Skip to main content

Full text of "Handbuch der kirchlichen Kunst-archäologie des deutschen Mittelalters"

See other formats


This  is  a  digital  copy  of  a  book  that  was  preserved  for  generations  on  library  shelves  before  it  was  carefully  scanned  by  Google  as  part  of  a  project 
to  make  the  world's  books  discoverable  online. 

It  has  survived  long  enough  for  the  Copyright  to  expire  and  the  book  to  enter  the  public  domain.  A  public  domain  book  is  one  that  was  never  subject 
to  Copyright  or  whose  legal  Copyright  term  has  expired.  Whether  a  book  is  in  the  public  domain  may  vary  country  to  country.  Public  domain  books 
are  our  gateways  to  the  past,  representing  a  wealth  of  history,  culture  and  knowledge  that 's  often  difficult  to  discover. 

Marks,  notations  and  other  marginalia  present  in  the  original  volume  will  appear  in  this  file  -  a  reminder  of  this  book's  long  journey  from  the 
publisher  to  a  library  and  finally  to  you. 

Usage  guidelines 

Google  is  proud  to  partner  with  libraries  to  digitize  public  domain  materials  and  make  them  widely  accessible.  Public  domain  books  belong  to  the 
public  and  we  are  merely  their  custodians.  Nevertheless,  this  work  is  expensive,  so  in  order  to  keep  providing  this  resource,  we  have  taken  Steps  to 
prevent  abuse  by  commercial  parties,  including  placing  technical  restrictions  on  automated  querying. 

We  also  ask  that  you: 

+  Make  non-commercial  use  of  the  file s  We  designed  Google  Book  Search  for  use  by  individuals,  and  we  request  that  you  use  these  files  for 
personal,  non-commercial  purposes. 

+  Refrain  from  automated  querying  Do  not  send  automated  queries  of  any  sort  to  Google's  System:  If  you  are  conducting  research  on  machine 
translation,  optical  character  recognition  or  other  areas  where  access  to  a  large  amount  of  text  is  helpful,  please  contact  us.  We  encourage  the 
use  of  public  domain  materials  for  these  purposes  and  may  be  able  to  help. 

+  Maintain  attribution  The  Google  "watermark"  you  see  on  each  file  is  essential  for  informing  people  about  this  project  and  helping  them  find 
additional  materials  through  Google  Book  Search.  Please  do  not  remove  it. 

+  Keep  it  legal  Whatever  your  use,  remember  that  you  are  responsible  for  ensuring  that  what  you  are  doing  is  legal.  Do  not  assume  that  just 
because  we  believe  a  book  is  in  the  public  domain  for  users  in  the  United  States,  that  the  work  is  also  in  the  public  domain  for  users  in  other 
countries.  Whether  a  book  is  still  in  Copyright  varies  from  country  to  country,  and  we  can't  off  er  guidance  on  whether  any  specific  use  of 
any  specific  book  is  allowed.  Please  do  not  assume  that  a  book's  appearance  in  Google  Book  Search  means  it  can  be  used  in  any  manner 
any  where  in  the  world.  Copyright  infringement  liability  can  be  quite  severe. 

About  Google  Book  Search 

Google's  mission  is  to  organize  the  world's  Information  and  to  make  it  universally  accessible  and  useful.  Google  Book  Search  helps  readers 
discover  the  world's  books  white  helping  authors  and  publishers  reach  new  audiences.  You  can  search  through  the  füll  text  of  this  book  on  the  web 


at|http  :  //books  .  google  .  com/ 


über  dieses  Buch 

Dies  ist  ein  digitales  Exemplar  eines  Buches,  das  seit  Generationen  in  den  Regalen  der  Bibliotheken  aufbewahrt  wurde,  bevor  es  von  Google  im 
Rahmen  eines  Projekts,  mit  dem  die  Bücher  dieser  Welt  online  verfügbar  gemacht  werden  sollen,  sorgfältig  gescannt  wurde. 

Das  Buch  hat  das  Urheberrecht  überdauert  und  kann  nun  öffentlich  zugänglich  gemacht  werden.  Ein  öffentlich  zugängliches  Buch  ist  ein  Buch, 
das  niemals  Urheberrechten  unterlag  oder  bei  dem  die  Schutzfrist  des  Urheberrechts  abgelaufen  ist.  Ob  ein  Buch  öffentlich  zugänglich  ist,  kann 
von  Land  zu  Land  unterschiedlich  sein.  Öffentlich  zugängliche  Bücher  sind  unser  Tor  zur  Vergangenheit  und  stellen  ein  geschichtliches,  kulturelles 
und  wissenschaftliches  Vermögen  dar,  das  häufig  nur  schwierig  zu  entdecken  ist. 

Gebrauchsspuren,  Anmerkungen  und  andere  Randbemerkungen,  die  im  Originalband  enthalten  sind,  finden  sich  auch  in  dieser  Datei  -  eine  Erin- 
nerung an  die  lange  Reise,  die  das  Buch  vom  Verleger  zu  einer  Bibliothek  und  weiter  zu  Ihnen  hinter  sich  gebracht  hat. 

Nutzungsrichtlinien 

Google  ist  stolz,  mit  Bibliotheken  in  partnerschaftlicher  Zusammenarbeit  öffentlich  zugängliches  Material  zu  digitalisieren  und  einer  breiten  Masse 
zugänglich  zu  machen.  Öffentlich  zugängliche  Bücher  gehören  der  Öffentlichkeit,  und  wir  sind  nur  ihre  Hüter.  Nichtsdestotrotz  ist  diese 
Arbeit  kostspielig.  Um  diese  Ressource  weiterhin  zur  Verfügung  stellen  zu  können,  haben  wir  Schritte  unternommen,  um  den  Missbrauch  durch 
kommerzielle  Parteien  zu  verhindern.  Dazu  gehören  technische  Einschränkungen  für  automatisierte  Abfragen. 

Wir  bitten  Sie  um  Einhaltung  folgender  Richtlinien: 

+  Nutzung  der  Dateien  zu  nichtkommerziellen  Zwecken  Wir  haben  Google  Buchsuche  für  Endanwender  konzipiert  und  möchten,  dass  Sie  diese 
Dateien  nur  für  persönliche,  nichtkommerzielle  Zwecke  verwenden. 

+  Keine  automatisierten  Abfragen  Senden  Sie  keine  automatisierten  Abfragen  irgendwelcher  Art  an  das  Google-System.  Wenn  Sie  Recherchen 
über  maschinelle  Übersetzung,  optische  Zeichenerkennung  oder  andere  Bereiche  durchführen,  in  denen  der  Zugang  zu  Text  in  großen  Mengen 
nützlich  ist,  wenden  Sie  sich  bitte  an  uns.  Wir  fördern  die  Nutzung  des  öffentlich  zugänglichen  Materials  für  diese  Zwecke  und  können  Ihnen 
unter  Umständen  helfen. 

+  Beibehaltung  von  Google -Markenelementen  Das  "Wasserzeichen"  von  Google,  das  Sie  in  jeder  Datei  finden,  ist  wichtig  zur  Information  über 
dieses  Projekt  und  hilft  den  Anwendern  weiteres  Material  über  Google  Buchsuche  zu  finden.  Bitte  entfernen  Sie  das  Wasserzeichen  nicht. 

+  Bewegen  Sie  sich  innerhalb  der  Legalität  Unabhängig  von  Ihrem  Verwendungszweck  müssen  Sie  sich  Ihrer  Verantwortung  bewusst  sein, 
sicherzustellen,  dass  Ihre  Nutzung  legal  ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  ein  Buch,  das  nach  unserem  Dafürhalten  für  Nutzer  in  den  USA 
öffentlich  zugänglich  ist,  auch  für  Nutzer  in  anderen  Ländern  öffentlich  zugänglich  ist.  Ob  ein  Buch  noch  dem  Urheberrecht  unterliegt,  ist 
von  Land  zu  Land  verschieden.  Wir  können  keine  Beratung  leisten,  ob  eine  bestimmte  Nutzung  eines  bestimmten  Buches  gesetzlich  zulässig 
ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  das  Erscheinen  eines  Buchs  in  Google  Buchsuche  bedeutet,  dass  es  in  jeder  Form  und  überall  auf  der 
Welt  verwendet  werden  kann.  Eine  Urheberrechtsverletzung  kann  schwerwiegende  Folgen  haben. 

Über  Google  Buchsuche 

Das  Ziel  von  Google  besteht  darin,  die  weltweiten  Informationen  zu  organisieren  und  allgemein  nutzbar  und  zugänglich  zu  machen.  Google 
Buchsuche  hilft  Lesern  dabei,  die  Bücher  dieser  Welt  zu  entdecken,  und  unterstützt  Autoren  und  Verleger  dabei,  neue  Zielgruppen  zu  erreichen. 


Den  gesamten  Buchtext  können  Sie  im  Internet  unter  http  :  //books  .  google  .  com  durchsuchen. 


"» * 


.^^ 


^Oir^- 


'*%•' 


'  * 


CJI 


'2r^ 


of  tbe 

Hlntpereit!?  of  Mieconetn 


r 


A 


t 


z 


\ 


'i 


\ 


f 


HANDBUCH 


DRK  KIRCHLICH  KN 


KUNST-ARCHÄOLOGIE. 


HANDBUCH 


DER  KIRCHLICHEN 


KUNST-AECHÄOLOÖIE 


DES 


DEUTSCHEN  MITTELALTERS 


VON 


HEINRICH  OTTE. 


Vierte  umgearbeitete  Auflage. 

Mit  zahlreichen  Holzschnitten  und  anderen  Abbildungen. 

Erste  Abtheilung. 


LEIPZIG, 

T.    0.    WEIGEL. 

1868. 


240275 

Dl2  i  1 

.0T8 
1 


Vorwort. 


X/as  gegenwärtig  ^  wiederum  in  neuer  Bearbeitung  erscheinende 
Handbuch  hat  bereits  seine  Geschichte ,  welche ,  wie  ich  ohne  Ver- 
leugnung der  mir  gebührenden  Bescheidenheit  glaube  aussprechen  zu 
dürfen,  nach  äusserlicher  Betrachtung  zugleich  die  Geschichte  der 
jungen  Wissenschaft  ist ,  zu  deren  Verbreitung  es  unter  Gottes  Segen 
seit  nun  25  Jahren  seine  anspruchslos  dargebotenen  Dienste  geleistet 
hat.  Der  im  J.  1842  als  »Kurzer  Abrissa  schüchtern  in  die  Oeffentlich- 
keit  getretene  erste  Entwurf  begnügte  sich  mit  einigen  wenigen  Bogen, 
die  zweite  Auflage  vom  J.  1845  beanspruchte  bereits  deren  zehn  ,  die 
dritte,  1854  erschienene  war  auf  22  Bogen  angewachsen,  und  die  vor- 
liegende vierte  Bearbeitung  nimmt  mehr  als  60  enggedruckte  Bogen 
ein.  Dabei  bin  ich  auch  diesmal  dem  mit  ermunterndem  Beifall  auf- 
genommenen ursprünglichen  Plane  vollständig  getreu  geblieben ,  und 
das  alte ,  solide  erfundene  Fachwerk  hat ,  hoffentlich  unbeschadet  der 
früher  belobten  Uebersichtlichkeit,  den  neuen  Ausbau  tragen  müssen 
mit  einer  fast  erdrückenden  Fülle  von  Stoff,  den  die  überaus  eifrige 
Forschung  in  dem  letzten  Jahrzehnt  von  allen  Seiten  zusammengehäuft 
hat.  Die  dritte  Auflage  war  bereits  im  J.  1862  vergriffen,  und  da  der 
Herr  Verleger  das  Werk  nicht  gern  auf  längere  Zeit  im  Buchhandel 
wollte  fehlen  lassen,  musste  ich  mich  zu  einer  Ausgabe  in  drei  Liefe- 
rungen entschliessen ,  von  denen  die  erste ,  den  rein  archäologischen, 
am  stärksten  vermehrten  Theil  als  abgeschlossenes  Ganze  umfassend,  im 
J.  1863  erschienen  ist.  Die  zweite  Lieferung  konnte,  da  meine  Müsse  noch 
von  anderen  Arbeiten  in  Anspruch  genommen  war,  erst  im  Jahre  1866 
nachfolgen,  und  die  letzte  ist  so  schnell  gefördert  worden,  als  es  über- 
haupt in  meinen  Kräften  gestanden  hat.  Jeder,  welcher  die  besonderen 
Eigen thümlichkeiten  der  Kunstliteratur  kennt,  wird  die  durch  die  über- 
all auftauchenden  photographischen  Publicationen  neuerlich  noch  ver- 
mehrten Schwierigkeiten  ermessen  können,  welche  dem  Einzelnen, 
namentlich  auch  in  meiner  Lebensstellung ,  bei  dem  Versuche  entge- 
gentreten, das  ganze  weite  Gebiet  zu  beherrschen  :  die  mit  dem  gewis- 
senhaftesten Fleisse  gearbeitete,  mit  dem  Jahre  1862  abschliessende 
n Kunsttopographie  von  Dr.  Wilhelm  Lotz«  (die  ich  etwa  vom 
14.  Bogen  der  ersten  Lieferung  an,  zum  Theil  freilich  erst  während 
des  Druckes  benutzen  konnte)  hat  mir  zur  Kontrollirung  und  Vervoll- 
ständigung des  von  mir  selbst  gesammelten  Materials,  wie  ich  dankbar 
anerkenne ,  die  erspriesslichsteii  Dienste  geleistet ,  und  spätere  Ver- 
öffentlichungen bin  ich  noch  während  des  Druckes  bis  zuletzt  für  mein 
Buch  nutzbar  zu  machen  beflissen  gewesen.  Durch  die  grosse  Güte 
meines  verehrten  Freundes,  des  Herrn  Professors  E.  aus'm  Weerth 
haben  mir  auch  die  Bildtafeln  zu  dem  noch  nicht  ausgegebenen  3.  Bande 


VI  Vorrede. 

seiner  »Kunstdenkmäler  des  christl.  M.-A.  in  den  Rheinlandena  nebst 
einzelnen  Hogen  des  unter  der  Presse  befindlichen  Textes  vorgelegen 
und  eine  reiche  Ausbeute  gewährt.  Ausserdem  hat  der  Herr  Verleger 
für  angemessene  Vermehrung  gediegener,  theils  neu  angefertigter, 
theils  aus  seinen  Vorräthen  entnommener  Illustrationen  und  Kunstbei- 
lagen bestens  Sorge  getragen ,  unter  welchen  letzteren  sich  drei  aus 
dem  von  ihm  in  Gemeinschaft  mit  Dr.  Zestermann  herausgegebenen 
kostbaren  Prachtwerke  »Die  Anfänge  der  Druckerkunst  in  Bild  und 
Schrift.  1866a  entlehnte  höchst  interessante  Blätter  ganz  besonders 
auszeichnen.  Endlich  fühle  ich  mich  vielen  trefflichen  Männern,  unter 
ihnen  dem  verewigten  Ch.  Riggenbach,  die  mich  durch  literarische 
und  artistische  Beiträge  zum  Theil  unaufgefordert  unterstützt  haben, 
auf  das  Dankbarste  vei-pflichtet :  es  ist  alles  bestens  für  meine  Arbeit 
verwerthet  worden.  Die  alten  Irrthümer  und  Mängel  der  vorigen  Auf- 
lage habe  ich  mit  Sorgfalt  zu  verbessern  gesucht;  dennoch  bitte  ich 
für  neue ,  deren  Existenz  ich  keineswegs  in  Abrede  stelle ,  vorweg  um 
die  früher  bewiesene  Nachsicht,  kann  aber  im  Allgemeinen  die  Ver- 
sicherung geben ,  dass  das  Handbuch  in  seiner  neuen  Gestalt  nicht 
bloss  an  Umfang ;  sondern  auch  an  Gründlichkeit  gewonnen  hat  und 
ein  ziemlich  vollständiges  Bild  von  dem  gegenwärtigen  Stande  der 
christlichen  Kunstwissenschaft  des  deutschen  Mittelalters  gewähren 
dürfte.  Fremdländische  Literatur  habe  ich  wie  früher  so  auch  jetzt 
grundsätzlich  nur  da  herangezogen ,  wo  es  darauf  ankam ,  vorhandene 
Lücken  zu  ergänzen. 

Mit  meiner  Liebe  zur  Sache  ist  auch  mein  theoretischer  Standpunkt 
derselbe  geblieben  und  hat  sich  im  Laufe  der  Jahre  noch  mehr  befestigt: 
in  den  ersten  Sätzen  der  Einleitung  habe  ich  mich  näher  darüber  aus- 
gesprochen. Die  Freunde  meines  Buches  aus  der  katholischen  Kirche, 
deren  es  zu  meiner  grossen  Freude ,  abgesehen  von  einzelnen  Zeloten, 
gar  manche  und  wackere  gefunden  hat ,  können  von  einem  evangeli- 
schen Theologen  nichts  anderes  ,*  in  ihrem  Sinne  Besseres ,  erwarten : 
zu  confessioneller  Polemik  habe  ich  bei  aller  Entschiedenheit  meiner 
protestantischen  Gesinnung  auf  diesem  Gebiete  weder  Beruf  noch 
Neigung,  muss  aber  einer  gewissen  modernen  Strömung  in  der  evan- 
gelischen Kirche  gegenüber  nachdrücklichst  betonen,  dass  ich  durch 
meine  Bestrebungen  romanistischen  Tendenzen  irgend  Vorschub  zu 
leisten  durchaus  nicht  gewillt  bin.  Möge  das  Verständniss  von  den 
grossartigen  und  geistvollen  Schöpfungen  der  christlichen  Kunst  ver- 
gangener Jahrhunderte  uns  Alle  erwecken ,  dass  wir  dem  Herrn  sein 
Haus  würdig  erbauen  und  seine  schönen  Gottesdienste  den  sinn- 
vollen kirchlichen  Ueberlieferungen  gemäss  in  evangelischem  Geiste 
schmücken.  Daraus  wird  nicht  bloss  der  Kirche,  sondern  auch  der 
Kunst  Segen  erwachsen.  Das  helfe  Gott. 

Fröhden  bei  Jüterbog,  am  27.  Juli  1867. 

Heinrich  Otte^ 

Pfarrer  lu  Frdhden  und  Markendorf,    Correspondent  der  Königl.  GommiMion  tttr   die 

Erforschung  nnd  Erkaltung  der  Kunstdenkmäler ,    Mitglied  des  Gelehrten auMchusse« 

des  G«rinani«:hen  Mutcuni«  lu  Nürnberg. 


Inhalt. 


Einleitang. 

8«it« 

1 — 8.  Theoretischer  Standpunkt      1 

9.  Be^ff  der  kirchlichen  Kunstarch&ologie  des  Mittelalters 5 

10.  Eintheilung — 

11.  Umfang      6 

Anmerk.  1.    Cluriitliehe  Museen — 

▲  nmerk.  2.    KnnetarchAoIogische  Zeitsclirifien  etc 7 

I.  Denkmale  der  Kunst. 

A.    Das  Kirchengebäude. 
a)  Im  Allgemeinen. 

12.  Baulinie,  liturgisch '9 

13.  Baulinie,  technisch 10 

▲  nmerk.  1.    Stellang  des  Altars 11 

Anmerk.  2.    Omndsteinlegiing        12 

Anmerk.  3.    Lage  der  Kirchen 13 

14.  Grundform 15 

Anmerk.    Sjmbolik der Krenxform       16 

15.  Kapellen.  (Taufkapellen.  Grabkapellen.  Doppelkapellen.) — 

Anmerk.    Ueilersicht  der  kirchl.  Sand- nnd  Polygonbanten         22 

16.  Baumaterial.  (Hok.  Bruchstein.  Ziegel.) 24 

Anmerk.  1.    Einflass  des  Baamaterials  aaf  den  Baastil 27 

Anmerk.  2.    Mittelalter!.  Baarisse  and  Baabftcher 28 

Anmerk.  3.    Unregelmissiffkeiten  in  den  Abmessungen 29 

Anmerk.  4.    Mittelalter!.  Bantechnik       30 

b)  In  seinen  einzelnen  Theilen. 

17.  Uebersicht  der  einzelnen  Theile  des  Kirchengeb&udes 35 

Anmerk.    Abweiclinngen  Ton  dem  normalen  Omndplane 36 

18.  Altamische — 

Anmerk.    Chorschlnss ,    .  37 

19.  Altarhaus  und  Chor — 

Anmerk.  1.    Lettner 39 

Anmerk.  2.    Krypta       40 

Anmerk.  3.    Doppelcbdre        42 

20.  Querhaus 44 

Anmerk.    Nebentribanen        47 

21.  Langhaus 48 

Anmerk.    Hallenkirchen 62 

22.  Thürme 53 

a.  Entstehung  und  Zweck — 

b.  Stellung — 


vill  Inhalt. 

S«ite 

c.  Einzahl 55 

d.  Mehrzahl  und  Höhe      56 

An  merk.    Modificationen  der  Normalstellvngen 58 

e.  Grundform      59 

f.  Aufbau .  60 

▲  nm  e rk.  1.    Kapellen  in  den  Th&rmen.  Einlagen  in  die  Thnrmknöpfe.  Wetterhahn. 

Brücken 61 

An  merk.  2.    Claesification  der  Kirchen  nach  der  Anzahl  der  Thflrme.   Namen  der 

Thürme 62 

Anmerk.  3.    Dachreiter *. 63 

23.  Zwischenhaus.  (Vorhalle.  Paradies.) — 

24.  Thüren 65 

Anmerk.    Prachtportale.  Thftrflfigel 66 

25.  Fenster 67 

26.  Dächer 69 

27.  Fussböden 70 

Anmerk.    Labyrinthe 72 

28.  Emporen.   (Nonnenchöre.  Orgelchöre.  Mannchöre.] 73 

Anmerk.    Triforien.  Hönchsgftnge.  Altane       76 

29.  Kreuzgang.  Gottesacker 77 

Anmerk.  1.    Brannenhans       78 

Anmerk.  2.    Capitelsaal.  Befectorinm 79 

30.  Sacristeien     81 

Anmerk.  1.    Fl&cheninhalt  und  Maansverhältniese  der  Kirchen       S2 

Anmerk.  2.    Symbolik  der  Banformen       S4 

Anhang  über  die  banlichen  Einrichtungen  der  Klöster  bei  den  yerschiedenen Haupt- 

orden 87 


B.    Innere  Einrichtung  und  Ausschmückung  der  Kirchen. 

a)    Altäre  und  Altarschmuck. 

31.  Stelle  des  Altars.  Zahl  der  Altäre 96 

(Hochaltar.  Messaltäre.  Laienaltar.  Triumphkreuz.} 

32.  Altartisch       98 

Anmerk.    Altarbekleidung       100 

33.  Altarciborium 102 

34.  Altaraufsatz.  (Bilderaltäre.  Keliquienaltäre.) 105 

Anmerk.  1.    Trasaltäre       ,    .    .  111 

Anmerk.  2.    Bildschmack der  Alt&re        112 

35.  Altarkreuze 113 

Anmerk.    Omamentale  and  historische  Kreuze 116 

36.  Leuchter.  (Kronleuchter.  Standleuchter.)      117 

Anmerk.  1.    Ewige  Lampen 129 

Anmerk.  1.    Wandleuchter — 

37.  Evangelien-  und  Messbücher  (Prachteinbände) 130 

Anmerk.    Ausstattung  der  Codices       137 

38.  Reliquienbehälter 138 

Anmerk.    Classiflcirung  der  Reliqniarien 142 

b)   Heilige  Gefässe. 

39.  Vasa  Sacra      161 

40.  Kelche 162 

Anmerk.    Hinisterialkelche  und  Saugröhrchen Ifi3 

41.  Altchristliche  und  frühromanische  Kelche     165 

42.  Romanische  Kelche 167 

43.  Gothische  Kelche 171 

44.  Patenen      175 

Anmerk.    Zangen.  Oblateneisen 176 

45.  Speisegefässe  und  Monstranzen 1 77 

Anmerk.    Sacramenth&uschen ]S3 

46.  Die  Übrigen  Messgeräthe.   (Hostienbüchsen.  Messkännchen.  Siebe.  Giess- 
gefässe.  Messscheüen.  Rauchfässer.  Oelgefässe.) 187 

Anmerk.    Credenztisch.  Piscina.  Schrünke       106 


Inhalt.  IX 

c)  Die  Austattung  der  Kirchen  mit  Oestahlen,  Kanzel,  Tauf- 
stein,  Orgel,  Grabdenkmälern  und  Glocken. 

Seite 

47.  Chorstühle .....:..... :.....  197 

A^merk.    Binchofutühle.  LeritensÜEe.  Betotfihle.  Beichtetfihle 202 

48.  Ambo.  Kanzel      203 

Anmerk.  1.    Heiligtlmmatfihle    .    .    .    , .  209 

Anmerk.  2.    Adlerpolte       , — 

49.  Taufstein • — 

Anmerk.    Taafschfteeeln 224 

50.  Orgel      225 

Anmerk.    Tonsohrift      . 230 

51.  Grabdenkmäler 231 

Anmerk.  1.    Steineirge 239 

Anmerk.  2.    Grftbeinlagen       241 

Anmerk.  3.    BeparatbeeUttunf  der  Eingeweide 242 

52.  Glocken 243 

Anmerk.  1.    Kamen  der  Glocken 245 

Anmerk.  2.    Aelteste  datirte  and  nndatirte  Glocken — 

Anmerk.  3.    Musikalieche  Eigeniichaften  der  Glocken 246 

Anmerk.  4.    Berechnung  des  Glockengew  ich  ts 247 

53.  Verschiedene  Gegenstände  (in  alphabetischer  Reihenfolge) — 

Schlnssbemerk.  fiber  Polychromatie  und  Reutauration  der  mittelalterl.  Kirchen  .  266 

n.  GresoMohte  der  Kunst. 

Literatur 269 

Anmerk.    Leietnngen  der  Photographie 270 

A.  Baukunst. 

Literatur 271 

Anmerk.    Kirckenmodelle 272 

Vorbemerkung  über  altchristliche  Architektur. 

Literatur 273 

54.  Aelteste  christliche  Kirchen — 

55.  Benennung  derselben 274 

56.  Basiliken  und  basilikale  Säle  der  Kömer 275 

57.  Bauart  derselben      276 

Anmerk.    Die  Baeilikenfrage       277 

58.  Christliche  Basiliken 278 

59.  Centralbauten 280 

Anmerk.  Kirchen  in  Dentflchlandsnr  Römerzeit 2Hi 

60.  Romanischer  und  Byzantinischer  Baustil 282 

61.  Wechselseitiger  Einflusa  beider  Bauweisen  auf  einander — 

62.  Karolingische  Baukunst 283 

63.  Bauwerke  zu  Fulda  und  Lorsch 285 

L  BomaniBoher  Stil. 

64.  Name  des  Stils 286 

65.  Geistliche  Baumeister     — 

66.  Zeitstellung  der  Gebäude 288 

67.  Allgemeine  Charakteristik 29] 

68.  Orundriss — 

Anmerk.    Orundriss  der  Landkirchen       202 

69.  Aufbau.  Säulen-  und  Pfeilerbasiliken      — 

Anmerk.  1.    Die  Säule 203 

Anmerk.  2.    Der  Pfeiler 290 

70.  Scheidmauer 300 

71.  Decke 301 

72.  DasAeussere 302 

73.  Portale 304 

74.  Thürme 306 


X  Inhalt. 

75.  Gewölbebau 308 

Anmerk.  1.    Lombaidische  Baukunst       310 

An  merk.  2.    ZeitstoUung  der  Dome  su  Mainz«  Wormi  und  Speier 311 

76.  Ueberganpstil 313 

77.  CharaKtenstik  desselben — 

78.  Spitzbogen 314 

Anmerk.    Ausgedehnte  Anwendung  des  Spitzbogens ,  angeblicli  schon  im  XI.  Jahr- 
hundert        316 

79.  Mischbauten  der  Uebergangsperiode — 

Kirchengebäude  romanischen  Stils. 

I.  In  den  Rheinlanden 317 

Literatur      — 

80.  Charakteristik  der  rheinländ.  Kirchen 318 

Topographie 321 

Anmerk.    Romanische  Th  firme  und  üeberreste 344 

II.  In  Bayern  und  Schwaben 345 

Literatur       — 

81.  Charakteristik  der  süddeutschen  Kirchen 346 

Topographie 349 

Anmerk.    Bomanische  Thftrme  und  üeberreste 360 

III.  In  den  deutsch-Österreichischen  L&ndem 363 

Literatur 

82.  Charakteristik  der  südostdeutschen  Kirchen 365 

Topographie 367 

Anmerk.    Bomanische  Theile  und  Üeberreste 384 

IV.  In  Franken  und  Hessen 387 

Literatur — 

83.  Charakteristik  der  mitteldeutschen  Kirchen — 

Topographie 389 

Anmerk.    Bomanische  Thfirme  und  üeberreste 400 

V.  In  Thüringen  und  Sachsen      401 

Literatur — 

84.  Charakteristik  der  thüringisch-sächsischen  Kirchen 402 

Topographie 404 

Anmerk.    Bomanische  Einzeltheilo  und  üeberreste 424 

VI.  InV^estfalen 426 

Literatur ^ 

85.  Charakteristik  der  westfälischen  Kirchen — 

Topographie 428 

Anmerk.    Bomanische  üeberreste  und  Thfirme 443 

VII.  Im  norddeutschen  Tieflande 445 

Literatur      — 

86.  Charakteristik  der  norddeutschen  Kirchen — 

Topographie 450 

Anmerk.    Bomanische  Dorfkirchen 467 

n.  GothiBcher  8tU. 

87.  Name  des  Stils 469 

88.  Ursprung   . 470 

89.  Laien-Baumeister 472 

90.  Zeitstellung  der  Gebäude 473 

91 .  Allgemeine  Charakteristik — 

92.  Grundriss 474 

93.  Princip 475 

94.  Das  Innere 477 

95.  Das  Aeussere 478 

96.  Profilirungen 479 

97.  Ornamente — 

98.  Entwickelungsstufen 480 


Inhalt.  XI 

Seit« 

99.  Frühgothischer  Stil 481 

100.  Ausgebildet  gothischer  Stil      .    .    .    .' 485 

101.  SpÄtgothischer  Stil 487 

Kirchengebäude  gothischen  Stils. 

I.  In  den  Rheinlanden 489 

Literatur : — 

102.  Charakteristik  der  rheinländ.  Qothik — 

Topographie 490 

II.  In  Baiem  und  Schwaben 507 

Literatur — 

103.  Charakteristik  der  süddeutschen  Oothik — 

Topographie , 506 

III.  In  den  deutsch-österreichischen  Lftndem 524 

Literfttnr      — 

104.  Charakteristik  der  sOdostdeutschen  Oothik 525 

Topographie 527 

IV.  In  Franken  und  Hessen 551 

Literatur — 

105.  Charakteristik  der  mitteldeutschen  Gothik 552 

Topographie ,    .  — 

V.  In  ThOringen  und  Sachsen      564 

Literatur      — 

106.  Charakteristik  der  thOringisch-s&chsischen  Oothik — 

Topographie 566 

VI.  In  Westfalen 579 

Literatur — 

107.  Charakteristik  der  westfälischen  Oothik — 

Topographie 5S0 

VII.  Im  norddeutschen  Tief  lande 589 

Literatur — 

108.  Charakteristik  des  norddeutschen  Ziegelbaues — 

Topographie 5»2 

Anhang  über  die  Bauhütten. 

109.  Die  Bauhütte      624 

▲  nmerk.    Die  Steinmetzen 625 

1 1 0.  Zunftmässige  Verbindungen  der  Bauhandwerker 626 

lil.  Haupthütten 627 

112.  Organisation  der  Hütten      628 

Anmerk.  1.    H&ttengeheimniBse — 

Anmerk.  2.    Steinmetzzeichen 629 

Anmerk.  3.    Baubetrieb 631 

Verzeichniss  deutscher  Baumeister      632 

Deutsehe  Baumeister  im  Auslande       644 

B.    Bildende  und  zeichnende  Künste. 

Literatur      645 

Vorbemerkung. 

113.  Plastik 647 

Anmerk.    Yenrendnng Ton  Edelsteinen 648 

114.  Zeichnung  und  Malerei — 

115.  Verbindung  der  Plastik  und  Malerei 650 

Anmerk.    Technische  Schriften  aus  dem  M.  A.   —  Bestauration  und  Reinigung  der 

OemUde  und  des  Steinwerkes 651 

116.  Kriterien  fOr  die  Zeitstellung  der  Denkmäler 652 


XII  Inhalt. 

I.  BysantiniBoh-Bomanisohe  Epooheb 

^.     „  .  ÖeiU 

117.  Die  Zeit  der  Karolinger 653 

a.  ErzgfiiiBe — 

b.  Decontive  Kunst 654 

c.  MiniAtnren       ' «55 

118.  Das  X.  und  XI.  Jahrhundert      — 

a.  En^sse       ft56 

b.  BteinscTÜptaren     .    . 658 

c.  Holzscalpturdn      . — 

d.  DeeoratiTe  Kvnflt       — 

e.  Mtniatiiren 661 

119.  Das  XII.  und  XIIL  Jahrhundert 662 

a.  Er%gt»He      im 

.  b.  Stein-  und  Stncksenlptnren    . 664 

c.  äolzscnlpturen 672 

d.  Decorative  Knnst       

e.  Maierei  (Miniaturen.  Wand-«  Tafel-  und  Glasmalerei.  Mosaik.  Teppiche)        ...  67& 

n.  Gkithisohe  Spoche. 

120.  Das  XIII.  bis  XV.  Jahrhundert     .    .    .    .    : 681 

a.  Sculptur 682 

b.  Erzgiksse       693 

c.  Schnitzwerke 694 

d.  Malereien 697 

(Wandmalerei.  Glasmalerei.  Mosaikffemilde.  Tafelmalerei: 
1.  Cdlniscbe  Schule.  2.  Westffclische  Schule.  3.  E&hmische  Schule.  4.  Ntrnber- 
gische  Schule.  5.  Seh wibische  Malerei.  Miniaturen.  Teppiche.) 

e.  Decorative  Kunst 712 


in.  Venofaiodene  Biohtungen. 

121.  Das  XV.  und  XVI.  Jahrhundert 713 

a.MeUUgüsse       714 

b.  Sculpturen  in  Stein  und  Holz 721 

c.  Malerei 735 

(1 .  Niederlftndische  Schulen.  2.  Niederrheinische  Schulen.  3.  Westfftlische  Schulen. 
4.  Oberdeutsche  Schulen.  5.  FrftnkiHche  Schule.  6.  Vermittelnde  Meister.  7.  Malerei 
in  Bayern.  8.  InOesterreich.  9.  In  Schlesien.  10.  In  Sachsen  und  Norddeutsohland.) 

d.  Bemalte  Schnitzwerke 780 

e.  Glasmalerei 794 

f.  Teppiche  und  Stickereien 797 

i,  Decorative  Künste 798 
nmerk.    Künstlermonogramme 799 

Seh  lu  SB  bemerk,  über  die  vervielf&ltigenden  Künste  des  Bilddmdces 

(1.  MetaUschnitte.  2.  Holzsehnitte.  3.  Kupferstiche.)    ■ 

m.  HüfswisseiiBohaften. 

Vorbemerkung. 

122.  Beachtune  der  Localgeschichte 804 

123.  Nothwendige  Kautelen — 

124.  Historische  Merkmale  der  Denkmäler «    •    •  ^^^ 

A.   Epigraphik. 

a)   Aeussere  Epigraphik. 

125.  Sprache  der  Inschriften — 

126.  Orthographie      — 

127.  Abkürzungen  806 

128.  Abbreviaturen-Theorie 808 

129.  Siglen  und  Notarica 809 

130.  Monogramme  des  Namens  Jesus  Christus 810 

131.  Interpunction 811 

132.  Künstlerschrift — 

133.  Zahlen .816 

Anmerk.  1.    Locale  und  technische  Besonderheiten  der  Palftographie     ......     817 

A  n  m  e  r  k.  2.    Das  Technische  der  Inschriften.  Abdrücke  aus  Papier,  Staniol  etc.  .    .      — 


Inhalt.  XIII 

b)    Innere  Epigraphik. 

Seite 

134.  Eintheilung  der  Insehriiten 818 

Anmerk.    Bezieluing  der  Inscliriften  auf  die  kUnstlerieche  Technik 819 

135.  Poetische  Inschriften — 

136.  Historischeinschriften 820 

137.  Zeitbestimmuhffen — 

Anmerk.    Jahreszahlaa  in  Versen 822 

138.  Bibelsprüche  und  Gebetsformeln 823 

1 39.  Beispiele  von  Inschriften 824 

(a.  An  ]Kirchengeb&nden.  b.  Auf  Altarplatten,  c.  Anf  Kelchen,  d.  Auf  Reliqniarien. 
e.  An  Kronleuchtern,  f.  An  Sacramenth&QKChen  und  Monstranzen,  g.  An  Chor- 
stühlen, h.  Anf  Tauf  steinen,  i.  Auf  Taufbecken,  k.  Auf  Weib  wanserbecken. 
1.  Grabschriften.  (Anmerk.  Skurrile  GrabHChriften.)  m.  Glockeninschriften. 
(Anmerk.  Unleserliche  Glockeninschriften.)  n.  Anf  kirchlichen  Ger&thsehaften. 
o.  Anf  bildlichen  Darstellungen.) 

B.    Heraldik. 

140.  Alter  der  Wappen  in  Kirchen .841 

141.  Beziehung  der  Wappen 842 

1 42.  Wappen  auf  Denkmälern  von  Geistlichen — 

143.  Wesentliche  Stücke  eines  Wappens 843 

144.  Schild  und  Helm 844 

Anmerk.    Erklirnng der  Ausdrücke :  recht»  und  links 845 

145.  Wappenbilder — 

1 46.  Geistliche  Insignien 846 

147.  Helmschmuck — 

148.  Heraldische  Farben 847 

149.  Heraldische  Kunstsprache.  Literatur — 

Anmerk.  1.    Siegel.  Literatur    .    .     . — 

Anmerk.  2.    Or&nsdecorationen 848 

C.    Ikonographie. 

150.  Eintheilung  der  Bilder      849 

Anmerk.    Sittliefaer  Zweck  gewisser  anstössig  erscheinenden  Bilder       — 

151.  Historische  Bilder — 

1 52.  Historisches  Interesse  an  religiösen  Bildern     .    ', 850 

153.  Trachten — 

(Geistliche  Trachten.  Weltliche  Trachten.) 

Anmerk.    Portraits  der  Künstler  an  ihren  eigenen  Werken 865 

154.  Religiöse  Bilder — 

155.  Mystische  Figuren     . 866 

156.  Symbole 867 

Anmerk.  1.    Thierbilder 875 

Anmerk.  2.    Bilder  aus  heidnischen  Dichtern  und  mittelalterlichen  Ritterromanen  881 

157.  Allegorien 882 

Anmerk.  1.    Darstellung  der  Zeitkreise 883 

Anmerk.  2.    Todtent&nze       884 

Anmerk.  3.    Figuren  aus  dem  klassischen  Heidenthum 886 

158.  Biblische  Bilder     . — 

a.  Typen — 

Anmerk.    Vieldeutigkeit  derselben       889 

b.  Allegorische  Darstellungen                 890 

Anmerk.    Stammb&ume 891 

c.  Historische  Bilder — 

Anmerk.  1.  Qrundzflge  der  gewöhnlichsten  bibl.  Darstellungen  und  Personen  (Gott 
Vaur.  Engel.  Teufel.  Alttestamentliche  Darstellungen  und  Per- 
sonen. Das  Neue  Testament.  Christus.  Maria.  Apostel.  Scenen 

ans  der  neutestamentlichen  Geschichte) 892 

Anmerk.  2.    Bilderreihen  aus  den  verschiedenen  Jahrhunderten 915 

Anmerk.  3.    Didaktische  Bilder       919 

159.  Heiligenbilder 920 

160.  Nimbus — 

161.  Attribute     922 

Anmerk.  Sancti.  Beati.  Martyres.  Confessores 923 


XIV  Inhalt. 

S«ite 
Alphabetisches  Verzeichniss   der  beliebtesten   Kirchen-Hei- 
ligen, nebst  Angabe  ihrer  Attribute,  Festtage  etc.  ...  923 
ClaviB 950 

Chronologische  Zugabe. 

A.  Die  beweglichen  Festtage  und  Sonnti^e  des  Kirchenjahres  nebst  An- 

gabe der  Introitus  und  der  evangel.  Perikopen 953 

B.  Berechnung  der  Wochentage  und  des  Osterfestes 960 

Register. 

I.  Sachregister  nebst  Erklärung  technischer  Ausdrücke 963 

II.  Künstlerregister     970 

III.  Ortsreginter 977 


Verzeichniss  der  Kunstbeilagen. 

I.  Orundriss  der  Cisterzienser-Abtei  Maulbronn  (Stahlstich) 90 

II .  Das  Frauenkloster  Klingenthal  in  Basel  aus  der  Vogelschau  (Holzschnitt)  92 

III.  Der  Hochaltar  von  Blaubeuem  (Stahlstich) 110 

IV.  Deckel  des  Evangeliencodex  aus  Echtemach  in  Gotha  (Stahlstich)     .    .  133 
V.  Diptychon  des  Tutilo  in  St.  Gallen  (Stahlstich) 659 

VI.  Sculpturen  im  Dom  von  Naumburg  (Stahlstich)      683 

VII.  Eine  kluge  und  eine  thörichte  Jungfrau  aus  derSebalduskirche  in  Nürn- 
berg (Stahlstich) 685 

VIII.  Die  h.  Ursula  vom  Dombilde  zu  Cöln  (Stahlstich) 707 

IX.  Der  Imhofsche  Altar  aus  der  Lorenzkirche  zu  Nürnberg  (Stahlstich)       710 
X.  Epitaphium  des  Henning  Göden  von  Peter  Vischer  im  Dom  zu  Erfurt 

und  in  der  Schlosskirche  zu  Wittenberg  (Stahlstich) 718 

XI.  Die  Jungfrau  Maria  aus  der  Anbetung  des  Lammes  der  Gebrüder  van 

Eyck  in  der  Johanneskirche  zu  Gent  (Stahlstich)      738 

XII.  Die  Verkündigung  Maria ,  Gemälde  der  oberdeutschen  Schule  im  Pri- 
vatbesitz zu  München  (Stahlstich) 747 

XIII.  Eine  heilige  Familie  von  Hans  Holbein  d.  J.  aus  der  Galerie  in  Augs- 

burg (Stahlstich) 752 

XIV.  Die  Geburt  Christi  von  Bartholomäus  Zeitblom  auf  dem  Heerberge  bei 

Gaildorf  (Stahlstich) 755 

XV.  Der  Tod  der  Maria  von  Martin  Schaffner  in  der  Pinakothek  zu  München 

(Stahlstich) 756 

XVI.  Scene  aus  der  Offenbarung  Johannis  von  Albrecht  Dürer  (Stahlstich)     763 
XVII.  Der  h.  Hieronymus,  Schrotblatt  aus  der  T.  O.  Weigerschen  Sammlung 

(Facsimile) 800 

XVIII.  Die  Himmelskönigin,   Kupferstich  des  Meisters  P  von  1451  aus  der 

T.  O.  Weigerschen  Sammlung  (Facsimile) 802 

XIX.  Holzschnitt  aus  der  xylograph.  Ars  moriendi  in  der  T.  O.  Weigerschen 

Sammlung  (Facsimüe) 891 


Einleitung. 


1.  Die  Kunst  ist  die  gesetzmässige  Darstellung  einer  Idee  in 
sinnlicher  Form :  die  cbristHche  Idee  in  sinnlicher  Form  erschöpfend 
darzustellen^  ist  schlechthin  unerreichbar;  daher  der  sinnbildliche 
Grundzug  aller  christlichen  Kunst^  und  der  Glaube  als  Bedingung 
ihres  wahren  Verständnisses. 

Durch  die  obige  Definition  soll  gesagt  sein ,  dass  die  Kunst ,  deren 
Aufgabe  es  ist,  Geistiges  imd  Sinnliches  in  vollkommener  Durchdrin- 
gung,  d.  h.  das  Seh  One,  darzustellen,  mit  ihrer  Thätigkeit  an  gewisse 
Ssthe tische  Gesetze  gebunden  ist,  deren.  Aufstellung  jedoch  nicht  dieses 
Orts  sein  kann.  —  Das  Idealische  in  der  Kunst  ist  die  Seite ,  wo  das 
derselben  eigenthümliche  Gebiet  mit  dem  Gebiete  der  Religion  grenzt, 
und  je  mehr  eine  bestimmte  Religion  mit  dem  Sinnlichen  und  Natürlichen 
behaftet  ist,  eine  um  so  ausgedehntere  und  selbständigere  Wirksamkeit 
wird  sie  der  Kunst  einräumen.  Der  rein  geistige  Charakter  des  Christen- 
thums  gestattet  der  Kunst  nur  die  Darstellung  der  Naturseite,  d.  h.  der 
Erscheinung  des  Göttlichen  im  Menschlichen.  Insofern  aber  der  mensch- 
lichen Kunst  die  Darstellung  des  Göttlichen  schlechthin  unerreichbar 
bleibt,  ist  sie  genöthigt ,  ihre  unzureichenden  Mittel  durch  Sinnbildliches 
zu  ergänzen,  welches  indess  seinem  Wesen  nach  nicht  durch  unmittelbare 
Anschauung,  sondern  erst  durch  Reflexion,  also  unkünstlerisch,  zu  wirken 
im  Stande  ist.  —  Für  das  göttliche  Mysterium  des  Sinnbildlichen  ist 
allein  der  Glaube  empfänglich ,  während  der  Unglaube ,  auf  die  dürre 
Verstandes -Operation  beschränkt,  in  dem  Sinnbildlichen  nur  das  Un- 
künstlerische erblickt,  imd  der  Aberglaube  nicht  vermag  die  göttliche 
Sache  und  das  sie  darzustellen  bestimmte  Zeichen  gehörig  auseinander 
zu  halten. 

2.  Das  Kunstwerk  an  sich  hat  lediglich  sich  selbst  zum  Zweck ; 
der  Zweck  des  christlichen  Kunstwerkes  dagegen  liegt  ausser  dem- 
selben, und  zwar  über  dasselbe  hinaus. 

Die  Kunst  an  sich  will  nichts  anderes  als  darstellen  und  genügt  sich 
darin  vollkommen.    Die  von  dem  heiligen  Geiste  erfüllte  Kunst  wird  von 

0 1 1  e ,  KttMt- Archloloffie.  1 


2  Einleitung. 

diesem  Geiste  Zeugniss  ablegen,  und  ihre  Werke  werden  ein  lebendiger 
Abglanz  desselben  sein.  —  Damit  ist  zugleich  der  Maasstab  gegeben 
für  den  Werth  eines  christlichen  Kunstwerkes ,  der  nicht  nach  den  viel- 
leicht mangelhaften  Kunstformen  bestimmt  werden  kann ,  sondern  allein 
nach  dem  daraus  sprechenden  Geist.  Hieraus  erklärt  sich  die  schöne 
Wirkung  der  altchristlichen  Wandmalereien  in  den  Katakomben,  obschon 
dieselben  in  den  verdorbenen  spätrömischen  Formen  ausgeführt  sind,  und 
die  oft  gänzliche  Wirkungslosigkeit  mancher. neuer,  in  akademischen  For- 
men glänzenden  Darstellungen. 

3.  Der  Zweck  der  christlichen  Kunst  ist  Belehrung  und  Erinne- 
rung einerseits j  Erweckung  mid  Erbauung  andrerseits;  sie  nimmt 
daher  Verstand  und  Gemüth  gleichzeitig  in  Anspruch. 

nQuod  legentibus  scriptura,  hoc  idiotis  praestat  pictura  cementibus.a 
Gregorii  M.  Epist.  lib.  IX.  ind.  IV.  ep.  9  (Opp.  T.  IV.  p.  349  ed. 
Antverp.)  —  »Dtim  nobts  ipsa  pictura  quasi  scripiurä  ad  memoriam  ßlii 
*  dei  reducit,  animum  nosirum  aut  de  resurrecHone  laetißcat,  aut  de  passione 
demulcet.d  Ibid.  lib.  VII.  ind.  II.  ep.  54  (p.  271j.  —  »Franzi  vero  non 
debuit,  quod  non  ad  adorandum  in  ecclesiis,  sed  ad  instruendas  solummodo 
mentes  fuit  nescientium  collocatum.a  L.  c.  p.  349.  —  Mit  diesen  Grund- 
sätzen Gregor 's  des  Grossen  (gest.  604)  über  den  didaktischen  und 
asketischen  Werth  der  bildenden  Künste  im  Dienste  der  Kirche  wird  die 
reine  Mitte  eingehalten  zwischen  der  Bilderverehrung  einerseits  und  der 
Bilderstürmerei  andrerseits.  »Der  Jiissbrauch  hat  die  Bilder  böse  gemacht; 
noch  haben  wir  sie  nicht  zu  verwerfen»  Denn  wetm  wir  wollten  alles  ver- 
werfen,  dess  man  missbrauchet,  was  würden  wir  vor  ein  Spiel  zurichten  ?« 
Luther  in  der  4.  Pred.  wider  die  Schwarmgeister  (Walch  XX.  S.  35). 
—  nJVollte  Gott,  ich  könnte  die  Herren  und  Reichen  dahin  bereden,  dass 
sie  die  ganze  Bibel  inwendig  und  auswendig  an  den  Häusern  vor  jedermanns 
Augen  malen  Hessen.  Das  wäre  ein  christliches  Werk,^  Derselbe  bei 
Walch  ebd.  S.  212.  —  Bei  Zwingli  und  Calvin  war  die  Besorgniss 
vor  dem  Bilderdienste  zwar  grösser,  doch  finden  sich  auch  in  ihren 
Schriften  Stellen,  wo  sie  geschichtlichen  Bildern  einen  gewissen  didakti- 
schen und  asketischen  Werth  zugestehen.  yyDass  sie  {die  Stürmer)  aber 
um  aller  Bilder  willen  also  kämpfen,  ist  ein  Irreal.  Warum?  Darum 
dass  sie  auf  den  Buchstaben  und  nicht  auf  den  Sinn  des  Gesetzes  sehen. vi 
Zwingli's  Werke,  herausgegeb.  von  Schuler  und  Schulthess 
II.  1,  46.  ^Neque  tamen  ea  superstitione  tetieor,  ut  nullas  prorsus  imagines 
ferendas  censeam,  Sed  quia  sculpiura  et  pictura  Dei  dana  sunt,  purum  et 
legitimum  utriusque  usum  requiro :  ne  quae  ■  Dominus  in  suam  gloriam  et 
bonum  nostrum  nobis  contulit,  ea  non  tantum  polluantur  praepostero  abusu, 

sed  in  nostram  quoque  pemiciem  convertantur. Restat  tgitur  ut  ea 

sola  pingantur  ac  sculpantur ,  quorum  sint  capaces  oculi  ....  historiae 
ae  res  gestae  ....  i^um  in  docendo  vel  admonendo  aliquem  habent.a  Cal- 
vini  Inst.  rel.  ehr.  1.  I.  c.  XI.  s.  12,  ed.  Tholuck  I,  81.  —  Im  Ge- 
gensatze gegen  die  ikonolatrische  Praxis  des  katholischen  Volkes ,  die  sie 
bekämpften,  sprechen  sich  die  Reformatoren  und  die  protestantischen 
Symbole  allerdings  bilderfeindlich  aus. 


Einleitung.  3 

4.  Das  christliche  Kunstwerk  geht  aus  dem  christlichen  Geiste 
herror  und  ist  eine  von  den  Formen,  in  welchen  er  sich  darstellt:  die 
Einbildungskraft  eines  ungläubigen  Künstlers  kann  ein  christliches 
Kunstwerk  niemals  erzeugen. 

Die  Gaben  und  Krftfte  sind  verschieden,  und  da  es  in  der  christlichen 
Gemeinde  solche  Glieder  giebt,  welche  das  Charisma  empfangen  haben, 
das  Heilige  in  sich  künstlerisch  zu  gestalten ,  so  treibt  sie  der  Geist ,  der 
sich  nicht  dämpfen  lässt,  dieses  Innerliche  auch  äusserlich  kOnstlerisch 
darzustellen.  Dadurch  entsteht  das  christliche  Kunstwerk,  als  eine  den 
also  Begabten  naturgemässe  void  noth wendige  Form  des  Zeugnisses, 
dessen  die  Kirche  nur  zu  ihrem  grossen  Nachtheile  dürfte  entbehren 
wollen.')  Das  Zeugniss  aber  kommt  aus  dem  Glauben,  und,  wo  dieser 
fehlt,  wird  auch  jenes  ausbleiben.  Wenn  also  ein  ungläubiger  Künstler 
sich  unterfinge  das  Heilige  darzustellen,  so  würde  das  Product  nur  äussere 
Form  sein  ohne  wahren,  geistigen  Inhdt,  also  kein  Kunstwerk,  sondern 
eitel  falsches  Zeugniss. 

5.  Wenn  irgend  ein  Kunstwerk  sich  für  eine  erschöpfende  Dar- 
stellung der  schlechthin  unerschöpf  baren  christlichen  Idee  giebt  oder 
abergläubisch  damit  identificirt  wird :  so  ist  es  Idol. 

£s  ist  nicht  gemeint,  als  ob  jemand  sollte  unter  den  Chriöten  so 
thoricht  sein ,  sich  seinen  Gott  selbst  machen  zu  wollen ,  sondern  es  soll 
nur  die  Warnung  davor  ausgesprochen  werden ,  als  ob  es  Bilder  geben 
könne,  die,  auch  abgesehen  von  ihrem  innerlichen  Werthe  als  Erzeugnisse 
christlicher  Kunst,  vor  anderen  besondere  Heilskräfte  besässen.  i^JVenn 
ein  Bild  aufgerichtet  wird,  dafür  man  sich  /urchtet  und  einen  Glauben 
darauf  setzet,  das  reisse  man  hinweg ;  so  es  aber  nicht  ein  Götze  ist  oder 
Altar,  dass  man  die  Kniee  davor  beuget,  auch  nicht  einen  Gottesdienst  daraus 
macht,  so  ist  es  nicht  ein  Götze,  sondern  ein  Bild,  das  du  behaltest  und  ist 
recht  und  gut.  Das  ist  der  Unterschied  zwischen  Bildern  und  Götzen,^ 
Luther  bei  Walch  HI.  S.  2626.  —  Nur  ästhetisch  gebildete  Götzen- 
anbeter dienen  schönen  Idolen,  die  Götzen  der  Ungebildeten  sind  hässlich. 

6.  Die  christliche  Kunst  ist  eben  so  frei  und  unbegrenzt  wie  die 
christliche  Idee,  die  kirchliche  Kunst  dagegen  hat  sich  den  kirchlichen 
Typus  als  Grenze  gesetzt. 

Die  freie  Bewegung  der  christlichen  Kunst,  wie  der  christlichen 
Idee,  bezieht  sich  selbstverständlich  zunächst  nur  auf  das  specifisch 
christliche,  also  auf  das  religiöse  Gebiet ;  da  aber  das  christliche  Element 
die  alle  Verhältnisse  und  Richtungen  des  Lebens  durchdringende  und 
tragende  Macht  zu  sein  die  Bestimmung  hat ,  so  breitet  sich  das  Gebiet 
der  christlichen  Kunst  auch  über  alle  profanen  Lebensverhältnisse  aus, 
und  der  christliche  Künstler  hat  bei  der  Wahl  seines  Stoffes  und  bei  der 


I )  »Aueh  bin  ich  nicht  der  Meinung,  dass  durchs  Evangelium  soUien  alle  Künste 
zu  Beden  gesehlagen  werden  und  vergehen,  wie  eUiehe  AbergeieÜwhen  fürgeben :  son- 
dern ich  wollte  alle  Künste,  sonderlieh  die  Musica,  gern  sehen ^  im  Dienste  des,  der 
sie  gegeben  und  geschaffen  hat,*  Luther  in  der  Vorrede  zu  den  geistl.  Liedern  ]527. 

1* 


4  Einleitung. 

Ausfahrung  seines  Werkes  keine  andere  Schranke ,  als  die  ihm  gesetzt 
wird  von  der  christlichen  Ethik,  was  man  auch  in  dem  paradox  klingenden 
Satz  aussprechen  kann:  Zwischen  der  heiligen  und  der  so  genannten 
profanen  Kunst  ist  kein  specifischer  Unterschied.^)  Von  dieser  christlichen 
Kunst  im  weiteren  und  weitesten  Sinne  unterscheidet  sich  die  kirchliche 
Kunst,  die  ausschliesslich  das  Heilige  darzustellen  die  Aufgahe  hat  und 
sich  dahei  an  den  weniger  durch  kirchliche  Vorschriften,  als  durch  die 
Ueherlieferung  sanctionirten  kirchlichen  Typus  zu  hindcn  gehalten  ist. 
Willkürliche  Abweichungen  von  dem  hergebrachten  Typus  behindern  den 
Zweck  des  kirchlichen  Kunstwerkes :  denn  das  Fremdartige ,  statt  die 
Gemeinde  zu  erbauen ,  bleibt  derselben  unverständlich  und  gereicht  ihr 
zum  Aergemiss.  —  So  war  man  noch  neuerdings  genöthigt,  ein  nach 
dem  bekannten  Schinkclschen  Entwürfe  verfertigtes  Crucifix  von  dem 
Altäre  einer  evangelischen  Kirche  wieder  zu  entfernen,  weil  die  Gemeinde 
durch  die  Abweichungen  vom  hergebrachten  Tj'pus,  die  sich  der  Künstler 
aus  ästhetischen  Rücksichten  gestattet  hatte,  beirrt  und  in  ihrer  Andacht 
gestört  wurde.  Das  schöne  Crucifix  war  zwar  ein  echt  christliches,  aber 
kein  kirchliches  Kunstwerk. 

7.  Der  kirchliche  Typus  gestattet  eine  die  heiligen  Zwecke  des 
christlichen  Kunstwerkes  nicht  beeinträchtigende  und  der  weiteren 
Entwickelung  fähige  Bewegung  des  schaffenden  Künstlers;  wenn 
aber  der  Typus  erstarrt,  wird  die  Kunst  Handwerk. 

Der  feste  Typus  ist  den  didaktischen  Zwecken  der  kirchlichen  Kunst- 
werke geradezu  förderlich  und  gestattet,  was  die  erbauliche  Seite  anbe- 
trifflt,  dem  Künstler  eine  schöpferische  Thätigkeit,  da  eben  nur  die  äussere 
Disposition  vorgeschrieben  werden  kann ,  keineswegs  aber  der  geistige 
Inhalt.  Ausserdem  ist  der  Typus,  ebenso  wie  das  Dogma,  der  geschicht- 
lichen Ausbildung  und  Entwickelung  unterworfen ,  modificirt.  und  ändert 
sich  daher  im  Laufe  der  Zeit,  gewöhnlich  aber  nur  allmählich  und  deshalb 
erst  nach  geraumer  Zeit  merklich.  Wo,  wie  in  der  griechischen  Kirche, 
die  Lehrentwickelung  für  immer  abgeschlossen  ist,  musste  auch  der  Typus 
erstarren,  und  die  Kunst  ist  zum  Handwerke  geworden,  da  immer  nur 
die  traditionelle  Schablone  befolgt  und  nachgeahmt  wird.  —  Zu  bemerken 
bleibt .  dass  sich  in  der  kirchlichen  Kunst  nur  für  gewisse  wichtige  und 
darum  häufig  wiederkehrende  DarsteUungen  ein  bestimmter  Typus  bilden 
konnte,  während  seltenere  Stoffe  den  Künstlern  freie  Bewegung  des 
Schaffens  verstatteten. 

8.  Vorstehende  Sätze  bestimmen  im  Allgemeinen  den  Standpunkt 
für  die  nachfolgende  iiebaudlung  der  kirchlichen  Kunst-Archäologie 
des  christlichen  Mittelalters. 

Die  wechselseitigen  Beziehungen  zwischen  der  christlichen  Religion 
und  der  Kunst  haben  behandelt, 

vom  Standpunkte  der  evangelischen  Kirche : 

Meyer,  C,  über  das  Verhältnißs  der  Kunst  zum  Cultus.  Zarich  I S37.  — 
Alt,  H.,  die  Heiligenbilder  oder  die  bildende  Kunst  und  die  theol.  Wissen- 

1)  Vergl.  Christi.  Kunstblatt  Ib59  S.  A. 


Einleitung.  5 

Schaft  in  ihrem  gegenseitigen  Verhältniss  historisch  daxgestellt.  Berlin  1845.  — 
de  Wette,  W.  M.  L.,  Gedanken  über  Malerei  und  Baukunst  bes.  in  kirch- 
licher Beziehung.  Berlin  1846,  —  Sehn  aase,  C,  über  das  Verhältniss  der 
Kunst  zum  Christenthume  und  bes.  zur  eyangel.  Kirche.  Berlin  1852.  — 
Ranke,  W.,  die  Verimingen  der  christl.  Kunst.  2.  Aufl.  Breslau  1855.  — 
Nitzsch,  C.Im.,  über  religiöse  Kunst,  im  Deutschen  Kunstbl.  1856,  Nr.  41. 
—  Kottmeler,  Dav.,  die  Darstellung  des  Heiligen  durch  die  Kunst,  Yomehml. 
in  ihrer  Anwendimg  auf  den  erangel.  Cultus,  Bremen  1 857. 

Vom  Standpunkte  der  katholischen  Kirche : 

Dur  seh,  G.  M.»  Aesthetik  der  christl.  bildenden  Kunst  des  M.  A.  in 
Deutschland.  Tübingen  1854.  —  Vrgl.  Amberger,  Jos.,  Pastoraltheologie 
2,  761 — 76«.  —  Jakob,  G.,  die  Kimst  im  Dienste  der  Kirche  S.  1 — 3. 

9.  Die  kirchliche  Kunst- Archäologie  des  Mittelalters  ist  ein  Theil 
der  allgemeinen  Alterthumskunde,  welcher  den  Gegenständen  der 
Untersuchung  nach  auf  solche  Denkmale  der  Kunst  beschränkt  ist, 
die  in  näherer  oder  entfernterer  Beziehung  auf  den  christlichen  Cultua 
stehen ;  der  Zeit  nach :  auf  das  christliche  Mittelalter. 

Den  Gegenstand  der  Untersuchung  bilden  die  unbeweglichen 
und  beweglichen  kirchlichen  Denkmale,  also: 

1)  Die  Kirchengebäude^  falls  es  nicht  blosse  BedOrfiiissbauten  sind 
wie  z.  B.  in  ärmeren  Gegenden  die  meisten  Landkirchen,  doch  halten 
selbst  diese  im  Mittelalter  den  kirchlichen  Typus  fest  (in  der  Richtung  von 
Westen  nach  Osten,  in  der  Eintheilung  der  Räumlichkeit,  in  der  Thurm- 
anläge  etc.),  so  dass  auch  dergleichen  Gebäude  in  das  Gebiet  wenigstens 
der  archäologischen  Betrachtung  fallen. 

2]  Die  ganze  innere  Ausstattung  der  Kirchengebäude  mit  den  ver- 
schiedenen zum  Cultus  erforderlichen  Utensilien,  welche,  wenn  nicht  Er- 
zeugnisse der  Kunst,  doch  des  Kunsthandwerkes  sind ;  femer  der  Kirchen- 
schmuck  an  Bildwerk  und  Gemälden^  die  verschiedenen  Denkmäler  etc. 

10.  Die  kirchliche  Kunst  des  Mittelalters  hat  sich  nationell  und 
selbst  provinziell  eigen thümlich  gestaltet;  die  Archäologie  der  Kunst 
ist  daher  entweder  eine  allgemeine,  die  alle  jene  Gestaltungen  zusam- 
menfasst,  oder  eine  besondere,  w^elche  nur  die  Untersuchung  irgend 
einer  nationellen  oder  provinziellen  Gestaltung  der  Kunst  zu  ihrer 
Aufgabe  macht. 

Obgleich  die  Grundgesetze  der  kirchlichen  Kirnst ,  im  Anschluss  an 
die  gemeinsamen  Bedürfnisse  des  Cultus  nicht  bloss ,  sondern  selbst  an 
die  Entwickelung  des  Dogmas,  in  der  ganzen  abendländischen  Christen- 
heit von  Rom  ausgehend  im  Mittelalter  die  nämlichen  waren ,  so  erMiren 
dieselben  doch  bei  den  verschiedenen  Völkerschaften,  abgesehen  von 
ihrem  allgemeinen  Entwickelungsgange,  verschiedene  Anwendung.  Alles, 
was  den  verschiedenen  Nationalcharakter  zu  machen  pflegt :  der  verschie- 
dene Volksstamm,  die  nach  Boden  und  Klima  verschiedenen  Wohnplätze, 
endlich  und  besonders  der  verschiedene  der  äusseren  imd  inneren  Volks- 
wohlfahrt mehr  oder  weniger  günstige  geschichtliche  Entwickelungsgang, 
ist  vom  wichtigsten  Einflüsse  auch  auf  die  verschiedene  Gestaltung  der 
Kirnst:  im  höheren  Grade,  wenn  es  sich  um  ganze  Nationen  handelt,  im 


6  ChrisÜ.  Museen. 

beschränkteren  freilich,  aber  oft  doch  sehr  entschieden,  in  Beziehung  auf 
bestimmte  einzehie  Provinzialismen. 

Die  systematische  Darstellung  des  Ganges ,  welchen  die  kirchliche 
Kunst  bei  den  verschiedenen  Völkern  unter  den  gegebenen  besonderen 
Verhältnissen  genommen  hat ,  und  die^  Schilderung  ihrer  Leistungen  in 
den  einzelnen  Epochen  ist  die  Aufgabe  der  christlichen  Kunstgeschichte. 

11.  Gegenwärtiges  Handbuch  umfasst  im  Allgemeinen  die  na- 
tionell  deutsche  Gestaltung  der  kirchlichen  Kunst  des  Mittelalters,  wie 
sich  dieselbe  vom  IX.  und  X.  bis  zur  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts 
gebildet  hat;  der  hauptsächlichsten  provinziellen  Eigenthümlichkeiten 
soll  jedoch  besonders  gedacht  werden. 

Bis  auf  Karl  den  Grossen  stand  die  gesammte  abendländische  Kunst 
noch  vOlUg  auf  dem  Boden  des  antik  rOmischen  und  griechischen  Lebens, 
imd  erst  von  dem  Zeitpunkte  an,  wo  nach  dem  Zerfallen  des  Reiches 
Karls  des  Grossen  Deutschland  ein  selbständiger  Staat  wurde,  war 
daselbst  der  Anfang  einer  nationalen  Gestaltung  der  Kunst  möglich.  — 
Den  Endpunkt  der  Geschichte  der  mittelalterlichen  Kunst  in  Deutschland 
bildet  das  Zeitalter  der  Reformation :  denn  obgleich  bereits  mit  dem  be- 
ginnenden XV.  Jahrhundert  der  mittelalterliche  Idealismus  dem  modernen 
Realismus  zu  weichen  anfängt,  so  bediente  sich  doch,  besonders  in  der 
kirchlichen  Baukimst,  der  neue  Geist  noch  fast  anderthalb  himdert  Jahre 
hindurch  der  alt  hergebrachten,  wenn  auch  modificirten  Formen ,  und  die 
Wiederaufoahme  der  Antike,  welcher  zuerst  in  Italien  Filippo  Brunelleschi 
(1375 — 1444)  sich  hingegeben  hatte,  wurde  in  Deutschland,  wie  über- 
haupt ausserhalb  Italiens,  erst  gegen  die  Mitte  des  XVL  Jahrhunderts 
gemein. 

Anmerkung  1.  Die  beweglichen  kirchlichen  Denkmale  des  M.  A. 
sind  in  neuerer  Zeit  aus  verschiedenen  Anlässen  aus  den  Kirchen  und  deren 
Nebenräumen  vielfach  in  Museen ,  Bildergalerien  und  andere  Kunstsamm- 
lungen abergegangen,  unter  denen  hier,  abgesehen  von  den  grossen  allge- 
meinen Museen  und  den  zahlreichen  Sammlungen,  welche  ausschliesslich  den 
vaterländischen  Alterthümem  gewidmet  sind  und  meist  von  den  geschicht- 
lichen und  Alterthums- Vereinen  gepflegt  werden ,  wegen  ihrer  kirchlichen 
Tendenz  besonders  diejenigen  in  unseren  Tagen  entstandenen  Museen  her- 
vorzuheben sind,  die,  meist  mit  den  katholischen  Bischofisitzen  verbunden, 
den  Namen  christlicher  Museen  führen .  Wir  nennen  das  erzbischofliche 
Museum  in  COln  (zeitweise  bereichert  durch  anderswoher  entliehene  Kunst- 
werke), die  bischoflichen  Museen  in  Münster  imd  Paderborn,  die  DiOcesan- 
Museen  in  Kloster  Metten  (fQr  den  Sprengel  von  Regensburg)  und  Freising. 
Diese  Sammlungen  haben  sämmtlich  einen  mehr  localen  Charakter  und  den 
praktischen  Zweck  einer  Wiederbelebung  der  mittelalterlichen  Kunst,  wäh- 
rend das  christliche  Museum  der  Universität  zu  Berlin  sich  die  Aufgabe 
gestellt  hat ,  nicht  Originalwerke  der  Kunst  zusammenzubringen ,  sondern 
durch  Nachbildung  und  Abbildung  von  Denkmälern  in  planmässiger  Aus- 
wahl von  der  gesammten  Kunstentwickelung  seit  der  urchrisüichen  Zeit  bis 
ins  XVI.  Jahrh.  eine  auf  Kenntniss  des  Einzelnen  gegründete  Uebersicht 


Kunstarchaol.  Zeitschriften.  7 

zu  gewähren ,  nicht  sowohl  um  der  Kunst  als  um  des  christlichen  Inhalts 
willen,  und  als  ein  dem  theologischen  Unterrichte  dienstbares  Institut  «der 
Universität. 

Vergl. :  Das  neue  erzbischöfl.  Diözesan-Museum  auf  dem  Domhofe  Mn 
Köln,  im  Oigan  für  christl.  Kunst.  1S60,  No.  1—9  imd  II.  —  Piper,  Ford., 
das  christl.  Museum  der  Universität  zu  Berlin  und  die  Errichtung  christl. 
Volksmuseen.  Berlin  185B.  (Besonderer  Abdruck  aus  dem  Evangel.  Kalender 
für  1857.)  —  Ueber  »Museen  und  Vereinen  s.  Reich ensperger,  A.,  Fin- 
gerzeige. S.  106  ff. 

Anmerkung  2.  Ueber  das  Gesammtgebiet  der  mittelalterlichen 
Kunstarchäologie  verbreiten  sich  folgende  deutsche  Zeitschriften  und 
periodische  Publicationen, 

mit  rein  wissenschaftlicher  Tendenz  : 

Zeitschrift  für  christl.  Archäologie  u.  Kunst.  Herausgeg.  von  Ferd.  y. 
Quast  u.  H«  Otte.  Leipzig  1856  u.  1858.  (Nicht  mehr  als  zwei  Bfinde  er- 
schienen.) 

Vorzugsweise  zwar  auf  die  österreichischen  Kronländer  beschränkt, 

aber  von  gediegenem  Inhalt : 

Jahrbuch  der  k.  k.  Central  -  Commlssion  zur  Erforschung  und  Erhaltung 
der  Baudenkmale.  Wien  1856  ff.  —  Mittheilungen  der  k.  k.  Central-Com- 
mission  zur  Erforschung  u.  Erhaltung  der  BaudenXmale.  Unter  der  Leitung 
des  k.  k.  Sections  -  Chefs  etc.  Freiherm  v.  C  zornig.  Red.  C.  Weiss. 
Wien  1856  ff. 

für  die  bischöfliche  Diöces  Trier : 

Mittheilungen  aus  dem  Gebiete  der  kirchl.  Archäologie  u.  Geschichte  der 
Diöcese  Trier  von  dem  historisch-archäol.  Verein.  Trier  1 856  ff. 

Mit  überwiegend  confessioneller  Tendenz, 
katholischer  Seits  : 

Organ  für  christl.  Kunst,  herausgeg.  u.  redigirt  von  F.  Baudri  in  Cöln. 
Oigan  des  christl.  Kunstvereins  für  Deutschland.  Cöln  1 85 1  ff.  —  Kirchen- 
schmuck. Ein  Archiv  für  kirchl.  Kunstschöpfungen  u.  christl.  Alterthums- 
kunde.  Herausgegeb.  unter  der  Leitung  des  christl.  Kunstvereins  der  Diöcese 
Kottenburg.  Redigirt  von  Pfr.  L  a  i  b  u.  Decan  Dr.  Schwarz.  Stuttgart  1 857  ff. 

Evangelischer  Seits : 

Christliches  Kunstblatt  für  Kirche,  Schule  u.  Haus.  Herausgeg.  unter 
Leitung  von  C.  Grüneisen,  C.  Schnaase  u.  J.  Schnorr  von  Carols- 
feld  durch  G.  Bunz.  (Organ  der  Vereine  für  religiöse  Kunst  in  der  evangel. 
Kirche  zu  Berlin,  Stuttgart  u.  Hamburg.)  Stuttgart  1858  ff. 

Unter  den  Zeitschriften  der  historischen  Vereine  sind  als  besonders 
reich  an  kunstarchüologischen  Beiträgen  zu  nennen  der  r> Anzeiger  für  Kunde 
der  deutschen  Vorzeit,  Organ  des  Germanischen  Museums<n  in  Nürnberg  und 
das  ^Correspondenzblatt  des  Oesammtvereines  der  deutschen  Geschichts-  und 
Alter thumsver eine, <t  Femer  enthält  der  ^Evangelische  Kalendern  von  Ferd. 
Piper  und  das  sonst  ausschliesslich  den  Interessen  des  Dombaues  in  Cöln 
gewidmete  i>Cölner  Domblattn  kunstarchäologisch c  Aufsätze  und  Notizen, 
sowie  von  den  politischen  Blättern  die  Augsburger  Postzeitung  in  ihren 
Beilagen  ausführliche  kunst- topographische  Mittheilungen. 

Von  nicht-periodischen  Veröffentlichungen  gehören  hieher: 
Als  elementare  Anleitungen : 

Sendschreiben  des  Königl.  Sachs.  Alterthumsvereins  an  die  Freunde 
kirchlicher  Alterthümer  im  Königreiche  Sachsen.  Dresden  1 840.  —  J  a  k  o  b ,  G, , 


8  Kunstarcliftol.  Schriften. 

die  Kunst  im  Dienste  der  (kathol.)  Kirche.  Landshut  1857.  —  Otte,  H., 
Archäologischer  Katechismus.  Kurzer  Unterricht  in  der  kirchlichen  Kunst- 
archäologic  des  deutschen  Mittelalters.  Leipzig  1 859. 

Und  vermischten  Inhalts : 

Reich  ensperger,  A.,  Fingerzeige  auf  dem  Gebiete  der  kirchl.  Kunst. 
Leipzig  1854  (u.  in  einer  »Besonderen  Atuffobev,  ebd.  1855.)  —  Desselben 
Vermischte  Schriften  über  christl.  Kunst.  Leipzig  185(3. 

Als  Hilfsmittel  endlich  bei   der  Leetüre   kunstarchäologischer  Werke 
in  deutscher,  französischer  und  englischer  Sprache  : 

ütte,  H.,  Archäologisches  Wörterbuch  zur  Erklärung  der  in  den  Schrif- 
ten über  mittelalterliche  Kunst  vorkommenden  Kunstausdrücke.  Leipzig  I S57. 


Denkmale  der  Kunst 


A.  Kirehengebände« 

Binterim,  Ant.  Jos.,  die  vorzüglichsten  Denkwürdigkeiten  der  christ- 
kathol.  Kirche.  IS26.  IV.  J,  1-162.  —  Augusti,  J.  Chr.  W.,  die  gottes- 
dienstlichen  Personen  und  Oerter  der  christlichen  Kirche  (Bd.  11  der  Denk- 
würdigkeiten). 1830.  S.  315—496.  —  Desselb.  Beiträge  zur  christlichen 
Kunstgesch.  u.  Liturgik.  1841.  —  Bunsen,  Clir.  C.  Josias,  die  Basiliken  des 
Christi.  Roms  (1842).  —  Kreuser,  J.,  Kölner  Dombriefe.  1844.  S.  2-62.  — 
Desselb.,  der  christl.  Kirchenbau,  2.  Aufl.  1860.  1,  3—270.  —  Mono- 
graphieen  sind  gehörigen  Orts  imter  dem  Texte  angeführt. 

a.  Im  Allgemeinen. 

12.  Die  gottesdienstlichen  Gebäude  der  Christen  sind  von  Westen 
natih  Osten  gerichtet  (orientirt) .  Diese  heilige  Baulinie  ^}  beruht  auf 
der  altchristlichen  Sitte  ^  sich  beim  Beten  gen  Osten  zu  wenden  und 
den  Blick  nach  dem  Aufgang  aus  der  Höhe  zu  lenken. 

Eine  genaue  Grien tirung  ist  vor  der  Erfindung  des  Compasses 
überhaupt  nicht ,  und  von  der  unbefangenen  mittelalterlichen  Praxis  am 
wenigsten  zu  erwarten;  doch  findet  sich  im  Xu.  Jahrh.  (Joh.  Beleth, 
diviiki  officii  explicatio  c.  2.)  die  ausdrückliche  Vorschrift  »17/  aedißcetur 
ver9U8  Orientem,  hoc  est  versus  solis  ortum  aequtnocUßlem«  und  die  Ver- 
werfung Derjenigen ,  die  sich  aus  nicht  angeführten  Gründen  nach  dem 
Aufgangspunkte  der  Sonne  am  längsten  Tage  richten  woUten  und  richteten 
{nnec  vero  contra  aesttvale  solstttium,  ut  nonnulli  ei  volunt  et/actuntü)^ 
also  eine  nordöstliche  Baulinie  beliebten.  Letztere  Richtung  findet  sich, 
—  ob  absichtlich ,  oder  nur  zuföllig ,  oder  niu:  wegen  gewisser  Ortlichen 


1)  Alberdingk  Thijm,  Jos.  Alb.,  de  Heilige  Linie.  Proeye  over  de  oost- 
wardsche  richting  van  kerk  en  autaar  als  hoofdbeginsel  der  kerkehjke  bouwkunst. 
Amsterd.  1S5S.  Vergl.  Desselb.  »De rorieniatton  des ^lises* in »Dietsche  Warandem 
(Partie  fian^aise.)  1S57.  p.  37  und  rtLa  ligne  saerien.  Ebd.  p.  51.  —  Ueber  die  Rich- 
tung  der  Kirchen,  in  Mone  u.  y.  Aufsess,  Anzeiger  für  Kunde  des  deutschen 
M.  A.  3,  201 .  —  Orientirung  der  Kirchen ,  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archäologie 
und  Kunst.  1,  32. 


1 0  Baulinie. 

Verhältnisse,  beobachtet  z.  B.  bei  den  Domen  von  Basel  und  Meissen, 
welche  sich  von  WSW  nach  ONO  erstrecken ;  auch  die  Martinikirche  zu 
Braunschweig  und  die  Kirche  von  Amual  haben  nordöstliche  Lage, 
wogegen  der  Dom  und  die  Liebfrauenkirche  in  Trier  mit  dem  Altarende 
um  etwa  20®  nach  Süden  abweichen.  Andere  zahlreiche  Beispiele  von 
beiderlei  Abweichimgen  lassen  sich  auf  dem  Plane  jeder  beliebigen  alten 
und  grösseren  Stadt  mit  leichter  Mühe  auffinden ,  imd  da  die  Richtungs- 
linie der  Kirchen,  wie  in  Deutschland  so  auch  in  Frankreich  und  England, 
den  ganzen  Bogen  auszufüllen  scheint,  den  die  Sonne  vom  kürzesten  bis 
zum  längsten  Tage  am  Horizonte  beschreibt,  so  liegt  die  Vermuthung 
nahe,  dass  man  sich  bei  Bestimmung  der  Baulinie  oft  lediglich  nach  dem 
Aufgangspunkte  der  Sonne  am  Tage  der  Orundsteinlegung  gerichtet 
haben  mag.  Im  Spätmittelalter  bediente  man  sich  allerdings  des  Com- 
passes^),  bequemte  sich  indess,  was  namentlich  innerhalb  der  Städte  un- 
imigänglich  nöthig  war,  dabei  der  Localität  an,  doch  niemals  in  dem 
Maasse,  dass  die  Längenaxe  der  Kitche  geradezu  von  Norden  nach  Süden 
fiel,  was  zwar  in  Rom  bei  Santa  Prassede  (mit  dem  Altar  in  Norden)  imd 
bei  San  Giorgio  in  Yelabro  (mit  dem  Altar  in  Süden)  aus  unbekannten 
Ursachen  der  Fall  ist,  aber  in  Deutschland  von  keinem  mittelalterlichen, 
schon  ursprünglich  zum  gottesdienstlichen  Gebrauche  bestimmten  Ge- 
bäude nachgewiesen  ist,  und  höchstens  bei  später  als  Kirchen  benutzten 
Refectoiien  etc.  (wie  bei  der  sogenannten  älteren  Kirche  in  Kloster  Eber- 

;  bach)  vorkommt.  —  Bei  der  aus  dem  XIII.  Jahrh.  stammenden  Schloss- 
kapelle in  Vianden  erscheint  die  südliche  Richtung  durch  die  Terrain- 
verhältnisse unbedingt  geboten. 

13.  Der  Bau  begann  mit  der  Grundsteinlegung  durch  den  Bischof 

am  Altarende  in  Osten  und  schritt  von  hier  nach  Westen  weiter  vor ; 

in  dieser  technischen  Beziehung  wird  daher  die  Baulinie  als  von 

Osten  nach  Westen  gehend  zu  bezeichnen  sein. 

In  dem  Baurisse  für  das  Kloster  St.  Gallen')  vom  J.  820  wird  die 
Längenrichtung  der  Kirche  ausdrücklich  bezeichnet  »a6  Oriente  in  occi- 
dentem «,  al>er  das  Missverständliche  dieses  Ausdrucks  fiült  dadurch  hin- 
weg, dass  der  Hauptaltar  wie  gewöhnlich  in  Osten  und  die  Thürme  in 
Westen  angebracht  sind.  Vergl.  unten  Anmerkung  I . 

Auf  Herstellung  des  Altarhauses  musste  man  für  den  Zweck  des 
Gottesdienstes  am  ersten  bedacht  sein,  das  Entbehrlichere  durfte  hinaus- 
geschoben, imd  die  kostspieligen  Thürme  brauchten  erst  zuletzt  vollendet  zu 
werden.  —  Selbstverständlich  ist  der  obige  Satz  13.  nur  für  ausgedehntere 
Kirchenbauten  von  Erheblichkeit.  Das  sachkundige  Auge  erkennt  z.  B. 
am  Dome  zu  Magdeburg,  dessen  Osttheil  im  Jahre  1208  begonnen  wurde, 
an  den  Merkmalen  des  Baustyls  mit  Bestimmtheit,  dass  der  Bau  allmäh- 

1)  L.  Lacher  in  seiner  Unterweisung  von  1516  {Reichensperger,  Verm. 
3chr,  S.  139)  sagt:  »so  du  wildt  ein  Kkor  an  das  Hochwerkh  anleg  wo  er  stehn  »ol, 
der  abmerckung,  der  sonen  auf  gang ,  so  nimb  ein  Khumbaat,  setz  den  auf  ein  toinckel- 
maasst  vnd  lass  den  magnad  auf  die  mitdaglinie  stehn  fi  u.  s.  w. 

2}  Keller  (Bauriss  des  Kl.  St.  OaUen)  drückt  sich  S.  15  des  Textes  missver- 
stAndlich  und  S.  20  unrichtig  hierüber  aus,  während  der  Bauriss  selbst  keinen  Zweifel 
aufkommen  lässt. 


Baulinie.  j  ] 

lieh  nach  Westen  hin  weiter  fort  schritt,  wo  er  mit  dem  Oberbau  des 
Westgiebels  und  der  Thürme  erst  in  den  ersten  Jahrzehnten  des  XVI. 
Jahrhunderts  seinen  Abschluss  fand.  —  Vom  Dome  zu  Cöln  wurde  be- 
kanntlich nur  der  östliche  Theil  ganz  fertig.  —  Wo,  wie  z.  B.  am  Mün- 
ster zu  Freiburg  i.  B.,  der  östliche  Theil  entschieden  jünger  ist,  als  das 
übrige  Gebäude,  gehört  der  erstere  einem  späteren  Neubau  an.  Ebenso 
ist  auch  die  Westfront  von  St.  Stephan  zu  Wien  der  Ueberrest  eines 
älteren  Baues.  —  Am  Dom  zu  Halberstadt  baute  man,  wie  übereinstim- 
mend mit  den  geschichtlichen  Nachrichten  der  Augenschein  lehrt,  von 
Westen  aus  in  östlicher  Bichtung  weiter,  allein  dies  war  ein  Umbau, 
welcher  zum  Theil  die  Stelle  einör  älteren  Kirche  einnehmen  sollte ,  die 
man,  um  den  Gottesdienst  fortsetzen  zu  können,  während  des  Baues 
conserviren  musste.  —  Am  Dom  zu  Cöln  schritt  man  nach  Vollendung 
des  Chores  zunächst  zum  Baue  des  Langhauses  und  der  Thürme ,  und 
liess  selbst  die  Fundamente  der  südlichen  Kreuzvorlage ,  die  erst  bei  der 
neuesten  Wiederaufnahme  des  Baues  gelegt  werden  mussten ,  wenigstens 
theilweise  fehlen. 

Anmerkung  1.  Die  west- östliche  Baulinie  stand  zwar  schon  im 
christlichen  Alterthume  fest'),  doch  wurde  der  Altar,  statt  wie  später  regel- 
mässig in  Osten,  auch  häufig  am  Westende  der  Kirchen  angelegt,  wie 
mehrere  alte  Kirchen  in  Rom')  noch  heute  beweisen.  Der  amtirende 
Priester  schaute  auch  in  diesen  Kirchen  nach  Osten ,  stand  also  nicht  vor, 
sondern  hinter  dem  Altartische  und  brauchte  sich  deshalb  bei  der  Salutation 
des  Volkes  {Dominus  vobucum)  nicht  umzudrehen. ')  Auch  ausserhalb  Rom 
gab  es  in  altchristiicher  Zeit  Kirchen  in  umgekehrter  Richtung  *)  und  zwar. 


1)  Const.  apostol.  2,  57 :  'O  olxos  tatoi  —  xnt  avatoXag  rirQafifAiy.og.  —  Vergl. 
Sidon.  Apoll,  epist.  2,  10  mit  den  Anmerkungen  von  Sirmond  (Zeitschr.  für  die 
Gesch.  des  Oberrheins.  VIII.  4,  424). 

2)  Es  sind  S.  Peter  im  Vatican,  S.  Maria  Maggiore,  S.  Jobann  im  Lateran,  S. 
Sebastian  ausserhalb  der  Mauern ,  S.  Crisogono ,  S.  Balbina ,  S.  Martino  ai  Monti, 
S.  S.  Nereo  ed  Achilleo ,  S.  Maria  in  Domnica ,  S.  demente ,  S.  Nicolo  in  carcere 
und  S.  Maria  in  Trastevere.  Auch  S.  Lorenzo  ausserhalb  der  Mauern  hatte  ursprüng- 
lich den  Hochaltar  am  Westende,  aber  beim  Bau  des  jetzigen  Schiffes  zu  Anfang  des 
Xin.  Jahrb.  liess  Papst  Honorius  IV.  die  alte  Thflr  an  der  Ostseite  vermauern  und 
verlegte  den  Hochaltar  dahin.  Vergl.  Alberdingk  Thijm,  Dietsche  Warande 
(Partie  fran9aisej.   1857.  p.  44. 

3)  Durandi  Rationale  1.  V.  c.  II.  n.  57  (Lugd.  1551.  Pol.  134  v.) :  In  ecclesiis 
ostium  ab  occidente  habentibus ,  missam  celebrans ,  in  salutatione   ad  populum  se 

vertit et  deinde  oraturus  se  ad  orientem  convertit.   In  ecclesiis  vero  ostia  ab 

Oriente  habentibus,  ut  Romae,  nuUa  est  in  salutatione  necessaria  conversio :  sacerdos 
in  ilUs  celebrans,  semper  ad  populum  stat  conversus.  —  Leo  der  Grosse  (um  443] 
nahm  Anlass  (Serm.  7  de  nativ.)  das  Volk  zu  strafen,  weil  dieses,  theils  aus  Un- 
wissenheit, theils  aus  heidnischem  Aberglauben,  auf  den  Stufen  am  östlichen  Haupt- 
portale von  S.  Peter,  vor  dem  Eintritt  in  die  Kirche,  sich  nach  Osten  gegen  die  auf- 
gehende Sonne  umwandte  um  zu  beten,  drang  indess  damit  nicht  durch,  da  die 
Gläubigen  diese  Sitte  beibehielten ,  weshalb  auf  Veranlassung  eines  Cardinals  im  J. 
1300  ein  musivisches  Bild  Christi  und  der  Apostel  vor  der  KirchthUr  errichtet  wurde, 
damit  die  sich  nach  Osten  umwendenden  Betenden  dieses  verehren  soUten ,  imd  der 
Aberg^ube  eines  Sonnencultus  vermieden  würde.  Vergl.  Casalius,  de  Christ, 
ritibus.  Francof.  et  Hannov.  1681.  p.  30. 

4)  Die  Kirche  zu  Tyrus  (Eusebius,  bist.  eccl.  10,  4  n.  16)  lag  mit  ihrem  Vor- 
platze gegen  die  Strahlen  der  aufgehenden  Sonne  ausgelnreitet ;  dasselbe  war  (de  vita 


1 2  GruncUteinlegung. 

wenn  einem  Zeugnisse  aus  dem  IX.  Jahrb.  zu  trauen  ist,  weil  man  damals 
auf  die  Orientirung  der  Kirchen  kein  besonderes  Gewicht  gelegt  habe. ') 
Sicher  ist ,  dass  man  aus  Zweckmässigkeits-Oründen  von  der  typisch  ge- 
wordenen Orientirung  abzuweichen  keinen  Anstand  nahm :  denn  Paulinus 
von  Nola  baute  bei  der  älteren  grösseren  des  h.  Felix,  welche  richtig  orien- 
tirt  war,  eine  kleinere  Kirche  mit  dem  Eingang  auf  der  Ostseite,  weil  sie 
nur  als  zu  ersterer  gehörig  betrachtet  werden  sollte.^)  Auch  die  kleine 
Elrankenhauskirche  auf  dem  Baurisse  von  St.  Gallen,  welche  mit  der  ebenso 
grossen  richtig  orientirten  Novizenkirche  in  gleicher  Axe  liegt,  hat,  offenbar 
nur  der  Symmetrie  halber,  die  Altamische  in  Westen,  und  dieses  Schwanken 
zwischen  beiden  Weisen  scheint  noch  bis  ins  XI.  Jahrh.  fortgedauert  zu 
haben:  denn  die  zuerst  im  J.  983  erbaute  (später  erneuerte  und  neuerdings 
abgetragene)  Kirche  des  Klosters  Fetershausen  bei  Constanz  hatte  den 
Haupteingang  Östlich  und  den  Altar  westlich,  und  wie  im  Dom  zu  Bamberg 
(gegr.  1004)')  scheint  auch  ursprünglich  im  Dome  zu  Augsburg,  in  St. 
Emeram,  im  Obermünster  und  in  St.  Jakob  zu  Regensburg,  sowie  in  St. 
Michael  zu  Hildesheim  der  Hochaltar  seilte  Stelle  im  Westen  gehabt  zu 
haben.  Die  Dome  zu  Mainz  und  Fulda  dagegen,  in  denen  der  Hochaltar 
jetzt  zwar  ebenfalls  am  Westende  steht,  aber  ursprünglich  östlich  stand, 
gehören  aus  diesem  Grunde  nicht  hieher. 

Anmerkung  2.  Dem  Kirchenbau  musste  die  bischöfliche  Erlaubniss, 
die  Aussetzung  einer  bestimmten  Dotation  und  die  Erwerbung  eines  geeig- 
neten Bauplatzes  vorangehen.  Letzterer  wurde  durch  die  Errichtung  eines 
Kreuzes  als  nunmehriges  Eigenthum  der  Kirche  bezeichnet  imd  nach  einem 
alten  Rechtsbrauche  zuweilen  mit  Seidenfäden  umspannt^),  imi  ihn  von  den 
profanen  Umgebungen  abzusondern.  Wenn  die  Fundatoren  hochgestellte 
Personen  waren ,  so  pflegte  die  Grundsteinlegung '^)  im  Beisein  vieler 
geistlicher  und  weltlicher  Gäste  unter  grossen  Feierlichkeiten  zu  geschehen. 
Nach  Besprengung  der  Baugrube  mit  Weihwasser  legte  der  Bischof  den 
Grundstein  [primarium  hpidem),  welcher  mit  einem  Kreuze  bezeichnet  sein 
musste.    Doch  war  es  im  früheren  Mittelalter  anscheinend  Sitte ,  nicht  bloss 


Constantini  .3,  37)  mit  den  Thüren  der  Kirche  des  Erlösers  zu  Jerusalem  der  Fall. 
Sokrates  (H.  e.  5,  22)  sagt  von  der  grosaen  Kirche  zu  Antiochia:  ^H  ixxiijaia 
avrlatqoifov  f^^i  Ttjv  &iaaiv  '  ov  yuQ  TiQog  avaroXäg  t6  ^vainortfQtoy ,  aXXa  nQog 
dvCiv  OQ^,  Paulinus  von  Nola  giebt  (ep.  12  ad  Severum)  als  die  gebräuchlichere 
Sitte  an,  dass  der  »proepectusti  der  Kirche  nach  Osten  schaue. 

1)  Walafried  Strabo  (de  exord.  et  incr.  rer.  eccl.  c.  4)  bemerkt:  »JVbn 
maanopere  eurabant  iUius  temports  jttsüf  quam  in  partem  orationis  loca  converterent. 
Sei  tarnen  usw  frequentior  et  rationivicinior  habet  in  Orientem  orantes  converti^  et 
pluralitatem  maximatn  ecclesiarum  eo  tenore  constituüti 

2)  Paulini  ep.  12  ad  Severum. 

3)  Pertz,  M.  G.  XVII,  635;  vergl.  Giesebrecht,  Gesch.  der  deutschen 
Kaiserzeit.  2.  Aufl.  2,  61  u.  5S0. 

4)  Die  Seidenf&den,  welche  in  den  Marienkirchen  zu  Laeken  u.  Lebbeke  (bei 
Dendermonde)  in  Belgien  aufbewahrt  werden,  sollen  einst  zu  obigem  Zwecke  benutzt 
worden  sein.  —  Wolf,  Beitr.  zur  deutschen  Mythologie.  1,  175. 

6)  Vergl.  L  e n o  i r ,  Alb.,  Architecture  monästique.  Paris  1 852.  1 ,  40 :  »Premüre 
pierrevf  woselbst  auch  Abbild,  von  Grundsteinen  aus  dem  XTV.  Jahrb.,  mit  einem 
Kreuze  und  mit  histor.  Angaben  über  die  Grundsteinleg^ung  versehen.  Aushöhlungen 
haben  diese  Steine  nicht. 


Grundsteinlegung.  J  3 

einen,  sondern,  wahrscheinlich  zur  grösseren  Verherrlichung  der  Feier, 
mehrere  Grundsteine  (prtmos  lapides)  zu  legen,  und  zwar  an  den  sämmt- 
lichen  Ecken  des  Gebäudes.  So  brachte  983  bei  Gründung  der  Kirche  des 
Klosters  Petershausen  Bischof  Gebhard  von  Constanz  vier  Goldstücke  dar, 
welche  unter  die  vier  Eckmauem  (vermuthlich  in  Aushöhlungen  der  Grund- 
steine) gelegt  wurden.  *)  —  Bischof  Thietmar  von  Merseburg  legte  1015  zu 
seiner  neuen  dortigen  Kathedrale  die  vier  ersten  Steine  nach  der  Figur  [in 
modum)  des  h.  Kreuzes*)  :  also  wohl  an  den  vier  Endpunkten  des  zu  er- 
richtenden Gebäudes.  —  Das  Fundament  zur  Kirche  des  1091  gestifteten 
Klosters  Pegau  wurde  an  zwölf  Ecken  gelegt  (demnach  wahrscheinlich  an 
den  acht  Ecken  und  den  vier  einspringenden  Winkeln  des  kreuzförmigen 
Grundrisses) ,  und  der  Stifter ,  Graf  Wieprecht  von  Groitzsch,  trug  dazu 
ebenso  viele  Körbe  mit  Steinen  auf  seinen  Achseln  zur  Baustelle.')  —  Ander- 
wärts und  später  begnügte  man  sich  wohl  mit  einem  Grundsteine  auf  der 
Stelle  des  künftigen  Hochaltars  der  Kirche. 

Bei  einer  im  J.  lS2d  vorgenommenen  Keparatur  am  Grundbau  des 
Spitals  zum  heil..  Geist  in  Nürnberg  fand  man  den  Grundstein  auf:  ein 
Werkstück,  4  F.  lang,  3  F.  breit  imd  V/^  F.  dick.  Auf  der  oberen  Fläche 
des  Steines  war  ein  Kreuz  mit  verbreiterten  Enden  (Tatzenkreuz)  eingegra- 
ben, und  zwischen  dessen  Armen  der  Titulus  des  Kreuzes  Christi.  Ueber 
und  unter  dem  Kreuze  stand  zweimal  die  Jahreszahl  1489  und  in  der  Mitte 
desselben  befand  sich  eine  runde,  etwa  7  Zoll  tiefe  Oeffnimg  von  etwa 
6  Zoll  Durchmesser,  welche  mit  einer  Zinntafel  verschlossen  war,  auf  deren 
unterer  Seite  die  Namen  der  damaligen  Oberst -Hauptleute  von  Nürnberg 
und  des  Baumeisters  standen.  In  der  Höhlung  lagen  :  ein  hölzernes  Büchs- 
chen  mit  9  kleinen  nürnb.  Silbermünzen,  eine  Glasüasche  mit  vertrocknetem 
Inhalt,  eine  kleine  gegossene  Zinnplatte  mit  einem  Christuskopfe,  Sonne 
und  Mond,  einer  Taube  imd  den  Buchstaben  I.  N.  R.  I.  (ganz  in  der  Weise 
der  bekannten  russischen  Heiligenbilder)  und  endlich  der  Zinnabguss  einer 
antiken  Gemme ^)  :  beide  letztere  Gegenstände  wahrscheinlich  als  Talismane. 

Anmerkung  3.  Obgleich  die  hohe  Lage  der  meisten  Kathedralen 
und  sonstigen  Benedictiner-Kirchen  allerdings  an  die  urchristliche  Vorliebe 
erhabener  Baustätten  für  die  Gotteshäuser  ^)  erinnert,  so  würde  man  dennoch 
irren,  wenn  man  annehmen  wollte,  dieselbe  ausschliesslich  oder  auch  nur 


1)  Beilage  zur  Augsb.  Postztg.  1S5T,  No.  273,  8.  1021.  —  Auch  zu  BeUeville 
in  Beaujolais  legte  der  Abt  1 1 6S  ein  schönes  Goldstück  in  den  Orundsteln ,  und  bei 
der  Gründung  von  St.  Denis  stiegen  nach  dem  Könige ,  welcher  den  ersten  Stein 
legte,  die  übrigen  Gaste  in  die  Baugrube  und  legten  jeder  ihren  Stein,  einige  auch 
Edelsteine  (gemmas).  Vergl.  Lenoir,  a.  a.  O.  Es  drängt  sich  übrigens  doch  wohl 
die  Vermuthung  auf,  dass  diese  Goldstücke  und  Edelsteine  Opfergaben  zuin  Baufond 
waren,  also  nicht  mit  vermauert,  sondern  für  den  Kirchenbau  verwerthet  wurden. 

2)  N.  Mittheil,  des  thür.-sächs.  Vereins.  VI.  4,  72. 

3]  Monachi  Pegay.  de  Tita  et  rebus  gest.  Comitis  Viperti  Groicens.  ad  a.  1091. 

4)  Der  Sammler  für  Kunst  u.  Alterth.  in  Nürnb.  1824.   I,  66. 

5)  So  lag  schon  die  Kirche  zu  Nikomedien  unter  Diocletian  »  in  aÜo  «  (L  a  c  t  a  n  t. 
de  mortibus  persec.  c.  12)  u.  Tertullian  (adv.  Valentinianum  c.  .3)  sagt:  Nostrae 
columbae  domua  simplex  in  editis  semper  et  apertis  et  ad  lucem.  —  Vergl« 
Matth.  16,  18. 


1 4  Lage  der  Kiichen. 

vorzugsweise  hierauf  zurückfahren  zu  können.  *)  Die  ersten  Heidenbekehrer 
in  Deutschland  hatten  hauptsächlich  Rücksicht  zu  nehmen  auf  die  mög- 
lichste Sicherheit  ihrer  Ansiedlungen  gegen  feindliche  UeberfBllle,  und  dieses 
praktische  Moment  traf  oft  auf  das  Glücklichste  zusammen  mit  jener  sinni- 
gen Vorliebe  des  christlichen  Alterthums  und  dem  Vorbilde  des  im  J.  529 
gestifteten  italienischen  Mutterklosters  Monte  Casino.  So  wählte  z.  B. 
Bonifacius  723  den  steilen  Basaltkegel  an  der  Ohm  (Amoeneburg)  zu  einer 
Celle  für  Mönche ,  weil  diese  Lage  gegen  jeden  Angriff  Schutz  versprach, 
und  ähnliche  Fürsorge  scheint  bei  Anlage  von  Bureburg  (bei  Fritzlar)  74t 
entscheidend  gewesen  zu  sein.^)  Femer  kommt  in  Betracht,  dass  viele 
Kirchen  und  Klöster  aus  Burgen  entstanden ,  deren  ursprüngliche  Besitzer 
ihre  Erbgüter  zu  diesem  frommen  Zwecke  übereigneten:  so  z.  B.  im  VIT. 
Jahrb.  Herzog  Ethico  die  Höhenburg  (Odilienberg)  bei  Strassburg,  im 
X.  Jahrb.  Otto  der  Grosse  Merseburg,  im  XI.  Jahrb.  Heinrich  II.  Bamberg 
und  Konrad  II.  Limburg  a.  d.  H.,  und  fast  unzählige  andere  im  Laufe  der 
Zeiten.  Endlich  kommt  noch  hinzu ,  dass  man  in  neubekehrten  Ländern, 
um  auch  hierdurch  den  Sieg  des  Christenthums  anzudeuten ,  vielleicht  aber 
auch  um  die  altgewohnte  Anhänglichkeit  der  Neubekehrten  an  den  Ort  zu 
benutzen,  die  christlichen  Kirchen  vorzugsweise  gern  an  solchen  Orten  er- 
baute, wo  früher  heidnische  Sacra  waren  gefeiert  worden'),  was  wiederum 
häufig  auf  Bergen  der  Fall  war  und  namentlich  bei  vielen  dem  Erzengel 
Michael  und  dem  Apostel  Petrus  gewidmeten  Bergkirchen  und  Klöstern 
zutrifft.  *) 

Während  die  Klöster  der  Benedictiner ,  in  Abgeschiedenheit  von  der 
Welt ,  aber  mit  freier  Aussicht  auf  die  Herrlichkeit  derselben ,  auf  einsamer 


1 )  Nur  ein  Beispiel  -wüssten  wir  anzuführen :  Bischof  Heribert  von  Eichstädt 
(1021  ->  1042)  Hess  den  dortigen  Dom  abtragen,  weil  er  die  Kirche  »in  editiori  urbis 
/oco«  haben  wollte.  Perts,  M.  6.  Vn.  p.  262. 

2)  Rettberg,  Kirchengesch.  Deutschlands.  1,  339  u.  597.  —  Die  in  der  Nähe 
der  Kathedralen  belegenen  bischöflichen  Palatien  waren  regelmässig  befestigt.  Der 
(nicht  auf  einem  Berge  gelegene)  Dom  zu  Mainz  hatte  noch  im  XII.  Jahrh.  »muni- 
tionesti,  (Cf.  Urstisius,  Chr.,  German.  historicor.  illustr.  1,  572  lin.  48),  und  das 
Bedürfniss  veranlasste  in  Steiermark  und  Siebenbürgen  noch  in  späteren  Jahrhun- 
derten zu  burgähnlichen  Kirchenbauten.  Vergl.  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission 
etc.  1S56.  ],  248  und  2,  211  if.  —  Auch  die  1511  erbaute  Kirche  zu  Magstatt  in 
Schwaben  hat  einen  befestigten  Kirchhof. 

3)  Dies  wird  häufig  durch  Ausgrabungen  bestätigt.  So  fand  man  in  den  Funda- 
menten der  Kirche  des  alten  Benedictinerklosters  St.  Martin  bei  Trier  im  J.  1802 
einen  heidnisch-römischen  Opferaltar ,  beim  Abtragen  der  Kirche  zu  Gersthofen  in 
der  Diöces  Augsburg  im  J.  1854  Reste  von  zwei  Merkurstatuen,  bei  Abtragung  des 
Domberges  zu  Bamberg  im  J.  177J  metallene  Opferinstrumente,  sowie  bei  der  letzten 
Restauration  des  Domes  selbst  in  der  Krypta  des  Georgschores  Fragmente  von 
Urnen,  Kohlen  und  Eberz&hne  u.  s.  w.  —  In  der  Vita  Mathildis  reginac  (bei  Leib- 
nitz,  1,  194)  wird  von  dem  Sachsen  Widekind  erzählt,  derselbe  habe  nach  seiner 
Taufe  an  solchen  Orten,  wo  er  früher  Götzenbilder  aufgestellt  hatte,  Bethäuser  der 
Heiligen  errichtet.  Veigl.  Landau,  die  Territorien.  S.  373  f. 

4)  Vergl.  das  Verzeichniss  alter  Michaelskirchen  in  Wolfs  Beitr.  zur  deutschen 
Mythol.  S.  33  und  alter  Petrikirchen  ebd.  S.  Sl  ff.  Peters  berge  kommen  vorbei 
Mainz,  Saalfeld,  Hersfeld,  Flintsbach  und  Dachau  in  Oberbayem ,  Friesach  in  Kärn- 
ten, Halle,  Erfurt,  Eisenach,  Fulda,  Roremund;  Michels  berge  bei  Fulda,  Mainz, 
Münstereifel ,  Strombeig ,  Bamberg ,  Wimpfen  und  bei  dem  Dorfe  Michelsberg  im 
Sachsenlande  von  Siebenbürgen. 


Grundform  der  Kirchen.  1 5 

Höhe,  wie  ein  Licht  auf  dem  Leuchter  standen,  so  verbargen  die  Cister- 
zienser^),  nach  dem  Muster  ihrer  gemeinsamen  Mutter  Citeaux  (gegr. 
1098)  ihre  Niederlassungen,  dem  Verkehre  der  Menschen  entrückt,  in 
versteckt  gelegene,  oft  sumpfige  Waldthaler') ,  die  sie  durch  ihren  Fleiss 
bald  in  fruchtbare  Gefilde  verwandelten,  so  dass  diese  Klöster  häufig  in 
Mitten  der  Sand  wüste  einer  lieblichen  Oase  gleichen. ')  Eine  Ausnahme 
macht  das  Kloster  Hohenfurth  (in  der  südlichsten  Spitze  von  Böhmen), 
welches  auf  einem  Hügel  an  der  Moldau  liegt. 

Im  Qegensatze  gegen  die  Feldklöster  der  beiden  genannten  Hauptorden 
suchten  die  Bettelmönche  ausschliesslich  die  Städte  auf  und  waren  hier 
mit  einer  abgelegenen  BausteUe  in  der  Nähe  der  Stadtmauer  um  so  mehr 
zufrieden,  als  sie  daselbst  von  dem  lärmenden  Treiben  des  städtischen  Ver- 
kehrs nicht  gestört  wurden. 

Die  Pfarrkirchen  der  Städte  liegen  gewöhnlich  in  der  Nähe  des 
Marktplatzes,  als  dem  ältesten  Kerne  des  ihnen  untergebenen  Sprengeis. 
Die  Landkirchen  stehen  seltener  frei  in  der  Mitte  des  Dorfes,  sondern  öfter 
innerhalb  einer  Häuserreihe  der  Dorfstrasse. 

14.  Die  überwiegende  Mehrzahl  aller  mittelalterlichen  Kirchen 
hat  die  Grundform  des  länglichen  Vierecks  mit  oder  ohne  Kreuzvor- 
lagen,  im  Osten  durch  einen  Kreis-  oder  Polygonabschnitt ^  auch 
rechtwinkelig  geschlossen. 

Die  längliche,  an  einer  schmalen  Seite  abgerundete,  dem  Schiffe 
ähnliche  Grundform  der  Kirche  galt  schon  in  den  ersten  Jahrhunderten 
für  gesetzlich  [Canst.  apostoi.  2,  57  :  'O  oixog  earm  intfAiixTjg  —  ö^ig 
60ixt  ¥111) ,  als  Symbol  der  rettenden  Arche  Noahs  und  des  Schiffleins 
Petri.  —  Die  ältesten  Kirchen  des  Abendlandes,  bis  etwa  um  das  J. 
1230,  sind  in  Osten  rund  geschlossen;  vieleckig  geschlossene  Kirchen 
gehören  späteren  Jahrhunderten  an:  ein  Schwanken  zwischen  beiden 
Weisen  (innerlich  rund,  äusserlich  polygonisch)  bildet  den  U ebergang 
(Klosterkirche  zu  Zinna ,  Kirche  zu  Ramersdorf  bei  Bonn ,  Kapellenkranz 
des  Doms  von  Magdeburg) .  Am  Strassburger  Münster  und  am  Dom  zu 
Wonns ,  welche  rechtwinkelig  schliessen ,  ist  die  halbrunde  Altamische 
innerlich  in  der  geraden  Schlusswand  eingetieft.  Auch  der  Dom  zu 
Bremen  schliesst  rechteckig,  zeigt  aber  im  Innern  an  der  Ostwand 
drei  kleine  Rundnischen  neben  einander.  Dieser  rechteckige  östliche 
Schluss  (der  sich  allerdings  schon  am  ursprünglichen  Altarhause  des 
karolingischen  Münsters  in  Aachen  vorfand)  kommt  besonders  in  West- 


1)  Vergl.  Feil,  Jos.,  in  den  Mittelalterl.  Kunstdenkm.  von  Hei  der  und  v. 
Eitelberger.  ],  t  ff. 

2)  Nach  der  finsteren  Askese  des  Ordens  sollen  die  Mönche ,  in  der  ungesunden 
Luft  öftCT  erkrankend,  stets  den  Tod  vor  Augen  haben,  um  nie  sorgenlos  zu  leben. 
Vergl.  a.  a.  O.  8.  6. 

3}  Brusselii  tract.  de monast.  Germ.  (A u g u s 1 1 ,  Denkwürdigkeiten  1 1 ,  382) : 

Vallis  sylvestribus  undique  cinctas 

Arboribus  divus  Bernhardus  amoenaque  prata ; 
Colles  et  montes  Benedictus  amavit  et  arces 
Coelo  surgentes,  ex  quarum  vertice  late 
Prospectus  petitur,  secessum  plebis  uterque. 


1 6  Kreuzform.  —  Kapellen. 

falen  (Dom  zu  Paderborn  etc.) ,  auch  am  Oberrhein  (Klosterkirche  zu 
Limburg  a.  d.  H.,  Dom  zu  Constanz,  Mittel-  imd  Oberzeil  auf  d^r  Insel 
Reichenau ,  Petri  -  Paulikirche  zu  Hirschau ,  Pfarrkirche  zu  Perschen  in 
der  Oberpfelz)  und  bei  den  Cisterziensem  (zu  Loceum,  Riddagshausen, 
Campen ;  Maulbronn,  Bebenhausen,  Kappel  in  der  Schweiz  etc.)  etwa 
bis  zur  Mitte  des  XIII.  Jahrh.  vor,  später  besonders  im  Norden  und 
vorzugsweise  in  Preussen. 

Eärchen  in  der  Grundform  des  gleicharmigen,  s.  g.  griechischen 
Kreuzes  (-|-)  finden  sich  im  Abendlande  nur  bei  unbedeutenden  Gebäuden 
und  sehr  vereinzelt  vor  (Dorfkirchen  zu  Wlnoves  imd  Bochnitz  in  Böhmen, 
Schlosskirche  zu  Querfurt ,  Nicolaikirche  zu  Pasewalk)  ;  dagegen  haben 
alle  grösseren  Kirchen  in  Deutschland  bis  etwa  nach  der  Mitte  des  XIII. 
Jahrhunderts,  zimial  Stifts-  und  Klosterkirchen,  die  Grundform  des  s.  g. 
lateinischen  Kreuzes  (f),  die  älteren  halbrund,  jüngere  aus  dem  Vieleck 
geschlossen.  In  späterer  Zeit  kommt  die  Kreuzform  ungleich  seltener 
vor,  vorzugsweise  selten  bei  Pfarrkirchen ,  welche  namentlich  in  der  be- 
züglichen Zeit  neugebaut  wurden  (Dom  zu  Stendal,  Marienkirchen  zu 
Rostock  und  Stralsund  aus  dem  XV.  Jahrb.),  und  wie  es  scheint,  haupt- 
sächlich nur  da,  wo  auf  der  Stelle  des  Neubaues  früher  schon  eine  Kreuz- 
kirche gestanden  hatte. 

Anmerkung.  Dass  die  Kreuzform  des  Kirchengrundrisses  bereits 
ursprünglich  symbolisch  gemeint  gewesen  sei,  lässt  sich  allein  aus  der  früh- 
zeitigen sinnbildlichen  Auffassung^ )  derselben  zw^ar  allerdings  nicht  beweisen, 
ist  jedoch  wahrscheinlich :  nicht  bloss  wegen  der  altchristlichen  Vorliebe 
gerade  für  dieses  Symbol,  sondern  auch  wegen  der  anscheinend  keineswegs 
im  strengen  Bedürfiiisse  begründeten  Anordnung  des  Querschiffes')  und 
wegen  der  ursprünglich  eigentlich  doch  nur  im  Gnmdrisse  oder  in  der  Vo- 
gelperspective  wahrnehmbaren  Kreuzgestalt  der  Kirchen  ohne  eigentliche. 
Kreuz  vorlagen. 

15.  Gottesdienstliche  Gebäude^  welche  bloss  zum  Gebete  oder 
Privatgebrauche  bestimmt  sind^  heissen  Kapellen  oder  Oratorien. 
Sie  sind  gewöhnlich  nur  klein,  haben  verschiedene  Grundformen  und 
kommen  häufig  als  An-  oder  Einbauten  der  Kirchen  vor. 

Unter  den  kirchlichen  Nebengebäuden  war  in  altchristlicher  Zeit 
das  hauptsächlichste  die  Taufka pelle  [haptiaterium] ,  welche  aus  einem 
Vorgemache  und  dem  Hauptraume  mit  dem  Wasserbecken  (piscina)  be- 
stand und  in  der  Nähe  der  Hauptkirchen  errichtet  war.     Gewöhnlich  war 


1)  Schon  Gregor  von  Nazianz  im  IV.  Jahrh.  (Somniuu  Anastasiae,  Carmen  IX, 
t.  n.  p.  79}  u.  Procop  im  VI.  Jahrh.  (de  aedificÜB  Justiniani  p.  13)  sehen  in  der 
von  Constantin  dem  Grossen  zu  Constantinopel  erbauten  Apostelkirche  die  Gestalt 
des  Kreuzes.  Vergl.  Lenoir,  Architecture  monastique  1,  253. 

2)  Kinkel  (Gesch.  der  bild.  Künste  1,  66)  erklärt  es  zwar  für  anscheinend 
sicher,  dass  man  den  Kirchen  aus  symbolischen  Grtlnden  das  Querschiff  hinzugefügt 
hahe,  meint  jedoch,  dass  auch  architektonische  Gründe  mitgewirkt  haben  möchten, 
worüber  er  Vermuthungen  ausspricht;  Schnaase  (Gesch.  der  bild.  Künste  IV. 
\f  291}  dagegen  halt  die  symbolische  Beziehung  sehr  für  Nebensache. 


Taufkapellen. 


17 


der  Hauptraum  von  runder  oder  achteckiger  Grundform'),  und  die  innere 
Einrichtung  des  regelmässig  dem  Täufer  Johannes  gewidmeten  Gebäudes 
erinnerte  eben  so  an  die  gleichnamigen  Schwimmteiche  in  den  antiken 
Bädern,  wie  die  Grundform  an  die  antiken  Grabmäler.  Dergleichen 
Tauf  häuser  befanden  sich  auch  in  Deutschland  bei  den  noch  zu  römischer 
Zeit  und  auf  dem  Boden  des  ehemaligen  römischen  Reiches  entstandenen 
bischöflichen  Kathedralen,  da  das  Taufrecht  damals  allein  den  Bischöfen 
zustand,  wurden  aber  später  auch  sniweilen  bei  anderen  Kirchen  errichtet, 
welche  die  Berechtigung  zur  Ertheilung  der  Taufe  empfangen  hatten. 
Obgleich  von  jenen  alten  bischöflichen  Tauf  häusem,  die  mit  den  Kirchen 
gewöhnlich  durch  einen  Säulengang  verbunden  waren ,  keines  auf  unsere 
Tage  gekommen  ist,  so  ist  wenigstens  deren  ehemaliges  Vorhandensein, 
obschon  in  späterer  Umgestaltung,  doch  durch  den  Titel  Johannes  Baptlsta 
sicher  erkennbar  nachgewiesen  neben  den  Domen  von  Mainz  (die  jetzige 
evangelische ,  frühere  Stiftskirche  St.  Johannes) ,  Worms  (noch  in  alter 
polygonischer  Form  aus  dem  XIII.   Jahrb.,  im  J.    1807  oder  1808  als 

überflüssig  abgetragen) ,  Spei  er  (die  Johan- 
neskapelle neben  dem  südlichen  Kreuzarme 
des  Domes)  ,  Strassburg  (die  Johanneska- 
pelle neben  der  Nordseite  des  Chores),  Augs- 
burg (auf  der  Südseite  des  Domes  die  1808 
abgerissene  Johanneskirche)  ,  Regensburg 
(die  schon  im  XIV.  Jahrh.  bei  der  westlichen 
Erweiterung  des  Domes  zu  Grunde  gegangene 
Stiftskirche  St.  Johannis ,  jetzt  in  moderner 
Erneuerung  nördlich  von  der  Kathedrale), 
T  r  i  e  n  t  (im  Unterbau  der  Beneficiaten-Sacristei 
noch  in  Spuren  kenntlich),  Maestricht  (die 
Johanneskirche  neben  der  ehemaligen  Kathe- 
drale St.  Servatii)  und  wahrscheinlich  neben 
den  Domen  zu  Trier  und  Co  In.  Als  ein 
möglicherweise  stiftungsmässig  bis  in  die  rö- 
mische Zeit  hinaufreichendes  ursprüngliches 
Baptisterium  charakterisirt  sich  auch  durch  das 
über  dem  Eingange  befindliche,  die  Taufe 
Christi  darstellende  Relief  die  Rundkapelle  in  dem  Marktflecken  FetroneU 
(östlich  von  Wien,  a.  d.  Donau)  auf  dem  Boden  der  ehemaligen  bedeu- 


Fig.  1^  Taufkapelle  zu  Brixeh 

(nach  den  Mittheil,  der  k.  k. 

Central-Commission) . 


I )  Die  achteckige  Grundform  wird  in  folgenden  Distichen  des  h.  Ambrosius 
hervorgehoben : 

Octochorum  sanctos  templum  surrexit  in  usus,  ^ 

Octogonus  fons  est  munere  dignus  eo. 
Hoc  numero  decuit  sacri  baptismatis  aulam 

Surgere,  quo  populis  vera  salus  rediit 
Luce  resurgentis  Christi,  qui  claustra  resolvit 
Mortis  et  e  tumulis  susdtat  exanimes. 

Cf.  Theeaur.  inscript.  ap.  Gruterum  p.  1166  n.  S;  vergl.  Jakob,  die  Kunst  im 
Dienste- der  Kirche  S.  17.  —  Diese  Verse  erinnern  an  Rom.  6,  3.  4. 
Ott«,  Kuust-Arrhaologie.  2 


18  Orabkapellen. 

tenden  ROmerstadt  Camuntum') :  ein  Bauwerk  aus  dem  XIII.  Jahrhun- 
dert. —  Ausserdem  sind  Baptisterien  als  besondere  Bauwerke  nachge- 
wiesen bei  der  Abteikirche  zu  Fulda*)  und  in  späten  Umbauten  noch 
vorhanden  bei  den  Munstern  zu  Aachen  und  Essen,  an  ersterem  Orte 
Ostlich ,  an  beiden  letzteren  Orten  westlich  von  der  Kirche  belegen  und 
durch  einen  Säulenvorhof  (Paradies  genannt;  s.  unten  §.  23)  mit  der- 
selben verbunden.  —  Als  ebenfalls  noch  erhalten  sind  anzufahren  das 
Baptisterium  in  Brixen  (südlich  am  Kreuzgange  des  Domes ,  zwar  von 
rechteckiger  Grundform,  aber  mit  einer  achteckigen  Kuppel  über  dem 
Presbyterium ,  vielleicht  noch  aus  dem  X.  Jahrh.)'),  die  Tauf  kapeile 
bei  St.  Gereon  in  Cöln  (südlich  von  dem  polygonischen  Schi£fe  der  Kirche 
und  wesentlich  von  achteckiger  Grundform ,  aus  dem  Anfange  des  XIII. 
Jahrh.)  ^)  und  die  Reste  eines  achteckigen  Baptisteriums  von  1290,  Ostlich 
von  der  ehemaligen  Stifts-,  jetzigen  Pfarrkirche  St.  Georg  in  Augsburg.^) 
Dem  Typus  der  Baptisterien  verwandt  erscheinen  die  häufig  dem 
Erzengel  Michael  gewidmeten  runden  oder  vieleckigen  Grabkapellen 
auf  Kirchhöfen,  als  Nachbildungen  der  Rotunde  über  dem  heiligen  Grabe 
zu  Jerusalem.*)  Das  älteste,  unter  den  An-  und  Umbauten  des  XI. 
Jahrh.  noch  erhaltene  Beispiel  ist  die  Michaeliskirche  in  Fulda:  ein  run- 
der Central  bau,  der  im  J.  820  nach  dem  Plane  des  in  Jerusalem  gewese- 
nen Rhabanus  Maurus  zum  Schutze  des  Begräbnissplatzes  der  MOnche^) 
errichtet  wurde,  und  in  dessen  Mitte  eine  zu  Anfang  des  vorigen  Jahrh. 
zerstörte  Nachbildung  des  heil.  Grabes  stand.  —  Die  von  dem  heil. 
Konrad  (935 — 971)  zur  Erinnerung  an  seine  Pilgerreise  nach  Jerusalem 
am  Dom  zu  Constanz  errichtete,  dem  heil.  Moritz  gewidmete  heil.  Grab- 
kapelle existirt  zwar  noch,  aber  nur  in  einem  frühgothischen  Neubau  als 
Rotunde,  mit  dem  vieleckigen  heil.  Grabe  in  deren  Mitte. ^)  —  Die  durch 
Bischof  Mein  werk  von  Paderborn  daselbst  1033  gegründete  heil.  Grab- 
kirche ist  als  solche  nicht  mehr  nachweisbar ;  eben  so  wenig  auch  die  von 
Herzog  Leopold  dem  Glorwürdigen  (f  1230)  nach  seiner  Rückkehr  aus 


t)  Quast,  Ferd.  v.,  Baptisterien  in  Deutschland ,  in  der  Zeitschr.  far  christl. 
Archflol.  u.  Kunst  1,  31  u.  18].  —  In  ihrer  gegenwartigen  Einrichtung  mit  einem 
unteren  Räume  »<id  ossa  reponendau  gehört  diese  Kapelle  su  der  Klasse  der  Car- 
narien ;  s.  weiter  unten. 

2j  Das  dem  Täufer  Johannes  gewidmete,  um  970  erbaute  »Sacellum  regale«. 
Vergl.  Der  Dom  zu  Fulda.  2.  Aufl.  Fulda  1855.  S.  1 1. 

3)  Mittheil.  der  k.  k.  Central-Commission.  1861.  6,  130.  Vergl.  den  vorstehen- 
den Holzschnitt. 

4}  Organ  für  christl.  Kunst.    IS60,  No.  1$.  19. 

5)  Beilage  sur  Augsb.  Postzeitung.  1856,  Xo.  276  u.  2S3. 

6)  Nach  der  Beschreibung  des  Eusebius  (de  vita  Constantini  3,  30 — 39)  liess 
ConstantinuB  über  der  Grabhöhle  Christi  einen  von  zwölf  Säulen  getragenen  Kuppel- 
bau [riuiatf'ttiQiov]  errichten  als  Haupt  einer  mit  demselben  verbundenen  Basilika. 
Eine  angeblich  aus  dem  YII.  Jahrh.  stammende  Grundrisszeichnung  [bei  L  e  n  o  i  r , 
Architecture  monastique  1,  253)  zeigt  einen  runden,  dreifach  concentrischen  Central- 
bau ,  und  die  zahlreichen  späteren  Abbildungen  aus  der  Zeit  vor  dem  Brande  der 
heil.  Grabkirche  im  J.  1807  lassen  eine  Umwandlung  in  den  Formen  älterer  französi- 
scher Gothik  erkennen. 

7]  »Ctiftia  (sc.  Bomini]  hic  aepulckrum  noatra  sepulchrajuvat«  heisst  es  in  der 
Dedicationsinschrift.  Vergl.  Lange,  die  St.  Michaeliskirche  in  Fulda.   1S55.  S.  4. 
8)  Vergl.  V.  Hefner-Alteneck,  Trachten  des  christl.  M.  A.  I.  S.  G. 


Kamer.  i  9 

dem  heiligen  Lande  zu  Klostemeuburg  nach  dem  Muster  des  heil.  Grabes 
errichtete  ncapella  sp'ectosa«.  Den  centralen  Typns  der  Orabkirchen 
zeigen  die  zwOlfeckige  Kapelle  zu  Drüggelte  bei  Soest  aus  dem  XII. 
Jahrb.,  die  etwa  gleichzeitige  Kapelle  St.  Martin  zu  Bonn  (1812  abge- 
tragen), und  die  (anscheinend  erst  dem  XVI.  Jahrb.  angehörende)  heil. 
Grabkapelle  zu  Weilburg  a.  d.  Lahn.  —  Die  unzweifelhaft  mit  dem  heil. 
Grabe  in  Jerusalem  zusammenhängende  Vorliebe  der  Tempelherren  für 
Rundbauten,  die  sich  in  Frankreich  und  England  kund  giebt,  lässt  sich, 
die  achte  kige  Templerkirche  in  Metz  etwa  ausgenommen ,  auf  deutschem 
Boden  nicht  nachweisen.  ^)  Es  darf  aber  als  erwiesen  gelten,  dass  über- 
haupt alle  mit  dem  Grab-  und  Reliquiencidtus  zusammenhängende  Ka- 
pellen das  ganze  Mittelalter  hindurch  typisch  die  thurmartige  Rund-  oder 
Polygonform  befolgen.  Dahin  gehört  die  in  den  österreichischen  Kron- 
ländem  zahlreich  vertretene  Klasse  kleiner  Rundkapellen  ^)  auf  den 
Kirchhöfen,  in  geringer  Entfernung,  meist  südlich  neben  den  Kirchen. 
Diese  Karner  (camarta)  bestehen  aus  einer  18 — 30  F.  im  Durchmesser 
haltenden  Rotunde  mit  dem  Ausbau  einer  halbrunden  Altarnische  auf  der 
Ostseite ,  haben  einen  kellerartigen ,  gewölbten ,  gewöhnlich  von  einer 
Mittelsäule  gestützten  Unterraum  zur  Aufsammlung  der  Todtengebeine, 
sind  kuppelartig  überwölbt  und  kegelförmig  abgedeckt.  Zuweilen,  wie  zu 
St.  Veit,  Marein,  Pols  in  Steiermark  und  Lorch  in  Oberösterreich ,  liegt 
der  untere  Raum  (vielleicht  aus  Rücksicht  auf  den  Baugrund)  völlig  über 
der  Erde ,  und  die  obere  Kapelle  ist  durch  eine  äusserlich  angebrachte 
Treppe  zugänglich ,  so  dass  die  Erscheinung  dieser  kleinen  Bauwerke  an 
den  Typus  des  Grabmals  erinnert,  welches  sich  der  Ostgothen- König 
Theodorich,  in  offenbarer  Nachahmung  der  heidnisch-römischen  Mauso- 
leen, unweit  Ravenna  errichten  liess.')  In  Böhmen*),  wo  diese  Rund- 
bauten sehr  häufig  sind  (in  Prag  allein  sind  drei  nachgewiesen) ,  befinden 
sich  dieselben  indessen  nicht  immer  neben  grösseren  Kirchen ,  sondern 
stellen  für  sich  allein  und  haben  auch  keinen  Todtenkeller,  gehören  daher 
nicht  zu  den  Kamem  und  scheinen  besonders  auf  dem  Lande  vielmehr 
als  interimistisch  errichtete  Pfarrkirchen  angesehen  werden  zu  müssen.  ^) 
Von  dem  1160  gegründeten  ansehnlichen  Rundbau  zu  Scheiblingkirchen 


1 )  Der  templerische  Ursprung  der  polygonen  Kapellen  auf  der  Oberen  Burg  zu 
Kobem  a.  d.  Mosel  und  zu  Vianden  im  Luxemburgischen  ist  nicht  sicher.  Vergl. 
Ledebur,  Leop.  v.,  Allgem.  Archiv.  16,  107  u.  108. 

2)  Vergl.  Heider,  Gust.,  über  die  Bestimmung  der  roman.  Rundbauten,  in 
den  Mittheil,  der  k.  k.  Central- Commission.  1856.  1,  53.  —  Sacken,  Ed.  v.,  die 
Rundkapelle  zu  Mödling,  ebd.  1S5S.  3,  263.  —  Derselbe,  Rundkapellen  in  Steier- 
mark, ebd.  1S59.  4,  47;  vergl.  IS60.  5,  337. 

3)  Dieses  Mausoleum  Jetzt  S.  Maria  Rotonda  genannt)  ist  ein  zweigeschossiger 
Kuppelbau  von  zehneckiger  Grundform :  der  untere,  innerlich  als  gleichschenkeliges 
Kreuz  gestaltete  Raum  war  ohne  Zweifel  zur  Aufnahme  des  Sarkophags  bestimmt ; 
zu  dem  oberen  Stockwerke  führen  zwei  gebrochene  Freitreppen.  Vergl.  Quast, 
Ferd.  v.,  die  altchristl.  Bauwerke  von  Ravenna,  S.  24. 

4)  Vergi:  Springer,  A.  H.,  Baukunst  des  M.  A.  S.  96.  —  Mittheil,  der  k.  k. 
Central-Commission.  1856.  1,  197. 

5]  Man  w^ird  dabei  an  die  bei  Ennodius  (^-516)  carm.  2,  20  vorkommenden 
•ht^tUleria  ageUatt  erinnert:  Dorfkirchen,  die  der  Grundherr  erbaut  hatte.  Vergl. 
Mone,  in  der  Zeitschr.  fUr  die  Gesch.  des  Oberrheins.  VIII.  4,  425. 

2* 


20 


Boppelkapellen. 


I-ig.  2.  Bandkapellr 

zu  Groituch 

(nach  Puttrioh). 


bei  Wiener-Neustadt  ist  die  ursprOngliche   Bestimmung  als  Pfarrkirche 

urkundlich  erwiesen.  —  Den  böhmischen,  ganz  einfach  und  schmucklos 

ausgeführten  Rundkapellen  wird  zwar  gern  ein  sehr 

,^^i^^  hohes   Alter   zugeschrieben,    doch   ohne   eigentlichen 

mT       ^^k  Beweis  *) ;    die   stylisirten  und  zum   Theil  schmuck- 

lj[  ^^0  vollen  Rundbauten  in   den  übrigen  Osterreichischen 

^^1^0^  Ländern  reichen  indess  nicht  über  die  Mitte  des  XII. 

Jahrh.  hinauf  und  die  dem  XIII — XV.  Jahrh.  ange- 

hörigen  haben  die  Polygonform. 

Eine  besondere  Gattung  der  Oratorien  bilden  die 
Burgkapellen ^),  insofern  dieselben,  der  seit  dem 
XII.  Jahrh.  ausgebildeten  Bauart  der  Burgen  gemäss ,   mit  den  stets  im 
zweiten  Stocke  belegenen  herrschaftlichen  Wohnräumen  in  Verbindung 
stehend,  gewöhnlich  nicht  zu  ebener  Erde,  sondern  ebenfalls  im  Oberge- 
schoss  angelegt  wurden.     In  den  zur  Hohenstauffischen  Zeit    erbauten 
Burgen  zu  Gelnhausen,   Münzenberg    (in   der  Wetterau)    und   auf  dem 
Trifels  (in  der  Rheinpfalz)  liegen  die  Kapellen  in  einem  Thurme  unmittel- 
bar über  der  Thorhalle.    Anderweitig  scheint  dann  die  Absicht  der  Stifter, 
die  Burgkapellen  zugleich  als  ihre  Grabstätte  benutzen  zu  können,  zur 
Anlage  von  Doppelkapellen ^)  geführt  zu  haben,  die  aus  zwei  über- 
wölbten Stockwerken  bestehen.    Das  Obergeschoss  ist  stets 
der  höhere  und  reicher  verzierte ,   oft  mit  Säulen  aus  edlem 
Gestein  ausgestattete  Hauptraum ,   während  das  zur  Grab- 
stätte und  zum  Todtendienste  bestimmte  Erdgeschoss  niedri- 
ger und  einfacher  gehalten  ist;    eine    vergitterte   oder   mit 
einer  Brüstungsmauer  versehene ,  im  Fussboden  der  Ober- 
kapelle befindliche  Oeffnung  gestattet  den  Einblick  auf  die 
Gruft  (vergl.  unten  J§.  19  Anmerk.  2).    Das  älteste  Beispiel 
dieser  nur  in  Deutschland  vorkommenden  Gattung  scheint 
das  dem  heil.  Gothard  gewidmete  Oratorium  zu  sein,  wel- 
ches  Erzbischof  Adalbert  I.    1135   neben   dem   Dome   zu 
Mainz  in  Verbindung  mit  dem  erzbischöfiichen  Palaste  als 
seine  Hofkapelle   [capella  curtts)  errichtete ,  die  im  Erdge- 
schosse das  Grab  des  Stifters  enthält.    Das  ehemalige  Vor- 
handensein einer  Oeffnung  im  Fussboden  der  Oberkapelle 
wird  einerseits  versichert,   andrerseits  bestritten.^)      Auch 
von  der  zweistöckigen  Kapelle  auf  der  Burg  zu  Nürnberg 
wird  die  Oeffnung  nur  vermuthet.    Auf  der  Grünburg  in  Kärnthen  waren 

1}  Die  völlig  den  einfachen  böhmischen  Typus  zeigenden  Kundkapellcn  zu 
Groitzsch  bei  Pegau  und  auf  dem  Petersberge  bei  Halle ,  die  einzigen  dieser  Bauten 
in  Sachsen  und  weiter  westlich,  gehören  ins  XI.  Jahrh.  und  sind  wahrscheinlich  auf 
Verbindungen  mit  Böhmen  zurückzuführen.  Vergl.  Otte,  Gesch.  der  deutschen 
Baukunst.  S.  IS9.  —  Auch  die  Ivapellen  zu  Altenfurt  bei  Nürnberg  und  zu  Vils- 
hofen  in  Unterbayem  a.  d.  Donau  haben  gleichen  Typus. 

2)  Quast,  Fcrd.  v.,  über  Schlosskapellen  als  Ausdruck  des  Einflusses  der 
weltl.  Macht  auf  die  geistliche.   1S52. 

.*i)  Ueber  Doppelkapellen:  Stieglitz,  C.  L.,  Beiträge  zur  Gesch.  der  Ausbild, 
der  Baukunst.  2»  77  ff. 

4)  Versichert  von  v.  Quast  (über  Schlosskapellen  S.  17 ;  die  roman.  Dome  des 
Mittelrheins  S.  16),  bestritten  von  Reiche nsperger,  Venu.  Sehr.  S.  lOJ. 


Fig.  3.  Doppel - 

Kapelle  zu 
Frei  bürg  a.  d.  U. 
(nach  Puttrifh). 


Doppelkapellen.  2 1 

beide  Stockwerke  der  Kapelle  durch  eine  Balkendecke  getrennt ,  die  nicht 
mehr  vorhanden  ist;  ebenso  verhält  es  sich  zu  Reichenberg  bei  St.  Goars- 
hausen  am  Rhein ,  wo  sogar  drei  Kapellen  über  einander  liegen ;  die 
untere  im  zweiten  Qeschoss  des  Gebäudes  befindliche  ist  überwölbt,  ohne 
Oefihung  in  der  Decke,  und  zwischen  den  beiden  oberen  fehlt  die  ehe- 
malige Balkendecke.  Von  der  Doppelkapelle  in  Wiener  -  Neustadt  sind 
nur  noch  Reste  übrig  und  in  der  zu  Warburg  in  Westfalen ,  deren  Ober- 
stock durch  eine  doppelte  Freitreppe  zugänglich  ist,  soll  eine  Oeffnung 
niemals  vorhanden  gewesen  sein.  Dagegen  ist  letztere  nachgewiesen  in 
den  Doppelkapellen  zu  Eger,  Freiburg  a.  d.  Unstrut,  Landsberg  bei 
Halle  a.  d.  S,,  Lohra  bei  Nordhausen  und  Steinfurt  im  Münsterlande. 
Die  KapeUe  im  Saalhofe  zu  Frankfurt  a.  M.  zeigt  sogar  zwei  Oeffnungen, 
eine  grössere  und  eine  kleinere.  Während  die  genannten  Doppelkapellen 
rechteckige  Grundform  haben,  zeigt  die  Kirche  zu  Schwarz  -  Rheindorf 
(Bonn  gegenüber)  in  ihrem  ursprünglichen  ,  1 1 5 1  als  Grabkapelle  ihres 
Stifters  von  Erzbischof  Arnold  von  Cöln  erbauten,  ein  gleichschenkeliges 
Kreuz  bildenden,  mit  einer  Kuppel  gedeckten  Kerne  und  die  Schloss- 
kapelle zu  Vianden  in  ihrem  polygonischen  Grundrisse  die  sonst  für 
Grab-  imd  Reliquienkapellen  typische  Form ,  mit  der  Fussbodenöffnung 
im  Centrum  ;  ebenso  die  Ulrichskapelle  der  Kaiserpfalz  in  Goslar ,  deren 
Unterraum  innerlich  ein  gleichschenkeliges  Kreuz  bildet,  der  Oberraum 
ein  Achteck.  In  der  rechteckigen  Schlosskapelle  auf  der  Trausnitz  bei 
Landshut  besteht  das  Oberstockwerk  nur  aus  einer  sich  an  drei  Seiten 
herumziehenden,  die  vierte  Seite  freilassenden  Empore,  welche  letztere 
offenbar  für  die  Herrschaft  bestimmt  war ,  während  der  untere  Raum  der 
übrigen  Burggemeinde  diente.  ^)  Gleiche  Bestimmung  hatten  die  in  öster- 
reichischen Burgkapellen  häufig  vorkommenden  Emporen ,  die  zu  dem- 
selben Zwecke  auch  durch  ein  in  die  anliegenden  Gemächer  des  oberen 
Stockwerkes  führendes  Fenster  mit  einem  offenen  Erker  ersetzt  werden. 
—  Ausser  den  vorstehend  genannten  werden  die  Kapellen  zu  Abbach  in 
Bayern,  Rineck  in  Unterfranken,  Homburg  bei  Gössenheim  a.  d.Werra*), 
zu  Greifenstein  bei  Weilburg,  zu  Larochette  im  Luxemburgischen')  und 
im  erzbischöfl.  Palaste  zu  Rheims*)  ohne  nähere  Beschreibung  als  Dop- 
pelkapellen angeführt ;  auch  im  CoUegium  Josephinum  zu  Hildesheim  soll 
sich  eine  Doppelkapelle  befinden.  —  Die  aus  dem  XV.  Jahrh.   datirende 


1 )  Biese  Bestimmung  beider  Räume,  des  oberen  für  die  Herrschaft,  des  unteren 
für  das  Gesinde,  nahm  man  nach  der  von  Stieglitz  zuerst  ausgesprochenen  An- 
sicht bisher  zwar  bei  sftmmtlichen  DoppelkapeUen  an,  ohne  jedoch  den  Beweis 
geführt  zu  haben,  worauf  W.  Weingärtner  (System  des  christl.  Thurmbaues, 
S.  1—24)  nachdrücklich  hingewiesen  und  seiner  Seits  den  Unterraum  als  Gruft- 
kapelle erklärt  hat,  was  auch  in  den  meisten  Fällen  richtig  sein  wird,  üebrigens  ist 
diese  Ansicht  nicht  neu,  indem  schon  J.  Seh  ei g er  (über  Burgen  u.  Schlösser  im 
Lande  Gestenreich  u.  d.  £.  Wien  1^37.  S.  -14)  ausgesprochen  hat »  dass  die  untere 
Kapelle  zum  Todtenkirchendienst  gehörte.  Eine  hierauf  bezügliche  Notiz  aus  einem 
altfranzös.  Dichter  'Lancelvet  ed.  Jonkbloet.  Haag  1846.  II.  p.  XCVI.)  hat  Alw, 
Schultz  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission.   JSOO.  5,  331  gegeben. 

2]  Correspondenzbl.  des  Gesammtvereines  etc.  VIII.  (IS6(J.)  S.  133. 

3)  Neyen,  A.,  Histoire  de  la  ville  de  Vianden.  Luxemb.  1851.  p.  40. 

4j  Schultz,  Alw.,  a.  a.  O. 


22  Rundbauten. 

Kapelle  zu  Donnersmark  in  der  Zips  (Ungarn)  hat  zwei  Stockwerke  und 
ausserdem  noch  eine  unterirdische ,  nur  von  oben  beleuchtete  Gruft.  *) 
—  Die  Kirche  zu  Konradsburg  bei  Ermsleben  im  Harz  scheint  nicht 
^n  die  Klasse  der  Doppelkapellen  zu  gehören;  vergl.  Kugler^  Kl. 
Schriften  1,  619. 

Anmerkung.  Uebersicht  der  kirchlichen  Rund-  und  Polygonbauten 
des  M.  A.  in  Deutschland.  —  I.   Im  Rheinlande:  Aachen,   das  Mün- 
ster,   I6eckiger  Centralbau    796 — 804,    und  die  aus   dem  XL    und   XII. 
Jahrh.  stammenden  Nachbildungen  desselben  zu  Ottmarsheim  im  Elsass 
und  auf  dem  Valkhofe   zu  Nymwegen.     Früher  sollen  sich   dergleichen 
auch  zu  Diedenhofen  (schon  im  X.  Jahrh.  zerstört),  Groningen  (St. 
Walburg,  abgetragen  1627)  und  zu  Lüttich  (St.  Joh.  Ev.,  im   vorigen 
Jahrh.    dvurch   einen  ähnlichen  Bau  ersetzt)   befunden  haben.     Auch  der 
nThurmv.  zu  Mettlacha.  d.  Saar  scheint   ursprünglich  nach   dem  Cen- 
traltypus  erbaut  gewesen  zu  sein.  —  Avioth  im  westl.  Lothringen,  6eckige 
gothische   Kirchhofskapelle.  —  Bonn,  St.  Martin,   runder  Centralbau  aus 
dem  XII.  Jahrh.,   abgetragen  1812.  —  Cöln,   das 
lOeckige  Schiff  von  St.  Gereon  aus  dem  XIII.  Jahrh., 
aber  auf  uralter  Grundlage,  mit  der  daneben  belegenen 
Seckig.  Taufkapelle.   —  Kobern  a.  d.  Mosel,  die 
Matthiaskapelle  auf  der  Oberen  Burg ,  6eckiger  Cen- 
tralbau  aus  dem   XIII.  Jahrh.  —  Lonnig,    3  St. 
Fiy.  4.  Rundkapeiic         von  Cohlenz ,    Restc  eines  runden  Centralbaues.  — 
^*nwh'Boie«fr^e)!"  Metz,  Kapelle  in  der  Citadelle,  Seckig,  XIII.  Jahrh. 

—  Neuweiler  im  Elsass,  kleine  pyramidale  Kapelle 
mit  4  Kreuznischen.  —  Trier,  die  Liebfrauenkirche,  complicirter  vieleckiger 
Centralbau  aus  dem  XIII.  Jahrh.  —  Yianden  im  Luxemburg.,  Schloss- 
kapelle, lOeckig,  XIII.  Jahrh.  —  Weilburg  a.  d.  Lahn,  heil.  Grab- 
kapelle, Seckiger  Centralbau,  XVI.  Jahrh.  —  Worms,  Baptisterium, 
Seckig,  abgetragen  1812. 

II.  In  Westfalen:  Drüggelte  bei  Soest,  12eckig.  Centralbau  aus 
dem  XII.  Jahrh.  —  Hardehausenbei  Paderborn,  .zweistöckige  Seckige 
Todtenkapelle  aus  dem  XIIL  Jahrh.  —  Krukenburg  bei  Karlshafen  a. 
d.  Weser,  Reste  einer  Burgkapelle  von  der  Grundform  einer  Rotunde,  an 
die  sich  kreuzartig  vier  kurze  Schenkel  legen,  XIII.  Jahrhundert. 

III.  In  Sachsen,  Thüringen  und  Hessen:  Fulda,  Michaelis- 
kirche, runder  Centralbau  um  820,  im  XI.  Jahrh.  verändert.  —  Goslar, 
die  UlrichskapeUe  auf  der  Pfalz ,  zweistöckig ;  unten  ein  gleichschenkeliges 
Kreuz,  oben  ein  Achteck  bildend,  XIII.  Jahrh.  —  Groitzsch  bei  Pegau, 
Schlosskapelle,  Rundbau  nach  böhm.  Typus,  XI.  Jahrh.  —  Heiligen- 
stadt, Annakapelle,  Seckig,  gothisch .  —  Magdeburg  hatte  eine  vecclesta 
roitmdad,  welche  zu  Anfang  des  XI.  Jahrh.  abbrannte,  damals  wieder  ge- 
baut und  1307  abgebrochen  wurde.  —  Marburg,  Schlosskapelle,  compli- 
cirt  polygonisch,  XIII.  Jahrh.  —  Meissen,  Johanneskapelle  am  Dom 
1290,  ein  zweistöckiges  Achteck.  —  Mühlhausen,  polygonische  Kapelle 
neben  der  Geörgenkirche ,  gothisch.  —  Petersberg  bei  Halle  a.  d.  S., 

1)  Mitthcil.  der  k.  k.  Central-Commission.   1857.  2,  246. 


Rundbauten.  23 

Reste  der  alten,  im  XIII.  Jahrb.  ver&nderten  Kapelle,  nach  böhm.  Typus. 

—  Pforta,  Abtskapelle,  Seckig,  XIII.  Jahrhundert. 

IV.  In  Franken:  Alten  fürt  bei  Nürnberg,  Rundkapelle  nach 
böhm.  Typus,  XII.  Jahrh.  —  Grüns  feldhausen  bei  Grünsfeld,  2  durch 
einen  dazwischen  liegenden  Thiirmbau  verbundene  Seckige  roman.  Kapellen. 

—  Nürnberg,  Hohschuherische  Begräbnisskapelle  auf  dem  Johannes- 
kirchhofe, Rundbau,  XIV.  Jahrh.  —  Ober- Wittig  hausen,  Seckiger 
Centralbau,  XIII.  Jahrh. —  Standorf  bei  Kreglingen,  Seckige  KapeUe  mit 
Chor  und  Apsis  und  Thurm  neben  dem  Chor,  XIII.  Jahrh.  —  Würzburg, 
Kapelle  auf  dem  Marienberge,  Rundbau,  zweistöckig  abgesetzt ;  der  untere, 
10  F.  dicke  Theil  der  Umfangsmauer  möglicherweise  aus  dem  VIII.  Jahrh., 
der  obere  nur  2  F.  dicke  Theil  aus  dem  XII.  Jahrhundert. 

V.  In  Bayern  und  Schwaben:  Constanz,  Moritzkapelle  beim 
Dom,  Rundbau,  XIII.  Jahrh.  —  Komburg,  6eckige  Kapelle  auf  der 
Nordseite  der  Stiftskirche.  —  Moosburg,  Michelskirche,  XIII.  Jahrh.  — 
Mühldorf,  am  linken  Ufer  des  Inn,  Todtenkapelle ,   Seckig,  XII.  Jahrh. 

—  Obertaufkirchen  in  Oberbayem,  roman.  Rundbau  als  Chor  der 
jetzigen  Kirche.  —  Perschenbei  Nabburg  in  der  Oberpfalz,  Rimdkapelle, 
XII.  Jahrh.  —  Regensburg,  Allerheiligenkapelle  beim  Dom,  kleeblaU- 
förmig,  XJI.  Jahrh.  —  RothenbUch  in  Bayern,  Rotunde  (verzopft).  — 
Stadtamhof,  Spitalkirche,  Geckig,  XIII.  Jahrh.  —  Steingaden  im  Am- 
mergau, Rundkapelle,  XIII.  Jahrh.  —  Vilshofen  a.  d.  Donau,  Rimd- 
kapelle nach  böhm.  Typus.  —  Wasserburg,  Michaeliskapelle ,  XVI. 
Jahrh.  —  Wolpertsschwendi  im  Oberamt  Ravensburg,  Gangolfska- 
pelle, 6eckig. 

VI.  In  der  Schweiz,  Tirol  und  Salzburg:  In  Altdorf  und  an 
anderen  Orten  des  Kantons  Uri  neben  den  Haupikirchen  belegene,  als  Bein- 
häuser bezeichnete  Rimdkapellen.  —  Laufen  im  Salzkammergute,  Maria- 
hilfskapelle  neben  der  Stiftskirche,  2  stöckig,  unten  4-,  oben  9 eckig.  — 
Meran,  Barbarakapelle,  Seckig  mit  Krypta,  XV.  Jahrhundert. 

Vn.  In  den  österreichischen  Ländern  ist  eine  grosse  Menge 
kleiner  und  grösserer ,  runder  und  polygoner  Kamer  mit  und  ohne  Gruft- 
raum vorhanden,  deren  Zahl  auf  mehr  als  100  angegeben  wird:  in  Unter- 
Österreich  sind  30 ,  in  Steiermark  etwa  1 5  nachgewiesen  und  in  Kärnten 
finden  sie  sich  fast  neben  aUen  Landkirchen.  Wir  nennen  in  Unteröster- 
reich:  romanische  zu:  Altenburg,  Burgschleinitz,  Frieders- 
bach, Gars,  Göffritz,  Hainburg,  Hardegg,  Kuenring, 
Loosdorf,  Markersdorf,  Mistelbach,  Mödling,  Petronell, 
Pottenstein,  Pulkau,  Scheiblingkirchen;  im  Uebergangsstile 
(polygone) :  Globnitz,  Margarethen  am  Moos  (viereckig) ,  Wiener- 
Neustadt,  Tu  1  n  (1  leckig),  Zellerndorf;  spätgothische  :  Anzbach, 
Aspang,  Berchtoldsdorf,  Kirchschlag,  St.  Michael,  Pöch- 
larn,  Randegg,  Winzendorf,  Wirflach.  —  In  Oberösterreich 
findet  sich  ein  Rundbau  erwähnt  zu  Lorch  bei  £nns,  und  in  Kärnten  zu 
Altenmarkt,  zu  Maria  Saal  (gothisch)  und  zu  Völkermarkt.  --  In 
Steiermark:  Aflenz  (Seckig),  Geissthal  bei  Rein,  St.  Georgen 
bei  Murau,  Hartberg,  Jahring  bei  Marburg,  Köflach,  St.  Lam- 
brecht,   Lied  nächst  Knittelfeld ,   St.  Marein,  Neumarkt  (gothisch), 


24  Baumaterial. 

St.  Oswald  bei  Zeyring  (demolirt) ,  Pols,  St.  Ruprecht  bei  Brück, 
Seiz  (goth.  Priorengruftkirche  in  der  Karthause]  ,  ^t.  Veit  nächst  Neu- 
markt, Weissenkirchen  bei  Judenburg  (demolirt).  —  In  Böhmen: 
romanische  Rundkapellen  zu  H  o  1  u  b  i  t  z  bei  Tursko  (Kr .  Prag) ,  P 1  z  e  n  e  c 
(Kr.  Pilsen),  zu  Prag  bei  der  Stephanskirche,  am^Wyschehrad  und  in  der 
Postgasse ,  R a u d n i t z  auf  dem  Georgsberge  (Kr.  Rakonitz) ,  Schelko- 
witz  bei  Trebnitz  (Kr.  Leitmeritz).  —  Die  Karlshofer  Kirche  in  Prag , 
ein  imposantes  gothisches  Achteck  aus  dem  XIV.  Jahrh.  —  In  Mähren 
eine  Rundkapelle  auf  der  Markgrafenburg  zu  Znaim. 

VIU.  Im  Gebiete  des  nordostdeutschen  Ziegelbaues  kommen 
nur  gothische,  meist  achteckige  Rundbauten  vor:  In  der  Mark:  die  heil. 
Geistkapelle  zu  Treuenbrietzen  (rund,  ohne  Dach)  ;  in  Meklenburg, 
die  heil.  Blutkapelle  zu  Doberan,  die  Kirche  zu  Ludorf;  in  Pom- 
mern:  die  Kirchhofskapelle  in  K  ö  s  1  i  n ,  die  Gertrudenkapelle  bei  Rü g e n - 
walde  (12eckiger  Centralbau),  die  Kapelle  des  Georgenhospitals  in  Stolp, 
die  Apollonienkapelle  neben  der  Marienkirche  zu  Stralsund,  die  Ger- 
trudenkirche bei  Wolgast  (12eckig).  —  In  Schlesien  zeigt  die  Kapelle 
auf  der  Schneekoppe  den  Typus  der  kleinen  böhm.  Rundbauten.  In  der 
Ratiborer  Vorstadt  von  Troppauein  grosser  Octogonalbau ;  die  Nepomuk- 
kapelle  bei  Lubom  (Kr.  Ratibor),  Seckiger  Holzbau;  die  heil.  Geistkirche 
zuBeuthen,  Seckig;  die  Seckige  gothische  MatemikapeUe  bei  St.  Elisa- 
beth in  Breslau  ist  1848  abgetragen. 

16.  Die  meisten  der  ältesten  Kirchen  in  Deutschland  (im  VII. 
bis  IX.  Jahrhundert)  waren  aus  Holz ;  im  X.  Jahrhundert  wurde  der 
Steinbau  zwar  schon  allgemeiner,  doch  galt  zu  Anfang  des  XI.  Jahr- 
hunderts in  manchen  Gegenden  ein  steinerner  Thxurm  noch  für  eine 
Seltenheit.  Man  wählte  zum  Bau  diejenige  Steinart*),  welche  unter 
den  obwaltenden  Local Verhältnissen  als  die  zweckmässigste  erschien, 
oder  gerade  am  leichtesten  zu  beschaffen  war ;  es  lässt  sich  daher  aus 
der  zu  einer  Kirche  verwendeten  Steinart  nur  selten  ein  Schluss  auf 
die  Erbauungszeit  derselben  machen. 

Obgleich  bei  den  Römern  der  Steinbau  Regel  war  imd  nur  etwa  bei 
Wirthschaftsgebäuden  Fachwerk  zur  Anwendung  kam  ^) ,  so  kommt  doch 
schon  zu  römischer  Zeit  und  auf  römisch-d'eutschem  Gebiet ,  zu  Kün- 
zen  [Castra  Quintana)  am  Flüsschen  Businka  eine  hölzerne  Kirche  vor, 
welche  der  heil.  Severinus  (gest.  um  481)  gegen  die  Ueberschwemmungen 
der  Donau  schützte.')  Nach  dem  Aufhören  der  Römerherrschaft  waren 
es  rohe  Bedürfnissbauten,  welche  die  missionirenden  irischen  Mönche 
(»)  magistri  e  Scotia  «)  nach  heimischer  Sitte  (»  more  Scotorum  <r)  ganz  aus 
Holz  {fide  robore  secto»)  errichteten,  wie  dergleichen  Kirchen  im  VII. 
Jahrh.  namentlich  in  Bayern  mehrfach  erwähnt  werden.  Das  Kloster 
Fulda  wurde  gleich  Anfangs  (742)  wenigstens   zum  Theil  aus   Steinen 

1)  Ucber  Wahl  der  Steine  für  den  Kirchenbau  vgl.  Mone,  Anzeiger  etc.  -J,  1 13. 

2)  Otte,  Geschichte  der  deutschen  Baukunst.  S.  6  u.  28. 
'     3)  Ebd.  S.  51. 


