kreuzform
annehmen, und die Westfront schmückt ein sechstheiliges Prachtfenster.
Die südlich neben dem Chor befindliche, im halben Achteck schliessende
Sacristei ist ebenfalls frühgothisch, mit romanisirenden Elementen an der
in die Kirche führenden Thür ( £ckblattbasen und Knospencapitäle ) , und
der südlich anstossende quadratische Capitelsaal zeig^ in der Mitte eine
achtfache Bündelsäule mit frühgothischem Laubcapitäl , von welchem die
Rippen des eigen thümlich muldenförmigen Gewölbes ausgehen, um an den
Wänden von Bestienconsolen aufgenommen zu werden. Die Ostwand hat
eine achttheilige Fensterrose. Der Kreuzgang lässt nur noch im nördlichen
Flügel die ursprünglichen Formen aus dem XIV. Jahrh. erkennen. Re-
staurirt 1858.*)
■•liera bei Gr. Pechlam (Kr. ob d. W.) . Die Nicolaikapelle, angeblich
nur der dem XV. Jahrh. angehörige Chor einer beabsichtigten, aber nicht
zur Ausführung gekommenen Kreuzkirche ; statt derselben scfaliessen sich
nur zwei fiachgedeckte Anbauten aus neuerer Zeit an. ^)
Idraibchjdwiti unweit Nepomuk. Die gegen Fiude des XIII. Jahrh.
gegründete Dechanteikirche, deren Chor dieser Zeit angehört : die
Gewölbegurte werden von runden Diensten getragen , die Fensterbögen-
füUung besteht aus Steinplatten mit Vierpass-Durchbrechungen ; die For-
men des basilikalen Langhauses deuten auf spätere Umbauten hin. — Die
Minoritenkirche von 1 504 liegt bis auf den neuerlich abgeschlosse-
nen Chor gänzlich wüst. Der kleine Kreuzgang, der Capitelsaal und an-
dere Klosterräume mit schönen spätgothischen Zellengewölben.
Inbaeh bei Krems (Kr. ob d. Manhartsb.). Die Kirche des 1269 ge-
stifteten Dominicanernonnenklosters, ein zweischüHger spätgothischer Hal-
lenbau mit achteckigen Pfeilern ; der einschiffige Chor enthält noch Theile
eines älteren Baues. An der Nordseite liegt die brillant gothische ein-
schiffige Katharinenkapelle , deren Wände sich in die Gliederungen der
Gurtträger und der paarweise gestellten maasswerklosen Fenster völlig auf-
lösen. An der Westfront eine reiche Fensterrose. Die Strebepfeiler der
freiliegenden Südseite bilden Durchgänge, (v. Sacken, in den Berich-
ten und Mittheilungen des Alterthums Vereins zu Wien 5, 93 — 98.)
Iradisck bei Münchengrätz a. d. Iser. Geringe Veberreste der seit
den Hussitenkriegen zerstörten grossartigen Cisterzienserkirche ^) im roma-
nisirend frühgothisch en Stil^ unter denen sich ein noch ziemlich erhaltenes
1) Grueber, Bemh., Kloster Hohenfurth in Böhmen, a. a. O. (1S61) 6, 14~
21 und Taf. I. — Vergl. : Millauer, Mas., der Ursprung des Cistenienserstiltes
Hohenfurth. 1S14. ~ Prosko, Fz. Isid., das Cisterzienser- Stift Hohenfurth in
Böhmen. 1859.
2) Keiblinger, Ign. Fz., die Filialk. St. Nikolaus zu Hölzern in der Pfarre
Grosspechlarn, in den Mittheil, der Central-Commis. (1S63) ^, 292—295.
3^ Wocel, J. £., die Baureste der Cisterzienserk. Uradischt, a. a. O. (1864).
9, 129—146 und Taf. 8—10.
in den deutsch-österreichischen Ländern. 535
Portal des nördlichen Seitenschiffes durch geschmackvollen Reichthum aus-
zeichnet. Die Kirche war östlich mit einem rechteckigen Umgange geschlos-
sen und scheint im Grundrisse mit Lilienfeld (ohen S. 373) übereinstim-
mend gewesen zu sein.
Ipg (Kr. ob d. Walde). Spätgoth. Hallenkirche mit achteckigen Pfei-
lern und Rautengewölben ; die Seitenschiffe schliessen polygonisch , der
Chor geradlinig. Unter letzterem ein Durchgang.
Kadai^ a. d. Eger. Dreischiffige Franciscanerkirche mit langem Chor :
letzterer geweiht 1480 ; das Langhaus aus dem XVII. Jahrh.
Kifemarkt bei Freistadt in Oberöst. Dreischiffige Kirche, geweiht
1472, mit einem spitzbogigen Tonnengewölbe überspannt, dessen Reihun-
gen aus Zierrippen bestehen.
HaMMem unterhalb Mauteru in Steierm. Spätgoth. zweischiffigc Hal-
lenkirche mit achteckigen Pfeilern, aus denen die Rippen der Netzgewölbe
hervorwachsen ; nur der einschiffige , entsprechend überwölbte Chor hat
Strebepfeiler. Der Thurm ist eine Vorlage vor der Mitte der Westfront.
(Petschnig, in den Mittheil. etc. 10, 193 Fig. 7.)
Karktein bei Prag.^) Auf diesem von K. Karl IV. seit 1348 erbauten
Bergschlosse befindet sich im dritten Stock eines thurm artigen Gebäudes
die Maria-Himmelfahrtskirche, geweiht 1357, jetzt ein einfacher
Raum mit Holzdecke , und in der Mauerstärke derselben die durch ihre
Decoration mit böhmischen Steinen und Vergoldungen bemerkenswerthe
Katharinenkapelle (BockTaf. 5.). Im dritten Stock des gewalti-
gen rechteckigen Bergfrieds ist die ähnlich ausgestattete Heil. Kreuz-
kapelle (ebend. Taf. 4.). Die im zweiten Stock des Palas belegene flach
gedeckte Ritterkapelle ist im Innern zopflg ausgestattet.
HaAal bei Judenburg. Katharinenkirche. einschiffig mit Netzgewöl-
ben; Chor 1446, Schiff 1507.
Kathreia bei Brück a. d. Mur, Die durchgehend zweischiffge spätgoth.
Alexiuskirche. — Die spätgoth. Pfarrkirche, einschiffig mit Netz-
gewölben.
Kfttielsddrf b.. W. Neustadt. Kirche des 1462 gestifteten Francisca-
nerklosters, sehr lang und schmal; daneben eine ältere (profanirte) Ka-
pelle.
Hirchberg am Wechsel (Kr. unter d. Walde). Die Wolfgangskirche 2)
(ausserhalb des Dorfes), deren zweischiffiges, von zwei achteckigen, auf
den Ecken mit Diensten besetzten Pfeilern in sechs quadratische Joche ge-
theiltes Langhaus zwischen 1394 — 1404 föUt; nördlich steht mit demsel-
ben durch drei Spitzbögen ein Seitenschiff von fast gleicher Höhe in Ver-
1) Schottky, J. M., die Burg Carlstein nebst ihren Umgeh. 1828. — Jit-
Bchinsky, Ferd., Beschreibung der Burg Karlstein. 3. Aufl. IS-ll. — Bock, Fz.,
Schloss Karlstein in Böhmen, in den Mittheil, der Centr.-Comm. (1862) 7« 69—78.
90—99 u. Taf. 3 — 5. — Ambros, A. W., die Burg Karlstein und ihre Restauri-
rung, ebend. (1865) 10, 41—56. — Vergl. ebend. 1, 89; 2, 56. 164. 278 f.; 3,
275.
2) Die goth. K. des h. Wolfgang zu Kirchberg a. W., mit Zeichn. Von W. R Ol-
li g, a. a. O. (1862) 7, f 59 — 163.
536 Gothische Kirchen
bindung, welches mit SterngewOlben bedeckt ist und polygonisch scbliesst.
Die Westseite aller drei Schiffe nimmt eine unterwOlbte, von aussen durch
zwei polygone Treppengehäuse zugängliche Empore ein. Der einschiffige
Chor bestand schon am Schluss des XIV. Jahrh. Die Restauration des in
Ruinen liegenden Gebäudes stand 1862 in Aussicht.
Urchschllg (Kr. unter d. Walde) . Schöne Hallenkirche aus dem XV.
Jahrh. mit achteckigen Pfeilern, an welchen die mit Laubcapitälen gekrön-
ten Dienste hinauflaufen ; reiche Fenster.
Klein PecUara bei Gr. Pechlam (Kr. ob d. Manhartsb.). Hallen-
kirche von 1517 mit concavachteckigen Pfeilern und Netzgewölben. Der
oben achteckige Thurm steht an der SQdwestseite des Chores.
Knittelfelli a. d. Mur. Spätgoth. Hallenkirche mit einschifiigem Chor
und Westthurm von 1454.
Ilelfai« Die Bartholomäikirche ^) besteht aus zwei heterogenen, nur
roh ( interimistisch ) verbundenen Theilen , von denen das f rflhgothische
Langhaus (ein dreischiffiger Hallenbau) und das noch rundbogig einge-
wölbte Querschiff ( ohne Vorlagen ) der älteste ist. Ueber dem Westende
der Seitenschiffe erheben sich, innerlich auf Pfeilern ruhend, zwei Thflrme,
welche beim Beginne der Dachlinie ins Achteck umsetzen und eine über
die ganze Breite der Kirche gehende Empore mit aufnehmen. Die Pfeiler
sind quadratisch mit eingelassenen Ecksäulchen und vier fast freien Säu-
len auf den Seiten, deren Capitäle die reichste Mannichfaltigkeit von Laub-
werkschmuck zeigen ; die einfachen Fenster sind hoch und sehr schmal
(26' : 2'); die Strebepfeiler enthalten Durchgänge. (Grueber, in den
Mittheil. etc. 1, 214 f. Fig. 16—22.) An die Stelle des zu diesem älte-
ren Bau gehörigen Altarhauses trat in Folge eines Brandes der jetzige 1360 —
1 378 errichtete, mit einem Umgange von der Höhe der alten Seitenschiffe
und einem Kapellenringe versehene übermässig hohe Prachtchor im glän-
zenden französ. Kathedralenstil mit Fialenstreben und Strebebögen. Das
Chorhaupt scbliesst vierseitig, der Umgang innerlich fünfseitig; die fünf
trapezförmigen Kapellen liegen zwischen den Strebepfeilern und bilden
von aussen, wo sich der Schluss des Untergeschosses neunseitig gestaltet,
einen umlaufenden Ring. (Ebend. S. 221 Fig. 35 f.) Die Absicht, auch
den Schiffbau dem colossalen Chor entsprechend umzugestalten, kam später
nicht zur Ausführung.
HtMttoil unweit Saatz . Die Dechanteikirche, spätgoth . Hallen-
bau mit einschiffigem Chor und Netzgewölben. — Die als Spritzenhaus
etc. dienende Deutschordenskirche, einschiffig , frühgothisch , mit
zweitheiligen Säulenfenstem und nach innen gezogenen Streben.
Ktaiggrati a. d. Elbe. Die Heil. Geistkirche (jetzt Dom), ein drei-
schiiiiger, 1302 gegründeter Ziegelbau und von allen grösseren Kirchen
Böhmens die schmälste, indem das Mittelschiff nicht ganz 20 F. breit ist ;
dennoch macht die verständige Anordnung und vorzügliche Gliederung des
mit einer Empore versehenen Innern einen nicht bloss anmuthigen, son-
1) Grueber» Beruh., die K. des heil. Bartholom. in Kolin, a. a. O. (1861)
6, 22S— 232. -^ Veigl. Zapp, C. V., in Pamatky archaeologick«. 1860. S. 174 ff.
in den deutach-öaterreichttchen Ländern. 537
dem auch erhabenen Eindruck. (Grueber in den Mittheil. etc. 1, 218.
Fig. 28. ~ Zapp, in Pamitky archaeologick^. 1859 mit 2 Taf.)
beMS a. d. Donau. Die Piaristenkirche, Hallenbau um 1477
mit älterem ein8chi£figem Chor und einem im Untcrtheil noch roman.
Thurm. Das sehr reiche Langhaus ist dem Schiflfbau von St. Stephan zu
Wien ähnlich. — Die einschiffige rechteckige Spitalkirche von 1470,
Nachahmung der Deutschordenskirche zu Wien, mit fast ganz nach innen
gezogenen reich geschmückten Strebepfeilern und NetzgewOlben*
bilMUl unweit Budweis. Die Erzdechanteikirche, ein schlanker und
schinuekvoller dreischiffiger Hallenbau mit einschiffigem Chor, Anfang des
XY. Jahrh. Im Langhause wechseln in Absätzen aufsteigende achteckige
und aus vier Halbsäulen zusammengesetzte Pfeiler.
Ulb bei St. P5lten. Spätgoth. Pfarrkirche mit niedrigen Seitenschif-
fen, welche wie das Mittelschiff polygonisch schliessen. Die achteckigen
Pfeiler steigen mit drei Polygonseiten zum Obergaden empor, filn Träger
des RautengewOlbes.
iltteiberg. ^) Die Barbarakirche befolgt in dem um 1380 begon-
nenen Chore den Typus der Bartholomäikirche von Kolin ( s. d.) ; doch
schliesst das Chorhaupt hier fünfseitig und der niedere Umgang achtseitig,
nimmt aber durch die zwischen den keilförmig gebildeten und geradlinig
\*erbundenen Strebepfeilern angeordneten Kapellen äusserlich eine der Kreis-
linie nahe funfzehnseitige Formation an. Bis 1419 war nur der Chorum-
gang vollendet, und als der Bau 1483 wieder aufgenommen wurde, scheint
man die zuerst beabsichtigte Kreuzform bereits aufgegeben, aber doch am
Langhause nach dem ursprünglichen Basilikenplane fortgearbeitet zu haben,
aber nur bis etwa 1489, wo unter veränderter Leitung zunächst der Hoch-
bau des mit einer Triforiengalerie versehenen Chores bis 1506 gefSrdert
wurde. Hierauf legte der nun eintretende neue Bauleiter über den Seiten-
schiffen des Langhauses hoch geöffnete Emporen und ausserdem noch zwei
niedrige äussere Abseiten an ; als aber 1548 die Mittel versiegten^ musste
der nur bis zur Hälfte der beabsichtigten Länge vollendete Bau eingestellt
und durch eine Nothmauer im Westen geschlossen werden. Die Ausfüh-
rung in den schlanksten Verhältnissen ist sehr prachtvoll, der langen Dauer
des Baues gemäss in verschieden modificirten Decorativformen, äusserlich
mit thurmartigen Strebepfeilern und doppelten Strebebögen. (Wocel, in
den Mittelalterl. Kunstdenkm. des österr. Kaiserstaates 1, 171 — 194 und
Taf. 28—32. — Schnaase, Kunstgeschichte 6, 317.) — Die Erzde-
chanteikirche, dreischiffiger Hallenbau mit einschiffigem Chor, 1310
— 1358. Keichgegliederte Pfeiler, übereck gestellt von quadratischer Grund-
form. Von den beiden Westthürmen ist nur der nördliche vollendet.
(Gruebera. a. O. S. 255— 258. Fig. 14—21.) — Die Maria-Him-
melfahrtskirche, dreischiffiger Hallenbau mit einschiffigem Chor und
mächtigem Westthurm, begonnen im XIV. Jahrb., aber im Langhause erst
1480 — 1512. Sehr schlanke gegliederte Pfeiler. Im Chor ältere Kreuz-,
1) Grueber, Bemh., die Baudenkm. der Stadt Kuttenb. in Böhmen, in den
Mittheil, der k. k. Central-Commis. (1861) 6, 254—267; 284—295; 313-325.
538 Gothische Kircbea
im Langhause Netzgewölbe. (Ebend. S. 261—263. Fig. 28—32.) — Die
bei der Stadt belegene kleine Dreifaltigkeitskirche, ein schlanker
dreischifiger Hallenbau mit einschiffigem Chor und viereckigem Westthurm,
1488—1504. Vier monolithe, 1 V2 F. dicke und 27 F. hohe Rundpfeiler
theilen, als Träger der einfachen Kreuzgewölbe, das fast quadratische Lang-
haus in neun eben solche Joche. (Ebend. S. 314 f. Fig. 65 f.)
LtM bei Meran. Einschiffige Kirche mit nach innen gezogenen Stre-
bepfeilern, 1483.
Laaged^ls bei Krems. Spätgoth. Kirche, zwar mit niedrigeren Seiten-
schiffen, aber ohne Oberlichter. Das Aeussere entstellt.
Lanfen a. d. Salzach. Spätgoth. Stiftskirche mit drei gleich hohen
Schiffen ; die achteckigen Pfeiler mit Ecksäulchen und zierlichen Capitälen.
Lam bei Saatz. Die Nicolaikirche 1520 — 1528, ein grossartiger Hal-
lenbau in ernstem Stil.
Ldbfl bei Weiteneck (Kr. ob d. Manhartsb.). Spätgoth. zweischiffige
Hallenkirche mit zwei Polygonschlüssen.
LeigeafeM bei Krems. Dreischiffige spätgoth. Kirche; das etwas hö-
here Mittelschiff ohne Oberlichter.
Lichtenwirdl b. W. Neustadt. Ruine einer Kreuzkirche mit niederen
Seitenschiffen und achteckigen Pfeilern.
laibea bei Dürnstein (Kr. ob d. Manhartsb.]. Zweischiffige spätgoth.
Kirche von 1492.
Lini bei Gaming (Kr. ob d. Walde) . Zweiscliiffige spätgoth. Hallen-
kirche mit achteckigen Pfeilern und zwei Polygonschlüssen.
■aak bei Melk. Dreischiffige Kirche mit höherem Mittelschiff, schlan-
ken achteckigen Pfeilern, die halbpolygonisch an den Scheidewänden auf-
steigen, und einschiffigem Chor. Der modernisirte Thurm steht am Ende
des nördl. Seitenschiffes.
■ariabveh bei Judenburg. Hallenkirche mit einschiffigem Chor, be-
gonnen 1455; der grosse, unten eine zierlich gewölbte Halle enthaltende
Westthurm 1508. Achteckige mit vier Rundstäben umgebene reich profi-
lirte Pfeiler tragen die Netzgewölbe.
■arialaack (Kr. ob d. Manhartsb.). Spätgoth. Kirche mit etwas er-
höhtem Mittelschiff, achteckigen Pfeilern, Netzgewölben, einschiffigem
Chor und Sattelthurm vor der Westseite.
laria-Nemtift bei Pettau. Hallenkirche aus dem XiV. Jahrh. mit drei
Polygonschlüssen. Sechseckige mit je vier Diensten besetzte Pfeiler. Reich
verzierte Strebepfeiler und schönes Fenstermaasswerk.
lariaxell. Der sehr hohe, oben ins Achteck umsetzende und einen
Spitzhclm tragende Thurm der Wallfahrtskirche mit schönem Portal,
1363. (Illustr. Zeit. 1857. S. 89.) — Unweit des Ortes auf einem Wald-
hügel die einschiffige Sigmundskapelle ohne Strebepfeiler, vom An-
fang das XIV. Jahrhunderts. ')
larlilg bei Meran. Die zweischiffige Anlage der Pfarrkirche mit einer
Reihe von Rundpfeilern, als goth. Umbau eines älteren Gebäudes.
J) Lind, C, die St. Siegmundscap. in Steierm., a. a. O. (1859) 4, 2S2.
in den deutsch*58terreichi0clien Ländern. 539
lelk. Die Pfarrkirche von 1481 mit niedrigen Seitenschiffen, doch
ohne Oberlichter. Achteckige Pfeiler und Netzgewölbe.
lerai. Die Pfarrkirche, theils um 1310—1335, theils später er-
baut, Hallenbau mit polygonisch schliessenden Seitenschiffen und niedri-
gerem Chor. Schlanke Rundpfeiler und Netzgewölbe. Der Thurm (Eg-
gers, im D. Kunstbl. 9, 98) neben der Südseite ist unten nach allen
vier Seiten offen und geht oben ins Achteck über. Die Westseite der Kir-
che ist Ziegelbau . Auf dem Kirchhofe die achteckige Barbarakapelle
{ebend. S. 102) 1450, mit einer in den lebendigen Felsen gebrochenen
Gruft. — Die Spitalkirche, begonnen 1483, Hallenbau mit Chomm-
gang und schlanken Rundpfeilern. (Ebend. S. lOl f.)
IMling bei Wien. Die Pfarrkirche, begonnen 1454, in Kreuzform
und durchgängig mit drei gleich hohen Schiffen. Achteckige Pfeiler mit
Rundstäben auf den Ecken und moderne Gewölbe.
lohlhMSeil (Kr. Tabor).^) Die Aegidiuskirche aus dem XIV.
Jahrh. mit älterem Thurmbau, im einschiffigen Langhause jetzt mit flacher
Decke, im schmäleren Chor mit Netzgewölben. (Wocel, in den Mittheil,
etc. 8, 40 — 45.) — Die Bartholoraäuskirche. ein roher spätgoth.,
^ nur im Chor gewölbter Nothbau, mit Schi essscharten in dem über dem Kir-
chenschiffe belegenen Oberraum ; neuerdings umgebaut.
■■ni in Steierm. Die Hauptpfarrkirche in Kreuzform und mit
niedrigen Seitenschiffen. Kurze achteckige Pfeiler und Gewölbe ohne
Kreuzgurte; über der Vierung ein einfacher, unten vier-, oben achtecki-
ger Thurm; am Schiff schlichte Strebebögen. (Details bei Haas, im
Jahrb. der Centr.-Comm. 2, 222 f.) — Die Annakapelle auf dem
Kirchhofe und die Leonhardskirche, beide einschiffig und mit einem
Rosettenfenster.
Neptüvk unweit Pilsen. Die Jacobikirche mit dreischiffigem spät-
goth. Langhause und älterem Chor; restaurirt.
Netkerg^) bei Schott wien. Die Cisterzienserkirche, ein dreischiffiger
gerade schliessender Hallenbau aus dem XV. Jahrb., in dessen, mit ein-
fachen Kreuzgewölben versehenem Innern ein Querschiff durch weitläu-
figere Stellung und stärkere Bildung der reich gegliederten Pfeiler ange-
deutet ist. lieber dem Westportal eine reiche Fensterrose. (A. a. O.
Taf. 1.) Bemerkenswerth ist der aus ^em XIV. Jahrh. stammende Kreuz-
gang (nebst dreischiffigem Capitelsaale und sechseckigem Brunnenhause)
wegen seiner Bilderconsolen. (Ebend. S. 5 — 7.) — Die einschiffige
Pfarrkirche 1513 — 1522.
. Neihaas bei Bechin in Böhmen. Die Pfarrkirche, ein hoher
dreischiffiger Bau aus dem XV. Jahrh., mit etwas erhöhtem Mittelschiff. —
Die Spitalkirche, Hallenbau, dessen nördl. Seitenschiff später zum
anliegenden Kreuzgang gezogen worden ist ; über derselben ein schlanker
Polygonthurm mit Steinhelm ; XIV. Jahrh.
1) Vergl. oben S. 374 Nota 2.
2) Hei der, Gast., die symbol. DarAtellungen in der Klosterk. zu Neuberg in
Steyerm., in den Mittheil, der Centn-Comm. (1856) 1,3 — 8 und Taf. 1.
540 Gothi«ohe Kirchen
Ntebarg a. d. Elbe, ^j Die Decbanteikirche, Ziegelbau mit Haustein-
details 1282 — 1305; von den beiden reich verzierten Thünnen ist der
eine 1846 eingerissen. ( £in Laubcapital beiOrueber, in den Mittheil,
etc. 1, 217. Fig. 27.)
N«88il«rf (Kr. ob d. W. W.). Die spätgoth. Pfarrkirche mit nur einem
(n6rdl.) polygen geschlossenen Seitenschiff, achteckigen Pfeilern und NeUs-
ge wölben. Der niedrigere Chor ist eingestürzt.
IbemaMen im Thal Virgen in Tirol. Einschiffige Wallfahrtskirche
von 1456 mit schmälerem Chor. Nur die Südseite hat Fenster und über
dem reich gegliederten Westportal befindet sich ein Rundfenster , dessen
Füllung aus einem Quodlibet von sechs gothischen Nasenfenstem besteht.
Die stemartigen Gewölbe werden von Wanddiensten mit CapitAlen getra-
gen. Der nördlich neben dem Ostende des Schiffes stehende Thurm ist
älter. (Tinkhauser, in den Mittheil. etc. 2, 176 f. u. auf Taf. 7 Fig.
C — E.)^
Mliotl. Das einfach schöne, aber nur kleine Schiff des Domes, früh-
goth. — Die Moritzkirche, zierlicher Hallenbau mit schönem Thurm,
1412.
PettM unweit Marburg in Steierm. Die Pfarrkirche mit niede-
ren Seitenschiffen und einschiffigem Chor, XIV. Jahrh. Das Mittelschiff mit
einfachen Kreuzgewölben, die von runden Diensten mit gegliederten Capi-
tälen getragen werden , hat kleine runde Oberlichter. — Der Kreuzgang
des ehemaligen Dominicanerklosters mit zierlichen Maasswerkfen-
stern. — Der durch die Sacristei verstellte Chor der Minoritenkirche,
frühgothisch mit Säulenfenstern, um 1286; das jüngere Schiff vielfach
verändert. — Die kleine vorstädtische Oswaldskirche, spätgoth . mit
Netzgewölben.
P^tienUrckeM bei Wieselburg (Kr. ob d. W. W.). Zweischiffige spät-
goth. Hallenkirche mit zwei gegliederten viereckigen Pfeilern, Westthurm
und niedrigerem Chor am Südschiff.
Piken in Böhmen. Die Erzdechanteikirche,^] dreischiffiger
Hallenbau mit schmälerem und niedrigerem frühgoth. Chor (1292), dessen
schmale Fenster streng gebildetes Maasswerk zeigen. Im spätgoth. Lang-
hause entspringen die stemartigen Gewölbe aus mächtigen Kundpfeilem.
Von den beiden nach innen auf gegliederten Pfeilern ruhenden hohen West-
thürmen existirt nur noch der nördliche. Vor den an den Langseiten der
Kirche befindlichen Nebenportalen sind im Winkel vortretende Hallen an-
gebracht. — Die (modern verlängerte) Franciscanerkirche^) mit nie-
deren Seitenschiffen und langem eiuRchifiigem Chor. Rundpfeiler und
strenggegliedertes Fenstermaasswerk. Der an dem einfachen Kreuzgange
belegene Capitelsaal mit späteren Sterngewölben und kräftigem romanisi-
rendem Bündelpfeiler in der Mitte. — Die vorstädtische Nicolaikirche
1406. — Ausserhalb der Stadt die einschiffige Allerheiligenkirche,
gewölbt 1590.
1) Vergl. Zapp, in den Pam&tky arehaeol. 1S59. Mit I Taf.
2) A. a. O. 1854 S. 31 f.
3) Kbend. S. 21 f.
in den deutsch-österreichitfchen Ländern. 541
Pleterjack (Bezirk. Landstrass). Die profanirte einschifilge ehemal.
Kloßterkirclie *) mit schmälerem Chor, edelgothisch aus dem XIV. Jahrh.
Die Gewölbegurte ruhen auf den Laubcapitälen gegliederter Wanddienste.
Die Fenster zweitheilig, auf der Nordseite rund ( wegen des ehemals hier
anstossenden Kreuzganges) .
PtUaiberg bei Hartberg in Steierm. Die Liebfrauenkirche am Berge,
angeblich aus dem XI V^. Jalirh. : an das zweischiffige Langhaus schliesst
sich in gleicher Breite östlich der dreischiffige (^hor (mit Umgang),' west-
lich eine Vorhalle. Schlanke, im Chor etwas schwächere Pfeiler. Reich
decorirte Fensterfront.
P«tteilll«rf bei Ebenfurth (Kr. unter d. W. W.) . Dreischiffige Schloss-
capelle mit capitällosen Pfeilern, 1474 ; der Thurm älter.
Prtchatiti am Böhmerwald. Die Dechanteikirche mit drei gleich ho-
hen Schiffen und einschiffigem (-hör stellt sich als spätgothi scher Umbau
(1507) eines älteren basilikalen Gebäudes dar. Polygonalpfeiler und Stern-
gewölbe. Von den beiden mächtigen Westthürmen ist nur der südliche
vollendet.
Prtg.^) Der Dom^) auf dem Hradschin besteht nur aus dem 1343
gegnlndeten und 1385 geweihten fünfschiffigen (*hor, welcher, fünfseitig
aus dem Neuneck schlicssend, nach dem Muster des französischen Kathe-
dralenstils mit Umgang und Kapellenkranz und Triforiengalerie ausge-
stattet, von einem flandrischen Meister begonnen, von einem süddeutschen
zum Theil in veränderter Geschmacksrichtung fortgeführt und durch Ein-
ziehung von Netzgewölben im Hochbau später störend vollendet worden
ist. Ausserdem ist nur ein Bruchstück des südl. Kreuzarmes vorhanden
und ein an der Westseite desselben aufsteigender mächtiger Thurm. Zum
lianghause wurden 1392 nur die Fundamente gelegt und seitdem blieb der
später durch eine Nothmauer abgeschlossene Bau aufgegeben. Unter den
Kapellen, in welche die äusseren Seitenschiffe getheilt sind, zeichnet sich
die nördlich belegene Sacristei durch die malerische Wirkung ihres mit
herabhangenden Schlussteinen geschmückten Gewölbnetzes aus ; interes-
sant ist auch die schon 1347 — 1367 errichtete planwidrig in den für den
südlichen Kreuzflügel bestimmten Raum eingreifende Wenzelskapelle,
deren Wände (ähnlich wie die Kapellen auf Karlstein) musivisch mit böh-
mischen Edelsteinen ausgelegt sind. Das Aeussere^ schon durch die colos-
sale Masse imposant, macht mit den vielen Strebethürmen, den doppelten
1) Leinmüller, Jos., die Kirchen zu Pleterjach und St. Ruprecht in Xrain,
in den Mittheil. der Centr.-Coramiss. (1S62.) 7, 1S7— 190.
2) Vergl. oben S. 375 Nota 1. — Bock, Fz., Prag'ß hervorragendste kirchl.
Bauwerke aus der Zeit Karl's IV. in ihrer heutigen Gestalt, im Organ für christl.
Kunst. 1857. Nr. 17 f. nebst 1 Taf.
3) Senff, C. J., die Domk. zu St. Veit in Prag. Mit 10 Taf. 1831. — Ilon-
satko, Ant. F. M.» die Metropolitank. xu St. Veit ob dem Prager Schloss. 1833. —
Welleba, W. F., der Führer und Erklarer der Merkwilrdigk. der Domk. in Prag.
Mit Abbild. 1842. — Legis- Glückselig, der Prager Dom zu St. Veit, ge-
schieht!, und archäol. dargestellt. Mit 1 1 Taf. l^fii). — Ambros, A., der St. Veits-
Dora zu Prag. Mit 12 Stahlst. 1*^5*^. — Derselbe, der Führer durch den Dom zu
Prag. Mit Abbild. lS5b.
0 1 1 p , Kuntt-Archftologip. 35
542 Gothische Kirchen
StrebebögeUj den manniclifaltigsten Bogenconstructionen, den reichen und
bunten Maasswerken etc. einen theatralischen Effect, (y. Wiebeking,
Baukunde. Taf. 57. — Grueber, in den Mittheil. etc. 1, 217—221.
Fig. 29 — 34. — Bock a. a. O.). Der Dom wird restaurirt. — Die
Karlshofer Kirche auf der Neustadt, ein höchst kühner achteckiger,
mit einem Sterngewölbe gedeckter Kuppelbau von 78 F. in der Diagonale mit
östlich angehängtem Chor, begonnen 1377 und im XVII. u. XVIII. Jahrh.
zum Theil entstellend restaurirt. (v. Wiebeking a. a. O. — Grueber
a.a. O. S. 221. Fig. 37. — Bock a. a. O.j — Die Teynkirche^) auf
der Altstadt 1407 — 1460, vierseitig schliessend, mit niederen, dreiseitig
schliessenden Seitenschiffen. Die reiche Gliederung der Pfeiler setzt sich
wie im Dom an den ArkadenbÖgen unmittelbar fort ; der Oberbau ist eine
Erneuerung von 1714. An der Nordseite ein reich ausgestattetes Portal
mit zierlicher Vorhalle. Die Westfront zeigt auf den Seiten eines schlan-
ken , geschmückten Giebelbaues zwei erst um 1511 vollendete kräftige
Thürme, deren schOne achtseitige Helme mit einem doppelten Kranze klei-
ner vorgekragten Thürmchen umgeben sind. (Details bei Wocel, Grund-
zflge etc. Taf. 8 Fig. 3 und bei Grueber a. a. O. S. 243 f. Fig. 39 —
43.) — Minder bedeutend sind die übrigen goth. Kirchen : die Kirche des
ehemal. St. Agnesklosters (romanisirend frühgothisch ; profanirt. Vcrgl.
Kugler, Kl. Sehr. 2, 494; Grueber a. a. O. S. 214. Fig. 13—15.),
die Kirche zu Maria Schnee auf der Neustadt 1347 — 1397 (nach
mehrmaliger Verwüstung verzopft), die Apollinariskirche auf der
Neustadt, XIV. Jahrb., die Clemenskirche am Poritz, XIV. Jahrb.,
die Laurentiuskirche (streng gothisch) , die Franciscanerkirche
beim Rossmarkt 1513 (sehr schlank und hoch; profanirt), sämmtlich ein-
schiffig. Die dreischifiige Hallenkirche des E m a u s klosters mit achtecki-
gen Pfeilern und dreifachem Polygonschluss, nebst grossartigem Kreuzgang
u. a. m.
PvrgstaU im Kr. ob d. Walde. Hallenkirche mit Netzgewölben; Chor
modern. Die Kapelle auf Schloss Auersperg 1493, mit zierlichen Dien-
sten und Laubcapitälen.
Rabeuteiii im Kr. ob d. Walde. Einfache Pfarrkirche von 1490, mit
niedrigeren, östlich im Winkel geschlossenen Seitenschiffen. Achteckige
Pfeiler und Hautenge wölbe. Der Sattelthurm steht auf der Südseite.
Radkersbirg in Steierm. Spätgoth. Pfarrkirche mit niederen Seiten-
schiffen ; achteckige, mit runden Diensten besetzte Pfeiler. Die Oberlich-
ter sind vermauert.
Raailllitl a. d. Elbe. Die 1330 vollendete Augustinerkirche mit nie-
deren Seitenschiffen und langem Chor. Der spätgoth. Kreuzgang mit
Maasswerkfenstern (Grueber, in den Mittheil. etc. 1, 217. Fig. 26.)
ruinös.
ItMeiberg im Kr. Bechin in Böhmen. Spätgoth. Hallenkirche mit
einschiffigem Chor. SchOne Netz- und Sterngewölbe ohne Rippen.
1) Zapp a. a. O. S. 9. 52 und 101 ; vergl. Mittheil, der Centr. Comm. (1857)
50 und 79,
in den deutAch-österreichischen Ländern. 543
lUtteBaau in Steierm. Dreischiffige Ffarrkirclie mit verunstaltetem
Chor.
Stkbvrg.^) Die Nunnbergerkirche, erneut um 1464 — 1475,
basilikal mit dreifach polygonem Schluss. Achteckige übereck gestellte und
reich gegliederte Pfeiler mit je vier Diensten ; Netzgewölbe. Unter dem
Chor eine siebenschifiige Säulenkrypta mit Netzgewölben. In Westen eine
durch die Orgel verdeckte Nonnenempore, eine Empore auch im nördl.
Seitenschiff mit Benutzung roman. Keste. (Hei der, im Jahrbuch der
Centr.-Comm. 2, 26 — 31. — Detail bei Essen wein, in den Mittheil,
etc. 6, 64. Fig. 30.) — Der dreischiffige Chor der Pfarrkirche 1470,
im spitzen Winkel schliessend , aber mit gleich hohem fünfseitigem Um-
gang und einem Kranze von Kapellen zwischen den nach innen gezogenen,
mit Durchgängen versehenen Streben ; überaus schlanke Rundpfeiler, von
denen das luftige Geäste des Netzgewölbes ausgeht. (Heider a. a. O. S.
37 — 43. — Pezolt, Salzb. Taf. 27 f.) — Die einschiffige Mar gare -
thenkapelle auf dem Peterskirchhofe (1485 — 1492); die Felder des
Kautengewölbes mit Maasswerk belegt. (Heider a. a. O. 8. 54 f. —
Pezolt a. a. O. Taf. 20.)
St. Alilri in Lavant. Die Leonhardskirche vor der Stadt mit niederen
Seitenschiffen.
St. Oetrgeii bei Murau in Steierm. Hallenkirche von 1477.
St. Laabreckt unweit Judenburg. Die grossartige Benedictinerkirche,
Hallenbau mit Chorumgang, XIV — XV. Jahrh. Viereckige an den Ecken
ausgekehlte Pfeiler mit runden Gurtträgem der einfachen Kreuzgewölbe.
(Haas, im Jahrb. etc. 2, 221.) — Zwei Kapellen aus dem XV. Jahrh. :
die eine im Stift ( profanirt) , die andere als Ueberrest der alten Herzogs-
burg.
St. Letlharil im Lavantthale. Die Laurentiuskirche^), dreischiffig ba-
silikal, Umbau einer romanischen Kirche aus dem XIV. — XV. Jahrh. und
daher unregelmässig im Grundplane. Im Langhause, dessen Oberlichter
aus Rosetten bestehen, wechseln polygone mit runden Pfeilern. Das nörd-
liche Seitenschiff schliesst polygonisch , und an die Südwand des Chores
lehnt sich eine ältere Kapelle. Der Thurm tritt aus der Westfront hervor
und ruht innerlich auf einem Pfeilerpaar.
St. larein bei Prank. Zweischiffige Kirche^) von 1445 mit einschif-
figem Chor, bei dessen Anfang das breite Langhaus in Schräglinien endet.
Die Pfeiler, welche die schön bemalten Netzgewölbe *) tragen, sind un^en
quadratisch, weiter oben achteckig mit runden Diensten , und unter dem
Gewölbeanfange cylindrisch. Der einfache Thurm erhebt sich in der Nord-
westecke.
1) Vergl. oben 8. 376 Nota 3.
2) Weiss, C, die goth. Kirche des h. Laur. zu St. Leonhard in Kärnthen,
in den Mittheil, der Centr.-Comm. (18(53). 8, 279— 2S7 und Taf. 10.
3) Gradt, J., St. Marein bei Prank in Steierm., a. a. O. 8. 265—271.
4) Deckengewölbe der K. St. Marein bei S«ckau, a. a. O. (tS65). 10, 204 und
1 Doppeltaf.
35 ♦
544 Gothische Kirchen
St» laaritieM bei Frohnleiten in Steierm. Spätgothischer sechseckiger
Kamer; das Fächergewölbe der Gruft wird von einem Mittelpfeiler ge-
tragen.
St. lichael bei Dümstein (Kr. ob d. Manhartsb.) . Hallenkirche mit
etwas erhöhtem Mittelschiff, 1523.
St« iswaM bei Oberzeyring in Steierm. Zweischiffige Hallenkirche 1469
— 1476; achteckige Pfeiler und Sterngewölbe. Viergiebeliger Westthurm
mit schlankem Helm.
St. PaitaleM bei Enns (Kr. ob d. W.). Spätgothische Hallenkirche
mit drei achteckigen Pfeilern (von denen auf einer Seite zwei, auf der an-
dern nur einer steht) und Netzgewölben. Der Chor ist wenig schmäler,
aber viel höher. Westlich der Thurm und eine roh roman. Kapelle mit
dreischifPiger Säulenkrypta (v. Sacken, im Jahrbuch etc. 2, 123.).
St« Paals bei Botzen. Hallenkirche mit Chorumgang. Rundpfeiler im
Schiff mit Kreuz , im jüngeren Chor mit Netzgewölben. Der gewaltige
Thurm auf der Sadwestecke, 1510 — 1556, verstümmelt.
St. lUiprecIlt bei Strassenfuss.^) Hallenkirche, aus drei schmalen,
von schlanken Pfeilern getrennten, mit Netzgew^ölben überspannten Schiffen
bestehend, mit einspringendem langem einschiffigem Chor und massigem
Thurm an dessen Nordseite, der unten die Sacristei enthält und oben ins
Achteck umsetzt ; 1497. (Leinmüller, in den Mittheil. etc. 7, ISS —
190.)
St* Stepkai bei Ligist in Steierm. Spätgothische Hallenkirche mit
achteckigen Pfeilern und einschiffigem Chor.
St« Wtlfgang am See in Salzburg. Hallenkirohe mit nur einem nördl.
Seitenschiff, geweiht 1460. Die Strebepfeiler nach innen gezogen; drei
Portale aus rothem Marmor.
St. W«lfgang bei Weitra (Kr. ob d. Manhartsb.). Hallenkirche mit
dreifachem Polygonschluss, 1407. Die Gewölberippen wachsen aus den
achteckigen Pfeilern und Wanddiensten.
Schdbs bei Gaming (Kr. ob d. W.). Spätgothische Hallenkirche, de-
ren drei Schiffe von gleicher Breite und Länge sind.
SchlailMtalg bei Radstadt in Steierm. Hallenkirche mit Chorumgang,
1522 — 1532. Rundpfeiler mit runden Diensten.
SckMer bei Ranten in Steierm. Spätgothische Hallenkirche mit nur
einem (südl.) Seitenschiff.
Schonbach bei Rapotenstein (Kr. ob d. Manhartsb.). Modemisirte
Hallenkirche mit achteckigen Pfeilern, um 1470.
Schottwiea (Kr. unter d. W.). Spätgothische Kirche mit niederen
Seitenschiffen und achteckigem Thurm.
Schwaz. Vierschiffige Hallenkirche 2) um 1460—1465; s. oben S. 5u.
52. Der Thurm steht nördlich im W^inkel zwischen lianghaus und Chor.
Schweigen bei Zwetl. Die Pfarrkirche, ein spätgothischer Hallenbau
(c. 1500) mit beibehaltenem romanischem Ostthurm, der zwischen Schiff
1) Vergl. oben S. .54 t Nota I.
2) S chöpf , Bertr., die goth. Pfarrkirche zu Schwa« in Tirol, in den Mittheil.
der Central-Comm. (18(53). 8,308 — 313.
in den deutsch-österreichischen Ländern. 545
und Chor einen schmalen Durchgang bildet. Achteckige Pfeiler und ein-
fache Kreuzgewölbe.
Sebensteii (Kr. unter d. W.).*) Die Pfarrkirche, ein 1525 erneuter
Hallenbau mit achteckigen Pfeilern und NetzgewOlben ; der einschiffige,
wahrscheinlich' ältere Chor hat neue Kreuzgewölbe.
Sedleti bei. Kuttenberg. Die aus der Zeit zwischen 1280 und 1320
stammende, 1421 niedergebrannte und 1673 — 1707 zopfig gothisch re-
staurirte grossartige Cisterzienserkirche ^) , fünfschiflßg basilikal mit ausla-
dendem dreischiffigem Querhaus, doppeltem Umgang um den dreiseitig
schliessenden Chor und einem aus sieben Apsidiolen bestehenden Kapel-
lenkranz. Renovirt 1854. (Qrueber, in den Mittheil. etc. 6, 225 f. u.
Fig. 1.) — Die kleine, schon 1318 vorhandene, aber verzopfte Allerh.
Kapelle auf dem Friedhofe, einschiffig quadratisch mit viel schmälerem
rechteckigem Chor. Die Westseite flankiren zwei vorspringende sechseckige
Thürmchen (ursprünglich zu Todtenleuchten dienend ) , und das Ganze er-
hebt sich auf einem nicht mehr ursprünglichen , ein Beinhaus enthalten-
den weitläufigen Terrassenbau. (Grueber ebend. S. 227. Fig. 2 f.)
SeefeM unweit Innsbruck. Hallenkirche'') (seit 1431 ) mit einschiffi-
gem Chor und Thurm auf der Südseite des Langhauses. Letzteres mit et-
was niedrigeren Seitenschiffen hat gegliederte sechseckige Pfeiler, verwirrte,
mit Maasswerk belegte Netzgewölbe und ist im XVI. Jahrh. nach Westen
hin verlängert worden. Die im Aeusseren reicher gehaltene Südseite ist
durch ein Prachtportal mit Scul[)turenschmuck ausgezeichnet.
Selil bei Cilli. Schöne einschiffige Karthäuserkirche aus dem XIV.
Jahrh., Ruine inmitten der ausgedehnten Trümmern des befestigten Klo-
sters, zu denen auch eine ziemlich wohl erhaltene kleine achteckige Gruft-
kirche (XV. Jahrh.) gehört.
Seltsehan unweit Wotic in Böhmen. Die einschiffige Dcchanteikirche
mit schmälerem Chor und Westempore, roh frühgothisch.
Sievering bei Wien. Innerlich modernisirte Hallenkirche, einfach und
mit zwei hübschen Eingängen ; der sehr massige Thurm steht an der Nord-
seite.
Skltseh (Kr. Chrudim) in Böhmen. Die einschiffige Decanats-
kirche mit niedrigcrem Chor und Westthurm , angeblich aus dem XIII.
— XIV. Jahrh. — Die ebenfalls einschiffige kleine Spitalkirche von
1391 mit schmälerem Chor, nach einem Brande von 1861 restaurirt.'*)
Skpp in Mähren. Kirche von 1360 mit zwei Schiffen von gleicher
Breite und Höhe.
Stbteslai bei Tabor. Zwei zweischiffige Hallenkirchen: die gerade
1) Vergl. Berichte u. Mitthcil. des Alterthumsvercines zu Wien I, 159 — 227
mit Abbild.
2) Die Kirche zu Sedletz in Böhmen, in den Mittheil, der Central-Comm. (1856)
», 25 f.
3) Hutter, Th., die goth. Oswaldskirche zu Seefeld in Tirol, a. a« O. (1862)
7, 30« — 310.
4) Benesch , Fz., die Restauration der Ffrändner-Spitalcap. in der Stadt Skuc,
a. a. O. (1865). 10, LXXIV f.
546 Gothische Kirchen
geschlossene Dechanteikirche um 1493 und die dreiseitig geschlossene, zu
einem Wohnhause eingerichtete Veitskirche; beide mit zwei Pfeilern.
Sill bei Tramin in Tirol. Die aus zwei ziemlich grossen Schüfen mit
eigenen Chorabschlüssen bestehende Moritzkirche.
Spitz im Kr. ob d. Manhartsb. Spätgothische Hallenkirche mit ein-
schilfigem Chor. Achteckige Pfeiler , aus denen die Rippen der Netzge-
wölbe hervorwachsen. Unter dem Chor eine Gruft. In Westen ein mäch-
tiger Sattel thurm.
Steh bei Krems (Kr. ob d. Manhartsb.). Der Chor und der südlich
daneben angeordnete Thurm der profanirten Minoritenkirche von
1444; das basilikalo Langhaus 1224 — 1264 im Ucbcrgangsstil mit qua-
dratischen Pfeilern und Spitzarkaden. Das Mittelschiff hat sechstheilige
Rippengewölbe. — In der modernisirten Pfarrkirche von 1464 ist das
Mittelschiff um ein Drittel höher und breiter als die Seitenschiffe, und der
Westthurm bildet unten eine an drei Seiten offene Halle.
Steil bei Laibach. Zweischiffige Wallfahrtskirche von 1472 mit drei
Rundpfeilem.
Steier in Oberösterreich. Die Stadtpfarrkirche*), begönnen 1443, be-
steht aus drei Schiffen von gleicher Höhe und Länge ; das Mittelschiff mit
drei, die Seitenschiffe mit zwei Seiten des Achtecks geschlossen. Die im
Kerne viereckigen Pfeiler sind denen der Stephanskirche in Wien nahe
verwandt. Vor dem nördlichen und westlichen Portale Vorhallen ; der
starke sechseckige Thurm erhebt sich in der Mitte der Nordseite. Die Ge-
wölbe der Kirche sind erst nach einem Brande, von welchem das noch nicht
ganz vollendete Gebäude im J. 1522 betroffen wurde, 1628 — 1630 einge-
zogen, wobei man manche (durch die Restauration von 1857 meist wieder
beseitigte) Veränderungen vornahm.
StelvaliirckeM im Kr. ob d. W. Die spätgoth. Pfarrkirche St. Michael
von sehr eigenthümlicher Anlage : ein weiter, dreiseitig schliesscnder Raum,
in welchem rings umher im Abstände von 5' von den Wänden vierzehn
starke viereckige und mit vier Halbsäulen besetzt« Pfeiler aufgestellt sind,
die üachbogige Emporen tragen, während die obere Decke aus einem rei-
chen Sternge wölbe besteht.
Strassengel bei Gratz. Die edelgothische Marienkirche^), begonnen
1346 und geweiht 1355, besteht aus drei fast gleich hohen und polygo-
nisch schliessenden Schiffen mit etwas längerem Mittelschiff. Die Pfeiler
sind quadratisch, mit vier Halbsäulen besetzt, auf den Ecken ausgekehlt
und mit zum Theil vorzüglich gediegenen Capitälzierden geschmückt. Die
Gurte der in quadratische Joche getheilten einfachen Kreuzgewölbe zeigen
ein schlank birnförmiges Profil. Die schlanken zwei- und dreitheiligen
Fenster haben rein geometrisches Maasswerk; über dem Westportale ist
eine Fensterrose von besonderer Zierlichkeit angebracht, lieber dem nördl.
1) Vergl. V. Sacken, in den Mittheil, der Central-Commiss. (1856) 1, 43 und
Stifter, ebend. {I85«i) 3, 194.
2) Weiss, C, die goth. Kirche zu Strassengel in Steierm., a. a. O. 8. 95—101 ;
118-123; 149 -159 nebst Taf. 4.
in den deutsch-österreichischen Ländern. 547
Chorschluss erhebt sich ein achteckiger Thurm (Weiss a. a. O. die drei-
fache Tafel 4 ) mit durchbrochenem Steinhelm. An das Westende der
Nordseite schliesst sich eine 1455 erbaute zweistöckige Kapelle, als Unter-
bau eines oben zopfigen Thurmes. — Restauration seit 1858.
Tabor in Böhmen. Die Dechanteikirche hatte ursprünglich niedere
Seitenschiffe, wurde aber in Folge von Bränden um 1500 zur Hallenkirche
mit einschiffigem Chor umgebaut. Das fast quadratische Langhaus hat
polygone Pfeiler und im Mittelschiffe Netzge wölbe.
Terlai bei Meran. Alterthümliche Kirche (um 1380 — 1400) mit nur
einem niederen Seitenschiffe an der Nordseite, dessen Abschluss ein nie>
driger viereckiger roman. Thurm bildet ; südwestlich steht noch ein mas-
senhafter spätgoth. Thurm isolirt.
Tdllenhei« bei Zwetl (Kr. ob d. Manhartsb.). Spätgoth. Hallen-
kirche mit etwas niedrigeren Seitenschiffen und höherem einschiffigem
Chor. Achteckige Pfeiler und Netzgewölbe; im Chor einfache Kreuzge-
wölbe, deren Kippen auf Consolen ruhen die mit Halbfiguren von Aposteln
etc. decorirt sind. In Westen ein Satteldachthurm. — Die im Walde be-
legene Kuine einer einschifiigen Wallfahrtskirche aus Granit, 1405
— 1450.
Tifer bei Cilli. Einschiffige spätgoth. Kirche mit romanischem Thurm,
dessen Unterraum (Detail bei Petschn ig, in den Mittheil. etc. 10, 199
Fig. 15.) den Durchgang aus dem Schiffe in den Chor bildet.
llnserfrMM bei Weitra (Kr. ob d. Manhartsb.). Spätgoth. Hallen-
kirche.