Holzbau.  25 

erbaut,  da  man  nach  Ausrottung  des  Waldes  mit  der  Errichtung  von 
Kalkofen  den  Anfang  machte ' j  ;  sonst  war  es  bis  in  spätere  Jahrhunderte 
Sitte,  bei  der  Gründung  neuer  Klöster  sich  mit  interimistischen  Holzge- 
bäuden zu  behelfen ,  so  dass  die  gleichzeitigen  Chronisten  die  ausnahms- 
weise Errichtung  von  Steingebäuden  stets  besonders  hervorheben.  Zu 
Anfang  des  XI.  Jahrhunderts,  wo  bei  der  glanzvollen  Machtent Wickelung 
des  Reiches  und  dem  Reichthum  der  Prälaten  sich  neu  erwachte  Baulust 
regte ,  wurden  viele  ältere  Holzkirchen  durch  steinerne  ersetzt :  in  Oester- 
reich  z.  B.  durch  Bf.  Altmann  in  Passau  (f  1091)*);  dagegen  galt  ein 
von  Bf.  Bernhard  von  Verden  (f  um  1014)  neben  dem  dortigen  Dome 
erbauter  steinerner  Thurm  in  jener  Gegend  noch  für  eine  Seltenheit.') 
Ueberhaupt  hielt  sich  der  Holzbau,  der  sich  in  Skandinavien  selbst  künst- 
lerisch ausbildete  *)  ,  im  Norden  von  Deutschland  am  längsten ,  so  dass 
noch  im  J.  1163  unter  Heinrich  dem  Löwen  die  neu  erbaute  hölzerne 
Marienkirche  zu  Lübeck  geweiht  wurde.  ^)    Als  interessante  Beispiele  des 


Fig.  5.  Kirche  zu  Badoschau  (nach  Dorat). 


urthümlichen  Holzbaues  haben  sich  im  slavischen  Osten  von  der  Buko- 
wina, Ungarn  (an  der  Theiss),  Galizien^  Mähren,  Böhmen  und  Schlesien 


1)  Otte,  Gesch.  der  deutschen  Baukunst.  S.  57. 

2)  Ebd.  S.  237. 

3)  Thietmar,  Chron.,  reo.  Wagner  p.  219:...  qui  in  hoc  terra  pttuci 
habentur. 

4)  Vergl.  Dahl,  Denkmale  einer  sehr  ausgebildeten  Holzbaukunst  in  den  in- 
neren Landschaften  Norwegens.  1^37.  -  Eine  der  ältesten  der  dortigen  Holzkirchen, 
d  ie  Kirche  Wang  bei  Drontheim,  wurde  im  J.  IS42  (von  Friedrich  Wilhelm  IV.  an- 
ge kauft),  zum  Theil  im  ursprünglichen  Stil  erneuert,  zu  Brückenberg  in  Schlesien 
au%estellt.  lieber  den  nordischen  Holzbau  vergl.  auch  Minutoli,  Alex,  v.,  der 
Dom  zu  Drontheim  imd  die  mittelalterliche  christliche  Baukunst  der  scandinavischen 
Normannen.  1853,  und  die  Notizen  über  neuere  norwegische  Literatur  in  Kugle r, 
Gesch.  der  Baukunst.  2,  56S. 

5)  Chron.  Montis  sereni  ad  a.  1 163,  rec.  Eckstein  p.  31. —  Ja  sogar  noch  ums 
J.  1354  wurde,  allerdings  unter  besonderen  Umständen,  eine  Kathedrale  von  Lebus 
»ex  argüla  et  luto  aedißoaia,  omni munimento  et  muro  carens  etßrmitate«  (G  e r  k  e  n , 
Cod.  dipl.  Brand.  6,  551 .)  auf  einer  Anhöhe  bei  der  Stadt  erbaut. 


26  Holzbau. 

bis  nach  Preussen  und  Hinterpommem ')  hinauf,  viele  eigenthümliche, 
•  aus  starken  Eichen-  oder  Lferchenstämmen,  auch  aus  kiefemem  Kernholz 
(provinziell  Gehrsass  genannt)  im  Blockverbande  zusammengeschrotene 
Landkirchen  erhalten ,  mit  weit  vorspringenden  Dächern  und  mit  einem 
bedeckten  Laufgange  (lop  genannt)  umbaut;  die  Glockenthürme  stehen 
oft  seitwärts  isolirt  und  sind  zuweilen  mit  Schnitzomamenten  von  an- 
sprechenden Profilirungen  der  Bretterbekleidung  versehen,  wobei  in  den 
nördlicheren  Gegenden  in  einzelnen  Formen  zuweilen  der  spätromanische, 
zuweilen  der  gothische  Stil  ersichtlich  wird,  während  die  griechischen 
Kirchen  Galiziens  und  der  Bukowina  in  ihrer  ganzen  Anlage  byzantini- 
schen Typus  zeigen.*)  Mehrere  dieser  Holzkirchlein  sind  sicher  von  ver- 
hältnissmässig  hohem  Alter,  die  ältesten  (wie  die  zu  Lubom  und  Syrin) 
wahrscheinlich  aus  dem  Anfange  des  XIV.  Jahrb.,  die  meisten  aber, 
obwohl  sie  im  Allgemeinen  den  althergebrachten  Typus  und  die  alte  Tech- 
nik festhalten,  dürften  erst  aus  dem  XVIL  und  XVIII.  Jahrh.  datiren,  wie 
ja  in  Polen  und  Russland  auf  dem  Lande  noch  gegenwärtig  Holzkirchen 
gebaut  werden.  —  In  den  westlicheren  Gegenden  Deutschlands  hat  sich 
von  alten  Holzkirchen ,  nachdem  auch  die  hölzerne ,  mit  Malereien  ge- 
schmückte Jodocuskapelle  zu  Mühlhausen  in  Thüringen,  welche  aus  dem 
XIII.  oder  XIV.  Jahrh.  stammte,  im  J.  1846  abgerissen  worden,  wohl 
nichts  mehr  erhalten.  —  Ueber  die  Holzkapellen  in  Rohrmoos  und  auf 
dem  Tronsberg  zu  Geratsried  und  deren  Einrichtung  vergl.  Augsb.  Post- 
zeitung.   1861.  No.  63.  66.  67. 

In  der  südlichen  Hälfte  von  Deutschland,  etwa  bis  zur  Elbe,  sind 
die  Kirchenbauten  grösstentheils  aus  Bruchsteinen  verschiedener  Art  aus- 
geführt, z.  B.  am  Oberrhein:  aus  rothem  Sandstein  (Münster  zu  Basel, 
Strassburg  und  Freiburg,  die  Dome  zu  Mainz,  Speier,  Worms  etc.) ;  am 
Niederrhein'):    aus    Tuff,    Trass    (provinziell   Duckstein),     Basalt, 


1)  Holzkirchen  werden  erwähnt  im  östlichen  Theile  von  Böhmen:  Koci  bei 
Chrudim  (1397) ,  ein  grossartiger  isolirter  Glockenthurm  in  der  Stadt  Pardubitz ,  ein 
dergleichen  nach  romanischem  Muster  neben  der  Georgskirche  in  Praslawic  bei  Tur- 
nau;  im  nordöstl.  Mähren:  Hozendorf,  Nesselsdorf  und  Seitendorf  (1488)  bei  Neu- 
titschein, Tychau  bei  Frankstadt  (16.  Jahrh.),  Wielfkowice  a.  d.  Lubina;  in  Ober- 
schlesien: im  Kr.  Beuthen :  die  Margarethenkirche  bei  Beuthen ,  Dorfkirchen  in 
Bielschowitz  (z.  Th.  1796),  Biskupitz,  Bogutschütz,  Mlkulschütz,  Gr.  Paniow  (1757) 
und  Zabrze ;  im  Kr.  Leobschütz :  Bauerwitz  und  Rackau ;  im  Kr.  Hess :  Dziedko- 
witz,  Omontowitz  und  Warschowitz ;  im  Kr.  Ratibor:  Bosatt,  Brzezie,  Lubom  (1305 
u.  1516],  die  achteckige  Nepomukkapelle  bei  Lubom  (14.  Jahrh.)  und  Syrin  (1304) ; 
im  Kr.  Bybnik :  Belk,  Jedlownik,  Nieder-Mschana,  Radoschau  und  Ruptau ;  im  Kr. 
Troppau:  Standing  und  Trzanowitz  bei  Teschen.  (Auch  die  Kapelle  des  ehemaligen 
Kapuzinerklosters  in  Breslau  ist  ein  Holzbau,  von  1669).  InPreussen:  im  Kr. 
Neidenburg :  Bialutten,  Gr.  Lensk,  Malga,  Schamau  und  Skottau ;  im  Kr.  Osterode: 
Leip  und  Peters-walde.   In  Hin'ter-Pommern:  Barenbusch  bei  Neu-Stettin. 

2)  Abbildungen  solcher  Holzkirchen  in  Leonh.  Dorst  (v.  Schatzberg; 
Reiseskizzen.  I.  Bl.  3,  in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen  1852.  Bl.  44  (mit  Text  von 
Cuno  Sp.  212)  und  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central- Commission.  1856.  1,  247, 
und  1858.  3,  85  ff.:  Wolfskron,  Ad.  Leap.  v.,  über  einige  Holzkirchen  in  Möh- 
ren, Schlesien  und  Galizien;  vergl.  auch:  Luchs,  Stilbezeichnung  und  Batirung 
einiger  Kirchen  Schlesiens  (Breslau  1856],  besonders  abgedr.  aus  Heft  2  der  Zeitschr. 
des  Vereins  für  Gesch.  u.  Alterth.  Schlesiens. 

3)  Vergl.  Nösgerath,  die  Bausteine  der  Münsterk.  in  Bona,  inLersch, 
Jahrb.  1843.  S.  209. 


Steinbau.  —   Ziegelbau.  27 

Trachyt  (Dom  zu  COln),  Grauwacke ;  Granit  und  Kalksinter  (letztere  zu 
Säulen  etc.).  Den  Trass  von  Andernach  findet  man  an  den  mittelalterli- 
chen Gebäuden  längs  des  Rheins  bis  ganz  hinein  in  Holland  y  in  Utrecht 
in  Verbindung  mit  Backsteinen,  ziemlich  allgemein  auch  in  Schleswig 
und  Jütland,  doch  meist  nur  in  der  Nähe  der  grossen  Handelsplätze.^;' 
In  Schwaben  und  Bayern:  Sandstein,  Kalkstein,  zuweilen  Backsteine 
(Dome  zu  Augsburg  und  Ulm,  zum  Körper  des  Gebäudes ;  Frauenkirche 
zu  München);  in  Tyrol  und  Kärnten  zuweilen  Marmor  (Dome  zu 
Trient  und  Gurk) ;  in  Steiermark  Muschelkalkstein  (Pfarrkirche  und 
Kamer  zu  Hartberg)  ,  in. Sachsen:  Sandstein  (Dome  zu  Merseburg  und 
Magdeburg) ,  Muschelkalkstein  (Dome  zu  Naumburg  und  Halberstadt; , 
Porphyr  (bei  Halle),  Eisenstein  (a.  d.  schwarzen  Elster)  ;  in  West- 
falen: Mergelsandstein  (am  Nordi:ande  des  Haardtrückens) ,  Kalk- 
stein (Dom  zu  Münster) ,  hin  und  wieder  Backstein,  aber  dann  meist  nur 
zum  Körper  des  Gebäudes  (Klosterkirche  zu  Marienfeld).  —  In  den 
Rheinlanden  finden  sich,  an  die  römische  Technik  erinnernd,  an  den 
ältesten  Bruchsteingebäuden  bis  ins  XI.  Jahrhundert  (z.  B.  am  westlichen 
Vorbau  von  St.  Pantaleon  und  an  S.  Maria  auf ^ dem  Capitol  in  Cöln,  an 
der  Stiftskirche  zu  Pfalzel,  an  den  ältesten  Theilen  des  Doms  von  Trier 
und  des  Münsters  zu  Bonn  etc.)  zuweilen  einzelne  Schichten  von  Ziegeln 
(selbst  allerlei  Figuren  bildend)  ,  verwendet ,  wodurch  ebenso  eine  poly- 
chromatische Wirkung  erzielt  wurde,  wie  durch  die  Anwendung  ver- 
schiedenfarbiger Hausteine  (rother  und  weisser)  im  regelmässigen  Wechsel 
(an  der  Durchgangshalle  zu  Lorsch  aus  dem  IX.  und  an  den  Säulen  imd 
Bogenstirnen  aus  dem  XI.  Jahrh.  in  der  Michaeliskirche  zu  Hildesheim). 
Im  nördlichen  Deutschland  und  dessen  Nachbarländern,  von  der 
Nordspitze  Dänemarks  bis  nach  Krakau  und  von  den  Westgrenzen  der 
Altmark  bis  über  die  Nordostgrenze  von  Preusscn  hinaus,  ist. das  in  an- 
dern Theilen  Deutschlands  (z.  B.  in  Niedersachsen,  westlich  von  der 
Elbe)  nur  sporadisch  und  später  vorkommende  Mi^terial  der  Ziegel,  in 
früherer  Zeit  neben  dem  behauenen  Granit  (Feldstein ,  Kiesling  s=  Ge- 
schiebe) ,  später  ausschliesslich  vorherrschend ,  doch  findet  sich  -  zu  den 
Gnmdmauern  der  Ziegelgebäude  der  Granit,  aber  gewöhnlich  nicht  als 
Haustein,  sondern  roh,  zu  allen  Zeiten  häufig  verwendet.  Die  architekto- 
nischen Details  und  Zierrathen  sind  bei  Ziegelgebäuden  oft  (z.  B.  am 
Niederrhein)  aus  Kalkstein  oder  aus  Sandstein  verfertigt. 

Anmerkung  1.  Das  Material,  je  nach  der  Art  seiner  Zusammen- 
setzung, je  nach  seiner  Schwere ,  Härte  und  Widerstandsfähigkeit  ist  nicht 
ohne  wesentlichen  Einfluss  auf  Form,  Structur  und  Ausschmückung  der 
Gebäude*),  wie  dies  besonders  ersichtlich  wird  bei  Vergleichung  der  Ziegel- 
bauten des  nördlichen  Deutschlands  mit  den  Bruchsteingebäuden  des  Südens, 
oder  der  niederrheinischen  Tuffsteingebäude  mit  den  oberrheinischen  aus 
rothem  Sandstein ;  beide  Systeme  treffen  hier  in  Ingelheim  zusammen ,  wo 


1 }  Vergl.  IX.  Bericht  der  Schleswig- Holstein-Lauenburgischen  Gesellflohaft  für 
Sammlung  vaterl.  Alterthümer.  S.  9. 

2)  Bsienwein,  die  Entwickel.  der  mittelalterl,  BaukuDst  mit  Rücksicht  auf 
den  Einfluss  der  verschiedenen  BaiunateriaUen ,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central- 
Commission.    1858.  3,  5  ff. 


28  Bauzeichnungen. 

die  nördliche  Kirche  aus  Tuff,  die  südliche  aus  Sandstein  gebaut  ist.  —  Ein 
Baumaterial,  welches  aus  einem  für  plastische  Details  untauglichen  Steine 
besteht,  bedingt  stets  Einfachheit  und  Schlichtheit  der  Gebäude.  So  mag 
es  der  grobkörnige  spröde  Sandstein  verschulden,  dass  die  Kirchen  im 
bayerischen  Allgäu  [Kempten  etc.)  jeder  edleren  und  feineren  Detailbildung 
entbehren,  ebenso  wie  die  Schmucklosigkeit  der  älteren  westfälischen  Bauten 
von  der  Verwendung  des  porösen  Mergelsandsteins  bedingt  ist. 

Anmerkung  2.  Alte  Originalbaurisse,  wie  deren,  auch  in 
Facsimile  veröffentlicht  *) ,  mehrfach  auf  unsere  Zeit  gekommen ,  sind  auf 
Pergament  gezeichnet,  das  bei  grösseren  Zeichnungen  durch  Riemen  künst- 
lich zusammengeflochten  ist.  Schattenlinien  kommen  nie  vor,  wohl  aber 
sind  die  Profile  oft  in  den  Grundriss  eingezeichnet  und  schwarz  ausschattirt. 
—  Der  älteste  und  in  archäologischer  Hinsicht  wichtigste  unter  diesen  Plä- 
nen ist  der  (vielleicht  zu  Fulda)  entworfene  Bauriss  für  das  Kloster  St. 
Gallen  vom  J.  820,  als  Musterplan  für  ein  grosses  Benedictinerkloster  der 
damaligen  Zeit  von  grossem  Werthe.  Derselbe,  3*4  X  2*/«  F.  gross,  be- 
steht aus  vier  zusammengenähten  Häuten  und  stellt  in  rothgezeichneten 
Linien  den  Grundriss  sämmtlicher  zum  Kloster  gehörigen  einzelnen  Gebäude 
und  Anlagen  dar ,  wobei  hin  und  wieder  die  Aufrisse  in  horizontaler  Pro- 
jection  mit  angegeben  sind.  Die  Bedeutung  der  Zeichnung  gewinnt  wesent- 
lich dadurch,  dass  Erklärungen  alles  Einzelnen,  meist  in  lateinischen 
Hexametern  abgefasst,  (mit  schwarzer  Farbe)  eingeschrieben  sind;  die 
Maasse  sind  jedoch  nur  bei  der  Kirche  hinzugefügt.  —  Die  sonst  noch  be- 
kannt gewordenen  Bauzeichnungen  (Visirungen)  sind  aus  späteren  Jahrhun- 
derten, zum  Theil  erst  vom  Ende  des  M.  A. ;  die  wichtigsten  unter  den- 
selben sind  die  sechs  Risse  des  Doms  von  Cöln,  namentlich  die  Zeichnungen 
der  Westfront  *) ,  welche  jedoch  nicht  dem  ursprünglichen  Plane ,  son- 
dern der  letzten  und  zugleich  bedeutendsten  Um-  und  Ausbildung  desselben 
(etwa  dem  zweiten  Viertel  des  XIV.  Jahrh.)  angehören  ;  ausserdem  sind  zu 
nennen  die  Risse  der  Domthürme  von  Regensburg,  Ulm,  drei  des  Domes  von 
Frankfurt  a.  M.,  drei  vom  Münster  zu  Strassburg,  eine  ziemlich  ungeschickte 
Zeichnung  des  (unvollendeten)  Wiener  Stephansthurms  etc.  —  Ausser  der- 
gleichen Bauzeichnungen  sind  auch  noch  einige  deutsche,  spätmittelalterliche 
Schriften  über  Architektur  und  Geometrie  ^)  auf  uns  gekommen,  im  Ganzen 


f)  Mol  1er,  6.,  Facsimile  der  Originalzeichnung  des  Doms  zu  Köln.  2.  Aufl. 
IS37.  —  Keller,  Ferd.,  Bauriss  des  Klosters  St.  Gallen  (in  */,  Grösse  des  Origi- 
nals). 1844;  in  verkleinerter  Form  in  Otte,  H.,  Gesch.  der  deutschen  Baukunst. 
S.  92.  -  Facsimile  einer  in  der  Bauhütte  bei  St.  Stephan  in  Wien  befindlichen 
Handzeichnung  von  1 5 1 7  zu  dem  unvollendeten  Thurm.  1847.  —  Schmidt,  Chr. 
W.,  Facsimiles  der  Originalpläne  deutscher  Dome  (Cöln,  Regensburg,  Ubn,  Frismk- 
fürt  a.  M.,  Strassburg;  zum  Theil  6  -7  F.  gross).   1850. 

2}  Eine  sehr  grosse  Copie  des  alten  Planes  der  Cölner  Dom-Thurmfa9ade  von 
S  c h  i  n  k  e  1  befindet  sich  im  Schinkel-Museum  der  Königl.  Bauakademie  zu  Berlin. 
Der  Originalriss  selbst,  unten  3  F.  breit,  15  F.  hoch,  wurde  von  dem  Maler  Seekatz 
auf  dem  Dachboden  des  Gasthauses  zur  Traube  in  Darmstadt  im  J.  1814,  zerrissen 
und  beschmutzt,  unter  altem  Geräthe  gefunden,  von  diesem  dem  dortigen  Ober- 
baurath  Moller  überlassen  und  von  letzterem  im  J.  1817  dem  Könige  von  Preussen 
verehrt.  Bei  der  spateren  Wiederaufnahme  des  Dombaues  kam  die  Zeichnung  wieder 
in  das  Domarchiv  zu  Cöln  zurück. 

3;  Ein  Verzcichniss  solcher  Schriften  giebt  Hof  stadt,  Goth.  ABC.  S.  165  ff. 


Baubacher.  —   Technik.  29 

weniger  bedeutend,  doch  ist  Mathe s  Roriczer's,  Dommeisters  zu  Re- 
gensburg)  n Büchlein  von  der  Fialen  Gerechtigkeit (i  aus  dem  J.  i486')  von 
Interesse,  und  auch  Lorenz  Lacher's  [r>der  P/ah  Baumeister  vnd  Pixen- 
meister  a)  Unterweisung  für  seinen  Sohn  Moritz  von  1516*)  enthält  manches 
Beachtenswerthe . 

Anmerkung  3.  Bei  der  UnvoUkommenheit  der  alten  Messinstru- 
mente, bei  der  Unbefangenheit  und  oft  nicht  zu  läugnenden  Nachlässigkeit 
der  bloss  praktisch  gebildeten  alten  Baumeister  kann  es  sieht  Wunder  neh- 
men,  wenn  sich  beim  genauen  Vermessen  mittelalterlicher  Bauwerke,  selbst  an 
den  bedeutenderen,  überall  Unregelmässigkeiten  und  grosse  Ungleich- 
heiten vorfinden :  die  Abseiten  und  Pfeilerabstände  differiren  fast  immer  um 
einige  Zoll  (im  Dome  zu  Cöln  z.  B.  von  1  —  1 1",  im  Dome  zu  Magdeburg 
sogar  1  und  2';  die  Anlagen  stehen  nicht  genau  im  Winkel,  und  Sockel 
und  Capitäle  selten  unter  sich  in  der  Setz  wage. ')  In  der  Klosterkirche  von 
Konradsdorf  im  Nidderthal  verschmälert  sich  das  Schiff  von  Osten  nach 
Westen  nach  und  nach,  und  die  Kapelle  des  Katharinenklosters  zu  Tetin 
in  Böhmen  hat  in  umgekehrter  Weise  und  wohl  absichtlich  die  Trapezform. 
Absicht  war  es  auch,  dass  in  der  Lambertikirche  zu  Münster,  der  perspecti- 
vischen  Wirkung  halber,  die  Joche  der  Arkaden  sich  von  Westen  nach 
Osten  mehr  und  mehr  verkürzen.  Offenbare,  freilich  ökonomische  Nach- 
lässigkeit war  es  dagegen ,  wenn  man  sich  keineswegs  immer  bemühte ,  die 
Abweichungen  des  Terrains  von  der  Horizontalebne  auszugleichen ,  sondern 
ohne  Weiteres  zuweilen  in  naivster  Weise  das  natürliche  Niveau  benutzte. 
So  senkt  sich  z.  B.  in  der  heil.  Kreuzkirche  zu  Rottweil  und  in  der  Pfarr- 
kirche St.  Ulrich  zu  Donauwörth  der  Fussboden  allmählich  von  Westen 
nach  Osten  so  sehr,  dass  die  Hinterstehenden  über  die  Köpfe  der  Vorderen 
hinwegsehen  können.  Der  umgekehrte  Fall  findet  dagegen  in  der  Michaelis- 
kirche zu  Hall  statt,  wo  der  nur  eine  Fortsetzung  des  Langhauses  bildende 
Chor  viel  höher  liegt,  und  die  Kirche  überdies  mehrmals  durch  Treppen 
unterbrochen  ist.  Merkwürdig  tief  liegt  der  Fussboden  der  Kirche  zu  Bren- 
ken  bei  Paderborn ,  da  man  vom  südlichen  Portale  1 0  Stufen  hinunter  zu 
steigen  hat,  was  sich  nicht  aus  der  etwa  nach  und  nach  erfolgten  Auf- 
hOhung  des  äusseren  Terrains  erklären  lässt.  —  Als  eine  sehr  häufig  vor- 
kommende Unregelmässigkeit  stellt  sich  heraus ,  dass  der  Chor  der  Kirche 
nicht  genau  in  der  Axe  des  Langhauses  liegt,  sondern  bald  nördlich,  bald 
südlich  von  derselben  abweicht,  zumal  wenn  beide  Haupttheile  der  Kirche 
verschiedenen  Bauzeiten  angehören,  oder  auch  wenn  bei  einem  Neubau 
der  ganzen  Kirche  ältere  Fundamente  etc.  benutzt  wurden.  Beispiele  am 
Rhein:  Kaiserslautern,  Offenbach;  in  Schwaben:  Michaeliskirche  zu 
Hall,  bischöfl.  Kirche  zu  Rottenburg,  Stiftskirche  zu  Stuttgart  und  Wimpfen 
im  Thal;  in  Tyrol:  Stiftskirche  zu  Inichen,  Dom  zu  Trient  und  angeblich 

1)  Nach  einem  alten  Drucke  wiedergegeben  von  Heideloff,  C,  die  Bauhütte 
des  M.  A.  S.  101—116,  und  in  moderne  Mundart  übertragen,  herausgegeb.  und  mit 
einer  Einleitung  versehen  von  A.  Reichensperger.  1^45.  Vergl.  dessen  Verm. 
Schriften.  S.  54  ff. 

2)  Abgedruckt  aus  einer  späteren  Handschr.  in  Reichensperger,  Verm. 
Schriften.  S.  133-155. 

3)  V.  Lassaulx,  in  Kl  ein 's  Rheinreise.  2.  Aufl.  S.  4G7. 


30  Bautechnik. 

nach  dem  Muster  des  letzteren  an  späteren  Bauten  absichtlich  wiederholt,  in 
dieser  Gegend  traditionell  und  typisch  geworden^)  ;  inOesterreich:  Maria 
Stiegen  in  Wien  ;  in  Franken:  Stiftskirche  zu  Aschaffenburg,  Sebaldskirche 


Flg.  6.   Orundrin  der  Sebaldskirche  in  NQmberg  (nach  Heideloff)* 

in  Nürnberg;  in  Thüringen  und  Sachsen:  Aegidienkirche  zu  Braun- 
schweig, Dom  zu  Erfurt,  Petri-Paulikirche  in  Görlitz,  Stadtkirche  zu 
Wittenberg;   in  Preussen:   Dome  zu  Frauenburg  und  Königsberg. 

Anmerkung  4.  Die  mittelalterliche  Bautechnik  wird  häufig  auf 
Kosten  der  modernen  gepriesen ,  verdienter  oder  unverdienter  Weise ,  weil 
man  damals  wie  auch  heute  verschieden  baute ,  gut  und  schlecht ,  und  na- 
mentlich fehlt  es  aus  älterer  Zeit  keineswegs  an  Beispielen  vom  Wiederein- 
stürzen neuer  kaum  fertiger,  oder  noch  im  Bau  begriffener  Gebäude.*)  — 
Im  Grundbau  verfuhr  man  zuweilen  zwar  äusserst  sorgfältig  (die  Chor- 
pfeiler des  Cölner  Domes  (seit  1248)  z.  B.  sind  gegen  50  F.  tief  auf  einer 
Kiesbettung  fundamentirt) ,  in  anderen  Fällen  dagegen  wiederum  höchst 
soi'glos  (die  Fundamente  der  Godehardskirohe^  in  Hildesheim  (seit  1133) 
z.  B.  bestanden  aus  kleinen  Bruchsteinen  in  Lehm') ,  und  da  man  bei  den 
Granitbauten  in  der  baltischen  Ebene  selbst  bei  Gebäuden  von  geringerem 
Umfange  durch  das  massenhafte  Material  zu  verhältnissmässig  sehr  dicken 
Mauern  genöthigt  war,  glaubte  man  die  Fundamentirung  im  Sandboden 
sparen  zu  können,  indess  sind  in  Folge  davon  die  Mauern  häufig  gespalten 
und  haben  später  durch  massige  Streben  zusammengehalten  werden  müssen. 
Die  Ringmauer  des  Schlosses  Eisenhart  in  Beizig  bei  Wittenberg  steht  auf 
blossem  Flugsand,  den  der  Wind  zuweilen  stellenweise  darunter  hinweg 
weht,  so  dass  die  Mauer  selbst  schwebt.   —  Der  schwierige  Grundbau  im 


1)  Mittheil,  der  k.  k.  Central- CommisBion.   1858.  3,  227. 

2)  Das  Sanctuarium  des  1021  geweihten  Domes  zu  Merseburg  stürzte  in  den 
nächsten  20  Jahren  zweimal  zusammen  (Otte,  Gesch.  der  deutschen  Baukunst.  S.  1S7 
und  278))  und  der  Dombau  zu  Hildesheim  unter  B.  Azelin  (f  1054)  kam  darum 
nicht  vorwärts ,  weil  die  Säulen  oft  aus  dem  Lothe  wichen ,  und  bald  hier  bald  da 
eine  Mauer  wieder  einfiel.   (Ebd.  S.  164  u.  276.) 

a)  Zeitschr.  für  Bauwesen.   1S52.  Sp.  333. 


Bautechaik.  3  t 

Sumpfboden  galt  zu  Ende  des  XI.  Jahrh.  in  Utrecht  für  ein  »arcanum 
magiiterium  « ,  mit  welchem  Bischof  Konrad  nicht  bekannt  war.  ^)  Ein  be- 
merkenswerthes  Beispiel  in  dieser  Beziehung  bietet  die  Frauenkirche  zu 
Ehingen  (am  linken  Ufer  des  Lech ,  nOrdl.  von  Augsburg)  ^  die  ^  rings  von 
Anhohen  umgeben ,  mitten  im  Sumpfe  auf  einem  Pfahlroste  steht ,  über 
welchem,  der  Langenflucht  von  c.  100  F.  entsprechend,  drei  GewOlbebOgen 
errichtet  sind,  auf  denen  das  Podium  der  Kirche  ruht;  unter  ihnen  steht 
das  ganze  Jahr  Wasser.*)  —  Die  Vorrichtungen  zur  Ableitung  des 
Wassers  von  den  Gebäuden  waren  häufig  äusserst  mangelhaft:  wie  wenn 
z.  B.  mitten  durch  die  Strebepfeiler  des  COlner  Domes  4  zöllige  Rinnen, 
und  zwar  ohne  Metallfutter,  gefdhrt  wurden,  und  ähnliche  Mängel  auch  am 
Dome  zu  Magdeburg  vorkamen.  ^)  Der  alte  MOrtel,  der  zwar  nach  Du- 
rand (Rationale  i  c.  1  n.  10)  nur  aus  Kalk,  Sand  und  Wasser  bestand, 
zeichnet  sich  vor  dem  neueren  —  und  zwar  wohl  nicht  bloss  wegen  seines 
Alters  —  häufig  durch  grössere  Festigkeit  aus.  Als  Resultat  einer  chemi- 
schen Analyse  des  harten  mittelalterlichen  Mörtels  ergab  sich :  70  Theile 
reiner,  grober  Quarzsand,  25  Theile  Kalk  imd  5  Theile  Gyps;  welche 
Mischung  aber  unmittelbar  vor  dem  Gebrauche  geschehen  ist.  ^)  Zuweilen 
löschte  man  den  Kalk  mit  Wein  (der  Sage  nach  auch  mit  Buttermilch)  ab, 
indem  man  wahrscheinlich  glaubte ,  den  Mörtel  dadurch  haltbarer  zu 
machen. ")  Ein  Zusatz  von  Eiweiss  und  Wein  unter  dem  Mörtel  wird  bei 
Erbauung  der  Prager  Brücke  im  XIV.  Jahrh.  behauptet,  weil  damals  die 
Eier  spottwohlfeil  gewesen.')  —  Der  römische  Mörtel  unterscheidet  sich 
von  dem  mittelalterlichen  durch  Beimischung  von  zerstampften  Ziegelstücken 
oder  Topfscherben.  —  Der  Vorzüglichkeit  des  Mörtels  ist  die  eiserne  Festig- 
keit des  guten  mittelalterlichen  Mauerwerkes  zu  verdanken  und  die  Halt- 
barkeit mancher  fahrlässig  oonstruirter  Gewölbe :  so  erregte  es  bei  der 
Restauration  des  Magdeburger  Domes  die  Verwunderung  der  Architekten, 
wie  das  Hauptgewölbe  des  Chores,  ein  8  Z.  starkes  Tonnengewölbe  aus 
Bruchsteinen  von  357,  F.  Spannung,  sich  hatte  halten  können,  da  alle 
Gurtbögen  sich  mehr  oder  weniger  gesetzt  hatten  und  zwischen  den  Diago- 
nalrippen und  dem  Gewölbe ,  mit  welchem  sie  nicht  bündig  sind ,  sondern 
dem  letzteren  nur  das  Ansehen  eines  Kreuzgewölbes  geben  sollten ,  sich  ein 
leerer  Zwischenraum  von  mehreren  Zollen  gebildet  hatte.  ^) 

Von  den  verschiedenen  Arten  des  specifisch  römischen  Mauerver- 


1)  Otto  a.  a.  O.  S.  272  u.  285. 

2j  Beilage  zur  Augsb.  PoBtzeitung.   1857.  No.  119. 

3)  Zeitschr.  für  Bauwesen.  185-1.  Sp.  83.  —  Rosenthal,  Dom  zu  Magdeb. 
Lief.  n.  zu  Taf.  VI.  Fig.  16. 

4)  n.  Jahresbericht  des  altmArk.  Vereins  für  vaterländische  Geschichte  und 
Industrie.  S.  25  ff.  —  Vergl.  über  Mörtelbereitung  der  Alten,  im  Augsb.  Tageblatt. 
1859.  No.  174  u.  176. 

5]  Kugle r,  Museum  1834.  No.  7.  -  Beider  nach  dem  Erdbeben  des  J.  557 
emeueten  Kuppel  der  Sophienkirche  in  Constantinopel  wurde  der  Mörtel  mit  Gyps, 
zerstosaenen  Muscheln  und  Ulmenrinde  vermischt,  mit  einem  Oerstenabsud  aus 
groasen  Kesseln  angerflhrt  und  lauwarm  verwendet.  Zum  äussern  Bewürfe  wurde 
Kalk  mit  Oel  gemischt.   AUg.  Fr.  Zeit.  1843.  No.  62.  S.  401  ff. 

6)  Redel,  Sehenswürdiges  Prag.  S.  310. 

7]  Rosenthal  a.  a.  O.  zu  Taf.  I.  Fig.  D. 


32  Mauerwerk. 

bandes')  ist  es  anscheinend  allein  das  »opus  mixtum ^^  \on  welchem  sich 
an  den  geringen  Ueberresten  des  frühmittelalterlichen  Kirchenbaues,  im 
Rheinlande  (in  Trier,  Pfalzel,  Cöln  und  Bonn)  bis  ins  XL  Jahrh.  noch 
Spuren  nachweisen  lassen :  ein  mit  dünnen  Bindern  aus  Ziegeln  durchsetztes 
Bruchsteingemäuer  mit  sehr  breiten  Mörtelfugen.  Am  karolingischen  Mün- 
ster, zu  Aachen  zeigt  der  wenig  sorgfältige  Verband  platte,  schieferartige 
Bruchsteine  mit  wagerecht  und  lothrecht  eingelegten  Bindern  schlecht  be- 
hauener  Quadern,  die  von  filteren  Bauwerken  herrühren.  *)  —  Im  XI.  Jahrh. 
herrscht  allgemein  das  » opus  incertum «  ,  Mauerwerk  aus  Bruchsteinen ,  an 
den  Ecken  (und  zuweilen  im  Grundbau)  durch  Quaderschichten  zusammen- 
gehalten. Bei  den  Tuffsteinbauten  am  Niederrhein,  bei  denen  das  Material, 
in  grossen,  länglichen  Stücken  zur  Verwendung  kam,  ist  wenigstens  die 
Horizontalität  der  Lager,  die  gewissermaassen  wellige  Linien  bilden ,  mög- 
lichst und  dabei  eine  ängstliche  Sauberkeit  in  den  Fugen  streng  beobachtet, 
während  seit  dem  XII.  Jahrh.  der  Tuff  in  kleinem  Format,  backsteinähnlich 
zugehauen,  im  regelrechten  Verbände  vorkommt.  *)  In  anderen. Bruchstein- 
bauten zeigt  sich  in  der  Frühzeit  (in  der  Krypta  von  St.  Michael  zu  Fulda 
aus.  dem  IX.  Jahrh.)  ebenfalls  das  Streben  nach  Horizontalität  der  Lager 
mit  wechselnden  Stossfugen.  Am  Dome  zu  Speier  und  an  der  Klosterkirche 
zu  Limburg  a.  d.  H.  aus  dem  XI.  Jahrh.  erscheint  Rauhmauerwerk  aus 
rothem  Sandstein,  in  unregelmässigen  Bruchstücken ;  doch  sind  die  Steine 
ziemlich  lagerhaft  und  möglichst  in  wagerechte  Schichten  gebracht,  zwischen 
starken  Mörtellagen  zur  Ausgleichung  der  Unebenheiten.  Eine  Anwendung 
des  Hammers  ist  nirgends  bemerklich,  und  die  Steine  liegen  in  der  Mauer, 
wie  sie  aus  dem  Steinbruche  kamen .  *)  An  dem  Bruchsteinmauerwerk  von 
St.  Michael  zu  Fulda  aus  dem  XI.  Jahrh.  findet  sich  durch  Fugcnlinien, 
welche  in  die  starken  Mörtellagen  eingekratzt  sind,  eine  scheinbare  Quadri- 
rung  hergestellt.  ^)  An  der  Westfront  des  Domes  zu  Trier  besteht  das 
Mauerwerk  des  XI.  Jahrh.  zum  grossen  Theil  aus  Werkstücken  von  Sand- 
stein und  Muschelkalk  von  zuweilen  bedeutender  Masse ,  die  indess  aus 
römischen  Trümmern  entnommen  wurden.  ®)  —  Sonst  ist  vollständiger 
Quaderbau  in  jener  Frühzeit  nicht  nachgewiesen :  derselbe  beginnt  erst  im 
XII.  Jahrh.  ') ,  breitet  sich  allmählich  aus  und  bleibt  endlich  vorherrschend, 
obgleich  selbstverständlich  im  Innern  der  Quaderm^uern  und  bei  minder 
kostspieligen  Bauten  das  Bruchsteinmauerwerk  stets  gebräuchlich  blieb.  — 
Bei  den,  nicht  über  die  Mitte  des  XII.  Jahrh.  hinaufreichenden,  älteren 
Qranitbauten  erscheinen  die  Steine  (wie  an  der  Klosterkirche  zu  Zinna 
bei  Jüterbog  und  an  vielen  Landkirchen  des  Flämings;  zwar  sauber  würfel- 
förmig bearbeitet  und  in  gleichmässigen  Schichten ,  während  anderwärts  in 
den  Marken  der  Quaderbau  häufig  nur  ein  scheinbarer  ist,  indem  die  Steine 
zwar  quadratisch  zugehauen  und  in  regelmässigen  Schichten  aufgesetzt ,  an 
der  vordem  Fläche  aber  nicht  geebnet  sind ,  und  Quaderfugen  in  den  auf- 
getragenen, den  mittleren,  rundlich  erhabenen  Theil  der  Steine  nicht  decken- 

])  Otte,  Gesch.  der  deutschen  Baukunst.  S.  4  ff.  2)  Ebd.  S.  84  u.  143. 

3)  Ebd.  S.  155  ff.  u.  275;  vgl.  v.  Quast,  in  den  Bonner  Jahrbüchern.  X.  I9f  ff. 

4]  Geier,  in  Remling,  der  Speyerer  Dom.  S.  132. 

5}  Otte  a.  a.  O.  S.  91  u.  143.  6)  Ebd.  S.  215  u.  41. 

7;  v.  Quast,  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  u.  Kunst.   1»  272. 


Ziegelmauerwerk.  33 

den  Putz  in  Doppellinien  eingeritzt  wurden,  was  indess  durch  Verwitterung 
meist  undeutlich  geworden  ist. ')  Später,  seit  dem  XIV.  Jahrh.  verwandte 
man  die  Qranitgeschiebe  selten  in  rechteckigen  Quadern,  sondern  meist  in 
roher  Zerklüftung,  und  in  dieser  Form  finden  sie  sich  überall  im  Qrundbau 
der  Ziegelbauten.  Eine  Mischung  beiderlei  Materials  findet  in  ältester  Zeit 
nur  in  wenigen  Beispielen  statt  und  auch  später  nicht  häufig. 

Gleich  beim  ersten  Auftreten  des  Ziegelbaues^)  in  der  Altmark 
Brandenburg  um  Mitte  des  XII.  Jahrh.  zeugt  die  vollkommene  Tadellosig- 
keit  und  später  kaum  wieder  erreichte  vollendete  Schönheit  des  Materials 
von  alter  Geübtheit  in  der  Anfertigimg  der  Backsteine ,  die  am  ersten  bei 
den  niederländischen  Colonisten  vorausgesetzt  werden  kann ,  welche  damals 
jene  wendischen  Landstriche  einnahmen,  und  um  so  wahrscheinlicher,  als 
die  kleinen  Backsteinformate  der  romanischen  Bauwerke  in  Holland  und  am 
Niederrhein  mit  denen  an  den  märkischen  Kirchen  genau  correspondiren. 
Von.  den  langen  imd  oft  nur  Vs  Z.  dicken  römischen  Ziegeln  unterscheiden 
sich  die  mittelalterlichen  durch  ihre  Kürze  und  Dicke :  die  älteren  aus  dem 
XII.  Jahrh.  sind  die  kleinsten  (lO*/»— V4  Z.  lang,  V/^—^y^  Z.  breit, 
3 — 374  Z.  dick),  die  späteren,  seit  dem  XIII.  Jahrh.  sind  grösser  (1 1-r- 
11%  Z.  lang,  5— 5y4Z.  breit,  '6%—y/^Z.  dick).  Formsteine  ver- 
stand man  in  der  bedeutenden  Grösse  von  mehreren  Füssen  zu  verfertigen 
und  sehr  glatt  und  fest  zu  brennen,  z.  B.  am  Portale  der  Klosterkirche  zu 
Berlin.  —  Als  Meisterstücke  der  Ziegelbrennerei  des  XIII.  Jahrh.  sind  zu 
rühmen  die  Consolen  im  nördlichen  Seitenschiffe  der  Kirche  des  Klosters 
Zinna  bei  Jüterbog.  —  Bei  der  Restauration  des  Brandenburger  Domes 
wurde  die  wahrscheinlich  aus  dem  Anfange  des  XIV. 
Jahrh.  stammende,  aus  einem  Stücke  bestehende,  zier- 
lich gebildete  ehemalige  Verdachung  einer  Fiale  in  der 
Erde  gefunden,  deren  Masse  fast  4  Kubikfuss  betrug. 
—  In  dem  achteckigen  Treppenthurme  des  Domes  aus 
der  Zeit  um  1426  befindet  sich  eine  Wendeltreppe, 
deren  vortrefiüch  gebrannte  Stufen  bei  18  Z.  Höhe  und 
19  Z.  Breite  einschliesslich  des  Spindelansatzes  aus 
i.'^Sin«  (oS*iSSSh).  ei?e™  Stücke  bestehen.  --  Der  Mauerverband  des 
mittelalterlichen  Ziegelbaues  Ist  gewöhnlich  der  soge- 
nannte wendische,  in  welchem  Läufer  und  Strecker  in  derselben  Schicht 
entweder  regelmässig  mit  einander  abwechseln,  oder  es  folgt  auf  zwei  Läufer 

immer  ein  Strecker  ( ) ,  und  zwar  erscheinen  oft  beide  Weisen 

zu  gleicher  Zeit  und  in  derselben  Gegend.  —  Die  römische  Sitte,  die  ein- 
zelnen Ziegel  mit  Fabrikstempeln  zu  versehen,  findet  sich   an  den  älteren 


1 )  Derselbe  im  Correspondenzbl.  des  Gesammtvereins  der  deutschen  Gesch.  u. 
Alterth.-Vereine.  VH.  (IS59).  S.  26. 

2)  Ueber  das  Technische  des  Ziegelbaues:  Minutoli,  Alex,  v.,  Denkmäler 
mittelalterl.  Kunst  in  den  Brandenb.  Marken.  L  S.  11  ff.  —  Quast,  Ferd.  v.,  im 
Deutschen  KunstbL  f  850.  S.  229  u.  Beitr.  zur  Gesch.  der  Baukunst  in  Preussen.  m. 
S.  21.  —  Adler,  F.,  Mittelalterl. Backstein-Bauwerke  d.Preuss.  Staates  —  woselbst 
auf  die  Baubeschreibung  der  einzelnen  Gebäude  jedesmal  ein  dos  Technische  einge- 
hend schildernder  Abschnitt  folgt.  —  Ueber  den  Ziegelbau  des  M.  A.  in  Schwaben  : 
Thrän,  O.  C.  F.,  im  Correspondenzblatt  des  Gesammtvereins  etc.  VI.  (1858.) 
S.  29  u.  67. 

0 1 1  e ,  KoMt- Areh&olo^e.  3 


34  Gussmauern.  -^  WAlbsteüie. 

mittelalterlichen  Backsteinbauten  nicht  befolgt,  und  nur  erst  an  späteren 
gothischen  Gebftuden  kommen  an  manchen  Orten  (in  Brandenburg,  Stendal. 
Tangermünde  etc.)  Ziegel  mit  Stempeln  vor^  deren  Zweck  und  Bedeutung 
indess  nicht  bekannt  ist. ') 


®0®^® 0  i  Si 


Fig.  8.  Ziegelcteropel  (nach  v.  Hinutoli). 

Gussmauerwerk  (von  Vitruv  2,  8  EmpUcton^  und  in  den  longo- 
bardischen  Baugeseteen  des  VIII .  Jahrh.  Massa  genannt^))  kommt,  wie 
bei  den  Römern ,  auch  im  ganzen  Mittelalter  sehr  häufig  Vor :  die  beiden 
Aussenflächen  wurden  aus  Stein  oder  Ziegeln  schichtweise  aufgemauert,  der 
innere  hohle  Raum  ward  mit  kleinen  Steinen  und  vielem  Mörtel  ohne  regel- 
mässige Schichtung  ausgefällt  und  das  Ganze  dann  gewöhnlich  von  innen 
und  aussen  dick  mit  Mörtel  flbergangen.  —  Zur  Ausfahrung  der  Gewölbe 
verwendete  man  zwar  gern  natarliche  oder  gebrannte  Steine  von  geringer 
Schwere'),  zuweilen  Töpfe,  indess  kajn  auch  hier  Aber  kleineren  Räumen 
hin  und  wieder  das  schwerste  Material  in  Anwendung :  das  untere  Thurm- 
geschoss  des  Havelberger  Domes  z.  B.  zeigt  ein  Gewölbe  aus  behauenem 
Granit  und  im  Thurm  der  Dorf  kirche  zu  Gumtow  besteht  das  6  Z.  dicke 
Tonnengewölbe  aus  lauter  abgerundeten  Geschieben,  wie  man  dieselben  eben 
auf  den  Feldern  vorgefunden  hatte.  —  Auch  war  im  Mittelalter  ein  in 
neuerer  Zeit  wieder  entdecktes  Verfahren  bekannt,  die  Kreuzgewölbe  lediglich 
mit  Unterrastung  der  Gratbögen  fast  ganz  aus  freier  Hand  einzuwölben.*) 


1)  Abbild,  von  mittelalterl.  Ziegelstempeln  bei  v.  Minutoli  a.  a.  O.  S.  14  u. 
vielftltig  bei  Adler,  a.  a.  O.  S.  14.  59  ff. 

2)  »Simaasaäfundedentti;  veigl.  Reumont,  A.  v.,  im  Kunstbl.  1847.  S.  IIS. 

3)  Beim  Bau  der  Kuppel  der  Sophienkirche  zu  Constantinopel  unter  Kaiser 
Justinian  (532—537]  durch  Anthemius  von  Tralles  (in  Lydien}  und  Isidorus  von 
Miletus  (in  Jonien)  beschaffte  man  von  der  Insel  Rhodus  aus  einer  weissen  Erde  ge- 
brannte Steine  von  gleichem  Gewicht  und  gleicher  Grösse ,  die  mindestens  fünfmal 
leichter  waren  als  die  gewöhnlichen  Mauersteine  und  auf  dem  Wasser  schwammen. 
Jeder  Stein  wurde  mit  folgender  Inschrift  gestempelt :  »  Gott  ist  mitten  in  ihr,  und 
sie  wird  nicht  erschüttert  werden.  Gott  wird  sie  schirmen  von  einem  Morgen  zum 
andern«,  Basselbe  Verfahren  wurde  bei  der  Erneuerung  der  Kuppel  beobachtet: 
nach  jeder  zwölften  Schicht  sprach  man  Öffentliche  Gebete  für  die  Festigkeit  der 
Kirche  (während  der  Mörtel  abtrocknete) ;  in  je  einen  Stein  jeder  zwölften  Schicht 
schloss  man  in  ein  ausgehöhltes  Loch  Reliquien  verschiedener  Heiligen  ein.  (Vergl. 
Allg.  Pr.  Zeit.  1843.  No.  62.  S.  401.)  —  Reliquien  Hess  auch  Otto  der  Grosse  in  die 
Säulencapit&le  des  1207  abgebrannten  Magdeburger  Domes  einlegen  [Otte,  Gesch. 
der  deutschen  Baukunst  S.  1 1 S) ,  und  die  gegen w&rtig  leeren  Oeffnungen  über  den 
Sflulen  in  der  Mauer  des  hohen  Chores  des  jetzigen  Domes  scheinen  gleichen  Zweck 
gehabt  zu  haben.  Die  fromme  Absicht  ging  wohl  dahin ,  durch  diese  Heiligthümer 
das  Gebäude  vor  Schaden  und  Gefahr  zu  schützen. 

4)  V.  Lassaulx  in  Crelle's  Journal  f.  d.  Baukunst.  I.  4,  317  ff. 


Theile  der  Kirche. 


35 


b.  Bat  Kirchengebande  in  seinen  einielnen  Theilen. 


17.  Das  Kirchengebäude  besteht  in  seinem  vollständigen  nor- 
malen Grundplane  aus  drei  Haupttheilen ,  dem  Langhause  ^  dem 
Ciuerhause  und  dem  Altarhause.  Das  Langhaus  [B  A  B)  bildet  den 
Stanim,  das  Querhaus  (von  Cnach  C)  die  Arme^  und  das  Altarhaus 
[E)  das  Haupt  des  Kreuzes. 


y\%.  tt.  Der  Dom  tu  Menebuiig;  (nach  unprOnf lieber  Anlafe). 

Das  liaa|haW|  welches  aus  dem  Hauptschiffe  A  und  denjbeiden, 
gewöhnlich  halb  so  breiten  Seitenschiffen  B  B  besteht,  wird  von 
diesen  durch  zwei  von  Säulen  oder  Pfeilern  // .  .  .  getragene  Arkaden 
getrennt.  —  Das  %ierham  besteht  aus  der  an  allen  vier  Seiten  von  hohen 
Schwibbogen  begrenzten  mittleren  Vierung,  dem  Kreuzmittel  g  und  den 
beiden  Kreuzarmen,  C  und  C,  welche  westlich  durch  BogenOfihimgen 
mit  den  Seitenschiffen  in  Yerbindimg  stehen,  und  Ostlich  häufig  mit  zwei 
kleinen  Altamischen,  z  und  z,  versehen  sind.  —  Das  Altarhais  wird 
Ostlich  von  der  Altarnische  /  geschlossen,  die  sich  in  einem  Bogen 
gegen  dasselbe  Offnet.  —  In  der  Axe  der  Seitenschiffe  erheben  sich  west- 
lich die  beiden  Glockenthürme,  D  und  Z>,  welche  das  Zwischenhaus 
F  mit  dem  Hauptportale  m  einschliessen.  —  O  und  O  sind  zwei 
Ostliche ,  das  Altarhaus  flankirende  Rundthürme ,  und  //  eine  äussere 
Vorhalle.  —  Die  F  e  n  s  t  e  r  des  Langhauses  q  q  -  --  sind  den  Zwischen- 
weiten der  Arkadenträger yy .  .  .  entsprechend  angebracht,  und  die  An- 
ordnung der  Fenster  im  Querhause  ist  im  nördlichen  Kreuzarme  des 
Grundrisses  angegeben ,  wo  die  Durchschnittsebene  durch  das  Oberge- 
schoss  der  Kirche  angenommen  ist.  —  In  Kloster-  und  Stiftskirchen 
schliesst  sich  an  eine  Langseite  der  Kirche  der  Kreuzgang,  welcher 
durch  Nebenportale  bei  V  und  S  mit  dem  Seitenschiffe  in  Verbindung 
steht. 


36  Altamische. 

Anmerkung.  Die  Abweichungen  von  dem  normalen  Qrundplane 
der  Kirche  sind  in  der  Wirklichkeit  häufiger  als  die  Regel  und  bestehen 
theils  aus  Erweiterungen,  theils  aus  Beschränkungen  desselben ,  die  weiter 
unten  im  Einzelnen  zu  berücksichtigen  sind.  Der  Dom  von  Merseburg, 
obwohl  derselbe  umfassende  spätere  Veränderungen  erfahren  hat,  lässt  den- 
noch die  ursprüngliche  regelrechte  Entfaltung  des  Grundrisses  noch  deutlich 
durchblicken  und  enthält  überdies  sämmtliche  in  Betracht  kommende 
Haupt-  und  Nebentheile  des  mittelalterlichen  Kirchengebäudes.  Ganz  nor- 
mal erscheint  auch  der  Grundplan  der  Klosterkirche  zu  Hecklingen  im  An- 
haltischen, jedoch  das  Hauptportal  fehlt,  welches  übrigens  auch  beim  Mer- 
seburger Dome  in  der  Westfront  der  äusseren  Vorhalle  liegt. 

18.  Die  Altamische  hat  verschiedene  Namen*)  :  sie  heisst 
apsis  oder  concha  von  ihrem  überwölbten  Halbrund ;  tribunal  (daher 
auch  Altartribune) ,  weil  sie  in  der  alten  Kirche  vor  den  rings  an  der 
Wand  befindlichen  Bänken  für  die  Geistlichkeit  den  erhöhten  Stuhl 
des  Bischofs  enthielt;  sanctuarium  oder  sancta  sanctorum,  weil  der 
Hochaltar  darin  steht;  auf  dem  Plane  des  Klosters  8t.  Gallen  (s.  oben 
S.  28)  wird  sie  als  exedra  bezeichnet. 

Das  Wort  apsis,  ahsü y  ahsida  ist  =  «V"'tf  >  von  «Jiroi,  daher  auch 
a\\jlg  =s  der  Halbkreisbogen,  das  Gewölbe,  und  kommt  seit  dem  V.  Jahrh. 
für  diesen  Theil  der  Kirche  vor*) ,  ebenso  das  Wort  concha  (^oyy^ri) ,  die 
Muschel,  und  übertragen  schon  bei  den  romischen  Classikem  auf  muschel- 
förmige  Gefässe.  —  Tribunal  bezeichnet  bei  den  Römern  zunächst  eine  in 
Gestalt  eines  Halbkreises  umlaufende  Erhöhung,  zu  welcher  Stufen  führ- 
ten, und  auf  welcher  die  Richter  sassen.  —  Die  Bezeichnxmg  sanctuarium ^ 
das  HeUigthum,  und  sancta  sanctorum,  das  Allerheiligste ,  wird  erst  von 
mittelalterlichen  Schriftstellern  gebraucht,  nachdem  die  Sitze  der  Geist- 
lichkeit und  der  Bischofsthron  aus  der  Apsis  verlegt  waren ,  und  diese 
statt  derselben  den  Hochaltar  in  sich  aufgenommen  hatte  und  einen  Theü 
des  hohen  Chores  der  Kirche  büdete ,  über  dessen  Fussboden  das  Aller- 
heiligste um  eine  bis  zwei  Stufen  erhöht  liegt.  —  Das  Wort  exedra 
(6^td(ju)  bezeichnete  in  den  antiken  Gymnasien  eine  halbrunde  Erweite- 
nmg  der  Säulengänge  mit  Sitzen  für  Conversirende ,  kommt  schon  bei 
Augustinus  (de  civitate  dei  22,  S)  für  die  Apsis  der  Kirche  vor  und 
wird  von  Durandus  (Rationale  I.    1.  n.  19)    für  gleichbedeutend  mit 


1)  lieber  diese  Namen  unter  Beibringung  zahlreicher  Citate:  Kreuser,  Kir- 
chenbau. 1,  129  ff.  u.  AVeingartner,  W.,  Ursprung  und  Entwicklung  des  christl. 
Kirchengebaudes.  S.  1  ]  1  ff. 

2)  Wenn  IsidorusHisp.  (f  636)  in  den  Origin.  etyin.  XY,  8  erklärt:  Absida 
graeco  sermone  latine  interpretatttr  lucida,  eo  quod  lamine  accepto  per  arcum  respien- 
deat«,  80  hat  er  dabei  nicht  an  die  Apsis  der  Kirche,  sondern  an  das  leuchtende  Him- 
melsgewölbe gedacht,  von  welchem  s.  B.  Hieronymus  (£p.  ad  Ephes.  II.  p.  614 
ed.  Vallarsii)  das  Wort  »ajMis«  gebraucht,  u.  VincentiusBellov.  (Speculum  II. 
in  Vocabular.  p.  37),  der  diese  Erklärung  gegen  Ende  des  XIII.  Jahrh.  wörtlich  ab- 
geschrieben ,  hat  die  Beziehung  auf  die  Altamische  der  Kirche  nur  durch  Missver- 
Htäudniss  darin  gefunden.  —  Uebrigens  ist  »lucidati  als  Substantivum  im  mittelalterl. 
Latein  nicht  nachgewiesen,  also  bei  Isidorus  nur  adjectivisch  zu  nehmen. 


Altarhaus.  37 

ahsida  sive  voüa,  (=5  GewOlbe)  erklärt,  obgleich  er  darunter,  nach  der 
schon  im  christlichen  Alterthum  gewöhnlichen  Bedeutung  dieses  Wortes, 
ein  kirchliches  Nebengebäude  versteht. 

Beispiele  solcher  Kirchen ,  denen  die  Apsis  fehlt ,  deren  Altarhaus 
also  rechteckig  abschliesst,  sind  bereits  oben  S.  1 5  f.  angeführt :  inner- 
lich findet  sich  dann  oft,  namentlich  im  XIII.  Jahrh. ,  die  Nische  für  den 
Altar  in  der  Dicke  der  geraden  Schlusswand  ausgespart.  Im  Dome  zu 
Speier  sind  sieben,  in  der  Klosterkirche  zu  Heisterbach  neun  kleine  Rund- 
nischen rings  in  der  Apsismauer  angeordnet;  im  Dome  zu  Limburg  a.  d. 
L.  nimmt  eine  solche  Nische  die  Mitte  des  Halbringes  der  Apsis  ein.  In 
der  Abteikirche  von  Alpirsbach  auf  dem  Schwarzwalde  ist  in  die  grosse 
massiv  ausgemauerte  Apsis  eine  kleine  rechteckige ,  wiederum  mit  einer 
Apsis  versehene  Kapelle  hineingebaut,  und  zu  beiden  Seiten  derselben 
rundet  sich  in  der  Ausmauerung  je  eine  kleine  Altarnische  aus.  —  Im 
Xm.  Jahrh.  gestaltet  sich  die  Apsis  häufig  als  ein  halbes  Achteck ,  im 
Innern  jedoch  zuweilen  mit  Beibehaltung  der  Halbkreisform.  —  Aeusserst 
selten  fehlt  der  Apsis  die  Halbkuppelwölbung :  in  dem  Kloster  Petersberg 
bei  Dachau  (in  Oberbayern)  hat  die  Altamische  eine  flache  Holzdecke 
wie  die  ganze  Kirche.  —  In  mehreren  Kapellen  (besonders  Burgkapellen, 
die  häufig  in  einem  oberen  Stockwerke  liegen ;  vergl.  S.  20) ,  erscheint 
die  Apsis  als  vorgekragter,  von  einer  Console  getragener  Erker :  auf  der 
Reichsfeste  Trifels  in  der  Rheinpfalz ,  an  der  Kapelle  zu  Heilsbronn  bei 
Nürnberg,  im  Saalhofe  zu  Frankfurt  a.  M.,  im  Schlachthause  zu  Cöln, 
an  einer  Domherrn -Curie  zu  Naumburg  a.  d.  S. ,  im  Kreuzgange  des 
Petersklosters  zu  Salzburg,  an  der  Rundkapelle  zu  Kuenring  in  Nieder- 
österreich (sämmtlich  aus  dem  XII — XIII.  Jahrh.) ,  an  der  Michaels- 
kapelle zu  Kiederich  im  Rheingau  aus  dem  XV.  Jahrhundert. 

Anmerkung.  Im  gothischen  Baustil  (seit  dem  XIII.  Jahrh.)  hört 
die  Apsis  auf  ein  organisch  gesondertes  Glied ,  eine  selbständige  Vorlage 
des  Altarhauses  zu  sein,  und  der  aus  dem  polygonischen  Schluss  der  Seiten- 
wände des  letzteren  sich  bildende  Altarraum  ist  lediglich  ein  integrirender 
Bestandtheil  des  hohen  Chores,  das  AUerheiligste  desselben. 

19.  Das  Altar  haus  enthält  in  dem  regelmässig  quadratischen 
Räume  an  beiden  Seiten  seiner  Langwände  die  Sitze  für  den  Chor 
der  Geistlichen  und  wird  deshalb*)  durch  Uebertragung  Chor 
(chorus),  wegen  seiner  erhöhten  Lage  auch  hoher  Chor,  oder  pres- 
hyterium  (d.  i.  Priesterraum),  auch  sanctuartum  (d.  i.  Heiligthum)  ge- 
nannt. Der  Chor,  welcher  sich  zuweilen  über  das  Altarhaus  hinaus 
weiter  westlich  auf  die  Vierung  ausdehnt ,  ist  von  der  übrigen  tiefer 
gelegenen  Kirche  durch  Schranken  [cancelli)  oder  eine  niedrige  Wand 


1)  A  coeta  canentiiun  derioorum.  Augusti,  Denkwürdigk.  11,  386.  — Das 
Wort  choros  {xoQog)  bedeutet  ursprünglich  Rundtanz,  Reigen,  dann  meton.  die  tan- 
zende u.  singende  Bchaar,  der  Chor.  Im  Deutschen  kommt  fOr  das  Presbyterium  der 
Kiiche  beides  vor:  der  Chor  und  das  Chor,  doch  ersteres  häufiger  und  schon  seit 
dem  XCI.  Jahrh.,  letzteres  seltener  u.  anscheinend  nicht  vor  dem  XVI.  Jahrhundert. 


38  Chor. 

getrennt,  an  der  Westseite  häufig  durch  einen  förmlichen  Querhau 
mit  einem  Lesepulte,  welcher  Lettner  [lectorium]  genannt  wird. 

Die  moderne,  von  Ferd.  v.  Quast  in  die  archäologische  Kunst- 
sprache zuerst  eingefahrte  Benennung  y^  Altarhaus  (a  beabsichtigt  lediglich 
die  präcise  Bezeichnung  des  betreffenden  Gebäudetheiles  und  ist  in  litur- 
gischer Hinsicht  keineswegs  immer  mit  »CAorn  identisch,  da  letzterer 
sich  häufig  nicht  auf  den  Raum  des  Altarhauses  beschränkt.  Im  Dome 
zu  Merseburg  (s.  den  Grundriss)  und  in  vielen  anderen  Kirchen  mit  einer 
zahlreichen  Geistlichkeit  ist  die  Vienmg  mit  zum  hohen  Chore  gezogen 
und  von  den  tiefer  liegenden  Kreuzarmen  durch  eine  Brüstungsmauer  ge- 
trennt ;  in  der  Stiftskirche  zu  Quedlinburg  und  im  Dome  zu  Speier  er- 
streckt sich  der  erhöhte  Raum  der  Oberkirche  selbst  über  das  ganze 
Querschiff,  in  Speier,  als  KOnigschor  mit  den  Kaisergräbem ,  sogar  bis 
weit  in  das  Mittelschiff  des  Langhauses.  Stets  aber  hat  der  im  Altar- 
hause selbst  belegene  Theil  des  Chores  eine  höhere  Würde  als  eigentliches 
Sanctuarium ;  er  bildet  den  Oberchor ,  dessen  Fussboden  um  eine  Stufe 
höher  liegt,  als  der  die  Vierung  einnehmende  Unterchor  fflr  die  niederen 
Cleriker.  Im  Merseburger  Dom  war  der  Oberchor  {chortu  primus)  im 
Altarhause  fOr  die  Stiftsherren  bestimmt,  der  Unterchor  in  der  Vierung 
für  die  Mönche  des  vorstädtischen  Petersklosters,  welche  gehalten  waren, 
an  gewissen  Festtagen  bei  dem  Gottesdienste  in  der  Kathedrale  mitzu- 
wirken,*) 

Während  in  älterer  Zeit  mit  seltenen  Ausnahmen')  das  Altarhaus 
stets  streng  quadratisch  entworfen  wurde,  band  man  sich  seit  dem  XTTT. 
Jahrh.  an  diese  Regel  nicht  mehr  und  erlaubte  sich  häufig  Abweichungen, 
sowohl  durch  Verkürzxmg  (Dome  zu  Münster  und  Limburg  a.  d.  L., 
Klosterkirche  zu  Zinna  etc.) ,  als  namentlich  durch  Verlängerung  des 
Quadrates,  welche  letztere  in  der  Zeit  des  gothischen  Stils  normal  wurde, 
obgleich  in  städtischen  Pfarrkirchen  (z.  B.  in  Magdeburg) ,  wo  oft  ein 
sehr  kurzer  Chorraiun  dem  BedOrlhisse  genügte ,  auch  Beispiele  von  Ver- 


L_ 


Fig.  10.  Kirche  «o  Twiite  (nach  der  Zeitachr.  (Ür  Bauwesen). 


kürzung  vorkommen.    Bei  Kirchen  in  der  Grundform  des  Kreuzes  gehört 
im  M.  A.  ein  gänzliches  Fehlen  des  Altarhauses,  so  dass  die  Apsis  an 

1)  N.  Mittheil,  des  Thttr.-Sächs.  Vereins.  VII.  3,  10. 

2)  Die  Klosterkirche  zu  Hersfeld  (s.  S.  45)  aus  dem  XI.  Jahrh.  hat  ein  weit 
flher  das  Quadrat  hinaus  verlängertes  Altarhaus. 


Lettner.  39 

der  Vierung  des  Querhauses  liegt,  und  die  Kirche  ein  T  bildet ,  wie  dies 
bei  der  ehemaligen  Palast-  (jetzt  evangel.)  Kirche  zu  Ingelheim  und  bei 
den  Kirchen  zu  Twiste  (im  Waldeckischen)  und  zu  Idensen  (zwischen 
Minden  und  Hannover)  der  Fall  ist,  wohl  zu  den  seltenen  Ausnahmen. 
—  Die  Erhöhung  des  Chorraumes  über  dem  Fussboden  der  übrigen 
Kirche  beträgt  zwar  oft,  und  namentlich  später,  nur  eine  oder  zwei  Stufen, 
ist  jedoch  zuweilen  sehr  bedeutend,  z.  B.  in  St.  Gereon  zu  Cöln  13,  in 
der  Stiftskirche  zu  Quedlinburg  16,  im  Dome  zu  Brandenburg  22  Stufen. 
Bei  einer  beträchtlichen  Erhöhung  des  Chores  lässt  sich  stets  auf  Vor- 
handensein einer  Krypta  (s.  Anmerk.  2)  unter  demselben  schliessen.  — 
Der  Schwibbogen,  welcher  das  Altarhaus  von  der  Vienmg  scheidet  und 
den  Eingang  in  das  Sanctuarium  bildet,  wird  Fronbogen  oder  Triumph- 
bogen [arcus  triumphalis)  genannt,  weil  er  mit  einer  Darstellung  des 
triumphirenden  Erlösers  geschmückt  zu  sein  pflegte. 

Anmerkung  1.  Statt  der  einfachen  Schranken  errichtete  man  in 
Stifts-  und  Klosterkirchen  zwischen  Chor  und  SchÜF,  anscheinend  jedoch 
nicht  vor  dem  XIIL  Jahrhundert,  quer  durch  die  Kirche  oft  eine  förmliche 
Emporkirche  aus  Stein  oder  Holz,  welche  mehr  oder  weniger  geräumig, 
durch  eine  enge  Wendelstiege  zugänglich  und  von  offenen  Bögen  getragen 


Fig.  11.  Lettner  im  Dom  lu  Halbentadt  (nach  Lucanua). 

oder  mit  Durchgängen  versehen ,  gewöhnlich  zur  Vorlesung  des  Evangeliums 
bestimmt  war  und  deshalb  Lettner  (as  lectorium  d.  i.  Lesepult)  genannt 
wurde.*)     Wo  dergleichen  Querbühnen  unter  dem  Namen  Odeum  oder 

])  Der  8.  g.  jüngere  Titurel  (um  1270}  sagt  in  seiner  phantastischen  Beschreibung 
des  Graltempels  (veigl.  Abhandlungen  der  philos.-philolog.  Klasse  der  Bayer.  Aka- 
demie der  WimenBchaften  Bd.  1)  Str.  69  u.  70  (S.  367)  vom  I^ettner: 

»Zwei  thür  viel  kostbare  in  den  chor  da  giengen. 

Dazwischen  ein  altare^  ausserhalb  darüber  kanzel  hiengen, 

Gewölbet  auf  zwei  spindelsäul  gestellet^ 

Die  spannenbreit  gereif  et,  daxwischen  je  mit  sondrer  kunst  ervollet. 

Gesitnset  und  gespinneli  waren  die  hanzel  alhtme. 

Viel  Schönheit  cb-auf  gezinnelt,  man  sah  in  all  der  lauben  bogel  krumme 

Zwölfboten,  beichter f  maide,  jxitriarchen, 

Märtyrer,  propheten,  ihr  bnefe  sagten  viel  der  materie  starken.* 
—  Ueber  den  Lettnerbau  des  Domes  zu  Königsberg  wurde  wesentlich  übereinstim- 
mend im  J.  1333  urkundlich  festgesetzt  (Gebseru.  Hagen,  der  Dom  zu  Königsb. 
I,  los  ff.),  dass  zwischen  Chor  und  Kirche  die  Zwischenmauer  nur  eine  Ruthe  hoch 
und  vier  Ziegel  dick  -werden  solle ;  dass  zwei  Thüren  durch  dieselbe  hindurch  von 
der  Kirche  in  den  Chor  hineinführen  und  zwischen  ihnen  ein  Altar  zu  errichten  sei, 
über  welchem  ein  Gewölbe,  von  Säulen  getragen,  eine  obere  Tribüne  bilden  solle  zur 
Verlesung  des  Evangeliums  und  zur  Aufstellung  der  Orgel  und  des  Predigtstuhles. 
Vergl.  V.  Quast,  Beitr.  zur  Gesch.  der  Baukunst  in  Preussen.  III.  S.  78. 


40  Krypta. 

Doxal  (nach  rheinischer  Mundart  Toxal),  wie  ehemals  zu  Maria  auf  dem 
Capitol  zu  Cöln,  oder  Singechor,  wie  im  Dom  und  in  4kr  Marienkirche 
zu  Lübeck,  vorkommen,  dienten  sie  auch  zur  Aufstellung  von  Sänger- 
chören,  welche  mit  Begleitung  einer  kleinen  Orgel  liturgische  Qesfinge 
(Doxologieen,  d.  i.  Lobpreisungen,  woher  der  Name  Doxal)  ausfOhrten.  — 
Zu  den  ältesten  Lettnern  in  Deutschland  gehören  der  spätromanische  in 
Maulbronn  und  vor  dem  Ostchor  des  Doms  zu  Naumburg ,  sowie  der  früh- 
gothische  vor  dem  Westchor  daselbst ;  die  grosse  Anzahl  der  übrigen  (Dome 
zu  Münster,  Magdeburg,  Halberstadt,  Stendal  etc.)  rührt  aus  dem  XV.  und 
XVI.  Jahrhundert  her  und  ist  im  spätest  gothischen  Stil  gewöhnlich  in 
reichem  bildnerischen  Schmuck  ausgeführt. 

Anmerkung  2.  In  der  alten  Kirche  war  es  Sitte,  das  heilige  Abend- 
mahl über  den  Gräbern  der  Märtyrer  zu  feiern  ;  es  befand  sich  daher,  worauf 
schon  die  Stelle  Apokal.  6,  9  hindeuten  könnte,  unter  dem  Hauptaltare  in 
der  Regel  ein  kleines  unterirdisches  Gewölbe  mit  dem  Grabe  eines  Märty- 
rers, oft  des  Titelheiligen  der  Kirche.  Aus  dieser  altchristlichen  Confessio 
[iesiimontum,  memoria) ,  in  welche  man  von  oben  auf  das  Grab  des  Blut- 
zeugen hineinschauen  konnte,  scheint  die  mittelalterliche  Krypta*)  hervor- 
gegangen zu  sein,  deren  weitere  Ausbildung  vorzugsweise  den  Ländern 
diesseits  der  Alpen  angehört,  und  die  sich  dadurch  von  einer  gewöhnlichen 
Todtengruft  unterscheidet,  dass  sie  einen  oder  mehrere  Altäre  enthält.  In 
der  alten,  im  J.  820  abgebrochenen  Klosterkirche  von  St.  Gallen  war  eine 
Krypta  unter  dem  Chore,  und  in  dessen  Fussboden  eine  Oeffnung  (fenesirä)^ 
durch  welche  eine  auf  dem  Altare  brennende  Lampe  ihr  Licht  auf  den  Altar 
der  Krypta  warf,  die  jedoch  das  Grab  des  heil.  Gallus  nicht  enthielt,  da 
dessen  Steinsarg  in  der  Apsis  der  Oberkirche  stand.  *)  Zwei  Fussboden- 
öifnungen  von  achteckiger  Form ,  durch  welche  Licht  in  die  Krypta  fällt, 
sind  auch  in  den  Seitentheilen  des  Chores  der  Münsterkirche  zu  Essen  (von 
1051)  angebracht  und  scheinen  ihr  Analogon  zu  finden  in  den  Fussboden- 
öffnungen  der  oben  (S.  20)  besprochenen  Doppelkapellen.  Beispiele  von 
Beerdigungen  in  den  Krypten  lassen  sich  aus  der  Frühzeit  mehrfach  nach- 
weisen, ebenso  Stiftungen  von  Seelenmessen  an  den  Altären  derselben,  und 
der  bei  den  Altären  in  den  beiden  Krypten  des  ersten  Domes  zu  Brixen 
angestellte  Priester  wird  im  XI.  Jahrh.  als  »custos  sepulc/iria  eines  verstor- 
benen Bischofs  bezeichnet') :  man  ist  daher  wohl  zu  der  Annahme  berech- 
tigt, dass  die  Krypten  dem  Dienste  der  Todten  ausschliesslich  gewidmet 
waren ,  wobei  nur  die  spätere  allgemeine  Vernachlässigung  dieser  unterir- 
dischen Kapellen  auffallen  muss ,  wofür  man  bis  jetzt  keine  andere  Erklä- 
rung hat,   als  dass  die  dunkelen  Räume  derselben  seit  dem  XIII.  Jahrh. 


1)  lieber  Zweck  und  Bestimmung  der  Krypten:  C.  Haas  in:  Mittelalterliche 
Kunstdenkm.  des  Oesterreich.  Kaiserstaates.  2,  161  f . ;  doch  bleibt  Kugle  r 's  Be- 
merkung (Kl.  Schriften  2,  614)  über  den  geringen  Grad  von  grandlicher  Erkennt- 
niss  dieses  bis  jetzt  nur  durch  Vermuthungen  beleuchteten  Gegenstandes  auch  jetzt 
noch  wahr. 

2)  Vergl.  Keller,  Bauriss  des  Klosters  St.  Gallen.  S.  9. 

3)  Vergl.  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission.   1861.  6,  72. 


Krypta. 


41 


dem  christlichen  Zeitgeiste  nicht  mehr  entsprachen. ')  Die  Cisterzienser,  in 
ihrer  Abneigung  gQgen  alles  Entbehrliche,  scheinen  zuerst  die  Erbauung 
von  Krypten  aufgegeben  zu  haben. 


Fig.  1 2.  Krypta  unter  dem  Dom 
lu  Merseburg.  *) 

*)  Vergl.  den  Grundriss  der  oberen  Kirche  S.  35. 


Fig.  \'^.    KrypU  xu  Jericho w  (nach  r.  Minutoli). 


Die  Krypta  liegt  unter  dem  erhöhten  Chorraum*),  je  nach  örtlichen 
Verhältnissen  mehr  oder  weniger  tief  in  der  Erde ;  die  ebenerdige  Lage  in 
der  Stiftskirche  zu  Quedlinburg  ist  eine  Ausnahme  und  hatte  die  bedeutende 
Erhöhung  des  Chores  (s.  oben  S.  39)  zur  noth wendigen  Folge.  Die  Be- 
leuchtung der  tief  gelegenen  Krypten,  die  oft  nur  ein  kleines  Fenster  in  der 
Apsis  haben,  ist  spärlich  ;  jedoch  empfing  die  Krypta  unter  der  Klosterkirche 
zu  Hersfeld  durch  25  kleine  Fenster  reichliches  Licht,  und  auch  die  sich 
zugleich  unter  dem  Querhause  erstreckende  weiträumige  Krypta  des  Domes 
zu  Speier  hatte  ursprünglich  18  Fenster.  Der  Zugang  zur  Krypta  pflegt  in 
der  Mitte  der  auf  den  Chor  fahrenden  beiden  Treppen ,  oder  wenn  nur  eine 
Treppe  quer  über  die  ganze  Breite  der  Kirche  auf  den  Chor  führt ,  in  den 
Kreuzarmen  oder  Seitenschiffen  angebracht  zu  sein.  Die  Decke  ist  stets 
gewölbt ,  \md  die  Wölbung  wird  von  zwei  Reihen  Säulen  oder  Pfeiler  ge- 
'tragen,  die  das  Innere  in  drei  Schiffe  von  gleicher  Breite  theilen;  die 
Krypta  unter  der  E^osterkirche  zu  Jerichow  indess  hat  nur  eine  mittlere 
Säulenreihe,  und  ist  daher  zweischiffig.  Als  häuflg  wiederkehrende  Ein- 
richtung kann  die  Anordnung  einer  rings  an  den  Wänden  umlaufenden, 
stufenartigen  Steinbank  angeführt  werden. 

Seit  dem  XIII.  Jahrb.  wurden  Krypten  nicht  mehr  angelegt,  kommen 


J)  Man  pflegt  dafür  folgende  Stelle  des  jüngeren  Titurel  Str.  S4  (a.  a.  O.  S.  374) 
anzuführen : 

»Ob  da  war  iht grüßte f 

NetHt  Herre  Gott,  enweUe, 

Dass  unter  erden  schluffle 

Reine  diet  sich  jemer  Jalech  geselle, 

Ms  etswenn  in  antfften  sich  gesammet. 

Man  soll  an  lichter  toeite 

Christen-glauben  künden  und  Christtts-ammet,« 
2)  Die  Anlage  einer  Krypta  an  anderer  Stelle  der  Kirche ,  z.  B.  in  St.  Caecilia 
zu  CöLn  und  im  Dome  zu  Krakau  am  Westende ,  ist  seltene  Ausnahme ,  und  die  An- 
ordnung zweier  Krypten  findet  sich  häufig  in  den  doppelchörigen  Kirchen ;  vergl. 
Anmerkung  3. 


42  Doppelchöre. 

aber  bis  zur  gedachten  Zeit  unter  den  meisten  grösseren  Kirchen  vor :  die 
kleinste  und  vielleicht  älteste  von  allen  ist  wohl  der  sogenaflbte  Altarkeller 
im  Wipertikloster  vor  Quedlinburg ,  die  grosseste  die  unt^r  dem  Dome  zu 
Speier  und  die  merkwürdigste  die  Krypta  von  hundert  Säulen  unter  der 
Kathedrale  von  Gurk  in  Steiermark.  M 


Fig.  14.  Krypta  zu  Gurk  (nach  v.  Quast). 

Anmerkung  3.  Besondere  Aufmerksamkeit  verdienen  die  sogenann- 
ten doppelchörigen  Kirchen*),  die  in  Deutschland,  wo  sie  ausser 
wenigen  Beispielen  in  Frankreich  (die  Kathedralen  zu  Nevers ,  Verdun  und 
Besan9on)  und  England  allein  vorkommen,  vom  IX.  bis  zum  XII.  Jahrh.  so 
beliebt  waren,  dass  man  diese  Anlage  fdr  jene  Zeit  bei  grosseren  Kirchen 
geradezu  als  Norm  bezeichnen  darf.  Sie  sind  stets  zwei  besonderen  Titel- 
heiligen gewidmet  und  stellen  sich  als  zwei  Kirchen  mit  einem  gemein- 
schaftlichen Langhause  dar,  von  denen  die  eine  das  Sanctuarium  (mit  oder 
ohne  Apsis,  und  mit  oder  ohne  Krypta)  am  Ostlichen  Ende  hat ,  die  andere 
am  westlichen,  so  dass  ihre  Einrichtung  gewissermaassen  als  Vermittelung  er- 
scheint zwischen  dem  oben  (S.  11)  erwähnten  alten  Schwanken  in  der  Auf- 
stellung des  Hochaltares ,  ob  in  Osten  oder  in  Westen.  Gewöhnlich,  aber 
nicht  immer,  ist  der  Ostliche  Chor  der  Hauptchor,  welcher  als  solcher  schon 
durch  die  Anordnung  des  QuerschiiSes  vor  demselben  (im  Dome  zu,  Bamberg 
z.  B.  aber  vor  dem  Westchore  St.  Petri,  als  ursprünglichem  Hauptchor*)) 


1 )  Die  sich  hin  und  wieder  vorfindenden  unterirdiBchen  Kapellen  aus  späterer 
Zeit,  2.  B.  unter  der  Petri-Paulikirche  zu  Görlitz  aus  dem  XV.  Jahrb.,  können  nicht 
als  eigentliche  Krypten  zfihlen.  Auch  bleibt  es  unentschieden ,  ob  in  den  im  allge- 
meinen sehr  selten  vorkommenden  zweistöckigen  Kirchen  (z.  B.  Neuweiler  im  Elsas», 
Kloster  Göllingen  in  Thüringen,  heil.  Kreuzkirche  zu  Breslau)  das  Erdgesohoss  die 
Bestimmung  als  Krypta  gehabt  haben  mag.  Besonders  merkwürdig  ist  die  Salvator- 
kirche  in  Passau,  welche  aus  drei  über  einander  liegenden  Räumen  besteht. 

2)  Eine  kritische  Zusammenstellimg  der  verschiedenen  Ansichten  über  den 
Zweck  der  Westchöre:  Otte,  Gesch.  der  deutschen  Baukimst  S.  273;  ein  Beispiel 
aus  der  alten  nordafrikanischen  Kirche  des  V.  Jahrb.,  die  Basilika  des  Keparatus  zu 
OrleansviUe,  wo  das  Grab  eines  Bischofs  die  Veranlassung  zum  Einbau  einer  westli- 
chen Concha  gab,  s.  ebd.  S.  33,  und  ein  Beispiel  des  VII.  Jahrh.  in  England,  die 
Kirche  zu  Abbendon,  ebd.  S.  143.  Vergl.  auch  Roisin,  Ferd.  de,  la  Cath^drale  de 
Treves  (Paris  I80I)  p.  53  sq. 

3)  Qiesebrecht,W.,  Gesch.  der  deutschen  Kaiserseit.  2,  61  u.  580.  —  Auch 
in  den  doppelchörigen  Kirchen  St.  Emeram  und  Obermünster,  sowie  in  der  Schotten- 
kirche St.  Jakob  zu  Regensburg  liegt  das  QuerschifT  in  Westen. 


Doppelchöre. 


43 


bezeichnet  wird,  wenn  nicht  (wie  in  St.  Michael  zu  Hildesheim]  zwei  Quer- 
schiffe  beliebt  sind. 

Den  Ursprung  der  Westchöre  in  Deutschland  hat  man  in  dem  von 
Bonifacius  gegründeten  Kloster  Fulda  zu  suchen.  Die  erste ,  dem  Salvator 
gewidmet«  Kirche  war  unter  dem  ersten  Abte  Sturm  zwar  vollendet  worden, 
indess  Baugolf,  der  zweite  Abt,  erweiterte  den  Bau  durch  Errichtung  eines 
Tempels  an  der  Ostseite  mit  Hilfe  des  baukundigen  Ratger ,  und  letzterer, 
selbst  Abt  seit  803,  fögte  einen  ähnlichen  grossartigen  Bau  an  der  West- 
seite hinzu,  so  dass  das  Ganze  eine  Kirche  bildete ;  der  folgende  Abt  Eigil 
legte  darin  zwei  Krypten  an,  die  eine  im  westlichen,  die  andere  im  östlichen 
Bau,  und  bei  der  neuen  Weihe  des  Ganzen  819  wurden  die  Gebeine  des 
Bonifacius  in  den  westlichen  Bau  übertragen.  *)  Bei  der  hohen  Verehrung, 
deren  dieses  Grab  genoss ,  erlangte  der  Westchor  den  höheren  Rang  und 
wurde  bei  dem  letzten  Neubau  des  Domes  zu  Anfang  des  XVIII.  Jahrh. 
allein  erneuert.     Das  nächste  Beispiel   liefert   der  Bauplan    des  Klosters 


Fig.  15.  Kirche  von  8t.  Oallpn  (nach  dem  BanriM  Tom  J.  820). 


St.  Gallen  vom  J.  820  (s.  oben  S.  28),  wo  die  Kirche  bereits  mit  zwei  Chören 
entworfen  ist.  Der  östliche  Chor  »sancia  sanclorumn  stufenerhöht,  mit 
einer  Krypta  unter  und  dem  Querschiffe  vor  demselben,  enthält  in  der  Mitte 
über  dem  Grabe  des  heil.  Gallus  einen  diesem  und  der  Jungfrau  Maria  ge- 
widmeten Altar  und  in  der  Exedra  (Apsis)  einen  Altar  des  Ap.  Paulus, 
welcher  der  Titelheilige  der  bis  dahin  bestandenen  Klosterkirche  gewesen 
war ;  der  westliche  Chor  »  cAorus  «  erscheint  untergeordnet,  ohne  Krypta  und 
deshalb  nicht  erhöht,  und  in  der  Exedra  steht  ein  Altar  des  heil.  Petrus, 
dem  jene  Kapelle  gewidmet  gewesen  war,  rings  um  welche  der  heil.  Gallus 
die  ersten  Zellen  zweihundert  Jahr  früher  errichtet  hatte.  *)  So  vereinigte 
die  neuprojectirte  Kirche  die  beiden  früheren  HeiHgthümer  des  Klosters 
unter  einem  Dache  und  repräsentirte  dieselben  in  den  beiden  Chören. 
Gleichzeitig  wurde  zu  Cöln  ein  neuer  Dom ,  und  nicht  auf  der  Stelle  des 
früheren,  mit  zwei  Chören  erbaut,  von  denen  der  östliche  dem  heil.  Petrus 
(vielleicht  als  Patron  der  bisherigen  bischöflichen  Kirche),  der  westliche  der 
heil.  Maria  geweiht  war')  —  Im  X.  Jahrh.  wurde  der  Bischofssitz  in  Sähen, 
dessen  Patron  der  heil.  Ingenuin  war,  nach  Brixen  verlegt,  und  der  daselbst 


1)  Rettberg,  F.,  Kirchengeschichte  Deutschlands.  1,  625. 

2)  Otte,  a.  s.  O.  8.  94  f.  3)  Ebd.  S.  92. 


44 


Doppelchöre. 


neu  errichtete  doppelchOrige  Dom  dem  genannten  Heiligen  und  dem  ur- 
sprünglichen Brixener  Patrone  Petrus  dedicirt*),  und  dieselbe  Veranlassung 
zur  Errichtung  eines  Westchores  mag  sich  öfter  gefunden  haben,  wo 
Bischofssitze  verlegt  wurden  (wie  der  von  Zeitz  nach  Naimiburg  im  XI. 
Jahrh.),  oder  wo  neue  Stiftungen  bei  bereits  vorhandenen  älteren  Kirchen 
stattfanden  und  dies  Anlass  zu  einem  Neubaue  gab.  So  erklärt  es  sich 
auch,  dass  in  vielen  Fällen  der  Ostchor  dem  Stifte,  der  Westchor  der  Pfarr- 
gemeinde überwiesen  wurde ,  das  Gebäude  also  zwei  Kirchen  in  sich  ver- 
einte. Dabei  soll  übrigens  nicht  in  Abrede  gestellt  werden,  dass,  nachdem 
das  aufwändige  doppelchOrige  Schema  erst  einmal  aufgekommen  war,  die 
grosse  Baulust  der  Prälaten  des  XI.  Jahrh.  sich  in  der  Nachahmung  dessel- 
ben gefiel ,  und  die  Anlage  eines  westlichen  Chores ,  als  besonders  ausge- 
zeichneter Kapelle  zu  Ehren  irgend  eines  beliebten  Heiligen,  willkommen 
erschien. 


^r      y       *f     Je      f^jf     i^     ^f    ffp     ^     jfs^ 
Fig.  16.  Dom  lu  Bamberg  (nach  Landgraf). 

DoppelchOrige  Kirchen :  Ehemalige  Klosterkirche  in  Fulda ,  Plan  von 
St.  Gallen,  ehemaliger  Dom  in  Cöln,  Dome  zu  Verdun  (ursprünglich)  und 
Trier ,  Dom  und  St.  Stephan  zu  Mainz,  Dom  zu  Worms,  Münster  in  Bonn, 
Abteikirche  zu  Laach ,  Stiftskirche  zu  Knechtsteden ,  heil.  Kreuzkirche  zu 
Lüttich,  Dom  zu  Basel  (ehemals) ,  Kirchen  zu  Mittelzell,  OberzeU  und  Unter- 
zell  auf  Reichenau ,  St.  Emeram  und  Obermünster  in  Regensburg ,  Kirche 
zu  Nabburg ,  Dome  zu  Brixen  (ehemals) ,  Augsburg ,  Eichstädt ,  Bamberg, 
St.  Jacob  in  Rothenburg  a.  d.  T. ,  Sebaldskirche  in  Nürnberg,  Abteikirche 
zu  Hersfeld ,  Dom  zu  Naumburg ,  Klosterkirchen  zu  Gemrode ,  Drübeck, 
Huyseburg,  St.  Michael  und  St.  Godehard  in  Hildesheim,  Dome  zu  Bremen 
und  Münster,  Münsterkirche  in  Essen.  —  Die  späteste  Anlage  dieser  Art 
ist  der  im  XV.  Jahrh.  errichtete  Westchor  der  Katharinenkirche  zu  Oppen- 
heim ,  deren  älterer  Bau  einen  solchen  nicht  gehabt  zu  haben  scheint. 

20.  Das  Querhaus  ist  derjenige  Theil  des  Kirchengebäudes, 
welcher  demselben  die  Kreuzgestalt  verleiht  und  wird  deshalb  auch 
das  Kreuz  genannt :  es  besteht  aus  dem  Kreuzmittel  [meditullium] 
und  den  beiden  Kreuzarmen    [plaga    septentrionalis   und  plaga 

1)  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission.   1S61.  6,  71. 


Querhaus. 


45 


attstralü)  und  bildet^  wenn  der  hohe  Chor  auf  das  Altarhaus  be- 
schränkt ist,  innerlich  einen  freien  Raum,  das  Querschiff  [transen- 
na) ;  andernfalls,  wenn  das  Kreuzmittel  zum  hohen  Chore  gezogen 
und  von  Scheidewänden  abgeschlossen  ist  (wie  im  Dom  zu  Merseburg, 
s.  den  Grundriss  S.  35),  erscheinen  die  Kreuzarme  [transeptä)  als  ab- 
gesonderte Seiteukapellen. 

In  der  alten  Kirche ,  welche  nur  die  Apsis  nicht  aber  das  spätere 
Altarhaus  kannte ,  lag  das  von  Schranken  umzogene  Allerheiligste ,  mit 
dem  Altar  m  der  Mitte,  am  Ende  des  Langhauses ,  und  die  beiden  rechts 
und  links  von  den  Schranken  befindhchen  Räume  [transepUt)  waren  far 
besonders  geehrte  Gemeindeglieder  bestimmt:  der  südliche  {senatorium) 
für  die  obrigkeitlichen  Personen,  der  nördliche  [tnatronaeum]  für  die 
Matronen.  Aus  dieser  Anordnung  ging  dann  anscheinend  nicht  ohne 
Einfluss  der  Symbolik  (s.  oben  S.  16)  das  Querhaus  der  Kirche  hervor, 
welches  indess  Anfangs  nur  über  die  Breite  des  Langhauses  reichte  und 
der  späteren  über  dieselbe  hinaustretenden  Vorlagen  entbehrte,  doch 
fehlen  letztere  auch  im  M.  A.  zuweilen  ,  z.  B.  an  der  Stiftskirche  zu 
Gemrode,  wo  das  Querhaus  nur  vim  eine  Mauerdicke  über  das  Langhaus 
vortritt ,  oder  an  den  Domen  zu  Gurk  und  Regensburg ,  wo  es  mit  den 
Seiten  wänden  des  Langhauses  in  derselben  Flucht  liegt.  Normal  besteht 
das  Querschiff  aus  drei  Quadraten,  welche  durch  hohe  Gurtbögen  von 
einander  geschieden  werden,  und  das  Vortreten  der  Kreuzflügel  über  das 
Langhaus  beträgt  Ve  der  ganzen  Länge  des  Querhauses ;  es  vermindert 
sich,  wenn  die  Seitenschiffe  des  Langhauses  breiter,  und  vergrösser t  sich, 
wenn  sie  schmaler  angenommen  sind,  als  die  Regel  mit  sich  bringt.    Das 


I  ii  I  I  I 


_l  U0PSh^ 


Fif.  17.  GrundriM  der  Kloetorkirche  lu  Herafeld  (nach  r.  Qowt). 


Maximum  in  der  räumlichen  Abmessung  zeigt  das  Querhaus  der  Kloster- 
kirche zu  Hersfeld  und  zwar  innerlich  um  so  wirkungsvoller ,  als  hier  die 
bei  einer  Kirche  mit  flacher  Holzdecke  nicht  constnictiv  nothwendigen 
trennenden  Gurtbögen  weggelassen  sind  (was  öfter  vorkommt  z.  B.  in 
den  Stiftskirchen  zu  Gernrode  und  Quedlinburg ,   in  der  Klosterkirche  zu 


46  Qu^rhau8. 

Frose  und  in  der  Neumarktskirche  zu  Merseburg  etc.)  ^  und  das  Guize 
also  ein  völlig  freies  Schiff  bildet.  —  Die  Anordnung  zweier  Seitenschiffe 
an  der  östlichen  und  westlichen  Seite  des  Querhauses  im  Dome  zu  Cöln 
und  in  der  Marienkirche  zu  Danzig  (wo  jedoch  dem  nördlichen  Flügel 
das  östliche  Seitenschiff  fehlt)  verstärkt  die  Wirkung  dieser  grossartigen 
Gebäude.  Häufiger  kommt  nur  ein  Seitenschiff,  und  zwar  an  der  Ostseite 
der  Kreuzarme  vor,  z.  B.  am  Dome  zu  Stendal  und  besonders  bei  den 
Cisterziensem) ,  welches  jedoch  gewöhnlich  durch  eine  Scheidewand 
innerlich  in  zwei  Kapellen  getheilt  ist.  —  Die  apsidenförmige  Büdung 
der  beiden  Fronten  des  Querhauses  im  Halbrund  oder  Halbpolygon ,  die 
s.  g.  Drei  -  Conchenanlage ,  ist  nach  dem  Muster  der  Elirche  Maria  auf 
dem  Capitol  in  Cöln  in  dieser  Stadt  und  am  ganzen  Niederrhein  bis  ins 
XIII.  Jahrh.  beliebt,  und  findet  sich  unabhängig  von  diesem  Locale  auch 
an  der  Elisabethkirche  in  Marburg  und  an  dei  heil.  Kreuzkirche  zu  Bres- 
lau in  Polygonschlüssen. 


Fig.  18.  St.  Maria  auf  dem  Capitol  in  Cöln  (nach  Boisscrie). 


Das  Querhaus  ist  kein  unentbehrlicher  Theil  der  Kirche,  weshalb 
es  bei  den  (einschiffigen)  Landkirchen  wegbleiben  durfte  und  hier  nur 
ausnahmsweise  vorkommt,  z.  B.  zu  Grossen  -  Linden  bei  Giessen ,  zu 
Wiesenburg  bei  Beizig,  mehrfach  in  Böhmen  (Hostivar,  Tismitz,  St. 
Jakob  bei  Kuttenbergj  und  in  westfälischen  Nonnenklöstern  (Vreden, 
Asbeck ,  Oesede ,  Fröndenberg) ;  in  Süddeutschland  indess  sind  Kreuz- 
kirchen die  Ausnahme,  imd  das  Fehlen  des  Querhauses  bildet  schon  in 
älterer  Zeit  auch  bei  grösseren  Kirchen  die  Regel :  Dom  zu  Gurk  (nach 
ursprünglichem  Plane) ,  Michaeliskirche  zu  Altenstadt  bei  Schongau, 
Stiftskirche  zu  Ilmmünstera.  d.  Dm,  Klosterkirche  zu  Thierhaupten  etc. 
Wie   bereite    oben    S.    16    bemerkt,    fand    die   Kreuzform    der  Kirchen 


Nebentribunen. 


47 


seit  etwa  der  zweiten  H&lfte  des  XHI.  Jabrh.  bei  neuen  Anlagen  über- 
haupt nur  noch  seltene  Anwendung. 


Fi^.  19.  Dom  lu  Gurk  (nach  v.  Quast). 

Die  zuweilen  vorkommende  Anlage  zweier  Querhäuser,  eines  vor 
dem  Ostlichen,  das  andere  vor  dem  westlichen  Altarhause  (Michaeliskirche 
in  Hildesheim,  Abteikirche  zu  Laach,  Dom  zu  Münster)  erklärt  sich  aus 
der  doppelchörigen  Anlage  der  betreffenden  Kirchen  (s.  oben  S.  42  An- 
merk.  3),  sowie  die  Anordnung  nur  eines  Querhauses,  aber  vor  dem 
Westchore  (s.  oben  ebd.]  daraus,  dass  dieser  ursprünglich  der  Haupt- 
chor gewesen  sein  wird. 

Anmerkung.  An  der  Ostseite  des  Querschiffs  finden  sich  in  man- 
chen Gegenden  Deutschlands  fast  regelmässig  (etwa  bis  zur  Mitte  des  XIII. 
Jahrh.)  als  passender  Abschluss  der  Seitenschiffe  des  Langhauses  zwei 
kleine  Nebentribunen  {concAulae,  apsidiolae;  vergl.  den  Grundriss  des 
Domes  zu  Merseburg  S.  35  unter  z) ,  welche  zwar  eigentlich  im  Oriente 
heimisch  sind,  aber  doch  auch  schon  an  der  Kirche  des  Paulinus  von  Nola 
im  Y.  Jahrh.  vorkommen. ')     Sie  dienen  in  den  mittelalterlichen   Kirchen 


Fig.  20.  Kloaterkirche  la  Paulinxelle  (nach  Puttrich). 

Deutschlands  zur  Aufstellung  von  Altären,  werden  auch  in  verdoppelter 
Zahl  (Paulinzelle ,  Königslutter,  Sangerhausen)  und  mit  Vorlegung  von 
viereckigen  Räumen  (häufig  bei  den  Cisterziensem ,  paarweise  und  seiten- 
schiffartig die  ganze  Breite  der  Kreuzvorlage  einnehmend:  Zinna,  Loc- 
cum  etc.)  als  vier  abgesonderte  Kapellen  angebracht.  —  In  den  Domen  zu 

1}   Paulin.  ep.  32  ad  Severum  n.  13:  cum  duabus  dextra  laeraque  conchulis 
.  .  .  apBiB  .  .  .  laxetur ;  una  earum  immolanti  hostias  jubilationis  antistiti  patet,  altera 


48  Langhaus. 

Magdeburg  und  Speier  finden  sich  die  Nebenapsiden  als  Eintiefungen  in 
der  geraden  Östlichen  Schlusswand  der  Kreuzvorlagen.  —  In  gothischen 
Kirchen  erscheinen  die  früheren  Conchulae  [z.  B.  am  Dom  zu  Regens- 
burg etc. )  als  polygonisch  geschlossene  Nebenchöre,  die  zuweilen  dem 
Hauptchore  nicht  parallel ,  sondern  schräg  nach  aussen  tretend  angeordnet 
sind  ', Stadtkirche  zu  Ahrweiler;  am  Dome  zu  Xanten  den  verdoppelten 
Seitenschiffen  entsprechend  zu  zweien  auf  jeder  Seite] . 

21.  Das  Langhaus  [exterior  domus) ,  d.h.  das  Schiff  {navts 
—  also  benannt  von  der  länglichen  Gestalt)  mit  seinen  Seiten- 
schiffen [Ahaeiten,  portictis,  latera]  ist  als  der  weiteste  Raum  der 
Kirche  fiir  die  Gemeinde  bestimmt^  wobei  nach  alter  Sitte  eine  Tren- 
nung der  Geschlechter  statt  fand  y  so  dass  entweder  die  Männer  die 
Südseite^  die  Frauen  die  Nordseite  einnahmen^  oder  die  Männer 
vorn,  die  Frauen  hinten  standen.  *) 

Die  Bezeichnung  des  Langhauses  als  »exterior  domusfn  findet  sich 
bei  Sidonvis  Apollinarü  (f  482),  ep.  4,  18.*)  — Dass  der  Name  Schiff 
(tfcivgj  navis),  auf  das  Kirchengebäude  angewandt,  sich  zunächst  auf  die 
längliche  Form  bezieht,  geht  aus  Const.  apostol.  2,  57  (s.  oben  S.  15 
zu  8.  14)  deutlich  hervor:  die  symbolische  Beziehung  wird  erst  an  die 
Schiffgestalt  angeknüpft. 

Das  Schiff  hat  normal  die  dreifache  Länge  des  Aharhauses,  welches 
am  Dome  zu  Merseburg  (s.  den  Grundriss  S.  35)  innegehaltene  Ver- 
hältniss  im  Allgemeinen  bis  ins  XIII.  Jahrh.  als  Regel  galt.  Verkürzun- 
gen gegen  dieses  Normalmaass  kommen  nur  bei  kleineren  Kirchen  vor, 
Verlängerungen  sind  dagegen  häufiger;  die  langgestrecktesten  Maa.sse 
finden  sich  in  einigen  Kirchen  der  Cisterzienser,  z.  B.  zu  Pforta  und 
Chorin,  wo  das  Schiff  die  übermässige  Länge  von  5  bis  6  Einheiten  hat. 
Bei  allen  diesen  Maass Verhältnissen  ist  jedoch  die  mittelalterliche  Sorglo- 
sigkeit in  solchen  Dingen  (S.  29.  Anmerk.  3)  stets  in  Anschlag  zu  brin- 
gen. —  Die  Seitenschiffe  haben  zwar  gewöhnlich  die  halbe  Breite  des 
Hauptschiffes  (Plan  von  St.  Gallen ,  Dome  zu  Mainz ,  Halberstadt ,  Mer- 
seburg ,  Meissen ,  Verden) ,  indessen  sind  sie ,  namentlich  in  Kloster- 
kii-chen,  zuweilen  auch  schmaler  als  die  Hälfte,  häufiger  jedoch  breiter ;  in 
einzelnen  Fällen  sind  die  drei  Schiffe  nicht  bloss  von  gleicher  Breite  unter 

post  sacrificium ,  capaci  sinu  receptat  orantes.  —  Die  conchula  a  dextra  apsidis  (die 
orientalische  7Tq6^(Gis)  beschreibt  er  (Poem.  27  v.  180  sqq.)  also: 

Hie  locus  est  veneranda  penus,  qua  conditur,  et  qua 
Promitur  alma  sacri  pompa  ministerii. 
Die  conchula  a  sinistra  apsidis  (das  Siaxovtxov)  mit  der  Ueberschrift : 

Si  quem  sancta  tenet  meditandi  in  lege  voluntas, 

Hie  poterit  residens  sanctis  intendere  libris. 
Vergl.  Rheinwald,  Archäologie.  S.  137. 

1)  Durand,  Rationale  I,  1  n.  46:  Masculi  in  australi,  foeminae  autem  in 
boreali  parte  manent.  —  n.  47:  Secundum  alios  vero  viri  in  parte  anteriori,  mulierea 
in  posteriori  parte  manent.  —  Da  die  Cisterzienserkirchen  von  keiner  Frau  betreten 
werden  durften,  so  wurde  häufig  in  einiger  Entfernung  von  denselben  eine  besondere 
Kapelle  für  das  weibliche  Geschlecht  angelegt.  Vergl.  Kl  öden,  C.  F.,  Zur  Gesch. 
der  Marienverehrung  in  der  Mark  Brandenburg.  S.  36. 

2)  Vergl.  Mone,  in  der  Zeitschr.  für  die  Gesch.  des  Oberrheins.  VIIL  4,  424. 


Hauptschiff  und  Seitenschiffe. 


49 


einander ,    sondern 

die 

5  Neben«chiffe   übertreffen   selbst   die  Brei 

Hauptschiffes. 

Verhältniss     der    Breite    des     H 

aupti 

Schiffes    zu 

Seitenschiffen 

'} 

Dom 

in 

Bamberg 

47 

:       26  (27). 

Basel 

43 

:        18. 

Brandenburg 

45 

14. 

Erfurt 

11 

.       13. 

Freiburg 

19 

:       15. 

Lübeck 

180 

:       98  (87). 

Magdeburg 

4 

:         3. 

Paderborn 

82 

:       50  (55). 

Regensburg 

486 

:     349. 

Soest 

34 

13. 

Speier 

44 

25. 

Strassburg 

7 

4. 

Trier 

58 

:       33. 

Wien  (ungeföhr) 

1 

1. 

Klosterkirche 

in 

Berlin 

58 

•       39. 

Minoriten  in  Cöln 

64 

29. 

in 

Echtemach 

131 

:       57  (62). 

Otterberg 

34 

:       12(15). 

St. 

Mich,  in  Hildesheim 

6 

5. 

in 

Huyseburg 

50 

17. 

Jerichow 

32 

15(14). 

Limburg  a.  d.  H. 

77 

40. 

Memleben 

2817 

1517  (1458) 

Petersberg  b.  Halle 

25 

17  (16). 

Pforte 

177 

:       83  (99). 

Riddagshausen 

68 

21. 

Zinna 

79 

30. 

Marienkirche 

in 

Arnstedt 

28  . 

13. 

Danzig 

68  : 

57. 

Dortmund  (etwa) 

3 

2. 

Lübeck 

99  : 

64. 

Stiftskirche 

in 

Gemrode 

7  : 

4. 

St. 

Georg  in  Prag 

22 

9  (7). 

in 

Quedlinburg 

33  : 

16. 

Aegidienkirche 

in 

Braunschweig 

72 

42  (45). 

Andreaskirche 

in 

« 

45  : 

49. 

Katharinenkirche 

in 

«           (ungefähr)     1  : 

1. 

Martinikirche 

in 

« 

239  : 

249  (240). 

Reinoldikirche 

in 

Dortmund  (etwa) 

3  : 

2. 

Kirche 

in 

Adorf 

16  : 

5. 

Brenken 

3  : 

1. 

Merzig 

23  : 

13. 

Salzkotten 

20  : 

7. 

1 }  Die  eingeklammerten  Zahlen  bezeichnen  das  südliche  Seitenschiff. 
0 1 1  e  I  Kunst- Archäologe.  4 


50  Seitenschiffe.    Chorumgang. 

Die  vorstehenden  Beispiele  zeigen,  dass  in  mehreren  Fällen  die 
.  Seitenschiffe  auch  unter  sich  von  ungleicher  Breite  sind ,  was  entweder, 
wie  z.  B.  in  Pforta,  auf  localen  Umständen  (Umbau  einer  vorhandenen 
älteren  Kirche)  oder  lediglich  auf  der  mittelalterlichen  Gleichgütigkeit 
gegen  dergleichen  Unregelmässigkeiten  beruht.  Am  stärksten  ist  jedoch 
gegen  alles  Ebenmaass  gesündigt  in  der  Katharinenkirche  zu  Lübeck,  wo 
das  nördliche  Seitenschiff,  in  Westen  spitz  zulaufend,  die  Grundform 
eines  Dreiecks  hat.  —  Das  Minimum  für  die  Breite  der  Seitenschiffe  be- 
trägt etwa  Ys  der  Breite  des  Mittelschiffs  und  kommt  ausser  in  St.  Georg 
zu  Prag  und  zu  Riddagshausen  bei  Braunschweig  namentlich  in  Westfalen 
(Brenken  bei  Paderborn  und  Salzkotten)  und  im  Waldeckischen  in  den 
kleinen  Kirchen  zu  Adorf,  Flechtdorf  und  Twiste  vor. 

Die  Seitenschiffe  haben  die  Länge  des  Hauptschiffes  und  laufen 
durch  einen  offenen  Bogen  in  das  Querschiff  aus ;  in  Kirchen  ohne  Quer- 
haus schneiden  sie  entweder  mit  geradliniger  Ostwand  ab  (Franziscaner- 
kirchen  zu  Soest,  Berlin,  Jüterbog  etc. ) ,  so  dass  sich  jenseits  der  Chor 
einschiffig  fortsetzt,  oder  das  ganze  Gebäude  bildet  drei  Schiffe  von 
gleicher  Länge  (wobei  sich  in  Kreuzkirchen  die  Abseiten  jenseits  des 
Querhauses  neben  dem  Chore  fortsetzen :  Ulrichskirche  zu  Sangerhausen, 
Klosterkirche  zu  Lippoldsberg) ,  welche  entweder  mit  drei  Apsiden  (Dom 
zu  Gurk  und  fast  regelmässig  in  den  nur  aus  drei  Langschiffen  bestehen- 
den romanischen  Kirchen  in  Bayern  und  Schwaben;  Klosterkirche  zu 
Paulinzelle ,  Ulrichskirche  zu  Sanger  hausen) ,  oder  in  drei  Polygonab- 
schnitten (St.  Stephan  zu  Wien,  Wiesenkirche  in  Soest,  Kirche  zu  Herz- 
berg a.  d.  Elster),  oder  endlich  dreiseitig  schliessen,  so  dass  das  Ostende 
(wie  an  der  Kirche  zu  Baruth)  als  Viereck  mit  abgeschnittenen  Ecken 
erscheint.  Sehr  häufig  setzen  sich  die  Seitenschiffe  nicht  bloss  im  Chore 
fort,  sondern  bilden,  ohne  Zweifel  zur  besseren  Entfaltung  der  Processio- 
nen,  einen  Umgang  rings  um  denselben  (St.  Maria  auf  dem  Capitol  in 
COln ;  Dome  zu  Halberstadt  und  Münster ,  Nicolaikirchen  zu  Berlin  und 
Jüterbog  etc.)7  an  welchen  sich  seit  der  Mitte  des  XII.  Jahrh.  zuweilen 
eine  Reihe  von  kleinen  Kapellen  anschliesst,  die,  wie  an  den  rechteckig 
geschlossenen  Cisterzienserkirchen  zu  Riddagshausen  und  Ebrach,  ent- 
weder äusserlich  wie  ein  zweiter  niedrigerer  Umgang  erscheinen,  oder, 
nach  dem  Muster  des  französischen  Kathedralenstyls ,  aus  dem  Chorum- 
gange  radienartig  hervortretend  und  wie  letzterer  halbkreisförmig  (St. 
Godehard  zu  Hildesheim ;  Cisterzienserkirche  zu  Marienstadt  im  Nassau- 
ischen) oder  polygonisch  gestaltet,  einen  Kranz  um  das  Chorhaupt  der 
Kirche  bilden  ■*  Dome  zu  Magdeburg  und  Cöln,  Cisterzienserklosterkirchen 
zu  Altenberg  bei  Cöln  und  Doberan,  Dome  zu  Schwerin  und  Prag,  Kirche 
zu  Kuttenberg,  Münster  zu  Freiburg  i.  B.  —  Wenn  die  Seitenschiffe 
einen  Umgang  um  den  Chor  bilden ,  so  ist  dieser  durch  eine  steinerne 
Brüstungswand  von  dem  Umgange  abgeschlossen. 

Seit  der  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts  kommen  auch  (gewissermassen 
eine  Reminiscenz  an  die  fünfschiffigen  Basiliken  des  christlichen  Alter- 
thums)  Kirchen  mit  vier  Seitenschiffen  vor,  theils  nach  ursprünglicher 
Anlage  ( Dom  zu  Cöln,  Stiftskirche  in  Xanten ,  Marienkirche  in  Mühl- 
hausen,  Severikirche  in  Erfurt  etc.)  theils  in  Folge   späteren  Anbaues 


Fflnfschiffige  Und  zweischiffige  Kirchen. 


5t 


(Dome  zu  Basel,  Ulm  und  Braunschweig;  Marienkirchen  zu  Frankfurt  a. 
O .  und  Colberg ;  die  Pe tri- Paulikirchen  zu  GOrlitz  und  auf  dem  Wysherad 
in  Prag;  Petrikirche  zu  Lübeck  etc),  zum  Theil  mit  niedrigeren  Seiten- 


Fi;.  21.  Dom  zu  Cöln  (nach  BoiMer^e). 


schiffen,  zum  Theil  mit  fünf  gleich  hohen  Schiffen.  —  In  reichster 
und  grossartigster  Entfaltung  erscheint  der  Grundplan  des  Domes  von 
Cöln ;  das  Langhaus  ist  fünfschiffig ,  das  Querhaus  dreischiffig ,  die 
Seitenschiffe  setzen  sich  neben  dem  Langchore  fort,  das  innere  Seitenschiff 
bildet  einen  Umgang  um  den  polygonen  Chorschluss ,  rings  um  welchen 
sich  das  9xissere  Seitenschiff  in  einen  Kranz  von  sieben  radianten  Kapellen 
(apsidiolae)  auflöst. 

Im  Gegensatze  gegen  die  reiche  Anlage  der  Kathedralen  bauten  die 
erst  seit  dem  XIII.  Jahrh.  entstandenen  Bettel-  und  Predigermönche  ihre 
einfachen  Kirchen  aus  Ersparungsrücksichten  nicht  selten  nur  mit  einem 
Seitenschiffe'),  welches  bald  nördlich ,  bald  südlich  (der  Kanzel  gegen- 
über) angebracht  wurde  :  die  Franciscanerkirchen  zu  Boppard ,  Branden- 
burg, Cleve,  Dresden,  Fritzlar,  Görlitz,  Salzwedel;  die  Dominicanerkir- 
chen zu  Elbing,  Höxter  und  Warburg;  die  Kirche  der  Marienknechte 
(St.  Ulrich)  zu  Halle  a.  d.  S.  ;  die  Observantenkirche  zu  Hamm.  Ausser 
diesen  dem  XIV — XVI.  Jahrh.  angehörigen  Klosterkirchen  zeigen  auch 
einige  kleine  Stadtkirchen  (Lichtenau  und  Neustadt  in  Hessen,  Mecken- 
heim  am  Rhein)  diese  Anlage,  deren  älteste  Beispiele  (die  Cisterzienser- 
kirche  von  Marienfeld  bei  Gütersloh  und  die  Klosterkirche  zum  heil. 
Kreuz  bei  Meissen)  sich  aus  dem  XIII.  Jahrh.  herschreiben.  Auch  die 
Nicolaikirche  zu  Frankfurt  a.  M.  gehört  hieher. 

Völlig  verschieden  von  diesen  unsymmetrischen  Bauten  sind  diejeni- 
gen zweischiff  igen  Kirchen,  welche  aus  zwei,  durch  eine  mittlere 
Säulenreihe  getrennten  Schiffen  von  gleicher  Breite  und  Höhe  bestehen : 
in  einigen  Fällen   (Pechüle  bei  Treuenbrietzen  etc.)   zwar  nur  in  Folge 


1)  Lotz,  W.,  über  die  zweischiffigen  Kirchen, 
sammtvereines  etc.  VII.   (1858. j  No.  3.  S.  37. 


im  Correäpoudenzbl.  des  Ge- 


52 


Hallenkirchen. 


der  späteren  Einziehimg  von  Steinüberwölbungen  statt  der  früheren  Bal- 
kendecke, meist  jedoch  schon  nach  ursprünglicher  Anlage ,  und,  zuweilen 


.tJi  -. 


-T-Jf/' 


Fig.  22.  Kirclie  zu  Girkhausen  (nach  Lübke). 


selbst  östlich  in  zwei  besondere  Chöre  auslaufend  (zu  Girkhausen  an  der 
Südgrenze  von  Westfalen,  Hallst^idt  und  Lunz  im  Erzherzogthum  Oester- 
reich),  so  dass  gleichsam  zwei  gleiche  einschiffige  Kirchen  neben  einander 
gebaut  erscheinen.  Das  älteste  Beispiel  dieser  Anlage  ist  die  Nicolai- 
kapelle zu  Soest  (etwa  gleichzeitig  mit  der  ebenfalls  zweischiffigen  Krypta 
tmter  der  Klosterkirche  zu  Jericho w  ;  s.  Fig.  13  S.  41 .)  aus  der  Mitte  des 
XII.  Jahrh.  ;  das  merkwürdigste  Beispiel  ist  die  Pfarrkirche  zu  Schwaz 
in  Tirol:  sie  ist  vierschiffig,  mit  zwei  breiteren  Schiffen  in  der  Mitte, 
deren  jedes  einen  Chor  für  sich  hat,  und  zwei  schmäleren  Seitenschiffen. 
—  Uebrigens  besteht  das  Langhaus  dieser  Kirchen  grösstentheils  aus 
einem  kleinen  quadratischen  Räume  mit  nur  einem  Mittelpfeiler  (beson- 
ders häufig  in  der  Moselgegend).*] 

Anmerkung.  Normal  haben  die  Seitenschiffe  wie  die  halbe  Breite, 
so  auch  die  halbe  Höhe  des  Mittelschiffes  und  liegen  unter  besonderen 
Pultdächern ;  Kirchen ,  in  denen  die  Seitenschiffe  mit  dem  Hauptschiffe 
(ziemlich  oder  genau'  von  gleicher  Höhe  sind  und  gewöhnlich  mit  demselben 
eine  gemeinschaftliche  Bedachung  haben,  hat  man  neuerdings,  nach  Lüb- 
ke's  Vorgange  (s.  dessen  Kunst  in  Westfalen  S.  33)  und  mit  allseitigem 
Beifall  passend  Hallenkirchen  genannt:  dieselben  gehören  Deutschland 
fast  ausschliesslich  an,  und  in  Westfalen  scheinen  (doch  wohl  kaum  vor  dem 
XIII.  Jahrhundert)  die  ersten  noch  romanischen  Versuche  damit  gemacht 
worden  zu  sein  (Kirche  zu  Deme,  Servatiuskirche  zu  Münster,  Marienkirche 


1)  Zweischiiiige  Kirchen  von  symmetrischer  Anlage  werden  von  Lotz  (a.  a.  O.) 
angeführt:  In  der  Mosel-  und  benachbarten  Rheingegend:  Cues  (Hospitalkap. jt 
Driesüh,  Graaeh,  Hatzenport,  Reilerkitch,  Rokeskyll,  Traben,  Zelten  (sämmtlich  mit 
nur  einem  Mittelpfeiler),  Bombofen,  Clotten,  Bdiger,  Kempenich,  Mannebach,  Na- 
medy  (mit  zwei  oder  drei  Pfeilern);  in  Westfalen:  Apelem,  Girkhausen,  Soest 
(Nicolaikapelle),  Wewelsburg  (alle  mit  mehreren  Pfeilern] ;  in  Meklenburg  (nach 
Dr.  Lisch):  Ankershagen,  Gnoyen,  Mestlin,  Reknitz,  Schlagsdorf,  Schwinkendorf, 
Tamow;  in  der  Provinz  Brandenburg:  Brandenburg  (Peterskirche),  Luckenwalde 
(Johanneskirche),  Pecihüle,  und  einige  andere  Dorf kirchen  in  der  Gegend  von  Bernau; 
im  südlichen  Böhmen :  Blattna,  Gojau ,  Sobieslau ;  im  Erzherzogth.  Oesterreich: 
Edlitz  (mit  einem  Mittelpfeiler),  Kirchberg  am  Wechsel,  Hallstadt,  Lunz ;  in  Steier- 
mark: Judenburg,  Pöllauberg;  in  Tirol:  Pfarrkirche  zu  Schwaz. 


Thünne.  53 

.und  Nicolaikirche  zu  Lippstadt,  Dom  zu  Paderborn  etc.  etc.) ,  denen  sich 
die  Elisabethkirche  zu  Marburg  (seit  1235)  als  erstes  gothisches  Beispiel 
dieser  Gattung  anschliesst ,  welche  in  der  Spätzeit  zur  entschieden  vorherr- 
schenden wird. 

22.  DieThürme.  *) 

a.  Ursprünglich  hatten  die  Kirchen  keine  Thürme,  und  da  diese 
etwa  mit  den  Glocken  zugleich  aufgekommen  sind ,  welche ,  um  weit 
hörbar  zu  sein ,  in  der  Höhe  aufgehängt  werden  mussten ,  auch  bis 
auf  die  Gegenwart  die  Aufnahme  der  Glocken  als  Hauptbestimmung 
der  Kirchthürme  erscheint^  so  könnte  letzteres  die  Veranlassung  zu 
ihrer  Entstehung  gewesen  sein ,  wenn  nicht  gerade  die  ältesten  be- 
kannten Thürme  der  Kirchen  erweislich  zunächst  anderen  Zwecken 
gedient  hätten. 

Die  ältesten  Glocken  waren  klein  und  leicht :  es  ist  daher  sehr  un- 
wahrscheinlich,  das 8  man  um  derselben  willen  besondere  aufwändige 
Bauten ,  wie  es  die  Thürme  sind ,  sollte  aufgefQhrt  haben ;  dagegen  war 
es  natürlich ,  die  Glocken  auf  den  Thürmen  aufzuhängen ,  wenn  letztere 
bei  den  Kirchen  bereits  zu  anderen  Zwecken  vorhanden  waren.  Bei  der 
Dunkelheit  der  Sache  lassen  sich  allerlei  Vermuthimgen  darüber  auf- 
stellen ,  der  sicherste  Weg  bleibt  jedoch  der,  sich  an  die  ältesten  bekann- 
ten thatsächlichen  Spuren  zu  halten ,  so  sparsam  dieselben  freilich  auch 
sein  mögen. 

b.  Die  Thürme  sind  entweder  mit  dem  Kirchengebäude  verbun- 
den und  erheben  sich  bei  grösseren  Kirchen  der  Regel  nach  paarweise 
auf  den  Flanken  der  Westfront,  oder  sie  stehen  isolirt  und  einzeln 
neben  den  Kirchen :  jene  waren  ursprünglich  Treppengehäuse  [cochle- 
aria),  diese  Wartthürme. 

Unter  allen  Kirchen  diesseits  der  Alpen  enthält  der  Dom  zu  Trier 
in  seinem  noch  nachweislichen  ursprünglichen  Kerne  die  ältesten,  aus 
der  Römerzeit  herstammenden  Ueberreste.  Die  neuesten  umfassenden 
Localuntersuchungen  haben  ergeben,  dass  die  Fa9ade  des  ursprünglichen 
Baues,  den  Schiffen  des  Innern  entsprechend ,  sich  in  drei  weiten  Bögen 
gen  Westen  Öfifhete :  zwischen  diesen  Eingangsbögen  traten  Yerstärkungs- 
pfeüer  hervor,  und  zwei  viereckige,  im  Grundbau  nachgewiesene  Treppen- 
thürme  standen  auf  den  Ecken.  Die  in  den  Thürmen  befindlich  gewese- 
nen Treppen ,  deren  unterste  Stufen  noch  aufgefunden  wurden ,  führten 
zu  dem  Oberstockwerk  \md  unter  das  Dach  des  Gebäudes.  *)  —  Das  von 
Karl  dem  Grossen  erbaute,  noch  erhaltene  achteckige  Münster  zu  Aachen 
zeigt  auf  den  Flanken  seines  westlichen  Vorbaues  zwei  runde  Treppen- 

1)  Weingärtner,  W.»  System  des  christl.  Thurmbaues.  1860.  —  Ungar,  F. 
W.,  zur  Gesch.  der  Kirchthürme,  in  den  Jahrbüchern  des  Vereins  von  Alterthums- 
freunden  im  Rheinlande  XXIX.  und  XXX.  S.  21—64.  —  Vergl.  Klein,  J.  Vß., 
die  Kirche  zu  Grossen-Linden  bei  Giessen.   1857.  S.  30  ff. 

2)  Roinin,  Ferd.  de,  La  Cath^drale  de  Trdves.  (Paris)  1861.  p.  36.  103;  vergl. 
0 1 1  e ,  Gesch.  der  deutschen  Baukunst.  S.  2S 1 . 


54  Thürme. 

thOrme,  in  denen  man  die  Empore  der  Kirche  und  ein  drittes,  nicht  mehr 
ursprüngliches  Stockwerk  der  Vorhalle  ersteigt,  das  zur  Aufnahme  der 
Glocken  bestimmt  war.  —  Der  westliche  Nonnenchor  des  Münsters  zu 


Fig.  23.  MQn0ter  lu  Aachen  (nach  Mertena). 

Essen  aus  dem  X.  Jahrh.  steht  ebenfalls  zwischen  zwei  kleinen  Rund- 
thürmen  mit  Wendelstiegen,  die  auf  die  Empore  und  in  die  oberen  Stock- 
werke des  Chores  führen,  dessen  achteckiger  Hochbau  die  Thürme  über- 
ragt. Dies  sind  die  sich  darbietenden  ältesten  Beispiele  ^)  ,  denen  sich 
überdies  andere  aus  dem  XI.  Jahrh.  anreihen,  und  die  hinlänglich  be- 
weisen ,  dass  die  ältesten  in  Verbindung  mit  Kirchengebäuden  vorkom- 
menden Thürme  ganz  mit  Treppen  angefüllte,  und  zur  Aufnahme  von 
Glocken  nicht  geeignete  Stiegenhäuser  von  geringem  Durchmesser  (in 
Essen  9  F.  im  Lichten)  waren,  welche,  ursprünglich  das  Gebäude  nicht 
überragend,  zuweilen  später  durch  Aufsetzung  eines  mit  Schallöffnungen 
versehenen  Stockwerkes  erhöht  und  als  Glockenthürme  eingerichtet  wur- 
den. *)  Die  paarweise  Anordnung  erklärt  sich  aus  Rücksichten  auf  die 
Symmetrie  hinlänglich;  bei  der  Enge  dieser  Schneckenstiegen  könnte 
der  eine  Thurm  den  Hinaufsteigenden ,  der  andere  den  Hinabsteigenden 
gedient  haben. 

Anderweitig  begegnen  wir  in  den  klösterlichen  Niederlassungen  der 
Schottenmönche,  welche  seit  dem  VII.  Jahrh.  Deutschland  missioni- 
rend  durchwanderten,  in  dem  mit  ihren  Wohnhütten  erfüllten  umschlosse- 
nen Räume  neben  der  Kirche  festen  Rundthürmen ,  die  zwar  wohl  mit 
einer  kleinen  Blechglocke  versehen,  doch  zunächst  als  Warten  und  in 
Zeiten  der  Noth  als  Zufluchtsorte  dienten. ')  Den  thatsächlichen  Beweis 
liefert  der  Plan  des  Klosters  St.  Gallen  vom  J.  820  (s.  oben  S.  28) : 
wir  finden  hier  westlich  von  der  Kirche  (s.  Fig.  15  S.  43)  ,  in  einiger 


1)  Den  von  Klein  a.  a.  O.  S.  40  aus  Venantius  Fortunatus  lU,  7  ▼. 
19  ff.  hergeleiteten  und  von  Weingärtner  a.  a.  O.  S.  67  wohl  zu  vorschnell  auf- 
genommenen Beweis ,  dass  die  Kirchen  schon  im  VI.  Jahrh.  mit  zwei  wirklichen 
Frontalthürmen  versehen  gewesen  seien,  hat  Unge  r  a.  a.  O.  S.  25  ff.  widerlegt. 

2)  Vergl.  die  Aeusserung  von  J.  F.  Lange  auf  der  Archäologen- Versammlung 
in  München,  im  Correspondenzbl.  des  Qesammt- Vereins  etc.  VIII.  (1S60.)  No.  13 
—15.  S.  132. 

3)  Wattenbach,  in  der  Zeitschr.  fflr  christl.  Archäologie  und  Kunst.  1,  23; 
vergl.  Schnaase,  Gesch.  der  bild.  Künste.  IV.  2,  416. 


Thurmetellung.  55 

Entfemting  von  dem  haibkreisfönnigen  Säulenvorhofe  derselben,  zu 
beiden  Seiten  des  von  aussen  in  das  Kloster  führenden  Weges  zwei 
symmetrisch  gestellte  mit  Wendeltreppen  gefoUte  Rimdthürme  angegeben, 
den  nördlichen  mit  der  ihn  deutlich  als  Warte  bezeichnenden  Einschrift 
» ascensus  per  cocleam  ad  universa  superinspicienda «  und  den  südlichen 
(ii alter  eimilisa]  zu  gleichem  Zweck,  und  wegen  der  Stellung  auf  beiden 
Seiten  des  Zuganges  zum  Kloster  ersichtlich  auch  zur  Yertheidigung 
desselben  gegen  feindliche  Angriffe.  ^) 

Die  isolirte  Stellung  der  Glockenthürme ,  gewöhnlich  neben 
einer  Langseite  der  Kirche,,  die  in  Italien  zur  stehenden  Sitte  geworden 
ist,  kommt  in  Deutschland,  abgesehen  von  vereinzelten  und  zuföUigen 
Beispielen  (der  rothe  Thurm  auf  dem  Markte  in  Halle  a.  d.  S.,  die 
Thürme  bei  der  Bartholomäikirehe  zu  Zerbst,  der  Johanneskirche  zu 
Luckenwalde,  bei  der  vormaligen  Klosterkirche  in  Amdsee ,  beim  Dome 
zu  Frauenburg  etc.),  nur  provinziell  verbreitet  vor:  in  Schwaben  (bei 
der  Petri-Paulikirche  in  Hirsau ,  bei  der  abgetragenen  Klosterkirche  zu 
Petershausen  vor  Constanz ,  beim  Münster  zu  Mittelzeil  auf  Reichenau) ; 
in  Böhmen,  in  dessen  östlicher  Hälfte  sich  hölzerne  Glockenhäuser  vom 
einfachsten ,  oben  gabelmässig  getheilten  und  mit  einem  Dächlein  ge- 
krönten Balken  in  allerlei  Abweichungen  bis  zum  grossen  Glockenthurme 
(z.  B.  neben  der  Georgskirche  in  Pfaslawic  bei  Turnau,  von  etwa  80  F. 
Höhe  auf  achteckigem  Unterbau)  aller  Orten,  selbst  in  Dörfern  ohne 
Kirchen  vorfinden  *) ,  ein  isolirter  Steinthurm  auch  neben  der  Bartholo- 
mäikirehe zu  Kolin;  ebenso  in  dem  benachbarten  Oberschlesien 
neben  den  S.  26  erwähnten  Holzkirchen;  in  Ostfriesland,  wo  alle 
KirchthÜrme  isolirt  stehen,  mit  alleiniger  Ausnahme  des  alten  verfallenen 
Thurmes  von  Marienhave  und  eines  ganz  neuen  zu  Leer.  ^) 

c.  Bei  kleineren,  besonders  bei  einschiffigen  Kirchen  genügte 
als  Glockenhaus  ein  Thurm,  normal  als  Vorlage  vor  der  Mitte  der 
Westfront,  doch  wurde  in  manchen  Gregenden  und  namentlich  in 
Niederdeutschland  auch  bei  grösseren  mehrschiffigen  Kircheu  und 
Kathedralen  häufig  nur  ein  Thurm  angeordnet ;  d.  h.  man  Hess  die 
Treppenthünne  auf  den  Seiten  weg  und  bildete  die  Vorhalle  zum 
Glockenthurme  aus. 

Vielleicht  das  einzige  Beispiel  einer  Landkirche  mit  zwei  westlichen 
(Rund-)  Thürmen  ist  die  kleine,  nur  etwa  90  F.  lange  einschiffige  Kreuz- 
kirche zu  Grossen-Linden  bei  Giessen  (vermuthlich  aus  dem  XII.  Jahr- 
hundert) ,  mit  überdies  noch  einem  dritten  Thurme  über  dem  Kreuze 
(s.  unten  S.  57).  —  Als  älteste  Beispiele  von  der  Anordnung  nur  eines 
Thurmes  bei  bischöfiichen  Kathedralen  sind  die  Dome  zu  Minden  und 
Paderborn  aus  dem  XI.  Jahrh.  zu  nennen  :  in  Minden  legt  sich  dem  west- 

1)  Für  die  Ansicht,  dass  Befestigungsrücksichten  die  Kirch  thürme  yeranlasst 
hätten ,  erklärt  sich  VioUet-le-Duc,  Dictionnaire  raisonn^.  a,  2S  l  ff.  (Art. 
»Clacher«). 

2)  Grueber,  Bernh.,  in  den  Mittheil.  derk.  k.  Central-Commiss.  IS56.  1,  2-17, 

3)  üngera.  a.  O.  S.  31. 


56 


Anzahl  der  Thflrme. 


liehen  Ende  der  Kirche  in  ganzer  Breite  eine  Baumasse  vor,  die  erst  in 
beträchtlicher  Höhe  ein  quadratisches  Stockwerk  aus  ihrer  Mitte  aufsteigen 
lässt ;  in  Paderborn  hat  der  viereckige  Thurm  nur  die  Breite  des  Mittel- 
schiffes und  wird  von  zwei  halb  so  hohen  runden  Treppenthürmen  flan- 
kirt.  —  Die  grossartigen  Münster  zu  Freiburg  i.  B.  und  zu  Uhn  (aus 
dem  XIII.  und  XIV.  Jahrh.)  haben  ebenfalls  nur  einen  vor  der  Westfront 
aufsteigenden  Thurm :  beide  gehören  zu  den  prachtvollsten  Thurmbauten 
Deutschlands.  —  Nicht  immer  bildet  der  Thurm  eine  Vorlage  an  der 
Westseite  der  Kirche ,  sondern  erhebt  sich  auch  oft  aus  der  Mitte  der 
Front,  z.  B.  an  der  Frauenkirche  zu  Esslingen,  deren  Thurm  (aus  dem 
XV.  Jahrh.)  der  Stadt  zur  schönsten  Zierde  gereicht. 

d.  In  der  Zeit  vom  XI.  bis  XIII.  Jahrhundert  machte  sich  da.s 
Streben  geltend ,  ausgezeichnetere  Kirchen  durch  Vermehrung  der 
Anzahl  der  Thürme  noch  besonders  zu  verherrlichen,  indem  man 
ausser  den  beiden  westlichen  Thürmen  noch  zwei  andere  zu  den 
Seiten  des  Altarhauses  anordnete  und  ausserdem,  vorzüglich  am  Rhein, 
noch  einen  Mittelthurm  über  der  Durchschneidung  des  Lang-  und 
Querhauses  errichtete.  Später  wurde  die  Anzahl  der  Thürme  wieder 
beschränkt,  und  man  suchte  den  Ruhm  nicht  mehr  in  der  Vielheit, 
sondern  in  der  Höhe  der  Thürme. 

Die  Entstehung  eines  zweiten  Thurmpaares  in  Osten  auf  den  Flan- 
ken des  Altarhauses  wird  aus  der  doppelchörigen  Anlage  (s.  oben  S.  42) 
völlig  erklärlich ,  wenn  man  diese  Gebäude  ansieht  als  zwei  entgegenge- 
setzt orientirte  Kirchen  mit  gemeinschaftlichem  Ijanghause,  von  denen^ 
die  östlich  orientirte  ihre  Thürme  in  Westen,  die  westlich  orientirte  die- 
selben in  Osten  erhielt,  und  diese  Auffassung  bestätigt  sich  ferner  als 
richtig  durch  die  Wahrnehmung,  dass  bei  doppelchörigen  Kirchen  mit 
zwei  Querschiffen  (Abteikirche   zu  Laach,    St.  Michael  in  Hüdesheim) 


Fi;.  24.  Klosterkirche  St  Michael  in  Hildesheim  (nach  Hwe). 


Höhe  der  ThOrme.  57 

auch  zwei  Mittelthünne ,  der  eine  über  dem  östlichen ,  der  andere  über 
dem  westlichen  Kreuze  angeordnet  wurden ;  oder ,  wenn  nur  ein  Quer- 
schiff vorhanden  war,  wie  an  den  Domen  zu  Mainz  und  Worms,  ein 
zweiter  Mittelthurm  über  dem  zweiten  Altarhause.  —  Die  Entstehung 
und  Verbreitung  der  im  Rheinlande  häufigen,  auch  in  Westfalen  (Dom  zu 
Osnabrück,  Münster  in  Hameln,  Ludgerikirche  in  Münster)  vorkommen- 
den achteckigen,  eine  hohe  Kuppel  umschliessenden  Mittelthürme  wird 
aus  dem  Einflüsse  des  karolingischen  Centralbaues  in  Aachen  erklärlich, 
ohne  dass  es  nöthig  wäre,  direct  an  byzantinische  Vorbilder  zu  denken. 
In  anderen  Gegenden  sind  die  Mittelthürme  selten  (St.  Michael  und  St. 
Godehard  in  Hildesheim,  Stiftskirche  zu  Königslutter,  Kirche  zu  Kloster- 
Groningen,  Stadtkirche  zu  Freiburg  a.  d.  U.,  Nicolaikirche  zu  Treuen- 
brietzen),  umschliessen  nicht  wie  am  Rheine  und  in  Westfalen  eine  Kup- 
pel (nur  die  kleine  Schlosskirche  zu  Querfurt  zeigt  eine  solche)  und 
kommen  nach  dem  XIII.  Jahrh.  in  Deutschland  überhaupt  nicht  mehr 
vor :  die  Katharinenkirche  zu  Oppenheim  bietet  anscheinend  das  einzige 
Beispiel  eines  rein  gothischen  Mittelthurmes  dar. 

Für  die  Höhe  der  Thürme  gab  es  kein  Maass :  die  älteren  Thürme 
sind  nur  niedrig ,  aber  in  der  Blüthezeit  der  mittelalterlichen  Baukunst 
baute  man  sie  gern  so  hoch  als  möglich ,  und  obgleich  die  Thürme  der 
grösseren  Kirchen  gewöhnlich  schon  mit  dem  Altarhause  zugleich  in  Angrifi' 
genommen  wurden,  so  waren  sie  doch  regelmässig  derjenige  Theil  des 
Gebäudes,  an  dessen  Vollendung  man  zuletzt  ging,  und  sind  deshalb  ge- 
wöhnlich unvollendet  geblieben  (Dome  zu  Cöln,  Regensburg,  Ulm  etc.), 
oder  es  wurde  doch  nur  einer  der  projectirten  beiden  Prachtthürme  fertig 
(Münster  zu  Strassburg,  nach  verändertem  Plane  ;  Stephan  zu  Wien  etc.). 
—  An  den  Domen  zu  Magdeburg  und  Cöln  ergiebt  sich  die  Länge  der 
Kirche  ungefähr  als  Maass  für  die  Höhe  der  Thürme. 

Als  die  höchsten  Thürme  in  deutschen  Landen  werden  genannt: 
Thurm  des  Münsters  zu  Ulm,  projectirt  auf  .     482,u  F.  rh. 

(jetzt  nur  324  F.) 

Thürme  des  Doms  zu  Cöln,  projectirt  auf 474,3 

Thurm  des  Münsters  zu  Strassburg  (projectirt  auf  596,  jg)      452 

Thurm  der  Martinskirche  zu  Landshut 448 

Hauptthurm  des  Stephansdoms  zu  Wien,  mit  der  1842  auf- 
gesetzten, jetzt  wieder  abgetragenen  gusseisernen  Spitze     438,4 

(vorher  nur  434,^) 
Andreasthurm  zu  Braunschweig,  bis  1551 426 

(jetzt  nur  noch  322) 
Elisabeththurm  zu  Breslau 416 

(seit  1529  nur  noch  289) 

Michaelisthurm  zu  Hamburg  (modern) 416 

Petrithnrm  daselbst 406 

(abgebrannt  1842,  der  neue  Thurm  projectirt  auf  440) 

Thürme  der  Marienkirche  zu  Lübeck 394 

Hauptthurm  des  Doms  zu  Mainz 390 

Thurm  des  Münsters  zu  Freiburg 385 

Frauenthürme  zu  München 332 


53  Abnorme  Thurmstellungen. 

Domthürme  zu  Magdeburg 329  F.  rh. 

Ansganthurm  in  Bremen 324 

Thurm  der  Pfarrkirche  zu  Schweidnitz       .  320 

Anmerkung.  Es  bedarf  kaum  der  Bemerkung ,  dass  sich  die  man- 
nigfachsten Modificationen  der  (vorstehend  b .  c .  d .  angegebenen)  ver- 
schiedenen Normalstellungen  der  Kirchthürme  nachweisen 
lassen.  Die  beiden  Westthürme  haben  zwar  regelmässig  die  Frontalstellung 
in  der  Flucht  der  Seitenschiffe,  sind  aber  nicht  immer  von  Grund  aus  jeder 
für  sich  als  selbständiges  Bauwerk  aufgeführt:  in  Niedersachsen  (Braim- 
schweig  etc.)  vielmehr  steigen  dieselben  erst  über  den  Flanken  eines  die 
ganze  Breite  der  Kirche  einnehmenden  rechteckigen  BaukOrpers  auf,  der  in 
den  imteren  Stockwerken  die  von  den  Wendelstiegen  eingeschlossene  Vor- 
halle, im  Obergeschosse  die  Glockenstube  enthält.  —  Am  Dome  zu  Trier 
sind  über  dem  Westende  der  Seitenschiffe  zwei  viereckige  Glockenthürme 
angeordnet,  es  treten  abei:  auf  den  äusseren  Ecken  derselben  noch  zwei 
niedrigere  fast  ganz  frei  stehende  runde  Treppenthürme  hinzu :  eine  Anord- 
nung, welche  sich  an  der  gleichzeitig  dem  XI.  Jahrhundert  angehörenden 
Klosterkirche  zu  Limburg  a.  d.  H.  wiederholt.  —  Die  Chorthürme  stehen 
zu  den  Seiten  des  Altarhauses  dem  Ostlichen  Ende  bald  mehr,  bald  weniger 
nahe :  am  Ostchore  des  Domes  zu  Mainz  erheben  sich  die  beiden  Rund- 
thürme  auf  den  äusseren  Ecken  der  das  Altarhaus  begleitenden  seitenschiff- 
artigen Räume ,  von  unten  auf  nur  zur  Hälfte  freistehend ;  an  den  beiden 
Chören  des  Domes  zu  Worms  stehen  die  vier  Rundthürme  in  der  Flucht 
der  Seitenschiffaxen  und  schneiden ,  wie  die  Chorthürme  des  Merseburger 
Domes  (s.  den  Grundriss  S.  35) ,  tief  in  die  Seitenwände  des  Altarhauses 
ein.  —  Die  Dome  zu  Speier,  Bamberg,  Magdeburg  und  Naumburg,  auch 
die  Abteikirchen  zu  Laach  xmd  Knechtsteden  haben  quadratische  Chor- 
thürme, die  in  dem  durch  die  Mauern  des  Altar-  und  Querhauses  gebildeten 
Winkel  aufsteigen.  Anderweitig  finden  sich  zwei  Ostthürme  über  den 
Kreuzarmen  oder  statt  derselben  angebracht :  Georgskirche  in  Prag,  Marien- 
kirche in  Reutlingen,  heil.  Kreuzkirche  in  Gmünd,  St.  Stephan  in  Wien; 
bei  der  Klosterkirche  in  Hamersleben  und  der  heil.  Kreuzkirch«  in  Breslau 
stehen  .die  Thürme  in  dem  Winkel  auf  der  Westseite  des  Querhauses.  — 
Der  Dom  in  Erfurt  (ursprünglich)  und  die  nahe  gelegene  Severikirche 
daselbst  haben  an  der  Ostseitb  (zwischen  Chor  und  Schiff)  einen  breiten  in 
drei  Spitzen  auslaufenden  Thurmbau,'und  die  beiden  quadratischen  Thürme 
der  aus  drei  gleich  langen  Schiffen  bestehenden  Kirche  zu  Altenstadt  bei 
Schongau  bilden  den  östlichen  Abschluss  der  Seitenschiffe.  —  Die  doppel- 
.  chörige  Kirche  des  Michaelisklosters  zu  Hildesheim  (s.  die  Abbildung  S.  56) 
hatte  weder  West-  noch  Ostthürme,  dagegen  ausser  den  beiden  Mittelthür- 
men  über  dem  östlichen  und  westlichen  Kreuze,  ganz  ausserge wohnlich  vor 
der  Mitte  der  vier  Kreuzflügelfronten  runde  Treppenthürme ,  als  Aufgänge 
zu  den  im  Innern  befindlichen  Emporen. 

Bei  Kirchen  mit  nur  einem  Thürme  kommen  gewisse  Abweichungen 
von  der  westlichen  Normalstellung  (s.  oben  c)  in  manchen  Gegenden  so 
häufig  vor,  dass  sie  für  diese  geradezu  die  Regel  bilden.  So  pflegt  z.  B.  in 
Schwaben  (Stephanskirche  in  Constanz,  heil.  Kreuz  zu  Rottweil,  Stiftskirche 
in  Hechingen,  Frauenkirche,  Martinskirche  und  Spitalkirche  in  Memmin- 


Grundform  der  Thürme. 


59 


gen  etc.]  der  Thurm  an  einer  Langseite  der  Kirche  zu  stehen,  häufig  aus 
älterer '  Zeit  stammend ,  als  der  Kirchenbau  selbst ;  ja  es  werden  Beispiele 
angeführt ,  wo  die  Kirchen  in  dieser  oder  anderer  Weise  an  alte  römische 
Kriegsthürme  angebaut  sein  sollen.  ^)  Jedenfalls  erinnert  diese  auch  im 
bayerischen  Gebirgslande ,  in  Tirol  (Pfarrkirche  in  Botzen  etc.)  und  in 
Schlesien  vorkommende  Stellung  des  Thurmes  an  den  in  jenen  Landstrichen 
auch  jetzt  noch  nicht  seltenen  isolirten  Standort  des  Glockenthurmes  neben 
der  Kirche  (s.  oben  S.  55)  und  könnte  daraus  hervorgegangen  sein.  —  Eine 
andere  namentlich  bei  kleineren  Kirchen  des  Xu.  Jahrh.  in  Schwaben  und 
in  der  Altmark  sich  sehr  häufig  vorfindende ,  anderwärts  seltene  Anomalie 
ist  die  Errichtung  des  Thurmes  östlich,  über  dem  Altarhause  des  Gebäudes, 
wozu  die  Mittelthürme  grösserer  Kirchen  das  Vorbild  gegeben,  und 
die  Ersparung'  eines  besonderen  Unterbaues  die  Neigung  hervorgerufen 
haben  mag. 


Fig.  25.  Tharme  lu  Merseburg,  auf  dem  Peteraberge  bei  Halle  und  lu  M&hlhausen  in  Thüringen 

(nach  Puttrich). 

e.  Die  Grundforin  der  Thürme  ist  gewöhnlich  das  Quadrat^ 
dessen  Seite  insgemein  etwa  der  Breite  der  Seitenschiffe  entspricht. 
In  älterer  Zeit  bis  zum  XIII.  Jahrhundert  waren  auch  Rundthürme 
beliebt:  stets  paarweise,  theils  anderen  viereckigen  Thiirmen  als 
Treppenhäuser  vorgelegt,  theils  namentlich  auch  als  Chorthürme ,  wo 
ihre  Kreisform  mit  den  halbrunden  Apsiden  harmonirt,  selten  dagegen 
in  eigentlicher  Frontalstellimg  neben  dem  westlichen  Hauptportal.  — 
Die  Kuppelthürme  über  der  Kreuzung  oder  dem  Altarhause  sind 
regelmässig  achteckig,  andere  Mitteltliürme  gewöhnlich  quadratisch. 
Am  Dome  zu  Magdeburg  decken  sich  die  Grundrisse  der  beiden 
westlichen  Thürme  und  der  Kreuzarme.  —  Bei  Kirchen  des  XIl.  und 


1]  In  Theilenhofen,  Asoholting  bei  Tölz,  Beigen  bei  Neuburg  a.  d.  Donau  etc. 
Vergl.  Krieg  V.  Hochfelden,  Gesch.  der  Militär- Architektur.  S.  106.  Einbauun- 
gen  von  Kriegsthürmen  in  Kirchen  sollen  überhaupt  öfter  vorkommen ,  und  als  un- 
sicheres Beispiel  wird  die  Marienkirche  zu  Salzwedel  erwähnt.  Vergl.  Correspon- 
denzbl.  des  Central-Vereins  eto.  (1860.)  VUI.  No.  13—15.  S.  132. 


60  Aufbau  der  Thürme. 

Xm.  Jahrb.  mit  nur  einem  Tburme  hat  dieser  in  manchen  Gegenden 
nicht  quadratischen,  sondern  rechteckigen  Grundriss  und  nimmt  die  ganze 
Breite  der  Westseite  ein:  häufig  in  der  Gegend  von  Halle  a.  d.  S.,  am 
Harz ,  sporadisch  auf  dem  Fläming  (Werder  bei  Jüterbog) ,  durchgehend 
bei  den  Feldsteinbauten  in  der  Altmark ,  Priegnitz  und  Ukermark ,  mit 
denen  das  Land  bedeckt  ist. 

Runde  Treppenthürme  sind  den  viereckigen  ThOrmen  an  den  Domen 
zu  Trier  und  Paderborn  (XI.  Jahrh.)  vorgelegt.  —  Runde  Chorthürme 
neben  beiden  Chören  der  Dome  zu  Mainz  und  Worms,  neben  dem  West- 
chor der  Ellosterkirchen  zu  Essen  und  Gemrode,  neben  dem  Ostchore 
des  Domes  zu  Merseburg  und  der  Pfarrkirche  zu  Gelnhausen  ^)  ;  runde 
Frontalthürme  an  der  Dorfkirche  zu  Grossen-Linden  bei  Giessen ,  an  der 
Klosterkirche  zu  MöUenbeck  in  Westfalen,  an  der  Marienkirche  zu  Mag- 
deburg ;  sie  erinnern  in  ihrer  Erscheinung  an  die  gleiche  Thurmstellung 
neben  Stadtthoren.  *)  —  An  Gross-Martin  zu  Cöln  erheben  sich  neben 
dem  hohen  viereckigen  Mittelthurme  achteckige  Eckthürmchen .  — 
Runde  Treppenthürmchen ,  in  untergeordneter  Weise  den  Ecken  der 
Kirchen  vorgelegt ,  mit  den  Aufgängen  zu  den  Dachräumen  kommen  in 
späteren  Jahrhunderten  sehr  häufig  vor  und  nehmen  zuletzt  eckige  Form 
an :  Marienkirche  in  Zwickau  etc.  —  Die  Kirche  Maria-Stiegen  in  Wien 
hat  an  ihrer  Südseite  einen  siebeneckigen  Thurm. 

f.  Die  Thürme  älterer  Zeit  behalten  bis  zur  Bedachung  ihre  vier- 
eckige oder  runde  Grundform  bei  und  haben  nur  im  Oberstockwerke 
FensteröflPnuiigen,  während  die  unteren  Stockwerke  bloss  von  kleinen 
Lichtöffnungen  zur  nothwendigsten  Beleuchtung  der  Treppen  durch- 
brochen und  nur  vom  Innern  der  Kirche  aus  zugänglich  sind;  seit 
dem  XII.  Jahrhundert  jedoch  setzt  das  Viereck  in  den  oberen  Ge- 
schossen gewöhnlich  ins  Achteck  um  und  endet  in  einem  hohen,  ins- 
gemein achteckigen  Helm,  und  seit  dem  XIII.  Jahrhundert  stehen 
die  zuweilen  von  aussen  zugänglichen  Thürme  oft  mit  dem  Innern 
der  Kirche  in  Verbindung  und  sind  häufig  bis  zum  Erdgeschosse 
herab  mit  mehr  oder  weniger  grossen  Fenstern  versehen. 

An  massigen  und  roheren  Bauten  auch  des  späteren  Mittelalters 
bleiben  die  Thürme  bis  oben  hinauf  viereckig ;  die  vier  Wände  laufen, 
alle  vier  oder  nur  zwei  y  in  Giebeln  aiis  und  schliessen  oft  ohne  Hinzu- 
fagung  eines  Helmes  entweder  mit  einem  Kreuzdache  oder  mit  einem  ge- 
meinen Satteldache,  dessen  Giebel  bei  quadratischen  Thürmen  gewöhnlich 
gen  West  und  Oat,  bei  rechteckigen  dagegen  regelmässig  nach  Nord  und 


1 )  Diese  cylindrischen  Thürme,  bei  geringem  lichten  Räume  durch  die  in  ihnen 
befindlichen  steinernen  Wendeltreppen  überaus  fest  in  sich  zusammengehalten ,  sind 
oft  (wie  an  den  Domen  zu  Mainz,  Worms  und  Merseburg  etc.)  die  einzigen  IJeber- 
reste  von  alteren  Bauwerken ,  besonders  des  XI.  Jahrh.  ,  wenn  auch  mit  erneuten 
Oberstockwerken . 

2)  Sehr  weitläufig  verbreitet  sich  hierüber  Klein,  Kirche  zu  Grossen-Linden. 
S.  31  ff. 


Thurmkapellen.    Thurmknöpfe.  61 

Süd  schauen.  —  In  Niedersachsen  (z.  B.  in  Braunschweig  und  GötUngen) 
sind  die  Thurmpaare  der  Kirchen  schon  von  da  an ,  wo  sie  aus  ihrem^ 
etwa  nur  ein  Drittel  der  Qesammthöhe  betragenden  gemeinsamen  Unter- 
bau (s.  oben  die  Anmerkung  S.  58)  a^ifsteigen,  achteckig,  was  keinen 
vortheilhaften  Eindruck  macht. 

Wie  schon  die  äussere  einheitliche  Vereinigung  der  Thurmbauten 
mit  der  Kirche  im  Vergleich  mit  der  Separatstellung  der  ersteren  als 
glücklichere  Lösung  der  Aufgabe  betrachtet  werden  muss,  so  war  die 
innere  Communication  des  unteren  Raumes  mit  dem  Langhause  der 
Kirche  noch  ein  weiterer  wesentlicher  Fortschritt:  an  den  Domen  von 
Strassburg  und  Göln  bilden  die  Thürme  (nach  dem  Muster  des  französi- 
schen Kathedralstils)  den  Zugang  zu  den  Seitenschiffen,  eine  nach- 
ahmenswerthe ,  doch  selten  beobachtete  Einrichtung.  Die  Münster  von 
Freiburg  i.  B.  und  Ulm  haben  nur  einen  Thurm  vor  der  Mitte  der  West- 
front; derselbe  bildet  jedoch  zugleich  den  Haupteingang  und  die  Vorhalle 
der  Kirche.  An  vielen  Kirchen  mit  zwei  Westthürmen  (besonders  in 
Pommern,  aber  auch  anderwärts  z.  B.  im  Dom  zu  Regensburg,  in  der 
Stiftskirche  zu  Xanten,  Nicolaikirche  in  Jüterbog  etc.)  ruhen  die  Thürme 
einwärts  auf  starken  Pfeilern  und  öffnen  sich  in  hohen  Bögen ,  östlich  in 
die  Seitenschiffe ;  nördlich,  resp.  südlich  in  den  Zwischenbau. 

Die  rheinländischen  und  oberdeutschen  Prachtthürme  (Dom  in  Cöln 
nach  dem  Entwürfe,  Münster  zu  Strassburg,  Freiburg  i.  B.  und  Ulm, 
St.  Stephan  zu  Wien)  sind  mit  durchbrochenen  luftigen  Steinpyramiden 
gekrönt,  die  in  Norddeutschland  sehr  selten  und  nur  in  kleinem  Maass- 
stabe (der  s.  g.  höckerige  Thurm  am  Dom  zu  Meissen)  vorkommen.  — 
Die  meisten  Thurmdächer  bestehen  aus  mit  Schiefer,  Metall  oder  Ziegeln 
gedeckten  Holzconstructionen,  und  die  grosse  Mehrzahl  ist  leider  durch 
Bedachungen  von  Zwiebel-  oder  Schlaf haubenform  verunstaltet,  die  ihre 
Entstehung  dem  Geschmacke  der  Zopfzeit  verdanken. 

Anmerkung  1.  Das  Innere  der  Thürme  wurde  zuweilen  zu 
Kapellen  benutzt,  und  zwar  nicht  bloss  im  Erdgeschosse  (wie  in  den  Ost- 
thürmen  der  Pfarrkirche  zu  Gelnhausen)  ;  in  den  westlichen  Domthürmen  zu 
Wien,  Naumburg  und  Meissen  finden  sich  z.  B.  zwei  Kapellen  über  einan- 
der angebracht,  und  eine  ähnliche  Einrichtung  erscheint  im  Thürme  der 
Kirche  zu  Idensen  in  Westfalen.  —  Auf  dem  Baurisse  von  St.  Gallen  sind 
oben  auf  der  Höhe  {in  Bummitate)  der  beiden  Rundthürme  Altäre  der  Erz- 
engel (nördlich  Gabriel,  südlich  Michael)  angegeben.*)  — In  die  Thurm- 
knöpfe pflegte  man  Reliquien  und  Urkunden  einzulegen ;  letztere  enthielten 
theils  Nachrichten  über  den  Bau,  theils  Gebete.  Dergleichen  Documente 
aus  dem  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  findet  man  abgedruckt  z.  B.  in  den 
N.  Mittheilungen  d.  thüring.-sächs.  Vereins  III.  4,  125  ff.  und  in  v.  Drey- 
haupts  Beschreib,  des  Saalkreises  1,  1015  f.  —  Der  Hahn  auf  dem 
Glockenthurme  {campanariwv^  kommt  schon  im  X.  Jahrhundert  zu  St. 
Gallen  vor:*)  dieser  Tupraeco  rftW«* bezeichnet  erinnernd  die  Wachsamkeit  in 


1)  Ueber  die  ThOrme  als  Cultusstätten    vergl.  Weingärtner,    System   des 
Christi.  Thurmbaues.  S.  27. 