IlMtemab bei Meran. Die 1440 erneuerte Pfarrkirche mit drei gleich
hohen von viereckigen Pfeilern geschiedenen Schiffen und Sterngewölben.
Ein einfacher Sattelthurm.
Vtoeh bei Brück a. d. Mur. Die kleine spätgoth. Ulrichskirche mit
nur einem (nördl.) Seitenschiff und unten durchbrochenen, Durchgänge
bildenden Strebepfeilern.
Villach in Kärnten. Die Stadtkirclie, spätgothisch mit drei gleich ho-
hen, von Rundpfeilern getrennten Schiffen und einschiffigem Chor , erbaut
im XV. und XVI. Jahrh.
Vtlteberg unweit Gratz. Spätgoth. Hallenkirche mit einschiffigem
Chor ; im Schiff achteckige Pfeiler und Netzgewölbe. Das einfache West^
portal ist Ueberrest eines roman. Baues.
Völkemarkt unweit Klagenfurt. Spätgoth. Stadtpfarrkirche mit nie-
deren Seitenschiffen, von denen das südliche neben dem einschifiigen Lang-
chore polygonisch schliesst, während das nördliche neben dem Chorschlusse
in einer quadratischen Kapelle endet. Achteckige Pfeiler und Netzgewölbe.
Den westlichen Abschluss bildet als Ueberrest eines älteren roman. Baues
ein schmales, von zwei starken viereckigen Thürmen flankirtes, wagerecht
endendes Zwischenhaus mit Empore und Säulenportal. Der südl. Thurm
ist bei einem Erdbeben 1G90 bis auf das Erdgeschoss eingestürzt; 1830
wurde die Fa9ade verputzt, (v. Ankershofen, in den Mittheil. etc.
l, 144 Fig. 3.)
Waidk^fen a. d. Ips (Kr. ob d. Walde). Hallenkirche mit drei fast
gleich breiten Schiffen, die sich jenseits des schmalen und wenig vortre-
548 Gothische Kirchen
tenden QucrschiffcH fortsetzen und polygonisch schliessen. Achteckige
Pfeiler mit je vier Diensten und einfache Kreuzgewölbe.
WebseBkircheii im Kr. ob d. Manhartsb. Die 1736 erneuerte Ifarr-
kirche enthu.lt von dem gothischen Bau noch den Chor mit reichen dreithei-
ligen Fenstern, den östlichen Theil des niederen nördlichen Seitenschiffes,
eine südlich mit dem Schiffe verbundene Kapelle und den Sattelthurm am
Westende.
Weite! im Kr. ob d. Manhartsb. Spätgoth. Hallenkirche mit einschif-
figem älterem Chor; achteckige IMcikr, Gewölbe von 1727.
Wie» .') St. Stephan.*-^) Dieses grossartige Gebäude ])esteht, abge-
sehen von dem roman. Unter- und Thurmbau der Westfront (oben 8. 382)
aus mehreren nicht denselben Plan verfolgenden Theilen, unter denen das
gothische Obcrgeschoss des Zwischenbaues und die beiden rechts und links
den Thilrmen 1326 hinzugefügten Kapellen zwar die ältesten sind, aber
spätere Veränderungen erfahren haben. Hierauf folgt der Zeit nach der
aus drei im halben Achteck geschlossenen, gleich hohen und gleich breiten
Schiffen bestehende, einfach überwölbte, 1340 geweihte Chor mit dem am
Westende desselben südlich vorgelegten. 1359 gegründeten Hauptthurm,
welcher, scheinbar gleich von unten pyramidal isch aufsteigend und unge-
mein reich behandelt, im J. 1404 bis zu zwei Drittel seiner Höhe vorge-
schritten und 1434 vollendet war. Der jüngste Theil ist das Langhaus,
dessen Mittelschiff zwar höher hinausgeführt ist^ als die gleich breiten Ab-
seiten, aber nicht so hoch, dass eine besondere Fensterreihe für dasselbe
möglich war. Das Gewölbe bildet hier ein Rautenmuster, und die reich
gegliederten Pfeiler setzen ihre Profilirung unmittelbar in den ArkadenbÖ-
gen fort, während die Dienste für die Gewölbegurte mit Capitälen versehen
sind ; die Füllungen der hohen viertheiligen Fenster, deren auf jedes Joch
des Langhauses zwei fallen, sind mehr decorativ als statisch behandelt. Ein
bei der Gründung des südlichen gleichmässig auf der Nordseite des Chores
beabsichtigter zweiter Prachtthurm wurde zwar 1450 begonnen, aber im
Jahre 1519 unvollendet wieder aufgegeben: die Anlage beider Thürme
vertritt die Stelle der Kreuzvorlagen. Die unschöne gewaltige Höhe des
Langhausdaches wird wesentlich gemildert durch die über jedem Joche der
Seitenschiffe angelegten reichen Prachtgiebel, von denen jedoch nur einer
der Südseite (Kugler, Gesch. der Baukunst 3, 323.) den ihm zugehöri-
gen Schmuck erhalten hatte, während die Decoration der übrigen bei der
seit IS 5 5 ausgeführten Restauration ''^) hinzugefügt wurde . (Lichnowsky,
\) Tschischka, Fz., Gesch. der Stadt Wien. 1847.
2) Derselbe, der St. Stephanadom in Wien und seine alten Denkm. der
Kunst, mit 15 Kupfern in Folio. 1832. — Derselbe, die Metropolitank. zu St.
Stephan in Wien, (1824.) 2 umgearb. Aufl. IS43. (Vergl. Feil, in Schmidrs
Oestcrreich. Blattern für Literatur u. Kunst. 1^44. 2. Quartal No. IS — 24 u. 3.
Quartal No. 30—34.) — Perger, A. R. v., der Dom zu St. Stephan in Wien. 1854.
3) Heider, G., die Kcstauration des St. Stephansdomes in Wien, in den Mit-
thcil. der Central- ('onim. (1^57.; 2, 1 — 7. — Der St. Stephansdom in Wien und
seine llestauration, in der lllustrirten Zeitg. 1*^07. No. 721. (28, 343). — Die Ilöhe
des Thurmcs mit der IS64 vollendeten neuen Steinspitze (oben S. 57) wird jetzt auf
441,15' angegeben.
in deu deutsch-österreichischen Iiftadern. 549
Denkm. Taf. 2. — Gailbabaud, Denkm. Bd. 3. No. 6. Taf. i— 4 mit
Text von Lohde. — Förster, Denkm. 6, 43—50 u. 3 Taf . — Vergl.
oben S. 524 Fig. 228. j
Die August ine rkir che (seit 1330) mit drei Schiffen von gleicher
Höhe und langem einschüHgem sicbenscitig geschlossenem Chor .^) Acht-
eckige Pfeiler mit runden Eckdiensten. Die südlich neben dem Chor be-
legene 1341 geweihte Chorkapelle besteht aus zwei gleichen Schiffen, die
jedes im halben Achteck schliessen. Der Thurm ist 1848 erneuert. —
Die 1386 begonnene Karmeliterkirche, gleichfalls ein schlanker
llallenbau mit gestrecktem einschiffigem Chor, ist von den Jesuiten gründ-
lich modernisirt. — Die einschiffige Kirche Maria-Stiegen^) besteht aus
zwei ganz verschiedenen und nicht in derselben Axe liegenden Thcilen,
dem um 1340 vollendeten zierlichen, an den Wänden ganz mit leichtem
Stabwerk bekleideten Chor und dem 1394 gegründeten und um 1427 voll-
endeten, mit Netzgewölben überspannten spätgoth. Schiffe, dessen West-
front und Südseite mit Portalen versehen sind, über denen sich ein schwe-'
bend überhangender Baldachin in geschweifter Kuppclform erhebt. Der
zierliche siebenseitige Thurm, in einer aus Maasswerk gebildeten durch-
brochenen Kuppel endend , steht südlich in der Ecke zwischen Chor und
Schiff und gehört , wie die Portalhallen, dem Endo des XV. Jahrh. an.
Restauration 1817 — 1820. (Lichnowsky, Denkm. — Springerund
Waldheim, Baudenkm. Lief. 1.) — Die Minoritenkirche^) aus
der zweiten Hälfte des XIV. Jahrh. mit drei Schiffen von fast gleicher
Breite und Höhe. Reich mit Diensten besetzte Rundpfeiler und edel pro-
filirte Gewölbegurtc. Im Westen drei reiche Doppelportale und in den
westlichen Jochen der Seitenschiffe schöne Fensterrosen . (Lichnowsky
a. a. O. Taf. 10 f.) — Die Rathskapelle "*) besteht aus zwei durch
einen Bogen verbundenen, neben einander liegenden Räumen, von denen
der südliche (geweiht 1361) der ältere, der nördliche erst 1452 — 1457 er-
richtet ist und spätere Veränderungen erfahren hat.
Wiener-Neutadt. Die einschiffige Kapuzinerkirche aus dem XIV.
Jahrb., aber im Innern modernisirt. — Chor und Querschiff der Marien-
kirche aus dem XIV. Jahrh. mit Zusätzen und Anbauten aus der zweiten
Hälfte des XV. Jahrh. ; ver^. oben S. 383. — Der einfache dreischiffige
Hallenbau derNeuklosterkirche mit achteckigen Pfeilern 1453. — Die
einschiffige Peterskirche^) (1450—1474) mit etwas schmälerem Chor ;
das Schiff durch eine Nonnenempore in zwei Stockwerke getheilt. Westlich
1} Vcrgl. C. Lind, in den Berichten und Mittheil, des Alterthumsvereines zu
Wien, 5, 157— MiS.
2) Böükh, F. H., Gesch. der Kirche Maria-Stiegen in Wien. (1821) 2. Aufl.
|H29. — Piiraisger, Aloys, über die K.Maria- Stiegen, in v. Hormayr's Archiv.
IS2I. No. It. — Weiss, C, die goth. Kirche Maria am Gestade, in den Mittheil.
der Central-Comm. (1856). 1, 149—152; 174 — 177 nebst Taf. 9 f. — Feil, Jos.,
zur Baugesch. der Kirche Maria am Gestade in Wien, ebend. (1857). 2, 10—17; 29
__3ö; «S — 79.
3) Lind a. a. O. S. 129—156 u. Taf. 1 f.
4) A. a. O. 2, 1S9 — 227; vergl. Feila. a. O. (1861). 6, 168-171.
5) Lind a. a. O. 2, 228^233.
550 Gothische Kirchen in den deutsch-Asterreich. Landern.
das Kloster mit zwei KreuKgängen über einander. — Der über dem Haupt-
thorc des Schlosses belegene dreischifiige Hallenbau der Schlosskapelle
1449 — 1460.. Rundpfeiler ohne Capitäle; um den ganzen Raum zieht sich
eine auf Kragsteinen ruhende Empore. Restaurirt 1851.
Wieselbarg im Kr. ob d. W. Das roh spätgoth. zweischiffige Lang-
haus der Kirche mit neucrem Chor.
Wilkeliisbarg im Kr. ob d. W. Die roh spätgoth. Kirche, deren fen-
sterloses Mittelschiff um ein Drittel hoher ist als die Nebenschiffe.
Wllillscll-Clratf in Steierm. Die Pfarrkirche und die Spitalkirche,
beide einschiffig; erstere mit nach innen gezogenen Streben, letztere von
1494. -— Unfern der Stadt auf einem Hügel eine quadratische Kirche mit
einer Marmorsäule in der Mitte nebst einem isolirt stehenden Thurme,
als Ueberreste einer Burg. (Petschnig, in den Mittheil. etc. 10, 200 f.
und Fig. 16—18.)
Wlttlnga« bei Budweis. Die zweischiffige Decanatskirche mit schmä-
lerem Chor, aus dem XIV. Jahrb.; vier Rundpfeiler trennen die Schiffe.
Der daneben befindliche Kreuzgang aus der Blüthenperiode des gothischen
Stiles mit prächtigem Maasswerk in den BogenOfi^ungen.
Ilftili in Mähren. Die dreischiffige Pfarrkirche mit schlanken Rund-
pfeilern 13 58 und später. Die daneben belegene zweistöckige Wenzels-
kapelle, deren Gewölberippen im Obergeschosse auf Brustbildern von Pro-
pheten etc. ruhen , mit einem ebenfalls von einem Brustbilde getragenen
Ziegelthürmchen am Westgiebel ; die Strebepfeiler werden von einer um-
laufenden Galerie durchbrochen.
IwetI im Kr. ob d. Manhartsb.^) Der Chor der Cisterzienserkirche
in dreischiffiger Hallenform mit Umgang und niederem Kapellenkranz zwi-
schen den Strebepfeilern, 1343 — 1348 an der Stelle einer älteren roman.
Kirche im edelsten Stile neu erbaut. Das Mittelschiff schliesst fflnfseitig,
der Umgang neunseitig und der am Querschiffe beginnende Kapellenkranz
besteht aus 13, am Polygonschlusse trapezförmigen Abtheilungen. Die aus
dem übereck stehenden Viereck oonstruirten, mit je acht Rundstäben von
dreierlei Stärke zwischen Hohlkehlen gegliederten, einen Laubkranz tra-
genden Bündelpfeiler sind denen des Domes von Cöln verwandt. Das.
klare Fenstermaasswerk besteht meist aus rein geometrischen Elementen.
Das Aeussere zeigt einfache Fialehstreben und schlichte Strebebögen. Das
nicht vortretende Querschiff und die beiden östlichsten Langhausjochc ge-
hören noch der Bauperiode des Chores an, die Fortsetzung ist spätgoth.
vom Ende des XV. Jahrb. und der Westbau zopfig 1722—1727. Vcrgl.
oben S. 3S3.
t/ Sacken, Ed. v., die Cisterzienserabtei Zwetl in Niederöst., in den Mittel-
alter!. Kunstdenkm. etc. herausgegeb. von G. Hei der etc. 2, 37 — 57 u. Taf. 7—11.
Fig. 229. Elitabethkirche in Marburg (nach Mottet ).
IV. In Pranken und Hessen.
liitcratnr: Vergl. die oben S. 387 angefahrten Schriften und Kupfer-
werlie.
552 Gothuche Kirchen
Vorbemerkung.
105. Das in der gothischen Architektur von Hessen von ihrem
frühzeitigen Beginn im XIII. Jahrhundert ab vorherrschende System
ist, vielleicht im Zusammenhange mit der Uebergangsbaukunst West-
falens (oben S. 427), das des Hallenbaues gleich hoher Schiffe mit ein-
schiffiger Choranlage, wodurch im Vergleich mit der französisch-rhein-
ländischen Gothik, ungeachtet der beibehaltenen mit Halbsäulen be-
setzten Rundpfeiler, die Kirchen einen durchaus eigenthümlichen
und specifisch deutschen Charakter annahmen, und auch die Details
eine wesentlich verschiedene Bedeutung erhielten. Als Hauptvertre-
tung dieser strengen und keuschen Richtung erscheint der 1235 be-
gonnene und wesentlich in einem Gusse durchgeführte edle Bau von
St. Elisabeth in Marburg, dessen Vorbild in den Stiftskirchen von
Haina und Wetter, in der zerstörten Kirche von Grünberg , in den
Marienkirchen zu Frankenberg, Homberg, Volkmarsen und Marburg
befolgt ist. Die äussere Erscheinung ist (bei dem Wegfall der Strebe-
bögen) einfach, das Innere bei massiger Höhe weiträumig und hell
beleuchtet. In der Stiftskirche von Wetzlar begegnet sich während
der längeren Bauzeit derselben die hessische mit der rheinischen Go-
thik. — In Franken bietet fast nur Nürnberg hervorragendere go-
thische Bauwerke dar, deren eigenthünilicher, zum Theil an Profanar-
chitekturen erinnernder Charakter sich indess erst seit dem lebendi-
geren Aufschwünge der Baukunst unter der Regierung Kaiser Karl's
IV. bekundet, also nur die Spätzeit ^lmfasst.
Vergl. Schnaase, Kunstgesch. 5, 487 — 493; 5, 577 — 580; 6, 2S9 —
295. - Kugl er, Gesch. der Baukunst 3, 23a— 244; 27(5— 2bü ; 327 — 337;
3S2 f. — Lübke, Gesch. der Architektur. 3. Aufl. S. 54S ff.
AbfeM in Oberhessen. Die Augustinerkirche, spätgoth . Hallen -
bau mit nur einem (nördl.) Seitenschiff, schlanken achteckigen Pfeilern
ohne Capitälo und einfachen Kreuzgewölben; der einschiffig vorgelegte
Chor ist älter und hat zum Theil friihgoth. Fenstermaasswerk und Strebe-
])feileT mit Giebeldächern. Unter den dachlosen Klostergebäuden mit
schmalen viereckigen gekuppelten Fenstern zeichnet sich die streng goth.
(•apitclstube aus, die östlich mit drei pyramidal gruppirten Lanzettenfen-
stern versehen ist. — Die Hauptkirche ist in ihrem Langhause aus
einer frühgoth. Basilikalanlage später zur Hallenkirche umgeformt: die
colossal dicken und kurzen, mit vier Halbsäulen besetzten Rundpfeiler des
ursprünglichen Baues sind mit viereckigen abgekanteten Pfeilern Übersetzt,
die mit rohen viereckigen Diensten für die Gewölbegurte versehen sind.
Der 1393 begonnene schlanke und viel höhere Chor ist einfach; ebenso
der 1394 begonnene, oben in ein spätgoth. Achteck umsetzende Thurm
vor der Westfront. (Vergl. Lot z 1, 39.)
in Franken und Hessen. 553
Ittkach. Der 1523 vollendete Chor (Ritterkapellej und die im lieber-
gang zur Kenaissance ausgeführte mit drei oben achteckigen , in spitze
durchbrochene Steinhelme ausgehenden Thürmen gekrönte Westseite der
im Uebrigen 1735 neu erbauten Gumpertikirche, die Seitenthürme
von 1483 und 1493, der Mittelthurm 1594 — 1597. (Eine Ansicht des
Chores bei v. Stillfried, Schwanenorden S. 18, n. 65 und bei Sig-
hart^ Bayer. Kunstgesch. S. 475, der Westfront bei Kallenbach, Chro-
nologie U. Taf. 23.) — Die grossartige Johann iskir che , deren reich
mit Filialstreben ausgestatteter und von zwei Thürmen flankirter Chor
(über einer angeblich frühgoth. Gruft) 1441 begonnen wurde; das ältere
Ijanghaus, im höheren Mittelschiff mit spateren Netzgewölben, hat mit den
niedrigeren Seitenschiffen nur eine Bedachung.
iMübergt Die obere Pfarrkirche u. 1. Fr. von basilikaler Anlage
mit Chorumgang und Kapellen zwischen den reich decorirten Strebepfei-
lern und mit flachen Strebebögen zur Stütze des Hochbaues^ 1327 — 1387.
Das Innere ist verzopft, das Langhaus vöUig erneuert. (Chlingensperg,
das Königreich Bayern 2, 107.)
lajreith. Die 1438 begonnene Hauptkirche mit niederen Seitenschif-
fen, einschiffigem Chor und zwei Westthürmen, deren Oberbau nach einem
Brande von 1695 zopfig ergänzt ist. Rundpfeiler mit Diensten ohne Ca-
pital und Netzgewölbe. In den Seitenschiffen eine durchlaufende Galerie
mit verzierter Brüstung. Elegante Strebepfeiler und schlichte Strebebögen.
leneck bei Bayreuth. Burgkapelle von 1480, Ruine.
Ireisback bei Michelstadt. Hallenkirche mit kräftigen Pfeilern und
einem 1503 erhöhten Thurm.
Casgel. Die im XIV. Jahrh. erbaute, im XVI. Jahrh. in Westen ver-
kürzte Brüderkirche, ein schlanker Hallenbau mit nur einem (nördl.)
Seitenschiff und einschiffigem Chor, über welchem sich ein sechseckiges
Dachthürmchen erhebt ; achteckige Pfeiler mit einfachen Kopfgesimsen ;
die Gewölbegurte werden von Consolen getragen , welche zum Theil aus
Brustbildern bestehen . — Die Martinskirche, Hallenbau von 1 34 3 —
1367 mit einschiffigem 1434 vollendetem Chor. Schlanke mit Säulenbün-
deln reich und geschmackvoll gegliederte Pfeiler mit Laubcapitälen ; ein-
fache Kreuz- und Netzgewölbe. Zwei Westtliürme ; schlichtes Aeussere.
(Landau, Ansichten S. 1. — Details bei Kugler, Kl. Sehr. 2, 157f.)
Creglingei bei Rothenburg a. d. T. Die zierliche Herrgottskirche,
einschiffig mit Holzdecke und schmälerem gewölbtem Chor, 1384 — 1389.
(Wirtenb. Franken HI. 2, 88 und 5, 304.)
•araMÜlilt. Der Chor der modern goth. Stadtkirche, vollendet 1500;
der unbedeutende Westthurm 1529. (Lotz 2, 89.)
Bettelbach bei Kitzingen. Der sich in grossartigen Verhältnissen er-
hebende, 1489 begonnene Chor der Pfarrkirche, durch ^inen Neubau völ-
lig verändert. Der nördlich eingebaute Thurm mit rundem Treppenhaus.
Ebnch unweit Bamberg. Die Westfront der Klosterkirche (oben S.
391 ) mit schöner Fensterrose in entwickelt goth. Stil.
Eichstiiilt« Der Hallenbau des Langhauses und der niedere Ostchor
des Domes (oben S. 391) mit Kapellen zwischen den nach innen gezogenen
Strebepfeilern 1365 — 1396. Die nördl. Sacristei, deren Sterngewölbe mit
554 Gothische Kirchen
herabhängendem Schlusssteine von einer Mittelsftule ausgeht, um 1450.
Der spätgoth. Theil des Kreuzganges und die brillante zweischifiige Se~
pultur der Domherren 1489 — 1497. (Sighart, Bayer. Kunstgesch. S.
477 Fig. 174.)
Sschwege a. d. Werra. Die Marktkirche, Hallenbau mit einschif-
figem Chor, begonnen 1450. Rundpfeiler, an denen sich die Rippen der
Sterngewölbe auskragen. Der Thurmbau angeblich älter. — Die Neu-
städter Kirche, der vorstehenden ähnlich , 1378 — 1521. Rundpfeiler
mit vier Diensten und Laubcapitälen ; reiche NetzgewOlbe. Der einfache
Westthurm m it modernem Obertheil . (Lotz 1, 203.)
VraBkeBberg a. d. Eder. Die Pfarrkirche in der Orundform des
Kreuzes mit polygonisch schliessenden Kreuzarmen und gleich hohen Schif-
fen 1 286 — 1353. Niedrige Rundpfeiler mit vier Diensten und schönen Laub-
capitälen. Die Fenster im Langhause zwei-, im jüngeren Chore dreitheilig
mit edlem Maasswerk. An der Südseite ein schönes Doppelportal , über
der Westfront ein einfach edler viergiebliger Thurm mit modernem Dach.
(Landau, Ansichten S. 25. — Details bei Ungewitter, Lehrbuch
[auf dem Umschlage der Grundriss] 17 Fig. 461 f., 18 Fig. 493. —
Statz und Ungewitter, Musterbuch auf Taf. 146.) Zwischen zwei
Strebepfeilern des südlichen Kreuzarmes ist im un regelmässigen Siebeneck
die Liebfrauenkapelle ^), ein kleines schlankes Prachtwerk mit rei-
chem Detail, wahrscheinlich bald nach Vollendung des Hauptbaues^ einge-
baut, (v. Wiebeking, Baukunde. Taf. 61.) Vergl. Lotz 1, 209.
VnuikAirl a. 1. Der Dom^), Hallenkirche, deren Chor (1315 —
1338) und Querschiff (1346 — 1353) das ältere einfacbe mit spätgo-
thischen Kapellenanbauten besetzte Langhaus überragen. Die vierecki-
gen, abgekanteten Pfeiler mit vier Diensten, ©er westl. Prachtthurm ') ,
gegründet 1415, fortgebaut bis 1512, aber unvollendet geblieben. Re-
stauration seit 1855. (Moller, Denkm. I. Taf. 59. — Kallenbach,
Atlas. Taf. 52 u. 68. — Ungewitter, Lehrbuch. Taf. 13. Fig. 322.)
— Die profanirte Dominicanerkirche, einfach späthgoth. Hallenbau
mit einigen frühgoth. Resten. Rundpfeiler mit schlichten Capitälen. —
Die profanirte Karmeliterkirche, spätgothisch, mit einer Kreuzvor-
lage an der Südseite. — Die Leonhardskirche, ein fünfschiffiger
Hallenbau mit Emporen in den äusseren Seitenschiffen, vollendet um 1507.
Achteckige Pfeiler, in den äusseren Reihen mit Bündeldiensten. Der ein-
schiffige Chor 1434. — Die Liebfrauenkirche, spätgoth. HaUenbau
mit einschiffigem Chor. CapitäUose viereckige Pfeiler mit abgeschnittenen
Ecken. Zwei schöne Portale an der Südseite. — Die Nicolaikirche,
frühgoth. Hallenbau mit nur einem (nördl.) Seitenschiff und achteckigen
1} Hundeshtfgen, Bemh., der alten goth. Kapelle zu Frankenberg Grund-
riss, Aufriss und Durchschnitt etc. 1808.
2) Römer-Büchner, B. J., die Wahl- und Krönungskirche der deutschen
Kaiser zu St. Barthol. in Frankf. a. M. 2 Abth. 1857. — Vergl. Archiv für Frankf.
Gesch. u. Kunst. Neue Folge. Bd. I. 1860.
3) Passavant, J. D., das Geschichtliche des Pfarrthurm-Baues , im Archiv
für Frankf. etc. I. 3, 2S— 66. -> Hessemer,F. M., über den hiesigen Pfkrrthurm,
ebend. 8. 67—74 nebst 2 Taf.
in Franken und Hessen. 555
Pfeilern. Der Tburm neben dem einspringenden einschiffigen Chor geht
aus dem Viereck ins Achteck über, mit modem-goth. Aufsatz und guss-
eisernem Helm. — Die einschiffige Peterskirche mit schmälerem
Chor, geweiht 1452. — Die einschiffige Weissfrauenkirche^), nach
1442, mit nach innen gezogenen Streben und Sterngewölben; 1856 re-
staurirt. — In Sachsenhausen : Die einpchiffige Deutschordens-
kirche ^) aus dem XIV. Jahrh. mit zwei nOrdlich angebauten Kapellen
von 14S5. — Die Dreikönigskirche, roh spätgothisch mit nur einem
(nördl.) wenig niedrigeren Seitenschiff. — Vergl. Lotz 1, 210 ff.
MedlNsrg in der Wetterau.') Die Stadtkirche, begonnen um 1290,
ein kreuzförmiger Hallenbau mit theils runden, theils achteckigen Pfeilern,
die mit je acht Diensten besetzt sind , welche als schlanke Säulchen vor
dem Pfeilerkem vortreten und reiche Laubcapitäle tragen. Eine durch-
brochene Dachgalerie; an den Westecken der abgewalmten Kreuzarme
reich geschmückte polygone Treppenthürmchen ; die massenhafte Westfa-
cade mit zwei Thürmen, die unterwärts eine mit Kreuzgewölben über-
spannte offene Durchfahrt bilden . Restauration 1S42 — 1847 (Moller
I. Taf. 26 f. — Deteils bei Statz und Unge witter Taf. 147 Fig. 5 f. ;
Ungewitter, Lehrbuch Taf. 13 Fig. 324 f.) Vergl. Lotz, 1, 221.
hitilar. Die Minoritenkirche mit nur einem (südl . ) Seitenschiffe
und einem einschiffigen Chor. Schlanke runde , abwechselnd achteckige
Pfeiler mit Laubcapitälen ; erste Hälfte des XIV. Jahrh. (Ungewitter,
Lehrbuch Taf. 12 Fig, 306; Taf. 21 Fig. 566.) — Der Kreuzgang bei
der Stiftskirche und die Bonifaciuskapelle am nördl. Kreuzarme der-
selben aus der 2. Hälfte des XIV. Jahrb. (a. a. O. Taf. 12 Fig. 303 a;
Taf. 17 Fig. 442 u. 464. — Statz u. Ungewitter Taf. 85 Fig. 10
— 13.) Vergl. Lotz 1, 223 f.
Cenudei a. M. Einschiffige Kirche von 1488; der 1468 erbaute
Thurm mit von vier Eckthürmchen umgebenem Helm zwischen Chor und
Schiff.
Crekeisteh unweit Cassel. Spätgoth. Hallenkirche von niedrigen Ver-
hältnissen mit einschiffigem Chor. Achteckige Pfeiler mit einfachen Capi-
tälen und Kreuzgewölben. Die etwas niedrigeren Seitenschiffe unter Gie-
beldächern; vor der Westseite ein jüngerer Thurm. Lotz 1,256.
firfinherg bei Giessen. FrÜhgoth. Hallenkirche von 1 272 in der Grund-
form des Kreuzes mit nicht vortretendem Querschiff, über dessen Vierung
sich der viereckige (1816 eingestürzte) Hauptthurm erhob. Im Langhause
jederseits 5 Pfeiler : die mittleren schlicht rund , die übrigen mit je vier
Halbsäulen besetzt. Einfache Kreuzgewölbe, zweitheilige Fenster. Zwei
nicht ausgebaute Westthürme. (Moller I. Taf. 29 f.) Nach 1841 voll-
ständig abgerissen. Lotz 1, 261.
Cr«ts Stollhein bei Hanau. Kirche von 1504 mit etwas älterem
Thurm.
1) Reife HBtein, Th., die Weiasfrauenk. in Frankf., im Frankf. Museum.
1856. No. 40.
2) Gwinner, die Deutschordenak. u. daa Deutschherrenhaua in Sachsenhau-
aena. a. O. 1861. No. 195.
3) Dieffenbach, Ph., über AlterthflmeT in u. um Friedberg. 1829.
556 Oothische Kirchen
laiM bei Frankenberg. Die Kirche des 1 196 entstandenen Cisterzien-
serklosters in Kreuzform, mit gerade geschlossenem Chor und ehemals mit
niederen Abseiten an der Ostseite der Kreuzflügel , im romanischen Stil
begonnen und um 1228 frühgothisch fortgesetzt oder wahrscheinlicher in
der Ostpartie umgebaut. Das Langhaus , eine dreischifiige Halle von 9
Jochen, ist frühgothisch aus der 2. Hälfte des XIII. Jahrb., die vier west-
lichen Joche jedoch aus der ersten Hälfte des XIV. Rundpfeiler mit je
vier Halbsäulen, von denen indess die dem Mittelschiffe zugekehrten nicht
bis zum Fussboden hinabreichen. Die Fenster sind zweitheilig , die älte-
ren mit Säulchen besetzt ; in der Ostwand des Chores und in der N'ord-
wand des Querhauses viertheilige und in der Westfront über dem schönen
Portal ein sechstheiliges Prachtfenster ; in den fünf östlichen Jochen der
Nordseite zwei Fensterreihen. Das Aeussere ist einfach ; die schlichten
Streben entwickeln sich erst am Kaffsims aus den unten zum Theil über G'
dicken Bruchsteinmauern. (Statz, und Ungewitter Taf. 157. 159 —
166. Details auf Taf. 85. 90. 93 144 f. und bei Ungewitter, Lehr-
buch auf Taf . 1. 3. 5. 15 und 17.) Der Kreuzgang mit zerstörter Brun-
nenkapelle und die übrigen Klostergebäude grösstentheils aus dem XIII. —
XIV. Jahrh. (Statz und Ungewitter Taf. 157 f. 162 f. 165 f. und
171; Details bei Ungewitter, Lehrbuch auf Taf. 4. 10 u. 15.) Vergl.
Lotz 1, 265 — 267.
lalbUldt bei Bamberg. Spätgoth. Kirche mit schönem Chor und Thurm-
bau, im Innern verunstaltet.
lassflirt am Main. Die 1 390 gegrtlndete Pfarrkirche mit niederen
Seitenschiffen, achteckigen capitällosen Pfeilern und zwei Thürmen zu den
Seiten des Chores. — Die Ritterkapelle^) ist ein durch Heideloff
seit 1856 hergestellter dreischiffiger modern goth. Neubau; nur der 1466
vollendete Chor, an dessen Zinnenkranz 230 Wappen einer Adelsbrüder-
schaft auf Schilden in drei Reihen angebracht sind , und der Westgiebel
sind noch alt.
lassiech in Unterfr. Die Marciiskapellc mit schönem Fensterwerk
1373 — 1407.
leilsbrMB. Die gothischcn Theile der Münsterkirche (oben S. 394) :
der spätgoth. Schluss des Hauptchores, das verdoppelte südl. Seitenschiff
um 1430, das sechseckige Chorthürmchen mit durchbrochenem Helm um
1470, die Ritterkapelle vor der Westseite des Mittelschiffes.
leriegeB-.iirach unweit Nürnberg. Spätgoth. Kreuzgang.
linnelkrM bei Kulmbach. Die Kirche des 1280 gegründeten Cister-
ziensernonnenklosters, einschiffig frühgothisch mit engen Lanzettenfenstern
ohne Maasswerk ; zopfig restaurirt. — Ein Flügel des 1473 begonnenen,
unvollendeten (oder zerstörten) Kreuzganges, prachtvoll spätgoth. (v. Still-
fried, Alterth. des Hauses Hohenzollern. Heft 2 der neuen Folge.)
1) Keininger, N., die Marien- oder Ritterkapelle zu HansfuTt, im Archiv des
histor. Vereins von Unterfranken. XV. 1, 1 —42 nebst Nachträgen in Heft 2 u. 3,
260 — 294.
^ in Franken und Hessen. 557
ItaliebpferteB bei Warzburg. Einschrffige gerade geschlossene, 1251
begonnene frühgotb. Cisterziensernonnenkirche und spätgotb. Kreuzgang.
lefj^elsnar unweit Cassel. Die Marienkirche in der Neustadt, drei-
schiffiger Hallenbau mit dicken Rundpfeilem ; der einschiffige Chor begon-
nen 1414, der Westthurm 1341,' im Obertheil 1460. Lotz 1, 305.
lenberg bei Fritzlar. Edel gothische Hallenkirche mit einschiffigem
Chor. Die schlanken Rundpfeiler sind mit je vier Halbsäulen besetzt. Das
südliche Seitenschift' ist um mehr denn die Hälfte breiler als das nördliche,
welches auch viel kleinere Fenster hat. Der aus der Westfront hervortre-
tende 1374 begonnene Thurm enthält ein sehr reiches Doppelportal (St atz
und Ungewitter Taf. 155 f.) und bildet die Vorhalle der Kirche. Lotz
l, 307.
IniieBhaaseB bei Cassel. Hallenkirche mit achteckigen Pfeilern , be-
gonnen 1409, der unsymmetrisch angesetzte einschiffige Chor 1443. (Un-
gewitter.. Lehrbuch Taf. 9 Fig. 242 f., 13 Fig. 333, 15 Fig. 389, 20
Fig. 563.) Vergl. Lotz 1, 314.
IpWen in Mittelfranken. Spätgothische Hauptkirche 1495 — 1524;
Gewölbe 1581.
Kitliagen unweit Würzburg. Die dreischiffige Pfarrkirche mit capitäl-
losen achteckigen Pfeilern und Netzgewölben. Der einschiffige Chor von
1400. Die brillante Empore auf der Südseite des Langhauses 1487. Schöne
Portale. Sacristei von 1522.
Kilnback. Die Petrikirche, dreischiffige Halle mit einschiffigem, 1439
begonnenem Chor ; die Gewölbe durch Brand zerstört.
LMgenstelil bei Marburg. Der spätgoth. Chor der modernen Kirche,
mit einem Netzgewölbe überspannt , dicht unter welchem noch ein zweites
Maschen werk schwebend angebracht ist. (Ungewitter, Lehrbuch S. 148
und Taf. 11 Fig. 280.)
Langeuenn unweit Nürnberg. Klosterkirche aus dem XIV. und XV.
Jahrhundert mit Netzgewölben und schönen Bildconsolen und Schluss-
steinen. Kreuzgang (1407) und Klostergebäude aus gleicher Bauzeit.
(Eberlein, Rangaualbum Bl. 7.)
Laideobaeh bei Weikersheim im würtemb. Franken. Die stattliche,
1412 begonnene Bergkirche mit zwei Thürmen zu den Seiten des Chores.
LelienfeM in Mittelfranken. Dreischiffige Kirche 1446 — 1468.
Llditeiai unweit Cassel. Spätgothische Hallenkirche mit nur einem
(nördlichen) SeitenschiflT, einschiffigem Chor und rohem Westthurm. Acht-
eckige, an den beiden Frontseiten mit Halbsäulen besetzte Pfeiler und ein-
lachen (j etzt hölzernen) Kreuzgewölben . Lotz 1,378.
Lichtenfels in Oberfranken. Flach gedeckte spätgothische Hallenkirche
mit einschiffigem Chor und niedrigem Thurm a^ der Südseite, dessen Helm
mit vier Holzthürmchen umgeben ist.
Lehr in Unterfranken. Der Chor der Kirche (oben S. 395) aus dem
XV. Jahrhundert, der hohe Thurm mit der Jahreszahl 1496.
■arbirg. Die Deutschordenskirche St. Elisabeth^) in der Grund-
1) (Lange ^ J. F.) die Kirche der h. Elisabeth zu Marburg, im KunBtbl. 1847
206 ff. Vergl. D. Kunstbl. 1854 S. 348; Frankf. Museum. 185S. No. 34.
0 1 1 e , Kunst- ArcliAoIngie. 96
558 Gothische Kirchen
form des Kreuzes und mit zwei hochschlanken Westthürmen, begonnen
1235, geweiht 1283, aber 1314 noch nicht vollendet*) : klassisches Bei-
spiel des früh - und strenggothischen Stils , wohl das erste gothische Kir-
chengebäude mit Schiffen von gleicher Höhe ; die Frontseiten der Kreuz-
flügel, wie der Chor selbst, fünfseitig geschlossen ; die Schiffe durch Rund-
pfeiler getrennt , welche mit je vier Halbsäulen besetzt sind; die Pfeiler
der Vierung mit 1 6 Diensten von dreifach verschiedener Stärke ; die zwei-
theiligen Säulenfenster , im Bogenfelde meist nur mit einem Steinringe ge-
füllt, stehen in zwei Reihen übereinander. Aeusserlich führen zwei von
den weit ausladenden Kaffsimsen gebildete unbewährte Umgänge um das
Gebäude und durchbrechen die einfachen, am Kranzgesimse wagerecht en-
denden Strebepfeiler, welche über den Oberfenstern durch Blendbögen
verbunden sind. Die den reicheren , mit einem Prachtportale geschmück-
ten Zwischenbau flankirenden Thürme ruhen innerlich auf mächtigen, nur
sparsam mit Diensten besetzten Rundpfeilern. Die Kirche ist von Lange
vortrefilich restaurirt. (Moller 11. Taf. 1 — 18. — Förster, Denkm. 2,
19—24 u. 3 Taf. — Vergl. oben S. 482 Fig. 201 u. S. 551 Fig. 229.)
Die Dominicanerkirche, Hallenbau mit nxir einem (nördlichen)
Seitenschiff, Rundpfeilern mit schlichten Capitälen und Holzdecke; der
Chor ist höher und gewölbt; XIV. Jahrh. — Die Kugelkirche, ein zier-
licher einschiffiger Bau mit zwei niedrigeren rechteckigen Seitenkapellen,
1477. Die mehrstöckigen Propsteigebäude von 1491. — Die Marien-
kirche^), deren frühgothischer Chor 1297 geweiht ist; die dreischiffige
Halle des Langhauses nach dem Schema der Elisabethkirche, aber mit ge-
ringerer Pfeilerhöhe bei grösserer Jochbreite, XIV. Jahrh. ; die unvollen-
dete Westseite mit dem Thurm 1452 im Bau begriffen. Der Chor scheint
ursprünglich für sich bestanden zu haben mit westlichem Polygonschluss.
(Detail bei Ungewitter, Lehrb. Taf. 27 Fig. 639.) — Die Michaelis-
kapelle (westlich von St. Elisabeth), einschiffig im frühgothischcn Stil. —
Die einschiffige Schlosskapelle ^), östlich und westlich polygonisch ge-
schlossen , mit kleinen zum Theil ausgekragten dreiseitigen Ausbauten zu
den Seiten, in edel gothischem Stil, geweiht 1288. (Details bei Statz und
Ungewitter Taf. 29—31.) — Vergl. über Marburg Lotz 1, 422 ff.
lekugea a. d. Fulda. Schlichte Hallenkirche mit einschiffigem Chor,
1415 — 25* Rundpfeiler mit Kopfgesimsen und einfache Kreuzgewölbe.
Lotz 1, 438.
■IchebUlilt bei Erbach. Einfache spätgoth. Hallenkirche mit einem
Thurm an der Seite.
lorschen (Alt-) bei Melsungen. Einschiffige Cisterziensernonnenkirche
mit dreiseitigem Schluss, Lanze ttfenstem und Westempore über einer zwci-
-schiffigen Halle. Der Kreuzgang aus dem XVI. Jahrhundert. Lotz 1, 46.
NeikirclieB unweit Hersfeld. Hallenkirche mit einschiffigem Chor und
1) Vergl. Strehlke, in der Zeitschr. für Archäol. u. Kunst 2, 181.
2) (Creuzer, F.) Beitrag zu einer Gesch. u. Beschreib, der luther. Pfarrkirche
in Marburg. 1827.
3) Dehn-Rotfelser, H.y., die Schlosskapelle und der Rittersaal des Schlos-
ses zu Marburg, als Lief. 1 der mittclalterl. Baudenkm. in Kurhessen. 1SK2.
in Franken und Hessen. 559
später angebauten Kreuzarmen, llundpfeiler mit vier Diensten ohne Capi-
täle. Lotz l, 467.
Niest« bei Cassel. Einschiffige spätgoth. Kirche mit Holzdecke und
gewölbtem quadratischen Chor. (Ungewitter, Lehrb. Taf. 19 Fig. 543.)
Fiürilberg. ') Die Lorenzkirche, ^] deren Langhaus mit niedrigen
Abseiten von reich gegliederten Pfeilern getragen 1403 erweitert wurde,
ist an der in französischer Weise durch Horizontallinien getrennten, von
zwei massigen Thürmen flankirten Westfront (1274 — 80) mit einem herr-
lichen Rundfenster, einem Prachtportal und mit Sculpturen reich geschmückt.
Der Chor, um welchen sich zwei gleich hohe Seitenschiffe ziehen 1439 — 77.
(Gailhabaud, Denkm. Bd. 3 No. 5. — Kallenbach, Chronologie 11.
Bl. 10 f. — Wolff, Gedenkb. Taf. 1—5. — Heideloff , Baudenkm.
Hit. l Taf. 4—6. — Förster, Denkm. 3, 47 f. u. 2 Taf.) Der in sei-
nem oberen Theile vor einigen Jahren durch den Blitz eingeäscherte nörd-
liche Thurm ist seitdem wesentlich nach dem alten Muster wieder herge-
stellt.— Der reiche Ostchor der Sebaldskirch e'*) (1361 — 77) mit drei
Schiffen von gleicher Höhe und Breite wird von schlanken Pfeilern getra-
gen, deren Gliederungen sich unmittelbar in die Gewölberippen fortführen ;
von den Thürmen ist der südliche im J. 1300^ der nördliche 1345 ange-
fangen worden. (Heideloff a. a. O. Taf. 1 — 3. — Kallenbach a. a. O.
L Bl. 18 u. II. Bl. 14. — Wolff a. a. O. Taf. 21. 36—40. — Förster
a. a. O. 4, 25 — 30 u. 4 Taf.) Vergl. oben S. 30 Fig. 6 u. S. 397. —
Die Frauenkirche (»U. 1. Fr. Saal,« gestiftet von K. Karl IV.) 1355—
1361 mit höchst malerischer und eigenthümlicher, von dem üblichen Kir-
chenstil abweichender Westfront ; das Innere zerfällt in ein dreischiffiges,
von je zwei schlichten Rundpfeilern getragenes Langhaus und den im hal-
ben Achteck geschlossenen Chor von der Breite des Mittelschiffes. (Hei-
deloff a.a.O. I. Taf. 9 f. — Kallenbach a.a.O. I. Bl. 17. —Wolff
a. a. O. Taf. 16 — 20.) — Von den übrigen, früher viel zahlreicheren,
minder bedeutenden kirchlichen Gebäuden sind zu nennen : zwei Kapellen
bei der 1711 — 18 neu erbauten Aegidienkirche aus dem XIV. und
XV. Jahrb., die aus einem romanischen Bau 1428 gothisch erneuerte Cla-
rissenkirche (Wolff a.a. O. Taf. 48), die Karthäuserkirche 1382
— 83 mit den Kreuzgängen etc. (Ebd. Taf. 8. Vergl. oben S. 92), die
Kirche auf dem Johanniskirchhofe mit zierlichem Chor von 1427, die
1) Hilpert, J. Wolfg., Nürnbergs Merkwürdigkeiten u. Kunstschätze. 1S31 f.
— Heideloff, C, Nürnberger Baudenkmale der Vorzeit. I83S. — Rettberg,
R. V , Nürnberger Briefe. 1S46. — Wolff, J. G., Nürnbergs Gedenkbuch. Eine
vollständ. Samml. aller Baudenkmule etc. 1843 etc. — Dasselbe, Kupfererklärung
von F. Mayer. 1847. — Mayer, F., die interessantesten Chörlein an Nürnbergs
mittelalterl. Gebäuden. 1847. — Wagner, Fr., Nürnberger Bildhauerwerke des
M. A. 1847 etc. — Rettberg, R. v., Nürnbergs Kunstleben in seinen Denkm. dar-
gestellt. 1854.— Baader, J., Beitrage zur Kunstgesch. Nürnbergs. 2 Hfte. 1S60
u. 62. — Mayer, F., Nürnberg u. seine Merkwürdigkeiten. .'<. Aufl. von G. W. C.
Lochner. IBöl.
2) Hilpert, J. Wolfg., die K. des h. Laurentius (llft. I der Merkwürdigkeiten
etc.) 1831. — Vergl. Augsb. Postztg. ISö8. No. 109.
3) Mayer, M. M., die K. des h. Sebaldus (Hft. 2 der Merkwürdigkeiten etc.)
1832, — Vergl. Augsb. Postztg. 1S5S. No. 123 f.
36*
560 GothiBche Kirchen
heil. Kreuzkapelle 1390, die Moritzkapelle (Bildergalerie) 1354,*)
dieNicolaikapelle 14S2, die Rochuskapelle 1519, die heil. Grab-
kapelle im Spital 1459 — sämmtlich einschiffig; dreischiffig mit niede-
ren Seitenschiffen die Katharinenkirche aus dem XIV. Jahrh. und die
1487 erweiterte Spitalkirche. Von dem alten 'Bau der 1283 gegründe-
ten, 1824 und 25 erneuerten Jacobikirche^) Iflast sich mit Bestimmtheit
nichts mehr ermitteln.
VcksenAirt unweit Würzburg. Die Pfarrkirche, dreischiffiger Hal-
lenbau mit einschiffigem Chor , angeblich edel - gothisch ; einige Kapellen
spätestgoth. verändert. Die einschiffige Michelskirche auf dem Kirch-
hofe (mit Gruft), ein zierlicher Bau mit schöner Empore und mit Netz-
gewölben, begonnen 1440. — Die Spitalkirche von 1499, einschiffig
mit Holzdecke ; der Chor mit Rautengewölbe. Ein schönes Portal.
Raiisdieiiberg unweit Marburg. Kirche von 1508 mit nur einem
(nördlicben) Seitenschiff und einschiffigem Chor. Viereckige Pfeiler. Lotz
1, 513.
Eeth am Sand (Mittelfranken). Massenhafte Hallenkirche mit Thurm
1511, im Innern entstellt.
Rotenbug a. d. Fulda. Die Altstädter Pfarrkirche, spätgoöi.
Hallenkirche mit nur einem (nördl.) Seitenschiff und einschiffigem Chor.
Achteckige Pfeiler ; Thurm an der Nordseite , und südlich polygonisch ge-
schlossene Sacristei an der Südseite des Chores. — Die Stiftskirche
(1370 — 1511) mit zwei Westthürmen, im Innern grässlich entstellt. Vergl.
Lotz 1, 526.
Rotkabirg a . d . Tauber . ^) Die doppelchörige Jacobikirche^j 1373
— 1453; der älteste Theil ist der reich geschmückte Ostchor (früher mit
Strebebögen) mit zwei Thürmen zu Anfang desselben ; das Langhaus hat
niedrige Seitenschiffe und wird von je sechs reichgegliederten Pfeilern ge-
tragen, von denen die Gewölberippen palmenartig ausgehen ; der späteste
Theil ist der Westchor, welcher, da unter demselben eine Strasse hindurch-
führt, um 38 Stufen höher liegt als der übrige Fussboden. Restaurirt.
(v. Wiebeking, Baukunde. Taf. 61.) — Die (profanirte) Francisca-
nerkirche und die spätgothische Wallfahrtskapelle, beide mit aus-
gekragten Thürmchen. (Letztere bei Kallenbach, Atlas. Taf. 27.)
Scliaalkaldeil. Die Stadtkirche, mit Ausnahme des älteren west-
lichen Unterbaues 1413 — 1509 , Hallenkirche mit einschiffigem Chor und
zwei Westthürmen. Die achteckigen Pfeiler des Langhauses sind an der
Vorderseite mit runden Diensten besetzt. Reiche Netz- und Sterngewölbe.
— Von der Spitalkirche existirt nur noch der spätgoth. Chor und die
Sacristei. — Lotz 1, 541 f.
Sdiwabach unweit Nürnberg. Die Stadtkirche (1469 — 95) mit niede-
ren Seitenschiffen , aber ohne Oberlichter und unter einem Dach. Rund-
pfeiler mit ausgekragten Diensten. Einschiffiger Chor ; Westthurm.
1) Bei k. Bildersaal in der Moritokap. zu Kümberg. Mit Abbild. (1829) 5. Aufl.
1841.
2) L ö s c h , J. Ch. E. , Gesch. u. Beschreib, der K. zu St. Jakob in NOmberg. 1 825.
3) Bansen, Kurze Beschreib, u. Gesch. der Stadt Rothenburg ob d. T. 1856. |
4} Die Pfarrk. St. Jacob in Rothenburg, in der N. Münchener Ztg. 1857. No. 134.'
in Franken und Hessen. 5g{
SchweiBfirt Die gothischen Theile der Pfarrkirche (oben S. 398):
der 1411 geweihte Chor und das basilikale Langhaus mit achteckigen Pfei-
lern und grosser Westempore 1520.
Schweiuberg bei Marburg. Spätgoth. Hallenkirche mit einschiffigem
Chor und rundem Treppenthurm an dessen Nordwestecke. Achteckige
Pfeiler mit Diensten an der Vorderseite und Netz-, zum Theil Stemgewölbe.
Lotz 1, 549.
SMtra in Niederhessen. Die Georgskirche mit nur einem (südlichen)
Seitenschiff, welches von dem gleich hohen Mittelschiffe durch schlichte
Rundpfeiler getrennt wird, 1483 — 93. Lotz 1, 562.
SpaBgeaberg unweit Cassel. Die spätgoth. Stadtkirche, ein niedri-
ger dreischiffiger Hallen bau; dem höheren Chore jedoch fehlt das nördl.