2)  Pertz,  M.  G.,  Scriptores  2,  105. 


62  Wetterbahn  etc.   Vielzahl  der  Thürme. 

Beobachtung  der  kanonischen  Stunden ;  vor  Erfindung  der  Uhren  richtete 
man  sich  mit  dem  Anfange  des  Frohgottesdienstes  nach  dem  Hahnenschrei. ') 
—  Statt  des  Hahns  kommen  auf  den  Thurmspitzen  auch  die  Abbildungen 
der  Patrone  vor :  auf  den  östlichen  Thürmen  des  Doms  zu  Merseburg  z.  B. 
sind  St.  Lauren tius  und  St.  Johannes  der  Täufer  unter  den  Windfahnen 
angebracht.  —  Die  bei  städtischen  Pfarrkirchen  besonders  in  den  sächsi- 
schen Gegenden  (z.  B.  in  Freiburg  a.  d.  U.,  Halberstadt,  Halle,  Jüterbog, 
Wittenberg;  aber  auch  in  Wiener-Neustadt)  nicht  selten  vorkommende 
Verbindung  der  beiden  Frontalthürme  durch  eine  Brücke  hat  den  Zweck, 
dem  oben  wohnenden  Thürmer  die  Umschau  von  beiden  Thürmen  zu  er- 
möglichen. Bei  der  Dionysiuskirche  zu  Esslingen  findet,  jedenfalls  zur 
Erleichterung  der  Communication ,  sogar  eine  zweifache  Ueberbrückung 
zwischen  den  beiden  Thürmen  statt. 

Anmerkung  2.  Obgleich  die  Kirchthürme  den  ersten  sechs  bis 
sieben  Jahrhunderten  fremd  waren,  und  ihre  Entstehung  zunächst  nur 
äusseren  Umständen  zu  verdanken  ist,  so  hat-  sich  das  christliche  Volk  aller 
Schichten  an  diese  y>Finper,  die  wuer  Herrgott  aus  der  Erde  steckt«  doch 
bald  mit  so  grosser  Liebe  gewöhnt,  dass  im  Mittelalter,  wo  es  n\ir  irgend 
die  Verhaltnisse  erlaubten,  sich  auch  die  ärmste  Dorfkirche  diesen  Schmuck 
nicht  leicht  versagte ;  es  kann  daher  nichts  Befremdliches  haben,  dass  reiche 
Stiftungen  ihre  Kirchen  durch  mehrere  Thürme  zu  verherrlichen  suchten 
(s.  oben  S.  56):  die  Dome  zu  Mainz,  Speier  und  Worms,  die  Klosterkirchen 
zu  Laach  und  St.  Michael  zu  Hildesheim  haben  sechs  Thürme,  das  Münster 
zu  Bonn  fQnf,  die  Kirche  zu  Limburg  an  der  Lahn  sieben,  St.  Gereon  und 
Aposteln  zu  Cölnund  viele  andere  aus  dem  XII. — XIII.  Jahrh.  am  Rhein 
drei  Thürme ;  die  gothische  Marienkirche  in  Danzig  hat  ausser  dem  'grossen 
Glockenthurme  noch  zehn  andere  Thürmchen ,  die  sich  zum  Theil  mehr  als 
80  F.  über  dem  hohen  Kirchdach  mit  schlanker  Spitze  erheben;  selbst 
kleinere  Stadtgemeinen  (wie  Freiburg  a.  d.  U.,  Wittenberg,  Jüterbog  etc.) 
schmückten  ihre  Pfarrkirchen  mit  zwei  stattlichen  Westthürmen ,  und  nicht 
bloss  die  Stadtkirche  zu  Freiburg  a.  d.  U.,  sondern  sogar  die  Filialkirche 
des  Dorfes  Grossen-Linden  bei  Giessen  hat  ausser  diesen  noch  einen  Mittel- 
thurm :  die  hie  und  da  keck  hingestellte  Behauptung ,  dass  eine  Pfarrkirche 
nur  einen  Thurm,  eine  bischöfliche  zwei  und  eine  erzbischöfliche  Kirche 
drei  Thürme  habe,  widerlegt  sich  daher  selbst. 

Bei  Kirchen  mit  mehreren  Thürmen  werden  die  einzelnen ,  um  sie  von 
einander  unterscheiden  zu  können,  gewöhnlich  mit  besonderen  Namen  be- 
nannt. Die  beiden  westlichen  Thürme  des  Doms  von  Wien  heissen  Heiden« 
thürme^),  die  östlichen  Thürme  des  Freiburger  Münsters  haben  den  Namen 
Hahnen  thürmchen ;  in  Basel  am  Dom  werden  die  westlichen ,  und  am  Mer- 
seburger Dom  die  östlichen  Thürme  nach  den  beiden  Hauptpatronen  dieser 


1)  Consuetudines  monasterii  S.  Vitoni  Virdunensis  (angeblich  aus  dem  X.  Jahrh. 
—  Martene,  de  ritibus  -1,  853):  Cum  lucem  ales  nunciaverit,  dabuntur  omnia 
Signa.  Aehnlich  schon  Augustinus  vom  Frühgebet.  Vergl.  Kreuser,  Kirchen- 
ban  1,  232. 

2)  Sehr  wahrscheinlich  als  Erinnerung  an  die  ehemalige,  bei  der  Kirche  vorbei 
führende  »strata  nemoris  paganorumu.  Vergl.  Otte,  Gesch.  der  deutschen  Bau- 
kunst. S.  252. 


Dachreiter.  63 

Kirchen  benannt ;  die  vier  Naumburger  Domthürme  werden  als  »  bewohnte  a 
und  »unbewohnten  von  einander  unterschieden;  an  der  Marktkirche  in  Halle 
heissen  die  östlichen  die  Hausmanns- ,  die  westlichen  die  blauen  Thürme ; 
zu  Danzig  wird  der  sich  über  der  Vierung  der  Marienkirche  erhebende 
Thurm  Epistelthurm  genannt.  Von  den  beiden  Tbürmen  der  Frauenkirche 
zu  Ingolstadt  hefsst  der  niedrigere  der  Oelthurm  (d.  i.  Oelbergthurm) ,  und 
am  Dome  zu  Würzburg  der  nordöstliche, der  rothe  Thurm.  Der  linke  Chor- 
thurm  des  Domes  zu  Worms  und  der  rechte  zu  Speier  heissen  Eselsthüime, 
weil  Esel  auf  den  romanischen  Treppen  derselben  die  Baustoffe  hinauf  getra- 
gen haben  sollen,  und  auch  der  Dom  zu  Regensburg  hat  seinen  Eselsthurm. 

Anmerkung  3.  Die  Wirthlichkeit  der  Cisterzienser  Hess  ihnen  die 
kostspielige  Errichtung  von  Kirchthürmen  als  überflüssig  erscheinen ,  und 
ihre  Kirchen  begnügten  sich  deshalb  mit  einem  über  dem  Kreu^felde  sich 
erhebenden  Dachreiter  (turricula  super  eeclesiam) ,  welcher  auch  far  ihre 
wenigen  und  kleinen  Glocken  hinlänglich  war  und  überhaupt  als  älteste 
Form  der  Glockengehäuse  anzusehen  ist.  Die  Bettelorden,  die  sich  seit  dem 
Xni.  JTahrh.  innerhalb  der  Städte  ansiedelten,  mussten  sich  des  allein  den 
Pfarreien  zustehenden  öffentlichen  Glockengeläutes  enthalten  und  durften 
nur  eine  kleine  Privatglocke  haben ,  für  welche  ein  unbedeutendes  Dach- 
thürmchen  ausreichend  war:  die  Dominicaner  in  Elbing  z.  B.  erhielten  1246 
zwar  die  Freiheit  daselbst  ein  .steinernes  Kloster  und  eine  Kirche  zu  bauen, 
jedoch  ohne  Thurm  M;  dagegen  hat  die  Dominicanerkirche  in  Erfurt  zwei 
schöne  achteckige  Thürmchen.  —  Dachthürme  för  die  Signalglocken  finden 
sich  dem  gottesdienstlichen  Bedürfhisse  entsprechend  auch  über  dem  Kreuze 
oder  Altarhause  der  meisten  grösseren  Kirchen  und  kommen  ausser  dem 
westlichen  Glockenthurme  selbst  bei  Landkirchen  vor:  in  Preussen  über 
dem  östlichen,  im  Magdeburgischen,  statt  eines  eigentlichen  Thurmes ,  über 
dem  westlichen  Giebel ,  und  zwar  hier  in  der  Form  von  zwei  Pfeilern ,  in 
welche  die  Giebel  wand  zinnenartig  ausläuft,  und  zwischen  denen  die  Glocke 
hängt. 

Die  auf  den  Kehlbalken  ruhenden,  aus  dem  Firste  aufsteigenden  Dach- 
reiter sind  grösstentheils  Holzconstructionen ,  die  man  der  Dauerhaftigkeit 
wegen  gern  mit  Metallblechen  bekleidete :  am  Niederrhein  z.  B.  mit  styli- 
sirten  Blei  Verzierungen,  anderwärts,  wie  das*  goldene  Thürmchen  über  dem 
Chore  des  Domes  zu  Hildesheim,  mit  vergoldetem  Kupferblech.  Unter  den 
selten  vorkommenden  steinernen  Thürmchen  dieser  Art  zeichnen  sich  einige, 
wie  das  zu  Heilsbronn  in  Franken,  durch  schlanke  Formen  vortheilhaft  aus. 

23.  Der  Kaum  zwischen  den  beiden  westlichen  Thürmen  (intra 
iun-em  —  Fdes  Grundrisses  S.  35),  mit  diesen  aus  dem  Narthex  der 
alten  Kirche  hervorgegangen,  biklet  oft  ein  besonderes,  entweder 
(wie  in  Niedersachsen  gewöhnlich)  mit  seinen  Giebeln  gegen  die 
Thürme,  oder  nach  Westen  und  Osten  gewendetes  Zwischenhaus, 
welches  im  Erdgeschoss  die  Vorhalle ,  im  zweiten  Stockwerke ,  wenn 
ein  solches  angeordnet  ist,  eine  Empore  (s.  unten  §.  28)  und  im  dritten 


1)  Vergl.  D reger,  Cod.  dipl.  Pomm.  No.  67.  p.  254. 


64 


Vorhalle.    Paradies, 


die  Glockenstube  enthält.  Häufig  ist  aber  ausser  der  inneren  Vor- 
halle noch  eine  äussere  geschlossene  Vorhalle  oder  offene  Vorlaube  *) 
(am  Dome  zu  Merseburg  —  H  des  Grundrisses  —  und  an  der  Stadt- 
kirche zu  Freiburg  a.  d.  U.  westlich ,  an  den  Domen  zu  Goslar  und 
Magdeburg,  sowie  an  der  Benedictinerkirche  zu  Trebitsch,  an  St. 
Emeram  zu  Regensburg  und  ai^  der  Klosterkirche  zu  Wechselburg 
nördlich)  angebaut,  welche  oft  den  Namen  Paradies  fuhrt  und  mit 
den  Steinbildern  der  ersten  Menschen  ausgestattet,  zuweilen  zu  einer 
besonderen  Gedächtnissfeier  des  Sündenfalles  bestimmt  war. 

Auf  dem  Plane  von  S.  Gallen  (s.  Fig.  15  S.  43)  zieht  sich  concentrisch 
um  beide  Apsiden  Ostlich  eine  Mauer ,  westlich  ein  Säulengang  herum, 
beide  einen  offenen,  etwa  12  F.  breiten  Raum  einschliessend ,  der  als 
»paradisusv^)  bezeichnet  ist  und  dem  viereckigen  Säulenvorhofe  der  alt- 
christlichen Basilica  entspricht,  und  zwischen  dem  Westchor  der  Münster- 
kirche zu  Essen  und  der  zu  derselben  gehörigen  TaufkapeUe  hat  sich 
noch  ein  rechteckiger  Säulen vorhof  aus  dem  XL  Jahrh.  erhalten,  der 
ebenfalls  unter  dem  Namen  » Paradies u  bekannt  ist.  Als  einzig  in  ihrer 
Art  in  Deutschland  ist  die  einen  kleinen  offenen  Hof  begrenzende  ge- 
wölbte Halle  aus  dem  XII.   Jahrh.   hervorzuheben,   welche  sich  an  der 


Fig.  26.  Paradies  der  Klosterkirche  za  Maulbronn 
(aus  Leibnitz,  Organisation  der  Gewölbe). 

Westseite  der  Klosterkirche  zu  Laach  befindet.     Später,   seit  dem  XII. 
Jahrh.  erscheinen  die  Paradiese  als  mehr  oder  weniger  geschlossene  Vor- 


1)  »Ztüo  Vorlauben  reiche  zierten  tcol  vor  andern  zwei  der  p/orte«  ( —  an  eine 
dritte  Thür  der  Kirche  schloss  sich  der  Kreuzgang).    Der  jüngere  Titurel  92.   S.  378. 

2)  Der  Ursprung  des  Namens  Paradies  für  den  offenen  Vorhof  der  Kirche  ist 
dunkel.  Wenn  es  begründet  ist,  dass  dieser  eingehegte  freie  Platz  ursprünglich  mit 
Bäumen  bepflanzt  war,  könnte  man  mit  Bestimmtheit  auf  die  Bedeutung  von  Tiaoa- 
(f€iaog  =  Baumgarten,  zurückgehen.  Vgl.  de  Roisin,  la  Cathödrale  de  Treves  p.  51. 


Thüren.  65 

hallen  vor  den  Kircbenportalen  (St.  Emmeram  in  Regensbnrg ,  Dom  zu 
Ooslar,  Klosterkirchen  zu  Trebitzsch  und  Maulbronn  etc.)  und  bilden  seit 
dem  XIII.  Jahrh.  zuweilen  eigentliche  Vorlauben,  die  sich  nach  den 
freien  Seiten  in  Bogenstellungen  öffnen  (Stadtkirche  zu  Freiburg  a.  d.  U., 
Dom  zu  Magdeburg) .  —  Die  Vorhalle  {airium  ecclesiae)  war  wie  in  der 
alten  Kirche,  so  noch  in  der  karolingischen  Zeit  und  später  der  Aufent- 
halt der  Büsser  und  mit  dem  Asylrechte  begabt.  An  diese  Sitte  scheint 
sich  das  s.  g.  Adam  -  Austreiben  in  Halberstadt ,  wo  fraher  dem  West- 
portale des  Domes  ein  Paradies  vorgebaut  war,  als  eigenthümliche  volks- 
mässige  Feier  der  Vertreibung  der  ersten  Menschen  aus  dem  Garten 
Eden  angeschlossen  zu  haben.  ^)  Anderweitig  wurden  die  Vorhallen  der 
Kirchen  zuweilen  zu  Gerichtsverhandlungen  und  regehnässig  zur  Ver- 
theilung  von  Almosen  benutzt. 

Vorhallen  unter  dem  Namen  Paradies,  in  Westfalen  corrumpirt  Per- 
wisch genannt,  werden  erwähnt  in  Aachen,  Corvey,  Erfurt,  Essen, 
Halberstadt,  Hildesheim,  Hirsau,  Laach,  Magdeburg,  Mainz,  Maulbronn 
(schon  im  XIII.  Jahrh.  urkundlich  unter  diesem  Namen),  Münster,  Nörd- 
lingen,  Paderborn,  Regensburg,  Speier,  Strassburg,  Trier  etc.  *) 

24.  Der  Haupteingang  [vaka,  die  Fliigelthür)  der  Kirche 
liegt  in  der  Mitte  der  Westseite  (Grundriss  S.  35  m) ;  Neben  thüren 
finden  sich  an  Kreuzkirchen  insgemein  auch  in  der  Front  der  Kreuz- 
vorlagen. 

Die  alte  Kirche  hatte  an  der  Westfront  drei  Eingänge  —  janua  trina 
—  (auch  fünf  bis  sieben ,  wenn  fünf  Schiffe ,  wie  zu  St.  Peter  und  St, 
Paul  in  Rom),  eine  Thür  für  das  Mittelschiff,  die  anderen  für  die  Seiten- 
schiffe, welche  Einrichtung  nach  dem  Muster  der  französischen  Kathe- 
dralen an  den  Domen  von  COln  (hier  auch  an  den  Fronten  des  dreischiffigen 
Querhauses)  und  Strassburg  beibehalten  ist.  —  Dome  mit  Doppelchören 
müssen  des  mittleren  Hauptportals  entbehren,  dessen  Stelle  dann  aber 
(wie  zu  Bamberg)  zuweilen  ein  Portal  an  einer  Langseite  der  Kirche 
vertritt,  während  auf  beiden  Seiten  der  Apsiden  Nebeneingänge  ange- 
ordnet sind ,  auf  dem  Plane  von  St.  Gallen  und  am  Dom  zu  Trier  neben 
der  westlichen,  an  den  Domen  zu  Mainz  und  Bamberg  neben  der  östlichen 
Apsis.  Die  Anordnung  von  Thüren  an  der  Ostseite  der  Kreuzarme  in 
der  Klosterkirche  von  Hersfeld  (s.  den  Grundriss  S.  45)  ist  eben  so  ano- 
mal wie  die  übermässige  Ausladung  der  letzteren,  hängt  aber  damit 
zusammen.  —  An  Landkirchen  findet  sich  häufig  an  der  nach  dem 
P&rrhofe  zu  belegenen  Seite  des  Chorraumes  eine  Neben  thür  für  den 
Geistlichen.  —  Seit  Einführung  des  gothischen  Bausystems  pflegt  an  den 
Hauptportalen  die  eigentliche  Thüröffnung  durch  einen  Steinpfosten  in 
zwei  AbtheUungen  getheilt  zu  sein.  —  Mit  der  Behauptung,  dass  die 
Kirchthür  niedrig  und  enge  sei  (Matth.  7,  13.  14.),  ist  es  nicht  allzu- 
strenge zu  nehmen ;  die  Breite  und  Höhe  der  Thür  steht  insgemein  in 


1 )  Veigl.  Schmidt,  Diss.  de  Adamo  Halberstad.  in  die  cinenim  ex  eccl.  ejecto. 
Hehiut.  1702.  —  Haber,  Nachricht  von  der  Domk.  zu  Halbentadt  1739.  S.  31  f. 

2)  Veigl.  Kreuzer,  Kirchenbau  1,  187  f. 

Otte,  Kaiui-Archlologie.  5 


66  Thürcn. 

richtigem  stilgemässen  Verhältnisse  zu  dem  Gebäude;  bei  grösseren 
älteren  Kirchen  allerdings  nur  6 — 10  F.,  bei  den  Domen  des  Xni.  Jahr- 
hunderts 14 — 16  F.  lichte  Breite  der  eigentlichen  vertieft  liegenden 
Thüröffnung,  während  sich  die  letztere  umschliessende  Bogenhalle  nach 
aussen  in  grossartigster  Weise  noch  sehr  beträchtlich  erweitert.  —  Bei 
Kirchen  mit  mehreren  TKüren  sind  dieselben  zuweilen  durch  besondere 
Namen  unterschieden,  unter  denen  der  Name  nBrautthüm  und  yiEheth^ra 
(oft  mit  den  Steinbildern  der  des  Bräutigams  harrenden  klugen  und  thö- 
richten  Jungfrauen)  :  Michaeliskirche  in  Braunschweig,  Sebaldskirche  und 
Lorenzkirche  zu  Nürnberg,  Jacobikirche  zu  Rothenburg  a.  d.  T.,  beson- 
ders häufig  (und  zwar  an  der  Nordseite)  wiederkehrt ,  indem  die  Trauun- 
gen in  diesen  Thürhallen  statt  zu  finden  pflegten.  Der  Dom  zu  Halber- 
stadt hat  eine  » Todtenthür « ,  die  Sebaldskirche  zu  Nürnberg  eine 
n  Schauthür  <i ,  eine  nSc/iultMra  und  eine  » AnscAreibiAür  « ,  das  Münster 
zu  Freiburg  eine  nSeffent/iür«  und  das  Hauptportal  von  St.  Stephan  zu 
Wien  heisst  das  » Riesenthor a.  —  Die  rothe  Thür  des  Doms  zu  Frank- 
furt a.  M.  führt  diesen  Namen,  weil  vor  derselben  Gericht  gehalten 
wurde*)  ;  auch  zu  Magdeburg  kommt  im  J.  1463  eine  y^rote  Thöra  als 
erzbischöflicha  Gerichtsstätte  vor.  *; 

Anmerkung.  In  der  älteren  Zeit  war  die  architektonische  Aus- 
stattung der  Kirchthüren  von  der  grossesten  Einfachheit ,  und  erst  nachdem 
im  XII.  Jahrb.  die  Sculptur  glänzende  Fortschritte  gemacht  hatte,  entfaltete 
sich  seit  dem  folgenden  Jahrhundert  an  den  Portalen  und  namentlich  am 
Haupt  portale  besondere  Pracht  durch  reichen  Steinbilderschmuck  in  Hoch- 
und  Flachwerk  an  den  schräg  eingehenden ,  sich  abstufenden  Wandungen, 
an  den  diesen  entsprechenden  Deckbögen  und  in  dem  Bogenfelde  über  dem 
wagerechten  Thürsturze.  Solche  Prachtportale  sind  die  goldene  Pforte 
des  Domes  zu  Freiberg*,  die  Fürstcnthür  des  Domes  zu  Bamberg,  die  St. 
Gallenpforte  des  Münsters  zu  Basel ,  das  Portal  der  Schottenkirche  zu  Re- 
gensburg, das  Riesenthor  von  St.  Stephan  zu  Wien,  die  Portale  der  Kirche 
des  Cisterzienser-Nonnenklosters  Tisnowitz  und  der  Benedictinerkirche  zu 
Trebitzsch  in  Mähren ,  sämmtlich  aus  dem  XIII.  Jahrh. ,  das  letztere  zwar 
ohne  Statuenschmuck,  aber  ausgezeichnet  durch  die  reiche  Fülle  des  Orna- 
mentes ;  aus  späterer  gothischer)  Zeit  die  Portale  der  Münster  zu  Freiburg 
i.  B.  und  Strassburg,  der  Lorenzkirche  in  Nürnberg  u.  a.  m. 

Der  Verschluss  der  Thüren')  bestand  in  der  Zeit  vom  IX.  bis 
XII.  Jahrh.  zuweilen  aus  kostbaren  in  Erz  gegossenen  Thürfiügeln  nach 
altchristlichen*)  und  späteren  byzantinischen  Vorbildern,  wie  sich  dergleichen, 
meist  mit  figürlichen  Relief- Compositionen  geschmückt ,  erhalten  haben  im 
Münster  zu  Aachen  und  am  Dome  zu  Mainz  (aus  glatten  Tafeln  bestehend); 
an  den  Domen  zu  Hildesheim,  Augsburg  und  Gnesen  und  an  der  Sophien- 


I)  Archiv  für  Fraiikf.  (icsch.  u.  Kunst  I.  3,  115. 

2}  V.  Dreyhaupt,  Beschreibung  des  Saalkreises  1 ,  1 53. 

'.\)  Ueber  die  Entwickelung  der  Thürverschlüsse  im  M.  A.  vergl,  Bock,  F.,  in 
den  Mittelaltcrl.  Kunstdenkin.  des  Österreich.  Kaiserstaates,  herausgegeb.  von  G, 
Heider  etc.  1,  111  ff. 

4)  Eusebius  (Hist.  eccl.  H»,  1  n.  17)  sagt  von  den  Thüren  der  Kirche  in Tyrus : 
nananriy^tnnC  tf  x^kxov  (Tiifrj^odt'ioic  xnl  nütxUfiaatv  ayayXvtfot^  .  .  .  tfttt^QVfag. 


Fenster.  67 

kirche  zu  Nowgorod  (mit  Reliefs) .  Aus  den  in  Holzsclmiizwerk  ausgefahr- 
ten,  sehr  alten  Thüren  von  St.  Maria  in  Capit.  zu  Cöln  Iflsst  sich  folgern, 
dass  auch  dergleichen  Arbeiten  vorkamen,  die  sich  des  vergänglichen  Stoffes 
wegen  indess  aus  älterer  Zeit  nicht  erhalten  haben ,  und  auch  im  späteren 
M.  A.  wohl  nicht  häufig  waren;  doch  sind  die  geschnitzten  Thflrflügel  des 
Domes  zu  Constanz,  an  St.  Gereon  in  Cöln  und  bei  den  Kapuzinern  zu 
Salzburg  aus  dem  XV.  Jahrh.  zu  nennen.  Die  Hauptzierde  der  Kirch  thüren 
bestand  seit  dem  XIII.  Jahrh.  in  dem  oft  die  ganze  Fläche  deckenden  imd 
allerlei  stilgemässe  Muster  bildenden,  zuweilen  ausserordentlich  kunstvollen 
Eisenbeschlag.  Auch  werden  am  Niederrhein  (St.  Victor  zu  Xanten,  Kirche 
zu  Calcar  etc.)  Thüren  erwähnt,  welche  ohne  allen  Eisenbeschlag  bloss  aus 
mehrfach  über  einander  gelegten  Eichenbrettem  bestehen ,  die  durch  qua- 
dratische und  rosettenartige  Unterlegungen  verziert  sind.  —  In  der  Kloster- 
kirche zu  Alpirsbach  ist  die  Thür  mit  einer  Rindshaut  überzogen ,  wahr- 
scheinlich (wie  an  der  mit  Pergament  überzogenen  Thür  eines  Wandschrankes 
im  Dome  zu  Magdeburg)  um  das  Reissen  des  Holzes  zu  verhindern. 

Seit  alter  Zeit  (Münster  zu  Aachen)  war  es  Üblich ,  an  den  Thürilügeln 
einen  metallenen  Löwenkopf  anzubringen,  welcher  im  geschlossenen 
Rachen  den  beweglichen  Handring  hält,  der  sowohl  zum  bequemen  Heran- 
ziehen der  schweren  Thürilügel  diente,  als  auch  von  Einlassbegehrenden 
als  Klopfer  benutzt  werden  konnte.  Wenn  ein  Flüchtling ,  das  Asyl  der 
Kirche  suchend,  den  Arm  durch  den  Thürring  gesteckt  hatte,  durfte  er  von 
seinen  Verfolgern  bei  Strafe  des  Bannes  nicht  ergriffen  werden.  Mit  Be-  . 
Ziehung  auf  dieses  Asylrecht  soll  über  der  Thür  einer  Kirche  in  Cöln  die 
Inschrift  gestanden  haben  :  »^tV?  »Mit  magnus  reusa.  'j 

25.  Die  Fenster  der  Kirchen  waren  bis  ins  XIII.  Jahrhundert 
klein,  oft  sehr  klein,  namentlich  schmal ;  im  späteren  Mittelalter  sind 
sie  sehr  gross,  durch  Steinpfosten  in  mehrere  Abtheilungen  getheilt 
und  häufig  mit  Glasgemälden  geschmückt. 

Die  Kirchen  mit  niedrigen  Seitenschiffen  haben  im  Langhause  zwei 
Fensterreihen,  eine  für  die  Abseiten  im  Untergeschoss ,  die  andere  für 
.  das  Hauptschiff  im  Obergeschoss,  welche  letztere  Reihe  (die  Oberlich- 
ter) sich  an  den  Kreuzarmen  und  an  den  Chorwänden  fortsetzt.  Die 
Zahl  der  Fenster  des  Langhauses  correspondirt  regelmässig  mit  der  Zahl 
der  die  Schiffe  scheidenden  Bogenstellungen,  und  zwar  nicht  bloss  in  den 
Oe Wölbebauten ,  wo  dazu  das  System  schlechthin  nöthigte,  sondern  auch 
in  den  Kirchen  mit  Balkendecke,  aus  richtigem  Qefühl  für  das  Eben- 
maass ;  doch  brachte  man ,  um  dem  Inneren  mehr  Licht  zu  geben ,  zu- 
weilen letzteres  zum  Opfer  und  vermehrte  die  Zahl  der  Oberlichter :  die 
Klosterkirche  zu  Qernrode  z.  B.  hat  bei  4  Arkaden  7  (kleine  und  sehr 
hoch  stehende)  Oberlichter,  die  Klosterkirche  zu  Breitenau  in  Hessen 
7  Arkaden  und  S  Fenster ,  die  Dominicanerkirche  zu  Eisenach  über  den 
5  westlichen  Arkaden  7  Fenster,  St.  Michael  in  Hildesheim  9  Arkaden 
und   10  Fenster,  die  Ellosterkirche  zu  Jerichow  5  Bogenstellungen  und 

I)  Lenoir,  Architecture  monastique  2,  MK 


68  Fenster. 

6  Fenster.  *)  Kirchen  mit  runden  Apsiden  haben  in  diesen  ein  bis  drei 
Fenster  (selten  in  zwei  Reihen  übereinander),  ebenso  die  platt  schliessen- 
den  in  ihrer  geraden  Ostwand;  beim  polygonischen  Schluss  entspricht 
die  Zahl  der  Fenster  den  Seiten  des  Polygonabschnittes.  —  Hallenkirchen 
haben  regelmässig  nur  eine  Fensterreihe ;  Ausnahmen  sind  aus  der  Früh- 
zeit  höchst  selten  (Elisabethkirche  in  Marburg) ,  aus  dem  spätesten  Mit- 
telalter häufiger  (Schlosskirche  zu  Wittenberg  etc.) :  hier  aber  gehören 
die  oberen  Fenster  zu  den  Emporen,  deren  zum  Theil  mehrere  überein- 
ander angebracht  sind.  —  Mit  Ausnahme  der  oft  rechteckigen  Fenster- 
Ofihungen  in  den  Holzbauten  (s.  oben  S.  25)  sind  die  Kirchenfenster  stets 
überwölbt,  bis  ins  XIII.  Jahrh.  halbkreisförmig,  später  spitzbogig.  An 
den  Giebelfronten  findet  sich  schon  frühzeitig  häufig  ein  Rundfenster  an- 
geordnet, und  im  XIII.  Jahrh.  kommen  in  der  Rheingegend  oft  seltsame 
phantastische  Fensterbildungen  (fächerartig,  mit  kleeblattfSrmigem  Sturz 
etc.)  und  weiter  verbreitet  auch  Rundfenster  an  den  Langseiten  der 
Kirchen  vor. 

Die  Kleinheit  der  früh-mittelalterlichen  Kirchenfenster,  welche  etwa 
von  1150 — 1250  besonders  in  Norddeutschland  das  äusserste  Maass 
schmaler  Schlitze  erreicht,  scheint  mit  der  damaligen  Seltenheit  und 
Kostspieligkeit  des  Tafelglases  mehr  oder  weniger  zusammengehangen  zu 
haben.  Praktische  (nicht  symbolische)  Rücksichten  trugen  auch  wohl 
dazu  bei,  dass  man  zuweilen  (wie  in  der  spätgoth.  Mönchenkirche  zu 
Jüterbog)  besonders  bei  Landkirchen  (z.  B.  im  Samlande,  aber  auch 
südlich:  zu  Unterknöringen  bei  Burgau  in  der  Diöces  Augsburg)  an 
der  Mittemachtsseite  der  Kirchen  gar  keine  Fenster  anbrachte,  und 
den  Dom  zu  Frauenburg  nördlich  mit  schmäleren  Fenstern  ausstattete, 
als  an  der  Südseite.  Die  alte,  allerdings  nur  56  F.  lange  Peterskirche 
zu  Lindau  soll  ursprünglich  nur  ein  Fenster,  in  der  ApsiS;  gehabt  haben. 

Zwar  sprechen  schon  Lactantius  (de  Opificio  Dei  8 :  mfeneBtrae  vitro 
obductaev)  und  Hieronymus  (zu  Ezech.  41,  16  :  a/enesinie,  non  speculari 
laptde  nee  vitro,  sed  lignis  interrasilibus  clawaen)  im  IV.  Jahrh.  von 
Glasfenstern'),  aber  dieselben  blieben  von  da  ab  das  nächstfolgende 
halbe  Jahrtausend  hindurch  eine  grosse  Seltenheit,  indem  die  Fenster  der 
alten  italienischen  Kirchen  entweder  mit  dünnen,  von  symmetrischen 
Oeffnimgen  durchbrochenen  Marmorplatten  ausgesetzt  oder  mit  durch- 
scheinenden Tafeln  aus  Spat  geschlossen  wurden:  nfenestrae  gypseaen, 
und  selbst  noch  der  'als  Victor  III.  1087  gestorbene)  Abt  Desiderius  von 
Monte  casino  Hess  in  den  beiden  von  ihm  neu  erbauten  Kirchen  nur  die 
Hauptfenster  mit  in  Blei  gefassten  Qlastafeln  versehen ,  die  Fenster  der 
Seitenschiffe  dagegen  noch  mit  Spat. ')  Es  war  daher  in  Deutschland  die 
Klosterkirche  von  Tegemsee  gegen  das  Jahr  1000  sicherlich  nicht  die 
einzige,  deren  Fensteröffnungen  bis  dahin  mit  Tüchern  {nveteribus  pan- 
nia «)  verhängt  waren  und  damals  zuerst,  und  zwar  buntfarbig   {»per  die- 

1;  Vergl.  Schnaase,  in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen.   1862.  Sp.  132. 

2)  Vergl.  Wackernagel,  W.,  die  deutsche  Glasmalerei  S.  17  ff.  -  Docu- 
ments  historiques  sur  le  verre,  in  den  Mömoires  de  l'Acad.  de  Metz.  1849 — 50. 
p.  203—294. 

3)  Leo  Ostiensis  3,  29  u.  34. 


Dächer.  69 

cohria  pieturarutn  vitra«)  verglast  wurden.*)  Schon  früher  unter  Abt 
Liuthar  (934—949)  scheint  Reichenau  aus  kleinen  Rundscheiben  zusam- 
mengesetzte Qlasfenster  erhalten  zu  haben.  ^)  Zu  Anfang  des  XI.  Jahrh. 
war  im  Kloster  Tegernsee  eine  Glashütte  thätig,  die  den  sich  drängenden 
Bestellungen  kaum  zu  genügen  vermochte. ') 

26.  Das  Dach  der  Kirche  war  im  frühem  Mittelalter  meist  mit 
Holzschindeln ,  später  mit  Metall  oder  Stein  gedeckt.  Von  der  an- 
scheinend altchristlichen  Sitte ,  das  Sparrwerk  des  Daches  (mit  Hin- 
wegfall des  Bodenraumes)  nach  innen  frei  und  sichtbar  zu  lassen, 
findet  sich  im  deutschen  Mittelalter  keine  Spur :  bis  ins  XHI.  Jahr- 
hundert haben  die  meisten  Kirchen  getäfelte  Holzdecken  [laquearta] , 
und  später  wird  die  Steinwölbung  [opus  ogivale]  eben  so  zur  Kegel, 
wie  sie  früher  Ausnahme  war.  —  Die  Construction  des  Dachstuhls 
namentlich  an  den  gewaltigen  Satteldächern  grösserer  spätmittelalter- 
licher Hallenkirchen  verdient  wegen  ihrer  Kühnheit  und  Solidität 
volle  Anerkennung. 

Die  Bedachung  des  Langhauses  ist  das  Satteldach,  dessen  schräge 
Flächen  in  die  Nord-  imd  Südfacade  fallen  ;  es  wird  von  dem  gleich  hohen 
Dache  des  Querhauses ,  das  mit  seinen  Giebeln  Front  macht ,  über  der 
Vierung  durchkreuzt,  so  dass  also  die  schrägen  Dachflächen  desselben 
gen  Ost  und  West  fallen.  Die  Seitenschifie  haben  entweder  lange  Pult- 
dächer ,  deren  ^schräge  Fläche  sich  an  die  Seitenwände  des  Hochschiffes 
unterhalb  der  Fenster  desselben  anlehnt  (Dome  zu  Naumburg,  Halber- 
stadt, Freiburg  i.  B.,  Ulm  etc.),  oder  die  einförmige  lange  Linie  ist 
dadurch  vermieden,  dass  die  Aussenwände  der  Abseiten  je  nach  der  An- 
zahl der  HauptgewOlbeabtheilungen  des  Innern  (Traveen,  Joche)  in  ein- 
zelne Giebelwände  zerlegt  sind,  die  jede  ihr  besonderes  Dach  haben, 
dessen  schräge  Flächen  nun  nicht  in  die  Fa9ade,  sondern  seitwärts  fallen 
(Dom  zu  Magdeburg  etc.).  An  den  Domen  zu  Mainz  und  COln  sind  die 
über  den  einzelnen  Gewölbejochen  der  Seitenschiffe  errichteten  Dächer 
an  der  Giebelseite  abgewalmt.  Die  Apsiden  oder  polygonen  Chorschlüsse 
sind  mit  kegelförmigen  oder  Walmdächern  versehen ;  ebenso  die  kleinen 
Conchen  am  Querhause  und  am  Schlüsse  der  Seitenschiffe,  wie  die  sich 
um  den  Chorschluss  reihenden  polygonen  Kapellen  (Dom  zu  Cöln) ;  doch 
nicht  immer ,  da  auch  eine  Pultdachbedeckung  derselben  vorkommt  (Dom 
zu  Schwerin  etc.)  —  Der  Zwischenbau  endlich  wird  verschieden  behandelt : 


])  Pez,  Bern.,  Thesaurus  anecdot.  VI.  1,  122;  vgl.  Oberbayersches  Archiv  1,  30. 
2}  S  o ,  und  oicht  von  runden  Fensteröffiiungen  sind  wohl  die  Verse  zum  Preise 
jenes  Abtes  in  der  Reichenauer  Hs.  1 26  zu  Karlsruhe  (v.  Aufs  es  s,  Anzeiger  etc. 
1833.  Sp.  254;  zu  verstehen: 

»  H<isce  fenestellas  Jttssit  /ormare  rotundaa 

Abbas  prcieclaruSf  nomine  Liutharius : 
Antea  nam  tenebrta  domus  Kaecfuscata  manebaif 
Nee  dederat  domino  lumina  clara  stw. « 
3)  Wackernagel  a.  a.  O.  S.  22  u.  135. 


70  Dächer. 

wenn  die  Giebel  wände  desselben  gegen  die  Thurmmauem  lehnen  (Kirche 
zu  G^mrode,  Klosterkirche  zu  Jericho  w  etc.),  schliessen  Vorder-  und  Rück- 
wand in  wagerechter  Linie  ab,  und  das  Dach  erscheint  als  Satteldach  oder 
(wie  am  Strassburger  Münster)  als  Plattform;  wenn  dagegen  die  Stirn- 
wände, dem  Aufstreben  der  fiankirenden  Thürme  entsprechend,  in  Qiebel- 
dreiecken  endigen,  fallen  die  schrägen  Dachflächen  nach  den  Thurmseiten 
(Dome  zu  Merseburg,  Halberstadt,  Magdeburg  etc.)  •  —  Kirchen  mit  gleich 
hohen  Schiffen  sind  entweder  mit  einem  colossalen  Satt^ldache  gedeckt, 
zu  dessen  Dachstuhl  das  Holz  ganzer  Wälder  verbraucht  wurde*),  oder 
es  finden  sich  drei  Paralleldächer,  den  drei  Schiffen  entsprechend  (Essen ) , 
oder  die  Seitenschiffe  haben  auch  hier,  der  Zahl  der  Joche  entsprechend, 
einzelne  Giebeldächer,  welche  in  das  Dach  des  Mittelschiffes  einschneiden 
{Dome  zu  Paderborn,  Wien,  Merseburg  etc.) ;  die  Liebfrauenkirche  zu 
Bremen  hat  über  ihrem  dreischifiigen  Langhause  durchgehende  parallele 
Querdächer. 

Die  Anwendung  hölzerner  Dachschindeln  itcgulaefisaae)  erklärt  die 
vielen  Kirchenbrände  des  Mittelalters :  es  giebt  kaum  einen  Dom ,  der 
nicht  mehrmals  ein  Raub  der  Flammen  geworden  wäre.  —  Bleibedachun- 
gen kommen  schon  frühzeitig  vor,  aber  nur  bei  ausgezeichneteren  Gfebäuden 
(wie  beim  Münster  zu  Aachen  um  800' ;  das  theure  Kupfer  blieb  selten 
und  wurde  wohl  nur  zu  Thurmdächem  benutzt.  Abgesehen  von  Schiefer- 
dächern ist  auch  die  Verwendung  anderer  Steinplatten  (z.  B.  auf  dem 
Chorumgange  des  Domes  in  Magdeburg)  nicht  häufig ;  der  Dom  zu  Prag 
wurde  1276  y>tegults  laptdet'su  gedeckt.^)  Die  aus  Ziegeln  erbauten  Kir- 
chen wurden  auch  mit  Ziegeln  gedeckt :  Hohlziegel,  volksmässig  » Mönch 
und  Nonne ii  genannt.;  auch  n^  förmige,  s.  g.  Fittigziegel ;  die  jetzigen 
Breitziegel  (Bieberschwänze)  erscheinen  als  neuere  Erfindung.  Die  ersten 
Dachziegel  {hieres  ad  tegulam)  in  Sachsen  hat  Bischof  Bern  ward  von 
Hildesheim  um  das  J.  1000,  und  zwar  nach  eigener  Erfindung  {nnuUo 
monatranUii)  verfertigt.';  Geringe  Landkirchen  waren  oft  nur  mit  Rohr 
oder  Stroh  gedeckt,  und  es  finden  sich  selbst  heute  noch  (in  Meklenburg, 
Preussen  etc.)  einzelne  Beispiele  davon. 

27.  Der  Fussb öden  der  meisten  tnittelalterlichen  Kirchen  ist 
jetzt  mit  Grabsteinen  belegt,  wo  nicht  neue  Bedeckungen  mit  Fliesen 
stattgefunden  haben.  Ursprünglich  war  die  römische  Sitte  der  Musiv- 
fussböden  auch  in  die  christliche  Basilica  übergegangen  y  und  noch 
das  frühere  Mittelalter  pflegte  dergleichen  Huntpflaster,  das  nicht 
bloss  in  Teppichmustem ,  sondern  selbst  in  eigentlich  malerischen 
Darstellungen  bestand,  häufig  anzuwenden.  Später,  etwa  seit  dem 
Ende  des  XII.  Jahrhundert«  fanden   Ziegelplatten  mit  eingelegten 


1)  Der  ungeheure  fast  80'  hohe  Dachstuhl  Aber  der  336'  langen  und  128'  breiten 
Münchener  Frauenkirche  von  1488  erforderte  das  Holz  von  140  Flössen,  das  Floss  zu 
15 — 16  Bftumen  gerechnet. 

2)  Fiorillo,  Gesch.  der  zeichn.  Künste  in  Deutschland  1,  115. 

3)  Ebd.  S.  79. 


Fussböden.  71 

Mustern  weit  verbreitete  Anwendung.    In  einfachen  Gebäuden  und 
in  Landkirchen  genügte  gewöhnlicher  Estrich.  *) 

Der  gegenwärtige  Fussboden  in  vielen  alten  Kirchen  liegt  höher  als 
der  uniprüngliche ,  woher  es  kommt,  dass  die  Fussgesimse  der  Pfeiler 
und  Säulen  oft  verdeckt  sind ,  wie  in  der  Klosterkirche  zu  Drübeck  etc. 
Nachgrabungen  in  dem  uralten  Kerne  des  Domes  zu  Trier  haben  ergeben, 
dass  der  älteste  römische  Fussboden  6  F.,  ein  späterer  aus  dem  VI.  Jahrb. 
4  F.  und  ein  dritter  aus  dem  XI.  Jahrb.  ly,  F.  tief  unter  dem  im 
XVII.  Jahrh.  gelegten  modernen  Pflaster  liegt.*)  —  In  der  Martins- 
kapelle zu  Freising  entdeckte  man  den  ursprünglichen  Fussboden  unter 
einer  Aufschüttung  von  fast  7  Fuss. 

Bruchstücke  eines  ehemals  im  Chore  des  Domes  zu  Hildesheim  be- 
findlich gewesenen  Mosaikfussbodens  mit  biblischen  und  allegorischen 
Darstellungen  werden  in  der  Laurentiuskapelle  des  Domes  aufbewahrt  ') ; 
andere  Uebcrreste  finden  sich  im  Dom  zu  Chur,  auch  in  St.  Gereon  zu 
Cöln ,  und  in  den  Kirchen  zu  Laach  und  Sponheim  ein  Buntpfiaster  aus 
verschieden  gefärbten  kleinen  Ziegelplatten.  —  Der  Cisterzienser  Bernhard 
von  Clairveaux  *)  im  XII.,  und  die  Acta  Mediolanensia^)  im  XVI.  Jahrh. 
erklärten  sich  gegen  Musivbilder  heiliger  Gegenstände  im  Pfiaster,  wo  sie 
mit  Füssen  getreten  würden.  Statt  solcher  figürlichen  Darstellungen,  deren 
Technik  (Opm  tesaelatum)  diesseits  der  Alpen  seit  dem  XII.  Jahrh.  über- 
haupt gänzlich  ausser  Uebung  gekommen  zu  sein  scheint ,  wurden  später 
Pflasterungen  sehr  beliebt ,  welche  aus  figurirten ,  meist  glasirten  Back- 
steinplatten von  4 — 6  Z.  im  Quadrat  bestanden,  auch  rautenförmig  oder 
rund   vorkommen ,  und   Teppich muster   bildeten.  *)     Dergleichen  Fuss- 

1]  Ueber  die  verschiedenen  Pflaster-Mosaiken  des  M.  A.  vergl.  Decorde, 
Pavage  des  öglises  dans  le  pays  de  Bray.  Paris  1 S5**.  Vergl.  auch  Keichensper- 
ger,  A.,  Fingerzeige  auf  dem  Gebiete  der  kirchl.  Kunst.  S.  49. 

2)  de  Roisin,  la  Cath^dralede  Tröve»  p.  35  et  1U5. 

3)  VezjB^.  Piper,  Ferd.,  Mythologie  der  christl.  Kunst  2,  700.  Ein  Medaillon 
dieses  Musivbodens  stellt  sogar  die  h.  Dreieinigkeit  (als  ein  dreifaches  Gesicht)  dar; 
der  h.  Bernhard  hatte  also  Grund  zu  seiner  Polemik. 

4)  £p.  ad  Wilhelmum  Abb.  (Opp.  1 ,  544) :  At  quid  saltem  sanctorum  imagines 
non  venerentur,  quibus  utique  hoc  ipsum,  quod  pedibus  conculcatur ,  nitet  pavimen- 
tum ;  saepe  spuitur  in  os  angeli ,  saepe  alicujus  sanctorum  facies  calcibus  tunditur 
transeimtium.  £t  si  non  sacris  imaginibus ,  cur  vel  non  parcitur  pulchris  coloribus } 
Cur  decoras,  quod  mox  foedandum  est  r  Cur  depingis,  quod  necesse  est  conculcari } 

5)  Instruct.  fabricae  eccles.  p.  -IH9  :  In  pavimento  neque  picturaneque  sculptura 
crux  exprimatur,  nee  vero  praeterea  alia  sacra  imago  etc.  —  Kreuser,  Kirchenbau 

1,  219. 

6]  Abbild,  von  Mosaikziegeln:  Lisch,  G.  C.  F.,  Blätter  zur  Gesch.  der  Kirchen 
zu  Doberan  und  Althof  (Separat- Abdruck  aus  Jahrg.  XIX.  der  Jahrb.  des  Vereins 
fOr  meklenb.  Gesch.)  S.  1 1 — 25.  und  v.  Quast,  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archäol. 
u.  Kunst  2,  2b ff.  u.  74.  —  Milde,  C.  J.,  Denkm.  bild.  Kunst  in  Lübeck  IS48, 
Heft  2.  —  Verband!,  des  Vereins  für  Kunst  u.  Alterth.  in  Ulm  u.  Obersch^^aben, 

2.  Bericht  1S4-1,  S.  17  ;  9.  u.  10.  Bericht,  S."54 ;  14.  Bericht  mit  21  Tafeln  in  Bunt- 
druck.—  Correspondenzbl.  des  Gesammtvereines  etc.  VI.  Jahrg.  lb5S,  S.  29.  u.  67.  — 
Mittelalter!.  Kunstdenkm.  des  Österreich.  Kaiserstaates,  herausgegeb.  von  Dr.  G. 
Heider  etc.  2,  170.  -  Ernst,  L.,  u.  Oescher,  L.,  Baudenkm.  d.  M.  A.  in 
Oesterreich  Heft  3  Taf.  1.  —  Essenwein,  A. ,  Norddeutschlands  Backsteinbau 
Taf.  XXIV.  12.  —  Derselbe,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central  -  Commission  etc. 
1862.  7,  4Sff.  —  Christi.  Kunstbl.  1S62,  S.  13Sff. 


72 


Fussböden. 


böden,  die  sich  nur  in  Bruchstücken  erhalten  haben ,  finden  sich  in  Eng- 
land ,  Frankreich ,  Skandinavien  und  im  Gebiete  des  nord  -  und  des  süd- 
deutschen Ziegelbaues  vor.  Die  Platten  sind  roth  oder  porphyrartig 
dunkelfarbig ;  die  Muster  wurden  vor  dem  Brennen  mit  geschnitzten 
Formen  eingedrückt  und  dann  mit  einer  hellfarbigen ,  gewöhnlich  gelben 
Thonerde  oder  Harzmasse  ausgefüllt  (oder  auch  umgekehrt:  die  Ziegel 
hell  und  das  Muster  dunkel) ;  sie  kommen  in  den  verschiedenen  Ländern 
zuweilen  in  völliger  Uebereinstimmung  vor ,  was  auf  gemeinschaftlichen 
Ursprung  (vielleicht  aus  England)  hindeutet.  Besonders  sind  es  Thier- 
gestalten,  die  sich  wie  in  Frankreich  und  England,  so  auch  in  Norwegen 
(Klosterkirche  zu  Hovedöe)  und  Meklenburg  (Kapelle  zu  Althof,  Kloster- 
kirche zu  Doberan)  ganz  in  derselben  Weise  vorfinden.  —  Bei  frei  er- 
fundenen Arabeskendessins  wird  das  vollständige  Muster  immer  aus  je 
vier  zusammengehörigen  einzelnen  Platten  gebildet,  die,  wenn  die  Zeich- 
nung danach  eingerichtet  war,  in  höchst  praktischer  Weise  beliebig  an 
einander  gelegt  werden  konnten.    Zu  den  ältesten  und  schönsten  dieser 


Fig.  27.   Fussbodenplatten  in  Ammensleben  (nach  v.  Quast). 

Gattung  gehören  die  Platten,  welche  sich  in  der  südlichen  Nebenapsis 
der  Klosterkirche  zu  Ammensieben  im  Magdeburgischen  erhalten  haben. — 
Der  Raum  hinter  dem  Altare  der  Kirche  zu  Pechüle  bei  Treuenbrietzen 
ist  mit  kleinen  kreuzförmigen  Ziegelsteinen  belegt. 

Bei  den  im  Laufe  der  Zeit  in  den  Kirchen  immer  häufiger  geworde- 
nen Begräbnissen  wurden  die  alten  Buntpflaster  nach  und  nach  zerstört, 
und  Leichensteine  traten  an  deren  Stelle. 

Anmerkung.  Die  bereits  in  heidnisch  -  antiken  Mosaikfussböden 
(z.  B.  in  den  Salzburger  Mosaiken  des  Museums  zu  Wien)  vorkommenden 
Labyrinthe*)  gingen  schon  frühzeitig  in  die  christlichen  Kirchen  (z.  B. 
in  der  Basilika  des  Reparatus  zu  Orleansville  in  Algerien,  V.  Jahrh.)  über, 


1 )  Ueber  die  Labyrinthe  oder  Jerusalemswege  vergl.  D 1  d  r  o  n,  Annales  archöol. 
14,  268  u.  17,  lÄ48qq. ;  de  Caumont,  Ab6c6daire  1  (4.6d.)  p.  445  8qq. ;  Gailha- 
baud,  die  Baukunst  etc.  Bd.  V.  Taf.  13  u.  14;  Krauser,  der  christl.  Kirchenbau 
1,  219. 


Labyrinthe.  —  Emporen.  73 

blieben  auch  im  M.  A.  beliebt  und  haben  sich  in  Frankreich  mehrfach ,  in 
Deutschland  anscheinend  nirgends  mehr  erhalten ,  da  das  Labyrinth  in  St. 
Severin  zu  COln  in  neuerer  Zeit  zu  Grunde  gegangen  ist.  Diese,  gewöhn- 
lich im  Hauptschiffe,  zuweilen  beim  Eintritt  ins  Querhaus  angebrachte, 
eigenthümliche  Fussbodenverzierung  kommt  in  quadratischer,  runder  oder 
achteckiger  Form  vor ,  und  die  concentrischen  Irr*^ 
gänge  derselben  sind  durch  Steinchen  von  zwei 
verschiedenen  Farben  als  »pavimenium  sectileoi  dar- 
gestellt. Der  Name  Chemins  de  Jerusalem 
(Jerusalems  wege)  scheint  erst  von  den  französi- 
schen Archäologen  dafür  erfunden  zu  sein,  weil 
das  christliche  Volk  seit  den  Kreuzzügen  (wie  nach- 
weislich zu  Rheims  um  1240)  das  Durchwandeln 
dieser  Irrgänge  unter  gewissen  Gebeten  als  Ersatz 
Fig.  28.  Lftbyrinth  »us  der       fflr  eine  Pilgerreise  nach  Jerusalem  zu  betrachten 

Pfarrkirche  la  8t.  Quintin  n      i.  j«  j-lm»        /-«!-•  j 

(imeh  Crotnier).  pAegte ,  WOZU  die  an  das  heilige  Grab  erinnernde 

Centralform  der  Labyrinthe  die  Veranlassung  ge- 
wesen sein  mag.  Im  Dome  von  Chartres  wurde  das  Labyrinth  gemeiniglich 
» Lteite «  genannt ,  weil  man  auf  den  Knieen  rutschend  eine  Stimde  Zeit  ge- 
brauchte ,  um  bis  in  die  Mitte  zu  gelangen :  die  Schlangenwindungen  des- 
selben waren  668  F.  lang.  —  Dass  übrigens  nicht  bloss  die  Darstellung 
selbst ,  sondern  auch  der  Name  Labyrinth  sich  aus  der  heidnischen  Kunst 
ins  Mittelalter  fortgepflanzt  hatte,  ist  erwiesen.  ^) 

28.  Emporen  (provinziell  Emporkirchen,  Porkirchen,  auch 
Priechen  oder  Chöre  genannt),  in  der  morgenländischen  Kirche  für 
das  weibliche  Geschlecht  seit  den  ältesten  Zeiten  allgemein  üblich, 
kommen  im  Abendland ,  abgesehen  von  einigen  den  byzantinischen 
Typus  befolgenden  Centralbauten ,  zunächst  nur  in  den  Kirchen  von 
Frauenklöstern  vor,  wo  sie,  dem  vorhandenen  Bedürfiiisse  eines  völlig 
abgesonderten  Raumes  für  die  Schwestern  entsprechend,  seltener  über 
den  Seitenschiffen,  gewöhnlich  als  Nonnenchöre  am  Westende  des 
Mittelschiffes  über  der  Vorhalle ,  als  ein  sich  über  einer  Brüstung  in 
Bogenstellungen  öähendes  Obergeschoss  angeordnet  sind.  In  anderen 
Fällen  ist  der  Zweck  dieser  vom  XI.  bis  XIII.  Jahrh.  sehr  häufigen 
Emporen  nicht  mit  Bestimmtheit  nachgewiesen ;  doch  darf  man,  wo 
sie  in  den  Kirchen  von  Mönchsklöstern  vorkommen,  mit  Wahrschein- 
lichkeit annehmen,  dass  sie  für  weibliche  Kirchenbesucher  dienten, 
oder,  wenn  mit  dem  Mönchskloster  ein  besonderer  Nonnenconvent 
verbunden  war,  den  Schwestern  als  abgeschlossenes  Oratorium  (Bet- 


1)  NachDidron  findet  sich  in  Lucca  auf  einen  Stein  gravirt  die  Zeichnung 
eines  Labyrinths  von  1  %  F.  D.  mit  der  Majnskel-Beischrift : 

Hie  quem  Creticus  edit  DediQus  est  laberintus, 
De  quo  nuUus  vadere  quivit,  qni  fuit  intus, 
Ni  'Dieseus  gratis  Adriane  stamine  jutus. 


74  Nonnenchöre. 

chor)  überwiesen  waren.  —  Der  Einbau  vorspringender  Bühnen  zur 
Aufstellung  der  Orgel  (Orgelchöre)  wurde  erst  später  gebräuchlich, 
und  die  Einrichtung  durchgehender  Emporen  (Mann  chöre)  in  man- 
chen Hallenkirchen  des  XVI.  Jahrhunderts  scheint  vorzüglich  auf 
die  Zwecke  des  Predigtgottesdienstes  berechnet  zu  sein. 

In  dem  nach  byzantinisch  -  ravennatischem  Muster  errichteten  karo- 
lingischen  Centralbau  des  Aachener  Münsters  war  die  ringsumlaufende 
Empore  {solaritttn)  ,  auf  welcher  dem  Altare  gegenüber  der  Stuhl  des 
Kaisers  steht,  fttr  die  Hofgemeinde  bestimmt:  eine  Einrichtung,  die  auch 
in  späteren  Schlosskapellen  fs.  oben  S.  21.)  wiederkehrt,  und  vermuthlich 
die  Veranlassung  dazu  war,  dass  Kugler,  der  das  Verdienst  hat,  auf 
die  in  der  romanischen  Periode  so  häufig  vorkommende  Anordnung  einer 
westlichen  Empore  über  der  Vorhalle  zuerst  hingewiesen  zu  haben ,  die- 
selben (Kunstgesch.  2.  Aufl.  S.  472)  als  unzweifelhaft  zum  Aufenthalte 
vorzüglich  angesehener  Besucher  (namentlich  etwa  der  kaiserlichen  Fa- 
müie)  bestimmte  Logen  bezeichnete ,  während  es  doch ,  wie  spätere  Er- 
gebnisse darthaten ,  grösstentheils  Nonnenchöre  sind :  so  in  den  Kirchen 
der  Frauenklöster  zu  Essen,  Maria  auf  dem  Capitol  zu  Cöln,  zu  Ott- 
marsheim, Gemrode,  Quedlinburg,  Dröbeck.  Qandersheim,  St.  Moritz  in 
Hildesheim,  Fröndenberg  a.  d.  Ruhr,  Oesede  bei  Osnabrück,  Asbeck  im 
Münsterlande,  Dom  zu  Gurk  etc.  Besonders  bei  den  Cisterzienser-  und 
Prämonstratensemonnen  dehnen  sich  diese  Emporen  zuweUen  sehr  weit 
nach  Osten  aus  und  theüen  selbst  das  ganze  Kirchenschiff  in  zwei  Etagen, 
deren  obere  fttr  die  Schwestern ,  die  untere  fttr  das  Volk  bestimmt  war : 
St.  Thomas  a.  d.  Kyll,  Altenberg  a.  d.  Lahn,  Neuendorf  in  der  Altmark, 
Hecklingen  bei  Stassfurt,  Wienhausen  a.  d.  Aller  (hier  mit  noch  erhal- 
tener liturgischen  inneren  Einrichtung),  Lünen  bei  Lüneburg,  Mühlberg, 
Langenhorst  in  Westfalen,  Gnadenthal  bei  Schwäbisch-Hall  etc.  —  Von 
der  Bestimmung  der  Emporen  in  Mönchsklöstern  für  weibliche  Kirchen- 
besucher finden  sich  schon  aus  der  Zeit  der  byzantinischen  Oberherrschaft 
in  Rom  zwei  Beispiele:  S.  Lorenzo  vom  Ende  des  VI. ,  und  S.  Agnese 
vom  Anfange  des  VII.  Jahrhunderts ,  beide  ausserhalb  der  Mauern  bei 
den  Katakomben  belegen ,  und  mit  einer  Langseite  gegen  einen  Hügel 
gelehnt,  von  welchem  aus  die  Frauen  ihren  besonderen  Eingang  zu  den 
Emporen  hatten,  in  strenger  Geschiedenheit  von  den  Mönchen  des  Klo- 
sters. *)  Nach  Analogie  dieser  Einrichtung  liegt  die  Vermuthung  nahe, 
dass  die  in  deutschen  Mannsklöstem  zuweilen  vorkommenden  Emporen 
denselben  Zweck  hatten;  wie  z.  B.  in  St.  Michael  zu  Hildesheim,  wo  die 
in  den  Kreuz  vorlagen  angeordneten  Emporen  wohl  sicherlich  für  die  Frauen 
bestimmt  waren,  deren  zwar  nach  den  alten  Statuten  nur  sieben  bejahrte 
a]B  Nonnen  sollten  aufgenommen  werden  dürfen,  während  jedoch  gegen  das 
Jahr  1247  eine  solche  »multiiudo  monialiuma  vorhanden  war,  dass  die  Ein- 
künfte des  Klosters  nicht  mehr  ausreichen  wollten,  welches  überdies  durch 
das  Zusammenwohnen  beider  Geschlechter  seinen  Ruf  gefährdet  hatte.  *) 


1)  Lenoir,  Architecture  monaatique  I,  lOS  u.  169. 

2)  Chron.  Monast.  St.  MicKaeliB  in  Meibom,  Rer.  Germ.  2,  520. 


Nonnenchöre. 


75 


Gleiches  gilt  von   dem  westlichen  Emporenbau  in  dem  Augustinerstifte 
Fredelsloh  bei  £imbeck,  wo  nach  einer  Urkunde  von  11 55  mit  dem  Con- 


Fif.  29.  Wettlichcr  Nonnonchor  im  Münster  lu  Essen  (nach  v.  Qunsti. 

vente  der  Brüder  ein  nmapntnn  et  religioswn  sororum  collegiumm  vereinigt 
war.  *)  Auch  mit  den  thüringischen  Benedictinerklöstern  Paulinzelle, 
Bürgelin ,  Vessera  und  mit  Huyseburg  bei  Halberstadt  waren  Nonnen- 
convente  verbunden,  und  in  allen  diesen  Kirchen  sind  westliche  Emporen 
nachgewiesen ;  ebenso  könnten  die  in  der  Kirche  auf  dem  Petersberge  bei 
Halle  a.  d.  S.  im  Altarhause  angeordneten  Emporen  für  die  in  dieses 
Augustinerstift  aufgenommenen  Schwestern  bestimmt  gewesen  sein. ') 
Emporen,  welche  sich  über  den  ganzen  Raum  der  Seitenschiflfe  erstrecken, 


1)  Grotefend,  C.L.,in:  die  mittelalterl.  Baudenkm.  Niedersachsens  etc.  2,  48. 

2)  Lep 8 iu  s,  G.  F.,  Histor.  Nachricht  vom  Augustiner-Kl.  St.  Moritz  zu  Naum- 
burg. 8.  114. 


76  Emporen. 

scheinen  nur  in  FrauenklOstem  des  X.  bis  XII.  Jahrhunderts  vorgekom- 
men zu  sein:  Essen  (ehemals),  St.  Ursula  in  Cöln,  Gemrode,  St.  Georg 
in  Prag;  zu  Anfang  des  XIII.  Jahrh.  findet  sich  diese  Anordnung  in 
vielen  GewOlbebauten  des  Rheinlandes  (Pfarrkirche  zu  Andernach ,  Maria 
in  Lyskirchen  zu  COln,  Kirchen  zu  Bacharach,  Sinzig,  Heimersheim, 
Linz,  Erpel,  Dom  zu  Limburg  a.  d.  L.  etc.),  auch  im  hohen  Chore  des 
Domes  von  Magdeburg  (der  sogen.  Bischofsgang) ,  anscheinend  aus  con- 
structiven  Rücksichten ,  und  ohne  dass  über  die  gottesdienstliche  Bestim- 
mung der  Emporen  etwas  nachgewiesen  wäre.  Letztere  ist  ebenfalls  un- 
bekannt in  Beziehung  auf  die  z.  B.  im  sogen,  alten  Dom  zu  Regensburg, 
mehrfach  in  Westfalen  und  in  vielen  älteren  einschiffigen  Landkirchen 
Böhmens  (St.  Jacob,  Podvinez,  Tetin  etc.)  vorkommenden  westlichen 
Emporen,  die  den  NonnenchOren  auch  darin  gleichen ,  dass  auf  ihnen  zu- 
weilen (wie  in  St.  Jacob)  ein  Altar  befindlich  war,  wodurch  sich  dieselben 
als  Betchöre  für  die  Familie  der  Stifter  charakterisiren  dürften.  ^)  Die 
völlig  demselben  Typus  entsprechenden  Emporen  am  westlichen  Ende 
der  Hospitalkirchen  zu  Salzburg  und  Klostemeuburg  sollen  mit  dem 
Oberstockwerke  der  anstossenden  Spitalgebäude  in  Verbindung  gestanden 
haben.  Auch  die  Wolfgangskirche  zu  Kirchberg  am  Wechsel  vom  Schluss 
des  XIV.  Jahrh.  hatte  eine  Emporenanlage  in  Westen. 

Bemerkenswerthe  Emporenanlagen :  der  westliche  Nonnenchor  des 
Münsters  zu  Essen  aus  dem  X.  Jahrh.  (Fig.  29),  ein  Halbpolygon  mit  zwei 
Emporen  über  einander  und  zwei  nischenfSrmigen  Kämmerchen  neben 
der  oberen;  die  Emporen  in  den  Kreuzvorlagen  der  beiden  Querschiffe 
von  St.  Michael  in  Hildesheim  aus  dem  XI.  Jahrh. ;  der  westliche  Non- 
nenchor und  der  von  Säulen  getragene  Emporumgang  im  Kreuzbau  von 
St.  Maria  auf  dem  Capitol  in  Cöln  aus  dem  XI.  und  XII.  Jahrh. ;  die  den 
westlichen  Theil  des  Mittelschiffes  und  das  ganze  südliche  Seitenschiff 
einnehmende  Empore  in  der  Kirche  des  Nonnenklosters  Hecklingen,  ein 
dem  Xni.  Jahrh.  entstammender  malerischer  Einbau  in  der  im  XII.  Jahrh. 
erbauten  Kirche ;  die  das  Rechteck  der  sogen,  alten  Pfarr  in  Regensburg 
an  allen  vier  Seiten  umgebenden  Emporen  aus  dem  XIII.  Jahrh. ;  die  den 
gesammten  Raum  des  hohen  Chores  der  Katharinenkirche  zu  Lübeck  ein- 
nehmende ,  von  1 6  Säulen  getragene  romanisirend  -  frühgothische  gross- 
artige Empore.  —  Unter  den  Orgelbühnen  sind  zu  nennen  die  im 
Münster  zu  Strassburg,  in  St.  Stephan  zu  Wien  etc.  ;  als  Mannchöre 
zu  erwähnen  die  Emporen  in  der  Annakirche  zu  Annaberg  (reich  mit 
Sculpturen  geschmückt) ,  in  der  Marienkirche  zu  Halle  a.  d.  S. ,  in  der 
Schlosskirche  zu  Wittenberg,  letztere  sämmtlich  aus  dem  XVI.  Jahr- 
hundert. 

Anmerkung.  Von  den  älteren  eigentlichen  Emporen  über  den  Seiten- 
schiffen der  Kirchen,  die  zur  Aufnahme  eines  Theiles  der  Gemeinde  bestimmt 
waren,  sind  zu  unterscheiden  die  seit  dem  XIII.  Jahrh.  in  reicher  ausge- 
statteten Kirchen  (Münster  zu  Basel,  St.  Sebald  in  Nürnberg,  Dom  zu  Lim- 
burg an  der  L.,   Dome  zu  Cöln,  Strassburg,  Regensburg,  Prag,  Barbara- 


1)  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  1857.  2,  157. 


Triforium.  —  Kreuzgang.  77 

kircbe  in  Kuttenberg,  Marienkirche  in  Stargard  etc.)  Ober  den  Arkadenbögen 
und  unterhalb  der  Oberlichter  in  der  Mauerstärke  angebrachten ,  ein  Mittel- 


Fig.  30.  Triforium  ni  St  Sebald  in 
Nftrnbery  (nach  Kftllenbach). 

geschoss  bildenden  Galerien  (Laufgänge),  die  einerseits  zur  Belebung  der 
Wandfläche  dienen,  andererseits  zu  einer  leichteren  Communication  nach 
allen  Theilen  des  Gebäudes  nutzbar  sind.  Nach  dem  Vorgange  der  eng- 
lischen Archäologen  werden  diese  Galerien  gewöhnlich  Triforium  (d.  i. 
Dreiöffnung)  genannt,  weil  sie  sich  in  mindestens  drei,  gewöhnlich  aber  meh- 
reren ,  in  Gruppen  zusammengeordneten  kleinen  Bogenstellungen  nach  dem 
Innern  der  Kirche  öffnen ;  äusserlich  sind  sie  zuweilen  (Dom  zu  Cöln)  mit 
Fenstern  versehen ,  wenn  die  Dachconstruetion  der  Seitenschiffe  solches  ge- 
stattet. *)  Seltener  sind  altanartig  vortretende  Galerien  am  Fusse  der  Fenster 
(Chor  von  St.  Lorenz  in  Nürnberg) ,  sehr  häufig  aber  schmale  Gänge  auf 
Mauerabsätzen  (Mönchsgänge)  zu  dem  Zwecke ,  um ,  besonders  bei  Re- 
paraturen, mit  Leichtigkeit  zu  allen  Theilen  des  Gebäudes  gelangen  zu 
können  (Liebfrauenkirche  zu  Trier) .  Aehnliche  Bewandtniss  hat  es  meisten- 
theils  mit  den  äusserlich  angeordiieten  Galerien ;  doch  haben  diese,  nament- 
lich wenn  sie  als  Altane  über  Portalen  angebracht  sind  (Lorenzkirche  in 
Nürnberg,  Marienkirche  zu  Mühlhausen  in  Th.)  auch  gottesdienstliche 
Zwecke  :   Vorzeigung  von  Reliquien  etc. 

29.  In  Klöstern  und  Stiftskirchen  schliesst  sich  an  eine  Langseite 
der  Kirche  (von  V  nach  S  des  Grundrisses  S.  35) ,  mit  derselben  in 
Verbindung  stehend^  der  Kreuzgang  (ambittisj^):  ein  gewöhnlich 
aus  vier  Bogenhallen  bestehender  Umgang,  welcher  einen  freien  vier- 
eckigen Raum,  den  Klosterhof  oder  Gottesacker  {coemetertum 
cantiguum)  y  umschliesst,  und  sowohl  zu  Grabstätten  benutzt  wurde,  • 
als  fiir  Processionen  und  zum  Lustwandeln  der  Mönche  diente.  Der 
Kreuzgang,  der  in  einem  obem  Stockwerke  die  Mönchswohnungen 
enthält ,  vermittelt  die  Communication  mit  den  anstossenden  Kloster- 
gebäuden. 

Der  Name  T^Kreuzganga  wird  von  Einigen  zwar  von  der  fast  stets  an- 
gewendeten Ueberdeckung  mit  Kreuzgewölben  abgeleitet ,  von  Anderen 


1)  Schnaase,  Gesch.  der  bild.  Künste  IV.  1,  232;  Kugler,  Gesch.  der  Bau- 
kunst 3,  9. 

2}  Bei  den  Karthäusem  heisst  der  Kreuzgang  Oalilaea:  s.  unten  den  Anhang 
zu  diesem  Abschnitte  aber  die  baulichen  Einrichtungen  der  Klöster. 


78  Kreuzgang. 

dagegen  mit  grösserer  Wahrscheinlichkeit  auf  die  Bestimmung  fttr  Pro- 
cessionen  (Kreuzgänge,  weil  ein  Kreuz  vorausgetragen  wird)  bezogen. 

Die  Lage  des  Kreuzganges  ist  gewöhnlich  südlich  von  der  Kirche  *) 
(gegen  Norden  von  dieser  geschützt  imd  mit  sonniger  Lage  des  rings  um- 
schlossenen Rasenplatzes) ,  wie  er  bereits  auf  dem  Plane  von  St.  Gallen 
(S.  2S.)  sich  angegeben  findet  als  ein  bedeckter  Gang  {porticus)  mit  hohen 
Hundbögen  (arcus)  und  vier  Thüren ,  welche  sich  nach  dem  freien  Platze, 
der  hier  nicht  der  Friedhof  ist*),  ölfnen.  In  der  Mitte  dieses  freien  Rau- 
mes ,  zu  welcher  von  den  Thüren  vier  einander  sich  im  rechten  Winkel 
durchkreuzende  Pfade  (»quaiuor  semitae  claustri  per  transversuma)  führen, 
steht  auf  einem  quadratischen,  von  Fusswegen  imigebenen  Rasenplätzchen 
ein  Seiibaum  (savinä) .  —  Die  Anlage  des  Kreuzganges  westlich  von  der 
Kirche y  wie  sie  bei  St.  Gereon  und  Maria  auf  dem  Capitol  zu  Cöln,  auch 
am  Dome  zu  Paderborn  vorkommt,  ist  eine  wohl  lediglich  in  localen  Ver- 
hältnissen begründete  Ausnahme.  Die  einzelnen  Bögen  der  Kreuzgänge 
sind  entweder  als  ganz  ofiene  Schwibbogen  behandelt  und  nur  durch  eine 
Brüstungswand  vom  Gottesacker  getrennt  (Dom  zu  Merseburg  etc.)  oder 
als  Fensteröfihungen ,  zwar  mit  Stab  -  und  Maasswerk  gefüllt  (Dome  in 
Trier  und  Magdeburg,  Minoriten  in  Cöln  etc.) ,  aber  gewöhnlich  ohne 
Verglasung;  (mit  Glasfenstem  geschlossen  z.  B.  im  Stifte  Heiligenkreuz). 
Der  älteste  Kreuzgang  (etwa  vom  Ende  des  XL  Jahrh.)  hat  sich  in  dem 
Nonnenstift  auf  dem  Nunberge  in  Salzburg  erhalten;  zu  den  grossesten 
und  prachtvollsten  Kreuzgängen  aus  älterer  Zeit  gehören  die  im  Lieb- 
frauenkloster  zu  Magdeburg,  beim  Dome  zu  Trier,  beim  Grossmünster  zu 
Zürich,  neben  der  Stiftskirche  zu  Aschaffenburg,  bei  St.  Emmeram  in 
Regensburg ,  in  Klostemeuburg  etc.  Die  Kreuzgänge  zu'  Königslutter, 
Paulinzelle ,  Pforta  etc. ,  sind  zweischiffig.  Der  noch  in  einem  Bruch- 
stücke erhaltene  Kreuzgang  neben  der  ehemaligen  Stiftskirche  zu  Asbeck 
im  Münsterlande  erscheint  insofern  als  einzig  in  seiner  Art ,  als  er  sich 
in  zwei  fast  gleich  hohen  und  gleichmässig  weiten  Bogenstellungen  über 
einander  erstreckte ,  während  sonst  das  Oberstockwerk  nur  von  Fenstern 
durchbrochen  wird. 

Anmerkung  1.  Häufig  steht  mit  einer  Seite  des  Kreuzganges ,  wie 
in  den  Cisterzienserklöstern  zu  Maulbronn,  Heiligenkreuz,  Lilienfeld, 
Zwetl  etc. ,  ein  Brunnenhaus  in  Verbindung,  welches  kapellenartig  an- 
gelegt, rund  oder  polygonisch  nach  dem  Friedhofe  heraustritt,  in  Maulbronn 


1 )  j>  Ihr  pdUaat  und  ihr  dormeUr  toar  gen  Meridiane, 

Ein  kreuzaang,  wohl  geformter  Jazwisehen  lag,  des  waren  sie  nicht  ane, 
Als  es  zu  oräderschafie  wohl  gehorte.« 
Der  jüngere  Titurel  92  S.  37S. 

2)  Der  Begräbiiissplatz  liegt  entfernt  neben  dem  Küchengarten  des  Klosters  und 
ist  mit  allerlei  Fruchtbäumen  bepflanzt,  wie  es  überhaupt  ursprünglich  Sitte  war,  dass 
sich  der  Gottesacker  ausserhalb  der  Clausur  befand,  zuweilen  so  weit  entfernt,  dass 
die  Leichen  auf  einem  Wagen  dahin  gebracht  werden  mussten  ,  und  nicht  selten  auf 
der  Spitze  eines  Berges  im  frischen  Waldesdunkei.  Im  XI.  Jahrh.  war  zur  Anlage 
eines  Begräbnissplatzes  neben  der  Klosterkirche  noch  bischöfliche  Erlaubniss  erforder- 
lich. Vergl.  Martene,  de  antiquis  eccl.  rit.  4,  767;  Heider,  G.,  in  den  Mittheil, 
der  k.  k.  Central-Commission  etc.  1856.  1,  57. 


Brunnenhaus. 


79 


in  nächster  Nähe  des  Sommer-Refecto- 
riums.  Das  älteste  bekannte  Bauwerk 
dieser  Art  (aus  dem  XII.  Ja)irh.)  be- 
findet sich  im  Prämonstratenserkloster 
u.  1.  Frau  in  Magdeburg  an  der  öst- 
lichen Seite  des  Kreuzganges,  und  der 
Name  Tonsur  (d.  i.  Scherbrunnen), 
der  sich  hier  durch  Tradition  dafür  er- 
halten hat  und  auch  in  anderen  deut- 
schen Klöstern  üblich  ist,  deutet  dar- 
auf hin,  dass  in  diesen  Brunnenhäusern 
den  Mönchen  Bart  und  Haupthaar  ge- 
schoren zu  werden  pflegte ,  was  nach 
den  Consitetudtnes  der  Cluniacenser 
(D'Achery,  Spicilegium,  Paris  1723. 
1,H95)  alle  drei  Wochen  und  unter 
Psalmodien  zu  geschehen  hatte,  und 
sicher  in  ähnlicher  Weise  auch  bei  den 
Cisterziensem  und  Prämonstratensem 
Sitte  war.  Vergl.  Feil,  Jos.,  in  den 
Mittelalterl.  Kunstdenkm.  des  Oster- 
reich. Kaiserstaates,  herausgegeb.  von 
Dr.  Gust.  Heider  etc.  1,  38;  auch 
V.  Quast  in  der  Zeitschr.  für  christl. 
Archäol.  und  Kunst  l,  245.  In  Maul- 
bronn ist  noch  ein  zweiter  Brunnen 
neben  dem  Abthause ,  welcher  »Scher- 
brunnen« genannt  wird.  Vergl.  Klun- 
zinger,  C,  Beschr.  der  Abtei  Maul- 
bronn. 3.  Aufl.  S.  50. 
Anmerkung  2.  Unter  den  an  den  Kreuzgang  stossenden  Baulich- 
keiten sind  besonders  hervorzuheben  der  Capitelsaal  und  das  Refecto- 
r  i  u  m ,   welche  Prachträume  des  Klosters  architektonisch  im  Wesentlichen 


Vif.  'il.  Tonsur  im  Klostor  u.  1.  F.  in  Mi'gde- 
biirg  (nach  v.  Quast). 


Fig.  3*2.  Längendurchschnitt  des  Capitelsaals  in  Kloster  Walkenried  (nach  Lot?). 

gleichmässig  (rechteckig ;   gewöhnlich  zweischiffig ,   seltener  dreischiffig)  be- 
handelt sind,  und  zuweilen,  wo  die  Tradition  darüber  schweigt,  deshalb  nur 


80 


Capitelsaal.  —  Refectorium. 


nach  ihrer  Lage  unterschieden  werden  können.  Der  Capitelsaal  (conventus, 
capitulum)  pflegt  nämlich  in  der  Nähe  der  Kirche  an  der  Ostlichen  Seite  des 
Kreuzganges  zu  liegen,  von  dem  er  häufig  nicht  durch  eine  geschlossene 
Thür,  sondern  nur  durch  olfene  Bogenstellungen  getrennt  ist.  Im  Innern 
ist  rings  herum  eine  Steinbank  angebracht  für  die  Brüder,  die  sich  hier  täg- 
lich nach  dem  Morgengottesdienste  unter  dem  Vorsitze  des  Abtes  oder 
Stiftspropstes  versammelten  zum  Vortrage  eines  Capitels  aus  der  Ordens- 
regel, zu  richterlichen  Verhandlungen  und  Berathungen  etc.  Auch  diente 
dieser  zuweilen  mit  einer  Kapelle  verbundene  Saal  zu  Begräbnissen  der 
Capitularen.  —  Das  Refectorium  ist  der  gemeinschaftliche  Speisesaal  und 
liegt  wegen  des  Duftes  der  Speisen  entfernt  von  der  Kirche  an  der  gegen- 
über liegenden  Seite,  gern  in  der  Nähe  des  Brunnenhauses  (s.  die  vorstehende 
Anmerk.  1.)  und  bei  der  Küche.  Zu  seiner  monumentalen  Ausstattung  ge- 
hört eine  emporenartige  Steinkanzel ,  von  welcher  während  der  Mahlzeit  aus 
dem  Leben  der  Heiligen  vorgelesen  wurde ,  und  ein  Steinbecken  [lavahoy 
concavarium) ,  in  welchem  sich  die  Tischgenossen  nach  dem  Essen  die 
Hände  (im  Winter  mit  warmem  Wasser)  wuschen.  In  vielen  Klöstern  waren 
zwei  Refectorien ,  das  eine  für  den  Sommer  (refectorium  aesHvale) ,  das  an- 
dere, heizbar,  für  den  Winter  [refectorium  hibemum),  Vergl.  Lenoir,  Ar- 
chitecture  monastique  2,  320 sqq.  und  weiter  unten  den  Anhang  zu  diesem 
Abschnitte  über  die  bauliche  Einrichtung  der  Klöster. 


-1 


Fig.  33.  LftTftbo  in  Kloctfr  Walkenried  (nach  LoU). 


Sacristei.  8 1 

30.  Sacristeien  [secretaria]  *) ,  hie  und  da  auch  Almereien 
[armarta],  GarwehänseT  [vestiaria]  oder  Treskammern  (gazophylacia) 
genannt 9  sind  gewöhnlich  spätere  Ein-  oder  Anbauten,  oft  an  der 
Nordseite  der  Kirche  und  regelmässig  in  der  Nähe  des  Hochaltares 
belegen.  Ihre  Bestimmung  als  Aufenthaltsort  [metatorium,  salutato- 
rium)  der  Geistlichen ,  als  Schatz-,  Bücher-  und  Kleiderkammer  ist 
bekannt,  und  die  seit  dem  XIII.  Jahrh.  vorkommende  Errichtung  von 
Altären  in  denselben  lässt  sie  zugleich  als  Oratorien  erkennen.  — 
Auch  ist  hier  der  abgesonderten  festen  Gemächer  zu  gedenken,  die 
(zu  Magdeburg ,  Halberstadt  und  Quedlinburg)  den  dunkeln  Namen 
Zither  fuhren  und  zur  Aufbewahrung  der  Kirchenschätze  (Reliquien, 
Urkunden,  Kleider]  dienen. 

Dem  Namen  AI  m  er  ei ,  abgeleitet  von  Alm  er,  almaria,  Aranz. 
autnaire,  liegt  das  Isiteia.  armarium  zu  Grunde  =  Kasten ,  Schrank.  — 
Garvebaus,  Gerwehus,  Gerkammer,  Gherhus,  Gherekam- 
mer,  Gerbekammer  (in  Niedersachsen ,  Westfalen  und  am  Nieder- 
rhein gebräuchlich),  etwa  von  gar,  gerven,  d.  i.  zurecht  machen,  dem 
Zubereiten  des  Priesters;  das  von  Kreuser  a.  a.  O.  S.  213  herbeige- 
zogene Gere  in  der  Näherei  gehört  nicht  hierher ;  es  bezeichnet  einen 
schiefen  Saum,  wie  Gerung  beim  Tischler  das  Zusammenfügen  zweier 
Hölzer  unter  schiefem  Winkel,  und  wenn  Luther  Hagg.  2,  13  übersetzt 
» tn  seines  Kleides  Geren  <r ,  so  versteht  er  nach  dem  Grundtext  darunter 
den  Zipfel .  —  Treskammer,  corrumpirt  Trostkammer  (in  Preussen 
und  Schlesien),  wie  Tressler  (tAesaurarius)  von  tresey  /5rc«or .=  Schatz- 
kammer; vergl.  Diez,  Lexicon  derroman.  Spr.  S.  738.  —  Zither,  ur- 
kundlich im  XIV.  Jahrh.  sytere,  (vergl.  in  v.  Ledebur,  AUgem.  Archiv 
10,  175  ff.)  scheint  mit  dem  von  Schäfer  a.  a.  O.  angeführten  slav. 
ct'tame  =  Archiv  zusammenzuhängen. 

Auf  dem  Plane  von  St.  Gallen  (S.  43-  sind  in  den  von  dem  Altar- 
hause und  Querhause  der  Kirche  gebildeten  Winkeln  zwei  zweistöckige 
Gebäude  angegeben ,  von  welchen  das  nördliche  unten  die  Stube  der  Ab- 
schreiber (in/ra  sedes  scribentium) ,  oben  die  Bücherei  (supra  hibliothecä) , 
das  südliche  unten  die  heizbare  Sacristei  (suhtus  sacratorium)  mit  einem 
Tisch  zur  Aufstellung  der  heiligen  Gefösse  [mensa  sanctorum  vasorum), 
oben  die  Paramentenkammer  {supra  vestium  ecclesiae  repositio)  enthält. 
Hinter  der  Sacristei  befindet  sich  noch  ein  besonderes  Gebäude ,  worin 
das  Weihbrot  gebacken  und  das  heilige  Oel  gepresst  wurde  (domus  ad 
parandum  panem  sanctum  et  oleum  exprimendum) ,  was  anderweitig  in  der 
Sacristei  selbst  zu  geschehen  pflegte.  —  Grössere  Kirchen  haben  oft  zwei 
Sacristeien  mit  verschiedener ,  verwandter  Bestimmung  (der  Dom  zu  Cöln 
hatte  eine  grosse  und  eine  kleine  Gerkammer,  der  zu  Magdeburg  einen 
geheimen  und  einen  grossen  Zither) ;  kleinen  Kirchen  fehlt  die  Sa- 
cristei häufig  ganz.  —  Schon  das  Beispiel  von  St.  Gallen  lehrt,  dass  die 


1)  lieber  Sacristeien:  Kreuser,  Kirchenbau  1,  212—217;  vgl.  Dr.  Schfäfer] 
im  Correspondenzbl.  des  histor.  Gesammtvereins  etc.  II.  Jahrg.  (185-tj.  S.  121. 
0 1 1  e ,  Kunyt- Archäologie.  6 


82 


Maassverh&ltnisse. 


Sacristei  schon  damals  nicht  stets  in  Norden  lag ,  obwohl  dies  meisten- 
theils  der  Fall  ist;  in  Süden  befindet  sie  sich  z.  B.  an  den  Domen  zu 
Bamberg  und  Magdeburg ,  an  St.  Victor  zu  Xanten ,  an  St.  Lorenz  zu 
Nürnberg,  an  der  Marienkirche  zu  Berlin  etc.  An  der  Nicolaikirche  zu 
Jüterbog  liegt  die  alte  Sacristei  südlich,  die  neue  vom  Ende  des  XV. 
Jahrh.  nördlich,  und  ebenso  liegen  an  St.  Sebald  zu  Nürnberg  die  beiden 
Sacristeien  einander  gegenüber:  die  grosse  südlich,  die  kleine  nördlich. 

Anmerkung!.  In  den  Zusätzen  zur  zweiten  Auflage  von  Kleines 
Rheinreise  von  v.  Lassaulx,  S.  501  ff. ,  findet  sich  eine  Uebersicht  des 
Flächenraumes  der  bedeutendsten  (namentlich  rheinländischenj  Kirchen- 
gebäude ,  die  wir ,  nach  vorhandenen  Grundrissen  von  einem  befreundeten 
Architekten  vervollständigt^  mittheilen  und  dabei  bemerken,  dass  das  Maass 
nach  rheinländischem  Fuss  (zu  313  Millimeter)  im  Lichten,  nach  Abzug  aller 
Pfeiler  und  sämmtlicher  nicht  zum  aUgemeinen  Gottesdienste  bestimmten 
Anbauten,  berechnet  ist : 

12496D' 

12322 

12205 

12175 

12165 

12083 

11841 

11442 

11367 

10357 

10045 

9S35 

9753 

974S 


DominCöln (5291  SD 

»      »  Ulm 51831 

»      »  Speier 45015 

»     »  Strassburg    .     .     .     .  41702 

»      »  Metz 3S163 

»      w  Mainz       .....  37506 

Marienkirche  in  Danzig       .     .  37060 

Dom  in  Lübeck     .     .     .     .     .  34491 

Marienkirche  daselbst    .     .     .  33469 

Dom  in  Wien  (Steph.)    .     .     .  32400 

»      »  Magdeburg   ....  31006 

1»      »  Freiburg        ....  30101 

Frauenkirche  in  München  .     .  29806 

Dom  in  Trier 29774 

»      »  Paderborn     ....  26833 

»      »  Verden 26335 

»      u  Regensburg        .     .     .  24315 

Abteikirche  in  Hersfeld      .     .  23755 

Dom  in  Bamberg        ....  23499 

»      »  Worms 2297*> 

Lorenzkirche  in  Nürnberg  .     .  21730 

Dom  in  Xanten 20659 

»      »  Basel 20382 

Klosterk.  in  Limburg  a.  d.  H.  19208 

Maria  auf  dem  Capitol  in  Cöln  19129 

Klosterkirche  in  Altenberg .     .  18432 

Dom  in  Halberstadt  .     .     .     .  1S393 

Sebaldskirche  in  Nürnberg .     .  1 7361 

Dom  in  Soest 16711 

9      »  Erfurt 15636 

Apostelkirche  in  Cöln    .     .     .  15087 

Dom  in  Naumburg     ....  13990 

Cunibertkirche  in  Cöln        .     .  13761 


Dom  in  Merseburg 
Elisabethkirche  in  Marburg, 
Stiftskirche  in  Oberwesel 
Stephan  in  Mainz 
Kirche  in  Schulpforte  . 
Stiftskirche  in  Cleve 
Klosterkirche  in  Laach  . 
Dom  in  Meissen  .  .  . 
Liebfrauenkirche  in  Trier 
Klosterkirche  in  Jerichow 
Gross  Martin  in  Cöln 
Dom  in  Limburg  a.  d.  Lahn 
U.  1.  F.  in  Arnstadt 
Klosterk.  in  Chorin  (als  Ruine) 
Dom  in  Aachen  (vor  seiner  Ver 
grösserung  durch  den  Anbau 
eines  neuen  Chors  nur  7536  O ' 
Kirche  in  Memleben  .  . 
Sohlosskirche  in  Quedlinburg. 
Martin  in  Münstermaifeld 
Klosterkirche  in  Zinna  . 
Castor  in  Coblenz  .  . 
K.  auf  dem  Petersberg  bei  Halle 
Pfarrkirche  in  Ahrweiler  . 
Gereon  in  Cöln  .... 
Florin  in  Coblenz  .  .  . 
Liebfrauenkirche  daselbst  • 
Pfarrkirche  in  Andernach  . 
Franziscanerkirche  daselbst 
Pfarrkirche  in  Sinzig  .  . 
»  »  Mayen     .     . 

Boppard 


Stiftskirche  in  St.  Ooar 
Die  vorstehende  Zusammenstellung  ergiebt,  dass  die  Dome  zu 


9704 
93S4 
9370 
9284 
906S 
8S99 
8711 
8332 
8084 
7496 
6741 
6700 
5937 
5402 
5033 
4S12 
4336 

Cöln 


(gegr.  1248)  und  Ulm  (als  Pfarrkirche  gegr.  1377)  die  beiden  grossesten 
Kirchen  in  Deutschland  sind,  denen  sich  der  schon  um  t030  gegründete 
Dom  in  Speier  als  die  dritte  anschliesst.  In  Speier  und  Cöln  finden  wir 
dieselbe  lichte  Breite  des  Mittelschiffes  von -44  F.,  und  wenn  es  hauptsäch- 
lich die  MaassverhSltnisse  des  Mittelschiffes  sind ,  wodurch  eine  Kirche  im 
Innern  grossartig  erscheint,    und  namentlich  die  Breite   desselben  für  die 


M^aMveThaltniflse. 


83 


übrigen  Theile  des  Grundrisses  maassgebend  ist.  so  folgt;  dass  in  Beziehung 
auf  die  Weiträumigkeit  der  Kirchen  die  frühere  Zeit  von  der  späteren  kaum 
übertroffen  worden  ist :  ja ,  die  grosseste  vorkommende  Mittelschiffbreite 
von  50  F.  hat  der  Dom  zu  Mainz ,  dessen  ursprünglicher  Grundplan  vom 
Ende  des  X.  Jahrb.  stammt.  Anders  verhält  es  sich  mit  der  Höhe  der  Kir- 
chen, worin  es  die  frühere  der  späteren  Zeit  nicht  gleich  gethan  hat.  Das 
nachstehende,  chronologisch  geordnete  und  aus  den  zuverlässigsten  Quellen 
zusammengestellte  Verzeichniss  weist  an  vielen  Beispielen  nach,  wie  sich 
das  Verhältniss  der  Breite  des  Mittelschiffes  zur  Höhe  desselben  im  Laufe 
des  Mittelalters  und  in  verschiedenen  Gegenden  Deutschlands  gestaltet  hat  : 
im  XI.  Jahrb.  bleibt  es  noch  etwas  unter  1:2,  hebt  sich  im  XII.  bis  XIII. 
Jahrb.  auf  1  :  2  (bei  dem  Gewölbebau  des  Speierer  Domes  schon  auf  t  '.2*/%) 
und  steigert  sich  nachher  in  der  Gothik  auf  1  :  2ys  bis  B,  vereinzelt  selbst 
bis  auf  das  schwindelnde  Uebermaass  fast  von  1:5. 


"Da»  Mittelschiff  1  Entsteh- 
|i  iit  im  Lichten   |  ungtxeit 
breft       hoch     Id.  Grund- 
F.  rh.      F.  rh.        planes. 


Trier,  Dom  |  50 

Mainz,     »  50 

Münster,  Dom  |44 

Worms,       »  35 

Bamberg,    »  <  34 

Ecktemach,  Klo- 
sterkirche 1 32] 
Limburg  a.  d.  H., 
Klosterkirche  38| 
Speier,  Dom             '  44 
Hersfeld,  Abteik.     |  40 
Bremen,  Dom           l  35 
Paderborn,  Dom         33 
Minden,          »  34 
Paulinzelle,  Klo- 
sterkirche                I  25 
Laack,  Klosterk.       I  2S 
Hu]r8barg,Kloftterk. '  25 
Hamersleben,  Klo- 
sterkirche 27 
Breitenau,KlosterkJ  29 
Petersberg,       »        '  22 
Hildesheim,  St.  Oo- 


dehard 


:29 


Halberstadt,  Lieb- 
frauenk.  |  30 

Jerichow,  Klosterk.!;  25^ 

Quedlinburg,  St.    il 
Wiperti  II 22 

Brandenburg,  Dom  i  30 


Braunschweig, 
Magdeburg,  » 

Limburg  a.d.L.,  * 
Marburg,  Elisabeth- 
kirche 


2Si 

35 

25 


80       llV.Jahrb. 
(c.lOO}«)|        -979 


(74) 

rn) 

(TS) 
5S 


|seii    990 
seil    996 
1006 

1017 


I 


75  um  J030 
(110)   um  1030 

75  1037 
1044 
105S 
1062 


(66) 
(60) 
(69, 

50 
55 
42 

55 
47 
42 

59i 

54 
49 

32 
(04) 

56« 
102 

6S 


34  \      68 


1106 
1110 
1110 

1112 
1119 
1130 

1133 

1140 
1149 

1150 
1170 
1172 
1208 
1220 

1235 


Cöln,  Dom  1 

Halberstadt,  Dom      { 

Breslau,  Elisabethk. ; 

Altenberg,  Klosterk.; 

Freiburg  i.  B.,  Mün- 
ster 

Stfassburg,  Münster 

Xanten,  Stiftsk. 

Berlin,  Klosterk. 

Chorin,         » 

Regensburg,  Domini- 
canerk. 

Regensburg,  Dom. 

Lübeck,  Marienk. 

Ebrach,  Klosterk. 

Verden,  Dom 

Heiligenkreuz,  Klo- 
sterkirche 

Doberan,  Klosterk. 

Soest,  Wiesenk. 

Cleve,  Capitelsk. 

Danzig,  Marienk. 

Wien,  Stephansk. 

Kolin,  BartholomUik 

Schwerin,  Dom 

Ulm,  Dom 

Kuttenberg,  Bartho- 
lomüikirche 

Brandenburg,  Katha- 
rlnenkirche 

Esslingen,  Frauenk. 

Prag,  Teynkirche 

Wilsnack,    Wall- 
fahrtskirche 

Görlitz,  Petrikirche 


DasMiitelMhiffi  Entsteh- 
i«t  im  Lichten  |   u„ga,eil 

'breit  hoeh  d.Grund- 
F.rh.     F.  Ib.  I    planet. 

14F  i        \2AH 
86     um  1250 


44 
31 

3U 
30| 

32 
42 

35 
29 

29 


95J 
S2 

85 

96 
75 
50| 
57 


1253 
1255 

s»  1260 

<«agl. 

1263 

1271 

1273 


36 

90 

1274 

46 

106» 

1275 

44 

134 

1276 

40 

90 

um  1280 

411 

65 

1290 

23 

62 

1290 

36 

90J 

1291 

35 

76 

1331 

32 

61 

1334 

29 

90 

1343 

34 

S9 

1359 

21 

100 

1360 

39 

100 

n»  1370 

47J 

133« 

1377 

30 

100 

1380 

291 

51 

1401 

25 

53 

um  1406 

37 

96 

1407 

37| 

83 

0»  1410 

3S 

86 

1417 

1 )  Die  Einklammerung  des  Höhenmaasses  bezeichnet ,  dass  der  Aufbau  und  die 
Bedeckung  des  Mittelschiffes  ganz  oder  theilweise  aus  spaterer  Zeil  herrührt ,  als  der 
ursprüngliche,  im  Breitenmaasse  beibehaltene  Orundplan. 


g4  Symbolik  der  Bauformen. 

Eingeliende  Racksicht  auf  die  Maassverbfiltnisse  der  Kirchen  im  All- 
gemeinen hat  V.  Wiebeking  (Bflrgerl.  Baukunde;  vergi.  Bd.  IV.)  ge- 
nommen, und  in  Beziehung  auf  die  Kirchengebäude  der  Stadt  Danzig  schon 
Ranisch  (Grund-Risse  und  Auff-Züge  etc.  1695)  und  nach  ihm  J.  C. 
Schultz  (Danzig  und  seine  Bauwerke  etc.  1846.  Lief.  I.  Bl.  6).  Er- 
wünschte Erleichterung  solcher  Zusammenstellungen  und  der  daraus  zu  zie- 
henden mannichfaltigen  Folgerungen  ')  bieten  Hübsch  (Die  altchristl. 
Kirchen  etc.)  und  Adler  (Mittelalterl.  Backstein-Bauwerke),  weil  in  diesen 
Werken  sämmtliche  Zeichnungen  nach  einem  und  demselben  Maasstabe 
entworfen  sind;  bei  Adler  z.  B.  alle  Grundrisse  in  Vt*©  >  die  Aufrisse  in 
Vi«o  '  die  Details  in  '/ga  der  natürlichen  Grösse.  Die  Zusammenstellungen, 
die  Puttrich  (Systemat.  Darstellung  etc.)  über  die  sächsischen  Kirchen 
gegeben  hat,  beruhen  zum  Theil  nur  auf  oberflächlichen  Messungen.  — 
Ausgedehntere  Betrachtungen  dieser  Art  leiden  durch  den  Uebelstand  immer 
an  Unsicherheit,  dass  bisher  in  den  deutschen  Architekturzeichnungen  die 
verschiedensten  Werkmaasse  *)  in  Anwendung  gebracht  worden  sind ,  nicht 
selten  sogar  ohne  die  nothwendige  Hinzufflgung ,  welches  Landesmaass  ge- 
meint ist.  Der  rheinische  Fuss  (:=  313  Millimeter)  ist  der  verbreitetste  und 
wäre  deshalb  besonders  empfehlenswerth ;  doch  hat  man  sich  neuerlich  auf 
Architekten- Versammlungen  für  die  allgemeine  Einftthrung  des  französischen 
Metermaasses  (beiläufig ä^S  F.  2V4Z.  rh.  oder  1%  Berl.  Elle)  ausgesprochen. 

Anmerkung  2.  Die  Symbolik  des  Kirchenbaues ')  findetsich 
bereits  im  christlichen  Alterthume  von  Eusebius  in  der  bei  Einweihung  der 
Kirche  zu  Tyrus  (Hist.  eccl.  10,  4  n.  24 — 26)  vor  der  versammelten  Geist- 
lichkeit gehaltenen  Rede  in  schöner ,  erbaulicher  Weise  fruchtbar  gemacht, 
und  zwar  mit  dem  vollen ,  bei  den  Zuhörern  vorausgesetzten  Bewusstsein 
der  freien  Hineintragung  des  Symbolischen  in  die  an  und  für  sich  davon 
ganz  unabhängigen  Bautheile ;  die  Absicht  des  Baumeisters  setzt  Eusebius 
dagegen  mit  Bestimmtheit  voraus ,  wenn  er  in  der  Beschreibung  der  Kirche 


1)  Vergl.  Schnaase,  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archäologie  u.  Kunst  2,  187 
zuViollet-le-Duc,  Dictionnaire  raisonne  1,1-46, 

2)  Z.  B.  der  grossh.  Hessische  Fuss  s  250  Millimeter. 

»    Leipziger  »       as  2^3  » 

»    Braunschweiger       »       s=  2S5  » 

»    Württemberger        »       =  2S6 

»    Kurhessische  »       =  287  » 

»    Bremer  »  \         «fti» 

T-,     ,  J   =   290  M 

»    Lübecker  »  | 

u    Baverische  »       ss  291  » 


1- 


Hannoverische 

Römische 

Badische  »  ( 

Schweizer  »  J 

Wiener  »      =310 


292 
300 


»    Pariser  »      s  324  » 

Vergl.  Schoedler,  F.,  das  Buch  der  Natur  10.  Aufl.   S.  4. 

3)  Vergl.  Schnaase,  C,  Gesch.  der  bild.  Künste  IV.  1 ,  287  ff. :  Symbolik  der 
mittelalterl.  Architektur.  —  Kreuser,  J. ,  der  christl.  Kirchenbau  1,  619if. :  Sym- 
bolik der  Bauformen.  —  Kallenbach,  G.  G.,  Dogmatisch  -  liturgisch  -  symbolische 
Auffassung  derkirchl.  Baukunst.  Halle  1S57.  —  Die  Symbolik  dcsgcrman.  Baustyls, 
nachgewiesen  an  der  Nürnb.  Lorenzikirche,  im  Nürnberger  Anzeiger  ISöl.  No.  4. 


Symbolik  der  Bauformen.  85 

des  heil.  Grabes  zu  Jerusalem  (de  vita  Constantini  3,  38),  wo  er,  da  kein 
erbaulicher  Zweck  vorliegt,  sich  sonst  alles  Symbolisirens  enthält,  die  Zwölf- 
zahl der  die  Kuppel  tragenden  Säulen  auf  die  Apostel  bezieht :  dutaHaidexa 
vtioviq  To7g  lov  oatTtJQog  anoaioloii;  ha^i&fiot.  —  Bei  den  mittelalterlichen 
Schriftsteilem  des  VIII. — XIV.  Jahrhunderts  wird  die  mystisch-allegorische 
Deutung  des  Kirchengebäudes  —  vom  Grundsteine  bis  zum  Wetterhahn  auf 
der  Thurmspitze  —  bis  ins  Einzelnste  ausgebildet :  Anfangs  mit  einer ,  aus 
dem  sich  regenden  Bewusstsein  des  Hineintragens  erklärlichen  gewissen 
Schüchternheit ') ,  später ,  nachdem  die  nachfolgenden  Liturgiker  die  Ge- 
danken ihrer  Vorgänger  unablässig  wiederholt  und  zum  Theil  wörtlich  aus- 
geschrieben  hatten,  mit  so  grosser  Zuversichtlichkeit,  als  ob  nicht  das  gottes- 
dienstliche Bedürfniss  das  Ursprüngliche  wäre,  sondern  vielmehr  das 
Symbolische,  und  die  baumeisterlichen  Gedanken  schlechthin  davon  ab- 
hängig. Letzteres  war  in  Beziehung  auf  manche  Baugebräuche  fdie  Orien- 
tirung  nach  dem  Aufgang  aus  der  Höhe,  die  ehrwürdige  Grundform  des 
Kreuzes,  die  zwölf  Grundsteine  oder  zwölf  Säulen  der  Kirche  mit  Beziehung 
auf  die  Apostel)  und  bei  manchen  einzelnen  kirchlichen  Bauwerken  auch 
unläugbar  der  Fall ,  wie ,  nachdem  die  Deutung  einmal  gegeben  war ,  bei 
dem  symbolischen  Grundzuge  der  christlichen  Kunst  leicht  erklärlich  ist. 

Ein  bemerkenswerthes  Beispiel  in  dieser  Hinsicht  bietet  die  zu  der  Gat- 
tung der  heil.  Grabkirchen  gehörige  kleine  Kapelle  zu  Drüggelte  bei  Soest, 
wo  der  Symbolik  zu  Liebe  selbst  gegen  das  Ebenmaass  gefehlt  ist.  Es  ist 
ein  zwölfeckiges  Gebäude,  dessen  Inneres  von  nur  33  F.  im  Gesammt- 
durchmesser  zwei  concentrische  Säulenkreise  enthält:  den  inneren  von 
7  Ys  F.  D .  mit  vier  eine  Kuppel  tragenden  kurzen ,  den  äusseren  grösseren 
mit  zwölf  schlanken  Säulen.  Ohne  Zweifel  bezeichnen  die  letzteren ,  wie 
schon  in  der  oben  erwähnten  Constantinischen  Kirche  des  heil.  Grabes,  die 
zwölf  Apostel ,  die  vier  inneren  Säulen  dagegen  die  vier  Evangelisten ,  und 
zwar  sind  von  diesen  zwei  auffällig  stärker  gebildet  als  die  beiden  andern  : 
jene ,  die  Evangelisten  Matthäus  und  Johannes  bezeichnend ,  die  zugleich 
Apostel  waren  imd  deswegen  von  höherer  Würde,  diese,  die  beiden  anderen 
Evangelisten  Marcus  und  Lucas.  ^) 

Eine  reiche  Zusammenstellung  solcher  Deutungen  findet  sich  in  dem 
berühmten  liturgischen  Sammelwerke,  das  Bischof  Wilhelm  Durand  von 
Mende  (f  1270)  unter  dem  Titel  Rattonale  divinorum  offictorum  abfasste, 
und  welches  im  Mittelalter  sehr  viel   benutzt  wurde.     Vieles  darunter  ist 


1 )  Der  gleichzeitige  Fuldaer  Mönch  Candidusz.B.  beschreibt  die  auf  dem  dor- 
tigen Klosterfriedhofe  von  dem  Abte  Aegil  durch  den  Mönch  Racholf  um  ^20  erbaute 
kleine  Rundkirche  (s.  oben  S.  18)  und  fagt  hinzu:  ^Hoc  siquidem  aedificiuni  pater 
iHe  venerandus  ac  supra  commemoratua  magister  cum  aociis  nescio  quid  magnt  fin^ 
gentes  divino  magitterio  doetif  quod  tarnen  ipse  salva  ßde  Chriftti  et  ecclesüte  puto 
praesignari  p o es e  Jiguram.ft  Nun  folgt  die  Deutung  der  acht  den  Mittelbau  tra- 
genden Säulen  auf  die  acht  Seligkeiten  und  der  Rundform  der  Kirche  auf  das  Reich 
der  ewigen  Herrlichkeit,  in  den  bescheidenen  Ausdrücken :  »Octo  colttmnae ....  m«- 
reantur  habert;  eircultts  ....  nan  incongrue  aignificare  cidetur.«  —  Brower,  Sidera 
illust.  et  sanct.  virorum  Germaniae  (Mogunt.  1616)  p.  20 ;  vergl.  Dronkc  u.  v.  Las- 
sau Ix,  die  Matthias-Kapelle  zu  Kobem,  S.  50. 

2)  Nach  Erklärung  des  Domdechanten  Nübel  zu  Soest;  vergl.  Zeitschr.  für 
Bauwesen  (1S54)  4,  400  und  den  umstehenden  Grundriss  Fig.  34. 


gg  Symbolik  der  Baufonnen. 

sinnreich  und  von  bleibendem  erbaulichem  Werthe,  ganz  anders  ab  die 
spielende ,  moderne ,  vorgeblich  uralte  Mystik ,  nach  welcher  das  Kirchen- 
gebäude den  gekreuzigten,  gen  Westen  schauenden  Christus  darstellt  und 


Fiff.  34.  Kapelle  zu  DrOggelte  (nach  Lübke). 

der  zuweilen  von  der  Lfingenaxe  der  Kirche  nördlich  abweichende  Chor 
(s.  obenS.  29  Fig.  6.)  das  nach  rechts  geneigte  Haupt  des  Heilandes  ( —  aber 
die  Kirchen  in  Offenbach  am  Glan ,  Maria  Stiegen  in  Wien ,  Petri  -  Pauli  in 
Görlitz  z.  B.  neigen  ihr  Chorhaupt  südlich!).  Die  beiden  Westthürme  sind 
die  N&gel  (sie  !) ,  mit  denen  die  Füsse  des  Herrn  an  das  Kreuz  geheftet 
waren,  und  wo  sich  noch  zwei  Thürme  über  den  Kreuzarmen  erheben, 
werden  dadurch  die  Nftgel  in  den  Hftnden  Jesu  bezeichnet.  —  Die  dem 
Reiche  der  Finsterniss  zugewendete  Nordseite  des  Kirchengebäudes  ist  des- 
halb weniger  reich  geschmückt,  als  die  Südseite  (aber  wie  an  den  Domen  zu 
Osnabrück  und  Trient  findet  auch  am  Dom  zu  Magdeburg  der  umgekehrte 
Fall  statt,  obgleich  der  in  dieser  Sinnbildnerei  befangene  Kreuser,  a.a.O. 
S.  175,  selbst  in  der  zweiten  Auflage  noch  immer  das  Gegentheil  sieht)  *), 
und  dergleichen  sich  selbst  Widerlegendes  mehr. 

1)  AVenn  die  eine  Seite  reicher  und  kostspieliger  verziert  ist  als  die  andere,  so 
ist  das  immer  die  von  den  Meisten  gesehene  Schauseite ,  am  Dome  su  Cöln  z.  B.  die 
südliche ,  am  Dome  zu  Magdeburg  die  nördliche :  beide  nach  freien  Plätzen  belegen; 
ebenso  ist  in  Brilon  die  dem  grösseren  Theile  der  Stadt  zugekehrte  Nordseite  der 
Kirche  als  Hauptseite  behandelt. 


Bonedictmerklöster.  g7 


Anhang 

über  die  baulichen  Einrichtungen    der  Klöster  bei  den  ver- 
schiedenen Hauptorden. 

(Vergl.  oben  Anmerkung  3  zu  §  13  S.  13  ff.) 

L  e  n  o  i  r ,  Alb. ,  Architecture  monastique.  I.  Partie  [Vol.  1 ) ,  II.  et  III. 
Partie  (Vol.  2j.  Paris  lS4fi.  —  de  Cauinont,  Ab6c6daire  ou  Rudiment 
d' Archäologie  (Architectures  civile  et  militaire)  2.  Ed.  Paris  1858.  p.  4  -  202.  — 
Vergl.  oben  §  29  u.  Anmcrk.  t  u.  2. 

Der  Typus  der  klösterlichen  Anlagen  ist  dem  Grundplane  nach  seit  der 
Sltesten  bis  in  die  neuere  Zeit  wesentlich  gleich  geblieben ,  und  charakte- 
ristisch erscheint  für  dieselben  ein  freier  rechteckiger  Hofraum  in  der  Mitte, 
welchen  die  verschiedenen,  die  eigentliche  Clausur  bildenden  Baulich- 
keiten umgeben.  Die  eine ,  gewöhnlich  die  nördliche ,  seltener  die  südliche 
Seite  wird  von  der  Klosterkirche  begrenzt,  und  der  rings  um  gehende  Kreuz- 
gang (s.  oben  S.  7 7 ff.)  vermittelt  die  Communication.  Mit  Ausnahme  des 
neuen  Bestandtheiles  der  Kirche  ist  dies  ganz  der  Qrundtypus  der  antik- 
römischen villa  urbanuj  während  die  neben  der  Clausur  belegenen  Wirth- 
schaftsgebäude  der  mit  dem  herrschaftlichen  Wohnhofe  grenzenden  villa 
rustica  entsprechen ;  man  ist  daher  zu  der  Annahme  berechtigt ,  dass  die 
bauliche  Anlage  der  grossen  römischen  Villen  den  ersten  Klöstern  als  Vor- 
bild gedient  hat. 

Von  den  baulichen  Einrichtungen  einer  grossen  Benedictiner-  Abtei 
der  karolingischen  Zeit  ist  uns  durch  den  bereits  oben  S.  28  erwähnten, 
ftlr  das  Kloster  St.  Gallen  entworfenen  Plan  eine  genaue  Kenntniss  über- 
liefert. Die  ganze  Anlage  bildet  ein  Viereck  von  430X300  F.  Fläche.  Die 
verschiedenen ,  meist  viereckigen  und  einstöckigen  Häuder  sind ,  ein  förm- 
liches Städtchen  von  etwa  40  Firsten  bildend,  durch  Gassen  von  einander 
getrennt  und  umschliessen  in  ihrem  Innern  fast  alle  einen  Hof.  In  der  Mitte 
des  Ganzen  steht  die  Kirche  mit  der  südlich  anstossenden .  aus  drei  zwei- 
stöckigen Flügeln  bestehenden  Clausur ,  theil weise  durch  eine  Hecke  von 
den  übrigen  Gebäuden  abgeschlossen.  Der  östliche  Flügel  ist  das  eigent- 
liche Wohnhaus  der  Mönche  mit  der  Wärmstube  {cale/actoria  domus)  unten 
und  dem  Schlafsaale  (dormitorium)  oben.  Der  südliche  Flügel  enthält  den 
mit  der  Kleiderkammer  {vesliarium)  übersetzten  Speisesaal  {re/ectoriufn) ,  und 
der  westliche  im  Erdgeschosse  die  Kellerei  und  oben  verschiedene  Vorraths- 
kammem.  Der  vierte,  an  dem  südlichen  Seitenschiff  der  Kirche  hinlaufende 
Flügel  des  Kreuzganges  diente  für  die  Berathungen  des  Convents  und  ver- 
tritt den  späteren,  seit  dem  X.  Jahrb.  vorkommenden  Capitelsaal.  Nördlich 
von  der  Clausur  befinden  sich  das  Gasthaus ,  die  äussere  Schule ,  das  einer 
Basilica  mit  offenen  Seitenschiffen  gleichende  Abthaus  und  die  Wohnung  der 
Aerzte ;  östlich  sind  das  Krankenhaus  und  die  Novizenschule  mit  ihren  an- 
einanderstossenden  Kirchen ,  der  einem  Garten  gleichende  Begräbnissplatz 
und  zwei  Gärten;   südlich  die  Werkstätten  der  Künstler,  Handwerker  und 


88  Frflmonstratenser. 

Knechte ;  auf  der  Westeeite  endlich  befinden  sich  die  Ställe.  —  Ganz  die- 
selbe Anlage  wie  die  der  Benedictiner  hatten  auch  die  Clausuren  der  mit 
den  Bischofsitzen  verbundenen  Domcapitel  (monaateria  clericorum)  und 
der  im  X.  Jahrh.  entstandenen  Collegiatstifter ,  deren  Capitularen  die  nach 
dem  heil.  Augustinus  benannte  Regel  befolgten.  Wie  in  den  Klöstern  fQr 
den  Abt  eine  besondere  Wohnung  ausserhalb  der  Clausur  und  oft  auf  der 
gegenüberliegenden  Seite  der  Kirche  errichtet  war,  so  auch  bei  den  Kathe- 
dralen die  bischöfliche  Pfalz  (palatium) ,  die  oft  befestigt  war  [arx  episcopa- 
lis)  y  und  nachdem  die  Capitularen  seit  dem  XII.  und  XIII.  Jahrh.  das  ge- 
meinschaftliche Leben  allgemein  aufgegeben  und  die  Clausur  den  Vicarien 
überlassen  hatten  y  wohnten  auch  sie  auf  besonderen  Höfen  {curtae  canoni- 
cales)  y  die  innerhalb  des  bischöflichen  Jurisdictions  -  Bezirkes  (auf  der  Dom- 
freiheit) belegen  waren.  Eine  Domherrn -Curie  aus  der  ersten  Hälfte  des 
XIII.  Jahrh.  ist  die  Curia  St.  Aegidü  am  Domplatze  zu  Naumburg  a.  d.  S.  : 
ein  zwei  Stock  hohes  quadratisches  Gebäude ;  im  Obergeschoss,  welches  als 
Oratorium  gedient  haben  wird,  mit  einer  erkerartig  vorgekragten  Apsis.  ')  — 
Ausgedehnte,  zum  Theil  noch  aus  dem  XL,  grösstentheils  aus  dem  XIII. 
Jahrh.  herrührende  Stiftsbaulichkeiten  finden  sich  auf  der  Südseite  des 
Domes  zu  Trier :  am  nördlichen  Flügel  des  Kreuzganges  der  langgestreckte 
zweischiffige  Capitelsaal  und  am  östlichen  Flügel  zwei  ähnliche,  aber  breitere 
Räume  von  unbekannter  Bestimmung.  Am  südlichen  Flügel  lag  das  1806 
abgetragene  geräumige  Refectorium ;  alle  diese  Gebäude  waren  ursprünglich 
zweistöckig,  und  das  Doimitorium  soll  im  Obergeschoss  des  ehemaligen 
Westfiügels  befindlich  gewesen  sein.  ''^) 

Von  Baulichkeiten  der  Prämonstratenser  bietet  das  Liebfrauen- 
kloster zu  Magdeburg ,  welches  von  dem  Stifter  dieses  Ordens ,  dem  heil. 
Norbert  selbst  1129  gegründet  wurde ,  die  ältesten  Ueberreste  noch  aus  der 
Stiftungszeit  in  einem  vor  der  Nordseite  des  Kreuzganges  lagernden  mächti- 
gen Bau.  Derselbe  besteht  aus  drei  langen,  24  F.  breiten  Tonnengewölben 
über  einander,  von  denen  das  oberste  zu  ebener  Erde ,  mit  dem  Kreuzgange 
fast  von  gleicher  Höhe ,  das  Refectorium  gewesen  zu  sein  scheint ,  während 
die  beiden  unteren  ,  tief  in  der  Erde  liegenden  Gewölbe  zwei  Vorrathskeller 
übereinander  bilden.  Der  nicht  viel  jüngere  Kreuzgang  selbst  erweitert 
seinen  westlichen  Flügel  in  eine  grosse ,  zum  Theil  von  Marmorsäulen  ge- 
tragene Doppelhalle :  der  Ueberlieferung  zufolge  die  ehemalige  Gerichtstätte 
des  Stiftspropstes.  *j  —  Ueber  die  Tonsur  s.  Fig.  31  3.  79. 

Bei  den  Bauten  der  Cisterzienser^),  welche  sich  ebenfalls  im 
XII.  Jahrh.  von  Frankreich  aus  schnell  über  Deutschland  verbreiteten,  ist 
zunächst  die  eigenthümliche  Grundrissbildung  des  östlichen  Theiles  der  im 
XII.  bis  XIII.  Jahrh.  errichteten  Kirchen  dieses  Ordens  hervorzuheben,  die 
auf  zwei  von  einander  verschiedene ,  aber  unter  sich  verwandte  französische 
Muster,  die  (nicht  mehr  existirende)  Mutterkirche  zu  Citeaux  selbst  und  die 

1    Puttrich,  Denkm.  IL  Serie  Naumburg.  Bl.  27. 

2)  Schmidt,  Chr.  W.,  Baudenkm.  in  Trier.  Lief.  IL 

V,  V.  Quast,  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  u.  Kunst.  1,  213. 

4)  Schnaase,  Gesch.  der  bild.  Künste  5,  40S ;  vergl.  Otte,  Qesch.  der  deut- 
schen Baukunst  S.  293  ;  besonders  auch  Feil,  Jos.,  in  den  mittelalterl.  Kunstdenkm. 
des  Österreich.  Kaiaerstaates  J ,  1  ff. 


Cisterzienser. 


89 


Kirche  des  Klosters  Fontenay,  zurückzufahren  ist.  Beide  haben  den  recht- 
eckigen Schluss  des  Altarhauses  {ohne  Apsiden  vorläge)  mit  einander  gemein  ; 
bei  ersterer  Kirche  jedoch  bilden  die  Seitenschiffe  einen  niederen  Umgang 
um  den  Chor,  an  den  sich  ein  zweiter,  aus  kleinen  noch  niedrigeren  Kapellen 
bestehender  Umgang  schliesst ;  bei  letzterer  Kirche  laufen  die  Seitenschiffe 
des  Langhauses  zwar  wie  gewöhnlich  in  die  Kreuzflügel  aus,  an  deren  Ost- 
seite sich  indess  seitenschiffartig  je  zwei  niedrige  Kapellen  schliessen.  Das 
Vorbild  von  Citeaux  findet  sich  in  Deutschland  befolgt  an  den  Kirchen  der 
Klöster  zu  Riddagshausen  bei  Braunschweig  und  zu  Ebrach  bei  Bamberg, 

vereinfacht  auch  zu  Amsburg 
in  der  Wetterau  und  zu  Ma- 
rienfeld bei  Gütersloh .  Häufi- 
ger erscheint  die  Nachbildung 
des  Musters  von  Fontenay : 
zu  Loccum  in  Niedersachsen, 
zu  Bebenhausen  bei  Tübingen 
und  zu  Kappel  in  der  Schweiz  ; 
auch  zu  Maulbronn  bei  Bretten 
und  zu  Eberbach  im  Rhein- 
gau, wo  jedoch  die  Zahl  der 
kleinen  Kapellen  auf  je  drei 
an  jedem  Kreuzflügel  gestei- 
gert ist.  An  anderen  Orten, 
wie  zu  Lehnin  bei  Branden- 
burg ,  liegt  zwar  das  nämliche 
Schema  zu  Grunde,  es  er- 
scheint aber  dem  Altarhause 
hier  eine  Apsis  vorgelegt,  und 
zu  Zinna  bei  Jüterbog  finden  wir  nicht  allein  diese,  sondern  neben  derselben 
auch  Apsidiolen  an  den  vier  Kapellchen.  —  Die  Hin  weglassung  der  Apsiden, 

der  Mangel  eines  eigentlichen  Thurm- 
baues  (s.  oben  S.  63) ,  sowie  der  ein- 
fache Aufbau  und  die  bescheidene 
Ausstattung  der  Kirchen  ,  sind  Beson- 
derheiten, die  sich  hinlänglich  aus  dem 
Nützlichkeitsprincipe  des  Cisterzienser- 
Ordens  erklären;  dagegen  liegen  die 
Gründe  für  die  zuweilen  vorkommen- 
den übermässig'  gestreckten  Verhält- 
nisse des  Langhauses  (s.  oben  S.  48) 
um  so  weniger  vor ,  als  von  dem  Be- 
suche der  Klosterkirchen  die  Laien  und 
besonders  die  Frauen  völlig  ausge- 
schlossen waren.  Die  Vorliebe  für  die 
Anlage  vieler  kleinen  Kapellen  hängt 
mit  den  Vorschriften  für  die  Privatexercitien  der  Mönche  zusammen.  Ge- 
wissermaassen  im  Widerspruche  mit  der  Einfachheit  der  Kirchen,  die  in 
den  Ordensstatuten  lediglich  als  Oratorien  bezeichnet   werden,    steht   die 


Fig.  35.  Chorschluss  zu  Ebrach.  *) 

*1  Nach  einer  mir  gütigst  mitgetheillen  Zeichnung  des  Herrn 
F.  T  Quast. 


Fig.  36.  Chorschluss  zu  Loccum  (nach  Lübke). 


90 


Cisterzienserkl.  Maulbronn. 


Grossartigkeit  und  Mächtigkeit  der  übrigen  Klostergebäude ,  wovon  die  mit 
Mauern,  Höfen  und  Wirthschaftsanstalten  im  Wesentlichen  erhaltenen 
Baulichkeiten  der  Abtei  Maulbronn  ')  aus  dem  XII.  —  XVI.  Jahrh.  ein 
sprechendes  Zeugniss  geben;  s.  den  nebenstehenden,  aus  £.  Förster' s 
Denkmalen  der  Baukunst  etc.  Bd.  VII.  zu  S.  23  ff.  entlehnten  Qrundriss, 
auf  welchem  die  verschiedenen  Bauperioden  durch  verschiedene  Schraf- 
iirungen  ausgedrückt  sind.  Die  Clausur  liegt  hier,  wie  dies  auch  sonst 
oft  vorkommt,  an  der  nördlichen  Seite  der  Kirche  A;  der  Kreuzgang 
aber,  den  etwa  90  F.  im  Quadrat  grossen  Hof  F  umschliessend ,  reicht 
nicht  so  weit  nach  Westen  wie  das  gestreckte  Langhaus  der  letzteren, 
welchem  sich  noch  das  Paradies  B  (S.  64)  vorlegt.  Aus  diesem  führt 
nördlich  der  offene  Bogen  b  in  einen  äusseren  Gang  C,  aus  dem  man  auf 
der  Treppe  c  in  den  Keller  D  hinabsteigt  und  durch  den  Gang  E  östlich 
in  den  Kreuzgang  dy  nördlich  in  den  trümmerhaften  zweischiffigen  Saal  (von 
120X35  F.)  O  gelangt,  welcher  für  das  ältere  Refectorium  gehalten  wird. 
Am  nördlichen  Ende  des  Ganges  C  leitet  eine  Steintreppe  in  das  Winter- 
Refectorium  G'.  An  der  Nordseite  des  Kreuzganges  führt  dem  Brunnen- 
hause e  gegenüber  die  Thür  ß  in  das  hier  (und  anderwärts,  corrumpirt) 
Rebenthal  genannte  Refectorium  H,    Letzteres  ist  ein  zweischiffiger  Pracht- 


Fiff.  37.  Refectorium  im  Klwter  Maulbronn  (aui  I^ibniti,  Organisation  der  Gewölbe). 

saal  von  105X44  F.  mit  einer  Lesekanzel  o  an  seiner  östlichen  Wand  und 
den  Mauerresten  der  Küche/  an  seiner  Westseite.  An  die  Ostseite  des 
Rebenthals  reihen  sich  die  beiden  Gemächer  /  und  K  von  unbekannter  Be- 
stimmung, und  aus  der  nordöstlichen  Ecke  des  Kreuzganges  führt  der  Gang 
L  in  den  grossen  Keller  M,  neben  welchem  südlich  ein  Raum  N  befindlich 
ist,  den  man  für  die  Geisseikammer  {flagellatorium)  hält.  Daran  stösst 
weiter  nach  Süden  der  Durchgang  O,  durch  welchen  man  in  eine  etwa  66  F. 
lange  Halle  Q  tritt,  die  mit  dem  Namen  Parleatorium  (d.  i.  Sprechsaal)  be- 
zeichnet wird  und  nach  dem  ehemaligen  Abthause  führte.  Der  mittlere  Theil 
des  östlichen  Kreuzgangsflügels  endlich  erweitert  sich  in  den  mit  reichen 
Stemgc wölben  gedeckten  zweischiffigen  Capitelsaal  P,  an  den  sich  die  kleine 
Kapelle  h  schliesst,  und  der  von  dem  nördlichen  Kreuzarme  der  Kirche  noch 
durch  die  Kammer  R  getrennt  wird.  Im  Oberstockwerk  über  den  Räumen 
M  N  O  P  R  befand  sich ,   durch  Steintreppen  mit  dem  Kreuzgange  und  der 

i)  Vergl.  Klunzinger,  C. ,  Artist.  Beschr.  der  vormal.  Cisterz.- Abtei  Maul- 
bronn. 3.  Aufl.  Stuttg.  1856.  —  Gleiches  Interesse  nehmen  auch  die  sehr  bedeuten- 
den Klostergebaude  von  Bronnbach  bei  Wertheim  in  Anspruch. 


■;'      '7      •'?       '^ 


J  ii:;^rf^  vest 


Bettelklöster.  91 

Oeisselkammer  (in  anderen  lUöstern,  z.  B.  ehemals  in  Altenberg  bei  Cöln 
auch  direct  mit  der  Kirche)  verbunden ,  das  Dorment  [der  Schlafsaal ,  oder 
später  die  Schlafzellen)  der  Mönche  und  im  Dachstuhle  noch  ein  grosser 
Saal.  Ausserdem  werden  das  Krankenhaus ,  das  Haus  des  Verwalters  und 
ein  Cksindehaus  erwähnt ,  die  sich  ausserhalb  der  Clausus  auf  dem  Kloster- 
territorium befinden,  welches  mit  einer  durch  Thürme  befestigten  Ring- 
mauer umgeben  und  durch  ein  Doppel thor  nebst  Zugbrücke  zugänglich  war. 
An  den  nordwestlichen  Eckthurm  der  Ringmauer  schloss  sich  die  Kloster- 
mühle, und  ausserhalb  lagen  noch  verschiedene  Gebäude,  darunter  eine 
Herberge  für  die  Gäste. 

In  Vergleich  mit  den  weitläufigeren  Anlagen  der  Benedictiner  und 
Cisterzienser  erscheinen  die  Klöster  der  sich  seit  dem  XIII.  Jahrh.  ausbrei- 
tenden Bettelorden  der  Dominicaner  und  Franciscaner  weniger  bedeutend. 
Auf  die  Ansiedelung  in  den  Städten  durch  ihre  Zwecke  angewiesen  (s.  oben 
S.  15)  und  Anfangs  ohne  Vermögen  beschränkten  sie  sich  auf  einen  be- 
scheidenem Raum  und  befieissigten  sich  einer  minder  kostspieligen  redu- 
cirten  Bauweise.  Ihre  auf  die  Predigt  berechneten  Kirchen  ersparen  ausser 
dem  Glockenthurm  (s.  oben  S.  63)  das  Querhaus,  im  Langhause  sogar 
wider  alles  Ebenmaass  oft  ein  Seitenschiff  (s.  oben  S.  51) ,  imd  das  Altar- 
haus von  der  Breite  des  Mittelschiffes  legt  sich  einspringend  und  unter  be- 
sonderer Bedachung  dem  Langhause  vor.  Den  Männerklöstern  glichen  darin 
auch  die  Nonnenklöster,  wie  dies  z.  B.  die  dem  1615  durch  Merian  ver- 
fertigten Stadtplane  von  Basel  entnommene  Ansicht  des  ehemaligen  Frauen- 
klosters Klingen thal,  Dominicaner  -  Ordens ,  veranschaulicht ') ,  wenn  auch 
die  Baulichkeiten  desselben  bis  auf  die  jetzt  fast  nur  noch  allein  vorhandene 
Kirche  und  den  Kreuzgang  grösstentheils  schon  damals  modernen  Charakter 
hatten,  weshalb  sich  die  ehemalige  Bestimmung  der  einzelnen  Gebäude  auch 
nur  mit  mehr  oder  weniger  Wahrscheinlichkeit  angeben  lässt.  Das  Kloster 
lag  auf  der  nördlichen  Grenze  von  Klein-Basel  am  Ufer  des  Rheins  und  war 
an  den  drei  äusseren  Seiten  mit  dem  Graben  r  und  hinter  demselben  mit 
einer  gezinnten  Ringmauer  umgeben,  die  auf  der  Nordseite  durch  zwei  hohe 
Eckthürme  und  einen  niedrigeren  Mittelthurm  verstärkt  war.  Der  östliche 
Flügel  der  Mauer  steigt  am  südlichen  Ende  bis  zur  Höhe  des  anstossenden 
Gebäudes  an ,  um  eine  hier  befindliche  in  das  Oberstockwerk  des  letzteren 
führende  Treppe  zu  maskiren.  Der  Eingang  /  zum  Kloster  befand  sich  auf 
der  (südlichen)  Stadtseite  und  führte  zunächst  in  einen  schmalen  zwischen 
zwei  Mauern  belegenen  Raum  und  aus  diesem  neben  dem  Hause  der  Pfört- 
nerin vorbei  durch  eine  zweite ,  nicht  in  der  Axe  des  äusseren  Thores  be- 
findliche Thür  in  den  äusseren  Klosterhof,  der  durch  eine  niedrige  Mauer 
von  der  Clausur  geschieden  war.  Der  Eingang  zur  letzteren  und  in  den  in- 
neren Hof  und  Begräbnissplatz  der  Nonnen  d  führte  durch  das  an  der  Nord- 
seite des  Kreuzganges  c  belegene  Gebäude  o ,  welches  zu  ebener  Erde  das 
Refectorium  mit  der  Küche  und  dem  Sprechzimmer  und  oben  den  Convent- 


1 )  Wir  entlehnen  den  nebenstehenden  HolEschnitt ,  dessen  Benutzung  wir  der 
Gate  des  Herrn Ch.  Riggenbachin  Basel  verdanken,  den  Mittheil,  der  Gesellsch. 
für  vaterUnd.  Alterthümer  in  Basel  VUI.  (I^6U) :  Die  Klosterk.  Klingenthal  in  Basel 
von  Dr.  C.  Burokhardtu.  C.  Riggenbach. 


92  Karthausen. 

saal  und  das  gemeinschaftliche  Winter  -  Dormitorium  enthielt,  während  im 
Sommer  die  Nonnen  auf  ihren  Zellen  über  dem  östlichen  und  westlichen 
Flügel  des  Kreuzganges  schliefen.  Die  Südseite  der  Clausur  wird  von  der 
Kirche  begrenzt.  Dieselbe  besteht  aus  zwei  Haupttheilen,  der  dreischiffigen 
Laienkirche  b  mit  besonderem  südlichem  Eingang  und  der  einschiffigen 
Nonnenkirche  (dem  hohen  Chore)  a ,  welche  innerlich  durch  einen  Lettner 
von  einander  getrennt  sind ;  über  dem  Firste  der  Nonnenkirche  erhob  sich 
ehemals  ein  schlanker  Dachreiter  zur  Aufi[iahme  der  nur  gestatteten  kleinen 
Glocke.  Südlich  von  dem  Kirchengebäude  breitete  sich  der  Laienkirchhof  e 
aus  mit  besonderer  Pforte  nach  der  Stadt,  dem  Beinhause  f  und  der  Todten- 
leuchte  [s.  unten  §  54)  y.  Von  der  Laienkirche  führte  ein  Verbindungs- 
gang t  nach  dem  Hospitium  h ,  dem  sich  südlich  noch  andere  Oekonomie- 
gebäude  anschlössen,  mit  dem  Wasserabflüsse  s  in  den  Rhein.  In  dem 
westlichen  Theile  des  äusseren  Klosterhofcs  befand  sich  das  durch  den 
Gang  n  mit  dem  Conventsaale  verbundene  Haus  der  Priorin  tn  und  ausser- 
dem mehrere  an  die  Ringmauer  gelehnte  Wohnhäuser  k  für  den  Kloster- 
knecht, den  Gärtner  etc.  nebst  zwei  Gärten,  einem  kleineren  k  und  einem 
grösseren  p  auf  der  Sonnenseite.  Das  achteckige  Häuschen  /  überdeckte 
den  Brunnen ,  und  neben  dem  nordwestlichen  Eckthurme  führte  ein  Steg  q 
über  den  Graben. 

Gleiche  Einfachheit  wie  die  Bauten  der  Bettelorden  zeigen  auch  die 
Klöster  der  erst  seit  dem  XIV.  Jahrh.  in  Deutschland  vorkommenden 
Karthäuser;  doch  mussten  diese  nach  ihrer  das  gemeinschaftliche  Kloster- 
leben mit  dem  einsiedlerischen  der  Eremiten  verbindenden  Regel  ein  ver- 
hältnissmässig  grösseres  Territorium  in  Anspruch  nehmen ,  da  zur  Anlage 
einer  Karthausc  nicht  bloss  eine  Kirche  mit  der  gewöhnlichen  Clausur ,  an 
deren  Kreuzgang  sich  indess  nur  ein  Conventsgebäude  lehnte ,  erforderlich 
war,  sondern  noch  ein  weiterer,  gewöhnlich  Östlich  von  der  Kirche  belegener 
rechteckiger  Raum  mit  dem  Gottesacker  in  der  Mitte  und  den  einzelnen 
durch  kleine  Gärten  von  einander  getrennten  Zellen  der  Mönche  auf  den 
Seiten.  In  der  ^jetzt  von  dem  german.  Museum  benutzten)  Karthause  zu 
Nürnberg  ist  der  hinter  der  Kirche  belegene  freie  Platz  rings  mit  einem  aus 
72  Jochen  bestehenden  Kreuzgange  umzogen,  der  mit  dem  vorderen  kleine- 
ren, nur  29  Joche  zählenden  Kreuzgange  an  der  Südseite  der  Kirche  in 
Verbindung  steht  und  sich  letzterer  gegenüber  auf  der  Nordseite  fortsetzt  *) ; 
überhaupt  erscheint  als  Eigenthümlichkeit  der  Karthausen  die  Anlage 
zweier,  imter  einander  und  mit  der  Kirche  verbundener  Kreuzgänge,  eines 
kleineren  und  eines  grösseren ;  dieser  in  den  Karthausen  zu  Cöln  und  Basel 
Oalilaea  majore  Gross-Galilaea,  jener  Galtiaea  minor,  Klein- Gali - 
laea*)  genannt.     An  die  Galilaea  major  lehnten  sich  die  einzelnen  in  den 


t )  Siehe  den  Grundriss  im  Organismus  des  German.  Nationalmuseums  in  Nümb. 
1 855  u.  die  Ansicht  der  Karthause  Ostheim  im  Archiv  des  histor.  Vereins  für  Unter- 
franken u.  Aschaffenburg  IX,  1 . 

2]  Vergl.  Kr  e  US  er,  der  christl.  Kirchenbau  1,2159  u.  (Rose,  F.,)  Ein  Tag  in 
Basel.  Basel  1840.  S.  92.  —  lieber  den  schwer  zu  enträthsclnden  Namen  Galilaea 
hat  Jos.  Ant.  Messmer  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  (1S6I} 
6,104  gute  Erläuterungen  gegeben:    man  nannte  im  Xu.  Jahrh.  mit  willkürlicher 


DeutschordensschlÖBser.  93 

Garten  hinaus  gebauten  Zellen  mit  der  vorderen  Giebelseite ,  worin  sich  die 
Thür  befand ,  aus  welcher  sich  die  Mönche  durch  den  Kreuzgang  täglich 
nach  der  Kirche  begaben.  Die  Galilaea  minor  betraten  sie  nur  am  Sonn- 
abend Abend y  um  im  Capitelsaale  vor  dem  Prior  zu  beichten  und  ihre  Ange- 
legenheiten zu  berathen,  und  an  Sonn-  und  Festtagen,  wo  sie  gemeinschaft- 
lich im  Refectorium  assen  und  sich  Abends  in  dem  kleinen  Kreuzgange 
unter  Gesprächen  ergehen  durften.  Die  Basler  Karthause  zählte  mit  der  des 
Priors  1 6  Zellen,  und  die  Zellen  der  Mönche  waren  über  den  Thüren  durch 
Bibelsprüche  sinnig  bezeichnet,  deren  Anfangsworte  in  alphabetischer  Keihe 
auf  einander  folgten:  Ambulate  etc.  (Job.  12,  36).  —  Bonum  est  etc. 
(Matth.  17,  4).  —  Caro  etc.  (1  Cor.  15,  50).  —  Oüigite  etc.  (Matth.  5,  44). 
—  Existimo  etc.  (Rom.  8,  18).  —  Facite  etc.  (Luc.  3,  8.  9).  —  Gau- 
dium etc.  (Luc.  15,  7).  —  Ilumiliamini  etc.  (1  Petr.  5,  6).  —  In  Omni- 
bus etc.  (Sir.  7,  40).  —  Karitas  etc.  (t  Tim.  1,  5).  —  Labora  ete.  (2Tim. 
2,  3).  —  Mandatum  etc.  (Joh.  13,  34).  —  Molite  etc.  (Rom.  12,  2). 
Dies  war  die  Zelle  des  Sacristans ,  aus  der  auch  eine  Thür  nach  der  Kirche 
führte ,  über  welcher  ebenfalls  eine  mit  N  anfangende  Sentenz  stand.  — 
Omnes  etc.  (2  Cor.  5,  10)  an  der  Zelle  des  Schaffners.  —  Patientes  etc. 
(Jac.  5,  7)  an  der  ZeUe  des  Subpriors,  mit  einer  zweiten  Thür  ins  Refecto- 
rium, über  welcher  stand  :  Praeparate  (1  Sam.  7,  3j.  Die  Eingangs  thür  zur 
Zelle  des  Priors  war  mit  einem  \  bezeichnet;  darunter  stand  der  Spruch 
Luc.  14,  27,  und  an  der  Thür  ins  Refectorium  der  verwandte  Spruch  Matth. 
16,  24.  *}  —  In  der  berühmten  Karthause  Mariaparadeis  bei  Danzig  gehört 
ausser  der  unbedeutenden  Kirche  die  charakteristische  Anlage  der  in  isolirter 
Folge  belegenen  Zellen  erst  der  jüngsten  Zeit  an. 

Wie  die  Karthäuser  das  Anachoreten- Leben  mit  dem  klösterlichen  zu 
vereinigen  suchten,  so  verwirklichten  die  geistlichen  Ritterorden  die 
Vereinigung  des  kriegerischen  mit  dem  Mönchsleben ,  und  in  baulicher  Be- 
ziehung sind  besonders  die  Schlösser  des  deutschen  Ritterordens  in  Preussen^) 
bemerkenswerth.  Der  Typus  des  preussischen  Ordensschlosses,  wie  sich 
derselbe  seit  der  Mitte  des  XIV.  Jahrb.  festgestellt  hatte,  erscheint  als  ein 
von  Gräben  umzogener  quadratischer  Bau  mit  Eckthürmen  und  einem  bis 
zur  Zinnenkrönung  des  Gebäudes  aufsteigenden  Hauptportal,  durch  welches 
man  in  den,  die  Mitte  einnehmenden  gleichfalls  quadratischen  Hof  tritt.  Den 
letzteren  umgiebt ,  wie  in  den  Klöstern ,  ein  sich  gegen  den  Hof  öffiiender 
Kreuzgang ,  der  aber ,  da  die  Haupträume  des  Schlosses  niemals  zu  ebener 
Erde  liegen,  noth wendig  zwei  Geschosse  über  einander  erhalten  musste.  Zu 
diesen  Haupträumen  gehörte  zunächst  die  stets  orientirte  und  mit  dem  öst- 
lichen Ende  nach  aussen  liegende  Schlosskapelle,  der  Convents  -  Remter  ge- 
nannte Capitelsaal  und  das  Refectorium,  welches  Speise  -  Remter  hiess.  Das 
Erdgeschoss,  unter  dem  sich  in  mehreren  Etagen  über  einander  mächtige 
Keller  erstreckten,    enthielt  lediglich    die   zur   Oekonomie   erforderlichen 

Anwendung  von  Matth.  28,  lö  den  Weg  von  der  Zionskirche  zu  Jerusalem  bis  auf 
den  Oelberg  Galilaea,  und  vermöge  Uebertragung  konnten  auch  die  den  Proces- 
sionen  als  Nachbildung  jenes  Weges  dienenden  Säulengange  bei  den  Kirchen  mit 
diesem  Namen  bezeichnet  werden. 

1)  Ver^l.  XVI.  Neujahrs-BUtt  für  Basels  Jugend.  1838.  Beilage  S.  2  ff. 

2)  Vergl.  V.  Quast,  Denkm.  der  Baukunst  in  Preussen  I,  S  u.  Bl.  U—V. 


94 


Hospit&ler. 


Rftumlichkeiten.  Völlig  übereinstimmend  waren  auch  die  Schlösser  der 
Landes-Bischöfe  und  Domcapitel  eingerichtet.  Unter  den  Ordensschlössem, 
mit  denen  das  ganze  Land  bedeckt  war ,  zeichnet  sich  vorzugsweise  aus  das 
ehemalige  Haupthaus  zu  Mari'enburg,  das  sich  als  Sitz  des  Hochmeisters 
durch  grössere  Ausdehnung  und  Pracht  von  den  übrigen  unterscheidet. 

Mit  den  Ordenshäusem  der  Deutschherren  und  Johanniter,  welche 
Ritterorden  ja  ursprünglich  aus  einfachen  Hospitälern  in  Jerusalem  hervor- 
gegangen waren ,  so  wie  von  Anfang  an  mit  allen  Klöstern  und  mit  allen 
geistlichen  Verbrüderungen,  die  nach  Art  der  Mönche  ein  gemeinsames 
Leben  in  einem  und  demselben  Gebäude  führten ,  war  stets  eine  besondere 
Abtheilung  verbunden  zur  Aufnahme  erkrankter  Brüder  und  Angehörigen, 
80  wie  vor  der  Pforte  eine  Herberge  fOr  fremde  Pilger.  Seit  etwa  der  Mitte 
des  Xn.  Jahrb.  scheinen  indess  diese  klösterlichen  Pflegeanstalten  (hotpi- 
ialia,  ßrmariae)  bei  Zunahme  der  Bedürfnisse  und  bei  der  sich  in  Folge  der 
Kreuzzüge  nothwendig  machenden  strengeren  Gesundheitspolizei  nicht  mehr 
ausgereicht  und  zur  Gründung  von  besonderen  Krankenhäusern  geführt  zu 
haben,  die  sich  namentlich  seit  dem  Anfange  des  XIII.  Jahrh.  durch  die 
1198  von  Papst  Innocenz  III.  bestätigten  Brüder  vom  heiligen  Geiste  und 
unter  Betheiligung  der  Magisträte  schnell  über  die  Städte  Deutschlands  ver- 
breiteten. *)  In  archäologisch -baulicher  Beziehung  ist  über  diese  Hospi- 
täler des  heil.  Geistes  als  gemeinsame  Eigenthümlichkeit  derselben  zu 
bemerken  die  Anlage  am  Eingange  der  Stadt  und  am 
fliessenden  Wasser,  sowie  die  enge  Verbindung  des 
Krankensaales  selbst  mit  einer  Kapelle:  ersteres  aus 
Gesundheitsrücksichten,  letzteres  zur  besseren  geistli- 
chen Pflege  der  Kranken.  So  wurde  schon  vielleicht  die 
älteste  Anstalt  dieser  Art  in  Deutschland ,  das  Hospital 
Joh.  des  Ev.  in  Hildesheim  (gegr.  1155)  ^)  auf  einem 
freien,  rings  vom  Wasser  der  Innerste  umspülten  Platze 
angelegt,  und  ebenso  die  Heil.Geist- Hospitäler  zu  Rom 
(als  Mutterhaus)  an  der  Tiber,  zu  Mainz  am  Rhein,  zu 
13 Im  an  der  Donau,  zu  Wetzlar  an  der  Lahn,  zu  Frank- 
furt am  Main,  zu  Berlin  an  der  Spree ,  zu  Nürnberg  so- 
gar über  einem  mit  grossen  Bögen  überwölbten  Arm  der 
Pegnitz.  Die  unmittelbare  Verbindung  der  Krankenhalle 
mit  der  vor  derselben  belegenen  Kapelle  ist  bei  den 
Hospitälern  zu  Frankfurt  und  Lübeck  nachgewiesen.  — 
Das  grossartige  Nicolaus  -  Hospital  dagegen,  welches 
der  Cardinal  Nicolaus  von  Cusa  1450  zu  Cues  a.  d.  Mo- 
sel für  33  Arme  (nach  der  Zahl  der  Lebensjahre  Christi) 
mit  einem  Aufwände  von  mehr  als  10,000  Goldgulden  gründete,  folgt  dem 
Typus  der  klösterlichen  Clausuren  :  den  offnen  Hof  in  der  Mitte  umzieht  ein 
Kreuzgang,  an  den  die  Wohnräume  der  Hospitaliten  und  drei  Pfeilersäle 
grenzen,  und  die  Kirche  liegt  südöstlich  am  östlichen  Flügel.  In  dem 
Stiftungsbriefe  ist  die  Bezeichnung  der  einzelnen  Zellen  mit  den  Buchstaben 


Fif.  a8.  HoapitAl  zu 
LUbfck  (nach  Verilier) 


1    Vergl.  Böhmer,  F.,  im  Archiv  fÖr  Frankfurts  Gesch.  u.  KunHt  3, 
2;  Kratz,  J.  Mich.,  der  Dom  zu  Hüdesheim  2,  150f. 


i5fr. 


Brückenkapellen.     .  95 

des  Alphabets  vorgeschrieben.  *)  —  Eine  besondere  Gattung  der  Hospitäler 
sind  die  schon  vor  den  Kreuzzügen  in  Verbindung  mit  den  Klöstern  (z.  B. 
in  St.  Gallen  wohl  bereits  um  750)  ^)  vorkommenden  Häuser  für  Aussätzige. 
Bei  Wasserburg  hat  sich  das  Leprosenhaus  St.  Achaz  sammt  der  dazu  ge- 
hörigen Kirche  erhalten ,  und  auf  einer  Tafel  an  der  Aussenseite  stehen  die 
Gesetze  des  Hauses.  ')  —  Auch  mit  Brücken  wurden  zuweilen  Hospize  für 
Reisende  verbunden ,  und  Kapellen  auf  Ausbauten  der  Brückenpfeiler  er- 
richtet,  in  welchen  Schiffer  und  Wanderer,  Kaufleute  und  Pilger  ihre  Dank- 
opfer für  das  Geleite  Gottes  und  ihre  Gaben  zur  Instandhaltung  der  Brücken, 
welche  wie  die  Hospize  für  Wohlthätigkeitsanstalten  galten,  darbringen 
konnten.  So  gründete  Bischof  Konrad  UI.  von  Regensburg  1*226  am  Ende 
der  dortigen  Donaubrücke  zu  Stadtamhof  ein  zur  Brücke  gehöriges  Hospital 
nebst  Kapelle^) ,  und  auch  auf  der  Neckarbrflcke  zu  Esslingen,  sowie  auf 
der  Dresdener  Eibbrücke  war  früher  eine  (hier  dem  heil.  Alexius  gewidmete) 
Kapelle  auf  einem  verstärkten  Pfeiler.  Solche  Kapellen  waren  der  Ursprung 
der  später  auf  den  Brücken  errichteten  Bildstöcke  und  Heiligenstatuen. 


B.  Inere  Bmriehtug  u4  AassclnilekaBg  der  Kirchei. 

Augusti,  J.  Chr.  W. ,  die  gottesdienstl.  Sachen  der  alten  Christen 
(Bd.  12.  der  Denkwürdigkeiten)  IS.")!. 

Abbildungen  von  kirchlichen  Mobilien  aller  Art  in:  Schmidt,  Chr.  W., 
Kirchenmeubles  und  Utensilien  aus  dem  M.  A.  und  der  Renaissance  in  den 
Diöcesen  Cöln,  Trier  und  Münster.  IS51  etc.  —  Höfling  u.  Merkel,  die 
Künste  des  M.  A.  2  Bde.  Berlin.  Ed.  Reymann  1857— 1S6I.  —  Vergl.  auch 
Becker,  C,  u.  Hefner- Alteneck,  J.  v.,  Kunstwerken.  Geräthschaften 
des  M.  A.  u.  der  Renaissance.  36  Lief,  in  3  Bdn.  1847  etc.  (Neue  Ausgabe 
1859.)  —  Weerth,  E.  aus*m,  Kunstdenkmäler  des  christl.  M.  A.  in  den 
Rheinlanden.  I.  Abtheilung:  Büdnerei.  Bd.  1.  2.  1857.  1860. 

a.  Altare  und  Altarschmnck. 

Thiers,  J.-B.,  les  principaux  autels  des  ^glises.  Paris  16SS.  —  Voigt, 
Gthld. ,  Thysiasteriologia ,  sire  de  altaribus  veterum  Christianorum.  Hamb. 
1709.  —  Heideloffy  C,  der  christliche  Altar,  arcbäolog.  und  artist.  darge- 
stellt. 1838.  —  Laib,  Fr.,  und  Schwarz,  Fr.  Joe.,  Studien  über  die  Gesch. 
des  Christi.  Altars.  1857.  —  Kunathistorisches  üb.  Altarbau,  Landshuter  Ztg. 
1859.  No.  236.  —  Kreuser,  J. ,  Skizze  üb.  den  Altar  u.  seine  Gesch.,  im 
Organ  ftlr  christl.  Kunst  1861.  No.  16ff.  —  Vgl.  Sacken,  Ed.  v.,  der  Plügel- 
altar  zu  St.  Wolfgang  in  Ober- Des terreich  (die  Einleitung  über  die  Geschichte 
des  christl.  Altars)  in :  Mittelalter!.  Kunstdenkm.  des  Österreich.  Kaiserstaa- 
tes, herausgegeb.  von  Dr.  G.  Heider  etc.  1,  125—129,  und  die  über  den 


1)  Schmidt,  Chr.  W.,  Baudenkm.  in  Trier.  Lief.  IH. 
2]  Keller,  Ferd.,  Bauriss  des  Klosters  St.  Gallen.  S.  8. 

3)  Anzeiger  des  German.  Museums  (1860)  7,  231. 

4)  Schramm,  C.  Chr.,  SchaupUta  der  Brücken  (Leipzig  1735).  S.  173. 


96  Altäre. 

christliehen  Altar  in  Didron,  Annoles  archöologiqueB  4,  23S.  285  und  S,  ISl 
enthaltenen  Abhandlungen  von  Didron,  Texierund  Bd.  11.  Lief.  1  von 
Ramö,  auch  VioUet-le-Duc,  Dictionnaire  raisonnä  de  TArchitecture 
Francaifie  2,  15- — 56. 

3 1 .  Der  Altar  [altare] ,  welcher  in  der  alten  Kirche  frei  vor  der 
Apsis  stand ,  trat  im  Mittelalter  in  die  Chornische  zurück  und  erhielt 
zur  Unterscheidung  von  den  schon  im  V.  Jahrhundert  erwähnten ,  im 
Ijaufe  der  Zeiten  mit  der  allgemeinen  Einführung  der  Privatmessen 
immer  häufiger  werdenden  Seitenaltären  (Votiv-  oder  Messaltären, 
altaria  minora) ,  die  besonderen  Heiligen  von  einzelnen  Personen, 
Familien  und  ganzen  Corporationen  gewidmet  wurden,  den  Namen 
Hochaltar,  Fronaltar  [altare  majus^  sumtnum  altare,  altare prineipale) . 

Der  Name  Altar  [ara,  &vaiaaTii^iotf)  bezeichnet  die  Opferstätte, 
wo  das  Opfer  des  neuen  Testamentes  und  die  Gebete  dargebracht  werden. 
Eusebius  (de  vita  Const.  4  ,  45)  erwähnt ,  dass  die  zur  Einweihung  der 
Kirche  des  heil.  Grabes  nach  Jerusalem  entbotenen  Bischöfe  theils  ge- 
predigt und  die  Schrift  ausgelegt ,  theils  aber  die  Gottheit  mit  unblutigen 
Opfern  und  mit  Gebeten  versöhnt  hätten  (d-vaiaig  aifatfjioig  xai  fivariMaJg 
h^ovfjyiaig  to  üelof  ikdaxouro) ,  und  Paulinus  von  Nola  (ep.  1 1.  ad  Seve- 
Tum)  nennt  diese  Kirche  reich  an  goldenen  Altären.  Schon  die  karolingi- 
Bchen  Capitularien  (capit.  Carol.  M.  anno  805  c.  6,  bei  Hartzheim, 
Conc.  Germ.  1,  38S)  untersagten  zwai  die  übergrosse  Anzahl ,  und  das 
Mainzer  Provinzial-Concil  von  1261  (ibid.  3,  599)  verordnete  sogar  die 
Hin  Wegnahme  der  tiberflüssigen  Altäre  aus  den  Pfarrkirchen ,  für  welche 
höchstens  drei  zu  gestatten  seien  ') ,  allein  dergleichen  Verbote  drangen 
nicht  durch:  auf  dem  Baurisse  von  St.  Gallen  (s.  oben  S.  43)  sind  in 
der  Klosterkirche  17  Altäre  angegeben,  und  zu  Ende  des  M.  A.  hatten 
der  Dom  zu  Magdeburg  48,  die  Marienkirchen  zu  Danzig  46,  zu  Stralsund 
44,  zu  Frankfurt  a.  d.  O.  36,  die  Cisterzienserkirche  in  Ebersbach  35, 
der  Dom  zu  Meissen  32,  die  Frauenkirche  zu  München  und  die  Nicolai- 
kirche zu  Jüterbog  30,  St.  Victor  zu  Xanten  24,  die  Stiftskirche  zu 
Quedlinburg  22  Altäre,  und  die  städtischen  Pfarrkirchen  wetteiferten  also 
in  dieser  Beziehung  mit  den  Kathedralen  \md  Stiftskirchen.  —  Der  Hoch- 
altar steht  regelmässig  frei  in  der  Apsis  (oder,  wenn  die  Kirche  recht- 
eckig schliesst ,  am  östlichen  Ende  des  hohen  Chores) ,  die  an  den  Wän- 
den und  Pfeilern  der  Kirche  errichteten  Seitenaltäre  dagegen  sind  ge- 
wöhnlich an  einer  Seite  mit  dem  Mauer  werke  verbunden.  Auf  dem  Plane 
von  St.  Gallen  sind  die  Nebenaltäre  von  Schranken  umzogen  und  lehnen 
sich  mit  der  Rückseite  gegen  die  Östliche  Schranke.  —  Die  Front  der 
Altäre  [aspeciw)  ist  möglichst  nach  Westen  gewendet  ^) ,  mit  Ausnahme 
des  nach  Osten  schauenden  in  den  Westchören  (s.  oben  S.  44),  wobei  es 
jedoch  zweifelhaft  bleibt,  welche  Stellung  hier  der  Liturg  einnahm  (s.  oben 
S.  11).  Diejenige  Seite  des  Altars,  welche  rechts  von  dem  auf  dem  Altare 


1)  Vergl.  Jakob,  die  Kunst  im  Dienste  der  Kirche.  S.  67. 

2)  Vergl.  Treiber,  J.  F.,  de  situ  altarium  versus  Orientem.  Jen.  lOfiS. 


Laienaltar.  97 

stehenden  Cnicifixe  ist  (also  gewöhnlich  die  nördliche),  heisst  die  Evan- 
gelien-, die  linke  (südliche)  die  Epistel  s ei  te  {comu  wangelii  y  camu 
epistolae) ,  weil  nördlich  das  Evangelium ,  südüch  die  Epistel  verlesen 
wird.  Die  Evangeüenseite  heisst  auch  die  Brotseite,  und  die  Epistelseite 
die  Kelchseite,  weil  links  vom  Priester  das  Brot ,  rechts  der  Kelch  aufge- 
stellt wurde.  ')  —  Der  Hochaltar  steht  um  mehrere  Stufen  erhöht;  bei 
den  Seitenaltären  genügt  schon  eine  Stufe.  —  Jeder  Altar  ist  einem  oder 
mehreren  Heiligen  gewidmet ,  der  Hochaltar  stets  dem  Titelheiligen  der 
Kirche,  und  nach  Festsetzung  eines  Trierschen  Provinzial - Concils  von 
1310  (Hartzheim  a.  a.  O.  4,  142)  soll  in  jeder  Kirche  vor  oder  hinter 
oder  über  dem  Altare  durch  ein  Bild  oder  eine  Inschrift  deutlich  bezeichnet 
sein ,  zu  Ehren  welches  Heiligen  der  Altar  errichtet  ist  *) ;  es  finden  sich 
daher  auf  den  Altären  in  der  Regel  die  Bilder  derjenigen  Heiligen,  denen 
der  betreffende  Altar  gewidmet  ist. 

Einen  ausgezeichneten  Rang  unter  den  Nebenaltären  nimmt  der  in 
den  meisten  grösseren  Kirchen  unter  dem  Scheidbogen  zwischen  Chor 
und  Schiff  errichtete  Altar  ein,  welcher  regelmässig  dem  heil.  Kreuze 
gewidmet  imd  in  Stifts  -  •  und  Klosterkirchen  fttr  die  Laiengemeinde  be- 
stimmt ist  (ßltare  s.  cructa ,  altare  kticarum).  Auf  dem  Baurisse  von  St. 
Gallen  ist  ein  Altar  »«.  salvatorxs  cid  crueemm  und  darüber  ein  grosses 
Kreuz  »  crux  pia,  vita,  aaba  miaerique  redemptio  mundim  mitten  im  Schiffe 
angegeben.  lieber  dem  Kreuzaltare  war  es  Sitte,  auf  einem  durch  die 
Kirche  gezogenen  Querbalken,  oder  frei  aufgerichtet,  auch  in  Ketten 
hangend  (in  der  Klosterkirche  zu  Wechselburg  [Xin.  Jahrb.] ,  im  Dome 
zu  Halberstadt,  in  der  Klosterkirche  in  Berlin,  Johanneskirche  zu  Danzig) , 
ein  colossales,  aus  Holz  geschnitztes  Crucifix,  das  Triumphkreuz, 
crux  fy^umphalü  (weil  unter  dem  Triumphbogen  aufgestellt ;  vgl.  oben 
S.  39)  mit  den  Statuen  der  Maria  und  des  Johannes  zu  den  Seiten,  im 
XVI.  Jahrhundert  zuweilen  eine  freistehende  und  deshalb  auf  beiden 
Seiten  bemalte ,  die  Kreuzigung  und  die  darauf  folgenden  Scenen  dar- 
stellende Tafel  (im  Dome  zu  Merseburg  fraher ;  jetzt  über  der  südlichen 
Brüstungswand  des  Chores  aufgestellt)  anzubringen.  In  manchen  Gegen- 
den hat  man  in  neuerer  Zeit  auch  in  katholischen  Kirchen  die  Triumph- 
kreuze fast  überall  mit  besonderem  Eifer  beseitigt ,  doch  finden  sich  noch 
viele,  zuweilen  sehr  alte,  sicher  bis  ins  XII.  u.  XIII.  Jahrh.  hinaufreichende, 


1 )  Th  i  e  t  m  a  r  i  Chronicon  1.  Ö,  rec.  "Wagnerp.  25 1.  Die  Gründe  für  diese  alte 
Sitte  bei  Gobelinus  Persona  p.  259.  Nähere  Auskunft  geben  auch  die  Verse 
Hüdeberts  von  Tours  :t  1 143;  : 

lila  sacramenta  modo  vario  ponuntur  in  ara. 

Oblati  pani4  dextra  tenet  calieem, 
In  cruce  pendentls  quoniam  latus  omnipotentis 

Dextrum  sanguineam  vulnere  fudit  aquam. 

Non  reprehendendum  si  panis  in  anterior! 

Parte  locatur,  habens  posterius  calieem. 
niius  ordo  prior  tenet  intuitum  rationis, 
Posteriorque  favet  usibus  ecclesiae. 
Vergl.  B Interim,  Denkwürdigkeiten  etc.  IV.  3,  388. 

2)  Jakob  a.  a.  O.  S.  69. 

0 1 1  e ,  Kuntt-Archiologie.  7 


98  Altartisch. 

in  den  Vorhallen  oder  sonstigen  Nebenräumen  umherstehend:  z.  B.  eine 
ganze  Sammlung  in  einer  dunklen  Kammer  im  Thurme  der  Marienkirche 
zu  Berlin.  *) 

32.  Die  einfachste^  seit  dem  VI.  Jahrhundert  gesetzlich  gewor- 
dene Gestalt  des  Altars  ist  die  eines  sarkophagförinigen  steinernen 
Tisches  [mensa]  *) ,  der  mit  einer  gewöhnlich  aus  Einem  Steine  ge- 
hauenen Platte  bedeckt  ist.  In  der  Altarplatte ,  oder  vorn  unter  der- 
selben, befindet  sich  eine  länglich  viereckige,  mit  einem  Steine  [sigil- 
lum) ,  gewöhnlich  mit  einer  Marmortafel ,  verschlossene  Vertiefung 
(Reliquiengruft,  sepulchrum]  zur  Aufnahme  eines  bleiernen  Kästchens 
(capsa)  mit  der  Weihungsurkunde  und  den  Keliquien,  die,  wenn  auch 
noch  so  klein,  nicht  fehlen  durften,  da  jeder  Altar ,  im  Anschlüsse  an 
die  altchristliche  Abendmahlsfeier  über  den  Gräbern  der  Märtyrer, 
das  Grab  eines  Heiligen  vorstellt.  In  der  griechischen  Kirche  ist  der 
Altar  ein  auf  Säulen  ruhender  Tisch ,  welche  Form  im  Abendlande 
nur  selten  vorkommt. 

Ein  sehr  alter  Altar  befindet  sich  in  der  Stephanskapelle  [dem  sog. 
alten  Dom)  des  Domkreuzganges  zu  Regensburg  ^) :  ein  aus  einem  Blocke 
gehauenes  vierseitiges  Prisma  von  B  F.  8  Z.  Länge,  4  F.  3Vs  Z.  Breite 
und  3  F.  4*/,  Z.  rhl.  Höhe,  innerlich  ausgehöhlt  und  an  den  Seiten  mit 
einer  Reihe  fensterähnlicher  Oefihungen  versehen;  man  konnte  also  in  der- 
gleichen Altäre  hinein  und  die  darin  befindlichen  ReUquien  sehen.  Auch 
in  der  ehemaligen  Klosterkirche  von  Petershausen  war  der  alte  Altar  hohl 
und  aus  fünf  Steinplatten  zusammengesetzt^):  sonst  pflegen  die  mittelalter- 
lichen Altäre  massiv  aufgemauert,  imd  zuweilen  am  unteren  Theile,  hinten 
oder  auf  einer  Seite,  nur  mit  einem  Schranke  för  Utensilien  etc.  versehen  zu 
sein.  Die  meisten  Altäre  sind  zwar  ganz  schmucklos  und  höchstens  oben 
^i^  gegliedertem  Sims  werke  versehen,  doch  finden  sich  auch  solche,  deren 
Vorderseite  (oft  in  der  Weise  antiker  Sarkophage)  mit  Bogenstellungen 
und  Sculpturen  verziert  ist,  z.  B.  der  äusserst  geschmackvoll  mit  Säulen, 
Blattgesimsen  und  Vierpass-ähnUchen  Füllungen  geschmückte  spät-roma- 
nische Altar  in  der  Michaeliskapelle  (im  Thurm)  der  kathol.  Kirche  zu 


J)  Die  Abbild,  eines,  wenn  auch  nicht  aus  dem  XI.,  doch  mindestens  aus  dem 
XIII.  Jahrh.  stammenden  Triumphkreuzes  in  der  Stiftsk.  zu  Inichen  in  Tirol,  s.  Mit- 
theil, d.  k.  k.  Central-Commission  etc.  {I85s)  3,  237. 

2)  Der  Abendmahlstisch  der  alten  Christen  war  aus  Holz ;  die  Donatisten  zer- 
störten die  Altftre  und  verbrannten  sie  (Optat.  Milev.  de  schismat.  Donat.  1.  6). 
Ein  steinerner  Altar  [ro  &vaiaatTiQtov  ....  U^g  iarC)  wird  von  Gregor  von  Nyssa 
erwähnt  (Opp.  3,  369)  und  vom  Conc.  Epaon.  anno  517  c.  26  (Altana  nisi  chris- 
matis  lapidea  unctione  non  sacrentur)  geboten.  —  Vergl.  Rheinwald,  Archäol. 
S.  136  f. 

3  Schuegraf,  Dom  zu  Regensburg  Thl,  1 ,  Taf.  1 ;  vergl.  Otte,  Gesch.  der 
deutschen  Baukunst  S.  235. 

4'  Chron.  Petershus.  in  Mone,  Quellensamml.  der  bad.  Landesgesch.  I,  161  a; 
vergl.  Wackernagel,  W. ,  in  den  Mittheil,  der  Gesellsch.  für  vaterUnd.  Alter- 
thümer  in  Basel  VII.  S.  3. 


Altartisch.  99 

Heilbronn.  ')  Gleicher  Zeit  etwa  scheint  der  Altar  in  der  Westkrypta  des 
Neumünsters  zu  Würzburg  anzugehören ;  er  ist  ebenfaUs  mit  Säulen  um- 
stellt ,  zwischen  denen  die  Felder  mit  Malereien  geschmückt  sind ,  und 
durch  Gitter  kann  man  in  das  hohle  Innere  sehen,  wo  ein  Sarg  die  Reli- 
quien des  heil.  Kilian  einschliesst.  Ein  sehr  eigenthümliches  Werk  ist 
der  im  Museum  des  Grossen  Gartens  zu  Dresden  befindliche,  aus  der 
dortigen  Bartholomäikirche  herrührende  gothische  Altar  mit  einer  sta- 
tuarischen Darstellung  des  heiligen  Grabes  in  dem  vom  ganz  offenen, 
hinten  und  auf  den  Seiten  fensterartig  durchbrochenen  Innern.  *) 


Fig.  39.  Mensa  in  der  Allerheiligenkapelle  zu  Regensburg. 

Auf  Säulen  ruhende  Altar  tische  in  der  Weise  der  morgenländi- 
schen Kirche  gehören,  wo  sie  in  Deutschland  vorkommen,  dem  XI.  und 
XII.  Jahrh.  an,  und  haben  sich  erhalten  in  den  Krypten  zu  Limburg  a.d.H. 
(nur  in  Bruchstücken) ,  von  St.  Gereon  zu  Cöln  und  zu  Gurk  (woselbst 
zwei  dergleichen),  ausserdem  in  der  Kirche  zu  Sindelfingen  bei  Stuttgart, 
in  der  Allerheiligenkapelle  zu  Regensburg,  sowie  im  Dom  zu  Braun- 
schweig. Letzterer ,  von  Heinrich  dem  Löwen  der  heil.  Maria  gewidmet 
imd  ursprünglich  in  der  Mitte  des  hohen  Chores  aufgestellt,  ist  unter  den 
Mensen  dieser  Gattung  der  ausgezeichnetste  :  die  Platte  (4  F.  9*/,  Z.  lang, 
2  F.  4*74  Z.  breit  und  4  Z.  rhl.  dick)  aus  dunkelem  Muschelmarmor  ruht 
auf  fünf  hohlen,  ehemals  mit  Reliquien  gefüllten  Bronzesäulen,  deren 
Capitäle  mit  schön  stilisirten  Adlern  geschmückt  sind.  In  dem  Capitäle 
der  Mittelsäule  befindet  sich  in  einem  bleiernen  Gefässe  die  Dedications- 
urkunde  Bischofs  Adelog  von  Hildesheim  vom  J.  1 188.  ')   —  Der  sog. 


1 ;  Mauch,  Einladungsschr.  der  polytechn.  Schule  in  Stuttgart  1849  S.  18  Taf.  2; 
auch  bei  Laib  und  Schwarz,  Studien  etc.  Taf.  III.  H. 

2j  Bösigk,  Fz.  L. ,  Führer  durch  das  Museum  im  Palais  des  grossen  Gartens. 
1S56,  die  Tafel  zu  S.  44. 

V  Schiller,  die  mittelalterl.  Axchitectur  Braunschweigs  S.  22;  vergl.  Gör- 
res,  F.,  Beschreib,  vom  St.  Blasius  Dom  zu  Braunschw.  3.  Aufl.  S.  30.  —  Bei  Jac. 
Goar,  Ev^oloyiuv  s.  rituale  Graecorum  p.  614  findet  sich  die  Vorschrift,  dass  die 
Errichtungsurkunde  des  Altars  in  die  hohlen  Säulen  gelegt  werden  soll ,  welche  die 
Platte  tragen  (Vgl.  Laib  und  Schwarz,  Studien  etc.  S.  17).  —  Heinrich  der  Löwe 
erbaute  den  Dom  zu  Braunschweig  nach  seiner  Rückkehr  von  dem  heil.  Grabe,  woher 
£r  viele  Kostbarkeiten  und  Reliquien  mitgebracht  hatte ;  es  ist  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  dem  Marienaltar  ein  orientalisches  Vorbild  zu  Grunde  lag. 

7* 


1 00  Altarbekleidung. 

Crodo-Altar  in  der  Vorhalle  des  ehemaligen  Doms  zu  Goslar,  ein  Guss- 
werk aus  Bronze ,  welches  aus  einem  von  vier  knieenden  Figuren  ge- 
tragenen, in  einem  Stücke  gegossenen  rechteckigen  Kasten  (3  F.  2  Z. 
lang,  2  F.  4  Z.  breit,  2  F.  5*/,  Z.  hoch;  mit  den  Trägern  3  F.  9*/,  Z. 
hoch)  besteht .  hatte  vermuthlich  ursprünglich  eine  andere  Bestimmung, 
ist  jedoch ,  wie  die  mit  den  fünf  Weihekreuzen  versehene ,  den  Deckel 
bildende  Platte  aus  weissem  Marmor  und  die  unter  derselben  befestigte 
Capsa  beweist,  als  Altar  im  kirchlichen  Gebrauche  gewesen.  ^) 

In  jeder  Altarplatte  sind  fünf  kleine  Kreuze  (X)  eingehauen, 
vier  auf  den  Ecken  und  eines  in  der  Mitte ,  in  denen ,  nachdem  sie  zuvor 
mit  Weihwasser  und  Salböl  bezeichnet  sind ,  der  Bischof  bei  der  Weihe 
des  Altars  mittelst  kreuzweis  hineingelegter  Wachskerzenfäden  5  Weih- 
rauchkOrner  ('•')  verbrennt.  —  Altarplatten  aus  Sandstein,  Kalkstein, 
Marmor,  Porphyr  etc.,  auch  aus  Glimmerschiefer  (in  der  Krypta  des 
Doms  zu  Naumburg) ,  dem  man  eine  wunderthätige  Kraft  beimaass.  — 
Prachtvoll  und  höchst  kostbar  ist  die  Platte  auf  dem  Hochaltar  des  Doms 
zu  Magdeburg  von  jaspisartigem  röthlichem  Marmor,  14  F.  lang,  6  F. 
3  Z.  breit  und  l  F.  dick,  ein  Geschenk  Erzbischofs  Dietrich  (•{•  1367). 
Das  Gewicht  derselben  wird  auf  mehr  als  1 1 8  Centner  geschätzt ,  und 
der  Werth  in  älteren  Schriften  auf  zwei  Tonnen  Goldes  angegeben.  *) 
Die  Grösse  der  Altäre  ist  sehr  verschieden  und  richtet  sich  nach 
dem  zu  Gebote  stehenden  Räume.  Das  Trierer  Concil  von  1227  (Hartz- 
heim, Conc.  Germ.  3,  529)  weist  die  Priester  an  nicht  so  kleine  Altäre 
zuzulassen,  an  denen  sie  nur  mit  Furcht  celebriren  könnten.  *)  Der  oben 
beschriebene  Hochaltar  des  Magdeburger  Doms  gehört  zu  den  grossesten, 
die  überhaupt  vorkommen,  zu  den  kleinsten  ohne  Zweifel  eine  in  der 
Klosterkirche  zu  Zinna  an  der  Rückseite  des  Hochaltars  angebrachte  (also 
nach  Westen  gerichtete)  romanische  Steinconsole  von  1174X972  Z.  mit- 
dem  (ausgeleerten)  2V2X"^74  Z.  grossen  Sepulcbrum  in  der  Mitte. 

Anmerkung.  Die  völlige  Schmucklosigkeit  der  meisten  Altäre  deutet 
auf  die  uralte  Sitte  dieselben  an  ihren  Seiten  wänden  und  besonders  an  der 
Vorderseite  zu  bekleiden  (vestire) ,  imd  man  bediente  sich  dazu  der  mit 
bildlichen  Darstellungen  geschmückten  Vorsetztafeln  [antipendta,  fron- 
talia)  aus  edlen  Metallen ,  aus  Stein  oder  aus  Holz ,  am  häufigsten  jedoch 
gestickter,  auch  bemalter  Teppiche,  die  indess  wohl  nicht  immer  auf  Rahmen 
ausgespannt  wurden ,  sondern  wahrscheinlich  meist  in  freier  Faltung  herab- 
hingen. —  Goldene  und  silberne  Antipendien  sind  grösstentheils  unter  den 
Stürmen  der  Zeit  zu  Grunde  gegangen.  Im  Schatze  des  Münsters  zu  Aachen 
befinden  sich  angeheftet  an  den  Gewänden  des  Schatzschrankes  siebzehn  ge- 
triebene Goldplatten,  welche  spätestens  aus  der  Zeit  der  Ottonen  herrühren 
und  ehemals  ein  Antipendium  des  Hochaltars  bildeten.  ^)  Die  goldene  und 
silberne  Vorsetztafel  aus  dem  X.  Jahrb..  womit  die  Vorder-  und  die  Hinter- 

1)  Mithoff,  Archiv  für  Niedersachaens  Kunstgesch.  III.  Abth.  1.  Lief.  S.  9  u. 
Taf.  VII. 

2)  Koch,  der  Dom  zu  Magdeburg  8.  92. 

3)  Veigl.  Jakob,  die  Kunst  im  Dienste  der  Kirche  S.  67. 

4)  Weerth,  £.  aus'm,  Kunstdenkm.  des  chrisftl.  M.  A.  in  den  Rheinianden. 
I.  Abth.  Bildnerei.  Bd.  H.  Taf.  XXXIV.  1. 


Altarbekleidung.  |0I 

Seite  des  Hochaltars  im  Kloster  Petershausen  geschmückt  war ,  hat  wieder- 
holtes Geldbedürfniss  des  Klosters  nicht  einmal  das  XII.  Jahrh.  überdauern 
lassen.  ^)  Der  mit  Edelsteinen  besetzte  goldene  Altar,  den  K.  Heinrich  II. 
dem  Dome  zu  Merseburg  geschenkt  hatte,  wurde  im  J.  1547  eine  Beute  des 
Kriegsvolks.  ^)  Dagegen  hat  sich  das  goldene  Antipendium  erhalten,  das 
derselbe  Kaiser  in  das  Münster  zu  Basel  gestiftet  hatte ,  wo  es  erst  in  neuer 
Zeit  unter  den  Hammer  kam  und  sich  jetzt  im  Hotel  -  Cluny  zu  Paris  befin- 
det, während  in  Basel  (im  Besitze  der  Gesellsch.  für  yaterländ.  Alterthümer) 
nur  ein  Gypsabguss  zurückgeblieben  ist.  Es  besteht  aus  einer  etwa  3  Zoll 
starken  Tafel  aus  Cedernholz  von  5  F.  3%X3  F.  9%  Z.  rhl.,  die  mit  Gold- 
blech (von  mehr  als  400  Loth  an  Gewicht)  in  getriebener  Arbeit  überzogen 
ist,  und  diente  bloss  an  sieben  jährlichen  Festen  zum  Schmucke  des  Altars, 
indem  es  (wie  auch  das  silberne  Antipendium  zu  Petershausen  ^) )  für  ge- 
wöhnlich wahrscheinlich  verhüllt  gehalten  wturde.  *)  An  Ort  und  Stelle  er- 
halten ist  die  mit  Figuren  und  Emailstreifen  verzierte,  aus  dem  XII.  oder 
XUI.  Jahrh.  stammende  goldene  Altar tafel  in  der  Klosterkirche  von  Com- 
burg  in  Schwaben  *)  ,  \md  ein  etwa  gleich  altes ,  aber  später  verändertes 
Antipendium  aus  vergoldetem  und  emaillirtem  Kupfer  ist  an  die  ehemalige 
Rathhauskapelle  zu  Cöln  aus  St.  Ursula  daselbst  übergegangen.  ^)  —  Eine 
Vorsetztafel  aus  rothem  Sandstein  mit  sechs  Apostelfiguren,  für  eine  Neben- 
seite eines  Altars  bestimmt  gewesen  und  aus  dem  XI.  Jahrh.  herrührend, 
befindet  sich  im  südlichen  Seitenschiffe  des  Münsters  zu  Basel,  'j  —  Ein 
auf  Holz  gemaltes  Antipendium  ist  aus  dem  Walpurgiskloster  zu  Soest  in 
das  Provinzial  -  Museum  zu  Münster  gekommen  ^) ,  ein  anderes  hat  sich  am 
Altar  der  Kirche  zu  Lüne  beiLünebiirg  erhalten^) :  beide  aus  dem  XIII.  Jahr- 
hundert. —  Gestickte  Altarbehänge  im  Nonnenkloster  Göss  in  Steiermark 
(XIII.  Jahrh.)  *•>),  im  Domschatze  zu  Salzburg  (XIV.  Jahrh.)  **),in  der  Wie- 
senkirche zu  Soest,  in  der  Lambertikirche  zu  Münster,  in  St.  Mauritz  da- 
selbst, im  Museum  des  Grossen  Gartens  zu  Dresden  (aus  der  Stadtkirche  zu 
Pirna,  XIV.  Jahrh.)  **),  in  der  k.  k.  Schatzkammer  zu  Wien  (XV.  Jahrb.); 
andere  im  Dome  zu  Halberstadt ,  in  der  Marienkirche  zu  Danzig  etc. ,  im 
erzbischöfi.  Museum  zu  Cöln  etc. ;  auf  Leinwand  gemalte  Altarbekleidungen 


1]  Chron.  Peterahus.  in  M  o  n  e,  Quellensammlung  etc.  ],  123  a.  156  b.  167. 
2)  Thietmari  Chronicon,  rec.  Wagner  p.  255. 

3}  Chxon.  Petershus.  a.  a.  O.  S.  156  b.  »nonnm  in  maximis  futivitatibtts  ape^ 
riebatur^t. 

4 )  W  a c  k  e  r  n  a  g  el,  W. ,  die  goldene  Altartafel  von  Basel.  (Mittheil,  der  Gesellach. 
für  Vaterland.  Alterth.  in  Basel  VH.)  1857;  vergl.  Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  u. 
Kunst  2,  83. 

5)  fioisseröe  Denkmäler.  Taf.  27. 

6)  Bock,  Fz.,  das  heilige  Cöln.  Taf.  XVIII.  69.  —  lieber  andere  Frontalien 
dieser  Gattung ,  die  spater  zu  Superfrontalien  umgearl^itet  worden  sind ,  s.  unten 
S.  106  Nota  1. 

7)  Förster,  £.,  Denkmale  etc.  Bd.  II.  Bildnerei.  Taf.  zu  S.  25. 

8)  Didron,  Annales  archäol.  17. Taf.  zu  S.  180;  de  Caumont,  Ab^c^daire  etc. 
M.  6d.]  I,  244. 

9i  D.  Kunstbl.  1850  S.  14». 

10]  Mittheil,  der  k.  k.  Centralcommission  etc.  1858.  3,  92. 

11}  Ebd.  1862.  7,  29. 

12)  Bösigk,  Führer  durch  das  Museum  etc.  Taf.  zu  S.  42. 


1 02  Altarciborium. 

aus  dem  XVI.  Jahrh.  im  Museum  des  Grossen  Gartens  zu  Dresden.  —  Von 
solchen  Behängen  sind  zu  unterscheiden  die  liturgisch  gebotenen,  feinen 
weissen  Leintücher  (pallae ,  mappae  altaris] ,  mit  denen  die  Altarplatte  be- 
deckt wird :  auch  kommen  grössere  gestickte  Teppiche  [stragula ,  palluda- 
menta  altaris,  Vespertücher)  vor,  welche  zur  besseren  Conservirung  des 
Weisszeuges  nach  dem  Morgengottesdienste  besonders  an  Festtagen  über 
die  Mensa  gebreitet  wurden.  *)  —  Eine  Altardecke  in  Weisszeug -Stickerei 
aus  dem  XIII.  Jahrh.  besitzt  das  Kloster  zu  Zehdenik,  zwei  andere  aus 
dem  XV.  u.  XVI.  Jahrh.  die  Stiftskirche  und  die  Jacobikirche  zu  Strau- 
bing. —  Zur  Vollendung  der  liturgischen  Zurüstung  des  Altartisches  ge- 
hört die  Aufstellung  eines  Crucifixes,  einiger  Leuchter  und  des  Messbuches ; 
der  Hochaltar  des  Doms  zu  Magdeburg  sollte  nie  mit  gemalten  oder  ge- 
hauenen Bildern  besetzt  werden,  sondern  nur  mit  dem  Crucifixe,  Evangelien- 
und  Messbüchern  in  Prachtbänden  und  (zu  Zeiten)  mit  Reliquienschreinen. ^j 

33.  Ueber  den  Altären  wurde  schon  frühzeitig  auf  vier  Säulen 
ruhend  ein  Baldachin  [ciboiHum  *) ,  tahernaculum ,  umbraculum)  ange- 
bracht, von  dem  in  der  Mitte  das  Gefäss  mit  dem  Weihbrote,  oft  in 
Gestalt  einer  Taube ,  herabhing ,  und  Vorhänge  [tetravela)  an  den 
Seiten  gestatteten  dem  Ministranten  sich  und  das  heilige  Mysterium 
profanen  Augen  zu  entziehen.  Dergleichen  Ciborien  kommen, 
vielleicht  des  Andenkens  an  die  alte  Sitte  halber,  auch  im  Mittelalter 
hin  und  wieder  als  kapellenartige  Ueberbaue  über  Seitenaltären  vor ; 
sonst  war  es  üblich  den  Altartisch  gegen  herabfallenden  Staub  durch 
einen  über  demselben  ausgespannten  Teppich  zu  schützen. 

Die  mit  Ciborien  überdeckten  Altäre  aus  dem  Mittelalter,  die  bis 
jetzt  in  deutschen  Kirchen  nachgewiesen  sind,  lassen  sich  zwar  in  der 
Form  auf  die  altchristlichen  in  Italien  (S.  demente  und  Giorgio  in  Ve- 

1/  Vgl.  Bock,  Fz.,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Centralcommission etc.  ]Hb^.  3,9*2. 

2)  Bock,  Fz.,  u.  Jakob,  G.,  die  mittelalterl.  Kunst  in  UirerAnwend.  zu  liturg. 
Zwecken.  Kegensb.  fIS57;  S.  4. 

3,  Nach  gefalliger  Mittheilung  des  Herrn  Director  Wiggert  zu  Magdeburg 
heisst  es  in  dem  »Liher  ritualis  ecclesie  Magd,«  vom  Ende  des  XIII.  Jahrh.  Pergament- 
Hs.  vom  Anfange  des  XV.  Jahrh.  in  der  Bibliothek  des  Domgymnasiums)  p.  65: 
»Scieiidum  quod  in  Maydehurgensi  ecclesia  super  majus  altare  nullae  itnaginett  pictae 
vel  vculjdae  poni  consiievertmt  praeter  solam  passionem  salvaUyins;  sed  libri  evange- 
lioruvi  et  sacr amen tar tum  ornati  et  7-eliquiae  sanctorum  ponisolent:  imagines  enim 
sunt  res  wnhratUes  et  veritatem  rei  quam  repraesentant  in  se  non  habettteSf  sed  evan- 
gelia  doctrinam  vitae  et  veritatem  continent,  non  umbram  et  signam  rei.  Res  enim 
significata  dignior  est  honore^  quam  res  signans.  Passio  vero  Jesu  Christi  nobis  neces- 
saria  est  ad  salutem  et  nulkt  adversa  superare  possumus  absque  adjutorio  passiofiis: 


crucem  tantum  venerando  salutat. « 

4)  Das  griech.  xißtooioy  bezeichnet  die  Saamenkapsel  einer  ägyptischen  Wasser- 
pflanze ;  das  offenbar  verwandte  xißiOTiov  ist  s  arca ,  und  .dieses  ss  tabertiaculum . 
Vgl.  Durand,  Kationale  1.  I.  c.  2.  n.  10.  —  Durch  Uebertragiuig  wurde  das  von 
dem  Baldachin  herabhängende  Speisegefäss  selbst  später  ebenfalls  ciborium  genannt. 


CiborienaltAxe. 


103 


labro  in  Rom;  b.  bei  Laib  u.  Schwarz,  Studien  etc.  Taf.  III.  1.  u. 
XI.  4.)  zurttckfQhren ;  es  bleibt  jedoch  sehr  zweifelhaft,  ob  dieselben  mit 
jenen  charakteristischen  Vorhängen  und  mit  dem  über  dem  Altartische 


ii.tiiiiiii.j— 


Fig.  40.  Altarciborium  in  der  Klosterkirche  zu  Hamersleben  (nach  ▼.  Quaat). 

schwebenden  Weihbrotgefilsse  jemals  ausgestattet  gewesen  sind :  sie 
haben  irielmehr  wesentlich  das  Gepräge  von  selbständigen  Kapellenein- 
bauten und  scheinen  auch  als  solche  gegolten  zu  haben.  So  wird  der 
älteste  bekannte,  der  Frühzeit  des  XIII.  Jahrh.  entstammende  ciborien- 
artige  Altarüberbau  in  der  Südostecke  des  südlichen  Kreuzarmes  in 
der  Kirche  des  Augustiner  Chorherrenklosters  Hamersleben  als  » Fünf- 
Wunden-Kapellen  bezeichnet.  Dessenungeachtet  ist  durch  eine  Stelle  des 
sog.  jüngeren  Titurel  ^)  und  durch  Abbildungen  französischer  Altäre  (bei 


1 )  »Aller  Zierde  wunder  trugen  die  altare, 

Auf  Jeff  Itchetn  beeunder  waren  kefee,  tafeln  ^  hilder  kostbare) 

Ueber  jegUehem  stund  ein  ziborie 

Oesimset  über  haubet  viel  mannichefn  himmelkind  zu  reicher  glorie. 


104 


Ciborienaltftre. 


Laibund  Schwarz  a.  a.  O.   Taf.  VI.  4.  VII.  6.  II.  X.  3)  erwiesen, 
dass  sowohl  das  Ciborium  mit  dem  über  dem  Altartische  schwebend  auf- 


Fig.  4 1 .  Altarciborium  im  Dom  zu  Beg«nsburg. 

gehängten  Weihbrotgefilsse  in  Taubenform,  als  die  Altarvorhänge  (letztere 
allerdings  nur  zwei  auf  den  Seiten  und  auch  ohne  Ciborienüberbau  zwi- 


Samtnet  der  grüne  gewebete^  gtachnitten  über  ringe 

Ob  Jedem  aUar  schwebete  für  den  staub.   Und  swenne  derpriester  singe 

So  ward  ein  seiden  schnürlein  da  gezuckett 

Ein  taub  einem  engel  brachtet  der  kam  aus  dem  gewölb  herabgepßucket, 

JEin  rad  ihn  wieder  fUhrte  inmitten  an  der  schnür 

Mit  fluge  gen  ihm  rührte  ein  taub  und  nahm  den  engel,  sam  siiefuhr 

Aus  paradieee,  geleich  dem  heren  Geiste, 

Der  messe  zu  hohem  werthe,  daran  Christen  sälde  liegt  die  meiste,« 
Der  jangere  Titurel  15 — 17.  S.  341.  —  Die  Phantasie  des  Dichters  siebt  hier  ausser 
dem  Ciborium  nicht  bloss  ReliquienbehAlter ,  Tafeln  und  Bilder,  sondern  auch  den 
lur  Abhaltung  des  Staubes  über  dem  Altar  ausgespannten  Teppich  (aus  grünem  Sam- 
met) ,  was  sich  in  der  That  wechselseitig  ausschliessen  dürfte  und  nur  beweist ,  dass 
der  Dichter  beides  kannte,  Ciborien-  und  Bilderaltäre.  Die  Ausspannung  eines 
»pannus  lineus  albus  n  zum  Schutze  des  Altars  gegen  herab£aUende  Unreinigkeiten 
schreibt  die  dem  Gedichte  gleichzeitige  Synode  zu  Münster  von  1279  (Hartzheim, 
Conc.  Germ.  3,  646)  vor.  Vgl.  Jakob,  die  Kunst  im  Dienste  der  Kirche  S.  68; 
Laibu.  Schwarz,  Studien  etc.  6.  58.  —  Ueber  die  »Taube«  s.  weiter  unten  {  46. 


Altaraufstttze.  105 

sehen  frei  stehenden  Säulen,  also  nicht  der  mystischen  Verhüllung  halber 
angebracht)  noch  bis  in  spätere  Zeit  des  Mittelalters  a blich  waren.  — 
Gothische  Ciborienaltäre  sind  nachgewiesen  in  der  Elisabethkirche  zu 
Marburg,  mehrere  im  Dom  und  im  Niedermünster  zu  Regensburg  und  in 
8t.  Stephan  zu  Wien,  in  der  Teinkirche  zu  Prag ,  zu  Dinkelsbühl ,  zwei 
in  Maulbronn  und  zu  Mühlhausen  am  Neckar,  zu  Werl  in  Westfalen. 
Nach  Kreuser  (Organ  etc.  1861  S.  210)  soll  der  älteste  Hochaltar 
im  Cölner  Dom  auch  ein  Ciborienaltar  gewesen  sein.  Der  von  demselben 
als  letzter  Ciborienaltar  bezeichnete  Altar  in  der  Stephanskirche  zu  Mainz 
mit  seinen  vier  Messingsäulen  von  1509  soll  erst  in  der  Zopfzeit  aus  vier 
ursprünglichen  Candelabern  zusammengesetzt  worden  sein  (Ebd.  S.  240). 
—  Auch  die  an  der  Westseite  der  Lettner  errichteten  Altäre  (s.  oben 
S.  39  Anmerkung  1)  gehören,  insofern  sie  (wie  in  der  Klosterkirche  zu 
Fredelsloh  bei  Eimbeck)  unter  der  Wölbung  des  vortretenden  Lesepultes 
stehen,  gewissermaassen  zu  den  Ciborienaltären.  —  Wenn  nach  unserer 
(dem  Conversations-Lexicon  für  bildende  Kunst  entlehnten)  Abbildung 
am  Evangelienseiten- Altar  aus  dem  Dome  zu  Regensburg ,  sowie  an  den 
beiden  Ciborienaltären  aus  Mühlhausen  (bei  Laib  und  Schwarz  Taf. 
XII.  3.  4)  Eisenstangen  zwischen  den  Bögen  angebracht  sind,  hat  man 
darin  wohl  lediglich  Verankerungen  zu  erkennen ,  nicht  aber  Vorrichtun- 
gen für  ehemalige  Vorhänge. 

34.  Die  immer  beliebter  werdende  Aufstellung  von  Reliquien  in 
kostbaren  künstlerisch  ausgeschmückten  Behaltern  (s.  unten  §  38), 
für  welche  auf  dem  Altare  selbst ,  auch  wenn  man  ihn  dazu  hätte  be- 
nutzen mögen,  hinlänglicher  Kaum  nicht  vorhanden  war,  föbrte  im 
Mittelalter  dazu,  dass  man,  statt  des  Ciboriums  über  der  Mensa,  hinter 
derselben  eine  etwas  höhere  Steinwand  [retabulum]  aufifiihrte,  als  er- 
höhten Standort  oder  als  Gehäuse  und  Schirmdach  für  die  Reliquiarien 
und  Bilder.  Unter  dem  EinflujBse  der  gothiscben  Kunst  entwickelten 
sich  hieraus  allmählich  die  grossen  in  Scbnitaswerk  ausgeführten  Auf- 
sätze, welche  besonders  in  Deutschland  die  oft  überreiche  und  sich 
bis  zur  Decke  der  Kirche  emporwipfelnde  Umrahmung  bilden  für 
die  Bilder-  und  Reliquienschreine :  Bilderaltäre,  Reliquien- 
altäre. 

Der  Zusammenhang  der  Altarrückwand  mit  der  Aufstellung  von 
ReUquiarien  und  Büdern  scheint  unleugbar  '),  doch  kommt  dabei  auch  in 
Betracht,  dass  die  Errichtung  eines  Retabulums  nur  in  dem  Falle  möglich 
war,  wenn  der  Liturg  vor  dem  Altare  stand  mit  dem  Gesicht  gegen 
Osten ,  und  nicht  mehr ,  wie  es  die  ältere ,  in  den  bischöflichen  Kirchen 
wahrscheinlich  am  längsten  bestehende  Sitte  war,  hinter  dem  Altare,  das 
Anthtz  der  Gemeinde  zugekehrt :  eine,  zum  Theü  mit  der  Orientirung  der 
Kirchen  (s.  oben  S.  11  Anm.  1)  zusammenhängende,  noch  nicht  hinlänglich 


t )  Vgl.  namentlich  die  Abbildungen  französischer  Altäre  bei  Laibu.  Schwärs, 
Studien  etc.  Taf.  VI.  2,  4,  10. 


106  Altaraufsfttze. 

aufgehellte  Frage.  —  Die  Rückwand  des  Altars  wurde  in  ähnlicher 
Weise,  wie  die  Vorderseite  der  Mensa  mit  dem  Frontale  (s.  oben  S.  100 
Anmerk.)  ,  mit  einem  beweglichen  Superfrontale  geschmückt,  welches 
ebenfalls  aus  einer  Metalltafel  oder  einem  Teppiche  bestand.  Das  älteste 
bekannte  Superfrontale  ist  die  berühmte  Fala  doro  in  S.  Marco  zu  Ve- 
nedig ,  eine  mit  getriebenen  Darstellungen ,  Emails  und  Edelsteinen  ge- 
schmückte Tafel  aus  vergoldetem  Silber  und  feinem  Golde  von  etwa  10  F. 
Länge  und  7*4  F.  Höhe,  welche  im  Jahre  976  in  Byzanz  verfertigt, 
1105  erneuert  und  1209  und  1345  hergestellt  wurde.  Ein  ebenso  kost- 
bares und  vielleicht  ebenso  altes  Werk  dieser  Art  besass  in  Deutschland 
die  Michaeliskirche  zu  Lüneburg  in  der  goldenen  Tafel,  welche  anstatt 
des  Bilderwerkes  auf  dem  Altar  stand  und  im  XVII.  Jahrh.  gestohlen 
wurde.  ^)  Ein  Retabulum,  aus  sehr  dünnem  vergoldetem  und  emaiUirtem 
Kupfer  getrieben  imd  auf  eine  Holztafel  gelegt,  wurde  in  den  letzten 
Kriegen  in  Coblenz  von  den  Franzosen  geraubt  und  befindet  sich  jetzt  in 
St.  Denis :  es  ist  etwa  9  F.  lang  und  ohne  das  in  der  Mitte  angebrachte 
hoher  hinaufreichende  Brustbild  Christi  2  F.  hoch.  *)  —  Den  Maassen 
von  ey*  F.  Länge  und  274  F.  Höhe  zufolge  dürfte  auch  die  neuerlich 
über  dem  Epistelseiten -Altare  der  Wiesenkirche  zu  Soest  hinter  einem 
dem  XIV.  Jahrh.  angehöiigen  Altarschreine  entdeckte ,  ganz  mit  vergol- 
detem Pergamente  überzogene  bemalte  Holztafel  aus  dem  XIII.  Jahrh. 
ursprünglich  die  Bestimmung  eines  Superfrontale  gehabt  haben  :  der  obere 
Rand  derselben  erhebt  sich  in  der  Mitte  in  einem  Flachbogen  und  auf 
beiden  Seiten  symmetrisch  in  je  zwei  Spitzen.  *)  —  Wahrscheinlich  ist 
auch  in  einer  etwa  gleichzeitigen ,  aus  der  Gegend  von  Rosenhain  in  das 
National  -  Museum  zu  München  gekommenen  bemalten  Tafel  ein  Super- 
frontale zu  erkennen:  dieselbe  ist  ungefähr  4 — 5  F.  lang  und  1  F.  hoch 
und  ladet  am  oberen  Rande  in  ihrer  Mitte  ebenfalls  in  einem  Halbrund 
aus.  *)  —  Das  älteste  bekannte,  dem  XII.  Jahrh.  entstammende  unbe- 
wegliche Superfrontale  befindet  sich  an  dem  die  Mensa  überragenden 
Theile  der  steinernen  Rückwand  des  der  Maria  gewidmeten  Altars  in  der 
Kirche  St.  Gervais  zu  Maestricht  (s.  den  Holzschnitt)  :  auch  hier  ist,  wie 
in  St.  Denis ,  der  mittlere ,  allein  mit  Bildwerk  geschmückte  Theil  höher 
gehalten ;  die  Seitenfelder  enthielten  wahrscheinlich  Gemälde  oder  wur- 
den mit  Teppichen  behängt.  *)  —  Als  besonders  lehrreich  in  Beziehung 


I;  Calvör,  Csp.,  Saxoiüa  inferior  S.  436.  Die  hier  auf  7  F.  9  Z.  Länge  und 
3  F.  ^  Z.  Höhe  angegebenen  Maasse  könnten  darauf  deuten,  dass  die  Tafel  ursprttn- 
lieh  ein  Frontale  gewesen  und  erst  nachträglich  als  Superfrontale  verwendet  worden 
sei.  —  Gleiche  Vermuthung  hat  man  in  Beziehung  auf  den  sogen.  Verduner  Email- 
Altaraufsatz  in  Klostemeuburg  ausgesprochen ,  welcher  118]  verfertigt  wurde,  aber 
erst  1320  seine  jetzige  Verwendung  fand.  Vgl.  Mittelalter!.  Kunstdenkm.  des  Öster- 
reich. Kaiserstaates,  herausgegeb.  von  G.  Heider  etc.  2,  117. 

2)  Viollet-le-Duc,  Dictionnaire  du  MobiUer  p.  233 ;  vgl.  Laib  u.  Schwarz, 
Studien  etc.  S.  53. 

3)  Vgl.  Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  u.  Kunst  2,  283  u.  Taf.  15  u.  16. 

4)  Mittheil,  der  k.  k.  Central- Commission  etc.  (1861)  6,  114. 

5)  Reichensperger,  A. ,  Fingerzeige  auf  dem  Gebiete  der  kirchl.  Kunst 
S.  136  u.  Taf.  VI  nach  einer  Abhandlung  von  A.  Schaepkens.  —  Der  etwa  gleich- 
zeitige hohe  Altarbau  in  der  Kirche  zu  Wechselburg  scheint  ursprünglich  ein  Lettner 
gewesen  zu  sein  und  befindet  sich  nicht  mehr  an  seiner  ursprünglichen  Stelle. 


Altaraufsätze. 


107 


auf  die  ursprangliche  Bestimmung  und   Bedeutung  der  Rückwände  er- 
scheint  der  gleichfalls  steinerne  Bau  von  1290,  der  sich,    künstlerisch 


Fig.  42.  Altar  in  St.  Gervais  xu  Macstricht  (nacli  Rcichenspcrger). 


ausgezeichnet,  hinter  dem  Hochaltar  der  Elisabethkirche  zu  Marburg  er- 
hebt; s.  umstehend  Fig.  43.  Das  Motiv,  wesentlich  dasselbe  zwar  wie  zu 
Maestricht,  doch  in  der  durch  den  gothischen  Stil  bedingten  Ausbildung, 
erinnert  an  die  Formen  gothischer  Heliquienbehälter :  wie  denn  auch  die 
Reliquien  in  einem  Sarge  befindlich  sind,  welcher  nach  dem  Chorschlusse 
hin  aus  dem  Altare  hervorspringt  und  brückenartig  auf  diesem  einerseits 
und  einem  freistehenden  Pfeiler  andererseits  ruht.  Die  Nischen  des  Re- 
tabulums  sollten  Statuetten  oder  Reliquiarien  aufnehmen ,  und  das  Ganze 
war  auf  gemustertem,  rothem  und  blauem  Grunde  reich  vergoldet.  *)  — 
Dieser  steinerne  Altarbau  deutet  schon  auf  die  in  dem  Wesen  des  gothi- 
schen Stils  begründet«  Tabemakelbildung  der  späteren ,  selten  in  Stein 
(wie  z.  B.  die  in  drei  Pyramiden  endenden  Altarbauten  in  der  Stiftskirche 
St.  Maria  auf  dem  Berge  bei  Herford ,  in  der  Wiesenkirche  zu  Soest  (aus 
dem  XIV.  Jahrh.)  und  in  der  Kirche  zu  Unna  (aus  der  Spätzeit  des  XV. 
Jahrh. ;  auch  in  der  Martinskirche  zu  Landshut  von  1424  ^))  gewöhnlich 
in  polychromatischem  Schnitzwerk  ausgeführten  Altaraufsätze,  deren 


1)  Ebd.  S.  137  u.  Taf.  VII  u.  VIII.  —  Laib  und  Schwarz,  Studien  etc.  geben 
Taf.  X,  1  a.  u.  b.  die  Abbild,  eines  romanisirend  -  frühgothischen  Altars  aus  der  Fir- 
miniuskap.  in  St.  Denis,  an  dessen  wagerecht  abschliessende  steinerne  Rückwand 
sich  hinten  ein  vergittertes  Gehäuse  lehnt ,  in  welchem  man  den  Reliquiensarg  und 
eine  darüber  hängende  liampe  sieht. 

2)  Vgl.  N.  Münchener  Zeitg.  1859  No.  52  ff. 


108 


Bilderaltäre. 


mittierer  Hauptbestandtheil  ein  Schrein  ist,   welcher  mit  zwei  Thür- 
flügeln  (Lider,  ostia)  geschlossen  werden  kann  und  nur  an  Festtagen 


Fig.  43.  Altar  in  der  EUsabethkirche  tu  Marbuxg  (nach  Beicheiwperger). 


Bildenatftre.  ]09 

geöffnet  wurde.  Das  Innere  des  Schrankes  ist  mit  figürlichem  Schnitz  werk 
gefallt,  und  die  Flflgel  erscheinen  auf  beiden  Seiten  mit  Gemälden  ge- 
schmückt ,  insgemein  mit  den  Abbildungen  der  Patrone  des  Altars  oder 
der  Kirche  ;  die  Stelle  des  eigentlichen  Schrankes  vertritt  indess  häufig 
eine  gemalte  Tafel,  lieber  Ursprung  und  Alter  dieser  Flügelschreine, 
deren»  älteste  nachgewiesene  Beispiele  höchstens  bis  ins  XII.  Jahrh. 
hinaufreichen*),  ist  man  auf  Yermuthungen  angewiesen:  über  die  Be- 
mahing  der  Altarflügel,  die  in  vielen  Fällen,  zumal  bei  geringeren  Altären 
nur  aus  einem  blossen  Anstriche  bestanden  haben  mag ,  vgl.  Theophilus 
Presb.  1.  I.e.  17.  *j  Nicht  unwahrscheinlich  aber  war  es  die  Sitte  den 
Tollen  Prachtschmuck  der  Altäre  nur  an  Festtagen  zu  enthüllen,  welche 
zur  Erfindung  der  dazu  besonders  praktischen  verschliessbaren  Flügel- 
schreine führte,  die  Anfangs  vermuthlich  weniger  Bildwerke  als  Reliquien 
enthielten.  ')  Auch  kann  es  der  Fall  gewesen  sein ,  dass  man  jene  kost- 
baren, mit  Oold  und  Edelsteinen  geschmückten  Superfrontalien  zu  ihrem 
Schutze  mit  Holzthüren  versah,  woraus  sich  dann  später  die  Flügelbilder 
entwickelten.  Einer  anderen  wohl  minder  annehmbaren  Vermuthung  zu- 
folge wären  die  FlOgelaltäre  aus  den  alten  bischöflichen  Diptychen  ent- 
standen, da  dergleichen  Kirchenbücher  und  Kalender  mit  geschnitzten 
Elfenbeindecken  auf  den  Altären  aufgestellt  wurden,  die  mannichfachstcn 
Verwandlungen  erlebt  haben ,  und  endlich  zu  den  Altarbildern  erwachsen 
sein  sollen,  wie  sie  noch  heute  sind.  ^)  Richtig  ist  es,  dass  geschnitzte, 
zum  Zusammenklappen  eingerichtete  Elfenbeintafeln  im  Privatgebrauche 
vielfach  zum  Schmucke  der  Hausaltäre  verwendet  wurden.  —  Das  Stre- 
ben ,  den  Altar  bei  verschiedenen  Veranlassungen  auch  in  verschiedenem 
Schmucke  erscheinen  zu  lassen ,  führte  im  XV.  Jahrh.  dazu,  den  Mittel- 
schrein mit  mehr  als  zwei  Thüren  zu  versehen,  die  beliebig  auf  beide 
Seiten  gewendet  werden  können  \md  mannichfache  Verwandlungen  zu- 
lassen; man  hat  daher  diese  Schreine  Wandelaltäre  genannt,  und 
finden  sich  solche  z.  B.  in  der  Moritz-,  Ulrichs-  und  Lorenzkirche  zu 
Halle  a.  d.  S.  Von  neueren  KunstschriftsteUem  sind  die  Flügelaltäre  je 
nach  der  Anzahl  der  Theile ,  aus  welchen  sie  bestehen :  zweitheilige 
Diptycha,  dreitheilige  Triptycha,  viertheilige  Tetraptycha,  fünf- 


1)  In  der  Nicolai  (Tauf-)  Kapelle  am  Dome  zur  Worms  befinden  sich  zwei  mit 
Heiligengestalten  bemalte  Altarflügel,  die  dem  Ende  des  XII.  Jahrh.  angehören 
sollen  (Kugler,  Kl.  Schriften  2,  736). 

2}  Kugler,  Gesch.  der  Malerei  2.  Aufl.  1,  16s. 

3]  In  dem  ehemaligen  Kloster  Mettlach  a.  d.  Saar  hat  sich  aus  demXm.  Jahrh. 
ein  ganz  mit  vergoldetem  Messingblech  überzogener ,  ftusserlich  mit  Oimvirungen,  in- 
nerlich mit  Emaillen ,  Glasflüssen  imd  Perlen  geschmückter  viereckiger  Schrank  aus 
Eichenholz  erhalten,  von  14'/,  Z.  Höhe,  II  Z.  Breite  und  3*/,  Z.  Tiefe  mit  zwei 
FlOgelthflren.  Die  Mitte  des  geüffiieten  Schrankes  nimmt  in  Gestalt  eines  Kreuzes 
mit  zwei  Querbalken  die  IJmschliessung  eines  nicht  mehr  vorhandenen  Partikels  des 
wahren  Kreuzes  ein ,  umgeben  von  20  mit  kleinen  Klapptfaürchen  aus  Messing  ver- 
schliessbaren Behälterchen  mit  den  Reliquien  verschiedener  Heiligen.  Auf  der  oberen 
FUche  des  Kastens  war  ein  bflgelftTmiger  Handgriff  befestigt ,  an  welchem  derselbe 
bequem  getragen  weiHien  konnte ,  und  es  leidet  wohl  keinen  Zweifel ,  dass  er  zum 
AuiEstellen  über  einem  Altare  bestiount  war.  Vgl.  Zeitschr.  für  chxistl.  ArchAol.  u. 
Kunat  1,  230  ff. 

4)  Förster,  Gesch.  der  deutschen  Kunst  1,  32  u.  l4l. 


]  1 0  Heliquienaltftre. 

theiliga  Pentaptycha  genannt  worden.  —  Vermuthlich  wurden  die  Flü- 
gelschränke ursprünglich  nicht  unmittelbar  auf  die  Mensa  selbst  gesetzt, 
sondern  auf  das  Retabulum,  welches  ihnen  als  Sockel  diente,  und  woraus 
dann  die  Altar  Staffel  (predella)  hervorging.  Letztere  bildet  entweder 
ebenfalls  einen  offenen  oder  verschliessbaren  Kasten  zur  Aufnahme  von 
Reliquiarien ,  oder  besteht  lediglich  aus  einer  schmalen ,  mit  Malereien 
geschmückten  Quertafel.  Die  unter  letzterer  angebrachten  Stufen  groidini) 
zur  Aufstellung  des  Crucifixes  und  der  Leuchter  scheinen  erst  der  Renais- 
sance anzugehören.  Ueber  dem  Mittelschreine  bauen  sich  zuweilen  noch 
mehrere  Stockwerke  auf,  und  in  der  Krönung  des  Ganzen  ist  oft  noch 
ein  Gemfilde  oder  Schnitz  werk  angebracht.  Auch  die  vom  Volke  abge- 
wendete Kehrseite  frei  stehender  Altaraufsätze  enthält  oft  noch  Malereien. 
Ausser  den,  die  grosse  Mehrzahl  der  spätmittelalterlichen  Schnitz- 
altäre ausmachenden  Bilderaltären  finden  sich  auch  andere  Aufsätze,  bei 
denen  der  Bildschmuck  entweder  ganz  fehlt  oder  doch  sehr  zurücktritt, 
und  deren  eigentlicher  Zweck  die  Aufstellung  von  Reliquiarien  war. 
Solche  Reliquienaltäre  haben  sich  nur  selten  erhalten,  z.  B.  im  Dom 
zu  Paderborn,  wo  der  steinerne  Aufsatz  des  ehemaligen  Hochaltars  (bei 
Laib  und  Schwarz  a.  a.  O.  Taf.  XVI.  7)  unter  einer  thurmartigen 
Krönung  fünf  vergitterte  Schreine  neben  einander  enthält ;  im  Dom  zu 
Münster ,  wo  der  gegenwärtige  Aufsatz  des  Hochaltars  einen  Schrein  mit 
vielen  mittelalterlichen  Reliquiarien  verdeckt ') ;  in  der  Johanneskirche  zu 
Essen  ein  grosser  vorzüglich  schöner  Schrank,  von  vergoldeten  gothischen 
£isengittern  verschlossen ;  in  der  Kirche  zu  Doberan  zeigt  der  Schrein 
des  Hochaltars  6  tiefe  Fächer,  nach  hinten  mit  Thüren  versehen.  Auch 
der  Choraltar  von  St.  "Ursula  zu  Cöln  lässt  auf  der  Rückseite  noch  einen 
von  vier  Säulen  getragenen  hölzernen  Schrein  erkennen  mit  drei  aus  dem 
XII.  Jahrh.  stammenden  (verdorbenen)  Prachtsärgen.  —  Bilderaltäre, 
deren  Predellen  zur  Aufnahme  von  Reliquien  bestimmt  waren,  finden 
sich  in  der  Stiftskirche  zu  Moosburg,  in  Blaubeuem,  in  der  Lorenzkirche 
zu  Nürnberg,  in  der  Oberkirche  zu  Frankfurt  a.  O. 

Entweder  vollständig  oder  doch  in  einzelnen ,  an  den  daran  befind- 
lichen Haspen  leicht  kenntlichen  Theilen  finden  sich  Schrank-  und  Flügel- 
altäre noch  sehr  häufig.  —  Berühmte  Schnitzaltäre  spätgothischen  Stils, 
im  südlichen  Deutschland:  inBlaubeuern^),  Ulm,  Rottenburg a.  d. 
Tauber,  Nördlingen,    Moosburg');    St.  Wolfgang  in  Oberösterreich  *) ; 


J;  Vgl.  Didron,  Annales  arch<^ol.  18,  284  sqq. 

2)  Heid  eloff,  C.  u.  M.,  der  Hochaltar  zu  Blaubeuern  1846 ;  vgl.  den  Kupfer- 
stich von  Wagner  und  Walther,  mit  Commentar  von  Reis  (KOmb.  1846),  auch 
den  von  uns  aus  Förster,  £. ,  Denkmale  Bd.  VI.  Baukunst  S.  1  entlehnten  Stahl- 
stich dieses  in  den  decorativen  Theilen  an  Reichthiun ,  Adel  und  Schwang  vielleicht 
unerreichten  Werkes,  von  welchem  auch  ein  von  Fz.  Gremser  verfertigtes  Modell 
von  2  F.  Höhe  existirt.  —  Vgl.  den  Schwab.  Mercur  No.  266. 

3)  Harrer,  A.,  Beiträge  zur  Holzarchitektur  des  M.  A.  Details  des  berühmten 
Hochaltars  in  der  Stadtpfarrk.  zu  Moosburg  1.  Lief.  (Lindau  1S57).  Vgl.  N.  Mün- 
chener Ztg.  1857.  Abendbl.  No.  16  u.  22. 

4;i  Sacken,  Ed.  Frh.  v.,  Der  Flügelaltar  zu  St.  Wolfgangin  Oberösterreich,  in : 
Mittelalter!.  Kunstdenkm.  des  Österreich.  Kaiserstaates,  herausgegeb.  von  Dr.  G. 
Heider  etc.  1,  125 ff.  u.  Taf.  XIX. 


liE.- f 

. J 

■A/ 

'    1 

-^ 

/■" 

^ 

1'  1 

h 

:f 

L<^ 

'    1 

\'\ 

^:*-^ 

1 

teu 

\ 


\ 


E/m 


^^ 


^ — ^ 

^^ = T-^ 

Tragaltäre.  i  1 1 

am  Niederrhein:  zu  Calcar  und  in  St.  Victor  zu  Xanten  *)  ;  in  West- 
falen :  in  der  Petrikirche  zu  Dortmund,  in  der  Kirche  zu  Schwerte ;  im 
Dom  zu  S  chles  wig  ')  ;  in  Pommern:  zu  Triebsees  *),  in  der  Nicolai- 
kirche zu  Stralsund  *)  :  inPreussen:  in  der  Marienkirche  zu  Danzig, 
im  Dom  zu  Frauenburg. 

Anmerkung  1.  Tragaltäre  [altaria  viatica ,  itineraria ,  portatilia, 
motoria,  gestatoria]  *) ,  deren  sich  in  Folge  päpstlicher  Privilegien  seit  dem 
YII.  Jahrh.  nur  Könige  und  Fürsten ,  hohe  Geistliche;  Missionare  und  die 
Aebte  einiger  Mönchsorden  auf  Reisen  etc.  bedienen  durften,  bestehen  aus 
einem  kleinen  in  Holz  oder  Metall  gefassten  Steine,  auf  welchem  nur  Raum 
für  die  Hostie  und  einen  kleinen  Reisekelch  ist.  Der  Stein  (lapis ,  tabula) 
ist  gewöhnlich  ein  edler  [litium  honestissimum)  :  Onyx,  A<!hat,  Verde  antico, 
Amethyst,  Serpentin,  Porphyr  etc. ,  oft  in  Gold  oder  doch  in  vergoldetes 
Kupfer  gefasst,  welches  emaillirt  oder  sonst  reich  verziert  und  auf  einer 
ebenfalls  omamentirten  hölzernen  Unterlage  befestigt  ist.  Die  Reliquien, 
deren  Vorhandensein  wesentlich  ist,  sind  entweder  unter  der  Steinplatte 
oder  in  den  vier  Ecken  der  Umrahmung  geborgen ,  und  bei  grösseren  Reli- 
quien nimmt  das  Altärchen  die  Form  eines  sarkophagartigen ,  zuweilen  auf 
Metallfüssen  (Thierklauen)  ruhenden  hölzernen  Kästchens  an ,  welches  mit 
Elfenbeinsculpturen ,  getriebenen  Silber-  und  Goldplättchen ,  Emails  etc. 
belegt  ist.  Die  meisten  Tragaltäre  sind  zwar  rechteckig,  doch  kommen  auch 
runde  vor.  Obgleich  in  alten  Schatzverzeichnissen  vielfach  erwähnt ,  sind 
doch  die  Reisealtärchen  verhältnissmässig  selten  auf  unsere  Zeit  gekommen, 
z.  B.  im  Museum  zu  Darmstadt  (angeblich  X.  Jahrh.)  ^) ,  in  München  (aus 
Bamberg  stammend)  ^)  und  zwei  im  Stift  Melk  (XI.  Jahrh.)  ^)  ;  im  Dome  zu 
Paderborn  *) ,  im  Privatbesitz  zu  Cöln  ***j,  aus  St.  Maria  auf  dem  Capitol  in 


Ij  Weerth,  E.  aus'm,  Kunstdenkm.  des  christl.  M.  A.  in  den  Rheinlanden 
I.  Abth.  Büdnerei  Bd.  I.  Taf.  XI— XIV  u.  XX. 

2)  Hans  Brüggemann's  Altarschrein  in  der  Schleswiger  Domkirclie,  gez.  von 
C.  Chr.  A.  Böhndei.  Hamburg  o.  J.  —  Vergl.  Schleswigsche  Kunstbeiträge  (Be- 
schreib, des  BrOggemann'schen  Altars  im  Dom  zu  Schleswig  aus  der  Kirche  von 
Bordesholm).   Schleswig  1792. 

3;  Eine  Farben«;kizze  befindet  sich  im  Christi.  Museum  der  Universität  zu  Ber- 
lin, —  "Werner,  Beschr.  des  Altarschnitz werks  zu  Triebsees.  1**60. 

4)  Rosen,  C.  v. ,  der  Hochaltar  der  Nicolaikirche  in  Stralsund,  in  den  Balt. 
Studien  XVI.  2.  Vgl.  Kugler,  im  D.  Kunstbl.  1856.  S.  233  u.  Zeitschr.  für  christl. 
ArchAol.  u.  Kunst  2,  36. 

5}  Kaiser,  J.  B. ,  diss.  hist.  •  eccles.  de  altaribus  portatilibus.  Jen.  1695.  — 
Darcel,  Alfr.,  les  autels  portatifs ,  in  den  Annales  archeol.  par  Didron  16,  77 — 89  ; 
vgl.  ebd.  4, 289  ;  auch  Laib  u.  Schwarz,  Studien  etc.  S.  44  ff.  u.  Weerth,  E.aus'm, 
Kunstdenkm.  I.  Abth.  Bd.  IL  S.  51. 

6;  No.  690;  abgebUd.  in  Müller,  Hub.,  Beiträge  etc.  2,  1.  Taf.  3.  S.  6. 

7)  Abbild,  bei  Labarde,  Peinture  en^mail.  PI.  V. ;  vgl.  Sighart.  Gesch.  der 
bild.  Künste  in  Bayern  1,  127. 

8)  Jahrbuch  der  k.  k.  Central -Commission  etc.  2,  32;  Tgl.  Mittheilungen  der- 
selben (1861)  6,  24. 

9)  Abbild,  im  Organ  für  christl.  Kunst  1861.  Artist.  Beilage  zu  No.  7.  Daselbst 
'S.  77)  wird  auch  noch  ein  zweiter  in  Paderborn  befindlicher  IVagaltar  aus  Kloster 
Abdinghof  erw&hnt. 

lo;  Abbild,  bei  Hei del off,  Ornamentik  etc.  Lief.  8.  Bl.  3. 


112  Bildschmuc^  der  Alt&re. 

Cöln  ') ,  aus  der  Abteikirche  zu  Gladbach  ') ,  zwei  aus  der  Pfarrkirche  zu 
Siegburg  ')  im  erzbischofiichen  Museum  zu  Cöln ,  zwei  im  Domschatze  zu 
Bamberg,  in  der  Schatzkammer  zu  Hannover^)  (sämmtlich  XII.  Jahrh.) ; 
aus  Kloster  Sayna  bei  Coblenz  im  Privatbesitz  (XIII.  Jahrh.)  ^) ,  im  Stift 
Admont  in  Steiermark  (XIV.  Jahrh.).  *)  Der  Reisealtar  des  heil.  WiUibrord 
in  der  Liebfrauenkirche  zu  Trier  ist  ein  Kästchen ,  welches  mit  Elfenbein- 
und  MetallplSttchen  von  roh  byzantinischer  und  streng  romanischer  Arbeit 
bekleidet  ist,  untermischt  mit  gothischer  des  XIV.  Jahrhunderts.  ^)  Im  Dom 
zu  Xanten  befindet  sich  ein  Reliquienkästchen  aus  dem  XII.  Jahrh.,  welches 
ursprünglich  ein  Tragaltar  war,  dessen  geweihten  Stein  man  später  entfernt 
und  durch  eine  Silberplatte  ersetzt  hat.  ^}  Auch  besitzt  das  German.  Museum 
zu  Nürnberg  einen  Tragaltar  von  1479 ,  der  aus  einem  mit  bunten  Hölzern 
eingefassten  polirten  Solenhofer  Kalksteine  besteht.  ^) 

Zum  ferneren  Schmucke  der  beweglichen  Altäre  gehörten  oft  kleine 
Aufsätze  in  Form  der  Flügel-  und  Klappaltäre,  Diptycha  und  Triptycha  aus 
Elfenbein  oder  edlem  Metall,  bemalten  Tafeln  etc. ,  die  unter  dem  Namen 
der  Reisealtäre  häufig  in  Museen  und  Galerien  vorkommen,  z.  B.  die  Elfen- 
beine No.  734.  794—796.  804.  832.  849.  863.  865.  872—874.  aus  ver- 
schiedenen Jahrhunderten  des  M.  A.  auf  der  Kunstkammer  im  N.  Museum 
zu  Berlin;  ein  Triptychon  in  vergoldetem  Rothkupfer  mit  eingegossenem 
Email  (XII.  Jahrh.)  im  Erzbischöflichen  Museum  zu  Cöln  (Catalog  von  1855 
No.  261);  ein  Diptychon  in  vergoldetem  Silber  des  Hauscomtur  Heinrich 
Dagister  von  Lorich  zu  Elbing  v.  J.  1388,  welches  in  der  Schlacht  von 
Tannenberg  1410  erbeutet  und  von  den  Polen  an  den  Dom  zu  Gnesen  ge- 
schenkt wurde,  von  wo  es  neuerlich  wieder  nach  Marienburg  gekommen 
ist  ^^)  ;  ein  aus  einer  Menge  kleiner  quadratischer  in  Holz  geschnitzter  Felder 
bestehendes  Flügelwerk ,  deren  jedes  eine  durch  eine  Glasscheibe  geschützte 
Reliquie  enthält ,  in  der  Kirche  zu  Kirchlinde  bei  Dortmund  aus  dem  XIV. 
Jahrh.  ''j  u.  a.  m.  —  Sehr  häufig  kommen  in  Kunstsammlungen  (z.  B.  in 
der  Kimstkammer  zu  Berlin  unter  No.  59  —  75,  81 — 96,  100  —  106)  kleine 
3 — 4  Z.  hohe  in  Bronze  gegossene  byzantinisch  -  russische  Klappaltärchen, 
sämmtlich  von  ganz  gleichem  Typus,  vor. 

Anmerkung  2.  Bei  aller  Mannichfaltigkeit  des  Bildschmuckes 
der  Altäre  kehren  doch  gewisse  ikonographische  Orundzüge  regelmässig 
wieder.  Auf  den  romanischen  Antipendien  erscheinen  unter  Bogenstel- 
lungen  einzelne  Figuren :  der  verherrlichte  Christus  nimmt  stets  den  mittleren 


1)  Abbüd.  bei  Bock,  Fe,  das  heilige  Cöln  T.  XXIX.  Fig.  94  u.  94  a. 

2)  Abbüd.  bei  aua'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXXI.  9.  9b-c. 

3)  Abbild,  im  Organ  für  chrisü.  Kunst  (1856]  3,  l^H. 

4)  Abbüd.  bei  Vo  gell,  CA.,  Kunstarbeiten  aus  Niedersacbsens  Vorzeit  Hft.  3. 
Bl.  16 — IS.  Ausser  diesem  sind  in  der  Schatskammer  zu  Hannover  noch  14  andere 
Tragaltare  vorhanden,  mehrere  nicht  publicirte  auch  in  Hildesheim. 

5]  Abbild,  bei  Laib  und  Schwarz  a.  a.  O.  Taf.  X.  6. 

6}  Abbild,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  ;iü)60^  .i,  21. 

7)  Vgl.  Kugler,  Kl.  Schriften  etc.  2,  32*i. 

8)  Abbüd.  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Bd.  I.  Taf.  XVU.  4;  vgl.  Bd.  H.  S.  4. 

9)  Anzeiger  etc.  (1856)  3,  236. 

10)  AWjüd.  in  den  Pr.  Prorinzialbl.  IV.  zu  S.  30 — II. 

n;  Lflbke,  W.,  Kunst  in  Westfalen  S.  391. 


AltarkreuKC.  1 1 3 

Ehrenplatz  ein ,  auf  beiden  Seiten  umgeben  von  den  Erzengeln  Gabriel  und 
Michael  und  einzelnen  Heiligen ,  oder  von  den  in  einer  Doppelreihe  ange- 
brachten Aposteln.  —  Auf  gestickten  Altartüchern  der  gothischen  Pe- 
riode sind  die  gewöhnlich  dem  Leben  Jesu  und  der  Maria  entnommenen 
Darstellungen  oft  als  Rundbilder  behandelt.  —  Die  Flügelschreine 
zeigen  die  grosseste  Mannichfaltigkeit ,  doch  nimmt  der  Mittelschrein  stets 
die  Hauptdarstellung  auf,  die  aus  der  neutestamentlichen  Geschichte,  zu- 
weilen mit  Gegenüberstellung  der  alttestamentlichen  Typen ,  oder  aus  der 
Legende  des  Heiligen ,  dem  der  Altar  gewidmet  ist ,  gewählt  ist ;  auf  den 
Flügeln  erscheinen  häufig  einzelne  Heilige ,  deren  Reliquien  in  dem  Altare 
enthalten  waren ,  oder  die  von  den  Donatoren  (die  ebenfalls  oft  in  betender 
Stellung  dargestellt  werden)  besonders  verehrt  wurden,  vorzugsweise  häufig 
die  Patrone  der  betreffenden  Kirche,  Stadt,  des  Landes  oder  Stiftes.  Auf 
der  Predella  kehrt  namentlich  das  Schweisstuch  der  Veronica,  auch  das 
heilige  Abendmahl  oft  wieder,  und  auf  der  Rückseite  des  Altars,  hinter  dem 
man  Beichte  zu  sitzen  pflegte ,  eine  DarsteUung  des  jüngsten  Gerichts.  — 
Auf  Tragaltären  umgeben  den  mittleren  Stein  einzelne  Figürchen  von 
Heiligen  etc.  auf  der  Umrahmung  und  die  Evangelistenzeichen  oder  die 
Paradiesesflüsse  auf  den  vier  Ecken ;  die  Rückseite  zeigt  häuflg  eine  Oma- 
mentation  in  sich  wiederholendem  Muster  (ä  diapri, ,  Bei  den  Altärchen  in 
Kastenform  sind  die  Bilder  der  Seitenflächen  ganz  nach  dem  Vorbilde  der 
Antipendien  entworfen. 

35.  Ein  Kreuz,  dazu  bestimmt,  dass  Priester  und  Volk  den 
Opfertod  Christi  stets  vor  Augen  haben  sollen ,  gehörte  seit  den  älte- 
sten Zeiten  zur  litiygischen  Zurüstung  der  Altäre.  Wie  das  Ciborium 
selbst  oft  aus  edlem  Metalle  verfertigt ,  stand  es  Anfangs ,  den  archi- 
tektonischen Abschluss  des  ersteren  bildend,  oben  auf  demselben  oder 
hing  über  dem  Altare  schwebend  von  dem  Ciborium  herab ,  wurde 
später  auf  dem  Retabulum  und  endlich  auf  der  Mensa  selbst  zwischen 
den  Leuchtern  als  Altarcrucifix  aufgestellt,  welchen  Platz  es  bis  heute 
behauptet. 

Nachrichten  mittelalterlicher  Schriftsteller,  besonders  aus  dem  Ponti- 
ficalbuche  des  Bibliothekars  Anastasius ,  über  das  Kreuz  auf  dem  Cibo- 
rium in  römischen  Basiliken ,  s.  bei  L  a  i b  und  Schwarz,  Studien  etc . 
S.  24  u.  31  ff.,  und  damit  übereinstimmend  die  Abbildungen  der  Ciborien- 
altäre  in  SS.  Nereo  ed  Achilleo,  S.  Maria  in  Toscanella  und  S.  Giorgio  in 
Velabro  (Taf.  III.  5,  XI.  2.  4).  Das  Kreuz,  welches  hier  lediglich  als 
passender  omamentaler  Abschluss  des  Ciboriums  erscheint,  konnte  indess 
auch  fehlen,  wie  die  Beispiele  von  S.  demente  und  St.  Agnes  ausserhalb 
der  Stadt,  auch  S.  Ambrosio  in  Mailand  (Taf.'III.  1.  13.  7)  beweisen.  — 
Belegstellen  über  Kreuze,  die  zuweilen  in  Verbindung  mit  Kronleuchtern, 
über  dem  Altare  hingen,  ebd.  S,  32.  Nach  dem  Visitations- Protokolle 
vom  J.  812  (Monumenta  Boica  7,  83)  hing  in  der  Michaeliskirche  zu 
Staffelsee  über  dem  Altare  eine  Krone  von  vergoldetem  Silber,  2  Pfund 
schwer,  in  deren  Mitte  auf  einer  Krystallkugel  ein  Kreuz  aus  vergoldetem 
Kupfer   glänzte,    und  fflnfunddreissig   bunte  Perlschnüre   umgaben   die 

Otte,  Kunit-Archiologie.  S 


114  Altarkreuze. 

Krone  im  Kreise.  —  Von  der  AufsteUung  eines  Kreuzes  auf  dem  wage- 
reehten  Retabulum  sind  bei  Laib  und  Schwarz  a.  a.  O.  Taf.  III.  9, 
VI.  4,  IX.  7  Beispiele  aus  Frankreich  gegeben.  Die  Aufstellung  eines 
Crucifixes  auf  dem  Altartische  selbst  erscheint  schon  auf  der  Abbildung 
zweier  Ciborienaltare  aus  dem  letzten  Viertel  des  XII.  Jahrh.  (de  Cau- 
mont,  Ab^o^daire  etc.  4.  6d.  i,  246  sq.)  und  beweist  durch  Vergleichung 
mit  den  oben  angefahrten ,  zum  Theil  gleichzeitigen  und  späteren  Bei- 
spielen von  Kreuzen  auf  dem  Ciborium  und  auf  dem  Retabulum,  dass 
eine  chronologische  Sonderung  dieser  verschiedenen  Aufstellungsarten 
nicht  streng  durchgeführt  werden  kann ;  doch  wird  man  annehmen  dürfen, 
dass  mindestens  seit  dem  XIII.  Jahrh.  das  Crucifix  allgemein  seine  SteUe 
auf  der  Mensa  erhielt.  ^)  —  Von  den  Altarkreuzen  sind  zwar  die  Reli- 
quien- und  Vortragekreuze  zu  unterscheiden,  fallen  jedoch  mit  diesen  oft 
insofern  in  dieselbe  Klasse,  als  man  Reliquien-  und  Vortragekreuze  auch 
als  Altarkreuze  zu  gebrauchen  pflegte,  indem  man  letztere  von  der  Stange 
herabnahm  und  mit  der  unten  daran  befindlichen  Spitze  in  ein  Postament 
steckte.  ')  So  ruht  das  wohl  vom  Anfange  des  XI.  Jahrh.  stammende 
Lotharkreuz  im  Schatze  des  Münsters  zu  Aachen  zwar  jetzt  auf  einem 
spätgothischen  Fusse,  war  aber  ursprünglich  wohl  ein  Processionskreuz, 
und  ebenso  verhält  es  sich  mit  einem  Prachtkreuze  in  St.  Mauritz  zu 
Münster  vom  Ende  des  XI.  Jahrh. ,  welches  jetzt  auf  einem  gothischen 
X3ntersatze  befestigt  ist.  'j  Beide  Kreuze  sind,  wie  dies  in  der  romanischen 
Epoche  gebräuchlich  war,  und  wie  vier  Prachtkreuze  aus  dem  X.  u.  XL 
Jahrh.  im  Stiftschatze  zu  Essen  (s.S.  117  Fig.  44)  auf  uns  gekommen  sind, 
aus  Holz,  mit  Goldblech  in  getriebener  Arbeit  bekleidet ,  mit  Edelsteinen 
und  Emails  geschmückt.  Anderweitig  begnügte  man  sich  mit  vergoldeten 
Platten  unedlen  Metalls ,  und  besonders  kommen  in  Westfalen  Crucifixe 
aus  Kupfer  vor,  die  einen  sehr  alterthümlichen  Charakter  haben:  im 
Bischöflichen  Museum  zu  Münster  (mehrere) ,  in  der  Kirche  zu  Brilon  etc. 
Silberne  Crucifixe  romanischer  Zeit  in  der  evangel.  Stiftskirche  zu  Her- 
ford, ein  messingenes  in  der  Kirche  zu  Attendorn.  Alle  diese  Kreuze 
sind  auf  der  Rückseite  mit  gravirten  DarsteUungen  verziert.  —  Höchst 
merkwürdig  ist  ein  grosses  (restaurirtes)  Crucifix  aus  Elfenbein  (19Vt  Pfd. 
schwer)  im  Dom  zu  Bamberg ,  der  mehrhundertjährigen  Tradition  zufolge 
ein  Geschenk  K.  Heinrich' s  II.  Die  Kunstkammer  im  N.  Museum  zu 
Berlin  besitzt  eine  ganze  Sammlung  älterer  Crucifixe  [Bildwerke  aus  Metall 


1 )  D  u  r  a  n  d  i  Rationale  1.  1  c.  3  n.  3 1 :  »Inter  duo  candelahra  crux  in  alian  media 
coilocatur.n  —  Als  bei  der  Krönung  K.  Rudolfs  I.  1 273  kein  Scepter  bei  der  Hand 
war,  ergriff  er  anstatt  dessen  das  auf  dem  Altare  stehende  Kreuz.  Vergl.  aus'm 
Weerth,  Kunstdenkm.  Abth.  I.  Bd.  U.  S.  132.  —  Dessenungeachtet  fehlt  das 
Crucifix  auf  vielen  Abbild,  geschmückter  Altftre  aus  dem  späteren  M.  A. ;  z.  B.  bei 
Laib  und  Schwarz  a.  a.  O.  Taf.  VIII.  J.  2.  3.  5.  7.  S. 

2'  Jakob,  die  Kunst  im  Dienste  der  Kirche  S.  67. 

3)  Umgekehrt  finden  sich  auch  jQngere  Kreuze  auf  älteren  Füssen,  z.  B.  ein 
Fuss  aus  dem  XII.  Jahrh.  aus  dem  Schatze  von  St.  Michael  zu  Lüneburg  in  der  Gold- 
kammer zu  Hannover  (abgebildet  bei  Vogel  1,  C.  A.,  Kunstarbeiten  aus  Niedersach- 
sens Vorzeit,  Heft  1 )  und  ein  anderer  aus  dem  XH.  Jahrh.  in  der  Kathol.  Kirche  zu 
Basel  (abgebildet  in  den  Mittheil.  der  Gesellsch.  für  raterländ.  Alterth.  in  Basel  IX, 
8.  9  ,  beide  mit  den  Figuren  der  vier  Evangelisten  geschmückt. 


Altarkreuze,  1  1 5 

No.  1 — 11  u.  39)  von  1  bis  2  F.  Höhe,  meist  aus  vergoldeter  Bronze, 
theils  mit  Reliefs,  Medaillons  und  Emails,  theils  mit  Steinen  verziert ;  die 
Mehrzahl  waren  Vortragekreuze,  einzelne  von  Altären  (besonders  No.  39, 
mit  Emailverzierungen  am  Fusse).  —  Auch  im  National -Museum  zu 
München  finden  sich  mehrere  Crucifixe  dieser  Art.  —  Aus  gothischer 
Zeit  haben  sich  sehr  viele  Kreuze  erhalten,  welche  zuverlässig  bereits  ur- 
sprünglich zu  Altarcrucifixen  bestimmt  waren ,  obgleich  ein  grosser  Theil 
derselben  zugleich  auch  in  die  Kategorie  der  Reliquienkreuze  fSHi:  sie 
sind  aus  edlem  oder  gemeinem  Metall,  aus  Elfenbein,  am  häufigsten  aber 
aus  bemaltem  Holz  verfertigt.  Als  eines  der  mustergiltigsten  und  schön- 
sten frühgothischen  Beispiele  kann  das  von  K.  Ottocar  von  BObmm 
fi  127S)  herstammende,  als  Altarkreuz  behandelte  Reliquienkreuz  im 
Domschatze  zu  Regensburg  angeführt  werden.  *)  Der  bewegliche  Ober- 
theil  desselben  (das  eigentliche  Kreuz)  soll  von  gediegenem  Golde  sein 
und  ist  auf  der  Vorderseite  mit  vielen  böhmischen  Steinen,  auf  der  Rück- 
seite mit  der  Kreuzigung  in  Niello  verziert ;  das  Fussgestell  ist  von  vergol- 
detem Silber  und  war  ehedem  mit  Emails  geschmückt.  Nicht  viel  jünger 
dürfte  das  aus  Bergkrystallstücken  zusammengesetzte  und  in  vergoldetes 
Silber  gefasste,  2*/«  F.  hohe  Altar-  (und  Processions-)  Kreuz  sein,  welches 
aus  der  grösseren  Sammlung  des  Fürsten  von  HohenzoDem- Sigmaringen 
im  Erzbischöfi.  Museum  zu  Cöln  befindlich  war  (Catalog  von  1855  No. 
269).  Ein  Crucifix  in  Gestalt  einer  Lilie  aus  dem  XV.  Jahrh.  ist  aus  dem 
Basler  Domschatze  in  die  Kunstkammer  zu  Berlin  gekommen  (Bildwerke 
aus  Metall  No.  122). 

Ausser  den  zum  Schmucke  des  Altars  selbst  verwendeten  Kreuzen 
kam  es  im  früheren  Mittelalter  auch  vor,  dass  man  vor  dem  Altare  ein 
grösseres  monumentales  Prachtkreuz  frei  aufstellte.  So  stiftete  Leo  III. 
,795 — 816)  in  St.  Peter  zu  Rom  ein  Crucifix  vom  reinsten  Silber,  72 
Pfund  schwer ,  welches  mitten  in  der  Kirche  stand ,  und  einen  anderen 
Crucifixus  von  bewundernswerther  Grösse,  ebenfalls  von  Silber  und  52 
Pfund  schwer,  Hess  er  vor  dem  Hochaltar  aufsteDen.  *)  Von  dieser  Art 
dürfte  das  Kreuz  gewesen  sein ,  welches  der  Dom  zu  Mainz  besass ,  und 
welches  Benna  ')  genannt  wurde     Es  war  aus  Holz  und  ganz  mit  Gold- 


Ij  Vgl.  Bock,  Fz.,  u.  Jakob,  G.,  die  mittelalterl.  KunBt  in  ihrer  Anwendung 
zu  lituig.  Zwecken.  Regensb.  (1S57;  S.  14.  No.  57,  und  die  Abbild,  bei  Jakob,  die 
Kunst  im  Dienste  der  Kirche  Taf.  IX.  10. 

2,  Nach  dem  Lib.  pontif.  des  Anastasius  bei  Laib  u.  Seh  war  z  a.  a.  O,  S.  33. 

3)  Der  Name  Benna  (als  Abkürzung  von  Beranharda,  wie  Benno  von  Beranhard  ? 
vgl.  Wackernagel  im  Wörterb.  zu  seinem  Lesebuche  s.  v.  Bennunhovin)  könnte 
die  Donatrix  bezeichnen.  Davon,  dass  Kreuze  und  andere  Prachtgerftthe  der  Kirchen 
mit  Eigennamen  belegt  wurden ,  finden  sich  mehrere  wenn  auch  spätere  Beispiele. 
Im  'Inventariiun  der  Georgskapelle  zu  Windsor  kommt  vor  eine  »  crux  nobiUt^  vocata 
O  ouehn  (vgl.  Pugin,  Glossary  p.  S4  ;  Laib  u.  Schwarz  a.  a.  G.  S.  61),  und  das 
Würzburger  Heiligthumsbuch  von  14H3  führt  an  das  Kreuz  Meybronn  und  das  gar 
reich  gezackte  Kreuz  Garn  ah  er,  ausserdem  Beliquienmonstranzen  unter  den  Namen 
Bybelrieth,  Montater  und  Infuli,  während  andere  nur  mit  Nummern  oder 
nach  Ausseren  Merkmalen  oder  mit  dem  Beisatze  des  Donators  bezeichnet  sind.  (Vgl. 
Niedermayer,  And. ,  Kunstgesch.  der  Stadt  Wirzburg  S.  240 f.)  Es  ist  wohl  un- 
zweifelhaft, dass  das  Bedürfniss,  die  verschiedenen  Exemplare,  die  von  derselben 
Gattung  in  einem  Kirchenschatze  vorhanden  waren,  mit  Leichtigkeit  von  einander 

8» 


116  Ornamentale  und  historische  Kreuze. 

blech  überzogen.  Das  daran  befestigte  Christusbild  von  übermenschlicher 
Grösse  war  aus  dem  reinsten  Golde  gearbeitet  und  konnte  gliedweise  aus- 
einander genommen  werden ;  der  Leib  war  hohl  und  mit  Edelsteinen  und 
Reliquien  gefüllt ;  in  den  Augenhöhlen  glänzten  zwei  Kar^nkel  von  £i- 
dottergrösse.  Dieses  Kreuz  wurde  nur  selten,  bei  besonders  feierlichen 
Veranlassungen  aufgestellt,  und  zwar  in  der  Höhe  auf  einem  Balken, 
•  wohin  kein  Fremder  gelangen  konnte ;  für  gewöhnlich  lag  der  Crucifixus 
auseinandergenommen  in  einem  dazu  bestimmten  besonderen  Kasten 
(arca).  Erzbischof  Rudolf  nahm  1160  einen  Arm  davon  zur  Bestreitung 
der  Reisekosten  mit  nach  Rom  und  starb  unterwegs.  Das  Gewicht  des 
Ganzen  wurde  in  einer  Inschrift  auf  nicht  weniger  als  600  Pfund  an 
reinem  Golde  angegeben.  ') 

Anmerkung.  Die  zum  Schmucke  des  Altars  (wie  die  zum  Vortragen 
bei  Processionen  und  zu  Reliquienbehältem)  bestimmten  Kreuze  sind  regel- 
mässig von  der  sogen,  lateinischen  Form  (7)  und  entweder  ornamentale 
oder  historische,  d.  h.  sie  zerfallen  in  Beziehung  auf  die  Art  der  Be- 
handlung in  zwei  wesentlich  von  einander  verschiedene  Klassen,  je  nachdem 
sie  entweder  im  Anschlüsse  an  die  altchristlicbe  Sitte  nur  als  Darstellung  des 
Kreuzeszeichens  erscheinen ,  oder  den  geschichtlichen  Act  der  Kreuzigung 
selbst  zur  Anschauung  bringen.  Erstere,  die  in  älterer  Zeit  die  häufigsten 
waren,  haben  einen  lediglich  omamentalen  Charakter,  und  das  Bild  des  Ge- 
kreuzigten fehlt  entweder  ganz  oder  nimmt,  wenn  es  ja  vorkommt,  eine 
durchaus  untergeordnete  Stellung  ein,  z.  B.  als  kleine  Emaillirung  auf  dem 
Kreuzfelde ,  oder  (wie  auf  dem  Lothariuskreuze  zu  Aachen  und  auf  dem 
Regensburger  Ottocarkreuze)  nur  auf  der  Rückseite ,  wo  jedoch  sonst  das 
Symbol  des  Gotteslammes  die  regelmässig  das  Mittelfeld  einnehmende  An- 
deutung des  Kreuzestodes  Christi  zu  sein  pflegt.  Die  zweite  Klasse  ist  die 
der  eigentlichen  Crucifixe,  an  denen  die  Figur  des  Gekreuzigten  als  die 
Hauptsache  erscheint,  und  deren  Vorkommen  bis  jetzt  erst  «seit  der  Zeit 
Karl's  des  Grossen  nachgewiesen  ist.  Vergl.  Laib  und  Schwarz,  Stu- 
dien etc.  S.  33.  Das  Kreuz  behält  indess  auch  hier  gern  den  omamentalen 
Charakter  insofern  bei ,  als  die  äussersten  Enden  desselben  in  älterer  Zeit 
(X — Xn.  Jahrh.)  in  breitere  Ansätze  (vgl.  Fig.  44),  später  in  die  Kleeblatt- 
form auslaufen  und  regelmässig  mit  den  Evangelist«nzeichen  geschmückt 
sind.  —  Das  Nähere  über  die  Art  und  Weise,  wie  sich  die  Bildung  des 
Kreuzes  und  des  Crucifixus  im  Laufe  der  Zeiten  verschiedentlich  gestaltet 
hat,  gehört  in  die  Ikonographie  (s.  unten  Abschn.  HL  C). 

Ein  anziehendes  Beispiel  von  der  Umgestaltung  eines  omamentalen  in 
ein  historisches  Kreuz  ^)  bietet  ein  der  Kirche  St.  Maria-Lyskirchen  zu  Cöln 


unterscheiden  zu  können,  zu  dergleichen  Xamengebungen  geführt  hat ,  die  wohl  am 
häufigsten  von  dem  Namen  des  Donators,  Verfertigers  oder  Ursprungsortes  (wie  Mey- 
bronn  und  Bybelrieth) ,  oder  (wie  der  Name  Oamaher :  gamahin  «s  Camee ;  rergl. 
O  t  te,  Wörterbuch  etc.  S.  250)  von  bestimmten  auffälligen  Merkmalen  hergenommen 
wurden. 

1 )  Vgl.  Cbron.  i'etus  rer.  Moguut.  autore  Conrad!  ep.  aus  der  Mitte  des  XIII. 
Jahrh.,  bei  Urstisius,  Chr.,  Qennan.  historicor.  Ulustr.  1,56b  lin.  46 sqq.  et p.  572 
1.  25  sqq. 

2;  Abbüd.  bei  Bock,  Fz.,  das  heilige  Köln  Taf.  XXXVL  104. 


Altarleuchter. 


117 


gehöriges,    im  Erzbischöfl.   Museum  daselbst  (Catalog  von  1855  No.  21) 
befindliches  Crucifix  dar :   die  aus  Silber  getriebene  Christusfigur  nach  dem 


h^:i\t.:-z}i:-^^- 


Fig.  44.  Goldenes  Vortragekretix  vom  Ende  des  X.  Jahrh.  im  Stiftschat/e 
zu  Esten  (nach  aus^m  Weerth). 


älteren  Typus  ist  hier  ohne  Rücksicht  auf  die  dadurch  zum  Theil  verdeckten 
Gravirungen  des  aus  Kupferblech  gearbeiteten,  dem  XII.  Jahrh.  angehörigen 
Kreuzes  auf  letzterem  befestigt. 


36.  Das  Alter  der  Sitte,  auf  den  Altären  neben  dem  Kreuze  zwei 
Leuchter  aufzustellen,  lässt  sich  zwar  nicht  näher  bestimmen ,  doch 
kommen  die  Altarleuchter  mindestens  seit  dem  XII.  Jahrhundert 
sicher  vor  und  erscheinen  im  XIII.  Jahrhundert  allgemein  eingeführt, 
neben  den   in  früherer  Zeit  anscheinend  allein   üblichen,   vor  dem 


]  I  g  Altarleuchter. 

Altare  aufgehängten  Lichtkronen  und  grossen  Standleuchtern  ^   die 
wenigstens  in  einzelnen  Kirchen  beibehalten  wurden.  *) 

Nachweislich  pflegte  man  bereits  zu  Anfang  des  IV.  Jahrb.  bei  der 
Abendmahlsfeier  und  bei  den  Gräbern  der  Märtyrer  auch  am  Tage  Lichter 
{luminaria)  anzuzünden,  nnon  utique  ad  fugandas  ienebrcu,  sed  ad  signum 
laetiiiae  demonstrandum  a  ^)  y  und  das  Verbot  der  Synode  zu  Elvira  im 
J.  305  (c.  37)  konnte  dagegen  ebenso  wenig  ausrichten,  als  die  Einwürfe 
des  Lactantius  ')  und  des  spanischen  Priesters  Vigilantius  *) ,  welche  die 
Anzündung  von  Lichtem  und  die  Masse  von  Kerzen  am  heUen  Tage  für 
sinnlos  und  heidnisch  erklärten ,  so  dass  es  bald  allgemeiner  Gebrauch 
wurde ,  nie  ohne  Licht  das  heil.  Abendmahl  zu  feiern :  zum  Bilde  jenes 
Lichtes,  dessen  Sacrament  die  Kirche  spendete.  Im  V.  Jahrh.  schildert 
Paulinus  von  Nola  die  glänzende  Erleuchtung  der  Altäre  durch  Leuch- 
ter, die  von  der  Decke  herabhingen  und  mit  bemalten  Kerzen  besteckt 
waren.  *)  Im  VI.  Jahrh.  wird  Bischof  Agericus  von  Verdun  als  Erfinder 
einer  künstlichen  Erleuchtung  gerühmt  *) ,  und  der  Bibliothekar  Ana- 
stasius  führt  unzählige  Male  unter  den  Geschenken  der  Päpste,  seit  Syl- 
vester (313 — 334),  phari,  pAaricant/iari  xxad  coronae^),  eherne  und  sil- 
berne Hängeleuchter  an,  auf  denen  theils  Lampen,  theils  Kerzen  gebrannt 
wurden.  Der  bedeutendste  P/iarus  wurde  von  Hadrian  I.  (772 — 795)  in 
die  Peterskirche  gestiftet:  er  hatte  Kreuzform  und  hing  mit  seinen  1370 
Kerzen  [candelae)  vor  dem  Presbyterium.  Eine  kleine  Krone  (regnum) 
.Hess  der  folgende  Papst  Leo  III.  über  dem  Altar  einer  Kapelle  in  der 
Basilika  St.  Andreas  aufhängen :  sie  war  von  Gold ,  mit  Edelsteinen  be- 
setzt und  wog  2  Pfund  und  3  Unzen.  Minder  häufig  kommen  Stand- 
leuchter {candelabra,  cereostati,  Lichtstöcke,  LichtstOcklein)  vor;  doch 
schenkte  schon  Sylvester  mit  Silber  eingelegte  eherne  Candelaber,  die 
10  F.  hoch  waren,  30  Pfund  wogen  und  vor  den  Altären  standen,  und 
Hormisdas  (7  523)  opferte  dem  heil.  Petrus  zwei  70  Pfund  schwere 
silberne  Leuchter.  ^)  Unter  den  Lichtträgem  dieser  Art  sind  besonders 
hervorzuheben  die  siebenarmigen  Leuchter,  nach  dem  Muster  des  im 
Tempel  zu  Jerusalem  befindlich  gewesenen ,  den  Kömem  als  Beute  zuge- 
fallenen Candelabers,  wie  solcher  an  dem  Triumphbogen  des  Titus  er- 
scheint und  schon  auf  Glasgefässen  aus  den  römischen  Katakomben 
nachgeahmt  vorkommt.  ®)  Andere  vielarmige  Leuchter  (arbores)  sind 
baumartig  gestaltet,  indem  die  zwar  sämmtlich  parallelen  Lichtarme  nach 


\]  Ueber  Leuchter :  Martin  et  Cahier  in  den  M^langes  d'arch^ol.  3,  1  und 
Springer,  Ant.,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commiss.  etc.  (1860)  5,  309. 

2)  Hieronymus  adv.  Vigil.  c.  7. 

3)  Lactantius  de  vero  cultu  1.  6  c.  2,  4)  Hieron.  1.  c.  c.  2. 

5)  n  Clara  corofiantnr  densis  altaria  lychnis«.   Paulin.  Kol.  poem.  14  v.  99; 
cf.  22  t.  124;  26  y.  389. 

6)  Venant.  Fortun.  carm.  3,  30;  vgl.  Rettberg,  Kirchengesch.  Deutsch- 
lands 1,  527. 

7)  Vgl.  die  BelegsteUen  aus  Anastasius  bei  Laib  und  Schwarz,  Studien  etc. 
S.  40  ff.  u.  63. 

S)  Spr  inger  a.  a.  O.  S.  315.  —  Vgl.  Munter,  Sinnbilder  u.  Kunstvorstel- 
lungen etc.  I.  No.  2 1 . 


Leuchter.  119 

der  Mitte  zu  einander  übersteigen  und  nicht  wie  an  dem  Jerusalemischen 
Muster  oben  in  wagerechter  Linie  abschliessen.  Die  Stelle  dieser  Arm- 
leuchter war  vor  dem  Altare,  und  die  sieben  Arme  wurden  auf  die  sieben 
Cardinaltugenden  bezogen.  *)  Ein  ausgezeichneter  Lichtträger  war  auch 
die  am  Ambo  (s.  unten  §  49}  stehende  Säule,  welche  die  Osterkerze 
trug  '),  wie  solche  in  italienischen  Basiliken  noch  in  grosser  Menge  imd 
Schönheit  vorkommen.  Ausser  diesen  sich  an  antike  Vorbilder  schliessen- 
den  Candelabem  werden  noch  andere  Vorrichtungen  erwähnt,  die  vor  den 
Altären  eine  ganze  Reihe  von  Kerzen  trugen,  und  aus  deren  verschiedenen 
Namen  (in  VIII.  u.  IX.  Jahrh.  bei  Anastasius)  per^ulae  s^  S^eMere  ^) , 
1 198  in  Paris  herciae  =s  Egg^n  ^),  im  XIV.  Jahrh.  in  Frankreich  rastelia^s 
Rechen  ^))  man  sich  ungeföhr  eine  Vorstellung  von  ihrer  Form  machen 
kann.  Zu  dieser  Gattung  gehört  auch  die  Aercia  ad  ienebras,  der  dreieckige 
Teneberleuchter  mit  seinen  dreizehn  oder  fünfzehn  Kerzen.  *)  —  Im 
Deutschen  kommt  für  grosse,  viele  Kerzen  tragende  Standleuchter  im 
XV.  Jahrh.  die  Benennung  v>  Kerzstall n  vor.  '')  —  Das  älteste  bekannte 
Beispiel  der  später  gewöhnlichen  und  vorschriftsmässigen  auf  der  Mensa 
stehenden  Altarleuchter  giebt  die  Abbildung  eines  mit  zwei  Leuchtern 
besetzten  Altars  auf  dem  Reliquienkasten  des  heil.  Calminius  zu  Mauzac 
in  der  Auvergne  aus  dem  letzten  Drittel  des  XII.  Jahrhunderts.  ^)  Be- 
merkenswerth  ist,  dass  auf  den  zahlreichen  Abbildungen  von  Altären  aus 
dem  Spätmittelalter  stets  nie  mehr  als  zwei  Leuchter  vorkommen,  wie 
dies  auch  mit  der  Angabe  des  Durandus  (s.  oben  S.  1 14  Note  1)  völlig 
übereinstimmt.  —  Wie  die  Altarleuchter  kommen  auch  die  sogen.  Ako- 
luthenleuchter  stets  paarweise  vor,  welche  dem  Messpriester  von  Ministran- 
ten vorgetragen  und  nach  der  Ankunft  am  Altare  auf  den  Fussboden 
gestellt  zu  werden  pflegen.  *) 

Aus  der  romanischen  Periode  haben  sich  in  manchen  Gegenden  nur 
wenige  Lichtträger  erhalten,  was  insofern  auffällt,  als  die  Leuchter  der 
deutschen  Kirchen  äusserst  selten  aus  edlen  Metallen  angefertigt  wurden 


1)  Nach  der  auf  dem  ehemals  zu  Cluny  befindlichen  siehenarmigen  Leuchter 
angebrachten  Insclirift : 

»  De  quo  aeptenae  sacro  spiramine  plenae 
Virtutea  manant,  et  in  omnibue  omnia  donant.« 
Vgl.  Texier,  Dictionnaire  d'orf^rerie  (Paris  1857)  p.  328. 

2)  Durandi  Rationale  1.  6  c.  80  n.  4 :  »Cereua  super  eolumnam  illuminatus,ti 
3}  Laib  und  Schwarz  a.  a.  O.  S.  63. 

4)  deLaborde,  Notiee  des  dmaux  etc.  du  mus^e  du  Louvre  (Paris  1853)  2,  340. 

5)  Laib  und  Schwarz  ebd. 

6)  Otte,  Wörterbuch  S.  124;  vgl.  die  Abbild,  des  eisernen  Teneberleuchters 
(XV.  Jahrh.)  im  Osnabrücker  Dom  bei  Gailhabaud,  die  Baukunst  Bd.  3  Taf.  24. 

7)  Kaiser  Sigismiuid  kaufte  in  Constanz  von  einem  Meister  aus  Nümherg  einen 
9  Kerzstall  a  aus  Messing  für  1100  Goldgulden  und  schenkte  ihn  an  den  König  von 
Engleuid.  Der  Meister  hatte  für  die  treffliche  Arbeit  2000  Gulden  gefordert.  Vergl. 
Ulrich  von  Reichenthaler,  Constanzer  Concil.  Fol.  28 b. 

8)  Texier  a.  a.D.  p.  977;  vgl.  auch  die  bereits  oben  S.  114  aus  de  Caumont, 
Ab^cödaire  angeführte  Abbild,  eines  Altars  von  einem  anderen  gleichzeitigen  Reli- 
qiuarium  desselben  Helligen  in  Riom ,  wo  mitten  auf  der  Mensa  der  Kelch ,  auf  der 
Evangelienseite  das  Kreuz  und  auf  der  Epistelseite  ein  Leuchter  steht. 

9)  Durandi  Rationale  1.  4  c.  6  n.  7. 


120  Kronleuchter. 

und  deshalb  die  Habsucht  nicht  eben  reizen  konnten ;  es  kann  daher  nur 
veränderte  Geschmacksrichtung  zur  Verwerfung  und  Eins'chmelzung  der  als 
unbrauchbar  beseitigten  älteren  Inventarienstücke  dieser  Gattung  geführt 
haben^  wenn  man  nicht  annehmen  will,  dass  etwa  ausser  Bronze,  Messing 
und  Eisen  schon  frühzeitig  das  vergängliche  Holz  zu  Lichtgestellen  ver- 
wendet worden  sei .  Romanische  Krön-  oder  Radleuchter  [coronae, 
rotae) ,  von  welchen  Frankreich  kein  einziges  Exemplar  mehr  aufzuweisen 
hat  y  sind  in  Deutschland  bis  jetzt  vier  nachgewiesen :   zwei  im  Dom  zu 


Fig.  4%.  Kronleuchter  im  Dom  zu  Hildethcim. 

Hildesheim,  ein  grösserer ,  etwa  60  F.  im  Umfange,  zu  72  Kerzen,  und 
ein  um  die  Hälfte  kleinerer  *),  zu  36  Kerzen,  beide  aus  der  Zeit  Bischof 
Acelins  (1044 — 1054)  und  mehrfach  restaurirt,  der  (in  Folge  eines  im 
J.  1848  erlittenen  Unfalls  schön  hergestellte)  Leuchter  in  der  Kloster- 
kirche zu  Comburg  aus  der  Mitte  des  XH.  Jahrh.  und  der  im  Münster  zu 
Aachen*;,  ein  Geschenk  K.  Friedrichs  Barbarossa,  von  13  F.  Durch- 
messer zu  48  Lichten.  Diese  Kronen  (wie  auch  eine  nicht  mehr  vorhan- 
dene im  Dom  zu  Speier  vom  J.  1038)  sind  alle  aus  Eisen,  vergoldetem 
Kupferblech  und  Silber  nach  wesentlich  gleichem  Typus  gearbeitet  und 
versinnbildlichen  nach  den  auf  ihnen  befindlichen  ausführlichen  hexametri- 
schen Inschriften  das  himmlische  Jerusalem,  das  droben  ist  (Gal.  4,  26), 
auf  Grund  der  in  der  Apokalypse  (21,  10 — 25)  davon  gegebenen  Be- 
schreibung.   Der  in  Hildesheim  und  Comburg  einfach  runde ,   in  Aachen 


1)  Abbild,  bei  Kratz,  J.  Mich.,  der  Dom  zu  Hildesheim  Thl.  2  Taf.  S  Fig.  2, 
wonach  der  obige  Holzschnitt. 

2)  Abbild,  bei  Cahier  u.  Martin  a.  a.  O.  und  bei  auB*m  Weerth,  Denkm. 
L  Abth.  Bd.  n.  Taf.  XXXV  zu  S,  98 ff. ;  Details  auch  beiSchnaase,  Gesch.  der 
bild.  Künste  5,  7 88. 


Kronleuchter. 


121 


mit  Rücksicht  auf  das  Oetogon  des  Münsters  aus  acht  gleich  grossen 
Kreisabschnitten  gebildete  Reifen  (cant/ius)  mit  den  Lichttellern  auf  dem 
Kamme  bezeichnet  die  Mauer  der  Gottesstadt  mit  ihren  12,  als  offene 
latemenartige  Thürmchen  dargestellten  Thoren,  denen  in  Aachen,  die  vier 
Ecken  der  Stadt  bezeichnend,  noch  vier  grössere,  und  in  Mildesheim  noch 
1 2  kleinere  hinzukommen,  in  welchen  sich  silberne  Statuetten  der  Apostel 
und  Propheten  befanden.  Ob  die  durchbrochen  gearbeiteten  Thürme 
ebenfalls  zu  einer  Beleuchtung  durch  hineingestellte  Lampen  bestimmt 
waren,  ist  zwar  wahrscheinlich,  aber  nicht  erwiesen.  Die  schönen  gra- 
virten  Details  an  den  Kronen  zu  Comburg  und  Aachen  können  leider  von 
unten  nicht  erkannt,  und  die  Inschriften  nicht  gelesen  werden.  —  Ein 
ausgezeichneter  gothischer  Radleuchter  von  c.  9  F.  D.  mit  der  Inschrift 
»Gert  Bulsmck  1489«  (jüngst  restaurirt)  in  der  Pfarrkirche  zu  Vreden  er- 


Tig,  46.  Muttergottesleuchter  in  der  Kirche  zu  Kempen  (nach  ausbin  Wcerth). 


1 22  Standleuchter  aus  Stein. 

innert  durch  seine  Thünne  und  seine  Apostelstatuen  noch  an  den  alten 
Typus  ') :  es  ist  ein  aus  Eisen  geschmiedeter  sechsseitiger  Doppelreifen 
mit  einem  aus  Holz  geschnitzten  Marienbilde  unter  einem  Baldachin  in  der 
Mitte.  Durch  das  Marienbild  in  der  Mitte  charakterisirt  sich  diese  Krone 
als  ein  sogen.  Muttergottesleuchter,  deren  sich  noch  mehrere  aus 
dem  XV.  und  XVI.  Jahrh.  anführen  lassen  (in  Kempen  *),  Calcar  •),  Er- 
kelenz 1517  ^) ,  Ratzeburg  ^)),  die  einander  darin  gleichen ,  dass  sich  von 
einem,  insgemein  sechseckigen  hölzernen  Mittelstück  rings  herum  die  aus 
Eisen  geschmiedeten,  mit  Blattwerk  besetzten  Lichtarme  herabschwin- 
gen, und  dass  eine  geschnitzte  und  bemalte  Statue  der  Maria  sich  über 
dem  Lichtkranze  erhebt.  Die  Krone  in  Kempen  ist  11  F.  hoch  und  hat 
7  F.  im  Durchmesser.  Das  reizende  Motiv  der  die  Leuchter  haltenden 
geschnitzten  Engelstatuetten  wiederholt  sich  auch  bei  gothischen  Stand- 
leuchtem.  —  Uebereinstimmend  in  der  Technik  ist  auch  der  grosse,  eine 
ganz  mit  geschmiedetem  und  vergoldetem  Laubwerk  bedeckte  Kuppel 
bildende  spätgothische  Kronleuchter  im  Dom  zu  Merseburg ,  mit  den  be- 
malten Schnitzbildem  der  beiden  Bisthums-Patrone  in  der  Mitte.  Auch 
in  den  Domen  zu  Brandenburg  und  Magdeburg  finden  sich  Lichterkrohen 
aus  Schmiedeeisen.  —  Ausser  solchen  aus  Holz  und  Eisen  gebildeten 
kommen  au€h  aus  Bronze  oder  Messing  gegossene  gothische  Kronleuchter 
vor  ohne  figürlichen  Schmuck  aus  einer  Vereinigung  von  stilgemftssen 
architektonischen  und  vegetabilischen  Elementen  zusammengesetzt  und 
mit  einer  Doppelreihe  von  Lichthaltem  versehen.  Ein  ausgezeichnetes 
Werk  dieser  Art  ist  der  dem  XIV.  oder  XV.  Jahrh.  entstammende,  aus 
69  einzelnen  Stücken  bestehende  Bronzeleuchter  in  der  Klosterkirche  zu 
Seckau  *) ;  der  sechseckige  Kern  endet  nach  unten  consolenartig  (en  cul- 
de-lampe)  und  steigt  oben  in  einen  mit  Strebepfeilem  und  Fialen  besetzten 
und  mit  einer  Kreuzblume  gekrönten  Thurm  auf;  die  Mitte  bildet  ein 
durchbrochener  Kranz,  dessen  gezinnter  Kamm  noch  an  das  alte  Motiv 
der  Stadtmauer  erinnert.  Besonders  anmuthig  ist  die  Schwingung  der  mit 
Eichenlaub  besetzten  Lichtarme,  aus  deren  oberen  Blattknospen  und 
Fruchtkelchen  die  Kerzenhalter  hervorstehen.  Verwandte  Arbeiten  sind 
die  Messingkronleuchter  in  der  kathol.  Kirche  zu  Dortmund,  im  Dom  zu 
Münster  und  in  der  Kirche  zu  ^Fröndenberg ,  wo  jedoch  dem  Maasswerk- 
und  Blätterschmuck  kleine  gegossene  Figürchen  hinzutreten.  —  Im  Dom 
zu  Lübeck  ein  aus  Kupfer  geschmiedeter,  bemalter  Kronleuchter.  ^) 

Grosse  Standleuchter  aus  Stein  erscheinen  als  besondere  Selten- 
heit. Sie  zeigen  den  Typus  der  antiken  Candelaber :  säulenartig  mit  einem 
mittleren  Knauf  am  Schafte  und  mit  einem  den  Stachel  zur  Aufnahme 


i)  Nach  einer  Mittheilung  des  Herrn  Ferd.  v.  Quast  befindet  sich  auch  in  der 
Marienkirche  zu  Halberstadt  ein  Radleuchter. 

2)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXH.  5. 

3)  Abbüd.  ebd.  Bd.  L  Taf.  XVI.  1. 

4)  Vgl.  Organ  für  christl.  Kunst  1861  S.  227. 

5}  Abbild,  bei  Statz  imd  Ungewitter,  Goth.  Musterbuch  Taf.  216. 

6)  Abbild,  von  Heisse  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Centralcommission  etc.  (1859) 
4,  139. 

7)  Abbild,  bei  Statz  und  Ungewitter  a.  a.  O.  Taf.  60. 


Standleuchter  aus  Stein. 


123 


einer  grossen  Kerze  tragenden  vasenartigen  Capital.  Das  älteste  bekannte 
romanische  Beispiel  ist  die  sogen.  Irmensäule  vor  dem  Kreuzaltare  des 
Doms  zu  Hildesheim  ') :  auf  einem  gegliederten  Steinsockel  ruht  eine 
attische  Basis  aus  Metall,    welche  den  aus  zwei  durch  einen  ebenfalls 


Fig.  47.  Kronleuchter  in  der  Klosterkirche  xu  Seckau  (nach  Heiase).^ 

metallenen  Knauf  verbundenen  Stücken  bestehenden  Schaft  von  braun- 
röthlichem  Kalksinter  trägt ,  der  oben  mit  einem  metallenen  Kelche  über 
einem  ebensolchen  Schaftringe  gekrönt  ist.  Statt  des  ehemaligen  Kerzen- 
stachels befindet  sich  seit  dem  vorigen  Jahrh.  ein  silbernes  Marienbild 
als  Muttergottesleuchter  oben  auf  der  (ohne  den  Sockel  etwa  8  F.  hohen) 
Säule,  deren  ursprüngliche  Bestimmung  als  Lichtträger  diurch  eine  aus 
drei  Hexametern  bestehende  Inschrift  erwiesen  wird.  —  Diesem  früh- 
romanischen  schliesst  sich  ein  spätromanischer  Sandstein  -  Candelaber  an, 
welcher  sich  in  einem  Nebenraume  der  Stiftskirche  zu  Königslutter  er- 
halten hat.  ')     Der  eigentliche  Kerzenstock  zeigt  ganz  dasselbe  Muster, 


Bl. 


1)  Abbild,  bei  Kratz  a.  a.  O.  Taf.  7  Fig.  2  zu  S.  91  ff. 

2]  Abbild,  bei  (Hase),    die  mittelalterl.  Baudenkm.  Niedersachsens   Heft  2. 

12  Fig.  2u.  3. 


124  Standleuchter  aus  Metall. 

nur  daM  Schaft  iind  Knäufe  gewunden  und  theilweise  mit  Perlen  belegt 
sind;  h(k}h&t  originell  dagegen  ist  der  auf  einer  runden  Grundplatte 
ruhende  Sockel  behandelt,  welcher  ein  kreuzförmiges  Häuschen  darstellt, 
das  sich  auf  den  vier  Qiebelfronten  in  iCleeblattnischen  öffnet  und  oben 
dachziegelartig  abgedeckt  erscheint.  Die  Höhe  der  ganzen  Lichtsäule 
beträgt  gegen  5  F. ,  und  der  fast  1  F.  hohe  Stachel  lässt  auf  die  Grösse 
der  Kerze  schliessen,  welche  zu  tragen  dieser  Leuchter  bestimmt  war.  — 
Dass  eine  in  der  Vorhalle  des  Doms  zu  Merseburg  aufgestellte  (jetzt  ein 
St.  Agnes -Bild  tragende)  romanische  (bei  Puttrich,  Denkm.  II.  Serie 
Merseb.  Bl.  5.  s.  abgebildete)  Säule  zu  einem  Osterleuchter  gehört  habe, 
ist  lediglich  eine  Vermuthung  des  Herausgebers.  —  Gothische  Stein- 
leuchter aus  der  Zeit  um  1400  finden  sich  drei  ^)  an  der  zum  Sanctuarium 
des  Doms  zu  Havelberg  hinauffahrenden  Stufe  angestellt,  zwischen 
denen,  ersichtlichen  Spuren  zufolge,  sich  ehemals  eine  Steinbrüstung 
hinzog,  welche  den  Altarraum  von  dem  übrigen  Chore  absonderte.  Der 
mittlere  Leuchter  ist  6'/4  F.  hoch,  von  der  Gestalt  eines  gothischen 
Thtlrmchens ,  aus  dessen  im  Sechseck  aufgestellten  Strebepfeilergruppen, 
mit  letzteren  durch  Bogenstreben  verbunden ,  der  cylinderförmige  Licht- 
träger aufsteigt  und  sich  oben  kelchartig  ausbreitet.  An  den  vier  Ecken 
der  Grundplatte  treten  Löwenköpfe  hervor,  als  Reminiscenz  an  die  so- 
gleich zu  erwähnenden  Bestienbildungen  am  Fusse  romanischer  Bronze- 
leuchter. Die  beiden  seitwärts  stehenden  Leuchter  sind  etwa  einen  Fuss 
niedriger  un4  bestehen  ganz  einfach  aus  einer  Säule  mit  lang  gestrecktem 
gothischen  Blättercapit&l,  gehalten  von  zwei  jugendlichen  männlichen  Figu- 
ren, die  in  sprechender  Gebärdung  dargestellt  sind.  —  Einen  ähnlichen, 
etwas  jüngeren,  7  F.  hohen  Steinleuchter  bewahrt  die  Wallfahrtskirche 
zu  Wilsnack.  *)  Der  cylindrische  Körper  ist  mit  vier  Fialen  umstellt,  das 
Blättercapitäl  achteckig  gebildet,  und  die  verstümmelte  Basis  mit  vier 
hervorspringenden  Löwen  besetzt.  Dieser  isolirt  stehende  Leuchter  trug 
eine  c.  16  F.  lange  achteckige  Kerze  von  Holz,  welche,  nach  oben  sich 
verjüngend,  ganz  mit  kleinen  hölzernen  Pflöckchen  bespickt  ist,  auf  denen 
die  von  den  Pilgerscharen  geopferten  Kerzen  aufgesteckt  worden  sein 
sollen.  —  Andere  Steincandelaber  aus  dem  XV.  Jahrh.  in  der  Martins- 
kirche zu  Wesel  ')  ,  in  der  Johanneskirche  zu  Billerbeck ,  in  der  Wiesen- 
kirche zu  Soest  ^)  und  zu  Asbeck.  —  In  Steinfüsse  eingelassene,  über  9  F. 
hohe,  spätgothische  Lichthalter  aus  Schmiedeeisen  befinden  sich  in  St.  Co- 
lumba  zu  Cöln.  *) 

Häufiger  als  steinerne  kommen  metallene  Leuchter ,  seltener  grosse 
als  kleine ,  in  Kirchen  und  Sammlungen  vor ,  unter  welchen  besonders 
die  der  romanischen  Zeit  angehörigen  von  archäologischem  und  Kunst- 
Interesse  sind.  Der  Lenchterfuss  besteht  aus  einem  drei-,  seltener  vier- 
füssigen  Ständer ,  dessen  Ausgestaltung  der  animalischen  Natur  entlehnt 


1;  Abbild,  von  v.  Quast  in  der  Zeitschr.  für  chriBtl.  Archflol.  u.  Kun»t  2,  2S6 
Taf.  18.  Fig.  1  -3. 

2!  Abbild,  ebd.  Fig.  4. 

3^  Abbild,  bei  St  atz  u.  Unge  Witt  er  a.  a.  O.  Taf.  139,  1.2. 

4)  Abbild,  ebd.  Taf.  114. 

5)  Abbüd.  bei  Bock,  Fz.,  das  heilige  Köln  Taf.  XXI.  79. 


Siebenarmige  Leuchter.  |{5 

ist :  geflügelte  Drachen ,  Löwen  und  andere  lichtscheue  Bestien  sind  im 
Kampfe  mit  einander  oder  mit  nackten  Menschengestalten  dargestellt. 
Auf  dem  Fusse  ruht  die ,  sich  nach  oben  veijüngende ,  mit  Knäufen  be- 
setzte, omamentirte  Röhre,  welche  oben  in  die  Lichtvase  mit  dem  Kerzen- 
stachel ausmündet.  Bei  den  kleinsten,  oft  nur  eine  Spanne  hohen  Exem- 
plaren fehlt  die  Röhre  ganz ,  und  nur  ein  Knauf  verbindet  den  Fuss  mit 
dem  Kelche,  an  welchem  zuweilen  eidechsenähnliche  Thiere  emporzüngeln. 
Bei  den  vielarmigen  Leuchtern,  sind  die  Arme  übereinstimmend  mit  dem 
Schaft  behandelt  und  wie  dieser  durch  Knäufe  gegliedert.  —  Die  gotbi- 
sehen  Leuchter  sind  dagegen  meist  ganz  einfache  handwerkliche  Gelb- 
giesserarbeiten  :  der  Fuss  ist  rund  und  profilirt,  die  Röhre  in  ebenmässigen 
Abständen  mit  Ringen  besetzt ,  von  denen  der  mittelste  am  kräftigsten 
hervortritt ,  die  Schüssel  zum  Aufnehmen  des  Wachses  ist  breit  und  ge- 
gliedert. Das  einzige  Ornament  pflegt  in  der  Durchbrechung  des  Fusses 
mit  Vierpässchen  zu  bestehen  und  etwa  in  der  Zinnenkrönung  des  Schüs- 
selchens, die  noch  an  die  Mauer  des  himmlischen  Jerusalems  erinnern 
könnte  (s.  oben  S.  121).  Grössere  Leuchter  unterscheiden  sich  dadurch 
von  den  kleineren ,  dass  der  Fuss  zuweilen  mit  Löwen  verziert ,  und  der 
Schaft  mit  einer  grösseren  Anzahl  von  Ringen  versehen  ist. 

Siebenarmige  Bronzeleuchter  (S.  118]  romanischen  Stils  sind 
nachgewiesen :  im  Münster  zu  Essen  (inschriftlich  gestiftet  von  der  Aeb- 
tissin  Mathilde,  gest.  um  1 003 ;  ohne  den  Marmorsockel  8  F.  2  Z.  hoch : 
auf  den  vier  Ecken  des  Fusses  die  [verstümmelten]  Statuetten  der  vier 
Winde)  ^) ,  im  Dom  zu  Braunschweig  (urkundlich  als  vorhanden  erwähnt 
1223,  traditionell  Geschenk  Heinrichs  des  Löwen,  gest.  1195;  14*/,  F. 
hoch,  7  Centner  schwer  und  aus  7  l  einzelnen  Stücken  bestehend ;  der  reich 
mit  Drachen  verzierte  Fuss  auf  vier  liegenden  Löwen  ruhend  ,  das  Uebrige 
einfach ;  die  Arme  nach  der  Mitte  zu  kaum  merklich  anwachsend)  ^) ,  in 
St.  Gangolf  zu  Bamberg  (dem  Essener  Leuchter  angeblich  verwandt)  ^), 
in  der  Bustorfkirche  zu  Paderborn  (Messingguss,  angeblich  aus  dem  Xu. 
Jahrh.  ;  am  Fusse  Hirsche  und  andere  Thierfiguren;  rohe  Ornamente)  *), 
zu  Klostemeuburg  (gegen  13*/,  F.  hoch;  das  Fussges teil  fehlt;  die  Arme 
deutlich  baumartig  angeordnet ;  reich  verziert)  *)  und  im  Dom  zu  Prag 
der  ungemein  reich  mit  kämpfenden  Bestien  und  römisch  costümirten 
männlichen  Figuren  geschmückte  Fuss  eines  nicht  mehr  vorhandenen 
Candelabers.  •)  —  Siebenarmige  Leuchter  aus  gothischer  Zeit  und  meist 
weniger  bedeutend  finden  sich  vor  in  der  Marienkirche  zu  Colberg 
(gegossen  von  Johannes  Apenghetere  1327;    12  F.  hoch;   Sockel 


1)  Abbüd.  bei  aus'm  Weert  h  a.  a.  O.  Bd.  U.  Taf.  28;  8.  umstehend  Pig.  48. 

2)  Abbild,  bei  Görges,  Beschreib,  vom  St.  Blasius-Dom  zu  Braunschw.  Taf.  3 
und  bei  K alle nb  ach,  Album  etc.  2,  6. 

3)  Vgl.  Weiss,  C. ,   in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Centralconunission  etc.   (1S61) 
6,331. 

4)  Vgl.  Lübke,    die  mittelalterl.  Kunst   in  Westfalen    B.   421;   Abbild,  bei 
Statsnnd  Ungewitter,  a.  a.  O.  Taf.  194,  1  -6. 

5}  Weiss  a.  a.  O.  S.  332ff. 

6)  Abbild,  bei  C.  Weiss  in  den  mittelalterl.  Kunstdenkm.  des  Österreich.  Kai&er- 
staates  etc.  Taf.  XXXV  zu  1,  197. 


126 


Siebenarmige  Leuchter. 


aus  drei  Löwen  bestehend,  darüber  drei  Hundsköpfe;  am  Schaft  die 
Apostel ;  von  den  Armen  zwei  aus  Holz  hergestellt)  *) ,  in  der  Marien- 
kirche zu  Frankfurt  a.  d.  O.  (angeblich  von  1376;  13  F.  hoch;  derFuss 


Fig.  48.  SiebenaiTOiger  Leuchter  zu  Essen  (naeh  aus^m  Weerth).! 

besteht  aus  vier  Adlern  mit  ausgebreiteten  Flügel^,  darüber  Weinlaub- 
gewinde; die  Knäufe  des  mit  biblischen  Scenen  unter  Spitzbögen  ver- 
zierten Schaftes  sind  aus  Weinblättern  gebildet ;  an  den  Armen  heraldische 


1)  Vgl.  Kugler,  F«.,  Kl.  Schriften  1,  784. 


Altarleucbter. 


127 


Adler  und  Helme;  restaurirt)  ') ,  in  der  Augustinerkirche  zu  Brunn 
(lOy«  F.  hoch  und  ganz  einfach;  am  runden  Fusse  drei  Löwenköpfe, 
sonst  am  Schafte  und  an  den  in  wagerechter  Linie  seh  liessenden ,  unter 
sich  maasswerkartig  verbundenen  Armen  nur  profilirte  Knftufe)  ^)  ,  im 
Dome  zu  Magdeburg  (von  1494 ;  6%  F.  hoch  und  ganz  einfach  nur  mit 
Knäufen  verziert ;  die  Arme  übersteigen  einander  und  sind  paarweise  mit 
etwas  schräg  ansteigenden  Bändern  verbunden ;  der  profilirte  runde  Fuss 
steht  auf  einem  2y,  F.  hohen  antiken  Säulenfragmente  aus  Marmor).  ')  — 
Ein  fün farmiger  Messingleuchter  aus  dem  XV.  Jahrh. ,  5  F.  hoch, 
in  Form  eines  Baumes  mit  abgestutzten  Aesten  und  mit  der  Figur  eines 
Cruciiixus  (also  wohl  mit  Beziehung  auf  die  fünf  Wunden)  befindet  sich 


Fig.  49.  Romanischer  Altarleuehtcr  in  Klotterau 
(nach  Sighart). 


Fig.  50.  Gothitcher  Altarieuchter 
aus  Regensburg  (nach  Jakob). 


in  St.  Cunibert  zu  Cöln  *) ,  ein  anderer  von  1475  (über  9  F.  h.)  in  der 
Jacobskirche  zu  Perleberg,  ein  dreiarmiger  (etwa  9  F.  h.)  aus  dem 
XVI.  Jahrh.  im  Dome  zu  Xanten  ") ,  andere  dreiarmige  im  Dome  und  in 
der  Liebfirauenkirche  zu  Halberstadt. 


I)  Vgl.  S  piek  er,  Chr.  W.,  Beschreib,  u.  Gesch.  der  Marien-  oder  Oberkirche 
zu  Frankfurt  a.  d.  O.  S.  59  ff. 

2;  Abbild,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Centralcommission  etc.  (1862;  7,  20. 

:j;  Nachzutragen  ist  der  5  F.  5  Z.  hohe  siebenarmige  Leuchter  in  der  Nicolai- 
kirche zu  Mölln  bei  Ratzeburg  vom  J.  1436,  abgebild.  in  den  Jahrbachem  für  die 
Landeskunde  von  Schleswig  etc.  I.  Fig.  2  a  u.  b. 

4)  Abbild,  bei  Bock,  Fz.,  das  heilige  Köln  Taf.  XIV.  54. 

5)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Bd.  I.  Taf.  XVni.  6. 


128  Altorleuehter. 

Von  romanischen  Altarleuchtern  (wie  die  Akoluthenleuchter  oft 
noch  paarweise  erhalten;  S.  119)  finden  sich  (unter  mehreren  anderen)  viel- 
leicht die  beiden  grossesten,  von  2yt  F.  Höhe,  im  Bischöfl.  Museum  zu 
Münster  *) ,  der  kleinste  (eine  rohe  Thiergestalt ,  die  den  Lichtteller  auf 
ihrem  Rücken  trägt)  mit  mehreren  anderen  im  National-Museum  zu  Mün- 
chen. ^)  —  Die  ältesten  Exemplare  würden  die  beiden  sogen.  Thassilo- 
leuchter  in  Kremsmünster')  sein,  wenn  deren  Alter  (VIII.  Jahrh.)  nicht 
bezweifelt  würde.  —  Ausserdem  nennen  wir  nach  den  vorliegenden  Ab- 
bildungen die  Leuchter  in  der  Magdalenenkirche  zu  Hildesheim  (verfertigt 
auf  Geheiss  Bischofs  Bemward  (f  1022)  von  einem  seiner  Schüler)  ^),  in 
der  Stiftskirche  zu  Fritzlar  *) ,  in  Klosterau  am  Inn  •) ,  in  der  Jacobskirche 
zu  Stendal'),  aus  der  Stiftskirche  zu  Wissel  im  Bischöfi.  Museum  zu 
Münster  ®y ,  zwei  verschiedene  im  Jahre  1852  auf  der  mittelalterl.  Aus- 
stellung zu  Crefeld  befindlich  gewesene  *>  und  zwei  ebenfalls  verschiedene 
aus  deutschen  Kirchen  stammende  Leuchter  in  Frankreich.  *®j  —  Ange- 
führt werden  endlich  noch  romanische  Leuchter  von  Jakob  (Kunst  im 
Dienste  der  Kirche  S.  91)  in  St.  Aira  zu  Seligenthal  bei  Landshut,  im 
Schatze  von  St.  Emmeram  zu  Regensburg  (beschrieben  von  Bock  \md 
Jakob,  die  mittelalterl.  Kunst  etc.  S.  72);  von  Sighart  (Qesch.  der 
bild.  Künste  in  Bayern  1,  193)  in  der  Kapelle  des  Klosters  Schejem, 
im  Museum  zu  Freising,  in  St.  Moritz  zu  Augsburg;  von  Laib  und 
Schwarz  (Studien  etc.  S.  63)  in  der  Stiftskirche  zu  Comburg  und  im 
Münster  zu  Ueberlingen;  von  Giefers  (Prakt.  Erfahrungen,  die  Erhal- 
tung etc.  der  Kirchen  betr.  S.  67)  drei  kleine,  kaum  4  Z.  hohe  im  Dome 
zu  Minden;  von  Springer  (a.  a.  O.  S.  314)  in  der  Gangolfskirche  zu 
Bamberg,  ein  Leuchterhiss  in  Göttweih  und  in  Chur;  im  Catalog  des 
Erzbischöfl,  Museums  zu  COln  unter  No.  59  u.  270.  Für  die  schönsten 
und  grossartigsten  Lichtträger  in  Deutschland  erklärt  Bock  (das  heil. 
Köln.  St.  Columba  S.  15)  zweigrosse  spätroman.  Standleuchter  im  Dome 
zu  Bamberg.  —  Gothische  Altarleuchter  gewöhnlicher  Art  sind  fast  überall 
häufig,  wir  beschränken  uns  daher  auf  Erwähnung  der  grossen  Chor- 
oder Sanctusleuchter,  wie  dergleichen  paarweise  vor  dem  Altar  aufgestellt 
zu  werden  pflegtdn  und  sich  z.  B.  in  St.  Columba  zu  Cöln  *')  (7  F.  hoch-, 
und  (nach  Bocka.a.O.S.  15)  auch  in  den  Domen  von  Xanten,  Münster 
und  Braunschweig,  ein  Paar  frühgothische  auch  in  der  Magdalenenkirche 
zu  Hildesheim  erhalten  haben.     Als  abweichend  von  der  gewöhnlichen 


1)  Vgl.  Lübkea.  a.  O.  S.  421. 

2)  Vgl.  Mittheil,  der  k.  k.  Centralcommission  etc.  ,1801;  6,  WA. 
3]  Abbild,  ebd.  (1S50)  4,  44;  vgl.  Springer  ebd.  JStiOj  5,  310. 
4)  Abbild,  bei  Kratz  a.  a.  O.  Taf.  4.  Fig.  2. 

5}  Abbild,  bei  St  atz  u.  Ungewitter  a.  a.  O.  Taf.  203,  1 — 5,  u.  ein  anderer 
in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Centralcommission  etc.  :1S(»0;  5,  314.  Fig.  6. 

6)  Abbild,  bei  Sighart,  J.,  die  mittelalterl.  Kunst  in  der  Erzdiöeese  München- 
Freising  Taf.  VII;  vgl.  S.  209  über  einen  anderen  daselbst  befindlichen  Leuchter. 

7}  Abbild,  bei  Adler,  F.,  Mittelalterl.  Backsteinbauwerke  etc.  Heft  IV.  S.  04. 

8)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a,  a.  O.  Taf.  X.  b. 

9)  Abbild,  im  Organ  fQr  christl.  Kunst  ISb'-i.  Artist.  Beilage  zu  No.  7. 

10}  Abbild,  in  Didron,  Annales  archäol.  18,  10]  und  in  den  Mittheil,  der  k.  k. 
Centralcommission  a.  a.  O.  S.  313.  Fig.  3.  u.  4. 

11)  Abbild,  bei  Bock,  das  heU.  Köln  Taf.  XXI.  81. 


Ewige  Lampen.  1 29 

Art  ist  ein  achteckiger ,  in  den  einfachen  Formen  des  gothischen  Stein- 
haues  gehaltener  Leuchter  in  St.  Afra  zu  Seligenstadt  *)  zu  nennen,  dem 
sich  zwei  silheme  vergoldete  Altarleuchter  vom  Ende  de»  XIV.  Jahrh. 
im  Münster  zu  Aachen  insofern  anschliessen ,  als  hier  der  untere  Theil 
des  Schaftes  ebenfalls  ein  architektonisches  Motiv  befolgt,  w&hrend  die 
sonstige  Form  sich  der  gewöhnlichen  anreiht.  ^)  Endlich  ist  auf  solche 
Leuchter  zu  verweisen,  die  von  Engeln  gehalten  werden  und  z.  B.  in 
St.  Sebald  zu  Nürnberg ,  in  der  Pfarrkirche  zu  Rottweil  (aus  Holz  ge- 
schnitzt), im  Domschatze  zu  COln  (in  Silber  getrieben)  ')  und  in  St.  Mar- 
tin daselbst  (aus  Holz  geschnitzt  und  vergoldet)  ^)  vorkommen. 

Als  einzig  in  ihrer  Art  ist  die  prachtvolle  15  F.  hohe  Pergula 
(s.  oben  S.  119)  zu  erwähnen,  welche  vor  dem  Altare  des  Doms  zu  Xanten 
über  die  30  F.  betragende  Breite  des  ganzen  Chors  geht ,  und  aus  drei 
Arkaden  besteht,  von  denen  die  mittlere  1 2,  jede  Seitenarkade  6  Leuchter 
trägt;  es  ist  ein  Messingguss  aus  Maestricht  vom  Jahre  1501.  ^)  Dem 
Ende  des  XV.  Jahrh.  gehören  die  Lichtrechen  im  Chor  der  Marienkapelie 
zu  Nürnberg  an:  rechts  und  links  vom  Hochaltare  zieht  sich  längs  der 
Wand  ein  Balken  hin,  auf  dem  knieende  Engel  die  Leuchter  tragen.  *) 
Ein  Kerzstall  aus  Eisen  befindet  sich  in  der  Kirche  zu  Kiederich  ^)  ; 
derselbe  ist  sechseckig  und  ruht  auf  vier  Füssen. 

Anmerkung  1.  Obgleich  im  M.  A.  ausser  den  Kerzen  auch  Oel- 
lampen  im  kirchlichen  Gebrauche  waren ,  und  die  Unterhaltung  einer  ewi- 
gen Lampe  vor  der  geweihten  Hostie  jetzt  in  der  katholischen  Kirche 
allgemeine  Sitte  ist,  so  fällt  es  doch  auf,  dass  Lampen  aus  dem  M.  A.  an- 
scheinend selten  nachgewiesen  sind;  nur  Jakob  (die  Kunst  im  Dienste  der 
Kirche  S.  91)  erwähnt  eine  Lampe  {»o^ne  besondere  Schönheit a)  in  der 
Kirche  zu  Usterling  a.  d.  Isar,  und  Bergmann  (Mittheil,  der  k.  k.  Cen- 
tral-Commission  etc.  [1857]  2,  307)  die  ewigen  Lichte  in  der  Laurenzkirche 
zu  Lorch  bei  Ens  und  in  der  Kirche  zu  Freistadt  in  Oberösterreich,  denen 
sich  die  gothischen  Chorlampen  im  Dom  zu  Lübeck  ^j  und  in  der  Kirche  zu 
Haarbrück  (Kr.  Höxter)  anreihen. 

Anmerkung  2.  Ausser  den  in  näherem  oder  entfernterem  Zusam- 
menhange mit  dem  Apparat  und  Schmuck  der  Altäre  stehenden  Hänge- 
und  Standleuchtem  bedurfte  man  bei  nächtlichen  Gottesdiensten ,  bei  Exe- 
quien,  in  Folge  von  Stiftungen  vor  Votivbüdem  oder  besonders  gefeierten 


1)  Abbild,  bei  Jakob,  die  Kunst  im  Dienste  der  Kirche  Taf.  IX.  8. 

2)  Abbild,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central- Commission  etc.  (18(j2)  7,  1  JG.  — 
Abbild,  von  gothischen  Leuchtern  in  holsteinischen  Kirchen  bei  Statz  und  Unge- 
witter  a.  a.  O.  Taf.  203  u.  204. ' 

3)  Abbild.  bei.Bock  a.  a.  O.  Taf.  X.  43;  vgl.  Domschätze  S.  22. 

4)  Abbüd.  ebd.  Taf.  XVI.  60.  —  Bei  Laib  und  Schwarz,  Studien  etc.  Taf. 
XVI.  ],  findet  sich  die  Abbild,  eines  grossen  Lichtträgers  des  XVI.  Jahrh.  aus  der 
Kirche  zu  Schwerte  bei  Dortmund ,  ohne  Angabe  des  Stoffes ;  es  ist  eine  gewundene 
Sftule ,  auf  deren  polygonem  Capital  ein  Engel  steht ,  welcher  den  Leuchter  in  den 
HAnden  trfigt. 

5)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XVm.  5. 

6)  Vgl.  Laib  und  Schwarz  a.  a.  O.  S.  76. 

7)  Abbild,  bei  Statz  und  Ungewitter,  Goth.  Musterbuch  Taf.  193,  3—7. 

8)  AbbUd.  ebd.  Taf.  59,  4. 

0 1 1  e ,  KuDit-Arehftolofie.  9 


130  Waiidleuchter.  —  Evangeliarien. 

Reliquien  u.  s.  w.  noch  anderweitiger  Beleuchtung  und  bediente  sich  dazu 
namentlich  auch  der  Wandleuchter  in  Form  beweglicher  Arme,  die, 
insofern  am  Tage  der  Kirchweihe  vor  den  zwölf  Weihekreuzen  der  Kirche 
Wandleuchter  aufgehängt  zu  werden  pflegten  * ) ,  auch  Apostelleuchter 
genannt  werden.  Romanische  Beispiele  von  solchen  sind  äusserst  selten. 
Sighart,  die  mittelalterl.  Kunst  in  der  Erzdiöccse  München  -  Freising 
S.  211,  erwähnt  im  Chore  der  Kirche  zu  Fürstenfeld  bei  München  zwei 
romanische  (Wand-)  Armleuchter  »mti  zierlicher  Darstellung  des  Kampfes 
mit  dem  Drachens.  Auch  gothische  aus  Metall  gegossene  Wandleuchter  (wie 
in  St.  Cunibert  zu  Cöln^])  sind  nicht  eben  häufig;  spätgothische,  aus  Eisen 
künstlich  geschmiedet  und  polychromirt ,  kommen  dagegen  öfter  vor ;  wir 
verweisen  auf  die  Abbildungen  zweier  Wandleuchter  im  Rathhausthurme  zu 
Cöln  aus  dem  XV.  Jahrh.  im  Organ  für  christl.  Kunst  1S61.  Artist.  Bei- 
lage zu  No.  19,  und  zweier  aus  Till  und  Wankun  aus  dem  XVI.  Jahrh.  bei 
aus'm  Weerth,  Kunstdenkmäler  etc.  Abth.  I.  Bd.  I.  Taf.  VI.  10  und 
Bd.  II.  Taf.  XXI.  12.  —  In  der  vor  dem  Zither  des  Domes  zu  Halberstadt 
belegenen  Kapelle  bemerkt  man  an  den  auf  die  Wand  gemalten  Weihe- 
kreuzen noch  die  zum  Anhängen  der  Leuchter  bestimmt  gewesenen  Haken. 

37.  Die  Verehrung  für  den  heiligen  Inhalt  der  zum  gottesdienst- 
lichen Gebrauche  bestimmten  Bücher  führte  bereits  im  christlichen 
Alterthume  zur  prachtvollen  äusseren  Ausstattung  derselben  durch 
die  Kunst,  und  als  Gegenstand  öffentlicher  Verehrung  gehörte  schon 
frühzeitig  ein  kostbar  eingebundener  Evangeliencodex  zum  ständigen 
Schmucke  der  Altäre.  ')   Gleicher  Ehre  genoss  zunächst  das  Missale.  *) 

Den  mit  prächtigen  Pergament -Codices  und  kostbaren  Einbänden 
der  Bücher  getriebenen  Aufwand  ,  den  man  mehr  liebe,  als  das  fleissige 
und  andächtige  Lesen  des  göttlichen  Wortes ,  rügen  bereits  Chrysosto- 
mus  und  Hieronymus.  ^)  —  Man  darf  annehmen ,  dass  im  Gegensätze  zu 
den  antiken  Schriftrollen  die  zwischen  Tafeln  gebundenen  Bücher  ihren 
Ursprung  gehabt  haben  in  den  spätrömischen  Elfenbeinschreibtafeln ,  mit 
Reliefs  auf  der  äusseren  Seite  [diptycha  consuhria,  von  Magistraten  beim 
Antritte  des  Amtes  verschenkt  und  mit  ConsularbUdem  etc.  geschmückt, 


1)  Pelliccia,  Alex.  Aur.,  de  christ.  eccl.  politia,  ed.  Ritter  1,  129. 

2)  Abbüd.  bei  Bock,  das  heil.  Köln.  Taf.  XUI.  52. 

3)  P  e  1 1  i  e  c  i  a,  a.  a.  O.  1,143:  nEvangeliarum  codex  super  ipsum  altare  perpetuo 
erai.ti  Cf.  p.  157.  —  Das  Chronicon  Conrad!  ep.  aus  der  Mitte  des  XIII.  Jahrh.  (bei 
Urstisius,  Chr.,  Gennan.  historicor.  illustr.  J,  56S  lin.  31)  sagt  in  Beziehung  auf 
den  Dom  zu  Mainz :  »Erant  libri,  qui  pro  omatu  stiper  altare  ponebantttr ,  ut  evan- 
geliorum ,  epistolarum ,  plenariorum  etc,  aliqui  vestüi  ebore  scwptOf  alii  argetito^  alii 
auro  et  gemmis.«  —  Vgl.  oben  S.  1 02. 

4)  Ueber  den  Einband  der  Ritualbücher :  T  e  x  i  e  r,  Dictionnaire  d'orfevrerie,  Art. 
»Couvertures  et  reliures  de  livresa  'nach  Dom  Guöranger,  Institution«  Uturgiques 
und  Gu^nebanlt,  Dictionnaire  iconographique;  p.  529 — 549.  Vgl.  auch  d'Agin- 
court,  Histoire  de  Tart  etc.  6,  107;  Jakob,  die  Kunst  im  Dienste  der  Kirche 
8.  97  f.  —  Die  Namen  der  verschiedenen  Ritualbücher  sind  erklärt  in  O  t  te,  Archäol. 
Wörterbuch  S.  99  ff. 

5)  Neander,  A. ,  Job,  Cbrysostomus  1,190;  Augusti,  Denkwürdigkeiten 
12.  2S9. 


Büchereinbände.  131 

und  diptycha  ecclesioitica ,  kirchliche  Namenverzeichnisse  und  mit  bibli- 
schen Gegenständen  geschmückt)  *) ,  zwischen  welche  man  beschriebene 
Pergamentblätter  legte,  da  beide  Gattungen  der  Diptycha  nur  als  Deckel 
kirchlicher  Handschriften  auf  uns  gekommen  sind,  und  bis  ins  XIII.  Jahrh. 
vorzugsweise  £lfenbeintafeln  zu  Prachtbuchdeckeln  verwendet  wurden. 
Die  Buchdeckel  selbst  bestehen  aus  Holz,  worauf  man  die  Elfenbeintafeln 
festnietete.  Gewöhnlich  jedoch  bilden  letztere  nur  den  mittleren  Theil  der 
Deckel,  und  die  Ränder,  als  Umrahmung  des  meist  etwa  7  Z.  hohen  und 
5  Z.  breiten  Elfenbeinreliefs,  sind  mit  Gold-  oder  Silberblech  überzogen, 
in  welches  Edelsteine  und  Perlen  gefasst,  und  das  mit  getriebenen,  email- 
lirten  und  gravirten  Darstellungen  verziert  wurde.  Anderweitig  sind  die 
Deckel  auch  ganz  mit  Metallblechen  überzogen.  Beide  Deckel  eines 
Buches  haben  übrigens  niemals  denselben  Schmuck :  der  vordere  Deckel 
[latm  frontale)  ist  gewöhnlich  am  reichsten  ausgestattet ,  der  hintere  oft 
ganz  schmucklos,  wie  der  Rücken  mit  Seidenzeug  überzogen  und  höch- 
stens zur  Vermeidung  des  Abscheuems  an  den  Ecken  beschlagen.  Ausser- 
dem legte  man  beim  Gebrauche  der  Bücher  Polster  {ctisstni}  unter  oder 
schlug  sie  in  saubere  Tücher  (panni  linet,  camistae)  ein.  Auch  hatte  man 
kostbar  geschmückte  Kästen  (capsae)  in  Buchform,  in  welchen  die  Codices 
aufbewahrt  und  auf  den  Altären  ausgestellt  wurden.  Zuweilen  begnügte 
man  sich  indess  mit  der  Ausstellung  der  leeren  Capsae, ^  Als  nach  Erfin- 
dung der  Buchdruckerkunst  und  durch  die  Anwendung  von  Papier  statt 
des  Pergaments  die  Bücher  häufiger  und  wohlfeiler  wurden,  überzog  man 
die  Holzdeckel  der  Prachtbände  mit  gewebten  und  gestickten  Seiden- 
stoffen ,  beschlug  die  Ecken  mit  Metall ,  die  Mitte  oft  mit  einer  Metall- 
Vignette  und  fügte  metallene  Clausuren  hinzu.  Einbände  in  gepresstem 
Leder  und  vergoldete  Schnitte  gehören  erst  dem  XVI.  Jahrh.  an. 

Unter  den  in  deutschen  Bibliotheken  noch  ziemlich  häufig  vorkom- 
menden Evangelien-  und  Messbüchem  in  mittelalterlichen  Prachtbänden 
finden  sich  manche ,  deren  Einband  ganz  oder  theil  weise  (besonders  in 
der  Metallumrahmung  des  mittleren  Elfenbeins)  jünger  ist  als  der  Codex 
selbst,  seltener  andere,  deren  Elfenbeindeckel  älter  sind  als  das  Buch, 
zu  dem  sie  gegenwärtig  gehören. 

Von  omamentirten  Einbänden  machen  wir  namhaft :  Diptycha  con- 
sularia  als  Deckel  von  Evangeliarien  zu  Lüttich  in  St.  Martin  und  im 
Dom^J,  desgleichen  an  einem  Chorbuche  aus  dem  XII.  Jahrh.  im  Zither 
des  Doms  zu  Halberstadt.  ')  Der  Form,  Grösse  und  Arbeit,  dieser  an- 
tiken Diptychen  schliessen  sich  an  die  vier  Elfenbeindeckel  der  beiden 
Gebetbücher  K.  Heinrich' s  II.  und  seiner  Gemahlin  Kunigunde  in  der  k. 
Bibliothek  zu  Bamberg  {So.  1049j  ;   sie  sind  \i%  Z.  hoch  und  4%  Z. 


1)  Ueber  die  Diptycha:  Müller,  CO.,  Handb.  der  Archäologie  der  Kunst 
§  312  n.  3.  —  Vgl.  Augusti  a.  a.  O.  S.  302  ff. 

2)  Abbild,  bei  Salig,  de  diptychis  veterum  (Halae)  1731,  Titelkupfer. 

3)  Abbild,  bei  Augustin,  Chr.  F.  Beruh.,  das  Diptychon  consulare  in  der 
Domk.  zu  Halberstadt,  in  den  N.  Mittheil,  des  tharing.-sachs.  Vereins  VII.  2,  60. 
Die  mit  Consularbildem  geschmückten  Tafeln  sind  oben  und  unten  verkürzt ,  um  sie 
dem  kleineren  Format  des  Buches  anzupassen;  die  Höhe  beträgt  jetzt  10*/,  Z. ,  die 
Breite  S«/*  Z.  —  Vgl.  Kugler,  Kl.  Schriften  1,  135. 

9» 


132  Prachtbuchdeckel. 

breit,  enthalten  vier  einzelne  Figuren  (der  thronende  Christus  und  Maria, 
Paulus  und  Petrus)  und  sollen  nicht  jünger  sein  als  das  VI.  Jahrhun- 
dert. —  Der  Zeit  um  800  gehört  das  Evangelienbuch  des  heil.  Liudger 
an,  welches  sich  im  Besitze  des  Oberregierungsrathes  Krüger  in  Min- 
den befand:  die  Mitte  des  mit  gravirten  Darstellungen  geschmückten 
vergoldeten  Deckels  nimmt  ein  Crucifix  aus  Elfenbein  ein.  Ins  IX.  Jahrh. 
fallen  femer  ein  aus  Bamberg  stammendes  Evangeliarium  in  der  Hof- 
bibliothek zu  München  (Cim.  56}  mit  seinen  von  Goldblech  umrahmten 
Elfenbeinbildem ,  vbm  die  Taufe  Christi ,  hinten  die  Verkündigung  und 
die  Geburt  Christi  darstellend  *] ,  xmd  der  Evangeliencodex  No.  65  der 
Universitätsbibliothek  zu  Würzburg,  dessen  Elfenbeindeckel  (von  10X7 
Z.)  in  37  Figuren  die  Hochzeit  zu  Kana,  die  Austreibung  aus  dem  Tempel 
und  die  Heilung  des  Blindgeborenen  enthält.  —  Aus  der  Zeit  um  900 
rühren  die  Elfenbeindeckel  des  dem  Tutilo  zugeschriebenen  Evange- 
liariums  in  der  Bibliothek  zu  St.  Gallen  (No.  53)  von  c.  10%X6%  Z., 
vom  den  thronenden  Christus  *) ,  auf  der  Rückseite  die  Himmelfahrt 
Maria  und  die  Legende  des  heil.  Gallus  darstellend.  —  Dem  X.  Jahrh. 
werden  zugeschrieben  die  Schauseite  des  Missale  No.  9 1 1  in  der  K.  Biblio- 
thek zu  Bamberg  (Umrahmung  von  gravirtem  Silber  mit  eingelegten 
Runden  aus  Gold  in  den  Ecken,  auf  dem  Elfenbein  in  der  Mitte  die 
Halbfigur  der  Madonna) ,  eines  Evangeliariums  im  Münster  zu  Aachen 
(Umrahmimg  Goldblech  mit  getriebenen  Darstellungen  und  eingelegten 
Edelsteinen;  Mitte)stück  die  Madonna  in  Elfenbein;  auf  dem  hinteren 
Deckel  ist  nur  das  Elfenbein  mit  den  vier  Heiligenfiguren  gleich  alt,  die 
in  Silber  getriebene  Umrahmung  später)  ')  und  eines  Evangelienbuches 
in  der  StadtbibHothek  zu  Leipzig  ebenfalls  mit  dem  Elfenbeinbilde  der 
Madonna ,  die  Deckel  der  Evangelienbücher  des  heil.  Kilian  in  der  Uni- 
versitätsbibliothek zu  Würzburg  (das  Elfenbein  zeigt. das  Martyrium 
des  Heiligen  und  seiner  Geföhrten ;  Umrahmung  und  Einband  aus  dem 
XV.  Jahrh.)  *),  und  des  heil.  Ulrich  in  der  Hofbibliothek  zu  München 
(Cim.  53)  mit  Elfenbeinbildem  auf  beiden  Deckeln  (Kreuzigung,  Auf- 
erstehung und  Himmelfahrt),  femer  die  Evangeliarien  in  der  k.  Bibliothek 
zu  Berlin  (Cod.  lat.  fol.  No..  3)  mit  der  Kreuzigung  auf  dem  Elfenbein, 
in  der  k.  Bibliothek  zu  Dresden  (A.  63)  mit  Darstellungen  der  Kreuzi- 
gung, Grablegung,  Auferstehung  und  Höllenfahrt,  im  Museum  zu  D ärm- 
st ad  t  (No.  681)  mit  der  Verherrlichung  Christi  auf  dem  vorderen,  und 
dem  Propheten  Jesaias  auf  dem  hinteren  Deckel ,  in  der  Stadtbibliothek 
zu  Frank  furta.  M.  mit  einer  Darstellung  der  Messe*);  endlich  ein 
Deckel  mit  getriebenen  vergoldeten  Figuren   auf  buntem  Emailgrund 


1)  Abbild,  der  beiden  Elfenbeine  bei  Förster,  £.,  Denkmale.  Bildnerei.  Bd.  1 
S.  23  u.  Bd.  2  8.  5. 

2)  Abbild,  bei  Förster,  £.,  a.  a.  0.  Bd.  1  8.  7,  und  verkleinert  auch  in  dessel- 
ben Gesch.  der  deutschen  Kunst  1,  34,  woher  wir  den  Stahlstich,  unten  Abschn.  II. 
B.  1  entlehnt  haben. 

3)  Abbild,  der  beiden  Deckel  bei  aus'm  Weerth,  Kunstdenkm.  II.  Abth.  Bild- 
nerei Bd.  n  Taf.  XXXIV.  2  u.  2  a. 

4)  Abbild,  bei  Becker  u.  y.  Hefn er,  Kunstwerke  etc.  Taf.  XVI. 

5)  Abbild,  des  Elfenbeins  im  Archiv  für  Frankfurts  Gesch.  u.  Kunst  I.  1 .  Taf.  4. 


Prachtbuchdeckel.  1 33 

(No.  216)  in  der  Bibliothek  zu  St.  Gallen  und  der  mit  Silberplatten 
belegte  Deckel  des  Codex  No.  44  in  der  k.  Bibliothek  zu  Bamberg.  In 
die  früheren  Jahrhunderte  des  M.  A.  gehört  auch  der  Deckel  eines  Evan- 
geüariums  im  Dom -Zither  *zu  Halberstadt  mit  dem  Elfenbein  des 
unter  Kuppelarchitekturen  sitzenden  und  sein  Evangelium  einem  Schreiber 
dictirenden  Evangelisten  Johannes.  —  Wenn  die  Zeitbestimmung  sämmt- 
lieber  vorgenannten  Deckel  grosse  Schwierigkeiten  hat ,  so  zeichnet  sich 
dagegen  durch  sichere  Datirung  aus  der  Einband  des  Evangeliariums  aus 
Echternach  in  der  Bibliothek  zu  Gotha,  dessen  mittleres  die  Kreuzigung 
darstellendes  Elfenbein  mit  einer  reichen  Umrahmung  aus  Goldblech, 
Emails ,  Edelsteinen  und  Perlleisten  versehen  ist ,  auf  welcher  sich  die 
getriebenen  Figuren  der  Geschenkgeber,  der  Kaiserin  Theophanu  imd 
ihres  Sohnes,  Königs  Otto  III.  befinden,  deren  gemeinschaftliche  Regie- 
rung in  die  Zeit  von  985  bis  991  fällt.  ^)  Ebenfalls  dem  Schlüsse  des 
Jahrhunderts  dürfte  der  kostbare  Golddeckel  mit  dem  segnenden  Christus 
in  der  Mitte,  den  vier  Evangelisten  auf  den<  Ecken  und  vier  Darstellungen 
aus  dem  Leben  Jesu  auf  den  B.ändern  angehören ,  mit  welchem  der  aus 
St.  Denys  nach  St.  Emmeram  in  Regensburg  gekommene  und  jetzt  in  der 
Uofbibliothek  zu  München  (Cim.  55)  befindliche  Evangeliencodex  aus 
dem  IX.  Jahrh.  geschmückt  ist.  ^)  Dem  X.  oder  XL  Jahrh.  gehört  der 
Deckel  eines  Evangeliars  der  Universitätsbibliothek  zu  W  ü  r  z  b  u  r  g  an,  mit 
dem  Lamm  Gottes ,  Löwen ,  Vögeln  und  Schweinen  auf  zwei  unter  sich 
verschiedenen  Elfenbeintafeln ,  die  ursprünglich  eine  andere  Bestimmung 
(etwa  für  ein  Reliquiar)  gehabt  haben.')  —  Unter  den  aus  dem  XL  Jahrh. 
erhaltenen  Frachtdeckeln  zeichnen  sich  zunächst  mehrere  aus  der  Zeit 
K.  Heinrichs  11.  (f  1024)  stammende  und  von  Bamberg  in  die  Hofbiblio- 
thek nach  München  gekommene  Codices  aus:  ein  um  1014  geschrie- 
benes Evangelistarium  (Cim.  57)  mit  den  Darstellungen  der  Kreuzigung 
und  Auferstehung  auf  dem  mittleren  Elfenbein  *j ,  welches  in  der  Ein- 
fassung die  emaillirten  Evangelistenzeichen  auf  den  Ecken  und  die  musi- 
vischen  Bilder  der  Apostel  auf  den  Seiten  enthält;  ein  Evangeliarium 
(Cim.  58),  dessen  oberer  mit  Gold,  Edelsteinen  und  Perlen  belegter 
Deckel  eine  Elfenbeintafel  mit  dem  Tode  der  Maria  umschliesst ;  und  ein 
Missale  (Cim.  60)  mit  dem  Elfenbeinbilde  der  Kreuzigung  und  Auferste- 
hung Christi.  *)  Der  zweiten  Hälfte  des  Jahrh.  gehört  ein  Evangeliarium 
(Cim.  59)  an,  dessen  oberer  mit  Gold,  Edelsteinen  und  Perlen  belegter 
Deckel  in  der  Mitte  einen  grossen  Onyx  enthält.  Diesen  Bamberger  Co- 
dices schliesst  sich  der  Zeit  nach  an  das  Evangelienbach  Bischofs  Heinrich 
von  Würzburg  (f  1018)  in  der  dortigen  Univetsitätsbibliothek  (No.  66) 
mit  der  Darstellung  Christi ,  der  Maria  und  Johannes  des  Täufers  unter 


1 )  Abbild,  des  Deckels  (etwa  in  y,  der  Originalgrösse)  in  der  Zeitschr.  f.  christl. 
Archäol.  u.  Kunst  Bd.  2  Taf.  17,  woher  wir  den  neben  stehenden  Stahlstich  ent- 
lehnen. 