Seitenschiff. Die Pfeiler sind auf der Nordseite achteckig, auf der Südseite
rund. Der viergiebelige Westthurm mit spitzem Helm ; neben demselben
eine mit dem nörälichen Seitenschiffe verbundene Kapelle von 1421. —
Die (profanirte und innerlich verbaute) Karmeliterkirche, eine schlichte
Hallenkirche von 1486 mit nur einem nördlichen Seitenschiff und einschif-
figem Chor. Pfeiler achteckig. — Die einschiffige Spitalkirche, spät-
gothisch. Lotz 1, 563.
Stalfeb^eiB in Oberfranken. Spätgoth. Kirche, deren »hochzierlicher«
Thurm vier Eckthürmchen hat.
Stansebaeli bei Marburg. Thurmlose spätgothische Hallenkirche mit
einschiffigem Chor und sehr schmalen Seitenschiffen. Dicke Kundpfeiler.
Lotz 1, 567.
Taiberbischofshein unweit Wertheim. Die 1474 begonnene Sebastians-
kapelle (mit Gruft) , auf deren Strebepfeilern Figuren sitzen.
Trejsa in der Grafschaft Ziegenhain . Die spätgoth . Dominicaner-
kirche mit nur einem (südl.) Seitenschiff, welches von dem gleich hohen
Hauptschiff abwechselnd durch runde und achteckige Pfeiler getrennt wird.
Der Chor ist einschiffig. — Der edel -gothische Chor der Stiftskirche
(oben S. 399) mit schön gegliederten schmalen Fenstern. (Details in ün-
gewitter, Lehrbuch Fig. 383 und bei St atz u. Ungewitter auf Taf. 89
u. 115. — Die einschiffige Spitalkirche von 1401, mit einem vorge-
kragten zierlichen Polygonthürmchen am Westgiebel. Lotz 1,590.
Tickelhtueil bei Ochsenfurt. Die einschiffige Karthäuserkirche in
Kreuzform.
V^lkach in Unterfranken . Die Pfarrkirche, Hallen bau von 1472;
der CTxor mit Netzgewölben 1413; der hohe Thurm an der Nordseite des
letzteren , begonnen 1512. Die T o d t e n^k a p e 1 1 e , zierlich spätgoth . mit
zopfigem Chor. — Die Kapelle auf dem Kirchberg mit schönen Portalen.
Der Chor mit Netzgewölben , das Schiff mit Holzdecke ; die Empore von
1492.
Velknarsen unweit Cassel. Die frühgoth. Marienkirche, dreischiffiger
Hallenbau von niedrigen Verhältnissen mit einschiffigem quadratischem
Chor. Starke Rundpfeiler mit reichen Laubcapitälen an den acht Diensten,
von denen die vier schwächeren nicht bis unten hinabreichen. Zwei reiche
und zierliche Portale. Der unten mit der Kirche verbundene mächtige
Westthurm hat ein frühgoth. Obergeschoss. (Details in Ungewitter,
562 Gothische Kirchen
Lehrbuch auf Taf. 1.12. 14—17 und bei Statss u. Unge wi tter Taf. 143
u. 153.) Restaurirt 1857. Vcrgl. Lotz 1, 607.
Wehrshausen bei Marburg. Einschiffige, dreiseitig geschlossene Kirche,
gestiftet 1339; auf dem nach allen Seiten abgewalmtcn steilen Dach ein
übereckstehendes Thü r mchen . Vergl . Lotz 1, 616.
Weilbnrg a. d. Lahn. Die ausserhalb der Stadt belegene Heil. Grab-
kapelle, *) ein äusserlich achteckiger , innen runder Centralbau mit einer
Empore über dem Umgange, und dieser, wie jene, mit halbem Tonnen-
gewölbe gedeckt. Die Details in nüchternen Spätformen entsprechen der
über dem Eingange angebrachten Jahreszahl 1505 und weisen auf Umbau
oder Nachahmung einer alten romanischen Anlage hin.
Weiseheafeld unweit Bayreuth. Die Johanniskirche , deren Chor von
1550 ein Beispiel spätester Gothik ist.
Weisseiibvg unweit Eichstädt. Die Stadtkirche St. Andreas, eine spät-
gothische Hallenkirche mit Thurm neben dem Chor, enthält noch interes-
sante Theile eines frühgothischen , 1327 geweihten Baues , besonders das
südliche Portal.
Verthein. Der gothische Umbau des Langhauses der Pfarrkirche (oben
S. 399) seit 1384 ; der Chor mit reichem Fenstermaasswerk begonnen 1388.
Wetter. Die einfach edel frühgoth. Kirche^) des Jungfrauenstiftes, ein
dreischiffiger Hallenbau in der Grundform des Kreuzes mit einschiffigem,
im halben Zehneck geschlossenem Chor. Rxindpfeiler mit vier Halbsäulen
und Knospenstengelcapitälen ; die Strebepfeiler sind halb nach innen ge-
zogen und hier durch Tonnenwölbungen mit einander verbunden. Die zwei-
theiligen Fenster mit einem grossen Dreipass im Bogenfelde. Der hohe
Thurm vor der Westseite, begonnen 1506. (Statz und Ungewitter
Taf. 172 — 175: viele Details bei Ungewitter, Lehrbuch auf den Taf. 4,
9-_ll, 17, 19, 22, 25 u. 28.) Restaurirt.
Vetlltr. Die Stiftskirche, ^) ein origineller dreischiffiger Hallenbau in
der Grundform des Kreuzes mit einschiffigem Chor. Letzterer besteht aus
zwei Hälften von ungleicher Breite, aber mit ganz gleichmässig behandelten
frühgoth., zum Theil noch romani sirenden Details: über den zweitheiligen
Fenstern zw^ischen den Strebepfeilern ein Consolengesims und spitze Giebel
mit dreitheiligen romanisirend tlbergangsartigen Arkade nöfinungen . Etwas
jünger ist der südliche Kreuzarm mit viereckigen Thürmchen auf den Ecken,
aber ebenfalls noch mit Uebergangselementen ; dann folgt das südl. Seiten-
schifiT, dessen Rundpfeiler mit vier Halbsäulen für die Hauptgurte und
zwischen diesen mit Consolen-getragenen Dienstansätzen für die Kreuzgurte
versehen sind : ein Portal dieser Seite zeigt dagegen noch den romanisiren-
den Rundbogen. Der nördliche Kreuzarm und der Ansatz des Schiff*es die-
ser Seite zeigt eine reich entwickelte rheinländische Gothik. xind das Uebrige
ist in den jüngeren Formen der Spätzeit des XIV. Jahrh. ausgeführt. Von
den beiden . innerlich auf reich gegliederten Pfeilern ruhenden Westthür-
1) Görz, K., die Heiliggrabkap. zu Weilburg, in L. Försters AUgem. Bauztg.
1845. S. 2S4— 291 nebst 2 Taf. ; vergl. Denkm. aus Nassau. Hft. 1. Taf. 5.
2) Döpping, F., die Kirche zu Wetter in Oberhessen. 1*^R0.
3) Vergl. Wigand, Paul, Wetzlarsche Beitr. für Gesch. etc. 1, 303—336.
in Franken und Hessen. 563
men (1336 — 1423) ist der nördliche nur im Unterbau vorhanden. Hinter
denselben befindet sich der oben S. 399 erwähnte Westbau einer viel klei-
neren älteren Kirche im Innern der jetzigen. (Kugler, Kl. Sehr. 2, 165
— 177. — Ungewitter, Lehrbuch, auf Taf. 14, 17, 25 f.)
Witienhtliseil unweit Cassel. Die Stadtkirche (angeblich 1404) mit
gegliederten quadratischen Pfeilern und Laubsimsen scheint ein überhöhtes
Mittelschiff ohne Oberlichter gehabt zu haben, ist aber jetzt mit einer Holz-
decke versehen; der sehr hohe Chor ist mit einfachen Kreuzgewölben über-
spannt. — Die einschiffige, flachgedeckte, schmucklos spätgothische Hos-
pitalkapelle mit zierlichem Westthürmchen ; seit 1859 restaurirt. (Zeit-
schr. des Vereins für hess. Gesch. 4, 118.) Vergl. Lotz 1, 636.
Wolfbageil unweit Cassel. Frühgoth. Hallenkirche von sehr niedrigen
Verhältnissen mit einschiffigem Chor von 1420 und Westthurm von 1303.
Rundpfeiler mit vier rechtwinkeligen Vorlagen von sehr alterthümlicher
Erscheinung, theilweise mit attischen Basen und Capitälen mit mannich-
faltigem Blattwerk. Zierliche Säulenportale an den Seitenschiffen und am
Thurm (Statz und U ngewitter auf Taf, 150 u. 152). — Die zierliche
heil. Leichnamskapelle vor der Stadt, geweiht 1337, jetzt Scheuer.
— Vergl. Lotz l, 638.
WttBsiedel in Oberfranken. Es steht noch der Chor der Stadtkirche
von 1476, die zierliche Spitalkirche von 1451, die einschiffige Got-
tesackerkirche von 1477 und von der Katharinenkirche auf dem
Berge der rohe Thurm von 1462 und das Mauerwerk von 1457.
Wunbnrg. (Vergl. oben S. 399.) Chor und Querschiff der Burchar-
dikirche 1194 — 97. — Die Deutschhauskirche, einschiffiger edler
Bau mit Westempore , um 1288. — Die Gewölbe des Domes 1498 —
1502, der Kreuzgang 1424 — 59, das Capitelhaus um 1490. — Die Lieb-
frauenkirche,*) ein schlanker dreischiffiger Hallenbau (vollendet 1441)
mit einschiffigem Chor (1377-^92) und 1479 vollendetem Thurm nördl.
neben der Westseite. Sehr hohe achteckige Pfeiler mit je vier Baldachinen
und zwei Diensten l'ür die Stdrnge wölbe. Der ganze Bau von grosser An-
muth und Zierlichkeit. (Kallenbach, Atlas. Taf. 72.) — Die um 1257
erbaute Minoritenkirche, eine früh gothi seh e , erst 1680 überwölbte
Hallenkirche mit einschiffigem gerade geschlossenem Chor. Rundpfeilcr
mit Kelch capitälen und schweren achteckigen Deckgesimsen. Die Fenster
zum Theil verunstaltet. Vom Kreuzgange sind zwei Flügel frühgothisch
mit dreitheiligen StichbogenÖffnungen ; der Nordflügel aus dem XIV., der
Südflagel aus dem XV. Jahrhundert. Lotz 2, 595.
Ziereaberg bei Cassel. Hallenkirche von 1436 mit einschiffigem Chor
und Thurm vor der Westseite. Rundpfeiler mit schlichten Capitälen und
einfache Krexizgewölbe. Lotz 1,649.
1) Himmelsteiu, Fz. X., Gesch. der Marienkap. in Wttrzburg.
Vig. 230. Dom zu Magdeburg.
V. In Thüringen und Sachsen.
Literatur: Vergl. die oben S. 401 angeführten Schriften und Kupfer-
werke.
Vorbemerkung.
106. Auch in der Entwickelung der gothischen Bauweise be-
hauptet Sachsen denselben ehrenvollen Rang, welcher diesem Lande
in der Ausbildung des ßomanismus anzuweisen war; es besitzt in den
Domen von Magdeburg, Halberstadt und Meissen frühzeitige und
Srossartigc Denkmale in den reinsten und edelsten Verhältnissen,
wenngleich es allerdings Beispiele jenes reichen Sculpturstiles und
GothUche Kirchen in Thüringen und Sachsen. 565
namentlich jener kühnen Thurtnbauten^ wodurch sich die Rheinlande
vor allen auszeichnen , nicht aufzuweisen vermag. Von den drei ge-
nannten Kathedralen^) bietet unter allen sächsischen Kirchen allein
Magdeburg den Versuch einer Uebertragung des französischen Kapel-
lenkranzes dar, während Halberstadt von der französischen Weise nur
den Umgang der Seitenschiffe um den Chorschluss, sowie im Aufbau
die in Magdeburg ganz fehlenden Strebebögen angenommen hat und
Meissen, dessen Langhaus, wenn auch erst nach Verlassen des ur-
sprünglich basilikalen Plans, die deutsche Hallenform befolgt, sich mit
dem einfachen Polygonschlusse des ungewöhnlich langen Altarhauses
begnügt : in der harmonischen Erscheinung der Gesammtverhältnisse
behauptet der Dom zu Halberstadt unzweifelhaft den Vorrang; Mag-
deburg mit seinen ernsten Formen imponirt vornehmlich durch die
Masse und Meissen reizt durch die malerische Lage auf hoch anstei-
gendem Hügel am Eibufer. Die Pfeilerbildung ist in Magdeburg
(Fig. 202 S. 482) viereckig und noch romanisirend gegliedert, zeigt in
Meissen ebenfalls einen viereckigen (schmal rechteckigen), sich aber
in der oberen Hälfte leise verjüngenden und an beiden Frontseiten
reich mit Säulen und Einkehlungen besetzten Kern und beruht allein
in Halberstadt (Fig. 203 S. 482) auf den Regeln der französischen Go-
thik: Rundschafte mit Säulendiensten, die zum Theil an den Kern
nur anlehnen. Bei allen drei Domen dehnte sich der Bau bis ins XV.,
selbst XVI. Jahrh. aus, jedoch im Innern ohne Störung des einheit-
lichen Charakters. — Eine schöne Nachbildung von St. Elisabeth zu
Marburg erscheint in dem nach 1280 begonnenen Hallenbau des Lang-
hauses der Benedictinerkirche zu Nienburg a. d. S. mit seinen von
Säulen umgebenen Rundpfeilern (Fig. 200 S. 481); als andere früh-
und edelgothische Hallenbauten sind zu nennen die 1278 begonnene
Aegidienkirche zu Braunschweig , die Marienkirche zu Heiligenstadt
und besonders die grossartig fünfschiffige Marienkirche zu Mühlhau-
sen. — Eine ganze Gruppe von Kirchen (Marienkirche in Zwickau etc.),
in denen die an sich nüchternen und flachen Fonnen der spätesten
Gothik namentlich im Innern der Gebäude zu einer glücklichen har-
monischen Wirkung benutzt sind, bietet das sächsische Erzgebirge dar.
Vergl. Schnaase, Kunstgesch. 5, 468—471; 496; 561—577. - Kuglet,
Gesch. der Baukunst 3, 255—274 j 390 — 404. — Lübke, Gesch. der Archi-
tektur. 3. Aufl. S. 5 IS ff.
1) Eine geistvoU durchgeführte Vergleichung der Dome von Magdeburg und
Halberstadt hat v. Quast in der Zeitschr. für christl. Archtlol. und Kunst I, 216 f.
gegeben.
566 Gothische Kirchen
Alteabirg. Vergl. oben S. 405. — Die Bartholomäikirche, Hal-
lenbau aus dem XIV. und XV. Jahrh. — Die Franciscanerkirche ,
deren viereckiger Chor und der Kreuzgang zum Theil vom Ende des XIII.
Jahrh. datirt; das rohe Schiff mit Holzdecke 1501. — Die Schloss-
kirche, gegründet 1413, Hallenbau mit nur einem (nördlichen) Seiten-
schiff, nackten achteckigen Pfeilern, fünfseitig aus dem Zehneck geschlos«-
senem einschiffigem Chor und überreichen Netzgewölben. Das Aeussere
des Chores reich, des Langhausee ganz schlicht. (Put trieb , Denkm. I.
Serie Altenburg. Bl. 2. 4 u. 5.)
Annakerg im Erzgebirge. Die Annakirchc (1199 — 1525), Hallenbau
in Kreuzform mit polygon geschlossenen Kreuzarmen und dreifachem Poly-
gonschluss in Osten. Achteckige Pfeiler mit concaven Seitenflächen als
Träger der auf Consolen rulienden Netzgewölbe; an den Wänden Emporen.
Arnstadt. Das Querschiff und der in der vollen Breite desselben drei-
schiffig angelegte und in drei Polygonschlüssen endende Chor der liieb-
frauenkirche mit gegliederten Rundpfeilevn aus dem XIII — XIV. Jahrh.
Aeusserlich durchbricht ein ausgekragter Laufgang die Strebepfeiler. (Details
bei Puttrich, Systematische Darstellung, auf Bl. 8 — 10.) Vergl. oben
S. 405.
BtntxeD. Der Dom, Hallenkirche mit Chorumgang der Seitenschiffe
1441 — 1497. Leichte achteckige Pfeiler und Netzgewölbe. An der Süd-
seite noch ein kürzeres Seitenschiff; die Mauern und Pfcilerreihen sind
krumm , und die Kirche ist westlich breiter als östlich. Die beiden West-
thürme 1502 vollendet. (Puttrich, Denkm. I. Serie Reuss. Bl. 13. s.)
— Die Maria-Marthakirche, geweiht 1458. — Die Michaelis-
kirche 1429.
Bernborg. Die Marienkirche, dreischiffiger spätgoth. Hallenbau
mit reich ausgestattetem einschiffigem Chor, verwandt mit der Moritzkirche
zu Halle und mit der Nicolaikirche in Zerbst. (Puttrich, Denkm. I.
Serie Anhalt. Bl. 15 f.) — Ruine der Augustinerkirche aus dem
XIV. Jahrh.; etwas später ist die einfache Nicolaikircbe.
Berne (s. oben S. 405). Das aus drei gleich hohen Schiffen beste-
hende Langhaus der Kirche hat Rundpfeiler, die mit acht alten und jungen
Diensten besetzt sind und romanisirende Blättercapitäle tragen. Von den
beiden, oben achteckigen Westthürmen ist nur der südliche vollendet.
Branschweig. Die Aegidienkirche^) des ehemaligen Benedicti-
nerklosters : Unsymmetrische Kreuzform , das Langhaus mit drei gleich
hohen Schiffen ; die Seitenschiffe setzen sich als niedriger Umgang um den
dreiseitig geschlossenen Chor fort ; im letzteren sind die Strebepfeiler nach
innen gezogen . wodurch sich aus dem Chorumgange sieben kleine recht-
eckige Kapellen abtrennen ; Rundpfeiler , im Chor mit mehreren vorgeleg-
ten Halbsäulen, im Langhaus mit gegliederten Diensten. Gegründet ist die
Kirche im J. 1278 ; zahlreiche Unregelmässigkeiten deuten auf einen spä-
teren Umbau , für den auch die inschriftliche Jahreszahl 1434 an einem
westlichen Pfeiler des Langhauses spricht. (Schiller, Architektur Braun-
1) Mir US, die Egidienk. nebst Kloster in Braunschweig, im Braunschw. Maga-
zin. 1827. Stück 48 f.
in Thüringen und Sachsen. 567
schweigs. Taf. 7. — Kallenbach, Chronologie II. Taf- 8. — Kallen-
bach und Schmidt Taf. 41 Fig. 13.) — Die Paulinerkirche (Zeug-
haus], geweiht 1343, mit drei beinahe gleich hohen Schiffen und achtecki-
gen Pfeilern auf quadratischen , an die attische Base erinnernden Sockeln ;
die Capitälc sind mit einem Laubkranze geschmückt. — Die Barfüsser-
(B rüdern) kirche^) (der Chor geweiht 1345, das Schiff 1375), der Pau-
linerkirche ähnlich , doch haben die einfachen achteckigen Pfeiler nur ein
schlichtes Band statt des Capitäles. Der Kreuzgang aus dem XV. Jahrb.,
das sogenannte Refectorium 1473. (Schiller, Architektur etc. Taf. 8 .) —
Wegen der an den romanischen Kirchen der Stadt vorkommenden gothi-
schen Theile s. oben S. 406.
Calbe a. d. S. Die Stephanskirche 1400 — 1492.
Cheanitz. Die Schlosskitche des ehemaligen Benedictinerklosters,
dreischiffiger Hallenbau mit achteckigen , denen der Annakirche zu Anna-
berg ähnlichen Pfeilern, 1514 — 1525. Ein reich mit Statuen geschmück-
tes , rundbogig aus dürrem Astwerk in mehreren Etagen componirtes Sei-
tenportal von 1525 (Stieglitz, Beitr. zur Gesch. der Ausbild, der Bau-
kunst 2, 74 u. Fig. 42. — Kallenbach, Atlas. Taf. 84). —Die 1746
zum Theil erniedrigte Stadtkirche mit achteckigen Pfeilern und gleich
hohen Schiffen aus dem XV. Jahrb.; der Chor ist älter, von den beiden
\Vestthürmen nur einer ausgeführt.
Cobirg. Spätestgoth. Stadtkirche, ein dreischiffiger Hallenbau mit ein-
schiffigem, 1420 begonnenem Chor. Von den 1450 begonnenen beiden
Wcstthürmen ist nur der oben ins Achteck umsetzende nördliche vollendet.
(Put trieb, Denkm. Serie Coburg -Gotha.)
CSthea. Die spätgoth. reformirte Kathedralkirche, in der Restauration
begriffen.
IrMdea. Die Sophienkirche, Hallenbau mit nur einem (südlichen)
Seitenschiff, angeblich entstanden aus einer Kapelle an der Südseite von
c. 1260, welcher 1347—1351 das eine und 1401 das andere Langschiff
angebaut worden sein soll. Restaurirt.
Blderstadt. Die Oberkirche St. Cyriacus mit frühgoth., aus zwei
über dem wagerecht schliessenden Unterbau aufsteigenden (1S52 durch
Brand beschädigten) achteckigen Thürmen bestehender Westfa^ade , deren
Mitte ein schönes Doppelportal (Statz xind Ungewitter Taf. 148 f.)
einnimmt. Das Langhaus ist ein dreischiffiger Hallenbau mit gegliederten
achteckigen Pfeilern und Netzgewölben von 1490. Der Chor mit zwei nie-
deren Abseiten, dreifach polygon geschlossen, 1394 — 1396. — Die Un-
tere Kirche St. Servatius, spätgoth. Hallenbau mit achteckigen Pfeilern,
Netzgewölben und einschiffigem Chor ; der Thurm an der Westseite mit
reich ausgestattetem Portal. • — Die Ursulinerkirche, im Schiff mit
Holzdecke, im spätgoth. Chor gewölbt. — Vergl. Lotz 1, 186.
Ebendoif bei Chemnitz. Die Stiftskirche, ein zweischiffiger spätgoth.
Hallenbau mit achteckigen capitällosen Pfeilern : von den beiden Thürmen -
nur einer vollendet.
I) Schiller, C, die Brüdernk. zu Braunschw., ebd. 1849. Stück 21—23.
568 Gothische Kirchen
EbfeM unweit Coburg. Die jetzt flach gedeckte Stadtkirche ; der Thurm
begonnen 1488, der gerade schliessende Chor 1505.
Hslebea. Die Andreaskirche (etwas älter als der 1462 errichtete,
nordöstlich stehende Thurm) , Hallenbau mit achteckigen Pfeilern , drei-
fachem Polygonschluss und zwei oben achteckigen Thürmen. — Die Anna-
kirche , dreischiffiger Hallenbau , grösstentheils 1514 — 1516; der Thurm
an der Südwestecke ist älter. — Die Nicolaikirche 1426 — 1462. —
DerThurm der Petrikirche 1447— 1474. — Vergl. Puttrich, Denkm.
IL Serie Eisleben. Bl. 1—3.
EcAirt ') Der D o m , ^ ein imposanter Bau, aus verschiedenen Zeiten
herrührend und aus verschiedenartigen Th eilen bestehend : der Thurmbau
macht die Mitte des Gebäudes, westlich reiht sich daran der unregelmässige
dreischiffige Hallenbau des 1456 begonnenen Langhauses, östlich der ma-
jestätische, beinahe eben so lange, einschiffige Chor von 1349, dessen fünf-
seitiger Schluss auf mächtigen Substructionen (der sog. Cavate) ruht , da
der Bergabhang, auf dem der Dom steht, nicht hinreichenden Raum ge-
währte. Sehr schön ist der nordöstliche Haupteingang zur Kirche. Restau-
rirt.5) (Puttrich, Denkm. II. Serie Erfurt. Bl. 1—8. — Förster,
Denkm. 4, 35 — 40 u. 3 Taf.) — Axisserdem besitzt die Stadt noch meh-
rere einfach schöne Gotteshäuser: die Predigerkirche ^), basilikal mit
einschiffigem Chor und zwei zierlichen Thürmen zu den Seiten desselben,
nach Mertens um 1380—90 (Puttrich Bl. 11); die Barfüsserkirche*),
ebenfalls mit niedrigen Seitenschiffen im edlen streng gothischen Stil des
Xin. Jahrh. ; aus der Dachschräge einer Langseite steigt ein schlanker
achtseitiger Thurm auf (Puttrich Bl. 10 u. 12); die fünfschiffige Severi-
kirche, ein spätgothischer Hallenbau (1473), der, auf der Nordseite des
Domes belegen, den Prospect durch einen (östlichen) dreispitzigen Thurm-
bau (1273), dem sich der einschiffige frühgoth. Chor vorlegt, verschönert
(Puttrich Bl. 2) ; die Augustinerkirche mit schlichtem basilikalem
Langhaus von 1432, gerade geschlossenem frühgoth. Chor und ähnlichem
Seitenthurm wie die Barfüsserkirche, (Puttrich Bl. 12. — K allen -
bach, Atlas. Taf. 34.1
Freiberg. Der Dom , Hallenkirche mit sehr schlanken capitällosen
achteckigen Pfeilern und ins Innere gezogenen, Kapellen zwischen sich ein-
schliessenden Strebepfeilern 1484 — 1500, als spätgothischer Umbau einer
kreuzförmigen Pfeilerbasilika spätromanischen Stils ; der Chor wurde gegen
Ende des XVI. Jahrhunderts im Renaissancestil zur Fürstengruft umgebaut.
Vergl. oben S. 408. — Die übrigen durch viele Feuersbrünste und Restau-
rationen entstellten Kirchen (St. Petri, St. Nicolai und St. Jacobi)
enthalten noch romanische und gothische Ueberreste. •)
1) Erhard, H. A., Erfurt u. seine Umgehungen. 1829. — Vergl. oben S. 4()S.
2) Schmerbauch, M., Gesch. u. Beschreibung des Domes zu Erfurt. 1829.
— Eine Perle deutscher Architektur, in der Gartenlaube. I86J. No. 15.
3) Ueber die Restauration der Thflrme yergl. in Romberg 's Zeitschr. für prakt.
Baukunst. 1847. S. 407 u. Taf. 45—17.
4) Qu e h 1, G., die Predigerk. zu Erfurt. 1829.
5) Möller, J. F., Beiträge zur Gesch. der Barfüsserk. zu Erfurt. 1832.
IV] Vergl. Heuchler, Ed., in den Mittheil, des Freiberger Altcrthumsvereins
auf das J. ISOI. S. 192 f. u. Taf. I.
in Thüringen und Sachsen. 5g9
freitarg a. d. U. Der Umbau des Langhauses der Stadtkirche zur
Hallenform mit achteckigen Pfeilern und Netzgewölben, sowie der zierliche
Chor derselben 1491 — 1499. Vergl. oben S. 408.
Mrliti.^) Die fünfschiffige Hallenkirche St. Petri-Pauli (1423—
1497).^ Die inneren Seitenschiffe enden neben dem dreiseitigen Schlüsse
des Mittelschiffes mit zwei Polygonseiten , einen grossartigen freien Altar-
raum bildend. Die etwas niedrigeren äusseren Seitenschiffe schliessen ge-
radlinig. Aus den schlanken gegliederten Pfeilern entspringen frei die Kip-
pen des Netzgewölbes. (S. die Ansicht S. 487 Fig. 219.) Die Krypta von
1417 — 1432 ist ein unklarer dreischiffiger Bau. (Puttrich, Denkm. II.
Serie Lausitz. Bl. 2. 4 u. 11.) — Die einschiffige Annenkirche 1508
— 1512.-^) — Die Franciscanerkirche mit nur einem und zwar nie-
deren (nördl.) Seitenschiff, vergrössert 1371. — Die Frauenkirche,
dreischiffige Halle mit achteckigen Pfeilern, 1458 — 1473. — Die Heil.
Kreuzkapelle^ viereckig und aus zwei Stockwerken bestehend , 1481 —
1498. (Puttrich a.a.O. B1.5.) In einiger Entfernung das Heil. Grab,
eine Art von Copie des Kuppelbaues in Jerusalem, 1465. (Puttrich
B1.-8.)*)
CtsUr. Vergl. oben S. 411. — An der Frankenbergerkirche ist
die Apsis gothisch verändert und die südliche Kreuzvorläge östlich erwei-
tert; an der Nordseite des Langhauses eine Kapelle von 1506. — An der
Jacobikirche (mit frühgoth. Chor) erscheint das Langhaus äusserlich
spätgothisch und dem Westende desselben ist südlich eine Vorhalle in rei-
chem spätestgoth. Geschmack hinzugefügt. — An der Marktkirch e* (mit
frühgoth isch geschlossenem und eingewölbtem Chor) datiren die äusseren
Seitenschiffe aus spätestgoth. Zeit.
(löUlDgei. Die Johann is- , Jacob i- , Nicolai- , Albani- , Marien- und
Paulinerkirche (Uni vers. -Bibliothek) sind sämmtlich Hallenkirchen mit
achteckigen Pfeilern und einschiffigem Chor aus dem XIV — XVI. Jahrh.
und mehr oder weniger entstellt : die Jacobikirche verdient Beachtung. ^)
Lotz 1, 251 ff.
lalberstedt. Vergl. oben S. 412. — Der Dom, ») im edelsten Stil und
in den schönsten Verhältnissen, wenngleich aus dem XIII — XVL Jahrb.,
so doch in Harmonie und wesentlich in gleichem Geiste durchgeführt
(S. 565). Die an den romanischen Westbau stossenden drei Joche, ent-
standen zwischen 1263 und 1276, zeigen bereits entwickelten frühgoth.
Stil. Der Fortbau wurde sodann erst seit 1341 wieder aufgenommen, und
1) Bflstfhing, J. Gust. G., die Alterth. der Stadt Görlitz. 1825.
2) Dorat, Bernh., die Petri-Paulik. in Görlitz. 1944. — Haupt, L., Gesch.
der evangel. Haupt- u. Pfarrk. zu St. Peter u. Paul in Görlitz. 1857.
3) Die St. Annenk. zu Görlitz. 1845.
4) Beschreib, des Heil. Grabes zu Görlitz. (1726) 1823. Mit Abbild.
5) Unger, F. W., Göttingen u. die Georgia Augusta. 1861. Vergl. 8. 47 f.
6) Haber, Conr. Matth., Nachricht von der hohen Stiffts-Kirchen oder so gen.
Dom -Kirchen zu Halberstadt. Mit 2 Kpfrn. (1728). 2. Aufl. 1739. — Lucanus,
F., der Dom zu Halberstadt. 1837. — Derselbe, der Dom zu Halberstadt, in
Bechstein's Kunstdenkm. in Deutschland I. 2, 17. — Elis, C, der Dom zu Halber-
stadt. Mit 2 Abbild. 1857. — Vergl. v. Quast, in der Zeitschr. für Bauwesen.
1S52. Sp. 115 und im Correspondenzbl. 1S66. S. 15.
570 Gothische Kirchen
zwar im Schiff, anscheinend gleichzeitig von Osten und Westen her; der
Chor mit der dem Schlüsse hinzugefügten niederen Marienkapelle war erst
kurz vor 1362 vollendet; 14S6 wurden die Gewölbe eingezogen. Die Ein-
weihung fand 1491 statt, aber der reiche Lettner (Bischofsstuhl), der süd-
liche Kreuzarm mit seinem übergrossen Fenster und der Capitelsaal. sowie
die Neustädter Kapelle des Kreuzganges fallen noch später. (Vergl. S. 39
Fig. 11, S.474Fig.l91, S.476Fig.l92, S. 479 Fig.193, S. 4S2Fig. 203,
S. 485 Fig. 214.) — Die Andreas- (Franciscaner-) und die Kathari-
nen- (Dominicaner-) Kirche sind beides Hallenkirchen im Stil des XIV.
Jahrb., mit achteckigen Pfeilern und einschiffigem Chor. Auch die Martin i-
kirche hat die Hallenform , ist aber mit einem Querschiffe und zu den
Seiten des Chores mit niedrigen rechteckigen Nebenräumen versehen. Die
Schiffpfeiler sind rund und mit je vier Halbsäulendiensten besetzt. Der
Westbau geht nach oben in einen von zwei Thürmen flank irten spätgothi-
schen Giebel aus.
Halle a. d. S. ^) besitzt mehrere im Baustile übereinstimmende spät-
goth. Hallenkirchen (Puttrich, Denkm. II. Serie Halle. Bl. 2— 4 u.5 b)
mit schlichten achteckigen Pfeilern und aus denselben entspringenden Netz-
gewölben , zum Theil mit zapfenartig herabhängenden Schlussteinen : die
rechteckige Marktkirche u. 1. Fr. (1530 — 1554) mit vorspringenden
Emporen und an den Flächen concaven Pfeilern. Die vier älteren Thürrae
rühren von zwei früheren Pfarrkirchen auf dieser Stelle her (v. Wiebe-
king, Baukunde Bl. 104 u. 107. — v. Dreyhaupt Taf. IX); der ehe-
mals als Glocken thurm zu dieser Kirche bestimmte, isolirt auf dem Markte
stehende rothe Thurm, gegründet 1418; die obere Hälfte 1446 — 1470;
vollendet 1506. (Ebd. Taf. Vm.) Die Moritzkirche, 2) deren Um-
fangsmauem zum Theil älter sind , als der mit dem Neubau der von zwei
Nebenchören begleiteten Ostpartie 1388 begonnene innere Ausbau, welcher
erst 1511 vollendet war. (Ebd. Taf. XI.) Die Ulrichskirche des ehe-
maligen 1339 errichteten Servitenklosters , mit nur einem (nördl.) Seiten-
schiff, vollendet 1516. (Ebd. Taf. X.) — Der Dom, dessen Chor früh-
gothische Formen zeigt und im Schiff aus dem XIV. Jahrb. zu stammen
scheint, hat durch eine 1520 — 1523 vorgenommene Kestauration besonders
äusserlich ein sehr verdorbenes Ansehen erhalten. (Lotz 1, 275. —
V. Dreyhaupt a. a. O. Taf. VII und eine Abbild, des Innern in Küm-
mel's Volkskalender auf das J. 1830 Taf. 5). — Die Kapelle auf der Mo-
ritzburg, einschiffig mit Emporen, geweiht 1514.
lani^Ter. ^) DieAegidienkirche. aus einer dreischiffigen Hallen-
kirche einschiffig zurecht gemacht ; der Chor begonnen 1347. . Die einzel-
nen Joche äusserlich mit Giebeln. (Mithoff a. a. O. Taf. 7.) — Die
Heil. Kreuzkirche, spätgoth. Hallenkirche (zum Theil aus Ziegeln)
mit nur einem (nördl.) Seitenschiff und dicken Rundpfeilem. Der Chor ist
1) Dreyhaupt, J. Chrstph. v., Beschreib, des Saal • Creyses. Mit vielen Ab-
bild. 2Thle. 1755.
2) Dähne und Wolf, Gedenkschr. an das TOOjUhr. Jubelfest der St. MoriU-
kirche in Halle. Mit 1 Kpfr. 1S5H.
3) Mithoff, H. W. H., Archiv für Niedersachscns Kunstgesch. Abth. I: Mit-
telalter!. Kunstwerke in Hannover. 1S52.
in Thüringen und Sachsen. 571
einschiffig, der Westthurm oben achteckig. — Die Marktkirche, ein
Backsteinbau (zum Theil mit Haustcindetails) mit gegliederten Rundpfei-
lern und drei gleich hohen Schiffen , deren jedes östlich polygonisch , das
Hauptschiff siebenseitig aus dem Zehneck schliesst. Der 1350 gegrflndete
hohe Westthurm mit Kreuzdach und Dachreiter ist mit einer neuen Vor-
halle aus Haustein versehen. (Ebd. Taf. 1 — 4. — Thurm und Details bei
Essenwein, Backsteinbau auf Taf. 10 u. 30.)
Heiligeistadt. Die frühgoth. Aegidienkirche mit niederen Seiten-
schiffen, aber ohne Oberlichter und unter einem Dach. Die Pfeiler sind
kreuzförmig mit ausgekehlten Ecken und setzen diese Gliederung an den
Arkadenbögen ohne Zwischenglied fort. Der einschiffige Chor ist gerade
geschlossen (oben S. 483 Fig. 211), und von den beiden 1370 begonnenen
Westthürmen nur einer vollendet. (Puttrich, Denkm. II. Serie Mühl-
hausen. Bl. 13.) — Die Marienkirche, ein grossartiger früh- und edel-
gothischer Hallenbau. Die Seitenschiffe sind breiter als das Mittelschiff,
die Pfeiler achteckig (übereck gestellt) mit vier alten und vier jungen Dien-
sten auf den Ecken und mitCapitälen, deren Laubwerk mit Bestien gemischt
ist. Der Chor ist einschiffig ; die beiden achteckigen Westthürme steigen
aus einem massiven Unterbau auf und ruhen innerlich auf gegliederten
Pfeilern. (Ebd. Bl. 13 — 15.) Neben der Kirche die achteckige Anna-
kapelle, im Innern einfach , äusserlich schmuckvoll und mit einer hohen
Pyramide gekrönt. (Ebd. Bl. 14.) — Die Stifts- (evangel.) Kirche
(1276 im Bau), frühgothisch mit niederen Seitenschiffen und zwei Thürmen
an der Stelle der Kreuzarme, von denen nur der südliche vollendet ist. Die
kreuzförmigen , mit vier kräftigen Halbsäulen an den Flächen und vier
leichteren Halbsäulchen in den Ecken besetzten Arkadenpfeiler zeigen an
den Capitälen (ebd. Bl. 13 Fig. k. L) zum Theil figürliches Bildwerk. Dicv
Gewölbe und der einschiffige Chor datiren nach einem Brande von 1333,
der spätgoth. Westbau von 1485.
lildesheta. Vergl. oben S. 414. — Die Andreaskirche mit schma-
len niederen Seitenschiffen, .die um den im halben Zehneck geschlossenen
Chor einen Umgang bilden, der mit flachen dreiseitig schliessenden Kapel-
len besetzt ist. Die Pfeiler im Schiff, rund mit acht kräftigen Diensten und
Laubcapitälen , erscheinen älter als der 1404 — 1415 ausgeführte übrige
Aufbau ; im Chor von 1389 haben die Pfeiler des Umganges keine Dienste.
Aeusserlich Fialenstreben und Strebebögen. Der von 1504 — 1515 datirende
Westbau ist unvollendet. — Ausserdem die Hallenkirchen St. Lambert
(begonnen 1473), St. Magdalena (gründlichst verzopft) , St, Martin (mit
geradem Schluss und nur einem Seitenschiff), sämmtlich, wie auch die pro-
fanirte Paulinerkircbe mit achteckigen Pfeilern. Einschiffig sind die
1321 gegründete Annenkapelle im Kreuzgange des Domes und die ein-
fache, gerade schliessende Jacobikircbe von 1504. Vergl. Lotz 1,
295 — 302.
Jena. Die Stadtkirche (1472 — 1486), deren fast gleich hohe, unter
einem Dache liegende Schiffe von scblanken capitällosen achteckigen Pfei-
lern geschieden werden. Der (ziemlich hohe) Chor ruht im Untergeschosse
auf einem Bogengänge, welcher, auf beiden Seiten nach der Strasse zu offen,
einen Verbindungsgang bildet. An der Südseite ein reiches Portal unter
572 Gothische Kirchen
erkerartigem Vorbau (Pütt rieh, Denkm. I. Serie Weimar. Bl. 7 5). —
Die Paulinerkirche, erneuert 1557 und 1594, hat nur ein niederes
Seitenschiff, schwere viereckige Pfeiler und ein hölzernes Kreuzgewölbe.
LaubftD unweit Görlitz. Spätgoth. Ruine der alten katholischen Kirche,
bemerkenswerth durch den leichten achteckigen Thurm von noch irühgoth.
Gepräge.
Leipiig. Die Nicolai-, Thomas- und Paulinerkirche sind
mehr oder weniger entstellte spätgoth. Hallenbauten mit achteckigen Pfei-
lern ; die letztere überdies des Chores beraubt und äusserlich sehr verbaut.
Die daneben belegenen Kreuzgänge und ein zweischiffiger Saal mit kurzen
achteckigen Pfeilern und Sterngewölben gehören dem Ende des XV. Jahr-
hunderts an.
lag debwg. ^) Der Dom^) (vergl. oben S. 417 u. 471), gegrQndet
1208 ; Chor und Querschiff wenigstens bis zu einer Höhe, welche eine in-
terimistische Bedachung zuliess, anscheinend um 1234 vollendet; bis 1274
langsames Vorschreiten de» Baues, etwa bis zu zwei Drittel der iJlnge des
Schiffes; das Langhaus angeblich 1327 vollendet; doch fand die wegen
ihrer Kostspieligkeit aufgeschobene Weihe erst 1363 statt. An den west-
lichen Thürmen wurde bis 1520 fortgebaut: der Giebel des Zwischenbaues
fällt zwischen 1500 und 1520, und letztere Jahreszahl steht über der Thür
auf der obersten Galerie des nördlichen Thurmes ; die Bekrönung des süd-
lichen Thurmes ist unvollendet geblieben. Die Grundform des Domes ist
das lateinische Kreuz ; nimmt man die Vierung als Einheit , so fallen eine
Einheit auf den Chor und fünf Einheiten auf das Langhaus. Die niederen
Seitenschiffe sind rings um den Chor fortgeführt ; im Chore ist ihr Verhält-
niss zur Breite des Mittelraumes das gewöhnliche (1:2), im Langhause
dagegen fast wie 3:4 in noth wendiger Abweichung von dem ursprünglichen
Plane , da man im Verlaufe des Baues über die ursprünglich beabsichtigte
Höhe hinausging. Der Chor ist fünfseitig aus dem Achteck geschlossen,
und jeder Polygonseite legt sich eine Kapelle vor , welche innerlich rund,
äusserlich mit drei Seiten eines unregelmässigen Sechseckes schliesst. An
die Ostseite der Kreuzflügel, mit denselben in einer Front, schliessen sich
zwei quadratische Thürme. Der Chor mit seiner , sonst nur in einigen
französischen Kathedralen so vorkommenden breiten Empore (dem sog.
Bischofsgang) und dem Kapellenkranz , sowie die Östlichen Thürme und
ein Theil des Querschiffes zeigen eine höchst eigenthümliche , zwischen
Komanisch und Gothisch wählerische , in dieser Art nirgend anderswo zur
Anwendung gekommene Bauweise, deren Eindruck durch die aus dem alten
i) Hoffmann, F. W., Gesch. der Stadt Magdeburg. 3 Bde. 1841—18^5.
Mit Ahbild. — Vergl. v. Quast, in der Zeitschr. är christl. Archäol. u. Kunst 1,
1H5— 180; 213—229; 250—260 nebst Taf. 13 u. 16.
2) Eigentliche Beschreib, der Dom -Kirche- zu Magdeburg. 1671. (1677. 169S.
1709. 1730.) — Koch, J. P. W., der Dom zu Magdeburg. 1815. — Oostenohle,
J. C, der Dom zu Magdeburg. In 3 Kpfrn. 1S20. — (Clemens, Meli in,] Kosen -
thal, C. A., der Dom zu Magdeburg. 30 Taf. in 5 Lief. 1831 — 1852. — Wiggert,
F., der Dom zu Magdeburg, kurz beschrieben. (1845.) — Brandt, C. L., der Dom
zu Magdeburg. 18(»3. — Beiträge zur Gesch. des Magdeb. Doms, in den Dioskuren.
1865. No.25. — Vergl. v. Quast a.a.O. 1, 216—229 u. Taf. 13 und im Correspon-
denzbl. etc. 1866. S 13 f., S. 17 f.
in Tharliigen und Sachsen. 573
abgebrannten Dome Otto's des Grossen geretteten, verschiedenartigen anti-
ken Marmor-, Granit- und Porphyrsäulen noch fremdartiger, aber in lich-
ter Weite und durch das unübertroffene Detail auf das würdigste wirkt.
Das Langhaus ist zwar im entschieden gothischen Stil gebaut, doch hat man
mit richtigem Gefühl in den weit gestellten, massig viereckigen, mit Halb-
sftulen besetzten Pfeilern (oben S. 482 Fig. 202) und in der Gewölbeanord-
nung mit paarweisen Jochen über jedem der schweren und niedrigen Arka-
denbögen ein dem Romanismus verwandtes System befolgt. Am Aeusseren,
dessen freie Nordseite reicher geschmückt ist, als die mehr verbaute Süd-
seite , sind die decorativen Theile grösstentheils im spätgothischen
Geschmack. Die westlichen Thürme steigen in vier fast quadratischen
und einem Kuppel - gedeckten achteckigen Geschosse auf und imponiren
durch ihre Masse. Der Dom ist sehr gut restaurirt. *) (Förster, Denkm.
5, 33 — 50 u. 7 Taf. — Kugler, Kl. Sehr. 1, 120. — Kallenbach,
Atlas Taf. 24 u. 37. ~ Vergl. oben S. 564 Fig. 230.)
Die sechs Pfarrkirchen der Stadt (St. Johann, St. Ulrich. St. Peter,
St. Jacobi , St. Katharina und zum Heil. Geist) sind sämmtlich nüchterne
Hallenkirchen mit kurzem einschiffigem Chor , im Wesentlichen von der-
selben Hauptanlage und übereinstimmender Physiognomie : der mit Doppel-
thürmen ausgestattete Westbau und das Altarhaus gehören meist einer äl-
teren Periode an, das Langhaus deutet in den spätgoth. Fensterformen auf
eine spätere Erneuerung und der Innenbau ist Kestauration nach der Zer-
störung des 3 Oj ährigen Krieges. Die Peterskirche ist auf der Südseite
mit einer sehr zierlichen Backstein vorhalle (Zeitschr. für Archäol. u. Kunst
1, 257 Fig. 34) ausgestattet. — Die (profanirte) Stiftskirche St. Sebastian
(oben S.417) hat in dem, aus dem XIV. Jahrh. stammenden, nördlich mit
einer Abseite versehenen Altarhause über steinernen Anfängen aufsetzende
hölzerne Kreuzgewölbe. Der spätgoth. Hallcnbau des Langhauses zeigt
phantastisch reiche Forrabildungen : die runden, vier- oder achteckigen
Pfeiler, letztere mit concavcn Seitenflächen , sind mit zierlich profilirten,
zum Theil schraubenförmig gebildeten Stäben versehen, welche, an densel-
ben senkrecht oder in Windungen emporsteigend , theils an den einfachen
Kämpfern enden, theils die Arkadenbögen umziehen. (Ebd. Taf. 16 Fig. 6
— 8). — Die Stiftskirche St. Nicolai (jetzt Zeughaus) war eine Hallen-
kirche des XIV. Jahrb., hat aber fast ihre ganze kirchliche Eigenthümlich-
keit eingebüsst. — Die Augustiner- (Wallonen-) K ir che, geweiht 1366,
deren sehr hohes Langhaus, ohne Strebepfeiler und Gewölbe, ebenfalls aus
drei gleich hohen Schiffen (mit Pfeilern erst aus dem XVII. Jahrh.) besteht.'
Der lang gestreckte einschiffige Chor ist gewölbt. Ein im Obergeschosse
durchbrochener Trepj)enthurm an der Südostecke des Langhauses. — Von
dem ehemaligen Franciscanerkloster ist nur das künstlich gewölbte
Refectorium und der Rest eines zierlichen Treppenthurmes (der sogen.
Schulthurm) übrig. — Unter den Kapellen zeichnet sich die des 1315 ge-
stifteten Hospitals St. Gertraud durch ihre malerische Ostseite aus und
die ehemalige erzbischötliche Hauskapelle St. Gangolf (jetzt Registratur
der Regierung) durch ihr kunstvolles spätgoth. Gewölbe.
1) Burchhardt, J. H. B., Momente zur Gesch. des Dororeparaturbaues in
Magdeburg IS2fi — 34. 1S35.
O 1 1 ? , Kuntt-Archiologie. 37
574 Oothische Kirchen
Helsseii. Der Dom^), in der Grundform des Kreuzes mit zwei Thür-
men an der Ostseite der Kreuzarme und zwei anderen in Westen : vergl.
oben S. 565. Der einschiffige dreiseitig geschlossene Chor ist äusserlich
von einem schmalen Gange umgeben, dessen von starken Strebepfeilern
ausgehende Deckbögen die Widerlagen des Chorschlusses bilden, und gleicht
im Innern dem Naumburger Westchor; die Erbauungszeit fällt um 1274.
Das Langhaus mit viereckigen gegliederten Pfeilern hat drei gleich hohe
Schiffe und rührt aus der Zeit von 1312 — 42 ; die Portale und einige An-
baue gehören ins XV. Jahrh. — Ausgezeichnet ist der südliche Chorthurm
(sog. höckerige Thurm) als der einzige mit durchbrochener Spitze in Ober-
sachsen ; eine Inschrift an demselben weist auf das J. 1357. Die spätgoth.
fürstliche Begräbnisskapelle vor dem reichen Westportal 1423 — 25; die
Sacristei an der Nordseite des Chores 1504. Ueber die Johanneskapelle s.
oben S. 22 Anmerk. III. — Restauration seit 1856. (Puttrich, Denkm. I.
Serie Meissen. Bl. 2 — 15 u. 19 a. — Förster, Denkm. 1, 37 — 44 u.
2 Taf.) — Von der Afrakirche^) (1295 — 1329) hat sich nur das ein-
fache Aeussere des gerade geschlossenen Altarhauses in wesentlich ursprüng-
licher Weise erhalten. (Puttrich a. a. O. Bl. 16 a.)
■enebirg. Das hallenförmige Langhaus des Domes mit achteckigen
Pfeilern und Netzgewölben , geweiht 1517; der Ausbau der westlichen
Vorhalle um 1540; das Portal des nördl. Kreuzarmes um 1500. Vergl.
oben S. 418. — Die Stadtkirche, dem Langhause des Domes ent-
sprechend, 1432 — 1501. — Die Ruine der Sixtikirche aus dem XIV.
und XVII. Jahrb., der Westthurm ist älter. (Puttrich, Denkm. 11. Serie
Merseburg. Titelvignette.)
■ittwelda unweit Chemnitz. Grossartige, zum Theil modernisirte Hal-
lenkirche mit sehr schlanken Pfeilern und hohem massigem Thurm.
■ihÜMiaMD.^) Die Blasiuskirche (s. oben S. 419) in der Grund-
form des Kreuzes mit frühgoth. Chor und Querschiff; das Langhaus besteht
aus drei Schiffen von gleicher Höhe, die von Rundpfeilern mit je vier Gurt-
trägem und Laubcapitälen geschieden werden, und ist etwas jünger als der
Chor , neben welchem sich die Seitenschiffe , geradlinig schliessend , fort-
setzen. Das Aeussere ist durch die zwischen den Fialenstreben eingespann-
ten schmuckvollen Dachgiebel ausgezeich net . (Puttrich, Denkm . 11 . Serie
Mühlhausen. Bl. 7 — 9 u. 11. — Details bei Statz und Ungewitter auf
Taf. 86 und in Ungewitter, Lehrbuch, auf Taf. 2. 12. 15 u. 22. —
Vergl. oben S. 483 Fig. 210.) — Die einschiffige Jacobikirche aus dem
XIV. Jahrh. mit schmälerem, gerade schliessendem frühgoth. Chor, zwei
achteckigen Westthürmen und schönen Portalen. (Puttrich a. a. O. Bl. 9
u. 11. — Statz und Ungewitter Taf. 86 Fig. 14 — 16.) — Die Ma-
rienkirche, edel-gothischer Prachtbau (ohne Zweifel auf den Fündamen-
1) Ursinus, J. F., Gesch. der Bomkircbe zu Meissen und ihrer Grabmähler.