2}  Abbild,  bei  Sanftl,  Colom.,  Diss.  in  aureum  ac  pervetustum  SS.  evangelio- 
rum  codicem  ms.  monasterii  S.  Emmerami  (Regensb.  1786). 

3)  Abbild,  bei  Becker  und  v.  Hefner  a.  a.  O.  Taf.  IX. 

4)  Abbild,  bei  Förster,  Denkmale.  Bildnerei.  Bd.  1  S.  9. 

5)  Abbild,  ebd.  Bd.  2S.  1. 


1 34  Prachtbuchdeckel. 

einem  durchbrochenen  Schirmdache  auf  der  Elfenbeinplatte,  deren  ehe- 
malige Umrahmung  fehlt,  und  das  Missale  des  heil.  Burkard  ebendaselbst 
[No.  68)  mit  dem  die  Maria  verehrenden  heil.  Nicolaus  unter  ähnlichem 
Schirmdache  auf  dem  oberen  und  einer  durchbrochenen  Silberplatte  mit 
der  Majestas  auf  dem  unteren  Deckel.  Gleichzeitig  föllt  auch  der  Einband 
eines  Evangeliariums  in  der  Dombibliothek  zu  Hildesheim,  ein  Werk 
des  dortigen  Bischofs  Bern  ward  (f  1022),  dessen  Einfassung  aus  vergol- 
detem Silberblech  vom  ein  Elfenbein  mit  dem  lehrenden  Christus  zwischen 
Maria  und  Johannes,  hinten  eine  Silbertafel  mit  der  Gottesmutter  um- 
rahmt. Aus  der  Mitte  des  Jahrhunderts  stammen  der  Evangeliencodex 
der  Aebtissin  Theophanu  (1039 — 1054)  im  Münster  zu  Essen  (auf  der 
in  Goldblech  getriebenen ,  mit  Edelsteinen  reich  verzierten  Umrahmung 
der  mittleren  die  figurenreichen  Darstellungen  der  Geburt,  Kreuzigung 
und  Himmelfahrt  Christi  zeigenden  Elfenbeintafcl  unter  anderen  das  Bild 
der  Donatrix)  *)  und  zwei  Evangelienbacher  Bischofs  EUenhard  von  Frei- 
sing vom  J.  1051  in  der  Hofbibliothek  zu  München,  deren  Deckel  in 
gravirter  Messingumrahmung  auf  dem  mittleren  Elfenbein,  das  eine  Scenen 
aus  der  Passion  ^) ,  das  andere  Scenen  au^s  der  Kindheit  Jesu  und  die 
Auferstehung  enthält.  —  Dem  XI.  Jahrh.  gehören  femer  an  der  Deckel- 
schmuck eines  aus  Paderborn  stammenden  Evangeliariums  in  der  Dom- 
bibliothek zu  Trier  aus  vergoldetem  Kupfer  mit  den  Evangelistenzeichen 
und  einer  aus  Edelsteinen,  Perlmutter  und  Emails  bestehenden  Einfas- 
sung; ein  griechisches  Lectionarium  in  der  Schatzkammer  des  dortigen 
Doms,  dessen  Deckel  ein  Elfenbcinplättchen  mit  der  Darstellung  und 
Taufe  Christi  enthält ') ;  der  Deckel  eines  Evangeliariums  (No.  682)  im 
Museum  zu  Darmstadt  mit  einem  die  Kreuzigung  vorstellenden  Elfen- 
bein ;  ein  Evangeliencodex  in  Maria-  Lyskirchen  zu  C  ö  1  n  mit  der  Kreuzi- 
gung auf  dem  mittleren ,  aus  drei  länglichen  Elfenbeinstückchen  zusam- 
mengesetzten Theile  des  oberen  Deckels,  dessen  kupfer  -  vergoldete 
Einfassung  spätgothische  Gravirungen  zeigt  *) ;  ein  Evangeliarium  aus 
Kloster  Abdinghof  in  Paderborn  in  der  Bibliothek  zu  Gas  sei,  dessen 
Messingdeckel  mit  Steinen,  in  der  Mitte,  in  Elfenbein  geschnitzt,  Relief- 
Brustbilder  von  Engeln  und  vier  Heiligen  enthält ;  ein  Evangelienbuch 
im  Dom  zu  Minden  mit  dem  Elfenbein  -  Relief  der  Himmelfahrt  und 
silberner  Randeinfassung  aus  gothischer  Zeit ;  ein  Codex  in  der  kOnigl. 
Bibliothek  zu  Bamberg  (No.  1049)  mit  einem  Elfenbeindeckel,  der  auf 
jeder  Seite  eine  Figur  in  lang  gefaltetem  Gewände  zeigt.  —  Im  Vergleich 
mit  der  gprossen  Anzahl  und  kostbaren  Ausstattung  der  aus  dem  XI. 
Jahrh.  auf  uns  gekommenen  Prachtbände,  ungerechnet  die  häufig  in 
Kunstsammlungen  vorkommenden  Elfenbeine  aus  jener  Zeit,  die  von 
zerstörten  Buchdeckeln  herrühren,  erscheint  schon  das  XII.  Jahrh.  minder 
bedeutend;  wir  nennen  aus  demselben  die  omamentirten  Deckel  eines 
Evangelienbuches  im  städtischen  Museum  zu  Cöln  (in   der  Mitte  das 


1)  Abbild,  des  Deckels  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXVU.  I. 

2)  Abbild,  des  Elfenbeins  bei  Förster  a.  a.  O.  Bd.  6  S.  I. 
3^  Ein  Gypsabguss  im  Christi.  Museum  der  Univ.  zu  Berlin. 

4J  Abbild,  des  DeckeU  bei  Bock,  Fz.,  das  heil.  Köbi.  Taf.  XXXV.  103. 


Prachtbuchdeckel.  .  135 

getriebene  Relief  des  thronenden  Erlösers ,  auf  den  Rändern  buntfarbig 
emaillirte  Bilder  der  vier  Weltgegenden  auf  den  Ecken  und  der  Apostel 
auf  den  Seiten ,  in  vergoldetem  Kupfer)  *) ,  zweier  aus  Paderborn  stam- 
menden Evangeliarien  in  der  Dombibliothek  zu  Trier  (das  eine  mit  der 
in  einer  späteren  versilberten  Umrahmung  auf  zwei  Elfenbeinplatten  dar- 
gestellten Verkündigung;  das  andere  mit  den  einem  vergoldeten  Kupfer- 
blech aufgelegten  Elfenbeinfiguren  des  Crucifixus  zwischen  Maria  und 
Johannes  in  emaillirter  und  gravirter  Umrahmung)  ,  eines  Evangelien- 
buches  in  der  Stiftskirche  St.  Johann  zu  Herford  (in  Gold  und  Silber 
Christus  auf  dem  Regenbogen  und  auf  dem  imteren  Deckel  Arabesken  in 
Silber),  eines  Evangelienbuches  in  der  Kirche  zu  Höxter,  in  der  Samm- 
lung des  Herrn  zur  Mühlen  inMünster  (ein  Elfenbein-Relief  mit  der  Ab- 
nahme vom  Kreuz) ,  zweier  Evangeliarien  im  Zither  der  Schlosskirche  zu 
Quedlinburg  (das  eine,  No.  65,  mit  einer  vergoldeten  Silberplatte,  in 
deren  vertiefter  Mitte  die  Madonna  dargestellt  ist ;  in  der  Umrahmung 
Edelsteine ,  Perlen  und  kleine  Emails ;  das  andere  mit  einem  Christi  Ge- 
burt, Taufe,  Kreuzigung  und  Abnahme  vom  Kreuze  darstellenden  Elfen- 
beinrelief in  einer  breiten  mit  Edelsteinen  geschmückten  Umfassimg  aus 
vergoldetem  Silberblech)  *)  und  eines  Evangelienbuches  in  der  Stadt- 
bibliothek zu  Hamburg  (mit  dem  merkwürdigen  Elfenbeinrelief  der 
einen  wendischen  Krieger  tödtenden  Victoria  in  einer  mit  Glasflüssen 
verzierten  Einfassung  aus  Messing).  ')  —  Im  Laufe  des  XIII.  Jahrh. 
scheinen  Buchdeckel  mit  grösseren  Elfenbeinreliefs  kaum  noch  vorzukom- 
men. Der  im  Städtischen  Museum  zu  Cöln  befindliche  Deckel  mit  dem 
die  thebäischen  Märtyrer  segnenden  Christus  *)  gehört  wohl  spätestens  in 
den  Anfang  dieses  Jahrhunderts.  Dagegen  finden  sich  mehrere  Beispiele 
einer  neuen,  minder  kostbaren  Ausschmückung  durch  auf  Pergament  ge- 
malte ÄJiniaturbilderchen ,  die  mit  dünnen  durchsichtigen  Hornblättchen 
zu  ihrem  Schutze  belegt  sind.  So  ein  Evangeliencodex  in  der  Dom- 
bibliothek zu  Hildesheim  (aus  St.  Michael  daselbst) ,  dessen  mittleres, 
älteres  die  Kreuzigung  darstellendes  Elfenbein  in  der  vergoldeten  Kupfer- 
einrahmung zwischen  10  verschiedenförmigen  Krystallen  ebenso  viele 
Miniaturen  (an  Stelle  der  sonst  üblichen  Emails)  enthält,  und  eii^Psalte- 
rium  (No.  232)  in  der  k.  Bibliothek  zu  Bamberg  mit  dem  Miuelbilde 
des  thronenden  Christus ,  umgeben  von  mehreren  kleinen  Bildern ;  der 
Rand  ist  mit  Silberblech  belegt,  und  die  Homblättchen  sind  durch  Süber- 
streifen  getrennt  und  befestigt ;  der  untere  Deckel  ist  in  gleicher  Weise 
geschmückt.  Anderweitig  kommen  auch  mit  Metall  bekleidete  Deckel 
vor  mit  kleinen  Elfenbeinplättchen  in  der  Umrahmung;  z.  B.  ein  aus 
Hildesheim  stammendes  Evangeliarium  in  der  Dombibliothek  zu  Trier, 
wo  auf  der  Mitte  des  Deckels  die  Kreuzigung  und  Auferstehung  Christi 
in  Schmelz  werk  und  in  der  Einfassung  zwischen  Edelsteinen  acht  Elfen- 

1)  Abhild.  des  Deckels  bei  Bock  a.  a.  O..  Tof.  XLVH.  125. 
2}  Abbild,  bei  Steuerwaldt,  W.,  und  Virgin,  C,  die  mittelalterl.  Kunst- 
schätze im  Zittergewölbe  der  Schlossk.  zu  Quedlinburg.  Taf.  2.  u.  4. 

3)  Abbild,  des  Elfenbeins  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  u.  Kunst.  Bd.  2 
Taf.  4. 

4)  Abbild,  bei  Bock  a.  a.  O.  Taf.  XLVI.  124. 


\  36  Buchdeckel  und  Gehäuse. 

beinreliefs  erscheinen.  Ein  anderes  Evangelienbuch  ebendaselbst  zeigt 
als  Deckelschmuck  in  Kupferblech  roh  getriebene  Darstellungen  Christi 
zwischen  den  beiden  grossen  Aposteln.  Ein  Evangelistarium  aus  St.  Trou 
im  Luxemburgischen,  jetzt  im  Landesarchiv  zu  Düsseldorf,  mit  der 
Darstellung  des  jüngsten  Gerichts,  umgeben  von  emaillirten  Apostel- 
bildern, in  getriebenem  Kupferblech.  *)  Ein  Evangelistarium  in  der  Kirche 
zu  St.  Wolf  gang  in  Oberösterreich,  wo  die  Mitte  des  mit  omamentirtem 
Silberblech  überkleideten  Vorderdeckels  ein  ovaler  Krystall  einnimmt, 
den  die  aus  Elfenbein  geschnitzten  Evangelisten  umgeben;  der  hintere 
Deckel  zeigt  ein  gravirtes  Bild  des  heil.  Michael.  —  Ein  Evangeliarium 
aus  Kloster  Zweifalten  in  der  öffentlichen  Bibliothek  zu  Stuttgart  (Bibl. 
fol.  n.  71)  hat  einen  Deckel  von  Leinwand,  auf  dem  die  Spuren  einer 
Stickerei  (Christus  und  Heilige  darstellend)  zu  erkennen  sind.  —  Die 
Einbände  aus  den  späteren  Jahrhunderten  des  M.  A.  bieten  in  jeder  Hin- 
sicht ein  geringeres  Interesse  dar;  wir  beschränken  uns  daher  auf  die 
Anführung  einiger,  die  sich  durch  geschmack-  und  kunstvolle  Ausstattung 
auszeichnen:  Ein  Fest-Lectionarium  der  Petrikirche  zu  Hamburg  mit 
Silberblechdeckel ,  in  der  Mitte  mit  einem  Salvatorbilde ,  auf  den  Seiten 
mit  Edelsteinen  verziert,  aus  dem  XIV.  Jahrh.  *),  und  ein  ähnlicher  Ein- 
band im  Dome  zu  Brandenburg.  —  Das  Evangeliarium  der  Ada  in 
der  Stadtbibliothek  zu  Trier,  dessen  Deckel  vom  J.  1499  mit  theilweise 
vergoldeter  Silbereinfassung  acht  Figuren  im  Hochrelief  und  in  der  Mitte 
eine  grosse  antike  Kamee  enthält ;  das  zu  den  Reichsinsignien  gehörende 
Evangelienbuch  in  der  Schatzkammer  zu  Wien  mit  seinem  etwa  gleich- 
zeitigen Prachtdeckel,  welcher  den  thronenden  Christus  und  die  Ver- 
kündigung Maria  unter  Laubbaldachinen  im  Hochrelief  zeigt ;  ein  latei- 
nisches Gebetbuch  (Cim.  42)  in  der  Hofbibliothek  zu  München  vom 
J.  1485,  dessen  Deckel  aus  vergoldetem  Silber  mit  Bildern  und  Orna- 
menten in  Email  geschmückt  ist;  ein  Evangeliarium  (No.  67)  im  Zither 
der  Schlosskirche  zu  Quedlinburg  mit  seinem  mit  Silberblech  über- 
zogenen vorderen  Deckel  von  1513,  mit  dem  im  Hochrelief  getriebenen 
Christusbilde  in  der  Mitte  und  einem  mehrere  kleine  Flachbilder  um- 
schliessendeU;  geschmackvollen  Rankengeflecht  als  Einfassung ') ;  endlich 
der  Einband  eines  Antiphonariums  in  St.  Martin  zu  Cöln  als  Beispiel 
der  spätgothischen  mit  einer  mittleren  Vignette  und  Eckstücken  in  Gelb- 
guss  beschlagenen  überall  noch  häufig  vorkommenden  Deckel.  *) 

Omamentirte  Kästen  zur  Aufnahme  der  Evangeliencodices  finden 
sich  z.  B.  in  der  k.  Bibliothek  zu  Bamberg  (für  das  Evangelistarium 
(No.  280)  K.  Heinrichs  n.,  welches,  niit  einem  dünnen  ledernen,  mit 
rother  Seide  überzogenen  Umschlage  versehen,  in  einem  Kasten  aufbe- 
wahrt wird,  dessen  Ueberzug  aus  grüner  Seide  mit  violetten  Verzierungen 
besteht),  in  der  Hofbibliothek  zu  München  (fQr  das  Evangelistarium 
der  Aebtissin  Uota  von  Niedermünster  in  Regensburg  im  XI.  Jahrh.  ein 


1)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXXI.  4. 

2)  Abbild,  in  der  Zeitschr.   des  Vereins  für  hamburgische  Gesch.  I,  3  u.  4. 

3)  Abbild,  bei  Steuerwald  u.  Virgin  a.  a.  O.  Taf.  3. 

4)  Abbild,  bei  Bock  a,  a.  O.  Taf.  XVU.  67. 


Ausstattung  der  Codices.  137 

Kasten  in  Buchform ,  der  auf  seinem  Ueberzuge  von  Goldblech  den  seg- 
nenden Christus  in  getriebener  Arbeit  vorstellt,  und  in  der  Dombibliothek 
zu  Hildesheim  (für  ein  Evangelienbuch  Bischof  Hezilo's  (f  1079)  in 
einfachen  Pergamentdeckeln,  dessen  im  XV III.  Jahrh.  erneuerte  Kapsel 
mit  vergoldetem  Kupfer  verziert  ist) . 

Anmerkung.  Dem  Inhalte  nach  zerfallen  die  Evangelienbücher 
{textus)  des  M.  A.  in  zwei  Klassen:  solche,  welche  den  vollständigen  Text 
der  vier  Evangelien ,  und  andere*,  die  nur  die  sonn  -  und  festtäglichen  Perl- 
kopen  [evangelia  de  tempore  et  Sanciis  per  circulum  anni)  enthalten.  Jene 
hat  man  Evangeliaria^  diese  Evangelistaria  genannt,  ohne  dass  sich  die 
Unterscheidung  beider  Benennungen  bei  mittelalterlichen  Schriftstellern  mit 
Sicherheit  nachweisen  liesse.  Auf  den  ersten  Blättern  sind  regelmässig  mit 
Bögen  verbundene  Säulen  dargestellt,  zwischen  denen  ein  Calendarium  oder 
die  Harmonie  der  vier  Evangelien  tabellansch  verzeichnet  steht.  Der  evan- 
gelische Text  ist  in  der  Uebersetzung  der  Vulgata  wiedergegeben ,  dem  in 
den  früheren  Jahrhunderten  ein  Prolog  des  heil.  Hieronymus  vorausgeschickt 
zu  sein  pflegt.  Die  Ausstattung  namentlich  der  älteren  Manuscripte  ist  zu- 
weilen höchst  prachtvoll :  das  Pergament  erscheint  mit  dem  Safte  der  Pur- 
purschnecke violett  röthlich  geförbt  und  die  Schrift  in  goldenen  Buchstaben. 
Dergleichen  Codices  memhranacet  purpurei  auret  sind  z.  B.  die  n  IV  Evan- 
gelia«, welche  im  J.  870  auf  Befehl  Karls  des  Kahlen  von  zweien  Brüdern, 
den  Priestern  Beringarius  und  Liuthardus  geschrieben  wurden  und  aus  St. 
Dehys  bei  Paris  um  das  J.  88S  nach  St.  Emmeram  in  Kegensburg  und  von 
da  in  die  Münchener  Hofbibliothek  [Cim.  55)  gekommen  sind,  das  Evan- 
gelienbuch der  Ada  in  der  Stadtbibliothek  zu  Trier  und  das  zu  den  Keichs- 
kleinodien  gehörige  Evangeliarium  in  der  Schatzkammer  zu  Wien,  beide  aus 
der  Zeit  Karls  des  Grossen.  In  anderen  Handschriften  sind  nur  einzelne 
Blätter  gefärbt,  z.  B.  in  dem  Evangeliencodex  Bischofs  Heinrich  von  Würz- 
burg  (f  1018)  in  der  Universitätsbibliothek  daselbst,  wo  das  (auch  ander- 
wärts wiederkehrende)  Anathema  gegen  etwaige  Entwehder  des  Buches  mit 
goldenen  und  silbernen  Buchstaben  auf  ein  mit  dunkelem  Purpur  getränktes 
Pergament  geschrieben  ist,  oder  in  dem  Echternacher  Evangeliarium  König 
Otto's  III.  in  der  herzogl.  Bibliothek  zu  Gotha,  wo  der  Text  der  vier  Evan- 
gelien durch  Vorsatzblätter  geschieden  ist ,  die  in  Art  und  Weise  gewebter 
Seidenstoffe  auf  dem  Purpurgrunde  des  Pergaments  gemustert  sind.  Wenn 
aber  auch,  wie  es  gewöhnlich  der  Fall  zu  sein  pflegt ,  das  Pergament  weiss 
und  die  Schrift  schwarz  ist,  so  sind  doch  die  Initialen  Gold  oder  Silber,  oder 
wechseln  mindestens  in  Roth  und  Blau  ab :  eine  Sitte  die  durch  das  ganze 
M.  A.  geht  und  Anfangs  auch  noch  in  den  gedruckten  Büchern  beibehalten 
wurde,  wo  der  Drucker  die  Initialen  fehlen  Hess ,  oder  zur  Vermeidung  von 
Irrthümem  der  Miniatoren  ,  welche  die  Lücken  nachher  mit  goldenen ,  sil- 
bernen und  farbigen  Majuskeln  ausfüllten ,  mit  einer  Minuskel  ganz  klein 
vordruckte.  Ein  weiterer  Schmuck  vieler  mittelalterlichen  Codices  war  die 
Hinzufügung  von  Illustrationen  durch  Miniaturen ,  die  theils  in  bildlichen 
Darstellungen,  theils  in  Titel-  und  Randverzierungen  bestehen.  Die  Ab- 
bildung der  vier  Evangelisten  (sitzend  und  ihre  Bücher  schreibend)  pflegt  den 
alteren  Evangelienbüchern  selten  zu  fehlen,  oft  aber  sind  auch  neutestament- 
liche  Geschichten  und  Gleichnisse  an  den  betreffenden  Textesstellen  einge- 


1 33  Reliquienbehftlter. 

fügt.  Die  drei  bildftrreichsten  Evangelienhandschriften  sind  der  Codex  Erz- 
bischofs Egbert  von  Trier  (978  —  993)  in  der  dortigen  Stadtbibliothek 
(Grossquart)  mit  57  Bildern,  das  diesem  gleichzeitige  (bereits  oben  erwähnte) 
Echternacher  Evangeliarium  Königs  Otto  III .  in  Gotha  (Folio)  und  das  in 
der  Stadtbibliothek  zu  Bremen  befindliche,  im  Kloster  Echtem  ach  für  K. 
Heinrich  III.  geschriebene  Evangelistarium  (Quartformat)  ,  beide  letztere 
circa  mit  50  Bildern.  Die  für  vorzüglich  reich  illustrirt  geltende  Mainzer 
Evangelienhandschrift  in  der  Hofbibliothek  zu  Aschaffenburg  vom  Ende  des 
XII.  Jahrh.  hat  nur  39  Bilder.  Von  ganz  besonderem  archäologischem 
Interesse  sind  die  in  mehreren  älteren  Evangelien  -  Codices  vorkommenden 
Dedicationsbilder ,  welche  durch  erläuternde  Inschriften  Licht  über  die  Zeit 
und  die  Umstände  verbreiten ,  unter  denen  die  betreffende  Handschrift  ent- 
stand. So  findet  sich  in  dem  erwähnten  Codex  aureus  aus  St.  Emmeram  zu 
Regensburg  in  der  Münchener  Hofbibliothek  (Cim.  55.)  ein  Bild  Karls  des 
Kahlen,  in  den  Bamberger  Codices  (Cim.  57  u.  60)  derselben  Bibliothek 
die  Krönung  des  Donatorenpaares,  Heinrichs  II.  und  Kunigundens ,  darge- 
stellt ,  in  dem  erwähnten  Bremer  Evangelistarium  der  Besuch  der  Kaiserin 
Gisela  und  ihres  Sohnes  Heinrichs  III.  in  Echtemach,  die  Schreibstube 
dieses  Klosters  mit  zwei  schreibenden  Mönchen  und  Kaiser  Heinrich  in 
seinem  Palaste  thronend  und  von  dem  Abte  des  Klosters  zwei  Votivtafeln 
entgegennehmend.  *)  —  Wenn  solche  Darstellungen  und  Einschriften  feh- 
len ,  so  kann  das  Alter  des  Codex  nur  aus  der  Technik  und  dem  Stile  der 
Miniaturen  (s.  unten  Abschn.  II.  B.)  und  aus  dem  Charakter  der  Schrift 
bestimmt  werden. 

38.  Ausser  den  zur  Consecration  der  Altäre  erforderlichen  Reli- 
quien, die  innerhalb  derselben  beigesetzt  wurden  (s.  oben  S.  98), 
pflegte  man  bei  festlichen  Gelegenheiten  zur  Erbauung  der  Gläubigen 
und  zur  Befriedigung  ihrer  Schaulust  auch  andere  heilige  Ueberreste 
auf  den  Altären  auszustellen  oder  vor  denselben  an  einer  Stange  [per- 
tica)  aufzuhängen,  und  der  Heiligkeit  des  Orts  und  der  den  Reliquien 
gewidmeten  Verehrung  gemäss  bediente  man  sich  dazu  pracht-  und 
kunstvoller  Behälter  [vascula^  thecae)  der  raannichfaltigsten  Art  und 
Formen ,  welche  ausserdem  in  den  kirchlichen  Schatzkammern  oder 
in  den  Schreinen  besonderer  Reliquien altäre  (s.  oben  S.  110)  aufbe- 
wahrt wurden.  *) 

Die  Verehrung  der  Märtyrerleichen  und  Gräber  datirt  aus  der  Zeit 
der  Verfolgungen  der  Christen  in  den  ersten  Jahrhunderten  :  man  besuchte 
die  Gräber  und  opferte  an  denselben,  ohne  ihren  Inhalt  zu  stören.     Seit 


1)  Vgl.  Müller»  H.  A.,  das  ETangelistarium  K.  Heinrichs  m.  in  der  Stadtbibl. 
zu  Bremen,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central- Commission  etc.  (18r»2)  7,  57  ff. 

2)  Vgl.  Augusti,  Denkwürdigkeiten  12,  262— 280.  —  Texier,  Dictionnaire 
d'orfevrerie,  Art.  Reliquiaires  p.  IHM) — 1321.  —  Weiss,  C,  über  Reliquienschreinc, 
in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  (ISSß)  I,  77 — SO.  —  Messmer, 
Jos.  Ant. ,  zur  Gesch.  der  Formen  und  Bezeichnungen  der  Reliquienbehälter  ebd. 
(IS62)  7,  7S-80. 


Reliquienwesen.  \  39 

Constantinus  wurde  es ,  und  zwar  zuerst  im  Oriente  Sitte ,  die  Leiber  der 
Heiligen  von  dem  ursprünglichen  Begräbnissorte  zu  transferiren  und 
Gotteshäuser  über  denselben  zu  erbauen.  Bald  fing  man  auch  an  die 
Ueberreste  zu  theilen  und  einzelne  Partikeln  der  Gebeine  nicht  nur,  son- 
dern überhaupt  aller  der  Gegenstände ,  die  mit  dem  Leibe  des  Heiligen 
im  Leben  und  im  Tode,  oder  mit  seinem  Grabe  in  Berührung  gekommen 
waren,  namentlich  nach  solchen  Orten  als  Heiligthümer  zu  versenden, 
wo  es  an  Reliquien  fehlte ,  deren  man  zur  Consecration  der  Altäre  nach 
der  Weise  der  römischen  Kirche  bedurfte.  *)  Dem  mit  diesen  Transloca- 
tionen  frühzeitig  verbundenen  Unfug  der  unrechtmässigen  Zueignung  und 
Versendung  von  Reliquien  ftir  Geld  musste  schon  ein  Gesetz  K.  Theo- 
dosius  des  Grossen  vom  J.  386  entgegentreten^),  und  obgleich  man  noch 
Jahrhunderte  hindurch  sich  darauf  beschränkte,  die  Reliquien  in  den 
Altären  und  Kirchenmauern  (s.  oben  S.  34)  beizusetzen,  so  nahm  doch 
die  Zerth eilung  und  Versendung  der  Gebeine  mit  der  Ausbreitung  des 
Chris tenthums  in  solchen  Gegenden ,  wo  es  an  Märtyrergräbern  fehlte, 
einen  immer  grösseren  Umfang  an,  zumal  als  es  üblich  wurde,  eine  capsa 
mit  den  Reliquien  auch  sichtbarlich  auf  den  Altar  zu  stellen :  eine  Sitte, 
die  P.  Leo  IV.  (S47 — 855;  und  das  Concil  zu  Rheims  vom  J.  867  aus- 
drücklich genehmigten.  ^)  Durch  die  Römerzüge  der  Deutschen  kamen 
unzählige  Heilthümer  aus  Italien  nach  Deutschland,  durch  die  Pilger- 
reisen nach  dem  heiligen  Lande  und  besonders  durch  die  Kreuzzüge  aus 
Constantinopel  und  Jerusalem  nach  allen  europäischen  Ländern.  An  ge- 
winnsüchtigen bewussten  und  an  frommen  unbewussten  Täuschungen 
fehlte  es  schon  in  den  frühesten  Jahrhunderten  nicht;  dennoch  bleiben 
noch  immer  die  römischen  Katakomben  die  unerschöpfliche  Fundgrube 
neuer  Reliquien  unter  päpstlicher  Autorität,  obschon  der  frühere  schmäh- 
liche Handel  damit  und  die  Werthschätzung  derselben  nach  Geld  seit  der 
Reformation  in  der  katholischen  Welt  aufgehört  hat.  Schon  die  Unge- 
wissheit  über  die  Echtheit  der  meisten  Reliquien,  die  offenbare  Unechtheit 
vieler  und  die  Skurrilität  mancher  hätte  die  Reformatoren  zur  Abschaffung 


1)  Ambrosiiad  Marcellinam  sororem  ep.  22  et  54  ;  vgl.  Laib  u.  Schwarz, 
Studien  etc.  S.  8  u.  16. 

2)  Cod.  Theodos.  1.  VII.  tit.  de  sepulcr.  violat. ;  vgl.  Augusti  a.  a.  O.  S.  275. 

3)  »Super  aUttre  nihil  ponaiur  nisi  capsa  et  reliquiae  Sanctorum,  out  forte  qua- 
tuor  Evanpelia  et  buxida  cum  corpore  Domini  ad  viaticum  mfirmorum.tt  Leo  IV. 
Homil.  de  cura pastoral.  —  Concil.  Rhemens.  apud  Burcharal.  3.  Beeret,  c.  97.  — 
Vgl.  Laib  u.  Schwarz  a.  a.  O.  S.  32.  —  In  Kirchen  mit  Ciborienaltaren  Mrurden 
die  Reliquiarien  vor  dem  Altare  aufgehängt,  was  durch  die  Weiheformel  des  Cibo- 
riums  [tegumen  venerandi  altaris)  in  einem  angelsächsischen  Pontificale  ausdrücklich 
bezeugt  wird ,  worin  erwähnt  werden :  » Omnia  omamenta  ad  ipsum  umbraculum 
pertinentia,  vel  ab  illo  dependentia  atU  eidem  subposita«  (Texier,  Dictionnaire  d'or- 
f^vrerie  p.  3S3} ,  und  das  Chronicon  Conradi  aus  der  Mitte  des  XIII.  Jahrh.  giebt 
in  Beziehung  auf  diese  im  Dome  zu  Mainz  damals  noch  übliche  Sitte  folgendes  Zeug- 
niss:  »Erat  pertiea  argentea  eoncava  deaurata,  quae  tantum praecipuis  festis  ante 
aUare  dependehaty  in  qua  vascula  suapendebantur,  quaedam  ebumea,  quaedam  argentea, 
formarum  dirersarumy  omnia  reliquiis plena,«  (Vgl.  Urstisius,  German.  historicor. 
illustr.  ],  56S  lin.  14).  So  erklären  sich  die  an  vielen  Elfenbein-  und  anderen  Kap- 
seln oben  befindlichen  Löcher  und  Oesen :  sie  dienten  zur  Befestigung  von  Schnüren 
oder  Ketten  beim  Aufhängen  an  der  Pertiea. 


140  Reliquienbehälter. 

der  Reliquienverebrung  nöthigen  mflssen ,  wenn  sie  es  nicht  wegen  der 
damit  verbundenen  abergläubischen  Missbräuche  von  Qewissenswegen 
gethan  hätten :  unanständige  und  schimpfliche  Behandlung  der  vorhande- 
nen Reliquien  erklärten  sie  für  unerlaubt  *) ;  leider  aber  reizten  die  kost- 
baren Behälter  derselben  vieler  Orten  zu  gewinnsüchtigem  Vandalismus, 
und  noch  mehr  gingen  in  Kriegsnöthen  (auch  schon  im  M.  A.)  durch 
Feind  und  Freund  zu  Grunde. 

Die  erste  Erwähnung  eines  Reliquiariums  findet  sieh  schon  im  IV. 
Jahrh.  bei  dem  häretischen  Priester  Vigilantius  ^)  :  ein  geringes  kleines 
Behältniss,  in  welchem  die  Reliquie  lag,  gehüllt  in  köstliche  Leinwand.  — 
Das  vielfache  Vorkommen  einander  typisch  ähnlicher  Elfenbeinkästchen, 
entweder  mit  heidnisch  agonistischen  oder  mit  christlich  antiken  Reliefs 
verziert ,  und  in  gleicher  Weise  geschmückten  runden  Elfenbeinbüchsen, 
die  in  Italien  tmd  Constantinopel  verfertigt  worden  sind ,  scheint  zu  er- 
weisen ,  dass  man  im  früheren  M.  A.  die  Reliquien  meist  in  dergleichen 
Elfenbeinladen  und  Büchsen  aus  Italien  und  dem  Oriente  versandte.  Aus 
der  Zeit  der  Kreuzzüge  kommen  ähnliche  omamentirte  Kapseln  und  Käst- 
chen vor,  die  aus  Knochen  oder  Elfenbein  verfertigt  und  mit  arabischen 
Inschriften  versehen  sind,  und  Mrie  die  gleichzeitigen  Kästchen  aus  feinem 
Holze  (bemalt  oder  mit  Seidenzeug  überzogen) ,  zum  Transporte  von  Par- 
tikeln gedient  haben  werden,  wozu  anderweitig  auch  Beutel,  imd  zur 
Fortschaifung  ganzer  Leiber  selbstverständlich  grössere  Kisten  benutzt 
wurden.  Nachdem  die  öiSentliche  Zeigung  {ostettaio)  imd  Ausstellung  der 
Reliquien  aufgekommen  war,  vermehrte  sich  bis  zum  Zeitalter  der  Refor- 
mation die  Anzahl  derselben  bis  ins  Fabelhafte  *)  ,  und  die  Kunst  und 
das  Kunsthandwerk  schufen  eine  unzählige  Menge  von  Reliquienbehält- 
nissen in  unerschöpflicher  Mannichfaltigkeit  der  Formen  aus  den  kost- 
barsten Stoffen  (Gold,  Silber,  Elfenbein ,  edelen  Steinen,  Krystall,  feinen 
Holzarten  etc.,    am. häufigsten  aus   vergoldetem  Kupfer  imd  Messing). 


1)  August!  a.  a.  O.  S.  279. 

2)  »  Pulviscukim  nescio  quod  in  modico  vasculo  pretioao  linteemiine  circutndattim 
osculantes adorant,n  Hieronymusadv.  Vigü.  c.  7.  —  Vgl.  Augusti  a.a.O.  S.  278. 

3)  Der  Dom  zu  Halle  a.  d.  S.  besass  nach  dem  Heiligthumsbuche  von  1520  8133 
Partikel  (darunter  in  einem  Sarge  1243  Partikel)  und  42  ganze  Körper  (in  m^hr  als 
200  Behaltnissen},  deren  Zeigung  jährlich  am  Sonntage  nach  Maria  Geburt  stattfand, 
woran  ein  Ablass  von  39,245,120  Jahren  und  220  Tagen  nebst  6,540,000  Quadragen 
geknüpft  war.  Vgl.  Dreyhaupt,  Job.  Chrstph:  v. ,  Beschreib,  des  Saal-Creyses 
1,  866  u.  855  (Czum  neunden).  —  Die  Zeigung  der  Reliquien  geschah  in  einzelnen 
Abtheilungen  (Gängen),  entweder  vor  einem  Altare  in  der  Kirche,  während  die 
Gläubigen  vorabergingen,  oder  von  Altanen  oder  Galerien  (Heiligthumsstahlen; 
8.  oben  S.  77)  herab  an  das  im  Freien  versammelte  Volk.  Sehr  interessant  ist  die 
Darstellung  mit  dem  nheyltumhsiueU  bei  St.  Stephan  in  Wien  auf  einem  Holzschnitte 
des  Wiener  Heiligthumsbuches  von  1512  (Sign,  aiij  f.  v. ;  im  Kupferstichcabinet  zu 
Berlin) :  man  sieht  ein  rechteckiges,  stadtthorartiges  Gebäude,  unten  mit  einer  offnen, 
überwölbten  Durchfahrt ,  oben  unter  dem  Dache  mit  einer  Reihe  von  Spitzbogen- 
fenstem,  aus  welchen  Teppiche  herabhängen ;  an  jedem  Fenster  stehen  zwei  Cleriker, 
die  mit  der  Vorzeigung  von  Reliquien  beschäftigt  sind.  Unten  auf  der  Gasse ,  und 
zwar,  wie  man  durch  die  offene  Thorhalle  sieht,  auf  beiden  Seiten  des  Gebäudes, 
sitzt  das  Volk ,  Männer  und  Weiber  durcheinander ,  dichtgedrängt  auf  Bänken ,  und 
noch  mehr  stehen  im  Kreise  umher.  —  Durch  verschiedene  Hundegruppen  gewinnt 
das  Bild  noch  an  Lebenawahrheit. 


Beliquienselifttze.  1 4 1 

Dem  Inhalte  nach  lassen  sich  die  Reliquiarien  in  zwei  Klassen  theilen : 
in  solche,  die  nur  die  Ueberreste  eines  Heiligen  umschliessen,  und  andere, 
welche,  was  gewöhnlich  der  Fall  war ,  die  Partikeln  von  mehreren  Heili- 
gen aufiiahmen.  Die  zusammengehörigen  Fragmente  hüllte  man -besonders 
in  seidene  und  leinene  Stoffe  und  befestigte  an  den  einzelnen  Päckchen 
Etikets  (gewöhnlich  Pergamentstreifen,  seltener  Bleitäf eichen)  mit  den 
Namen  der  betreffenden  Heiligen.  ^)  Auch  war  es  üblich  den  Reli- 
quien einige  Weihrauchkömer  oder  andere  balsamische  Stoffe  beizu- 
schliessen.  *) 

Was  die  in  deutschen  Kirchen  noch  gegenwärtig  vorhandenen  Schätze 
an  Reliquiarien  und  deren  antiquarischen  und  Kunstwerth  anbetrifft ,  so 
geht  das  Münster  zu  Aachen  ')  allen  übrigen  voran.  Die  ersten  Plätze 
nehmen  femer  ein  die  Ooldkammer  des  Münsters  zu  Essen  ^ i,  die  Zither 
der  Schlosskirche  zu  Quedlinburg  ^)  und  des  Doms  zu  Halberstadt  *) ,  die 
Schätze  von  Lüneburg  und  Braunschweig  in  der  Schlosskapelle  zu  Han- 
nover ^) ,  der  Dom  zu  Hildesheim  ®)  ,  der  aus  Trier  stammende  Schatz  im 
Dome  zu  Limburg  a.  d.  Lahn.  *)  Die  Cölner  Schätze  sind  zerstreut : 
manches  Wichtige  davon  ist  in  das  Museum  zu  Darmstadt  übergegangen, 
anderes  findet  sich  noch  in  den  Kirchen  von  Cöln.  ^®)  Ausgezeichnet  ist 
auch  die  aus  der  Stiftskirche  zu  Siegburg  in  die  dortige  Pfarrkirche  ge- 
kommene Sammlung  ^^) ,  nennenswerth  ebenfalls  der  Schatz  in  Kloster- 
neuburg ^^)  und  für  die  spätere  Zeit  der  Domschatz  in  Prag  u.  s.  w. 


1]  Nicht  selten  freilich  musste  man  gewissenhafter  Weise  darauf  schreiben: 
»De  8,  reliquiis  quoritm  nomen  novit  Deus.n  Vgl.  Texier  a.  a.  O.  Sp.  829  u.  871. 

2)  Durandi,  Rationale  1.  ]  c.  7  n.  25:  » Hecanduntur  reltqutae  sanctorum  cum 
tribus  granis  thuris  in  Capsula,«  Vgl.  Bock,  das  heil.  Köln.  St.  Andreas  S.  1 9. 

3}  Weerth,  E.  aus'm,  Kunstdenkm.  des  christl.  M.  A.  in  den  Rheinlanden. 
Abth.  I.  Bd.  n.  S.  55—139  u.  Taf.  XXXQ— XXXIX;  Vgl.  Floss,  Geschichtliche 
Nachrichten  der  Aachener  Heiligthümer  1855.  —  Bock,  Fz.,  der  B^liquienschatz  zu 
Aachen.  1860. 

4)  Weerth,  E.  aus'm,  a.  a.  O.  S.  19—37  u.  Taf.  XXIV— XXIX. 

5]  Steuerwald,  W.,  u.  Virgin,  C,  die  mittelalterl.  Kunstschatze  im  Zitter- 
gewölbe der  Schlossk.  zu  Quedlinb.  Ebd.  1855.  Vgl.  Wallmann,  J.  Andr.,  von  den 
Alterthümem  der  Stiftsk.  zu  Quedlinb.  1776.  —  Riecke,  J.  F. ,  Alterthümer  und 
Sehenswürdigkeiten  des  Stifts  Quedlinb.  1852.  —  Kugler,  Kl.  Schriften  1,  623— 
639.  —  Bock,  Fz. ,  Kunstschätze  des  M.  A.  in  der  Schlossk.  zu  Quedlinb. ,  in  der 
Wiener  Ztg.  1860  No.  96  f. 

6)  Augustin,  Chr.  F.  Bemh.,  in  den  N.  Mittheil,  des  thüring.-sachs.  Vereins 
Vn.  2,  65  u.  81.  —  Kugler,  Kl.  Schriften  1,  134.  —  Lucanus,  F.,  Dom  zu  Hal- 
berstadt.  S.  9. 

7)  Vogell,  Kunstarbeiten  aus  Niedersachsens  Vorzeit  1845  etc.  Vgl.  Mola - 
nus,  Gerh. ,  Lipsanographia ,  siye  thesaurus  reliquiarum  Elect.  Bruns.  Luneb.',  als 
Anhang  zu  Jung,  Disquisit.  antiq.  de  reliquiis  ed.  4.  1783.  —  Die  Reliquienkammer 
im  Residenzschlosse  zu  Hannoyer ,  in  der  Augsb.  Postztg.  1 859  No.  22.  —  Der  ehe- 
mal. Braunschw.  - Lüneb.  Electoralschatz ,  jetzt  in  Hannoyer,  in  der  Wiener  Ztg. 
1859.  No.  21. 

8}  Kratz,  J.  Mich.,  der  Dom  zu  Hildesheim.  1840. 

9)  Krebs,  J.  Ph.,  Lipsanotheca  Weilburgensis.  (Wiesbad.)  1820. 

10)  Bock,  Fz.,  das  heü.  KOhi.  1858.  Vgl.  Kugler  a.  a.  O.  2,  334. 

11)  Organ  für  christl.  Kunst  1853  No.  19—23.  Vgl.  Kugler  a.  a.  O.  2,  329. 

12)  Weiss,  C,  der  Schatz  des  regulirten  Chorherrenstiftes  zu  Klostemeuburg  in 
Niederösterreich,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  eto.  1861.  6,  233  ff. 


142  Reliqui  ennftrge . 

Anmerkung.  Unter  Zuhilfenahme  alter  Schatzverzeichnisse*) 
und  der  mit  Abbildungen  versehenen  Heiligthumsbücher*)  des  XV . 
und  XVI.  Jahrh.  lassen  sich  die  Reliquiarien  der  Form  nach  etwa  auf  fol- 
gende Klassen  zurückführen  : 

1.  Hierotheken  in  der  Grundform  eines  viereckigen  Kastens:  Särge, 
Kästchen,   Pulte,   Bücher,   —  Schachteln. 

a.  Behältnisse,  welche  für  einen  oder  für  einige  ganze  Körper  bestimmt 
sind;  sie  kommen  vor  unter  der  allgemeinen  Bezeichnung  Kasten  (capsa, 
im  mittelalterlichen  Deutsch  vom  VIII.  bis  XV.  Jahrh.  chaftta,  kafo,  caps, 
cAetfsa,  cAe/sa,  chephsa,  kafoe,  kefs;  franz.  chd^se)  ,  Kiste  (cisia)  ^  Lade 
(coffra),  Schrein  {scrinium,  arca),  Sarg  [tumba,  feretrum,  {r&nz.  ßerte) ,  von 
etwa  4—6  F.  Länge,  IV^— 2  F.  Breite,  1%— 4  F.  Höhe,  länglich  vier- 
eckig, nach  Art  der  antiken  Sarkophage  mit  djichartigem  Obertheil,  also  in 
der  Form  eines  Hauses  oder  einer  Kirche,  selbst  in  der  Grundform  des  latei- 
nischen Kreuzes  oder  gar  mit  niedrigeren  Seitenschiffen  unter  Pultdächern 
und  analog  dem  Baustile  der  betreffenden  Zeit :  in  der  späteren  gothischen 
Periode  mit  Strebepfeilern  und  Maasswerkfenstem  f Blenden) .  Der  Kasten 
selbst  ist  aus  Holz ,  mit  vergoldetem  Metallbiech  (Silber  oder  Kupfer)  über- 
kleidet, welches  mit  getriebenen  Reliefs  (auf  den  Langseiten  gewöhnlich  mit 
den  sitzenden  Figuren  der  Apostel  etc. ,  auf  den  Giebelseiten  mit  dem  seg- 
nenden Christus  und  der  Gottesmutter,  auf  den  Dachschrägen  mit  Compo- 
sitionen  aus  der  biblischen  Geschichte  oder  aus  der  Legende  des  betreffenden 
Heiligen)  ,  mit  Email  und  cdelen  Steinen  oder  Glasflüssen  geschmückt  ist. 
Auf  dem  First  und  an  den  Giebelschenkeln  zieht  sich  ein  durchbrochener 
Dachkamm  hin,  der  auf  den  Ecken  und  in  ebenmässigen  Abständen  Kugeln 
oder  Knäufe  (häufig  aus  Krystall  verfertigt)  trägt.  Von  solchen  glänzenden 
Meisterwerken  der  beschriebenen  Art,  die  in  anderen  Gegenden  sich  nur 
selten  erhalten  haben ,  ist  in  den  Rheinlanden  noch  eine  reiche  Anzahl  aus 
der  Zeit  von  etwa  1150  bis  1250  vorhanden:  im  Münster  zu  Aachen  der 
Kasten  mit  den  Gebeinen  Karls  des  Grossen  (der  grosseste  von  allen,   6  F. 


1 )  Unter  den  SchatEverzeiohnissen  deutscher  Kirchen ,  deren  Bock  in  seinem 
t> heiligen  Köln«  mehrere  publicirt  und  erläutert  hat,  ist  besonders  wichtig  das  reich- 
haltige ,  von  demselben  Gelehrten  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central  -  Commission 
]S59.  -1,  23S  ff.  mit  Anmerkungen  veröffentlichte  »Inventarium  ecelesiae  Pragefiiam 
von  I3S7,  weil  in  demselben  die  ReliquienbehAlter  nach  ihren  Formen  in  verschie- 
dene Kubriken  getheilt  und  mindestens  alle  Hauptklassen  repr&sentirt  sind. 

2)  Dergleichen  Heiligthumsbücher  existiren  von  Würzburg ,  gedr.  zu  Nürnberg 
1 483  (vgl.  N  i  e  d  e  r m  a  y  e  r,  Antir. ,  Kunstgesch.  der  Stadt  Wirzburg  S.  2.*{9  ff. ) ,  Nürn- 
berg, gedr.  daselbst  1-1^7  u.  1493,  Bamberg,  gedr.  zu  Nürnberg  1493  u.  1509,  An- 
dechs,  o.  J.,  gedr.  zu  Wessobrunn,  Wien,  gedr.  ebd.  1502,  1512  u.  1514,  Wittenberg, 
gedr.  ebd.  1509  fabgedr.  mit  dem  Hallischen  zusammen  durch  Wolfg.  Franzius, 
Wittenberg  HJls  und  Halle,  gedr.  ebd.  1520  (abgedr.  bei  Dreyhaupt  a.  a.  O. 
S.  S53ff.j  Vgl.  Heller,  Jos.,  das  Leben  und  die  Werke  Lucas  Cranachs  (Bamb. 
1821!  S.  312 — 309.  —  Als  in  Halle  die  Reformation  die  Oberhand  gewann,  wurden 
die  Heiligthümer  von  da  nach  Mainz  versetzt;  vgl.  Merkel,  Jos.,  der  Mainzer  Dom- 
schatz, in  flithochrom.)  Abbildungen  nach  einem  in  der  Hofbibliothek  zu  Aschaffen- 
burg  befindlichen  Miniaturwerke  aus  dem  XVI.  Jahrh.  1^4^.  —  Die  vorgenannten 
» Jfeiliffthumsbächem  sind  sehr  selten;  Exemplare  derjenigen  des  XVI.  Jahrh.  besitzt 
da»  königl.  Kupferstichcabinet  zu  Berlin. 


Reliquiensärge. 


143 


4%Z.  lang,  1  F.  10%  Z.  breit  und  2  F.   I1%Z.  hoch)  um  1166—1215*) 
und  der  Kasten  »ad  laudem  h.   Virginisa  mit  den  vier  grossen  Reliquien  (in 


fii>n 


:-l-KJ. 


sYä 


m 


im 


,_L--." 


Fig.  51.  Kasten  Karls  des  Grosi^en  zu  Aachen  (nach  aus^m  Weerth). 

Länge  und  Breite  etwas  geringer,  aber  mit  Querschiff)  nach  I  2*20  *} ;  meh- 
rere in  Co  In,  vor  allen  der  Kasten  der  heil,  drei  Könige  im  Dom  (mit 
Seitenschiffen  versehen,  5%  F.  lang  und  A%  F.  hoch,  der  höchste  von 
allen)  aus  dem  XII.  Jahrh.,  aber  öfter  und  zuletzt  nach  einem  Diebstahl  der 
glücklich  wieder  aufgefundenen  Metallbcklcidung  im  J.  1827  restaurirt ')  ; 
ferner  in  St.  Ursula  der  Kasten  der  Titelheiligen  (nur  3%  F.  lang,  mit  runder 
Bedachung  und  entsprechenden  Giebellünetten)  aus  dem  XII.  Jahrh.  *)  und 
noch  zwei  andere  in  dem  alten  Altaraufbau  (s.  oben  S.  110),  beide  beschä- 
digt ,  und  der  eine  schon  gothisch ;  in  St.  Maria  in  der  Schnurgasse  der 
Kasten  des  heil.  Albinus  vom  J.  1 186  *)  und  der  des  heil.  Maurinus ,  um 
1200  *)  ;  endlich  in  St.  Severin  der  beschädigte  Schrein  dieses  Heiligen.  '') 
In  der  Kirche  zu  Deutz  der  Kasten  des  heil.  Heribert,  XII.  Jahrh.®]  ;  in 
der  Pfarrkirche  zu  Siegburg  der  Kasten  des  heil.  Anno  und  noch  zwei 
grössere  romanische,  ein  gothischer  und  einige  kleinere  romanische  Kästen®) ; 
in  der  Kirche  zu  Kaiserswerth  der  Kasten  des  heil.  Suidbert  und 
seines  Gefährten  Willeikus,  um  1264  und  noch  romanisch*®)  ;  im  Hoch- 
altar des  Doms  zu  Xanten   der  Kasten  des  heil.  Victor  aus  dem  XII. 


1)  Zuerst  publicirt  von  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXXVII.  1  — le.  Vgl. 
Kftntzeler,  P.  St. ,  der  die  Gebeine  Karls  des  Grossen  enthaltende  Behälter  isöO. 

2)  Abbild,  bei  Ca  hier,  Mölangcs  d'Arch^ol.  Vol.  I  Taf.  \—'.\  u.  bei  aus*m 
Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXXVI.  1—7. 

3)  Bock,  das  heU.  Köln.  Taf.  XI.  44  u.  Taf.  XII.  44  a.  Vgl.  J.P.N.  M.  V(ogel}, 
Samml.  der  prächtigen  Edelgesteine ,  womit  der  Kasten  der  h.  3  weisen  Könige  etc. 
(Bonn  17S1). 

4)  Abbild,  bei  Bock  ebd.  Taf.  VII.  2S. 

5)  Abbild,  ebd.  Taf.  XXXVU.  107. 
6]  Abbild,  ebd.  Taf.  XXXVIU.  108. 

7)  Abbild,  eines  Emails  ebd.  Taf.  XLI.  114. 

8)  Abbild,  ebd.  Taf.  XXIV.  86. 

9)  Skizzirte  Abbild,  im  Organ  für  cbristl.  Kunst  1853,  artist.  Beilage  zu  No.  23. 
10)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXX. 


1 44  Keliquiensfirge. 

Jahrh.  (mit  älteren  Bestandtbeilen)  *)  ;  in  der  Stadtbibliothek  zu  Trier  ein 
emaillirter  Kasten  aus  dem  XII.  Jahrb.  —  Aus  spätgotbischer  Zeit  ist  der 
über  4.  F.  lange  Makkabäerkasten  in  St.  Andreas  zu  Co  In  ganz  mit  figu- 
renreicben  Reliefs  aus  der  Geschichte  dieser  alttestamentlichen  Märtyrer 
bedeckt^),  sowie  der  Schrein  des  Titelheiligen  in  St.  Emmeram  zu  Regens- 
burg (vom  J.  1423).  —  Dem  Reichthum  der  niederrheinischen  Gegend 
schliesst  sich  Westfalen  an,  doch  sind  die  Maasse  der  vorhandenen 
Kästen  meist  bedeutend  geringer  und  rühren  erst  aus  spätromanischer  und 
gothischer  Zeit  her :  im  Dom  zu  Minden  ein  kleiner,  aber  prächtig  ornamen- 
tirter  roman.  Kasten ,  in  der  Johanneskirche  zu  Herford  ein  ähnlicher  und 
in  der  Kirche  zu  Beckum  ein  grösserer  spätroman.  Kasten,  fünf  Kästen  im 
Dom  zu  Osnabrück,  unter  denen  zwei  (die  der  heil.  Crispinus  und  Crispi- 
nianus)  romanisch,  ein  etwa  5  F.  langer  (der  heil.  Regina)  frühgothisch, 
ein  kleiner  im  ausgebildet  gothischen  Stil ,  mit  Strebepfeilern  und  Maass- 
werkfenstem,  und  der  ähnliche  Cordulakasten  aus  dem  XV.  Jahrh.  ;  endlich 
der  Patrocluskasten  (über  5  F.  lang  und  mit  Querschiff;  meisterhaft  ih  der 
Architektur,  weniger  in  den  vielen  Figuren)  vom  J.  1313  aus  dem  Dome  zu 
Soest  auf  der  Kunstkammer  im  N.  Museum  zu  Berlin,  ein  kleinerer  Kasten 
in  der  Kirche  zu  Rhynern  von  14  57  und  ein  noch  kleinerer  aus  dem  XVI. 
Jahrh.  in  der  Kirche  zu  Bochum.  ^}  —  Den  älteren  Prachtsärgen  reihen  sich 
zwei  niedersächsische  Beispiele  im  Dome  zu  Hildesheim  an:  der  Epi- 
phanius-  und  der  Godehardskasten  (letzterer  besonders  prachtvoll,  aus  der 
Zeit  um  1150).  *)  —  Ausgezeichnet  durch  Material,  Grösse  (6  F.  lang, 
V/f  F.  hoch)  und  Kunstarbeit  ist  der  Kasten  der  heil.  Elisabeth  in  der  ihr 
geweihteA  Kirche  zu  Marburg,  aus  der  Zeit  um  1300.  *)  —  Der  aus 
Bremen  stammende  Kasten  der  h.  h.  Cosmas  und  Damian  in  der  Michaelis- 
kirche zu  München  hat  die  Form  eines  gothischen  Domes.  ^)  —  Der  Sarg 
des  heil.  Scbaldus  von  1394  in  der  gleichnamigen  Kirche  zu  Nürnberg 
ist  mit  Rauten  aus  Silberblech  beschlagen,  mit  über  die  Fugen  gelegten 
Goldstreifen,' in  einfacher  Hausform  ohne  architektonischen  und  bildnerischen 
Schmuck.  Aehnlich  orhamentirt  ist  der  Kasten  des  heil.  Arsacius  in  der 
Frauenkirche  zu  München  und  der  Kasten,  in  dem  seit  1424  die  deut- 
schen Reichsreliquien  in  der  Spitalkapelle  zu  Nürnberg  (vor  Diebstahl  ge- 
sichert unter  der  Decke  schwebend)  bis  zur  Auflösung  des  Reiches  aufbe- 
wahrt wurden;  vgl.  die  Abbild,  im  Anzeiger  des  german.  Museums  1861, 
zu  Sp.  437. 

In  spätgotbischer  Zeit  wurden  auch  ganz  in  der  Weise  der  mit  Metall 
bekleideten  Prachtsärge  dergleichen  in  vergoldetem  und  polychromirten 
Schnitzwerke  ausgeführt;  wir  nennen:  einen  Reliquienschrein  in  der 
Spitalkirche    zu    Salzburg  ^) ,     den    Antoninaschrein    in    St.    Johann    zu 


1)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Bd.  I.  Taf.  XVm.  1. 

2)  Abbild,  bei  Bock  a.  a.  O.  Taf.  V.  23. 

3)  Ueber  diese  westfkl.  Beispiele  vgl.  Lübke,  W. ,  die  mittelalterl.  Kunst  in 
Westfalens.  405 ff. 

4 )  Ungenügende  Abbild,  bei  K  r  a  t  s,  Dom  zu  Hildesheim.  T^f.  XU.  3  u.  Taf.  IX.  1 . 

5)  Abbild,  bei  Justi,  C.  \V.,  Elisabeth,  die  Heilige.  1S35)  S.  240. 

6)  AbbUd.  bei  den  BoUandisten  (27.  Sept.)  7,  428. 

7)  Abbild,  in  den  Mittelalterl.  Kunstdenkm.  des  Österreich.  Kaiserstaates,  her* 
auflgegeb.  von  O.  Heider  und  Rud.- v.  Eitelberger.  Bd.  1  Taf.  XX. 


ReUquienkftatchen.  145 

COln  *)  f  den  Kasten  des  heil.  Castor  in  der  Stiftskirche  zu  Garden,  einen 
kleineren  zu  Brühl  bei  Bonn  und  drei  grössere  im  Zither  der  Schlosskirche 
zu  Quedlinburg.  ^}  Berühmt  ist  der  Ursulakasten  im  Johannes-Hospital  zu 
Brügge  w^en  der  Malereien  Ton  Hans  Memling  in  den  Füllstücken ;  er- 
wähnenswerth  auch  ein  ähnlicher  Kasten  in  der  Pfarrkirche  zu  Str&len  (im 
Clevischen)  wegen  der  kostbaren  Miniaturen  aus  dem  Leben  Christi  an  den 
vier  Seiten  etc. 

Der  Gebrauch,  die  Reliquiensärge  auf  Bahren  in  den  Processionen 
herumzutragen,  veranlasste  auch  die  Kunst,  dergleichen  Schreine  anzuferti- 
gen, die,  auf  den  Schultern  von  Clerikerüguren  ruhend ,  von  diesen  schein- 
bar getragen  werden.  Bahin  gehört  das  kostbare,  geg^n  4  F.  hohe,  aus 
vergoldetem  Silber  gearbeitete,  90  Pfd.  schwere  nFeretruma^  aus  dem  XIV. 
Jahrh.  im  Münster  zu  Aachen :  es  ruht  auf  vier  Säulen,  neben  denen  Engel- 
\md  Bischofsfig^en  stehen.  ')  Auch  in  St.  Cimibert  zu  Cöln  ist  ein  aus  ver- 
goldetem Kupfer  verfertigter  Reliquienschrein  aus  dem  XV.  Jahrh. ,  den 
vier  Akoluthen- Statuen  bahrenartig  auf  den  Schultern  tragen.  ^) 

b.  Kleinere  Kästen  zur  Aufnahme  von  Partikeln  :  Kästchen,  Särg- 
chen [capsulae,  arculae,  cistulae,  ladulae,  scrintola)  von  länglich  viereckiger 
Form,  mit  Schieb-  oder  Klappdeckel  und  Schloss ,  auch  mit  nach  allen  vier 
Seiten  walmartig  gehobenem  Deckel,  oder  als  Diminutiva  der  grossen  Kästen 
in  Haus-  und  Kapellenform ;  aus  Holz  verfertigt  und  mit  Elfenbein,  mit 
emaillirtem  Metallblech,  mit  Zeug  überzogen  oder  auch  bemalt.  Dergleichen 
Kästchen  sind  noch  in  grosser  Zahl  vorhanden ;  wir  beschränken  uns  auf 
einige  Beispiele  von  den  verschiedenen  Varietäten. 

Mit  Elfenbeinplatten  überzogene  Kästchen  aus  {einem  Holze,  mit 
Schiebdeckel  imd  Schloss,  etwa  16  Z.  lang,  6  Z.  breit  und  4  Z.  hoch,  wie 
sich  dergleichen  z.  B.  in  der  Elirche  zu  Cranenburg  bei  Cleve  und  im  Dome 
zu  Xanten  '^j  vorfinden ,  scheinen  in  Italien  (wo  sich  ein  ganz  übereinstim- 
mendes Kästchen  im  Museum  zu  Arezzo  befindet,  ein  ähnliches  auch  im 
Capitular- Archive  zu  Cividale)  •)  allgemein  gewesen,  und  als  Behältnisse 
zum  Reliquientransport  nach  Deutschland  gekommen  zu  sein.  Die  Relief- 
darstellungen antiker  Kämpfe,  mit  denen  sie  versehen  sind,  könnten  auf 
hohes  Alter  deuten;  die  aus  Sternchen  in  Runden  bestehende  Verzierung 
bietet  zu  näherer  Bestimmung  der  Entstehimgszeit  keinen  Anhalt.  Gleichem 
Zwecke  dürfte  ein  ähnliches  in  St.  Gereon  zu  Cöln  befindliches ,  mit  einer 
beinartigen  Masse  bekleidetes  Kästchen  ^)  gedient  haben,  sowie  ein  anderes 
in  St.  Andreas  daselbst  ®),  beide  mit  einander  verwandten  eingravirten  Orna- 
menten, ersteres  überdies  mit  einer  arabischen  Inschrift,  also  sicher  orienta- 
lischen Ursprungs  und  wohl  aus  der  Zeit  der  Kreuzzüge.    Einfacher  Art 


1]  Abbild,  bei  Bock  a.  a.  O.  Taf.  XXXII.  9S. 

2)  Vgl.  Kugler,  Kl.  Schriften  I,  638. 

3)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXVIII.  1  u.  in  den  Mittheil,  der 
k.  k.  Central-Commission  etc.  1859  Bd.  4  Taf.  VHI. 

4)  Abbild,  bei  Bock  a.  a.  O.  Taf.  XV.  56. 

5)  AbbUd.  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  VI.  8— 8c  u.  Taf.  XVH.  2— -Zb. 

6)  Abbild,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  1859.  Taf.  zu  4,  325. 

7)  Abbild,  bei  Bock  a.  a.  O.  Taf.  I.  5. 

8)  Abbild,  ebd.  Taf.  IV.  22 ;  b.  den  umstehenden  Holzschnitt. 

0 1 1  e ,  Kuntt- Arch&ologie.  ]  Q 


146  Beliqtiien  -  Kflsten, 

sind  zwei  Kästchen  im  Dome  zu  Merseburg ,  von  denen  das  eine  mit  roma- 
nischen Ornamenten  bemalt  (ersichtlich  aber  aus  einem  älteren  ähnlichen 
Kästchen  umgearbeitet) ,  das  andere  mit  einem  gewebten  Stoffe  überzogen 
ist.  Sehr  wahrscheinlich  wurden  dergleichen  Kästchen  in  Byzanz  und  Italien 
zu  beliebigem  Gebrauche  verfertigt  und  an  den  Markt  gebracht ,  wo  sie  zur 
Verpackung  von  Reliquien  gekauft  wurden.  Auch  aus  späterer  Zeit  kommen 
in  den  Kirchen  Kästchen  vor,  die  ursprünglich  für  profane  Zwecke  bestimmt 


KjJä^i^-^-*  *  *>  ^  ^  *'  ■*  a-^^^n!?^     1 

c5p_w.,^fĻ3gBCiwar         1 

.      .  .viyt'^r.^':^^^^^^  -^^ij.r.  ^:m.'^^j  ,           1 

■@^'4;('^:.  -    . 

\m           — 

i'i^Stlil 

©  (S  ©  ®  (s:H«^H 

i@@@f@iii  @  ^  ®m®mm&wm>  "ww^ 

Fig.  52.  Reliquienkftstchen  in  St.  Andreas  zu  Cöln  (nach  Bork). 


waren,  z.  B.  in  St.  Ursula  zu  Cöln  ein  Paar  sehr  zierliche  mit  Liebesscenen 
geschmückte  Elfenbein -Toiletten  aus  dem  XIV.  Jahrb.,  Reliquien  der  Titel- 
heiligen enthaltend.  *)  Von  einigen  anderen,  älteren,  mit  Stickerei  überzo- 
genen Kästchen  (mit  abgewalmtem  Deckel)  daselbst  *)  ist  die  ursprüngliche 
Bestimmung  zweifelhaft ;  dagegen  erscheinen  zwei  im  Zither  zu  Quedlinburg 
befindliche  mit  figürlichen  Reliefs  geschmückte  Elfenbeinkästen  (No.  6  mit 
Benutzung  älterer  Reliefs  wahrscheinlich  im  XL  Jahrb.,  das  andere,  No.  7, 
inschriftlich  gegen  das  J.  1200  verfertigt)  bereits  ursprünglich  als  Reliquiarien 
gearbeitet.  ') 

Unter  den  mit  Metallblech  überkleideten  Kästen  (mit  gehobenem  Deckel) 
haben  sich  einige  sehr  alte  Exemplare  erhalten :  ein  Reliquienkästchen  in 
orientalischer  Emailarbeit ,  aus  Constantinopel  stammend ,  der  griechischen 
Inschrift  zufolge  aus  der  Zeit  um  963,  im  Schatze  des  Doms  zu  Lim- 
bui^  a.  d.  Lahn  *)  ;  der  Schrein  des  heil.  Willibrord  im  Münster  zu  Em- 
merich (mit  Mansardendach  ähnlichem  O bertheil)  ,  dessen  Abstammung  aus 
dem  VIII.  Jahrh.  gegründetem  Zweifel  unterliegt,  der  aber  (abgesehen  von 
späteren  Veränderungen)  spätestens  ins  XL  Jahrh.  zu  setzen  sein  wird  *) ; 
ein  aus  Erz  gegossener  hausförmiger  Kasten  mit  figürlichen  Reliefs  auf  den 
Seiten-  und  Dachflächen  in  den  Vereinigten  Samml.  zu  München.  •)  Aus 
dem  XII.  u.  XHI.  Jahrh.  haben  sich  emaillirte  Kästchen  in  Kapellenform 
verhältnissmässig  häufig  erhalten  und  scheinen  förmlich  fabrikmässig  am 
Rhein  und  in  Limoges  verfertigt  worden  zu  sein ;  wir  nennen  nach  den  vor- 


l)  Abbild,  bei  Bock  a.  a.  O.  Taf.  VI.  27.  2)  Abbild,  ebd.  26. 

3]  Vgl.  Kugle  r  a.a.O.  1,627.  —  Abbild,  bei  Steuerwaldt  u.Virgina.a.  O. 
Taf.  25—31.  uio  «^  'wr^^  '»A>  K  ail/*,.f>  f  f  :  5  I-  "  r", '.- i.  .C  v^/U  C^^  • 

4)  Abbild,  bei  Ib ach,  Reliquaireby'zantine  de  Llmboarg-sur- Lahn.  Paris.  185S. 
als  besonderer  Abdruck  aus  den  Annales  arch^ol.  17,  337  u.  is,  42.  125. 

5  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  II.  9  u.  III.  1.  2. 

6  Vgl.  Sighart,  Gesch.  der  bild.  Künste  in  Bayern  1,  121. 


Pulte  und  Schachteln.  147 

liegenden  Abbildungen :  ein  Kästchen  im  Domschatze  zu  Prag  *),  drei  andere 
in  Klöstern euburg  ^> ,  ein  ähnliches  in  der  Kirche  zu  Gerresheim  ')  uad  im 
Stadt.  Museum  zu  Cöln ;  einige  gothische  im  Museum  zu  Basel.  *) 

Minder  kostbar  als  diese  waren  vergoldete  und  polychromirte,  in  Schnitz- 
werk ausgeführte  Holzkästchen,  wie  sich  einige,  in  gothischen  Arghitektur- 
formen  gebildet,  mit  Zinnenkrönung  und  abgewalmtem  Öbertheil,  im 
Museum  zu  Klosterneuburg  befinden.  ^)  Prächtiger  ausgestattet  ist  eine 
schwarze  Holzkiste  im  Münster  zu  Aachen  (XIII.  Jahrh.} ,  welche  mit 
Emailmedaillons  und  Wappenschildern  geschmückt  erscheint.  ^) 

c.  Den  Reliquienkästchen  reihen  sich  an  die  Behälter  in  Form  eines 
Setzpultes  ipulpiium),  wie  dergleichen  auf  Altären  zum  Auflegen  des 
Messbuches  gebräuchlich  waren.  —  Das  n silbern  PuJpia  im  Hallischen  Hei- 
ligthumsbuche  (Gang  VI.  13)  war  auf  der  schrägen  Fläche  mit  einem  Fen- 
ster versehen,  durch  welches  man  die  Reliquien  sah.  Auch  die  Schlosskirche 
zu  Wittenberg  besass  nach  dem  dortigen  Heiligthumsbuche  ein  solches  Re- 
liquienpult. —  Häufiger  als  diese ,  wohl  erst  der  Spätzeit  angehörig  waren 
die  Behälter  in  Form  eines  Buches  in  Prachtband  (s.  oben  S.  136)  ,  an 
denen  der  HaUische  Dom  vorzugsweise  reich  war.  ȀVi  silbern  vbergult 
Plenariuma  kommt  Gang  I.  5.  6.  1,  Gang  II.  17.19  und  Gang  V.  17  vor. 
Zuweilen  mochten  es  wirkliche  Messbücher  sein ,  in  deren  Deckeln  kleine 
Reliquien  geborgen  waren.  —  Das  Stift  Brewnow  in  Böhmen  besitzt  eine 
solche  Theka  von  1406. 

Als  Nebengattung  der  viereckigen  Kästchen  sind  die  minder  häufig 
vorkommenden  ovalen  Schachteln  zu  nennen,  deren  sich  einige  im  Zither 
zu  Quedlinburg  befinden.  Im  Chore  des  Domes  zu  Cammin  wird  ein  ovaler 
Kasten  (1»/,  F.  lang,  13  Z.  breit,  UZ.  hoch)  aufbewahrt,  dessen  Elfen- 
beinbekleidung mit  Bestiarien  und  Rankengew  in  den  verziert  ist.  ^]  Der 
Schatz  des  Domes  in  Xanten  bewahrt  eine  aus  Eichenholz  gefertigte,  mit 
Silberblech  überzogene  Reliquienschachtel  aus  dem  XII.  Jahrh. ;  die  vergol- 
dete Wandung  zeigt  getriebene  Heiligenbrustbilder,  der  gewölbte  Deckel 
biblische  Darstellungen  in  Niello.  ®j 

2.  Cylindrische  Behältnisse :  Büchse  ipyxis,  Capsula),  Thurm  [tur- 
ris),  Tabernakel  {tabemaculum) .  —  Diese  drei  Arten  von  Hierotheken, 
welche  als  Gefösse  und  Gehäuse  zur  Aufbewahrung  der  Eucharistie  (s.  unten 
§.  46)  mit  einander  verwandt  sind,  stellen  wir  auch  als  Reliquienbe- 
halter  zusammen ,  weil  durch  Uebertragung  der  architektonischen  Formen, 
wie  aus  dem  viereckigen  Kasten  die  Capeila ,  so  aus  der  runden  Büchse  mit 
zeltförmigem  Deckel  der  Thurm,  und  aus  letzterem  in  ^er  Gothik  das  Taber- 
nakel hervorgegangen  ist. 


1)  Abbild,  in  den  Mittelalter!.  Kunstdenkm.  des  Österreich.  Kaiserstaates  etc. 
Bd.  n.  Taf.  XII  (Farbendruck). 

2)  Abbild,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comimssion  etc.  1861.  6,  239. 

3)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXXI.  8. 

4 )  Abbild,  in  den  Mittheü.  der  Gesellsch.  für  vaterlÄnd.  Alterth.  in  Basel  IX,  1 6  f. 
5<  Abbild,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  a.  a.  O.  S.  241  f. 
6)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXXVIL  4. 

7    Vgl.  Kugler,  Kl.  Schriften  1,  782. 

h'  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  Taf.  XXXVII.  4  u.  4a. 

10* 


148  Reliquien  •  Büchsen 

a.  Unter  den  aus  allen  Jahrhunderten  zahlreich  erhaltenen  runden 
Büchsen,  Kapseln  und  Dosen  aus  Bein,  Metall,  Stein  und  Holz,  die  zu 
dem  verschiedensten  kirchlichen  Gebrauche,  als  Ciborien,  Hostienschachteln 


Fig.  53.  Elfenbcinbüclise  in  St.  Gereon  zu  Cöln  (nach  Bock). 

und  Salbbüchsen  gedient  haben  mögen  und  gelegentlich  auch  als  Reliquiarien 
benutzt  worden  sind,  erregen  besonderes  Interesse  gewisse  cylindrische 
Elfenbeinbüchsen,  aus  dem  unteren  Theile  eines  Elephantenzahnes  ausge- 
höhlt und  daher  von  etwa  4*/,  bis  6*/,  Z.  Durchmesser,  bei  3  bis  4  Z. 
Höhe ;  sie  sind  mit  Reliefs  verziert ,  die  in  sehr  alterthümlicher ,  bisweilen 
auch  roher  Weise  entweder  aus  dem  antik  heidnischen  (Büchse  im  Dom  zu 
Xanten  *) )  oder  aus  dem  altchristlichen  Bilderkrdse  (Büchse  in  der  Kunst- 
kammer des  N.  Museums  zu  Berlin  *) ,  5  dergleichen  im  Besitze  des  Herrn 
F.  Hahn  in  Hannover'))  entnommen  sind,  und  haben  alle  wesentlich  glei- 
chen Typus.  Die  flachen,  mit  Schloss  versehenen  Klappdeckel  derselben 
gehören  regelmässig  einer  etwas  späteren  Periode  an ,  und  daran  vorkom- 
mende Spuren  lassen  erkennen,  dass  diese  Büchsen  zum  Aufhängen  (an  der 
Pertica  vor  dem  Altare;  s.  oben  S.  139)  bestimmt  waren,  insofern  also  als 
Reliquienbehälter  gelten  können.  —  Im  Heiligthumsbuche  des  Doms  zu 
Halle  kommt  (Gang  IX.  7)  eine  achteckige,  mit  hohem,  abgewalmtem 
Deckel  versehene  » htlffenbein  Buchse  mit  viel  alt  gegrabenen  Bilden  o  (ohne 
Zweifel  mit  hölzernem  Kerne)  vor ,  welche  nach  ihrer  Omamentation  und 
den  eingefügten  Relieftäfelchen  in  die  Kategorie  der  oben  angeführten  Elfen- 
beinkästchen zu  Xanten,  Craneburg  etc.  zu  gehören  scheint.  Das  sogen. 
Ciborium  des  heil.  Wolfgang  in  St.  Emmeram  zu  Regensburg  ist  eine  acht- 
eckige mit  Elfenbein  belegte  Holzbüchse  mit  p3rramidalem  Deckel  und  mit 
Apostelfiguren  in  byzantinischer  Weise  geschmückt.  —  Im  Schatze  von  St. 


1)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XVII.  1. 

2)  Vgl.  Kugler  a.  a.  O.  2,  327. 

3)  Hahn,  Fr.,  Fünf  Elfenbeinge^se  des  frühesten  M.  A.  1862,  mit  AbbUd. 


lind  Thürme. 


149 


Gereon  befindet  sich  eine  runde  Elfenbeinbüchse  mit  zeltartig  gehobenem 
Deckel  ^),  deren  eingravirtes  Ornament  und  arabische  Inschrift  ihren  orien- 
talischen Ursprung  aus  der  Zeit  der  Kreuzzüge  enveist ;  auch  diese  war  zum 
Aufhängen  eingerichtet.  Unzählige  andere  Beispiele  aus  späterer  Zeit  über- 
gehen wir. 

b.  Die  Ausgestaltung  der  cylindrischen  Büchse  zu  einem  runden  oder 
polygonischen  Kuppelthurme  scheint  sich  durch  Uebertragung  der  For- 
men des  byzantinischen  Centralbaues  vermittelt  zu  haben  und  aus  der  mor- 
genländischen Kirche  zu  stammen.  Das  Reliquiarium  mit  dem  Kopfe  des 
beil.  Anastasius  im  Schatze  des  Aachener  Münsters  ''^)  zeigt  einen  quadrati- 


Fig.  51.    Roliqoienbehftlter  des  heil.  Anastasius  im  Münster  zu  Aachen. 

sehen,  mit  Apsis  und  kielbogigen  Flügelthürchen  versehenen  Unterbau,  aus 
dessen  Mitte  sich  ein  runder,  mit  einem  (erneuerten)  Kreuze  gekrönter 
Kuppelthurm  erhebt.  Der  orientalische  Ursprung  dieses  15  Z.  hohen  imd 
halb  so  breiten  silbernen ,  theilweise  vergoldeten  und  mit  schwarzem  und 


1)  Abbild,  bei  Bock  a.  a.  O.  Taf.  I.  2;  8.  den  Holzschnitt  Fig.  53. 

2)  Abbild,  in  der  Zeitschr.  für  chriatl.  Archäol.  u.  Kunst  2,  130  u.  132  (woher 
wir  den  Holzschnitt  entlehnen} ;  auch  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXXIV.  5. 


152 


Arme  und  andere  Glieder. 


(ebd.  VIII.  10)  mit  zwei  Röhren  der  heil.  Ursula  einen  Pfeil  u.  s.  w.  — 
Auch  diese  Art  von  Reliquiarien  war  sehr  häufig ;  wir  nennen  zwei  Arme 
in  St.  Gereon,  zwei  andere  in  St.  Cunibert  zu 
Cöln  ')  y  der  Arm  Karls  des  Grossen  im  Münster 
zu  Aachen ,  zwei  Arme  im  ehemaligen  Kloster  zu 
Mettlach  (XV.  Jahrh.) ,  ein  Arm  aus  dem  XVI. 
Jahrh.  im  Domschatze  zu  Regensburg,  ein  Arm 
in  St.  Mauritz  zu  Münster,  vier  geharnischte  Arme 
im  Zither  zu  Halberstadt.  —  Hölzerne  polychro- 
mirte  Arme  kommen  noch  oft  vor,  z.  B.  in  mehre- 
ren Kirchen  von  Cöln. 

<?.  Finger:  Ein  silberner  vergoldeter  Finger, 
mit  einem  Finger  des  heil.  Vincentius,  auf  einem 
Ständer  befestigt,  im  Hallischen  Heiligthume, 
Gang  VI.  38. 

d.  Füsse  ipedes)  scheinen  nur  selten  vorge- 
kommen zu  sein.  Im  Basler  Münster  befand  sich 
im  J.  1511  ein  n  Pes  Innocentium  argentetis,  oma- 
tus  pluribus  prectosis  florihus ,  sians  in  una  cistula 
lipnea  deargentataa.  ') 

e.  Einzelne  grössere  Gebeine  in  Metall  ge- 
fasst ,  mit  einem  Fusse  zum  Aufstellen  versehen ; 
z.B.  eine  Rippe  des  heil.  Sebald,  quer  auf  einem 
durch  Laubwerk  gebildeten  hohen  Fusse  befestigt, 
im  Wittenberger  Heiligthumsbuche  (S.  23)  ,  eine 
Rippe  der  heil.  Ottilie,  ähnlich  gefasst,  im  Hal- 
lischen Heiligthume  (Gang  VIII.  35) ,  eine  Arm- 
röhre der  heil.  Wilhilde,  auf  zwei  niedrigen  Füssen  ruhend  (ebd.  26)  u.  a.  m. 
—  Ein  in  dieser  Weise  spätgothisch  gefasster  Wirbelknochen  befindet  sich 
im  Besitz  des  Abts  Zeidler  in  Prag. 

5.  Bilder  (imagines) ,  d.  h.  Statuetten  derjenigen  Heiligen,  deren 
Reliquien  darin  enthalten  waren ,  aus  Metall  getrieben  oder  hoM  gegossen, 
auch  aus  Holz  geschnitzt  und  von  verschiedener  Grösse.  Gewöhnlich  war 
hinten  ein  Thürchen  angebracht  zxim  Hineinlegen  der  Reliquien ,  oder  man 
gab  letztere,  besonders  wenn  sie  zu  den  Marterwerkzeugen  des  betreffenden 
Heiligen  gehört  hatten ,  der  Figur  in  die  Hand  oder  verschloss  dieselben  in 
einem  kleineren ,  zierlich  gearbeiteten  Behältnisse ,  welches  die  Statuette  in 
der  Hand  hielt.  Auch  wurden  Reliquien  in  dem  Postament  der  Statuen  ge- 
borgen. Solche  Bilder,  die  ehemals  sehr  häufig  waren  (die  Schlosskirche  zu 
Wittenberg  besass  über  30 ,  der  Dom  zu  Halle  über  40)  sind  wegen  ihres 
bedeutenden  Metall werthes  selten  geworden.  Das  älteste  und  kostbarste 
unter  den  erhaltenen  ist  die  sitzende  Madonna  mit  dem  Kinde  (28  Z.  hoch, 
aus  Goldblech  über  einem  hölzernen  Kerne)  aus  der  Zeit  K.  Otto's  11.  im 
Schatze  des  Münsters  zu  Essen.  *J  Eine  aus  Silber  getriebene  frühromanische 


Fig.  f>0.  Arm  In  St.  Cunibert  i\\ 
Cöln  (nach  Bock). 


1)  Abbild,  bei  Bock  a.  a.  O.  Taf.  II.  7.  8.  Taf.  Xni.  53. 

2)  Mittheil,  der  Gesellsch.  für  Vaterland.  Gesch.  in  Basel  IX,  21. 

3)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXIV.  5. 


Statuen.  —  Kreuze.  J53 

sitzende  Statuette  des  heil.  Petrus  in  der  Johanniskirche  zu  Osnabrück. 
Eine  ausgezeichnete  Arbeit  des  XV.  Jahrh.  ist  die  mit  dem  Untersatz  2  F. 
hohe  aus  Silber  getriebene  und  vergoldete  Statuette  des  Ap.  Petrus  (mit 
einem  Stück  seiner  Kette  in  der  rechten  Hand)  im  Münster  zu  Aachen  ^), 
zu  erwähnen  auch  die  vergoldete  aus  Kupfer  getriebene  Figur  der  Madonna 
in  St.  Maria  in  der  Schnurgasse  zu  COln  (XV.  Jahrh.)  ^) ,  sowie  das  Bild 
des  heil.  Sebastian  (aus  gleichem  Stoffe)  vom  Beginn  des  XVI.  Jahrh.  im 
Domschatze  zu  Regensburg  u.  a.  m.  —  Der  Dom  zu  Bamberg  (Heiligthums- 
buchy  Qang  VIII)  besass  die  silbernen  Bilder  mehrerer  nackten  Kinder, 
von  einem  Schwerte  quer  durchstochen,  mit  Reliquien  der  unschiddigen 
Kindlein. 

Den  ToBildema  sind  beizuzählen  die  zuweilen  vorkommenden  plastisch 
ausgeführten  Gruppen^  z.  B.  der  Oelberg  im  Wittenberger  Heiligthimis- 
buche  S.  75. 

6.  Behältnisse,  welche  durch  ihre  Form  auf  die  in  denselben  enthalte- 
nen Reliquien  oder  auf  die  Legende  des  betreffenden  Heiligen  deuten. 

a.  Kreuze  und  Crucifixe  als  Behältnisse  von  Partikeln  des  wahren 
Kreuzes ,  von  den  colossalen  Triumphkreuzen  bis  zu  den  als  Amulets  ge- 
tragenen Schmuckkreuzen :  in  so  unzähliger  Menge,  dass  ziemlich  die  mei- 
sten Kirchen  der  Christenheit  nach  und  nach  in  den  Besitz  solcher  Partikel- 
kreuze gelangten.  —  Schon  gleich  nach  der  Erfindimg  des  wahren  Kreuzes 
gerieth  die  Kaiserin  Helena  auf  den  Gedanken  dasselbe  zu  zertheilen ,  um 
daraus  theils  eine  Reliquie  für  die  Kirche  des  heil.  Grabes  in  Jerusalem ,  so 
wie  für  die  des  heil.  Kreuzes  in  Constantinopel ,  theils  ein  Phylakterion 
(Amulet)  für  ihren  Sohn  Constantinus  zu  machen.  Damit  war  die  Loosung 
zur  weiteren  Theilung  gegeben ,  und  schon  dreissig  Jahre  später  bezeugte 
Cyrülus  von  Jerusalem ,  dass  die  ganze  Welt  mit  Partikeln  des  Kreuzholzes 
erfüllt  sei. ')  Je  mehr  aber  die  Sehnsucht  nach  dem  Besitze  solcher  Kleinodien 
zunahm,  desto  kleiner  wurden  die  Partikeln,  so  dass  zuletzt  nur  noch  Splitter 
Übrig  blieben ,  und  zwar  in  so  unendlicher  Menge  verbreitet ,  dass  die  Au- 
thentidtät  derselben  einmal  vorausgesetzt,  diese  VervielMtigung  nur  auf 
wunderbare  Weise  geschehen  sein  könnte*  *)  —  Die  Sitte  aber,  die  Parti- 
keln in  ein  Behältniss  von  Kreuzform  zu  legen,  lässt  sich  schon  im  VI. 
Jahrh.  nachweisen  ^j  und  herrschte  das  ganze  M.  A.  hindurch ,    obgleich 


1)  Abbüd.  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXXVIII.  11 ;  vollständiger  in 
den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  1859.  4,  243. 

2)  AbbUd.  bei  Bock  a.  a.  O.  Taf.  XL.  1 12. 

3)  Vgl.  die  Beweisstellen  bei  Au gu st i,  Denkwürdigkeiten  12,  JOOu.  105. 

4)  npraffmenta  iigni  enteis  tarn  multa ,  utt  9%  in  aeervum  redig antur^  vixuna 
nams  onerarta  vehat.«  Cf.  Erasmi  Roterodam.,  Annot.  ad  evang.  Matth.  23,  25. 

5)  Gregor  der  Grosse  schickte  dem  KAnige  Adalowald  •ßlateria ,  id  est  crucem 
cum  ligno  sanetae  crueiso.  Vgl.  Du  Gange,  Gloss.  7,  109  (ed.  Didot)  bei  Texler, 
Bictionnaire  d'orf^vrerie  Sp.  8^3.  Das  Wort  filateria  {(fvXaxTtjgiov),  welches  bei  den 
Griechen  ausschliesslich  Amulets  in  Kreuzform  bezeichnet  zu  haben  scheint,  die  man 
um  den  Hals  gehängt  trug ,  und  in  diesem  Sinne  auch  bei  Gregor  dem  Grossen  zu 
nehmen  ist,  war  später  ganz  allgemeine  Bezeichniuig  eines  kleineren  Reliquienbehäl- 
ters,  vielleicht  eben  deshalb,  weil  man  solche  ebenialls  (an  der  Pertica,  s.  oben  S.  139) 
aufzuhängen  pflegte.  Durandi  Hationale  1.  1  c.  3  n.  26:  i>PhylaUeria  vero  est 
vaseuhtm  de  argeiUo,  vei  auro,  vel  etystallo,  vel  ebore  et  hujusmodif  in  quo  eanctorum 
eineres  vel  reliquiae  recanduntur.« 


154  Attribute 

man  auch  andere  Reliquien  mit  hineinlegte.  —  Dass  die  Reliquienkreuze  in 
vielen  Fällen  mit  den  Altar-  und  Vortragekreuzen  zusammenfallen,  ist  be- 
reits oben  S.  114  bemerkt,  und  viele  von  den  dort  beispielsweise  angefahr- 
ten Kreuzen  enthalten  zugleich  Reliquien.  —  Das  älteste  vorhandene  Exem- 
plar dürfte  das  kleine  Pectoralkreuz  (von  2V4  Z.  Höhe  im  Münster  zu 
Aachen  sein,  mit  der  in  Goldblech,  Perlen  und  Steinen  gefassten,  offen 
liegenden  Partikel,  wenn  dasselbe  wirklich  aus  dem  Orabe  Karls  des  Grossen 
herrührt ;  die  jetzige  Umhüllung  desselben  aus  vergoldetem  Silber  erscheint 
jünger.  ^)  Sehr  bedeutend  durch  materiellen  und  künstlerischen  Werth  ist 
das  Bemwardskreuz  in  der  Magdalenenkirche  zu  Hildesheim ,  vom  Schlüsse 
des  X.  Jahrhunderts.  Es  ist  auf  der  Schauseite  mit  einer  starken  Gk>ldplatte 
belegt,  in  welcher  viele  Edelsteine  gefasst  sind.  Dieses  Kreuz  wurde  nur 
an  seltenen  Festen  ausgestellt  und  ist  zu  dem  Ende  unten  mit  einem  eisernen 
Stachel  versehen.  *)  —  Als  ein  zum  Vortragen  bestimmtes ,  inschriftlich 
ausser  der  Partikel  des  Kreuzholzes  noch  viele  andere  Reliquien  bergendes 
Prachtkreuz  nennen  wir  noch  das  Doppelkreuz,  vom  mit  Gold-,  hinten  mit 
Silberblech  belegt ,  in  der  Abteikirche  zu  Burtscheidt  aus  dem  XIII.  Jahr- 
hundert. *) 

Auch  Partikeln  von  dem  Kreuze ,  an  welchem  der  Ap.  Andreas  ge- 
storben ,  legte  man  in  kreuzförmige  Umfassungen :  ein  solches  Kreuz  aus 
guter  gothischer  Zeit  (zum  Theil  erneuert)  befindet  sich  im  Domschatze  zu 
Regensburg. 

Als  complicirte  Reliquienb^hälter  sind  die  sogen.  Heiligen  Gräber  zu 
bezeichnen ,  wo  der  Fuss  des  Crucifixes  die  Gestalt  eines  in  den  üblichen 
Architekturformen  gebildeten  kleinen  Sarges  hat.  Ein  theilweise  aus  ge- 
diegenem Golde  gearbeitetes  Exemplar  dieser  Art  aus  dem  XV.  Jahrh.  be- 
sitzt das  Museum  zu  Basel.  ^) 

b.  Die  verschiedensten  Behältnisse  in  Form  der  Attribute  oder 
Symbole  der  betreffenden  Heiligen,  oder  in  solchen  Formen,  die  an  deren 
Legenden  erinnern.  Es  ist  jedoch  hiebei  zu  bemerken,  dass,  wenn  ein  sol- 
ches Modell  erst  einmal  für  die  Reliquien  eines  bestimmten  Heiligen  er- 
funden war,  es  oft  auch  nachgeahmt  und  als  Reliquiarium  ohne  die  ursprüng- 
liche Beziehung  benutzt  wurde.  —  Wir  nennen  aus  dieser  Klasse : 

Ein  silbervergoldeter  züngelnder  Drache,  als  Attribut  der  heil.  Mar- 
garethe ,  mit  einer  Reliquie  vom  Fusse  dieser  Heiligen ,  im  Würzburger 
Heüigthumsbuche  (vgl.  Niedermayer,  Kunstgesch.  der  Stadt  Wirz- 
burg  S.  239). 

Eine  Fahne,  mit  Perlen  durchstickt,  y^doryn  sein  II stück  von  S.  Moritz 
fane,  II  stück  von  S,  Georgen /ans»  im  Hallischen  Heiligthumsbuche ,  Gang 
VI.  40.  —  Ausserdem  ein  anderes  »Banira,  dessen  Tuch  von  dem  Panier 
des  heil.  Moritz  herstammte,  mit  Reliquien  dieses  Heiligen  und  anderer 
Ritter  der  thebaischen  Legion  in  dem  silbernen  Fahnenstocke  (Ebd.  2). 


1)  Abbüd.  bei  auB'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXXVHI.  2. 

2)  Abbild,  bei  Krats  a.  a.  O.  Taf.  IV.  1. 

3)  Abbüd.  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXXIX.  7.  8. 

4)  Photogr.  Abbild,  in  den  MLittheil.  der  Geaellsch.  für  vaterlftnd.  Altarth.  in 
Basel  IX,  18. 


und  Symbole.  155 

Eine  thOnerne  Lampe  der  heil.  Elisabeth,  in  einer  dieselbe  Form 
genau  nachbildenden  silbernen  Kapsel,  befindet  sich  im  Stifte  Tepl  in 
Böhmen. 

Ein  geflügelter  Löwe,  als  Symbol  des  Evangelbten  Marcus,  mit  Re- 
liquien desselben,  im  Wittenberger  Heiligthumsbuche  S.  56. 

Eine  aus  Kry stallwanden  zusammengesetzte  Mitra  von  1378,  als  Um- 
Schliessung  der  Infal  des  heil.  Eligius ,  im  Besitz  der  Qoldschmiedezunft 
in  Prag. 

Ein  silberner  Pelican,  der  seine  Jungen  mit  dem  eigenen  Blute  nährt, 
als  Symbol  der  sich  selbst  opfernden  Liebe ,  mit  1 1  Partikeln  von  heiligen 
Bischöfen,  im  Hallischen  Heiligthume,  Gang  VII.  3. 

Ein  silberner  Phönix  auf  dem  Scheiterhaufen,  als  Symbol  der  Un- 
sterblichkeit, mit  16  Partikeln  von  heiligen  Jungfrauen,  ebd.  VIII.  36. 

Ein  Hahn  kommt  im  Wittenberger  Heiligthumsbuche  (Gang  ü.  7) 
und  im  Wiener  (Gang  VI)  vor :  es  mag  dahin  gestellt  bleiben ,  ob  die  Reli- 
quiarien  in  der  Gestalt  dieses  Thieres  etwa  auf  den  heil.  Vitus  zurückzu- 
fahren sind,  dessen  Attribut  der  Hahn  ist. 

Ein  silbern  übergoldet  Schiff  (betakelt)  mit  Beziehung  auf  die  Le- 
gende der  heil.  Ursula,  mit  Reliquien  derselben  und  ihrer  Gefährten,  auch 
vom  Mastbaum  ihres  Schiffes;  Hallisches  Heiligthum  Vni.  11.  —  Reli- 
quiarien  in  Form  eines  Schiffes  waren  auch  sonst  beliebt,  sowohl  im  An- 
schluss  an  die  Weihrauchschiffchen,  als  auch  an  einen  seit  dem  XIV.  Jahrh. 
häufig  vorkommenden  Tafelaufsatz  für  Salz  und  Gewürze  in  der  Form  eines 
mit  Masten  versehenen  Schiffchens. 

Ein  Schwert  als  Marterwerkzeug  vieler  Heiligen,  z.  B.  das  Schwert 
in  einer  prachtvollen  Scheide  aus  Golblech  über  einem  Holzkörper  (Xu. 
Jahrb.),  mit  dessen  Klinge  die  heil.  Cosmas  und  Damian  enthauptet  worden 
sein  sollen  *) ,  im  Münsterschatze  zu  Essen.  —  Der  Schatz  des  Doms  in 
Prag  bewahrt  das  Schwert  des  heil.  Stephan  von  Ungarn  mit  einem  viel- 
leicht aus  jener  Zeit  stammenden  Elfenbeingriff  und  spätgothischer  Scheide, 
die  Kirche  St.  Georg  in  Cöln  ein  Schwert ,  welches  ihr  Titelheiliger  geführt 
haben  soll,  in  Fassung  aus  dem  XIV.  Jahrhundert.  ^)  Ueberhaupt  waren 
Schwerter  unter  den  mittelalterlichen  Heiligthümem  nicht  selten :  der  Dom 
in  Halle  besass  ein  Schwert,  welches  Leo  X.  dem  Kaiser  Maximilian,  und 
dieser  an  Albrecht  von  Mainz  bei  Uebemahme  des  Cardinalats  verehrt 
hatte  ^Gang  I.  2).  Aus  dem  XVL  Jahrh.  stammt  auch  ein  ähnliches  Cere- 
monialschwert  im  Domschatze  zu  Cöln ,  das  den  dortigen  Erzbischöfen  als 
KurfQrsten  vorgetragen  wurde.  ^) 

Eine  silberne  Wiege  mit  Heiligthum  von  den  Unschuldigen  Kindlein, 
im  Schatze  des  Hallischen  Domes  (Gang  VI.  25).  —  Auch  im  Prager 
Schatzverzeichnisse  von  1387  kommt  ein  »parvum  eunahulum  aureum  totum 
n^iliatumii  vor,  und  im  Stadt.  Museum  zu  Cöln  befindet  sich  eine  kleine 
veigoldete  Wiege  (XIV.  Jahrh.).  *) 


]  >  Abbild,  bei  au8*m  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXYIL  2. 
2j  Abbüd.  b«i  Bock  a.  a.  O.  Taf.  XLVHI.  128. 

3)  Abbüd.  ebd.  Taf.  XIL  46. 

4)  Vgl.  MittheU.  der  k.  k.  Central^Commission  etc.  1839.  4,  274. 


156 


Reliquientafeln . 


7.  Reliquientafeln  [tabulae) .  Unter  der  Bezeichnung  t  Tafeln  fas- 
sen die  Schatzverzeichnisse  alle  mit  Flachmalereien  oder  Reliefs  geschmückte 
Tableaux  zusammen,  in  denen  Reliquien  enthalten  waren,  und  die  verschie- 
denen Arten  von  grosseren  oder  kleineren  Flügelschreinen,  die  als  Reliquia- 
rien  in  der  griechischen  Kirche  vorzugsweise  beliebt  sind ,  werden  zu  dieser 
Rubrik  gezählt;  es  würde  daher  der  im  ehemal.  Kloster  Mettlach  befind- 
liche, bereits  oben  S.  109  erwähnte  Schrank  ebenfalls  als  i^verpoldeie  TafeU 
(in  modum  ladulae)  aufgeführt  worden  sein.  Bei  den  gemalten  Bildern  um- 
schliesst  gewöhnlich  ein  Prachtrahmen  die  Reliquien.  Das  Hallische  Heilig- 
thumsbuch  enthält  (anscheinend  spätgothische)  Tafeln  in  grosser  Menge: 
Goldschmiedearbeiten ,  Schnitzwerke  in  Elfenbein  und  Perlmutter  und  Male- 
reien, meistens  m  der  Form  von  Flügelaltärchen.  Mehrere  der  letzteren 
waren  auf  der  Aussenseite  der  Flügel  bloss  mit  Farben  gemustert ,  wie  die 
schon  oben  (S.  112)  in  anderem  Zusammenhange  erwähnte  Reliquientafel  zu 
Kirchlinde,  andere  auch  mit  Sammet  überzogen  etc.  —  Der  griechischen 
Kunst  angehörig  sind  die  Tafel  des  r>Theodolus  Abhasn,  von  17X15  Zoll,  reich 
mit  Gold  verziert  und  über  den  1 3 ,  Reliquien  Christi  und  der  Apostel  ent- 
haltenden Feldern  mit  Krystallplatten  bedeckt,  angeblich  aus  dem  XI.  Jahrh. 
im  Zither  zu  Halberstadt ;  eine  mit  Emails  geschmückte  Tafel  im  Dome  zu 
Limburg  a.  d.  L. ') ,  eine  andere,  grössere  (aus  St.  Maximin  in  Trier)  im 
Dome  zu  Prag ,  und  eine  Tafel  im  Schatze  der  Metropolitankirche  zu  Gran 
in  Ungarn  ^j,  sämmthch  aus  dem  XIII.  Jahrhundert.    Von  abendländischen 

Künstlern  rühren  dagegen  her  drei  Re- 
liquientafeln im  Stift  Strahof  zu  Prag, 
drei  aus  dem  XIV.  Jahrh.  im  Münster 
zu  Aachen  etc.  —  Ausser  den  vier- 
eckigen kamen  auch  runde  Reliquien- 
tafeln (rotulae)  vor,  und  zwar  wie  viele 
kleinere  unter  ersteren,  von  einem 
leuchterähnlichen  Fusse  getragen :  eine 
romanische  in  Kremsmünster  ^) ,  eine 
gothische  aus  dem  XIV.  Jahrh.  im 
Münster  zu  Aachen.  ^) 

Zu  den  Reliquientafeln  sind  auch 
die  Kusstäfelchen  oder  Pacems 
(oscula  pacis ,  oaeulatoria ,  pacißcalia) 
zu  zählen ,  welche,  seitdem  der  eigent- 
liche Friedenskuss  nicht  mehr  üblich 
war,  den  Gläubigen,  besonders  den 
Geistlichen  vor  der  Communion  wäh- 
rend des  Agnus  Dei'zum  Küssen  dargereicht  wurden  und  gewöhnlich  Reli- 
quien enthielten.  Sie  kommen  aus  Elfenbein  und  Marmor,  meist  jedoch  aus 
edlem  Metalk  vor:  von  viereckiger  und  gewöhnlich  etwas  gewölbter  Form, 


Fiy.  57.  Gt'Bchnitxt«  KuMUfelchen  mit  Sllber- 
umrahmung  in  St.  Gereon  xu  Cöln  (nach  Bock). 


1)  Abbild.  inDidron,  Annales  arch^ol.  1857.  Livr.  6. 

2)  Abbild,  in  dem  Jahrbuche  der  k.  k.  Central-CominiEsion  etc.  1S6].  6,  65. 

3)  Abbild,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  3,  36. 

4)  Bock,  Fz.,  der  Keliquienschats  2U  Aachen.  S.  6iF. 


SchangefilBBe. 


157 


oben  bogenförmig  oder  mit  einem  Giebeldreiecke  gekrönt ,  mit  Reliefs  aus 
der  heiligen  Oeschichte ,  oft  mit  dem  Ootteslamme  geschmückt  und  an  der 
Rückseite  mit  einer  Handhabe  versehen.  —  In  dem  Hallischen  Heiligthume 
(Gang  I.  17.  19.  30)  fanden  sich  auch  runde  Pacems:  zumeist  sind  sie  mit 
in  einander  rankenden  Pflanzen  umfasst,  deren  Stiele  unten  die  Handhabe 
bilden.  —  Kusstäfelchen  aus  romanischer  Zeit  sind  selten  *)  ;  spätere 
gothische  kommen  noch  vielfach  vor,  z.  B.  im  Dom,  in  St.  Gereon,  St.  Ur- 
sula, St.  Martin  und  St.  Jacob  zu  Cöln.  ^) 

8.  Monstranzen  (mon^/ran^a«)  ,  Sch&uge&LSse  (ostensoria)  sind  die 
zwar  nächst  den  Kästen  und  Büchsen  mit  am  häufigsten  vorkommenden, 
aber  verhältnissmässig  jüngsten  Reliquienbehältnisse  und  so  eingerichtet, 
dass  das  Heiligthum  sich  in  einem  cylindrischen  Gefässe  aus  Krystall  oder 
Glas  befindet,  und  also  gesehen  werden  kann,  wie  sich  demselben  Zwecke 
dienende  Vorrichtungen  auch  an  vielen  anderen  Arten  von  Reliquiarien  an- 
gebracht finden :  an  Särgen  und  an  den  Fussgestellen  der  Bilder  in  Form 
von  vergitterten  Oeffnungen  [fenestrellae) ,  oder  an 
Kreuzen  unter  einem  der  Mitte  eingefügten  Krystall 
(wie  an  dem  oben  S.  154  angeführten  Bemwards- 
kreuze  zu  Hildesheim)  weshalb  anscheinend  in  dem 
Prager  Schatz  Verzeichnisse  von  1387  die  Kreuze 
in  der  Rubrik  nde  monstrantiü  a  aufgeführt  wer- 
den. In  diesem  Sinne  würde  man  also  auch  die 
frühromanischen  Krystallfiacons  (in  Metall  gefasst  und 
zum  Anhängen  eingerichtet) ,  wie  sich  deren  drei  aus 
der  Zeit  Otto's  HI. ,  Reliquien  enthaltend,  im  Zither 
zu  Quedlinburg  ')  befinden ,  sowie  die  mit  Reliquien 
gefüllten  Krystallkreuze,  wie  der  Schatz  von  St.  Gereon 
in  Cöln  ein  solches  (in  noch  romanisirender  Form  auf 
späterem  Fuss)  ^)  besitzt,  in  die  Klasse  der  Schauge- 
fasse  zu  setzen  haben.  Indess  man  versteht  unter 
Reliquienmonstranzen  seit  dem  XIV.  Jahrh.  diejeni- 
gen Hierotheken,  wo  ein  senkrecht  gestellter  Krystall- 
cylinder  von  einem ,  dem  gothischen  Kelchfusse  glei- 
chenden metallenen  Ständer  getragen  und  oben  mit 
einem  Tabernakel  in  den  mannichfaltigen  Formen  der 
gothischen  Architektur  gekrönt  wird.  Ausser  diesen 
Tabernakel  -  Monstranzen  kommen  (im  Hallischen 
Heiligthumsbuche  VI.  23  und  VII.  18)  auch  solche  vor,  wo  der  wagerecht 
liegende  Schaucylinder  mit  Ranken  und  Blättern  der  Erdbeere  umschlungen 
ist :  yt  Monstranzen  mit  Erdheeren  <t.  Zwei  andere  Beispiele  von  der  sonst  sei- 


fig. 58.  SchAugefJtos  in 

8t.  Martiii  tu  Cöln  (nach 

Bock). 


1)  8.  die  Abbild,  eines  frflhromaniscben  aus  Elfenbein  geschnititen  Pacificale 
bei  Hefner- Alteneck,  J.  v.,  Trachten  des  christl.  M.  A.  Abth.  I.  Taf.  95. 

2)  Abbild,  bei  Bock,  das  heil.  Köln.  Taf.  I.  3.  —  VIH.  31.  —  XVH.  66.  — 
XXV.  89. 

3)  AbbUd.  bei  Kugler,  Kl.  Schriften  1,  633 f.  —  In  den  Act.  8.  Quirin.  (bei 
Du  Gange)  wird  erwfthnteine  ^»quadrangularis  argentea^  ut  vocantj  moetrada,  m  qua 
wb  vitro  cryBtalUno  eruor  .  .  .  inelueue  eonÜMtur*.  Vgl.  Texier  a.  a.  O.  Sp.  1 199. 

4)  Abbüd.  bei  Bock  a.  a.  O.  Taf.  I.  1. 


1 5§  Reliquiengeschirre. 

tenen  wagerechten  Fassung  des  Cylinders  finden  sich  im  Schatze  von  St. 
Ursula  zu  Cöln.  *)  —  Auch  Monstranzen  mit  zwei  oder  drei  Kristallen 
neben  einander  kommen  vor .  sie  werden  im  Würzburger  Heiligthumsbuche 


Fig.  59.  Schaugefäss  in  St.  Ursula  zu  Cöln  (nach  Bock). 

fizwief aliig Cfi  und  rxlretyaltigea  genannt.  —  Gewöhnliche  Monstranzen  sind 
noch  vielfach  erhalten,  z.  B.  zu  Cöln,  einfachere  thurm förmige:  in  St.  Se- 
verin,  im  Dom,  in  St.  Ursida  und  in  St.  Alban  *),  auch  im  Domschatze  zu 
Prag') ;  mit  reicherer  Tabemakelkrönung  in  St.  Cunibert,  St.  Martin  und 
drei  in  St.  Columba  *)  zu  Cöln  etc. 

9.  Allerlei,  mehr  oder  minder  werth volle  G^efässe,  Geräthe  und  Ge- 
schirre aus  Stein ,  Glas ,  Metall  etc. ,  welche  im  kirchlichen  und  häuslichen 
Gebrauche  sonst  zur  Aufiiahme  von  Flüssigkeiten  dienen,  als  Schalen, 
Becken,  Gläser,  Becher,  Kelche,  Kannen  etc.  Dergleichen  kost- 
bare Profangeräthe  waren  sehr  wahrscheinlich  häufig  Geschenke  an  die 
Kirchen  *'^)  und ,  da  man  sie  hier  nicht  benutzen  konnte ,  wandte  man  die- 
selben als  Reliquiarien  an  und  richtete  sie  erforderlichen  Falls  zu  diesem 
Zwecke  ein,  indem  man  offene  Gläser  und  Becher  mit  Deckeln  versah, 
gläserne  auch  zum  Schutze  mit  ornamentirten  Metallreifen  umlegte.  Pracht- 
kelche ,  die  man  aus  dem  vorhandenen  Vorrathe  zu  Reliquiengefössen  er- 
wählte, verdeckte  man  mit  der  dazu  gehörigen  Patene,  und  brachte  zuweilen 
mehrere  Scheidewände  und  Fächer  im  Innern  derselben  an  etc.  Die  Heilig- 
thumsbücher  enthalten  viele  Beispiele.  —  Auch  andere  ursprünglich  zu 
liturgischem  Gebrauche  bestimmte  GefSsse  kommen  als  Reliquiarien  vor, 
z.  B.  Tauben.  •) 

Die  in  Kirchenschätzen  vorfindlichen  Blashörner^)  sind  wohl  eben- 
falls grösstentheils  profanen,  die  älteren  sicher  orientalischen  Ursprungs  und 


1)  AbbUd.  bei  Bock  a.  a.  O.  Taf.  VI.  25.  u.  Taf.  VIII.  29. 
2}  Abbild,  ebd.  Taf.  TV.  20,  VHI.  33,  X.  41,  XIV.  55. 

3)  Abbild,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  1859.  4,  271. 

4)  AbbUd.  bei  Bo  ck  a.a.O.  Taf.  XV.  57,  XVI.  61  u.  62.  XX.  76  u.  78,  XXI.  SO. 

5)  Im  Würzburger  Heiligthume  z.  B.  befand  sich  ein  Becher,  den  die  »  Trubin 
von  Rothenburg*  geschickt  hatte.  Vgl.  Niedermayer  a.  a.  O.  S.  24L 

6)  Vgl.  Augusti,  Denkwürdigkeiten  etc.  12,  355. 

7;  Vgl.  Bock,  Fz.,  über  den  Gebrauch  der  Homer  im  Alterth.  und  da«  Vor- 
kommen geschnitzter  Elfenbeinhömer  im  M.  A.,  in  den  mittelalterl.  Kunstdenkm. 
des  Österreich.  Kaiserstaates,  herausgeg.  von  H e id e  r  etc.  2,  1 27  -  1 43  u.  Taf.  XXV. 


Reliquienhömer  und  Kleinodien.  ]  59 

wurden  von  ritterlichen  Pilgern  und  Kreuzfialirem  als  Kriegs-  und  Jagd- 
hörner mit  in  die  Heimath  gebracht  und  nach  deren  Tode  in  den  Kirchen 


Fig.  «0.  Keliquienhorn  in  St.  Severin  xu  Cöln  (nach  Bock). 

niedergelegt.  Die  durch  Stoff  und  Schnitzereien  werthvoUsten  sind  die 
grossen  Elfenbeinhömer ,  die  aus  dem  vorderen  Theile  eines  Elephanten- 
zahns  bestehen,  z.  B.  das  Jagdhorn  Karls  des  Grossen  im  Münster  zu 
Aachen  (angeblich  Geschenk  des  Harun-al-Raschid) ,  zwei  andere  im  Dom- 
schatze zu  Prag,  sowie  die  in  der  Ambraser-Sammlung  zu  Wien  und  in  der 
Kunstkammer  des  Neuen  Museums  zu  Berlin  (wahrscheinlich  ebenfalls  aus 
Kirchenschätzen  herstammend] ,  sämmtlich  aus  dem  ersten  Jahrtausend'  sich 
herschreibenden  Hifthörner.  Oefter  verwandelte  man  kleipere  Hömer  dieser 
Art  durch  Anbringung  von  Füssen,  eines  Deckels  etc.  in  Reliquiarien :  im 
Dom  zu  Hildesheim  das  Hom  eines  Auerochsen  *) ,  in  St.  Severin  zu  Cöln 
ein  Kuh-  oder  Büffelhorn  *)  etc.  Das  Bamberger  Heiligthumsbuch  (Gang  VI) 
zeigt  mehrere  solche  y^  gezierte  hömer  ft. 

10.  Kleinodien.  —  Im  Hallischen  Heiligthumsbuche  kehrt  die  all- 
gemeine Bezeichnung  ncletnotvi  für  solche  Reliquiarien  aus  edelem  Metall 
öfter  wieder,  die  sich  sonst  nicht  bestimmter  benennen  Hessen,  z.  B.  G^ang 
I.  19  :  ^Ein  silbern  cleinot  vnd  vbergult  g estalt  wie  ein  Apfel ia\  oder  Gang 
IX.  6  :  tiEin  silbern  vbergult  degnod,  vnd  oben  eingefasste  Perleinmutter v 
von  einem  blattlosen  Baum,  der  zwischen  seinen  dürren  Aesten  ein  unförm- 
lich gerundetes  Nest  (?)  trägt,  aus  dem  ein  Thier  hervorsieht.  —  Besonders 
sind  es  viele  kleinere  Reliquiarien,  welche  man  unter  diese  unbestimmte 
Rubrik  zu  setzen  genöthigt  ist,  z.  B.  die  n lipsanotheca  marianaa,  in  Form 
einer  Halbkugel  von  Silber,  welche  (ohne  den  späteren  Fuss)  fttr  das  älteste 
Heiligthum  des  Doms  zu  Hildesheim  gilt  und  von  Ludwig  dem  Frommen 
herrühren  soll  ^)  ;  oder  das  sogen.  A  Karls  des  Grossen  im  Schatze  der 
Kirche  zu  Conques ,  ein  Reliquiar ,   welches  ursprünglich  die  Form  dieses 


1)  Abbüd.  bei  Kratz  a.  a.  O.  Taf.  III.  2. 

2)  Abbüd.  bei  Bock,  Fz.,  das  beilige  Köln  Taf.  XLI.  1J5. 

3)  AbbUd.  bei  Kratz  a.  a.  O.  Taf.  II.  1. 


160  Raritäten. 

Buchstabens  hatte,  in  späterer  Zeit  aber  viele  Zusätze  erhalten  hat.  *)  Auch 
die  häufig  vorkommenden  Agraffen  {monilia) ,  als  Mantelschlösser  mit  Reli- 
quieninhalt ,  gehören  hierher ;  man  befestigte  dieselben  oft  als  Schmuck  an 
den  oben  (S.  151)  erwähnten  Brustbildern,  u.  a.  m. 

11.  Curiosa  und  Raritäten,  besonders  naturgeschichtliche ,  die 
aus  fernen  Ländern  von  Pilgern  mitgebracht  und  zur  Heranziehung  des 
Volkes  in  den  Kirchen  aufbewahrt ,  auch  nach  Umständen  als  Reliquienbe- 
hälter nutzbar  gemacht  wurden. 

Besonders  beliebt  waren  Strausseneier  und  zwar  schon  seit  dem 
IX.  Jahrhundert.  ^)  Im  ehemaligen  Dome  zu  Ooslar  hing  ein  solches  £i  an 
einer  Kette ,  und  den  Berichten  der  Reisebeschreiber  zufolge  hängt  in  den 
Kirchen  der  africanischen  Natronklöster  die  ganze  Decke  voll  Strausseneier. 
Im  M.  A.  bediente  man  sich  derselben  häufig  als  Reliquiengefässe  in  Pocal- 
form,  durch  Hinzufagung  eines  silbernen  Fusses  und  Deckels.  Wittenberg 
und  Halle  besassen  viele  dergleichen ,  und  im  Zither  zu  Halberstadt  finden 
sich  noch  jetzt  zwei.  —  Auch  Kokosnüsse  kommen  in  gleicher  Verwen- 
dung vor  (z.  B.  im  Domschatze  zu  Cammin).  —  Der  Dom  zu  Mainz  be- 
sass  (zu  Anfang  des  XIII.  Jahrb.)  ein  Gef^ss  aus  Smaragd  in  Form 
einer  halben  Melone :  man  füllte  es  mit  Wasser ,  setzte  etliche  kleine  Fisch- 
lein hinein,  verschloss  es  mit  einem  Deckel  und  hängte  es  mit  zwei  goldenen 
Ketten  an  der  Pertica  mitten  unter  den  Reliquien  auf,  und  wenn  es  sich  nun 
(durch  die  Fische)  bewegte,  behaupteten  iyatmpltces  et  vetulaeu,  der  Stein  sei 
lebendig .  ')  Auch  die  fabelhaften  Greifenklauen  durften  in  den  Kirchen- 
schätzen selten  fehlen:  es  waren  wohl  meist  die  oben  (S.  159)  erwähnten 
Hörner,  die  man  mit  ThierfQssen  versah  und  mit  Reliquien  füllte ;  das  Wit- 
tenberger Heiligthumsbuch  zeigt  mehrere.  Die  in  der  Krypta  des  Braun- 
schweiger Doms  aufbewahrte  sogen.  Greifenklaue  scheint  das  Hörn  einer 
Antilope  zu  sein.  —  Vorsindfluthliche  Knochen  finden  sich  in  der 
Kilianskirche  zu  Heilbronn,  in  der  Klosterkirche  zu  Alpirsbach  und  im  Dome 
zu  Halberstadt ;  eine  Wallfischrippe*)  in  der  Nicolaikirche  zu  Jüterbog ; 


>)  Vgl.  Texier  a.  a.  O.  Sp.  24.  —  Dieses  A  kann  als  Repräsentant  einer  ganzen 
Gattung  gelten,  denn  auch  im  Prager  Inventarium  von  I3S7  wird  eine  »latnina  ar- 
gentea  daawreda  ad  modum  literae«  angefahrt,  und  in  Frankreich  kommt  ausser  einem 
doppelten  F  ein  M  im  Museum  des  Louvre  vor;  vgl.  Didron,  Annales  archeol. 
16,  234  u.  239.  Jedenfalls  hängt  die  Entstehung  dieser  Keliquiarien  mit  der  Soge  zu- 
sammen, dass  Karl  der  Grosse  so  viele  Kirchen  gebaut,  wie  Buchstaben  im  Alphabet, 
Xind  dass  er  jeder  einen  goldenen  Buchstaben  geschenkt  habe;  ygl.  Königshoven, 
Chronik,  herausgegeb.  von  Schilter  S.  103. 

2)  Schon  Papst  Leo  IV.  schenkt  einer  römischen  Kirche  »duo  ova  Hruthio-came- 
iorumt  (Anast.  Biblioth.  vitae  Rom.  pontif.  Leo  IV.  a.  Chr.  S47).  Vgl.  Bock, 
in  den  Mittelalter!.  Kunstdenkm.  etc.  a.  a.  O.  S.  142.  —  D u  r  a  n  d i  Rationale  1.  1 
c.  3  n.  42 :  »In  nonnullis  ecclesiis  duo  ova  strutumum  et  kttjwimodif  quae  admirationem 
indueunt  et  quae  raro  indentttr,  caneueverant  SHependi,  ut  per  hoc  poptilm  ad  eccleeiam 
traliatur  et  magie  aj[ficiatur.* 

3)  Chronicon  Conradi  ep.  bei  Urstisius,  German.  histor.  iUustr.  1,  56S  l.  1^. 

4)  In  der  Schlosskirche  zu  Wittenberg  waren  noch  um  die  Mitte  des  vorigen 
Jahrh.  zwei  Wallfischrippen  in  Ketten  hangend  vorhanden,  und  Faber  (die  Schlossk. 
zu  Wittenberg,  S.  230}  bemerkt  dazu :  Als  im  J.  133!  im  Lande  Usedom  bei  Dame- 
row  ein  grosser  Wallfisch  gefangen  wurde,  schickten  die  Herzoge  von  Pommern  Wun- 
ders halber  die  Rippen  n^ch  Wittenbei^,  Brandenburg,  Stralsund  und  anders  wohin. 


Heilige  Geftsse.  161 

eine  grosse  Schildkröten  schale  im  Dome  zu  Merseburg;  ein  70  Pfd. 
schweres  Stück  von  einem  im  J.  1492  gefallenen  Meteorstein  (260  Pfd. 
an  Gewicht)  Hess  König  Maximilian  im  Chor  der  Pfarrkirche  zu  Ensisheim 
im  Elsass  aufhängen;  ein  Alraun  (die  Wurzel  der  Bryonia  alba)  in  der 
Sacristei  der  Blasiuskirche  in  Nordhausen  u.  s.  w. 


b.  Heiligte  Oefässo. 

Abbildangen  heiliger  Oefilsge  der  verschiedensten  Arten  finden  sich  in  den 
bereits  oben  zu  B.  (S.  95)  angeführten  Werken,  denen  hinzugefügt  werden 
können:  Bock,  Fz.,  das  heilige  Köln.  1S5S,  das  Organ  für  christliche  Kunst 
und  besonders  auch  die  Mittheilungen  der.k.  k.  Central- Commission  etc. 

39.  Unter  heiligen  Gefassen  ipcisa  sacra)  im  weiteren  Sinne  wer- 
den alle  diejenigen  Geffisse  und  Geräthe  verstanden ,  welche  bei  der 
Liturgie  gebraucht  werden,  als  Kelche  [mit  ihrem  Zubehör),  Patenen, 
Hostienbüchsen,  Gefasse  zur  Aufbewahrung  der  Eucharistie  (Oiborien 
und  Monstranzen j ,  Messkännchen  und  Giessgefässe,  Weihrauchbecken 
und  Schiffchen ,  Gefasse  für  die  heiligen  Gele ,  Messglöckchen  und 
Weihwasserkessel :  sammtlich  Erzeugnisse  der  Kunst  oder  doch  des 
Kunsthandwerks,  namentlich  aber  Arbeiten  des  Goldschmieds. 

Vasa  sacra  im  engeren  Sinne  sind  nur  diejenigen ,  die  durch  ihren 
Gebrauch  in  unmittelbare  Berührung  kommen  mit  den  consecrirten  Species 
im  heiligen  Abendmahl ;  die  Kelche  imd  Patenen  mit  ihrem  Zubehör  und 
die  Oefösse  von  verschiedenen  Formen ,  welche  zur  Aufbewahrung  der 
Eucharistie  dienen  {vasa  et  instrumenta  eucharistica) .  Allein  der  Bischof 
hat  das  Recht  dieselben  nach  bestimmten  Vorschriften  zu  weihen,  weshalb 
sie  im  späteren  M.  A.  mit  einem  eingravirten  Weihekreuze  {signaculum) 
bezeichnet  wurden ,  wie  dasselbe ,  insgemein  in  einen  Kreis  gezeichnet, 
und  dem  heraldischen  Tatzenkreuze  entsprechend,  an  dem  Fusse  der 
eigentlichen  Messkelche  und  auf  dem  Rande  der  Patenen  regelmässig 
erscheint.  Zuweilen  nimmt  an  den  Kelchfüssen  ein  Crucifixus  die  Stelle 
des  Signaculums  ein.  ') 

Mittelalterliche  Altargefässe  haben  sich  noch  vielfach  erhalten,  ob- 
gleich die  aus  edlen  Metallen  verfertigten  durch  die  Stürme  der  Zeiten  oft 
zu  Grunde  gegangen  sind.  Auch  in  sehr  vielen  alten,  jetzt  protestanti- 
schen Kirchen  findet  man  noch  mittelalterliche  Abendmahlsgefässe  im 
geschätzten  Gebrauch,  während  leicht  erklärlich  die  übrigen,  für  den 
evangelischen  Cultus  entbehrlichen  Geräthe  grOsstentheils  nicht  mehr 
vorhanden  sind. 


1 )  Das  Signaculum  bezeichnet  am  Kelche  die  Seite ,  wo  der  Messprietter  den 
Mund  ansetzt »  und  nach  der  Communion  die  Ablutio  vornimmt ,  an  der  Patene  die 
Stelle,  wo  sie  angcfaast  wird.  Vgl.  Bock,  Fz.,  das  heilige  Köln.  St.  Gereon  S.  21. 
0 1 1  e ,  Kunst- Arch&olofno.  |  1 


162  Kelche. 

40.  Das  ehrwürdigste  und  in  jeder  Beziehung  bedeutendste  unter 
den  heiligen  Gefässen  ist  der  zur  Conseeration  und  Ausspendung  des 
Weins  im  heiligen  Abendmahle  dienende  Kelch  (calix)  *) ,  welcher 
schon  vor  der  constantinischen  Zeit  oft,  und  seit  dem  IX.  Jahrhun- 
dert, mit  seltenen  Ausnahmen ,  stets  vorschriftsmässig  aus  edlem  Me- 
tall verfertigt  und  bereits  in  alter  Zeit  künstlerisch  ausgeschmückt 
wurde.  Derselbe  besteht  aus  drei  Haupttheilen :  Fuss  (pes) ,  Knauf 
[noduSy  pomellum)  und  Becher  [cuppa]  und  ist  in  verschiedenen  Pe- 
rioden in  den  Einzelformen  und  Ornamenten  verschieden  gebildet 
worden. 

In  der  alten  Kirche  legte  man  kein  besonderes  Gewicht  auf  das 
Material ,  aus  welchem  die  Abendmabiskelche  gefertigt  waren ;  neben 
hölzernen  und  glflsenien  kommen  aber  schon  im  III .  Jahrh.  Kelche  aus 
edlen  Metallen  vor:  denn  nach  Augustinus  c.  Crescent.  1.  3  c.  29 
wurden  unter  Diocletians  Regierung  zwei  goldene  und  sechs  silberne 
Kelche  aus  der  Kirche  zu  Cirta  in  Aft-ica  weggenommen  und  confiscirt. 
Erst  seit  dem  VIII.  Jahrh.  finden  sich  kirchliche  Verbote  gegen  den  Ge- 
brauch von  Kelchen  aus  gewissen  Stoffen.  So  verbot  das  Concil  zu  Nicaea 
787  Kelche  und  Patenen  n  de  camu  bovis,  qaod  de  sanguine  eunta  ^) ,  und 
das  Concil  zu  Rheims  8 1 3  ertheilte  c.  6  die  bestimmte  Vorschriil :  »Calix 
domini  cum  patena,  si  non  ex  auro  ex  argento  ßata,  Hess  aber  den  Armen 
zinnerne  Kelche  nach  und  verbot  (ausser  hölzernen  und  gläsernen)  die 
von  Kupfer  und  Messing  verfertigten  Kelche  aus  Gesundheitsrücksichten, 
wenn  sie  nicht  von  innen  und  aussen  stark  vergoldet  würden.  ')  Piatina 
(de  vitis  pontif.  Colon.  XJbior.  1600)  p.  25  erzählt  schon  von  dem  um 
200  lebenden  P.  Zephirinus:  »Staluif,  ut  consecratw  dir  int  sanguinis  in 
vitreo  vase,  non  autem  in  ligneo,  ut  antea,  fieret^ ;  fügt  aber  unter  Bezug- 
nahme auf  die  Concile  von  Tibur  (811)  und  das  erwähnte  von  Rheims 
erläuternd  hinzu ,  dass  in  der  Folgezeit  Kelche  aus  Holz  [propter  rariia- 
tem),  aus  Glas  (propter  fragilitatem)  und  aus  gemeinem  Metall  (oh  tetrum 
saporem)  verboten  worden  seien. 

Dem  kostbaren  Material  entsprechend  war  der  Schmuck  der  Kelche 
mit  Edelsteinen,  und  schon  Chrysostomus  (Homil.  51  in  Matth.)  er- 
wähnt ein  TiOTfiQio»  Xif^'^ov»  xai  XtOoxokhjjoif,  einen  goldenen  mit  Edel- 
steinen besetzten  Kelch;  bedeutungsvoller  war  der  bei  Tertullian  (de 
pudicitia  c.  10)  vorkommende  Schmuck  eines  (vermuthlich  gläsernen) 
Kelches  mit  dem  Bilde  des  guten  Hirten.     Im  M.  A.  bis  ins  XIII.  und 


t)  Dougthaeus,  J. ,  de  calicibus  eucharisticis  vet.  Christianorum,  ed.  Fae- 
sius.  (Bremae)  1694. —Giefers,  W.  Eng.,  über  den  AlUr-Kelch.  (Paderb.)  ISSe.- 
Weiss,  C,  Uebersicht  der  Entwickelung  des  Kelches  im  M.  A.  (als  Einleitung  der 
Beschreib,  des  roman.  Speisekelches  des  Stiftes  Wüten  in  Tirol),  im  Jahrbuche  der 
k.  k.  Central- Commission  etc.  (1860)  4,  3  —  24.  —  Vgl.  auch  Didron,  Annales  ar- 
ch^ol.  19,  143-151. 

2)  Godard,  Cours  d'arch^ologie  sacr^e  2,  242;  vgl.  Weiss  a.  a.  O.  S.  6. 

3;  August i,  Denkwürdigkeiten  12,  2S  nach  Canisii,  Monum.  eccl.  3,  399. 


Ministerialkelche.  1 63 

XIV.  Jahrh.  waren  besonders  am  Becher  und  Fusse  der  Kelche  bildliche, 
emaillirte  oder  niellirte ,  meist  gravirte  Darstellungen  aus  dem  alten  und 
neuen  Testamente  mit  Beziehung  auf  den  Opfertod  Chi^isti  und  dessen 
Vorbilder  beliebt :  man  gab  den  einzelnen,  oft  von  erklärenden  Inschriften 
begleiteten  Bildern  dieser  ^icalices  imapinati«  gewöhnlich  die  Form  von 
Medaillons ,  die  man  in  der  Hegel  so  ordnete ,  dass  der  obere  Rand  der 
Cuppa  von  jeglicher  Verzierung  frei  blieb.  Später  beschränkte  man  sich  mehr 
auf  blosses  Ornament,  das,  wie  auch  schon  früher,  vorzüglich  den  Knauf 
bedeckte.  Auch  kommen  schon  im  VIII.  Jahrh.  an  dem  Rande  des  Fusses 
ringsum  laufende  Inschriften  vor,  die  über  die  Donatoren  Auskimft  geben ; 
solche  Kelche  hat  man  calices  UteraH  genannt.  —  Unter  Pontif ic al- 
keichen versteht  man  besonders  werthvoUe  imd  schmuckreiche  Pracht- 
kelche, welche,  im  Gegensatze  zu  den  einfachen  »calices  Jeriales«,  nur  bei 
festlichen  Veranlassungen  ,  bei  bischöflichen  Messen  etc.  gebraucht  wer- 
den. —  Grabkelche  sind  diejenigen,  welche  man  den  Bischöfen  mit 
ins  Grab  legte :  sie  waren  gewöhnlich  klein ,  dünn  und  ziemlich  werth- 
los.  —  Reisekel  che  sind  (mit  Rücksicht  auf  die  Tragaltäre)  sehr  klein 
und  wurden  auch  des  bequemeren  Transportes  wegen  zum  Auseinander- 
nehmen eingerichtet.  Vgl.  die  Abbild,  eines  äusserst  compendiösen  Reise- 
kelches (XIV.  Jahrh.)  zu  Klostemeuburg  in  den  Mittheil,  der  k.  k. 
Central-Commission  1861.  6,  268. 

Anmerkung.  Vor  der  Einführung  der  Kelchentziehung,  und  so  lange 
auch  den  Laien  die  heil.  Communion  unter  beiderlei  Gestalt  gespendet 
wurde,  was  an  manchen  Orten  noch  sehr  spät  und  in  einzelnen  französischen 


Fig.  61.  MinitUrialkelch  su  Wiltcn  (nach  Weiss). 

11^ 


164 


Saugröhrchen. 


Klöstern  selbst  bis  ins  XVIII.  Jahrh.  ^)  ,  im  allgemei- 
nen indess  nach  dem  XIII.  Jahrh.  nicht  mehr  geschah, 
waren  zwei  Arten  von  Kelchen  gebräuchlich :  die  ge- 
wöhnlichen kleineren  Altarkelche ,  in  denen  der  Priester 
den  Wein  consecrirte,  und  grössere,  zur  Austheilung 
bestimmte  Speisckelche  {caliees mmfstertale») ,  welche 
mit  Wein  gefüllt  wurden ,  dem  der  Diaconus  nach  der 
Consecration  und  Communion  des  Priesters  das  Blut  des 
Herrn  aus  dem  Messkelche  hinzunxischte.  Diese  Speise- 
kelche waren  so  gross,  dass  man  dieselben  zum  be- 
quemeren Tragen  mit  zwei  Henkeln  versah,  weshalb  sie 
auch  Henkelkelche  {caliees  ansati)  genannt  wurden . 
So  besä  SS  noch  zu  Anfange  des  XIII.  Jahrh.  der  Dom 
in  Mainz  zwei  goldene  Kelche  von  der  Grösse ,  dass  sie 
kaum  zum  ('onsecriren  brauchbar  waren :  der  kleinere 
wog  mit  der  Patene  9  Pfund,  und  der  grössierc  hatte 
zwei  Henkel,  welche ,  ähnlich  wie  bei  den  Mörsern  zum 
Stossen  von  Pfeffer  und  Salz ,  die  Hände  des  Hebenden 
ausfüllten.  Dieser  Kelch  fasste  einen  halben  Sextarius 
Wein ,  war  eine  Elle  hoch ,  und  nicht  jedermann  ver- 
mochte ihn  von  der  Erde  zu  erheben.  *)  Solche  Kelche 
waren  indess  sicherlich  nur  im  Besitz  der  reichsten  Me- 
tropolen, dienten  auch  lediglich  als  Schaustücke  zur 
Ausstellung  auf  den  Altären  und  gehören  mithin  zu  der 
Gattung  der  bereits  oben  (S.  15S)  erwähnten  Reliquien- 
kelche. —  Henkelkelchc  sind  nur  noch  sehr  selten  er- 
halten :  im  Schatze  des  Stiftes  St.  Peter  zu  Salzburg  ein 
Speisekelch  aus  dem  XIII.  Jahrh.  mit  vasenförmiger,  in 
geschwungenem  Profil  ausgebauchter  Cuppa  *) ,  und  im 
Stifte  Wüten  in  Tirol  ein  solcher  (aus  vergoldetem  Sil- 
ber, am  oberen  Rande  von  o'/i  Z.  Durchmesser  und  mit 
der  Patene  7  Pfd.  3  Lth.  schwer^,  der  ganz  mit  gravirten 
und  niellirtcn  Darstellungen  bedeckt  ist  und  inschriftlich 
aus  dem  9.  Decennium  des  XII.  Jahrh.  stammt.  ^) 

Zur  »sumtw  sanguinis«  bei  der  Ausspendung  des 
Weins  an  die  Laien  gebrauchte  man,  um  die  Gefahr  der 
Verschflttung  zu  vermeiden,  etwa  seit  dem  IX.  Jahrb., 
ein  Saugröhrchen  ifislula,  calatnus ,  canna^  arundo,  , 
pipa) ,  in  der  Form  eines  langen,  dünnen,  ausgehöhlten 
Stäbchens  aus  Gold ,  Silber  oder  Elfenbein ,  welches  mit  einem  oder  meh- 
reren kleinen  Henkeln  verschen  war ,  und  mit  dem  die  Communicanten  den 


b 


Fi;.  62.  K«>Ichr5hr. 
chen  XU  W^ilten. 


1)  Godarda.  a.  O.  2,  243;  vgl.  Weiss  a.  a.  O.  S.  -1. 

2}   Chron.  Conrad!  ep.  m  Urstisii  German.  histor.  illustr.  I,  5t>9  lin.  20. 

3)  Abbild,  bei  (Petzold,  G.)  Schätze  mittelalterl.  Kunst  in  Salzburg;  vgl. 
Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  1861.  6,  45  und  Organ  für  chrisü.  Kunst 
1861  S.  15. 

4)  Abbild,  bei  Weiss  a.  a.  O.  S.  24,  und  daraus  im  Organ  für  christl.  Kunst 
1S61  No.  3;  8.  vorstehend  S.  1G3  Fig.  Gl. 


FrOhromanische  Kelche.  165 

Wein  aus  dem  Speisekelche  einsaugten.  *)  —  Dem  Dome  zu  Merseburg 
schenkte  K.  Heinrich  II.  einen  goldenen  Kelch  ncumpatina  et  ßstulaa  und 
einen  grossen  silbernen  Kelch  mit  demselben  Zubehpr.  *j  —  Der  Mainzer 
Dom  besass  um  das  J.  1200  r^fisiulae  V.  ad  communicandum  argenteae  de- 
aurataea  ') ,  und  das  Stift  Wilt^n  bewahrt  noch  heute  zwei  zu  dem  vorhin 
erwähnten  Speisekelche  gehörige  Fistulae  aus  Silber  von  1%  Z.  Länge, 
welche  an  dem  einen  Ende  dünner  und  mit  einem  herzförmigen  Griffe  ver- 
sehen sind.  Ebenfalls  befindet  sich  auch  bei  dem  Salzburger  Kelche  noch 
die  Fistula.  —  In  der  päpstlichen  Messe  sind  die  Kelchröhrchen  noch  ge- 
genwärtig in  Gebrauch. 

41.  Die  ältesten  Kelche  bis  ins  XI.  Jahrhundert  ^  soweit  deren 
bekannt  sind ,  erinnern  an  den  Typus  gewisser  antiker  Trinkgefässe 
[pocula]  y  welche  bei  den  Gastmählern  der  Römer  in  der  Kaiserzeit 
vielfach  zu  den  Libationen  in  Gebrauch  waren  und  zwei  durch  einen 
breiten  mittleren  Knauf  verbundene  Trinkschalen  von  gleicher  Grösse 
bildeten,  so  dass  beliebig  aus  beiden  getrunken  werden,  und  beim  Nie- 
dersetzen jede  von  beiden  als  Fuss  dienen  konnte.  *)  Denn  obgleich 
bei  den  Kelchen  der  angegebenen  Periode  die  Cuppa  und.der  Fuss  stets 
von  ungleicher  Grösse  und  auch  verschieden  gebildet  sind ,  so  sind 
doch  beide  ebenfalls  durch  einen  Knauf  mit  einander  verbunden,  und 
der  Fuss,  der  immer  die  Form  eines  Trichters  hat,  könnte  ebenfalls 
zum  Trinken  gebraucht  worden,  wenn  der  Kelch  umgekehrt  wird. 

Der  älteste  bekannte  Kelch  befindet  sich  unter  dem  Namen  des 
tiStifterhechersv  in  Kremsmünster  und  rührt,  der  rings  um  den  Fuss  lau- 
fenden Inschrift  zufolge,  von  Herzog  Tassilo  und  seiner  Gemahlin  Liutpirc 
her,  welche  das  Kloster  im  J.  777  gegründet  haben.  Er  ist  10  Z.  hoch, 
und  der  Durchmesser  der  C*uppa  beträgt  6  Z.  ;  letztere  fasst  5  Österreich. 
Seidel,  und  der  Fuss  mit  dem  hohlen  Knauf  1  Yj  Seidel.  Die  Masse  ist 
in  zwei  Theilen  aus  Kupfer  gegossen ,  und  die  ganze  Oberfläche  derartig 
geschmückt,  dass  auf  den  kupfernen  Grund,  von  Silberbändern  umrahmt, 
Silberblättchen  mit  niellirten  Zeichnungen  genietet,  und  dje  omamentirten 
Zwischenräume  vergoldet  sind.  Der  beim  Anfassen  beinahe  die  ganze 
Hand  füllende  Knauf  ist  auf  den  Kreuzungspunkten  der  ihn  netzartig 
umspannenden  Silberbänder  mit  kleinen  Edelsteinen  besetzt  und  wird 
durch  einen  verschiebbaren,  platte  Kügelchen  bildenden  Ring  von  der 
Cuppa  getrennt.  Die  bildlichen  Darstellungen  bestehen  aus  Brustbildern 
Christi  \md  einiger  Heiligen ,   sowie  aus  den  sitzenden  Figuren  der  vier 


]]  Vgl.  Vogt,  J.,  Historia  fistulae  eucharisticae.  Brem.  1772. 
2}  Thietmari  Chron.  rec.  Wagner  p.  19S. 

3)  Chron.  Conradi  ep.  l.  c.  lin.  17. 

4)  Ein  Becher  aus  vergoldeter  Bronze ,  in  oberer  und  unterer 'Mündung  gleich 
anwendbar,  ist  ganz  neuerlich  als  einziger  Gegenstand  in  einem  aus  grossen  behaue- 
nen  Steinen  ausgeführten,  vielleicht  römischen  Grabe  in  der  Nähe  von  Malmedy  auf- 
gefunden worden.  Vgl.  KreuzKtg.  ]Sü2.  Beilage  zu  No.  260. 


1 56  Frühromanische 

Evangelisten  mit  ihren  Symbolen  in  roh -barbarischer  Weise.  *)  —  Die 
Übrigen  auf  uns  gekommenen  Kelche  aus  dieser  frühen  Periode  sind  klein 


Fig.  63.  Taseilokflch  in  KretnsmUnster  (nach  Bock). 

und  schmucklos.  In  dem  zu  Anfange  des  IX.  Jahrh.  von  dem  h.  Liudger 
gegründeten  Kloster  Werden  an  der  Ruhr  wird  ein  goldener  Kelch  auf- 
bewahrt ,  welcher  der  Ueberlieferung  zufolge  von  dem  Stifter  dieses  Klo- 
sters gebraucht  worden  sein  soll  und  wohl  spätestens  aus  dem  X.  oder 
XI.  Jahrh.  herrühren  möchte:  derselbe  ist  nicht  ganz  4%  Z.  hoch;  der 
Becher  von  2*74  Z.  oberem  Durchmesser  verengt  sich  nach  unten  und  der 
3  Z.  im  Durchmesser  haltende  Fuss  ist  von  eingebogener  Trichterform. 
Die  rings  um  Cuppa  und  Fuss  laufenden  beiden  Inschriften  bezeichnen 
diesen  Becher  ausdrücklich  als  Messkelch  [calt'x  sanguinis  domini  nostri 
Jesu  Christi) .  ^}  Nicht  viel  mehr  als  halb  so  gross  ist  der  ähnliche 
Kelch  von  vergoldetem  Silber  (mit  der  Patene  nur  37,  Loth  schwer), 
welcher  im  J.  1667  im  Grabe  des  Bischofs  Hezilo  (i  1079)  in  der 
Kirche  auf  dem  Moritzberge  zu  Hildesheim  gefunden  wurde  und  seitdem 
im  dortigen  Dome  verwahrt  wird :  der  Fuss  desselben  ist  trichterförmig, 
und  ein  Perlstab  verbindet  den  Knauf  mit  der  Cuppa,  deren  unterer  halb- 
kugeliger Theil  den  einen  Kegelschnitt  bildenden  Obertheil  umfasst,  wie 
ein  Eichelnäpfchen  die  Eichel.  ^)  —  Ein  anderer  Sepulchralkelch ,  aus 
Erz,   gefunden  im  Grabe  des  Bischofs  Friedrich  von  Münster  (f  1084) 


1)  Bock,   Fz. ,   Frühkaroling.  KirchengeriLthe  im  Stifte  Kremsmanster ,  in  den 
Mittheil,  der  k.  k.  Central- Com mission  etc.  1859.  4,  6  ff.  nebst  Abbild,  auf  Taf.  I. 
2^  Abhild.  bei  aus'ra  Weerth,  Denkmäler  etc.  Abth.  U.  Bd.  IL  Taf.  XXVH.  4. 
3)  Abbild,  bei  Kratz,  Dom  zu  Hildesheim.  Taf.  VIII.  3. 


Kelche. 


167 


und   in  der  St.  Mauritskirche  daselbst  aufbewahrt,    ist  ebenfalls  ganz 
schmucklos,  es  erscheint  jedoch  zwischen  dem  Fasse  und  dem  Knaufe 


M\\<^^:C\PO.oöTir>rQ 


Fig.  64.  Kelch  nebet  Fatene  zu  Werden  (nach  aus^m  Weerth). 

einerseits ,  und  zwischen  diesem  imd  der  Cuppa  andererseits  ein  über- 
leitendes Zwischenglied.  *)  Ausserdem  erwähnen  wir  noch  die  Dar- 
stellung des  Kelches  auf  einem  Elfenbeindeckel  mit  dem  Relief  eines 
celebrirenden  Priesters  (IX.  oder  X.  Jahrh.)  in  der 
Stadtbibliothek  zu  Frankfurt  a.  M.  :  der  Obertheil  er- 
scheint hier  einer  doppelt -gehenkelten  antiken  Vase 
ähnlich  und  hat  über  dem  Knaufe  eine  muschelartige 
Verzierung  ;  der  Fuss  zeigt  die  Trichterform.  ^)  Nach 
der  Beschreibung,  welche  Adamnan  im  VII.  Jahrh. 
nach  eigener  Anschauung  von  dem  Kelche  giebt,  der 
in  Jerusalem  als  der  bei  der  Einsetzung  des  heil. 
Abendmahles  von  Christo  selbst  gebrauchte  gezeigt 
wurde ,  war  auch  dieser  gehenkelt  ') ,  und  schon  bei 
Plinius  (Hist.  nat.  1.  36  c.  29)  kommen  ncalices  pterotia,  Kelche  mit 
Flügeln  oder  Henkeln  vor.  —  Vgl.  oben  S.  164. 

42.  Bei  den  Kelchen  des  XII.  und  XIII.  Jahrhunderts  hat  die 
Trinkschale  mehr  oder  weniger  die  Form  einer  Halbkugel,  der  grosse 
runde  Fuss  ist  flach  und  gestaltet  sich  in  der  Mitte  in  geschwungener 
Linie  zu  einem  kurzen  cylindrischen  Schafte ,  der  zuweilen  auch  sich 
oberhalb  des  kugeligen  Knaufes  als  Träger  der  Cuppa  noch  fortsetzt. 


Fi?.  65. 


1)  Vgl.  Lühke,  W.,  die  mittelalterl.  Kunst  in  Westfalen  S.  422. 

2]  Vgl.  die  Ahbild.  des  Deckels  im  Archiv  für  Frankfurts  Gesch.  u.  Kunst  I. 
1,  133  Taf.  4.  —  Fast  buchstäblich  stimmt  dieser  Messkelch  überein  mit  einer  klei- 
nen goldenen  Vase,  welche  neben  Münzen  aus  dem  VI.  Jahrh.  zu  Gourdon  bei  Cha- 
lons-sur-  Sa6ne  in  neuerer  Zeit  gefunden  worden  ist ;  vgl.  die  Abbild,  in  de  Cau- 
mont,  Ab^^aire  (4.  ^.)  I,  66. 

3)  Mabillon,  Act.  SS.  Ord.  S.  Bened.  S.  m.  1,  506  (Pariser  Ausgabe),  ange- 
führt von  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  S.  93. 


j  ßg  Romanische 

In  den  schönsten  und  anmuthigsten  Verhältnissen  sind  besonders 
mehrere  Kelche  gebildet ,  welche  aus  der  Uebergangszeit  des  XIII. 
Jahrh.  stammen  und  im  Ganzen  zwar  d^m  älteren,  romanischen  Typus 
getreu  f  dennoch  schon  in  dem  eckig  gestalteten  Knauf  und  in  ein- 
zelnen Ornamenten,  sowie  in  der  schmu^cklos  und  schlicht  gehaltenen 
Cuppa  auf  die  folgende  gothische  Periode  hindeuten. 

Kelche  aus  dem  XII.  Jahrh.  sind  sehr  sollen  und  aus  der  ersten 
Hälfte  desselben  kaum  nachgewiesen.  *)  —  Im  Stifte  St.  Peter  in  Salz- 
burg zeigt  der  völlig  schmucklose  Vitaliskelch  die  Schale  bereits  in  Halb- 
kugelform ;  der  Fuss  aber  ist  noch  trichterförmig  und  zwischen  Knauf 
und  Cuppa  noch  ein  Perlstab.  *)  —  Die  Kirche  zu  Trzemeszno  in  der 
Prov.  Posen  besitzt  zwei  Prachtkelche  aus  der  Blüthezeit  der  romanischen 
Kunst :  der  eine  hat  noch  einen  fast  trichterförmigen  Fuss ,  so  dass  ein 
besonderer  Schaft  nicht  ersichtlich  ist ;  der  Fuss  des  anderen  ist  flach  mit 
kurzem  Schaft.  Bei  beiden  Kelchen  bildet  der  Knauf  ein  quer  gestelltes 
Oval,  worauf,  nur  durch  einen  Perlstab  getrennt,  die  halbkugelige,  am 
Rande  etwas  ausgebogene  Cuppa  ruht.  Beide  Kelche  sind  aus  vergoldetem 
Silber  und  reich  geschmückt :  hei  ersterem  mit  figürlichen  Darstellungen 
in  Niello  und  blau  emaillirten  Zwischenräumen ,  bei  dem  anderen  in  ge- 
triebenen Reliefs.  ')  —  Das  prachtvollste  nur  von  dem  oben  S.  164  be- 
schriebenen Calix  mmisterialis  zu  Wüten  übertroffene  Exemplar  eines 
bischöflichen  Pontiflcalkelches  bewahrt  die  1146  gegründete  Oodehards- 
kirche  zu  Hildesheim  als  Geschenk  ihres  Stifters ,  des  Bischofs  Bernhard 
(f  1 153)  :  er  ist  aus  vergoldetem  Silber,  gegen  7  V«  Z.  hoch  und  zeigt  auf 
dem  Fusse  vier  alttestamentliche  Scenen  in  getriebener  Arbeit ,  an  der 
Cuppa  eben  so  viele  Parallelbilder  aus  dem  neuen  Testamente  und  in  den 
Zwischenräumen  und  am  Knaufe  ein  mit  Edelsteinen  besetztes  Filigran- 
geflecht. *)  —  Ausgezeichnet  ist  auch. ein,  dem  beginnenden  XIII.  Jahrh. 
zugeschriebener  Prachtkelch  aus  vergoldetem  Silber  von  fast  8  Z.  Höhe 
bei  5y,  Z.  Durchmesser  am  oberen  Rande  imd  5%  Z.  Durchmesser  des 
Fusses,  in  St.  Aposteln  zu  Cöln :  auf  dem  letzteren  liegen  vier  Medaillons 
mit  neutestamentlichen  Reliefs  und  die  Zwischenräume  zeigen  die  gravirten 
Evangelistenzeichen ;  der  Knauf  enthält  in  den  Durchbrechungen  eines 
Filigrannetzes  zartes  Laubwerk  mit  erdbeerähnlichen  Früchten,  und  um 
die  Cuppa  läuft  eine  Arkadenreihe  mit  den  zwölf  Aposteln  in  gravirter 
Arbeit.  ***)  —  Mit  dem  eben  beschriebenen  sind  nahe  verwandt  ein  etwas 
kleinerer  Kelch  in  der  Moritzbergerkirche  zu  Hildesheim  *)  und  ein  etwas 


1 )  Im  Dome  zu  Hildesheim  befindet  sich  ein  nur  gegen  3  Z.  hoher  Grabkelch 
aus  dem  Steinsarge  des  Bischofs  Udo  (f  1116;,  dessen  Form  tuis  nicht  bekannt  ist. 
Vgl.  Kratz,  im  Correspondenzblatt  etc.  1857.  Beilage  zu  No.  4  S.  3  No.  27. 

2;  Vgl.  Mittheil,  der  k.  k.  Central -Commission  etc.  1S61.  6,  45. 

3)  Przezdziecki,  Alex.,  et  Rastawiecki,  Ed.,  Monuments  du  Moyen-age 
dans  Tancienne  Pologne  (Varsovie  et  Paris).  S6r.  1  ;  vgl.  Weiss  a.  a.  O.  S,  lö. 

4)  Vgl.  Kratz  a.  a.  O.  No.  29. 

5)  Abbild,  bei  Bock,  das  heilige  Köln.  Taf.  XXVIII.  92. 

6)  Abbild,  bei  Didron,  Annales  archäol.  19,  149. 


Kelche.  \  69 

grösserer ,  aber  minder  eleganter  Kelch  im  Musemn  zu  Basel  (mit  einem 
rings  um  die  Cuppa  gravirten,  omamentirten  Rundbogenfries  und  mit  den 


Fig.  B6.  Kolch  in  St.  Apofitoln  zu  COln  (nach  Bock). 

erhabenen  Evangelistenzeichen  in  vier  Medaillons  auf  dem  Fusse).  *) 
Beide  Kelche  wurden  in  gothischer  Zeit  mit  hohen  Deckeln  versehen,  der 
Hildeshcimer  zum  Gebrauche  als  Ciborium,  der  Basler  zur  Aufnahme  von 
Reliquien.  Letzterer  ist  dadurch  noch  besonders  wichtig,  dass  nach  der 
den  Donator  nennenden  Inschrift,  am  Fusse  die  Entstehungszeit  als  zwi- 
schen 1243  und  1289  fallend  bestimmt  ist.  —  Ein  Kelch  im  Dome  zu 
Plock ,  inschriftlich  bezeugt  als  Geschenk  des  Herzogs  Konrad  von  Ma- 
sovien  (1191  — 1247)  zeigt  in  dem  achteckigen  Nodus  und  in  dem  gravir- 
ten  "Vierblatt-Omamente  schon  Anklänge  an  die  Gothik ;  die  Gravirungcn 
des  Fusses  zeigen  den  Crucifixus  (als  Signaculum)  mit  Johannes  und  fünf 
alttestamentlichen  Propheten,  die  der  Cuppa  vier  Medaillons  mit  neutesta- 
mentlichen  Scenen,  in  unbeholfener  Zeichnung.  *)  —  Künstlerisch  in  jeder 
Beziehung ,  und  durch  die  edelste  Einfachheit  ausgezeichnet  dagegen  ist 
der  in  Form  und  Technik  einigermaassen  ähnliche,  ebenfalls  schon  einige 
gothische  Anklänge  verrathende  Kelch  in  der  Johanniterkirche  zu  Werben  : 
er  ist  6*74  Z.  hoch,  in  der  regelmässig  halbkugelfQhnigen  Schale  und  im 
Fusse  S'/ji  Z.  breit.  Erstere  ist  mehr  am  Grunde  mit  vier  gravirten  alt- 
testamentlichen  Rundbildern  geschmückt,  die  durch  flach-erhabene  Oma- 
mentstreifen  verbunden  werden;  letzterer  zeigt  ebenfalls  vier  gravirte 
Rundbilder,  zwei  aus  dem  alten  Testament  und  zwei  aus  deni  neuen  (die 

1)  Photogr.  Abbild,  in  den  Mittheil,  der  Gesellsch.  für  vaterländ.  Alterth.  in 
BasellX,  II. 

2)  Abbild,  bei  Przezdziecklund  Rastawiecki  a.  a.  O.  Ser.  2  Livr.  25. 


\  70  Romanische 

Verkündigung  und  zugleich  als  Signaculum  die  Kreuzigung) .  Der  Knauf 
hat  die  Form  zweier  sich  durchschneidender  TOnnchen  und  ist  an  den 
vier  Seiten  mit  den  Medaillons  der  Evangelistenzeichen  in  Relief  ge- 
schmückt. ^  —  Bei  Befolgung  des  romanischen  Grundtypus  zeigt  ein 
Kelch  im  Kloster  Zehdenik  (fast  7  Z.  hoch,  oben  b%,  unten  6  Z.  breit) 


Fig.  67.  Kelch  zu  Zehdenik  (nach  v.  Quast). 

eine  schlichte  halbkugelige  Cuppa ,  einen  weit  vortretenden ,  nach  oben 
und  unten  durch  achteckig  -  prismatische  Anläufe  mit  dem  Schafte  ver- 
bundenen Knauf  mit  acht  kleinen,  die  Evangelistenzeichen  und  einen 
viermal  wiederholten  Christuskopf  darstellenden  Relief-  Medaillons ,  und 
auf  dem  Fusse  vier  erhabene  Medaillons  mit  neu  testamentlichen  Bildern 
und  dazwischen  angeordneten  Engeln  mit  Spruchbändern ;  das  der  Natur 
nachgebildete  Pflanzenomament  (Weinlaub  imd  EichenbLitter)  am  Ständer 
und  Knauf  deutet  dagegen  auf  die  der  Gothik  eigenthümliche  Schmuck- 
weise. *)  —  Ganz  übersponnen  mit  Ranken  werk  aus  Weinlaub ,  an  ge- 
eigneten Stellen  von  Edelsteinen  unterbrochen,  erscheint  als  Kunstwerk 
ersten  Ranges  imd  wohl  ohne  gleichen  ein  Kelch  der  Nicolaikirche  zu 
Berlin,  der  ausserdem  an  der  niederen  breiten  Cuppa ,  am  Nodus  und  am 
Fusse  mit  (steif  gezeichneten)  figürlichen  Darstellungen  in  Flachrelief 
belegt  ist :  an  der  Cuppa  die  Madonna  inmitten  der  Apostel ,  am  Fusse 
der  Crucifixus,  zu  dessen  Seiten  das  Donatorenpaar,  Markgraf  Otto  III. 
von  Brandenburg  (1220 — 1267)  mit  seiner  Gemahlin  kniet.  ^)  —  Sämmt- 
liche  vorgenannte  Kelche  sind  aus  vergoldetem  Silber. 