1782. — Seh wechten, F. W., der Dom «u Meissen. Mit 22 rad. Bl. (1826.) 1847.
— Ebert, F. Ad., der Dom zu Meissen. Mit 24 Lith. 1835.
2) Oertel, F., das Münster der Augustiner Chorherren zu St. Afra in Meissen.
(1858.)
3) Altenburg, Ch. G., Beschreib, der Stadt Mahlhausen in Thüringen. Mit
Tielen Abbild. 1S24.
in Thüringen und Sachsen* 575
ten einer roman. Basilika) in der Grundform des Kreuzes , doch tritt das
Querschiff über den fünfschiffigeü Hallenbau des Langhauses nicht vor.
Der Chor von der Breite des Mittelschiffes , sowie die jenseits des. Quer-
hauses in zwei Nebenchöre auslaufenden inneren Seitenschiffe schliessen
im halben Achteck. Die Pfeiler haben eine im Grundschema achteckige
Form mit vier starken Halbsäulen , entsprechenden tiefen Einkehlungen
und feineren Zwischengliedern ; die Capitäle bilden leichte Laubkränze, und
die Gewölbe haben herabhängende Schlusssteine. Die schlanken Fenster
zeigen regelrecht klares Maasswerk. Charakteristisch für das Aeussere sind
die abgestuften Giebel der Seitenschiffdächcr des Langhauses , die hinter
einer von Fialen unterbrochenen Galerie aufsteigen und sich an der Chor-
partie in ähnlicher Weise als blosse Decoration fortsetzen. Der Giebel des
südlichen Kreuzarmes ist durch einen Altan über dem schmuckvollen Por-
tale ausgezeichnet. Zwischen den beiden älteren Westthürmen (oben S. 4 19)
erhebt sich der oben zopfig verunstaltete spätgoth. Hauptthurm. (Put trieb
a. a. O. Bl. 2—6. — Details bei Statz und Ungewitter auf Taf. 49,
53, 90 u. 96, auch in Ungewitter, Lehrbuch auf Taf . 11 — 13 u. 15.)
— Neben der einfachen Georgskirche eine kleine polygonische Kapelle
im Stil des XIV. Jahrb. (Put trieb a. a. O. Bl. 10. — Statz und Un-
gewitter auf Taf. 146.) — Ueber die hölzertie Jodocuscapelle') s. oben
S. 26.
linehriileD bei Coburg. Spätgoth. Klosterbaulichkeiten in der dem
Profanbau eigenen Beb andlnngs weise . (H e i d e 1 o f f , Ornamentik . Hft . 1 6
Taf. 3.)
Naambnrg a. d. S. Der frühgoth. Westebor des Domes, einschiffig,
mit Gurtträgern in den Ecken , an den unteren Theilen mit Blendbögen
verziert, im Triforium ein Verbindungsgang in der Mauer; 1249. Dei
Ostchor schliesst vierseitig aus dem Zwölfeck , so. dass die Längenaxe des
Baues in eine Ecke f&llt ; er gehört in das XIV. Jahrb. (Put.tr ich , Denkm.
IL Serie Naumburg. Bl. 2 — 4: 9. 13. 15 u. 23. — Vergl. oben S. 419
u. 483 Fig. 208.) — Die Wenzelskirche (östlich und westlich poly-
gonisch geschlossen) im Innern verzopfter Hallenbau, nach 1473 ; die Mo-
ritzklosterkirche 1502 — 12^), einschiffig mit Holzdecke und zwei
dünnen älteren Westthürmen.
NiMlaisberg. Vergl. oben S. 419. Der Chorschluss , der Hallenbau
des Langhauses mit achteckigen Pfeilern , der Thurm und die Sacristei der
Klo^erkirche, einfach spätgothisch.
Nienbirg a. d. S. Der Chor mit Apsidenschluss im halben Zehneck
und das Querschiff der Kloster- (Schloss-) Kirche^), romanisirend
frühgothisch nach einem Brande von 1242, der dem Typus von St. Elisabeth
in Marburg entsprechende Hallenbau des Langhauses nach einem aber-
maligen Brande von 1280. Der einfache Westthurm 1520. Mehreres Alte
1) Tilesius v. Tilenau, Ad., die hölzerne Kap. des h. Jodocus zu Mühl-
hausen i. Th. Mit :j Taf. in Farbendr. 1850.
2} Lepsin s, C. P., Uistor. Nachricht vom Augustinerkl. S. Moritz zu Naum-
burg. Mit ."> Lithogr. IS34.
3) Bergholz, Ed., die Schlosskirehe zu Nienburg ü. d. S. 1853.
31»
576 Gothische Kirchen
bei der Restauration 1840 — 1853 verändert. (Puttrich, Denkm. I. Serie
Anhalt. Bl. 13 f. — Vergl. oben S. 481 Fig. 199 f.)
N^nlhatsen. ^) DieBlasiuskirche^in der Grundform des Kreuzes ;
das aus drei gleich hohen Schiffen bestehende kurze Langhaus hat abge-
kantet viereckige Pfeiler mit einfachen Kämpfern und Kreuzgewölben von
1489. Die beiden nahe neben einander über gemeinsamem Unterbau auf-
steigenden abgekantet viereckigen Westthürme sind älter. — Das spätgoth.
Langhaus des Domes mit fast gleich hohen Schiffen und achteckigen Pfei-
lern , deren Hauptseiten je drei , dicht neben einander angebrachte Dienste
bedecken , die über Laubcapitälen die Gurte der reichen Netzgewölbe auf-
nehmeu. — Die Marktkirche von 1360, im Schiff mit abgekantet vier-
eckigen Pfeilern und einfachen Kämpfern : der Chor von der Breite des
Mittelschiffes. Vergl. Lotz 1, 475 f.
•yUn.^) Ruine der 1369 — 1384 erbauten Cölestinerkirche, einschiffig
mit zurücktretendem langem Chor und gleichzeitigem Kreuzgang. (Put-
trich, Denkm. L Serie Reuss. Bl. 5. 11 u. 13.)
Pferta bei Naumburg. Die Cisterzienserkirche, angelegt als romanische
Pfeilerbasilika mit je zwei Kapellen an der Ostseite des Querschiffes , aber
im gothischen Stil des XIII. und XIV. Jahrhunderts ausgebaut: die Kreuz-
arme inschriftlich 1251 ; der dem Westchore des benachbarten Naumburg
nahe verwandte frühgoth. Chor, geweiht 1268 ; die Westfront des gestreck-
ten Langhauses aus dem XIV. Jahrh. Restaurirt. (Puttrich, Denkm. IL
Serie Pforta. — Vergl. oben S. 483 Fig. 206 u. 208.)
Pirna« Hallenkirche mit dreifachem Polygonschluss, 1502 — 1546.
tuedllnbirg. Die Aegidienkirche,. unbedeutende spätgoth . gerade
geschlossene Hallenkirche mit Holzdecke. — Die Marktkirche, spät-
goth ische, nur im einschiffigen Chor überwölbte Hallenkirche mit achtecki-
gen Pfeilern und zwei Westthürmen. — Die Schäferkirche, spätgoth.
Hallenkirche mit gegliederten viereckigen Pfeilern und einschiffigem , von
Holzgewölben Überspanntem Chor. Der mit zwei einfachen Thürmen ver-
sehene Westbau romanisirend frühgoth isch . — Der Chor der Schloss-
kirche 1320. — Vergl. Lotz 1, 506.
lUcUltz. Die Kunigundenkirche ^) , spätgoth. Hallenbau mit achtecki-
gen Pfeilern und reichem Südportal , 1417 — 1499. Das Innere und der
Thurmbau 1681.
lUda (Stadt-) bei Jena. Ruine der ursprünglich mit einem niederen
(nördl.) Seitenschiffe versehen gewesenen, rechteckigen, flach gedeckten
Cisterziensernonnenkirche ^) mit westlicher Nonnenempore, im romanisirend
frühgoth. Stil. (Puttrich . Denkm. I. Serie Altenburg. Bl. 15 — 17.)
1) Förstemann, E. G. , Urkundl. Gesch. der Stadt Nordhausen. 1840. —
L e s s e r '8 histor. Nachricht von der Stadt Nordhausen, fortgesetzt von E. G. F ö r s t e-
mann. 1860.
2) Eachke.Ed., derOybin u. seine Rainen. MitAbbildd. H32.— Pescbeck,
Ch, A., der Oybin bei Zittau, dargestellt in 12 Kpfrn. 1835. — Derselbe, Kleine
Chronik des Oybin. 3. Aufl. 1S54.
3} Stieglitz, Ch. L., die Kirche der h. Kunigunde zu Rochlitz, im Berichte
der deutschen Gesellach. zu Leipzig. 1829. S. 67 ff. u. Anhang.
4) Sprenger, F., Baudenkm. im Altenburgisohen (Klosterk. in Roda\ in der
Zeitschr. für Bauwesen. 1800. Sp. 521—524 u. Bl. 57.
in ThOringen and Sachsen. 577
KtaktM unweit Hildburghausen. Die Ostlich und westlich polygonisch
schliessende Stadtkirche 1450 — 1470.
SaalfeM. Die Münzkirche, flach gedeckt , mit gerade geschlosse-
nem Chor und Fenstern in pyramidalen Gruppen, deren FtlUungen auf das
XrV^. Jahrh. deuten. (Pütt rieh, Systemat. Darstellung. BL IX. 55.) —
Die grossartige Stadtkirche 1456, dreischiffiger Hallenbau mit einschif-
figem Chor, im reichen Stil jener Zeit. (Derselbe, Denkm. I. Serie
Meiningen. Bl. 5 u. 8.) — Vergl. Lotz 1. 529 f.
Saigerkavsen. Die Jacobikirche, im Chor mit NetzgewOlben, im drei-
schiffigen Langhause mit Holzdecken; neu erbaut 1494.
Sckieekerg. Die Pfarrkirche 1516— 1540. Pfeiler und Emporen ahn-
lich wie in Annaberg.
Stadt -Hm. Die moderne Kirche hat hinter den roman. , oben goth.
Frontalthürmen (oben S. 425) noch zwei goth. Portalhallen. (Puttrich,
Denkm. I. Serie Schwarzburg. Bl. 15 f.) — Unter dem Schloss eine goth.
Krypta, als Rest des ehemal. Klosters. Vergl. E. Guhl, in den N. Mit-
theil, des Thüring. -Sachs. Vereins. VII. 4, 63—77.
Stolberg. Die Muttergotteskapelle bei der Martinikirche 1477;
die Gottesackerkapelle, barbarisirt und deshalb von wunderlich un-
regelmässiger Grundform^ fast der Figur eines B gleichend. (Puttrich,
Denkm. II. Serie Stolberg. Bl. 10.)
Torgaa. Die Marienkirche 1484.
Weissenfels. Die Claraklosterkirche (Magazin), ein einfacher,
im XVI. Jahrh. veränderter Hallenbau mit gegliederten Pfeilern. — Die
Stadtkirche, Hallenbau mit achteckigen Pfeilern und einschiffigem Chor,
begonnen 1415.
Weyiia« Die Wiedenkirche, einschiffige, nur im Chor gewölbte Ruine,
frühgothisch mit roman. Reminiscenzcn . (Puttrich, Denkm. I. Serie
Weimar. Bl. 16.)
WIttoiberg* ^) Die Stadtkirche besteht aus zwei heterogenen , un-
symmetrisch verbundenen Theilen. Die in Ziegelbau ausgeführte , gerade
geschlossene und ursprünglich nur mit einem (südlichen) Seitenschifie ver-
sehene , schon um 1 300 vorhanden gewesene (späier mehrfach veränderte)
Ostpartie mit Viereckpfeilern , und der um 1412 hinzugefügte Hallenbau
des Langhauses (aus Granit und Ziegeln mit Hausteindetails) mit Achteck-
pfeilern und zwei Westthürmen. (Schadow a. a. O. Taf. l. 3 u. 4. —
Puttrich, Denkm. II. Serie Wittenberg. Bl. 3 u. 8.) — Die Schloss-
kirch e^, eine östlich dreiseitig geschlossene einschiffige, mit einer Em-
pore und zwei Fensterreihen versehene , im Innern verzopfte Halle (Ziegel
und Sandstein) 1493—1499. (Schadow a.a.O. Taf. 1 a.) — Die (Heil.
Leichnams-) Kapelle neben der Stadtkirche, ein kleiner einschiffiger Zie-
gelrohbau mit Sandsteindetail, um 1377.
1) Schadow, J. Gttfr., Wittenberg'« Denkmäler der Bildnerei , Baukunst u.
Malerei. 1825. — Stier, GH., Wittenberg im Mittelalter. 1855.
2) Faher, Mtth., Histor. Nachricht von der Schloss- u. Stiffts Kirche zu Aller-
Heiligen in Wittenberg. (1717.) 2. Aufl. 1730. — Stier, Uli., die Schlosskirche zu
Wittenberg. Mit 5 Hokschn. u. 7 Kpfm. 1860.
578 Gothische Kirchen In Tbaringen und Sachsen.
Zettl Die Oberpfarrkirche St. Michaelis, die (Franciscaner-) K 1 o -
sterkiv.che und die Stiftskirche (Seh losskirche) , letztere wesentlich
von 1433, jedoch wurde der westliche Theil derselben um 1670 abge-
tragen; A'ergl. oben 8. 424.
Zerbst. Die. Nicolaikirche ^), aus Ziegeln und Haustein, in Hallen-
form und mit einem ein halbes Achtzehneck bildenden Umgang der Seiten-
schiffe um den fünfseitig schliessenden Chor; letzterer vollendet 1446, das
Schiff 1488 und. L494 eingewölbt. Die Pfeiler sind achteckig mit Eckglie-
derungen. Auf der Westseite über dem älteren. Thurmbau ein Aufsatz von
drei pyramidal aufsteigenden Helmspitzen vom J. 1530. Kestaurirt. (Put-
trich, Denkm. I. Serie Anhalt. Bl. 2 — 6.) — Die Ruine der Barfüsser-
kirch e , frühgothisch, und in der Ostwand mit drei pyramidal gruppirten
Fenstern. (Pütt rieh a. a. O., Vignette auf S. 15.)
Zwifkaa. Die Marienkirche'-'), durchgängig dreischiffiger Hallen-
bau mit concav achteckigen Pfeilern und Netzgewölben; der Chor 1453
—'1470, das Schiff 1506 — 1536 ; letzteres äusserlich sehr reich mit Bau m-
geästen etc. decorirt. (Puttrich, Denkm. I. Serie Reuss. Bl. 16 f.) —
Die Katharinenkirche, im einschiffigen Chor vollendet 1465 ; das
hallenförmige Langhaus mit unsymmetrisch gestellten Pfeilern und reichen
Netzgewölben aus dem XIV — XVI. Jahrh. (Puttrich a. a. O. Taf. 5,
s u. t.)
1) Schubert, W., über die ErbauungHzeit der K. St. Nicolai in Zerbst, in den
N. Mittheil, des Thüring. - Sachs. Vereins. III. 4, 123.
2) Herne Witz, G. v., die Marienk. za Zwickau. 2 Hfte. 18.39 f.
Fig. 231. Wietenkirche in BoMt.
VI. In Westfalen.
Literatur : Vergl. die oben S. 426 angefahrten Schriften, besonders die
Werke von Schimmel und L ü b k e.
Yorbemerknng.
107. In Westfalen, wo sich der spätromanische Gewölbebau
sehr weit hinauszog (oben S. 427), finden sich zwar anscheinend noch
aus dem XIII. Jahrhundert, und offenbar unter hessischem Einfluss,
einige wenige Beispiele des edeln strenggothischen Stils (Nicolaikapelle
in Obermarsberg, Chor der Petrikirche zu Soest, Schiff des Doms von
Minden) , indess die allgemeine Anwendung der Gothik beginnt erst
mit dem XIV. Jahrhundert und zwar überwiegend in einem nüchter-
nen, beinahe eintönigen Charakter der fast durchaus schmucklosen
Bauten. Schon der Grundriss beschränkt sich auf das Nothwendigste ;
Kreuzvorlagen, damals freilich bereits überall nicht mehr beliebt, feh-
len; Chorumgänge kommen nur ausnahmsweise vor (Katharinenkirche
zu Unna, Marienkirche zu Lippstadt; Marienkirche zu Osnabrück, mit
580 Gothiflohe Kirchen
niedrigen Abseiten) ; der Cborschluss ist insgemein dreiseitig aus dem
Achteck', zuweilen rechteckig, selten in reicherer Polygonform. Die
gleichhohen Schiffe der fast ohne Ausnahme beibehaltenen Hallenform
ruhen unter einem schwerfallig lastenden Dache , und nur ein massig
viereckiger Thurra von der Breite des Mittelschiffes ist der Westseite
in Harmonie mit dem übrigen Gebäude vorgelegt. Das Innere zeigt
Arkadenpfeiler von runder Grundform, die sich mit vier, seltener mit
acht Dreiviertelstäben als Diensten für die Gewölbrippen auf runder
Basis erheben. Die Gewölbjoche sind breit, fast quadratisch gestellt,
und zierlichere zusammengesetzte Gc wölb Formationen kommen, wie in
den andern deutschen Ländern, in denen der Steinbau herrscht, so
auch in Westfalen, erst im XV. und XVI. Jahrhundert vor, oft mit
nackten Rundpfeilern, aus deren rundem Kämpfergesims, in späterer
Zeit auch geradezu aus dem Schaft, die Gewölbrippen in willkürlicher
Zahl her vor wachsen. Die wegen ihrer kühnen Pfeilerconstruction be-
rühmte Marienkirche zur Wiese in Soest (gegründet 1313, aber mehr
dem Ende wie dem Beginn des XIV. Jahrhunderts, zum Theil noch
dem XV. Jahrhundert angehörig) ist wegen der von dem Baumeister
derselben offenbar beabsichtigten und auf das glücklichste erreichten
Leichtigkeit in dieser Beziehung in der That bewundernswerth. *) —
Uebrigens haben die gothischen Kirchen Westfalens sämmtlich nur
geringere Räumlichkeit, und die beiden grossesten unter ihnen (Lieb-
frauenkirche zu Münster und die Kirche zu Bocholt) sind kaum Ge-
bäude zweiten Ranges. ^)
Vergl. Schnaase, Kunstgesch. 5, 493—495; 556—561 ; 6, 274--2S2. —
Kugler, Gesch. der Baukunst 3, 244—254; 383—390. -^ Lttbke, Gesch.
der Architektur. 3. Auil. S. 548 ff.
Ahais« Spätgoth. Kirche mit Rundpfeilern; der Thurm bildet eine
sich gegen das Mittelschiff öffnende Halle ; der jüngere Chor ist gerade
geschlossen.
AUei bei Hamm. Die spätgoth. Barthol omäikirche mit Rund-
pfeilem. Aehnlich ist das Langhaus der Marienkirche, das jedoch nur
t) Diese schöne Kirche und die Martinikirche zu Bielefeld sind die einzigen go-
thischen in Westfalen, -welche auf eine schmuckvolle doppelthannige Westfacade
berechnet waren. Beide sind indess unvollendet geblieben, doch werden die Thflrme
der Wiesenkirche in Soest gegenwärtig der Vollendung entgegengefahrt, und dem
vorstehenden Holzschnitte Fig. 23 1 liegt eine Photographic des nach dem Entwürfe
angefertigten Modells (oben S. 272) zu Grunde , deren Benutzung wir der Güte des
Herrn v. Quast zu verdanken haben.
2) Die nachstehend aufgcfahrten -westHllischcn Kirchen sind, insofern nichts an-
deres bemerkt ist, sämmtlicH drcischiffige Hallenkirchen mit cinschiffi-
gem Chor.
in Westfalen. 5g 1
mit einem (südl ) Seitenschiffe versehen und schief an den kurzen, der frü-
heren Gothik angehörenden Chor angesetzt ist.
Anachten bei Münster. Der Thurm der einfachen einschiffigen Kirche
mit abgetreppten Giebeln und Satteldach.
Alt-Luoen a. d. Lippe. Kleine zierliche Kirche mit schmalen Seiten-
schiffen. Die runden Pfeiler sind mit vier starken und vier schwächeren
Diensten besetzt , welche letztere auf Consolen basirt sind ; die Capitäle
theils schlicht, theils mit Laubwerk. Der Chor gehört frühgothischer Zeit
an und der Triumphbogen ist noch romanisch.
ArDslier^. Die (Prämonstratenser-, jetzt) Pfarrkirche zeigt im Chor
und in dem mit achteckigen Pfeilern versehenen Osttheile des Langhauses
noch rippenlose Gewölbe und frühgoth. Lanzettfenster, auch ein grosses
aus Rundstäben componirtes Radfenster (Lübke Taf. 17 Fig. 4). In dem
späteren westlichen Theile sind die kräftigen Pfeiler rund und die Fenster
mit ausgebildet gothischem Maass werk gefüllt. — Die Schlosskapelle
von engen Verhältnissen mit Lanzettfenstern und schlichten Rundpfeilern.
Aschebfrg bei Lüdinghausen. Die Kirche von 1524, der zu Lüding-
hausen ähnlich , nur in kleineren Verhältnissen. Rundpfeiler mit geglie-
derten Sockeln und Capitälen. Der quadratisch vorgebaute Chor , roh mit
Rundbogenfenstem, gehört späterer Zeit an.
Atteidorn (Kr. Olpe) . Die grosse, durchaus schmucklose kreuzförmige
Kirche, deren fast gleichbreite Schiffe durch hohe, nicht in gleicher Flucht
stehende Rundpfeiler mit rohen Kämpfern geschieden werden. Die Fenster
zeigen Avohl gefügtes Maasswerk des XIV. Jahrhunderts. Vergl. auch S. 443.
leckiH. Einfache Kirche in Kreuzform mit langem Chor, in der Ost-
partie wohl aus dem Anfang des XIV. Jahrhunderts, in dem nüchternen mit
schlichten kräftigen Rundpfeilern versehenen Langhause spätgothiscb .
lenDinghaMsei bei Lippstadt. Einschiffige, zierlich in schlanken Ver-
hältnissen ausgeführte spStgoth. Kirche. Vergl. S. 443.
Bielefeld. Die Martinikirche in der Grundform des Kreuzes mit
langem gerade geschlossenem Chor und zwei unvollendeten Westthürroen.
Die Pfeiler schlicht rund , nur die Eckpfeiler der Vierung mit acht Halb-
säulen als Diensten. — Die Nicolaikirche mit gleich breiten, von
schlichten Rundpfeilern getrennten Schiffen, einfach und von gedrungenen
Verhältnissen. Beide, wesentlich aus dem XIV. Jahrb. stammende Kirchen
sind gut restaurirt.
MeHkerg bei Detmold. Die Augustinerkirche, gegründet 1460, mit
dicken, sehr weit gestellten Rundpfeilem. Die Streben enden in Fialen.
iechelt« Kirche in Kreuzform mit etwas niedrigeren Seitenschiffen
und von eleganter Ausführung. *) Der Chor begonnen 1430. Im Lang-
hause Rundpfeiler mit rechteckigen Vorlagen für die Scheidbögen. Der
1472 angelegte Thurm ruht nach innen auf zwei mächtigen, lebendig ge-
gliederten Pfeilern und ist in der Axe der Seitenschiffe mit zwei Neben-
räumen versehen. (Schimmel, in Lief. 8. — Lübke Taf. 19.)
1} B. Z;ehe), die Kirche zu Bochold, im Organ far christl. Kunst. 1S52.
S5 — ST.
582 Gotbische Kirchen
■•cbip bei Dortmund. Die Kathol. Kirche, spätgothisch mit gedrun-
genen Rundpfeilern und Netzgewölben ; der niedrigere und kurze Chor ist
älter.
l^rkei bei Bocholt. Die Pfarrkirche^ im spätgoth. Langhause mit
kräitigen Rundpfeilem in weiten Abständen , im älteren Chor mit regel-
rechter MaasswerkfQllung der Fenster. Am unten noch romanischen Thurm
mischen sich Ziegel unter den Bruchstein , und südwestlich befindet sich
ein kapellenartiger Ziegelanbau von 1517. — Die Kirche des 1401 ge-
gründeten Augustinerklosters ist ein einschiffiger Bau aus Ziegeln, in
der dem Material gemässen Weise mit Blenden, Friesen und bunt glasirten
Steinen künstlerisch durchgeführt.
IreekerfeM (Kr. Hagen) . Die Pfarrkirche, in Kreuzform und von ge-
ringen Dimensionen, giebt sich als Umbau einer basilikalen Anlage aus der
Uebergangsperiode zu erkennen. ^)
larU bei Bocholt. Die ehemalige Klosterkirche, einschiffig mit früh-
goth. Chor.
Clarh^k bei Belen. Die Nonnenstiftskirche, im Langhause mit Rund-
pfeilem, im Querschiffe noch romanisch, im Chore mit Wandsäulohen für
die Gewölbgurte.
C^rkach. Die Kilianskirche. '^] In dem 1420 — 1450 erbauten quadra-
tischen , aus drei gleich breiten Schiffen bestehenden Langhause zwei Paar
schlichte mit leichten Laubcapitälen gekrönte Rundpfeiler. Der Chor, be-
gonnen 1335, der ursprünglich über 300' hohe Thurm vollendet 1302.
Die Kirche ist 1836 durch Mol 1er restaurirt. — Die Franciscaner-
kirche^ gegründet 1487. — Die Nicolaikirche, deren Chor 1454, der
Thurm 1359 begonnen wurde.
iatlelD unweit Dortmund. Kirche von 1528 mit niedrigen Rundpfei-
lern und nur einem (nördl.) Seitenschiff.
iellwig a. d.Ruhr. Kleine einschiffige Kirche (oben S. 443) mit Chor
von 1510.
■•rtaiud. Die Dominicaner- (Kathol. Pfarr-) Kirche, in ausser-
ordentlich schlanken und kühnen Verhältnissen; der gestreckte Chor 1353
beendet, das jüngere Langhaus hat nördlich mit vier Diensten besetzte
Rundpfeiler in weiten Abständen, südlich statt des Seitenschiffes einen
schmalen, durch schwere, mit je zwei Diensten besetzte Yiereckpfeiler ge-
trennten und in der Tonne überwölbten Gang. Das Mittelschiff ist mit
Sterngewölben überspannt. Die Kirche ist mehrfach verunstaltet, noch
ärger aber der schöne gleichzeitige Kreuzgang. (Lübke Taf. 18 u. Taf. 24
Fig. 8 f.) — Die 1319—1353 erbaute Petrikirche mit achteckigen Pfei-
lern und rippenlosen Kreuzgewölben ist mit Renaissance-Details erneuert;
der 1396 begonnene (ursprünglich angeblich 370' hohe) Thurm hat durch
Blitz seine sehr hohe Spitze eingebüsst. — Der Chor der Reinoldikirche,
prachtvoll mit Sterngewölben, 1421 — 1450. Grosse viertheilige, zweimal
1) Labke, W., die Pfarrkirche zu Breckerfeld, im Anzeiger des german. Mu-
seums. 1858. Sp. 144 f.
2) Curtze, L., u. Rheins, F. V., Oesch. u. Beschreib, der Kirche St. Kilian
zu Corbach. 1843. — Orth, A., die Kilianskirche in Corbach, in der Zeitschr. far
Bauwesen. Ib5ü, Sp. 4Uö u Bl. 60.
in Westfalen. 5g3
durch quer gezogenes Maasswerk abgetheilte Fenster; reich behandelte
Strebepfeiler.
MDgfnlierg unweit Paderborn. Die kleine, aus einem älteren Gebäude
spätgothisch umgebaute Kirche. Das n6rdl. Seitenschiff ist niedriger, das
südliche ebenso hoch wie das Hauptschiff; die ursprünglich viereckigen
Pfeiler sind durch Abkantung achteckig gemacht.
Nteen unweit Münster. Die Pfarrkirche besteht aus drei Schiffen
von gleicher Länge und mit gleichem dreiseitigem Schlüsse ; die Seitenschiffe
sind niedriger als das Mittelschiff. Die höheren östlichen Theile, mit Rund-
pfeilem, sind jünger, als die westlichen mit Viereckpfeilern.
Enger. Das spätgoth. Langhaus der Stiftskirche (oben S. 431) mit zwei
achteckigen Pfeilern.
EfenwiDkel bei Münster. Die 1489 erbaute Kirche mit zwei Paar weit
gestellten Rundpfeilern und kurz vorgelegtem Chor ; die Verhältnisse sind
für die Breite viel zu kurz. Die Decoration mit Maasswerk etc. erscheint
glanzvoll.
Valkeihagen im Dctmoldischen. Elegante einschiffige Kreuzritterkirche
spätgoth. Stils.
CirkhaiseB bei Schmallenberg. Zweischiffige , in zwei Chöre ausge-
hende frühgoth. Hallenkirche mit Rundpfeilern. Der westliche Theil er-
scheint als Ueberrest eines älteren Baues, welcher bis an den jetzt ziemlich
entfernt isolirt stehenden roman. Thurm reichte. (Lübke Taf. 20 Fig. 9.)
CtttertUh. Das Langhaus der Kirche , spätgothisch mit achteckigen
Pfeilern; daß gerade schliessende Altarhaus noch aus. roman. Zeit.
laltorn bei Recklinghausen. Roh spätgoth. Kirche mit Rundpfeilern
und Giebeldächern über den Seitenschiffen. Der Thurm füllt ohne Verbin-
dung mit dem Mittelschiffe das westlichste Joch des letzteren aus.
Iahh. Die Pfarrkirche in der Grundform des Kreuzes, in der Ost-
partie frühgothisch mit fünfseitigem Schluss aus dem Zwölfeck. Das dem
XIV. Jahrh. entstammende Langhaus hat eng gestellte schwere Rundpfei-
ler; der mächtige Westthurm, innen auf zwei starken Rundpfeilern ruhend,
tritt zur Hälfte aus der Front hervor. (Lübke Taf. 20 u. 24.) — Die Ka-
thol. (Observanten-) Kirche mit nur einem (südl.) Seitenschiff, sehr lang
und schmal, mit Rundpfeilern, 1510—1512. (Ebd. Taf. 20 u. 24 Fig. 19.)
lafilkeek bei Münster. Kleine Kirche mit Rundpfeilern und kurzem
Chor, XIV. Jahrh. Der Thurm ist romanisch.
lerftri. Die Stiftskirche St. Johann mit gleich breiten Schiffen und
Rundpfeilern , deren Kämpfer reich mit zierlichem Laubwerk geschmückt
sind, XIV. Jahrh. Der Thurm hat eine ungewöhnlich hohe Spitze. — Die
Stiftskirche St. Marien (Bergerkirche), angeblich gegründet 1325, eben-
falls mit Schiffen von gleicher Breite und mit schlanken Rundpfeilern;
letztere sind mit vier stärkeren und vier schwächeren Halbsäulen besetzt,
deren Capitäle meist zierliches Laubwerk zeigen. Der in ziemlicher Länge
vorgelegte Chor ist gerade geschlossen, mit elegant ausgestattetem Giebel.
(Schimmel, in Lief. 5.) Die Seitenschiffe haben Giebeldächer, und die
Fenster der mittleren Joche sind als mächtige Rosen gestaltet. Vor dem
quadratischen Langhause eine Vorhalle mit Thurm. — Die Radewigis-
kirche, ebenso mit gleich breiten Schiffen, deren Rundpfeiler in der südl.
584 Gothiache Kirchen
Reihe schlicht gehalten, in der nördlichen mit vier Halbsäulen besetzt sind.
Das Aeussere ist schmucklos ; die Seitenschiffe mit Giebeldächern.
lertebrtck bei Gütersloh. Einschiffige spätgoth. Nonnenklosterkirche
mit Westthurm.
lenfeM a. d. Lippe. Die einschiffige Nonnenklos tcrkirche, spätgoth.
Umbau eines romanischen Gebäudes.
liril« bei Dortmund. Die Kathol. Kirche, gegründet 1340 für ein
Nonnenstift, einschiffig mit Nonnenempore im Westen.
Uxter. Die Minoritenkirche , edel - gothisch , mit nur einem niederen
(südl.) Seitenschiff, doch ohne Oberlichter und unter einem Dache. Die
schlanken Rundpfeiler sind mit vier Diensten besetzt , deren schmucklose
Capitäle schlanke Glockenform haben. An den durch eine niedere Mauer
vom Schiffe getrennten , lang vorgelegten Chor lehnen sich zwei kapellen-
artige Einbauten. (Lübke Taf. 20 Fig. 4.)
Ibirg bei Osnabrück. Die Abteikirche, spätgoth. Umbau einer roman.
Anlage, welcher die Chormauern und das Querschiff angehören. Das Innere
ist verzopft.
Iseilf kl. Die Obere Stadtkirche , roh spätgothischer Umbau einer
kreuzförmigen romanischen Anlage, 1519. In dem nur mit einem (nördl.)
Seitenschiff versehenen Langhause achteckige Pfeiler. Der Thurm, der sich
oben in zwei dicht verbundene Massen mit selbständigen Spitzen löst, schiebt
sich weit in das Schiff vor.
■[•esfelil. Der goth. Umbau der Lampertikirche (oben S. 434) datirt
von 1483. Der dreifache Polygonschluss des Chores und die beiden öst-
lichen auf Rundpfeilern ruhenden Gewölbjoche sind ein Zusatz dieser Zeit.
Leagd. Der Chor und die Seitenschiffe der Nicolaikirche sind früh-
goth. Zusatz zu dem älteren Gebäude; vergl. oben S. 435. — Die Stifts-
kirche mit Rundpfeilern , welche, mit acht Diensten versehen , an ihrem
unteren Theile mit Maasswerk bedeckt und oben mit Laubcapitälen gekrönt
sind. Die Profile deuten auf die frühgoth. Periode.
Liesk^ni bei Lippstadt. Die ganz verunstaltete Benedictinerkirche in
der Grundform des Kreuzes 1306 — 1465, jetzt ohne Seitenschiffe, ehemals
mit einem (südl.) Seitenschiffe. Der Thurm ist Rest einer roman. Anlage.
(Lübke Taf. 20 u. 24 Fig. 16 — 18.)
Li|ipBtailt. Yergl. S. 435. Die Seitenschiffe der Grossen Marien-
kirche bilden um den 1478 — 1506 erbauten brillanten Chor einen von
Rundpfeilern getrennten Umgang, der mit fünfrippigen Kreuzgewölben ge-
deckt ist, während der Mittelraum ein Netzgewölbe zeigt. (Lübke Taf. 24 f. )
— Die Jacobikirche, ein frühgothischer Bau , dessen von cantonnirten
Rundpfeilern getrennte Schiffe in drei Polygonschlüssen enden. — Die
Kapelle, in Hallenform mit nur einem (südl.) Seitenschiffe und gerade
schliessendem einschiffigem Chor, XIV. Jahrhundert. (Lotz 1, 383.)
LUhgkaisei. Die 1507 begonnene Kirche, deren von schlichten Rund-
pfeilern getrennte Schiffe in drei Polygonschlüssen enden. Der in das Mit-
telschiff gezogene Thurm, vollendet 1558, mit grossem sechstheiligen Fenster
über dem Portal. (Lübke Taf. 23.)
LlUiei bei Dortmund. Roh spätgoth. Kirche mit Rundpfeilem , aus
Bruchsteinen und Ziegeln.
in Westfalen. 5g5
liieni bei Unna. Einschiffige, spätgothiseh umgebaute, ursprünglich
romanische Kirche.
Meillei bei Iserlohn . Die Kirche mit quadratisch gestellten Rundpfeilern ,
welche mit vier Halbsäulen besetzt sind; im Chor ältere frühgoth. Formen.
Meigeriigkaisei bei Corbach. Kirche mit cantonnirten Kundpfeilern .
Die Gewölbe sind von 1423, der Chor ist 1559 erneuert. (Lotz 1, 440.)
lililei. Das Langhaus des Domes^ edel frühgoth isch in schönen
freien Verhältnissen. Die weit gestellten, mit acht Diensten besetzten
Rundpfeiler tragen Laubkränze. Der Chorschluss datirt 1377 — 1379.
Die Seitenschiffe haben prächtige Fenster und auf den Flanken der Giebel-
dächer Strebepfeiler mit Bilderhäusem. (Schimmel, in Lief. lü. —
Lübke Taf. 18 u. 24.) — Die Marien- und die Martinikirche sind
beide ursprünglich von basilikaler romanischer Anlage, aber nach dem
Muster des Domes später in gothischer Hallenform einfach umgebaut.
Holleiheck. Vergl. S. 436. Das nach einem Brande von 1492 bis
1505 vollendete Langhaus hat achteckige Pfeiler mit stark ausladenden
Kämpfergesimsen und Scheidbögen von breiter Leibung. Der Kreuzgang
und ein ganzer Complex von Klostergebäuden (Lübke Taf. 20 Fig. m)
meist aus guter gothischer Zeit.
liuter. Die Lambertikirche, begonnen angeblich 1335 oder 1375,
der prachtvollste spätgoth. Bau Westfalens. Die Anlage ist unsymmetrisch,
da die Seitenschiffe von ungleicher Länge sind, und nur das südliche neben
dem im halben Zehneck geschlossenen Hauptchore in einem über die Flucht
der Abschlussmauer vortretenden Folygonabschnitte endet. Im Winkel
zwischen beiden Polygonschlüssen führt eine Wendelstiege in einem reiz-
voll durchbrochenen Thürmchen auf die Dachgalerie des Chores. Die mit
Netz- und Sterngewölben gedeckten Langhausschiffe werden von schlanken
wechselnd gebildeten , meist von vier Halbsäulen umgebenen Pfeilern mit
Laubcapitälen getrennt, deren Abstände nach Osten hin abnehmen. Die
Fenster haben reiche stemartige Maasswerkfüllung, und das Aeussere ist,
wiewohl in verdorbenem Geschmack, glänzend behandelt. (Schimmel,
in Lief. 2 u. 3. — Lübke Taf. 23 f.) — Die stattliche Liebfrauenkirche
(in Ueberwasser) , begonnen 1340, mit gedrängter Stellung der schmucklose
Capitäle tragenden, mit vier Diensten besetzten Pfeiler. Der Thurm ist der
reichste und schönste des Landes, aber nicht vollendet. (Lübke Taf. 24 f.
— Schimmel, in Lief. 2 u. 7. — Grueber, Vergleichende Samml. IL
Taf. 31.) — Die Martinikirche, mit schlichten Rundpfeilem und drei-
theiligen Fenstern (Lübke Taf. 24) mit gutem Maasswerk. — Die (Evan-
gelische, ehemals) Minoritenkirche, deren ziemlich niedrige Rundpfei-
ler mit schlichten Capitälen in der nördlichen Reihe glatt sind, in der süd-
lichen mit vier Diensten besetzt. Der Chor ist gestreckt.
NiekeiM im Paderbomischen. Die anscheinend aus einem roman. Bau
zu verschiedenen Zeiten entstandene Kirche. Das östlichste Joch des Mit-
telschiffes mit einem Paar cantonnirter Rundpfeiler und die Polygonschlüsse
der Seitenschiffe sind frühgothisch , der schief angesetzte Chor ist spät-
gothiseh. Das viereckige westlichste Pfeilerpaar und ein Portal deuten auf
spätromanische Zeit, und die beiden übrigen Pfeilerpaare sind nackt rund.
Die Gewölbe des Mittelschiffes haben gewundene Zwischenrippen.
&86 Oothische Kirchen
N«ltlh bei Koesfeld. ^ Die 1489 begonnene Kirche mit enggestellten
Rundpfeilem , die auf achteckigen Sockeln ruhen und zum Theil laub-
geschmückte Rundcapitäle tragen. Netz- und Sterngewölbe. Der Unterbau
des Thurmes im Uebergangsstil. (Lübke Taf. 23.)
0her« Marsberg unweit Paderborn. Die Nicolai kapelle in quadratischer
Hallenform mit gerade schliessendem Ostchor und Wandapsiden am Ende
der Seitenschiife. Das Mittelschiff hat einen westlichen Polygonschluss,
über dem sich ein achteckiger Thurm erhebt. Die gediegenen Details sind
am östlichen und westlichen Ende der Uebergangsperiode entsprechend, im
Schiff, dessen vier Rundsäulen mit vier alten und vier vorgekragten jungen
Diensten besetzt sind, frühgothisch mit romanischen Nachklängen. (Ltlbke
Taf. 15 — 17.)
Merikirekei bei Rinteln. Die gerade geschlossene Kirche mit acht-
eckigen Pfeilern, 1396 im Bau begriffen ; die westlichen Theile , die Vor-
halle und die beiden dicht an einander gerückten Thürme im Uebergangsstil.
telllgkaHseii bei Arnsberg. Die einschiffige Prämonstratensernonnen-
kirche mit westlicher Nonnenempore, im Stil des XIV. Jahrb., jedoch spä-
ter im Osten verlängert.
Mileiilorf (Hessisch-) bei Hameln. Die gerade geschlossene spätgoth.
Kirche mit niedrigen Achteckpfeilern zwischen den Schiffen und viereckigem
Westthurm.
•fliialiraek. Die Katharinenkirche, erbaut um 1340. Der Chor-
schluss lehnt sich unmittelbar an das Mittelschiff, welches durch eng ge-
stellte Rundpfeiler von den halb so breiten Seitenschiffen getrennt wird.
Die Pfeiler haben acht durch Hohlkehlen verbundene Dienste. Der einfach
viereckige Westthurm bildet eine Vorhalle von der Höhe des Mittelschiffes.
— Die Marienkirche*) hat in dem 1318 geweihten Langhause Rund-
pfeiler mit acht alten und jungen Diensten. Die Seitenschiffe bilden um
den 1406 — 1424 erbauten fünfseitig geschlossenen, äusserlich reich aus-
gestatteten Chor einen Umgang. Die Seitenschiffe haben Giebeldächer.
(Lübke Taf. 19.)
Pailerb#ni. Ueber den Dom s. oben S. 439. — Das spätgoth. Lang-
haus der Stiftskirche Bustorf (s. ebd.) hat achteckige Pfeiler.
EaHSd^rf bei Borken. Spätgoth. Kirche mit etwas niedrigeren Seiten-
schiffen, Rundpfeilern und einem stattlichen Westportal. Ziegelbau mit
Hausteindetails.
RecUilgkaMei. Die östl. Theile der Pfarrkirche (S. 439) von 1520
mit Sterngewölben.
Rheine unweit Münster. Die Pfarrkirche mit schlanken Rundpfeilern
und reichen Laubverzierungen an den Kämpfern derselben. Das nördliche
Seitenschiff ist etwas niedriger als das jüngere Südschiff, welches mit dem
Mittelschiffe gleiche Höhe hat. Der stattliche Westthurm von 1494 ist
durch grosse Fenster belebt, das Südportal durch Statuenschmuck undMaass-
werkgegitter vor dem darüber befindlichen Fenster bemerkenswerth.
1) Abeken, W., die St. Marienkirche zu Osnabrück. 1S42. Vergl. Kunstbl.
1S43. No. 17 f.
in Westfaleta. 5g7
Uetberg bei Gütersloh. Die unbedeutende Kirche ist aus einer kreuz-
förmigen roman. Anlage spätgothisqh umgebaut, wobei die viereckigen. Pfei-
ler durch Abkantung in achteckige verwandelt wurden.
kiel bei Münster. Kleine einschiffige Kirche aus dem XIV. Jahrb.
mit roman. Westthurm.
ScUldescke - bei Bielefeld. Einschiffige Nonnenkirche in Kreuzform
und mit gerade geschlossenem, äusserlich mit Fialen geschmflcktem Chor ;
XIV. Jahrhundert.
Sckwerte bei Dortmund. Die Kirche, vielfach verändert, enthält im
Kern einen roman. Gewölbebau in Kreuzform ; der Chor mit zierlichem
Sterngewölbe um 1500.
Seidel bei Lüdinghausen. Die spätgoth. Kirche mit Rundpfeilern und
etwas niedrigeren Seitenschiffen. Der Thurm ist romanisch.
S«e8t. Vergl. oben S. 440. Die Kirche Maria zur Wiese'), ge-
gründet 1313 und bis 1369 fortgeführt; dann wurde der Bau unterbrochen
und erst im XV. Jahrb. wieder aufgenommen : der Thurmbau 1429 begon-
nen. Das Mittelschiff schliesst mit sieben Seiten des Zehnecks, doch lehnen
sich die fünfseitigen Schlüsse der breiten Seitenschiffe an die beiden einge-
henden Seiten des Hauptschlusses, wodurch eine ungemein schöne Wirkung
erreicht ist. Die fast übermässig schlanken in quadratischen Abständen
errichteten vier Pfeiler (aus dem übereck stehenden Quadrat entworfen) sind
mit je acht Diensten besetzt, welche unmittelbar in die Gewölberippen über-
gehen. Die hohen viertheiligen Fenster, in der Mitte durch Maasswerk
quer getheilt , zeigen zum Theil reine , zum Theil schon ausgeartete Coii-
figurationen der BogenfüUung. Die unvollendeten Westthürme ruhen nach
innen auf zwei starken, reich gegliederten Pfeilern, und die unteren Räume
bilden die Verlängerung der ohne diese zu kurzen Schiffe. Das Aeussere
ist durch Fialenstreben und prächtige Doppelportale ausgezeichnet. Die
Kirche wird seit 1851 restaurirt und ausgebaut. (Lübke Taf. 21 . 22 u. 24.
— Förster, Denkjn. 8, 33 — 36u.2Taf. — Details bei Grueber,
Vergleichende Samml. I. Taf. 9 — 11, St atz und Ungewitter Taf. 25
u. 32, Ungewitter, Lehrbuch, Taf. 13 Fig. 329. — Vergl. oben S. 579
Fig. 231 u. S. 580.) — Die Minori tenkirche, einfach edelgothisch,
nüt lang vorgelegtem Chor und im Langhause mit weit gestellten Rund-
pfeilem, die mit vier Diensten besetzt sind. Prachtvolle drei- und vier-
theilige Fenster, doch ist die Südseite fensterlos. (Lübke Taf. 21.) —
Der Minoritenkbche verwandt ist die Paulskirche, doch datirt hier der
Chor erst aus spätgoth. Zeit. Das Untergeschoss des Westthurms steht mit
dem ßchiffe durch zwei von einem Mittelschaft getragene Bögen in Ver-
bindung und ist Übei einem achteckigen Mittelpfeiler mit einem achttheili-
gen Rippengewölbe gedeckt. (Lübke Taf. 21.)
Stadtldha bei Vreden. Unbedeutende spätgoth. Kirche mit Rundpfei-
lern. Das nördliche Seitenschiff ist niedriger und liegt unter besonderem
Dache. Ziegelbau mit Hausteindetails.
Str^Mherg im Münsterland. Die Kreuzkirche mit schmalen Seiten-
schiffen unter Giebeldächern, XIV. Jahrb. Die runden Pfeiler sind mit vier
1) Vergl. J. D. Passavant, im Kunatbl. 1841. No. 11.
588 Oothische Kirchen in Westfalen.
kräftigen Halbsäulen besetzt und mit zierlichen Kämpfersimsen gekrönt.
Etwas älter erscheint der kurze Chor in reicherer und zierlicherer Durch-
bildung. Die Gurtträger zeigen saubere Laubcapitäle , die Fenster Einfas-
sungen mit Säulchcn und Kundstäben . sowie prachtvolles Maasswerk. —
Die Pfarrkirche trägt im viereckigen Chor noch Merkmale der üeber-
gangsperiode an sich , das kurze Langhaus hat zwei Paar schlichte Rund-
pfeiler und in den Fenstern frahgothische Formen.
ÜMa. Die Kirche^ deren mit dem Hauptschiffe fast gleich breite Neben-
schiffe einen Umgang um den 1389 — 1396 erbauten Chor bilden. Im Lang-
hause , welches durch zwei kreuzförmige , in den Ecken mit Gurlträgern
versehene Pfeiler von dem Chore getrennt wird , sind die meist in quadra-
tischen Abständen aufgestellten Pfeiler schlicht rund mit runden Sockeln
und rohen glockenförmigen Kämpfern. Die Rundpfeiler des Chores sind
schlanker gehalten und mit vier Halbsäulen besetzt. Der 1407 — 1467 er-
richtete viereckige Westthurm ruht innerlich auf zwei gewaltigen Rund-
pfeilern, die mit den Schiffpfeilern nicht Flucht halten. Die Kirche ist
restaurirt und mit neuem Fenstermaasswerk versehen. (Lübke Taf. 19
u. 24.)
Vreäeil. Die Pfarrkirche mit schlanken Rundpfeilern, die im östlichen
Theile des Langhauses enger gestellt sind, als in dem 1478 erbauten und
mit Sterngewölben gedeckten westlichen Theile. Der Chor ist kura vor-
gelegt. Der Thurm und das schmuck volle Portal der Nordseite sind Ueber-
reste eines romanischen Baues.
Waltr«p bei Lünen. Die kleine spätgoth. Kirche mit schmalen Seiten-
schiffen und eng gestellten Rundpfeilern. Der Chor ist gerade geschlossen.
(Details bei Lübke auf Taf. 19.)
Warbwg. Die bald nach 1284 geweihte Untere Stadtkirche, deren
Seitenschiffe neben dem kurzen Chore , diesem entsprechend , polygonisch
enden. Die Pfeiler sind rund und mit je acht Halbsäulen besetzt , von
denen die vier schwächeren auf Consolen basirt sind und deren Capitäle
Eichenlaubschmuck zeigen. Die Strebepfeiler sind mit Fialen gekrönt.
Wareml^rf unweit Münster. Die Kirche mit schlichten Rundpfeilern
und Giebeldächern über den Seitenschiffen, XV. Jahrhundert.
WeMereB bei Dülmen. Die Kirche des 1477 gegründeten Karthäuser-
klosters, einschiffig aus Ziegeln mit modernem Dachthurm.
Werl bei Soest. Spätgoth. Pfarrkirche mit schmalen Seitenschiffen.
Die schlanken Rundpfeiler haben vier Dienste mit polygonen Sockeln und
schlichten Capitälen. In den Seitenschiffen setzen sich die Dienste über
den Capitälen weiter fort und tragen die Gewölbegurte erst über finem
zweiten Capital. An das nördliche Seitenschiff schliesst sich nach Art eines
Kreuzarmes ein Raum, dessen Gewölbe auf einem Mittelpfeiler ruhen. Die
Wände der Kirche sind unterhalb der Fenster mit Maasswerk belegt.
Wietteibrück. Das spätgoth. Langhaus der Kirche (oben S. 412, mit
achteckigen Pfeilern. Der Westthurm ist neu.
Welbeck bei Münster. Kleine edelgothische Kirche mit schmalen Seiten-
schiffen und kurzem Chor. Kräftige mit vier Halbsäulen besetzte Pfeiler.
Wtrneh bei Warburg. Einschiffige Nonnenkirche mit geradem Chor-
Bchluss und Westempore, XIV. Jahrhundert.
fig. 232. Marienkirclie in Prenzlau (nach Kallvnbarh).
VII. Im norddeutschen Tietlande.
Literafiir: Die oben S. 445 angefahrten Schriften. — Quast, Ferd. v.,
Denkmale der Baukunst in Freussen, nach Froyinzen geordnet. Erste Abtheil.
Provinz Freussen. Lief. 1—4. 1852 — (1864). Ueber die Ziegelbauten in Nieder-
sachsen westlich von der Elbe vgl. den Bericht über einen Vortrag v. Qu as t's
in der Beilage zu No. 60 des Frcuss. Staatsanzeigers vom J. 1850; Aber die
Ziegelarchitektur des Küstenlandes zwischen Oder und Elbe den Bericht Über
«inen Vortrag Stüler*s, ebd. Beilage zu No. 37 vom J. 1849. — Lübke,
W., eine Reise in Meklenburg, in No. 35 — 39 des Deutschen Kunstbl. von
1852. — Derselbe, Acht Tage in Freussen, a. a. O. 1856. No. 10—13. 16
u. 18. — Reiseskizzen der Berliner Architekten auf ihren Studienfahrten nach
Freussen im Sommer 1858. (Nicht im Buchhandel.) — Bergau, R., Charak-
teristik der kleineren Ffarrkirchen in FommercUen, im Organ f. christl. Kunst.
1%5. No. 10 f.
Vorbemerkung.
108. Dem Charakter der norddeutschen Länder und Völker ent-
«prechend erscheinen die schlichten, einfachen, ruhigen Massen der
0 1 1 e , Kunst- Archäologie.
38
590 Oothische Kirchen
Kirchen in der grossen Ebene des norddeutschen Tieflandes,
zuiü Theil und namentlich in den decorativen Theilen allerdings ab-
hängig von dem Material der nur in kleinen Massen za gewinnenden
Backsteine. Freistehende , noch mehr frei durchbrochene Detailif in
den leichten Formen des Hausteinbaues vermochte sich der Ziegelbau
schwerlich anzueignen; man begnügte sich daher in den meisten Fäl-
len mit blendenartig .auf den Wandflächen aufliegenden stilgemässen
Decorationen, wodurch der hochstrebende Charakter der gothischen
Baukunst indess ebenso beeinträchtigt werden musste, als durch die
eigenthümliche Anwendung von verschiedenfarbigen Wechselateinen,
welche' die aufsteigenden Gliederungen in wagerechten Schichten
durchschneiden. (Vergl. oben S. 266.) Die Blüthezeit des Ziegelbaues
fallt in die erste Hälfte bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts; in der
zweiten Hälfte desselben erschlafft der Stil, nimmt iüdess im XV. Jahr-
hundert, namentlich in den brandenburgischen Marken (Katharinen-
kirche in Brandenburg, Dom zu Stendal, Wallfahrtskirche zu Wils-
nack), einen erneuten Aufschwung. — Die reichste und bedeutendste
Gruppe von Backsteinkirchen findet sich in dem Küstenlande zwischen
Elbe und Oder, wo die grossartige, in ihrer Anlage den französischen
Kathedralenstil mit Chorumgang und Kapellenkranz befolgende Ma-
rienkirche zu Lübeck, ein Gebäude ersten Hanges,- das Vorbild für die
ausgezeichneten Kirchen von Doberan, Schwerin, Wismar, Rostock
und Stralsund geworden ist. Das Mittelschiff in. mehreren dieser Ge-
bäude, welche gewisser massen als Uebersetzungen des Steinbaues an-
zusehen sind, steigt mit einer den Cölner Dom fast übertreffenden
Kühnheit empor; selten jedoch steht die Breite und Länge der Kirchen
zu ihrer ausserordentlichen Höhe im richtigen Verhältniss; sie sind
nackt an Details und zeigen wenige der den Ziegelbau charakterisiren-
den Formbildungen. Dazu kommt die bedeutende Breite und Höhe
der Seitenschiffe , welche für das Hauptschiff entweder nur sehr nie-
drige, innerlich an der Scheidmauer als Blenden nach unten verlän-
gerte , Fenster gestattete — oder diese Blenden mussten die Fenster
völlig ersetzen. . Die Arkadenpfeiler sind entweder
viereckig mit Vorlagen an den vier Seiten und pro-
filirten Ecken (Lübeck, Schwerin, Doberan; Fig.
233)^ oder achteckig, früher mit Gurtträgern an
den Seitenflächen und Gliederungen auf -den Ecken,
später (im XV. Jahrh.) insgemein nackt. Rund-
pfeiler kommen selten vor. Die Fenster, obgleich
Fif. 233. wie die Portale , an den Gewänden oft sehr reich
im norddeutschen Tieflande.
5^1
Fig. 2;u.
und geschmackvoll in Formsteinen gegliedert , haben in der Regel
keine decorative Füllung; die Rundpfosten kreuzen sich im Bogen-
felde in einfachen Linien (Fig. 234), oder stossen
gar, die verticale Aufsteigung beibehaltend, an den
Deckbogen an. Als sehr unschön ist die an der im
XV. Jahrhundert erbauten Marienkirche zu Sttal*
sund und an dem Mittelschiff des Doms zu Schwe-
rin vorkommende Weise zu bezeichnen; wo die
Fenster des Hauptschiffes mit flachen Sg^tzbögen
gedeckt sind^ deren Schenkel mit der Seitenwan-
dung einen Winkel bilden. Die Strebepfeiler fin-
den sich häufig nach innen gezogen , oder es sind
kleine, niedrige, rechteckige Kapellen zwischen
hineingebaut ; Strebebogen , in Deutschland über-
haupt schon selten, sind es noch mehr im Gebiete des Ziegelbaues;
sie kommen nur bei obigen hanseatischen Kirchen .(an der M-arien-
kirche zu Lübeck, am Dom in Schwerin, an der Nicolaikirche in Stral-
sund, Marienkirche, Nicolaikirche und Georgskirche in Wismar) , so-
wie mehrfach in Schlesien vor, können aber in mehreren Fallen eine
plumpe Massenhaftigkeit nicht verläugnen. Das Aeussere der Back-
steinkirche, des bildnerischen Schmuckes fast gänzlich ermangelnd,
ist um so schlichter, als in der Mehi*zahl der Fälle Schiffe von gleicher
Höhe von einem gemeinsamen hohen Dache bedeckt sind (doch herrscht
in den Hansestädten an der Ostsee das hohe Mittelschiff mit niederen
Seitenschiffen vor, welche Anordnung auch anderwärts theilweise wie-
derkehrt). Und ein Fries (aus gebrochenen Spitzbögen, Rauten, Roset-
ten etc.), unter dem Kranzgesims hinlaufend, bildet oft die einige
Zierde; dagegen erscheinen die Giebel und Thurmwände häufig mit
Blenden und aufliegendem Maasswerk in eigenthümlicher Weise ge-
schmückt. Gemeiniglich ist nur ein Westthurm, dessen Viereck selten
in das Achteck umsetzt, angeordnet: er imponirt höchsten^ durch seine
Masse und zahlreiche Blendenreihen bilden die in der Ferne verschwin-
dende, nüchterne Decoration. Doch finden sich in der Mark und in
Meklenbnrg an den Marieukirphen von Prenzlau (oben Fig. 232), Neu-
Brandenburg und Königsberg i. d. N. und an der Katharinenkirche von
Brandenburg Beispiele für die glücklichste Nachbildung der sofst nur
dem Hausteinbau eigenen Formbildungen zur reichsten Ausschmückung
des Aeusseren , welchen sich in Pommern die Marienkirche zu Star^
gard, in Preussen etwa die Neustädter Jacobikirche von Thorn in
ebenfalls gelungener Weise anschliessen. — Im Ordensland Preussen,
38*
592 Gothiflche Kirchen
WO der Schlossbau der deutschen Ritter Ton angebend auch für den
Kirchenbau war, haben die Kirchen regelmässig Schiffe von gleicher
Höhe> die häufig mit kriegerischen Zinnen gekrönt und mit Wehr-
gängen in der Dicke der Umfassungsmauern versehen sind : der Chor
schliesst hier fast ausnahmslos (selbst an der grossartigen Marienkirche
von Danzig) mit einer geraden Wand einigermassen ärmlich ab, wo-
durch sich indess, zumal bei dem Fehlen des Querschiffes, Gelegenheit
zur reichen Ausschmückung des entstehenden grossen östlichen Gie-
bels in erwünschter Weise darbot. Bemerkenswerth ist das frühzeitige
Vorkommen runder, namentlich flachrunder Bögen und Gewölbdecken,
welche letztere in der Kegel zu künstlichen Stern -, Netz- und Zellen-
figurationen ausgebildet und in bewundernswerther Meisterschaft aus-
geführt sind, ^j — In Schlesien bleibt die S. 450 bemerkte Mischung
von Back- und Hausteinen üblich, und das Material der Ziegel wirkte
nur auf die Gesammtform der Bauten, weniger auf die Detaüs bestim-
mend ein. Unter den zahlreichen Kirchen von Breslau hat die Mehr-
zahl die basilikale Anlage mit niederen Seitenschiffen. Die Pfeiler,
meist rechteckig gestaltet und nur an den Zwischenseiten mit einem
Rundstabe besetzt oder gegliedert, sind in quadratischen Entfernungen
aufgestellt, und in den hierdurch bedingten oblongen, in der Ueber-
wölbung als Doppeljoche behandelten Feldern der schmalen Seiten-
schiffe sind zwei schlanke Fenster neben einander angeordnet^ wodurch
eine sehr starke, aber günstig wirkende Beleuchtung entstand. Die
Gewölbegurte gehen insgemein nur von Consolen aus, und die Detaü-
bildung erscheint überhaupt oft bis zur Rohheit einfach.
Die eigentliche architektonische Bedeutung der Kirchen aus ge-
branntem Stein beruht in den schönen, klaren und majestätischen Ver-
hältnissen der inneren Räume, zu deren Wirkung eine reiche Ausbil-
dung der Kreuzgewölbe nicht unwesentlich beitragt.
Vergl. Schnaase, Kunstgesch. 5, 591—614; 6, 329—366. — Kugler,
Gesch. der Baukunst 3, 435 — 406. — Ldbke, Gesch. der Architektur.
3. Aufl. S. 585 — 595.
AUeisteiil in Ermland. Die rechteckige Jacobikirche in Hallenform
mit achteckigen Pfeilern, ZellengewOlben und stattlichem Westthurm, neben
dem sich die Seitenschiffe als niedrige Kapellen unter besonderen Pult-
dächern fortsetzen. Die Kirche ist fast ganz von Süd nach Nord orientirt.
1) In den grossen Landparochien der Weichselgegenden, in Samland und £rm-
land, finden sich, im Gegensatze zu den insgemein minder bedeutenden Stadtkirchen,
Tiele ansehnliche Dorfkirchen ^on bedeutsamer Durchbildung , meist aus dem
XIV. und XV. Jahrb., deren mehrere in der unten folgenden alphabetischen Zusam-
menstellung einzeln aufgeführt sind.
im norddeutschen Tieflande. 593
(v. Quast, Denkm. Heft 4 Taf. 22 Fig. 1—5.) — Die einschiffige recht-
eckige Schlosskapelle, spätgothisch mit Netzgewölben.
Altkrias^W bei Pritzwalk. Schöne einschiffig rechteckige Kirche mit
Sterngewölben und decorirten Giebeln, vollendet 1520.
AicIem« Die Marienkirche mit drei Schiffen von gleicher Höhe;
der östliche Theil , mit Ausnahme der abgeschrftgten Seitenschiffe und der
geraden Schlusswand des Mittelschiffes, Umbau einer filteren Kirche streng-
gothischen Stils ; die westliche Hälfte mit achteckigen Arkadenpfeilem ist
jünger. (Kugler, Kl. Sehr. 1, 698 Fig. 60— 62.) Von den beabsichtigten
beiden Thürmen ist nur der südliche (Essenwein, Backsteinbau Taf. 1 0
Fig* 6) vorhanden, die Stelle des nördlichen nehmen zwei Kapellen aus
dem XVI. Jahrhundert ein. — Die Nicolaikirche hat drei gleich hohe
Schiffe : das Hauptschiff schliesst dreiseitig , die Abseiten diagonal gestellt
vierseitig über die Seiten wände vortretend; die Arkadenpfeiler sind einfach
achteckig. Der Westthurm mit reichem Portal steht über einer dreifachen
Vorhalle. (Kallenbach, Atlas. Taf. 61. — Kuglera. a. O. S. 723 f.
Fig. 115—120; Essenwein a. a. O. auf Taf . 10. 16 u. 24.)
Algemtalle. Die Marienkirche mit gleich hohen Schiffen, XIV. und
XV. Jahrh. — Die Franciscanerkirche (Magazin) mit zerstörtem
Gewölbe, XV. Jahrhundert.
Ansherg bei Wormditt. Dorfkirche mit einem Aufbau für die Signal-
glocke am Ostgiebel und mit westlich vorgelegtem Thurm , dessen Spitze
aus dem Viereck ins Achteck übergeht, (v. Quast, Denkm. Heft 4 Taf. 23
Fig. 5.)
Answalde in der Neumark. Dreischiffige Hallenkirche mit drei Paar
achteckigen Pfeilern und sehr langem einschiffigem, dreiseitig geschlossenem
Chor. Der Thurm vor der Westfront enthält die Vorhalle, liegt aber nicht
in der Axe der (restaurirten) Kirche.
Barth unweit Stralsund. Hallenkirche mit achteckigen Pfeilern und
einschiffigem, gerade schliesscndem Chor. Der viergiebelige Westthurm
Über einer dreifachen Vorhalle.
Banith unweit Jüterbog. Die 1376 geweihte, thurmlose (anscheinend
nur interimistisch vollendete und jetzt der Gewölbe entbehrende) Marien-
kirche, in Hallenform mit schlichten achteckigen Pfeilern. Die schräg ab-
geschnittenen Seitenschiffe bilden mit der geraden Ostwand des Mittelschif-
fes einen dreiseitigen Schluss.
Beeskaw a. d. Spree. Die Marienkirche ^) , Hallenbau mit achteckigen
Pfeilern, die in dem mit siebenseitigem Umgange schliessenden Chor eng,
im Langhause weitläufig gestellt sind. An die Südseite des letzteren schliesst
sich noch ein zweites, niedrigeres Seitenschiff, welches jedoch jetzt mit un-
ter dem gemeinsamen Dache liegt, so dass die (jetzt vermauerten) kleinen
und hochgestellten Oberlichter auf dem Dachboden befindlich sind. Das
Mittelschiff hat Sterngewölbe, die übrigen Schiffe einfache Kreuzgewölbe,
und die Kippen sind aus gewöhnlichen Mauerziegeln construirt. Westlich
1) Ziethe, W., die Liebfrauenk. zu Beeskow u. ihre Gesch. 1S53. — Zeich-
nung von *der Kirche und demThurme zu Beeskow, aufgenommen vonW.Emmich.
Ein lithogr. Blatt o. J.
594 Grothiflche Kirchen
steigt der von unten auf rechteckige Thurm mit Zinnenkranz und Pyrami-
denspitze achteckig über der mit Blenden decorirten Giebelfront aus dem
Dache der Kirche aut\ die ihre gegenwärtige Gestalt erst nach Brftnden von
1512 und 1513 erhielt. NOrdlicb schliesst sich an das Ostende des Lang-
hauses eine kreuzarmartige Vorhalle und an den Chor ein zweistöckiger
Kapellenanbau .
Belgknl bei COrlin^ Die Marienkirche mit niederen Seitenschiffen und
einschiffigem Chor; Achteckige Pfeiler mit Rundstäben in den abgestuften
Ecken und einer Halbsäule an der Vorderseite. Die ehemaligen Stern-
gewOlbe sind im liänghause nicht mehr vorhanden. Der Westthurm. bildet
unten eine hohe mit dem Schiffe verbundene Halle. [Kugler, Kl. Sehr.
1, 733 Fig. 131.)
Berlta.*) Die (Franciscaner-) Klosterkirche*-'), gegründet 1271,
aber wohl erst 1290 begonnen in dem mit niedrigen Seitenschiffen verse-
henen Ijanghause, dessen theils von vier-, theils von achteckigen, mit Halb-
säulen besetzten kurzen Pfeilern getragene Arkaden noch an romanische
Motive erinnern. Der einschiffige Chor schliesst mit sieben Seiten desZehn-
ecks, und die Nische tritt deshalb über die Flucht der Seitenwände hinaus :
die mit schönem Ziegelmaasswerk geschmückten Fenster zeigen einen be-
reits fortgeschrittenen Stil des XIV. Jahrhunderts. Die Kirche ist poly-
chromatisch restaurirt, und die beiden Westthürmchen sind modern.
(Adler, Backsteinbauwerke. II. Bl. 71 u. 72 Fig. 5 — 10. — Details bei
Kugle r, Kl. Sehr! 1, 104 ff. u. Essen wein , Backsteinbau Taf. 15 Fig. 5.
— Das Innere, im Atlas zu Ku gl er 's Kunstgesch. Taf. 56 No. 7.) Der
Capitelsaal des Klosters 1471—1474, der Conventsaal 1516—1518. —
Die beiden mittelalterlichen Pfarrkirchen der Residenz waren ursprünglich
Granitgebäude, wie einzelne Ueberreste beweisen, die noch aus der Zeit
vor den grossen Stadtbränden von 1377 und 1380 herrühren: die Nico-
laikirche (oben S. 451), die ihre gegenwärtige CJestalt erst 1460 — 1487
erhielt, hat die HuUenform, und die Seitenschiffe bilden einen siebensei-
tigen Umgang um den dreiseitigen Chorschluss. Zwischen den zur Hälfte
nach innen gezogenen und oberwSrts von einem Mauerumgange durch-
brochenen Strebepfeilern sind unten niedrige Kapellen eingebaut. Am
Westende der Südseite wurde 1452 die zweistöckige Marienkapelle mit zier-
lichem Giebel'*) angebaut. (Essenwein a. a. O. Taf. 30 Fig. 7 u. Taf. 32
Fig. 2 — 4.) Die Marienkirche"*), in Hallenform mit einschiffigem Chor,
soll schon 1383 wieder hergestellt gewesen sein. Die westliche Vorhalle,
an der Sandsteindetails vorkommen, mit dem (oben zopfigen) Thurm datirt
1) Nicolai, F., Beschreib, von Berlin u. Potsdam. :\ Thle. nS6. — Seidel,
C, die schönen- Künste zu Berlin. 1$2S. — WcBsely, A. F., Berlin von der älte-
sten bis auf die neueste Zeit» 1855. — Fidicin , die Hauptmomente aus der Gesch.
Berlins. 1858. — Adler, F., die Baugesch. von Berlin. 1S6I.'— Schasler, Max,
Beitrage zur älteren Kunstgesch. Berlins, in den Dioskuren. 1861. S. 371 ff.
2) Bellermann, J. Joach., das graue Kloster in Berlin. 3 Progranune 1823
— 1825.
3} Abbild, in Repton, Observations upon some buildings in Prussia, in Bd. 21
der Archaeologia, publ. by the society of antiquaries of X^oadon. f S27.
4) Ein Grundriss bei Lühke, der Todtentanz in der Maricnk. zu Berlin. 1861.
im norddeutlichen Tieflande. 595
erst aus dem XV. Jahrb. Der an der Südseite angebrachte Vorbau zeigt
an dem Giebel aufsteigende Spitzpfeiler (Essen wein a. a. O. Taf. 32 Fig. 1) .
Beide Kirchen haben achteckige, an den Flächen mit sehr starken Diensten
besetzte Pfeiler. — Die angeblich 1313 erbaute Heil. Geist- (Hospital-)
Kirche, ein einschiffiges Hecht eck mit Sterngewölben von 1476 und
schinuckvollem Ostgiebel; restaurirt. (Adler a. a. O. Bl. 72 Fig. 1 — 4.)
BeiMUl unweit Berlin. Die grossartige Marienkirche^) (anscheinend
aus einer ursprünglich basilikalen Anlage umgebaut) mit vier Schiffen von
gleicher Hohe (auf der Nordseite zwei Seitenschiffe) und Rundsäulen mit
je drei oder vier Diensten im Chor ; zwischen den Schiffen sind die Pfeiler
meist achteckig mit acht Gurtträgern ; die bunten Netz- und ZellengewOlbe
vollendet 1519. Die Sacristei, deren Gewölbe auf einer gewundenen Mit-
telsäule ruht, besonders zierlich. (Detail bei Ku gl er, Kl. Sehr. 1, 115.)
Biudeibwg a. d. Havel. Der goth. Umbau des Domes (oben S. 451)
Ällt in das XIV. (1307. 1377) und XV. Jahrhundert (1426—1435). Der
Kreuzgang (Detail bei Essen wein, Backsteinbau Taf . 28 Fig. 1 f.) gehört
ebenfalls dem XIV. Jahrb. an. — Die Franciscaner- (jetzt reformlrte)
Kirche, ein gegen 1300- entstandener, ursprünglich einschiffiger Bau, dem
gegen 1420 ein neuer, siebenseitig aus dem Zehneck schliessender Chor
und auf der Nordseite ein Stück niederes Seitenschiff, sowie südlich am
Chor ein schlanker achteckiger Thurm hinzugefügt wurde. Restaurirt mit
Ersatz der Ziegelgewölbe durch hölzerne. (Adler I, 27 — 29 und auf
Bl. 19 f.) — Die Godehardskirche (oben S. 452), ein dreischiffiger
Hallenbau (um 1350) mit etwas überhöhtem Mittelschiff, halbsechseckig
geschlossenem Chore und fünfseitig herumgeführten Seitenschiffen, Die
Pfeiler sind rund und mit vier zierlichen Diensten besetzt. Die zwischen
den Chorstrebepfeilern angebauten Kapellen datiren zwischen 1428 — 1470;
Der Ziegelaufsatz des zwischen den beiden alten Westthürmen in vierecki-
ger Masse aufsteigenden Mittelthurmes zeigt unten ältere, durch später ein-
gesetzte goth. Fenster zerstörte Detailreste. (A.a.O. S. 23—27 u. Bl. 18.).
— Die Katharinenkirche^, dreischiffiger im halben Sechseck geschlos-
sener Hallenbau mit fünfseitigem Chorumgang der Seitenschiffe. Die Pfei-
ler sind achteckig mit Rundstäbchen an den abgeschrägten Ecken und je
zwei Bündeldiensten für die theils einfachen Kreuz - , theils zusammen-
gesetzten Stern- und Netzgewölbe. Die nach innen gezogenen Streben sind
mit.spitzbogigen Durchbrechungen versehen und unter den Fenstern durch
Flachbögen mit einander verbunden. Die Strebepfeiler zeigen äusserlich
reichen Schmuck mit Maasswerk aus schwarz glasirten Ziegeln und (meist
verschwundenen) Thonstatuen in dreifacher Reihe unter Wimbergen. Die
Erbauungszeit des Langhauses (mit Ausnahme der älteren Südwestecke aus
Granit) lUllt 1381—1401, des Chores etwa 1407—1411, des Thurmes der
Westfront 1583 — 15S5. Den glänzendsten Schmuck zeigt die der Nord-
seite des Schiffes verbundene Fronleichnamskapelle mit Fialenstreben, Gie-
beldurchbrechungen und Galerien in buntfarbigen Wechselschichten. (A.a.
1] Vergl. Manger, in Romberg's Zeitschr. Jahrg. 1864.
2) Heffter, M. W., Qeschichtl. u. artistische Beschreib, der St. Katharinen-
u. Amalbergenkirche in Brandenburg. 1842.
596 Gk)t]iiBche Kirohea
O. S. 17—21 u. Bl. 11—14. —V. Minutoli, Denkm. Hit. 2. — För-
ster, Denkm. 2, 43 — 46 u. 1 Taf. — Kallenbach, Atlas. Taf. 63.)
— Die Paulskirche des 1287 gegründeten Dominicanerklosters, drei-
schiffiger Hallenbau mit schmalen Seitenschiffen und schlicht achteckigen
Pfeilern. Der lang gestreckte einschiffige Chor erscheint etwas jünger, aber
ebenfalls noch im strengen Stil. Die Fenster haben edeles Maasswerk aus
Ziegeln. Neben dem Chore, südlich, wo sich der einfach schöne Kreusgang
anschliesst, erhebt sich ein schlanker, oben achteckiger Thurm. (Adler
a. a. O. S. 29 f. u. Bl. 19 f. — Details bei Essenwein a. a. O. Taf. 20
Fig. 4—8 u. 28 Fig. 1 f.) — Die Hospitalkapelle St. Jacob, einschiffig
rechteckig, im frühgoth. Stil, mit Holzdecke. Interessant ist das achteckige
Westthürmchen , welches sich unten in einer sehr tiefen Spitzbogenblende
öffnet. (Adler a. a. O. S. 15 u. Bl. 8.) — Die Petrikapelle (oben
S. 452), im zweischiffigen Ausbau mit sechseckigen Pfeilern und Zellen-
gewölben um 1521. Der Ziegeloberbau der Umfassungswände und die
Eckstreben sind frühgothtsch von 1312. (A. a. O. S. 10 f. u. Bl. 5.)
Bnittberg im Ermland. Die Katharinenkirche (1367 — 1381),
ein rechteckiger, an den östlichen Ecken etwas abgeschrägter, dreischiffiger
Hallenbau mit achteckigen Pfeilern , an dessen Ostgiebel sich apsidenartig
ein polygones Altarhaus anschliesst. Die Fenster mit Zi^gelmaasswerk.
Die Sterngewölbe und der Westthurm datiren erst aus dem XV. Jahrb.
Neuerlich ist die Kirche verändert worden, (v. Quast, Denkm. Hft. 4.
Taf. 19 f.) — DieTrinitatiskirche, einschiffig mit dreiseitigem Schluss
und Holzdecke, unbedeutend. (Ebd. Taf. 20 Fig. 11.)
Brenei. Vergl. oben S. 406. — Der einfache Kreuzgang am Dom
mit sechsrippigen Gewölben und älteren roman. Theilungssäulchen in den
Arkadenbögen ; östlich grenzt eine dreischiffige Halle mit kurzen achtecki-
gen Pfeilern an. — Die Johanniskirche und die Katharinenkirche
sind einfache dreischiffige Hallenbauten mit einschiffigem Chor ; erstere hat
kreuzförmige, mit acht Diensten besetzte Pfeiler, letztere (mit Rundpfeilern)
ist profanirt und der Gewölbe beraubt. Lotz 1, 110.
Bresfaui. *) Die Corpus Christi Kirche, dreischiffig basilikal mit
kurzem einschiffigem Chor: vollendet 1447. Viereckige Pfeiler mit Rund-
stäben an den abgeschrägten Ecken. Kein Thurm, aber ein schmuckvoller
Giebel. (Details bei Luchs, Stilproben. Taf. 2 Fig. 27 f.) — Der Dom^),
ein basilikaler Hausteinbau (mit Andeutung eines Querschiffes durch ein
zwischen Chor und Schiff angeordnetes quadratisches Joch) , wesentlich aus
zwei verschiedenen Zeiten herrührend: der frühgoth. gerade geschlossene
dreischiffige Chor mit herumgeführten Seitenschiffen, um 1250. Die Pfei-
ler sind reich gegliedert und die Ueberwölbung ist in Doppeljochen mit
sechs Rippen ausgeführt. Jünger (um 1333) ist das viel kürzere Langhaus
1) Luchs, Herrn., Breslau, ein Führer durch die Stadt. (1857.) 2. Aufl. 1858.
— Lübke, W., Mittelalterl. Kunstwerke in Breslau, in der Zeitschr. für Bauwe-
sen. 1860. Sp. 54—83.
2) Die Domkirche zu Breslau. Ihre Merkwürdigkeiten u. Denkmfller. Mit Ab-
bild. 1843, — Erdmann, Beschreib, der Kathedralkirche ad S. Joh. u. der Kirche
des h. Kreuzes. Breslau 1^50.
im norddeutichen TiefUnde. 597
mit schlichten viereckigen Pfeilern und Triforiengalerie. Die Gewölbe sind
im Mittelschiffe zopfig. Von den vier Thünnen ruhen die beiden westlichen
im Innern auf kräi'tigen Pfeilern, die unbedeutenden östlichen sind unvoll-
endet. Aeusserlich hat der Chor schwere, das Schiff leichtere Strebebögen.
An beide Seiten der Kirche lehnen sich zierliche spätgoth. Kapellen, östlich
an den Chor die 1354 — 1361 erbaute viereckige PogarellenkapeUe. Vor
dem Westportal eine nach allen Seiten geöfhete rechteckige Vorhalle von
1465—1468. — Der Dom ist restaurirt. (Lübke a. a. O. Sp. 57. —
Details bei Luchs a. a. O. Fig. 2. 4—8 o. 21—23 a.) — Die Domini-
ca nerkir che St. Adalbert, einschiffig in Kreuzform mit etwas jüngerem
lang gestrecktem Chor und südwestlich daneben stehendem zierlichem
Thurm. lieber den Seitenkapellen des Chores schwere Strebebögen. (Details
ebd. Fig. 1 f. 3. 24 f.] — Die Dorotheenkirche des 1351 gestifteten
Augustinerklosters, aus drei fast gleichlangen Schiffen bestehend, in Hal-
lenform mit fünfseitigem Schluss des Mittelschiffes. Die viereckigen Pfeiler
nehmen durch vielfache Auseckungen fast achteckige Hauptform an. In
jedem Seitenschifijoche zwei Fenster neben einander, zwischen denen, auf
einer Cönsole basirt , das Gewölbe in halber Stemform gegen die Pfeiler
ausgeht. — Die Elisabethkirche ^), grossartig basilikal, mit drei gleich
langen Schiffen, deren jedes im halben Achteck geschlossen ist. Die recht-
eckigen Pfeiler (Lübke a. a. O. Sp. 73) sind an den Ecken gegliedert und
an den beiden Fronten mit polygonalen Vorlagen versehen. Zwischen den
kurzen Oberlichtem und den niedrigen Arkaden ist die grosse Fläche der
Scheidmauem kahl gelassen. Das Fenstermaasswerk ist spätgothisch , und
die hohen Fenster des Chorhauptes sind in der Mitte quer getheüt. — Das
Langhaus , dessen Östlichstes Joch durch quadratische Stellung und zum
Theil grössere Masse der Pfeiler das fehlende Querhaus markirt, ist schief
an den anscheinend älteren Chor angesetzt und schliesst in Westen auffal-
lend schief winkelig. Neben dem Westende des südlichen Seitenschiffes
steht der 1452 — 1458 gebaute colossale Thurm. Die Kirche (restaurirt
lg57 — 1859) ist an beiden Seiten zwischen den Strebepfeilern mit späte-
ren Kapellen besetzt, und die Strebebögen liegen unter der Bedachung. —
Die heil. Kreuzkirche^, als Obergeschoss der zu ebener Erde darun-
ter belegenen Bartholomäikirche, dreischiffiger Hallenbau in der
Grundform des Kreuzes mit langem, dreiseitig schliessendem Chor und
ebenso geschlossenen, stark ausladenden Kreuzarmen. Die Unterkirche hat
im Langhause eng gestellte, die Oberkirche weit gestellte Joche und mit je
zwei Fenstern. Die Pfeiler beider Geschosse sind viereckig mit abgekan-
teten Ecken, die der Oberkirche gegliedert; unten sind rippenlose Kreuz-,
oben Stemge wölbe. Das Maasswerk der Fenster zeigt zum Theil späte,
geschweifte Formen. Eine Weihung der 1288 gegründeten Kirche fand
1295 statt, die Vollendung des Baues aber wohl erst im XV. Jahrhundert.
Von den beiden Westthürmen ist nur der südliche vollendet. (Förster,
1) Kunisch, J. O., die St. Elisabethk. zu Breslau u. ihre Denkm. 1841. -
Schmeidler, J. C. Herrn., die evangel. Haupt- u. Pfarrk. su St. EUsabet. Mit
4AbbUd. 1857.
2) Vergl. S. 596 Nota 2.
598 Oothische Kirchen
Denkm. 6, 27-- 30 u. l Taf.) — Die Magdalenealcirche^), recht-
eckig basilikal , mit spätgoth. Kapellen besetzt. Die stämmigen kreuzför-
migen ausgpeeckten und an den Fronten mit abgekanteten Vorlagen verse-
lienen Pfeiler (Lübke a. a. O. Sp. 7t) stehen im Schiff enger als im Chor;
wo die Joche zwei Fenster haben. Das Maasswerk zeigt die spielenden
Formen der Zeit* gegen 1400. Am' Aeusseren schwere Strebebögen und
zum Theil Fialenstreben. Von den beiden innerlich auf starken Pfeilern
•ruhenden mächtigen Westthflrmen wurde dereine 1481 vollendet. Vergl.
auch oben S. 452. — Die Sandkirche u. 1. Fr., 1330 — 1372, edeler
Hallenbau mit dreifachem Polygonalschlu'sse der drei gleich langen Schiffe
und mit mehreren späteren Kapellenanbauten. Die rechteckigen ausgeeck-
ten Pfeiler stehen in fast quadratischen Abständen, und die Fensterstellung
und Qe Wölbeanordnung in den Seitenschiffen entspridit der Dorotheen-
kirche. Das Mittelschiff hat Stemge wölbe. Das Fenstermaasswerk, in den
westlichen Theilen bereits entartet , zeigt in den östlichen noch klare For-
men. Von den beiden, innerlich von Pfeilern getragenen Westthdrmen
wurde der eine 1430 erhöht. (Lübke a. a. O. Sp. 66 f.) — Von den
minder bedeutenden übrigen Kirchen nennen wir : St. B e r na r d i n , mit
sehr niedrigen Seitenschiffen und einschiffigem Chor 1464, nach Einsturz
der Gewölbe wiederhergestellt 1502; St. Vincenz, der vorgenannten
ganz ähnlich, nach einem Brande von 1444; St. Matthias in einschiffiger
Kreuzform, Chor und Kreuzarme polygonisch geschlossen ; etc. Vergl.
Lotz 1, 112 ff.
Bickew bei Rathenow. Einschiffige rechteckige und flacbgedeckte Dorf-
kirche edelgoth. Stils (erbaut um 1340) mit einem Sattelthurm, der aus der
Mitte der mit Spitzpfeilem geschmückten Westfront aufsteigt. Bemerkens-
werth ist die Fensteranordnung, paarweise in Flachbogenblenden. (Adler,
Bauwerke II. Bl. 80.)
Bitiew bei Güstrow; Hallenkirche frühgoth. Stils mit Umgang der
Seitenschiffe um den 1375 vollendeten dreiseitig geschlossenen Chor, der
sich zu drei geräumigen Kapellen erweitert. Schiffpfeiler rhombisch , zum
Theil mit Weinlaubcapitälen , Chorpfeiler polygonisch. Schönes Portal.
(Essenwein, Backsteinbau Taf. 6 Fig. 9 f. u. Taf^ 31.) Vergl. Lotz
1, 133.
Brieg in Schlesien . Die Nicolaikirche mit niederen Seitenschiffen
1370—1418. — Die Schlosskirche St. Hedwig, zum Theil 1368.
CäMMil. Das basilikale Langhaus des Domes (oben S. 452), als Fort-
setzung der roman. Ostpartie, romanisirend frühgothisch in Doppeljochen
überwölbt : die stärkeren rechteckigen Hauptpfeiler , an den Ecken geglie-
dert, steigen in halber Stärke an den Scheidmauern empor und wölben sich
oben zur breiten Blende, zusammen , während an ihrer Vorderseite eine
kräftige Halbsäule als GurttrSger angebracht ist. Die schwächeren Zwischen-
pfeiler sind einfach achteckig. Die spätgoth. Giebelreihe über dem mit
Sterngewölben gedeckten südl. Seitenschiff ist durch glänzende Nachbil-
P Schmeidler, J. C IXcrm., Urkundl. Beiträge zur Uesch. der Hauptpfarrk.
9t. Maria-Magd, zu Breslau. ISa^i.
im norddeütflchan Tleflande. (99
dnng der durchbrochenen Details de» gothischen Freibaues ausgezeichnet.
(y. Minutoli, Dom zu Drontheim. Taf. 10 Fig. 51.)
Ck«rii bei Neustadt- Ebers walde. Huine der wohl 1272 begonneneit
grossartigen Cisterzienserkirche ^) in der Grundform des Kreuzes, theils
noch romanisirend , theils frühgothisch ; dem Qesammteindrucke nach in-
dess im ausgebildet gothischen 8til nnd schwerlich vor 1350 vollendet. Der
Chor ist siebenseitig aus dem Zw6lfeck geschlossen; die Pfeiler des* aus
11 Bogenstellungen bestehenden Langhauses sind theils viereckig mit Ein*
kehlungen auf den Ecken/ theils von viereckigem Kern mit starken Halb-
säulen, die durch Rundstäbchen verbunden sind, auf den vier Seiten, theils
endlich von achteckigem Kern und mit acht Halbsäulen besetzt, die auf den
Ecken des Achtecks durch Rundstäbchen verbunden sind. Die Fenster mit
constructivem Ziegelmaasswerk im edelsten Stil. Strebepfeiler theils feh-
lend, theils unausge bildet. Am Westgiebel zwei Treppenthürmchen. Reste
der gleichzeitigen Klostergebäude. (Adler, Bauwerke II. Bl. 67 — 69.)
Mberg. Die Marienkirche^) mit' fünf an HOhe wenig verschiedenen
Schiffen unter einem Dache; in dem dreiseitig geschlossenen, sich dem .Mit-
telschiffe anschliessenden Chor treten die Streben nach innen und sind für
eine umlaufende Galerie mit Durchgängen versehen ; die achtedsigcn Arka-
denpfeiler mit Halbsäulenbflndeln an den vier Hauptseiten ; ein dreispitziger
Thurmbau mit hoher Halle vor der Mitte der Westfront. Die Kirche war
im J. 1316 im Bau begriffen, das. südlichste Seitenschiff schon 1379 vor-
handen, das nördlichste ist erst im J. 1410 vollendet. (Kugler, Kl. Sehr«
1, 709 — 12. Fig. 85 — 88.)
CirUl unweit Colberg. Die dreischiffige Michaeliskirche von 1510,
niedrig und klein, mit breiten StemgewOlben überspannt.
Usita. Die Marienkirche mit niedrigen Abseiten und achteckigen , an
den Hauptseiten mit Halbsäulenbündelchen besetzten Arkadenpfailem ; der
Chor von der Breite des Mittelschiffes schliesst dreiseitig ; die Strebepfeiler
sind mit einfachen Thürmchen bekrOnt. (Kugler, Kl. Sehr. 1, 734
Fig. 132—135.)
totlblS* Die dreischiffige Pfarr- (Ober-) Kirche um oder nach 1400;
der die Westfront bildende mit Blenden verzierte , aus mehreren sich stark
verjüngenden Stockwerken bestehende Thurm ist im Obergeschoss acht-
eckig. (Puttrich, Denkm. 11. Serie Lausitz. Bl. 8.)
Mh. Die Franciscanerkirche 1350, die Dominicanerkirche
gegen 1400. — Die Pfarrkirche^) (Dom), dreischiffigev Hallenbau mit
gerade geschlossenem Chor von der Breite des Mittelschiffes. Achteckige
Pfeüer mit Eckrundstäben. Zwischen den Fialenstreben Giebeldächer über
den Seitenschiffen. XIV — XV. Jahrh. Von den beiden Westthürmen nur
einer vollendet, aber verstümmelt.
CvlBsee unweit Thom. Der Dom, nach Mertens um 1360 — 1370
(mit zwei älteren Ostthürmen im Uebergangsstil) , niedrige Hallenkirche mit
1} Brecht, P« R.» Kloster -Chorin , aus der Zeitachr. für Bauwesen. 1854.
Sp. 65 — 76 u. Bl. U— 17.
2) Maass, O. W., Gesch. u. Beschreib, der Marien-Domk. zu Colbexg. 1837.
— Ghrund- u. Aufrime der Kirche in Wachs» J. F., Gesch. der Altstadt Colberg.
3) Seemann, J., die Culmer Pfarrkirche. 1856.
$00 Gothische Kirohen
gegliederten kurzen Pfeilern und gerade schliessendem Chor mit zierlichem
GKehel. Von den beiden Westthürmen nur einer vollendet. — Die evangel.
Pfarrkirche, kleiner flachgedeckter dreischiffiger Hallenbau mit einschif-
figem rechteckigem Chor. Viergiebeliger Westthurm. XIV. Jahrh.
laber bei Naugardt. Unbedeutende spfttgoth. Hallenkirche.
laaH bei Stettin. Unbedeutende spEtgoth. Hallenkirche.
tauig. ^) Die zahlreichen Kirchen sind mit wenigen Ausnahmen ge-
rade geschlossene Hallenbauten mit nur einem Westthurm. Die Pfeiler sind
achteckig mit einfachem Sockel und Gesimse. Die Fenster ohne Maass-
werk, die Streben meist nach innen gezogen. Vorherrschend Stern- und
NetzgewOlbe. Die Schiffe haben gewöhnlich Paralleldächer und schliessen
in West und Ost mit schmuck vollen Giebeln. Vergl. Lübke, im Kunstbl.
1856 S. 92.
Die Barbarakirche, nach Brand von 1 499 . — Die einschiffige
Bartholomäikirche (nach 1499) mit Kapellen zwischen den Streben.
Holzdecke. Mächtiger Westthurm. (Greth a. a. O. Hft. 10. — Seh ultz
a. a. O. 2. Folge Lief. 1.) — Die 1513 gegründete Brigittenkirche
mit einschiffigem nach Westen gerichtetem Chor. (Schultz a.a.O. Lief. 2 . )
— Die Dominicanerkirche mit einschiffigem Chor^ schlank und fein
ausgeführt. Oestlich am südlichen Seitenschiff ein oben achteckiger Thurm.
XIV. XV. Jahrhundert. — Die stattliche Johanniskirche (1460—1465]
durchgängig dreischiffig und mit Querschiff. Sämmtliche Giebel reich de-
corirt. Die Strebepfeiler nicht nach innen gezogen. — Der Chor der Kar-
meliterkirche, begonnen 1467, mit zwei zierlichen Treppenthürmchen
am Giebel. — Die Katharinenkirche mit reichem Giebel an der Haupt-
front , aus welcher sich über einer mächtigen Halle der stattliche Thurm
erhebt; XV. Jahrh. (Schultz a. a. O. Lief. 1.3 u. 2. Folge. — Greth
a. a. O. Hft. 9.) — Die grossartige Marienkirche^) (g^^ündet 1343,
nach einem vergrüsserten Umbau vollendet 1400 — 1502) in nicht ganz
regelmässiger Kreuzform. Das Querschiff ist im südlichen Flügel drei-
schiffig, während auf der Nordseite das Ostl. Nebenschiff fehlt. Zwischen
den überall nach innen gezogenen Strebepfeilern sind mit einfachen Kreuz-
gewölben bedeckte Kapellen eingerichtet. Ein mächtiger Thurm vor der
Mitte der Westfront ; schlanke achteckige Thürmchen mit hohen Spitzhel-
men auf den Ecken des Gebäudes. Das schlichte Aeussere mit einer Zin-
nengalerie. Die Querschiffgiebel mit Spitzthürmchen. (Schultz a. a. O.
Lief, l — 3. — Detail bei Essenwein , Backsteinbau. Taf. 16 Fig. 7.) —
Die Petri-Paulikirche, über älteren Grundmauern 1424 — 1515 neu
erbaut y mit einschiffigem Chor und dreith eiliger Vorhalle in Westen, über
1) Ranisch, Bartol., Grund-RUse u. Auff-Züge alter Kirchengebäude in der
Stadt Dantzig. 1695. — Schultz, J. C, Danzig u. seine Bauwerke in Original-
radirungen, mit geometr. Details u. Text. 1816—1855. 2. Folge 1S56 etc. — Pas-
savant, J. D., Nachrichten üb. Danzigs Kunstwerke, im Kunstbl. 1847. No. 32 — 34.
— Greth , Jul., Danzigs alterthüml. Bauwerke, in Zeichnungen mit Text von Rud.
Genee. 1855 — 1858. — Viersehn Ansichten von Danzig, gestochen 1617, jetzt pho-
togr« vervielfUtigt. (Vergl. Altpreuss. Monatsschr. 1865. II. 2, 1*^0 f.)
2) Hirsch, T)i., die Oberpfarrk. von 8t. Marien in Danzig. 2 Bde. 1^43. 1847.
Mit Abbild.
im norddeutschen Tieflande. 50 t
welcher der mit Stufengiebeln geBchmflckte Sattelthurm aufsteigt. Die
Strebepfeiler treten nicht nach innen vor. — Die OraumOnchenkirche St.
Trinitatis^), gegründet 1431, mit langem einschiifigem 1481 — 1495
errichtetem Chor ; die Nordaeite des Langhauses nach einem Einsturz im
J. 1503 wiederhergestellt 1514. Am Schiff sind die Streben einwärts ge-
sogen, am Chor treten sie nach aussen ; hier steht westlich an der Südseite
ein oben achteckiger Thurm von 1495. Drei schOne Westgiebel und am
Ostgiebel zwei Eckthürmchen. Die prachtvollen Kreuzgänge, das Refecto-
rium (nach 1522), die beiden Remter mit herrlichen Palmen- und Strahlen-
gewOlben. Die einschiffige Annakapelle an der Südwestecke der Kirche
1490. (Schultz a. a. O. Lief. 1 u. 3. — Greth a. a. O. Heft 12.)
Bargwi. Das Querschiff und der Chor der Kirche, dreischiffig mit acht-
eckigen Pfeilern, Umgang der Seitenschiffe und drei Kapellen 1464 — 1479.
Vergl. oben S. 453.
leMMil. Die Bartholomäikirche , ein Hallenbau, dessen drei Schiffe
polygonisch schliessen und von leichten achteckigen Pfeilern getrezmt wer-
den, welche die wohlgegliederten, etwas überhöhten Scheidbögen tragen.
Hohe Thurmhalle in der Gesammtbreite der Westfront. (Kugler, KL
Sehr. 1, 720 Fig. 100 — 105.)
Biewittei bei Allenstein. Landkirche mit vorgelegtem viereckigem
Westthurm, dessen verschiedene Geschosse, über einander zurücktretend,
durch schräge Abdachungen verbunden werden. Das Dach wie in Amsdorf;
8. d. (v. Quast, Denkm. Hft. 4. Bl. 23 Fig. 6.)
BiTSCkM* Die spätgoth . Pfarrkirche, deren drei gleich hohe Schiffe
von plumpen achteckigen Pfeilern getrennt werden. Der einschiffige, gleich
lange Chor, dreiseitig geschlossen. Spätere Kapellenanbauten auf beiden
Seiten des Schiffes. — Die einschiffige Dominicanerkirche hat nur
an dem dreiseitig schliessenden Chore Strebepfeiler.
B^bberftiH bei Gk>ldberg in Meklenburg. Cisterziensemonnenkirche,
deren niedere Seitenschiffe abgebrochen und in den, von starken reichgeglie-
derten Pfeilern getragenen Spitzarkaden vermauert sind. Der Obergaden und
der dreiseitig geschlossene Chor XIV. Jahrh. — In Westen über einer zwei-
schiffigen von kurzen Granitpfeilern getragenen Halle eine Nonnenempore.
Die Kirche ist äusserlich reich gothisch modernisirt und innerlich 1S57 re-
staurirt. Der Kreuzgang, theils rund-, theils spitzbogig gewölbt.
Baberai. Die grossartige Cisterzienserkirche ^) (vollendet 1368, mit
alteren und jüngeren Theilen) in der Grundform des Kreuzes mit niedrige-
ren, das Querschiff durchschneidenden und die Kreuzvorlagen abtrennenden
Seitenschiffen, welche sich auch im Chore fortsetzen und um das im halben
Achteck geschlossene Chorhaupt einen Kranz von fünf halbsechseckigen
Kapellen bilden. Die Arkadenpfeiler sind viereckig, an den Ecken mit
1) StTehlke,E., Kirche u. Kloster sur h. Dreifaltigkeit in Banzig, im Organ
für chrisü. Kunst 1855. No. 12--] 4. Mit 2 Taf .
2) Lisch, O. C. F., Blätter zur Gesch. der K. zu Doberan, in den Meklenb.
Jahrbachero 9, 408 ff. Vergl. 13, 418; 14, 35) ; 19, 342. — Nipperdey, Qothische
Rosetten aus der K. zu Doberan, nebst deren Ansicht und geschichtl. Beschreibung.
(1936.) 1839.
602 OothUehe Kinehen
Rundstäben und «n den Flächen mit SäulenbUndeln gegliedert; die Oewdlbe*
trfiger des Hauptschiffes ruhen auf Consolen , welche wie die Capitäle
der Säulenbündel in Laubwerk aus Stuck gebildet sind. Die östlich mit
einer niederen Abseite versehenen Kreuzarme werden durch einen schlän»
ken achteckigen Mittelpfeiler in zwei Hallenschiffe getheilt. Die ganze
Kirche hat äusserlich einen Fries, welcher aus Kleeblattb<}gen von "schwarz-
gUsirten Formsteinen besteht, die sich von dem verputzten Grunde lebhaft
abheben. (Schnaase. Kunstgesch. 6, 343. — Lübke, im Organ für
christl^Kunst 1853. Taf.zuNo. 5. ^ £ssenwein. Backsteinbau. Taf. 2 f.)
BraMbwg in Pommern. Spätgoth. Hallenkirche mit einschiffigem,
fünfseitig geschlossenem Chor. Entartete, zum Theil rohe Formen. (Küg-
1er, Kl. Sehr. 1, 762 Fig. 171.)
Mflteldeif. St. I^ambert, spätgoth. Hallenkirche (seit 1394). mit Chor-
umgang. Die Pfeiler sind rechteckig , abgekantet und an den Frontseiten
-mit zwei Dietisten versehen. Details aus Haustein.
llUlg. Die (Marien-) Dominicanerkirche*), dreischiffiger Hal-
lenbau mit gerade geschlossenem Chor, aus drei Bauperioden im XIII.;
XIV. u. XVI. Jahrh. Die nördlichen Arkaden des Schiffes und die west-
lichen (später erhöhten) Gurtträger im Chor , zum Theil mit edelen I^ub-
capitälen, von dem 1284 vollendeten Bau (oben S. 454); Verlängerung des
Chores mit dem reichen Ostfenster , das nördliche Seitenschiff und die Sa-
cristei aus der zweiten Hälfte des XIV. Jahrh. ; das südliche Nebenschiff
mit einfach achteckigen Pfeilern , die NetzgewOlbe , die Schiffgiebel etc.
nach einem Brande von 1504. — Die Hauptkirche St. Nicolai, XIV.
Jahrh. — Die heil. Leichnamskirche, vollendet 1405.
VfaMterwalde (Kr. Luckau). Goth. Kirche mit Tonnengewölbe, erbaut
1585.
Vraikfiffl a. d. O. Die Majien- (Ober) kirche^) besteht aus ver-
schiedenartigen Theilen : das Langhaus hat fünf Schiffe, von denen die bei-
den äusseren mit Pultdächern gedeckt sind, deren Schrägen nach innen ab-
fallen, während die senkrechte mit Stabwerk gegliederte Mauer die äussere
Front bildet; die inneren Seitenschiffe bilden einen Umgang um den «ieben-
seitig geschlossenen Chor ; letzterer ist regelmässig und aus einem Gusse
gebaut; vor demselben ist eine Art Querschiff angeordnet, dessen schöner
Nordgiebei durch eine später vorgelegte polygonische Nische verdeckt wird,
und hierauf folgt daß Langhaus mit quadratischen Gewölbejochen ; die Ar-
kadenpfeiler sind gegliedert und von verschiedener , im Schiff (mit runden
Diensten) von kreuzförmiger, im Chor von achteckiger Grundform. Von
den beiden westlichen Thürmen ist der südliche 1826 zusammengestürzt.
Die Erbauungszeit fiQlt im Wesentlichen um die Mitte des XIV. Jahrhun-
derts; eine Weihe fand 1494 statt. (Details bei Adler, Bauwerke. II.
Bl. 78 Fig. 2. 3. 5 u. 7; Essen wein. Backsteinbau, auf Taf . 16 u. 27 ;
Källenbach, Atlas, auf Taf. 59 u. 71. — Eine Ansicht als Titelbild zu
Em mich 's Uebersicht der Bauwerke der Vorzeit. 1843.) — Die Ni co-
li Vergl. V. Quast, in den N. Preuns. Prov. Bl. 9, 26 — 29.