1)  Abbild,  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archäologie  und  Kunst  I.  Bl.  4. 

2)  Abbild,  ebd.  H.  Bl.  7. 

3)  Vgl.  Pi schon,  über  einen  alten  Kelch  und  eine  Patena  in  der  St.  Nicolaik. 
in  Berlin,  im  N.  Jahrb.  der  Berlin.  Gesellsch.  für  deutsche  Spr.  u.  Alterthumskunde 
5,  255—260.  —  v.  Quast,  im  Correspondenzblatt  etc.  1858.  (VII.)  No.  3.  8.  33.  — 


und  gothische  Kelche.  \  7 ! 


Kelche  romanischen  Stils  auch  im  Schatze  von  St.  Ulrich  zu  Ai 
bürg  ^),  in  Ottenbeuern  *) ;  ein  Kelch  im  Domschatze  zu  Regensburg 


ugs- 

im  Stifte  Lambach  und  im  Domschatze  zu  Salzburg  zwei  Kelche  mit 
Cuppen  aus  romanischer  Zeit  (erstere  mit  Gravirungen,  letztere  schlicht)*); 
in  der  Wallfahrtskirche  zu  Frauenberg  bei  Zülpicb  *)  ;  in  Braunschweig, 
Osnabrück  und  Halberstadt  *) ;  die  Abbildung  eines  nicht  mehr  vorhan- 
denen, sehr  interessanten  Kelches  aus  dem  XIII.  Jahrh.  (aus  Gerb  er  t, 
Vetus  Hturgia  Aleman.)  bei  Didron,  Annales  arch6ol.  3,  206. 

43.  Wenn  bei  den  Kelchen  der  romanischen  Periode  in  allen 
Details  die  Kreislinie  vorhenscht,  so  tritt,  den  Principien  des  sich 
auch  der  omamentistischen  Künste  bemächtigenden  gothischen  Bau- 
stiles gemäss ,  im  XIV.  bis  XVI.  Jahrhundert  das  Polygon  und  der 
Spitzbogen  allmählich  an  deren  Stelle ,  wovon  eine  grössere  Schlank- 
heit in  der  äusseren  Erscheinung  der  durchschnittlich  6  bis  8  Zoll 
hohen,  regelmässig  aus  vergoldetem  Silber  verfertigten  Kelche  die 
nothweudige  Folge  war.  Die  Cuppa  verlässt  die  Ilalbkugelform,  wird 
eiförmig,  kegelförmig,  zuletzt  geschweift  oder  kuppelartig  gerundet. 
Der  in  der  frühromanischen  Zeit  ganz  fehlende ,  später  sich  einschie- 
bende Ständer  wird  zu  einem  selbständigen  Haupttheile  und  nimmt 
statt  der  bisherigen  kreisrimden,  bald  die  vieleckige  Gestalt  an.  Der 
Knauf  bleibt  zwar  Anfangs  noch  eine  plattgedrückte  Kugel,  jedoch 
mit  vielen  Einkerbungen,  so  dass  der  Querschnitt  desselben  einen 
Stern  mit  abwechselnd  abgerundeten  und  spitzen  Strahlen  bildet; 
häufiger  indess  treten  aus  dem  flachrunden  Nodus  sechs  runde  oder 
übereckgestellt  viereckige  Zapfen  [rotult]  hervor.  Der  Fuss,  Anfangs 
noch  kreisrund,  zerlegt  sich  in  die  Form  der  sechsblätterigen  Kose 
und  steigt  steil  zum  Ständer  empor. ')   —  Dem  Ornamente  ist  in  der 


Auf  der  Patene  ist  der  Bruder  u.  Mitregent  Otto's  Markgr.  Johann  I.  (1220 — 1266) 
mit  seiner  Gemahlin  dargestellt ,  wobei  jedoch  zu  bemerken  bleibt ,  dass  auch  des 
letzteren  älteste  Söhne,  Johann  II.  (t  1282)  u.  Otto  IV.  (t  130^)  als  Donatoren  ge- 
meint sein  könnten. 

1)  Abbild,  bei  Sighart,  J.,  Gesch.  der  bild.  Künste  im  Königr.  Bayern  S.  125. 

2)  Abbild,  bei  Postelmayr,  der  St.  Ulrichskelch  in  der  Klosterk.  zu  Otten- 
beuern ,  im  Jahresbericht  des  hist.  Vereins  von  Schwaben  und  Neuburg  XVII.  u, 
XVnizuS.  12  ff. 

3)  Abbild,  bei  Becker  und  v.  Hefner,  Kunstwerke  etc.  Bd.  m.  Taf.  43. 

4)  Angefahrt  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  1861.  6,  45. 

5)  Catalog  des  Erzbischöfl.  Museums  zu  Cöln  1855.  S.  11  No.  23. 

6)  AngeftLhrt  von  Bock,  Fz.,  die  Goldschmiedekunst  des  M.  A.  S.  20. 

7)  Eine  strenge  Chronologie  ist  in  Beziehung  auf  die  manniohfache  Ausgestal- 
tung der  gothischen  Kelche  nicht  durchzuführen ,  indem  der  einzelne  Goldschmied 
nicht  immer  die  neuesten ,  sondern  oft  filtere  Vorbilder  befolgte ,  oder  sich  eigenen 
Neigungen  hingab.  So  hat  der  im  Grabe  des  Erzb.  Burchard  von  Magdeburg  (f  1325) 
gefundene  Kelch  bereits  eine  hftsslich  geschweifte  Cuppa ,  während  die  Grabkelche 
der  Erzbischöfe  Otto  (t  1361)  und  Johann  (t  1475)  eine  angenehmere  Schweifung 
zeigen;    bei  ersterem  ist  der  Durchschnitt  des  ein  gekerbtes  Pomellum  bildenden 


J  72  Ootliische 

gothischen  Periode  bei  den  Messkelchen,  anscheinend  aus  liturgischen^ 
Rücksichten,  ein  engeres  Feld  angewiesen :  es  beschränkt  sich  meist 
auf  Ständer,  Knauf  und  Fuss  und  besteht  in  der  Regel  aus  architek- 
tonischem Maasswerk,  seltener  aus  der  Natur  nachgebildeten  ßlättem. 
Die  Schilder  der  sechs  Rotuli  sind  häufig  emaillirt  oder  niellirt  und 
mit  den  Buchstaben  des  Namens  Jesu  Ü^tSW,  auch  t  munil  bezeichnet. 
Auf  dem  Fusse,  dessen  Rand  oft  von  Vierblättchen  durchbrochen  er- 
scheint, ist  fast  regelmässig  der  kirchlichen  Vorschrift  zufolge  das 
Signaculum  angebracht,  auch  nach  alter  Sitte  oft  eine  ringsum  laufende 
Inschrift  mit  den  Namen  der  Donatoren. 

Die  anscheinend  ftltesten  Kelche  der  gothischen  Periode  mit  run- 
dem Fuss  und  Ständer,  eingekerbtem  Pomellum  und  niedriger 
breiter  Schale,  sonst  ganz  einfach ,  sind  schon  seltener ;  wir  nennen  nach 
den  vorliegenden  Abbildungen:  einen  Kelch  zu  Emmerich^)  und  einen 
(nicht  näher  bestimmten)  Grabkelch  im  Dom  zu  Magdeburg*),  beide 
noch  mit  halbkugeliger,  aber  am  Rande  scharf  ausgebogener  Cuppa  ;  ferner 
einen  Kelch  mit  gothischer  Cuppa  in  dem  Dorfe  Haffen  bei  Rees,  auf 
dem  Fusse  mit  vier  ciselirten  Medaillons  mit  dazwischen  gravirten  Engeln 
verziert*),  den  Meinwerkskelch  im  Dom  zu  Paderborn  mit  flacher 
breiter  Cuppa*),  endlich  die  schon  oben  (S.  171  Anmerk.  7.)  erwähnten 
drei  Magdeburger  Sepulchralkelche  mit  geschweiften  Cuppen.  — 
Zwar  runden  Fuss  und  Ständer,  aber  abweichende  Nodusbildung 
zeigen  ein  Kelch  im  Domschatze  zu  Mainz  mit  6  runden  Zapfen  an  dem 
runden  Knaufe  **; ;  ein  Kelch  der  Kirche  zu  Wewer  bei  Paderborn  mit 
sechs  viereckigen  Zapfen  an  dem  eckigen  Knaufe  *) ;  ein  Kelch  zu  Elten- 
berg  mit  eiförmiger  Cuppa,  sphäroldischcm  Knauf  und  den  Evangelistcn- 
zeichen  in  vier  Medaillons  auf  dem  Fusse ;  Ständer  und  Nodus  mit 
stilisirtem  Blattwerk  geschmückt^);  der  fast  9  Z.  hohe,  goldene  Bem- 
wardskelch  im  Dome  zu  Hildesheim,  ein  seltenes  Prachtexemplar,  und 
nach  der  Mitte  des  XIY.  Jahrb.  wahrscheinlich  aus  dem  ursprünglichen 
Bernwardskelche  umgearbeitet :  auf  dem  Fusse  erscheinen  zwischen  7 
gravirten  Rundbildern  aus  dem  N.  T.  14  Edelsteine,  zum  Theil  antike 
Gemmen  und  Kameen  ;  den  kurzen  Ständer  umsäumt  oben  und  unten  ein 
Palmettenband ,   der  Knauf  besteht  aus  einem  1 2  eckigen  Topas  von  fast 


Knaufes  ein  zehnstrahligcr,  bei  letztcrem  ein  achtstrah liger  Stern ;  Fus9  und  Stander 
sind  rund ;  man  wird  daher  z.  B.  das  EseUrÜckenprofil  der  Cuppa  nicht  immer  als 
einen  Beweis  später  Entstehungszeit  annehmen  dürfen.  —  Die  Abbild,  der  genannten 
Grabkelche  bei  Rosenthal,  Dom  zu  Magdeburg.  Lief.  V.  Taf.  I.  2  u.  3. 

1;  Abbild,  bei  auB*m  Weerth  a.  a.  O.    Bd.  I.  Taf.  II.  fi.    Der  Fuss  dieses 
Kelchs  ist  als  modern  verdächtig. 

2)  Abbild,  bei  Rosen  thal  a.  a.  O.  Fig.  I. 

3)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Bd.  II.  Taf.  XXI.  «. 
A)  Abbild,  bei  Giefers,  aber  den  Altarkelch.  Fig.  1. 

5)  Beschrieben  von  Bock,  Fz.,  die  Goldschmiedekunst  des  M.  A.  S.  13. 

6)  Abbild,  bei  Giefers  a.  a.  O.  Fig.  2. 

7)  Abbild,  bei  au s'm  Weerth  a.  a.  O.  Bd.  I.  Taf.  11.  1. 


Kelche^ 


173 


3  Z.  im  Durchmesser  bei  IV4  Z.  Höhe,  die  eiförmige  Cuppa  endlich 
Rchmackt  unter  umlaufenden  Zackenbögen  die  gravirte  Darstellung  des 
heil.  Abendmahles*);  die  Grabkelche  der  Erzb.  Günther  (f  1445)  und 
Friedrich  (■[  I4G4)  von  Magdeburg :  ersterer  mit  einem  gothisch  ge- 
gliederten Hinge  statt  des  Nodus ,  letzterer  mit  runden  Zapfen  an  dem 
mit  Maas» werk  geschmückten  Knaufe.  *)  —  Mit  eckigem  Ständer, 
runden  Zapfen  an  dem  Nodus  und  Maass  werk  Verzierung  erscheinen 
die  Kelche  zu  Ruthen  (um  1318)  und  zu  D  0  r  e  n  h  a  g  e  n  bei  Paderborn 
(um  1370).  ^J  Auch  ein  Kelch  im  Stifte  Admont  vom  J.  1355  gehört 
noch  zu  dieser  Gattung,  sowie  ein  Kelch  in  der  Hofbui^kapelle  zu  Wien 
vom  J.   1438. 


Fig.  G8.  Kelch  xu  KQtlien  (nach 
Gieferf). 


Fig.  09.  Kt'lch  in  der  Frälatur  «i  Klosti^r- 

neuburg  (nach  den  Mittheil,  der  k.  k. 

Central  -  ComuiiMion). 


Die  grosse  Mehrzahl  der  gothischen  Kelche,  deren  noch  viele  er- 
halten sind ,  hat  einen  sechsblätterigen  Fuss ,  sechseckigen  Ständer  und 
Zapfenknauf,  meist  mit  Maasswerk  Verzierung ,  seltener  mit  Laubwerk. 
Zwei  reiche  Prachtkelche  befinden  sich  zu  Klosterneuburg*);  der 
eine  von  ly^Z.  Höhe  (in  der  Schatzkammer)  aus  dem  J.  1337  mit  glatter 
kegelförmiger  Cuppa ,  ist  bis  zum  Grunde  derselben  mit  erhaben  aufge- 
legten Ornamenten  ganz  bedeckt ;  auf  dem  Fusse  drei  neutestamentliche 
Rundbilder  in  Email.  Der  andere  (in  der  Prälaturkapelle)  ist  nicht  bloss 
an  den  unteren  Theilen ,  sondern  auch  rings  um  den  Grund  des  kuppel- 


1)  Abbild,  bei  Kratz,  Dom  zu  Hildesheim.  Taf.  V.  1. 

2)  Abbild,  bei  Rosenthal  a.  a.  O.  Fig.  4.  u.  5. 

3)  Abbild,  bei  Giefers  a.  a.  O.  Fig.  4.  u.  3. 

4)  Abbild,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Centzal-Commltsion  etc.  1S<;I.  (i,  2GJi'. 


1 74  Spätgothische  Kelche. 

förmigen  Bechers  mit  emaillirten  Filigranornamenten  und  einem  erhabenen 
Traubenkranze  geschmückt.  —  Die  kathol.  Hauptpfarrkirche  zu  Wesel 
bewahrt  einen  8V4  Z.  hohen,  oben  474,  unten  ß'/*  Z.  breiten  Kelch  vom 
Ende  des  XV,  Jahrh. ,  mit  den  Wappen  der  Herzoge  von  Cleve  und  der 
Grafen  v.  d.  Mark  an  dem  mit  6  Darstellungen  aus  der  Passionsgeschichte 
in  ciselirten  Figuren  geschmückten  Fuss,  mit  Maasswerkverzierungen 
am  Ständer,  mit  runden  Zapfen  am  Knaufe  und  einem . Blattomament 
unten  am  Becher.  ')  —  Einfacher  sind  zwei  8  Z.  hohe  Kelche  in  der 
Pfarrkirche  zu  Kempen*),  der  eine  mit  reichen  Gravirungen  am  Fusse, 
mit  Maasswerk  an  Ständer  und  Nodus  und  Blättern  am  Grunde  der 
Cuppa  ;  der  andere  mit  achttheiligem,  an  der  Basis  durchbrochenem  Fuss, 
mit  den  erhaben  gearbeiteten  Passions  Werkzeugen  am  Sockel  des  Ständers, 
mit  Apostelstatuettchen  vor  den  acht  Zapfen  des  Knaufes  und  eiförmiger 
Cuppa.  —  Gewöhnliche  spätgothische  Messkelche  befinden  sich  zu  Cöln 
in  den  Kirchen  St.  Gereon,  Maria  Himmelfahrt,  St.  Andreas,  im  Dom 
und  in  St.  Martin.  ')  Alle,  diese  Messkelche  sind  sehr  einfach  mit  glatten 
Cuppen ,  und  ihre  Schönheit  beruht  lediglich  in  dem  gegenseitigen  Ver- 
hältniss  ihrer  emzelnen  Theile.  —  An  Reliquienkelchen  war 
auch  die  spätere  Gothik  mit  Verzierungen  nicht  sparsam ;  das 
Heiligthum  des  Domes  zu  Halle  (Gang  ü.  33)  bewahrte  einen 
mit  Reliquien  vom  heil.  Kreuze  gefüllten  Kelch  (Fig.  70)  mit  ge- 
schweifter Cuppa,  dessen  ganze  Oberfläche  reich  ornamentirt  war. 
Schöne  gothische  Kelche  werden  angeführt  im  Stift  St. 
Paul  in  Kärnthen ,  in  der  Stadtkirche  zu  Reutlingen ,  Petri- 
^  kirche  zu  Soest ,   Marienkirche  zu  Danzig ,  im  Schloss  und  in 

Fig.  70.  der  Sacristei  zu  Marienburg.  *)  —  Einfachere  Exemplare  in 
St.  Emmeram  zu  Regensburg,  in  Marklkofen,  in  Aunkofen, 
in  St.  Jacob  zu  Straubing,  alle  im  Sprengel  von  Regensburg.  *)  — 
In  der  Diöces  München-Freising:  in  der  Pfarrkirche  zu  Wasser- 
burg (ein  Kelch  von  etwa  HZ.  Höhe),  in  Jasberg,  in  Trostberg  (vom 
J.  1500),  Loiblfing,  in  Törwang,  Steinkirchen,  Greimering,  Schlehring 
in  der  Streichenkapelle,  in  Marzling  und  Altenhausen  (1535).  ^)  —  In 
Westfalen:  ein  goldener  Prachtkelch  und  mehrere  andere  im  Dom  zu 
Osnabrück,  zwei  goldene  Kelche  in  der  Johanneskirche  daselbst,  ein 
grosser  ganz  mit  aufliegenden  Ornamenten  bedeckter  Prachtkelch  in  der 
Katharinenkirche  daselbst,  zwei  Kelche  im  Dom  zu  Minden.  ^)  —  Zu 
Hildesheim:  ein  goldener  Kelch  aus  dem  ehemal.  Karthäuserkloster, 
mit  einem  Topas  als  Knauf,  ein  Kelch  mit  emaillirtem  Fuss  im  Dom- 


1)  Abbild,  bei  auB'm  Weerth  a,  a.  O.  Bd.  U.  Taf.  XXI.  8. 

2)  Abbüd.  ebd.  Taf.  XXH.  8  u.  10. 

3)  Abbild,  bei  Bock,  das  beilige  Köln.  Taf.  II.  10.  Taf.  III.  14  u.  15.  Taf.  IV. 
19.  Täf.  IX.  38.  Taf.  X\X  64. 

4;  Vgl.  ebd.  St.  Andreas  S.  7. 

5)  Vgl.  Bock  und  Jakob,  die mittelalterl.  Kunst  etc.  S.  13;  auch  Jakob,  die 
Kunst  im  Dienste  der  Kirche  S.  86. 

6)  Sighart,  J. ,  die  mittelalterl.  Kunst  in  der  Ersdiöcese  München  -  Freising 
S.  204. 

7)  Lübke,  die  mittelalterl.  Kunst  in  Westfalen  S.  424. 


Patenen.  ]  75 

schätze,  ein  Kelch  vom  J.  1500  in  der  Magdalenenkirche.  ^)  —  In  der 
Provinz  Brandenburg:  in  der  Kirche  zu  Beesko  w,  in  der  Dorf  kirche 
zu  Herzberg  bei  Beeskow.  —  In  Pommern:  drei  Kelche  aus  dem 
XIV.  Jahrh.  im  Dom  zu  Cammin.  ^) 

44.  Eben  so  lange  wie  für  den  Wein  die  Kelche,  sind  für  das 
Brot  im  heiligen  Abendmahle  seit  den  ältesten  Zeiten  die  Patenen  ^) 
im  kirchlichen  Gebrauche  (vgl.  oben  S.  162) ,  und  zu  jedem  Kelche 
gehört  eine  gleichzeitig  mit  demselben  geweihte  Patena,  von  dem 
nämlichen  Stoffe  und  in  verhältnissmässiger  Grösse  als  Decke  darauf 
passend.  In  alter  Zeit ,  vor  der  gewöhnlich  in  das  XII.  Jahrhundert 
gesetzten  allgemeinen  Einführung  der  noch  jetzt  gebräuchlichen 
Oblaten  in  Form  einer  Münze  *]  hatte  man  auch  im  Abendlande,  wie 
noch  gegenwärtig  bei  den  Griechen,  grössere  Schüsseln  für  das  Weih- 
brot, und  neben  den  grossen  Speisekelchen  gab  es  auch  grosse  Patenae 
ministeriales.  Der  Form  nach  sind  die  Patenen  rund  mit  flachem 
Rande  „  und  in  der  Mitte  entweder  in  einem  kleineren,  zu  der  Cuppa 
des  Kelches  passenden  Kreise,  oder  im  Vier-,  Sechs-  oder  Vielblatt 
etwas  eingetieft ,  und  zwar  in  früherer  Zeit  tiefer ,  als  in  späterer.  — 
Die  zu  Prachtkelchen  gehörigen  Patenen ,  besonders  aus  romanischer 
Zeit,  waren  gewöhnlich  ebenfalls,  und  zwar  oft  auf  beiden  Seiten,  mit 
Gravirungen  oder  en  Email  geschmückt,  seltener  mit  erhabenen  Ver- 
zierungen auf  dem  Rande.  Die  auf  Patenen  am  häufigsten  wieder- 
kehrenden, in  der  Regel  von  erläuternden  Inschriften  begleiteten 
bildlichen  Darstellungen  sind  das  Gotteslamm ,  der  leidende  oder  der 
thronende  Erlöser.  Die  meisten  gothischen  Patenen  sind  übrigens 
ganz  glatt  und  schmucklos,  nur  mit  dem  Signaculum  (s.  oben  S.  161) 
auf  dem  Rande. 

Vielleicht  die  älteste  unter  den  auf  uns  gekommenen ,  wenngleich 
nicht  aus  dem  IX.  Jahrb.  herrührend,  ist  die  Patene,  welche  zu  dem 
Kelche  des  heil.  Liudger  zu  Werben  gehört  (s.  Fig.  64,  S.  167).  Sie 
ist  von  Silber,  T*/,  Zoll  im  Durchmesser,  \y^  Zoll  hoch  und  etwas 
grösser  als  der  Kelch,  der  in  der  Cuppa  nur  2^^  Z.  Breite  hat;  laut  der 
auf  vergoldetem  Bande  stehenden  Inschrift  enthält  dieser  »ciptiaa  (d.  i. 
wahrscheinlich  =s  scyphus ,  Schale)  ungewöhnlicherweise  im  Fusse :  vom 
Blute  des  heil.  Liudger  und  andere  Reliquien.  ^)  —  Beachtenswerth  ist 
auch  die  Darstellung  der  Patene  mit  wiilstigem  Rande  auf  dem  Elfenbein- 
deckel  zu  Frankfurt  a.  M.,  sowie  die  dreieckige  Form  der  darauf  liegen- 


1)  Kratz,  im  Correspondenzbl.  etc.  1857.  (V.)  Beilage  zu  No.  4.  No.  50.  56.  65. 

2)  Kugler,  Kl.  Schriften  1,  783. 

3)  Ueber  die  Patenen   handeln  auch   die   S.   162   angefahrten  Schriften  aber 
den  Kelch. 

4)  Vgl.  Gräser,  Ad.  H.»  die  röm.-kathol.  Liturgie  (HaUe  1829)  S.  157  ff. 

5)  Vgl.  Weerth,  £.  aus'm,  Kunstdenkmäler  etc.  Bd.  II.  S.  39. 


]  76  Patenen  und  Zangen. 

den  Hostien,  welche  an  die  kanonische  Vorschrift  erinnert :  »  l'rtforme  est 
corptis  domini.n  *)  —  Ausgezeichnet  durch  Grösse  (mehr  als  9  Z.  im 
Durchmesser)  und  den  beide  Seiten  bedeckenden  bildlichen  Schmuck  ist 
die  zu  dem  Speisekelche  in  Wüten  (s.  oben  S.  164)  gehörige  Patene : 
auf  der  vertieften  Mitte  (von  b%  Z.  Durchmesser)  der  oberen  Seite  sind 
der  Auferstchungsengel  und  die  drei  Marien  am  leeren  Grabe  dargestellt ; 
der  Rand  zeigt  in  vier  durch  Architekturen  gesonderten  Abtheilungen  die 
Offenbarungen  des  Auferstandenen  und  die  Himmelfahrt ;  das  Mittelfeld 
der  unteren  Fläche  enthält  in  erhabener  Arbeit  die  Kreuzigung,  der  Rand 
in  drei  verschiedenen  Scenen  die  Höllenfahrt  in  niellirter  Gravirung.  ^)  — 
Ganz  eigenthümlich  ist  die  Ausstattung  der  zu  dem  Salzburger  Henkel- 
kelche (s.  oben  S.  164)  gehörigen  Patene,  die  in  der  Mitte  eine  dreizehn- 
blätterige Rose  mit  der  Darstellung  des  Abendmahles  enthält ;  das  Cen- 
trum zeigt  das  Lamm  GK)ttes.  —  Schmuck  voll  sind  ebenfalls  die  Patenen 
zu  den  oben  S.  169  f.  erwähnten  romanischen  Kelchen  in  Trzemesno, 
Plock,  Werben  und  Berlin.  Während  indess  alle  diese  nur  gravirte  Dar- 
stellungen enthalten,  ist  die  zu  dem  Prachtkelche  der  Godehardskirche  in 
Hildesheim  gehörige  Patene  auf  dem  Rande  mit  Perlen  und  Edelsteinen 
in  Filigran  geschmückt,  und  nur  an  der  Stelle  findet  sich  ein  runder  Aus- 
schnitt des  Filigranrandes  ,  an  welcher  die  vorgeschriebene  Ablution  vor- 
zunehmen ist.  ')  —  Als  Beispiel  einer  mit  Gravirungen ,  aber  nur  auf  der 
Rückseite  verzierten  gothischen  Patene  ist  die  des  Bernwardskelches  in 
Hildesheim  (s.  oben  S.  172)  zu  erwähnen:  sie  ist  aus  Gold,  hat  gegen 
7  Zoll  im  Durchmesser  und  zeigt  das  von  Weihrauchbecken  schwingenden 
Engeln  und  den  Evangelistenzeichen  umgebene  Gotteslamm.  *)  —  Die 
zu  dem  Grabkelche  des  Erzb.  Johann  von  Magdeburg  (y  1475)  gehörige 
schmucklose  Patene  ist  in  der  Mitte  im  Vielblatte  vertieft ,  doch  in  einer 
geschweiften  Fläche,  so  dass  das  Centrum  der  Rose  gehoben  erscheint.  *) 
Im  Zither  des  Doms  zu  Halberstadt  befindet  sich  eine  grosse ,  mit 
vielen  gravirten  Darstellungen  geschmückte  silberne  Abendmahlsbrot- 
schüssel der  griechischen  Kirche,  welche  Bischof  Conrad  1203  aus  Con- 
stantinopel  mitgebracht  hat ,  auf  der  man  aber  später  die  Steinigung  des 
heil.  Stephanus  in  einer  Gruppe  von  Statuetten  befestigt  hat.  —  Auch 
der  Dom  zu  Hildesheim  besitzt  eine  über  1  F.  im  Durchmesser  haltende 
silberne  Oblatenschüssel  für  die  Laien  -  Communlon  aus  später  Zeit ,  auf 
dem  Rande  mit  Gravirungen  y  in  der  Mitte  mit  Email  verziert. 

Anmerkung.  In  dem  Prager  Domschatz  -  In ventarium  vom  J .  1387 
werden  als  damals  anscheinend  nicht  mehr  in  Gebrauch  befindlich  zwei  sil- 
berne Zangen  erwähnt,   mit  welchen  den  Leuten  der  Leib  des  Herrn  dar- 


1)  Dist.  2  de  consecr.  c.  17;  vgl.  Gräser,  a.  a.  O»  u.  oben  8.  167  Fig.  65. 

2)  Abbild,  im  Jahrbuch  der  k.  k.  Central  -  Commissiou  etc.  Taf.  V.  u.  VI.  zu 
S.  34  ff. 

3}  So  heisst  es  in  dem  Prager  Schatzverzeichnisse  von  13S7:  »una  peeia  in 
paienat  per  quam  debet  sumi  ablatio,  n  —  Vgl.  Mittheil,  der  k,  k.  Central  -  Commis- 
sion  etc.  1859.  4,  303. 

4)  Abbild,  bei  Kratz,  Dom  zu  Hildesheim.  Taf.  V.  I  a. 

5)  Abbild,  bei  Rosen thal,  Dom  zu  Magdeb.  Lief.  V.  Taf.  I.  20. 


OblateneiBen.  \  77 

gereicht  wurde.  *)  —  Da  anderweitig  von  einem  solchen  ii insirumentum 
sacruma  nichts  verlautet,  und  der  Zweck  desselben  nicht  liturgisch  begründet 
werden  zu  können  scheint ,  so  liegt  zwar  die  Vermuthung  nahe ,  dass  die 
Zangen  gebraucht  worden  sein  möchten ,  um  Aussätzigen  und  Pestkranken 
die  Hostie  zu  reichen ,  indess  der  Ausdruck  des  Inventars  » hominibus «  be- 
günstigt andrerseits  diese  Annahme  nicht ,  die  vielmehr  nöthigen  würde  an 
ein  ausgefallenes  Wort  hinter  yi  hominibus  a^  z.  B.  leprosis,  zu  denken. 

Es  mag  hier  auch  beiläufig  das  ^ferrum  characteratum ,  ferrum  oblaia- 
rum ,  molle  /erreum « ,  das  Oblateneisen  erwähnt  werden  zum  Formen 
und  Backen  der  Hostien ,  mit  deren  Bereitung  in  manchen  Kirchen  nur  die 
Diacorien  oder  Subdiaconen ,  und  zwar  in  einem  dazu  besonders  bestimmten 
Local,  betraut  waren.  So  ist  auf  dem  Bauplane  des  Klosters  St.  Gallen  vom 
J.  820  in  der  Nähe  der  Sacristei  ein  eigenes  Gebäude  angegeben  zum  Backen 
des  heiligen  Brotes  und  zum  Auspressen  des  heiligen  Oeles.  *)  Diese  Eisen 
waren  dazu  eingerichtet,  um  den  Oblaten  die  bestimmte  Form  und  Bezeich- 
nung zu  geben ,  und  schon  vor  Einführung  der  letzteren  war  den  Abend- 
mahlsbroten die  Figur  des  Kreuzes  aufgedrückt.  Wie  auf  dem  Denar  des 
Kaisers  Bild  und  Ueberschrift ,  so  war  im  Xu.  Jahrb.  auf  dem  heil.  Brote 
das  Bild  des  Herrn  mit  Buchstaben  [imago ,  domini  cum  litteris)^)  ausge- 
drückt, und  seit  dem  XIII.  Jahrh.  kommt  gewöhnlich  das  Crucifix  mit  dem 
Titulus  INBI  darauf  vor.  *)  —  Mittelalterliche  Oblateneisen  sind  sehr 
selten,  da  die  Bereitung  der  Hostien  bald  in  die  Hände  weltlicher  Bäcker 
übergegangen  zu  sein  scheint.  Das  Musee  de  Cluny  in  Paris  besitzt  ein 
grosses  Exemplar  aus  dem  XIII.  Jahrh.  mit  den  Bildern  Christi  und  der 
Apostel.  *)  —  Gleiche  Technik  wie  die  Eisenformen  zu  den  kirchlichen 
Oblaten  zeigen  die  Osterkucheneisen  zum  häuslichen  Gebrauch ;  vgl.  die 
Abbild,  eines  solchen  aus  Cöln  (etwa  aus  dem  XV.  Jahrh.)  im  Organ  für 
Christi.  Kunst  1862.  Artist.  Beilage  zu  No.  17. 

45.  Zu  der  auf  urchristlicher  Sitte  beruhenden  Aufbewahrung 
der  Eucharistie  für  die  Gläubigen  und  für  die  Kranken  bediente  man 
sich  im  Laufe  der  Zeiten  verschiedener  geweihter  Geisse  *),  die  unter 
den  Namen  Büchse  {pyxis) ,  Taube  {columba ,  peristertum) ,  Thürm- 
chen  [turris,  turrictcla),  Kapsel  [capsa],  Speisegefäss  [ciborium]  u.  s.  w, 
vorkommen.    Jüngeren  Ursprungs  sind  die  zur  Ausstellung  der  ge- 


])  » Duo  forcipes  argentei,  cum  quibus  porrigebiUur  hominibus  corpus  domini- 
cum,t*  Vgl.  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  1859.  4,  329. 

2}  Vg^.  O  tte,  Qesch.  der  deutschen  Baukunst,  auf  der  lithogr.  Beilage  zu  S.  92 
unter  D. 

3)  Cf.  Honorius  August.  Oemma  animae  1.  1  c.  35. 

4)  Vgl.  August i,  Denkwürdigkeiten  etc.  8,280;  deLaborde,  Notice  des 
Emaux  au  Musöe  du  Louvre  2,  395.  420.  426. 

5}  T  e  X  i  e  r,  Dictionnaire  d'orfövrerie  p.  1 263. 

6)  Vgl.  Pelliccia,  de  Christ,  eccl.  politia  (ed.  Braun)  2,  1 — 67  (Dias,  de 
eucharistia  infirmorum).  —  Binterim,  Denkwürdigkeiten  etc.  II.  2,  134—184.  — 
Augusti,  Denkwürdigkeiten  etc.  12,  38—44.  —  Laib  u.  Schwarz,  Studien  etc. 
S.  27  ff.  59  ff.  72  ff.  —  Cor  biet,  J. ,  Essai  historique  et  liturgique  sur  les  Ciboires 
et  la  r^erve  de  TEucharistie.  Paris  1858. 

Ott«,  Kuntt-Areh&ologi«.  1 2 


1 78  Oiborien. 

weihten  Hostie  dienenden  Monstranzen  [mons^antiae),yre\che  erst  seit 
Einführung  des  Fronleichnamsfestes  üblich  geworden  sind. 

In  den  ersten  Jahrhunderten  wurde  die  Eucharistie  nicht  in  den 
Kirchen  aufbewahrt,  indem  es  Sitte  war,  dass  Priester  und  Laien  dieselbe 
mit  in  ihre  Häuser  nahmen,  um  ffir  den  Nothfall  bei  ausbrechenden  Ver- 
folgungen communiciren  zu  können.  Im  Zeitalter  des  Constantinus  fielen 
die  Gründe  ftlr  diese  mit  vielen  abergläubischen  Missbräuchen  verbundene 
Sitte  weg,  es  wurde  aber  die  fortwährende  Aufbewahrung  der  Eucharistie 
in  den  Kirchen  angeordnet.  Das  zur  allgemeinsten  und  dauernden  Gel- 
tung gekommene  Gefäss  zu  diesem  Zwecke  war  eine  runde  cylindrische 
Büchse,  Pyxis  genannt,  in  älterer  Zeit  aus  Holz,  Bein,  Stein  oder  edlem 
Metall,  später  fast  immer  aus  letzterem  verfertigt.  Die  bereits  oben 
S.  148  unter  den  Reliquiarien  erwähnten,  wohl  sicher  sehr  früher  Zeit 
angehörenden  Elfenbeinbüchsen  *)  dürften  ursprünglich  diese  Bestimmung 
gehabt  haben,  insofern  das  unter  dem  Schlosse  derselben  angebrachte 
Signaculum  (ein  von  einem  Lorbeerkranz  umgebenes  gleicharmiges  Kreuz, 
in  dessen  Winkeln  die  vier  Nägel  des  Kreuzes  Christi ,  mit  ihren  Spitzen 
einander  gegenüber,  mit  den  Köpfen  nach  aussen  gestellt,  ein  zweites 
Schrägkreuz  bilden)  doch  sehr  deutlich  darauf  zu  deuten  scheint ,  und  es 
ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  unter  dem  in  den  Apostol.  Constitutionen 
erwähnten  naoToq^oQiOf,  in  M^elches  die  Diaconen  nach  beendigter  Com- 
munion  beider  Geschlechter  die  übrig  gebliebenen  Brosamen  zu  legen 
hatten  *) ,  eben  nichts  anderes  zu  verstehen  ist ,  als  eine  solche  oder 
ähnliche  Pyxis.  Eine  noch  grössere  Wahrscheinlichkeit  findet  statt  in 
Beziehung  auf  die  y>capsa  ad  officium  guideni  aacerdotale  ex  ossibus  fahrt" 
caiady  welche  der  Erzb.  Lull  von  Mainz  im  VIII.  Jahrh.  aus  England 
zum  Geschenke  erhielt ')  ;  auch  besass  der  Domschatz  zu  Trier  nach 
einem  Verzeichnisse  von  1238  zwei  Elfenbeinbüchsen,  deren  eine  jedoch 
zur  Aufbewahrung  von  Manna  diente.  *)  Anderweitig  kommt  seit  dem 
VI.  Jahrh.  für  die  Gefösse  zur. Aufbewahrung  der  Eucharistie  der  Name 
Turris,  Turriculum")  vor ,  w orunter  wahrscheinlich  nur  eine  Pyxis 
mit  zeltförmigem  Deckel  (s.  oben  S.  147)  zu  verstehen  ist,  die  indess, 
wie  schon  bei  den  Reliquiarien  dieser  Art  bemerkt,  zuweüen  auch  in 
grösserer  Form  und  in  der  Weise  eines  Thurmes  architektonisch  ausge- 
staltet worden  sein  wird,  weshalb  sie  mit  dem  thurmförmigen  Grabe 
Christi  verglichen  werden  konnte.  ®;  Als  Beispiel  scheint  angeführt  werden 
zu  können  ein  goldenes,  reich  mit  Edelsteinen  geschmücktes  ncibortum 


1)  Vgl.  Hahn,  F.,  Fünf  Elfenbein- Gef^e  des  frühesten  M.  A.  1862.  S.  1  ff.  — 
Gori,  Thesaurus  diptychorum.  Florenz  1759.  4,  69.  Tab.  23.  24. 

2)  Const.  Ap.  1.  2  c.  61  u.  1.  Sc.  J3;  vgl.  Laib  u.  Schwaraa.  a.  O.  S.  30. 

3)  Epist.  S.  Bonifacii,  ed.  Würdtwein  p.  313  ep.  130;  v0.  Bettberg, 
Kirchengesch.  Deutschlands  1,  405. 

4)  Mittheil.  etc.  herausgegeb.  von  dem  hist.-archftol.  Verein  zu  Trier  2,  125. 

5)  Vgl.  Texier,  Dictionnaire  d'orfövrerie  p.  1410.  Art.  Tour. 

6)  »  Corpus  vero  domini  ideo  defertur  in  turribus,  quin  tnonumenium  domini  (da» 
heilige  Grab  mit  seinem  Kuppelbau)  in  similititdinem  turris  foret  seiswm  in  petra,^ 
Expositio  brevis  lit\irg.  GalUcanae  (aus  dem  VI.  Jahrh.)  bei  Martene,  Thesaur. 
anecdot.  5,  95. 


Ciborien. 


179 


qua^ratum^  in  Form  eines  von  zweimal  vier  Säulenarkaden  umgebenen,  zwei- 
geschossigen, in  vier  Giebel  au»laufenden  Centralbaues  von  etwa  2  F.  Höhe, 

welches,  inschriftlich  ein  Geschenk  Königs 
Ai-nulf  (f  899)  an  St.  Emmeram  zu  Regens- 
burg,  jetzt  in  der  Reichen  Kapelle  zu  München 
aufbewahrt  und  in  einem  Berichte  vom  J.  1761 
als  •Turrita  aediculaa  bezeichnet  wird.  ')  — 
Gleichzeitig  mit  den  Gefössen  in  Thurmform 
werden  auch  goldene  und  silberne  Tauben 
erwähnt'),  und  zwar  zuerst  in  der  griechischen 
Kirche ,  mit  der  ausdrücklichen,  symbolischen 
Beziehung  auf  den  heiligen  Geist.  Diese  Tau- 
ben standen  auf  einer  Schüssel,  die  mit  den 
daran  befindlichen  Kettchen  an  einer  Schnur 
von  dem  Ciborium  über  dem  Altartische  schwe- 
bend herab  hing  und  während  der  Messe  her- 
untergelassen wurde,  eine  Einrichtung,  von 
welcher  der  jüngere  Titurel  (s.  oben  S.  104) 
eine  anschauliche  Beschreibung  giebt ,  und  die 
besonders  in  Frankreich  auch  nach  Abschaf- 
fung der  Ciborienaltäre  sich  in  einzelnen  Klö- 
stern selbst  bis  in  die  Revolutionszeit  erhalten 
hatte ,  indem  eine  Art  von  Krahn  au  diesem 
Zwecke  am  Altarbau  angebracht  war.  *j  Es 
haben  sich  in  Frankreich  auch  noch  einige  sol- 
cher Tauben  aus  emaillirtem  Kupfer  erhalten : 
auf  dem  Rücken  zwischen  den  Flügeln  be- 
findet sich  unter  einem  (mit  dem  Signaculum 
bezeichneten)  Deckel  eine  Oeffnung  zur  Auf- 
nahme einer  kleinen  runden  Pyxis.  ^)  In  Deutschland  sind  bis  jetzt  nur  . 
drei  liturgische  GefSsse  in  Taubenform  nachgewiesen :  im  Domschatze  zu 


Flg.  71.  Pcristcrium  (nach  Laib  und 
Schwan). 


1]  Vgl,  Bericht  von  den  heil.  Leibern  u.  Reliquien,  welche  in  ....  S.  Emmeran 
aufbehalten  werden.  Begensb.  IIGI  S.  ^2  ff. ;  bei  Laib  und  Schwarz  a.  a.  O. 
S.  60.  —  Vgl.  auch  Sighart,  Gesch.  der  bild.  Künste  in  Bayern  1,  4-1. 

2)  Die  antiochenische  Geistlichkeit  beschuldigte  auf  dem  Concil  z\x  Constan- 
tinopel  im  J.  53H  (Act.  V.)  ihren  Bischof,  daas  er  sich  »rcW  tig  tvnov  rov  iyiov 
nvtvfuftros  XQ*'^^^  '*  **^'  aQyv^«i  neQKTTfQag  x^iuu^tivas  vnfQayui  rdüy  t^tftov 
xoXvfißri^QtJiv  xal  i*vGiaaTrj()i(ovw  widerrechtlich  zugeeignet  habe.  Vgl.  August! 
a.  a.  O.  12,  41.  —  In  dem  Pontificalbuche  des  Anastasius  kommen  die  »colnmhaen 
sogar  schon  unter  den  Geschenken  Constantins  des  Gr.  an  die  Peterskirche  in  Rom 
vor.  Vgl.  Laib  und  Schwarz  a.  a.  O.  S.  2^, 

3)  Auf  einer  Abbildung  des  alten  Hochaltares  der  Kathedrale  zu  Arras  aus  dem 
Xm.  Jahrb.  (bei  Laib  und  Schwarz  a.  a.  O.  Taf.  X.  <i)  hängt  die  Pyxis  in  den 
Händen  eines  herabschwebenden  Engels,  was  nach  de  Moleon,  Voyages  liturgiques 
(Paris  171S)  p.  244  u.  27H  auch  in  N.  D.  von  Paris  und  von  Kouen  der  Fall  war  — 
also  gaj^  in  Uebereinstimmung  mit  der  Schilderung  im  Titurel. 

4)  VgL  die  Abbild,  bei  Laib  und  Schwarz  a.  a.  O.  Taf.  H.  4.  6.  1 1.  —  Dass 
die  Eucharistie  nicht  unmittelbar  in  die  Taube ,  sondern  in  eine  darin  angebrachte 
Pyxis  gelegt  wurde ,  beweisen  die  Consuetudines  cluniacenses  aus  dem  XI.  Jahrh. 
(1.  2  c.  30  bei  Da  eher,  Spicileg.  I,  679j,  woesheisst:  ^Auream  pyxidem  dß  columha 

jugtter  pendente  super  altare  diuconua  ....  absfrahit,^ 

12* 


180  Ciborien. 

Salzburg  ( mit  emaillirten  Flügeln,  die  Augen  aus  blauen  Glasflüssen :  ein 
Oelgeföss  aus  dem  Xu.  Jabrh.  ^)),  im  Kloster  GOttweih  und  im  Dom- 
schatze zu  Erfurt  ('ausdrücklich  als  »columba  euc/iaristicm  bezeichnet.  ^)]  — 
Da  alle  diese  eucharistischen  Gefässe  (Büchsen,  Thürmchen  und  Tauben) 
über  dem  Altare  aufgehängt  zu  werden  pflej^ten  (s.  oben  S.  104  u.  148), 
so  hatte  sich  für  dieselben,  ohne  Rücksicht  auf  ihre  Form,  auch  die  allge- 
meine Bezeichnung  Suspensio  gebildet,  wie  ebenso  anderweitig  der 
Name  des  Altarbaldachins  ,  Ciborium ,  von  dem  sie  herabhingen ,  auf  die 
Speisegefässe  selbst  übertragen  wurde,  und  derselbe  im  kirchlichen 
Sprachgebrauche  sich  in  dieser  Bedeutung  fortgepflanzt  hat ,  für  die  noch 
jetzt  übliche  Art  von  Sacramentarien ,  die  nach  dem  Wegfall  der  Altar- 
baldachine nicht  mehr  zum  Aufhängen,  sondern  zum  Aufstellen  bestimmt, 
in  gothischer  Zeit  die  Form  eines  Deckelkelchs  mit  polygonischer  Cuppa 
annahmen  und  Ciboria  genannt  werden.  Sie  dienen  nicht  bloss  zum 
Aufbewahren,  sondern  bei  grösserer  Anzahl  der  Coramunicanten  auch 
zum  Austheilen  des  Weihbrotes  und  vertreten  somit  zugleich  die  Stelle 
der  früheren  Brotschüsseln  und  Ministerial-Patenen.  Für  den  Gebrauch 
in  der  Kirche  sind  die  Ciborien  grosser,  als  die  zur  Provision  der  Kranken 
bestimmten  Gefässe  dieser  Art ,  welche  überhaupt  in  zwei  Klassen  zer- 
fallen :  in  schalenartige  und  thurmförmige ,  je  nachdem  ihnen  der  Typus 
der  Pyxis  oder  des  Turriculums  zu  Grunde  liegt.  Der  Fuss  ist  gewöhn- 
lich sechsblätterig  oder  bildet  einen  Stern  mit  abwechselnd  gerundeten 
und  gespitzten  Strahlen  ;  Ständer,  Knauf,  Gefäss  und  Deckel  sind  ent- 
sprechend polygonisch,  bei  den  thurmförmigen  mit  hohem  Spitzhelmt. 
Die  Höhe  der  Ciborien  schwankt  zwischen  S  Z.  und  2  F. ,  der  Stoff  ist 
vergoldetes  Silber  oder  nur  Messing ;  der  Schmuck  besteht  meist  in  archi- 
tektonischem Maasswerk,  in  gravirten  und  emaillirten  Bildern.  Das  aus- 
gezeichnetste Exemplar  in  achtseitiger  Schalenform  mit  ziemlich  niedrigem 
Deckel  von  geschweiftem  Profil ,  mit  Blattwerk  und  biblischen  Darstel- 
lungen en  Email  reich  geschmückt,  bei  etwa  1 3  Z.  Höhe  in  den  anmuthig- 
sten  Verhältnissen  (XIV.  Jahrh.)  befindet  sich  im  Schatze  des  Stifts 
Klosterneuburg ') ;  in  Thurmform  das  2  F.  hohe  Ciborium  (aus  Rees 
stammend)  in  der  Dorfkirche  zu  Gber-Millingen  am  Niederrhein.  *)  Andere 
Ciborien  in  Eltenberg,  Kempen  und  im  Münsterschatze  zu  Aachen  ^) ;  in 
St.  Mar^n  und  in  St.  Johann  zu  Cöln  •) ,  in  der  Kirche  zu  Deutz  (den 
Kern  bildet  die  romanisch  gefasste  hölzerne  Trinkschale  des  heil.  Heri- 
bert;  Fuss  und  Deckel  aus  dem  XV.  Jahrb.).  '')  —  In  Westfalen :  in  der 


1)  Abbild,  bei  (Petz old),  Schätze  mittelalterl.  Kunst  aus  Salzburg,  Taf.  IL.  der 
kirchlichen  Alterthümer.  —  Vgl.  Mittheil,  der  k.  k.  Central  -  CommisBion  etc.  1861. 
6,47. 

2)  Vgl.  Falükenstein,  Analecta  Thuringo-Nordgav.  2,361.  —  Fiorillo,  J.D., 
Gesch.  der  zeichn.  Künste  in  Deutschland  I,  486.  —  Giefers,  W.  Engelb. ,  Prak- 
tische Erfahrungen  etc.  S.  24. 

3)  Abbild,  in  den  Mittheil,  derk.k.  Central-Commission  etc.  1861.  VI.  Taf.  VII. 
zu  S.  295. 

4)  AbbÜd.  bei  aus'm  Weerth  Denkm.  etc.  Bd.  I.  Taf.  V.  2. 

5)  Abbüd.  ebd.  Taf.  II.  2  u.  in  Bd.  II.  Taf.  XXH.  6  u.  XXXVHI.  5. 

6)  Abbüd.  bei  Bock,  das  heil.  Köln  Taf.  XVI.  63  u.  Taf.  XXXIV.  102. 
7j  Abbild,  ebd.  Taf.  XXni.  84. 


Monstranzen. 


181 


Kirche  zu  Körbecke  bei  Soest  (die  Guppa  aus  einem  zwölfseitigen  Berg- 
krystall  bestehend :  jetzt  als  Monstranz  in  Gebrauch) ,  in  der  Kirche  zu 
Eislohe,  in  der  kathol.  Kirche  zu  Dortmund  ') ;  in 
den  Kirchen  zu  Dülmen  und  zu  Buldern.  ^)  —  In 
Bayern :  in  Ecksberg  bei  Mühldorf,  in  Hörgerts- 
hausen ,  Geisenhausen ,  Pframmem  bei  Aibling,  in 
der  Martinskirche  zu  Landshut  (sftmmtlich  unbe- 
deutend, zum  Theil  defect).  *)  —  In  Oesterreich: 
zwei  einfache  Ciborien  im  Stift  St.  Florian.  *)  — 
In  der  Pro V.  Brandenburg:  in  der  Mönchenkirche 
zu  Jüterbog  und  in  der  Klosterkirche  zu  Zinna 
(beide  aus  Messing,  mit  gravirten  Figuren) . 

Dem  Fronleichnamsfeste,  dessen  allgemeine 
Einführung  erst  dem  Papste  Johann  XXII.  im 
J.  1316  gelungen  zu  sein  scheint,  verdanken  die 
Monstranzen^)  ihren  Ursprung .  Da  sich  dieses 
Fest,  welches  zuerst  seit  1246  in  der  Diöces  Lüt- 
tich war  gefeiert  worden,  indess  auch  später  nur 
allmählich  und  strichweise  weiter  verbreitete ,  und 
da  es  überdies  zweifelhaft  ist ,  ob  die  Processionen 
und  die  Ausstellung  des  Venerabile  nicht  überhaupt 
erst  später  hinzugekommen  sind  ^),  so  kann  es  nicht 
befremden ,  dass  die  meisten  Monstranzen  erst  aus 
dem  XV.  imd  XVI.  Jahrb.  herrühren  und  deshalb 
in  archäologischer  Beziehung  nur  von  geringerem 
Interesse  sind.  Offenbar  haben  denselben  die  be- 
reits früher  vorhandenen  gothischen  Reliquien - 
Monstranzen  (s.  oben  S.  157)  zum  Vorbilde  ge- 
dient, wahrscheinlich  weil  man  sich  Anfangs  der 
Schaugefässe  dieser  Art  auch  für  das  Sanctissimum 
es  sind  tragbare  Tabernakel ,  die ,  auf  einem  dem 
gothischen  Kelchfusse  gleichenden  Untersatze  ruhend,  den  grössten  Reich- 
thum  in  der  Entwickelung  der  dem  gothischen  Thurmbau  entlehnten  con- 


¥ig,  72.  Silbernes  Ciborium 

in  St.  Johann  zu  Cöln  (nach 

Bock). 


bedient  haben  mag : 


J)  Vgl.  Giefers  a.  a.  O.  S.  59. 

2)  Vgl.  Lübke,  die  mittelalterl.  Kunst  in  Westfalen  S.  425. 

3)  Vgl.  Sighar  t,  J. ,  die  mittelalterl.  Kunst  in  der  Erzdiöcese  München  -  Frei- 
sing  S.  202. 

4)  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  a.  a.  O.  S.  46. 

5}  Ueber  Gebrauch  und  Form  der  Monstranzen:  C.  Weiss,  in  den  Mittheil. 
der  k.  k.  Central-Commission  etc.  1856.  1,  206,  als  Einleit.  zur  Beschreib,  der  goth. 
Monstranz  im  Dome  zu  Pressburg. 

6)  Vgl.  Gayanti,  Thesaur.  sacr.  rit.  1,  499 — 516.  —  In  dem  Prager  Dom- 
schatzverzeichnisse  vom  J.  13S7  sind  z.  B.  noch  keine  andere,  als  Reliquien  -  Mon- 
stranzen angeführt.  —  In  den  Synodalstatuten  von  Basel  vom  J.  1506  (Hartzheim, 
Conc.  germ.  6,  8)  wird  den  Pfarrern  aufgegeben,  Monstranzen  anzuschaffen,  nubi  non 
habentur*,  und  der  Dompropst  Georg  von  Anhalt  (Schriften  u.  Predigten.  Wittenb. 
1555  S.  165)  bemerkt,  dass  im  Erzstift  Magdeburg  »für  die  [erst  in  newigkeit  anff- 
gerichU]  proeesnon  Corjioris  Christi  his  auf  den  heutigen  Tag  kein  eigen  Monetrantz 
oder  heuslein  dazu  bereitet  sei,«  —  Vgl.  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc. 
1861.  6,  108. 


182 


Monstranzen. 


striictiven  und  decorativen  Fonnen  im  entschiedensten  Hochstreben  zeigen, 
indem  der  Aufsatz  bei  den  am  glänzendsten  ausgestatteten  Exemplaren 
in  der  Breite  eine  dreifache  Pyramide  bildet ,  von  denen  die  mittlere  auf 
dem  Ständer  ruht  und  die  beiden  seitlichen  übersteigt,  welche  unten  con- 
solenartig  endend  sich  frei  tragen.  Anderweitig  entwickelt  sich  der  Ober- 
bau mehr  in  die  Breite  und  zwar  aus  Motiven ,  die  dem  Pflanzenreiche 
entnommen  sind.  In  der  Mitte  des  Tabernakels  befindet  sich  gewöhnlich 
in  viereckiger ,  seltener  und  später  in  runder  Umrahmung  das  durchsich- 
tige cylindrische  oder  eckige  Krystallglas  zur  Auftiahme  der  Hostie,  die 
von   einer  halbmondförmigen  Zwinge  {lunuloy    auch  mit  Beziehung  auf 


Fig.  73.  MittelfltOck  d«r  MoDttr«iii  lu  Frei»inr  (oach  Sighart). 

1  Mose  14,18  Melchisedek  genannt)  gehalten  wird.  ')  Die  Sonnenform 
(vgl.  Ps.  19,  5)  der  Monstranzen  gehört  erst  der  Renaissance  an.  —  Der 
zur  Ausführung  dieser  Gefässe  gewählte  Stoff  ist  sehr  verschieden,  je 
nach  den  zu  Gebote  stehenden  Mitteln.  Die  Kathedralen  haben  Mon- 
stranzen von  Gold  und  Silber;  die  meisten  Kirchen  begnügten  sich  mit 
vergoldetem  Kupfer  oder  Messing,  aber  auch  reich  geschnitzte  hölzerne 
Monstranzen  kommen  zuweilen  vor.  —  Die  Grösse  steigt  von  1  —  5  Fuss, 


1)  Wir  geben  das  Mittelstäck  der  prachtvollen,  4*/«  F.  hohen  aus  Holz  ge- 
schnitzten Monstranz  des  Doms  zu  Freising  zur  Veranschaulichung  der  Lunula  im 
Holzschnitt,  nach  der  Abbild,  bei  Sighart,  Joach.,  der  Dom  zu  Freising  Taf.  VI. 


Monstranzen.  { g3 

und  mit  der  Grösse  auch  das  Gewicht,  so  dass  die  grössten  und  schwer- 
sten entweder  gar  nicht  zum  Tragen  bestimmt ,  oder  wie  die  zu  Katibor, 
Vallendar  etc.  mit  zwei  Handhaben  zum  Tragen  für  zwei  Personen  ver- 
sehen waren.  —  Beispiele  von  gothischen  Monstranzen,  im  Rheinlande: 
zu  Eltenberg,  aus  der  abgebrochenen  Collegiatkirche  zu  Rees,  zu  Vinen, 
Calcar  (XIV.  Jahrh.) ,  Xanten  ') ;  zu  Kempen  ^) ;  im  Münsterschatze  zu 
Essen  (auch  in  der  Johanneskirche  daselbst),  zu  Ratingen  (von  1394)  ^) ; 
zu  Cöln  ün  Domschatze  (ein  ausgezeichnetes  Exemplar,,  angeblich  aus 
dem  XIV.  Jahrh. ,  mit  runder  Kapsel,  gegen  3  F.  hoch)  und  zwei  in  St. 
Columba  (von  denen  die  grössere,  von  3  F.  Höhe,  den  Vorzug  verdient)  *) ; 
andere  zu  Orsbach  bei  Aachen  (von  151  7),  in  Moselweis  bei  Coblenz  und 
in  der  Lambertikirche  zu  Düsseldorf.  —  In  Westfalen:  zu  Bochold 
(die  schönste  im  ganzen  Münsterlande) ,  in  der  Stiftskirche  zu  Vreden 
(mit  rundem  Gehfiuse),  zu  Anholt  ^).;  auch  zu  Ostenfelde  (mit  Glöckchen 
behängt).  —  In  Bayern:  zu  Tegernsee  (aus  Weisskupfer  mit  Heiligen- 
figürchen  von  Silber,  4  F.  hoch  und'  28  Pfd.  schwer;  vom  J.  1448); 
kleinere  zu  Kreut,  Steinhöring  und  Salmanskirchen  in  der  Diöces  Mün- 
chen -  Freising ;  zu  Breitenbrunn  im  Sprengel  von  Eichstädt  (von  1507) ; 
in  St.  Emmeram  zu  Regensburg  (handwerklicher  Gelbguss).  —  In  Tirol : 
zu  Hall  (s^r  reich,  4%  F.  hoch,  über  25  Pfd.  schwer;  Fuss  neu] ,  im 
Domschatz  zu  Brixen  (eine  Monstranz,  2  F.  hoch,  um  1400^);  eine 
andere  reicher  und  etwas  grösser);  in  Kärnthen:  zu  St.  Paul;  in 
Steiermark:  zu  Cilli,  Marburg  und  Jägerberg ;  in  Oesterreich  :  zu 
Prüglitz  und  Klostemeuburg ;  in  Böhmen :  auf  dem  Schlosse  zu  Sedletz 
(ausgezeichnet,  3  F.  hoch,  9  Pfd.  schwer;  vor  1421) ')  und  in  der  Nicolai- 
kirche zu  Eger.  —  In  Schlesien:  zu  Grünberg  und  in  einer  Landkirche 
in  der  Gegend  von  Reichenbach.  ^)  —  In  Sachsen:  in  St.  Godehard 
zu  Hildesheim  (prachtvoll,  2  F.  hoch)  und  zu  Recklinghausen ;  in  Gotha.  *) 
—  In  Landkirchen  des  Meissener  Sprengels  kommen  Monstranzen  im 
handwerklichen  Gelbguss  vor,  genau  nach  demselben  Modell,  wie  die 
Monstranz  (No.  618)  aus  Liebschütz  im  Museum  des  Grossen  Gartens 
zu  Dresden. 

Anmerkung.  Nachdem  die  Aufbewahrung  der  Eucharistie  in  der 
Suspcnsio  (s.  oben  S.  180)  ausser  Gebrauch  gekommen  war,  bedurfte  es 
eines  anderen  sicheren  und  würdigen  Ortes  zur  Aufnahme  des  Ciboriums 
oder  der  Monstranz,  und  dieses  Bedürfniss  führte  zur  Errichtung  besonderer 

1)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Bd.  L  Taf.  L  1.  IV.  7.  X.  11.  XVL  3. 

xvni.  4. 

2)  Abbild,  in  Originalgrösse  bei  Schmidt,  Ch.  W.,  Kirchenmöbel  etc.  Bd.  I. 
Lief.  4.  Taf.  Ib;  auch  bei  aas'm  Weerth  a.  a.  O.  Bd.  II.  Taf.  XXIL  7. 

3)  Abbild,  bei  au s'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXIX.  1  u.  9. 

4)  Abbild,  bei  Bock,  das  heü.  Köln  Taf.  X.  39.  Taf.  XX.  78.  Taf.  XXI.  80. 
b)  Abbild,  in  Originalgrösse  bei  Schmidt  a.  a.  O.  Taf.  19—23. 

6}  Abbild,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central- Commission  etc.  1861.  Bd.  6. 
Taf.  m.  zuS.  132. 

7)  Abbild,  in  den  Mittelalterl.  Kunstdenkm.  des  Österreich.  Kaiserstaates  etc. 
Bd.  I.  Taf.  Vn. 

5)  Abbild,  im  Organ  für  christl.  Kunst  1^62.  Artist.  Beilage  zu  No.  17. 
9)  Abbild,  bei  Hei  de  lo  ff,  Ornamentik  des  M.  A.  IV.  19  Taf.  4. 


j  g4  Saeramcntliäuschen. 

Sacramenthäuschen  (auch  Tabernakel,  Hengottshäuschen ,  Gottes- 
hattchen ,  Fronwalme  genannt) ,  und  zwar  regelmässig  nördlich  im  hohen 
Chore  auf  der  Brotseite  des  Altars.  ')  Es  lassen  sich  aber  drei  verschiedene 
Arten  derselben  nachweisen :  l.  Wandschränk e>  etwa  in  Brusthöhe  über 
der  Erde,  und  bereits  seit  dem  XIII.  Jahrh.  vorkommend.  Als  romanisches 
Beispiel  dieser  Gattung  kann  der  sich  im  Vierblatt  öffnende,  sonst  ganz  ein- 
fache Schrank  in  der  zierlichen  Dorfkirche  von  Steinbach  bei  Bibra  in  Thü- 
ringen angeführt  werden.  ^)  Die  Gothik  fügte  der  Wand  angeblendete 
Zierden  hinzu,  indem  sie  den  Schrank  mit  Fialen  flankirte ,  mit  einer  Wim- 
perge übersetzte  und  die  Oeffnung  desselben  mit  profilirtem  Sims  werk  umgab. 
Früh-  und  edelgothische  Beispiele  sind  selten  (wir  nennen  die  Schreine  zu 
Volkmarsen  ^)  und  zu  Zinna  '^)) ;  spätgothische  häufig.  Den  Verschluss  des 
Schrankes  bildet  Anfangs  öfter  eine  feste  Thür  (wie  in  Zinna) ,  gewöhnlich 
aber,  und  später  immer,  eine  eisenne  Gitterthür.  —  2.  Freistehende 
Tabernakel  in  Form  eines  Thurmes,  gewissermaassen  monumentale 
Monstranzen  in  grossem  Maassstaibe,  wie  diese,  wohl  aus  dem  seit  Ein- 
führung des  Fronleichnamsfestes  sichtbaren  Streben  nach  immer  grösserer 
Verherrlichimg  des  in  der  Hostie  enthaltenen  heiligen  Leibes  hervorgegangen 
und  erst  seit  dem  letzten  Viertel  des  XIV. ,  hauptsächlich  aber  im  XV.  und 
XVI.  Jahrh.  vorkommend :  auf  einem  hohen ,  dreieckigen ,  viereckigen, 
polygonen  oder  runden  Sockel  ruht  der  rings  von  durchsichtigem  Gitterwerke 
(wie  die  Kapsel  der  Monstranz  von  KrystaÜglas)  umschlossene  Schrein  *j , 
über  welchem  sich  in  den  reichen ,  oft  willkürlichen  Formen  der  Spätgothik 
eine  Pyramide  erhebt,  die  sich  zuweilen  bis  zimi  Gewölbe  der  Kirche  empor- 
gipfelt ,  wo  sie ,  wie  im  Wachsthum  verhindert ,  ihre  obere  Blüthenspitze 
pflanzenartig  umbiegt.  Die  glänzendsten  Beispiele  dieser  Gattung  linden 
sich  in  Schwaben  (im  Münster  zu  Ulm,  90  F.  hoch,  von  einem  Meister  aus 
Weingarten,  1469  begonnen)  und  in  Franken  (in  der  Lorenzkirche  zu  Nürn- 
berg"), 64  F.  hoch,  von  Adam  Kraft,  1496 — 1500^  weit  berühmt  wegen 
des  phantastischen  Reichthums  der  bildnerischen  Construction  und  der  künst- 
lichen Technik).  Das  älteste  datirte  Beispiel  ist  das  Sacramenthäuschen  in 
St.  Severin  zu  Cöln  vom  J.  1378.  —  3.  Die  dritte  Art  besteht  aus  einer 
Mittelgattung:  es  sind  Thürme,  die  an  einer  Seite  mit  der  Wand 
verbunden  sind,  sämmtlich  aus  dem  XV.  und  XVI.  Jahrhundert,  z.  B. 
das  Tabernakel  in  der  katholischen  Kirche  zu  Dortmimd.  —  Obgleich  die 
meisten  Sacramenthäuschen  der  beiden  letzten  Arten  aus  Steinmetzenwerk 


1)  Vgl.  Laib  und  Schwarz,  Studien  etc.  S.  72  fr. 

2)  Abbild,  bei  Put  trieb,  L. ,  Denkmale  der  Baukunst  des  M.  A.  in  Sachsen. 
Abth.  II.  Serie  Mühlhausen  El.  17. 

3)  Abbild,  bei  Statz,  V. ,  und  Ungewitter,  G. ,  Gt)thi8ches  Musterbuch. 
Tttf.  119. 

4)  Abbild,  bei  Puttiich  a.  a.  O.  Serie  Jüterbog.  Bl.  11. 

5)  Nach  Laib  und  Schwarz  a.  a.  O.  S.  73  waren  die  Gitter  innerhalb  mit 
Leder  oder  Seidenstoffen  überzogen,  also  in  diesem  Falle  eigentlich  zwecklos ;  Jakob 
Müller  im  nKirchengeschmuck.  München  J59I.  S.  17«  (a.  a.  O.  S.  7-1)  spricht  aber 
von  Vorhängen,'  die  also  erforderlichen  Falb  zurückgeschlagen  werden  und  das 
Geföss  mit  dem  Venerabile  sichtbar  machen  konnten. 

6)  Vielfach  abgebildet,  z.  B.  im  Ntlmberger  Gedenkbuch  4,  96  ^  auch  in  Einzel- 
stichen von  Poppe  1,  Geissleru.  A. 


SacramenthAuschen.  |  g5 

bestehen ,  so  kommen  doch  auch ,  besonders  im  Gebiete  des  Ziegelbaues, 
hölzerne  in  Schnitzwerk  ausgeführte  vor :  in  der  Klosterkirche  zu  Doberan 
(37  F.  hoch) ,  in  der  Marienkirche  zu  Wittstock  (von  1516) ,  in  der  alten 
Kapelle  zu  Regensburg,  in  Pipping  bei  München  (von  1480) ,  zu  Weissen- 
bach  in  Tirol  (über  einem  Marmorsockel) ;  oder  metallene :  ein  bronzenes 
in  der  Marienkirche  zu  Lübeck  (von  1479)  ') ,  ein  eisernes,  etwa  32  F. 
hohes  vom  J.  1520  zu  Feldkirch  in  Tirol  /jetzt  zur  Kanzel  umgeformt.)  ')  — 
Die  Kirche  St.  Ruprecht  bei  Strassenfuss  in  Krain  besitzt  ein  einfaches 
Tabernakel  der  dritten  Gattung  aus  Elfenbein ,  über  einem  Untersatze  von 
Stein.  ^)  —  Der  oft  überreiche,  zuweilen  jedoch  auch  ganz  fehlende  bild- 
liche Schmuck  der  Tabernakel  besteht  namentlich  in  Heiligenfiguren,  welche 
in  den  Fialennischen  und  unter  Baldachinen  angebracht  sind ,  und  in  häufig 
wiederkehrender  Symbolik  aus  dem  Pelikanneste  oder  dem  Gotteslamme. 

Da  der  Gebrauch  der  Sacramenthäuser  die  spätgothische  Periode  kaum 
überdauerte ,  indem  die  folgende  Zeit  das  Tabernakel  nach  römischer  Sitte 
in  den  Altaraufsatz  verlegte,  so  sind  zwar  sicher  manche  (wie  das  im  Cölner 
Dom  im  J.  1766)  als  zwecklos  beseitigt  worden;  ihre  Verbreitung  dürfte 
indess,  da  sie  in  manchen  Gegenden  von  Deutschland  sehr  selten,  in  anderen 
dagegen  (wie  in  Schwaben ,  am  Niederrhein  und  besonders  in  Westfalen  *)) 
ausserordentlich  häufig  vorkommen,  immer  nur  eine  sporadische  gewesen 
sein ,  und  ^  es  scheint ,  als  habe  man  an  einigen  Orten  das  Ciborium  unter 
einem  besonderen  thurmartigen  Tabernakel  auf  dem  Altare  selbst  deponirt : 
so  findet  sich  z.  .B.  ein  zierliches,  durchbrochen  gearbeitetes  Holzthürmchen 
von  14  F.  Höhe  im  Dome  zu  Brandenburg,  ein  anderes  aus  Schmiedeeisen 
in  der  Wenzelskapelle  des  Doms  in  Prag  ^],  beide  aus  dem  XV.  Jahrhundert. 

Mit  Uebergehung  der  bereits  vorstehend  angeführten  Sacramentschreine, 
nennen  wir  noch  folgende ,  zum  Theil  nach  vorliegenden  Abbildungen : 

Im  Rheinlande.  Nach  den  Abbildungen  in  aus*m  Weerth,  Kunst- 
denkmäler etc.  Bd.  I:  in  Gber-Millingen  (Taf.  V.  1),  Griethausen,  Till 
(Taf.  VI.  5.  9),  Qualburg,  Goch  (Taf.  X.  4.  12),  Calcar  (Taf.  XVI.  4), 
Kempen  (Bd.  II.  Taf.  XXII.  4)  —  alle  diese  zwischen  2.0  und  30  F.  hoch; 
in  der  Lambertikirche  zu  Düsseldorf,  40  F.  hoch,  um  1475—79  und  zu 
Gerresheim,  35  F.  hoch  (Taf.  XXXI.  1.5).  Ausser  diesen :  zu  Altenberg 
bei  Cöln,  in  der  Sacristei  des  Doms  zu  Cöln,  in  der  Minoritenkirche  daselbst 


1)  Abbild,  bei  Statz  und  TJngewitter  a.  a.  O.  Taf.  205—211;  auch  bei 
Schlösser  und  Tischbein,  Denkm.  in  Lübeck.  Heft  2  BI.  VI.  u.  VII. 

2)  Abbild,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central  -  Commission  etc.  1858.  Taf.  V. 
zu  3,  162. 

3)  Abbild,  ebd.  J862.  7,  189. 

4)  In  Westfalen  waren  die  Sacramenthäuschmi  so  beliebt,  dass  sich  in  manchen 
Kirchen  drei  (z.  B.  in  der  Wiesenkirche  zu  Soest  und  in  der  Kirche  zu  Freckenhorst), 
oder  doch  zwei  (z.  B.  in  der  Paulskirche  zu  Soest,  in  der  Reinoldikirche  zu  Dort- 
mund und  im  Dom  zu  Münster)  vorfinden ,  ron  denen  noch  dazu  einige  mehrere 
Schranke  enthalten ,  ersichtlich  also ,  da  sich  der  proyinzielle  Geschmack  einmal  für 
diese  Form  der  Bepositarien  entschieden  hatte ,  auch  zur  Aufbewahrung  der  Geßlsse 
mit  den  heil.  Oelen  und  von  Reliquiarien  dienten.  Es  sind  in  den  westfälischen  Kir- 
chen mindestens  gegen  60  Tabernakel  aller  drei  Gattungen  nachgewiesen.  Vergl. 
Lübke,  W.,  die  mittelalterl.  Kunst  in  Westfalen  S.  302. 

5)  Abbild,  im  Organ  für  christl.  Kunst  1857.  Artist.  Beilage  su  No.  19. 


186 


Sacramen  thauschen . 


(Ueberreste  von  1475,  restaurirt  in  der  Abbild,  des  Organs  für  christl.  Kunst 
1862.  Artist.  BeiInge  eu  No  13)  ,   in  St.  Cunibert  daselbst  (ebd.  1856,  zu 

No.  6) ,  im  Kreuzgange  am  Dom  zu  Trier, 
in  der  katholischen  Kirche  zu  Remagen  in 
Mayen,  Linz.  —  Nach  den  Abbild,  in 
Statz  und  Ungewitter,  Gk)th.  Muster- 
buch :  in  der  Pfarrkirche  zu  Münstereiffel, 
von  Friedrich  Roir  1480  (Taf.  138),  in 
Gelnhausen  (Taf.  121),  Dom  zu  Limburg 
(Taf.  124),  Münstermaifeld  (Taf.  136)  und 
in  St.  Martin  zu  Oberwesel  (Taf.  139). 

In  Westfalen  und  Niedersachsen 
gilt  das  (horizontal  gekrönte)  Wandtaber- 
nakel  zu  Cappenberg  für  das  älteste,  vom 
Anfange  des  XIV.  Jahrh.  und  unter  den 
Werken  des  XV.  Jahrh.  nehmen  die  Schreine 
in  der  Wiesen-  und  in  der  Paulskirche  zu 
Soest  (Abbild,  bei  Statz  und  Ungewitter 
a.  a.  O.  Taf.  102.  103,  bei  Laib  und 
Schwarz  a.  a.  O.  Taf.  XIV.  2)  neben 
dem  in  die  dritte  Klasse  gehörigen  Sacra- 
menthause  in  der  kathol.  Kirche  zu  Dort- 
mund die  ersten  Stellen  ein ;  Abbild,  eines 
aus  zwei  Schreinen  neben  einander  bestehen- 
den aus  der  Reinoldikirche  daselbst  bei 
Statz  und  Ungewitter  Taf.  140.  141; 
ausserdem  zeichnen  sich  aus  die  Tabernakel 
zu  Nieheim  (25  F.  hoch)  und  Steinheim 
durch  Feinheit  der  Ausführung,  in  der 
Nicolaikirche  zu  Lemgo  und  in  der  Stifts- 
kirche daselbst  durch  schlichte,  kräftige 
Formen ,  zu  Schildesche  (etwa  30  F.  hoch) 
und  Marienfeld  durch  Olanz  und  Reich- 
thum  ,  in  der  Johanneskirche  zu  Osnabrück 
neben  edler  Einfachheit  durch  künstlerischen 
Werth  der  Bildwerke,  in  der  Grossen  Ma- 
rienkirche zu  Lippstadt,  in  den  Kirchen  zu 
Lüdinghausen,  Recklinghausen  und  im  Dom 
zu  Münster  (vom  J.  1536)  durch  die  üp- 
pigste Entfaltung  der  schon  entarteten  spät- 
gothischen  Formen.  Dem  Ausgange  des 
XV.  Jahrh.  gehören  an  die  Sacramenthäus- 
chen  in  den  Klosterkirchen  zu  Loccum, 
Wunstorf  und  zu  Bücken  bei  Hoya  (letz- 
teres gegen  29  F.  hoch). 
In  Schwaben  :  in  der  Dionysiuskirche  zu  Esslingen,  1486  von  Lorenz 
Lechner  aus  Heidelberg,  40  F.  hoch,  zu  Crailsheim,  von  1498,  in  der 
Michaeliskirche  zu  Schwäbisch  -  Hall ,  der  Kilianskirche  zu  Heilbronn ,  um 


Fig.  74.  Sarrainrnth.ius  in  St.  Nicolai 
XU  Jüterbog  (nach  Puttrit-h). 


Sacrametithäuscb  en .  }  g7 

1 500  ,  in  der  Georgskirche  zu  NOrdlingen ,  von  Stephan  Weyrer  und  dem 
Bildhauer  Ulrich  Creytz,  1515—25,  c.  60  F.  hoch  (Abbild,  in  Eberhard, 
National- Archiv)  —  alle  glänzend.  —  Auch  in  vielen  kleinen  und  Land- 
kirchen:  Königseggwald,  Deichelried,  Eibach,  LaufFen  a.  N. ,  Stockheim, 
Michelbach  ,  ^aberfeld  ,  Schweigern  im  Zabergäu  ;  Reichenbach  bei  Hirsau, 
Jebenhausen  (letzteres  abgebildet  bei  Laib  und  Schwarz  Taf.  XIV.  l)  ; 
Wandtabemakel :  in  zwei  Pfarrkirchen  zu  Ravensburg,  in  Heiligenkreuzthal, 
in  Unterzeil  (Abbild,  ebd.  3). 

In  Bayern:  im  Dom  zu  Regensburg,  vom  J.  1493,  52  F.  hoch  (Ab- 
bild, bei  Schuegraf,  J.  Rud.,  Gesch.  des  Doms  zu  Regensburg  Thl.  1.), 
in  St.  Rupert  daselbst,  zu  St.  Jacob  bei  Plattling  (Abbild,  bei  Jakob,  die 
Kunst  im  Dienste  der  Kirche  Taf.  VIII.  1) ,  in  der  Jacobskirche  zu  Strau- 
bing, zu  Aunkofen  bei  Abensberg,  in  der  protestant.  Kirche  zu  Redwitz.  — 
Wandtabemakel  zu  Regensburg  in  der  Leonhards-  und  in  der  Aegidien- 
kirche,  zu  Kirchberg  bei  Eggenfelden,  zu  U Sterling  a.  d.  Isar  u.  a.  m. 

In  Tirol:  zu  Taufers,  aus  der  Kirche  Maria -Himmelfahrt  auf  dem 
Kirchhofe;  in  Steiermark:  zu  Aussee,  zu  Gratz  (Wandtabemakel  von 
1499,  abgebildet  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  1859. 
4,  219);  in  Oesterreich:  in  der  Laurenzkirche  zu  Xorch  bei  Ens;  in 
Böhmen:  ein  prachtvolles  im  Dome  zu  Königgrätz,  ein  kleineres,  22  F. 
hoch ,  in  einfacher  spfttgothischer  Bildung  in  der  Barbarakirche  zu  Kutten- 
berg (abgebild.  in  den  Kunstdenkm.  des  Österreich.  Kaiserstaates  etc.  Bd.  I. 
Taf.  XXXIV) ;  in  der  Kirche  zu  Kaurim. 

In  Franken  und  Hessen.  In  der  Nähe  von  Nürnberg  und  unter 
Einfluss  des  berühmten  Tabernakels  der  Lorenzkirche  (s.  S.  184)  :  zu  Schwa- 
bach ,  vom  J.  1505,  46  F.  hoch,  zu  Kalchreuth ,  30  F.  hoch,  zu  Fürth 
24  F.  hoch  (Abbild,  bei  Heideloff,  C,  die  Ornamentik  desM.  A.  II.  8), 
zu  Kazwang,  21  F.  hoch,  im  Münster  zu  Heilsbronn.  Ein  älteres  Wand- 
tabemakel in  der  Sebaldskirche  zu  Nürnberg.  —  Bei  Statz  und  Unge- 
witter.  Goth.  Musterbuch  sind  abgebildet  die  Sacramentschreine  zu  Im- 
menhausen (Taf.  118),  Haina  (Taf.  120)  und  Fritzlar  (Taf.  122.  123). 

Im  nordöstlichen  Deutschland  sind  nur  wenige  nachgewiesen : 
im  Dome  zu  Meissen,  im  Dome  zu  Merseburg  (in  der  Wand,  von  1588), 
in  der  Klosterkirche  zu  Wechselburg  (Wandschrank;  vgl.  Puttrich, 
Denkm.  I.  Serie  Wechselburg  Bl.  3),  in  der  Nicolaikirche  zu  Jüterbog, 
von  Meister  Michel  1507,  30%  F.  hoch  (Abbild,  ebd.  II.  Serie  Jüterbog 
Bl.  11),  im  Dome  zu  Fürsten walde ,  in  der  Elisabethkirche  zu  Breslaul455, 
in  der  Marienkirche  zu  Danzig  1478. 

46.  Von  minderer  Wichtigkeit  als  die  eigentlichen  Vasa  eucha- 
ristica  sind  die  übrigen  Messgeräthe ,  die  zum  Auftragen  des  Brotes 
und  Weines  dienenden  Gefässe:  die  Hostienbüchse  oder  Schachtel 
{pyxis,  capsa]  und  die  Wein-  und  Wasserkannen  [amulae,  ampullae] ; 
die  Löffel  [cochlearia]  und  Siebe  [colaioria] ;  sowie  die  Griessgefasse 
[maniliay  aquaemanilia]  zum  Waschen  der  Hände  fiir  den  Celebranten, 
die  Messglöckchen  [tintinnabula^  cUnsae],  die  Rauchfässer  [thuribula], 


188 


Hostienbüchsen.  Kannen. 


die  Gefasse  für  die  heiligen  Oele  [chrismaioria)  und  die  Weihkessel 
[vasa  histraUa] . 

Hostienbachsen  kommen  vorzugsweise  in  runder  und  ovaler 
Form,  mit  einem  Deckel  versehen  vor,  und  zwar  aus  den  verschiedensten 
Stoffen :  Holz ,  Elfenbein ,  Silber ,  vergoldetem  Kupfer  und  Messing, 
schlicht  oder  ornamentirt,  und  es  ist  schwer,  sie  von  den  ähnlich  geform- 
ten Reliquiarien  zu  unterscheiden,  weshalb  wir  auf  das  S.  148  über  letz- 
tere Gesagte  verweisen.  —  In  dem  Basler  Inventarium  vom  J.  1511  wird 
unter  No.  99  »«n  silberin  ostien  bücAs«  angeführt.  *) 

Die  Kannen  scheinen  erst  in  spätgothischer  Zeit  einen  bestimmten 
Typus  angenommen  zu  haben :   sie  kommen  stets  paarweise ,    auf  einer 
Schüssel  stehend  vor ,   das  eine  Kännchen  fdr  den  Wein ,   das  andere  fttr 
das   (zur  Ausspülung  des  Kelches  etc.    erforderliche)   Wasser,    und   die 
Höhe   derselben   beträgt   durchschnittlich   7    Zoll. 
Der  polygone  bauchige  Körper  ist  gewöhnlich  aus 
Glas ;  Fuss ,  Henkel,  EJiappdeckel,  und  zur  Siche- 
rung des  Glases  Streifen  längs  desselben  aus  Metall 
(Silber) ;  auch  gänzlich  aus  Metall,  zuweilen  email- 
lirt,   und  zur  Vermeidung  von  Verwechselung  ist 
das  eine  Kännchen  mit  einem  F(tnum),  das  andere 
mit  einem  A{qua)  bezeichnet.    Die  Lambertikirche 
zu  Düsseldorf  besitzt  zwei  Messkännchen  aus  viel- 
eckig  geschliffenem  Krystall  mit  silber-vergoldetem 
Beschlag  vom  Anfange   des  XVI.  Jahrh.  *)     Ein 
interessantes  Exemplar  besitzt  der  Schatz  des  Aache- 
ner Münsters :    es  sind  zwei  in  Silber  getriebene 
hohle  Engelfiguren  mit  beweglichen  bunt  emaillir- 
ten  Flügeln ;  der  Ausguss  fand  durch  eine  kleine 
Röhre  auf  der  Brust   statt,    das   Einfüllen   durch 
einen  Schieber  im  Kopfe.  *)  —  In  der  alten  Kirche, 
wo  Brot  und  Wein  von  den  Gläubigen  als  Opfer 
dargebracht  wurden,   bedurfte  man  grösserer  Ge- 
fUsse  zur  Aufnahme  des  Opferweins ,  und  es  ist  möglich ,  dass  die  an- 
scheinend  in   der  Zeit  der  Ottonen    aus  dem  Morgenlande  in  mehrere 
Kirchen  Deutschlands  gekommenen,  sog.  steinernen  Wasserkrüge  von  der 
Hochzeit  zu  Kana  ursprünglich  diesem  Zwecke  gedient  haben :  sie  wurden 
alljährlich  am  2.  Sonntage  nach  Epiph.  mit  Wein  gefüllt  auf  den  Altären 
ausgestellt.   Ein  solches  Gefiäss  aus  Travertin  befindet  sich  noch  im  Zither 
zu  Quedlinburg ;  es  ist  eine  Vase  von  schöner ,  stark  gerundeter  Form, 
leicht  geschwungenem  Sockel,  etwas  verengtem  Hals,  mit  zwei  schlangen- 
artigen Doppelhenkeln  (von  denen  der  eine  abgebrochen  ist)  ,  16*/«  Z.   in 
der  Höhe,   8  Z.  an  der  Mündung  messend  und  angeblich  etwa  22  Ber- 


Fig.  75.  Messkännchen  der 

Lambertikirche  lu  Dttwcldorf 

(nach  ausbin  Weerth). 


1 )  Mittheil,  der  Gesellsch.  für  vaterländ.  Alterth.  in  Basel  IX,  22. 

2)  Abbild,  bei  Weerth,  E.  au s'm,  Kunstdenkmäler  etc.  Bd.  II.  Taf.  XXXI. 
2.  3.  und  im  Organ  für  christl.  Kunst  1853.  Artist.  Beilage  zu  No.  1 1,  woselbst  noch 
eine  andere  Messpolle  aus  einer  niederrheinischen  Kirche  abgebildet  ist. 

3)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXXVm.  13. 


Siebe  und  Löffel.  GieBBgefilsse.  189 

liner  Maass  fassend.  *)  —  Im  Dome  zu  Hildesheim  wird  nur  noch  ein 
Stück  von  einem  ähnlichen,  im  XVII.  Jahrh.  zerbrochenen  Oefftsse  aus 
Porphyr  aufbewahrt.  —  Aehnhch  waren  auch,  den  Abbildungen  im  Bam- 
berger Heiligfchumsbuche  von  1509  (Gang  IX.)  zufolge,  die  beiden  Krüge 
livon  der  hoehzeit  zu  Ckanan,  welche  der  dortige  Dom  besass. 

Der  dargebrachte  Opferwein  erforderte  Vorsichts  halber  einer  Durch- 
seihung  durch  ein  Sieb,  und  dies  ist  der  Ursprung  der  Colatoria,  die 
sp&ter  nur  für  den  Fall  des  besonderen  Bedürfnisses ,  oder  an  einzelnen 
Orten  zur  Aufrechthaltung  der  alten  Sitte,  beim  Eingiessen  des  Weines 
in  den  Kelch  gebraucht  wurden.  Der  Dom  zu  Mainz  besass  um  das 
J.  1200  r^colae  argenteae  IX. ,  per-  guas  vinum  poterat  colari ,  ei  necesse 
ßiuteeta,  ^)  Das  Colum  war  ein  Metallgeföss  mit  fein  durchlöchertem 
Boden,  kommt  aber  auch  in  der  Form  eines  Löffels  vor.  Anderer  Löf- 
felchen bediente  man  sich  (was  noch  heute  z.  B.  im  Sprengel  von  Mün- 
ster geschieht ')),  um  beim  Offertorium  der  Messe  dem  Weine  im  Kelche 
einige  Tropfen  Wasser  beizumischen ,  wozu  sonst  das  Messkännchen  ge- 
braucht wird.  Dergleichen  Löffel  enden  am  Stiel  häufig  mit  einem  Figür- 
chen  der  heil.  Jungfrau  oder  eines  Apostels :  zu  St.  Maria  in  der  Kupfer- 
gasse in  Cöln  z.  B.  ist  ein  Löffel  mit  der  Madonna  *) ,  in  der  Kirche  zu 
St.  Lorenz  (Kr.  Fischhausen  in  Preussen)  und  auf  dem  Schlosse  zu 
Schweiin  ein  Löffel  mit  dem  Bilde  des  Apostels  Jacobus.  ^) 

Die  Giessgefässe,  deren  sich  der  Priester  nach  uralter  Sitte  zum 
Waschen  der  Hände  vor ,  während  und  nach  der  Messe  bediente ,  hatten 
bis  ins  XIII.  Jahrh.  und  später  die  Form  irgend  eines  der  Natur  nach- 
gebildeten oder  phantastischen  Thieres,  aus  Metall  gegossen  und  zuweilen 
emaillirt,  wie  sich  dergleichen  in  Kirchen  und  Sammlungen  noch  vielfach 
vorfinden.  So  helsst  es  in  der  Beschreibung  der  Mainzer  Domschätze  aus 
der  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts :  »Urcet  argentei  diversarum  formarutny 
guoe  manilia  vocant,  eo  quod  agua  sacerdottim  mantbus  funderetur  ex  eie, 
quaedam  habenies  formam  leonum,  quaedam  draconumy  avium  vel  grypho- 
num,  vel  aliorum  animalium  quorumcunque.u  •)  —  Ein  Manile  in  Form 
eines  Löwen  wurde  bei  Krucho  in  der  Prov.  Posen  gefunden  ^) ,  andere 
dergleichen  bewahren  die  Kirche  zu  Berghausen  in  Westfalen,  die  Patrocli- 
kirche  zu  Soest  und  die  Kunstkammer  im  Neuen  Museum  zu  Berlin ;  in 
der  Form  eines  Pferdes :  die  Sammlungen  des  Fürsten  von  HohenzoUem- 
Sigmaringen,  des  Herrn  v.  Neuberg  in  Prag  und  des  Herrn  A.  Essen- 
wein (letzteres  6  Z.  hoch®))  ;  in  der  Gestalt  einer  Taube:  im  Erzbischöfl. 


1)  Abbild,  bei  Wallmann,  J.  Andr. ,  Abhandl.  von  den  Alterth.  der  Stifts- 
kirche zu  Quedlinb.  (1776).  Taf.  zu  S.  39. 

2)  Chron.  Conrad!  ep.  bei  Urstisius,  German.  hlstor.  illuatr.  1,  569  lin.  17. 

3)  Vgl.  Gras  er,  die  röm.-kathol.  Liturgie  S.  127. 

4)  Abbüd.  bei  Bock,  das  heil.  Köln.  Taf.  XXV.  88. 

5)  Zu  einem  vollständigen  Besteck  solcher  »ApoetdlöffeU  gehörten  1 3  Stück ;  der 
dreizehnte  mit  einem  Marienbilde ,  vielleicht  in  Beziehung  ai^  die  gewöhnliche  Dar- 
stellung des  Pfingstwunders.  Vgl.  Otte,  Wörterbuch  etc.  S.  200  unter  Apostle 
spoons. 

6)  Chron.  Conrad!  ep.  1.  c.  p.  568  lin.  34. 

7)  Abbild,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  1859.  4,  36. 
S)  Abbüd.  ebd.  S.  49. 


190 


GieugeflUse  und  Beoken. 


Museum  zu  Cdln;  einer  Henne:  die  Sammlung  des  Herrn  Dietz  in 
Coblenz ;  eines  fabelhaften  Vogels  (Basilisken) :  die  Johanneskirche  zu 
Herford,   eines  Ghreifen:  das  N.  Museum  zu  Berlin  *) ;  andere  befinden 


Fig.  76.  GieMgcilUse  aus  Broiue  (nach  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commisnon). 

sich  im  German.  Museum  zu  Nürnberg,  im  National  -  Museum  zu  Mün- 
chen (auch  ein  gothisches  in  Löwenform),  in  der  Sammlung  des  thüring.- 
sächs.  Vereins  zu  Halle  etc.  —  Im  Münster  zu  Freising  ein  romanisches 
Waschgefäss ,  dessen  Giessrohr  und  Henkel  von  zierlich  gestalteten 
Drachen  gebildet  werden.  —  Besonders  hervorzuheben  ist  noch  ein 
Manile  im  Münsterschatze  zu  Aachen :  eine  bärtige  bekränzte  männliche 
Büste  im  römischen  Costüm,  aus  vergoldetem  Kupfer,  von  7  Z.  Höhe, 
mit  Klappdeckel  oben  auf  dem  Kopfe  und  Giessrohr  an  der  Stirn.  *)  — 
Die  spätere  Gothik  setzte  an  die  Stelle  der  alten  Manilien  zur  Hand- 
waschung einfache  Kesselchen  mit  zwei  Wasserabläufen ,  wie  ein  solches 
von  r»  Z.  Höhe  im  Erzbischöflichen  Museum  zu  Cöln  befindlich  ist,  und 
ähnliche  in  ziemlich  roher  Form  noch  in  vielen  rheinischen  Dorfkirchen 
vorkommen.  Ausser  der  Gicsskanne  waren  auch  Waschbecken  ipelveSy 
pelviculae,  ciphi,  bachiniy  vasa  aquamanilia^))  erforderlich,  und  viele  von 
den  in  Kirchen  und  Sammlungen  vorkommenden  einfachen  und  ge- 
schmückten Metallbecken  hatten  diese  Bestimmung.  Im  Prager  Schatz - 
inventarium  von  1387  wird  angeführt:   TnUna  pelvia  cuprea ,  in  qua  lavat 


1 )  Dieses  GefBss  wurde  in  der  Gegend  von  GlOckstadt  an  der  Stöhr  beim  Mergel- 
graben 4  F.  tief  m  der  Erde  gefunden,  und  ähnliche  Giesskannen  sind  in  sla- 
vischen  Landern  in  Heidengräbem  wiederholt  gefunden  worden ,  woraus  folgt ,  dass 
diese  Geftsse,  obgleich  wahrscheinlich  alle  christlichen  Ursprungs,  dennoch  auch 
beim  heidnischen  Cultus  benutxt  worden  sind  und  einer  Zeit  angehören,  die  in  den 
Slavenlfindem,  wo  die  meisten  gefunden  werden,  noch  Heidenthum  hatte.  Die  nähere 
Bestimmung  der  Entstehungszeit  für  die  roheren  Manilien  in  Thiergestalt  dürfte  be* 
sondere  Schwierigkeiten  haben.  Vgl.  die  Bemerkung  Leop.  t.  Ledebur's  in  den  N. 
Mittheil,  des  thüring.-sächs.  Vereins  VI.  4,  171. 

2)  Abbild,  bei  aui'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  XXXVIII.  12. 
3;  Vgl.  Augusti,  Denkwürdigkeiten  etc.  12,  56. 


Schellen.  Räucherapparate.  t9| 

suffragwMfus  m^mttf.«  ')  Ein  emaillirtes  Kupferbecken  aus  dem  XII.  Jahrh. 
befindet  sich  im  Schatze  des  Klosters  Tepl  in  Böhmen.  ^)  Oft  (z.  B.  im 
Zither  des  Doms  von  Halberstadt  zwei  emaillirte  Kupferschalen)  kommen 
diese  Becken  paarweise  vor  (pemelliones)  :  das  eine  ist  als  Oiessgefäss  mit 
einer  Tülle  versehen,  das  andere  als  Waschbecken  mit  Löchern  im  Kande 
zum  Ausschütten  des  Wassers. 

Die  Schelle  oder  Klingel,  mit  welcher  der  Ministrant  bei  ge- 
wissen feierlichen  Momenten  in  der  Messe  dem  Volke  ein  Zeichen  giebt, 
ist  meist  von  gewöhnlicher  Art;  ein  Exemplar  aus  Bronze  in  durch- 
brochener Arbeit  mit  den  Evangelistenzeichen  und  romanischem  Laub- 
werk geschmückt ,  befindet  sich  im  erzbischöflichen  Seminar  zu  Rheims, 
und  ein  Messingabguss  davon  auch  im  Erzbischöfl.  Museum  zu  Cöln.  ^) 
In  Jenkofen  und  Milbertshofen  (Diöces  München-Freising)  werden  Mess- 
klingeln von  Eisen  aus  gothischer  Zeit  erwähnt;  dagegen  nennt  das 
Prager  Schatzinventar  vom  J.  1387  mehrere  i^nolae  arpenteaeu.  —  Auch 
Garnituren  von  mehreren  im  Dreiklang  abgestimmten  Messglöckchen 
kommen  vor.  *) 

Der  Apparat  zu  den  liturgischen  Räucherungen  besteht  aus  dem 
Weihrauchgefäss  {acerra,  ineensartum,  pyxis  thurü)  nebst  Löffelchen 
zum  Herausnehmen  des  Rauchwerkes  und  dem  Rauchbecken  [thiiribu- 
lum).  Die  älteren  Acerrae  waren  oft  aus  edlem  Gestein  und  hatten  an- 
scheinend zuweilen  die  Form  von  ungeheuerlichen  Bestien :  wenigstens 
kommt  zu  Anfang  des  XIII.  Jahrh.  unter  den  Mainzer  Domschätzen  vor  : 
y* Acerra  de  lapide  integro  onychino  concavo ,  habens  similittidinem  vermis 
horrihilis  y  i.  e,  ui  hufonis.v.    Die  Oeffiiung  auf  dem  Rücken  des  Thieres 


Fig.  77.  WeihrauchichiflTchen  (nach  dem  Organ  fOr  christl.  Kunst). 

war  mit  einem  silbernen  Ringe   eingefasst,   auf  dem  griechische  Buch- 
staben standen ;   an  der  Stirn  trug  das  Reptil  einen  Topas  und  hatte  statt 


1)  Mittheil,  der  k.  k.  Central- Commission  etc.  1S59.  4,  329. 

2)  Abbild,  bei  Stillfried,  R.  v.,  Alterth.  u.  Kunstdenkm.  des  Hauses Hohen- 
zoUem.  Heft  3. 

3)  Abbild,  bei  Didron,  Annales  arch^ol. 

4)  Vgl.  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  et£.  a.  a.  O.  S.  328. 


192  Rauchftlsser. 

der  Augen  zwei  Karfunkel.  Ausser  diesem  Onyxgefässe  werden  auch 
»acerrae  argenteaea  erwähnt.  *J  Häufiger  jedoch  hatte  die  Weihrauchschale 
die  Form  eines  Schiffchens  [navicula  incensi;  vgl.  oben  S.  155) ,  welches 
durch  einen  in  der  Mitte  getheilten  (metallenen)  KlappdeckeL  verschliess- 
bar  und  entweder  aus  edlem  Stein  oder  Metall  verfertigt  war.  In  dem 
mehr  erwähnten  Prager  In ventarium  von  1387  kommen  vor:  nNavicula 
hyspidtna  (aus  Jaspis)  circumdata  auro  puro  pro  portando  thure.  Item  alia 
navicula  amatUtina ,  nondutn  ornata  argentoik  ^) ;  es  sind  jedoch  solche 
Weihrauchschiffchen  nur  sehr  selten  erhalten  ^) ,  und  nicht  viel  anders 
verhält  es  sich  auch  mit  den  Rauchbecken  selbst,  da  diese  Gefässe,  durch 
den  Gebrauch  in  den  Händen  der  Ministranten  schadhaft  geworden,  häu- 
figen Erneuerungen  unterworfen  waren.  Das  Thuribulum  ist  seiner  Be- 
stimmung gemäss  zum  Hinstellen  und  zum  Schwingen  eingerichtet ;  es 
hat  einen  einfachen  aus  der  Hohlkehle  gebildeten  runden  Fuss ,  auf  dem 
das  sich  ausbauchende  Kohlenbecken  ruht,   welches  mit  seinem  durch- 


Fig.  78.  Silbernet  Banchfau  im  Dom  zu  Trier  (nach  de  Caumont). 

brochenen  Deckel  die  Architekturform  eines  Centralbaues  nachahmt ;  an 
vier  oder  drei  Punkten  der  Peripherie  sind  Ketten  von  etwa  l  F.  Länge 


1)  Chron.  Conrad!  ep.  1.  c.  p.  568  lin.  24. 

2)  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  a.  a.  O. 

3)  Vgl.  (Bock,  Fz.,)  Schiffchen  zum  Darreichen  des  Weihrauchs  (XTV.  Jahrh.), 
nebst  Abbild. ,  im  Organ  für  cbristl.  Kunst.  1 862.  No.  15;  die  Abbild,  einer  Navi- 
cula mit  Löffel  auch  bei  Didron,  Annales  arch^ol.  14,  263. 


Rauchfiuser.  193 

befestigt,  die ,  zugleich  durch  an  den  entsprechenden  Stellen  des  Deckels 
angebrachte  Oesen  gehend,  sich  in  eine  Handhabe  mit  einer  vom  Centrum 
des  Deckels  ausgehenden  kürzeren  Kette  vereinigen.  Die  meisten  der 
älteren  Rauchfässer  sind  aus  Erz  und  erst  später  wurden  silberne  häu- 
figer. Die  Maasse  betragen  durchschnittlich  4 — 5  Z.  im  Diameter  bei 
5 — 6  Z.  Höhe.  —  Der  Dom  zu  Trier  besitzt  zwei  spätromanische  Rauch- 
fässer, das  eine  einfachere  aus  Silber  ^j ,  das  andere  mit  Inschriften  und 
biblischen  Figuren  bedeckt ,  aus  vergoldetem  Kupfer  ^j  :  beide  in  der 
Grundform  eines  an  den  Enden  in  Halbkreise  übergehenden  gleicharmi- 
gen Kreuzes ;  der  Deckel  mit  Kuppelthilrmchen  und  Giebeln  geschmückt. 
Zwei  (einander  ganz  gleiche)  spätest-romanische  Rauchfässer  befinden  sich 
in  der  Pfarrkirche  zu  Hohenwepel  bei  Warburg  und  in  der  zu  letzterer  ge- 
hörigen KapeUe  zu  Menne ,  in  ähnlicher  Grundanlage  und  ausgezeichnet 
durch  die  Fülle  des  aus  Bestiengestalten  bestehenden  Ornaments,  das 
sich  nicht  nur  auf  die  8  apsidenf5rmigen  Ausrundungen  und  die  72 
Dreiecke  des  Beckens  und  Deckels  selbst ,  sondern  bis  auf  die  Handhabe 
erstreckt,  in  welcher  die  fünf  Ketten,  von  Thierunholden  gehalten  ,  sich 
vereinigen.  *)  Andere  Rauchfässer  romanischen  Stils  in  den  Kirchen  zu 
Hellefeld  bei  Arnsberg ,  zu  Fürstenau  und  zu  Lichtenau  (Diöces  Pader- 
born). Ein  sehr  einfaches  romanisches  Thuribulum  in  Messingguss,  an 
welchem  die  Architekturformen  rein  und  klar  hervortreten,  besitzt  das 
ErzbischOfl.  Museum  zu  Cöln  (Catalog  von  1855  S.  S.  No.  17).*)  Noch 
unscheinbarer  ist  ein  romanisches  Thuribulum  in  der  Kirche  zu  Heggen 
bei  Attendorn.  Dagegen  zeigt  ein  Rauchfass  im  Museum  zu  Freising  ") 
reiche  imd  geschmackvolle  Architekturformen ;  ein  kleineres  befindet  sich 
zu  Jenkofen  bei  Landshut.  —  Die  Gothik  bildet  den  Fusstheil  des  Rauch- 
fasses gewöhnlich  in  der  Form  des  Vielecks  oder  einer  sechsblätterigen 
Rose  und  wendet  durchgehend  die  stilgemässen  Strebepfeiler-  und  Maass- 
werkbildungen an,  die  Mitte  des  Deckels  mit  einem  polygonen  Spitz- 
thurm  krönend,  yodurch  das  Höhenmaass  bis  auf  10 — 12  Z.  anwächst. 
Beispiele  finden  sich  am  Rhein  in  den  Kirchen  zu  Eltenberg  ®) ,  Orsoy  ^), 
St.  Alban  in  Cöln  ^j  ;  zu  Paderborn  im  Dom  und  in  der  Bustorfkirche ; 
im  Bischöfl.  Museum  zu  Münster  und  in  der  Mauritzkirche  daselbst  edel- 
gothische,  in  letzterer  auch  ein  elegant  spätgothisches :  in  der  Augustiner- 
kirche zu  Würzburg,  zu  Schweinbach  bei  Landshut,  zu  Haindling  bei 
Geiselhöring  (Diöces  Regensburg j .  —  Ausser  diesen  kleinen,  zum  Schwin- 
gen eingerichteten  Rauchfässern  gab  es  in  älterer  Zeit  auch  grössere  Thy- 
miamateria,  die  neben  den  Altären  aufgehängt  oder  hingestellt  wurden, 


i)  Abbild,  bei  deCaumont,  Ab^c^daire  d'arch^ologie.  4.  ^d.  1,  289. 

2)  Abbild,  u.  Beschreib,  von  J.  G.  Maller  im  Bulletin  monumental  13,  196. 

3)  Abbild,  im  Organ  für  christl.  Kunst  1853.  Artist.  Beilage  zu  No.  3  Fig.  B. 
Vgl.  Oiefers,  W.  Engelb.,  Praktische  Erfahrungen  etc.  S.  66. 

4)  Abbild,  im  Organ  für  christl.  Kunst  1S54.  Artist.  Beilage  zu  No.  12. 

5)  Abbild,  (nach  Becker  und  y.  Hefner,  Kunstwerke  etc.  Bd.  HI.)  bei  Sig- 
hart,  Gesch.  der  bild.  Künste  in  Bayern  1,  195. 

6}  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Bd.  I.  Taf.  I.  2. 

7)  Abbild,  ebd.  Bd.  U.  Taf.  XXI.  11. 

8)  AbbUd.  bei  Bock,  Fz.,  das  heilige  Köln  Taf.  XIX.  73. 

Ott«,  Kantt- Arch&olofie.  1 3 


194 


Oelgefäsee. 


und  das  Mainzer  Schatzverzeichniss  aus  der  ersten  Hälfte  des  XIII.  Jahrh. 
(s.  oben  S.  189)  erwähnt  als  solche  zwei  hohle  silberne  Kraniche  von 
natürlicher  Grösse,  die,  auf  dem  Rücken  offen  und  mit  Kohlen  und  Rauch- 
werk gefüllt,  durch  den  Schnabel  den  Rauch  ausströmen  liessen  und  zu 
beiden  Seiten  des  Altars  aufgestellt  wurden. 

Die  Gefässe  für  die  heiligen  Oele  (oleum  catechumenorum, 
oleum  infirmorum  und  chritma ,  Heilöl ,  Krankenöl  und  Salböl)  sind  und 
waren  verschliessbare  Büchsen  {capsae,  pyxides)  und  Flaschen  [ampullae] 
aus  verschiedenen  Stoffen  verfertigt,  einfach  oder  geschmückt;  nur  glä- 
serne y^ampullae  chriematism  wurden  von  dem  Provinzial  -  Concil  zu  Trier 
vom  J.  1227  verboten.  *)     Auch  Hörner  finden  sich  zu  diesem  Zwecke 

schon  frühzeitig  benutzt  ^),  und  die  Kathedrale 
zu  Gran  in  Ungarn  besitzt  drei  grössere  Homer 
mit  silbervergoldeten  Ständern  und  Deckver- 
schlüssen aus  dem  XV.  Jahrh.,  die  indess  erst 
später  als  vasa  olei  (wozu  sie  noch  heute  die- 
nen) in  kirchlichen  Gebrauch  gekommen  sind.') 
—  Auch  die  im  Domschatze  zu  Salzburg  auf- 
bewahrte emaiUirte  Taube  aus  dem  XII.  Jahrh. 
(s.  oben  S.  181)  gilt  als  Oelgeföss.  —  Inter- 
essant sind  solche  Gefässe,  welche  die  drei 
Büchsen  für  die  verschiedenen  Oele  vereinigt 
enthalten,  wie  sich  dergleichen  z.  B.  im  Dom- 
schatze zu  Regensburg,  in  St.  Jacob  zu  Strau- 
bing *),  und  aus  dem  J.  1489  in  der  Altstädter 
Kirche  zu  Warburg  (Diöces  Paderborn)  be- 
finden: auf  einem  sechsblätterigen  Kelchfiisse 
ruht  das  über  dem  Grundriss  des  Dreipasses 
aus  drei  Thürmchen  mit  Zinnen  und  Schiess- 
scharten zusammengesetzte  Gef&ss :  denen  in 
Warburg  noch  drei  ähnliche  kleinere ,  die  sich 
nicht  öffnen  lassen,  in  den  Ecken  hinzugefügt 
sind ,  in  der  Mitte  des  gemeinsamen  Deckels 
erhebt  sich  ein  mit  dem  Kreuze  gekrönter 
pyramidaler  Helm.  *)  Die  Wahl  der  gezinnten 
Kriegsthürme  für  diese  Gefösse  scheint  sich 
auf  das  bei  der  letzten  Oelung  vorkommende 
Gebet:  »Esto  ei,  domine,  turris fortitudinis  a  fade  inimtci  cetAt  (vgl.  Ps. 
61,  4)  zu  beziehen. 


Fig.  79.  GcfftM  fbr  die  h.  Oele  in  War- 
burg (nach  d.  Organ  f.  rhristl.  Kunst.) 


1)  Hartz  heim,  Conc.  Germ.  3,  529;  vgl.  Jakob,  die  Kunst  im  Dienste  der 
Kirche  S.  100. 

2)  Ein  Oelhom  wurde  bei  der  Salbung  Otto's  des  Orossen  gebraucht.  Vgl. 
Giesebrecht,  Gesch.  der  deutschen  Kaiserzeit  (1.  Aufl.)  I,  220. 

3)  Bock,  Fz.,  im  Jahrbuch  der  k.  k.  Central-Commission  etc.  3,  130;  vgl.  Mit- 
telalter!. Kunstdenkm.  des  Osterreich.  Kaiserstaates  2,  143. 

4)  Abbild,  bei  Jakob  a.  a.  O.  Taf.  Vni.  6. 

5^  Vgl.  die  Beschreibung  von  Giefers,  im  Organ  für  christl.  Kunst  1S56  No.  5 
u.  6 ,  nebst  Abbild,  auf  der  artist.  Beilage  zu  No.  (>.  —  Vgl.  auch  desselben  Verf. : 
Prakt.  Erfahrungen  S.  64. 


Weihkessel.  f95 

Tragbare  Weihwassergefftsse  (vasa  lusiralia)  aus  romanischer 
Zeit  haben  die  Form  eines  kleinen  Eimerchens  (durchschnittlich  etwa 
7  Z.  hoch,  unten  5  Z.  und  oben  6  Z.  breit)  mit  Tragbügel  von  Metall, 
sind ,  insgemein  unter  Säulenarkaden  und  oft  in  zwei  Keihen  über  ein- 
ander, mit  biblischen  Reliefs  geschmückt,  und  kommen  aus  Elfenbein  ge- 
schnitzt oder  in  Erz  gegossen  vor.  Die  Elfenbeingefässe ,  so  viel  deren 
bis  jetzt  bekannt  sind  (im  Domschatze  zu  Mailand  'j ,  im  Kunsthandel 
zu  Aachen  nach  England  verkauft ') ,  im  Münsterschatze  zu  Aachen  ') 
und  im  Dom  zu  Lyon  —  die  ersten  beiden  aus  dem  X.,  letztere  angeblich 
aus  dem  XII.  Jahrh.)  dienten,  wie  auf  den  beiden  ältesten  inschriftlich 
bezeugt  ist,  dazu  dem  Kaiser  bei  seinem  Eintritte  in  die  Kirche  das  Weih- 
wasser darzureichen.  Die  Erzgefässe  (z.  B.  im  Dom  zu  Speier,  im  Dom 
und  St.  Stephan  zu  Mainz ,  in  der  Stiftskirche  zu  Berchtesgaden ,  im 
National-Museum  zu  München  (aus  Bamberg  stammend) ,  in  der  Samm- 
lung des  Fürsten  von  HohenzoUern  -  Sigmaringen  befolgen  denselben 
Typus.  Aus  der  gothischen  Periode  sind  bis  jetzt 
nur  Weihkessel  der  Spätzeit  nachgewiesen,  einfache 
Arbeiten  in  Roth  -  oder  Gelbguss ,  aber  von  geföl- 
liger  Form:  das  Eimerchen  von  8 — tO  Z.  Höhe 
hat  ein  becherartiges  Profil  und  ist  mit  gegliederten 
Reifen  umgeben;  der  Schlangenhenkel  wird  von 
menschlichen  Figürchen  oder  von  Köpfen  gehalten, 
die  häufig  über  Wappenschilden  emporstehen.  Bei- 
spiele :  in  der  Schatzkammer  der  Abtei  Reichenau 
auf  der  Insel  gl.  N.  im  Bodensee  (das  reichste 
Exemplar  dieser  Art) ,  in  den  Kirchen  zu  Elten- 
berg  imd  Straelen  *) ,  in  der  Kirche  zu  Deutz  und 
in  St.  Cunibert  zu  Cöln ;  ein  Weihkessel  aus  dem 
XVI.  Jahrh.  in  dieser  Kirche  hat  schon  ausge- 
bauchte, krugartige  Form.  *)  —  Im  Praffer  Schatz- 

Fig.  «0.  WeihkrRsel  in  der         .  ^  lor^i  i.» 

Kirche  8u  Eitenberg  (nach       mveutar  vou  1387  kommt  vor  em  i^urceus  argmteus 
aiw'ra  Wecrtii).  q^  asperstonem  cum  imagmibusa,  —  Die  Aspersio 

geschah  in  alter  Zeit  mit  einem  Baumzweige,  einem 
Ysop  -  oder  Strohbüschel ,  wenn  nicht  etwa  auch  mit  den  Fingerspitzen ; 
auch  benutzte  man,  wie  das  deutsche  Wort  Weihwedel  ' a9pergillufn) 
andeutet ,  den  Schwanz  eines  Thieres ,  unc^  zwar ,  wie  das  französische 
Wort  für  Weihwedel  ngoupiUom  (vom  altfranz.  yot^t7=  Fuchs)  beweist, 
einen  Fuchsschwanz.  ^)  Gewöhnlich  jedoch  war  das  Aspergill  ein  Stab 
aus  Metall  oder  Holz,  oben  in  einem  runden,  mit  Borsten  besetzten  Kopf 


\)  Abbild,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central  -  Commission  etc.   1860.  Bd.  V. 
Taf.  IV.  zuS.  147. 

2i  Vgl.  Kftntzeler,  Pet.  Steph. ,  eine  Kunst -Reliquie  des  10.  Jahrhunderts. 
Aachen  MS.5G). 

3i  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Bd.  II.  Taf.  XXXIII.  10;  vgl.  Didron, 
Annales  archeol.  17,  141,  wo  dieses  GefUss  in  die  karoling.  Zeit  gesetzt  wird. 

4;  Abbild,  ebd.  Bd.  I.  Taf.  I.  4  u.  Bd.  n.  Taf.  XXII.  2. 

5i  Abbild,  bei  Bock,  das  heil.  Köln.  Taf.  XIII.  48  u.  47. 

6)  Vgl.  Gareifto,  J.,  l'Archöologue  chr6tien.  Nirae«  1S52.  p.  234. 

1.3* 


196  Credentia.  Piscina.  Depositoria. 

endend,  oder  dieser  Kopf  hat  die  Gestalt  eines  Fruchtgehäuses  (Arti- 
schocke ,  Tannenzapfen) ,  ist  mit  feinen  Löchern  durchbohrt  und  birgt 
einen  Badeschwamm  in  sich.  *) 

Anmerkung.  Zum  Aufstellen  der  fflr  den  Messdienst  erforderlichen 
Oefässe  und  Geräthe  dient  ein  insgemein  beweglicher  hölzerner  Tisch, 
Credenztisch  [credefitia] ,  welcher  an  der  Kelchseite  neben  dem  Altare 
aufgestellt  und  mit  einem  weissen  Tuche  bedeckt  wird .  im  Dom  zu  Münster 
ist  zu  diesem  Zw^ecke  ein  zweitheiliger  Tisch  bestimmt ,  der  aufgeklappt  ein 
Schachbrett  zum  Vorscheine  kommen  lässt  und  dem  Wiedertäuferkönig  Jo- 
hann von  Leyden  gehört  haben  soll.  Im  Dome  zu  Magdeburg  ist  neben  dem 
Hochaltare,  aber  auf  dessen  nordöstlicher  Ecke,  eine  der  Altarplatte  (s.  oben 
S.  100)  vollkommen  ähnliche,  nur  etwas  kleinere  imd  niedrigere  Marmor- 
tafel befindlich,  die  zwar  für  das  Grab  Erzb.  Dietrichs  (f  1367)  gehalten 
wird,  vielleicht  aber  als  Credentia  gedient  hat.  *) 

Ebenfalls  auf  der  Kelchseite  nächst  dem  Altare  befindet  sich  in  der 
Mauer  zuweilen  eine  fensterartige  Nische ,  Piscina  (auch  wohl  Fenestella) 
genannt ,  und  innerhalb  derselben  eine  halbkugelige  kesselartige  Vertiefung 
mit  kleinem  Abzugscanal ,  die  zum  Waschen  der  Hände  für  den  Priester 
und  zum  Reinigen  der  heiligen  Gefösse  bestimmt  war  •) ,  z.  B.  im  Dome  zu 
Naumburg,  in  der  Klosterkirche  zu  Zinna,  in  der  Katharinenkirche  zu  Brauns- 
berg ,  in  dem  Dorfe  Alt-Christburg  (Kr.  Mohrungen) :  hier  der  Abfluss  aus 
einem  Granitsteine  bestehend ,  der  sich  frei  durch  die  Mauer  öffnet.  *)  — 
Auch  in  der  Sacristei  muss  ein  Lavacrum ,  für  die  Handwaschung  des  Prie- 
sters vor  der  Messe ,  vorhanden  sein ,  nebst  einem  Handtuche  [tuella]  :  ein 
geschnitzter  Handtuchhalter  aus  dem  XVI.  Jahrb.,  verziert  mit  einer  Sirene, 
die  Kamm  und  Spiegel  hält ,  befindet  sich  in  der  Sacristei  der  Stiftskirche 
zu  Xanten.  *) 

Der  Depositorien  für  die  heil.  Oele  ist  bereits  oben  S.  185  gedacht 
worden:  es  sind  Wandschränke  auf  der  Epistelseite,  z.  B.  im  Dome  zu 
Magdeburg  neben  dem  im  J.  1331  geweihten  Altare  des  Täufers  Johannes 
am  östlichen  Ende  des  Schiffes,  auch  in  der  südlichen  Chorwand  im  Münster 
zu  Ulm ;  namentlich  aber  kommen  dreitheilige  Schreine  vor  für  die  drei  ver- 
schiedenen Oek ,  architektonisch  ganz  ähnlich  ausgestattet  wie  die  Wand- 
tabernakel (§45  Anmerk.  unter  l,  S.  184)  ,  und  von  diesen  nur  durch  die 
Stellung  an  der  Südseite  zu  unterscheiden,  z.  B.  in  der  Reinoldikirche  zu 
Dortmund.  Selbst  freistehenck  thurmartige  Schreine  dienten  diesem  Zwecke, 
wie  der  kleinere  südliche  im  Dome  zu  Münster,  dem  grösseren,  auf  der 
Nordseite  befindlichen Sacramenthäuschen  gegenüber.  — Andere  Schränke 


1 )  Der  Kriegsknecht ,  welcher  auf  dem  Elfenbeindeckel  de»  Echternacher  Evan- 
gelienbuches den  Herrn  mit  Essig  tränkt,  bedient  sich  dazu  eines  Aspergills  der 
beschriebenen  Art;  s.  den  Stahlstich  zu  S.  133. 

2;  Vgl.  Wiggert,  F.,  der  Dom  zu  Magdeburg  S.  11. 

3/  Durandi  Rationale  1.  1  c.  1  n.  39:  Prope  altare  .  .  .  collocatur  piscina  seu 
lavacrum. 

4)  Abbild,  von  architektonisch  geschmückten  einfachen  und  doppelten  Piscinen, 
welche  letztere  zugleich  als  Credentia  benutzt  werden  konnten,  aus  französischen 
Kirchen  beiDidron,  Annales  arch6ol.  4,  87 — 93. 

51  Abbild,  bei  aus'm  Weerth,  Kunstdenkm.  etc.  Bd.  I.  Taf.  XVIII.  2. 


Gestühle.  197 

im  Chore  der  Kirchen  oder  in  den  Sacristeien  dienten  zur  Aufbewahrung 
der  heiligen  Gefässe  j  Reliquiarien  und  Paramente :  so  die  durch  baldachin- 
artige Krönung  ausgezeichneten,  aus  je  fünf  spitzbogigen  Schränken  neben 
einander  bestehenden  Repositorien  auf  beiden  WaYidseiten  zunächst  dem 
Altare  in  der  Marienkapelle  der  Pfarrkirche  zu  Cilli  in  Steiermark  aus  spät- 
gothischer  Zeit.  *}  Gewöhnlich  benutzte  man  indess  bewegliche  hölzerne 
Schränke,  welche  oft  durch  ihre  Schnitzereien,  Bemalung  und  Thürbe- 
schläge  Aufmerksamkeit  verdienen,  z.  £.  der  spätgothische  Schrank  der 
Tuchmacherinnung  in  der  Nicolaikirche  zu  Jüterbog.  *) 


c.  Die  Ansstattang  der  Kirchen  mit  Gestohlen,  Kanzel,  Taufatein, 
Orgel,  Grabdenkmälern  und  Glocken. 

47.  Unter  dem  Gestiihhverke  der  Kirchen  nehmen  wegen  ihrer 
mehr  oder  weniger  reichen  künstlerischen  Ausstattung  die  Chor- 
stühle  *)  {stallt,  stalla)  die  ei-ste  Stelle  ein.  Sie  werden  zwar  seit  dem 
XI.  Jahrhundert  erwähnt,  die  Entstehung  der  im  späteren  Mittelalter 
üblichen  hölzernen  Gestühle  dieser  Art  dürfte  jedoch  nicht  früher  als 
etwa  in  die  zweite  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  fallen :  es  sind  die, 
in  Kloster-  und  Stiftskirchen  an  den  beitlen  Langseiten  des  Chores 
[an  der  Epistelseite  der  chorus  abbatis ,  auch  latus  praepos{ti ,  an  der 
Evangelienseite  der  chorus  prioris ,  auch  latus  decani)  aufgestellten 
längereu  oder  kürzeren  Reihen  von  Sitzbänken  je  nach  der  Anzahl 
der  Geistlichen  zwei  bis  vier  hinter  einander) ,  welche  in  gewissen 
Entfernungen  von  einander  abstehen  und  sich  in  einzelne  Armsitze 
theilen.  Die  hinterste  Reihe  [alta  forma  ,  über  dem  Fussboden  durch 
einige  Tritte  erhöht,  hat  gewöhnlich  eine  hohe  Rückwand  mit  über- 
ragender Baldachinkrönung,  während  die  übrigen  Reihen  {bassae 
formae)  sich  nach  und  nach  abstufen  und  durch  Zugänge  zu  der  hin- 
tersten Reihe  unterbrochen  werden.  Jeder  einzelne  Sitz  (von  etwa 
2*74  F.  Breite)  ist  zum  Aufklappen  eingerichtet,  und  um  den  früheren 
anstössigen  Gebrauch  T  förmiger  Krückstöcke  abzustellen,  mit  einer 
sog.  Misericordia  versehen:  einer  Art  Stütze  für  die  beim  Stehen 
ermüdeten  oder  leiblich  schwachen  Mönche.   Dieser  Einrichtung  ent- 


I  Abbild,  in  den  mittelalterl.  Kunstdenkm.  der  Österreich  Monarchie.  Bd.  I. 
Taf.  VIII. 

2)  Abbild,  bei  Put  tri  eh,  Denkmale  der  Baukunst  etc.  Abth.  II.  Serie  Jüter- 
bog. Bl.  8. 

3;  Riggenbach,  Ch.,  die  Chorgestühle  des  M.  A.  vom  13—16.  Jahrb.,  in  der 
ZeitAchr.  für  christl.  ArchAol.  und  Kunst  2,  IHI  ff;  vgl.  Jourdain  et  Duval, 
histoire  et  description  des  Stalles  de  la  cathödrale  d'Amicns  in  den  M^moires  des  anti- 
quaires  de  la  Picardie.  7,  81 — 106. 


198 


Chorgestahle. 


sprechend  sind  doppelte  Armlehnen  vorhanden :  die  niedrigeren  zum 
Gebrauche  beim  Sitzen,  die  höheren  zur  Bequemlichkeit  beim  Stehen. 
Vor  der  vordersten  Bank  ist  ein  Betpult  angebracht,  und  jeder  folgen- 
den dient  die  Lehne  der  vorstehenden  Reihe  als  Betschemel.  Das 
Rückgetäfel  der  hintersten  Stuhlreihe  ist  gewöhnlich  mit  Bildwerken 
geschmückt  und  wurde  mit  gestickten  Teppichen  (Rücklaken,  dorsa- 
lia]  überhängt;  auf  den  Sitzbrettem  lagen  Polster  [bancalia]  und  vor 
denselben  Fussdecken  [substratoria] . 


Fig.  81.  Chorgp»t(\hl  in  der  Graumönchenkirche  zu  Daniig  (nach  Möller). 

Bereits  im  IV.  Jahrh.  werden  in  der  Kirche  zu  Tjtus  hohe  Thron- 
sitze  erwähnt  zu  Ehren  der  Vorsteher  und  überall  in  geordneter  Reihe 
eingerichtete  Sitzstufen.  *)  —  Auf  dem  Baurisse  von  St.  Gallen  aus  dem 
J.  820  finden  sich  mehrere  Reihen  von  Betstühlen  \mter  dem  Namen 
formulae:  sie  stehen  im  Querschiff  [charus  psallmttum]   mit  der  Front 


1)  Eusehil,  Hist.  eccl.  1.  10  c.  4,  ed.  E.  Zimmermann  p.  736:  GQOvoig  t« 
ToTg  avtoTurw  €fg  Trjv  Toiy  nQoiJ^iov  t/^^v,  xitl  ngoafn  ßd&Qoig  iy  Tti^d  Totg 
xafh*  oXov  xttTct  To  jQinov  xoafir^aag. 


Choigeatahle.  199 

nach  dem  Hochaltare.  —  Das  Wort  nstalluma  kommt  seit  Ende  des  XI., 
»misericordiaa  zuerst  im  Xu.  Jahrh.  vor.  ') 

Eine  vollständig  erhaltene  romanische  Ausstattung  des  Altarhauses 
der  im  J.  1275  geweihten  Klosterkirche  zu  Loccum  —  einschliesslich  der 
Chorstflhle  —  ist  seit  der  Restauration  (1849)  modern  verändert.  —  Die 
sehr  edlen  altgothischen ,  dem  Ende  des  XIII.  oder  dem  Anfang  des 
XIV.  Jahrhunderts  angehörigen  Chorstuhle  der  Klosterkirche  zu  Neu- 
Ruppin  sind  seit  der  Restauration  (1836 — 41)  verschwimden.  —  Wohl 
als  einzig  in  ihrer  Art  dCUrfen  die  in  der  Kirche  zu  Kaurim  in  Böh- 
men hefindlichen  frOhgothischen  Steinsitze  angeführt  werden,  die  aus 
zwei  langen  Reihen  von  Spitzbogennischen  bestehen ,  welche,  durch 
Säulchen  getrennt,  sich  an  beiden  Chorwänden  bis  zum  Hochaltare  hin- 
ziehen. *)  —  Unter  den  das  gewöhnliche  Schema  befolgenden  Holz- 
gestühlen  scheinen  die  in  der  Klosterkirche  zu  Seligenpforten  (bei  Neu- 
markt in  der  Oberpfalz)  und  die  im  Dome  zu  Xanten  *)  befindlichen 
zu  den  ältesten  zu  gehören.  —  Chorstühle  aus  dem  späteren  Mittelalter 
sind  fast  überall  noch  häufig  vorhanden ,  aber  die  ursprünglich  nur  durch 
sparsame  Vergoldung  gehobene  schöne  Naturfarbe  des  Eichen-  oder 
Nussbaumholzes  ist  meist  durch  Anstrich  verunstaltet.  Die  berühmtesten 
unter  allen  sind  wegen  ihrer  Schönheit  die  im  XJlmer  Dom,  verfertigt  von 
Georg  Sürlin  1469  und  1474  :  sie  bestehen  aus  je  zwei  Reihen,  die  89 
Sitze  (46  an  der  Evangelien-  und  43  an  der  Epistelseite)  enthalten,  und 
über  der  17  F.  hohen  wagerechten  Rückwand  steigen  zahlreiche  Fialen 
(über  den  Scheidewänden  der  Sitze)  und  Wimbergen  (über  jedem  einzel- 
nen Sitze)  auf.  Der  Meister  arbeitete  über  vier  Jahre  an  dem  Gestühl  \md 
empfing  für  jeden  Stand  13  Gulden.  Der  bildnerische  Schmuck  besteht 
hier  aus  einer  übergrossen  Anzahl  von  Brustbildern ,  die  der  heiligen  und 
profanen  Geschichte  entnommen,  und  sowohl  an  den  Wangenstücken  der 
Bänke  als  in  zwei  Reihen  an  der  hinteren  Rückwand  angebracht  sind.  *)  — 
Anderweitig  sind  es  namentlich  biblische  Reliefs ,  Wappen ,  oder  Füllun- 
gen von  Maasswerk  und  Teppichmustern,  die  an  dem  Rückgetäfel  der 
Chorstühle  vorkommen,  während  an  den  Wangen  theils  Heiligenstatuetten, 
theils  Thiergestalten  erscheinen.  In  sittengeschichtlicher  Beziehung  aber 
sind  besonders  merkwürdig  die  an  den  Misericordien  unterhalb  im  Ver- 
steck als  Consolen  angebrachten  und  vielfach  berufenen  Schnitzbilder, 
welche  häufig  in  derb  satirischen  Darstellungen  aus  dem  niederen  Volks- 
leben und  aus  der  Thierfabel,  oder  in  allerlei  phantastischem  Fratzen  werk 
bestehen.  Ausgezeichnet  durch  lebensvollen  Naturalismus  sind  die  sämmt- 
lich  dem  Ende  des  XV.  Jahrh.  angehörenden  Gestühle  mit  10  F.  hohen 
Rückwänden  in  der  Minoritenkirche  zu  Cleve  von  1474,  in  der  Martins- 
kirche zu  Emmerich  von  1486  und.  in  der  Kirche  zu  Calcar*),  und  die 


1)  Vgl.  die  Beweise  bei  Jourdain  et  Duval  a.  a.  O.  S.  91  u.  103. 

2)  Vgl.  Mittheil,  der  k.  k.  Centrai-Commission  etc.  1857.  2,  163. 

3}  Abbild,  bei  aub'm  Weerth,  Kunstdenk mftler  etc.  Bd.  I.  Taf.  XIX.  1. 

4}  Abbild,  in  den  (von  Ed.  Manch  gezeichneten)  Kunstblättern,  herausgegeb. 
von  dem  Verein  für  Kunst  u.  Alterth.  in  Ulm  u.  Oberschwaben  1843  etc. 

5)  Abbild,  der  vollständ.  Gestühle  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  IV.  1—6. 
VUI.  1— 6u.  XV. 


200 


ChorgedtQhle. 


noch  reicher  ausgestatteten,  1 1  Va  F.  hohen  in  der  Kirche  zu  Kempen.  *) 
Ein  sehr  reiches  Werk  ist  auch  das  aus  67  Sitzen  bestehende  Gestühl  in 
der  Hauptkirche  zu  Memmingen ,  und  bemerkenswerth  ebenfalls  das  Ge- 
stühl in  der  Martinskirche  zu  Landshut,  dessen  mannichfache  Menschen- 


Vig.  82.  Miserirordien  von  einem  Gesttihl  im  Dom  ivi  Xanten  (nach  aui'm  Weerth). 

und  Thiergebilde  der  Inschrift  zufolge  den  heil.  Martin  als  Patron  der 
Kirche  feiern.  ^)  Dagegen  erweist  eine  Inschrift  an  den  'bruchstücks- 
weise) im  Diöcesan-Museum  zu  Freising  befindlichen  Chorstühlen  aus  der 
Andreaskirche  daselbst  vom  J.  1423  die  Berechtigung  einer  satirischen 
Deutung  der  erwähnten  Fabel-  und  Fratzenbilder;  sie  lautet.  nCantent 
in  choro  y  stcut  asellus  in  foro;  hie  hcus  est  horum,  qui  cantant,  non 
aliorum.« 

Ausser  den  vorstehend  bereits  angeführten  machen  wir ,  zum  Theil 
auf  Grund  der  vorliegenden  Abbildungen,  noch  folgende  Chorgestühle 
namhaft :  Am  Rhein:  in  der  Karmeliterkirche  zu  Boppard ') ,  in  der 
Stiftskirche  zu  Oberwesel  *\  in  den  Kirchen  zu  Kiederich  (von  Eberhard 
Salkener  aus  Abensberg  1510)  und  Gauodernheim  (von  demselben) ,  in 
der  Schlosskapelle  zu  Büdingen  (von  Peter  Schanntz  und  Michel  Silge, 
beide  von  Worms,  1497),  in  den  Domen  zu  Basel  und  Cöln.  In  Hes- 
sen:  in  der  Kirche   zu  Gelnhausen,    Stiftskirche   zu  Fritzlar,    in    den 


1)  Abbild,  des  voUständ.  Gestühles  bei  aus'm  AVeerth  a.  a.  O.  Bd.  II.  Taf. 
XXin.  2—39. 

2)  Abbild,  im  Organ  für  christl.  Kunst  1S53.  Artist.  Beil.  zu  No.  17.  —  Die 
Inschrift  lautet : 

»Si ßeri  jwssetf  qiiod  arene  pulvis  et  tinde 
Undantm  gutte  rose  gemme  lilia  flamme 
Aethera  ceiicoli  nix  grando  sextis  uierque 
Ventorum  penne  volucrum  pecudum  genus  omne 
Siivarum  ramifrondes  avium  quoque  penne 
Hos  gramen  stelle  pisces  angnes  et  aristae 
Et  lapides  montes  convalles  terra  dracones 
Linptie  cuficta  forent,  minime  deprimere  possent^ 
Quts  sis  vel  quantus^  pastor  patrone  martinef 
Qite  tua  Sit  pietas,  nee  littera  nee  dabit  etas.n 
bei  Statz  und  Ungewitter,  Goth.  Musterbuch  Taf.  187.  188. 


3)  Abbild. 
Fig.  2—5. 

4)  Abbild,  ebd 


Taf.  186  Fig.  I.  2.  Taf.  ISS  Fig.  6—12. 


ChorgestQhle.  201 

Kirchen  zu  Friedberg,  Wetter  und  Immenhausen  *) ;  in  der  Kirche  zu 
Hofgeismar  und  in  der  Klosterkirche  zu  Haina.  ^)  In  Schwaben: 
im  Dom  zu  Constanz  (von  dem  Tischmacher  Simon  Haider  und  den^ 
Bildhauer  Niclas  [Lerch]  von  Leyen  um  1470)'),  in  der  Spitalkirche 
zu  Stuttgart  (von  den  PredigermOnchen  Conrad  Zolner  und  Hans  Hass 
1495),  in  den  Kirchen  zu  Blaubeuern  (1493 — 1496)  und  Geisslingen 
(1512),  in  der  Stiftskirche  zu  Herrenberg  (von  Hinrich  Schickhard  von 
Sigen,  Bürgern  zu  Herrenberg  1517),  in  der  Kirche  zu  Freudenstadt 
(von  Conrad  Widmann  von  Calw  1588; ,  in  der  Stiftskirche  zu  Wimpfen 
im  Thal  (von  1498).  *)  In  Bayern*)  :  im  Stift  St.  Veit  bei  Freising 
(Bruchstücke  von  1441),  im  Münster  zu  Freising  ^) ,  im  Münster  zu 
Moosburg  (von  Meister  I.  W.),  in  der  Frauenkirche  zu  München,  in  den 
Stiftskirchen  St.  Zeno  bei  Reichenhall  (1510)  und  zu  Berchtesgaden ,  in 
der  Dominicanerkirche  zu  Regensburg ,  in  der  Klosterkirche  zu  Reichen- 
bach, im  Dom  zu  Augsburg,  im  Westchor  des  Doms  zu  Bamberg,  in  der 
Lorenzkirche  zu  Nürnberg  und  in  der  ehemal.  Klosterkirche  St.  Clara 
daselbst.  In  Oester reich :  in  St.  Stephan  zu  Wien  (vom  Bildschnitzer 
Wilhelm  RoUinger  um  1480)^.;  in  Steiermark:  in  der  Hauptpfarr- 
kirche zu  Pettau  (von  1446);  in  Böhmen:  zu  Kuttenberg  in  der  Bar- 
barakirche ^)  und  in  der  Erzdechanteikirche.  In  Sachsen  in  der  Lieb- 
frauenkirche zu  Halberstadt ,  in  den  Domen  zu  Halberstadt ,  Magdeburg 
(um  1445)*),  Merseburg  'die  westliche  Abtheilung  von  dem  Prediger- 
mOnche  Casper  Schokholcz  1446,  die  östliche  aus  der  Zeit  um  1500), 
Naumburg  ***)  und  Erfurt  (hier  meist  erneuert) ,  in  der  Nicolaikirche  zu 
Zerbst  (von  1451  — 1453)*'),  in  der  Klosterkirche  zu  Zinna  (nur  Wan- 
genstücke; **),  in  der  Schlosskirche  zu  Alten  bürg.  *')  In  Westfalen  **): 
zu  Dortmund  in  der  Reinoldikirche  (um  1450,,  Marienkirche  fvon  1523) 
und  kathol.  Pfarr  (Dominicaner-)  kirche  (von  Engelbert  op  der  Soe  1 521), 
in  der  Abteikirche  zu  Cappenberg  (das  reichste  Werk  der  Provinz) ,  in 
der  Karthäuserkirche  zu  Wedderen ,  in  der  Jesuitenkirche  zu  Koesfeld 
(aus  dem  XIV.  Jahrb.  ?) ,   in  den  Pfarrkirchen  zu  Borken  und  Bocholt, 


i;  Abbild,  bei  Statzu.  Ungewitter,  Goth.  Musterbuch  Ta f.  ISl.  162  u.  183 
Fig.  4  ;  Taf.  Vi;   Taf.  1^3  Fig.  1-3;  Taf.  177;  Taf.  1S4.  1S5  Fig.  1—6. 

2^  Abbild,  von  Details  ebd.  Taf.  S3  Fig.  1—3;  Fig.  6.  7. 

3)  Abbild,  in  Denkm.  am  Oberrhein  I.  Taf.  3 ;  vgl.  Anzeiger  des  German.  Mu- 
seums ISO!  Sp.  9. 

4]  Details  abgebild.  bei  Kugle r,  Kl.  Schriften  1,  9S  f. 

5;  Vgl.  Sighart,  Joach. ,  die  Chorgestühle  des  M.  A.  in  Bayern,  in  den  Mit- 
theil, der  k.  k.  Central-Commission  etc.  Jsöl.  6,  100. 

tj;  Abbild,  bei  Harr  er,  das  Chorgestühl  der  Kathedrale  zu  Freising  1847. 

7)  Abbild,  bei  Tschischka,  Fz.,  der  Stephans-Dom  in  Wien  Taf.  25—33. 

8;  Abbild,  in  Mittelalter!.  Kunstdenkm.  des  Österreich.  Kaiserstaates  Bd.  I. 
Taf.  XXXm. 

9;  Abbild,  bei  Rosenthal,  der  Dom  zu  Magdeburg.  Lief.  V.  Taf.  IV. 

10)  Abbild,  bei  Puttrich,  Denkm.  d.  Baukunst  d.  M.  A.  in  Sachsen.  Abth.  IL 
Serie  Naumburg  Bl.  13. 

1 1 )  Abbild,  ebd.  Abth.  I.  Serie  Anhalt  Bl.  2. 

12)  Abbild,  ebd.  Abth.  H.  Serie  Jüterbog  Bl.  17  u.  18. 
13}  Abbild,  ebd.  Abth.  I.  Serie  Altenburg  Bl.  6. 

14)  Vgl.  Lübke,  die  mittelalterl.  Kunst  in  Westfalen  S.  400—404. 


202  Bischofstühle.  Levitensitze. 

zu  Vreden  in  der  Stifts  -  und  in  der  Pfarrkirche,  in  der  Kirche  zu  Langen- 
hörst,  in  der  Stadtkirche  (Kapelle)  zu  Iburg,  in  der  Klosterkirche  zu 
Marienfeld,  in  der  Kreuzkirche  zu  Stromberg,  zu  Lippstadt  in  der  Marien- 
und  in  der  Stiftskirche ,  in  den  Kirchen  zu  Liesbom  (einzelne  Theile), 
Diestedde  und  Everswinkel,  in  der  Bartholomäikirche  zu  Ahlen,  Kilians- 
kirche  zu  Lügde,  Kirche  zu  Falkenhagen  und  in  der  Oberen  Stadtkirche 
zu  Iserlohn.  ImMcklenburgischen:  in  der  Klosterkirche  zu  Doberan, 
in  der  Nicolaikirche  zu  Röbel  (Bruchstücke)  aus  der  dortigen  Domini- 
canerkirche (von  Bruder  Urban  Schuman  1519)  ;  im  Dome  zu  Lübeck.  ') 
In  den  Brandenburgischen  Marken  :  im  Dome  zu  Havelberg  (XIV. 
Jahrb.),  in  der  Katharinenkirche  zu  Brand enbtirg,  in  der  Klosterkirche 
zu  Berlin^),  im  Dom  zu  Stendal.  In  Pommern:  in  der  Nicolaikirche 
zu  Stralsund  (Ueberreste),  im  Dom  zu  Cammin,  in  der  Kirche  zu  Qrimme, 
in  den  Marienkirchen  zu  Colberg,  Coeslin,  Anclam  und  in  der  Nicolai- 
kirche daselbst  (letztere  von  1498).  InPreu8sen:in  der  QraumOnchen- 
kirche  zu  Danzig  etc.  ') 

Mittelalterliche  gestickte  Rücklaken,  spätestens  wohl  aus  dem 
XII.  Jahrb. ,  haben  sich  im  Dome  zu  Halberstadt  erhalten  und  sind  da- 
selbst über  den  Chorstühlen  aufgehängt  *) ;  andere  im  Zither  zu  Qued- 
linburg und  in  der  Lorenzkirche  zu  Nürnberg. 

Anmerkung.  Nachdem  die  im  Hintergrunde  der  Apsis  befindliche 
steinerne  bischöfliche  Kathedra  der  alten  Kirche  wegen  Hinterrückung  des 
Altars  aufgegeben  war ,  kamen  zwar  bewegliche  Sessel  nach  Art  der  Feld- 
stühle ^)  für  die  Bischöfe  in  Gebrauch ,  es  finden  sich  jedoch  in  manchen 
Kirchen  auch  noch  thronartige,  auf  Stufen  erhöhte,  der  antikrömischen 
Weise  entsprechende  Bischofstühle  vor,  z.  B.  im  Dom  zu  Augsburg 
ganz  am  Ende  des  Westchores  ein  Thronsessel  mit  Säulendach  aus  Kalk- 
stein, der  dem  XII.  Jahrb.  zugeschrieben  wird.  ^}  —  Ein  sich  abstufender 
Dreisitz  (oder  Fünfsitzj  für  den  Priester  und  zwei  (oder  vier)  Ministran- 
ten war  wohl  ursprünglich  in  allen  grösseren  Kirchen  vorhanden  und  hat 
sich  noch  sehr  häufig  erhalten,  in  der  Nähe  des  Altares  an  der  Epistelseite ; 
solche  Levitensitze  aus  Stein  z.  B.  in  der  Lampertskirche  zu  Koesfeld, 
Pfarrkirche  zu  Borken.  Klosterkirche  zu  Berlin  (im  Mauerwerk  einer 
Nische)  etc.  ;  in  Schnitz  werk  z.  B.  in  der  Stiftskirche  zu  Wimpfen  im 


1)  Abbild,  bei  Stat«  und  Ungewittera.  a.  O.  Taf.  TS. 

2)  Details  abgebild.  in  Kugle  r,  Kl.  Schriften  etc.  1,  Kbf. 

3;  Abbild,  bei  Moller,  G.,  Denkmäler  etc.  Bd.  I.  Taf.  63—65. 

4)  Abbild,  in  Kunstdenkm.  in  Deutschland,  bearb.  von  Bechotein  u.  A. 
Abth.  I.  Lief.  5  Taf.  13  u.  14. 

5)  Ein  solcheB  Faldistolium,  etwa  aus  dem  XIV.  oder  XV.  Jahrb.,  aber  mit 
aus  frühromamscher  Zeit  stammenden  Elfenbeinschnitzwerken  belegt  und  augen- 
scheinlich nach  einem  Alteren  Muster  gefertigt,  befindet  sich  in  dem  Nonnenkloster 
auf  dem  Nunberge  in  Salzburg ;  es  zeigt  das  aus  vielen  Siegelbildern  thronender  Bi* 
schöfe  bekannte  Modell  solcher  SttLhle. 

6)  Detail  abgebild.  bei  Sighart,  Gesch.  der  bild.  Künste  in  Bayern  1,  167.  — 
Die  herkömmlich  sog.  Bischofstahle  in  den  Domen  von  Naumburg ,  Halberstadt  und 
Magdeburg  sind  Lettner. 


Betstühle.  Beichtatahle.  Kanzel.  203 

Thal  ^)  im  edel  gothischen  Stil ;  auch  in  der  ehemaligen  Barfasserkxrche  ') 
und  in  der  St.  Albankirche  zu  Basel,  im  Chor  der  ehemal.  Klosterkirche 
am  Oetenbach  in  Zürich  etc.  —  Zuweilen  finden  sich  besondere  schmuck- 
volle Stühle  für  bestimmte  ausgezeichnete  Personen,  z.  B.  die  Regalis 
Cathedra  Karls  des  Grossen,  ein  einfacher  auf  fünf  Stufen  erhöhter,  mit 
diesen  6  F.  hoher  weisser  Marmorstuhl  *)  auf  der  Empore  des  Münsters  zu 
Aachen,  dem  Altare  gegenüber;  und  aus  gothischer  Zeit,  theils  in  Nischen  etc. 
mit  architektonischem  Schmuck ,  theils  in  reichem  Holzsohnitzwerk :  die 
Abtstühle  in  den  Klosterkirchen  zu  Pforta  und  zu  Nienburg  a.  d.  S.  (hier 
erneut) ;  der  Markgrafenstuhl  und  die  Sedilien  in  der  Marienkirche  zu  Salz- 
wedel, der  Betstuhl  des  Gr.  Eberhard  im  Bart  in  der  Amandikirche  zu 
Urach  von  1472*)  etc.  —  Beichtstühle  von  besonderer  Einrichtung,  %vie 
sie  anscheinend  erst  seit  dem  Tridentiner  Concil  in  katholischen  Kirchen 
gebräuchlich  geworden  sind  (mit  hohem  Aufbau ,  Mittelwand ,  Sprechgitter 
und  Vorhang)  sind  im  M.  A.  nicht  nachgewiesen:  der  Confessionar  sass, 
wie  bildliche  Darstellungen  des  Bussacraments  erweisen,  auf  einem  ge- 
wöhnlichen Lehnstuhle  (hinter  dem  Altare,  wo,  z.  B.  in  kleineren  Kirchen 
Altbayems,  dergleichen  Stühle  noch  jetzt  befindlich  sind;  vgl.  auch  oben 
S.  113),  und  der  vor  ihm  knieende  Confitent  empfing  durch  Handauflegung 
die  Absolution.  *)  Ob  der  aus  zwei  Sitzen  bestehende,  über  10  F.  hohe 
brillant  spätgothische  sog.  Beichtstuhl  hinter  dem  Hochaltar  im  Dome  zu 
Königsberg  in  der  That  diese  Bestimmung  gehabt  habe ,  muss  als  zweifel- 
haft gelten. 

48.  Aus  den  antiken  Ambonen^  welche  zu  den  kirchlichen  Vor- 
lesungen durch  den  Diaconus  bestimmt  und  im  Unterchore  aufgestellt 
waren,  wo  sie  einen  Theil  der  den  letzteren  umschliessenden  Schran- 
ken [cancelli]  bildeten,  ging  im  XIII.  Jahrh.  der  Lettner  (s.  oben 
§  19  Anmerk.  1  S.  39)  hervor,  dessen  Lesepult  als  Kanzel*)  zum 
Abhalten  der  Predigt  benutzt  vrurde,  was  in  Deutschland  noch  im 
XIV.  Jahrhundert  die  Regel  gewesen  zu  sein  scheint,  während  in 
Italien ,  dem  Vaterlande  der  predigenden  Bettelmönche ,  die  Kanzel 
[suffffestus)  bereits  im  XIII.  Jahrhundert  von  dem  Lettner  getrennt 
und  zuerst  in  der  Nähe  des  letzteren ,  dann  an  einem  Pfeiler  auf  der 


1)  Abbild,  in  Kunatdenkm.  in  Deutschland,  bearb.  von  Bcchstein  u.  A. 
Abth.  I.  Lief.  3  Taf.  9. 

2)  Abbild,  in  den  Mittheil,  der  Geaellsch.  für  vaterländ.  Alterth.  in  Basel  III. 
Taf.  m. 

3)  AbbUd.  bei  aus'zn  Weerth,  Kunstdenkmäler  etc.  Bd.  II.  Taf.  XXXII.  5. 

4 )  Abbild,  bei  H  e  i  d  e  1  o  f  f,  Ornamentik  des  M.  A.  Heft  4  Taf.  2  ff. 

5)  Vgl.  Kirchenschmuck  1862.  S.  10.  —  Den  daselbst  angeführten  Beispielen 
von  bildlichen  Darstellungen  der  Beichte  kann  noch  der  Altar  in  der  Stadtkirche  zu 
Wittenberg  (Schadow,  J.  G.,  Wittenbergs  Denkm.  No.  15)  hinzugefügt  werden. 
Der  Beichtstuhl  hat  hier  eine  hohe,  oben  verzierte  Lehne :  die  mftnnüchen  Confiten- 
ten  stehen  rechts ,  die  weiblichen  links  hinter  dem  Beichtvater ,  vor  welchem  zwei 
Männer  knieen,  ein  Bussfertiger  rechts,  ein  Verstockter  links. 

6)  lieber  die  Geschichte  der  Kanzel  vgl.  Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  u.  Kunst 
1,  74—78;  auch  Augusti,  Denkwürdigkeiten  etc.  6,  331—334. 


204 


Kanzel. 


Nord-  oder  Südseite  des  MittelschiflFes  als  selbständige^  auf  Säulen 
ruhende  Empore  errichtet  wurde.  Die  Gothik  gab  der  aus  Stein  oder 
Schnitzwerk  gebildeten  Kanzel  eine  vieleckige  Form ,  die  unten  von 
einer  Säule ,  von  einem  Kragsteine ,  später  auch  von  einer  Menschen- 
oder Thiergestalt  etc.  getragen  wird,  und  über  der,  um  das  Verfliegen 
des  Schalles  in  den  hohen  Räumen  zu  massigen,  ein  pyramidalisch 
gekrönter  Baldachin  Schalldeckel,  Kanzelhaube  genannt)  ange- 
bracht ist. 

In  der  alten  Kirche  predigte  der  Bischof  von  seiner  im  Grunde  der 
Tribüne  hinter  dem  Altare  befindlichen  Kathedra  herab,  oder  in  Behinde- 


Flg.  H:3.  Ambo  im  Münster  zu  AMchen  (nach  aus'ra  Weerth). 


rungsfällen  desselben  las  der  Diaconus  auf  dem  Arabo  eine  Homilie  vor. 
Letzteren,   der  Laiengemeinde  näher  belegenen  Ort  wählte  ungewöhn- 


Ambonen.  205 

licfaerweise  schon  Chrysostomus  *) ,  um  von  der  grossen  Masse  seiner 
Zuhörer  besser  verstanden  zu  werden ,  und  eine  gleiche  Ausnahme  aus 
demselben  Grunde  (opropier  commoditatem  depromendae  vocisa)  erlaubte  sich 
Augustinus.  ')  Der  Bischof  Petrus  Chr^^sologus  von  Ravenna  (gest.  450) 
predigte  je  nach  Zeit  und  Gelegenheit  entweder  i^de  gradua  (also  wohl  von 
der  Altarstufe ,  vielleicht  aber  auch  vom  Ajnbo  aus)  oder  r>de  sacerdoiali 
sedea  (vom  priesterlichen  Sitze) ;  es  scheint  indess  die  Gemeinde  damit 
nicht  recht  zufrieden  gewesen  zu  sein :  denn  er  ermahnt  seine  Zuhörer, 
sie  möchten  wegen  dieser  Abwechslung  zwischen  zvirei  so  nahe  an  einander 
belegenen  Stätten  nicht  lässig  oder  unwillig  werden,  ^j 

Die  Ambonen*)  hatten  in  der  alten  Kirche  wahrscheinlich  ver- 
schiedene Formen ;  doch  scheint  die  Anbringung  einer  Doppeltreppe  nach 
Osten  und  Westen  hin,  gradus  ascensionis  und  gradvs  descensionis,  typisch 
gewesen  zu  sein.  In  Italien  haben  sich  noch  in  vielen  Kirchen  Ambonen 
erhalten ;  sie  kommen  gewöhnlich  in  zwiefacher  Anzahl  zu  beiden  Seiten 
des  Unterchores  einander  gegenüber  aufgestellt  vor :  der  nördliche  ist  zur 
Vorlesung  des  Evangeliums  bestimmt  {ambo  evangelii},  auf  dem  südlichen 
{ambo  epistolae)  wird  die  Predigt  gehalten.  Der  älteste  bekannte  Ambo 
(aus  dem  VI.  Jahrh.)  befindet  sich  im  Dome  zu  Ravenna:  als  der 
jüngste  gilt  der  in  S.  Pancrazio  zu  Rom  mit  der  Jahreszahl  1249.  Die 
italienischen  Ambonen  stimmen  im  Wesentlichen  darin  überein ,  dass  sie 
mit  der  Front  ein  Trapez  bilden ,  hinter  dessen  Schrägseiten  die  Treppen 
liegen ,  und  dessen  mittlerer ,  zuweilen  halbrund  oder  polygonisch  vortre- 
tender Theil  als  Standpunkt  des  Redners  mit  einem  Lesepult  versehen 
ist.  Das  Material  ist  Marmor;  die  Trapezflächen  sind  durch  Pilaster- 
streifen  in  ebenmässige  Felder  getheilt  und  musivisch  verziert.  Nach 
Pelliccia*)  soll  der  Ambo  seit  dem  IX.  Jahrh.  eine  runde  Form  ange- 
nommen haben,  was  durch  den  vom  Jahre  820  datirenden  Bauriss  der 
Klosterkirche  von  St.  Gallen  bestätigt  wird ,  wo  nämlich,  ausser  zwei  an 
der  westlichen  Schranke  des  ünterchores  befindlichen  Lesepulten  [ana- 
logta) ,  mitten  im  östlichsten  Quadrate  des  Hauptschiffes  ein  nambo«  von 
kreisrunder  Grundfläche  eingezeichnet  ist.  —  Im  Münster  zu  Aachen  hat 
sich  (jetzt  im  gothischen  Chore  übermässig  erhöht  und  in  der  Zopfzeit 
theil  weise  verändert)  ein  prachtvoller  Ambo  erhalten,  der,  inschriftlich 
ein  Geschenk  Kaiser  Heinrichs  II. ,  im  Grundrisse  aus  drei  ungleichen 
Kreisstücken  zusammengesetzt  ist  und  bei  einer  Höhe  von  etwa  4%  F. 
aus  einem  Kerne  von  Holz  besteht,  welcher  ganz  mit  vergoldetem  Kupfer- 
blech überzogen  und  mit  Verzierungen  (Elfenbeinreliefs ,  Edelsteinen  und 
emaillirten  Darstellimgen)  bedeckt  isU- ®)  —  In  der  Liebfrauenkirche  zu 


1)  Vgl.  Socrate»,  bist.  eccl.  1.  6  c.  5;  Sozomenus,  hist.  eccl.  1.  8  c.  5, 
nach  August i  a.  a.  O.  S.  .'^32. 

2)  Vgl.  Serm.  122  de  diversis;  vgl.  Augustia.  a.  O. 
3;  Serm.  173;  vgl.  August!  a.  a.  O. 

4)  ^'AfJißtav  von  araßtUt'ttv  ä  hinaufsteigen. 

5)  De  Christ,  eccl.  politia,  ed.  Kitter  1,  135. 

6)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth,  Kunstdenkmäler  etc.  Bd.  U.  Taf.  XXXHI. 
3—9;  vgl.  Jahrbücher  des  Vereins  von  Alterthumsfr.  im  Rheinlande  IX,  100  und 
Taf.  7. 


206 


Kanzeln. 


Halberstadt  finden  sich  auf  der  Stufe  zwischen  Kreuz  und  Altarhaus 
rechts  \ind  links  an  den  Pfeilern  des  Scheidbogens  und  nach  Westen  ge- 
kehrt zwei  kleine  ambonenartige  Steinbrüstungen  aus  dem  XII.  Jahr- 
hundert. ')  -^  In  der  mit  drei  Apsiden  schliessenden  Kirche  des  Cister- 
ziensernonnenklosters  Wiebrechtshausen  (bei  Nordheim)  ist  an  dem 
Wandpfeiler,  welcher  die  Hauptapsis  von  der  südlichen  Seitenapsis 
trennt ,  auf  viereckigem  Postamente  ein  halbrund  vortretender  Ambo  aus 
dem  XIII.  Jahrh.  angebracht.  ^) 


Fig.  84.  Kanzel  7u  WechM>lbnr?,  XFIF.  Jnhrh. 
(iwrh  Puttrich). 


Kanzel  von  15«!  im  Mttnster  m  Freiburg 
(nach  Schreiber). 