2> Spieker» Chr. W., Beschreib, u. Gesch. der Marien- oder Oberkirche zu
Frankf. a. O. 1835. Mit Abbild.
im norddeutsobe« Tieflande. ßOS
laikirche, ein dxeischiffiger Hallenbau aus zwei verschiedenen Zeiten.
Das romanisirend frühgoth. Langhaus ist im Mittelschiffe mndbogig über-
wölbt , in den Seitenschiffen schlank spitzbogig. Die Pfeiler sind tibereck
gestellt viereckig, an den Seiten g:egliedert und an den Ecken mit Halbsftu-
len besetzt, auf deren Würfelcapitälen schwere roman. Xflmpfergesimse
lagern. Der mit StemgewOlben gedeckte Chor ist spAtgothisch , mit adit'*-
seitigen , an den Ecken mit Stäben besetzten Pfeilern und einem unregel^
mftssig fünfseitigen Umgang um den geradlinigen Schluss. Ein Westthurm
vor dem nOrdl. Seitenschiff. (A(\ler a. a. O. Fig. 1. 4. 6 u. 8.) — Die
(Franciscaner-) Unterkirche, dreischiffig in Hallenform, mit einschiffi-
gem gerade geschlossenem Chor, 1517 — 1525.
fiaieMbirg. Der Dom'), ein ausgezeichneter dreischiffiger Hallenbau
mit einschiffigem rechteckigem Chor ; letzterer (geweiht 1 342) ist durch
viel gegliederte Wandpfeiler mit Laubcapitälen und durch gutes Stuckwerk
der Fenster ausgezeichnet. Das Schiff (vollendet 1388) hat einfach acht-
eckige Pfeiler und , wie die ganze Kirche , Stemge wölbe. Y.or dem reich
aus Kalkstein gearbeiteten Westportal ist in der Breite des Mittelschiffes
eine niedrige rechteckige Vorhalle angeordnet, deren Pultdach in der Front
von einer mehrfachen Oiebelarchitektur überstiegen wird, welcher sich seit-
wärts ähnlich gebildete Halbgiebel anschliessen. Ein entsprechend reich
geschmücktes Spitzbogenportal führt in d^ Innere der Halle, deren Wände
in den OewOlbeschilden mit einem kleinen, aus Formsteinen gebildeten
goth. Muster teppichartig ganz bedeckt sind. -Den Ecken des Hochbaues
sind zierliche schlanke Thürmchen von achteckigem Grundriss aufgesetzt,
welche den an den Schenkeln mit Blumen besetzten westlichen Hauptgiebel
flankiren. Aehnliche Thürmchen befinden sich am Ostende der Seitenschiffe
neben dem nach einem Brande von 1551 hergestellten Mittelgiebel. Der
Ostgiebel des Chores ist nur einfadi gehalten, (v. Quast, Denkm. Heft 3.
Bl. 13 u. 15— 18. — Reiseskizzen der Berliner Architekten. 1858. Bl. 18
— 21 .) — Die einfach rechteckige 5 Joche lange Pfarrkirch e. (v. Quast,
Bl. 13.)
VreieiwaUe in Pommern. Die Marienkirche mit drei gleich hohen,
durch achteckige Pfeiler gesonderten Schiffen, Chor von der Breite des
Hauptschiffes und mit zierlichen Blenden versehenen Strebepfeilern ; der
Thurm tritt vor dem Westende des Mittelschiffes frei hervor und bildet
unten eine nördlich und südlich offene Halle. (Kugler^ Kl. Sehr. 1, 759
Fig. 167 f.)
firstenwalde a. d. Spree. Der Dom, Hallenkirche mit schlichten acht-
eckigen Pfeilern (jetzt ohne Gewölbe) 1446—1470.
fiardelegen in der Altmark. Die Marienkirche erscheint in der
Hallenform ihres fünfschiffigen Langhauses als streng gothischer Umbau
einer roman. Gewölbebasilika in der Grundform des Kreuzes (oben S. 454).
Der breitere und höhere Chor aus dem XIY. u. XV. Jahrh. Anderes und
die angebauten Kapellen erst 1509 — 1513. — Das den alten roman. West-
thurm von 12*22 umfassende Langhaus der Nicolaikirche (ob^n S. 454),
1) Bergau, R., XJeber den Dom su Frauenburg in Ostpreußen , in den Dioe-
kuren. 1860; 8. 319 f. 343—346. 371 f.
604 Gothiaehe Kirchen
dessen drei Schiffe von mit Gurttragern besetsten Rundpfeilern getrennt
werden, datirt um 1470. Etwas sp&ter erscheint der lange einschiffige po-
lygonisch schliessende Chor, dem an seinen drei westlichen Jochen t522
beiderseits zweistöckige mit Emporen versehene Abseiten angebaut wurden.
ten a. d. O. Die Stephanskirche mit drei gleich hohen, durch acht-
eckige Pfeiler gesonderten Schiffen und Sterngewölben in quadratischen
Jochen ; der fünfseitig geschlossene Chor von der Breite des Hauptschiffes ;
die Strebepfeiler nach innen hervortretend. (Kugler, Kl. Sehr. 1, 760
Fig. 169 f.)
Ulmgii auf der Insel Rügen. Spatgothische dreischiffige Kirche mit
Fenstern, deren Deckbügen eckig aufsetzen.
ttelwtts in Oberschlesien. Pfarrkirche von 1504.
Mdberg bei Liegnitz. Streng goth. Hauptkirche, Quaderbau mit
drei Thürmen , deren höchster vor dem polygonen Chorschlusse steht. —
Die rechteckige Bergkirche mit reich verziertem Portal strengen Stils.
Vergl. Lotz 1, 243.
^•lb«W in Pommern. Unbedeutende spätgoth. Hallenkirche.
tellip unweit Thom . Die flachgedeckte Stadtkirche mit schma-
lerem gewülbtem dreiseitig schliessendem Chor; XIV. Jahrh. — Die zier-
liche Schlosskapelle aus dem XIV. Jahrh.
finuu^w in der Ukermark. Ueberrest eines westl. Polygonbaues von
der ehemaligen Prämonstratenserkirche, XIV. Jahrhundert.
firaisee in der Mark. Die Marienkirche, ein Hallenbau aus dem XIV.
Jahrh., dessen drei Schiffe von achteckigen Pfeilern geschieden werden, die
auf den Ecken mit Halbsäulchen besetzt sind, welche statt der Capitale
Köpfe tragen. Die Kirche endet Ostlich mit einem hohen schmuckreichen
Giebel, an den sich, den Schiffen entsprechend, drei niedrige Apsiden
schliessen : die mittlere dreiseitig, die beiden zur Seite zweiseitig im stum-
pfen Winkel. (Adler, Bauwerke II. Bl. 76 f.) — Ueberreste der 1604
abgebrannten (Grauen) Klosterkirche; im Innern schlanke GurttrSger
mit schlichten Kelchcapitälen. (Ebd. Bl. 77 Fig. 14.) Der Conventsaal
und das Refectorium (die Ueberwölbung beider von einem Mittelpfeiler ge-
tragen), sowie Theile des ehemal. Kreuzganges dienen jetzt Schulzwecken.
ttrtideu« Hallenkirche mit achteckigen Pfeilern und einschiffigem
Chor.
ttreiffrabeii; in Pommern. Die Marienkirche mit drei gleich hohen
Schiffen, gerade schliessendem Chorraum von der Breite des Mittelschiffes
und achteckigen Arkadenpfeilern, welche an den vier Hauptseiten mit stab-
artigen Gurttrfigcrn versehen sind. Die Detailbildungen zeigen abwechselnd
frühe und ziemlich spftte Formen. (K ugler , Kl. Sehr. 1,713 Fig. 92—94.)
Sreiffeikagei unweit Stettin. Die einschiffige edel goth. Heil. Geist-
kirche, früher mit fünfseitigem Thürmchen vor der Westseite. Restaurirt
1857.
tecilnrald. Die Jacobikirche mit drei Schiffen von gleicher Höhe,
deren mittleres sich als Chor fortsetzt; die Arkadenpfeiler von runder
Grundform sind mit einfachen Deckgesimsen versehen; die Details der
Gurttrager entsprechen der ersten Ausbildung des gothischen Stils ; spatere
Stemgewölbe. (Kugler, Kl. Sehr. 1, 700 Fig. 63— 66.) —Die Marien-
im norddeutschen Tieflande. ß05
kirche mit drei gleich hohen und gleich langen, östlich geradlinig ge-
schlossenen Schiffen ; die Pfeiler paarweise von verschiedener Bildung ;
Details im strengen Stil; spätere Gewölbe: einige sp&tgothische Anbauten,
unter denen sich eine dem Hauptportal der Südseite vorgebaute zierliche
Kapelle (mit zwei neben einander gestellten fünfseitigen Altamischen in
Osten) auszeichnet. (Ebd. S. 702 Fig. 67 — 75.) — Die Nicolaikirche*)
mit niedrigen Seitenschiffen , die östlich mit einer schrSgen Wand schlies-
sen, während das Hauptschiff von einer geraden Wand begrenzt wird, wo-
durch das Ganze als dreiseitiger Schluss erscheint; die Vollendung des
Baues soll in das Jahr 1326 fallen; der (jüngere) viereckige Thurmbau hat
über den Ecken zwei rohe Kundthürmchen, die durch einen in drei Stock-
werken über einander zurücktretenden, mit Blenden geschmückten und mit
Zinnen gekrönten Zwischenbau verbunden sind, über dem sich ein schlanker
achteckiger Aufsatz erhebt. Die Kirche ist restaurirt. (Ebd. S. 730 Fig. 126
— 128. — Essenwein, Backsteinbau. Taf. 10 Fig. 5.)
SriHHe unweit Greifswald. Die Kirche mit drei Schiffen von gleicher
Höhe; die Abseiten bilden einen Umgang um den dreiseitigen Chorschluss ;
achteckige Arkadenpfeiler ; ältere Ueberreste am östlichen und am west-
lichen Ende der Seitenschiffe.
(iMSS-SaliÜ bei Gadebusch. Zierliche Kirche mit niederen Seitenschif-
fen und dreiseitig geschlossenem Chor. Zweitheilige Oberlichter mit gutem
Kalksteinmaasswerk.
Cilbei in der Niederlausitz. Einfache frühgothische (Cisterzienserin-
nen-) Klosterkirche, mit grossem Fenster im geraden Chorschluss und ehe-
mals mit unterwölbter westlicher Nonnenempore. ^)
fittlileMteni vor Mühlberg a. d. Elbe. Die um 1230. geweihte (Cister-
zienserinnen-) Klosterkirche in einschiffiger Kreuzform mit drei (polygonen)
Apsiden am Chor und Querschiff zeigt die erste Aufnahme des noch stark
romanisirenden goth. Stils. Die Doppelreihe der Fenster am Schiff deutet
auf eine ursprünglich vorhanden gewesene Nonnenempore. Kreuzgewölbe
über Halbsäulen mit Knospencapitälen. Der abgetreppte durchbrochene
Westgiebel , mit achteckigem Thürmchen und Fialen versehen , ist spät-
gothisch. (Puttrich, Denkm. II. Serie Wittenberg. Bl. 6 — 8. — Adler,
Bauwerke 11. Bl. 65 f.) Spätgoth. Klostergebäude. (Ebd. auf Bl. 8. —
Essenwein, Backsteinbau. Taf. 8 Fig. 8.)
CSutr^w. Der schöne, mit dem Mittelschiffe verbundene Westthurm,
die Gewölbe und Oberlichter des ersteren, die Seitenschiffe mit den Kapel-
lenanbauten, der polygone Chorschluss etc. des Domes (oben S. 456) aus
dem XIV — XV. Jahrhundert. — Die Plarrkirche, ursprünglich mit
niederen Seitenschiffen, aber 1503—1508 wurde das nördliche Nebenschiff
auf die Höhe des Mittelschiffes gebracht und mit diesem neu gewölbt; gleich-
zeitig fand auch der Anbau zweier äusseren Seitenschiffe statt. Alle fünf
Schiffe haben besondere Parallel dach er mit Giebeln in Osten und Westen.
filtstodt unweit Heilsbcrg. Die bis 1396 vollendete Collegiatkirche
I) BiederBtedt, Gesch. der Nicolaikirche in Greifswald.
*i) Vergl. Sausse, Beiträge zur Gesch. der Stadt Guben. (Programm) 1860.
Ott«, Runot- Archilologie. 39
906 Gothische Kirchen
(Dom) , ein rechteckiger Hallenbau mit achteckigen Pfeilern , reichen Ge-
wölben, Stufengiebeln und Weetthurm.
lanbirg« Die aus • drei gleich hohen und gleich längen polygonisch
Rchliessenden Schiffen bestehende Jacobikirche, deren dicke Rundpfei-
ler mit vier ausgekragten Gurtträgern besetzt sind. An der Südseite ist
noch ein wenig niedrigeres äusseres Seitenschiff in spätgoth. Zeit angebaut.
— Die 1426 gewölbte Katharinenkirche, basilikal mit drei gleich
breiten und gleich langen Schiffen, von denen das mittlere gerade, die bei-
den äusseren dreiseitig schliessen. Die ähnlich wie in der Jacobikirche ge-
bildeten Pfeiler steigen mit einem Bruch theile ihrer Dicke an den hohen,
statt def Oberlichter nur mit Blenden versehenen Scheidmauern als Gurt-
träger empor. Die Schiffe liegen unter einem Dache. Das Maasswerk der
Chorfenster ist neu.. — Die neuerlich hergestellte Petrikirche ist ein
Hallenbau mit einem nördlichen und zwei südlichen Seitenschiffen, welche
letztere von viereckigen mit je vier Halbsäulen besetzten Pfeilern getrennt
werden , während die übrigen Pfeiler rund und ebenfalls mit Halbsäulen
versehen sind. — Vergl. Lotz t, 277 f.
üafelberg. Der Dom erscheint in seinem dreischiffigen basilikalen
Langhause mit den in zweistöckigen quadratischen Zwillingskapellen schlies-
senden Seitenschiffen als streng gothischer Umbau der ursprünglichen ro-
manischen Anlage (S. 456). Die alten kreuzförmigen Pfeiler wurden mit
Vorlagen versehen, die, an den grösstentheils aus Ziegeln neu aufgeführten
Scheidmauern aufsteigend, sich über den Arkade nbögen Behufs Gewinnung
eines Laufganges im kaum merklich gebrochenen Rundbogen, und über den
Oberlichtern als Schildbögen der Gewölbe abermals spitzbogig zuaammen-
wölben. Das Chorpolygon und die Gewölbe der Seitenschiffe datiren von
1386 — 1411. Auch der Kreuzgang und die Stiftsgebäude repräsentiren die
angegebenen drei Bau perioden der (1841 unbefriedigend restaurirten) Kirche.
(Adler, Bauwerke II, 1 — 6 u. Bl. 51 f.) — Die dreischiffige Lorenz-
kirche in Hallenform mit einschiffigem Chor und Westthurm. Pfeiler
theils rund, theils kreuzförmig. (Ebd. S. 9.) — Die ungewölbte achteckige
Annakapelle, spätgothisch. — Die oblonge einschiffige Heil. Geist-
kapelle, ein zierlicher, nach 1450 erneuerter Bau.
Heiligen - Cirabe bei Wittstock. Die stattliche anscheinend vom Ende
des Xni. Jahrh. stammende, oblonge einschiffige (Cisterzienserinnen-" Klo-
sterkirche , ehemals mit Nonnenempore, aus Granit mit Backsteindetails ;
der Aufbau der Westfront , die Kreuzgewölbe und das Chorpolygon um
1450. Der Kreuzgang aus dem XIV. und XV. Jahrh. — Die spätgoth.
Heil. Grabes-Kapelle, ein mit Sterngewölben gedecktes einschiffiges Recht-
eck. Die Strebepfeiler nach innen gezogen; zwei decorirte Giebel; grosser
Formenreichthum im Innern und am Aeusseren. (Adler 11, 7 f. u. Bl. 55.)
üeilsberg im Ermlande. Die dreischiffige Stadtkirche in oblonger
Hallenform. Vor der Mitte der Westfront ein zwischen zwei mit schmuck-
vollen Halbgiebeln versehenen niedrigen Abseiten schlank aufsteigender
Thurm; zweite Hälfte des XIV. Jahrh. — Im (als Krankenhaus restaurir-
ten) bischöfl. Sc bloss eine grössere und eine kleinere Kapelle, letztere im
Hauptthurme belegen, (v. Quast, Denkm. Hft. l Bl. 5 f.)
im norddeutschen Tieflande. • 607
lenberg a. d. Elster. Hallenkirche, deren drei Schiffe, von gleicher
Länge, jedes dreiseitig schlieasen. Schlicht achteckige Pfeiler mit einfachen
bandartigen Kämpfern durch breitleibige Spitzbögen verbunden ; Netz-
gewölbe. Die schlanken Fenster im Innern je zwischen zwei Blenden.
XIV. Jahrhundert.
Jiterb^g. Die Nicolaikirche inHallenform mit Chorumgang der Sei-
tenschiffe. Rohe achteckige Pfeiler; aus denen die Gliederungen der Scheid-
bögen und die Rippen der einfachen Kreuzgewölbe wie aus einer UmhtU-
sung aufsteigen. Der älteste Theil ist das Langhaus , mit Ausnahme des
westlichsten Joches, der beiden, innerlich auf schlichten Pfeilern ruhenden
quadratischen Qranitthürme und des eine Vorhalle bildenden Zwischenhau-
ses mit schönem Sandsteinportal (oben S. 486 Fig. 218) und decorirtem
Ziegelgiebel. Die Seitenschiffe endeten ursprünglich geradlinig; das Chor-
polygon nebst Umgang und der kreuzarmartige zweigeschossige Vorbau
(die jetzige Sacristei) auf der Nordseite .sind Zusätze von 1475 — 1488.
Südlich ist ein ähnlicher Vorbau (die alte Sacristei] von 1447; beide mit
decorirten Giebeln. (P\ittrich, Denkm. II. Serie Jüterbog. Bl. 7.) —
Die (Barfüsser) Mönchenkirche, ebenfalls in Hallenform und mit acht-
eckigen Pfeilern , aber mit einschiffigem dreiseitig geschlossenem Chor und
fensterloser Nordwand; um 1500. — Die Heil. Geistkapelle, • ein
oblonger einschiffiger Granitbau (jetzt Schuppen) mit blenden - geschmück-
tem-Spitzgiebel. (A. a. O. auf Bl. 3 5.) — Das Klostergebäude bei der
Dammkirche (ebd. Bl. 5), der Polygonschluss der letzteren und der
Abtshof aus dem XV. Jahrh.
Ken bei Barth. Die Kirche, einschiffig und im halben Zehneck ge-
schlossen. Zierlicher Westthurm. XIV. Jahrh.
Kiel. Die Klosterkirche mit grösstentheils zerstörtem Chor, nie-
deren Seitenschiffen und rechteckigen Pfeilern ; letztere haben vorn eine
rechteckige Vorlage und zu deren Seite zwei Dienste mit Kelchcapitälen.
Die Gberlichter fehlen. — Die Nicolaikirche von niedrigen Verhältnis-
sen in Hallenform mit einschitfigem Chor und viereckigem Westthurm.
Uebereckstehende Ach teckpi eiler mit Gurtträgern auf den Ecken.
Kienittei bei Heilsberg. Ansehnliche oblonge einschifilge flach ge-
deckte Landkirche aus dem XIV. Jahrh. , mit decorirtem Ostgiebel und
schönem Giebel thurm in Westen : das Ganze mit dem Anbau der Sacristei
von malerischer Wirkung, (v. Quast, Denkm. Heft 4 Bl. 24.)
Königsberg i. d.N. Die (Augustiner) Klosterkirche aus dem XIV.
Jahrh. — Die 1407 geweihte Marienkirche, in Hallenform mit schlan-
ken Pfeilern , Beispiel der reichsten Anwendung des buntfarbigen Ziegel-
ornaments auf durchbrochene Flächen. An der südlichen Langseite eine
kellerartige oblonge Kapelle. Thurm von 1855.
KoDigsberg i. Pr. Der Dom , *) gegründet 1333. mit der in Preussen
seltenen Anlage zweier Westthürme ; dem dreischiffigen Langhause schliesst
sich der fast gleich lange einschiffige C-hor an. Die achteckigen Arkaden-
pfeiler sind nur an den schrägen Seiten gegliedert ; die Gurte der Stern-
gewölbe ruhen auf Diensten, welche nicht bis zum Fussboden hinabreichen.
I) Oebser, A. R., u. Hagen, £. A., der Dom zu Königsborg i. Pr. 1^35.
39*
608 GothUche Kirchen
MrakM.') Der Dom,^) ein verzopfter Quaderbau (geweiht 1359) mit
niederen Seitenschiffen, die sich jenseits des etwa in der Mitte der Qe-
sammtlänge angeordneten, kaum ausladenden und schiefen Querschiffes
fortsetzen und einen Umgang um den gerade geschlossenen Chor bilden.
Die rings bunt gegliederten Pfeiler von oblongem Kern sind an der Vorder-
seite mit einem Dienstbündel , an der Rückseite mit einem strebepfeiler-
artigen Ansatz versehen. Die Fenster des Obergadens setzen sich als Blen-
den bis auf den Arkadensims fort und stehen zwischen zwei schlanken mit
Stab- und Maasswerk decorirten niedrigeren Blendfenstern in pyramidaler
Oruppirung. Unter den vielen Anbauten , mit denen der Dom besetzt ist,
zeichnen sich aus : die KOnigskapelle, quadratisch mit umlaufender Empore
und Strahlengewölbe, östlich, und die heil. Kreuzkapelle ^) von 1471,
westlich belegen. — Ziegelbauten mit Hausteindetails : Die Dominicaner-
kirche ^) war eine basilikale Anlage mit sehr langem einschiffigem, gerade
geschlossenem Chor und datirte , abgesehen von geringen Resten aus der
Zeit um 1223, aus dem XV — XVI. Jahrh. Nach einem Brande von 1850
und der darauf erfolgten Herstellung stürzte der Bau 1855 zusammen. —
Die Corpus-Christi- und die Katharinenkirche schliessen sich in
der basilikalen Anlage und insofern dem System des Domes an, als die
Pfeiler ebenfalls an der Rückseite mit einer strebepfeilerartigen Verstärkung
versehen sind. — Die Marienkirche (XIV. u. XV. Jahrb., aber ver-
zopft) besteht aus dem basilikalen Langhause (mit Pfeilern nach dem System
des Doms und mit Kapellen zwischen den Strebepfeilern) und dem langen
einschiffigen, mit Sterngewölben gedeckten und dreiseitig geschlossenen
Chor. Von den beiden oben achteckigen Westthürmen ist der nördliche
nach altem Muster mit einem schlanken, von acht vorgekragten Spitzthürm-
chen umkränzten Helm neu versehen , der südliche mit einer Zwiebel ge-
krönt. (Essen wein, im Organ a.a. O. Taf. 1 Fig. 2 u. Taf. 2 Fig. 1.) —
Die kleine spätgoth. Kirche zum heil. Kreuz mit einem Thurm an der
Westseite des quadratischen Schiffes , dessen Sterngewölbe von einem run-
den Mittelpfeiler getragen wird, und dem sich östlich ein rechteckiger Chor
anschliesst. (Ebd. Taf. 2 Fig. 4.)
Mreizbirg (Kr. Preuss. Eylau) . Einschiffige rechteckige Kreuzkirche
mit künstlichem Holzgewölbe, decorirtem Ostgiebel. Der Thurm vor der
Westfront ist oben achteckig.
Lalkai bei Czerwinsk. Flach gedeckte, 1409 geweihte Landkirche ^)
aus quadratischem Westthurm, rechteckigem Langhaus und gerade schlies-
1) Essenwein, A., Aus Krakau, im Organ fOr christl. Kunst. 1858. No. 1 f.
u. 2 Taf. — Derselbe, die mittelalterl. Kunstdenkmale der Stadt Krakau. (Selbst-
verlag des Verf.) 1866.— Wurzbach, Const., die Kirchen der Stadt Krakau. 1853.
2) Essen wein, die Dorakirche zu Krakau, in den Mittheil, der k.k. Central-
Commission etc. (1865) 10, 57—90 u. 2 Taf.
3) Lepkowski, Jos. v., die Heiligengeist- u. heil. Kreuz - Capelle der Kra-
kauer Domkirche, ebd. (1860) 5, 294— -300.
4) Sehen kl, die Dreifaltigkeitsk. der Dominicaner in Krakau, ebd. (1857) 2,
17—21.
5) Bergau, R., die Kirche zu Lalkau, inderDanzigerZtg. 1864 No. 2682 u. 84.
im norddeutecben Tieflande. 609
Sendern Chor mit Fialen - geschmücktem Ostgiebel bestehend, nach dem
Brande von 1862 wiederhergestellt.
LMeiblTg in Pommern. Die Jacobikirche mit drei Schiffen von glei-
cher Höhe ; das Innere in wüster Weise entstellt ; am Aeussem fällt über
den Seitenfenstem eine Reihe spitzbogiger Fensterblenden mit kleineren
Oeffnungen innerhalb derselben auf.
Leuei unweit Perleberg. Die in Folge vieler Brände ganz entstellte
Katharinenkirche in der Grundform des Kreuzes. Dasljanghaus mit kreuz-
förmigen Pfeilern ist älter als der im halben Achteck geschlossene einschif-
fige spätgoth. Chor. (Adler II, 17 f.)
Liegiitl. Die Marienkirche (nach einem Brande von 1822 wesent-
lich erneuert) und die Petri-Paulikirche (1313 — 1386) sind namhafte
Gebäude ; letztere mit schOnem Radfenster im Zwischenbau der beiden
Westthürme .
LMhstailt bei Pillau. Rechteckige Schlosskapelle, doch ist im Innern
ein polygoner Schluss durch die Gewölbebildung angedeutet. Reiches Portal.
L«ekai bei Seeburg. Ansehnliche rechteckige Landkirche (begonnen
1402) mit decorirten Giebeln, einigen malerischen Anbauten und Holz-
thurm in Westen, (v. Quast, Denkm. Heft 4. Bl. 23 Fig. 8 — 12.)
Loweiberg in Schlesien. Die kathol. Pfarrkirche, aus dem XV. Jahrb.,
deren drei gleich hohe Schiffe östlich jedes für sich polygonisch endeten,
mit schlanken Arkaden und zwei kleineren Westthürmen , ist aus völlig
barbarisirtem Zustande neuerlich hergestellt.
Lübeck.') Die Aegidienkirche, dreischiffiger Hallenbau. Das Mit-
telschiff schliesst dreiseitig, die Seitenschiffe gerade. Viereckige Pfeiler mit
rechteckigen Vorlagen . Hoher Thurm über der Westseite . (Schlössern.
Tischbein Taf. 16.) — Ruine der 1502—1510 erbauten Clarissenkirche
St. Anna, eines thurmlosen Hallenbaues mit dreiseitig geschlossenem
einschiffigem Chor und achteckigen Pfeilern. Kreuzgang und Refectorium
mit Hausteindetails. (Milde, ABC.) — Der dreiseitig geschlossene Chor
des Dom es ^ mit Umgang und Kapellenkranz; vergl. oben S. 459. —
Ueberreste der Dominicanerkirche. Der Kreuzgang, an den westlich
ein zweischiffiger Saal mit achteckigen Pfeilern stOsst. nördlich das ebenfalls
zweischiffige Refectorium mit Säulen und Pfeilern im Uebergangsstil. —
Die Jacobikirche, deren gleich hohe Schiffe von viereckigen, an den
abgekanteten Ecken mit Runddiensten besetzten Pfeilern getrennt werden
und jedes polygonisch schliessen. Thurm über der Westseite. (Schlös-
ser und Tischbein Taf. 15 u. 19.) — Die (Franciscaner) Katharinen-
kirche von 1335, mit schmalen niedrigen Seitenschiffen, die sich jenseits
des (durch mit vier Diensten besetzte Rundpfeiler in zwei Schiffe getheil-
ten) nicht ausladenden Querhauses fortsetzen und neben dem dreiseitig ge-
schlossenen Chor schräg hinaustretend polygonisch enden. Die Pfeiler der
1) Schlösser, H., u. Tischbein, A., Denkmale altdeutscher Baukunst in
Iiübeck. 3 Hfte. (isao.) - Deecke, L. H. E., die freie und Hansestadt Lübeck.
Mit Abbild. 2. Aufl. I^H. — Milde, C. J., Lübecker ABC. 1856.
T, (Heller, L.,} die MerkwOrdigkeiten der Domkirche in Lübeck. Neue Aufl.
]8t5.
ß \ i) GothUühe Kirchen
Langschiife sind achteckig, und der Chor besteht innerlich aus zwei Stock-
werken , deren Zwischenwölbung von zwei Reihen romanisirender S&ulen
getragen wird. Das Aeussere zeigt schwere Strebebögen. Die anstossen-
den ausgedehnten Klostergebäude sind für Schulzwecke umgebaut. (A. a. O.
Tat'. 1 2 f.) — Die grpssartige MarienkircbeM» begonnen nach einem
Brande von 1276, in der Grundform des Kreuzes mit zwei hohen viereckigen
Westthürmen und einem Dachreiter über dem Chor , mit niedrigen Seiten-
schiöen, welche sich durch das zweischifiige Querhaus fortsetzen und einen
Umgang mit drei vortretenden Kapellen um den im halben Achteck geschlos-
senen Chor bilden. Das Hauptschiff ist noch einmal so hoch als die Abseiten,
und die einfachen Kreuzgewölbe desselben werden durch schlichte Strebe-
bögen, welche sich von den ebenso einfachen Strebepfeilern hinüberlegen,
in der Spannung erhalten. Die Arkadenpfeiler von viereckigem Kern sind
an den beiden Stirnseiten mit drei Halbsäulen als Gurtträgern versehen,
für die Arkaden dagegen mit einer schlichten Pilaster vorläge, die sich band-
artig unmittelbar um den Bogen herumzieht , während die Halbsäulen mit
Blättercapitälen geschmückt sind. Die Fenster , durch zwei senkrechte
Pfosten dreigctheilt, erscheinen im Langhause in drei Reihen über einander,
indem zwischen den Strebepfeilern noch niedrige (Begräbniss-) Kapellen
eingebaut sind. Unter den verschiedenen Anbauten an diese Kirche zeich-
net sich aus die 1310 erbaute Briefkapelle, deren hohes SterngewöJbe
von zwei schlanken achteckigen Granitsäulen getragen wird. (A. a. O.
Taf. 1 — 4. 12. 19 u. 22.) — Die Petrikirche, ein aus fünf polygonisch
schliessenden Schiffen bestehender Hallenbau aus dem XIY. u. XV. Jahrh.
mit Thurm über der Westseite. Die übereck stehenden Achteckpfeiler mit
Kckdiensten und Laubcapitälen . (A. a. O. Taf. 14 u. 21.) — Die als Ka-
pelle dienende Vorhalle des Heil. Geist-Hospitals, durch einen Lett-
nerbau von dem Krankensaale geschieden , an der symmetrisch getheilten
Front mit drei Portalen und schlanken achteckigen Thürmchen. (Verdi er
et Cattois, Architecture civile 2, 149; vergl. oben S. 94 Fig. 3S.) —
Vergl. Lotz 1, 390 ff.
Lickai. Die Stadtkirche mit zwei massiven viereckigen Thürmen und
wagerecht abschliessendem Zwischenbau , hinter dem sich ein sehr hoher
Giebel erhebt, wohl nach dem Brande von 1890. (Puttrich. Denkm. U.
Serie Lausitz. Bl. 10.)
LlDekirg,^) Die Johanniskirche aus dem XIV. Jahrb., mit Spu-
ren eines älteren Baues. Fünf, sämmtlich polygonisch geschlossene Schiffe
unter einem Dach und Kapellen , die zwischen den Strebepfeilern heraus-
gebaut sind. Im Hauptschiffe Rundpfeiler mit vier nicht bis zum Fuss-
boden reichenden Gurtträgern, zwischen den Seitenschiffen gegliederte recht-
eckige Pfeiler. Einfache Kreuzgewölbe, in den äusseren Seitenschiffen mit
einer fünften, zwischen dem Fensterpaar des betreffenden Joches ausgekrag-
ten Rippe. Der kräftige Westthurm ruht innen aiif zwei Pfeilern . (Essen-
1) Die Merkwürdigkeiten der Marienkirche zu Lübeck. IS*23.
2) Die Altcrth. der Stadt Lüneburg u. des Kl. Lüne, herausgegeb. vom Alter-
thumsverein in Lüneburg. Lief, l — 4. 1852— 1S5S. — (Bode,) Lüneburg» Kirchen,
in der N. Hannov. Ztg. 1S«0, No. 123 ff.
im norddeutschen Tieflande. g 1|
wein, Backsteinbau Tat". 10 Fig. 4, Taf. 30 Fig. 9.) — Die Lambert i-
kirche mit drei gleich hohen, polygonisch schliessenden Schiffen, drei
Paar viereckigen und drei Paar achteckigen Pfeilern. — Die Michaelis*
kirche*) 1313 — 1418, mit drei gleich hohen, ursprünglich mit besonde-
ren Dächern versehenen, polygonisch schliessenden Schiffen. Dicke Hund-
pfeiler mit vier dünnen Diensten. Fünfrippige Gewölbe über den, wie in
der Johanniskirche mit je zwei Fenstern versehenen Jochen der Seiten-
schiffe. (Alterth. der Stadt Lüneburg etc. Lief. 2 Bl. 3.) — Die 1406 be-
gonnene Nicolaikirche mit niederen Seitenschiffen und im halben Sechs-
eck geschlossenem Chor , dessen Umgang von fünf polygonischen Kapellen
umkränzt wird. Achteckige Pfeiler mit concaven Seiten und je drei Stäb-
chen auf den Ecken. Sterngewölbe. Kapellen zwischen den Strebepfeilern.
Keine Strebebögen. — Vergl. Lotz 1, 406 ff.
larieibwg.^ Die Schlosskirche St. Maria, im Nordflügel des
Hochschlosses belegen, einschiffig mit vier quadratischen Doppeljochen,
dreiseitigem Schluss und einfachen Sterngewölben , die von polygonen
Wandpfeilern getragen werden. Letztere enden als Baldachine über auf
Consokn stehenden Heiligenstatuen. Die bis zu diesen Consolen hinab-
reichenden Fenster haben Maasswerkfüllungen aus Stuck. Die Umfassungs-
mauern sind bis zu den Fensterbänken mit Spitzbogenblendcn decorirt und
gehören in den beiden westlichsten Jochen noch dem ältesten Schlossbau
von 12S0 an; das übrige datirt von einem 1335 — 1341 erfolgten vollstän-
digen Umbau, bei welcher Oelegenheit auch unter dem damals neu ent-
standenen Osttheile im Erdgeschosse die Annakapelle als Hochmeister-
gruft eiiigerichtet wurde. Von ausgezeichneter Pracht fst die goldene
Pforte (Essenwein, Backsteinbau. Taf. 18), der am westlichen Ende der
Südwand neben dem hohen Schlossthurme belegene Eingang zur Kirche.
Am Westende derselben ist eine Empore mit dem vorspringenden auf zwei
schlanken Säulen ruhenden Hochmeisterstuhle eingebaut. — Die Stadt-
kirche St. Johannis ist ein dreischifiiger spätgoth. Hallenbau mit acht-
eckigen Pfeilern, Netzgewölben und gerade schliessendem Chor.
larieitknr in der Ukermark. Frühgoth. Klosterkirche mit geradem
Schluss, dessen Fenster bis in den Giebel hinaufreichen; Mitte des XIU.
Jahrhunderts.
Harieiwenler. Der Dom ^) mit niedrigeren Seitenschiffen ; doch statt
])Gebhardi,L. A., Kurse Gesch. des Klosters St. Mich, in Lüneburg.
2) Frlck, £., das Schloss Marienburg inPreussen, dargestellt in 19 Tafeln.
1799 — 1803, nebst: Histör. u. architekton. Erläuterungen der Prospecte etc. 1S()2. —
Bflsching, J. Gust. Gli., das Schloss der deutschen Ritter zu Marienburg. 1823.
^ Eichendorff, Jos.t.» die Wiederherstellung des Schlosses zu Marienburg. 1844.
— Voigt, J., Sendschreiben an Herrn ▼. Quast über die Zeit des Aufbaues des
Mittelschlosses zu Marienburg, in den N. Preuss. Provinzialbl. 9, 97 — 106. —
Quast, Perd. v., Marienburg, ebd. 11 in Heft 1 — 3. — Witt, A., Marienburg in
dem ehemal. u. gegenwftrt. Zustande. 1854. — Illustrirte Ztg. (1854) Bd. 21 No. 593
S. 316, mit Unterbrechungen fortgesetzt in Bd. 22 — 25u. 27. — Rosenheyn,
Max, die Marienburg. IS^S. — Vergl. t. Wiebeking, Baukunde. Taf. 73 u. 76. —
Knllenbach, Atlas. Taf. 13—15. — Förster, Denkm. 6, 5-— 14 u. 5 Taf.
3) Berg au, R., Schloss u. Dom zu Marienwerder. 1865. AusFoss, Zeit-
schr. für preuss. Gesell, u. I^ndeskunde. 1865 Heft 10.) Vergl. Danziger Ztg. 1863.
No. 2185 u. 87 ; Organ für christl. Kunst. 1864. No. 9.
6 ! 2 Gothische Kirchen
der Oberlichter nur Blenden mit kleinen Stich bogenöffnangen und unter
einem Dach. Begonnen wurde der Bau nach 1343 mit dem, 17 F. über
der zu ebener Erde belegenen Bischofsgruft ^) errichteten, einschiffigen im
halben Achteck geschlossenen Chor. Das jüngere (trapezförmige) colossale
Langhaus hat starke achteckige an den Ecken gegliederte Pfeiler und wie
die ganze (in Folge von Kriegsschäden um 1500 hergestellte) Kirche Stern-
ge wölbe. Die südliche spätestgoth. von 15S6 datirende Hausteinvorhalle
hat bei der 1862 — 64 ausgeführten Restauration des Domes eine neue Krö-
nung erhalten. Der südwestlich belegene Thurm gehört zum Schlossbau.
Hdwitz bei Brieg. Weiträumige Dorfkirche, im Schiff mit spätgoth.
bemalter Holzdecke ; der Chor besteht aus zwei quadratischen Kreuzgew^öl-
ben eines noch strengen Stils. Restaurirt.
■iiickeberg bei Fürsten walde. Die Kirche^), vergrösserter spätgoth.
Umbau eines älteren Oranitbaues , besteht aus dem durch zwei Achteck-
})feiler in eine zweischiffige Halle verwandelten Langhause und dem schief
angesetzten , ebenso langen , aber schmäleren siebenseitig geschlossenen
Chor. Sterngewölbe. Der Thurm sammt der ihn mit der Kirche verbin-
denden sonderbaren Brücke von 1826. (Adler, Bauwerke. IL BL 75.)
Naigardt in Pommern. Spätgoth. Kirche mit niederen Seitenschiffen und
Westthurm.
Neiase. Die e van gel. Kirche aus dem XIV. Jahrh. und zopfig. —
Die kathol. Kirche St. Jacobi, eine bedeutende spätgoth. hallenförmige
Anlage. Der isolirte Sandsteinthurm von 1424. — Lotz 1, 464.
Neu-Braailenbirg im Lande Stargard. Die 1299 geweihte Kloster-
kirche. — Die etwas jüngere Marienkirche, mit elegant verziertem
Giebel über der Östlichen Schlusswand.
Neaeabarg bei Marienwerder. Die Klosterkirche aus dem XIV.
Jahrh. mit einer durch das abfallende Terrain bedingten Gruftkapelle unter
dem Chore. — Die kathol. Pfarrkirche, XIV. Jahrh.
Neaeadarf bei Gardelegen. Die frühgoth. Kirche des 1228 gestifteten
Cisterziensernonnenklosters , einfach rechteckig mit Holzdecke und einer
westlichen Empore über einer zweischifHgen, von fünf kurzen Rundpfeilern
getragenen Halle. Die drei östlichen Fenster reichen bis in den Giebel
hinauf. (Adler I, 53 f. u. Bl. 31.)
Kea-Rappia. Die (Dominicaner) Klosterkirche, in dreischiffiger
Hallenform mit langem einschiffigem siebenseitig geschlossenem Chor. Mit
Ausnahme eines älteren Theils der südl. Chorwand (oben S. 46t) ein bei
aller Einfachheit vollendet edelgoth. Gebäude. Die mit vier Halbsäulen
besetzten Rundpfeiler tragen fiache karniesförmige Capitäle, die am Pfeiler-
kerne schlicht, an den Diensten mit romanisirenden Blättern geschmückt
sind. Die Hauptgurte sind im halben Achteck , die Kreuzgurte birnförmig
profilirt. Die zweitheiligen Fenster haben einen Vierpass im Bogenfelde.
(Adler II. Bl. 74.) — Die Siechenhauskapelle von 1490, einschiffig
mit dreiseitigem Schluss. Die Gurtträger der Netzgewölbe sind gewundene
Säulchen, zum Theil mit Zwischencapitälen. (A. a. O. Bl. 75.)
1) Bergau, R., die Dorotheenkap. im Dom zu Marien werder, im Kathol. Kir-
chenbl. für Culm u. Ermland. 1865. No. 11.
2) Vergl. oben S. 454 Note 2.
im norddeutschen Tieflande. 613
Newtadt a. d. Ostsee. Edelgotb. Kirche mit niederen Seitenschiffen,
aber unter einem Dache. Die mit vielen Abstufungen gegliederten Pfeiler
sind an beiden Fronten mit Bündeldiensten besetzt. Der sebr niedrige
gerade geschlossene Chor zeigt noch einen Rundbogenfries. Niedriger
Thurm vor der Westseite. Lotz 1, 469.
Reistadt - ElienwaMe. Die Pfarrkirche, frühgothisch mit roman.
Reminiscenzen ; nach Hertens (Tafeln) 1333, mit Veränderungen nach
einem Brande von 1499. Vier Paar Pfeiler. — Die kleine Georgen (Hospi-
tal-) Kapelle vor dem Unterthor, einschiffig mit zwei Jochen und schief
dreiseitigem Schluss. Die bimförmigen Gewölbegurte ruhen auf Spitzcon-
solen. Unter den Kleebogenfenstern ein c. 2 F. breiter aus Vierpässen
zusammengesetzter Fries; der untere Theil der Wände mit Rund- und
Stichbogenblenden. An der Westseite ein schmaler rechteckiger Vorbau,
über dem sich ein vierstöckiger , mit oblongen Blenden decorirter und mit
Pyramidendach gedeckter Thurm erhebt. (Adler 11. Bl. 80.)
Neiteick in Preussen. Kirche mit niederen Seitenschiffen.
tlifa. Der Chor der Klosterkirche (S. 461) mit dem Umgange und
andern Veränderungen nach einem Brande von 1350; die Gewölbe des
Quer- und Mittelschiffes erst 1582. Das Gewölbe des von zwei achteckigen
Granitpfeilem getragenen Capitelsaals ist 1866 eingestürzt.
tsterbirg. Das alte Langhaus der Nicolaikirche (S. 461) wurde gegen
Ende des XIV. zur Hallenform umgebaut und erst gegen Ende des folgen-
den Jahrh. scheint der merkwürdig unregelmässige, flach dreiseitig geschlos-
sene Chor entstanden zu sein, dessen Seitenschiffe in zwei diagonal gestell-
ten Polygonschlüssen enden.
Parstein (auf der Ziegeninsel im Mariensee) im Lande Barnim. Geringe
Ueberreste eines dreischifiigen Gewölbebaues : Strebepfeiler und romanisches
Detail. Um 1233.
Pasewalk in Pommern. Die Marienkirche (1306), deren gleich hohe
Schiffe jedes für sich polygonisch schliessen , so dass die Nischen der Ab-
seiten über die Seitenwände hinaustreten : die Arkadenpfeiler von acht-
eckiger Grundform mit gedoppelten Halbsäulchen auf den Ecken und Drei-
viertelsäulchen an den Hauptseiten ; die Gurtträger im Chor in gewisser
Höhe durch einen Ring umfasst; die Details in edler, klarer Bildung;
Ueberwölbung modern. Restaurirt. (Kugler, Kl. Sehr. 1, 704 ff. Fig. 76
— 84.)
Pelplil bei Danzig. Die Cisterzienserkircbe (Dom) mit niederen Sei-
tenschiffen , kurzen Oberlichtem und dreischiffigem gerade schliessendem
Chor , in der Mitte der Gesammtlänge von einem zweischiffigen Querhause
durchschnitten, geweiht 1472. Achteckige Pfeiler, zur Hälfte ihrer Stärke
als Gurtträger der Sterngewölbe aufsteigend. Decorirte Giebel. Kreuzgang,
Refectorium undCapitelsaal. — Lotz 1, 498. — Die kleine Pfarrkirche
1418.
Perleberg. Die Jacob ikirche mit einschiffigem, im halben Zehneck
schliessendem, 1361 begonnenem Chor, hallenförmigem , höchst unregel-
mässigem spätgoth . Langhause mit rohen Rundpfeilem , zwei reichen Por-
talen aus glasirtcn Omamentziegeln an der Südseite und altem (oben mo-
6 1 4 Gothisehe Kirchen
dern gothischem) Rechteckthurme in Westen. Restaurirt. [Adler IT, 12
u. Taf. 53 f.)
Nastwich (Kr. Braunsberg) . Ansehnliche einschiffige flach gedeckte
Landkirche, mit schmälerem, gerade geschlossenem und Qberwölbtem Chor.
Der stattliche Thurm mit hohen Blenden und an den beiden Giebeln mit
Spitzpfeilern geschmückt, (v. Quast, Denkm. Heft 4. Bl. 23.)
Phie a. d. Havel. Spätgothisch ausgebaute zweischifligc Hallenkirche
mit achteckigen Pfeilern und schmälerem einschifiigem . gerade schliessen-
dem Chor. (Adler II. Bl. 75.)
PMeii. Die Marienkirche , ein Chorbau mit drei gleich hohen Schiffen
und theils acht-, theils sechseckigen, an den Ecken gegliederten Pfeilern.
Praast Dreischiflfige Dorikirche ^) mit niederen Abseiten, rechteckigen
abgekanteten Pfeilern, Oberlichtern, einschiffigem rechteckigem Chor und
niedrigem Westthurm. Sterngewölbe. Eine Vorhalle südlich am Schiff,
die Sacristei nördlich am Chor. Mitte des XIV. Jahrhunderts.
Prenilaa. Die Marienkirche, deren drei gleich hoho und gleich
lange Schiffe, von reichgegliederten Viereckpfeilern getrennt, östlich in
flachen Polygonabschnitten schliessen. Zwischen den Strebepfeilern des
Schlusses ist durch Verbindungsbögen eine gerade Flucht hergestellt als
Grundlage des in höchst kühner und vollendeter Anwendung des durch-
brochenen Ziegelmaass Werkes reich geschmückten Ostgiebels. Zwei West-
thürme. (Kallenbach, Atlas. Taf. 58. 59 u. 61. — Essen wein. Back-
steinbau, auf Taf. 2. 6. 15. 16 u. 24. — Vergl. oben S. 589 Fig. 232.)
Die Schwarze Klosterkirche, geweiht 1343. (Detail bei v. Minutoli,
Dom zu Drontheim. Taf. 10 Fig. 56.)
Preassisch - Eyka. Rechteckige einschifl[ige Kirche mit decorirtem Ost-
giebel und viereckigem Westthurm.
Preassisch - Stargard. Dreischiflige thurmlose Kirche^ mit niederen
Seilenschiffen, Oberlichtern, abgekantet rechteckigen Pfeilern und einschif-
figem gerade schliessendem Chor. Nur die Seitenschiffe haben Sterngewölbe,
das Uebrige Holzdecken. Sehr eleganter Westgiebel. Strebebögen unter
den Seitenschiffdächem. (Strehlke , in den N. Preuss. Prov.-Bl. 3. Folge.
3, 329.)
Pritswalk in der Priegnitz. Die Kirche, welche ihre noch jetzige Ge-
staltung im Wesentlichen durch einen Restaurationsbau von 1501 erhielt,
ist ein dreischiffiger Hallenbau mit Chorumgang, verbunden mit drei zwei-
stöckigen Seitenkapellen , deren Oberetagen sich emporenartig nach innen
Öffnen. Die Sterngewölbc ruhen auf glatten basenlosen Rundpfeilem. Der
oblonge Westthurm und Theile der Nordmauer aus Granitquadern scheinen
aus dem XIII. Jahrb. herzurühren, der Chor in Mauern und die nördlich
an demselben belegene Doppelkapelle von 1451 ; alles Uebrige spftter.
(Adler IL 16.)
1) Gebauer, die Kirche in Praust bei Danxig, in den N. PreuM. Prov.-Bl.
(1855) 2.Folge. 7, 139—143. — Strehlke, E., die Kirche in Praust, ebd. 3. Folge.
3, 324 — 331 nebst 4 Abbild.
2) Berg au, R., die Kirche zu Pr.-Stargard, im CorreBpondenK-Bl. lNt)5. S. 32 ;
vergl. Dansiger Dampf boot lSt>5. No. 43.
im norddeutschen Tieflande. gl 5
Fyriti in Pommern. Die im XV. Jahrh. bedeutend veränderte Moritz-
kirche mit niedrigen Seitenschiffen, achteckigen Pfeilern und dreiseitig
geschlossenem (später mit Umgang versehenem) Chor. Statt der Oberlich-*
ter in den Schildbogenfeldem je fünf pyramidal gruppirte kleine Spitzbogea-
blenden. i'Kugler, Kl. Sehr. 1, 737 Fig. 143 — 14S.) — Die einfache
Klosterkirche, einschiffig mit einem edel gegliederten Portal (ebd. 8.139
Fig. 149).
RaÜieMW unweit Brandenburg. Die Pfarrkirche erscheint in ihrem
Langhause als spätgoth. Umbau einer roman. Basilika, deren Ostende mit
zwei Apsiden am Schlüsse der Seitenschiffe und einem Säulenportal an der
Nordseite noch erhalten ist. . Aelterer Zeit als der gedachte Umbau (mit
Kundpfeilern und bunt decorirten Gewölben) gehOrt der mit achteckigen
Pfeilern ausgestattete Chor an , um dessen dreiseitigen Schluss die gleich
hohen Seitenschiffe einen siebenseitigen Umgang bilden. Am Westende
des Chores ist südlich die polygonische Andreaskapelle unter hohem f*}'ra-
midendach, nördlich die einschiffige, gegen Norden halbrund geschlossene
Marienkapelle angebaut. Der Thurm vor der Westfront der Kirche ist der
jüngste Theil des Gebäudes. (Adler IL Bl. 73.)
Ratib^r. Die rechteckige Schlosskapelle ^) im reinsten und edelen Stil
mit schönen Blättercapitälen und reichem Fenstermaasswerk ; das Aeussere
unbedeutend.
Rössel im Ermlande. Spätgoth. rechteckige Hallenkirche mit acht-
eckigen Pfeilern und reichen Sterngewölben. Schmale ungetheilte Fenster;
decorirter Ostgiebel; viereckiger Thurm vor der Westseite, (v. Quast,
Denkm. Heft 2 Bl. 9.)