Die  Errichtung  der  Kanzel  oder  Aufstellung  des  Predigtstuhls  auf 
dem  Lettner  über  dem  Laienaltar  ist  für  Deutschland  bezüglich  des  XIII. 
und  XIV.  Jahrh.  durch  die  oben  S.  39  angefahrten  Stellen  aus  dem 
Titurel  und  der  Königsberger  Urkunde  erwiesen ,  während  in  Italien  seit 
der  Wirksamkeit  des  die  vernachlässigte  Predigt  eifrig  fördernden  Inno- 
cenz  in.  (1198 — 1216)  und  der  beginnenden  Thätigkeit  der  Prediger- 
mönche schon  selbständige  Kanzeln  vorkommen;  in  S.  Miniato  bei 
Florenz  noch  in  Verbindung  mit  den  Chorschranken.  In  Deutschland 
dagegen  ist  nur  die  durch  ihren  bildnerischen  Schmuck  höchst  ausge- 
zeichnete Kanzel ')  in  der  Kirche  des  ehemal.  Augustinerstifts  Zschillen 
(Wechselburg) ,  nördlich  am  östlichsten  Pfeiler  des  Schiffes ,  als  einziges, 
dem  italienischen  Typus  verwandtes  romanisches  Beispiel  aus  dem  XJII. 
Jahrh.  zu  nennen,  wobei  es  freilich  zweifelhaft  bleibt,  ob  nicht  etwa  die- 
selbe ursprünglich  ein  integrirender  Theil  des  später  in  den  jetzigen  Altar- 
aufsatz umgewandelten  Lettners  (vgl.  oben  S.  106  Note  5  gewesen  sein 
möchte.  Erwiesen  ist  letzteres  von  der  ebenfalls  ausgezeichneten  roma- 
nischen Kanzel  in  der  Neuwerkerkirche  zu  Ooslar ,  welche ,  ehemals  mit 
dem  westlichen  Chorabschlusse  in  Verbindung  stehend,  und  von  dem  Tische 
des  Laienaltares  getragen,  samrat  letzterem  erst  neuerlich  in  das  Schiff 


1)  Abbild,  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archftol.  u.  Kunst  Bd.  2  Taf.  XII.  6.  7. 

2)  Abbild,  bei  (Hase)  die  mittelalterl.  Baudenkm.  Niedersachsens.  Heft 6  S.  190. 
3^  Abbild,  bei  Puttrich,  Denkmale  etc.  Abth.  I.  Serie  Wechselburg,   und  bei 

Förster,  Denkmale  etc.  Bildnerei  Bd.  I  zu  S.  13  u.  Bd.  II  zu  S.  19. 


Kanzeln.  207 

versetzt  worden  ist ') ;  die  ursprflngliche  Verwendung  aber  der  dem  süd- 
östlichsten Pfeiler  der  Vierung  angemauerten  runden  spätromanischen 
Kanzelbrüstung  in  der  Stiftskirche  zu  Bücken  (unweit  HoyaJ  ist  nicht 
nachgewiesen.  ^)  Ein  Gleiches  gilt  von  der  runden ,  stark  romanisirenden 
Kanzel  im  nördlichen  Seitenschiffe  der  Jacobskirche  zu  Ooslar  (jetzt  ohne 
Brüstung) .  ')  Wo  Lettnerkanzeln  nicht  irorhanden  waren ,  dürften  sich 
die  terminirenden  Bettelmönche  tragbarer  hölzerner  Predigtstühle  bedient 
haben ,  die  immer  da  aufgestellt  wurden ,  wo  es  unter  den  obwaltenden 
Umständen  gerade  am  zweckmässigsten  erschien,  und  die  Errichtung 
monumentaler  Kanzeln  aus  Stein  (mit  hölzernen,  bisweilen  späteren 
Schalldecken)  oder  Schnitzwerk  an  einem  Pfeiler  des  Schiffes  scheint 
wesentlich  erst  in  die  Zeit  des  XV.  Jahrh.  zu  fallen ,  wo  unter  dem  Ein- 
flüsse reformatorischer  Männer  endlich  zuerst  feste  Predigerstellen  an  den 
Kirchen  errichtet  wurden.  *)  Die  spätgothischen  Kanzeln,  deren  noch 
eine  ziemliche  Anzahl  erhalten  ist ,  sind  später  nicht  selten  ausser  Ge- 
brauch gesetzt  worden,  weil  sie  als  zu  hoch  und  zu  eng  und  mit  schmalen 
steilen  Wendelstiegen  versehen  oft  unbequem  und  selbst  gefährlich  waren : 
die  alte  Kanzel  z.  B.  in  der  Andreaskirche  zu  Eisleben,  auf  welcher 
Luther  seine  letzte  Predigt  gehalten ,  hat  eine  nur  t  %  F.  breite  aus  1 2 
Stufen  bestehende  Treppe,  die  über  einer  Basis  von  nur  5  F.  in  einem 
Winkel  von  70  Grad  aufsteigt.  —  Ein  eigenthümliches  Werk  war  die 
nur  in  Ueberresten  erhaltene,  wohl  noch  dem  XIV.  Jahrh.  entstammende 
Kanzel  ^)  in  der  Ruine  der  Augustinerkirche  zu  Bemburg ,  welche ,  auf 
einem  Kragsteine  ruhend ,  schwalbennestartig  mit  der  Hauptmauer  der 
Kirche  verbunden  ist  und  (ähnlich  wie  in  der  Ulrichskirche  zu  Halle  a.d.S.) 
den  Aufgang  ausserhalb  des  Kirchenschiffes  hat.  —  Als  Curiosum  mag 
die  in  der  Kirche  zu  Oberdiebach  am  Rhein  (Lorch  gegenüber]  befindliche 
Kanzel®)  angeführt  werden,  welche  aus  Schmiedeeisen  gefertigt  ist.  — 
Der  an  den  Brüstungswänden  der  Kanzel  angebrachte  bildnerische 
Schmuck  besteht  am  häufigsten  aus  den  vier  Evangelisten  oder  aus  den 
vier  grossen  Kirchenlehrern,  und  das  vordere  Hauptfeld  nimmt  oft  ein 
thronender  Christus  oder  die  Jungfrau  Maria  ein.  —  Die  schon  oben  er- 
wähnte hölzerne  Kanzel  in  der  Andreaskirche  zu  Eisleben  ist  mit  einem 
vermuthlich  aus*  dem  XV.  Jahrh.  herrührenden  prachtvoll  gestickten 
Tothen  Sammetteppich ')  (von  4X8V4  F.)  behängt,  der  anscheinend  be- 
reits urspr anglich  fßr  diesen  Zweck  bestimmt  war. 


1)  Abbild,  bei  Mithoff,  H.  W.,  Archiv  für  Niedersacbsens  Kimstgesch.  Abth. 
in  Taf.  23. 

2    Vgl.  Müller,  H.  A.,  in  den  Dioskuren  JS60.  S.  363. 

3)  Vgl.  Lotz,  W.,  Kunst -Topographie  Deutschlands  1,  247. 

4j  In  der  Kirchenmeisterrechnung  von  St.  Stephan  zu  Wien  heisst  es  zum  Jahre 
1417:  »Iteni  den  Tischler  vor  ain  predig  stuel  new  ze  machn,  vnd  den  altn  abzeprechn,« 
Die  noch  vorhandene  steinerne  Prachtkanzel  entstand  erst  1430.  Vgl.  Tschischka, 
Fz.,  die  Metropolitankirche  zu  St.  Stephan  in  Wien  S.  82.  —  Die  Elisabethkirche  in 
Breslau  hatte  bereits  1 3sö  einen  npreJicatom,  Vgl.  S  c  h  m  e  i  d  1  e  r,  J.  C.  H. ,  die  Ilaupt- 
und  Pfarrkirche  zu  St.  Elisabet.  S.  67. 

5}  Abbild,  bei  Pütt  rieh  a.  a.  O.  Serie  Anhalt  No.  17. 

6;  Abbild,  bei  S tat z  und  Ungewitter,  Goth.  Musterbuch  Taf.  193  Fig.  1.2. 

7;  Abbild,  auf  besonderem  lithogr.  Blatte  zu :  A  rn  o  l  d,  J.  A.,  die  Beschreib,  der 
Luthers-Kanzel.  Eisleben  1S45  ;  auch  bei  Puttrich  a.  a.  O.  Abth.  11.  Serie  Eisleben. 


208  Kanzeln. 

Bemerkens werthe  spätgothiscfae  Kanzeln:  Im  Rheinlande:  in  der 
Kirche  zu  St.  Wendel  1462  *),  im  Münster  zu  Strassburg  (nach  dem  Ent- 
würfe des  Hans  Uammerer,  angeblich  unter  Beirath  des  berühmten 
Kanzelredners  Geiler  von  Kaisersberg ,  dem  zu  Ehren  das  Werk  gestiftet 
wurde)  1486  ^j,  im  Münster  zu  Basel  1486,  in  den  Kirchen  zu  Kiederich 
(von  Eberhard  Salkener)  1491,  Münstermaifeld  ^)  und  Kirchberg,  in  der 
Leonhardskirche  zu  Frankfurt  a.  M. ,  in  der  Stiftskirche  zu  St.  Ooar,  in 
der  Franciscanerkirche  zu  Cleve,  im  Münster  zu  Freiburg  i.  Br.  (von 
Georg  Kempf  aus  Rhineck)  1561.  *)  —  In  Schwaben  und  Bayern: 
in  den  Stiftskirchen  zu  Herrenberg  '^'j  und  Stuttgart  ^) ,  im  Dome  zu  Re- 
gensburg 1482 ,  in  den  Kirchen  zu  Ammerthal  bei  Amberg,  zu  Braunau 
am  Inn,  zu  Kneiting  und  zu  Kager  bei  Regensburg ,  im  Münster  zu  Ulm 
(verfertigt  von  Burkhard  Engelberger  mit  5  Gesellen  zu  Augsburg:  der 
hohe  Schalldeckel,  aus  Holz  geschnitzt  und  eine  kleinere  Kanzel  mit 
Treppe  bildend,  von  Jörg  Sürlen  1510)  um  1500  ') ,  in  der  Georgskirche 
zu  Nördlingen  1499.  —  In  Tirol,  Oesterreich  und  Böhmen:  in 
der  Pfarrkirche  zu  Botzen  (von  Hans  Lutz-  1514,  Magdalenenkirche  im 
Thal  Ridnaun  (Mareit)  aus  weissem  Marmor;  in  St.  Stephan  zu  Wien 
(von  Hans  Buchsbaum)  1430  ®},  in  den  Kirchen  zu  Eggenburg  und  Ams- 
dorf;  in  der  Teinkirche  zu  Prag  (Schalldecke  neu).  —  In  Franken, 
Hessen  und  Sachsen:  in  den  Kirchen  zu  Heidingsfeld  und  Heldberg 
1536;  in  der  Katharinenkirche  zu  Eschwege  1509,  in  den  Kirchen  zu 
Staussbach  und  Kauffungen,  in  der  Pfarrkirche  zu  Frankenberg  1  554  ;  in 
der  Blasiuskirche  zu  Mühlhausen ,  im  Westchor  des  Domes  zu  Naum- 
burg a.  d.  S.  1466,  in  der  Kirche  zu  Gnandstein  bei  Kohren  (Luthers- 
kanzel) 1518,  aus  der  Kirche  zu  Hohnstein  im  Museum  des  Gr.  Gartens 
zu  Dresden  1513 ,  im  Dome  zu  Merseburg  um  1520  ') ,  in  der  Schloss- 
kirche zu  Dessau ,  im  Dome  zu  Freiberg  (in  Form  einer  Tulpe ;  wegen 
ihrer  schwindelnden  Höhe  ausser  Gebrauch  gesetzt)  um  1500  ^®) ,  in  der 
Hauptkirche  zu  Annaberg  um  1520,  in  der  Marien-  und  in  der  Katha- 
rinenkirche zu  Zwickau  (letztere  von  Hans  Spork)  1538.  —  In  West- 
falen: in  der  Dominicanerkirche  zu  Warburg ;  in  der  Blasiuskirche  zu 
Münden  ;  in  der  Kilianskirche  zu  Corbach  in  der  Wetterau.  —  Im  nord- 
östlichen Deutschland:  in  der  Marienkirche  zu  "Wittstock ;  in  der 
Graumönchenkirche  zu  Danzig  1541  und  in  der  zu  derselben  gehörigen 
Annakapelle  daselbst. 

1}  Abbild,  bei  Schmidt,  Ch.  W.,  Baudenkm.  des  M.  A.  in  Trier.  Lief.  III.  8. 

2)  Abbild,  bei  Schmidt,  Ch.  W. ,  Grundriss  u.  Aufriss  der  Kanzel  des  Mün- 
sters in  Strassburg  (Facsimile  des  Originalrisses). 

A)  Abbild,  bei  Statz  und  Ungewittera.  a.  O.  Taf.  135. 

4 )  Abbild,  bei  (Schreiber)  Denkm.  deutscher  Baukunst  am  Oberrhein.  Lief.  II. 
auf  Taf.  9. 

h]  Abbild,  bei  Heideloff  u.  Müller,  die  Kun.st  des  M.  A.  in  Schwaben  S.  5. 

6;  Abbild,  ebd.  S.  2J  (und  daraus  bei  Kugler,  Gesch.  der  Baukunst  3,  360). 

7 1  Vgl.  G  r ü  n  e  i  8  en ,  C. ,  und  Manch,  Ed. ,  Uim's  Kunstleben ,  auf  der  Taf. 
zu  S.  2?. 

8)  Abbild,  im  Conversations-Lexicon  für  bild.  Kunst  4,  457. 

9)  Abbild,  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  u.  Kunst  Bd.  I.  Taf.  5  u.  6. 
10)  Abbild,  bei  Frenz  el,  J.  G.  A.,  die  Kanzel  der  Domkirche  zu  Freiberg.  1856. 


HeiligthuDXätahle.  Adlerpulte. 


209 


Anmerkung  1.  Zuweilen  sind  äusserlich  an  den  Kircbengebftuden 
Kanzeln  angebrachtj  z.  B.  an  der  Herrgottskirche  bei  Creglingen  in  Würt- 
temberg auf  der  Ostseite ,  zu  welcher  man  aus  dem  Innern  der  Kirche  auf 
einer  steinernen  Wendeltreppe  von  62  Stufen  emporsteigt;  auch  an  der 
Nordseite  der  Michaeliskapelle  EiiKiederich  bei  Wiesbaden  und  an  der  Kirche 
zu  Christenberg  in  Kmrhessen:  es  sind  dies  aber  wohl  nicht  Predigt-,  son- 
dern Heiligthumstühle,  welche  wie  ähnliche  Altane  und  Galerien 
aussen  an  den  Kirchen  zur  Vorzeigung  von  Reliquien  dienten ;  vgl.  oben 
S.  77  und  140.  —  Dagegen  steht  am  nordöstlichen  Ende  der  Stephans- 
kirche zu  Wien  eine  (1738  erneute)  Kanzel  im  Freien,  auf  welcher  der 
Franciscaner  Johann  Capistranus  1451  gepredigt  hat.  Vgl.  Tschischka, 
Fz.,  die  Metropolitank.  zu  St.  Stephan  in  Wien  S.  91. 

Anmerkung  2.  Die  an  den  italienischen  Ambonen  und  an  den  deut- 
schen Lettnern  befindlichen  Lesepulte  werden  in  der  Regel  von  einem 

Adler  *)  mit  ausgebreiteten  Flügeln  (z.  B.  am 
Lettner  des  Domes  von  Halberstadt  in  Bronze- 
guss)  ,  dem  Zeichen  des  Evangelisten  Johan- 
nes, getragen,  imd  solche  Adlerpulte  (aquihe) 
kommen  auch  als  selbständige  Lesepulte, 
wie  dergleichen  zu  gewissen  Zeiten  des  Kir- 
chenjahres und  bei  verschiedenen  liturgischen 
Verrichtungen  erforderlich  sind,  in  den  Kir- 
chen vor,  sowohl  in  Metallguss  als  in  Schnitz- 
werk ausgeführt.  Aus  Bronze  oder  Messing 
gegossene  Adlerpulte  des  XV.  Jahrb.  finden 
sich  im  Rheinlande  im  Münster  zu  Aachen 
(4%  F.  hoch)  ,  in  der  Kirche  zu  Erkelenz 
(beide  abgebild.  bei  aus*m  Weerth,  Kunst- 
denkm.  etc.  Bd.  II.  Taf.  XXXVIII.  14  und 
XXXI.  11)  und  in  der  Franciscanerkirche  zu 
Dtlsseldorf  vor ;  auch  in  Westfalen  :  in  der 
Reinoldikirche  zu  Dortmund  *) ,  in  d«r  Marien- 
kirche daselbst,  in  der  Kirche  zu  Marienfeld. 
Der  Unterbau  des  Pultes  ist  gewöhnlich  aus  Ar- 
chitekturformen mit  Strebepfeilern  und  Strebe- 
bögen gebildet ,  und  der  Adler  hält  eine  Fle- 
dermaus in  den  Krallen,  oder  es  reckt  sich  auf 
den  Flügeln  des  Adlers  zur  Aufnahme  des 
Buches  noch  eine  Fledermaus  aus.  —  In  St. 
Severin  zu  Cöln  ein  Lesepult  mit  kupfervergoldetem  Adler  auf  einfachem 
hölzernen  Fusse  aus  dem  XV.  Jahrhundert.  ^) 

49.  Die  ältesten  Taufbrunnen  [piscinae]  befanden  sieh  in  beson- 
deren Taufhäusem  (oben  S.  16)  :    es  waren  Bassins  mit  lebendigem 

1)  Durand!  Rationale  1.  4  c.  24  n.  20:  Legitur  etiam  de  more  evangelium 
super  aquilam  juxta  illud  Pb.  1 7  :  Et  volavit  super  pennas  ventorum ,  et  aquila  ip«a 
seu  locus,  in  quo  legitur,  in  diebus  festivis  aliquo  panno  lineo  vel  serico  cooperitur. 

2)  Abbild,  bei  Statz  u.  tJngewitter,  Goth.  Musterbuch  Taf.  194  Fig.  7—9. 

3)  Abbüd.  bei  B  ock,  das  heU.  Köhi.  Taf.  XLII.  1 19. 

Otte,  Kunst-Archäologie.  14 


Fig.  S5.  Adlerpult  im  Mftnster  zu 
iiachen  (nach  aus^m  Weerth.) 


210  Taufsteine. 

Wasser^  an  deren  Stelle  nach  und  nach  die  in  Deutschland  bereits  seit 
dem  IX.  Jahrhundert  vorkommenden  Taufsteine  [fonB  baptismalis) 
traten^  welche^  vorschriftsmässig  aus  dichtem  Stein  oder  aus  Metall 
verfertigt,  nachdem  das  Taufrecht  von  den  bischöflichen  allmählich 
auf  andere  ausgezeichnetere ,  imd  etwa  seit  dem  XIII.  Jahrhundert 
im  Allgemeinen  auf  alle  Kirchen  übergegangen  war,  ihren  Ort  in  den 
Kirchen  selbst  erhielten.  In  den  alten  Taufhäusem  nahm  der  Tauf- 
stein, wie  die  ursprüngliche  Piscina,  die  Mitte  ein,  in  den  Kirchen 
wurde  er  am  westlichen  Ende,  (sinnbildlich)  beim  Eintritte  in  die 
Kirche  aufgestellt,  und  zwar  oft  auf  der  Frauenseite  (nördlich ;  s.  oben 
S.  48) .  Die  Versetzung  des  Taufsteines  in  den  hohen  Chor  scheint 
nur  in  evangelischen  Kirchen  stattgefunden  zu  haben ,  aus  äusseren 
Gründen.  —  Die  älteren  Taufsteine  bis  ins  XIII.  Jahrh.  haben  nach 
Analogie  der  runden  oder  polygonen  Taufkapellen  die  Form  eines 
cylindrischen  oder  viel  -,  meist  achteckigen  Brunnenschreines ;  ander- 
weitig aber  kommen  auch  von  Säulen  etc.  getragene  runde  oder  poly- 
gonische Becken  vor,  welche  Form  in  der  gothischen  Periode  neben 
der  Pocalform  die  herrschende  bleibt. 

Die  älteste  Spur  eines  Taufsteines  in  Deutschland  giebt  die  Feder- 
zeichnung (No.  13)  in  dem  berühmten,  noch  vor  814  geschriebenen 
Wessobrunner  Codex  in  der  Hofbibliolhek  zu  München  (Clm.  2205)  : 
die  Taufe  eines  Juden  durch  den  Bischof  von  Jerusalem  *) :  der  Täuf- 
ling steht  völlig  unbekleidet  bis  an  den  Gürtel  in  einem  mit  Wasser  ge- 
füllten cylindrischen  Gef^se ,  welches  unten ,  in  der  Mitte  und  oben  mit 
einem  schlichten  Bande  verziert  ist ;  der  Täufer ,  zur  Linken  neben  dem 
Taufgefösse ,  berührt  den  Kopf  des  Juden  mit  der  hohlen  rechten  Hand, 
anscheinend  um  ihn  in  dieser  Weise  mit  Wasser  zu  übergiessen ;  auf  der 
anderen  Seite  steht  ein  Cleriker  mit  einem  Tuche.  ^)  —  Dass  schon  damals 


1)  Abbild,  bei  Sighart,  J.,  Gesch.  der  bild.  Künste  in  Bayern  1,  50. 

2}  Diesen  Taufritus  »non  rhergendo,  verum  desuper  fundendo«  erklärt  in  der 
ersten  Hälfte  des  IX.  Jahrh.  Walafr.  Strabo,  de  rebus  eccl.  c.  26  (bei  Augusti, 
Benkwürdigk.  7,  234]  bei  Erwachsenen  als  sulttssig,  »quum  protectiorum  granditas 
corporum  in  mifwribns  vasis  kominem  Hngi  non  patUur,n  AehnUch  wird  man  sich 
das  Verfahren  zu  denken  haben  bei  den  späteren  Massen  taufen  unter  den  slavischen 
Völkerschaften.  Als  im  J.  1124  in  Pyritz  in  wenigen  Tagen  7000  Pommern  getauft 
wurden ,  grub  man  grosse  Fässer  mit  Wasser  in  die  Erde  und  umgab  sie  mit  einem 
Vorhange,  hinter  welchem  die  Taufe  vollzogen  wurde  (Neander,  A.,  Kirchengesch. 
5,  10).  Ganz  wie  im  Wessobrunner  Codex  ist  die  Ertheilung  dieses  Sacraments  auch 
in  den  verschiedenen  Taufscenen  auf  dem  Taufkessel  von  1 112  in  der  Bartholomäi- 
kirche  zu  Lüttlch  dargesteUt :  die  Täuflinge  stehen  in  stilisirteu  Fässern,  mit  geneig- 
tem Haupte  den  Segen  des  Täufers  empfangend  (Abbild,  bei  Didron,  Aunales  ar- 
chöol.  5,  21).  Auf  einem  Taufsteine  aus  dem  Xu.  Jahrh.  in  der  Schlosskirche  zu 
Pont-&-MoU8son  bei  Nancy  empfangen  zwei  halberwachsene  Täuflinge ,  zusammen  in 
einem  Fasse  stehend,  die  Taufe  durch  einen  Bischof  (Abbild,  bei  deCaumont, 
Ab^c^daire  4.  6d.  1,  252),  und  selbst  noch  auf  einem  die  Taufe  des  heil.  Moritz  dar- 
stellenden Gemälde  aus  dem  XV.  Jahrh.  (an  der  Rückwand  des  zopfigen  Altarbaues) 


Taufsteine.  21  t 

in  den  Kirchen  (selbst  der  Klöster)  Taufsteine  vorhanden  waren ,  wird 
durch  den  Bauriss  von  St.  Qallen  vom  J.  820  erwiesen,  wo  am  Westende 
des  Mittelschiffes  vor  einem  Altare  der  beiden  Johannes  in  einem  um- 
schränkten Räume  ein  runder  » Fans  «  eingezeichnet  ist.  —  In  der  Tauf- 
kapelle zu  Brixen  (s.  oben  S.  18)  steht  der  weite  und  tiefe  Taufstein  aus 
rOÜilichem  Marmor  in  der  Mitte  des  Schiffes.  —  Der  Taufstein  in  Gross- 
Martin  zu  COln  ^) ,  ein  achteckiges  Prisma  aus  Marmor  von  vier  langen 
und  vier  kurzen  Seiten  und  an  denselben  mit  einzelnen  Blumen  geschmückt, 
gut  traditionell  far  ein  Geschenk  P.  Leo*s  UI.  aus  dem  J.  803  und  wäre 
demnach  das  älteste  in  Deutschland  vorhandene  Exemplar :  er  wird  übri- 
gens für  eine  antik  römische  Marmorwanne  gehalten.  Die  sonst  be- 
kannten älteren  Taufsteine  reichen  höchstens  bis  ins  XI.  Jahrh.  hinauf.  — 
Die  älteste  kirchliche  Vorschrift  über  die  Taufsteine  gab  (nach  Augusti 
a.  a.  O.  12,  77)  die  Synode  zu  Lerida  vom  J.  500:  i>Omnis  preabyter, 
qui  fontem  lapideum  habere  nequiverit,  vas  conveniens  ad  hoc  sohmmodo 
hapHzandi  officium  haheat,  quod  extra  ecciesiam  deportetum ,  was  von  den 
Canon.  Reginonis  a.  899,  und  in  den  Synod.  ad  presb.  des  Ratherius  von 
Verona  im  XI.  Jahrh.  wiederholt  wurde.  *)  Die  von  späteren  Statuten 
geforderten  verschliessbaren  Deckel  [opercula)  auf  den  Taufsteinen,  welche 
in  gothischer  Zeit  zuweilen  die  Form  hoher  Tabernakel  annehmen,  las- 
sen sich  namentlich  an  den  Erzkufen  schon  seit  Anfang  des  XII.  Jahrh. 
(Taufkessel  der  Bartholomäikirche  zu  Lüttich  von  1112)  nachweisen ;  die 
von  dem  römischen  Rituale  vorgeschriebene  Umgitterung  (cancellt)  aber 
anscheinend  erst  seit  dem  XVI.  Jahrh.  (um  den  Taufkessel  in  der  Marien- 
kirche zu  Salzwedel  1522).  —  Eine  Vorrichtung  zimi  Erwärmen  des 
Taufwassers  erscheint  an  dem  Taufsteine  (vom  J.  1218)  in  der  Kirche 
zu  Aldekerk  ')  bei  Geldern,  dessen  achteckiges  Becken  auf  einem  offenen 
Delphinrachen  ruht,  der  vermuthlich  zur  Aufnahme  von  glühenden  Kohlen 
bestimmt  war ,  und  unter  der  becherförmigen  gothischen  Erztaufe  in  St. 
Sebald  zu  Nürnberg  *)  befindet  sich  unzweifelhaft  ein  Feuerungsraum.  — 
Von  der  westlichen  Stellung  des  Taufsteines  kommen  auch  in  katholischen 


in  der  Nicolaikirche  zu  Jüterbog  steht  der  Täufling  in  einem  tiefen  Tauikessel.  — 
Anders  natürlich  verhielt  es  sich  mit  der  Kindertaufe :  auf  einer  Wandmalerei  aus. 
der  zweiten  Hfllfte  des  XV.  Jahrh.  in  der  Kirche  zu  St.  Johann  bei  Neunkirchen  in 
Niederösterreich  (Abbild,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central- Commission  etc.  Jh60 
5,  326)  hält  der  Täufer  das  nackte  Kindlein  mit  beiden  Händen  am  Hintertheil ,  und 
der  gegenüber  stehende  Pathe  hat  den  linken  Arm  des  Kindes  ebenfalls  mit  beiden 
Händen  ergriffen  und  hilft  es  ausderTaufe  heben.  —  Auf  dem  Altargemäldö  der 
Stadtkirche  zu  Wittenberg  aus  dem  XVI.  Jahrh.  unterfasst  der  Täufer  den  Leib  des 
nackten  Kindes  mit  der  linken  Hand  {»tenena  puerum  ttna  manu  discretev  —  Stat. 
synod.  Leod*  a.  1287  c.  2 ;  bei  Augusti  a.  a.  O.  S.  234)  und  giesst  mit  der  rechten 
dias  in  den  Taufstein  abfliessende  Wasser  darüber.  —  Durch  schriftliche  Zeugnisse 
ist  übrigens  erwiesen,  dass  der  Taufritus  in  verschiedenen  Gegenden  das  ganze  M.  A. 
hindurch  verschieden  war.  Die  Kinder  ganz  nackt  zu  taufen,  verbot  eine  Synode  zu 
St.  Omer  1583,  und  ebenso  das  Strassburger  Rituale  aus  Rücksichten  des  Anstandes 
und  der  Gesundheitspflege.  Vgl.  Augusti  a.  a.  O.  S.  226. 

1)  Abbild,  bei  Boisseräe,  Denkmale  etc.  Taf.  23.  A. 

2)  Hartzheim2,  440u.  3,  7,  bei  Jakob,  die  KunstimDienstederKircheS.il  1. 

3)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth,  Kunstdenkm.  etc.  n  Taf.  XXII.  3. 

4)  Abbild,  bei  Rettberg,  R.  v.,  Nürnbergs  Kunstleben  S.  43. 

14* 


2 1 2  Taufsteine. 

Kirchen  Ausiiahmen  tot  :  er  steht  z.  B.  im  Dome  zu  Limburg  a.  d.  L.  im 
südlichen  Kreuzarme ,  hat  dagegen  in  Tielen  jetzt  evangelischen  Kirchen 
(z.  B.  in  den  Domen  zu  Magdeburg  und  Halberstadt,  in  der  Andreas-, 
Martini'  und  in  der  Petrikirche  zu  Braunschweig ;  in  der  Petri-Paulikirche 
zu  G6rlitz  am  Westende  des  n()rdlich8ten  Seitenschiffes  etc.)  seine  ur- 
sprüngliche Stelle  behauptet ,  und  die  Verpflanzung  in  den  Chor  scheint 
wohl  kaum  aus  dc^matischen  Gründen ,  sondern  überhaupt  nur  darum 
stattgefunden  zu  haben ,  weil  man  den  Raum  im  Schiffe  zur  Vermehnmg 
der  Gestühle  benutzen  wollte ,  \ind  die  Nähe  der  Sacristei  empfehlenswerth 
war.  Bei  der  in  kleinen  Kirchen  hinderlichen  Grösse  vieler  alten  Tauf- 
steine (bis  5  F.  Durchmesser)  und  der  Rohheit  ihrer  äusseren  Erschei- 
nung wurden  in  Folge  der  m  der  Zopfzeit  überhandnehmenden  Sitte  der 
Haustaufen  dieselben  als  unbrauchbar ,  oft  in  den  Winkel  gestellt ,  oder 
aus  den  Kirchen  entfern t,  auf  den  Kirchhof  geworfen ,  oder  in  den  Pfarr- 
höfen und  in  Privatgärten  als  Brunnentröge  oder  Blumentöpfe  nützlich 
gemacht,  wie  in  manchen  Gegenden  (z.  B.  in  Pommern,  Sachsen,  Hes- 
sen etc.)  noch  viele  sich  in  diesem  profanen  Gebrauche  befinden.  In 
Pferdsdorf  bei  Vacha  hat  man  den  alten  runden  Taufstein  mindestens  zum 
Fusse  der  Kanzel  benutzt.  Eine  eigenthümliche  Restauration  erlitt  im 
J.  1665  der  achteckige  pocalförmige  Taufstein  im  Dome  zu  Merseburg  da- 
durch, dass  die  ursprünglichen  gothischen  Ornamente  abgehauen  und  dafür 
Wappenschilde  angebracht  wurden.  —  Abgesehen  von  einzelnen  völlig 
schlichten  Exemplaren  besteht  die  Verzierung  der  Taufsteine  entweder  nur 
aus  Ornamenten ,  wobei  vegetabilische  seltener  vorkommen  als  architek- 
tonische (in  romanischer  Zeit  der  Rundbogenfries ,  in  gothischer  Maass- 
werk) oder  unter  Bogenstellungen  aus  figürlichen  Reliefs,  die  entweder 
einzelne  Gestalten  (Apostel,  Propheten  etc.)  darstellen,  oder  Scenen 
aus  dem  Leben  Jesu,  besonders  auch  die  Taufe  durch  Johannes;  den 
Kreuzestod  und  die  Auferstehung  des  Herrn,  wohl  mit  Rücksicht  auf  die 
paulinische  Symbolik  Rom.  6,  3.  In  früherer  romanischer  Zeit  kommen 
die  vier  Paradiesesflüsse  in  menschlicher  Personification  am  Fusse  der 
Taufsteine  zuweilen  vor  (an  dem  alten  Taufsteine  in  der  Vorhalle  des 
Domes  zu  Merseburg,  an  dem  Taufkessel  in  der  Martinskirche  zu  Halber- 
stadt), und  es  scheint,  ^Is  ob  die  häufig  an  Taufsteinen  in  der  Vierzahl 
angebrachten  Menachenköpfe  auf  diese  Flussgötter  gedeutet  werden  kön- 
nen, deren  Stelle  anderweitig  die  vier  Evangelisten  einnehmen  (z.  B.  an 
dem  Taufkessel  in  St.  Sebald  zu  Nürnberg  aus  dem  XIV.  Jahrhundert) . 
Löwen  als  Träger  der  Taufsteine  waren  schon  seit  dem  XII.  Jahrh.  be- 
liebt und  erscheinen  bereits  als  Reliefs  an  dem  unteren  Theile  des  Tauf- 
steines zu  Freckenhorst  in  Westfalen ,  der  vermuthlich  aus  der  Zeit  um 
1129  herrührt.  Sehener  kommen  Drachen  vor  (an  einem  Granittaufsteine 
in  der  Kirche  zu  Graudenz),  und  Schweine  (an  dem  bereits  erwähnten  zu 
Aldekerk) . 

Bei  der  Ueberschau  über  die  noch  zahlreich  erhaltenen  mittelalter- 
lichen Taufsteine  ergeben  sich,  namentlich  in  romanischer  Zeit,  bestimmte 
provinzielle  Besonderheiten,  die  zum  Theil  im  Zusammenhang  stehen  mit 
dem  gewählten  Material.  Im  Rheinlande  zeigen  zwar  die  romanischen 
Taufsteine  in  der  Stiftskirche  zu  Wetzlar,  in  der  Kirche  zu  Schwarzrhein- 


Taufeteine. 


213 


dorf  und  in  St.  Gleorg  zu  Cöln  *)  einfach  cylindrische  Fonn  (erstere  nach 
unten  etwa»  yerjüngt  und  oben  mit  Rundbogenfries,  letzterer  mit  12 
durch  Rundbögen  yerbandenen  Halbsäulen)  ;  doch  sind  von  einem  Mittel- 


rrrwi 


( 


Fig.  86.  Taufttein  lu  Se^wvzrheindorf  ( nach  BoiMer^). 

Ständer  getragene  und  rings  mit  Säulen  etc.  umstellte  halbkugelige  Becken 
im  XII. — XIII.  Jahrh.  die  Regel.  Am  Niederrhein  erscheint  dieser 
Grundtypus  in  auffälliger  Rohheit ,  und  statt  der  Säulen  kommen  oft  nur 
einfach  cylindrische  Stützen  vor.  Das  Material  ist  fast  durchgängig  der 
schwarze  Marmor  von  Namur ,  und  die  Unbeholfenheit  der  Arbeit  darf 
nicht  verleiten,  diesen  (durchschnittlich  3  F.  hohen  und  ebenso  weiten) 
Taufsteinen  ein  über  das  XII.  Jahrh.  hinausgehendes  Alter  zuzuschreiben, 
da  dem  einzelne  Details  entgegenstehen ;  wir  nennen  die  Taufsteine  der 


Fi;.  87.  Taafatein  lu  Zyfflich  (nach  ausbin  Weerth). 


Kirchen  zu  Warbeyen,  Zyfflich,  Qualburg  (Fuss  später?),  CoUegiatkirche 
zu  Wissel,  Kirchen  zu  Hönnepel,  Straelen  und  Kempen  (Fuss  später) .  *) 
Aehnliche  rohe  Taufsteine  findet  man  noch  in  Leuken,  Veen  und  Menze* 


1)  Abbild,  bei  Boisseröe  a.  a.  O.  Taf.  XXm.  B  u.  C. 

2)  SftmmtUch  abgebUd.  bei  ausbin  Weerth  a.  a.  O.  Bd.  I.  Taf.  VI.  I ;  VI.  6 ; 
X.  5.  7.  10;  Bd.  n.  Taf.  XXII.  J  ;  XXIIL  40.  —  Vgl.  auch  Engling,  Job.,  die 
alterten  Taufsteine  im  apostolischen  Vicariat  Luxemburg ,  in  den  Publications  de  la 
Sooi6t6  poox  la  lecherche  des  monuments  historiques  ä  Luxembourg.  Annöe  1S5S  et 
1859. 


214  Taufsteine. 

len  bei  Xanten,  zu  Nieukerk  und  in  El.  Hambom,  zu  Gladbach,  Kapel- 
len, Grefratii  und  Süchtelen,  angeblich  zu  Hinsbeck,  Herongen,  Linnich, 
Coslar^  Euskirchen  etc.  Auch  der  Taufstein  in  der  Kirche  zu  Zülpich  *) 
gehört  zu  dieser  Gattung ;  ebenso  der  zu  Wittlar  ') ,  jedoch  von  späterem 
Gepräge.  —  Der  Taufstein  in  der  Taufkapelle  des  Münsters  zu  Aachen  ') 
zeigt  bei  gleichem  Material  eine  reichere  und  spätere  Entwickelung ;  der 
Fuss  ist  gothisch.  —  Der  Taufstein  im  Dome  zu  Limburg  a.  d.  Lahn  *) 
ist  achteckig  und  wird,  wie  der  zu  Aachen,  von  acht  Säulen  getragen. 
Mit  sechs  Säulen  sind  umstellt  die  Taufbecken  in-  den  Pfarrkirchen  zu 
Andernach ,  Adenau ,  Unkel  ^) ,  in  der  Stiftskirche  zu  Garden  und  in  der 
Klosterkirche  zu  Sayn  (hier  fehlen  die  Schafte  der  Säulen) .  —  Aus  spät- 
gothischer  Zeit  nennen  wir  die  achteckigen  Sandsteintaufen  in  den  Kirchen 
zu  Dornick ,  Hüsberden  und  Giederich  •) ,  welche  nach  Typus  und  Dar- 
stellungen einander  gleichen;  femer  die  Taufsteine  in  den  Kirchen  zu 
St.  Arnual  ') ,  Bingen ,  Eibingen ,  Hermannstein  bei  Wetzlar ,  St.  Justin 
zu  Höchst®),  Kirche  zu  Lorch  1464,  Augustinerk.  zu  Mittelheim,  Kirche 
zu  Wanderath,  Münster  zu  Strassburg. 

Bei  den  Taufsteinen  in  Westfalen  *)  herrscht  als  Material  der 
Sandstein,  und  in  der  romanischen  Periode  ganz  allgemein  die  Form  eines 
oft  nach  unten  mehr  oder  minder  verjüngten  niedrigen  Cylinders,  der 
gewöhnlich  nur  mit  einem  Laubfries ,  selten  mit  Reliefs  geschmückt  ist. 
Die  Arbeit  ist  häufig  roh.  Bloss  mit  Friesen  verziert  sind  die  Taufen  zu 
Rhynern ,  Asbeck  ,  Iburg ,  Lüdinghausen ,  Ramsdorf  und  in  der  Jacobi- 
kirche  zu  Koesfeld ;  mit  Reliefs  :  die  beiden  einander  gleichen  Taufsteine 
zu  Apierbeck  und  in  der  kathol.  Kirche  zu  Bochum.  Mehrfach  findet  sich 
die  Fläche  des  Cylinders  mit  angeblendeten  Säulenarkaden  belebt,  wie  zu 
Rhede,  Diestedde  und  Wallenhorst  ***)  bei  Osnabrück  und  mit  figürlichen 
Reliefs  unter  den  Arkaden  zu  Waltrog ,  Brenken ,  Boke  und  an  dem  aus 
Marmor  von  Steinheim  verfertigten  Taufstein  zu  Elsen.  Der  Taufstein  zu 
Beckum  ist  achteckig  und  mit  Reliefs  geschmückt.  Künstlerisch  ausge- 
zeichnet, auch  durch  seine  vollendeten  Reliefs,  ist  der  Taufetein  zu  Brech- 
ten^*)  bei  Dortmund  mit  spitzbogigen  gothisirenden  Arkaden.  Häufig 
erscheinen,  wie  zu  Freckenhorst  (s.  oben  S.  212)  am  Fusse  der  Tauf- 
steine Löwengestalten ;  als  eigentliche  Träger  zuerst  in  Metelen.  Edle 
Verhältnisse  und  geschmackvolle  Einfachheit  zeigt  bei  aller  Rohheit  der 
Technik  der  auf  drei  Füssen  ruhende  runde  Taufstein  zu  Recke  **)   im 


1)  Abbild,  bei  Gubitz,  F.  W.,  Jahrbuch  etc.  (Volkskalender)  1844.  S.  141. 

2)  Abbild,  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Bd.  U,  Taf.  XXIX.  8. 

3)  Abbild,  ebd.  Taf.  XXXII.  10. 

4]  AbhUd.  bei  Moller,  Denkm.  U.  Taf.  XXVII  (IX). 

5)  Abbild,  bei  Boisseröe  a.  a.  O.  Taf.  XXIV. 

6)  Sämmtlich  abgebild.  bei  aus'm  Weerth  a.  a.  O.  Taf.  IV.  8;  VI.  4  u.  4a; 
XXI.  7.  u.  7  a. 

7)  Abbild,  bei  Schmidt,  Ch.  W.,  Denkm.  in  Trier  etc.  Lief.  III.  Taf.  6. 

8)  Moller  (Gladbach)  a.  a.  O.  m.  Taf.  9. 

9)  Vgl.  Labke,  W.,  die  mittelalterl.  Kunst  in  Westfalen  S.  372—376. 
10)  Abbild,  in  Mittelalterl.  Baudenkm.  Niedersacbsens.  Heft  1  Bl.  7. 
IJ)  Details  abgeb.  ebd.  Taf.  XVI.  10. 

12)  Abbild,  (von  Alfr.  Hartmann)  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  und 
Kunst  1,  26S. 


TaiiTsteine. 


215 


Kr.  Tecklenburg.  Spätromanische  Formen  zeigt  der  Taufstein  z\x  Flech- 
torf  bei  Corbach.  —  Die  gothischen  Taufsteine  haben  meist  nur  ein 
Maasswerknetz  und  gehören,   etwa   mit  Ausnahme   der  wohl  aus  dem 


^^?7^>^ 


Fi;.  88.  Taufstein  in  der  Kirche  lu  Becke  (nach  Hartmann). 

XIV.  Jahrh.  stammenden  zu  Ostenfelde  und  Watersloh  spätgothischer 
Zeit  an:  in  St.  Paul,  St.  Peter,  St.  Thomas  und  Maria  zur  Wiese  in 
Soest,  in  der  Petrikirche  zu  Dortmund,  in  der  Kirche  zu  Benninghausen, 
in  der  Stiftskirche  St.  Maria  vor  Herford,  in  St.  Ludgeri  zu  Münster 
und  in  der  Kirche  zu  Ascheberg.  Mit  Bildwerk  verziert  sind  die  Tauf- 
steine in  der  Johanneskirche  zu  Billerbeck  1497  .  die  dem  XVI.  Jahrh. 
entstammenden ,  in  Form  und  Bildschmuck  einander  nahe  verwandten  in 
den  Kirchen  zu  Nieheim  und  Wiedenbrück ,  sowie  in  der  Münsterkirche 
zu  Herford  und  in  der  Katharinenkirche  zu  Osnabrück :  alle  diese  mit 
biblischen  Scenen ,  der  Taufstein  zu  Lünen  mit  paarweise  angeordneten 
Einzelfiguren.  Der  spätgothische  Taufstein  in  der  Bustorfkirche  zu  Pader- 
born ,  ein  achtseitiges  Prisma  mit  Figuren  unter  geschweiften  BOgen ,  ist 
mit  einem  hohen  in  Holz  geschnitzten  Deckel  versehen.  *) 


1)  Abbild,  bei  Statz  und  Ungewitter,   Goth.  Musterbuch  Taf.  1S5.  Fig.  7 
u.  8;  vgl.  Lotz,  W.,  Kunst-Topogr.  Deutschlands  1,  496. 


216  TaufBteine. 

In  Hessen  *)  sind  die  Taufsteine  häufig  aus  Basaltblöcken  gehauen 
und  haben  in  romanischer  Zeit  oft  die  Form  eines  niedrigen  Zubers  (d.  i. 
eines  stark  verjüngten  Cy linders) ,  oben  mit  einem  Hufeisenbogenfries  und 
abwechselnd  auf  ein  den  unteren  Rand  umziehendes  Band  hinablaufenden 
Lisenen,  als  einfachem  Schmuck:  in  Giessen  und  den  nahe  gelegenen 
Ortschaften  Grossenlinden  ') ,  Heuchelheim ,  KirchgOns ,  Lieh ,  Nieder- 
weidbach —  meist  aus  den  Kirchen  entfernt.  Der  Taufstein  zu  Klein- 
karben dagegen  hat  rein  cylindrische  Form ,  der  auf  dem  Kirchhofe  zu 
Eckeishausen  ist  unten  bauchig ,  und  xLer  halbzerstörte  zu  Breuna  ist  mit 
Laubwerk  verziert.  Der  Tauf  stein  zu  Biedenkopf  mit  seinem  ehemals  mit 
sechs  Säulchen  umstellten  halbkugeligen  Becken  erinnert  an  rheinländische 
Formen.  Der  von  drei  Löwen  getragene  achteckige  Tauf  stein  in  der 
Liebfirauenkirche  zu  Friedberg  (wo  sieh  mehrere  alte  Tauf  steine  in  Privat- 
gärten finden)  stammt  aus  der  Uebergangsperiode.  Der  Tauf  stein  in 
Altenstadt  (unweit  der  Kirche)  ist  äusserlich  oval  und  innen  achteckig.  ') — 
Ausser  dem  frühgothischen  Taufsteine  (mit  sechs  auf  Löwen  ruhenden 
Säulen,  deren  Knospencapitäle  sich  am  Rande  des  halbkugeligen  Beckens 
als  Fries  fortsetzen)  in  der  Stiftskirche  zu  Wetter  und  dem  zwölfeckigen 
edelgothischen  in  der  Klosterkirche  zu  Hersfeld ,  dem  jedoch  der  Fuss 
fehlt,  sind  als  eigenthümliche  Erzeugnisse  aus  gothischer  Zeit  anzufahren 
die  Basalttaufen  in  den  Pfarrkirchen  zu  Münzenberg  *)  und  Niederweisel, 
sowie  auf  dem  Pfarrhofe  zu  Fetter  well  von  der  Gestalt  eines  achtseitigen, 
nach  unten  verjüngten  Prisma' s  mit  niedrigem  Sockel.  Verwandte  Bil- 
dung zeigt  der  ebenfalls  aus  Basalt  verfertigte,  oben  sechzehneckige,  nach 
unten  pyramidale  Taufstein  zu  Büdesheim.  ^)  Aus  spätgothischer  Zeit 
stammen  die  meist  mit  Maasswerk  verzierten  achteckigen  Taufsteine  zu 
Schlitz  1467,  Billertshausen  1488,  Felda,  in  der  Todtenkirche  zu  Mei- 
ches  1501  und  zu  Neustadt  bei  Marbuig,  der  sechseckige  zu  Frankenbach 
1500,  der  pocalförmige  zu  Angersbach  1502,  der  colossale  zwölfeckige 
zu  Niederwildungen  (ohne  Fuss)  u.  a.  m. 

Aus  dem  südlichen  Deutschland  fehlt  es  an  speciellen  und  übersicht- 
lichen Vorarbeiten;  wir  nennen  in  Schwaben  die  romanischen  Tauf- 
steine :  in  Freudenstadt  ®)  aus  Kl.  Alpirsbach  (mit  grotesken  Sculpturen) 
imd  in  der  Stadtkirche  zu  Blaubeuren  (sehr  gross) ;  die  gothischen :  im 
Münster  zu  Ulm  1470,  in  der  Marienkirche  zu  Reutlingen^),  in  der 
Dionysiuskirche  zu  Esslingen^),  in  den  Kirchen  zu  Magstatt,  Bönnigheim, 
Bietigheim  (beide  letztere  sechseckig),  Amegg^)  von   1487   (achteckig, 


1)  Vgl.  Dieffenbach,  Ph.,  üb.  mittelalterl.  Taufsteine  (in  Hessen),  im  Archiv 
für  hess.  Gesch.  u.  Alterthumskunde  6,  225 — 242,  nebst  einer  Tafel  mit  vielen  Ab- 
bild, von  Taufsteinen. 

2)  Abbild,  auch  bei  Klein,  J.  V.,  die  Kirche  zu  Grossen-Linden.  Taf.  I.  2. 

3)  Abbild,  bei  Dieffenbach  a.  a.  O.  Fig.  15. 

4)  Ebd.  Fig.  5.  5)  Ebd.  Fig.  H. 

6]  Abbild,  bei  Heideloff,  Ornamentik  Heft  14.  Taf.  1. 

7)  Ebd.  Heft  3.  Taf.  7. 

8)  Abbild,  bei  Heideloff  und  Müller,  Fr.,  die  Kunst  des  M.  A.  in  Schwa- 
ben Taf  .  15. 

9)  Abbild,  in  der  9.  u.  10.  Veröffentl.  des  Vereins  fOr  Kunst  u.  Alterth.  in  Ulm* 


Tauftteine.  217 

mit  Astwerk  yerziert)  m  der  Amandikivche  zu  Urach  ^)  1 5 1 S  (voa  Chnstoph 
Statovariiis) .  —  InBajecn:  die  romanischen  Tanüsteine  in  des  Alten 
Kapelle  zn  Regenshurg  (mit  Säulenarkaden) ,  in  der  Prämonstratenser- 
kirche  zu  Windberg  (Kalkstein ;  auf  yier  LOwenkOpfen  ruhend ,  mit  den 
Apostelbüdem  in,  den  Blendarkaden) ,  in  der  Stiftskirche  zu  AltMmg  ') , 
in  der  Marienkitche  zu  Chammünster ,  im  Münster  zu  Biburg,  in  den 
Kirchen  zu  Buebach  (?)  und  Altenstadt  in  der  Oberpfalz,  in  der  Michaelis- 
kirche zu  Altenstadt ')  bei  Schongau  (oben  in  Vierpassform ,  mit  rohem 
Bildwerk)  und  in  der  Klosterkirche  zu  Rohr :  die  drei  letzteren  im  Ueber- 
gangsstil.  Gothische  Taufsteine  in  den  Kirchen  zu  Sulzbach ,  Parsberg, 
Qriesbach,  in  St.  Rupert  zu  Regensburg,  zu  Rieding,  Geisenhausen  1 488, 
Eggenfelden,  Trostberg,  St.  Zeno  bei  Reichenhall  1516,  Isen  1520  etc.  — 
InOesterreich:  die  spätromanigchen  Taufsteine  zu  Schweiggers  und 
Salingstadt;  der  gothische  kelchf5rmige  von  1478  in  der  Frauenkirche 
zu  Freistadt ,  die  Marmortaufsteine  in  der  Liebfrauenkirche  zu  Wiener- 
Neustadt  1472  (zehneckig,  pocalfOrmig)  und  in  St.  Stephan  zu  Wien 
1481  (von  Meister  Heinrich)  u.  v.  a.  —  In  Franken:  ein  romanischer 
Taufstein  zu  Neustadt  am  Main  (in  den  Arkadenblenden  Christus  und  die 
Apostel)  ;  gothische  in  der  Schlosskapelle  zu  Meiningen  ^} ,  zu  Oberlind  ^), 
zu  Heldberg,  in  der  Schlosskirche  zu  Callenberg  bei  Coburg  1537. 

In  Thüringen  und  Sachsen  sind  mehrere  interessante  romanische 
Taufsteine  nachgewiesen :  in  der  Nicolaikirche  zu  Zerbst  ®)  (aus  Kloster 
Alsleben  a.  d.  S. ,  später  eine  Zeit  lang  im  Besitz  des  Thüring. -Sachs. 
Vereins  in  Halle ;  ein  20  Z.  tief  ausgehöhltes  achteckiges  Prisma  mit 
biblischen  Reliefs  von  äusserster  Rohheit;  nur  2%  F.  hoch  bei  4  F. 
Durchmesser),  in  der  Vorhalle  des  l^oms  zu  Merseburg^)  (aus  der  dortigen 
Neumarktskirche;  ebenfalls  achteckig  prismatisch,  bei  4*/,  F.  Höhe  bis 
auf  etwa  1 V«  F.  tief  halbkugelig  ausgehöhlt^  mit  den  Reliefs  der  Propheten 
und  Apostel  unter  Säulenarkaden)  ,  zu  Halle  a.  d.  S.  (im  Besitz  des 
Thüring. -Sachs.  Vereins  im  Hofe  der  Residenz  aus  der  Kirche  zu  Trotha; 
ebenfalls  prismatisch ,  aber  nur  klein  und  ohne  Fuss ,  mit  den  Bildern 
der  Apostel),  in  der  Kirche  zu  Flötz  bei  B^rby  (cylindrisch,  4  F.  Durch- 
messer) ,  zu  Groningen  bei  Halberstadt  (gleichfalls  rund) ,  in  der  Kirdie 
zu  Nicolausberg  bei  Göttingen  (cylindrisch ,  roh  imd  schmucklos) .  Von 
den  vorgenannten  Sandsteintaufen  weicht  der  aus  der  EJrche  zu  Gleiss- 
bach bei  Nossen  stammende,  aus  Porphyr  gearbeitete  Taufstein  im  Museum 
des  Grossen  Gartens  zu  Dresden  ®)  völlig  ab :  er  ist  rund  aber  bauchig 
und  mit  mancherlei  willkürlichen  Ornamenten  versehen.   Die  Sandstein- 


1^)  AbbUd.  bei  Heideloff,  Omamentik  Heft  7  Taf.  7. 

2)  Abbild,  bei  Sighart,  Gesch.  der  bild.  Künste  in  Bayern  S.  185.  —  In  der 
That  aus  romanischer  Zeit  ? 

3)  Abbild.  bei.Heideloff  a,  a.  O.  Heft  20  Ta£.  j. 

4)  Ebd.  Heft  8  Taf.  5.  5)  Ebd.  Heft  14  Taf.  4. 

6)  Abbüd.  in  den  N.  Mittheil,  des  Thüring. -Sachs.  Vereins  VIII.  2  Taf.  II  zu 
8.  125  ff.  —  Die  jetzigen  zierlichen  Säulenfüsschen  sind  modern. 

7}  Abbild,  bei  Puttrich,  Denkmale  etc.  Abth.  II.  Serie  Merseburg  Bl.  4  u.  10. 

8)  Abbild,  bei  Böaigk,  Fz.  L.,  Führer  durch  das  Museum  im  Palais  des  grossen 
Gartens  S.  31. 


218  Taufsteine. 

taufe  in  der  Klosterkirche  zu  Vessera  *)  bei  Schleusingen  hat  die  Form 
einer  auf  stark  verjüngter  Mittelsäule  ruhenden  Schale.  —  Der  firühgothi^ 
sehen  Zeit  gehören  die  Taufsteine  in  den  Domen  zu  Halberstadt  ^)  und 
Magdeburg  an  (beide  völlig  schmucklos;  ersterer  aus  Marmor,  pocal- 
fbrmig  und  auf  vier  Löwen  ruhend,  letzterer  aus  polirtem  Porphyr,  scha- 
lenförmig) .    Gewöhnliche  mit  Maasswerk  verzierte  gothische  Sandstein- 


Fig.  89.  Taufttein  im  Dom  xu  Halberstadt  (nach  Lueanus). 

taufen  sind  häufig :  in  der  Nicolaikirche  zu  Jüterbog  und  in  den  Kirchen 
der  nahen  Dörfer  Pechüle  und  Bocho ,  in  der  Kirche  zu  Dobristroh  bei 
Altdöbern,  auf  dem  Pfarrhofe  zu  Wedlitz  bei  Nienburg  a.  d.  S. ,  in  der 
Stadtkirche  zu  Freiburg  a.  d.  U.  (sechseckig),  in  der  Severikirche  zu  Er- 
furt ')  (mit  hohem  Tabernakeldeckel)  ,  in  Langen  weddingen  bei  Magde- 
burg 1510,  in  der  Archidiaconatskirche  zu  Mandelsloh  1512,  in  der 
Schlosskirche  zu  Dessau ,  Johanneskirche  zu  Chemnitz ,  Annakirche  zu 
Annaberg :  die  fünf  letzteren  im  spätestgothischen  Geschmack. 

In  den  Brandenburgischen  Marken  finden  sich  romanische 
Taufsteine  in  den  Kirchen  zu  Redekin  bei  Jericho w  und  zu  Schönhausen 
bei  Tangermünde ;  ein  achteckiger  gothischer  in  der  Wallfahrtskirche  zu 
Wilsnack  und  im  Dom  zu  Brandenburg.  *)  —  InMeklenburg*)  kom- 
men unter  der  mundartlichen  Benennung  Fun t,  Fönte,  Fünte  (von 
foni)  viele  alte  Taufsteine  Vor,  grösstentheils  aus  Granit  und  zuweilen  mit 
Reliefs  versehen  :  in  Altgaarz  ,  Altkaien ,  Belitz ,  Bemitz,  Hohen vicheln, 
Pokrent,  Steffenshagen  (mit  Reliefs),  Teterow,  Vietlübbe.  Der  Fünt  zu 
Fixen  ist  halbkugelig  und  am  viereckigen  Fusse  mit  Widder-  und  Men- 
schenköpfen verziert,  der  zu  Suiten  mit  Gesichtern  am  Sockel ;  der  Tauf- 
stein zu  Zarrentin  hat  die  Form  eines  Doppelbechers  und  der  zuDobbersen 
eines  achteckigen  Pocals.  Zu  Witzin  besteht  die  Taufe  aus  einem  äusser- 
lich  unbehauen  gebliebenen  Granitblock.  Anderweitig  kommt  bei  sonst 
wesentlich  gleicher  Behandlung  als  Material  auch  Kalkstein  vor :  in  der 


1)  Abbild,  im  Anzeiger  des  german.  MuBeums  1861  Sp.  317. 

2)  Abbild,  bei  Lueanus,  der  Dom  zu  Kalberst.  Taf.  V. 

3)  Abbild,  bei  Put tr ich  a.  a.  O.  Serie  Erfurt  Bl.  9. 

4)  Abbild,   bei  Adler,    F.,    Mittelalterl.    Backsteinbauwerke   etc.    Heft  11. 
Taf.  XX.  12. 

5)  Vgl.  Jabrbacher  (u.  Jahresberichte)  des  Vereins  für  Meklenb.  Gesch.  imd 
Alterthumskunde,  von  6.  C.  F.  Lisch,  in  den  verschiedenen  Jahrgängen. 


TaufBteine.  219 

Nicolaikirohe  zu  Röbel,  in  Lübchm ,  Thelkow ,  Proseken ,  Bachen  (Pocal 
in  Vierpassform) .  Der  Taufstein  zu  Tamow  ist  oben  aus  Kalkstein ,  mit 
rundem  Fuss  aus  Granit.  —  Auch  in  Holstein  imd  Schleswig  kom- 
men  Granittaufsteine  vor :  zu  Vonsbftk  bei  Hadersleben  und  zu  Hammelev 
bei  Hadersleben.  —  Zu  Hamberge  bei  Lübeck  ein  romanischer ,  und  zu 
Schlutup  b^i  Lübeck  ein  pocalfSrmiger  Taufstein  aus  Kalkstein.  —  Der 
romanische  Taufstein  zu  Heiligenfelde  *)  bei  Bremen  ist  napffOrmig  rund. 

Bei  den  Tauf  steinen  inPommern^)  herrscht  als  Material  der  Kalk- 
stein vor.  Ziemlich  roh  gebildet,  in  Form  eines  colossalen  Bechers, 
schmucklos  oder  mit  einfachen  Zierden  versehen ,  tragen  diese  Taufbrun- 
nen  kaum  charakteristische  Kennzeichen  zur  näheren  Bestimmung  ihrer 
Entstehungszeit  an  sich ;  doch  scheinen  die  einfachen  Formen  vieler  auf 
das  XIII.  Jahrb.  zu  deuten :  in  den  Jacobikirchen  zu  Greifswald  und 
Stralsund,  in  den  Kirchen  zu  Gollnow,  Greiffenberg,  Stolp,  Freien walde, 
Kloster  Colbatz.  Der  Tauf  stein  zu  Garz  auf  Rügen  (vor  der  Kirchthür 
liegend)  war  an  der  unteren  Wölbung  der  Schale  mit  massenhaftem  Flecht- 
werk verziert ;  der  zu  Altenkirchen  ist  mit  vier  menschlichen  Köpfen  ge-  ( 
schmückt.  Späterer  Zeit  entstammen  den  gothischen  Ornamenten  zufolge 
die  Taufsteine  in  der  Nicolaikirche  zu  Stralsund ,  in  der  Johanneskirche  ^ 
zu  Stargard  und  im  Dom  zu  Cammin.  Der  Taufstein  in  der  Petrikirche 
zu  Treptow  a.  d.  T.  ist  aus  Granit  imd  mit  rohen  figürlichen  und  anderen 
Ornamenten  versehen.  Auch  die  achteckigen  Tauf  steine  im  Dom  zu 
Marien werder  Tind  in  der  Kirche  zu  Graudenz  sind  aus  Granit  und  mit 
Reliefs  geschmückt.  Sonst  ist  über  mittelalterliche  Tauf  steine  inPreussen 
wenig  bekannt :  die  Johanneskirche  zu  Marienburg  hat  einen  reich  spät- 
gothischen  Taufstein. 

Eine  eigenthümliche  Gattimg  bilden  die  aus  Metall  (selten  aus  Kupfer 
oder  Zinn ,  gewöhnlich  aus  den  Legirungen  dieser  Metalle ,  Bronze  oder 
Messing)  gegossenen  Taufgefässe,  die  insgemein  als  Taufkessel  oder 
Taufbecken  bezeichnet  zu  werden  pflegen.  In  ganz  Deutschland  spo- 
radisch vorkommend ,  waren  sie  während  der  gothischen  Periode  nament- 
lich in  dem  nördlichen  Flachlande  beliebt,  wo  es  an  einem  zu  feinerer 
Ausarbeitung  tauglichen  Steinmaterial  fehlte,  und  wurden  hier  von  Grapen- 
und  Topfgiessern  in  der  Form  grosser ,  tiefer ,  von  vier  oder  drei  hohen 
Füssen  getragener  Kessel  (die  in  kleinerer  Form  im  häuslichen  Gebrauche 
in  den  betreffenden  Gegenden  noch  allgemein  unter  dem  Namen  Grapen 
gebräuchlich  sind)  meist  in  handwerksmässiger  Weise  verfertigt.  Die 
Träger  dieser  Taufgrapen  bestehen  gewöhnlich  aus  hockenden  oder 
liegenden  Löwen,  oder  aus  stehenden  oder  knieenden,  nur  halb  bekleide- 
ten männlichen  Figuren  ') ,  welche  für  heidnische  Slaven  zu  erklären  man 
sich  versucht  fahlen  möchtq.,  wenn  man  nicht  vorzieht ,  darin  eine  Remi- 


1)  Abbild,  bei  Moller  a.  a.  O.  L  Taf.  13. 

2)  Vgl.  Kugler,  Kl.  Schriften  1,  783 f. 

3)  Die  unter  dem  Namen  des  Pflstrich  von  Sondershausen  bekannte,  früher 
fQr  ein  Götzenbild  gehaltene  eherne  Figur  (von  welcher  sich  ein  Gypsabguss  im 
Museum  des  Thüring.- Sachs.  Vereins  zu  Halle  befindet)  war  sehr  wahrscheinlich  ur- 
sprünglich ein  Träger  an  einem  mittelalterlichen  Taufkessel.  Vgl.  Rabe,  M.  F.,  der 
Pastrich  zu  Sondershausen.  1852. 


220  TaufkesMl. 

niscena  an  die  personificirten  Panuiieaesflüsse  za  erkennen;  ander- 
weitig kommen  statt  derselben  auch  Thierbeine  Tor.  Die  Ausstattung  des 
Kessels  selbst  mit  figürlichen  Reliefs  schliesst  sich  der  bei  den  Steintaufen 
heigebraditen  Weise  an.  Wenngleich  die  Taufkessel,  besonders  aus 
gothischer  Zeit  selten  von  künstlerischem  Werthe  sind ,  so  gewähren  sie 
doch  ein  besonderes  arch&ologisches  Interesse  dadurch,  dass  Donator, 
Verfertiger  und  Datum  schon  seit  dem  Xu.  und  XIII.  Jahrhundert  fast 
regelmässig  inschriftlich  genannt  sind.  Das  älteste  Oeföss  der  ganzen 
Oattuhg  ist  das  aus  Kloster  Orval  stammende  (wie  das  eherne  Meer 
Salomo's  1  KOn.  7,  25),  von  zwölf  Rindern  getragene,  mit  biblischen 
Taufiscenen  geschmückte  runde  Becken  in  der  BartholomSikirche  zu  Lüt- 
tich  *),  nach  späterer  chronistischer  Angabe  gegossen  1 1 12  von  Lambert 
Patras  aus  Dinant.  Diesem  schliessen  sich  an ,  die  kupfernen  Taufkessel 
vom  J.  1149  aus  Thienen  im  Museum  zu  Brüssel  (mit  rohen  Reliefs] 
und  im  Dom  ^u  Osnabrück  (in  Form  eines  auf  drei  Füssen  ruhenden, 
sich  nach  unten  verjüngenden,  mit  Flachreliefe  unter  Arkaden  geschmück- 
ten Cylinders),  verfertigt  von  Oerardus,  vielleicht  noch  im  XII.  Jahrhun- 
dert. Sodann  folgt  der  durch  die  sinnige  Auswahl  der  bildlichen  Darstel- 
lungen, durch  sehr  gelungene  Modellirung  und  sichere  Ausführung  im 
Ouss  künstlerisch  bedeutende  Taufkessel  im  Dom  zu  Hildesheim ^): 
ein  von  vier  knieenden  Flussg5ttern  getragenes,  nach  unten  stark  ver- 
jüngtes cylindrisches  Gefäss  mit  seinem  kegelförmigen  Deckel  gegen  6  F. 
hoch  und  ganz  mit  biblischen  und  allegorischen  Reliefs  bedeckt.  Während 
dieser  etwa  der  Mitte  des  XIII.  Jahrh.  angehörige  Taufkessel  theilweise 
schon  gothisirende  Motive  zeigt ,  befolgt  das  auf  vier  liegenden  Löwen 
ruhende  runde  Taufbecken  von  132i  im  Dome  zu  Salzburg')  noch 
vOUigden  romanischen  Typus  in  den  sechzehn  Bischofsfiguren  unter  Rund- 
arkaden, mit  denen  es  geschmückt  ist.  Ausser  vorstehend  genannten  sind 
noch  anzuführen  ein  Taufkessel  in  der  Stiftskirche  zu  Berchtesga- 
den*),  welcher  der  frühromanischen  Periode  zugeschrieben  wird :  er  hat 
die  Form  eines  grossen  Trinkglases  und  zeigt  oben  herum  unter  Rund- 
bogenstellungen die  Brustbilder  Christi ,  der  Apostel  und  Johannes  des 
Täufers ,  imten  ausser  den  Paradiesesflüssen  einige  andere  noch  nicht  er- 
klärte Gestalten;  femer  der  spätromanische  Taufkessel  ikn  Dome  zu 
Bremen^),  in  der  Form  eines  nach  unten  etwas  verjüngten  cylindrischen 
Beckens,  welches  in  zwei  Arkadenreihen  über  einander  mit  vielen  Figuren 
decorirt  ist  und  von  vier  auf  Löwen  sitzenden  Männern  getragen  wird ; 


t)  Abbild,  bei  Didron,  Annales  archeol.  5,  21  u.  8,  330. 

2}  Vgl.  Organ  für  chrUÜ.  Kunst  1S62  S.  280-— 284,  nebst  Abbild,  auf  der  artist« 
Beilage  zuNo.  23.  —  Kratz,  der  Dom  zu  Hildesh.  5, 195  u.  Abbild.  Taf.  12  Fig.  2.  — 
Schnaase,  Kunstgesch.  5,  797. 

3}  Abbild,  in  Mittelalter!.  Kunstdenkm.  des  Österreich.  Kaiserstaates ,  heraus- 
gegeb.  von  Heider  etc.  Taf.  XXVII  zu  Bd.  1,  166— -170. 

4)  Vgl.  Sighart,  die  mittelalterl.  Kunst  in  der  £rzdi5ce«e  München« Freising 
S.  21 1 ;  neuerlich  bezeichnet  jedoch  derselbe  Verf.  (Gesch.  d.  bild.  Künste  in  Bayern 
1,  121)  diese  Taufe  als  WeihwasaeigefilsB. 

5)  Vgl.  Müller,  H.  A.,  der  Dom  zu  Bremen  S.  31.  Nach  der  motivirten  An- 
sicht des  Verf.  soll  der  Fuss  bedeutend  alter  sein  als  der  Kessel. 


Taufkessel. 


221 


endlich  als  eines  der  edelsten  Denkmäler  der  ganzen  Gattung  das  der 
Uebergangspenode  angehörige  pocalförmige  Taufbecken  in  der  Qodehardi- 
kirche  zu  Brandenburg^),  dessen  Fuss  aus  einer  sdilanken  Glocke 
besteht,  als  Träger  des  eine  gestürzte  niedrige  Glocke  bildenden  Beckens, 
das  mit  einem  schienen  Blätterbande  geschmückt  und  an  dem  mit  Thier- 
kOpfen  besetzten  Rande  von  den  auf  Blumenkelchen  stehenden  vier  Evan- 
gelisten gestützt  ist.  —  Die  übrigen  bekannten  Taufkessel  aeigen  deutlich 
gothische  Formen;  wir  nennen  aus  dem  XIII.  Jahrhundert:  die 
Taufen  im  Dome  zu  Würzburg  ^) ,  1279  von  Meister  Eckart  von  Worms 
(mit  reichem  gothisch  constructivem  Apparat  und  acht  das  Leben  Christi 
darstellenden  Relieüsj ,   und  in  der  Kirche  des  holstein.  Dorfes  Büsum  ^) 


Fig.  90.  Tauflieaacl  xu  Bttsum  (nach  v.  Zahn). 


an  der  Nordsee  (ohne  architektonische  Formen,  getragen  von  vier  rohen 
Figuren ,  mit  gutem  Relief  des  thronenden  Christus) ,  den  Buchstaben- 
formen der  Inschrift  zufolge  noch  aus  diesem  Jahrb. ,  welchem  auch  der 
Taufkessel  in  der  Petri- Paulikirche  zu  Liegnitz  zugeschrieben  wird.  — 


1)  Abbild,  bei  Adler  a.  a.  O.  Fig.  ]0.  —  Die  Innchrift  um  den  unteren  Saum 
des  Beckens  bezieht  sich  -^ohl  auf  die  Donatrix  und  scheint  »Obiü  Elisabeth  XI,  Kai. 
Septemhr.*  gedeutet  -werden  zu  können. 

2)  Abbild,  bei  Becker  und  r.  Hefner,  Kunstwerke  etc.  Bd.  I.  Taf.  19;  vgl. 
Niedermayer,  Kunstgescb.  der  Stadt  Wirzburg  S.  145  ff. 

3)  Abbild,  bei  Z  a hn,  A.  v.,  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  u.  Kunst  2,  230. 


222  Taufkessel. 

Aus  dem  XIV .  Jahrhundert,  meist  nur  handwerksmässige  Arbeiten 
der  Grapengiesser :  im  Dome  zu  Mainz  *)  1328 ,  gegossen  von  Johannes ; 
in  der  Marienkirche  zu  Lübeck  1337,  von  Hans  Apengheter;  in  der 
Nicolaikirche  zu  Kiel*)  1340,  von  demselben;  in  der  Kirche  zu  Witten- 
burg  1 342,  von  Meister  Wilkinus ;  in  den  Marienkirchen  zu  Colberg  1355 
und  zu  Parchim  (von  Meister  Hermann)  1365;  in  der  Ulrichskirche  zu 
Sangerhausen  1369,  von  i>erbeit  der  Aeyse  endner  vn.  hevne  bechern ;  in  der 
Marienkirche  zu  Frankfurt  a.  O.  1376  von  Meister  Arnold  (ein  ursprün- 
lich  auf  den  Evangelistenzeichen  ruhendes  Zwölfeck  von  sechs  langen  und 
sechs  kurzen  Seiten  mit  pyramidalem,  12  F.  hohem  Deckel  und  vielen 
biblischen  Reliefs);  in  der  Nicolaikirche  zu  Elbin^  1387,  von  Meister 
Bernhuser  (achteckig ,   auf  acht  liegenden  Löwen  ruhend ,  reich  architek- 


Fiff.  91.  Taufkefsel  lu  Angermande  (nach  LOsener). 

tonisch  gebildet,  mit  Prophetenfiguren  rings  um  den  Fuss  und  biblischen 
Reliefs  am  Becken)  ;  in  der  Blasiuskirche  zu  Münden  ')  1392,  von  Meister 
Nicolaus  von  Stettin  (Träger  des  mit  vielen  Heiligenfiguren  unter  Wim- 
bergen geschmückten  Beckens  sind  vier  auf  fliegenden  Drachen  sitzende 
Männer  über  vier  liegenden  Löwen) .  Nicht  datirt,  aber  "dem  Stile  und  den 
Buchstaben  der  Inschriften  nach  aus  dem  XIV.  Jahrh.  sind  ein  Taufkessel 
aus  der  Liebfrauenkirche  zu  Halberstadt  im  Dome  daselbst  (cylindrisch, 
nach  unten  verjüngt  mit  Reliefs  aus  dem  Jugendalter  Christi) ,  der  glocken- 


1)  Abbild,  bei  Moller  a.  a.  O.  Taf.  13. 

2)  Abbild,  bei  Statz  und  üngewitter,  Goth.  Musterbuch  Taf.  195  u.  199 
Flg.  1—5;  vgl.  Nitzsch,  C.  W.,  das  Taufbecken  in  der  Kieler  Nicolaik.  1857. 

3)  Abbild,  bei  Statz  und  Üngewitter  a.  a.  O.  Taf.  196  u.  199  Fig.  6 — ^9. 


Tatifkessel. 


223 


förmige ,  von  drei  Männern  getragene  mit  rohen  Figuren  verzierte  Tauf- 
grapen  in  der  Marienkirche  zu  Ahgermünde  *)  (mit  nicht  sicher  erklärten 
Inschriften) ;  die  Taufbecken  in  der  Magdalenenkirche  zu  Neustadt-Ebers- 
walde *)  (pocalförmig) ,  in  der  Jacobi  -  und  in  der  Marienkirche  zu  Prenz- 
lau  •),  in  der  Nicolai-  und  in  der  Petrikirche  zu  Rostock,  in  der  Kirche 
zu  Siek*)  in  Holstein,  von  Meister  A.  Gherardus.  —  Aus  dem  XV. 
Jahrhundert  Arbeiten  von  verschiedenem,  aber  nicht  ausgezeichnetem 
Werthe:  in  der  Katharinenkirche  zu  Salzwedel  1421  von  Ludolf  (nicht 
Ludwig)  ,  Grapengiesser,  wohnhaft  zu  Braunschweig,  der  sich  auch  mit 
seinem  Sohne  Heinrich  an  den  beiden  (einander  gleichen)  Taufkesseln 
von  1430  in  der  Marien-  und  in  der  Ulrichskirche  zu  Halle  als  Verfertiger 
nennt;  femer  die  Taufen  in  Gettorf  *)  bei  Kiel  von  y>WTf  de  Aleveldt  van 
Aneveld<t  1424,  in  der  Petrikirche  zu  Nordhausen  1429,  Marienkirche  zu 


Fig.  92.  Tau(8t&nder  von  1457  tu  Wittenberg  (nach  Schadow). 

Berlin  1434,  Katharinenkirche  zu  Brandenburg  •).  1440  (mit  reichem 
Tabernakeldeckel)  von  Titrich  Molner  aus  Erfurt,  in  der  Martinikirche  zu 
Braunschweig  1441,  Wenzelskirche  zu  Naumburg  a.  d.  S.  1441,  Nicolai- 
kirche zu  Osterburg  i.  d.  Altmark  1446  von  Meister  Volker  von  Mundt, 


1)  Vgl.  Lösen  er,  Beschreib.  .  , .  .  eines  Taufsteins   in  der  Marienk.  zuNeu- 
Angermünde  in  den  Mark.  Forschungen  I.,  nebst  Abbild 

2)  Vgl.  Bellermann,  J.J.,  Neust.-Eberswalde  1829  S.  140;  Minutoli,  A.  v. 
Benkm.  mittelalterl.  Kunst  in  den  Brandenb.  Märken  S.  29. 

3)  Vgl.  V.  Minutoli  ebd. 

4)  Abbild,  bei  Milde,  C.  J.,  die  Kirchen  der  Herzogth.  Holstein u.  Lauenburg, 
in  den  Jahrb.  fOr  die  Landeskunde  von  Schleswig  etc.  Bd.  I.  Hft.  3. 

5}  Vgl.  Lotz,  Kunst-Topographie  1,  239. 
6)  AbbUd.  bei  Adler  a.  a.  O.  S.  20. 


224  -r  Taufechflsseln. 

in  der  Kirche  zu  Segeberg  in  Holstein  1447  von  Ghert  Klinghe,  in  der 
Aegidienkirche  zu  Hannover^)  1450,  im  Dome  zu  Lübeck^)  1455  von 
Laurens  Groven,  in  der  Stadtkirche  zu  Wittenberg  ')  1457  von  Hermann 
Vischer  zu  Nürnberg,  in  der  Marienkirche  zu  Stendal  1464,  Jacobikirche 
zu  Lübeck  1466,  Ileinoldikixohe  zu  Dortmund  1469  von  Johann  Winnen- 
brock  daselbst,  Stiftskirche  zu  Bützow  1474  (ohne  Fuss  und  Deckel), 
Katharinenkirche  zu  Lenzen  1483  von  Heinrich  Graweve  von  Braun- 
sohwe^,  Johanneskirche  zu  Werben  *)  1489  von  Hermann  Bonstede,  in 
der  Nicolaikirche  zu  Spandau  1498.  Ausserdem  undatirtdie  Tatifkessel 
in  der  Elisabethkirche  zu  Breslau,  in  der  Heil.  Kreuzkirche  zu  Han- 
nover ^) ,  in  der  Marktkirche  daselbst  und  im  Dom  zu  Münster.  —  In 
Böhmen  kommen  mehrfach  zinnerne  Taufkessel  vor ,  unter  welchen  der 
von  1414  in  der  Teynkirchezu  Prag  für  den  ältesten  gilt,  indem  die  an- 
gebliche Datirung  der  Taufe  in  der  Dechanteikirche  zu  Benatek  von  1289 
sehr  zweifelhaft  ist.  Den  auf  hohen  Thierfüssen  stehenden  Taufgrapen  in 
der  Dechanteikirche  zu  Tabor  *)  von  14..  goss  »rn^r.  smon^  (Meister 
Simon).  —  Aus  der  ersten  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts  befin- 
den sich  Taufkessel  in  der  Lambertikirche  zu  Koesfeld  1504  von  Reinolt 
Widenbrock  und  Klaes  Potgeiter  in  Dortmund,  in  der  Lambertikirche  zu 
Hildesheim  1504,  in  der  Kirche  zu  Kröpelin  1508  von  Andreas  Riwen, 
in  der  Stephanskirche  zu  Tangermünde  1508  von  Heinrich  Mente  zu 
Braunschweig ,  welcher  auch  1510  die  Taufe  in  der  Kirche  zu  Nordheim 
gegossen  hat;  ferner  in  der  Nicolaikirche  zu  Mölln  ^)  1509  (mit  kegel- 
förmigem Deckel) ,  in  der  Kirche  zu  Flintbeck  ®)  bei  Kiel  1515  von 
Meister  Reumer,  in  der  Marienkirche  zu  Salzwedel  1520  von  Hans  von 
Köln  zu  Nürnberg,  Petrikirche  zu  Braunschweig  1530,  Andreaskirche  zu 
Hildesheim  1547.  Im  südlichen  Deutschland  die  undatirten  Taufen  in 
der  Martinskirche  zu  Amberg  im  Regenkreis  von  Meister  Paul  in  Amberg ; 
in  der  Stiftskirche  zu  Heinsberg  im  Reg. -Bez.  Aachen. 

Anmerkung.  Bei  Ertheilung  der  Taufe  mittelst  blosser  Benetzimg 
(adspersio)  des  Kopfes,  welcher  Ritus  hie  und  da  bereits  im  XV.  Jahrh. 
vorgekommen  zu  sein  scheint,  aber  erst  im  XVII.  allgemein  geworden  sein 
dürfte,  bediente  man  sich  der  Taufschüsseln,  welche  auf  den  Tauf- 
stein etc.  gesetzt  wurden ,  und  deren  sich  in  den^Kirchen  weit  und  breit 
viele  vorfinden ,  die  aus  Messing  getrieben  sind ,  vermuthlich  von  Becken- 
gchlftgern  in  Nürnberg,  Augsburg,  Braunschweig  etc.  fabrikmässig  gefertigt 
und  durch  den  Handel  bis  in  ausserdeutsche  Länder  verbreitet  wurden.  Sie 
kommen  in  runder  und  ovaler  Form  in  verschiedenen  Grössen  vor;  die 
kleinsten  oft  nur  mit  einer  Granatäpfelverzierung  in  der  Mitte,  die  grosseren 


1)  Abbild,   bei   Mithoff,    Archiv   für  Niedersachsens  Kunstgesch.  Abth.  I. 
Taf.  9.  10. 

2)  Abbild,  bei  Stata  u.  Ungewi  tter  a.  a.  O.  Taf.  197  u.  199  Fig.  10.  11. 

3)  Abbild,  bei  Schadow,  Wittenbergs  Denkmäler  Taf.  A. 

4}  Vgl.  Sotzmann,  in  den  M&rk.  Forschungen  2,  30;  nebst  Abbild,  derlnachr. 

5]  Abbild,  bei  Mithoff  a.  a.  O.  Taf.  S.  10. 

6]  Abbild,  in  Mittheil,  der  k.  k.  Central  -  Conunlssion  etc.  1856.  1,  210. 

7)  Abbild,  in  Jahrb.  für  die  Landeskunde  von  Schleswig  etc.  I.  Fig.  1  a  u.  b. 

8)  Vgl.  Lotz  a.  a.  O.  S.  208. 


Orgeln.  225 

mit  einem  Relief  aus  der  biblischen  Geschichte  oder  Legende :  der  SOnden- 
fall^  ein  im  Wasser  stehender  Hirsch  (nach  Ps.  42,  1),  die  Verkündigung, 
der  Kampf  des  heil.  Georg  mit  dem  Drachen  etc. ;  alle  aber  mit  Inschriften 
auf  dem  Rande,  deren  Deutung  viel  zu  schaffen  gemacht  hat.  *)  —  Bei  dem 
Uebergiessungsritus  bediente  sich  der  Täufer  statt  der  Hand  anscheinend 
schon  frühzeitig  auch  eines  geeigneten  Giessgefässes,  in  Uebereinstim- 
mung  mit  den  Beschlüssen  der  Synode  zu  Lüttich  vom  J.  1 287  c.  2 :  »Sacerdos 
super  verticem  pueri  ter  infundat  aqiuim  cum  pelv  i,  vel  aUo  mundo  vase  et 
honesto,   tenens  puerum  nihihminus  una  manu  dtscretea^  und  der  Synode  zu 

Cambray  von  130Ü:  nBapHzans infundat  aquam  cum  bachino,  vel 

alio  mundo  vase  et  honesto.nL^)  Im  National  -  Museum  zu  München  befindet 
sich  ein  höchst  eigenthümliehes  Gefäss  dieser  Art :  es  ist  der  obere  Theil 
eines  ursprünglichen  Jagdhornes  aus  Elfenbein  mit  einem  oberen  und  un- 
teren Metallrande ,  deren  eingegrabene  Inschriften  die  Bestimmung  für  die 
Taufhandlimg  beweisen.  ') 

50.  Die  erste  Orgel*)  [organon]  kam  um  die  Mitte  des  VIII. 
Jahrhunderts  ins  Frankenreich,  und  zwar  als  ein  Geschenk  von  Byzanz 
aus  an  Pipin,  der  sie  in  Compiegne  aufstellte.  *)  Eine  andere  bauten 
die  Künstler  Karls  des  Grossen ,  die  es  den  Griechen  abgesehen  hat- 
ten, für  das  Münster  zu  Aachen®),  wo  sie  zuerst  in  kirchlichem  Ge- 
brauche erscheint  und  bei  aller  ünvoUkommenheit  dennoch  so  grossen 
Beifall  fand,  dass  vom  X.  Jahrhundert  ab  in  den  bischöflichen  Kathe- 
dralen und  in  manchen  Klosterkirchen  in  und  ausser  Deutschland 
Orgeln  gebräuchlich  wurden.  Im  Allgemeinen  war  die  Verbreitung 
derselben  zwar  nur  eine  langsame ;  dennoch  befanden  sich  seit  dem 
Ende  des  XIII.  Jahrhunderts,  und  nachdem  die  Kunst  des  Orgel- 
baues wesentlich  fortgeschritten  war,  in  grösseren  Kirchen  gewöhn- 
lich zwei  Orgeln ,  eine  grössere ,  welche  auf  einer  Empore  am  west- 
lichen Ende  des  Mittelschiffes,  und  eine  kleinere,  welche  auf  dem 
Lettner  (S.  39)  ihre  Stelle  erhielt.  —  In  ihrer  seit  dem  XV.  Jahr- 
hundert vervollkommneten  Einrichtung  gilt  die  Orgel  für  eine  Erfin- 
dung der  Deutschen. 


1)  Vgl.  unten  Abschnitt  III.  A.  b.  Inschriften  auf  Taufbecken. 

2)  Vgl.  August!,  Denkwürdigkeiten  7,  234  f. 

.     3)  Vgl.  Mittlvsü.  der  k.  k.  Central- Commission  etc.  1S6I.  6,  113. 

4)  Vgl.  Chrysander,  W.  C.  Just.,  Histor.  Nachricht  von  Kirchenorgeln.  Rin- 
teln 1756.  —  Antony,  F.  Jos.,  Geschichtl.  Darstellung  der  Entsteh,  u.  Vervoll- 
kommn.  der  Orgel.  Münster  1832.  —  Rettberg,  R.  v. ,  zur  Gesch.  der  Musik- 
instrumente, im  Anzeiger  des  german.  Museums  1 860  in  Xo.  5 — 9  (Notizen  über  die 
Orgel:  Sp.  160.  205.  240.  242.  2S2  u.  319).  —  Organ  für  christl.  Kunst  1861  No.  20 
S.  229  f.  —  Vgl.  auch  Coussemaker,  E.  de,  Histoire  des  Instruments  de  musique 
au  moyen-äge.  Paris  1 S59,  besonders  abgedruckt  aus  den  Annales  arch^ol.  Vol.  III  sqq. 

5)  EinhardiAnnal.  ad  a.  757.  1,  10  bei  Pertz,  M.  G. ,  1,  141  ;  vgl.  Rett- 
berg,  F.,  Kirchengeschichte  Deutschlands  2,  778. 

6)  ErmoldNigell.  III.  639  bei  Pertz  2,  513;  vgl.  Rettberg  a.  a.  O. 
0 1 1  e ,  Kunst- Arch&olo|rl«-  1  ^ 


226 


Orgeln. 


In  Byzanz  bediente  man  sich  der  Orgel  bei  öffentlichen  Lustbar- 
keiten :  die  erste  Einführung  derselben  in  die  Kirche  geschah  zu  Aachen, 
und  der  Mönch  von  St.  Gallen  (2,  7.  p.  751)  beschreibt  ihren  Bau  aus 
Bälgen  von  Rindsleder  und  ehernen  Pfeifen  und  vergleicht  ihren  Ton  an 
Stärke  dem  Donner,  an  Lieblichkeit  der  Lyra  oder  Cymbel ;  dennoch  war 
ihre  Einrichtung  noch  200  Jahr  später  eine  unglaublich  mangelhafte,  und 
die  Wirkung  kann  keine  besonders  angenehme  oder  würdige  gewesen 
sein,  so  sehr  dieselbe  auch  das  Erstaunen  der  Zeitgenossen  erregte.  Unter 
den  Miniaturen  eines  Psalteriums  aus  der  Zeit  der  sächsischen  Kaiser  in 
der  Königl.  öffentl.  Bibliothek  zu  Stuttgart  (Ms.  bibl.  in  4.  n.  23)  be- 
findet sich  zu  Ps.  150  die  Abbildung  einer  Orgel  *)  :  es  ist  ein  einfaches 
Holzgestell ,  auf  dem  die  Windlade  steht ,  und  über  dieser  eine  von  zwei 
Querhölzern  gehaltene  Reihe  dicht  gestellter  und  gleich  grosser  Pfeifen, 
deren  Labien  angegeben  sind ;  vor  der  Windlade  befindet  sich  anscheinend 
die  Claviatur,  die  aus  neun  in  zwei  Abtheilungen  (links  drei,  rechts  sechs) 
getheilten  Tasten  besteht.  Der  Blasebalg,  aus  welchem  drei  Windleitun- 
gen in  die  Orgel  gehen ,  ist  ein  seitwärts  auf  dem  Fussboden  liegender 
Schlauch,  den  drei  Männer  niedertreten,  deren  einer  ihn  mit  einer  Hand- 
habe wieder  aufzieht.   —  Auf  einer  Miniatur  in  dem  Psalter  Edwins  in 


Fig.  93.  Orgel  aas  dem  Psalter  Edwin^s  zu  Cambridge,  12tes  Jahrhundort  (nach  Coustemaker). 

der  Bibliothek  zu  Cambridge  aus  dem  Xu.  Jahrh.  erschaut  die  Orgel*) 
als  eine  Art  Tisch ,  aus  dem  in  zwei  Registern  zehn  Pfeifen  (sechs  ein- 
fache und  vier  doppelte)  von  symmetrisch  wachsender  Länge  hervorragen. 
Zwei  Mönche  als  Organisten ,  jeder  ein  Register  dirigirend ,  stehen  hinter 


1)  Abbild,  bei  Hefner-Alteneck,  J.  v.,  Trachten  des  christl.  M.  A.  Abth.  L 
Tof.  53. 

2)  Abbild,  bei  Coussemaker,  in  den  Annales  archöol.  4,  31. 


Orgeln.  227 

dem  Tische  und  ertheilen  ihre  Weisungen  an  die  zu  beiden  Seiten  paar- 
weise aufgestellten  vier  Calcanten ,  welche  angestrengt  beschäftigt  sind, 
die  vor  dem  Tische  in  einem  besonderen  Kasten  befindlichen  Blasebälge 
mit  langen  Stangen  aufzuziehen  und  niederzudrücken.  Vor  dem  Gehäuse 
der  Bälge  sieht  man  drei  starke ,  wohl  verwahrte  Cylinder :  offenbar  Be- 
hälter zur  Ansammlung  des  Windes  behufs  gleichmässiger  Vertheilung 
desselben  in  den  Pfeifen.  —  Bei  weitem  unvollkommener  in  der  Wind- 
zuführung  als  dieses  englische  Orgelwerk  erscheint  die  in  der  (aus  Kloster 
Scheyem  stammenden)  Mater  verborum  aus  der  ersten  Hälfte  des  XIIL 
Jahrh.  auf  der  HofbibHothek  zu  München  (cod.  Schir.  3,  pict.  7  c)  abge- 
bildete Orgel:  ein  hoch- viereckiger  Kasten,  aus  welchem  vom  lange  Züge 
hervor-,  oben  mehrere  Pfeifen  emporstehen,  und  wobei  hinten  ein  Ge- 
hilfe an  ein  kleines  Loch  des  Kastens  einen  genau  mit  der  Spitze  hinein- 
passenden Blasbalg  einsetzt.  ^)  —  Gegen  Ende  des  XIII.  Jahrh.  führt 
der  jüngere  Titurel  in  der  Beschreibung  des  prachtvollen  Oralstempels 
bereits  zwei  Orgeln  an,  eine  kleinere  im  Chore  *;,  eine  grössere  ')  hoch 
über  dem  Westportale  :  erstere  zum  Intoniren  des  Priestergesanges,  letz- 
tere zur  Verherrlichung  feierlicher  Hochämter.  Der  Dichter  vergleicht 
die  Orgel  einem  Baume  aus  rothem  Golde  mit  vielen  belaubten  Zweigen, 
die  Pfeifen  mit  Vögeln ,  die  in  den  Zweigen  sassen  und  durch  den  von 
Bälgen  künstlich  hineingeleiteten  Wind  mit  süsser  Stimme  sangen,  hoch 
und  niedrig,  wie  es  der  Meister  nach  Anleitung  der  verschiedenen  Schlüssel 
bestimmte.  Zu  den  Seiten  der  Orgel  standen  vier  auf  goldenen  Hörnern 
blasende,  an  das  jüngste  Gericht  mahnende  Engel.  Die  Bälge  waren 
draussen  angebracht  und  wurden  von  Windmühlen  getrieben.  *) 

Die  ältesten  Orgelmacher  waren  Geistliche :  im  J.  826  meldete  sich 
bei  Ludwig  dem  Frommen  ein  Priester  aus  Venedig,  Namens  Georg, 
welcher  verspricht  eine  Orgel  nach  griechischer  Art  zu  bauen  und  freund- 
lichst empfangen  wird,  da  er  etwas  biete,  was  zuvor  im  fränkischen 
Reiche  nicht  im  Gebrauch  gewesen  wäre.  *)  Dagegen  erbat  sich  etwa 
fünfzig  Jahr  später  Papst  Johann  VIII.  bereits  einen  deutschen  Orgel- 
bauer aus  Freising.  •)  —  Nach  der  unverbürgten  Angabe  eines  Schrift- 
stellers aus  dem  XVII.  Jahrh.  ^)  sollen  sich  bereits  im  XI.  Jahrh.  in  Er- 
furt ,  Magdeburg  und  Halberstadt  Orgeln  befunden  haben ,  von  denen  er 
noch  Ueberreste  mit  Inschriften  gesehen  haben  will.  Sicher  ist,  dass  noch 
um  das  Jahr  1700  eine  sehr  alte  Orgel  im  Halberstädter  Dome  vorhanden 
war :  bei  einer  Breite  von  etwa  drei  Fuss  hatte  sie  nur  wenige  sehr  grosse 
bleierne  Pfeifen  und  neun  Tasten  von  Handbreite,  die  man  nur  mit  der 
Faust  oder  dem  Einbogen  niederdrücken  konnte.     Sie  hatte  viele  kleine 


1)  Vgl.  Rettberg,  R.  v.,  a.  a.  O.  Sp.  205. 

2)  Str.  S I .  S2,  in  den  Abhandl.  der  philosoph.-philolog.  Klasse  der  Bayerischen 
Akad.  der  Wissensch.  Bd.  1.  1835  S.  372. 

3).  Str.  96—102,  ebd.  S.  380. 

4)  Str.  102:  »WindrniU  von  aussen  ferne  mit  bälgen  da  den  bradern  gebten,* 

5)  Anon.  vita  Hludow.  imp.  40  u.  Einhardi  Annal.  ad  a.  826  bei  Pertz 
I,  215;  Rettberg,  R.  v.,  a.  a.  O.  Sp.  161. 

6)  Kreuser,  Kirchenbau  f,  152. 

7)  Praetorius  (f  1621),  Synteigma  music.  2,  3. 

15* 


228  Orgeln. 

Blasbälge,  und  es  waren  an  derselben  drei  singende  Mönche  abgemalt.  ^)  — 
Im  Münster  zu  Freising  ging  die  alte  Orgel  1 1  59  durch  Feuer  zu  Grunde. 
—  Gleiches  Schicksal  hatte  im  J.  1200  die  Orgel  in  der  Klosterkirche 
auf  dem  Petersberge  bei  Halle  a.  d.  S. :  bis  1207  vollendete  der  Keller- 
meister Tidericus  eine  neue.  —  Während  in  Cöln  schon  1250  der  Laie 
Johannes  als  y^factor  organorum  a  vorkommt  ^) ,  wird  der  Dominicaner 
Ulrich  Engelbrecht,  ein  Schüler  des  Albertus  Magnus,  um  1260  als  Ver- 
fertiger der  ersten  Orgel  für  das  Strassburger  Münster  genannt ;  wie  denn 
bis  zum  Ausgange  des  M.  A.  sich  einzelne  Mönche  mit  dem  Orgelbau 
beschäftigten.  —  In  Nördlingen  soll  es  schon  im  XIII.  Jahrh.  einen  be- 
soldeten Organisten  gegeben  haben.  —  Im  J.  1312  erbaut  ein  Deutscher 
eine  Orgel  in  Venedig,  und  bei  der  Oberkirche  zu  Frankfurt  a.  O.  hat 
sich  vom  J.  1330  eine  Instruction  für  den  Organisten  erhalten:  rtwy  eyn 
orgenhte  st/n  ding  halden  sal.a  Darin  heisst  es,  wer  der  Orgel  vorsteht, 
der  soll  zu  den  Zeiten ,  wo  man  auf  den  Orgeln  singen  soll ,  in  den  Chor 
zu  dem  Schulmeister  gehen  und  ihn  um  einen  Treter  bitten,  zugleich  sich 
mit  ihm  besprechen ,  was  man  singen  solle ,  damit  Chor  und  Orgel  über- 
einstimmen, und  nicht  eine  Confusion  entstehe.  ')  —  Im  J.  1388  wird  die 
Orgel  in  der  Martinikirche  zu  Braunschweig  erwähnt.  —  Um  1400  lebt 
der  Orgelmeister  Jörg  zu  Wien ,  welcher  die  grosse  Orgel  zu  St.  Stephan 
daselbst  und  auch  viele  andere  in  dem  ganzen  Lande  zu  Gestenreich 
machte  und  verbesserte.  *)  —  Im  Laufe  des  XV.  Jahrh.  vervollkommnete 
sich  der  Orgelbau  wesentlich.  Auf  dem  Genter  Altare  der  Gebrüder  van 
Eyck  von  1432  im  Museum  zu  Berlin  ist  die  heil.  Caecilie  vor  einem 
grossen  tragbaren  Positive  dargestellt,  dei^sen  im  Prospect  stehende  Metall- 
pfeifen völlig  den  noch  jetzt  üblichen  gleichen ;  auch  hat  dieses  Werk  be- 
reits eine  chromatisch  geordnete  Claviatur  und  anscheinend  zwei  Register- 
züge ;  die  Art  und  Weise,  wie  die  Heilige  die  Tasten  niederdrückt ,  setzt 
eine  schwere  Spielart  voraus.  —  Ein  wichtiger  Fortschritt  war  die  Er- 
findung des  Pedals,  welche  dem  Heinrich  Drassdorf  (Traxdorf;  zu  Nürn- 
berg 1444,  oder  einem  Deutschen,  Namens  Bernhard,  in  Venedig  um 
1470,  oder  endlich  erst  dem  Joachim  Sti-unck,  Organisten  der  Petrikirche 
zu  Braunschweig,  1589  zugeschrieben  wird.  —  Die  noch  in  der  Renais- 
sance übliche  Disposition  des  im  Prospect  stehenden  Pfeifen  erscheint 
schon  mindestens  seit  der  Mitte  des  XV.  Jahrh.  gewöhnlich:  der  Orgel- 
macher Meister  Stephan  Kaschendorf  baut  1460  die  Orgel  in  der  ElLsabeth- 
kirche  zu  Breslau,  »mit  zweien  Ausladungen  und  Türmena.  *)  Namen  von 
Orgelbauern  sind  besonders  seit  der  zweiten  Hälfte  des  XV.  Jahrh.  viel- 
fach auf  uns  gekommen ;  dem  geistlichen  Stande  gehörten  an :  der  Priester 
Michael   Gerlach   von  Lipss    (Leipzig?)  ,    welcher  mit  Hilfe   von   Peter 


1)  Zeiler,  Topogr.  Sax.  inf.  8.  119. 

2)  Fahne,  Ant. ,  Diplomat.  Beiträge  zur  Gesch.  der  Baumeister  des  Cölner 
Domes  S.  3S. 

3)  Spieker,  Ch.  W. ,  Beschreib,  u.  Gesch.  der  Marien-  oder  Oberkirche  zu 
Frankfurt  a.  O.  S.  30.  —  Abbild,  von  Orgeln  aus  dem  XIV.  Jahrh.  in  Wagner, 
Trachtenbuch  des  M.  A.  Hft.  5  Bl.  7  Fig.  10  u.  12. 

4)  Vgl.  Schneegans,  L.,  im  Anzeiger  des  german.  Museums  1857  Sp.  177  ff. 
5]   Schm eidler,  die  evangel.  Haupt-  u.  Pfaxrk.  zu  St.  Elisabet  S.  91. 


Orgeln. 


229 


Oeneris  (oder  Gereis)  von  St.  Polten  in  Oesterreich  1433  die  Orgel  im 
Münster  zu  Strassburg  neu  erbaute  ')  ;  der  Mönch  Johannes  erhielt  1507 
für  die  kleine  neue  Orgel  in  der  Oberkirche  zu  Frankfurt  a.  O.  26  Fl. 
und  im  folgenden  Jahre  wiederum  eine  Zahlung  für  das  Stimmen  dieses 
Positivs  ^j  ;  Jakob  Kunigsschwerd ,  Frater  des  Klosters  Zwetl ,  erneuerte 
1544  die- Orgel  bei  der  untern  Sacristei  in  St.  Stephan  zu  Wien,  und  war 


Fi;.  94.  0rg9\  im  Uebergmngtttil,  nach  einem  Entwürfe  von  ▼.  Quatt  für  den 
Lettner  des  Doms  in  Naumburg. 

ein  so  berühmter  Künstler ,   dass  ihn  König  Ferdinand  nach  Prag  berief, 
um  dort  eine  neue  Orgel  zu  verfertigen.  ')  —  Um  1500  galten  die  Orgeln 


1}  Schneegans  a.  a.  O.  Sp.  17S.  2)  Spieker  a.  a.  O.  S.  31. 

3)  Tschischka,  Fz.,  die  MetropoUtank.  zu  St.  Stephan  in  Wien.  2.  Ausg.  S.IOS. 


230  Tonschrift. 

in  der  Barfüsserkirche  zu  Nürnberg  (von  Konrad  Rotenburg  um  1495) 
und  in  der  Capitelskirche  zu  Bamberg  als  die  besten ,  und  die  Orgel  im 
Dome  zu  Braunschweig  (von  Heinrich  Kran2  1499)  für  die  grOsste  in 
Deutschland. 

Erhalten  haben  sich  nur  wenige  mittelalterliche  Orgeln,  und  diese 
gehören  dem  Ende  des  XV.  und  dem  XVI.  Jahrh.  an:  in  der  Karmeliter- 
kirche zu  Kiederich  (die  mittlere  Ausladung)  ^) ,  in  der  Marienkirche  zu 
Dortmund  *) ,  im  Münster  zu  Strassburg  (von  Friedrich  Krebser  von 
Anspach;  gest.  1493)  ') ,  in  der  Stiftskirche  zu  Bützow,  in  der  Jacobi- 
kirche  zu  Lübeck  die  grosse  Orgel  (von  Peter  Lasur  1504),  in  der  Marien- 
kirche daselbst  die  grosse  Orgel  (von  Meister  Bartold  Hering  1516 — 18)  *) 
und  die  aus  der  dortigen  Katharinenkirche  stammende  kleine  über  der 
Todtentanzkapelle.  Das  grosse,  aus  mehr  als  200  Pfeifen  bestehende 
Orgelwalzwerk  auf  der  Festung  Hohen  -  Salzburg  (unter  dem  Namen 
»üTom«  oder  nSiiera  als  Stadtwahrzeichen  geltend)  aus  der  Zeit  von  1495 
— 1519  ist  im  J.  1858  nach  langem  Verfall  wieder  hergestellt  worden.  *)  — 
Die  genannten  Orgeln  in  Dortmund  und  Strassburg  haben  ihre  Stelle  an 
der  (nördlichen)  Langseite  des  Schiffes :  eine  öfter,  besonders  in  Preussen 
vorkommende  Abweichung  von  der  normalen  Aufstellung  am  Westende.  — 
Die  künstlerische  Ausgestaltung  und  Verzierung  der  Orgelgehäuse  folgt 
dem  in  der  Architektur  der  Zeit  herrschenden  Geschmack:  das  van 
Eyck'sche  Positiv  ist  am  unteren  Theile  des  Kastens  mit  reichem  Maass- 
werk schön  geschmückt ;  die  Orgel  in  Kiederich  zeigt  an  ihren  Thürmen 
den  Zinnenkranz ;  die  in  Dortmund  hat  vegetabilischen  Charakter ;  die  in 
Strassburg  lässt  die  Horizontallinie  überwiegen  ;  die  grosse  Orgel  in  Lübeck 
(über  72  F.  rhl.  hoch  und  halb  so  breit)  ist  ein  mächtiger,  pflanzenhaft 
behandelter  Tabemakelbau  mit  einer  Figur  der  Himmelskönigin  im 
Wipfel.  —  Die  Orgelthüren  wurden  zuweilen  mit  werthvollen  Malereien 
geschmückt :  dergleichen  mit  neutestamentlichen  Vorgängen  bemalte  Ta- 
feln von^  Anfange  des  XVI.  Jahrh.  haben  sich  aus  der  Stiftskirche  zu 
Wettenhausen  in  der  Pinakothek  zu  München  erhalten. 

Anmerkung.  Die  Tonschrift  bestand  bis  ins  X.  Jahrh.  aus  Neu- 
men  (mancherlei  Punkten,  Häkchen,  Strichen  und  Schnörkeln) ,  die  nur  zur 
Nachhilfe  des  Gedächtnisses  dienten  und  höchst  unbestimmt  und  vieldeutig 
waren.  •)  Hu c bald  zu  St.  Amand  in  Flandern  (f  930)  soU  sich  zuerst 
der  Linien  bedient  haben,  und  der  Benedictiner  Guido  von  Arezzo  in 
Toscana  (1000 — 1050)  erleichterte  die  bisherige  Notation  mehrfach,  nament- 
lich auch  durch  Einfahrung  einer  zweiten  gelben  Schlüssellinie  zu  der  schon 
vor  ihm  gebrauchten  rothen :  letztere  den  Grundton ,  erstere  die  Quinte  be- 


1)  Abbild,  von  y.  Quast  in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen  1853  Bl.  9  Fig.  2. 

2)  Abbild,  ebd.  Fig.  3. 

3)  Abbild,  bei  Gailhabaud,  Denkm.  Lief.  CXXXI.  —  Schmidt,  Ch.  W., 
der  Aufriss  zu  der  Orgel  des  Münsters  zu  Strassburg. 

4)  Abbild,  bei  Förster,  E.,  Denkm.  Baukunst  Bd.  VL  Taf.  zu  S.  31. 

5)  Vgl.  Jahrbuch  der  k.  k.  Central  -  Commission  etc.  3,  XVII;    Anzeiger  des 
german.  Museums  1S5S  Sp.  2S8. 

6)  Hucbald  Elnon.  (bei  Gerbert,  SS.  1, 117) :  »Incerio  enim  semper  videniem 
ducunt  vestigxo,« 


Grabdenkmäler.  231 

zeichnend.  Die  vennuthlich  von  einem  Laien  ausgegangene  eigentliche 
Notenschrift  (Zirkel,  Vierecke  und  Punkte  auf  einem  Liniensysteme)  blieb 
zuerst  von  der  Kirche  ganz  unbeachtet ,  indem  für  den  kirchlichen  Gesang 
im  XII.  Jahrhundert  noch  lange  die  Neumen  beibehalten  wurden.  —  Auf 
Pergament  geschriebene  Chorbücher,  namentlich  des  späteren  M.  A.^ 
kommen  noch  häufig  vor  und  sind  oft  mit  Miniaturen  geschmückt. 

Mittelalter].  Quellenschriften  über  Musik  findet  man  gesammelt  bei  Ger- 
bert, Scriptores  eccl.  de  musica  sacra  (St.  Blasien  1784).  —  Der  älteste  und 
wichtigste  musikal.  Codex  ist  das  Antiphonarium  in  der  Bibliothek  zu  St. 
Gallen  aus  dem  YIII.  Jahrb.  (in  Facsimile  herausgegeb.  von  dem  Jesuiten  L. 
Lamblllotte.  Paris  1851);  vgl.  Schubiger,  Ans.,  die  S&ngerschule  von 
St.  Gallen  vom  YIII— XII.  Jahrh.  Einsiedeln  18.58.  —  Belehrend  über  die 
Möglichkeit  einer  sicheren  Entzifferung  der  Neumen  u.  mittelalterl.  Noten  ist 
die  von  LambiUotte  a.  a.  O.  gegebene  Zusammenstellung  eines  und  des- 
selben Gesanges  (des  Graduale  der  dritten  Weih  nachtsmesse :  Yiderunt  omnes 
fines  terrae  etc.)  in  Tonschrift  des  YIII— XIV  und  XYII.  Jahrhunderts  aus 
Antiphonarien  der  betreffenden  Zeit  (abgedr.  auf  der  Musikbeilage  zu  No.  10 
des  Organs  für  christl.  Kunst  1 855) .  —  Andere  Proben  von  Musikschrift  aus 
verschiedenen  Jahrhunderten  bei  G  e  r  b  e  r  t,  de  cantu  et  musica  sacra  2,  6 1  sqq. ; 
in  W  alt  h  er,  J.  L.,  Lexicon  dipl.  2  zugleich  mit  Auflösung  in  moderne  Noten- 
schrift; auch  bei  Anthes,  F.  C. ,  die  Tonkunst  im  evangel.  Cultus  1846. 
Beil.  ] — 3.  —  T.  O.Weigelln  Leipzig  besitzt  eine  Sammlung  von  Facsimiles 
sp&tmittelalterlicher  Musikschriftproben  (von  Y arges  aus  Nordhausen),  zum 
Theil  mit  Miniaturen.  —  "Ueber  die  alten  musikal.  Bezeichnungen:  Revue 
arch^ol.  1850.  J2.  livr.  —  üeber  Gesch.  der  mittelalterl.  Musik:  Neu- 
mai er,  J.,  Gesch.  der  christl.  Kunst,  der  Poesie,  Tonkunst  etc.  1856.  Bd.  1 
(Abth.  2) ;  vgl.  auch  Jakob,  die  Kunst  im  Dienste  der  Kirche  S.  164—223. 

51.  Die  Sitte,  Verstorbene,  besonders  geistlichen  und  adeligen 
Standes ,  in  den  Kirchen  und  deren  Nebenräumen  zu  begraben  und 
die  Stätten  mit  Grabdenkmälern  *)  zu  bezeichnen,  geht  durch  das 
ganze  christliche  Mittelalter ;  der  hohe  Chor  blieb  indess  in  der  Kegel 
von  Gräbern  frei,  und  nur  die  Stifter  der  Kirchen  wurden  hier  beige- 
setzt. Während  das  Mittelschiff  gewöhnlich  der  höheren  Geistlichkeit 
vorbehalten  war,  wurden  die  niederen  Geistlichen  und  vornehme  Laien, 
diese  meist  wohl  nur  in  Folge  von  Stiftungen  oder  gegen  sonstige 
Bezahlung,  in  den  Seitenschiffen  und  Kreuzgängen  begraben;  die 
Würdenträger  der  Klöster  nicht  selten  im  Capitelsaal.  *)  —  Die  Grab- 


1)  Sammlungen  mittelalterl.  Grabdenkmäler  in  künstlerischen  Abbild. :  Borst, 
J.  G.  Leon.,  Grabdenkmäler.  (1842.)  1846.  —  Schmidt,  Chr.  W.,  Grabdenkmäler 
des  Hauses  Nassau- Saarbrücken  zu  St.  Amual.  1846.  —  Eine  sehr  reichhaltige  chro- 
nolog.  TJebersicht  von  Grabmälem  im  Conversat.-Lex.  für  bild.  Kunst.  VII.  S.  364 — 
440  und  die  betr.  Literatur  ebend.  S.  440  ff. 

2)  Die  »Comuetudines*^  der  bischöflichen  Kirche  zu  Merseburg  aus  der  Zeit  um 
1323  besagen:  »Nulliis  nisi episcopus  aut  prepositns  in  navi  JEcclanet  Canonicus  in 
lateribua  in  ecolesia,  et  vicarius  et  alia  memhra  in  ambittf,  laydforie  sanctum  michae- 
lem,  nisi  essent  insignesi  in  ambitt*  (d.  h.  in  dem  sog.  kleinen  Kreuzgange  bei  der 
Michaeliskapelle)  sepelienttir  et  non  in  ecclesia.^  Vgl.  N.  Mittheil,  des  Thüring.-Sächs. 
Vereins  2,  232.  —  Anderivärts  galten  andere  Gebräuche :  so  befinden  sich  z.  B.  die 
Gräber  der  Bischöfe  von  Freising  fast  alle  in  den  Seitenschiffen. 


232  Begräbnisse  in  den  Kirchen  etc. 

denkmäler  sind  der  Form  nach  entweder  liegende  oder  stehende; 
letztere  gehören ,  mit  einigen  Ausnahmen  aus  dem  früheren  Mittel- 
alter, erst  späteren  Zeiten  an. 

Ursprünglich  war  das  Begraben  von  Todten  in  den  Kirchen  zwar 
strenge  verboten ,  und  diese  sollten  ausser  den  Heiligenleibem  und  den 
Reliquien  in  den  Altären  keine  sterblichen  Ueberreste  umschliessen : 
indess  selbst  wiederholte  Verbote  drangen  nicht  durch  gegen  die  allge- 
meine Sehnsucht  der  Gläubigen ,  dem  Leibe  in  Erwartung  der  künftigen 
Auferstehung  eine  Ruhestätte  innerhalb  der  geweihten  Mauern  des  Gottes- 
hauses zu  bereiten.  Auch  musste  man  es  gerechtfertigt  finden,  für  hoch- 
verdiente Kirchen-  und  Klostervorstände ,  wie  auch  für  besonders  ausge- 
zeichnete Wohlthäter  der  Kirchen  einen  Grabraum  in  denselben  zuzulassen, 
wodurch  allmählich  das  ursprüngliche  Verbot  in  Vergessenheit  gerieth, 
und  das  Begraben  der  Todten  in  den  Kirchen  zur  Sitte  wurde.  ')  Am 
längsten  wurde  noch  von  den  Cisterziensem  das  Gksetz  aufrecht  erhalten, 
dass  in  ihren  Klöstern  Frauen,  sei  es  lebend  oder  todt ,  nicht  eingelassen 
werden  durften,  und  ein  Abt  dieses  Ordens,  der  das  Begräbniss  einer 
Frau  in  seiner  Kirche  erlaubt  hatte ,  wurde  von  dem  General  -  Capitel  im 
J.  1 193  hart  bestraft.  ^)  Die  Bestattung  von  Königen,  Königinnen  und 
Bischöfen  war  dagegen  überall  in  den  Kirchen  gestattet,  und  den  Stiftern 
derselben  gestand  man  seihst  ein  Grab  in  der  Mitte  des  hohen  Chores  zu. 
Bischöfe  wurden  regelmässig  in  ihren  Kathedralen  begraben ;  es  sei  denn, 
dass  sie  eine  andere  Kirche  gestiftet  hatten ,  in  welcher  sie  denn  auch  ihr 
Grab  bestimmten.  So  z.  B.  wurde  Erzbischof  Bruno  von  Cöln  im  J.  965 
in  der  von  ihm  erbauten  Kirche  St.  Pantaleon  begraben ,  Bischof  Werner 
von  Merseburg  in  der  Kirche  des  von  ihm  gestifteten  dortigen  Petri- 
klosters  1093  und  Erzbischof  Werner  von  Magdeburg  1078  in  der  von 
ihm  erneuerten  Marienkirche  daselbst.  Letztere  wurde  auch  die  Ruhestätte 
seines  Nachfolgers  Heinrich  1107,  weil  dieser  wahrscheinlich  den  Bau 
weiter  geführt  hatte.  Mit  derselben  Kirche,  die  er  abermals  erneuerte,  ver- 
band Erzbischof  Norbert  ein  Prämonstratenserkloster,  galt  deshalb  als  neuer 
Stifter  der  Kirche  und  wählte  auch  sein  Grab  in  ihr.  —  Aehnlich  verhielt 
es  sich  auch  mit  den  Stiftern  und  Wohlthätern  von  Messaltären ,  welche 
häufig  vor  denselben  begraben  wurden,  z.  B.  der  Merseburger  Bischof 
Heinrich  von  Stolberg  1366  vor  dem  von  ihm  in  der  Kathedrale  gegrün- 
deten Altare  des  heil.  Killan,  sein  Nachfolger  Friedrich  von  Hoym  (gest. 
1382  als  Erzb.  von  Magdeburg  in  Merseburg)  vor  dem  von  ihm  im  Dome 
gegründeten  Altare  der  heil.  Barbara  etc.  —  Im  Capitelsaal  am  Dome 
zu  Magdeburg  befindet  sich  das  Grab  eines  Dechanten  aus  dem  XIV. 
Jahrhundert,  und  nach  den  Statuten  der  Cisterzienser  konnten  die  Aebte, 
wenn  sie  es  wünschten,  im  Capitelsaale  bestattet  werden ;  im  Capitelsaale 
des  Cisterzienserklosters  Maulbronn  waren  nicht  bloss  mehrere  Aebte  be- 
graben,    sondern  ausser  einigen   auswärtigen  Stiftsherren    selbst  zwei 


I)  Vgl.  Mittheil,  der  k.  k.  Central- Commission  etc.  1856.  1,  57. 
2]  Vgl.   Feil,   in  den  Mittelalter!.  Kunstdenkm.  des  Oesterreichischen  Kaiser- 
staates ],  9. 


Grabsteine. 


233 


»sorores«  (1276)  und  eine  Bürgerin  von  Speier  (1345).  *)  Im  Capitelsaale 
des  Klosters  Bebenhausen  liegen  mehrere  Glieder  des  Geschlechts  der 
Pfalzgrafen  von  Tübingen  aus  dem  XIII.  und  XIV.  Jahrh.  mit  Frauen 
und  Kindern  begraben  ^j ,  und  der  Capitelsaal  galt  hier  als  die  ehrenvollste 
Begräbnisstätte.  Vgl.  oben  S.  80.  —  Nach  einer  Festsetzung  des  Kir- 
chenpatrons von  1513  mussten  für  ein  Begräbniss  im  Münster  zu  Frei- 
burg i.  B.  20  rhein.  Gulden  zum  Kirchenbau  numb  Gottes  Willens  ent- 
richtet werden,  und  zwar  mit  Rücksicht  darauf,   dass  Papst  Leo  X.  das 

Begraben  der  Todten  in  imd  bei  den 
Kirchen  der  Stadt  wegen  der  häufigen 
Pestläufte  verboten  und  die  Errich- 
tung eines  neuen  Gottesackers  ausser- 
halb der  Stadt  befohlen  hatte.  ^) 

Liegende  Grabdenkmäler: 
Leichensteine,  als  einfache  Bedeckung 
des  Grabes.  Die  Form  derselben  war 
in  verschiedenen  Gegenden  und  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  verschieden ;  insbe- 
sondere gilt  dies  von  dem  Verhältniss 
der  Länge  zur  Breite,  welches  z.  B.  im 
Magdeburgischen  in  der  zweiten  Hälfte 
des  XIII.  Jahrh.  wie  5  :  2.  ist,  um  1400 
dagegen  oft  wie  5:4.  Ueberhaupt  sind 
wohl  überall  die  älteren  Grabsteine  auf- 
fallend schmal.  *)  Während  sonst  das 
Rechteck  die  gewöhnliche  Form  ist, 
kommt  zu  Cöln  in  St.  Maria  auf  dem 
Capitol  (unter  der  Orgel)  eine  ganze 
Reihe  von  Grabsteinen  aus  rothem 
Sandstein  vor  (ein  ähnlicher  auch  in 
St.  Pantaleon) ,  die  zu  Raupten  etwa 
um  %  breiter  sind  als  zu  den  Füssen, 
und  das  Verhältaiss  der  unteren  Breite 
zu  der  etwa  7  F.  betragenden  Länge 
ist  wie  1:3.  Höchst  eigenthümlich  ist 
die  Verzierung  derselben  mit  einem 
flach  erhobenen  Stabwerk,  welches  sich  theils  kreuzförmig  durchschneidet, 
theils  durch  Rundungen  eine  grössere  Abwechslung  hervorbringt;  auf 
einzelnen  finden  sich  Kreuzstäbe ,  auch ,  wie  es  scheint ,  Bischofstäbe  an- 
gedeutet, und  einige  sind  im  Spätmittelalter  nochmals  benutzt  worden 
und   dem  entsprechend   mit  Inschriften  etc.    versehen.     Data  über  das 


Rg.  95, 


Grabetein  in  St.  Maria  auf  dem  Capitol 
in  Cöln  (nach  de  Öaumont). 


1)  Vgl.  Klunzinger,  C, ,  Artist.  Beschreib,   der  Abtei  Maulbronn.  3.  Aufl. 
S.  38  0". 

2)  Pfalzgraf  Rudolf  (t  1219)  war  Stifter  dieses  Klosters ;   vgl.  Klunzinger, 
Artist.  Beschreib,  der  Abtei  Bebenhausen  S.  24. 

3)  (Schreiber)  Denkm.  deutscher  Baukunst  ani  Oberrbein,  Beil.  zum  2.  Text- 
heft S.  22. 

4)  Wiggert  in  den  N.  Mittheil,  des  Thüring.- Sachs.  Vereins  VI.  2,  29. 


234 


Grabsteine. 


eigentliche  Alter  dieser  Steine  fehlen  ganz ;  die  Annahme  ihres  Ursprungs 
aus  fränkischer  Zeit  hat  das  Vorkommen  eines  den  Cölnischen  völlig  ver- 
wandten, mit  drei  Erummstäben  bezeichneten  Grabsteines  im  Dome  zu 
Bremen  durchaus  gegen  sich,  was  vielmehr  frühestens  auf  das  XI.  Jahrh. 


Fig.  96.  Leichenstein  von  1 125  zu  St.  Moritx  in  Naumburg  (nach  Lepsius). 

ZU  deuten  scheint.  *)  Auch  die  mit  einer  auf  Erzbischof  Adalbert  *) 
(f  980)  bezogenen  Relieffigur  geschmückte  Qrabplatte  in  Bronzeguss  im 
Dome  zu  Magdeburg  ist  am  oberen  Ende  breiter  als  unten.  —  Sehr  selten, 
und  dann  jedenfalls  älterer  Zeit  angehörig,   sind  wohl  solche  Leichen- 


1)  Abbild,  der  Cölner  Grabsteine  bei  Kugler,  Kl.  Schriften  2,  252  und  bei 
deCaumont,  Ab6c4daire  4.  6d.  1,  274.  Der  Bremer  Stein  ist  abgeb.  bei  Müller, 
H.  A.,  der  Dom  zu  Bremen  S.  32. 

2)  Abbild,  bei  Rosen thal,  der  Dom  zu  Magdeb.  Lief.  V.  Taf.  VI.  3. 


Hocbgräber.  235 

steine,  die  den  römischen  entsprechend  an  der  oberen  Schmalseite  giebel- 
artig zusammenlaufen,  wie  der  Grabstein  des  Bischofs  Richwinus  von 
Naumburg  (f  1125)  zu  St.  Moritz  daselbst.  *)  —  Während  in  Bronze 
gegossene  Grabplatten  bereits  früher  vorkommen  (z.  B.  im  Dome  zu 
Merseburg  mit  der  Relieffigur  des  Öegenkaisers  Rudolf  von  Schwaben, 
gest.  1080),  werden  seit  dem  XIII.  Jahrb.,  besonders  in  Norddeutsch- 
land, MetaUgrabplatten  (Messing,  Bronze)  häufig,  die  aus  mehreren  Tafeln 
zusammengesetzt  zu  sein  pflegen  und  mit  geschnittenen  oder  gravirten 
Darstellungen  versehen  sind :  die  älteste  bis  jetzt  bekannte  Platte  (von 
6ytX2Ys  F«)  mit  gravirter  Zeichnung  des  Verstorbenen  (Bischofs  Yso 
von  Verden^  gest.  1231)  befindet  sich  in  der  von  demselben  gegründeten 
Andreaskirche  daselbst.  ^)  —  Die  ältesten  Grabsteine  mit  dem  Bilde  des 
Verstorbenen  zeigen  dieses  ebenfalls  nur  in  vertieften  Umrissen ,  die  zu- 
weilen mit  schwarzem  oder  rothem  Kitt  ausgefüllt  sind  :  Reliefbilder  wur- 
den Anfangs  vermieden ,  um  den  Fussboden  nicht  uneben  zu  machen  ') ; 
sie  gehören  erst  späterer  Zeit  an,  wenn  auch  einzelne  bereits  im  Xni. 
Jahrh.  vorkommen,  z.  B.  der  Grabstein  eines  Ritters,  dem  Wappen  nach 
eines  Herrn  v.*  Hahn,  im  kleinen  Kreuzgang  am  Dome  zu  Merseburg.  *)  — 
Eine  eigenthümliche  Gattung  bilden  mehrere  Grabplatten  aus  dem  XFV. 
Jahrh.  in  der  Klosterkirche  zu  Doberan ,  welche,  im  Anschluss  an  das 
in  Norddeutschland  vorherrschende  Backsteinmaterial ,  aus  einer  Mosaik 
kleiner  Ziegelplättchen  (4 — 5  0 0  zu  einem  Leichensteine  von  c .  6 y4  X  3  V4F . ) 
zusammengesetzt  sind ,  die  in  quadratischer  Form  gebildet  ein  Schach- 
muster von  abwechselnd  rother  iind  dunkler  Farbe  darstellen ,  und  theil- 
weise,  wie  die  zur  Beplattung  der  Fussboden  (s.  oben  S.  72)  dienenden 
figurirten  Ziegel,  mit  Thierbildem  oder  Omamentmustem  versehen  sind.  ^) 
Tumbe n  :  aufgemauerte  mit  einer  Stein-  oder  Metallplatte  bedeckte, 
auch  ganz  aus  Metallplatten  zusammengestellte ,  über  den  Fussboden  er- 
hobene Gräber  oder  Grabmäler.  —  Die  älteren  sind  nur  niedrig  und  imi- 
schliessen  zuweilen  wirklich  den  Leichnam.  Dahin  gehört  das  Grab 
Kaiser  Otto's  des  Grossen  in  der  Mitte  des  hohen  Chores  in  dem  von  ihm 
zuerst  gestifteten  Dom  zu  Magdeburg :  unter  einer  schlichten  Marmorplatte 
ruhen  die  Gebeine  über  der  Erde  innerhalb  eines  aus  MOrtelguss  beste- 
henden, an  manchen  Stellen  nur  einen  Zoll  dicken  Kastens,  in  einer  nicht 
ganz  so  grossen ,  roh  aus  starken  Brettern  gearbeitet-en  Holzkiste.  *)  — 
Die  mit  der  bereits  erwähnten  Gussplatte  bedeckte  ebenfalls  ganz  niedrige 
Tumba  Rudolfs  von  Schwaben  in  der  Vierung  des  Doms  von  Merseburg 
ist  massiver  Stein ,  an  den  Seiten  mit  schlichter  Täfelung  gegliedert.  — 


1)  Abbild,  bei  Lepsin 8,  C.  P.,  Gesch.  des  Moritzkl.  zu  Naumburg  Taf.  HL  1. 
suS.  122. 

2)  Abbild,  im  Correspondenzbl.  des  Gesammtvereins  etc.  1S53.  I,  19. 

3)  Das  Generalcapitel  der  Cisterzienser  von  1194  verordnete  wegen  der  Grab- 
steine: »Coaequentur  terrae,  ne  sint  ofendicnlo  transeimtium.n  Vgl.  Feil  a.  a.  O. 

4)  Abbild,  bei  Puttrich,  Denkm.  II.  Serie  Merseburg  Bl.  VIII.  4  u.  5. 

5)  Vgl.  Jahrbücher  des  Vereins  fQr  meklenb.  Gesch.  u.  Alterthumskunde  9,  428 ; 
19»  3SS ;  Abbild,  in  der  Zeitschr.  für  christ.  Archaol.  u.  Kunst  Bd.  II.  Taf.  2  zu 
S.  28  ff. 

6)  Dieses  wohl  aus  dem  XIII.  Jahxh.  hersührende  (also  nicht  das  ursprOngliche) 
Grab  musste  am  22.  Nov.  1S44  wegen  Schadhaftigkeit  geöffnet  werden. 


236 


Hochgrftber. 


Seit  dem  XIII.  Jahrh.  kommen  Tumben  in  Form  eines  Altares  vor,  z.  B. 
ein  Hochgrab  von  124 1  in  der  Gruft  der  Stiftskirche  zu  Oehringen  mit  vier 


Fi;.  97.  Sarkophagnitche  Ivo't  (f  1142)  iin  Dom  xu  Trier  (nach  de  Caamont). 

Ecksäulen.  —  Zuweilen,  namentlich  im  Rheinlande,  stehen  die  Tumben 
nicht  frei,  sondern  sind  mit  einer  Seite  an  die  Wand  gerückt  und  nischen- 
förmig  überbaut ;  wie  die  niedrigen  Sarkophage  des  Cardinais  Ivo  (gest. 
1142)^)  und  eines  Erzbischofs  (HiDin,  gest.   1169,  oder  Arnold,  gest. 


1)  Abbild,  beide  Caumonta.  a.  O.  S.  266. 


Epitaphien.  237 

1183)  M  ina  Dome  zu  Trier,  und  die  höheren,  gothischen  der  Erz- 
bischöfe Cuno  von  Falkenstein  (gest.  1 388)  *)  und  Werner  (gest.  1418)  •) 
in  der  Castorkirche  zu  Coblenz :  beide  letztere  mit  den  Reliefbildem  der 
Verstorbenen.  —  Auch  die  aus  vier  gegossenen  Bronzeplatten  zusammen- 
gestellte Tumba  Bischofs  Thilo  von  Trotha  (gest.  1514)  im  Dome  zu 
Merseburg  steht  an  der  Wand,  aber  ohne  Ueberbau.  —  Auf  Füssen 
ruhende,  bahrenartige  Stein-  oder  Metallgrabmäler  kommen  in  Deutsch- 


Tig.  98.  Grabmal  des  KarfQrtten  Johann  Cicero  ron  1530  im  Dom  za  Berlin  (nach  Babe). 

land  anscheinend  erst  gegen  den  Ausgang  des  M.  A.  vor.  —  Seit  dem 
Xni.  Jahrh.  tragen  alle  Hochgräber  ein  Bild  des  Verstorbenen  und  auch 
die  Seiten  wände  sind  mit  Reliefs  oder  mit  Inschriften  versehen ;  vgl.  imten 
in.  C.  Historische  Bilder. 

Stehende  Grabdenkmäler:  sog.  Epitaphien  im  engeren  Sinne, 
zum  Gedächtnisse  Verstorbener  an  den  Wänden  und  Pfeilern  der  Kirchen, 
Kreuzgänge  etc. ,  gern  in  der  Nähe  der  Grabstätte  selbst  angebrachte 
Denkmäler  der  verschiedensten  Art ,  als  Inschrifttafeln ,  Reliefs  in  Metall 
und  Stein,  Gemälde,  Statuen  etc. ,  wohin  auch  Waffen,  Rüstungs-  imd 
Kostümstücke,  Trauerfahnen  und  Wappenschilder  zu  rechnen  sind.  — 
Während  seit  dem  XV.  und  XVI.  Jahrh.  die  Epitaphien  der  mannich- 
faltigsten  Formen  in  den  Kirchen  überhand  nahmen,  scheint  anderweitig 
nur  jene  frühe  Zeit ,  wo  Leichenbestattungen  in  den  Kirchen  noch  zur 
Ausnahme  gehörten ,  und  selbst  Geistliche  niederen  Standes  auf  zuweilen 
abgelegenen  Gottesäckern  begraben  wurden,  die  Sitte  der  Ge*dächtniss- 
tafeln  gekannt  zu  haben,  wovon  einige,  noch  erhaltene,  in  archäologischer 
Beziehung  sehr  interessante  Denkmäler  Kunde  geben.  Es  befinden  sich 
nämlich  im  Münster  zu  Bonn  unter  den  Pfeilersockeln  im  ältesten  aus 
der  Mitte  des  XI.  Jahrh.  stammenden  Theile  der  Krypta  mehrere  In- 
schriftensteine *) ,  «deren  hohes  Alter  aus  dem  Umstände  zu  folgern  ist. 


1)  Abbild,  bei  Gailhabaud,  Denkm.  Liefg.  CXHI.  Taf.  11. 

2)  Abbüd.  bei  Moller,  Denkm.  I.  Taf.  46.  3)  Ebd.  Taf.  55. 

4)  Von  den  5  unter  den  Pfeilern  liegenden  Inschriftplatten  sind  auf  Veranlassung 
des  Herrn  Prof.  aus'm  Weerth  neuerlichst  zwei  ausgegraben  und  neben  einer  ähn- 
lichen bereits  im  Kreuzgange  befindlichen   eingemauert  worden.    Die  in  Figur  99 


238 


Epitaphien. 


dass  dieselben  schon  in  so  früher  Zeit  als  Baumaterial  behandelt  >vurden, 
mithin  also  bereits  damals  ans  irgendwelchen  Gründen  ihre  Bedeutsam- 
keit verloren  haben  mussten.  Diese 
Steine ,  sammt  einem  im  Kreuzgange 
in  dessen  westlicher  Wand  schon  seit 
längerer  Zeit  eingemauert  befindli- 
chen, sind  einander  im  Material  (ter- 
tiärer dichter  Kalkstein  des  Mainzer 
Beckens)  völlig,  in  den  Rand-  und 
Eckverzierungen,  in  dem  för  die  Auf- 
nahme von  Namen,  Stand  und  Todes- 
tag des  Verstorbenen  angebrachten 
Kreuze ,  sowie  in  der  Grösse  wesent- 
lich gleich  ;  die  letztere  (durchschnitt'* 
lieh  3Xiy«  F.)  ist  aber  so  gering, 
dass  sie  für  Grabsteine  nicht  füglich 
angesehen  werden  können-  Vier  Reste 
ähnlicher  Steinplatten  befinden  sich 
im  Museum  zu  Cöln ,  zwei  andere  im 
Museum  zu  Bonn.  Diesen  Gedächt- 
nissteinen reihen  sich  an  ein  Epitaph 
des  im  J.  938  gest.  Diaconus  Megin- 
bracht  in  der  Krypta  der  Michaelis- 
kirche zu  Fulda  und  die  Gedenktafel 
des  1048  gest.  Wignandus  in  der  Ost- 
mauer des  Kreuzganges  von  St.  Ste- 
phan in  Mainz.  ^)  —  Als  Epitaphium 
charakterisiren  sich  auch  die  Inschrif- 
ten mit  den  Namen  und  Todestagen 
dreier  Bischöfe  von  Merseburg  aus 
dem  XI.  Jahrb.  auf  dem  jetzt  in  der 
Vorhalle  des  dortigen  Doms  aufge- 
stellten Deckst^ine  einer  aus  drei  kleinen  Spitzarkaden  gebildeten  Nischen- 
stellung, die  sich  ehemals  zwischen  der  ursprünglich  auf  den  hohen  Chor 
führenden  Doppeltreppe  befand,  in  Schriftzügen  des  XIII.  Jahrhunderts. — 
Manche  andere  Gedenktafeln  auf  im  früheren  M.  A.  Verstorbene  (z.  B. 
das  Epitaphium  der  Fastradana,  Gemahlin  Karls  des  Grossen,  gest.  794, 
im  Dome  zu  Mainz)  gehören  erst  einer  viel  späteren  Zeit  an. 

Die  ältesten  bekannten  Wappenschilder,  die  ihrer  ursprüng- 
lichen Bestimmung  gemäss  zum  Gedächtnisse  Verstorbener  in  der  Kirche 
sind  aufgehängt  worden ,  befinden  sich  in  St.  Elisabeth  zu  Marburg  und 
stammen  wohl  aus  der  letzten  Zeit  des  XIII.  Jahrh.  ^) 


Fig.  99.  Gcdächtnisstein  im  Münster  zu  Bonn. 


wiedergegebene  Zeichnung  der  letzteren  Steintafel  verdanken  wir  der  Güte  des 
Herrn  aus'm  Weerth,  welcher  die  Abbildung  der  gedachten  drei  Platten  in- 
zwischen in  den  Jahrb.  des  Vereins  von  Alterthumsfr.  im  Kheinlande  XXXII.  Tab.  IL 
zu  S.  1  H— I2n  publicirt  hat. 

1)  Vgl.  V.  Quast,  im  Correspondenzbl.  des  Gesamratvereins  1853.  I,  37. 

2)  Abbild,  bei  v.  Hefner-Alteneck,  Trachten.  Abth.  I.  Taf.  80  u.  S2. 


Kenotaphien.  —  Steinsftrge. 


239 


Kenotaphien  sind  Sarkophage  zum  Andenken  an  Verstorbene, 
die  an  einem  anderen  Orte ,  als  wo  man  ihnen  das  Denkmal  errichtete, 
begraben  liegen. 

Vornehme  Prälaten  des  XIV — XVI.  Jahrh.  (z.  B.  die  Erzbischöfe 
Engelbert  III.  von  Cöln,  Ernst  von  Magdeburg,  die  Bischöfe  Heinrich  III. 
von  Bamberg,  Thilo  v.  Trotha  von  Merseburg  etc.) ,  seltener  weltliche 
Personen,  Hessen  sich  zuweilen  schon  bei  ihren  Lebzeiten  prächtige  Grab- 
mäler  errichten.  Andrerseits  finden  sich  aber  auch  Beispiele  davon,  dass 
man  aus  verschiedenen  Veranlassungen  berühmten  Verstorbenen  erst 
mehrere  Jahrhunderte  nach  ihrem  Tode  neue  Denkmäler  setzte,  z.  B.  im 
XIV.  Jahrh.  das  Denkmal  des  heil.  Bonifacius  ("i-  755)  im  Dome  zu 
Mainz,  im  XVI.  Jahrh.  die  Tumba  der  im  J.  947  gestorbenen  Kaiserin 
Editha  im  Dome  zu  Magdeburg. 

Anmerkung  1.  Vornehme  Verstorbene  pflegten  in  Steinsärgen  *) 
begraben  zu  werden,  und  diese  Sitte  gehört  der  ersten  Zeit  nach  Einführung 
des  Christenthums  in  unserem  Vaterlande  an,  findet  sich  aber  (wenigstens 
bei  Bischöfen)  auch  noch  um  die  Mitte  des  XIV.  Jahrhimderts.  Ein  sehr 
merkwürdiger,  spätestens  dem  XII.  oder  XIII.  Jahrhamdert  angehöriger,  im 
Innern  der  Moritzkirche  zu  Halle  a.  d.  S.  ausgegrabener  Steinsarg  befindet 
sich  im  Museum  des  Thüringisch  -  Sächsischen  Vereins  daselbst :  es  ist  eine 
starke  Platte  aus  rothem  Sandstein ,  in  welche  das  Behältniss  für  den  Leich- 
nam ,  den  körperlichen  Verhältnissen  genau  entsprechend ,  eingehauen  ist, 
und  war  mit  einer  zweiten  schwachen  Platte  bedeckt;  in  der  Mitte  des  Bo- 
dens befindet  sich  eine  runde  Oefi'nung  zum  Ablaufen  der  Flüssigkeiten  aus 


Fig.  100. 

der  Leiche.  Ein  ganz  ähnlicher,  aber  nur  kleiner  und  der  Länge  nach  aus 
zwei  Stücken  zusammengesetzter  Steinsarg  wurde  im  J.  1844  im  Peters- 
kloster zu  Merseburg  ausgegraben  und  steht  jetzt  in  der  Vorhalle  des  dor- 
tigen Domes.  In  der  Krypta  des  Braunschweiger  Domes  zeigt  man  den 
Steinsarg  der  Aeltermutter  Heinrichs  des  Löwen,  und  zwanzig  alte  Steinsärge 
ähnlicher  Art  hat  man  im  J.  IS 34  auf  dem  Domplatze  zu  Worms  ausge- 
graben ;  in  den  meisten  derselben  fanden  sich  die  Gerippe  mehrerer  Leichen 
bei  einander.  *)  —  Bei  der  im  J.  1856  stattgehabten  officiellen  Aufgrabimg 
der  Gräber  des  Wettinischen  Fürstenhauses')   aus  der  Zeit  von   1146  bis 


1)  Vgl.  Feydeau,  E.,  Cercueils  et  inhumations  au  moyen-dge,  in  den  Annales 
archöol.  1854.  N,  153—162.  —  1855.  15,  30-50. 

2)  Lange,  G.,  Gesch.  u.  Beschreib,  der  Stadt  Worms.  S.  155  fr. 

3]  Vgl.  Köhler,  Gust. ,  das  Kloster  des  heil.  Petrus  auf  dem  Lauterberge  bei 
Halle  und  die  ältesten  Grabstätten  des  sächs.  Fürstenhauses.  Dresden  1857.  — 
V.  Quast,  in  der  Zeitscbr.  für  christl.  Archäol.  u.  Kunst  2,  269 — 280,  von  wo  wir 


240 


Steinsflrge. 


1217  in  der  Kirche  auf  dem  Petersberge  bei  Halle  fand  man  in  der  Mitte 
des  Schiffes ,  hart  unter  dem  Fussboden ,  zwei  Reihen  Särge  aus  Sandstein, 
in  der  Weise  gegen  einen  Fuss  tief  ausgehöhlt,  dass  die  Vertiefung  am  Fuss- 


Fig.  101.  Steinsärge  der  Wettiner  auf  dem  Petersbei^e  bei  Halle. 

ende  am  schmälsten ,  in  der  Gegend  der  Schultern ,  wo  sich  eine  besondere 
flachere  Aushöhlung  für  den  Kopf  anschliesst ,  am  breitesten  ist.  Nur  die 
beiden  ältesten  Särge  mit  der  Asche  des  Stifters  der  Kirche,  des  Markgrafen 
Konrad  und  seiner  Gemahlin  (Fig.  1  u.  2  des  Holzschnittes) ,  zeigten  bei 
sorgftlltigerer  Arbeit  eine  etwas  abweichende  Bildung:  der  Sarg  Fig.  1 
durch  die  geschweiften  Linien  der  Aushöhlung ,  welcher  folgend  auch  das 
Aeussere  sich  gestaltet ,  und  der  Sarg  Fig.  2  durch  zwei  am  unteren  Ende 
ausgesparte ,  oben  abgeschrägte  Steinklötze ,  zwischen  denen  ein  Raum  für 
die  Fasse  eingetieft  ist.  Der  Sarg  Fig.  5 ,  der  eine  Elle  tiefer  stand ,  war 
nicht  wie  die  übrigen  aus  einem  Steine  gehauen ,  sondern  aus  mehreren 
Porphyr-  und  Sandsteinstttcken  zusammengesetzt  mit  einem  Pflaster  von  in 
Kalk  gelegten  Porphyrstücken ;  am  Kopfende  befand  sich  hier  noch  ein  Rest 
des  ursprünglichen  innen  ausgehöhlten  Steindeckels.  Völlig  verschieden  von 
den  übrigen  ist  der  Sarg  (Fig.  3)  der  Mechtildis ,  einer  Schwester  Markgraf 
Konrads;  es  ist  eine  kleine  rechteckige  Steinkiste,  in  welcher  nur  noch 
wenige  Gebeine  lagen,  untermischt  mit  Resten  von  Zeugstoffen.  Da  Mech- 
tildis in  der  Feme  (wahrscheinlich  in  Bayern)  gestorben  war,  so  werden 
vermuthlich  die  Gebeine  nach  damaliger  Sitte  ausgekocht  und  mit  edlen 
Stoffen  umwickelt  nach  der  Familiengi-uft  übertragen  worden  sein.  Zu  den 
Füssen  des  Sarges  Fig.  2  befanden  sich  die  beiden  Kindersärge  Fig.  10 
und  11.  —  Die  in  mehreren  der  Särge  vorgefundenen  Reste  von  Holz  und 
Nägeln  scheinen  dafür  zu  sprechen,  dass  die  Leichen  in  Holzeinsätzen  lagen. 
Die  Steinsärge  der  gleichzeitigen  im  nördlichen  Kreuzarme  der  Kärche  bei- 
gesetzten Klosterpröpste   fanden   sich   wesentlich    gleichartig   mit   den  be- 


den  obigen  Holzschnitt  entlehnt  haben,   der  ausser  der  Reihenfolge  der  Gräber  die 
beiden  Särge  No  1  u.  2  zugleich  in  grösserem  Maasstabe  gezeichnet  darstellt. 


Grabelnlagen.  241 

schriebenen  fürstlichen.  Da  fast  alle  Gräber  sicher  zu  bestimmen  waren,  so 
ergab  sich  als  Regel ,  dass  bei  mehreren  in  einer  Reihe  liegenden  Gräbern 
eines  Geschlechts  die  mittleren  die  ältesten  sind ,  denen  sich  die  jüngeren 
auf  beiden  Seiten  anschliessen.  Wenn  die  vordere/ östliche  Reihe  voll  war, 
wurde  dahinter  westlich  eine  neue  eröfihet  und  dabei  in  derselben  Weise 
verfahren.  So  liegen  auch  im  Königschore  des  Domes  zu  Speier  ^j  die 
Kaiser-  und  Königsgräber  in  zwei  Reihen  hinter  einander.  Die  vordere 
Reihe  enthält  die  Gräber  des  salischen  Kaiserhauses  und  besteht  aus  fünf 
Gräbern ,  so  dass  die  vier  Kaiser  dieses  Geschlechts  jeder  ein  besonderes 
Grab  haben,  während  das  fünfte  den  beiden  Kaiserinnen  Gisela  und  Bertha, 
Gemahlinnen  Konrads  II.  und  Heinrichs  IV.,  gemeinsam  war ;  in  der  zweiten 
Reihe  hatten  die  Könige  Philipp  von  Schwaben  und  Rudolf  von  Habsburg 
jeder  ein  eigenes  Grab ;  die  Leichen  Adolfs  von  Nassau  und  Albrechts  von 
Oesterreich  dagegen  wurden  erst  später  in  denjenigen  beigesetzt ,  in  denen 
vorher  schon  die  Tochter  Kaiser  Friedrichs  I. ,  Agnes ,  und  seine  Gemahlin 
Beatrix  bestattet  waren.  Jedes  Grab  bildet  eine  einzelne,  etwa  8  F.  tiefe 
und  lange  und  4  F.  breite ,  unten  mit  Quadern ,  oben  mit  Ziegeln  ausge- 
mauerte Grube.  —  lieber  die  Ergebnisse  bei  der  Untersuchung  der  zahl- 
reichen Grabstätten  in  der  Münsterkirche  zu  Heilsbronn  vgl.  Stillfried, 
Rud.  v.,  Alterthümer  u.  Kimstdenkih.  des  Erlauchten  Hauses  Hohenzollern. 
Neue  Folge  Lief.  4. 

Anmerkung  2.  In  Särgen  des  XII.  bis  XVI.  Jahrh.  hat  man  zu- 
weilen Bleitafeln  vorgefunden  mit  eingegrabener  oder  eingeschlagener 
Schrift  nekrologischen  Inhalts,  z.  B.  im  Sarge  der  Gertrud,  Aeltermutter 
Heinrichs  des  Löwen  'f  1117),  in  der  Krypta  des  Domes  in  Braunschweig ; 
im  Grabe  des  Erzb.  Adalbert  I.  (7  1137)  in  der  Gothardskapelle  am  Dome 
zu  Mainz  ;  im  Sarge  des  Propstes  Gerhard  von  Are  (-J-  1 169)  im  Münster  zu 
Bonn  (unter  der  Orgel)  ;  im  Grabe  Friedrichs  von  Beichlingen,  Erzb.  von 
Magdeburg  (f  1464)  im  Dome  daselbst*) ;  im  Grabe  Kaiser  Maximilians  I. 
(■5*  1519)  in  der  Schlosskapelle  zu  Wiener  Neustadt.  —  Dass  man  Geist- 
lichen, die  in  Pontificalibus  in  das  Grab  gelegt  wurden,  einen  Kelch  mitgab, 
ist  schon  oben  S.  163  bemerkt  worden:  im  Grabe  Otto's  von  Hessen,  Erz- 
bischofs von  Magdeburg  (f  1361)  stand  der  Kelch  auf  der  Brust  des  Leich- 
nams, und  ausserdem  lagen  sechs  bronzene  Siegelstempel  des  Verstor- 
benen in  dem  Steinsarge,  nach  der  im  M.  A.  sehr  gewöhnlichen  Sitte,  die 
Siegel  eines  Verstorbenen  zu  Verhütung  von  Missbrauch  entweder  mit  der 
Leiche  oder  anderwärts  zu  vergraben.  ')  Wenn  in  den  Gräbern  von  Fürsten 
und  Rittern  Waffen  und  sonstige  Stücke  des  ritterlichen  Kostüms  häufig  nicht 
gefunden  werden ,  so  erklärt  sich  dies  daraus ,  dass  sich  weltliche  Personen 
oft  im  Mönchskleide  wenigstens  begraben  liessen ,  wenn  sie  nicht  vor  dem 
Tode  noch  selbst  die  Klostergelübde  abgelegt  hatten,  um  auf  diese  Weise  der 
guten  Werke  des  Ordens  theilhaftig  zu  werden.  —  Die  zuweilen  in  Gräbern 


1)  Vgl.  Die  Kaisergräber  im  Dom  zu  Speier.  Carlsruhe  1 S5Ö,  u.  v.  Q  uas  t  a.  a.  O. 
S,  94  ff. 

2;  Abbild,  bei  Rosen thal,  Dom  zu  Magdeb.  Lief.  V.  Taf.  I.  22. 

3)  VgL  Lepsius,  C.  P.,  in  den  N.  Mittheü.  des  Thüring.-Sächs.  Vereins  VI. 
3,  &S  f. 

O  1 1  e ,  Kunit-Areh&olof ie.  1 0 


242  Separatbestattung  der  Eingeweide. 

befindlichen  Thonge fasse  (oder  doch  wie  in  mehreren  Särgen  auf  dem 
Petersberge  —  s.  oben  S.  240  —  Scherben  von  solchen,  und  zwar  links 
neben  dem  Kopfe)  deuten  auf  den  Gebrauch ,  den  Todten  Weihwasser  oder 
Weihrauch  mitzugeben.  *)  Ueber  die  in  Bischofsgräbem  vorkommenden 
Kämme  s.  unten  §.  53. 

Anmerkung  3.  Die  Separatbestattung  der  Eingeweide 
fürstlicher  Personen  und  Prälaten  ist  eine  bereits  sehr  frühzeitig  vorkom- 
mende Sitte ,  und  wie  die  ältesten  bekannten  Beispiele  beweisen ,  zunächst 
dadurch  veranlasst,  dass  wenn  der  Tod  in  der  Fremde  erfolgt  war,  die 
Section  und  Einbalsamirung  des  Leichnams  zur  besseren  Erhaltung  auf  dem 
Conduct  in  die  Heimath  oder  nach  dem  von  dem  Verstorbenen  vorher  be- 
stimmten Begräbnissorte  erforderlich  wurde.  Die  herausgenommenen  In- 
testina wurden  dann  gewöhnlich  da  begraben,  wo  der  Tod  erfolgt  war,  oder 
man  brachte  dieselben  auch  nach  einem  dritten  Orte ,  zu  welchem  der  Ver- 
storbene im  Leben  in  näherer  Beziehung  gestanden  hatte.  Die  Leiche  des 
heil.  Bonifacius  (f  755)  wurde  von  Dockum ,  wo  er  den  Märtyrertod  er- 
duldet hatte,  zuerst  nach  Utrecht  und  dann  nach  seiner  Kathedralstadt  Mainz 
geführt,  wo  das  Herz  im  Alten  Dome  bestattet  ward ,  der  Leichnam  sodann 
im  Kloster  Fulda,  welches  Bonifacius  selbst  «chon  bei  d^r  Gründung  zu 
seinem  Begräbnissorte  bestimmt  hatte.  —  In  Memleben ,  wo  K.  Otto  der 
Grosse  97  3  starb,  wurden  dessen  Eingeweide  begraben,  der  Leib  in  dem 
von  ihm  gegründeten  Dome  zu  Magdeburg.  Hier  wurde  auch  die  Leiche 
des  1012  in  Giebichenstein  verschiedenen  Erzbischofs  Waltherd  bestattet, 
nachdem  die  Eingeweide  an  dem  Sterbeorte,  und  zwar  zwischen  der  Kirche 
und  dem  Sterbezimmer  begraben  waren.  Bischof  Godehard  von  Hildesheim 
starb  1033  auf  dem  von  der  Kathedralstadt  y^  Stunde  entfernten  Moritz- 
berge ;  sein  Leib  wurde  drei  Tage  darauf  im  Dome  begraben ;  die  heraus- 
genommenen Intestina  wurden  zum  Andenken  daran ,  dass  er  hier  seinen 
Geist  ausgehaucht,  in  einer  Kapelle  des  Moritzklosters  beigesetzt,  die  im 
Volksmunde  den  Namen  » Kaldaunenkapelle «  erhielt.  Kaiser  Konrad  II. 
verschied  1039  zu  Nym wegen;  aber  seine  Eingeweide  wurden  nicht  hier, 
sondern  in  Utrecht  begraben ,  der  einbalsamirte  Leib  in  dem  von  ihm  ge- 
gründeten und  zu  seiner  Grabstätte  bestimmten  Dome  zu  Speier.  —  Im 
XII.  Jahrh.  war  die  Separatbestattung  der  Intestina  an  manchen  Orten  be- 
reits zum  stehenden  Gebrauche  geworden :  so  nahm  das  Cisterzienserkloster 
Ebrach  von  1151  — 1573  die  Herzen  von  33  Würzburger  Bischöfen  in 
bleiernen  Behältnissen  auf,  während  die  Eingeweide  in  die  Burgkapelle,  die 
Gebeine  in  den  Dom  kamen.  *) 


.1)  aApponebatur  qnoque  in  monumeniü  a^na  benedicta  ....  unde  etiam  repe- 
riuntur  in  coemeteriis  vatta  vitrea  et  lutea,  in  dictum  ustt'm  veriaimillter  ihi  accommo- 
data,»  Casalius,  de  Christ,  ritibus.  p.  3.'{(). 

2)         Ebrachiana  meo  creverunt  claustra  favore, 
Hinc  cor  diffecti  continet  illa  domu'«. 
Mos  manet :  haec  uno  tumulantur  corpora  templo, 
Vi8<'era  mons,  aedes  maxima  corpus  habet. 
Cf.  Ludewig,  Script.  Wirceb.  p.  36rt;   Niedermayer,  Kunatgesch.  der  Stadt 
Wireburg  S.  127. 


Glocken.  243 

52.  Die  Glocken^)  [signum ,  tinimnahulum ,  nola ,  campaua] , 
der  geschichtlich  nicht  zu  begründenden  Ueber lieferung  zufolge  eine 
Erfindung  des  ^Bischofs  Paulinus  von  Nola  in  Campanien  um  das  Jahr 
400,  werden  zuerst  im  VI.  Jahrhundert  unter  der  Bezeichnung  y^stffnum« 
in  den  Schriften  des  Gregor  von  Tours  *)  erwähnt  und  mögen  durch 
die  irischen  und  britischen  Missionare  zuerst  in  Deutschland  bekannt 
geworden  sein,  wo  sie  im  VIII.  Jahrhundert  in  Kirchen  und  Klöstern 
vorkommen;  aber  erst  die  Mitte  des  IX.  Jahrhunderts  kann  als  die 
Zeit  der  allgemeinen  Verbreitung  des  kirchlichen  Glockengebrauches 
bezeichnet  werden.  —  Die  ältesten  Glocken  waren  nur  klein  und  aus 
Blech  geschmiedet ;  doch  kommen  schon  gegen  Ende  des  VIII.  Jahr- 
hunderts gegossene  Glocken  vor,  grössere  indess  erst  seit  dem  XI. 
und  XII.,  die  grossesten  im  XV.  Jahrhundert. 

Das  Wort  nchcaa  kommt  zuerst  als  lateinisches  in  der  Briefsamm- 
lung des  Bonifacius  (ed.  Wardtwein,  ep.  124  p.  3t  1)  vor,  als  deutsches 
erscheint  es  {y>gloffga,  cloecna)  nicht  vor  dem  IX.  Jahrh.  (vgl.  Graff, 
Sprachschatz  4,  292)  und  kann  etymologisch  noch  am  ersten  auf  das  alt- 
hochdeutsche Thema  chlachan  ^^frangi ,  mmpi,  clangere  bezogen  wer- 
den. —  Die  Sage  von  der  Erfindung  der  Glocken  zu  Nola  [nola  =  Schelle; 
in  Campanien  (ffarm/?ana  =  Glocke;  wird  schon  im  IX.  Jahrh.  von  Wala- 
fried  Strabo  mit  dieser  doppelten ,  indess  nicht  zweifellosen  Etymologie  ^) 
begründet ,  während  der  Name  des  als  Erbauer  und  Beschreiber  zweier 
Kirchen  in  Nola  berühmt  gewordenen  Bischofs  Paulinus  in  keinem  älteren 
Zeugnisse  damit  in  Verbindung  gebracht  wird.  Es  ist  vielmehr  wahr- 
scheinlich, dass  die  bei  den  alten  Römern  als  häusliche  Weck-,  wohl  auch 
als  öffentliche  Versammlungszeichen  üblichen  Klingeln  sich  ohne  eigent- 
liche Unterbrechung  aus  dem  Alterthume  in  die  mittleren  Zeiten  fortge- 
pflanzt haben  und  aus  Gründen  der  Zweckmässigkeit  zuerst  etwa  von 
einzelnen  Klöstern  aufgenommen  wurden ,  bis  allmählich  der  kirchliche 
Glockengebrauch  zur  allgemeinen  Sitte  wurde,  so  dass  wie  im  Spätmittel- 
alter aus  den  kleinen  nach  und  nach  die  Riesenglocken  hervorgingen ,  so 
in  der  Frühzeit  aus  den  häuslichen  Klingeln  die  ersten  bescheidenen 
Glocken  der  Klöster  und  Kirchen. 