Rust^ck. Unter den vier grossen Hauptkirchen der Stadt ist die wich-
tigste die in der Anlage dem Dom von Schwerin entsprechende Marien-
kirche, doch ist hier der nördliche Kreuzarm polygonisch geschlossen;
achteckige Arkadenpfeiler, nur die viereckigen Chorpfeiler (Essen wein,
Backsteinbau. Taf. 6 Fig. 14) indess sind profilirt; ebenso die Chorfenster,
während die übrigen undetaillirte Leibungen haben ; im Mittelschiff Stern-
gewölbe. Der Bau datirt mit Ausnahme des westlichen Thurmes von 1398
— 1472. — Die dreischiffige Petrikirche, deren dreiseitig geschlossenes
Hauptschiff sich nur unbeträchtlich über die geradlinig geschlossenen brei-
ten Abseiten erhebt und deshalb nur kurze Fenster hat, deren Stabwerk
jedoch an der Wand des Triforiums nach unten fortgesetzt ist ; die schlan-
ken achteckigen Arkadenpfeiler sind an den vier Hauptseiten mit Bündel-
säulchen versehen ; die nach innen gezogenen Strebepfeiler haben Durch-
gänge für die angebrachten Wandgalerien. — Die Jacobikirche, der vo-
rigen verwandt , aber reicher und zierlicher in den Profilirungen ; auch ist
das Mittelschiff geradlinig und die Abseiten polygonisch geschlossen. —
Die Nicolaikirche mit drei Schiffen von gleicher Höhe , Pfeilern von
runder Grundform und niedrigerem, gerade geschlossenem Chor.
Rigeiwtide in Pommern. Die Marienkirche mit niedrigen Seiten-
schiffen, achteckigen Pfeilern und dreiseitig geschlossenem Chor von der
1) Cuno, Bemerkungen zu der Skizze (Bl. 13) der Ratiborer Schlos«- Kapelle,
in der Zeitschr. für Bauwesen. 1852. Sp. 210 — 212,
616 Qothische Kirchen
Brette des Mittelschiffes , dessen Oberwand nördlich vollständige Fenster
hat, südlich nur Blenden, deren DeckbOgen indess offen sind. (Kugler,
Kl. Sehr. 1, 736 Fig. 139 — 142.) — Die Gertrudskirche, ein sechs-
eckiger Central bau mit niedrigerem , ein ZwOlfeck bildendem Umgange.
(Ebd. S. 741 Fig. 151.)
Sabwedel. Die Katharinenkirche (oben S. 463) erhielt zu Anfang
des XV. Jahrh. an den Langfa^aden je drei hohe reich ausgestattete Stufen-
giebel, sodann wurden die Seitenschiffe Ostlich um zwei Joche mit acht-
eckigem Pfeilerpaare verlängert, ein neuer einschiffiger, fünfseitig geschlos-
sener Chor , mit der zweistöckigen Marienkapelle auf seiner Südseite , an-
gebaut, neue Gewölbe im Langhause eingezogen, und endlich (1490 — 1500)
vor der Westseite die dreischifßge (durch Hineinziehung der durchbroche-
nen Strebepfeiler mit oberem Umgange fünfschiffige) Fronleichnamskapelle
mit Rundpfeilern (Strack und Meyerheim, Denkm. No. 4 u.l3) errichtet.
— Die Marienkirche (oben S. 463) wurde, nachdem schon im XIV.
Jahrh. der Obergaden des Schiffes erneuert war, um 1450 — 1468, zu einer
fünfschiffigen Anlage (mit Rundpfeilem zwischen den Seitenschiffen) ver-
breitert und mit einem polygonischen Chorschlusse versehen, wobei man
sämmtliche Umfassungsmauern erhöhte und neue Gewölbe einzog. Später
noch fällt die den alten Rundthurm umfassende Anlage der stattlichen West-
kapelle. — Die Franciscanerkirche, mit nur einem südlichen Seiten-
schiffe und dem einschiffigen siebenseitig geschlossenen Chor gehört we-
sentlich dem XV. Jahrh. an: der Chor 1435 — 1453; das Langhaus, dessen
Rundpfeiler mit je vier Dienstbündeln besetzt sind, seit 1493. — Von der
ehemaligen Klosterkirche St. Spiritus existirt nur noch der Chor aus
dem XV. Jahrh. (Adler, Bauwerke I, 88 f.) — Die Hospitalkapellen
St. Georg und St. Gertrud sind beide einschiffig; erstere mit halbrun-
der Apsis aus dem XIII., letztere aus dem XV. Jahrh. (Ebd. S. 89.)
St Albr«cht bei Danzig. Einschiffige Dorfkirche mit schmälerem drei-
seitig geschlossenem Chor und Thurm vor der Westseite. (Strehlke, in
den N. Preuss. Prov.-Bl. 3. Folge 3, 328.)
SMtoppeil bei Rössel. Rechteckige flachgedeckte Landkirche mit vor-
gelegtem Thurm in Westen : die Giebel des letzteren , der Ostgiebel der
Kirche und der Giebel der nördlich angebauten Sacristei sehr schön und
malerisch, (v. Quast, Denkm. Heft 4. Bl. 23.)
Sehlawe in Pommern. Die Marienkirche mit niedrigen Seitenschiffen,
achteckigen Pfeilern , auf deren Ecken sich aus tiefen Einkehlungen feine
Halbsäulchen entwickeln, und dreiseitig geschlossenem Chor von der Breite
des Hauptschiffes. (Kugler, Kl. Sehr. 1, 734 Fig. 135.)
Schleswig, Der Dom (oben S. 464) ist, abgesehen von dem roman.
Querhause und einem Säulenportal aus Granit an der Südseite , wesentlich
aus spätgoth. Zeit. Das Schiff hat viereckige Pfeiler und nach innen gezo-
gene Streben : im polygon geschlossenen Chor sind letztere fflr einen Um-
gang in der Höhe der Fenster durchbrochen.
Schtaeck unweit Danzig. Dreischiffige Hallenkirche mit einschiffigem,
dreiseitig schliessendem Chor. Jetzt ohne Gewölbe. Der aus der Westseite
hervortretende Thurm tritt in das Schiff hinein. (Strehlke, in den N.
Preuss. Prov.-Bl. 3. Folge. 3, 328.)
im norddeutschen Tieflande. S17
Schvlei bei Bischofstein. Rechteckige Dorfkirche, im unteren Theile
aus Granit , im oberen mit zwei decorirten Giebeln ausgestatteten Theile
aus Ziegeln. Vor der Westseite ein oben achteckiger Holzthurm. (v. Quast^
Denkm. Heft 4. Bl. 23.)
Schweidaitl. Grossartige kathol. Kirche aus Haustein, spätgothisch,
aber Yerzopft. Von den beiden Westthürmen ist nur einer vollendet und
mächtig hoch. Lotz 1, 549.
Schweril« Der Dom^) in seiner grossartigen Vollendung um 1350
— 1375; das Schiff 1412 — 1430. Grundform des Kreuzes ; das dreischif-
fige Querschiff durchschneidet das Langhaus in der Mitte ; die niedrigen
Seitenschiffe setzen sich , das Querschiff durchschneidend , im Chore fort,
um dessen dreiseitiges Haupt fünf sechseckige Kapellen bildend ; massige
Strebebogen ; die Fenster des Hauptschiffes im flachen Spitzbogen gedeckt.
Die Arkadenpfeiler sind viereckig mit Halbsäulchen auf den ausgerundeten
Ecken und je vier starken , theils mit angelehnten Rundstäben , theils in
ausgebildet gothischen Formen gegliederten Gurtträgem ; ein älterer Thurm
in der Mitte der Westfront. Die Gewölbe des Domes sind einfach ; nur
das Querschiff und die Thurmhalle haben Stemgewölbe. (Organ für christl.
Kunst. 1853. Taf. zu No. 5.)
Sekweti bei Culm. Pfarrkirche, provisorisch nur aus dem 1378 vollen-
deten Chor bestehend , bis das Langhaus viel später und nach völlig ver-
ändertem Plane hinzugefügt wurde.
Sckwiebis unweit ZüUichau. Der Dom , grossartig fünfschiffige Hal-
lenkirche.
Seekurg im Ermlande. Rechteckige , durch achteckige Pfeiler in drei
Schiffe getheilte Hallenkirche mit NetzgewOlben ; gegen 1400. Vor der
Mitte der Westfront eine schmale, die Stelle des Thurms vertretende Vor-
lage. Etwas nüchterner Schmuck von Fialen und Blenden an den Treppen-
giebeln, (v. Quast, Denkm. Heft 4. Bl. 22 Fig. 6 — 10.)
Seektiaei. Die Pfarrkirche (oben S. 464) hat in ihrem spätgoth. Um-
bau dreischiffige Hallenform mit Rundpfeilem. Der gleichfalls dreischiffige
Chor mit achteckigen Pfeilern (vollendet 1481) ist sehr niedrig und schliesst
im Hauptschiffe fünfseitig, in den Nebenschiffen gerade. Die westlich in
der vollen Breite der Kirche vorgelegte Kapelle vor 1497.
Spaadai. Die Nicolaikirche, ein edel durchgebildeter dreischiffiger
Hallenbau massiger GrOsse mit einem Westthurm.
Sttrgari. Die Johanniskirche mit Seitenschiffen von der Höhe
des Hauptschiffes , welche einen Umgang um den dreiseitig geschlossenen
Chor bilden; die Arkadenpfeiler theils vierseitig mit abgeschnittenen Ecken,
theils achteckig: letztere, sowie die Stemgewölbe einem Neubau von 1408
angehörig. (Kugler, Kl. Sehr. 1, 751 Fig. 160.) — Die Marienkirche
hat niedrige Seitenschiffe, die sich um den dreiseitigen Chorschluss ziehen,
und die Anlage zweier Thürme an der Westseite; in dem älteren, im
XV. Jahrb. überhöhten Schiffe sind die Pfeiler achteckig mit Gurtträgern
auf den Hauptseiten ; der Chor ist jünger und hat schlanke achteckige auf
1) Lisch, G. C. P., Oetch. der h. Blutskapelle und des Domes, zu Schwerin.
1848. Vergl. Jahrbücher des Vereins für meklenb. Gesch. 13, 143 u. 19, 398.
ß]g Oothische Kirchen
den Ecken gegliederte Pfeiler ohne Gurttrftger. Das Gebäude von colossa-
ler Masse und edlen Verhältnissen ; das Aeussere in reicher und zierlicher
Decoration. An der Nordseite des Chores eine achteckige Kapelle mit Bchö-
nem Sterngewölbe. (A. a. 0. S. 753 fF. Fig. 161 — 166. — Essen wein,
Backsteinbau S. 24. 36. Taf. 6 Fig. 11.)
SteffeBshagei' bei Doberan. Kirche mit niederen und sehr schmalen
Seitenschiffen , achteckigen Pfeilern und viereckigem Chor. An der Süd-
seite hinter einer Vorhalle ein geschmücktes Säulenportal.
SteiMi unweit Liegnitz. Der schlichte Hallenbau der evangel. Pfarr-
kirche.
Stendal.^) Der Dom 2) (oben S. 465) in der Grundform des Kreuzes;
das Langhaus mit drei fast gleich hohen Schiffen und zwischen die Strebe-
pfeiler eingebauten Kapellen : das Querschiff mit Abseiten auf der Ostseite ;
die schlanken Arkaden pf eiler von runder Grundform mit vier Gurtträgern ;
der siebenseitig geschlossene Chor in den schönsten Verhältnissen, wie
überhaupt die ganze Kirche, deren Inneres stets von Tünche frei blieb, zu
den schönsten Denkmalen des Ziegelbaues aus dem XV. Jahrh. gehört.
(Strack und Meyerheim No. 7. 8 u. 15. — Adler, Bauwerke. Bl, 32
— 35. — Essen wein, Backsteinbau Taf. 17.) Das Refectorium an dem
spätgoth. veränderten und überbauten Kreuzgange (Strack und Meyer -
heim No. 24. — Adler I, 57 u. Bl. 35) von 1461 mit einer Reihe nie-
driger Rundpfeiler. — Die Jacob ikirche, in dreischiffiger Hallenform
von 1311 und mit 1460 — 1469 erbautem, dreiseitig geschlossenem Chor,
hat achteckige Pfeiler und enthält einige Ueberreste aus roman. Zeit. —
— Die grossartige Marienkirche mit drei fast gleich hohen Schiffen ;
die Seitenschiffe bilden einen Umgang um den Chor: die Arkadenpfeiler
wie im Dom; die Gewölbe beendet 1447. (Strack und Meyer heim
No. 3. — Adler I, 61 u. Bl. 41. — Essenwein Taf. 4 u. 6.) — Die
Petrikirche in Hallenform mit achteckigen Pfeilern und einschiffigem
polygonisch geschlossenem Chor aus dem XIV. Jahrb. ; über der Westseite
ein Thurm von 1582. (Adler I, 62.) — Die einschiffigen Nonnenkirchen
St. Anna und St. Katharina, spätgothisch, beide fünfseitig geschlossen :
erstere mit unterwölbter Nonnenempore in Westen und Holzdecke, letztere
(Adler Taf. 41. — Strack u. Meyerheim No. 23) geweiht 1469.
Stepttitt bei Pritzwalk. Die einschiffige altgoth. Kirche des 1230 ge-
stifteten Cisterziensernonnenklosters Marienfliess mit flacher Decke und
schmälerem überwölbtem Chor , dessen östlicher Theil mit fünfseitigem
Schluss späterer Zeit angehört, als der Übrige Bau. Auf der Südseite hat
die Kirche zwei Reihen Fenster, woraus auf eine ehemalige (hölzerne) Non-
nenempore im westl. Theile zu schliessen ist. (Adler II, 6 u. Bl. 53
Fig. 1-4.)
Stettil. Die Johanniskirche mit drei gleich hohen Schiffen und
1} Backstein -Architektur aus Stendal, in der Zeitschr. für Bauwesen. ]S59.
Sp. 201 — 204 nebst Bl. 36 — 38 im Jahrgange IS57 u. Bl. 25 - 2^» im Jahrgange
1859.
2) Quast, Ferd. ▼., Beschreib, des Domes zu Stendal u. Bestimmung der Er-
bauungsseit des gegen wärt. OebAudes, in den MArk. Forschungen 3, 132 — I5f .
im norddeutschen Tieflande. * 619
mit siebenseitig aus dem Zeh neck geschlossenem Chor ; achteckige Arka-
denpfeiler; kleine niedrige Kapellen zwischen den Strebepfeilern: Stern-
ge wölbe ; kein Thurm. Der Kreuzgang neben der Kirche älter als diese.
(Kugler, Kl. Sehr. 1, 715 Fig. 95 — 97.) — Die Jacobikirche , ein
colossales Gebäude und, wie vorhandene Ueberreste beweisen, Umbau einer
älteren Kirche mit niedrigen Seitenscbiffen und zwei Westthürmen ; jetzt
sind die Schiffe von gleicher Höhe , die Abseiten bilden einen Umgang um
den filnfseitigen Chorschluss und es ist nur ein, im J. 1504 vollendeter
Thurm vorhanden ; achteckige, im Chor viereckige Pfeiler ; moderne Ueber-
wölbung. (Ebd. S. 71C Fig. 98.) — Die als Arsenal benutzte, verbaute
Kirche des Mariennonnenklosters von 1336. — Die einschiffige
fünfseitig geschlossene Petrikirche mit nach innen gezogenen Strebe-
pfeilern aus dem XV. Jahrhundert.
Stolp« Die Marienkirche mit niedrigen Seitenschiffen , dreiseitig
geschlossenem Chor von der Breite des Mittelschiffes und achteckigen Ar>
kadenpfeilem ; der Thurmbau nimmt die ganze Westseite ein, und die un-
tere Halle von der Höhe des Mittelschiffes bildet gewissermassen ein west-
liches Querschiff. (Kugler, Kl. Sehr. 1, 735 Fig. 136 — 138.) — Die
einschiffige, rechtwinkelig geschlossene Schlosskirche mit rohen Stem-
gewölben überdeckt. — Die kleine Nicolaiklosterkirche (Armen-
schule) mit eigenthümlicher Anlage des Thürmchens vor der Westfront,
auf dessen Ecken Strebepfeiler schräg heraustreten. — Die achteckige Ka-
pelle des Georgenhospitals mit kreisrunden Fenstern. (A.a. O.S.742
Fig. 153.)
StralMüd. Die 1311 begonnene Nicolaikirche mit niedrigen, einen
in der Hauptform fünfseitigen Umgang um den dreiseitigen Chorschluss
bildenden Abseiten ; an den fünf Seiten des Umganges treten indess wie-
derum kleinere polygonische Vorlagen heraus ; die Arkadenpfeiler des Lang-
hauses achtseitig mit feinen Halbsäulchen in den Ecken, die Chorpfeiler in
strenggothischen Formen auf das lebhafteste gegliedert ; die Strebepfeiler
der Seitenschiffe , unterhalb nach innen gezogen und kleine Kapellen zwi-
schen sich einschliessend , übersteigen das Dach der Abseiten und tragen
starke Strebebögen , welche sich nach den Wänden des Hauptschiffes hin-
überwölben ; zwei Thürme mit dreifacher Halle vor der Westfront. (Kug-
ler, Kl. Sehr. 1, 727 Fig. 121 — 124. — Essenwein, Backsteinbau.
Titelbild.) — Die Jacobikirche mit drei Schiffen von ungleicher Höhe,
aber von gleicher Länge und an der Ostseite durch eine gerade Wand ab-
geschlossen ; achteckige Arkadenpfeiler ; ein schlanker, im Obergeschosse
achteckiger Thurm mit reicher Decoration über der Westfront. (Kugler
a. a. O. S. 729 Fig. 125. — Essenwein a. a. O. Taf. 10 Fig. 8.) —
Die Katharinenklosterkirche, vollendet 1317, jetzt Arsenal, mit
gleich hohen Schiffen und Chorraum von der Breite des Mittelschiffes ; die
Arkadenpfeiler theils rund , theils achteckig ; Blättercapitäle an den Gurt-
trägem im Chor. — Die Marienkirche^) in colossalen Massen, im
Wesentlichen vollendet im J. 1460; Grundform des Kreuzes ; niedrigere
1) Zober, E., die St. Marienkirche su Stralsund', in d^r Zeitschr. Sundine.
1836. No. 55. S. 129 ff.
620 ' Gothische Kitchen
Seitenschiffe neben dem riesig hohen Mittelschiffe , die sich auch neben
dem Querschiffe ausdehnen und den Chor in dreiseitigem Umgange um-
ziehen ; schlichte achteckige Arkadenpfeiler ; die Fenster des Hauptschiffes
mit eckig aufsetzenden DeckbOgen ; über der breiten , mit dem Langhause
gleich hohen westlichen Halle erhebt sich in der Mitte der in den beiden
Obergeschossen achteckige Thurm. (Kugler a. a. O. S. 747 Fig. 154
- - 159. — Essenwein a. a. O. Taf. 10 Fig. 9.) — Die daneben bele-
legene achteckige Apollonienkapelle mit achtseitigem Kuppelgewölbe.
(Kugler a. a. O. 8. 742 Fig. 152.) — Die einschiffige Johannisklo-
sterkirche, die dreischiffige Heiligegeistkirche : erstere aus dem
XIV., letztere aus dem XV. Jahrhundert.
Ttlgemuide. Die Stephanskirche (oben S. 465) erscheint in
ihrem goth. Umbau als eine dreischifiige Hallenkirche mit zweithürmiger
Westfront und einem halbachteckig geschlossenen Chor, um den die Sei-
tenschiffe als Umgang herumgehen. Mit den westlichen C'horjochen sind
kreuzflügelartige Anbauten mit angelehnten zweistöckigen Zwillingskapellen
verbunden. Die Bauzeiten der goth. Theile folgen nach Adler so aufein-
ander : die Nordmauer und Westmauer , sowie der untere Theil der Süd-
mauer um 1310 — 1320; die gegliederten Achteckpfeiler im Schiff, die
Arkaden, Gewölbe und der Obertheil der Südmauer 1376 — 1398; der
Unterbau der Thürme 1440 — 1460; der Chor, dessen Rundpfeiler mit vier
Qurttrftgem besetzt sind , das Querschiff mit reichen Doppelportalen und
die östl. Nebenkapellen 1470 — 1485; der Nordgiebel, die nur zum Theil
erhaltenen Obertheile der Thürme und die westlich am südl. Kreuzarme
belegene Kapelle um 1500. [Strack und Meyerheim, Denkm. No. 2.
10 u. 16., — Adler, Bauwerke I, 69 u. Bl. 37— 39. — Essenwein,
Backsteinbau. Taf. 21. 31 u. 34.) — Ruine der (Pauliner) Getrauds-
kirche 1438 — 1442, in dreischifiiger Hallenform mit einschiffigem polygo-
nisch geschlossenem Chor. Die mit Spiralbändern umwundenen Rundpfei-
ler haben vier Dienste. Klostergebäude, zum Theil aus derselben Zeit.
(Strack und Meyerheim No. 18. — Adler a. a. O. S. 71 u. Bl. 42.)
— Die einschiffige, einfach spätgoth. Elisabeth (Spital-) Kapelle, im
halben Zehneck geschlossen , mit niedrigen Kapellen zwischen den Strebe-
pfeilern. (Adler a. a. O. S. 72 u. Bl. 42.)
Tin^W bei Bützow. Rechteckige , von niedrigen Achteckpfeilem in
zwei gleich hohe Schiffe getheilte Kirche.
Tkni. Die Jacobikirche ^) auf der Neustadt , im eleganten Stil , ge-
gründet 1309, mit niedrigen Seitenschiffen und einzelnen Strebebögen; die
Strebepfeiler mit Spitzthürmchen gekrönt ; die geradlinige Schlusswand des
in besonders hochstrebenden Verhältnissen gehaltenen Chores von der Breite
des Hauptschiffes läuft in einen auf das zierlichste geschmückten Oiebel
aus. Bemerkenswerth ist, dass ungeachtet des rechtwinkeligen Chorschlus-
ses die Ueberwölbung des Inneren polygonartig angeordnet ist. Der vier-
eckige in schweren Formen errichtete Westthurm nach 1455. — Die
]) Quast, Ferd. v., die St. Jacobsk. in der Neustadt Thom , in der Zeitschr.
für Bauwesen. 1851. Sp. 153— 160 und Bl. IS.
im norddeutschen Tieflande. 62 1
Marienkirche^), in dreischiffiger Hallenform und mit einschüfigem,
gerade schliessendem Chor. Achteckige Pfeiler mit vier Bündeldiensten i
der östl. Giebel mit zwei Eck- und einem höheren achteckigen Mittelthurm.
TrebUl in der Mark. Die Todtenkapelle, um 1B40.
Treptow a. d. R. Die Marienkirche, 1303 — 1370; drei Schiffe von
gleicher Höhe ; fünfseitig geschlossener Chorraum von der Breite des Mit-
telschiffes; schlichte achteckige Pfeiler; Sterngewölbe; ein im Obergeschosse
achteckiger Thurm, mit hoher Halle darunter, über der Mitte der Westfront.
(Kugle r, Kl. Sehr, i, 712 Fig. S9 f.)
Treptow a. d. T. Die Petrikirche mit Schiffen von gleicher Höhe ; die
Seitenschiffe umziehen den dreiseitigen Chorschluss ; schlicht achteckige
Pfeiler; im Chor Sterngewölbe; ein Thurm vor der Mitte der Westfront.
(A. a. O. S. 721 Fig. 106 — 114.)
Triebsees. Die spätgoth. Kirche mit drei Schiffen von gleicher Höhe.
IJsed«H, Einschilfige flach gedeckte Kirche mit schmälerem, dreiseitig
schliessendem Chor.
Verdei. Der Dom'-^) (oben S. 466), eine kreuzförmige Hallenkirche
mit unregelmässig fünfseitigem Chorumgang der Seitenschiffe. Querschiff
und Chor (letzterer geweiht 1390) sind aus Haustein; das Schiff 14 73
— 1490. Rundpfeiler mit je vier Halbsäulen tragen die einfachen Kreuz-
gewölbe.
Wartenblirg im Ermlande. Die rechteckige Pfarrkirche mit westlich
vorgelegtem massigem Thurm, die (Minoriten-) Klosterkirche, ebenfalls
einschiffig mit schmälerem gerade geschlossenem Chor, beide aus der zwei-
ten Hälfte des XIV. Jahrh. ; letztere mit theils verstümmeltem, theils ver-
zopftem Schmuck der Giebel, (v. Quast, Denkm. Heft 4 Bl. 23 Fig. 1 f.)
In der Nähe grossartige Gewölbe , wohl zu den früheren Nebengebäuden
des Klosters gehörig. '^)
WtttHannshageK bei Güstrow. Das einschiffige Langhaus der Kirche,
streng gothisch ; der zum Innern gezogene Westthurm mit schönem Portal
und Fensterrose.
Werben in der Altmark. Die Johanniskirche mit drei gleich hohen
und gleich langen, neben einander in drei Polygonabschnitt^n schliessenden
Schiffen. Der westlich vorgelegte rechteckige, im Unterbau noch roman.
Thurm ist der älteste Theil : die unteren Theile der Seitenschiffmauern mit
zwei vermauerten Portalresten scheinen dem Anfange des XIV. Jahrh. zu
entstammen; der westl. Theil des Langhauses mit den reichgestabten Acht-
eckspfeilern wohl von 1412, der Chor, mit übereinstimmender, aber ver-
nüchterter Pfeilerbildung 1466. (Adler I, 78 u. Bl. 43 f.) ~ Die ein-
schiffige, im halben Sechseck geschlossene Heil. Geist-Kapelle mit
niedrigen Nebenkapellen zwischen den, durch Flachbögen verbundenen,
weit vortretenden Strebepfeilern. (Ebd. Bl. 42 Fig. 6.)
Wesel. Die Matenakirche, begonnen 1429, hat niedere Seiten-
schiffe , unregelmässig achteckige mit je zwei Diensten besetzte Arkaden-
1) Derselbe, S. Marien in Thorn, ebd. Sp. 323 - 326 u. Bl. Xi, — MarkuU,
C. G., der Bau der altstädter evangel. Kirche in Thorn. Mit 2 Abbild.
2) Bergmann, Leo, der Dom zu Verden. 1 833.
a) Vergl. N. Preu88. Prov.-Bl. :*. Folge. I, 'MVA.
Otte, KunBt-Arrhäologif». 40
622 Gothische Kirchen
pfeiler und kleine kreis- oder halbkreisförmige Oberlichter. Details aus
Sandstein. Ausser dieser noch drei andere (profanirte) Backsteinkirchen.
Die Kirchen St. Martin und St. Willibrord sind aus Haustein, letztere
fünfschiffigbasilikal und mit nicht ausladendem Querschiff, aber unvollendet.
WIeahaisei bei Celle. Die rechteckige einschiffige Cisterzienser-Non-
nenkirche , mit schlichter , von der Kirche durch einen breiten Gurtbogen
abgetheilter Nonnenempore, 1307 — 1309. (Mithoff, Archiv. Abth. ü.
Taf. 1 — 3.)
Wllsnack bei Perleberg. Die Nicolai- (Wallfahrts-) Kirche, Hal-
lenbau in der Grundform des Kreuzes mit zweistöckigen Abseiten an der
Ostseite der Kreuzarme und einschiffigem fünfseitig schliessendem Chor,
nach dem Muster des Domes von Stendal, aber grösser: 1447 — 1525.
Aeusserlich ein zwischen den Chorstreben eingespannter, nach aussen geöff-
neter überwölbter Umgang und am nördlichen Kreuzflügel mit einer von
brückenartigen Qögen getragenen, bedeckten Verbindungsgalerie nach dem
ehemaligen Prälatenhause. Der Thurmrest im Westen des Mittelschiffes
datirt von einem früheren Bau. (Adler IT, 13 — 16 u. Bl. 46 f.)
Wismar. Die in ihrer Anlage dem Dome von Schwerin entsprechende
Marienkirche mit gegliederten achteckigen Pfeilern und zwei Nebenbal-
len zu den Seiten des westlichen Thurmes ; den vier Kreuzgewölben der
Kreuzflügel dient ein achteckiger Mittelpfeiler als Stütze; der Chor 1339
— 1354, das Schiff später. — . Die Georgenkirche mit rechtwinkelig ge-
schlossenem , niedrigerem Chor , um den sich die Seitenschiffe , das Quer-
schiff durchschneidend , fortsetzen ; die Arkadenpfeiler sind achteckig mit
eingekerbten Ecken , Sterngewölbe im Mittelschiff und in der von vier brei-
ten Gurtbögen begrenzten Vierung ; XIV. und XV. Jahrhundert. — Die
Nicolaikirche nach dem Muster der Marienkirche, doch ist nur derChor-
schluss überwölbt; der Chor 1381 — 86, der südliche Kreuzarm und die
Abseiten 1437; die Kirche geweiht 1460. — An allen diesen in den Ver-
hältnissen übertrieben hohen , in der Ausbildung rohen , nur durch die
Grösse imponirenden Kirchen herrscht das System der Strebebögen vor.
WittsUck in der Priegnitz . Die Marienkirche, ein dreischiflfiger
rechteckiger Hallenbau , dessen kreuzförmige ausgeeckte Pfeiler mit je vier
starken Halbsäulen besetzt und an den Capitälen mit aufgelegten Blättern
verziert sind , datirt in der westlichen , durch zwei schöne Portale ausge-
zeichneten, edclgoth. Hälfte vom Ende des XIII. Jahrb., in der östlichen
von 1451. Von den angebauten beiden zweistöckigen Kapellen wurde die
nördliche 1484. die südliche 1498 errichtet. Der an der Westseite bele-
gene oblonge, oben quadratische Thurm gehört im Erdgeschosse zum Theil
dem ältesten Bau der Kirche an , im Obertheil dem XVI. Jahrhundert.
(Adler II, 10 f. u. Bl. 53 f.) — Die einschiffige spätgoth. Heil. Geist-
kapelle, jetzt ohne Gewölbe, mit quadratem Westtbürmchen.
W^lgast in Pommern. Die Petrikirche mit niedrigen Seitenschiffen,
welche um den dreiseitigen Chorschluss einen fünfseitigen Umgang bilden;
achteckige Pfeiler, an deren beiden Stirnseiten flache Bänder mit Halbs&ul-
chen auf den Ecken als Gurtträger hervortreten; im Mittelschiff Stem-
gewölbe. (Kugler, Kl. Sehr. 1, 732 Fig. 129 f.) — Die Gertruds-
im norddeutschen Tieflande. 623
kirche von zwOlfeckiger Gestalt: in der Mitte ein starker Rundpfeiler als
Träger des zierlichen Sterngewölbes. (Ebd. S. 741 Fig. 150.)
W«IUli. Die Nicolai kirche , ein dreischiffiges, jetzt ein buntes Ge-
misch verschiedenartiger Theile darbietendes Gebäude ; die besser erhaltene
Georgenkirche ist nur einschiffig; beide gehören erst dem XV. Jahr-
hundert an.
W«lHin(Jldt bei Magdeburg. Die elegant spätgoth. Schlosskapelle von
1480, rechteckig mit nach innen gezogenen Streben, die, unter den Fen-
stern mit Durchgängen versehen, eine Empore zwischen sich haben, (v.
Quast, in der Zeitschr. für Archäol. u. Kunst 1, 261 u. Taf. 17.)
W^mditt unweit Heilsberg. Rechteckige spätgoth. Kirche (geweiht
1379) mit niederen Seitenschiffen und dicken achteckigen, in der Hälfte
ihrer Stärke an den Scheidmauern aufsteigenden und oben durch gegliederte
Schildbögen verbundenen Arkadenpfeilern. Reiche Sterngewölbe (auch in
den Kapellen , mit denen die Abseiten besetzt sind) , wahrscheinlich erst
von 1494, wo eine abermalige Kirch weihe stattfand. Ein viereckiger West-
thurm mit hohen Spitzbogenblenden, (v. Qu a s t , Denkm. Heft 2. Bl. 1 1 f.)
Wüsterhaisen a. d. Dosse. Kirche, inschriftlich 1474.
Zan«witf in Westpreussen. Einschiffige Cisterziensernonnenkirchc mit
reichen Sterngewölben.
Zehdenik in der Ukermark. Der nördliche Klosterflügel mit dem über
Rundpfeilern eingewölbten Refectorium, etwa um 1300. Vergl. oben S. 466.
Ziesar unweit Brandenburg. Die Schlosskapelle von 1472, Vorbild
der Kapelle von Wolmirstädt; s. diese. (Adler II. Bl. 79.)
Ziiu bei Jüterbog. Die beiden Abteigebäude: das eine mit schönem,
frei durchbrochenem Giebel aus dem XIV., das andere grössere aus dem
XV. Jahrh. (Put trieb, Denkm. Serie Jüterbog. Bl. 14 f. — Adler,
Bauwerke U. Bl. 61.)
40*
Anhang
über die Bauhütten.
Fig. 235. Consolc za Neumarkt in der Oberpfah (nach Sighart).
Literatur: Stieglitz, Ch. L., die Kirche der h. Kunigunde zu Roch-
litz, im Berichte der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig vom J. 1S29. — Des-
selben Beitrüge zur Gesch. der Ausbildung der Baukunst. ThI. 2. S.83 — 136.
-- Rumobr, H. F. v., über den gemeinschaftlichen Ursprung der Bauschulen
des M. A. 1835. — Heidcloff, C, die Bauhütte des M. A. in Deutechland.
IS44.— Kreuser, J., Kölner Dombriefe. S. 2S9— 343. — Kugler, Fz.,
Handbuch der Kunstgesch. S. 550 -552. — Schnaase, C, Gesch. der bil-
denden Künste IV. I, 298—334. — Brandt, C, über die allmfthlige Ausbil-
dung der Steinmetzzeichen an Baudenkmalen des M. A., in den N. Mittheil,
des ITiüring. - Sachs. Vereins. VIII. 3 u. 4. S. 1—45. — Reichensperger,
A., Vermischte Schriften S. 156—167. — Vergl. Guilielmo della Valle, Sto-
ria del duomo di Orvicto. Roma 1791, angeführt von Kreuser, Kirchenbau
1, 526 ff.
109. Unter Bauhütten versteht man die mittelalterlichen Stein-
metzverbrüderungen, deren Geschichte noch manches Dunkele hat
und kritisch zu sondern ist von der zum Theil apokryphen Geschichte
des Freimaurerordens.
Die »Bauhütte« ist das Brettgebäude, in welchem die Steinmetz-
brüderschaft ihre Geschäfts versammhingen hielt; auch wird darunter
Anhang über die Bauhütten.' 625
der abgegrenzte Raum verstanden, in welchem die Werkstücke bear-
beitet wurden. — Die freimaurerische Auffassung sieht in den mit-
telalterlichen Bau Verbindungen eine geheime Gesellschaft, deren An-
fänge, wenn nicht unter den Noachiden oder Pharaonen, so doch in
den römischen collegiis fabrorum zu suchen seien. (Vgl. Krause,
die drei ältesten Kunsturkunden der Freimaurerbrüderschaft. 1810
— 1813. — Heldmann, die drei ältesten geschieh tl. Denkmale
der deutschen Freimaurerbrüderschaft. 1820. — Kloss, G., die
Freimaurerei in ihrer wahren Bedeutung aus den alten und ächten
Urkunden der Steinmetzen. 1846. — Winzer, J., die deutschen
Bruderschaften des M. A., insbesondere der Bund der deutschen
Steinmetzen und dessen XTmwandelung zum Freimaurerbund. 1859.)
Anmerkung. Steinmetzen [lapiddae] scheinen überhaupt vor dem
XIII. Jahrh'. kaum vorzukommen; wenigstens ist dies in den im XII. Jahrb.
beginnenden Schreins - Urkunden (Grundacten) der Stadt Cöln nicht der
Fall : die ältere Zeit kennt nur caemmtarii (Maurer) und carpentarü (Zim-
merleutc), seit der Mitte des XIII. Jahrh. aber bricht die Reihe der nament-
lich erwähnten Steinmetzen nicht mehr ab. In der kurzen Zeit von 1248
— 1270 treten als städtische Grundbesitzer zehn Steinmetzen auf, darunter
zwei mit dem Ehrentitel »moffisiera (unmittelbar vor dem Namen), der in
damaliger Zeit keinen blossen Handwerksmeister bezeichnete, sondern etwa
dem heutigen Baumeister^) entsprochen zu haben scheint. Solche Ma-
gister - Steinmetzen , deren später in den Cölner Schreinsbüchern gegen 70
eingezeichnet sind, müssen eine höhere allgemeine Bildung besessen haben,
als die einfachen lapiddae, wenn man sie nicht geradezu für magistri artium
liberalium der Universität Paris erklären will. ^) Der Picarde Wilars aus
Honnecourt a. d. Scheide, ein Baukünstler um die Mitte des XIII. Jahrh.,
der seine Kunstreisen bis nach Ungarn ausdehnte , hatte , wie aus seinem
merkwürdigen Skizzenbuche'*) hervorgeht, sein Trivium und Quadrivium
absolvirt , besass Kenntnisse in der Mathematik, Mechanik und Physik,
machte Studien nach der Natur und beachtete sogar die Antike. — Die
1 ) Dieselbe Bewandtniss wird es haben , wenn in einer deutschen Urkunde von
1397 der Baumeister des Domes zu Frauenburg als »her Liward« titulirt wird, mit
einem sonst nur dem ritterlichen (oder geistlichen) Stande zustehenden Pradicate.
Die bevorzugte Lebensstellung der Baumeister geht auch aus den Titulaturen ihrer
Ehefrauen hervor, wenn z. B. die Gattin des Strassburger Meisters Erwin von Stein-
bach in ihrer Grabschrift von 1316 »Domxna Husa uxor magistri Erwini«, und die
Witwe des Kegensburger Meisters Ludwig in einem Kaufbriefe von 1306 »Discreta
domina Anna, relicta quondam magistri Ludowici operis st. Petrio genannt wird. —
Vergl. Jäger, C, über die Würde des Steinmetz meisters im M. A., im Kunstbl.
1S33. S. 109.
2) Vergl. Mertens u. Lohde, in der Zeitschr. für Bauwesen. Ib62. Sp. 173
u. 192.
3) Album de Villard de Honnecourt , architecte du XIII. »iecle , manuscrit pu-
blik en fac-simile par Lassus et Darcel. Paris 1S5S. (Original in der kaiserl.
Bibliothek daselbst.) Vergl. v. Eitelberg er in den MittheiL der k. k. Central-
Commission etc. (1859) 4, 145. — Schnaase, Kunstgesch. 5, 152—157. — Vorzüge
besitzt die englische Ausgabe : Facsimile of the sketchbook of Willars de Honecort,
by Robert Willis. London 1S59.
620 Allhang
l^rosscn Baumeister jener Zeit waren zwar praktisch tQchtig durchgebildete
Männer, aber nichts weniger als gewöhnliche Handwerker.
110. Die Steinmetzverbrüderungen waren in der Hauptsache
nichts anderes als zunftinässige Verbindungen von Bau band werkern
und entstanden nach den Kreuzzügen unter denselben Bedingungen
wie alle übrigen Innungen und Zünfte , blühten und sanken aus den-
selben Ursachen wie diese, gingen auch zugleich mit ihnen erst in
neuerer Zeit vollends zu Grunde.
Soweit sichere Kunde reicht, kommt eine Zunft der Bauhand-
werker zuerst in Paris im J. 1258 vor (Reglements sur les arts et
metiers de Paris au XIII. siecle, herausgegeben von Depping in
der Collection de documents inedits sur Thistoire de France; ange-
führt von Sehn aase IV. 1, 300) : die Maurer scheinen hier den
Vorrang gehabt zu haben vor den ebenfalls zur Zunft gehörigen Stein-
metzen, Gyps- und Mörtelbereitern, und das Verhältniss dieser ver-
schiedenen Bauhandwerker zu einander ist nicht völlig kjar ; in einer
(gleichfalls a. a. O. abgedruckten) Steuerrolle von 1292 finden sich
neben 104 Maurermeistern nur 12 Steinmetzen, 8 morteUiers und
36 plasiriers. Die Statuten dieser Zunft enthalten nichts Ungewöhn-
liches , und die den Mitgliedern aufgelegten religiösen Verpflichtun-
gen , welche sich dem kirchlichen Sinne des Mittelalters gemäss auch
bei andern Gewerken vorfinden , charakterisiren diese Verbindung
vor andern Zünften noch keineswegs (wie Kreuser meint, Dombri'efe
S. 294) als eine den Klöstern entstammende, vorzugsweise religiöse
Brüderschaft. Es scheint sogar , als hätten die Bauhütten sich viel-
mehr den Klöstern gegenüber zu selbstfindigen Vereinigungen ver-
bunden ; wenigstens steht es fest , dass ausser den zünftigen , selbst
noch in der mittelalterlichen Spfitzeit, auch klösterliche Bauleute exi-
• stirten. (Vergl. oben S. 288 Note.) ^) So führt Nagle r, Künstler-
lexicon 17, 274 aus Wimpfeling, Cis Rhenum Germania (Argent.
1649) p. 44 an, dass die Bettelmönche in Strassburg eine grosse
Bauschule hatten, und in Italien, besonders in Florenz, pflegten die
Dominicaner in ähnlicher Weise die Baukunst. (Vergl. Marchese ,
Memorie dei piü insigni pittori, scultori et architetti Domenicani.
Firenze. 1845.) An einem Gewölbträger in der Dominicanerkirche
zu Regensburg ist der Baumeister als tonsurirter Mönch mit dem
Zirkel in der Hand dargestellt. (Sighart, Bayer. Kunstgesch. S. 311
Fig. 110.) Auch bei den Cisterziensern währte die Bauthätigkeit der
Laienbrüder fort: in Bebenhausen erbaut 1407 der Laienbruder
Georg aus dem Kloster Salmanns weiler die durchbrochenen Dach-
thürme der Kirche und des Refectoriums ; in Maulbronn errichten
I) Eine sehr anschauliche Darstellung von dem Baubetriebe durch Cistenienser«
Luieiibrüder mit der Unterschrift: Constrvxere domum Conversi Sbhönamensem
;Schönau bei Heidelberg] qvoa pivs tndvxit religionis amor, ist nach einer Handzeich-
nung aus dem Anfange des XVI. Jahrh. mitgetheilt im Anzeiger des german. Mu-
seums von ISOl zu No. 11.
über die Bauhatten. 627
die Laienbrüder Conrad (Coneeraus de Schmye) 1493 und Augustinus
i5l<7 zierliche Wendelstiegen. Ein Beispiel aus dem Benedictiner-
Orden ist der Conventsbruder Heidlberg von Nieder - Altaich , der
1331 die Kirche zu Frauenau bei Regen erbaut. Bei den Karthäu-
sern in Cöln kommt 1398 der verheirathete Steinmetz Gobelinus als
conversus noßter vor. — Als interessantes Beispiel eines unzünftigen
Architekten ist der Prager Baccalaureus Matthias , ein » ziemlich ge-
lehrter« Schulmeister zu nennen, welcher, obwohl er die Kunst des
Steinwerkes von niemand erlernt hatte, im J. 14 76 mit Beifall als
Steinmetz und Baumeister auftrat. Als der Rath zu Kuttenberg ihm
1489 den Fortbau der dortigen Barbarakirche anvertraut hatte, ent-
standen dadurch Streitigkeiten zwischen der Steinmetzenzunft in
Kuttenberg und den beiden Bauhütten in der Altstadt und auf der
Burg zu Prag. Matthias erhielt den Beinamen Raysek, weil er
überaus schön zeichnen (böhm. = raysowati) konnte. Vergl. Wocel
in den Kunstdenkm. des Österreich. Kaiserstaates 1, 181 und in den
Mittheil, der k. k. Central - Comraission etc. (1861) 6, 107.
1 1 1 . In Deutschland finden wir um die Mitte des XV. Jahrhun-
derts die ersten urkundlichen Zeugnisse von einer dem Drange der
damaligen Zeit entsprechenden Vereinigung mehrerer Bauhütten mit
einander, welche sich durch ein gemeinsames Statut den vier Haupt-
hütten von Strassburg, Cöln, Wien und Bern (später Zürich) unter-
ordneten und dem Werkmeister des Strassburger Münsters Vorsitz
und Oberrichteramt übertrugen.
Als Motiv der Vereinigung wird in der ältesten vorhandenen
Urkunde (Ordnung der Steinmetzen zu Regensburg vom J. 1459 und
in der Bestätigung dieses Statuts durch König Maximilian vom J. 1498 ;
abgedruckt bei Heideloff a. a. O. S. 34 u. 57, wo S. 34—94 drei-
zehn bis. zum J. 1697 reichende Urkunden über Stein metzordnung
mitgetheilt sind) angegeben, »dass rechte Freundschaft, Einhelligkeit
imd Gehorsamkeit ein Fundament alles Guten ist«, und um zu Nutz
und Frommen der Bauherren wie des ganzen Handwerks »künftige
Zwieträchten, Misshelligkeiten, Kummer, Kosten und Schaden« ab-
zuwenden. — Man hat einen specifischen Unterschied zwischen den
Steinmetz Verbrüderungen und anderen Zünften darin finden wollen,
dass Erstere in ganz Deutschland durch eine gemeinsame Ordnung
gebunden und dagegen von städtischen Localstatuten seien eximirt
gewesen, während Letztere, eines gemeinsamen Bundes entbehrend,
lediglich unter den Localordnungen ihrer Wohnorte gestanden hätten ;
allein auch die Bauhütten hatten nach der Zeit und des Landes Noth-
dürft noch besondere Localordnungen (man vergl. z. B. die von Rei-
chensperger a. a. O. S. 164 — 167 mitgetheilte Trierer Stein-
metzen-Zunftordnung von 1397), und ebenso fanden bei andern
Handwerken Verbindungen der einzelnen Zünfte in weiteren Kreisen
statt : so traten sogar die Schneiderzünfte von 1 4 rheinischen Städten
im J.. 1520 zu einem gemeinsamen Bündnisse zusammen, »weil sie
628 Anhang
vermerkt hatten, wie Billigkeit, Friede, Freundschaft und Gehorsam
eine Mutter und Gebärerin alles Guten sei.« Vgl. Mone's Anzeiger
1839 Sp. 285 ff.
112. Aus diesen Urkunden geht die ganze Organisation der Bau-
hütte hervor, deren Mitglieder (Meister, Parlirer, Gesellen und Lehr-
linge) sich eines frommen und ehrbaren Lebens zu befleissigen hatten ;
von besonderen Mysterien findet sich keine Spur.
Der Meister ist das Oberhaupt der Hütte und wird für einen
Neubau vom Bauherrn erwählt ; bei dem ersten Bau , den er unter-
nimmt , muss er das Zeugniss mindestens zweier bewährten Meister
für sich haben, dass er des Werkes gewachsen sei ; er muss den Bau
genau nach der Visirung ausführen und darf daran nichts abbrechen ;
es ist ihm gestattet zum Steine hauen und mauern Maurer anzuneh-
men, die jedoch wider ihren Willen der Steinmetzordnung nicht un-
terworfen sind; gegen seine Untergebenen soll er gerecht sein, sie zu
einem frommen und ehrbaren Leben anhalten , keinen Streit unter
ihnen dulden und vorgebrachte Klagen, in wichtigen Sachen unter
Zuziehung von zwei Nebenmeistern , unparteiisch entscheiden. Als
besonders titulirt werden Werkmeister, Stadtmeister und Baumeister
unterschieden. — Der Pariire r (d. i. Sprecher, jetzt Polier), von
dem Meister im Beisein anderer Meister und Parlirer aus denjenigen
Gesellen gewählt , welche bereit« wenigstens ein Jahr auf der Wan-
derschaft gewesen waren , eine wichtige Person in der Hütte , ist der
nächste Vorgesetzte der Gesellen und Lehrlinge , der eigentliche
Werkführer und in Abwesenheit des Meisters dessen unumschränk-
ter Stellvertreter. — Die Gesellen sind berechtigt mit den Meistern
in der Hütte capitelsweise zu Berathungen zusammenzutreten und
dürfen unter Umständen einen Bau selbständig führen ; wenn ein
Gesell den Winter über bei einem Meister Arbeit gehabt hat, so muss
er auch den folgenden Sommer bis zum Johannistage bei diesem Mei-
ster bleiben ; die Statuten enthalten besondere und genaue Discipli-
narvorschriften auch für die wandernden Gesellen. — Die Lehr-
linge (Diener) müssen fünf Jahr lernen, wenn sie aus dem Rohen
aufgenommen werden ; sind sie dagegen früher schon Maurer gewe-
sen, so reichen drei Lehrjahre hin. Jeder Meister darf höchstens
fünf Lehrlinge, auf Einem Bau nur zwei halten. Bei der Lossprechung
wurde der junge Gesell — wie dies bei allen Zünften zu geschehen
pflegte — mit den Innungsgeheimnissen (dem Gruss und der
Schenk) bekannt gemacht, um sich auf der nun anzutretenden Wan-
derschaft, die mindestens ein Jahr dauern musste, auf der Hütte Ic-
gitimiren zu können ; zugleich empfing er auch ein Zeichen, welches
er auf jedem von ihm bearbeiteten Stein anzubringen berechtigt war,
sobald der Meister oder Parlirer die Arbeit besichtigt unJ für gut
befunden hatte.
Anmerkung 1. Die Behauptung, dass die Bauhütten ein sorgföltig
bewahrtes und mit ihnen untergegangenes künstlerisches oder symbolisches
übtr die Bauhütten. 629
Qeheimniss gehabt hätten, ist von Schnaasea. a. O. S. 313 — 329 gründ-
lich widerlegt : es bleibt davon nichts übrig als handwerksmässige Hilfs-
mittel der Steinmetzen zur Ausführung schwieriger Formen und Gliede-
rungen in praktischer Weise ohne geometrische Kenntnisse. Dass derglei-
chen Hilfsmittel von den Eingeweihten gegen Lehrlinge und Gesellen geheim
gehalten wurden , liegt im Geiste des Zunftwesens : die Statuten verbieten
die Mittheilung solcher Künste für Geld und gestatten dieselbe nur durch
wechselseitigen Austausch. Vgl. Heideloff, die Bauhütte S. 36 unter p.
Anmerkung 2. Schon seit dem Schlüsse des XII. Jahrh. findet man
bei den Steinmetzen die Sitte, sich auf einzelnen Steinen durch Einmeissein
von Buchstaben (vielleicht den Anfangsbuchstaben ihrer Taufnamen) zu
verewigen. Einzelne (die etwa nicht schreiben konnten oder geheimniss-
volle Zeichen liebten) wählten Abbildungen von Handwerkszeug (Hammer) ,
verschiedenartige Kreuze, Planetenzeichen, den Drudenfuss, den Drei- oder
Vierpass , auch geometrische Figuren und Zeichen , die beabsichtigte oder
zufällige Uebereinstimmung mit Buchstaben aus den Runenalphabeten haben.
3YJ;ATPXSI
Fig. 236.
Dergleichen Zeichen finden sich vereinzelt an den älteren Theilen des
Domes von Magdeburg, von denen wir Fig. 236 einige nach Brandt
(a. a. O. Taf. l) als Probe mittheilen; ähnliche kommen an den älteren
Theilen des Domkreuzganges und Langhauses von Halberstadt , auch an
der spätroman. Dortkirche zu Ober -Böblingen bei Eisleben vor. In Süd-
deutschland ist dieselbe Wahrnehmung zu machen, und Zeichen der betref-
fenden Art sind an den noch romanischen Bauten der Schottenkirche zu
\
IT ^
iff
l/6'V
Fig. 237.
Regensburg (vergl. die Proben bei Schuegraf, Gesch. des Domes von
Regensburg 2, 84), am Dome zu Gurk (Heider, in den Kunstdenkm. des
Osterreich. Kaiserstaates 2, 148,. woher wir die Probe Fig. 237 entlehnt
haben;, am Kreuzbau des Freiburger Münsters etc. nachgewiesen. Stein-
metzxeichen*] im engeren Sinne dagegen (vergl. Fig. 238), von wesent-
1) Mit denselben sind nicht su verwechseln solche Merkzeichen , welche zum
richtigen Zusammensetzen der bearbeiteten Steine auf denselben angebracht wurden
630
Anhang
lieh anderem Charakter, 2 bis 3 Zoll grosse, meist aus geraden Linien, die
in allerlei Winkeln an einander geschoben sind oder sich kreuzen , später
A
s/
y
\X'^
A
Figf. 238.
auch complicirtere, mit krummen Linien untermischte Formen zeigen, aber
stets eine gewisse Familienähnlichkeit mit einander haben , kommen erst
seit dem Ende des XIV. Jahrb., im XV. und XVL Jahrh. regelmässig auf
allen Werkstücken vor und sind in sofern bemerkenswerth , als man (ab-
gesehen von zufälligem Wechsel der Gesellen) aus der Wiederkehr der
nämlichen Zeichen an verschiedenen Gebäudeth eilen schliessen kann, dass
der Bau hinter einander fort und von denselben Arbeitern gefördert wurde ;
aus dem Vorkommen verschiedener Zeichen aber im Allgemeinen das Gegen-
theil. Als ein beachtenswerthes Ergebniss aus der vergleichenden Betrach-
tung der Steinmetzzeichen ist anzuführen, dass das Zeichen des Regens-
burger Dombaumeisters Conrad Roritzer (1430 — 1465) nebst mehreren
anderen im Dome von Regensburg vorkommenden Zeichen sich auch am
Lettner des Domes von Magdeburg (1445) vorfindet. ^) — An einem Pfeiler
des Domes von Regensburg sind auf einigen grossen Ecksteinen viele Stein-
metzzeichen neben einander angebracht, von denen Schuegraf a. a. O.
auf zwei Tafeln 91 mittheilt, und es scheint, dass die Steinmetzen, welche
an dem grossen Bau des Domes nach und nach Theil nahmen, sich hier
wie auf einer Gedenktafel durch das Einhauen ihrer Zeichen verewigt haben.
Gleiche Bedeutung hat auch die Steinmetzentafel im Chore der 1434 voll-
endeten Pfarrkirche zu Neumarkt (oben S. 624 Fig. 235), wobei zu bemer-
ken ist, dass, wie öfter vorkommt, das Zeichen des Meisters wappenschild-
artig umzogen erscheint, um dasselbe dadurch Vor den Zeichen der Gesellen
auszuzeichnen. — Im Laufe des XVI. und XVII. Jahrh. kommen neben
und ausser den eigentlichen Steinmetzeeichen auch Monogramme mit den
Anfangsbuchstaben der Namen vor.
Ueber die auf Ziegeln gebräuchlichen Fabrikzeichen vergl. oben S. 34
Fig. 8.
Eine reichhaltige, nicht in den Buchhandel gekommene Sammlung von
Steinmetzzeichen (mit einem Vorworte) hat Dr. Back in Altenburg heraus-
gegeben; vergl. Anzeiger des german. Museums. 1863 Sp. 11-9. — Ueber
Steinmetzzeichen in Breslau vergl. Alw. Schultz, in den Mittheil, der k.k.
Central - Commission (1862) 7, 52, über dergl. in Böhmen Fz. Jos. Be-
nesch, ebd. (1864) 9, XLI u. Taf. XI f. und in Bayern Sighart, Bayer.
Kunstgesch. S. 293 Fig. 101.
und z.B. amWestportalbau des Domes von Rheixns ( — ob auch irgendwo in Deutach-
land ? — ) förmlich in ein System gebracht in der Gestalt des T , von Halbmonden,
Pfeilen, Schuhsohlen etc. vorkommen. Vgl. Didron, Annales archäol. 3, 31.
I) Nach der Entdeckung des Herrn Domcustos Brandt in Magdeburg. Vgl. N.
Mittheil, des Thüring. - Sttchs. Vereins VIII. 3 u. 4. S. 168.
über die BauhOtten. 631
In neuerer Zeit hat besonders Homeyer (in Wolfs Zeitschr. für
deutsche Mythologie 1, 183) die Aufmerksamkeit auf die Haus- und Hof-
marken gelenkt, die offenbar eine gewisse Verwandtschaft mit den Stein-
roetzzeichen haben.
Anmerkung 3. Ueber die äusseren Bedingungen, unter welchen
sich die Baukunst im M. A. entwickelte und wirkte, giebt Auskunft, eine
Abhandlung von Mone »über die Domfabrik zu Speier (1220 — 1524)«
in Desselben Anzeiger für Kunde der deut. Vorzeit V. Sp. 92 ff. und 24 1 ff.
(Vgl. VII. Sp. 183 ff.). Sehr schätzbare Aufschlüsse über den ganzen mit-
telalterlichen Baubetrieb liefern in reicher Fülle die den Zeitraum von 1356
— 1555 umfassenden »Auszüge aus den Baurechnungen der St. Victors-
kirche zu Xanten, herausgegeben von Dr. H. C. Schölten. 1852«, aus
denen die bedeutende Kostspieligkeit einer grossen Bauausführung auch in
damaliger Zeit hervorgeht. Vergl. auch Luchs, Herm. , Baurechnungen
des ehemal. Dominikaner- Convents zu St. Adalbert in Breslau, aus der
Zeitschr. des Vereins für Gesch. u. Alterth. Schlesiens II. 2, 1 ff. (1858).
— Jede Stiftskirche hatte ihre besondere Baukasse (fahrica ecclenae)^ wel-
cher ein Geistlicher (in Xanten unter dem Namen eines »mattster /ahrtcaev)
vorstand. Die Einkünfte derselben waren theils regelmässige (Renten etc.),
theils zufällige (die Erträgnisse von Ablassertheilungen , CoUecten durch
ausgesendete Sammler [petitores structur<ie) , Vermächtnissen , Geschenken
an Geld- und Naturalien, Kleidungsstücken, Waffen, allerlei Geräthen etc.,
welche Gegenstände zum Besten der Baukasse verkauft und in Rechnung
gestellt wurden) . Wenn die Mittel reichlich flössen , vermehrte man die
Bauthätigkeit und schränkte sie wiederum ein , wenn es gerade an Geld
fehlte ; konnte man dagegen über feste und hinreichende Einnahmen ver-
fügen, so pflegte man (mindestens seit der zweiten Hälfte des XV. Jahrh.)
gleich den ganzen' Bau einem bestimmten Baumeister in Verding zu geben.
Belehrend über die ganze Art und Weise, wie Bauten im späteren M. A.
verdungen und die Arbeitzeiten und Löhne festgesetzt wurden, ist der Ver-
trag des Rathes zu Freiburg i. B. mit Hans Riesenberger von Grätz aus
dem J. 1471 (abgedruckt in H. Schrei ber's Münster zu Freiburg. Bei-
lagen S. 15 f.), auch der Contract wegen Fortbau des Domthurmes zu
Frankfurt a. M. mit Hans von Ingelheim vom J. 1483 und mit Niclas
Quecke vom J. 1494 (vgl. Archiv für Frankfurts Gesch. und Kunst I. 3,
40 ff.).
Yerzeichniss deutscher Baumeister,
nach alphabetischer Reihenfolge der Ortschaften geordnet.
Fig. 239. Bonensack, Baumeüter des Doms in Magdeburg. *)
Aachen. Ritter Gerard, genannt Chorus {j 1369), beginnt den Chor
des Münsters und das Ratlihaus, welches seit 1370 Magister Peter von der
Kapellen fortsetzt.
Altenberg bei Cöln. Reinold von Hochheim , in seiner Grabschrift
super omnes rex hptctdas genannt, verfertigt 1398 das grosse Prachtfenster
an der Westfront der Klosterkirche.
Annaberg. Erasmus Jacob von Schweinfurt bringt 1520 das Gewölbe
der Annakirche zusammen.
Angsbnrg. Burkhard Engelberger (y 1512) baut um 1500 den Chor
der Kirche St. Ulrich und Afra (s. Botzen, Heilbronn und Ulm). Das Por-
trät des Meisters von H. Holbein befindet sich in Kopenhagen.
1) Nach einer gdtigj^t von Herrn Dotncustos Brandt mitgetheilten Zeichnung.
Verzeichnlss deutscher Baumeister. 633
Basel. Ein Meister Johann wird als Erbauer der Klosterkirche Klin-
genthal genannt. — Am Münsterbau sind thätig : Johannes von Gmünde
1357 ; Conrad von Lindau 1400 ; ein Meister aus Strassburg 1414 ; Meister
Köfferlin 1422; Meister Hans 1437; Hans der Steinmetz 1438; Peter
Knebel von Basel um 1468; Hans von Nussdorf 1472 — 1503 (welcher
auch die Leonhardskirche erbaut) ; Hartmann von Hallwyl und Conrat
Hügelin legen 1489 den ersten Stein am neuen Schnecken des Thurms;
Ruman Väsch 1503 und sein Sohn Paul Parlier. *)
Bebeibansei s. oben S. 626.
Berlia.^) Meister Bernhard vollendet 1474 den Capitelsaal des Grauen
Klosters. — Meister Peter Ottner setzt 1514 die Spitze auf den Nicolai-
thurm.
Ben. Baumeister des Münsters : Matthias Heinz von Strassburg 1421
Matthäus Ensinger (s. Ulm) 1430; später dessen Brudersohn Matthias
Stephan Pfuttrer 1453; der westfälische Meister Erhard Küng seit 1469
Peter von Biel 1520. — Vergl. auch Haslach. «;■•
BerMH. Johannes Möller, ein von Lüchow gebürtiger Slave, vollendet
1519 die Gewölbe der Kirche, hatte auch 1514 den ehemaligen Dachreiter
der Franciscanerkirche in Salzwedel erbaut.
Bellen. Das Westportal der Pfarrkirche, erneuert 1498 von den Mei-
stern Antoni, Christoffl und Pemhard, und der nördl. Thurm in Folge des
Brandes von 1499 nach Burkhard Engelbergers (s. Augsburg) Plan 1501
— 1519 von Hans Lutz von Schussenried.
BnifleMbarg. Am Dom als maxister struchtrae 1307 Hinricus von Gar-
deleve. — Heinrich Brunsbergh von Stettin erbaut 1401 die Katharinen-
kirche. — Martinus Nicolaus Graft von Stettin erbaut den Thurm am Mohl-
thore 1411. — Henrik Reinstorp erbaut die Trinitatiskapelle der Godt-
hardskirche 1456. — Meister Paul erneuert den Dachreiter der Katharinen-
kirche 1484, erbaute auch 1488 den Thurm der Klosterkirche zu Neuruppin.
Vergl. Spandau.
Binnaa im Innviertel. Stephan Kromawer (Krumenauer; s. Wien)
■{• 1461, ein Meister des Baues der Kirche, in welcher sein Grabstein ist.
BraiMchweig« Werkmeister des altstädter Kathhauses: Berndt der Zim-
mermann « Hans der Steinhauer um 1 394 ; später Hans Hesse und Hans
Müller, Bildhauer; 1455 — 1468 Hinrick Stenhorst. — Barward Tafel-
maker erbaut 1518 den oberen Theil des südl. Andreasthurmes.
Brechtea bei Dortmund. Inschrift im Chor der Kirche : Henricus de
Essende paravit me.
BreMea« Restaurationsarbeiten am Dom durch Cord Poppelken 1522.
Bresla«.'^) Die Magistri lapicidae Martin und Alberich erhalten 1299
— 1302 Zahlungen für das Olauer Thor und das Rathhaus. — Der Stein-
metz Jodocus Tawchen verfertigt 1455 das Sacramenthaus in der Elisabeth-
1) Vergl. Fechter, D. A., das Münster zu Basel. 1850.
2) Nicolai, F., Nachricht von den Baumeistern, Bildhauern etc., welche vom
XIII. Jahrh. bis jetzt in und um Berlin sich aufgehalten haben. 178G.
3) Schultz, Alw., die Architekten u. Bildhauer Breslaus vor der Reformation,
n den Mittheil, der k. k. Central-Commiss. etc. (IS63) 8, 136— Nl.
034 Veneichnifls deutscher Baumeister.
kirche, nachdem er sich bereits durch ein solches für die Sandkirche em-
pfohlen hatte, und übernimmt 1463 die Vollendung des hohen Chores die-
ser Kirche. — -. Der Maurer Hans Bertolt und Franz Brewer »als Steyn-
metcze mewrera repariren 1465 Thurm und Kirche St. Barbara und con-
trahiren in demselben Jahre wegen Erbauung der Domvorhalle. — Franzke
Frobel, der Zimmermann, errichtet 1482 die hohe Spitze des Elisabeth-
thurmes.
irachsal. Meister Lorenz erbaut 1444 die Stiftskirche, Hensel Frosch
1472 die Michelskirche.
Brüll* Meister Anton Pilgram baut 1502 die Nordseite der Jacobs-
kirche; s. Wien.
toUeai. Den Chor der Frauenkirche erbaut seit 1404 Meister Johann
von Spey, + 1420.
CiilMar. Wilhelm von Marburg (-J- 1363 zu Strassburg), Werkmeister
am Chor des Münsters ; an dem reichen Portal des südlichen Kreuzarmes
steht der Name Humbertus ; femer werden genannt : Heinrich Arnolt,
Rathswerkmeister 1378, Meister Vincenz um 1460, Meister Lux (vergl.
Constanz) 1499 ; Meister Lorenz von Ueberlingen (s. dieses undConstanz)
erbaut 1505 den mittleren Thurm.
Cib«^) Ueber die Apostelkirche s. oben S. 288. — Der Bau der Cu-
nibertskirche , begonnen und weitergeführt consilio et magisterio des Sub-
diaconus Vogelo , der die Vollendung 1247 nicht erlebte. — Baumeister
des Domes :^) Magister Gerhard von Rile (auch von Kettwig genannt),
ein Steinmetz, der Sohn eines Cölnischen Brauherrn, 1248 — 1295; Ma-
gister Arnold 1295—1301; dessen Sohn Magister Johannes 1301 — 1330,
mithin Vollender des Chores; Magister Rütger 1330 — 1332. Aus späterer
Zeit : Michael 1368 ; Andreas von E verdinge vor 1412 ; Claiws von Buere
1424 (i 1445); Conrad Koene (Kuyn) 1452—1469; Johann von Fran-
kenberg 1469; Meister Heinrich 1478 — 1509 Parlier. In neuester Zeit:
Bauinspector Ahlert f 1833; Ernst Zwirner (f 1861) mit den Werkmei-
stern Vincenz Statz und F. Schmidt; Voigtel. — Baumeister des Karmeli-
terklosters : Conrad 1 3 1 6 .
C««stoM. Werkmeister am Dom: Heinrich Arnolt seit 1378, Vin-
ceneie 1450, Lux Böblinger (vergl. Colmar und Esslingen) um 1492 —
1499 ; Lorenz aus Ueberlingen (s. d. und Colmär) seit 1505.
Baaiig. Am Bau der Marienkirche sind thätig : Hinrich Ungeradin
1379 ; Claus Sweder 1425—1429 ; Steffens um 1444 und 1446; Michael
1484; Hans Brand 1485; seit 1498 — 1502 bringt der Stodtmaurer Hen-
rich Hezel die Gewölbe zu Stande. — Hans Glothau , Münzmeister der
Stadt, erbaut 1487 — 1494 die Schiessgartenhalle. — Das Rathhaus wird
1379 — 1384 von Meister Heinrich erweitert.
iiesil«rf. Der ehrwürdige Bruder Iso, Erbauer der 1161 vollendeten
Klosterkirche.
1) Merlo, J. J., Kachrichten von dem Leben und den Werken Cölnischer
Künstler. 1850.
2) Fahne, Ant., Diplomat. Beitrage zur Gesch. der Baumeister des Cölner Do-
mes. (1843) 2. Aufl. 1S49. Vergl. Dombl. IS50. No. 61.
Veneichniss deutecher Banmeister. £35
* Btakebbttl. Nicolaus Eseller, Vater und Sohn, arbeiten um 1450 an
der Georgskirche ; s. Nördlingen.
B^beraa. Die Sage bezeichnet den Ljlbecker Bürger Peter Wine [Sapiens)
7 1338 als Baumeister der Klosterkirche; er war indess wohl nur Wohl-
thäter des Klosters.
i«rtaM<l. Der Chor der Reinoldikirche, beendet 1450 Ton Rozien.
fcflenüult. Meister Wilhelm Knoke gründet 1394 den Chor der Ober-
kirche.
EggeafeMm. Die Erbauung der Kirche, unter Einfiuss des Hans Stein-
metz; s. Landshut.
EhniageH. Der Chor der Kirche, erbaut 1416 von Hans Ott.
ElMbecL Der mittlere Theil der Stiftskirche, 1404—1416 erbaut von
Hans Molderan. •*
EMheabach in der OberpfiEilz. Meister Hans zu Auerbach gründet 1435
die Kirche.
EasUagea. Den Bau der Frauenkirche begann nach 1421 Ulrich von
Ensingen; sein Sohn Matth&us leitete denselben von Bern (s. d.) aus unter
den Ballieren Meister Hans Hälin (f 1436) und Matthias von Ensingen
(t 1438); den Thurm vollendete Hans von Böblingen 1440— 1471 und
starb 1482; Hans Gugelin 1462; Marx von Böblingen i 1492; Stephan
Waid 1492—1496; Matthäus von Böblingen (s. Frankfurt a. M., Ulm,
Memmingen und Ueberlingen) 1496 — 1505; Dionysius von Böblingen
1513; Marx, Steinmetz von Stuttgard, seit 1516. — Die Katharinenkirche,
1485 gegründet von Matthäus von Böblingen.
Felchtea bei Trostberg in Oberbayem. Die Kirche erbaut 1502—1513
Qeoig Steinbrecher.
FeMUrcb in Vorarlberg. Hans Sturm erneut die Kirche nach einem
Brande von 1478.
Fiakeasteia bei Villach. Meister Jerg Steinmzer in Clagenfurt erbaut
1472 die Kirche.
Fraakftirt a. M. ^) Friedrich Königshofen baut 1405—1408 den Rö-
mer, wozu Jacob von Cöln 1415 Rath ertheilt. — Werkmeister des Dom-
thurmes : den Grund legt 1415 Madern Gertener; ihm folgt 1432 Jleister
Leonhard; 1434 Meister Michel ; 1437 Wigand; 1440— 1464 Jost; 1468
Bartholomeo; 1470.Jorgen; 1480—1491 Hans von Ingelheim ; 1483 giebt
Matthäus Böblinger (.s. Esslingen) Rath wegen des Fortbaues ; 1 494 Niclas
Quecke von Mainz; 1503 — 1512, wo der Bau liegen blieb, Jacob von Ett-
lingen. — Den Chor der Leonhardskirche erbaut Meister Hencfain 1434.
Fraataaa s. oben S. 627 zu § HO.
Fnaeabarg s. oben S. 625 Nota 1.
Frtibarg in B. Baumeister am Münster : Meister Peter von Basel und
Meister Heinrich der Leittrer 1332 : Johann von Gmünd 1359 ; Hana Rie-
senberger von Grätz (gebürtig aus Prag] erbaut 1471 — 1513 den Chor.
Spätere Werkmeister: Johannes Dixmenni 1520, Hermann Neuhäuser von
1) YergU Owinner, Ph. F., Kunst und Künstler in Frankfurt a. M. 1862.
471 «.
636 Verzeichniss deutscher Battmeister.
Münster f 1524, Leonhard Müller bis 1533, Hans Mentzinger von Basel
und Wolf Koch von Ruffach bis 1554.
Prelbirg a. d. U. Meister Peter von Weissenfeis baut 1499 Pfeiler
und Gewölbe der Stadtkirche.
freisittg. An der Deckplatte eines Säulencapitäls in der Krypta (um
1200) steht der Name Liutprecht eingegraben.
Fre«<len8ta<lt Heinrich Schikkard erbaut 1601 — 1608 die Kirche.
Meilai bei Pettau. Jacob Zekel erbaut 1495 das Franciscanerkl oster.
CainersheiM. Bauleute an der 14S8 gegründeten Kirche: HansKoppt,
Cunz Maurer , Jeronymus Mair , Cunz Paintner ; 1516 waren Baumeister
Hans Mayer und Peter Haberrein.
fiehhaasfl. Heinrich Vingerhut gilt als Erbauer der Marienkirche,
um 1250.
(ie«rgfMtluil. Um 1246 war der Mönch Wigand Baumeister.
toODil. Heinrich Parier^), Vater des später in Böhmen thätigen Peter
Parier (s. Prag, Kolin und Skutsch), beginnt 1351 die Kreuzkirche.
toMlenberg bei Neumarkt in der Oberpfalz. Hans Frommüllner 1474
Werkmeister der Kirche.
Mrliti. Meister Conrad und sein Gehilfe Urban Laubanisch vollenden
1497 die Wölbungen der Petri- Paulikirche. — Blasius Bohrer vollendet
1498 die Kirche zum heil. Kreuz. — Albrecht Stieglitzer erbaut 1508 die
Annenkirche.
({•slar. An einer reich verzierten Säule der spätroman. Domvorhalle
(oben S. 411) nennt sich Hartman us als Verfertiger.
Cirk« Den Anfang des Dombaues machte ein »exul Wido.v
lall in Schwaben. Meister Conrad vollendet 1525 die Michaeliskirche.
lalle a. d. S.^) Conrad von Eimbeck wird als Erbauer der 1388 ge-
gründeten Moritzkirche genannt. — Johann Rod ist 1470 am Bau des ro-
then Thurmes thätig. — Carl DrachstÄdt beginnt 1493 den Thurm der
Moritzkirche, deren Chor 1511 von Georg Ihener von Orlamünde vollendet
wird. — Nicolaus Hoffmann vollendet 1554 die Marktkirche und erneuert
1557 die Gewölbe im Schiff der Moritzkirche.
lankug. Heinrich Berends von Hannover erbaut 1514 — 1516 den
oberen Theil des Petrithurmes
laMM. Die Klosterkirche, erbaut von Rotger Brecht 1510—1512.
laBierer. Die Aegidienkirche wird 1347 durch die Meister genannt
von Witmeiers begonnen.
laslack. Winhing, ein Sohn Erwins von Steinbach (s. Strassburg)
\ 1330, Erbauer der Collegiatkirche. Von ihm soll auch der Terrassenbau
herrühren, auf dem sich das Münster zu Bern erhebt.
leMelberg. Hans Marx, seit 1423 Werkmeister der heil. Geistkirche.
lellbrana« Burkhard Engelberger (s. Augsburg) vollendet seit 1480
den Chor der Kilianskirche , an welchem vorher Hans von Mingolsheim
1) So, und nicht Arier, kommt der Name in einer Urkunde von 1.387 vor. Vergl.
Mittheil, der k. k^ Central-Commiss. (1S65) 10, LXXIV.
2) Im Anhange su C. £. Förfltemann'a Gratulationsschrift: Händeis Stamm-
baum IS44. Notizen über Bildhauer, Maler etc. de« XVI. u, XVII. Jahrhunderts.
Verzeichni«s deutscher Baumeister. 637
thÄtig gewesen sein soll. (Letzterer, aus der Gegend von Bruchsal gebürtig,
baute viel in Schwaben , namentlich die Kirche zu Laufen am Neckar , und
unterschrieb die Strassburger Steinmetzenordnung von 1464 zu Speier 1494.)
Den Thurm der Kilianskirche bringt Hans Schweiner von Weinsberg 1507
— 1529 zu Stande.
leiligenbllt in Tirol. Werkmeister der Kirche 1483 Hans Huber zu
Sigmundskron bei Botzen.
leiligenstailt im Eichsfelde. Johann Thene und Peter Armknecht er-
neuern nach 1333 die Stiftskirche, deren Gewölbe Johann Wirauch 1485
verfertigt.
lerrenalb. Im Paradies der Klosterkirche befindet sich der Grabstein
des Burchart Steinmetz f 1300 .
Hildriihaisen. Jacob Halltmayer erbaut 1515 den Chor der Kirche.
Hirschhorn bei Heidelberg. Die Brüder Georg Philipps und Engelhard
von Hirshorn erbauen 1517 die Erschheimer Kirche am linken Ufer des
Neckar.
Hamherg. Vierter Werkmeister der Kirche war 1374 Heinrich von
Hessen rode.
Ilbeistadt Die goth. Kreuzgewölbe der Kirche, von einem Meister
aus Assenheim.
Ingolstadt. Die Frauenkirche erbauen 1425 — 1439 Conrad Glätzel und
Heinrich Schnellmüller (f 1431); von 1510 — 1514 Erhard Heidenreich
und als Parlier sein Bruder Ulrich ; s. Regensburg.
Karlstein. Matthias von Arras (s. Prag) beginnt 1348 den Bau der
Burg.
Mirchberg am Wechsel. Werkmeister der Wolfgangskirche um 1400
war Michael Weinwurm von Wiener-Neustadt, der auch das Herzogsschloss
in Laxenburg erbaute und vor 1418 starb.
MIattan unweit Pilsen. Das Rathhaus erbaut Anton Salpellyn 1548
^1555.
Mtflin. Peter von Gmünd (s.d.) beginnt 1360 den Chor der Bartholo-
mäikirche. Vgl. Merlo, im Organ f. christl. Kunst 1865 No. 4.
Moniggräü. Matthias Raisek verfertigt 1492 das reiche 26 F. hohe
Sacraraenthaus der Heil. Geistkirche zu Königgrätz ; s. Kuttenberg.
Kornwestheini bei I^udwigsburg. Meister Hans von Ulm erbaut 1516
die Kirche.
Knunan. Werkmeister der Erzdechanteikirche war seit 1407 Johann
Stanko.
Mnttenberg. Der Bau der Barbarakirche soll von Peter Parier begonnen
worden sein. Seit 1483 waren dabei thätig Jan Hanusch, 1489 — 1499
Matthias Raisek (s. oben S. 627 zu § 110), 1510 Benedict von Laun (s.
Prag und Laun) und Meister Niclas bis 1548.
Landshut. Werkmeister der 1407 begonnenen heil. Geist- und der
Martinskirche war Hans Steinmetz (vollständig Hans Stettheimer von Burk-
bausen) f 1432. Von ihm sind ausserdem der Chor der Kirche in Neu-
Oetting, das Schiff der Pfarrkirche in Wasserburg, der Chor der Francis-
canerkirche in Salzburg und die Kavmeliterkirche in Straubing. In der
OttCf Kunst-Arnhüologie. 4}
638 Verzeichniss deutscher Baumeister.
Bauführung der Martinskirche folgte ihm sein gleichnamiger Sohn, welcher
bis 1459 erwähnt wird.
Laifei a. N. s. Heilbronn.
Lam« Der hieselbst 1451 geborene Meister Benedict (Benesch) führte
1520 — 1528 den Bau der Stadtkirche und starb 1531; s. Kuttenberg.
Laxeabirg s. Kirchberg.
Leisnig, Ulrich Halbbutter vollendet 1484 die Gewölbe der Matthias-
kirche.
LiegnltS. Werkmeister der Petri-Paulikirche : Wilandl323; Conrad
1378; Claus Parlirer, Heinrich Beringer und Nicolaus Becker 1386.
L«ceM. Baumeister Bado beginnt 1240 die Klosterkirche.
L&beck. Werkmeister der Annenkirche war Synsing^s Hesse aus
Braunschweig 1502—1510.
lagflebarg. An einem der südlichen Pfeiler im Dome steht unter der
Bildnissfigur eines Mannes (s. den Holzschnitt S. 632 Fig. 239) der Name
Bonensack, welches der Baumeister des im J. 1208 gegründeten Domes ge-
wesen sein soll. Am Hauptportal der Kirche befindet sich ebenfalls die
Statue eines Baumeisters (oben S. 287 Fig. 123) und zwar anscheinend im
geistlichen Kleide , einen Baustein auf der Schulter tragend. Urkundlich
kommt 1379 Künzel Vrankenword als ein am Dombau thätiger Werkmeister
vor. Im Jahre 1493 verhandelt das Domcapitel mit dem Steinmetzen Hein-
rich Bethen über den Fortbau der Domthürme. — Hans Irxleben macht
1453 die Zeichnung zu dem Thurm der Johanniskirche.
laim. Im J. 1459 kommt Niclas Eiser aus Nördlingen (s. d.) als
Dombaumeister in Mainz vor. — Im Kreuzgange des Domes eine Grab-
schrift aus dem XV. Jahrhundert: Hie est sepultura magistri Joannis
Weckerlin ac uxoris et parentum, nee non omnium progenitorum suorum,
lapicidarum hujus ecclesiae.
larbnrg. Werkmeister der Marienkirche war um 1452 Meister Werner.
lanlbroM s. oben S. 626 f. zu § 110.
leiten s. Zug.
lelssen. Meister Arnold Bestürling aus Westfalen baut 1471 — 1483
die Albrechtsburg.
leMHingei. Matthäus Böblinger | 1505, Werkmeister der Kirche;
s. Esslingen.
■ersebnrg. Hans MOstel, Burgemeister daselbst, baut um 15 4 0 die
Vorhalle des Domes aus -j- 1558.
InncbMi. Jörg Gangkofer von Haslbach bei Moosburg | 1488, Erbauer
der Frauenkirche, wozu er 1470 eine Studienreise nach Ulm und Augsburg
auf Kosten der Stadt München machte. Zimmermeister des Dachstuhlea
war Heinrich von Straubing , der auch die Uferbauten in seiner Vaterstadt
ausführte .
■iinster« Meister Cornelius soll 1375 den Plan zur Lambertikirche
entworfen haben.
Neihaasei bei Worms. Peter Bischoff von Algesheim war um 1468
Baumeister der Kirche und wurde 1473 städtischer Werkmeister in Strass-
burg.
Ken-tettilg s. Landshut.
Verseichniss deutscher Baumeister. ß39
Nei-lippil s. Brandenburg. — Meister Claus Nickel von Berlin erbaut
1521 die westl. Theile der abgebrannten Marienkirche.
Neass s. oben S. 288 zu § 65.
Neistailt a. d. Haardt. Marcus, Werkmeister der Stiftskirche 1394.
Neutailt bei Marburg. Hans von DOmberg erbaut um 1462 den
SchloBSthurm .
KlMa. Peter Gulert beginnt 1491 den Thurm der abgebrochenen Jo-
hann iterkirche.
Nardhaiseil. Risle Tilo, Baumeister des Petrithurmes 1377.
NariltiHgea. Baumeister an der Georgskirche : Meister Hans von Ulm *)
1427 — 1435 (s. Komwestheim und Waiblingen), Conrad Heinzelmann
1429 (später thätig in Waiblingen, Landau und an der Lorenzkirche in
Nürnberg), sämmtlich von Ulm; Nicolaus Eseller ^) von Alzei und dessen
Sohn gl. N. 1454 — 1459 (auch in Mainz, Augsburg, Rothenburg und
Dinkelsbühl thätig) ; Hanitz seit 1455 (i 1480) ; Claus Höflich und Hans
von Salzdorf um 1457 ; Wilhelm Kreglinger von Würzburg 1464 — 1480 ;
Heinrich Kugler 1490 und Stephan Weyrer f 1528; letzterer verfertigt
1495 — 1505 die Gewölbe.
Nürnberg, Die Brüder Georg und Fritz Ruprecht und der Bildbauer
Sebald Schonhofer erbauen 1354 — 1361 die Frauenkirche. — Meister Hein-
rich (Beheim) der Balier erbaut 1385 — 1396 den schönen Brunnen. —
Werkmeister an der Lorenzkirche: Herman Kessler 1380; Martin Haller
und Albrecht Ebner seit 1403 , Heinrich Ammon und Rudolf Gundelfinger
1418; Conrad Heinzelmann aus Ulm (beginnt nach dem Plane Conrad Ro-
ritzers fs. Regensburg] den Chor) 1445 — 1448; Conrad Roritzer nach
1448; Hans Bauer aus Ochsenl'urt seit 1458; seit 1462 der Ballier Matthias
Roritzer, der 1463 Meister wurde; seit 1466 Jacob Grimm, welcher früher
schon die »steinerne Brdcke« gebaut hatte. — Das Augustinerkloster erbaut
Hans Beer 1485 — 1488.
tber-Bingalisg. Matthäus von Maessing erbaut um 1484 den Chor
der Kirche.
tber-JeslBgea bei Herrenberg. Heinrich Murer erbaut 1 5 1 8 die Kirche.
tehriDge«. Am Bau der Stiftskirche sind 1491 Meister Hans von Au-
rach und sein Mitgesell Meister Bernhard thätig.
Mira. Meister Bartholomäus Piper erbaut 1582 — 1593 die Netzgewölbe
des Mittelschiffes der Kirche und das Refectorium : letzteres im Jesuitenstil.
ippenhein. Um 1280 ist Werner (aus einer Cölner Steinmetzenfamilie)
an der Katharinenkirche thätig.
Passan. Hans der Krumenauer (wahrscheinlich Vater Stephan Krumer
nauers; s. Braunau) begann 1407 den Dombau, an dem später als Bauführe-
vorkommen : Georg Bundelich f 1-466 und Hans Lindorfer 1498 ; als Stein-
metzen : Stephan Huber y 1 17! und Stephan Herrer y 1490.
Petershaasen bei Constanz. Wezilo von Constanz. »«r clerico opifexny
Erbauer der 1 162 begonnenen Klosterkirche.
1) Ein »Hans von Ulm« kommt zwischen 1404—1516 verschiedentlich vor, offen-
bar als Bezeichnung mehr als eines Meisters dieses Namens; vergl. Anzeiger des ger-
man. Museums. IS5S. Sp. 292. 1859. Sp 443 u. 1860. Sp. 193.
2) Dieser Name ist schwankend; es findet sich: Elser, Geiser, Oeller, Eseler.
41*
540 VerzeichniBs deutscher })uumeii«ter.
frag, Matthias von Anas (f 1352) gnlndet 1344 den Dom, dessen
Bau unter Peter Parier von Gmünd (s. d.) 1385 ins Stocken gerieth.
Letzterer begann auch 1357 die Moldaubrücke. Vergl. Karlstein.
Predel bei Zeitz, Hans Bainer erbaut 1407 die Dorfkirche.
Regeisbirg. Baumeister des Domes: Magister Ludovicus, magister
operis "i" vor 1306; zwischen 1312 und 1340: Meister Albrecht (unter ihm
waren thätig der Steinmetz Meister Luch, der Zimmermeister Heinrich,
Berthold der Steinmetz , Wirnhart der Steinmaissel , Jacob der Aistetter
1328 und die Steinmetzen Hermann der Hetzenbeck, Conrad der Pelitz,
Heinrich im Grase und Berthold der Kranwitsvogel, sämmtlich Büi^er der
Stadt) ; femer seit 1351 : Heinrich der Zehentner und Marquard der Zim-
mermeister; Ulrich der Symbel (1351 — 1392), Dietrich der Steinmaissel,
Berchtold der Steinprech , Meister Wolfbart 1355, die Steinmetzen Frie-
drich und Matthias; Liebhart der Mynner und unter ihm thätig Heinrich
der Dirnstetter (1399), beide aus den angesehensten Bürgerfamilien der
Stadt; im XV. Jahrb.: Meister Wenzel; Andreas Egl (1436—1450) und
neben dem Werkiührer Friedrich Spys 1451 zuerst als Werkführer, dann
als Baumeister Conrad Roritzer aus einer Patricierfamilie der Stadt (s. Nürn-
berg) ; seit etwa 1480 des letzteren Sohn Mathes (vergl. oben S. 29), dann
1495 dessen jüngerer Bruder Wolfgang f 1514, hierauf Erhard Heyden-
reich f 1524 (s. Ingolstadt).
leinackera bei Maurmünster. Die Kirche, erbaut 1410 von Lude-
mann.
Romhild. Meister Albert erbaut zwischen 1450 und 1470 die Stifts-
kirche.
Salmannswef ler. Marx Werkmeister 1 5 1 S .
Saliwedel. Der Chor der Franciscanerkirche, 1435 — 1453 erbaut von
Meister Heinrich Reppenstorf , das Schiff 1493 von Simon Breslaw »Mur-
man«. Vergl. auch Bernau.
St Mathariia in Steiermark. Sigmund , Werkmeister zu Judenburg,
erbaut die Kirche 1507.
8t Lambrecht bei Neustadt a. d. H. An der Dominicaner- Nonnen-
kirche und am Chor derselben arbeitete der Bruder Rudolfus Currificus um
Mitte des XIV. Jahrhunderts.
St. larell bei Sekkau. Nicolaus von Admont erbaut um Mitte des
XV. Jahrb. die Kirche.
8t. Yelt bei Baden inOesterreich. Johannes von Wien war 1377 Werk-
meister der Kirche.
8t. Valfgang s. Zug.
ScUefdeil in der Eifel. Jacob Kyllwald erneuert 1518 — 1525 die
Kirche.
ScbmalkaMen« Jörg Meiher aus Erfurt baut 1437 den Chor der Stadt-
kirche.
Schneeberg. Meister Hans und Meister Fabian Lobwasser erbauen
1516— 1540 die Pfarrkirche.
Schwaigen bei Heilbronn. Bernhard Sporer baut 1513 — 1515 die
Kirche um.
Verselchniss deutscher Baumeister. 54 1
Sf hwai. Werkmeister der angeblich von Lucas Hirschvogel von Nürn-
berg (f 1475) erbauten Kirche soll Caspar Rosenthaler gewesen sein.
Skitsch. Die Pfründener-SpitÄlkapelle, erbaut von Peter Parier (Alt-
böhmisch = Pessco parleris) 1387; s. Gmünd.
Soest. An einer spätroman. Säule in der Peterskirche steht: Heren-
fridus mefecit. — Die Wiesenkirche, begonnen 1340 durch Meister Johan-
nes Schendeler.
Spanilu. Meister Paul (Rathstock?) erbaut 1467 den Chorthurm der
Nicolaikirche; s. Brandenburg.
Steler. Die Stadtkirche, begonnen 1443 von Hans Buchsbaum, später
waren beschäftigt Martin Kronschacher nach 1454, Wolfgang Denk \ 1515,
Martin Schwedcharer 1522.
Strtssbnrg. Baumeister des Münsters: Magister Erwin von Stein-
bach, ffubemator /ahrtcae , 1277 f 1318; sein Sohn Magister Johannes
-[ 1339 (vergl. Haslach) ; auch seine Tochter Sabina verfertigte Statuen für
das Münster; Claus von Lohre vor 1400 ; Ulrich von Ensingen (s. Ulm) ;
zwei Junker von Prag*) ; Johann Hültz von Cöln, Vollbringer des hohen
Thurms f 1449 ; Jost Dotzinger von Worms, Erbauer des Chors der Kirche
Alt St. Peter, 1452—1472 ; auf ihn folgt sein früherer Ballier Conrad Vogt
bis 1484; Hans Meyer 1485; Jacob von Landshut 1495 — 1509; Han«
Hammerer 1510 — 1520; Bernhard Nunnenmacher 1538; Bernhard von
Heidelberg 1539 — 1551 u. s. w.
Stranbing s. Landshut.
Stuttgart. Meister Walther der Steinmetz erbaut um 1330 den Chor
der Stiftskirche, bei welcher Meister Eberlin um 1451 — 1467 Werkmei-
ster war.
Tangermiiiide. Minhart von Wolderode 1398 Baumeister der Stephans-
kirche.
Taifers. Die Pfarrkirche, vollendet durch Valtin Winkhler, Steinmetz
zu Pfalzen, 1527.
Tegernse«. Georg Feuermüller erbaut die Abteikirche 1471 — 1478.
Thaon* Remigius Walch vollendet den Kirchthurm 1516.
Tirschfnreilth. Jacob Mair erbaut 1482 den Chor der Kirche.
Trebnitl. y>Magüter Jacohus laptctda« wird in der Stiftungsurkunde des
Klosters von 1208 mit einer Strecke Landes beschenkt.
Trier. Jodocus von Wittlich erbaut 1513 die Netzgewölbe der Kloster-
kirche von St. Matthias.
Ucberlliigen, Werkmeister am Münster : Eberhard Ilaben aus Franken
um 1400; Matthäus Böblinger s. Esslingen; Meister Lorenz bis 1505, s.
C'Onstanz ; Meister Conrad 1518.
Ulm.^) Am Münster: die Meister Heinrich und Michel 1378, Ulrich
1) Die »Jungkhem von Prag« führt der Kegensburger Dombaumeister Mathes
Koritzer in der Dedication seines 1-1 Sß verfassten Buches »von der Fialen Qerechtig-
keit« (oben S. 29} an als i»der kunsie wissende« unter den Alten. Sighart (Bayersch.
Kunstgesch. S. .'HO und in den Mitthcil. der k. k. ('entral - Commission (1S65) 10,
LXXXIV) giebt ohne Anführung der Quelle ihre Zahl auf drei an, und ihre Namen :
Janec, Wenzel u. Peter. Vergl. auch Bernh. Grueber, ebd. (186«) II. Heft 2.
2) Jäger, C, über die Steinmetzen, Bildschnitzer und Maler Ulms, im Kunstbl.
1833 No. 100 ff.
642
Verzeichniss deutsoher Baumeister.
Ensinger aus Bern 1390 (s. Esslingen) f 1429, seine Söhne Caspar und
Matthäus (letzterer 1465 — 1480) und dessen Sohn Moritz ; nachher Mat-
thäus Böblinger von Esslingen (s. d.) 1474 — 1492, welcher von Ulm flie-
hen musste, da der Grund des Thurmes wich; er war auch in Esslingen
und Frankfurt a. M. thätig. In Ulm folgten auf ihn: Hans Gugelin 1492,
Stephan Waid 1496 — 1505, Dionysius Böblinger 1503, Marx Steinmetz
(1516) , auch der als Kirchenbaumeister zu Augsburg und Heilbronn be-
kannte Burkhard Engelberger von Homberg (f 1512) von 1494 — 1502;
femer Licnhard Aeltlin von Kellheim, Bernhard Winkler von Kosenhain,
Hans von Frankfurt, Jerg von Hall, Lienhard von Amberg, Michael Mader
von Berlin u. A. m.
WaibUlgei. Hans von Ulm (f 1480), Erbauer der äusseren Kirche
1459; s. Nördlingen.
Vaikenrieil. Die Klosterbrüder Jordan und Berthold entwerfen 1207
den Plan des Klosters. Der Abt Heinrich (1223 — 1225) ist Architekt.
Vassprbarg. Den Chor und das Yorhaus der Jacobikirche erbaut Mei-
ster Stephan Maurermeister 1445.
Wfll <lfr Stallt. Heinrich von Heimheim und sein Sohn gründen den
Westthurm der Stadtkirche um 1500.
Weissenfeis. Meister Johann Reinhard von Meissen baut 1415 die
St«dtkirche.
Wenigemde. Das Hathhaus vollendet 1498 Thomas Hilleborch.
" Wesel. Meister Gelisz erbaut 1390 — 1396 das Rathhaus.
WIci. Werkmeister an St. Stephan ^) : Herzog Rudolf IV. (1356 —
1365) berief einen Meister aus Klostemeuburg , der mit einem 1404 noch
Fig. 240. Hans Pachfbaum (nach Fendi).
\) In Folge der unkritischen Quellen scheint aber die Baumeistern amen dieser
Kirche eine kaum lösliche Verwirrung zu herrschen. K, Weiss versetst in den Mit-
1
Verzeichniss deutscher Baumeister. 643
lebenden Meister Wenzel für identisch gehalten wird. Gleichzeitig werden
erwähnt Ulrich Helbling , Heinrich Kumpf und Christoph Hom ; den be-
rühmten Thurm vollendete Hans von Brachadicz 1433. Ausser diesen
werden noch viele andere genannt: Stephan Kromawrer 1427 — 1430 (s.
Braunau und Passau), Hans Puchsbaum f 1454, Anton -Pilgram von Brunn
um 1511, Gregor Hauser 1519, Michael Fröschel von Trier um 1524'. —
Werkmeister der Karmeliterkirche : Lucas Seh wendler von Magdeburg,
Matthes der Helbling, Simon der Steinmetz 1419. — Das Schiff der Kirche
Maria Stiegen gründet Meister Michel Weinwurm 1394.
Wieier-NensUdt. Zusätze und Anbauten an der Marienkirche unter
Leitung Niclas Ottenthalers um 1450 — 1486. — Werkmeister der 1450
begonnenen Petrikirche war der kaiserliche Steinmetz , Meister Peter von
Pusica.
WinpfeB !■ Thal s. oben S. 471.
VisMar. Johannes Groote erbaut den Chor der Marienkirche 1339 —
1354. Heinrich von Bremen, Rathsmaurermeister , übernimmt 1381 den
Bau des Chores der Nicolaikirche, an welcher Meister Heine Münster 1437
beschäftigt ist.
Wittstack. Christoph von Lüneburg erbaut 1512 den Kirththurm.
Vüribirg. Werkmeister am Dome : s. oben S. 288 ; Heinrich Heckris
1331; Arnold, Gottfried 1393; Wolfram von Königsberg in Franken um
1424; Ortolf Grosse 1482; Konz Kol 1499; Meister Peter 1500. — Werk-
meister an der Liebfrauenkapelle: Weltz der Steinmetz 1434 — 1441 ; Eber-
hard Friedberger von Frankfurt 1441 — 1460; Linhart Strohmaier 1460
bis 1470; Hans von Königshofen, Brückenbaumeister, seit 1470.
Xaaten. Baumeister an der Victorskirche zu Xanten : Jacob von Mainz
1356 — 60, wo er nach Preussen geht, aber 1361 zurückkehrt und den Bau
bis an seinen Tod 1374 fortführt; während seiner Abwesenheit vertritt ihn
sein Bruder Heinrich. Dann folgt 1374 anscheinend nur auf kurze Zeit
Meister Wilhelm, welcher, da er sich den Fuss verletzte, schon 1375 von
Meister Conrad (von Cleve?) ersetzt wird. Dieser ist bis 1380 thätig, und
für ihn tritt 1408 — 1437 Meister Gisbert (von Cranenburg?) ein; ferner
um 1455 Meister Theodorich Moer , genannt y^arckilapicida^^ Heinrich
Blankenbyl aus Wesel 1470 — 1474; Gerhard von Lohmar aus Cöln 1483
— 1487, welcher sich mit dem Vorgenannten, dem Cölner Dom Werkmeister
Johannes und dem Steinmetzen Meister Adam von Cöln Über den Bau des
Mittelschiffes berathet: Meister Wilhelm Barkenwerd aus Utrecht, 1488 —
1490 wiederholt herbeigerufen; Meister Johannes von Langenberg aus Cöln
1492 — 1522. An der Sacristei und dem Capitelhause arbeitet 1528 Meister
Gerwin aus Wesel, später 1534 Heinrich Maess am Capitelhause und an
den Kreuzgängen, die er 1550 vollendet.
Zerbst« Hans Kümelke und sein Sohn Matthies aus Dresden erbauen
1446 — 1486 die Nicolaikirche, Hans Schmidt um 1480 das Rathhaus.
Zag. Hans Felder, Baumeister des 1478 gegründeten Chores der Os-
theil, der k.k. Central- Commission (1856) 1, 177 z. B. den Meister Hauser zwischen
1359—1400, und den Meister Pilgram zwischen HOT und 1433, und nennt dieselben
als o bekanntlich die hervorragendsten Förderer des Stephansdomes«.
644 Verzeichiüss deutscher Baumeister.
waldskirche, erbaute auch die Kirche in dem nahe gelegenen St. Wolfgang
und den Chor der 1493 — 1495 erneuerten Kirche zu Meilen; s. Zürich.
Zürich. Werkmeister am Grossmünster war 1489 Stephan Rützenstor-
ier. Derselbe wird mit Hans Felder (s. Zug) auch als Werkmeister der
1486 vollendeten Wasserkirche genannt.
Zwetll. Der Chor der Klosterkirche, begonnen 1343 von Meister
Johannes.
Deutsche Baumeister finden sich frühzeitig auch im Auslande
thätig, besonders in Italien, zuweilen unter unkenntlich verdrehten Na-
men (Kreuser, Kirchenbau 1, 499 ff.); die Bekanntesten sind : Wil-
helm von Innsbruck; der Erbauer des schiefen Thurmes von Pisa 1 174 ;
Meister Jacob erbaut 1218 — 1230 die Franciscuskirche inAssisi, an-
geblich auch den Dom von Arezzo , und soll unter dem Namen dt Lapo
1221 nach Florenz berufen worden" sein; am Dombau zu Orvieto war
im J. 1402 Meister Pietro di Giovanni, von Freiburg gebürtig, Oberhaupt
der Hütte und neben ihm ein anderer Freiburger , Christofano thätig ;
auch am Mailänder Dombau werden deutsche Meister genannt: Hein-
rich von Gmünd (s.d.,S. 636) 1386, Johann Fernach von Freiburg 1 391 ,
Ulrich von Frissingen aus Ulm 1394 u. A. m. — Johann und Simon,
zwei Cölner Baumeister, folgten dem Bischof Alfons von Burgos auf einer
Heise durch Deutschland im J. 1442 nach Spanien, wo sie bei dem Baue
der Dome zu Burgos und Barcelona und des Klosters Mirafiores thätig
gewesen sein sollen. — Mit alleiniger Ausnahme des Mailänder Domes
aber ist an allen genannten italienischen und spanischen Kirchen Einfluss
deutscher Bauschulen nicht nachweislich.
Vergl. L o t z , Kunst-Topographie Deutschlands unter den betr. Ortsnamen,
F. Müller, die Künstler aller Zeiten und Völker, unter den betr. Künstler-
namen. Viele Namen deutscher Baumeister findet man auch als Unterschriften
der Stein metzenordiiungen in Heideloff's Bauhütte S. 41 — 46 und im Bau-
meisterarchive zu Wien ein auf zwei grosse Holztafeln geschriebenes, mit dem
J. 713 (I) beginnendes Verzeichniss aller Bau- und Steinmetzmeister von Wien
mit ihren Monogrammen, welches indess höchstens nur für das spätere Mittel-
alter geschichtlichen Werth hat; vergl. Tschischka, die MetropoUtankirche
zu St. Stephan in Wien S. 1 f. — Ueberhaupt gehört die übergrosse Mehrzahl
der durch Inschriften , Urkunden und Chroniken auf uns gekommenen Bau-
meisternamen erst dem XV. und XVI. Jahrh. an ; es sind in dem vorstehen-
den Verzeichnisse nur bei folgenden Ortschaften Baumeisternamen enthalten :
Aus dem XIII. Jahrh.
inBrechten, Breslau, Cöln, Gelnhausen, Georgenthal, Goslar, Herrenalb,
Loceum , Neuss , Oppenheim , Regensburg , Soest, Strassburg, Trebnitz und
W^lkenried; im Auslande zu Assisi und Florenz.
Aus dem XIV. Jahrh.
in Aachen, Altenberg, Brandenburg, Braunschweig, Colmar, Cöln, Danzig,
Doberan, Duderstadt, Frauenau, Frauenburg, Freiburg i. B., Gmünd, Halle
a. d. S., Hannover, Haslach, Heiligenstadt, Homberg, Karlstein, Kolin,
Kuttenberg, Liegnitz, Magdeburg, Münster, Neustadt a. d. H., Nordhausen,
Nürnberg, Prag, Regensburg, St. Lambrecht, St. Veit, Schliersee, Skutsch,
Soest, Stras»burg, Stuttgart, Tangermünde, Ulm, Wesel, Wien, Wismar,
Würzburg, Xanten und Zwettl; im Auslande zu Mailand.
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