1)  Vgl.  Otte,  H.,  Glockenkunde.  Leipzig  1S58,  woselbst  die  frühere  Literatur 
8.  2  f.  u.  S.  102  angeführt  ist ;  später  sind  erschienen:  Ledebur,  Leop.  v. ,  Bei- 
trage zur  Glockenkunde  der  Mittebnark ,  in  den  Mflrk.  Forschungen  Bd.  VI.  —  Die 
Qlockenkunde  in  Alt-Bayern,  in  der  Augsb.  Postzeitung  1858  No.  Hö.  —  Müller,  F., 
zur  älteren  siebenbürg.  Glockenkunde,  im  Archiv  des  Vereins  für  siebenbürg.  Landes- 
kiuide.  Neue  Folge  IV.  2.  1h60.  —  Ueber  Glocken,  deren  Alter,  Form,  Inschriften 
und  Schicksale,  bes.  in  Deutschland,  in  der  Augsb.  Postzeitung  1861  Beil.  zu  No.  40 
u.  41.  —  Vgl.  auch  Unger,  F.  W.,  in  den  Jahrb.  des  Vereins  von  Alterthumsfr.  im 
Kheinlande.  XXIX  u.  XXX.  S.  32'— 39.  —  Hitzinger,  zur  Gesch.  alter  Glocken 
in  Krain,  in  den  Mittheil,  des  histor.  Vereines  für  Krain.  Jahrg.  lSt>2.  —  Straub,  A., 
Nachlese  zur  Glockenkunde.  Aus  dem  Elsass ,  im  Organ  für  christl.  Kunst.  1  b63 
S.  64-Ö7. 

2)  Vgl.  Otte  a.  a.  O,  S.  3.  3)  Ebd.  S.  4. 

16* 


244  Glocken. 

Die  auf  den  britischen  Inseln  sehr  frühzeitig  weit  verbreiteten  Glocken 
waren  aus  geschmiedeten  Blechen  zusammengesetzt,  und  von  dem  irischen 
Mönche  Dagaeus,  der  586  gestorben  sein  soll,  heisst  es,  er  sei  nicht  bloss 
ein  ausgezeichneter  Schreiber,  sondern  auch  der  vorzüglichste  Arbeiter 
{/aber)  in  Eisen  und  Erz  im  Kloster  St.  Hieran  gewesen  und  habe  300 
Glocken  verfertigt.  ')  In  Deutschland  gab  es  nach  dem  Berichte  des 
Beichenauer  Abtes  Walafried  Strabo  (de  exord.  et  increment.  rer.  eccl. 
c.  5)  in  der  ersten  Hälfte  des  IX.  Jahrh.  zwei  Arten  von  Glocken  [signa] : 
gegossene  [vasa  fusilia)  und  geschmiedete  [vasa  productilia)  ,  wie  eine 
solche  (Saufang  genannt)  von  jedenfalls  sehr  hohem  Alter,  aus  der 
Caecilienkirche  in  Cöln  herstammend,  im  dortigen  Stadt.  Mu- 
seum bewahrt  wird.  Sie  ist  von  der  Form  d€r  sog.  Kuh- 
schellen ,  besteht  aus  drei  mit  kupfernen  Nägeln  zusammen- 
genieteten Eisenplatten  und  soll  in  der  Zeit  des  Erzbischofs 
Kunibert  um  6 1 3  im  Peterspfuhle  von  Schweinen  ausgewühlt 
worden  sein :  ihre  Weite  beträgt  am  ovalen  Bande  I3y4  und 
8%  Z.,  ihre  Höhe  lb%Z.^)  Nicht  grösser  als  diese  eiserne 
dürften  auch  die  damaligen  Bronzeglocken  gewesen  sein,  und 
wenn  Karl  der  Grosse  zu  einem  Glockengusse  statt  des  Zinns 
Fig.  102.  Blech-  1^0  Pfund  Silber  bewilligte')  ,  so  kann,  falls  das  Zinn  da- 
giocke  im  Mu-  mals  ,  wie  jetzt ,  etwa  ein  Viertel  der  Legirung  betrug ,  die 
(nach  Didron"  Glocke  sclbst  nur  auf  400  Pfund  berechnet  gewesen  sein.  — 
Eine  um  die  Mitte  des  XI.  Jahrhunderts  von  Bischof  Azelin 
für  den  Dom  von  Hildesheim  beschaffte,  im  J.  1590  gesprungene  Glocke, 
Cantabona  genannt,  soll  schon  100  Ctr.  gewogen  haben.  *)  —  Im  J.  1206 
wurde  auf  dem  Petersberge  bei  Halle  die  Glocke  Petronella  geweiht, 
welche  50  Ctr.  wog.  *)  —  Die  Glocke  auf  dem  mittleren  Domthurme  zu 
Olmütz  in  Mähren  von  358  Ctr.  gilt  als  die  grosseste  in  Deutschland; 
die  grosse  Glocke  auf  dem  Dome  zu  Erfurt,  Maria  Gloriosa,  von  1497, 
wiegt  275  Ctr.,  die  grosseste  Glocke  des  Cölner  Domes  (von  1448) 
224  Ctr.,  der  Elisabethkirche  in  Breslau  (von  1507)  220  Ctr.,  der  Petri- 
Paulikirche  zu  Görlitz  217  Ctr.,  des  Domes  zu  Halberstadt  (Dominica 
von  1457)  150  Ctr.,  der  Marienkirche  zu  Danzig  (Sigismundus  von  1453) 
121%  Ctr.  —  Die  grossen  Glocken  der  Dome  zu  Wien  (von  324  Ctr., 
mit  Helm  und  Schwengel  402  Ctr.)  und  zu  Magdeburg  (von  266  Ctr.) 
stammen  aus  neuerer  Zeit ;  letztere  aber  war  früher  schon  in  dieser  Masse 
vorhanden.  —  Zuweilen  kommt  es  vor,  dass  man  die  Peripherie  grosser 
Glocken  als  Wahrzeichen  an  den  Kirchengebäuden  angebracht  hat:  z.  B. 
war  im  Dome  zu  Cöln  die  Weite  der  zwei  grossesten  Glocken  in  die  (jetzt 
hinweggenommenen)  Steinplatten  zwischen  dem  Pfeilerpaare  zunächst  dem 
Eingange  des  Glockenthurms   eingehauen ;   an  der  Nordseite  der  Stadt- 


1)  Kai.  Cassel.  in  Actis  S.  S.  Aug.  III.  656,  angeführt  von  Wattenbach,  in 
der  Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  u.  Kunst  1,  22. 

2)  V.  Lassaulx  in  Klein* s  Rheinreise.   S.  493;   vgl.  Didron  in  den  Annales 
arch6ol.  4,  95. 

3)  Monachus  Sangalensis,  gesta  Caroli  M.  1,  29  (bei  Pertz,  M.  G.  2,  744). 
A)  Hannoversche  gelehrte  Anzeigen  vom  J.  1754.  Sp.  615. 

5;   Chron.  Mont.  seren.  ad.  a.  1206. 


Glocken. 


245 


kirche  in  Weissenfels  ist  der  Umkreis  der  Brfurter  Glocke  angemalt,  und 
im  Erfurter  Dome  selbst  zeigt  man  ein  Rundfenster,   dessen  Peripherie 
der  früher  dort  vorhandenen  Glocke  (Susanna)  entsprochen  haben  soll. 
Anmerkung  1.    Die  Sitte,  den  Glocken  bestimmte  Namen  beizu- 
legen, von  welcher  sich  die  frühesten  Spuren  im  X.  Jahrhundert  vorfinden, 
ist  nur  aus  dem  Bedürfhisse  hervorgegangen,  unter  mehreren  ')  vorhandenen 
jede   einzelne  mit  Bestimmtheit   bezeichnen  zu  kOnnen:    man  wählte   die 
Namen  nach  den  Stiftern  oder  Patronen ,  aber  auch  nach  den  Eigenschaften 
oder  nach  der  Bestimmung  der  Glocke.    Die  Merseburger  Domsturmglocke, 
die  aus  dem  XII.  Jahrh.  zu  stammen  scheint,  heisst  Clinsa,  die  Klingerin; 
die  beiden  grossesten  Glocken  des  COlner  Doms  von  t44S  und  1 449  heissen 
Preciosa  und  Speciosa.  —  Der  Merseburger  Dom  hat  eine  Quarta  und  eine 
Nona,  beide  von   1458.   —  Männliche  Glockennamen,  welche  im  Hoch- 
mittelalter die  häufigeren  gewesen  zu  sein  scheinen,  wichen  später  den  weib- 
lichen fast  völlig. 

Anmerkung  2.    Die  älteste  bekannte  datirte  Glocke. (von  3 */,  F.  rh. 
unterem  Durchmesser)  ist  vom  J.  1249  und  befindet  sich  in  der  Burchardi- 


Fig.  103.  Glocke  zu  Ltthnde,  vom  J.  127;»    nach  Kratz). 

kirche  zu  Würzburg*) ,  eine  Glocke  von  1251  auf  dem  Dome  zu  Minden, 
eine  von  1261  auf  dem  Thurme  der  Peters-Pfarrkirche  zu  Aachen,  zwei  von 


1]  Carl  Borromaus  't  16S4-  setzte  für  seinen  Mailänder  Erzsprengel  de  in^tru- 
ctione  fabricae  1,  25}  für  eine  Kathedrale  sieben  oder  mindestens  fünf  Glocken  fest, 
für  eine  CoUegiatkirche  drei,  für  eine  Pfarrkirche  ebenfalls  drei  oder  mindestens  zwei 
Glocken.  —  Das  Kloster  Fulda  hatte  übrigens  schon  im  J.  779  mehrere  Glocken 
Pertz,  M.  G.  2,  37 7^  Die  Kirchen  der  Cisterzienser  durften  nur  kleine  Glocken, 
die  Bettelklöster  eigentlich  nur  eine  Glocke  haben. 

2)  Vgl.  Deutsches  Kunstbl.  1S54  S.  273. 


246 


Glocken. 


1258  und  1281  sind  auf  dem  Münster  zu  Freiburg  i.  B. ,  sowie  zwei  vom 
J.  1268  auf  dem  Thurme  der  Georgskirche  in  Hagenau,  und  auf  der  Stadt- 
kircbe  zu  Markgröning  sollen  zwei  Glocken  vom  J.  1272  befindlich  sein.  *) 
Die  Kirche  zu  Lühnde  (zwischen  Hildesheim  und  Lehrte)  besass  eine  (1859 
umgegossene)  Glocke  von  1278,  38  Ctr.  15  Pfd.  schwer  und  unten  4  F. 
2*74  Z.  rh.  weit.  *)  Von  einer  kleinen  Glocke  zu  Gilching  in  Oberbayern 
(von  17*/,  Z.  rh.  Höhe  amd  1574  Z.  Weite)  steht  die  Entstehungszeit  durch 
den  darauf  stehenden  Namen  des  Donators  zwischen  1 162  und  1 194  fest.  ') 
Aelter  datirte  Glocken  (die  Datirung  wird  in  Deutschland  erst  im  XIV.  Jahr- 
hundert, allgemeiner  jedoch  nur  im  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  üblich)  sind 
in  Deutschland  bis  jetzt  nicht  bekannt,  aber  aus  der  Form  mancher  un- 
datirten  Glocken  kann  auf  ein  zum  Theil  sehr  hohes  Alter  derselben  ge- 
schlossen werden.  Wir  geben  die  Abbildung  von  vier  solchen  älteren  Glocken : 
die  bienenkorbförmige  aus  der  Kirche  zu  Diesdorf  bei  Magdeburg,  welche 
aus  der  (im  J.  1011  mit  allen  Glocken  abgebrannten,  bald  darauf  erneuerten) 
Stiftskirche  von  Walbeck  stammt ;  die  zweite  sehr  unschön  profilirte ,  be- 
findet sich  zu  Wolmirstedt  *) ,  die  dritte ,  völlig  geradlinige  und  nicht  mehr 
brauchbalre  Glocke  von  UZ.  Höhe  und  überall  V4  Z.  Dicke  der  Wandung 
ist  von  Hrn.  Pastor  Teile  zu  Lunow  im  Dorfe  Nordhausen  bei  Königsberg 
i.  d.  N.  entdeckt  worden*)  ,  die  vierte  endlich,  wie  die  zuletzt  angeführte 
ohne  Inschrift,  aber  mit  zwei  einander  gegenüber  aus  JDraht  eingelegten 
Kreuzen  verziert,  ist  in  der  Kirche  zu  Idensen  bei  Wunstorf,  und  hat  bis  zur 
Krone  27  Z.  Höhe  bei  24 V4  Z.  unterem  Durchmesser.  ®)  —  Auch  zu  Tutten- 
dorf  bei  Freiberg  war  ehemals  eine  zuckerhutförmige  Glocke. 


L \ 


Fig.  104. 


Fig.  105. 


Fig.  106. 


Fig.  107. 


Anmerkung  3.  Die  Untersuchung  der  m  usikalischen  Eigen- 
schaften der  mittelalterlichen  Glocken,  ein  noch  ganz  unbebautes  Feld, 
ist  vom  grossesten,  auch  für  unsere  Zeit  praktischem  Interesse.  Auf  An- 
regung  der   zuerst   von   Kreuser  (Kirchenbau   l  ,  260)    herausgehobenen 


1}  (Stalin)  Denkm.  des  Alterth.  im  Königr.  Württemberg  S.  11«^. 

2)  Kratz,  J.  M.,  ein  Beitrag  zur  Geach.  der  Glocken,  im  Organ  für  chrifltl. 
Kunst  iS.iS  S.  6-1,  nebst  Abbild,  auf  der  artist.  Beil.  zu  No.  Ö. 

3)  Oberbayerisches  Archiv  1 ,  J  49  ff. 

4}  Diese  beiden  Glocken  entdeckt,  beschrieben  und  abgebildet  von  Wiggertin 
den  N.  Mittheil,  des  ThOr.-Sächs.  Vereins  VI.  2,  14  u.  36. 

5)  Nach  freundlicher  Mittheilung  ihres  Entdeckers. 

6)  Abbild,  in  den  mittelalterl.  Baudenkm.  Niedersachsens.  Heft  4.  Bl.  32  Fig.  7. 


Verschiedene  Gegenstände.  247 

Stelle  des  Vincentius  von  Beauvais  *)  :  »  Campana  in  tribus  locia,  si puhetur 
(d.i.  wenn  man  %.  B.  mit  dem  Finger  daran  klopft) ,  tres  habere  aonos  in- 
venitur,  in  fundo  mediocrem,  in  extremitate  subtiiiorem ,  in  medio  graviorem  « 
hat  der  Verf.  dieses  Handbuchs  mehrere  mittelalterliche  Glocken  aus  dem 
XIV.  und  XV.  Jahrhundert  untersucht  und  dabei  gefunden,  dass  dieselben, 
nach  unserem  Tonsysteme  zu  reden,  in  Dur-  und  in  Mollglocken  zu  theilen 
sind ,  d.  h.  in  solche ,  deren  Mittelton  zwischen  beiden  Octaven  die  grosse 
Terz ,  und  andere ,  deren  Mittelton  die  kleine  Terz  ist.  —  Die  Glocken- 
giesser  von  heute  liefern  anscheinend  nur  (Metall  sparende)  Durglocken ,  an 
denen  sich  der  Diameter  zur  Höhe  wie  5:4  verhält,  während  z.  B.  die 
grosse  Erfurter  Glocke ,  welche  demnach  eine  MoUglocke  sein  dürfte ,  das 
Verhältniss  von  6  :  5  ergiebt  *)  ;  die  Vereinigung  mehrerer  Durglocken  in 
einem  Geläute  kann  nur  Ohr  zerreissend  wirken ,  mögen  auch  die  verschie- 
denen Grundtöne  für  sich  allein  in  schönster  Harmonie  getroffen  sein. 

Anmerkung  4.  Das  Gewicht  einer  Glocke,  deren  grosseste  Weite 
sich  zu  der  äusserlich  in  schräger ,  gerader  Linie  gemessenen  Höhe  bis  zur 
Platte  derselben  wie  5  :  4  (oder  annähernd  gewöhnlich  wie  14:  II]  verhält, 
lässt  sich  mit  einiger  Sicherheit  ermitteln ,  wenn  man  das  in  Zollen  ausge- 
drückte Maass  des  grössten  Durchmessers  der  Glocke  in  den  Cubus  erhebt 
und  mit  0,^^,  multiplicirt ;  das  Product  drückt  das  Gewicht  der  Glocke  in 
Pfunden  aus,  deren  100  auf  einen  Centner  gehen.  Vergl.  Prechtl,  Ency- 
clopädie  t.  Aufl.  7,  87  u.  Hahn,  Campanologie  S.  115. 

53.  Verschiedene  Gegenstände  in  alphabetischer  Reihen- 
folge: 1.  Agnus  Dei.  —  2.  Betsäulen.  —  3.  Brunnen.  —  4.  Calvarien- 
berge.  —  5.  Christusstatuen  mit  beweglichen  Gliedmaassen.  —  6. 
Goldene  Rosen.  —  7.  Gotteskasten.  —  8.  Götzenbilder.  —  9.  Hei- 
lige Gräber.  —  10.  Heilige  Stiegen.  —  11.  Kämme.  —  12.  Kreuze 
an  den  Kirchenwänden.  —  13.  Krippen.  —  14.  Lichtputzen.  —  15. 
Maasse  und  andere  öffentliche  Bestimmungen.  —  16.  Oelberge.  — 
17.  Opferstöcke.  —  18.  Passionssäulen.  —  19.  Processionsgerälhe.  — 
20.  Raritäten.  —  21.  Schlosserarbeiten.  -:-  22.  Stationen.  —  23.  Stein- 
kreuze (Mordkreuze).  —  24.  Teppiche.  —  25.  Todtenleuchten.  —  26. 
Uhren.  —  27.  Votivgeschenke.  —  28.  Wahrzeichen.  —  29.  Wärm- 
äpfel. —  30.  Weih  Wasserbecken. 

1 .  Agnus  Pei  sind  vom  Papste  geweihte  und  am  Sonnabend  nach 
Ostern  in  Masse  unter  das  Volk  vertheilte,  insgemein  länglich  runde  Me- 
daillen, aus  Wachs  von  der  vorjährigen  Osterkerze  unter  Beimischung 
von  Chrisma  lauch  aus  Oblatenteig  oder  Metall)  verfertigt,  welche  auf 
dem  Avers  das  Gotteslamm,  auf  dem  Revers  irgend  ein  Heiligenbild  dar- 


1)   Speculum  naturale  l.  4.  c.  14  ^Speculumquadruplum.  Duaci  1624.  I.  p.  241). 

2]  Vgl.  Kirchner,  Musurgia.  Homae  lH5i).  1,522.  Hier  sind  nicht  bloss  die 
Maasse  anscheinend  sehr  genau  mitgetheilt ,  sondern  es  wird  auch  bemerkt :  Sonus 
infimo  D  respondet ,  sonutn  eundem  gratisnmum  reddit  consonantia  Tertiae ,  quae  in 
eo  commista  percipitur  et  constituit  intervallum  D  F, 


248  Verachiedene 

stellen    (Naturalienkabinet  des   Waisenhauses   zu  Halle  a.  d.  S.)-     Sie 
wurden  den  Neugetauften  um  den  Hals  gehängt ,  um  dem  Tragen  heid- 
nischer Amulete  entgegen  zu  wirken.    Vgl.  Casalius,  J.  Bapt.,  de  ve- 
ter ib.  sacr.  Christian,  ritibus.   (Francof.  et  Hanno v.  16S1.)  p.  265.   — 
Durandi  Rationale  1.  6  c.  79  n.  3. :    r>Hi  agni  a  fulgure  et  tempestate 
ßdeles  et  credentes  defendunt  propter  vt'rtutem  consecrationis  tt  benedtctio- 
nis.a  —  Papst  Urban  V.  (1362 — 1370)  schickte  dem  griechischen  Kaiser 
mehrere  Agnus  Dei  mit  folgenden,  deren  Kräfte  preisenden  Versen : 
Bahamus  et  munda  cum  cera  ehrismatis  unda 
Conficiunt  agnum,  quod  munus  do  tibi  magnum, 
Fulgura  desursum  depellit  et  omne  malignum, 
Peccatum  frangit,  ut  Christi  sanguis,  et  angit* 
Praegnans  servatur,  simul  et  partu  liheratur. 
Dona  parat  dignis,  virtutem  destruit  ignis, 
Portatua  munde,  de  ßuctibus  eripit  unde. 
Cf.   Sirmond  in  Ennodium  p.  74,  angefahrt  bei  (Buddeus)  ^Allgem. 
histor.  Lexicon  3.  Aufl.  l,  70.  —  Das  Heiligthum  des  Domes  zu  Halle 
enthielt  nach  dem  Verzeichniss  von  1520  (Gang  I.  4)  i>Egn  heJffenhegnefi 
serchlen,   darinne  werden  enthalten  siebenhalbhundert  Agnus  dei  vnd  ein. ^ 
Vgl.  Dreyhaupt,  J.  Christoph  v.,  Beschr.  des  Saal-Creyses  1,  854. 

2.  Betsällei,  in  Oesterreich  Denksäulen  genannt  (wahrscheinlich 
mit  Rücksicht  auf  deren  fromme  Stifter) ,  in  Bayern  Marksteine  (weil 
sie  oft  auf  Wegscheiden  und  Grenzen  der  Feldmarken  und  Weichbilder 
stehen)  oder  Feldkreuze,  sind  auf  den  kleinsten  Raum  zurückgeführte 
Feldkapellen ,  weshalb  sie  auch  in  manchen  Gegenden  vom  Volke  Ka- 
pellen genannt  werden.  Sie  wurden  häufig  ex  voto  errichtet  (daher  V o  ti  v- 
kreuze)  und  bestehen  insgemein  aus  einem  Steinpfeiler,  der  ein  Taber- 
nakel mit  einem  Heiligenbilde  oder  eine  Tafel  mit  einem  biblischen  oder 
legendarischen  Relief  trägt  (daher  Bildstöcke)  und  zuweilen  unten  mit 
einem  Altärchen  versehen  ist.  Viele  dieser  Betsäulen  werden  im  Volks- 
munde mit  localen  Namen  bezeichnet ,  die  gewöhnlich  von  äusseren  Um- 
ständen hergenommen  sind,  und  die  oft  wiederkehrende  Bezeichnung 
Kreuz  lässt  sich  entweder  auf  das  Kreuz  zurückführen,  worin  die  Taber- 
nakelkrönung auszulaufen  pflegt ,  oder  beruht  insofern  auf  Uebertrag^ung, 
als  die  Betsäulen  häufig  aus  einem  Crucifixus  bestehen.  Zu  den  ältesten 
nachgewiesenen  gehören  die  romanische  (restaurirte)  Predigersäule 
vor  dem  Petersthor  in  Regensburg  und  das  frühgothische  Rastkreuz 
(so  genannt  von  den  Steinbänken ,  womit  diese  Bildsäule  umgeben  war) 
bei  Oedenburg  (Abbild,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central  -  Commission 
1957.  2,  321  Fig.  1) ;  zu  den  weithin  bekanntesten  und  künstlerisch  aus- 
gezeichnetsten das  (restaurirte)  mit  dem  Stufenuntersatze  gegen  32  F. 
hohe  Hochkreuz  bei  Godesberg  unweit  Bonn  vom  J.  1333  (Abbild, 
bei  Qua  gl io,  Dom.,  Samml.  merkwürd.  Gebäude  des  M.  A.  II.  2  Bl.  2, 
und  mehrfach  anderwärts  z.B.  bei  Kugler,  Gesch.  der  Baukunst  3,  227) 
und  die  Spinnerin*)  am  Kreuz  bei  Wiener  -  Neustadt ,  ein  stattlicher 
65  F.  hoher  Tabemakelpfeiler  von  Michael  Meinwurm  (■}■  vor  1418)  in 


I )  Spinnerin,  provinziell  «  Spinne. 


Gegenstände. 


249 


Wien.  —  Spätgothische  Betsäulen  sind  in  dem  katholischen  Theile 
Deutschlands ,  namentlich  wo  der  Steinbau  herrscht ,  fast  überall  häufig 
und  von  sehr  verschiedenem  Werthe ;  wir  nennen  die  Denksäule  (Taber- 
nakelpfeiler) auf  dem  Wiener  Berge ;  die  Votivsäule  vor  dem  Jacobsthor 
in  Regensburg  (mit  vielen  Statuetten  und  Reliefs ;  restaurirt) ;  einen  Mark- 
stein in  Erlstätt  bei  Traunstein  (sehr  roh ,  aber  originell)  ;  Abbildungen 
von  Betsäulen  in  den  Thür. -Sachs.  Ländern  bei  Puttrich,  Denkmale 
I.  Serie  Reuss  Bl.  S  u.  II.  Serie  Pforta  Bl.  8 ,  Serie  Halle  Bl.  5  a,  Serie 
Erfurt  (das  Sibyllenthürmchen)  Bl.  12. 

3.  Brunei  iputei  sacri)  kommen  Öfter  in  Kirchen  vor  und  dienten 
zum  Schöpfen  des  zu  den  kirchlichen  Handlungen  erforderlichen  Wassers, 
scheinen  indess  zum  Theil  früher  vorhanden  gewesen  zu  sein,  als  das 
gottesdienstliche  Gebäude ,  in  welchem  sie  sich  befinden ;  der  Quell  des 
(jetzt  verschütteten)  Brunnens  im  Münster  zu  Strassburg  z.  B.  soll  ur- 


Fif.  108.  Brunnen  (ehemali)  im  Münster  zu  8tra«iburg  (nach  Oailhabaud). 


Sprünglich  zu  einem  römisch-heidnischen  Tempel  gehört  und  zum  Waschen 
der  Opferthiere  gedient  haben ,  und  der  Brunnen  im  Regensburger  Dom 
soll  schon  das  Wasser  bei  Erbauung  des  Domes  selbst  geliefert  haben. 
Gewiss  ist,  dass  dem  Wasser  der  Kirchen brunnen  (z.  B.  dem  Brunnen 
des  heil.  Kilian  in  der  Krypta  des  Neumünsters  zu  Würzburg)  oft  W^un- 
derkräfte  zugeschrieben  wurden.  —  Bei  tief  stehendem  Wasser  ist  ausser 
der  Einfriedigung  des  Brunnens  durch  einen  Steinschrein  {margella)  noch 


250  Verschiedene 

ein  tabernakelartiger  Ueberbau  mit  einer  Rolle  errichtet ,  um  welche  sich 
das  Seil  mit  den  Schöpfeimern  schlingt,  und  der  aus  dem  XV.  Jahrh. 
datirende  Brunnenbau  im  Dome  zu  Regensburg  (Abbild,  bei  Gailha> 
band,  die  Baukunst  des  V.  bis  XVI.  Jahrh.  Bd.  III.  Taf.  17),  ge- 
schmückt mit  den  Statuen  Christi  und  der  Samariterin,  ist  künstlerisch 
ausgezeichnet ;  der  Brunnen  im  Strassburger  Münsiter  war  von  einfacherer 
Construction  (Abbild,  a.  a.  O.,  dem  Texte  eingedruckt).  —  Brunnen  be- 
finden sich  im  Chorumgang  des  Münsters  zu  Freiburg  i.  Br.  von  1511 
und  in  der  Krypta  der  Petri-Paulikirche  zu  Görlitz ;  unter  dem  Dome  zu 
Paderborn  entspringt  ein  Arm  der  Pader  etc.  —  Ob  die  als  Taufstein  be- 
zeichnete Margella  in  der  Krypta  des  Domes  zu  Speier  etwa  von  einem 
Brunnen  herrühren  möchte,  mag  dahin  gestellt  bleiben :  Taufsteine  kom- 
men sonst  in  Krypten  nicht  vor. 

4 .  €alf ari<>Bberse  (mons  calvariae  r=  Schädelstätte)  sind  statuarische 
Darstellungen  des  zwischen  den  Schachern  gekreuzigten  Erlösers ,  mit 
Maria  und  Johannes  unter  dem  Kreiize ,  wie  dieselben  zu  den  Stationen 
der  Leidensgeschichte  gehören;  z.  B.  der  Jerusalemsberg  bei  Lübeck  mit 
einer  Passionsgruppe  von  1468. 

5.  ChristMSstätuen  aus  Holz  mit  beweglichen  Armen  und  Beinen 
(z.  B.  in  der  Marienkirche  zu  Danzig) ,'  welche  am  Himmelfahrtsfeste  in 
den  Kirchen  durch  eine  Oeffnung  im  Deckengewölbe  hinaufgezogen  wur- 
den ;  andere,  hohle,  mit  fünf  offenen  Wundenmalen  (z.  B.  in  Pforta,  ab- 
gebildet bei  Puttrich,  Denkm.  II.  Serie  Pforta  Bl.  8),  aus  welchen 
man  Blut  fliessen  lassen  konnte,  das  durch  eine  Oeffnung  im  Kopfe 
hineingegossen  wurde. 

6.  Coldene  Rosen,  d.  h.  aus  Gold  gearbeitete  Nachbildungen  eines 
Blätter  und  Blüthen  tragenden  Rosenstockes  in  Form  eines  Tafelaufsatzes, 
kamen  öfter  in  Kirchenschätzen  vor,  in  die  sie  von  hohen  Personen, 
welche  dieselben  vom  Papste  zum  Geschenke  erhalten  hatten,  nieder- 
gelegt wurden.  Seit  der  Mitte  des  XI.  Jahrhunderts  nämlich  weihte  der 
Papst  jährlich  am  Sonntage  Laetare*,  dessen  Liturgie  mitten  in  der  Zeit 
der  Trauer  im  Hinblick  auf  den  endlichen  Sieg  der  streitenden  Kirche  die 
Gemeinde  zur  Freude  erweckt,  in  der  Basilika  S.  Croce  in  Gerusalemme 
nach  der  Messe  eine  goldene  Rose ,  die  er  darauf  als  ein  Zeichen  der 
geistlichen  Freude  den  Gläubigen  in  Procession  zeigte  und  demnächst 
einem  gerade  am  päpstlichen  Hofe  anwesenden  Fürsten  zum  Ehrenge- 
schenke übermachte,  welcher  mit  der  Rose  sodann  unter  grossem  Reiter- 
gefolge einen  Umzug  durch  die  jubelnde  Stadt  hielt.  Vgl.  Durandus, 
Rationale  1.  6  c.  53  n.  8:  Hospinianus,  Rud. ,  Festa  Christianorum. 
Tiguri  1593.  Fol.  43:  Ughelli,  Ital.  Sacr.  I.  1,  297;  (Buddeusj 
Allgem.  histor.  Lexicon  4,  154;  Texier,  Dictionnaire  d'orfevrerie  p. 
1335.  *)  —  Wenn  am  Sonntage  Laetare  kein  dieser  Ehre  würdiger  Fürst 


1 1  Die  Uebersetzung  L  u  t  h  e  r  *  s  von  Micha  A ,  S,  wo  er ,  abweichend  von  allen 
alten  Versionen,  das  hebr.  -j-^-r:?  (ad  te)  in  Folge  einer  unrichtigen  Punctation  =  orna- 
tu8  tuus  nahm  und  völlig  willkürlich  durch  »deine  güldene  jRnse«  wiedergegeben  hat, 
kann  nach  dem  Contexte  wohl  nur  al«  beziehungsreiche  Anspielung  auf  die  Liturgie 
des  Sonntags  Laetare  erklftrt  werden.  Vgl.  Schmieder  im  Volksbl.  für  Stadt  u.  Land 
JS54  Sp.  237  fr. 


Gegenstände. 


251 


in  Rom  zugegen  war,  pflegten  die  Päpste  die  goldene  Rose  nach  ausser- 
halb zu  verschenken:  an  PMrsten,   Städte  oder  Kirchen.    Alexander  III. 

verehrte  goldene  Rosen  an  König  Ludwig 
VII.  von  Frankreich  und  an  den  Dogen  von 
Venedig:  Urban  V.  beschenkte  damit  die 
Königin  Johanna  von  Sicilien,  Pius  II.  seine 
Geburtsstadt  Siena,  Sixtus  IV.  im  J.  1408 
den  Kurfürsten  Ernst  von  Sachsen,  Leo  X. 
1519  den  Kurfürsten  Friedrich  den  Weisen 
und  den  Cardinal  Albrecht  von  Mainz  »ztm 
besunder  Ere<f  der  löblichen  Stiftskirche  zu 
Halle,  deren  Heiligthumsbuch  (Gang  I.  l) 
eine  Abbildung  der  goldenen  Rose  enthält 
(verkleinert  wiedergegeben  Fig.  109).  Auch 
der  Dom  zu  Basel  besass  nach  No.  21  des 
Schatz  Verzeichnisses  von  1511  (Mittheil,  der 
Gesellsch.  für  vaterländ.  Alterth.  in  Basel 
IX,  2 1 )  eine  »  Hosa  aurea,  cum  triginta  octo 
foliis ,  quinque  parvis  rosis ,  duobus  nodis  et 
tribus  clipeis i(  aus  geschlagenem  Golde.  — 
Davon,  ob  sich  irgendwo  eine  goldene  Rose 
aus  dem  M.  A.  bis  auf  unsere  Zeit  erhalten 
habe,  verlautet  nichts,  ein  Exemplar,  an- 
geblich aus  dem  XVII.  Jahrh. ,  dem  Her- 
zoge von  Lucca  gehörig,  befand  sich  im  J. 
1855  bei  einem  Goldarbeiter  in  Dresden 
(Deutsches  Kunstbl.   18iS5  S.  119  u.  166). 

7.  Cdt^eskasten,  gewöhnlich  mit  Eisen  beschlagene,  ausgehöhlte 
Eichenstämme,  hie  und  da  Tezelskasten  genannt,  z.  B.  in  den  Domen 
von  Magdeburg ,  Naumburg  und  Ulm,  in  den  Nicolaikirchen  zu  Jüterbog 
und  Beelitz  bei  Potsdam  etc. 

8.  Qdtsenbililer  wurden  zuweilen  in  solchen  Kirchen,  die  an  dem  Ort 
zerstörter  heidnischer  Heiligthümer  errichtet  wurden  (s.  oben  S.  14;,  ent- 
weder in  den  Fundamenten ,  oder  über  der  Erde  sichtbar  in  umgestürzter 
Stellung  als  Siegeszeichen  eingemauert :  ein  Suantevitsbild  in  der  Kirche 
von  Altenkirchen  auf  Rügen ,  ein  metallener  wendischer  Götze  von  dem 
Abteigebäude  zu  Colbatz  im  vaterländischen  Museum  zu  Berlin.  *)  —  Im 
Museum  zu  Trier  befindet  sich  der  antike  Marmortorso  einer  Diana  oder 
Venus,  welcher  ehedem,  neben  der  Klosterk.  zu  St.  Matthias  auf  einer 
rohen  Steinbasis  aufgepflanzt  und  später  auf  dem  angrenzenden  Kirchhofe 
in  Ketten  aufgehöngt,  zur  Zielscheibe  für  die  Steinwürfe  der  Wallfahrer 
diente.  *i    —  Dagegen  haben  die  in  Niedersachsen  in  den  Kirchen  vor- 


Fig.  109.  Goldene  Rose  (nach  dem 
Halli^chen  Heiligthumsbuchc). 


1)  Ueber  heidnische  Bildwerke  in  christl.  Kirchen:  Piper,  Mythologie  der 
Christi.  Kunst.  1,  4Sfr. 

2)  Florencourt,  W.  Ch.  v.,  der  gesteinigte  Venustorso  zu  St.  Matthias  bei 
Trier  'nebst  Abbild.)  in  den  Jahrbüchern  des  Vereins  von  Alterthum^freunden  im 
Rheinlande  XIU.  S.  12S-140. 


252  Verschiedene 

kommenden  sog.  Götzenkammern  mit  dem  Heidenthume  durchaus 
nichts  gemein ,  und  heissen  im  Volksmunde  nur  deshalb  so ;  weil  die  in 
diesen  kirchlichen  Rumpelkammern  zusammengeworfenen  Heiligen-  etc. 
Figuren  von  zerstörten  alten  Denkmälern  dem  evangelischen  Volke  als 
Ueberbleibsel  der  mittelalterlichen  Bilderverehrung  galten  und  wegen  ihrer 
zum  Theil  monströsen  Formen  hin  und  wieder  selbst  fttr  heidnische 
Götzenbilder  gehalten  werden,  wie  dies  z.  B.  zutrifft  bei  den  in  der 
Marienkirche  zu  Berlin  befindlichen  geschnitzten  Evangelistenstatuetten 
aus  dem  XV.  Jahrb.,  denen  statt  menschlicher  Köpfe  die  ihrer  aus  dem 
Thierreiche  entnommenen  Symbole  (Löwe,  Stier  und  Adler)  gegeben  sind. 

9 .  Reillge  draber,  statuarische  Gruppen,  die  Grablegung  Christi  dar- 
stellend, welche  in  den  drei  letzten  Tagen  der  Charwoche  in  Trauer  aus- 
gestattet wurden;  entweder  in  den  Kirchen  selbst  (Maria  auf  dem  Capitol 
in  Cöln  ;  St.  Gangolf  in  Trier ;  St.  Martin  in  Münstermaifeld ;  Pfarrkirche 
zu  Andernach;  Kathol.  Kirche  zu  Remagen;  Kirche  zu  St,  Wendel: 
Liebfrauenkirche  in  Trier  vom  J.  1530;  Dom  zu  Mainz,  abgebild.  in 
Photogr.  bei  Emden  u.  Wetter,  der  Dom  zu  Mainz  Taf.  25;  Münster 
zu  Freiburg  i.  Br.  ;  Marienkirche  zu  Reutlingen,  abgebild.  in  den  Jahres- 
heften des  würtemb.  Alterthums Vereins  IV.  Bl.  3;  aus  der  Stadtkirche 
in  Chemnitz  von  1480  im  Museum  des  Grossen  Gartens  in  Dresden  und 
in  der  Frauenkirche  zu  Zwickau  von  1507  (beide  letztere  in  Schnitz  werk, 
sämmtlich  spätgothisch)  oder  in  besonderen  Heil.  Grabkapellen  (zuSchlett- 
stadt;  auf  dem  Johanniskirchhofe  zu  Nürnberg  von  1507,  abgebild.  bei 
Wolff,  Nürnbergs  Gedenkbuch  Taf.  89;  vgl.  oben  S.  18).  Das  heilige 
Grab  zu  Görlitz  von  1489  (Abbild,  bei  Puttrich,  Denkm.  IL  Serie 
Görlitz  Bl.  5)  ist  eine  Nachbildung  des  Originals  zu  Jerusalem  als  Keno- 
taphium  ohne  statuarische  Ausstattung.  —  Vgl.  über  die  heiligen  Gräber 
der  Charwoche,  im  Kirchenschmuck  (1862)  VI.  5,  I  ff. 

10.  Reuige  Stiegen^  wohl  erst  seit  dem  Ausgange  des  M.  A.  beson- 
ders an  Wallfahrtsorten  vorkommende  Nachbildungen  der  aus  28  Mar- 
morstufen bestehenden  Scala  santa  beim  Lateran  in  Rom,  welche  aus  jener 
Treppe  erbaut  sein  soll ,  die  in  Jerusalem  zu  dem  Richthause  des  Pilatus 
hinauffahrte.  Die  Stufen  sind  mit  einem  Kreuze  bezeichnet  und  werden 
von  den  Gläubigen  auf  den  Knieen  imter  Gebeten  erstiegen;  oben  ist 
eine  Passionsdarstellung  angebracht  (in  der  Kirche  zu  Graupen  in  Böhmen 
z.  B.  die  Ausstellung  Christi,  in  vielen  lebensgrossen  bemalten,  in  Holz 
geschnitzten  und  auf  drei  Altanen  aufgestellten  Figuren) ,  und  eine  zweite 
Treppe  führt  wieder  hinab. 

11.  Kanne ^  aus  Elfenbein  geschnitzt,  wurden  im  früheren  M.  A. 
bis  ins  XIII.  Jahrb.  in  den  Kirchen  gebraucht,  um  das  Haar  des  ponti- 
ficirenden  Geistlichen  vor  der  Messe  zu  ordnen ,  und  nach  dem  Schatz- 
verzeichnisse der  Ecclesia  Sarum  in  England  vom  J.  1222,  wo  es  heisst: 
» Pectines  ehumeae  V.  exceptis  Ars  qtiae  sunt  ad  altaria,  «  gewinnt  es  den 
Anschein ,  als  ob  zu  jedem  Altare  ein  solcher  Kamm  als  Inventarienstück 
gehört  habe.  Auch  bei  der  Consecration  der  Bischöfe  kam  ein  reich  ver- 
zierter Elfenbeinkanim  in  Anwendung,  um  nach  der  Salbung  des  Hauptes 
mit  Chrisam  das  Haar  wieder  zu  ordnen.  Dieser  Consecrationskamm 
verblieb  den  Bischöfen  als  Eigenthum  und  wurde  ihnen  nach  ihrem  Ab- 


Gegenstände. 


253 


Fig.  110.  Der  sog.  Bartkamm  K.  Hein- 
richs I.  in  Quedlinbui^  (nach  Kugler). 


leben  mit  ins  Grab  gelegt,   wie  dergleichen  Kämme  auch  in  deutschen 
Bischofsgräbem  gefunden  worden  sind :  der  Kamm  Erzbischofs  Anno  von 

Cöln  (i  1075)  in  der  Abteikirche  zu  Sieg- 
burg ^jetzt  aufbewahrt  in  der  Stadtpfarr- 
kirche daselbst) ;  der  Kamm  Bischofs  Benno 
von  Osnabrück  (f  lOSS)  in  der  Abteikirche 
zu  Iburg.  Anderweitig  scheinen  auch  die 
Kämme  ausgezeichneter  Personen  nach 
deren  Tode  zu  ihrem  Andenken  in  den 
Kirchenschätzen  aufbewahrt  worden  zu 
sein ;  es  haben  sich  erhalten  ein  angeblich 
von  Karl  dem  Grossen  herrührender  Kamm 
im  Dome  zu  Osnabrück  ,  der  sog.  Bart- 
kamm König  Heinrich's  I.  im  Zither  der 
Schlosskirche  zu  Quedlinburg  (abgebild.  bei 
Kugle r,  KL  Schriften  1,  633),  der  Kamm 
des  heil.  Ulrich  (f  973)  in  der  Kirche  St. 
Ulrich  und  Afra  in  Augsburg  (abgebild.  bei 
Sighart,  Gesch.  der  bild.  Künste  I,  108), 
der  Kamm  der  heil.  Kunigunde  im  Dom- 
schatze zu  Bamberg  (abgebild.  bei  Becker 
und  V.  Hefner- Alteneck,  Kunstw.  u. 
Geräthschaften  Bd.  l  Taf.  28),  der  Kamm 
der  heil.  Hildegard  (f  1 179 ;  abgebild.  bei 
V.  Hefner-Alteneck,  Trachten  etc.  I.  Taf.  38).  —  Abbildungen  von 
zwei  Elfenbeinkämmen  im  Stadt.  Museum  zu  Cöln  bei  Bock,  das  heil. 
Köln.  Taf.  XLm.  121  u.  XLIV.  122;  andere  spätere  bei  Becker  und 
V.  Hefner  a.  a.  O.  Bd.  3  Taf.  13  u.  33.  —  Diese  Kämme,  stets  mehr 
hoch  als  breit ,  haben  entweder  nur  eine  oder  zwei  Reihen  lange ,  enger 
oder  weitläufiger  gestellte  Zähne.  Bei  den  Doppelkämmen  ist  das  Mittel- 
stück, bei  den  einfachen  der  obere,  gewöhnlich  lyraförmig  doppeltgehörnte 
Griff  mit  antikisch  -  agonis tischen ,  biblischen  oder  erotischen  Flachreliefs, 
zuweilen  auch  nur  mit  Ornamenten  geschmückt :  der  Quedlinburger  Kamm 
ist  am  Griff  mit  ausgeschnitztem  naturalisirendem  Ranken  -  und  Blätter- 
werk und  Einfassungen  von  Gold  und  Edelsteinen  reich  verziert  und  viel 
jünger  als  die  Zeit  Heinrichs  I.  —  Vgl.  Bock,  Fz.,  das  heilige  Köln  zu 
No.  121  u.  122.  —  Bretagne,  Recherches  sur  les  peignes  liturgiques 
im  Bulletin  monumental  (3.  Serie.  T.  6)  Vol.  27  No.  4. 

12.  Kreaie  von  vier  gleichen  Schenkeln,  in  einen  Kreis  gezeichnet, 
in  bunten  Farben  innerlich  an  die  Wände  der  Kirchen  angemalt  und  von 
decorativem  Charakter,  sind  die  Zeichen  der  bischöflichen  Weihe;  vergl. 
oben  S.  130.  —  Eine  farbige  Abbild,  der  in  der  Marienkirche  zu  Röbel 
im  Meklenburgischen  befindlichen  stilisirten  W^eihekreuze  aus  dem  XIII. 
Jahrb.  (hochroth  auf  weissen  Scheiben  mit  rothen  und  blauen  Blattver- 
zierungen) s.  in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen  (1852)  Jahrg.  II.  Bl.  55. 
Fig.  III. 

13.  Krippen >  in  Hochrelief  geschnitzte  und  bemalte  Darstellungen 
der  Geburt  Jesu ,  der  Anbetung  der  Hirten  imd  der  Weisen ,   welche  in 


254  Verschiedene 

der  Weihnachtszeit  ausgestellt  wurden;   ein  Krippchen  (6  F.  hoch,  4  F.. 
breit)  in  der  Klosterkirche  zu  Berlin  beschreibt  Bellermann,  J.  Joach., 
das  graue  Kloster  in  Berlin  1,  43  fF.,  und  in  der  Klosterkirche  zu  Marien- 
feld bei  Gütersloh  befindet  sich  ein  solches  in  Metallguss. 

14.  Llchtpntzen  werden  von  Dura  ndus  f Rationale  1.  1  c.  3  n.  28.  29) 
unter  den  kirchlichen  Geräthschaften  erwähnt :  nEmunctorta  sive  forcipes, 
quorum  gemino  denie  componitur  ignis,  ad  emungendum  Igchnum,«  und  als 
dazu  gehörig :  »  Vasa,  in  quibt*s  emuncti  lychni  exttnguuniura. 

15.  Haasse  und  andere  öffentliche  Bestimmungen  finden  sich  zuwei- 
len figürlich  an  den  Kirchengebäuden  verzeichnet  und  durch  Inschriften 
erläutert;  z.  B.  sind  an  der  Vorhalle  des  Münsters  zu  Freiburg  i.  Br. 
die  Brotmaasse  von  1270,  1317  und  1320,  sowie  Normalmaasse  der 
Elle,  der  Klafter,  der  Kohlen ,  der  Ziegel  und  ein  Jahrmarkts verzeichniss 
eingegraben  und  an  der  Kirche  zu  Engen  im  Badischen  ebenfalls  ver- 
schiedene Normalmaasse  :  r>der  stat  buty  der  etat  khfter^^  auch  an  der  Ost- 
seite der  Pfarrkirche  zu  Culm  in  Preussen. 

16.  Oelberge  d.  h.  Christi  Leiden,  in  Gi-uppen  oft  lebensgrosser 
Steinbilder,  von  Gethsemane  an  bis  zur  Kreuzigung,  Grablegung  und 
Auferstehung ;  gewöhnlich  in  Nebenräumen  oder  ausserhalb  der  Kirchen, 
und  zwar,  soweit  bekannt,  .sämmtlich  aus  dem  XV.  und  XVI.  Jahrhundert. 
Bewundert  waren  die  nicht  mehr  vorhandenen  Oelberge  auf  dem  Münster- 
platze zu  Ulm  von  1474  (erweitert  1516 — 1518;  in  den -letzten  Resten 
1807  weggeräumt)  imd  in  der  Mitte  des  Kreuzgartens  am  Dome  zu 
Speier  von  1509:  beide  mit  architektonischem  Beiwerk.  Erhalten  haben 
sich  die  Oelberge  zu  Xanten  (auf  dem  Hofraume  bei  St.  Victor  1536; 
abgebild.  bei  aus'm  Weerth,  Kunstdenkm.  I.  Taf.  XIX.  4 — S),  Worms 
(in  der  Sacristei  des  Domes  einzelne  Figuren)  ,  Warburg  (zwischen  zwei 
Strebepfeilern  am  Chor  der  Johanneskirche),  Donauwörth  (nördlich  neben 
dem  Thurm  der  Hauptkirche) ,  Landshut  (am  Aeussem  der  Martinskirche 
zwei  Reliefs),  Wasserburg,  Wang  bei  Moosburg  (von  1478»,  Regensburg 
(im  Dom ,  St.  Emmeram  und  Obermünsterj ,  Klosterneuburg  (Holz- 
sculpturen  in  der  Stiftskirche),  Knittelfeld  (am  Chor  der  Pfarrkirche, 
ebenfalls  in  Schnitzwerk) ,  Nürnberg  (neben  der  Brautthür  der  Lorenz- 
kirche) ;  seltener  in  Norddeutschland :  in  Wittenberg  oben  am  östlichen 
Giebel  der  Stadtkirchej ,  Merseburg  (in  der  Vorhalle  des  Domes,  nur  noch 
der  Berg)  etc.  —  Oelberge  gehören  wie  die  Calvarienberge  und  die  heil. 
Gräber  auch  zu  den  Stationen;  s.  diese. 

17.  Opferstöcke ^  eine  Art  von  verschlossenen  Kästen  oben  mit  einer 
Oeffnung  zum  Einlegen  von  Almosen,  vor  den  Thüren  der  Kirchen, 
Hospitäler  etc.  Oft  ist  es  nur  ein  ausgehöhlter,  oben  mit  Eisen  beschla- 
gener in  die  Erde  gegrabener  Baumstamm  oder  Pfahl;  zuweilen  jedoch 
sind  die  Opferstöcke  auch  aus  Stein  und  künstlerisch  omamentirt  z.  B. 
in  der  Sacristei  der  Frauenkirche  zu  Jüterbog ,  in  der  Klosterkirche  zu 
Eschau  bei  Strassburg,  beide  aus  dem  XVI.  Jahrhundert. 

18.  Passi«B8Saalea  sind  Darstellungen  der  Säule,  an  welcher  Christus 
gegeisselt  wurde  :  der  Schaft  ist  mit  den  Marterwerkzeugen  und  sonstigen 
Emblemen  des  Leidens  Jesu  verziert,  und  oben  auf  der  Säule  sitzt  insge- 


Gegenstftnde. 


255 


mein  der  Hahn  Petri.     Eine  Passionssäule  in  bemaltem  Schnitz  werk  in 
der  Krypta  des  Doms  von  Braunschweig,   abgebild.   bei  Görges,   Be- 
schreib,  vom   St.   Blasius-Dom   in 
Braunschweig  Taf.  IV. 

19.  Pr«€essUii8gerätke  verschie- 
dener Art:  Vortragekreuze  frrw- 
ces  processionales)  *),  welche  auf  einer 
hohen,  oben  in  einem  Knauf  enden- 
den verzierten  Stange  [Aasta,  hastile) 
befestigt,  den  Processionen  vorange- 
tra gen  werden .  Durandus,  Ratio- 
nale 1.  4  c.  6  n.  IS:  nCrux  ergo 
quasi  regale  vexillum  et  triumphale 
Signum  in  processionibus  praemitti- 
tur.u  —  Die  ältesten  und  kostbarsten 
Exemplare  aus  dem  X.  u.  XI.  Jahrh. 
befinden  sich  im  Schatze  der  Mün- 
sterkirche zu  Essen  und  sind  bei 
aus'm  Weerth,  Kunstdenkm.  II. 
Taf.  XXIV  — XXVI.  in  grossem 
Maasstabe  in  Farbendruck  abgebil- 
det (s.  oben  S.  117  Fig.  44) ;  andere 
etwas  jüngere  in  der  Reliquienkam- 
mer auf  dem  Schlosse  zu  Hannover. 
Abbildungen  von  Processionsk reu- 
zen des  XII  —  XVI.  Jahrhunderts 
aus  verschiedenen  Kirchen  Cölns  bei 
Bock,  das  heil.  Köln  Taf.  III.  11, 
IX.  35.  37,  XX.  77,  XXVI.  104, 
XXXIX.  IU9,  XL.   113. 

Fahnen  (vexilla) .  —  Der  Ge- 
brauch von  Fahnen  bei  den  Bitt- 
gängen wird  von  Durandus  (1.  c. 
1.  6  c.  102  n.  8)  auf  das  Labarum 
Constantins  des  Grossen  zurückge- 
führt:  »  Quod  vero  cruces  et  vexilla  portantur,  a  Constantino  sumpsit  ec- 
clesia  j  qui  cum  in  somnis  crucis  signum  vidisset,  eique  dictum  Juisset : 
Vinces  in  hoc  signo  y  jussit  cruces  in  vexillis  hellicis  insigniri.u  —  Die 
Kirchenfahnen  entsprechen  der  Form  nach  im  Wesentlichen  der  Beschrei- 
bung, welche  Eusebius  (de  vita  Constantini  1.  l  c.  31)  von  dem  Laba- 
rum gegeben  hat :  an  einem  langen  Stabe  ist  eine  Querstange  befestigt, 
von  welcher  das  viereckige  (unten  in  drei  Spitzen  ausgezackte)  Fahnen- 
tuch herabhängt ;  letzteres  ist  mit  einem  gestickten  oder  gemalten  Kreuze 
oder  Heiligenbilde  geschmückt.  Der  Gebrauch  dreieckiger  oder  solcher 
Fahnen ,  die  wie  die  Kriegsfahnen  nicht  an  einem  Querstabe ,  sondern  an 
der  Fahnenstange  selbst  befestigt  sind ,   ist  im  römischen  Rituale  unter- 


Fig.  111.  PassioDSfiftule  im  Dome  zu  Braun- 
schweig  (nach  Giyrges). 


\)  Ueber  die  Verwendung  der  Vortragekreuze  als  Altarkreuze  8.  oben  S.  1 14. 


256  Verschiedene 

sagt;  vgl.  Jakob,  die  Kunst  im  Dienste  der  Kirche  S.  160.  —  Einige 
bemalte  Processionsfahnen  aus  Penig ,  der  Zeit  um  1500  angehörig ,  be- 
finden sich  im  Museum  des  Grossen  Gartens  in  Dresden ;  andere  ältere 
in  der  Kirche  zu  Lüne  bei  Lüneburg. 

Baldachine,  Traghimmel ,  wenn  auch  wohl  schon  viel  früher  bei 
feierlichen  Aufzügen,  Leichenbegängnissen  etc.  vorkommend,  scheinen 
jedoch  zugleich  mit  den  Fronleichnamsprocessionen  erst  in  allgemeine  Auf- 
nahme gekommen  zu  sein,  wobei  die  leitende  Idee  von  den  Ciborienaltären 
hergenommen  worden  sein  könnte.  Der  Name  Baldachin  (baudekynus : ^ 
übertragen  vom  it.  Baldacco  =  Bagdad,  woher  ursprünglich  der  dazu  ge- 
brauchte, aus  Goldföden  und  Seide  gewebte  Stoff  kam  (vgl.  Diez,  Wör- 
terb.  der  roman.  Spr.  S.  39).  —  Die  mittelalterlichen  Traghimmel,  wie 
Durandus,  Rationale  1.  4c.  6n.  11.  12')  dieselben  beschreibt,  und 
wie  sich  aus  Malereien  (z.  B.  aus  der  colorirten  Federzeichnung  eines 
jüdischen  Baldachins  in  der  Chronik  des  Ulrich  von  Reichenthaler  vom 
J.  1417  auf  dem  Rathhause  zu  Constanz;  Abbild,  bei  v.  Hefner- 
Alteneck,  Trachten  Abth.  IL  Taf.  23)  ergiebt,  bestanden  (ohne  das 
erst  späterer  Zeit  angehörende  feste  Gestell)  nur  aus  einem  viereckigen 
Tuche,  das  zuweilen  rundherum  mit  herabnängenden  Zotteln  besetzt,  mit 
den  vier  Zipfeln  an  leichten  Stangen  befestigt  war.  Die  Farbe  des  Bal- 
dachinstoffes scheint  meist  roth  gewesen  zu  sein:  das  Inventarium  der 
Londoner  Paulskirche  von  1275  fahrt  drei  Traghimmel  an,  von  denen  es 
zwei  als  »purpureia  und  den  dritten,  obwohl  von  einem  Leichenbegäng- 
nisse herrührend,  als  ^yrubeusn  bezeichnet.  —  Cardinal  Albrecht  von  Mainz 
schenkte  1540  dem  dortigen  Dome  drei  reich  gestickte,  mit  Edelsteinen 
und  Perlen  geschmückte  »  Himmeln  aus  rothem  Goldstoff,  von  denen  der 
eine,  10  Schuh  lang  und  9  Schuh  breit,  von  sechs  vergoldeten  Stangen 
getragen,  und  auf  IbOOO  Gulden  geschätzt  wurde.  —  Vgl.  Bock,  Fz.', 
der  Baldachin  (Processionshimmel)  in  seinem  Ursprimg,  seiner  Form  und 
Bedeutung,  im  Organ  für  christl.  Kunst  1862  No.  19.  21  —  23. 

Bahren  i/eretra)  zum  Tragen  der  Reliquiensärge  und  Gnadenbilder. 
Vgl.  oben  S.  145. 

Tragleuchter,  nach  Cölner  Mundart  T o r t s c h e n  (ital.  torcia  s^ 
Fackel),  Stäbe,  oben  mit  Lichtteller  und  Kerzenstachel,  zuweilen  in  be- 
maltem Schnitz  werk  ausgeführt:  ein  4^/4  F.  hoher  Processionsleuchter, 
an  dessen  sechseckigem  mit  Zinnen  und  Mauerthürmen  (s.  oben  S.  125' 
geschmücktem  Obertheil  aus  Blech  zwei  Engel  schweben  mit  Kreuz  und 
Domenkrone,  in  der  Abteikirche  zu  Gladbach ;  ein  anderer,  grösserer  mit 
Tabernakelaufsatz ,  in  welchem  ein  Marienbild ,  in  der  heil.  Geistkapelle 
zu  Wismar  —  beide  abgebildet  im  Organ  für  christl.  Kunst  1856 ,  artist. 
Beil.  zu  No.  3.  —  Zwei  gegen  6  F.  hohe,  zierlich  geschnitzte,  bemalte 
und  vergoldete  Kerzenhalter  (XV.  Jahrh.)  aus  Penig  im  Museum  des 
Grossen  Gartens  zu  Dresden ;   ebendaselbst  auch  ein ,    eine  gewundene 


1 )  »  Quatuor  tnittistt-i  super  pontificem  majjptUam  Jferun t  in  eummitatibue  quatnor 
haculorum  colligatOf  et  inde  ipsi  mtnistri  mappularü  nuncupantur:  mappula  xUa 
diversis  ßgurata  est  imaginibus,  —  In  summttatibtis  baculorum  imagines  quatuor 
evangelisiarum  collocantur,« 


Gegenstände.  257 

Säule  bildender,  oben  eine  Heiligenstatue  tragender  Wallfahrtstab 
aus  der  Kirche  in  Boda  bei  Frohburg  vom  Ende  des  XV.  Jahrhunderts. 
Äehnliche  zum  Theil  mit  Bildwerk  geschmückte  Stangenleuchter  im  Dome 
zu  Lübeck  und  in  der  Johanniskirche  zu  Lüneburg,  vier  Processions- 
stangen  auch  in  der  Stadtkirche  zu  Jena. 

20.  Karitätei^  besonders  naturgeschichtliche,  s.  oben  S.  160. 

21.  ScU^sserarbeiteij  oft  gleich  ausgezeichnet  durch  Künstlichkeit 
der  Arbeit ,  durch  geschmackvolle ,  stilgemässe  Muster ,  wie  durch  Be- 
malung und  Vergoldung.  Vgl.  Hefner- Alteneck,  J.  v.,  Eisenwerke 
oder  Ornamentik  der  Schmiedekunst  des  M.  A.  und  der  Renaissance 
1861  etc.,  auch  Am^,  E. ,  Ferronnerie  du  moyen-äge,  in  den  Annales 
arch^ol.  (1854)  14,  304  sqq.  —  Ausser  Lichtträgern  verschiedener  Art 
(s.  oben  S.  119 — 122  und  130)  und  anderen  Utensilien  kommt  hier 
namentlich  in  Betracht  das  Gitterwerk  vor  Hallen  im  Innern  der  Kirchen 
(z.  B.  im  Dome  zu  Magdeburg  vor  der  Kapelle  unter  den  Thürmen,  vom 
J.  1498;  Abbild,  bei  Statz  und  Ungewitter,  Gtoth.  Musterbuch  Taf. 
57  u.  58)  und  von  Thüren  an  kirchlichen  Nebenräumen  und  Schreinen. 
(Vgl.  die  Abbild,  von  Gitterwerken  aus  Fritzlar,  Immenhausen  und  Ander- 
nach ebd.  Taf.  55  Fig.  11—18,  aus  Marburg  ebd.  Taf.  12  Fig.  12.  13, 
vom  Sacramenthäuschen  im  Dome  zu  Meissen  ebd.  Taf.  56  Fig.  1 — 8, 
vom  Sacramenthäuschen  im  Dome  zu  Fürstenwalde  bei  Kallenbach, 
Chronologie  etc.  2.  Taf.  21).  Ferner  die  zuweilen  mit  gefärbtem  Leder, 
Tuch,  Papier  etc.  unterlegten  Eisenbeschläge  hölzerner  Thüren  (s.  oben 
S.  67),  welche  die  letzteren  oft  ganz  überziehen.  Man  sehe  die  polychrome 
Abbild,  des  abwechselnd  mit  rothem  und  blauem  Pergament  unterlegten 
Beschlages  der  Sacristeithür  aus  dem  XV.  Jahrh.  in  der  Pfarrkirche  zu 

•  Brück  a.  d.  Mur  in  den  Mittelalterl.  Kunstdenkm.  des  Österreich.  Kaiser- 
staates Bd.  1  (S.  150  Fig.  4)  Taf.  XXI.  u.  XXII.  und  die  Abbüd.  der 
Beschläge  an  Thüren  der  Kirche  zu  CoUin,  der  Pfarrkirche  zu  Brück,  der 
Friedhof skapeUe  und  eines  Schrankes  in  der  Sacristei  daselbst  a.  a.  O. 
S.  14S  ff.;  an  einer  Thurmthür  der  Liebfrauenkirche  zu  Wiener-Neustadt 
a.  a.  O.  Bd.  2  S.  188;  mehrere  Thürbeschläge  aus  Gestenreich  u.  d. 
Enns  u.  Steiermark  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commission  (1859) 
4,  104  u.  137,  aus  Krakau  ebd.  (1857)  2,  305.  Die  Hauptthür  der 
Pfarrkirche  zu  Boppard  ist  bei  der  Restauration  im  J.  1841  vernichtet 
and  durch  moderne  Tischlerei  ersetzt;  eine  Abbild,  des  ehemaligen  roma- 
nischen Beschlages  bei  Moller,  Denkm.  Bd.  III.  Taf.  21.  —  Im  Dome 
zu  Magdeburg  ein  Wandschrank ,  dessen  Thür  über  einem  Ueberzug  aus 
rothem  Pergament  ganz  mit  schön  gezeichnetem  Laubwerk  überkleidet 
ist;  s.  den  aus  der  Zeitschr.  fdr  christl.  Archäol.  u.  Kunst  1 ,  233  ent- 
nommenen Holzschnitt  Fig.  112.  —  Abbildungen  von  Thürbeschlägen 
von  St.  Elisabeth  in  Marburg  bei  Statz  und  Ungewitter  a.  a.  G. 
Taf.  51  u.  52  Fig.  1—6,  von  der  Schlosskapelle  daselbst  Taf.  49  Fig.  1 
u.  Taf.  53  Fig.  1—3,  vom  Dome  zu  Erfurt  Taf.  11  Fig.  1—3  u.  Taf. 
52  Fig.  7  —  9,  aus  St.  Severi  daselbst  Taf.  10  Fig.  4.  5.  10,  von  meh- 
reren Kirchen  in  Mühlhausen  Taf.  49  Fig.  6  — 8  u.  Taf.  53  Fig.  7  u.  9, 
von  der  Kirche  in  Schmalkalden  Taf.  1 0  Fig.  3 ,  von  einem  Schrein  in 
Andernach  Taf.  53  Fig.  5  u.  6,  von  verschiedenen  hessischen  Werken 

0 1 1  e ,  Kuntt- Archäologie.  1 7 


258 


Verschiedene 


Taf.  11  Fig.  8,  Taf.  12  Fig.  1  —  7.  9—11,  Taf.  49  Fig.  2—4,  Taf.  53 
Fig.  1—4,  Taf.  54,  aus  Fulda  Taf.  55  Fig.  8.  9,  aus  dem  Dome  in 
Magdeburg  Taf.  50  Fig.  1  u.  Taf.  53  Fig.  8,  aus  dem  Dome  in  Meissen 


Fi^.  112.  TbUr  eines  Wandschrankei  im  Dom  zu  Magdeburg. 

Taf.  49  Fig.  5,  Taf.  50  Fig.  2 — 5,  aus  der  Wiesenkirehe  in  Soest  Taf. 
10  Fig.  6.  7;  Kast^nbeschläge  aus  St.  Elisabeth  in  Marburg  Taf.  59 
Fig.  1  (kupferne  ebd.  Fig.  2)  und  verschiedene  Schlosserarbeiten  Taf. 
7—9,  Taf.  55  Fig.  1  —  7  u.  10.  —  Beschläge  von  dem  Tabemakel- 
schrein  in  der  Kirche  zu  Bernau  bei  K  u  g  1  e  r,  Kleine  Schriften  1 ,  116.  — 
Ein  Schlüssel  von  Bronze  aus  dem  XII.  Jahrb.,  mit  drei  männlichen  Ge- 
stalten verziert ,  hat  sich  in  der  Elisabethkirche  zu  Marburg  erhalten  und 
ist  abgebildet  bei  Becker  u.  v.  Hefner-Alteneck,  Kunstwerke  etc.  I. 
Taf.  64. 

22.  Stationen  d.  i.  Stillstandsorte  der  Wallfahrten  und  Processionen 
in  abgemessenen  Entfernungen ,  bezeichnet  durch  Bildwerke,  welche  ein- 
zelne Vorgänge  aus  dem  Leben,  namentlich  aus  der  Leidensgeschichte 
Jesu  zur  Anschauung  bringen  ;  oft  in  Verbindung  mit  den  Calvarienbergen 


Gegenstände.  259 

(s.  oben  No.  4) .  Die  berühmtesten  Stationen  sind  die  in  Nürnberg  am 
Wege  vom  Thiergflrtnerthor  bis  auf  den  Johanneskirchbof :  sieben  Stand- 
säiüen  mit  Reliefs  von  Adam  Kraft  um  1490,  den  Leidensweg  Christi 
bezeichnend  (restaurirt;  vgl.  die  Abbild,  bei  Wolff,  Nürnbergs  Gedenk- 
buch Taf.  81— 88). 

23.  Steiikrenze  im  freien  Felde  bezeichnen  oft  die  Stelle  ^  wo  ein 
Mord  verübt  worden  (oder  jemand  plötzlich  verstorben)  ist ,  und  mussten 
von  den  Todtschlägem  zur  Sühne  errichtet  werden»  z.B.  vor  dem  westlichen 
Eingange  der  Marienkirche  zu  Berlin,  wo  1335  der  Propst  Nicolaus  von 
Bernau  vom  Volke  erschlagen  wurde.  Viele  Beispiele  solcher  Kreuze  bis 
zum  J.  1596  (das  älteste  datirte  von  1350)  bei  Waldmann,  H. ,  über 
denthüring.  Gott  Stuffo  (Heiligenstadt  1857)  S.  99ff;  vgl.  auchBösigk, 
Fz.  L.,  über  Mordkreuze,  in  den  Mittheil,  des  k.  Sachs.  Vereins  für 
Erforsch,  vaterländ.  Alterth.  1857  Heft  10.  —  Walthierer,  Stein- 
kreuze, von  Todtschlägem  zur  Sühne  errichtet  (Beispiele  von  1436  und 
1463],  im  Anzeiger  des  german.  Museums  1860  Sp.  207.  —  Eine  Ab- 
bild, des  dem  Herzog  Friedrich  von  Braunschweig  1400  bei  Fritzlar  er- 
richteten Kreuzes  bei  Steinruck,  disqu.  bist,  de  Frid.  duce  Brunsv.  et 
Luneb.  anno  1400  haud  procul  Fritzlaria  caeso.  Marb.  174  3.  —  In  den 
Gegenden,  wo  sich  solche  Kreuze  finden  (im  Hohensteinischen,  bei  Wetz- 
lar, in  Westfalen,  Franken,  Oberpfalz,  Altbayem,  Schwaben)  führen 
dieselben  oft  den  Namen  ^^  Schwedenkreuze  ^ ,  nach  dem  Volksglauben  zur 
Bezeichnung  solcher  Stellen,  wo  im  30jährigen  Kriege  Gefallene  ein  ge- 
meinsames Grab  gefunden  hätten.  —  In  mitten  der  Vorstadt  Neumarkt 
bei  Jüterbog  steht  ein  sehr  altes  (ursprünglich  3  Ellen  hohes)  Granit- 
kreuz, der  Localsage  zufolge  an  einer  Stelle,  wo  ehemals  heidnische  Sacra 
gefeiert  wurden ,  und  daselbst  zum  Andenken  an  die  Einführung  des 
Christenthums  im  XII .  Jahrh.  errichtet. 

24.  Teppiche  fanden  in  den  mittelalterlichen  Kirchen  ausgedehnte 
Anwendung ,  nicht  bloss  als  Vorhänge  vor  Thüren  [vela  januarum)  und 
Fenstern  [panni;  s.  oben  S.  68.) ,  als  Rücklaken  und  Sitzkissen  {dorsalia, 
bancalia;  oben  S.  198)  in  den  Chorstühlen,  oder  statt  der  Scheidewände 
des  Chores  {^velum  inter  clerum  et  populum(i  bei  Durandus,  Rationale 
1.  1 .  c.  3  n.  35),  zu  beiden  Seiten  der  Altäre  (»cortinae  in  utroque  latere 
altariaa,  welche  in  manchen  Kirchen  während  der  Secreta  in  der  Messe 
vorgezogen  wurden,  nquae  tunc  extenduntum  und  den  Priester  »quask  ver- 
hüllten; ebd.  1.  4  c.  39  n.  1,  vgl.  oben  S.  104)  ,  sondern  auch  zum  Be- 
hängen der  Wände  und  Pfeiler  bei  festlichen  Gelegenheiten  (ocortinae  in 
/esiivitaiibus  propter  omaiumd  ]  ebd.  1.  l  c.  3  n.  39)  und  in  der  Fasten- 
zeit vor  dem  Sanctuarium  {welum,  quod  sacrarium  aclero  divideh;  ebd. 
n.  35)  als  Fastentücher  (cortinae  quadroffestmales)  zur  Erinnerung  an 
den  Vorhang  im  Tempel  zu  Jerusalem.  Ausserdem  erwähnt  Durandus 
(ebd.  n.  23)  auch  der  Fussdecken:  tu  Substratoria ,  quae  pedibus  subsier- 
nuniur,  «  und  der  Fussteppiche  :  »  Tapetia  sunt  panni,  qui  pedibus  subster- 
nuntur.it  —  Im  früheren  M.  A.  bezog  man  die  Teppiche  aus  dem  Orient 
(cortinae  Alexandrinae,  Tyriae;  vela  Byzantea,  Syrica) ,  die  dann  später 
auch  im  Abendlande,  in  Palermo  unter  den  Normannen  zuerst  durch 
sarazenische  und  byzantinische  Arbeiter,  nachgeahmt  wurden :  diese  kost- 

17* 


260  Verschiedene 

baren  Seidengewebe  waren  oft  mit  symmetrisch  (in  kreisrunden  Einfas- 
sungen, daher  pallia  scutellaia,  rotata)  geordneten  Tbierfiguren  gemustert 
(£iephanten,  LOwen,  Pfauen,  Papageien,  Adler,  EinhOmer,  Greife; 
daher  vela  leonata ,  aquilata  etc, ) .  Seit  dem  Ende  des  X.  Jahrb.  wurden 
Teppicbe  in  einzelnen  (besonders  französiscben  und  niederländischen) 
KlOstem  durch  LaienbrQder,  und  später  durch  zünftige  Handwerker,  stets 
aber  auch  in  den  Nonnenklöstern  (aus  Seide ,  Wolle ,  Zwirn  auf  einem 
Aufzuge  von  starken  Hanffäden}  gewebt  und  zeigen  figarliche  Darstel- 
lungen biblischen,  symbolischen  und  profanen  Inhalts.  Diesen  Webereien 
schliessen  sich  die  (auf  grober  Leinweind  mit  gezwirnter  Wolle  etc.) 
von  Frauenhand  gestickten  Arbeiten  an.  Auf  Leinwand  mit  Leimfarben 
gemalte  Teppiche  kommen  frühestens  erst  seit  dem  XIV.  Jahrb.  vor. 
Fast  regelmässig  sind  die  Teppiche  (die  orientalischen  mit  arabischen)  mit 
erläuternden  oder  anderen  Inschriften  versehen.  —  Ueber  Gebrauch, 
Stoffe,  Technik  und  Bezugsquellen  der  Teppiche  vgl.  Jubinal,  AchiUe, 
Recherches  sur  l'usage  et  Forigine  des  tapisseries  ä  personnages.  Paris 
1840.  —  Bock,  Fz. ,  Gesch.  der  liturg.  Gewänder  des  M.  A.  1856; 
auch  desselben  Catalogus  pannulorum  hoiosericorum  textura  et  antiqultate 
memorabilium.  Colon.  (1859).  —  Springer,  Ant. ,  Teppiche  als  Bild- 
motive, in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-^ Commission  (1860)  5,  67  ff. 
75  ff.  —  Schnaase,  Kunstgesch.  IV.  l,  341. 

Wie  aus  der  Vergänglichkeit  imd  der  oft  schonungslosen  Benutzungs- 
weise der  Teppiche  erklärlich,  ist  aus  dem  früheren  M.  A.  wenig  erhal- 
ten ,  das  meiste  jedoch  in  niedersächsischen  ehemaligen  Nonnenklöstern : 
die  romanischen  (bereits  oben  S.  202  erwähnten)  Rücklaken  der  Chor- 
stühle des  Domes  zu  Halberstadt  (Christus  und  die  Apostel,  die  Opferung 
Isaacs,  zwei  Enden  von  etwa  43  F.  Länge  bei  ungefähr  Sy«  F.  Breite)  ; 
ein  aus  verschiedenen  Bruchstücken  zusammengesetzter  orientalischer 
Seidenteppich  mit  braun  violetten  Tbierfiguren  und  Palmetten  auf  gelbem 
Grund  aus  der  Zeit  der  Kreuzzüge,  früher  im  Kloster  Wienhausen,  jetzt 
»im  Privatbesitz n  (abgebildet  bei  Mithoff,  Archiv  für  Niedersachsens 
Kunstgesch.  Abth.  II.  Taf.  9.  10) ;  Theile  eines  gewebten  Teppichs  aus 
der  Zeit  um  1200  mit  der  Vermählung  des  Mercurius  und  der  Philologia 
nach  dem  Dichter  Marcianus  Capeila  (abgebildet  bei  Steuerwaldt  und 
Virgin,  Kunstschätze  im  Zitterge wölbe  zu  Quedlinb.  Taf.  36  —  40; 
vgl.  Kugler,  Kl.  Schriften  1,  63  5  ff.)  in  der  Stiftskirche  zu  Quedlinburg; 
femer  im  Kloster  Wienhausen  ein  gestickter  Teppich  von  13X7  F.  mit 
der  Geschichte  von  Tristram  und  Isolde  nebst  37  Wappen,  aus  der  ersten 
Hälfte  des  XIV.  Jahrb.  (abgebild.  bei  Mithoff  a.  a.  O.  Taf.  6) ;  zwei 
ebenfalls  dem  XIV.  Jahrb.  angehOrige  gestickte  Teppiche ,  der  eine  mit 
Jagdscenen,  der  andere  mit  Prophetenffguren  (abgebild.  a.  a.  O.  Taf.  7), 
das  Bruchstück  eines  aus  derselben  Zeit  stammenden  mit  alttestament- 
lichen  Scenen  (abgebild.  ebd.  Taf.  2)  und  zwei  gestickte  Teppiche  aus 
dem  XV.  Jahrb. ,  der  eine  mit  der  Legende  des  Ap.  Thomas  (abgebild. 
ebd.  Taf.  8) ,  der  andere  mit  der  Geschichte  der  heil.  Elisabeth  (abge- 
bildet ebd.  Taf.  2).  Auch  finden  sich  noch  Teppiche  in  den  ehemaligen 
Klöstern  Heiningen  (XIU.  oder  XIV.  Jahrb.) ,  Ebsdorf  (XV.  und  XVI. 
Jahrb.),  Lüne  (1505  und  1506) ,  Weende  und  im  Dome  zu  Halberstadt 


Gegenstände.  261 

(um  !500) ;  über  den  Kanzelteppich  in  Eisleben  s.  oben  S.  207.  —  Die 
Lorenzkirche  in  Nürnberg  besitzt  Teppiche  aus  dem  XIV — XVI.  Jahrh., 
die  ältesten  mit  den  Aposteln  und  der  Legende  der  heil.  Katharina ;  die 
dortige  Sebaldskirche  einen  Teppich  von  1497  mit  der  Geburt  Christi  und 
vier  Heiligen;  die  Elisabethkirche  zu  Marburg  einen  Teppich  mit  der 
Geschichte  des  verlorenen  Sohnes,  aus  der  Zeit  um  1400.  —  Der  Katalog 
des  Erzbischöfl.  Museums  in  Cöln  (vom  J.  1855)  fahrt  an  (No.  102. 
105 — 109)  gewebte  Teppiche  aus  St.  Johann  zu  Cöln  (Bruchstücke  aus 
dem  Beginn  des  XVI.  Jahrb.),  ein  Bruchstück  mit  der  Fahrt  der  heil. 
Ursula  und  einen  grösseren  Altarteppich  mit  Thier-  und  Pflanzen  -  Orna- 
ment (beide  aus  dem  XV.  Jahrh.  und  Eigenthum  des  Museimis) ,  aus 
Maria  -  Lyskirchen  in  Cöln  (XVI.  Jahrh.) ,  aus  den  Kirchen  zu  Nieder- 
werth  (XV.  Jahrh.)  und  Kerpen  (Stickerei  aus  dem  XV.  Jahrh.)  —  In 
der  bischöflichen  Residenz  zu  Gurk  ein  Behang  der  Fensterbrüstung  des 
bischöflichen  Oratoriums  in  der  Schlosskapelle  mit  symbolischen  Darstel- 
lungen, aus  dem  XVI.  Jahrhundert.  —  Interessant  ist  ein  Teppich  aus 
dem  XVI.  Jahrh.  im  National  -  Museum  zu  Manchen  (mit  der  Anbetung 
der  Könige)  durch  die  kleine  Darstellung  einer  Nonne,  die  einen  Teppich 
webt,  welcher  vor  ihr  der  Höhe  nach  ausgespannt  ist.  —  Unter  den  be- 
malten Teppichen  des  späteren  Mittelalters  sind  namentlich  die  Fasten- 
tücher hervorzuheben.  Der  grosseste  bekannte  Teppich  dieser  Art  ist 
das  Hungertuch^  welches  zum  Andenken  an  eine  überstandene  Hungers- 
noth  von  dem  Gewürzkrämer  Jacob  Gorteler  zu  Zittau  in  die  dortige 
Johanneskirche  gestiftet  wurde  und  sich  jetzt  im  Museum  des  Grossen 
Gartens  zu  Dresden  befindet :  eine  grobe  Leinwand  mit  Darstellungen  aus 
der  biblischen  Geschichte  alten  und  neuen  Testaments  in  108  durch 
deutsche  Reime  erläuterten  Bildern.  Vgl.  Bösigk,  L.,  Führer  durch  das 
Museum  etc.  S.  Soff".  —  Das  Palmtuch  in  Güglingen.  von  25X15  F. 
aus  dem  XV.  Jahrb.,  bemalt  mit  60  biblischen  Bildern;  vgl.  Kunstblatt 
IS47  S.  200.  —  Viel  älter  ist  die  noch  im  romanischen  Stil  mit  dem 
Bilde  der  Maria  und  sechs  Aposteln  bemalte  Leinwand  in  St.  Aposteln 
zu  Cöln,  angeblich  das  von  Richmondis  von  Aducht  (f  1350;  gesponnene 
Bahrtuch  derselben,  vielleicht  aber  ein  Fragment  eines  grösseren  Fasten- 
tuches; vgl.  Bock,  das  heil.  Köln.  St.  Aposteln  S.  8.  —  Auch  im  Mün- 
ster zu  Freiburg  i.  Br.  ein  Stück  eines  späteren  Fastentuches. 

25.  T^dtenleHclitei  sind  hohle  runde,  vier- oder  vieleckige  Säulen 
in  der  Mitte  eines  Kirchhofes ,  deren  (zuweilen  auf  einer  Treppe  zugäng- 
licher) oberer  laternenartiger  und  mit  einem  Spitzdach  gekrönter  Aufsatz 
zur  Auftiahme  eines  n Arme- Seelenlichtes (n  diente,  welches  zu  Ehren  der 
Entschlafenen  die  ganze  Nacht  brennend  erhalten  wurde  und  den  Friedhof 
erleuchtete.  —  Petrus  Venerabilis,  de  miraculis  1.-2 ;  mObtinet 
medium  cimeterii  locum  airuciura  quaedam  lapidea,  habena  in  9ummitate 
9ua  quantitatem  unius  lampadia  capacem,  quae  ob  reverentiam  ßdelium  ibi 
quieacentium  toiia  nociibua  fulgure  auo  locum  illum  aacratum  illuatrat. 
Sunt  et  gradua ,  per  quoa  illuc  aacenditur;  aupraquea  etc.  Vgl.  Lenoir, 
Architecture  monastique  2,  441.  —  Braun,  über  Todtenleuchten,  ii^den 
Annalen  des  histor.  Vereins  für  den  Niederrhein.  Hft.  8  (1860).  — 
Riggenbach,  Gh.,  über  Todtenleuchten,  Arme  Seelen-Lampen,  in  den 


262 


Verschiedene 


Mittheil,  der  k.  k.  Central -Commission  (1862)  7,  228.  —  Essen- 
wein, A. ,  über  einige  Todtenleuchten  in  Oesterreich ,  ebd.  S.  317  bis 
325.  —  Diese  Kirchhofslaternen  scheinen  früher  in  manchen  Gegenden 
ziemlich  allgemein  verbreitet  gewesen  zu  sein  und  blieben  bis  ins  XVI. 
Jahrh.  beliebt ,  sind  aber  seitdem  ausser  Gebrauch  gekommen  imd  meist 
zu  Grunde  gegangen ;  die  Ältesten  bekannten  rühren  aus  dem  XIII.  Jahrh. 
her.  Als  ältester  Ueberrest  einer  Todtenleuchte  wird  angeführt  ein  in  der 
Mitte  des  Kreuzgartens  am  Dome  zu  Magdeburg  befindlicher  (vermuthlich 
aus  dem  1207  abgebrannten  Ottonischen  Dome  herrührender)  6  F.  hoher 
Säulenschaft  aus  orientalischem  Granit  mit  einer  gegliederten  sechseckigen 
Deckplatte  aus  Sandstein ,   welche  bedeutend  ausladet  und  das  ehemalige 

Lichthäuschen  trug ,  von  dem  nur  noch 
die  fialenartige  Bedachung  vorhanden  ist. 
Todtenleuchten  frühgothischen  Stils  auf 
dem  Kirchhofe  zu  Schulpforta  (abgebildet 
bei  Pütt  rieh,  Denkmale  II.  Lief.  Schul- 
pforta Bl.  8)  und  neben  dem  Dome  zu 
Regensburg  ;  spätere  mehrfach  in  West- 
falen (auf  dem  Kirchhpfe  vor  Paderborn, 
zu  Salzkotten,  Brakel,  Delbrück,  Schild- 
esche, Oelde,  Stromberg,  Werl,  Apler- 
beck,  beim  Dome  zu  Münster,  bei  der 
Bartholomäikirche  zu  Ahlen)  ;  zu  Mühl- 
hausen in  Th.  bei  der  Georgskirche:  zu 
Klostemeuburg  vom  J.  1381  (von  einem 
Bürger  nach  einer  Pest  gestiftet  und  wohl 
das  ausgezeichnetste  Monument  dieser 
Art;  30  F.  hoch,  mit  ^echs  Hochreliefs 
aus  der  Leidensgeschichte :  abgebild.  in 
den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commis- 
sion  a.  a.  O.  Taf.  XV.  zu  S.  320),  zu 
Hainburg  auf  dem  Dechanthofe  (15  F. 
hoch;  XIV.  Jahrh.),  Gurk  neben  dem 
Dome  ( 1 5  F.  hoch  ;  abgebild.  bei  Essen- 
wein a.  a.  O.  S.  320  Fig.  3),  Brixen  auf  dem  Domkirchhofe  1483 
(10  F.  hoch;  ebd.  Fig.  4),  Schwaz  bei  Innsbruck  (mit  noch  unterhalte- 
nem ewigen  Lichte; ,  Freistadt  in  Oberösterreich  1488  (30  F.  hoch ,  ab- 
gebild. a.  a.  O.  S.  321  Fig.  5)  ,  Penzing  nächst  Wien  (26  F.  hoch;  ab- 
gebild. ebd.  S.  322  Fig.  6) ;  ehemals  im  Kloster  Klingenthal  zu  Basel 
1520  (abgebildet  bei  Riggenbach  a.  a.  O.  S.  229  Fig.  1  ;  vgl.  oben 
S.  92).  —  Von  eigen thümlicher  Construction  ist  die  Todtenleuchte  auf 
dem  Kirchhofe  der  Katharinenkirche  zu  Oppenheim  (abgebild.  ebd.  Fig.  2), 
welche  mit  dem  dortigen,  im  XV.  Jahrh.  erbauten  Karner  dergestalt  erker- 
artig verbunden  ist ,  dass  das  Tragsäulchen  derselben ,  freistehend ,  auf 
einer  Console  ruht  und  die  Krönung  der  Laterne  ebenfalls  eine  Vor- 
kvagung  bildet,  während  eine  kleine  Steintreppe  im  Innern  der  Kapelle 
zu  einer  Maueröffnung  führt,  durch  welche  man  das  Licht  an  seinen  Ort 
setzen  konnte.    Dieselbe  Einrichtung  hat  ein  Lichtgehäuse  an  der  Pfarr- 


Fig.  113.  Todtenleuchte  zu  Schulpforta 
(nach  Puttrich). 


Gegenstände.  263 

kirche  zu  Botzen  (abgebild.  bei  Essen  wein  a.  a.  O.  S.  324  Fig.  13), 
welches  indess  keine  öffentliche  Kirchhofslaterne  war,  sondern  eine  Privat- 
stiftung zu  Ehren  eines  bestimmten  einzelnen  Grabes,  wie  dergleichen 
Lichthäuschen  Öfter  als  Angebäude  an  Kirchen  vorkommen,  z.  B.  mehr- 
fach an  St.  Stephan  in  Wien  (vgl.  die  Abbildungen  ebd.  S.  323  Fig.  1 1 
u.  324  Fig.  12),  an  der  Pfarrkirche  zu  Bingen  (abgebildet  bei  St  atz  und 
Ungewitter,  Goth.  Musterbuch  Taf.  I4t,  3 — 6)  etc.  —  Ebenso  sind 
auch  die  Betsäulen  (s.  oben  No.  2)  zuweilen  mit  einer  Vorrichtung  zur 
Aufnahme  eines  Lichtes  verbunden. 

26.  Uhren.  Zuweilen  sind  Sonnenuhren  {solaria)  an  den  Kirchen  an- 
gebracht, z.  B.  am  Dome  zu  Regensburg  aus  dem  J.  1487,  am  Münster 
zu  Strassburg,  am  Chor  des  Freiburger  Münsters  von  1502  u.  a.  m.  — 
Im  Domkreuzgang  zu  Regensburg  befindet  sich  eine  aus  dem  Convent- 
garten  von  St.  Emmeram  herstammende  Säule  von  Granit  mit  einem 
Astrolabium  aus  dem  XIII.  Jahrh. ,  womit  wahrscheinlich  eine  Sonnen- 
uhr verbunden  war.  Gleiche  Bestimmung  mag  eine  mit  den  personificirten 
Monaten  des  Jahres  (in  zweimal  sechs  Statuetten  über  einander)  verzierte 
Sandsteinsäule  aus  dem  XIV.  Jahrh.  gehabt  haben,  die  bei  der  jüngsten 
Restauration  der  Klosterkirche  zu  Nienburg  a.  d.  3.  in  der  Erde  liegend 
gefunden  wurde  und  jetzt  in  der  Sacristei  aufgestellt  ist.  —  Mechanische 
Uhren,  welche  durch  ein  Gewicht  in  Bewegung  gesetzt  werden ,  sollen 
von  dem  berühmten  Gerbert  (f  als  Papst  Sylvester  II.  1003)  erfunden 
worden  sein.  Schlaguhren  werden  zuerst  erwähnt  in  den  um  1120  zu- 
sammengetragenen Usages  de  Tordre  de  Ctteaux ,  wo  dem  Sacristan  auf- 
gegeben wird ,  die  Uhr  so  zu  regeln ,  dass  sie  schlägt  und  ihn  vor  dem 
Frühgottesdienste  weckt.  Ausserdem  wird  vorgeschrieben ,  die  Lectionen 
80  lange  fortzusetzen,  bis  die  Uhr  schlägt.  Vgl.  Pottier,  Monuments 
fran9ais  in^dits  2,  29.  Auch  bei  Job.  Beleth,  divini  officii  explicatio 
c.  86,  und  nach  ihm  bei  Durand us  (Rationale  1.  1  c.  1  n.  35)  werden 
Schlaguhren  in  den  Kirchen  erwähnt :  »  Horologia,  per  quae  horae  hguntur, 
id  est  colUguntur.a  Das  Zifferblatt  war  bis  ins  XVI.  Jahrh.  in  24  Stunden 
getheilt ;  darum  die  g  a  n  z  e,  auch  die  grosse  Uhr  genannt.  (Ein  solches, 
früher  im  Dome  zu  Magdeburg  befindliches  Zifferblatt  ist  seit  dem  Restau- 
rationsbau nicht  mehr  vorhanden.)  —  Künstliche  astronomische  Uhren 
erhielten  das  Münster  zu  Strassburg  1352  —  54,  die  Marienkirche  in 
Lübeck  1405  (an  beiden  Orten  im  XVI.  Jahrh.  durch  neue  Werke  er- 
setzt), die  Marienkirche  zu  Danzig  1464  (von  Hans  Düringer),  die 
Klosterkirche  zu  Heilsbronn  im  XVI.  Jahrh.  (von  Thomas  Teichmann; 
vgl.  die  Abbild . ,  nach  einer  alten  Zeichnung ,  bei  S t i  1 1  f  r  i e d ,  R .  v . , 
Alterth.  u.  Kunstdenkm.  des  Hauses  Hohen zollem.  Neue  Folge.  Lief.  4. 
Schlussvignette) .  Letztere ,  im  Schiff  der  Kirche  aufgestellte  Uhr  bildete 
einen  Schrein  mit  spätgothischer  Decoration  und  zierlicher  Bekrönung. 
Auf  einem  Sockel  vor  dem  Schrein  stand  die  Figur  eines  Löwen,  auf  dem 
das  Knochengerippe  des  Todes  rittlings  sass  und  stündlich  mit  einem 
Knochen  auf  das  Haupt  des  Löwen  schlug,  der  dann  brüllend  die  Zeit 
angab.  Ein  noch  complicirteres  Werk  solcher  Art  ist  das  weithin  berühmte 
Männleinlaufen  am  Michelschörlein  der  Frauenkirche  zu  Nürnberg, 
verfertigt  von  dem  Schlosser  Georg  Heuss  mit  in  Kupfer  getriebenen 


264  Verscliiedene 

Figuren  von  Sebastian  Lindenast  (1506 — 1509):  Kaiser  Karl  IV.  auf 
dem  Throne  und  vor  ihm  stehend  ein  Herold.  Mit  dem  Schlage  der 
StuAde,  die  der  Tod  einläutete,  setzten  zwei  Paar  Hornbläser  neben  dem 
Throne  ihre  Hörner  an,  aus  einer  Thür  traten  die  sieben  Kurfürsten  her- 
vor ,  zogen  sich  verneigend  vor  dem  Kaiser  vorüber  und  verschwanden 
durch  eine  andere  Thür.  —  Oeffentliche  Thurmuhren  wurden  seit  der 
Mitte  des  XIV.  Jahrh.  allmählich  eingeführt,  und  der  Dom  zu  Magdeburg 
erhielt  eine  solche  1396. 

27.  Y«ti?ge8clieike.  Wie  ehemals  in  den  Tempeln  heidnischer  QOtter, 
fand  man  bereits  in  den  Märtyrerkirchen  des  christlichen  Alterthums 
(Theodoret.  Opp.  4,  922;  vgl.  Neander,  Kirchengesch.  2,  481)  Nach- 
bildimgen  der  Glieder ,  deren  Heilung  der  Hilfe  der  Märtyrer  verdankt 
worden,  aus  Gold  oder  Silber  als  Weihgeschenke  aufgehängt,  und  die 
Sitte  solche  Votivgeschenke ,  häufiger  aus  Wachs  als  aus  edlem  Metall, 
bei  Gnadenaltären  aufzuhängen,  hat  sich  bis  heute  in  der  katholischen 
Welt  erhalten.  Auf  einem  Flügelbilde  des  Sebaldialtars  aus  dem  XVI. 
Jahrh.  in  der  Kreuzkirche  zu  Schwäbisch -Gmünd  sind  zwei  Altäre  dar- 
gestellt, über  denen  an  einer  beweglichen  Stange  mehrere  Füsse,  ein  Kopf 
und  ganze  Kinderfigürchen  hängen  (Abbild,  bei  Laib  und  Schwarz, 
Studien  zur  Gesch.  des  christl.  Altars  Taf.  IX.  1.2).  Bekanntlich  aber 
beschränkte  und  beschränkt  sich  die  fromme  Dankbarkeit  nicht  auf  die 
Dedication  von  Modellen  erkrankter  und  geheilter  KOrpertheile ,  sondern 
errichtet  ex  voto  Kirchen  und  Kapellen ,  Altäre  etc.  und  stattet  die  Got- 
teshäuser mit  den  verschiedensten  Denkmälern  und  Schmuckgegenstän- 
den aus. 

28.  Wfthrieiclieii  sind  allerlei  Denkmale  und  Curiosa  etc.  in  oder  an 
Kirchen  und  anderen  öffentlichen  Orten  einer  bestimmten  Stadt,  die  jeder 
reisende  Handwerker  gesehen  haben  musste ,  um  sich  über  den  Besuch 
der  betreffenden  Stadt  gehörig  ausweisen  zu  können,  z.  B.  die  grosse 
Glocke  auf  dem  Dome  zu  Erfurt,  das  Kauermännchen  am  Domkreuzgange 
zu  Merseburg,  den  Grabstein  mit  dem  auf  dem  Dudelsack  spielenden 
Esel  im  ehemal.  Dom  (jetzt  im  Museum)  zu  Hamburg,  die  Riesenrippe 
in  der  Nicolaikirche  zu  Jüterbog,  den  auf  Rosen  gehenden  Esel  an  der 
Marktkirche  zu  Halle  a.  d.  S.,  die  sechs  Töpfe  über  dem  Eingange  ziur 
Krypta  der  Petri-Paulikirche  zu  Görlitz  (angeblich  als  Erinnerung  an  den 
früher  an  dieser  Stelle  abgehaltenen  Topfmarkt) ,  die  oben  (No.  26)  er- 
wähnten automatischen  Kunstuhren  zu  Nürnberg  u.  Heilsbronn  u.  a.  m. — 
Vgl.  über  Städte- Wahrzeichen,  in  der  lUustrirten  Zeitung  1857  No.  706  ff. 

29.  Wärniäpfel  (poma  cahfactoria),  zum  Erwärmen  der  Hände  beim 
Altardienste  im  Winter ,  sind  hohle  durchbrochene  aus  Metall  verfertigte 
Aepfel ,  in  welchen  sich  ein  Einsatz  mit  glühenden  Kohlen  oder  heissem 
Wasser  oder  einem  glühenden  Eisen  befindet.  Ein  Inventarium  von  Laon 
aus  dem  J.  1502  führt  an;  »Pomum  argenieum,  deauratum,  foratum  in 
plerüque  locis,  habens  receptacuhtm  etiam  argmteum,  in  quo  solet  poni  fer- 
rum  candens,  ad  cakfciciendaa  manus  sacerdotis  celebrantis  tempore  hye- 
malLa  Vgl.  DeLaborde,  Notice  des  emaux  du  musee  du  Louvre. 
(Paris  1853)  2,  456,  woselbst  aus  fürstlichen  Schatzverzeichnissen  des 
XIV — XVI.  Jahrh.  noch  mehrere  Exemplare  angeführt  werden.     Nach 


Gegenstände. 


265 


F1|r.  114.  Weihwatseretein  Jn 

der  Klosterkirche  tu  Hcrren- 

alb.*) 

*)  Nach  einer  gütig»t  von  Herrn 
Perd.  V.  Uuatt  milfetlieilten  Zeich- 
nang. 


Bock,  die  Gteldschmiedekunst  des  M.  A.  S.  28  (Inhalt  von  Lief.  IV.  24) 
besitzt  der  Dom  zu  Halberstadt  ein  Calefactorium  aus  dem  XIV.  Jahrb., 
und  auf  der  archäolog.  Ausstellimg  des  Vereines  Arcadia  in  Prag  im 
J.  1861.  (Katalog  No.  94  u.  95)  waren  zwei  aus  der  dortigen  Valentins- 
kirche stammende ,  zierlich  aus  Erz  gearbeitete  und  theilweise  vergoldete 
Wärmäpfel  befindlich.  —  Eine  andere  Gattung  von  Calefactorien  fClhrt 
Durandus  (Kationale  1.  1  c.  3  n.  30)  an:  uScutra,  id  est  vasa  aequalts 
ampliludinis  infundo  et  in  ore  ad  calefaciendum  facta. a 

30.  Weihwasserbecken  aus  Stein  oder  Metall,  entweder  in  der  Form 
der  Taufsteine  (nur  kleiner)  oder  consolenartig  aus  der  Wand  hervor- 
tretend, an  den  Kirchthüren  befindlich  zur  symbo- 
lischen Reinigung  der  Eintretenden,  erinnern  an 
die  von  Eusebius,  Hist.  eccl.  1.  10  c.  4  n.  16 
als  Sinnbilder  der  heiligen  Reinigung  (itgöiv  xa- 
^agaltav  nvfAßoka)  im  Vorhofe  der  alten  Kirche  er- 
wähnten Becken  mit  lebendigem  Wässer  («(^i^i^a«), 
in  welchen  sich  die  Eintretenden  vor  dem  Betreten 
der  Kirche  die  Fasse  waschen  mussten  (Oifx  ev&vg 
i<prjx(if  uvuyifOiq  xai  a^mroig  ironi  twp  i'ydop  ini^ 
ßaiiKvif  dyloiif.),  —  Ueber  die  verschiedenen  Be- 
nennungen der  Weihwasserbecken  vgl.  Kreuser, 
Kirchenbau  1 ,  185.  —  Wir  nennen  die  romanischen 
Weihwassersteine  auf  dem  Kirchhofe  zu  Cham- 
münster  (aus  Granit,  mit  figürlichen  Reliefs),  in  der  Kirche  zu  Wechsel- 
burg (s.  die  Abbild,  oben  S.  206  in  Fig.  84) ,    den   wie  eine  Muschel 

geformten    in    der   Klo- 

j^,^ []     ^       sterkirche  zu  Herrenalb 

(Fig.  114)  und  die  gothi- 
schen  im  sfidlichen  Kreuz- 
arme des  COlner  Domes 
(aus  schwarzem  Marmor) , 
rings  um  den  Fuss  eines 
Pfeilers  zwischen  den  Sei- 
tenschiifen  zunächst  der 
Sacristei  des  Münsters  zu 
Ulm  (abgebildet  im  V. 
Bericht  des  Vereins  fttr 
Kunst  und  Alterthum  in 
Ulm  und  Oberschwaben, 
Taf.  2  [VII.]),  in  der 
Klosterkirche  zu  Beben- 
hausen, neben  dem  oben 
S.  250  angeführten  Brun- 
nen im  Regensburger 
Dom  (abgebildet  bei  Gailhabaud,  die  Baukunst  etc.  Bd.  HI.  auf 
Taf.  17)  etc.  —  In  Beziehung  auf  den  eines  Fusses  entbehrenden  Granit- 
stein im  Pfarrgarten  zu  Coeselitz  bei  Cammin  in  Pommern  (abgebildet  in 
der  Zeitschr.  für   christl.  Archäol.  und  Kunst   1,85,    woher  wir  den 


+ 


+ 


Fig.  1 15.  Steinbecken  bei  CoeseUts. 


266  Schlussbemerkung. 

Holzschnitt  Fig.  1 1  5  entlehnt  haben)  mag  es  (wie  in  manchen  ähnlichen 
Fällen)  zweifelhaft  sein,  ob  er  als  Tauf-  oder  Weihwasserbecken  gedient 
hat;  für  letzteres  scheinen  die  nicht  bedeutenden  Maasse  zu  sprechen. 


Schlnssbemerknng 

aber  Polychromatie  und  Restauration  der  mittelalterlichen  Kirchen. 

Die  nüchterne,  einfarbige  Tünche,  womit  das  Innere  der  meisten  alten 
Kirchen  gegenwärtig  überstrichen  ist ,  war  nicht  der  mittelalterliche  Ge- 
schmack :  Pfeiler  und  Bögen ,  überhaupt  alle  aus  Werkstücken  errichteten 
Theile  blieben  durchaus  von  Tünche  befreit  und  zeigten  den  Stein  in  seiner 
natürlichen  Farbe ;  nicht  bloss  das  Blattwerk  der  Säulencapitäle  wurde  oft 
(z.  B.  in  der  Predigerkirche  zu  Basel  *))  vergoldet  oder  bunt  geförbt,  son- 
dern auch  die  Portale  mit  ihren  Bildwerken  erhielten  den  Farbenschmuck ; 
die  Wandflächen  waren  gewöhnlich  mit  Malereien  geschmückt,  die  getäfelten 
Decken  zuweilen  bemalt  (z.  B.  in  St.  Michael  zu  Hildesheim*))  und  reich 
gemustert.  —  Aehnlich  verhielt  es  sich  meist  auch  mit  den  aus  gebrannten 
Steinen  errichteten  Gebäuden :  die  Ziegel  behielten  ihre  natürliche  Farbe 
(wie  z.  B.  noch  jetzt  im  Dome  und  in  der  Marienkirche  zu  Stendal,  in  der 
Wallfahrtskirche  zu  Wilsnack  ,  in  der  Klosterkirche  zu  Doberan  etc.) ,  die 
Gewölberippen  wurden  polychromatisch  geförbt ,  nur  die  Kappen  erhielten 
einen  Ueberzug  von  Putz  und  wurden  zuweilen,  aber  selten,  mit  Gemälden 
geschmückt  (z.  B.  in  den  Marienkirchen  zu  Colberg  und  zu  Herzberg  a.  d. 
Elster).  Im  Meklenburgischen  kommen  indess  auch  Kirchen  fz.  B.  die 
Marienkirche  zu  Röbel  '))  mit  weiss  oder  roth  geputzten  Wänden  vor,  die 
dann  aber  beziehendlich  mit  rothen  oder  weissen  Linien  gequadert  sind,  und 
zwar  grösser  als  das  Format  der  Ziegel.  —  Im  früheren  M.  A.  war  auch 
die  an  byzantinische  Vorbilder  erinnernde  Sitte  beliebt ,  durch  Verwendung 
verschiedenfarbiger  Steine  in  wechselnder  Folge  eine  polychromatische  Wir- 
kung hervorzubringen.  So  ist  z.  B.  die  Facade  der  aus  karolingischer  Zeit 
stammenden  Durchgangshalle  im  Kloster  Lorsch  ganz  mit  einem  Schach- 
brettmuster aus  rothen  und  weissen  Marmortafeln  mosaikartig  bekleidet. 
Auch  die  dem  XI.  Jahrh.  angehörenden  Theile  des  Domes  in  Trier  und  der 
Michaeliskirche  in  Hildesheim  zeigen  in  den  Bogenstirnen  einen  regelmässigen 
Wechsel  rother  und  weisser  Sandsteine ,  der  sich  in  letzterer  Kirche  selbst 
bis  auf  die  Säulen  (mit  weissen  Basen  und  Capitälen,  mit  rothen  Schäften 
und  Kämpfern)  erstreckt.  —  In  Norddeutschland  gehen  bunt  glasirte  Ziegel- 
steine (Wechselsteine  in  roth,  schwarz  und  grün)  als  eigenthümliches 
Ornament  des  Aeussern  durch  das  ganze  Mittelalter,  und  die  glänzendste 
Wirkung  wurde  z.  B.  an  der  Fronleichnamskapelle  *)  der  Katharinenkirche 


1)  Abbild,  in  Farbendruck  in  den  Mittheil,  der  Gesellsch.  für  vaterländ.  Alterth. 
in  Basel  VI.  Taf.  6  u.  7. 

2)  Die  Deckengemälde  der  St.  Michaeliskirche  in  Hildesheim  in  Chromo-Litho- 
graphie,  bei  Storch  u.  Kramer  in  Berlin,  mit  Text  von  J.  M.  Kratz. 

3)  Abbild,  in  Farbendruck  in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen  (IS52)  Ü.  Bl.  55. 

4)  Ansicht  in  Farbendruck  bei  Adler,  Mittelalter!.  Backsteinbauwerke  Heft II. 
Taf.  14. 


Schlussbemerkung.  267 

zu  Brandenburg  (XV.  Jahrh.)  erzielt.  —  Anderweitig  dienten  zuweilen  auch 
Malereien  zum  Schmucke  des  Aeusseren  der  Kirchen  wände ;  in  Norddeutsch- 
land z.  B.  am  Chore  des  Domes  zu  Breslau,  an  der  südlichen  Vorhalle  der 
Peterskirche  zu  Magdeburg  etc.  —  Selbst  die  Dächer  nahmen  an  der  allge- 
meinen Farbenpracht  Theil :  das  Chordach  des  Domes  von  Cöln ,  mit  einem 
durchbrochenen  Kamme  auf  dem  Firste  gekrönt,  hatte  eine  Decke  aus  Blei, 
die  vermittelst  flacher  Zinnlöthungen  mit  vielfachen  vergoldeten  Zierrathen 
und  grossen  Buchstaben,  welche  Verse  auf  die  heil,  drei  Könige  bildeten, 
damascirt  war.  —  In  Süddeutschland  kamen  sehr  häufig  bunt  glasirte  Dach- 
ziegel in  Anwendung,  z.  B.  an  einem  Theile  von  St.  Stephan  in  Wien,  in 
Botzen,  Colmar  und  Basel,  auf  dessen  Münster  die  Ziegel  ein  Rautenmuster 
bilden,  das  in  grün,  gelb,  rothbratm  und  weiss  abwechselt. 

Wenn  im  M.  A.  Erweiterungen  und  Umgestaltungen  älterer  Gebäude 
vorgenommen  wurden ,  behielt  man  gern  so  viel  als  möglich  das  alte  Mauer- 
werk bei.  So  ist  z.  B.  das  gothische  Schiff  der  Klosterkirche  zu  Schulpforta 
eine  Umgestaltung  einer  älteren  Kirche  romanischen  Stils ,  in  der  Kloster- 
kirche zu  Doberan  enthält  das  südliche  Seitenschiff  noch  Reste  einer  alten 
Rundbogenkirche,  und  in  der  Leonhardskirche  zu  Frankfurt  a.  M.  erscheint 
das  kleine  ursprüngliche  Gebäude  in  das  spätere  grössere  wie  in  eine  Schachtel 
eingeschoben.  Als  Beispiele  geschickter  mittelalterlichen  Restaurationen  sind 
zu  nennen  :  die  Abteikirche  zu  Deutz,  St.  Severin  und  St.  Andreas  zu  Cöln. 
Eine  der  am  häufigsten  vorgenommenen  Umänderungen  ist  die  Vertauschung 
der  ursprünglichen  flachen  Holzdecken  mit  Steinüberwölbungen,  z.  B.  im 
Schiff  von  St.  Maria  auf  dem  Capitol  zu  Cöln,  in  der  Liebfrauenkirche  zu 
Halberstadt  (jetzt  wieder  mit  Holzdecke)  etc.  Auch  die  Vergrösserung  der 
ursprünglichen  Fensteröffnungen ,  ohne  Rücksicht  auf  den  ursprünglichen 
Baustil,  findet  sich  nicht  selten,  z.  B.  in  der  ELlosterkirche  zu  Echtemach 
Oberlichter  aus  dem  XIII.,  in  Wänden  aus  dem  XI.  Jahi'h. ;  minder  häufig 
scheint  man  mit  Thüren  Umwandelungen  vorgenommen  zu  haben,  z.  B.  ein 
Portal  aus  dem  XVI. ,  in  der  Giebel  wand  des  nördl.  Kreuzarmes  aus  dem 
XIII.  Jahrh.  am  Dome  zu  Merseburg.  Als  einzig  in  seiner  Art  ist  der  Umbau 
der  Klosterkirche  zu  Drübeck  zu  bezeichnen ,  wo  die  vorhandenen  Stein- 
capitäle  der  Arkadensäulen  in  verändertem  Geschmack  zwar,  aber  ebenfalls 
noch  in  romanischem  Stil  mit  Stuckblattwerk  überzogen  wurden.  Bei  theil- 
weisen  Neubauten  verfuhr  man  in  der  Regel  mit  unbefangenster  Rücksichts- 
losigkeit, indem  man  den  Stil  des  Vorhandenen  nicht  weiter  beachtete, 
sondern  die  neuen  Anbauten  etc.  nach  dem  jeweiligen  veränderten  Zeitge- 
schmack ausführte.  Zuweilen  Hess  man  selbst  unfertige  Details  verschiedener 
Stil  weisen  unbekümmert  auf  einander  stossen ,  wie  sich  deutliche  Merkmale 
davon  zeigen,  z.  B.  im  Westchor  des  Domes  zu  Naumburg  a.  d.  S. ,  oder 
an  den  Pfeilern  der  Vierung  in  der  Klosterkirche  zu  Nienburg  a.  d.  S.  — 
Von  einer  archäologischen  Vorliebe  für  Conservirung  des  Alten  finden  sich 
nur  selten  einzelne  Spuren ,  z.  B.  die  Nachbildung  der  ursprünglichen  Säu- 
lencapitäle  des  abgebrannten  Ottonischen  Domes  zu  Magdeburg  bei  dem 
Neubau  des  Chores  im  XIII.  Jahrh.,  oder  die  Wiederverwendung  des  roma- 
nischen Bogenf^ieses  an  dem  spätgothischen  Langhause  der  Stadtkirche  zu 
Freiburg  a.  d.  U.  —  Am  wenigsten  Werth  scheint  man  auf  vorhandene 
ältere  Wandmalereien  gelegt  zu  haben :  man  übermalte  dieselben  bei  Restau- 


268  Schlussbemerkiuig. 

rationen  mit  neuen  —  besseren  oder  auch  schlechteren.  Am  häufigsten 
wurden  noch  einzelne,  mit  merkwürdigen  Bildwerken,  Wahrzeichen  etc. 
versehene  Steine  conservirt.  So  findet  sich  z.  B.  an  einer  Ecke  der  Georgs- 
kirche zu  Tübingen  ein  Stein  mit  einem  Löwen  und  einem  Greif,  und  dar- 
über die  Inschrift :  T»der  stain  lit  an  der  dritten  kirche  uf  diser  hqfstatjH  und 
im  Treppenhause  der  Vorhalle  an  der  Stadtkirche  zu  Freiburg  a.  d.  U.  eine 
alte  mit  Reliefs  geschmückte  Thürlünette  etc.  —  Es  ist  daher  erklärlich, 
dass  die  meisten  grösseren  Kirchen  in  Folge  von  Erweiterungen  und  theil- 
weisen  Neubauten  verschiedene  Baustile  in  ihren  aus  verschiedenen  Zeiten 
herrührenden  Theilen  zeigen,  wovon  die  Chorwände  des  Münsters  zu  Bonn, 
an  denen  m^  auf  geringer  Fläche  die  Reste  aus  mindestens  drei  verschie- 
denen Bauperioden  neben  und  durch  einander  erblickt,  eines  der  sprechend- 
sten Beispiele  darbieten  (vgl.  die  Abbild,  bei  Otte,  Gesch.  der  deutschen 
Baukunst  S.  157) ,  und  da  überdies  die  Erbauung  grosser  Kirchen  oft  Jahr- 
hunderte hindurch  dauerte  (am  Dome  zu  Regensburg  z.  B.  wurde  über  450 
Jahre  gebaut)  *) ,  während  welcher  Zeit  sich  der  Geschmack  vielfach  änderte, 
so  wurde  der  Fortbau  selten  nach  dem  ursprünglichen  Plane,  oder  doch 
wenigstens  im  Geiste  desselben ,  weiter  geführt ,  was  jedoch  bei  einigen  der 
bedeutendsten  Werke  (Dome  von  Cöln,  Magdeburg  etc.)  glücklicherweise 
der  Fall  war.  —  Wenn  nun  ihrer  streng  genommen  heterogenen  Bestand- 
theile  ungeachtet  die  mittelalterl.  Kirchengebäude  dennoch  meist  einen  ein- 
heitlichen und  harmonischen  Eindruck  hervorbringen ,  so  ist  dies  darin  be- 
gründet, dass  die  verschiedenen  Baustile  des  M.  A.  in  genetischer  Aufein- 
anderfolge von  demselben  kirchlichen  Geiste  durchdrungen  waren ,  während 
die  späteren  zopfigen  Zusätze  und  Veränderungen  deshalb  überall  störend 
wirken ,  weil  der  aus  ihnen  sprechende  Geist  ein  fremdartiger  und  unkirch- 
licher ist.  —  Noch  mehr  als  in  baulicher  Beziehung  sind  die  alten  Kirchen 
durch  ihre  innere  Ausstattung  mit  Denkmälern  etc.  ein  Spiegel  aUer  der 
seit  ihrer  ersten  Vollendung  an  ihnen  vorüber  gegangenen  Perioden,  was  bei 
den  häufigen  Restaurationen  der  Gegenwart  stets  sorgfältig  beachtet  werden 
soUte ,  damit  nicht  die  ehrwürdigen  Denkmale  unserer  Voreltern  ihres  ge- 
schichtlichen Charakters  völlig  entkleidet ,  und  die  Fäden  zerrissen  werden, 
die  uns  durch  sie  geschichtlich  und  gemüthlich  mit  der  Vorzeit  in  organische 
Verbindung  setzen. 

TJeber  die  bei  Restaurationen  zu  befolgenden  Grundsätze:  Vitet,  L.,  in 
der  AUgem.  Bauzeit.  1852  Heft  11  u.  12.  —  v.  Quast,  in  der  Zeitschr.  für 
Christi.  ArchAol.  u.  Kunst  die  Rubrik  »Erhaltung  und  Zerstörting  der  Denk- 
malen^ lind  im  Correspoadenzbl.  des  Gesammtvereines  etc.  (I85S)  VII.  S. 
29  ff.  —  Jahrbuch  der  k.  k.  Central- Commis.  etc.  in  den  verschiedenen  Jahr- 
gängen die  »Ahtheilung  I.n  —  Reichensperger,  Fingerzeige  S.  29  ff.  — 
Giefers,  W.  Engelb. ,  Prakt.  Erfahrungen  die  Erhaltung,  Ausschmückung, 
Ausstattung  der  Kirchen  betr.  Paderborn  1S58. 


1 )  Um  den  gottesdienstlichen  Bedürfnissen  zu  genügen,  wurden  die  Kirchen  vor 
ihrer  gänzlichen  Vollendung  gewöhnlich  schon  theilweise  geweiht  und  in  Gebrauch 
genommen,  und  man  führte  zu  diesem  Zwecke  Nothdächer  auf,  über  denen  man  den 
Oberbau  fortsetzte  (Dom  zu  Halberstadt),  oder  schloss  vollendete  Theile  .durch  einst- 
weilige Scheidewände  von  dei)  noch  im  Bau  begriffenen  ab  (Dom  zu  Cöln). 


Geschichte  der  Kunst 


Ulvralur:  I.  litemdaclifl  HiHsmittel :  Mertens,  Fz.,  Histor.  TTeber* 
sieht  der  bisher.  Abhatidluiigen  über  die  Bnukun^t  des  M*-A.,  in  Kuglfir*» 
Museum,  lSä5,  No»  15 — ^G.  — ^  Reidetj  fil.  v. ^  die  liemfüiimgeti  der  Deut- 
TSC  Ken  in  Erfornebuug:  dt^r  Den  km  ^  Altdeutt^eher  Baukunst,  (Zwui  Progrumme. ) 
Bamberg  iSH  u^  IS\~.  —  VursRciehniia»  der  Schriften  und  Bilder  werke  über 
illt  deutsche  I£uti!4t  de;»  Mittelalters  und  des  IG.  J^hrh.,  als  Anhang  ku  Lotz, 
KunstttipogTEphie  Deut^ehlands  2,  fil? — 6&H.  —  IHe  T^itcratiir  Übür  deutsch- 
mittelalterh  Baukunst  k.  im  Conr, -Les*  für  bilfL  Kun«t  -I,  4Bfi — Hä ;  tlb(*r 
die  Mak*rei  in  Kiii^ler'si  Oescb.  der  Walerei  2»  Aufl*  2,  5J>7— tH^^i, 

Büchetverzeichnisae^  ^Vei^el,  Hud.,  Kimatlagereatoloif  {i'^3S)* 
Ko.  1—33,  3.  Aufl.  1S19— IMjL  (No.  Jfi  enthalt  oiu  ütT eng  wifl*eijschaftUch 
geordnete«  liepcrtorium  über  die  vorh ergeh euden  Abtheüungen)*  —  Qatalog 
der  dem  Dr/  L,  Pu  ttrieh  in  Leipzig  geb5reuden  Kmistbiblijotbek^  18 -IS,  — 
I>r,  Sulpiz  Botsöer^e'a  Bibliothek.  Bonn  1  >ä4  (S.  4  J  —  l  OS) ,  -—  Athtzehntefl 
VerKeichnisa  der  Buch-  und  AiitiquiLTiatuhELTidltuig  von  W*  Weber  in  Berlin; 
Kunst,  Kunstge*ch.  u,  Gesph,  aas  der  uacbgelasaenen  Bibliothek  Fi,  Kur- 
ier* ä  [|S5^). 

IL  Aeathetik  und  Propldentik :  ViRcber,  F.  Th.  ^  Aestbetik  Bd-  3, 
\sh%  —  Dur«  eil  j  ti,  M.,  Aesthctik  der  chmtL  bild,  Kunst  des  Mittelttlten 
in  DeutschlamL  (1%54].  2.  "verro.  Ausg.  1S50,  —  Semper,  Gottfr.,  der  Styl 
in  den  techn.  u.  tecton*  Ktlnsten ,  r>der  pr^t,  Aesthetik*  3  Bde.  lÖliO,  — 
Förster,  E,.  Vorschule  der  Kunstgeäch.  1*s62,  —  Riegel,  C\  H.*  Grundriiia 
der  bild.  Künste.  \b^^.  —  Lemcke,  C\»  Populiire  Aeetbetik.  I8üi, 

in«  B«arbeitttngen  der  EmutgetcMehte :  Fiorillo,  J,  D^,  Gesehlühte 
der  «eiebuenden  Künste  in  Deutschland.  2  Bde.  I&15.  —  Kugler,  Fse.,  Hand- 
buebder  Kunstgeseh.  (ISI2),  3  Bde.  4,  Aufl-  l^ftL  —  Sebnaase,  C,  Ge- 
»ebiehte  der  bild.  Künste.  Bd*  1—7  l.  Abtbeilung  JS42— liSf>4*  ^  Kinkel, 
Gottfr.,  Gcfitchvehte  der  bild.  Künste  bei  den  chriMtL  Vrtlkern,  Lief,  1  :  die  alt^ 
thristl.  Kuniit.  IH15*  —  Fürst  er,  E.,  Gcych.  der  dcutfujhen  Kunst.  5  Bde. 
1  f>5 1  ^  1  Stiü.  —  Springer,  Ant,  IL ,  llandb.  der  Kunsitgesth.  1  S5&.  — 
Lübke,  W.,  Orundriss  derKunatgeseb,  ']sm)  H.  Aufl.  l§64,  —  Deleulre, 
Cb.,  Gesch.  der  Kunst,  insbesondere  der  Malerei,  in  den  drei  grossen  Cultur- 
epochen.    Frei  bearb,  von  G,  Fester,  2,  Aufl.  i\SB3). 

Otte.  H.,  Geftcb.  der  kircbl.  Kuniit  des  dcutaehen  M.-A»  in  iiuHgewilbUen 
BelBpieleii.  2,  beriebt.  Aui>^.  der  Grund/,ago  der  ktrchL  Kunst  -  Arcbilologie, 
l^{J2.  —  Becker,  A.  W.,  ChnrakterbÜder  aus  der  Kunatgcsch.  in  chronolog. 
Folge.  Nach  den  DAretell.  der  Tor&ügUt^hsten  Kunstst'hHftst eller-  (IS^2}^  2* 
A  ü  n .    t  *»  H  fi .  —  Aul  ei  t .  z  ur  Er  f  1 1  r^  eh .  der  k  ireh  L  Baudenkm  ftl  e  r,   L  in»  1  ^  ÜÄ . 


'''Mf,  hu^]*t-AruhMulciflt, 


IS 


270  Kunstgeschichtliche 

IV.  Knpforwerke :  Agincourt,  J.  G.  L.  B.  Seroux  d\  Sammlung  von 
Denkm.  der  Architektur,  Sculptur  u.  Malerei  vom  IV.  bis  XVI.  Jahrh.  (1823). 
Revidirt  von  Ferd.  v.  Quast.  3  Abth.  (1840).  —  Müller,  Fz.  Hub.,  Bei- 
trage zur  deutschen  Kunst-  u.  Geschichtskunde  durch  Kunstdenkmale  (1832  ff.) 
2.  Ausg.  1837.  —  Heideloff,  C.  die  Ornamentik  des  M.-A.  Bd.  1— -5. 
1 838  —  1 852.  —  KunstdenkmAler  in  Deutschland ,  bearb.  von  Bechstein, 
v.  Bibra,  Gessert,  Lucanus,  J.  Meyer,  Sündermahler  u.  A.  I.  Abth. 
Lief.  1—6.  1841  ff.  —  (Voit,  A),  Guhl,  E.,  und  Caspar,  J„  Denkmäler 
der  Kunst  zur  Uebersicht  ihres  Entwicklungsganges  bis  zur  Gegenwart,  fortges. 
von  W.  L üb  k  e  (als  Atlas  zu  K  u  gl  e  r's  Kunstgesch.)  4  Bde.  1 845  ff.  (Neue  Ausg. 
1858  u.  Volksausgabe,  als  Btlderatlas  zu  Lübke's  Grundriss  der  Kunstgesch., 
1864).  —  Kallenbach,  Geo.  Gottfr.,  Album  mittelalterl.  Kunst.  Lief.  1—4. 
1846  ff.  —  Förster,  E. ,  Denkmale  deutscher  Baukunst,  Bildnerei  und 
Malerei.  Bd.  1—10  (auf  12  Bde.  in  300  Lief,  berechnet).  1853  ff.  —  Gail- 
habaud,  Jul.,  die  Baukunst  des  V.  bis  XVI.  Jahrh.  und  die  davon  abhäng. 
Künste  Bildhauerei,  Wandmalerei,  Glasmalerei,  Mosaik,  Arbeit  in  Eisen  etc. 
Bd.  1—5  (auf  6  Bde.  berechnet).  1856 ff.  —  Menzel,  C  A.,  die  Kunstwerke 
vom  Alterth.  bis  auf  die  Gegenwart.  2  Bde.  (1857).  3.  Aufl.  1860.  —  Ram- 
boux,  J.  A.,  Beiträge  zur  Kunstgesch.  des  M.-A.  1860. 

V.  Vermischte  Schriften :  Fiorillo,  J.  D.,  Kleine  Schriften  artist.  In- 
halts. 2  Bde.  1S(»3.  1S06.  —  Kugler,  Fz.,  Kleine  Schriften  u.  Studien  zur 
Kunstgesch.  3  Bde.  1853.  1854.  —  Reichensperger,  A. ,  Vermischte 
Schriften  über  Christi.  Kunst.  1856. 

(Schorn,  L.  v.),  Altdeutsche  u.  normannische  Kunst  (Deutsche  Viertel- 
jahrschrift. 1841.  Heft  4).  —  Merz,  H.,  die  Entwickelung  der  christl.  Kunst 
in  Deutschland  u.  Frankreich.  (Ebend.  1843.  Heft  1.) 

VI.  Knniljtatittik  nnd  Kunstreiten:  Waagen,  G.  F.,  Kunstwerke  u. 
Künstler  in  Deutschland.  2  Thle.  1845.  —Müller,  Herm.  Alex.,  die  Museen 
u.  Kunstwerke  Deutschlands.  2  Bde.  1857.  1858.  —  Lotz,  W.,  Kunsttopo- 
graphie  Deutschlands.  2  Bde.  1862.  1863. 

VII.  Lexioali^che  Werke :  Conversationslexicon  für  bild.  Kunst  (begründ. 
von  J.  A.  Romberg,  fortgeführt  von  F.  Faber,  Lorz.  Cjlasen).  Bd.  1 — 7. 
Lief.  4  (A  — Heiligthumsbücher).    1845—1857. 

Füssli,  J.  R.,  Allgem.  Künstlerlexicon  (1763—1771).  2.  Aufl.  4  Bde. 
1779;  fortges.  von  Hans  H.  Füssli  in  12  Thlen.  1806—1824.  —  Nagler, 
G.  K.,  Neues  allgem.  Künstlerlexicon.  22  Bde.  1835—1852.  —  Müller,  F., 
die  Künstler  aller  Zeiten  und  Völker,  fortges.  von  K.  Klunzinger  u.  A. 
Seubert.  3  Bde.  1857. 

Vln.  KuBStMitschriften  mit  Beiträgen  zur  Kunstgesch.  des  M.-A. :  Kunst- 
blatt (Beilage  zum  Morgenbl.),  herausgegeb.  von  L.  Schorn.  1820 — 1849.  — 
Berliner  Kunstblatt,  herausgegeb.  von  E.  H.  Tölken.  1828  u.  1829.  —  Mu- 
seum. Blätter  für  bild.  Kunst,  herausgegeb.  von  Fz.  Kugler.  1833 — 1837. — 
Deutsches  Kunstblatt,  herausgegeb.  von  F.  Eggers.  1850 — 1858.  —  Die 
Dioskuren.  Deutsche  Kunstzeitung,  herausgegeb.  von  Max  Schasler. 
1 856  ff.  —  Recensionen  u.  Mittheilungen  über  bild.  Kunst,  Unter  besonderer 
Mitwirkung  von  R.  v.  Eitelberger,  Jak.  Falke,  W.  Lübke,  C.  v. 
Lützow  u.  F.  Pecht.    1862—1865. 

Im  Uebrigen  vergl.  auch  die  oben  S.  7  Anmerk.  2  und  S.  9  angeführte 
Literatur. 

Anmerkung.  Von  steigender  Wichtigkeit  für  das  Studium  der  Kunstge-  • 
schichte  durch  die  Denkmale  erweisen  sich  in  neuester  Zeit  die  zu  immer  grösserer 
Vollkommenheit  fortschreitenden  Leistungen  der  Photographie;  vergl.  Wolt- 
mann,  A.,  die  Photographie  im  Dienste  der  Kunstgesch.,  in  den  D.  Jahrbüchern 
für  Politik  u.  Literatur.  X.  3.  —  Als  einige  der  ältesten  und  zum  Theil  ausge- 
zeichnetsten Productionen  sind  zu  nennen:  Für  Architectur:  Michiels, 
J.  F.,  Album  von  Köln  (1^51).  —  Derselbe,  Kölner  Domalbum.  1855.  —  Für 
Sculptur  etc.  :    Emden,  Herrn.,  u.  Wetter,  J..  der  Dom  zu  Mainz  u.  seine 


Literatur.  271 

Denkmäler.  1S57.  —MichieU,  Photogr.  Album.  1854.  —  Für  Malerei:  Mi- 
chiels,  der  Reliquiensohrein  der  h.  Ursula  zu  Brügge  von  Joh.  Memling.  1854. — 
Hotbo,  H.  G.,  der  Altar  Ton  Gent  im  Museum  zu  Berlin.   1861. 


A.  BMkwnt. 

Lfterafur:  I.  Bearbeitimgeii  der  Architeoturgeteliiehte :  Stieglitz, 
Chr.  L.,  Gesch.  der  Baukunst.  (1827).  Neue  Ausg.  1837.  —  Derselbe,  Bei- 
träge zur  Gesch.  der  Ausbild,  der  Baukunst.  2  Thle.  1834.  —  Rosen  thal, 
C.  A.,  Vollstand.  Uebcrsicht  der  Geech.  der  Baukunst.  3  Bde.  1841—1850. 
(Auch  in  Grelle,  Journal  für  Baukunst.  Bd.  13—18.  20— 28.)  —  Lübke, 
W.,  Gesch.  der  Architectur.  (1855), 3.  Aufl.  1865.  —  Kugler,  Fz.,  Gesch. 
der  Baukunst.  3  Bde.  1855 — 1860." — Rosengarten,  A.,  die  architekton. 
Stylarten.  1857.  —  Lübke,  W.,  Abriss  der  Gesch.  der  Baukunst  (1861). 
1866.  —  Otte,  H.,  Gesch.  der  deutschen  Baukunst.  Lief.  1—3.  1S61  ff.  — 
Busch,  C,  die  Baustyle.  2.  Aufl.  1864.  —  Köhler,  C,  Lehrbuch  zum 
Studium  der  Gesch.  der  Baukunst.   1866. 

Büsching,  J.  Gust.  G.,  Versuch  einer  Einleit.  in  die  Gesch.  der  altd. 
Baukunst.  1821.  —  Heller,  Jos.,  Skizze  einer  Gesch.  der  Kirchenbaukunst 
im  M -A.  1826.  — Klenze,  L.  v.,  Anweisung  zur  Architectur  des  christl. 
Culttts  (Cap.  IV).  1833.  —Kugler,  Fz.,  Vorlesung  Ober  die  Systeme  des 
Kirchenbaues  (1843)  1852.  (Auch  in  den  Kl.  Schriften  3,  385—396.)  —  Kal- 
lenbach,  Geo.  Gottfr.,  Geschichtsabriss  der  deutsth-mittelalterl.  Baukunst. 
Sendschreiben,  aus  Bd.  6  des  N.  Jahrb.  der  Berlin.  GeseUsch.  für  deutsche 
Sprache  bes.  abgedruckt.  1844.  —  Derselbe,  Chronolog.  Formenfolge  der 
altdeut.  Baukunst  ( i  847) .  —  Derselbe,  Grundriss  der  mittelalterl.  Baukunst. 
1S49.  —  Lübke,  W.,  Vorschule  zur  Gesch.  der  Kirchenbaukunst  des  M.-A. 
(1851)  4.  Aufl.  1858.  —  Brand,  F.  J.,  Kirchl.  Baukunst.  Anleit.  zur  Kennt- 
niss  der  Kirchengeb.  des  M.-A.  1853.  —  Springer,  Ant.  H.,  die  Baukunst 
des  christl.  M.-A.  1854.  —  Schiller,  C,  Ueberblick  des  Entwickelungs- 
ganges  der  Kirchenarchitectur.  1854.  —  (Laib,  Fr.,  u.  Schwarz,  Fr.  Jos.) 
Formenlehre  des  roman.  u.  goth.  Baustyls  (1855).  2.  Aufl.  1858.  —  Kallen- 
bach,  Geo.  Gottfr.,  Beiträge  zum  Verständniss  der  Kirchenbaukunst.  1857. 
—  Quast,  Ferd.  v.,  die  Entwicklung  der  kirchl.  Baukunst  des  M.-A.  1 858.  — 
Sacken,  Ed.  v.,  Katechismus  der  Baustyle.  1861.  —  Lützow,  C.  F.  A., 
die  Meisterwerke  der  Kirchenbaukunst.  Eine  Darstcll.  der  Gesch.  des  christl. 
Kirchenbaues  durch  ihre  hauptsächl.  Denkmäler.  1862.  —  Vergl.  auch  Kreu- 
s  er 's  Kirchenbau.  1,  271 — 618. 

Kreuser,  J.,  Kölner  Dombriefe,  od.  Beiträge  zur  altchristl.  Kirchen- 
baukunst. 1844.  —  Hübsch,  H.,  die  Architectur  u.  ihr  Verhältniss  zur  heu» 
tigen  Malerei  u.  Sculptur.  1847.  —  Mertens,  Fz.,  die  Baukunst  des  M.-A. 
(enth.  eine  Gesch.  der  Studien  über  diesen  Gegenstand).  1850.  —  Forch- 
hammer, F.  W.,  über  Reinheit  der  Baukunst  auf  Grund  des  Ursprungs  der 
vier  Hauptbaustyle.   1 856. 

II.  Xupferwerke:  Costenoble,  J.  0. ,  über  altdeut.  Architectur  u. 
deren  Ursprung.  1812.—  Stieglitz,  Ch.L.,  von  altdeut.  Baukunst.  1820. — 
Moller,  Geo.,  Denkmäler  der  deutschen  Baukunst.  2  Bde.  (1821—1836). 
4.  Aufl.  herausgegeb.  von  F.  M.  Hessemer.  1854.  (Als  erläuternder  Text : 
M  o  1 1  e  r ,  Geo.,  über  die  altdeut.  Baukunst.  2.  Aufl.  1 83 1 ) .  Fortsetzung  von 
E.  Gladbach,  als  Bd.  3.  1844  ff.  —  Wiebeking,  C.  F.  v. ,  Theoret. 
prakt.  bürgerl.  Baukunde,  durch  genaue  Abbild,  bereichert.  4  Thle.  1821  bis 
1825.  —  Quaglio,  Dom.,  Merkwürd.  Gebäude  des  teutschen  M.-A.,  erläut. 
von  Alois  Schreiber.    2  Bde.    (1825).   —  Lange,  L.,  Lange,  Jul.,  u. 

18» 


272  Baugescliichtiiche  Literatur. 

Rauch,  E. ,  Original  -  Ansichten  der  historisch  merkwürdignten  StAdte  in 
Deutschland,  ihrer  wichtigsten  Dome,  Kirchen  etc.,  mit  Text  Ton  O.  Lange. 
1S32— 1858. —  Grueber,  fiemh.,  Vergleichende  Sammlungen  für  christl. 
Baukunst.  2Bde.  1837  u.  1841. —  Müller,  Rob.,  Denkmäler  der  Tier  romant. 
Baustyle.  2  Hefte.  1845.  1846.  —  Kallenbach,  Geo.  Gottfr.,  Chronologie 
der  deutsch  -  mittelalterl.  Baukunst.  2  Abth.  1844.  1845;  als  Text  dazu: 
Derselbe,  Geschieh  ts-Abriss  der  deutsch  -  mittelalterl.  Baukunst.  1846.  — 
Derselbe,  Atlas  zur  Gesch.  der  deutsch-mittelalterl.  Baukunst  in  S6  Taf. 
1847  ;  als  Text  hiezu:  Derselbe,  die  Baukunst  des  deutschen  M.-A.  chro- 
nologisch dargestellt.  1847.  —  Lassaulx,  J.  Claud.  v.,  Bausteine.  1847.  — 
C  h  a  p  u  7 ,  r Allemagne  monumentale  et  pittoresque.  1 2  Livr.  1 845 — 1 850.  — 
Ham^e,  Dan.,  le  Moyen-Age  monumental  et  arch^ologique.  1846. —  Kal- 
lenbach, Geo.  Gottfr.,  u.  Schmitt,  Jak.,  die  christl.  Kirchenbaukunst 
des  Abendlandes.  185U. —  Gailhabaud,  Jul.,  Denkmäler  der  Baukunst, 
herausgegeb.  von  L.  Loh  de.  4  Bde.  (Die  deutsch-mittelidterl.  Bauwerke  in 
Bd.  2  Abth.  5D  u.  in  Bd.  3  Abth.  6^.)  1842—1852.  —  Die  kunstgeschicht- 
lich merkwürdigsten  Bauwerke  vom  Beginn  der  altchristl.  Architectur  bis  zur 
Blüthe  der  Renaissance.  Zusammengestellt  vom  Architectenvereine  zu  Berlin. 
2  Abth.  1854.  1856.  —  Denkmäler  der  deutschen  Baukunst,  dargestellt  von 
dem  hessischen  Vereine  für  die  Aufnahme  mittelalterl.  Kunstwerke  zu  Darm- 
stadt. Bd.  1.  1856.  —  Als  besondere  Ausgabe  von  des  Herausgebers  die  sämmtl. 
bild.  Künste  umfassenden  Denkmälerwerke  (s.  oben}:  Förster,  £.,  Denk- 
male deutscher  Baukunst  von  Einführung  des  Christen th.  bis  auf  die  neueste 
Zeit.  Bd.  1 — 4.  1858  ff.  —  Ebenso  gieht  es  eine  Separatausgabe  aus  Gailha- 
baud's  Denkmälern  unter  dem  Titel:  Denkm.  des  M.-A.  41  Hefte,  u.  aus 
dem  Atlas  zu  Kugler's  Kunstgesch.  unter  dem  Titel :  Denkmäler  der  Archi- 
tektur mit  57  Taf.  18öS.  —  Auch  von  dem  Bilderatlas  zu  Brockhaus  Con- 
versationslexicon  ist  Abth.  7,  Geschichte  der  Baukunst,  mit  60  Taf.,  beeonders 
ausgegeben. 

III.  Bauftatistik und  Karten:  Emmich,  W.,  Versuch  einer  Uebersicht 
sämmtl.  bekannter  Bauwerke  der  Vorzeit.  1843.  —  Mertens,  Fz.,  die  Bau- 
kunst des  M.-A.  in  Deutschland  von  900 — 1600.  Chronographische  Tafeln  u. 
Text.  1851.  —  Lübke,  W.,  Karte  der  mittelalterl.  Architectur  in  Deutsch- 
land (1854).  —  Kirchenregister,  in  Otte's  Gesch.  der  kirchl.  Kunst  (Grund- 
zOge).  1855.  S.  195— 210. —  Müller,  Herrn.  Alex.,  Karte  der  mittelalterl. 
Kirchen- Architectur  Deutschlands.  Nebst  einem  erläuternden  Texte :  Die  mit- 
telalterl. Kirchengebäude  Deutschlands  nach  der  aiphabet.  Reihenfolge  ihrer 
Oerter.  1856.  —  Mertens,  Fz. ,  das  Abendland  während  der  Kreuzzflge. 
Denkmalkarte  mit  Text.   1864. 

IV.  BauwiBtonsohaftliohe  Zeitiohriften  mit  architecturgeschichtlichen  Bei- 
trägen :  Journal  für  die  Baukunst,  herausgegeb.  von  A  Leop.  Grelle,  1 82S  ff. — 
Allgem.  Bauzeitung,  herausgegeb.  vonL.  Förster.  1835  ff.  —  Zeitschrift  für 
prakt.  Baukunst,  herausgegeb.  von  J.  Andr.  Romberg,  fortges.  vonE.  Knob- 
lauch. 1841  ff  —  Zeitschrift  für  Bauwesen,  herausgegeb.  von  C.  Hoff- 
mann, fortges.  von  £.  Erb  kam.   1851  ff. 

Anmerkung.  Besonders  förderlich  für  das  Studium  der  mittelalterl.  Bau- 
kunst sind  die  von  Geo.  Gottfr.  Kallenbach  nach  übereinstimmendem  Maass- 
stabe (160:  1)  verfertigten  ca.  250  Modelle  von  Kirchen  etc.,  welche  sich  (nebst 
anderen)  im  neuen  Museum  zu  Berlin  befinden.  Viele  Modelle  hat  auch  seit  40 
Jahren  C.  Schropp  in  Bamberg  verfertigt,  besonders  neuerlichst  ein  riesenliaftes 
Modell  der  Stephanskirche  in  Wien,  u.  früher  den  Dom  von  Cöln.  Ein  Modell 
des  Domes  zu  Magdeburg  hat  Bosch e,  ein  Modell  des  Regensburger  Domes 
Blank,  ein  Modell  von  der  Thurmfa9ade  der  Wiesenkirche  in  Soest  hat  Ross 
angefertigt.  Ein  Modell  der  ehemal.  Marienkirche  auf  dem  Harlunger  Berge  be- 
findet sich  in  dem  Dom  zu  Brandenburg.  —  Nachbildungen  architektonischer  Or- 
namente etc.  sind  käuflich  zu  haben  bei  Fz.  Lenhartin  Cöln. 


273 
Vorbemerkung  über  altohristliohe  AroMtektur. 

IV.   bis  X.  Jahrhundert. 

Literatur:  Bunsen,  Chr.  C.  JosiaB,  die  Basiliken  des  christl.  Rom. 
(18-12).  —  Quast,  Ferd.  T.,  die  Basiliken  der  Alten.  1845.  —  Zestermann, 
A.  Chr.  Ad.,  de  basilicis  libri  III.  BruxelUs  1847,  u.  ausführlicher  in  deut- 
scher Bearbeitung:  Die  antiken  u.  die  christl.  Basiliken  nach  ihrer  Entstehung, 
Ausbildung  u.  Beziehung  zu  einander  dargestellt.  1847.  —  Urlichs,  L.,  die 
Apsis  der  antiken  Basilika.  18-17. —  Quast,  Ferd.  v.,  Über  Form,  Einrich- 
tung u,  Ausschmückung  der  ältesten  christl.  Kirchen.  1853.  — Messmer, 
Jos.  Ant.,  über  den  Ursprung,  die  Entwicklung  u.  Bedeutung  der  Basilika  in 
der  christl.  Baukunst.  1854.  —  Derselbe,  über  den  Ursprung  der  christl. 
Basilika,  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archäologie  u.  Kunst.  2,  212  ff.  — 
Braun,  £.,  die  röm.  Basilika,  in  dem  von  Elfr.  v.  Mühlenfels  herausgegeb. 
Dresdner  Album.  1855.  —  Weingflrtner,  W.,  Ursprung  u.  Entwicklung 
des  christl.  Kirchengebäudes.  1858.  —  (Kayser,  J.),  über  das  Yerhältnisa 
der  christl.  zur  dassischen  Architektur,  im  Organ  für  christl.  Kunst.  1859. 
No.  5— 10  u.  18G0.  No.  2 — 9.  —  Merz,  H. ,  der  älteste  Kirchenbau,  im 
christl.  Kunstbl.  1859.  S.  164  ff.  -—  Kreuser,  J.,  ein  Wort  über  den  Ur- 
sprung der  christl.  Basilika,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.  (1859). 

4,  85  ff.  —  Derselbe,  zur  Basilika-Frage,  im  Organ  für  christl.  Kunst.  1861. 
No.  22  ff.  —  Roisin ,  F.  de,  l'Origine  de  la  Basilique  chrötienne,  im  Bulletin 
monumental.  XXVI.  No.  3.  —  Ueber  den  Zusammenhang  der  antiken  Archi- 
tectur  mit  dem  christl.  Kirchenbau,  in  der  Baltischen  Monatsschr.  (1861). 
II.  4.  —  Mothes,  Ose,  die  Basilikenforra  bei  den  Christen  der  ersten  Jahr- 
hunderte. 1865. 

Vergl.  Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  181—203;  2,  94—102.  —  Kreuser,  Kir- 
chenbau 1,  3 — 49.  —  Zestermann,  in  Gersdorfs  Repertorium  1848.  S.  1  ff. 
1S54.  S.  222—227.  —  Brunn,  H.,  im  Kunstbl.  1848.  S.  73  ff.  —  Wein- 
gärtner,  in  Prutz's  Deut.  Museum.  1859.  No.  39  8.  457—469  u.  in  den 
Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.    (1860)    5,  92.  —    Messmer,  ebend. 

5.  178—180. 

Knp&rweike:  Gutensohn,  J.  O.,  u.  Knapp,  J.  M.,  Sammlung  der 
ältesten  christl.  Kirchen  od.  Basiliken  Roms;  früher  unter  dem  Titel:  Denkm. 
der  christl.  Religion  etc.  5  Hefte.  1827  ;  als  erläuternder  Text:  Bunsen,  die 
Basiliken  etc.  —  Quast,  Ferd.  v.,  die  altchristl.  Bauwerke  von  Ravenna. 
1842.  —  Hübsch,  H.,  die  altchristl.  Kirchen  nach  den  Baudenkmalen  u. 
älteren  Beschreib.  Lief.  1  -  9.  1858—1861.  —  Vergl.  Gailhabaud,  Denk- 
mäler. Bd.  1.  Abth.  8.  No.  6  u.  Bd.  2.  Abth.  1  u.  2.  No.  4.  — 

54.    Der  christliche  Kirchenbau  als  Kunstbau  datirt  aus  der  Zeit 
Kaiser  Constantinus  des  Grossen  (gest.  337). 

Es  gab  allerdings  schon  im  III.  Jahrh.  im  römischen  Reiche  zahl- 
reiche christliche  Kirchen,  und  Eusebius  berichtet  aus  der  Zeit  vor  der 
Diocletianischen  Verfolgung ,  dass  man ,  sich  nicht  mehr  mit  den  alten 
Gebäuden  begnügend,  in  allen  Städten  geräumige  Kirchen  von  Grund 
aus  neu  erbaut  habe.  *)  Grösstentheils  werden  dies  sehr  wahrscheinlich 
nur  einfache  Nützlichkeitsbauten  gewesen  sein :  ^)  denn  selbst  die  hoch- 


1)  Euseb.  hist.  eccl.  1.  8.  c.  1.  n.  2:   jurjdaficSe  frt  toTs  naXatoTg  ofxodof^ri/Ltaaiv 
tt^xovftivoi,  (V()€ia9  €ig  nkdrog  ava  ndastq  tag  nolftgfx  H^ffz^Utav  «viortov  ixxXrjoittg. 

2)  Selbst  Holzfachwerk  ist  nicht  auszusohliessen,  da  die  gemeinen  Bedürfniss- 
bauten der  Römer  (Cato,  de  re  rustica  14}  oft  in  dieser  Weise  ausgeführt  wurden. 


274  Altchristliche 

gepriesene  Kirche  zu  Nicomedien  konnte,  nachdem  Diocletian  die  Zer- 
störung derselben  durch  Feuer  aus  polizeilichen  Gründen  unstatthaft  ge- 
funden hatte  ,  von  den  Prätorianem  mit  Aexten  und  Brechstangen  in 
wenigen  Stunden  dem  Erdboden  gleich  gemacht  werden.  *)  Obgleich  von 
der  Beschaffenheit  dieser  primitiven  Kirchengebäude  keine  Kunde  auf 
uns  gekommen  ist  ^) ,  so  darf  doch  vermuthet  werden ,  dass  dieselben 
nach  einem  wesentlich  übereinstimmenden,  den  gottesdienstlichen  Be- 
dürfnissen angemessenen  Typus  errichtet  waren. 

55.  Gleichzeitig  kommt  für  das  christliche  Gotteshaus  als  Ver- 
sammlungsstatte  der  Gemeinde  der  Name  Basilika  {ßaailixtj)  vor, 
und  zwar  in  solchem  Zusammenhange,  dass  damit  in  baulicher  Be- 
ziehung ein  völlig  bestimmter  Begriff  verbunden  erscheint,  wodurch 
der  Schluss  auf  eine  Uebereinstimmung  des  Typus  mit  den  heidnisch- 
römischen Profanbauten  gleiches  Namens  gerechtfertigt  wird. 

Andere  Benennungen  der  christlichen  Versammlungsstatten  haben 
lediglich  religiöse  und  keine  Beziehung  auf  die  bauliche  Gestaltung. 

In  einem  Briefe  des  Constantinus  an  den  Bischof  Makarios  von  Je- 
rusalem (bei  Euseb.  de  vita  Const.  3,  31)  beauftragt  ihn  der  Kaiser, 
über  dem  heiligen  Grabe  eine  Basilika  zu  erbauen,  schöner  als  irgend- 
wo und  so  ausgestattet,  dass  Alles,  was  in  jeder  Stadt  Schönes  sei,  von 
diesem  Bau  übertroffen  werde,  ^)  benachrichtigt  ihn,  dass  er  wegen  der 
Errichtung  und  Verzierung  der  Mauern  dem  Drakilianos  bereits  Auftrag 
gegeben  habe,  und  erfordert  darüber  schleunigen  Bericht,  ob  nach  der 
Ansicht  des  Bischofes  die  Säulen  aus  Marmor  oder  anders,  ob  die  Decke 
der  Basilika  *)  als  Täfelwerk  oder  in  anderer  Weise  auszuführen  am  an- 
gemessensten sei.  Aus  diesem  Auftrage  des  kaiserlichen  Bauherrn  folgt 
unwiderleglich,  dass  Makarios  durch  das  einzige  Wort  Basilika  über 
die  Grundgestalt  des  Gebäudes  im  Klaren  sein  musste  (vergl.  Zester- 
mann,  Basiliken,  S.  167;  Messmer,  Ursprung  etc.  der  Basilika,  S. 
13;  Weingärtner,  Ursprung  des  Kirchengeb.S.  31 ;  MothesS.  22), 
und  wenn  damals  eine  bestimmte  Gattung  römischer  Profangebäude  be- 
reits seit  etwa  500  Jahren  mit  diesem  Namen  zu  bezeichnen  allgemein 
üblich  war,  so  ftlllt  danach  die  christliche  Basilika,  zur  Unterscheidung 
von  den  Profan basiliken  auch  bamUca  ecclesiae  genannt,  mit  der  römisch- 
heidnischen in  baulicher  Beziehung  unter  denselben  Begriff.    Der  Name 


1)  Lactant.  de  mortibus  persec.  c.  12:  VeniebarU  tgitur praetoriani acte  atructa 
cum  aecuribus  et  aliis  ferramentü ;  et  immissi  ttndiquey  tarnen  tUud  editüsimum  paueie 
horie  solo  adaequarunt. 

2)  Die  Basilika  des  Reparatus  in  Algerien,  deren  Ueberreste  bisher  dem  J.  252 
▼indicirt  wurden,  datirt  nach  neueren  chronologisch-kritischen  Untersuchungen  der 
betreffenden  Inschrift  erst  aus  dem  J.  325  oder  327,  also  aus  der  Constantinischen 
Zeit.  Vergl.  Messmer,  Jos.  Ant.,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central  -  Commiss. 
(1864)9,  236.  ^ 

3)  Baaikixinv  rtSv  anatfra/ov  ßslriova...  <us  narra  ra  f<f*  ixdartjs  xttXXiarsvovta 
uokitog  vno  toO  xTiofiaxo^  tovrov  vixaat^ai, 

4)  Tqy  r$;  ßaaikixrjg  XfXfiaqav, 


Baukunst.  275 

Basilica  (sc.  porticus) ,  abzuleiten  von  hasiUcus,  a,  um  =  schön,  prächtig 
(einem  bei  Plautus^  zu  dessen  Zeit  die  erste  Basilika  in  Rom  erbaut 
wurde,  vorkommenden  Worte) ,  und  nur  indirect  von  dem  griechischen 
ßaaikfvg  =  König,  bezeichnete  allerdings  zunächst  eine  Prachthalle, 
aber  es  hatte  sich  mit  demselben  im  Laufe  der  Zeit  ein  bestimmter  bau- 
licher Begriff  verbunden. 

Andere  Benennungen  des  christlichen  Gotteshauses  aus  der  Con- 
stantinischen  Zeit  sind:  7?xx/>;a/a,  oixqg  ixulr^attaif,  ecclesta^^  Gemeinde- 
hav.s,  domus  dominica,  dominicum,  i(VQtaxi^,  niß^iaxov  =  Hslus  des  Herrn, 
Kirche ;  auch  templunij  vuog  =  Tempel :  eine  durch  das  alte  Testament 
geheiligte  Bezeichnung,  ohne  bestimmten  baulichen  Begriff.  Später  nahm 
auch  hamlica  durch  Beziehung  auf  den  Baadfvg  Christus  symbolische 
Bedeutung  an,^)  und  alle  diese  verschiedenen  Benennungen  wurden  ohne 
irgendwelche  Beziehung  auf  die  bauliche  Form  promiscue  gebraucht. 

56.  Abgesehen  von  den  dem  öffentlichen  Handels-  und  Gerichts- 
verkehr gewidmeten  forensischen  Basiliken  der  römischen  Städte  kom- 
men hiebei  vorzugsweise  in  Betracht  die  zur  Abhaltung  von  berathen- 
den  und  schiedsrichterlichen  Versammlungen  u.  s.  w.  bestimmten 
basilikenartigen  Säle  (Oeci)  und  eigentlichen  Basiliken  in  den  Häusern 
der  reicheren  Römer,  da  die  Gottesdienste  der  ersten  Christen  nach 
dem  Zeugnisse  der  heiligen  Schrift  in  den  Sälen  von  Privathäusern 
gehalten  zu  werden  pflegten,  die  geräumig  sein  mussten,  um  die  oft 
zahlreiche  Versammlung  zu  fassen.  Auch  finden  sich  Andeutungen 
davon,  dass  solche  Privatbasiliken  in  den  gottesdienstlichen  Gebrauch 
der  Christen  übergegangen  sind. 

In  Korinth  war  Gajus  der  Wirth  des  Ap.  Paulus  und  der  ganzen  Ge- 
meinde \Tfjg  tKHh^olag  bhjg),  Höm.  16,  23.  —  In  Rom,  Korinth  und 
Ephesus,  wo  er,  durch  sein  Gewerbe  als  Teppichmacher  veranlasst,  sich 
zu  verschiedenen  Zeiten  authielt,  hatte  Aquila  eine  Versammlung  der 
Gemeinde  in  seinem  Hause  h)  fxxXrjala  iv  tm  oixm  avtov)^  Rom.  16,  5. 
1.  Korinth.  16,  19.  20;  Philem.  2.  '      .   ' 

Unter  den  verschiedenartigen  Sälen  der  römischen  Häuser  bezeichnet 
Vitruv  (de  architectura  VI.  cap.  5)  die  oeci  Aegyptii  als  den  Basiliken 
ähnlich  [ita  hasiUcarum  ea  similitudo  ....  vid^tur  esse)  und  schildert  (ebd.  8) 
die  Hausbasiliken  der  Vornehmen :  Basilieas,  non  dissimili  modo  qtutm 
puhUcorum  operum  magnißcentia  comparatas,  quod  in  domibits  eorum  saepius 
et  pubUca  consiUa  et  privata  consiUa,  arbitriaque  conßcittntur.  In  der  Villa 
der  Gordiane  allein  waren  drei  solcher  Prachtsäle ,  jeder  mit  hundert 
Säulen,  und  einer  von  ähnlicher  Pracht  im  Palaste  des  Domitian.  Vergl. 
Zestermann,  Basiliken  S.  67;  Messmer,  in  der  Zeitschrift  för 
Christi.  Archäol.  u.  Kunst  2,  217. 


1)  IsidorusHisp.  (Oiig.  etymolog.  1.  XV.  4,  11)  im  VII.  Jahrb.:  Basilicae 
pritis  vocabantur  regmn  habitacula,  unde  et  nonien  habent^  nam  ßaOiXevg  rex  et  basi- 
licae regiae  kabitationes ;  nimc  autem  ideo  divina  templa  basilicae  nominaniur,  qnia 
regi  ibi  omnium,  deo  cultns  ei  sacrißcia  offerentur. 


276  AltchriBtUche 

In  einem  dem  ClemensRomanus  untergeschobenen,  wahrschein- 
lich in  der  ersten  Hälfte  des  III.  Jahrh.  entstandenen  Romane  (Recogni- 
tion.  X  n.  71,  ed.  Brickmann,  Col.  1569  p.  155)  wird  von  dem 
Theophilus  in  Antiochia,  welcher  in  dieser  Stadt  erhabener  gewesen  sei, 
als  alle  Gewaltige,  erzählt,  er  habe  y>domu8  suae  ingentem  hasilicam  ecchsiae 
nomineii  gewidmet.  Auch  die  bei  Ammianus  Marcellinus  27,  3  mit 
dem  Zusätze  r>uhi  rttits  Christiani  est  corwenHctUimw  erwähnte  basiUca  Sianini 
(oder  Stcinü)  scheint  eine  Hausbasilika  gewesen  zu  sein.  —  Optatus 
von  Mileve  (de  schism.  Donatist.  1  ,  23)  redet  vom  Gottesdienste  im 
Hause  der  Fausta  de  Laterano  in  Rom.     Vergl.  Mothes  S.  14.  22.  33. 

57.  Die  forensischen  Basiliken  der  Körner^  meist  an  einem  von 
Säulenhallen  umgebenen  Platze  belegen,  waren  zwar  keineswegs 
überall  nach  demselben  Schema  erbaut,  doch  war  der  oblonge  Innen- 
raum derselben  durch  Säulenreihen  stets  in  Schiffe  getheilt.  Das  Mit- 
telschiff war  breiter  und  höher  als  die  Seitenschiffe,  über  denen  sich 
zuweilen  Emporen  befanden,  und  empfing  seine  Beleuchtung  über 
diesen  durch  hochstehende  Seitenfenster.  An  der  einen  Schmalseite 
befand  sich  in  der  Axe  des  Mittelschiffes  ein  erhöhter  Platz,  das  Tri- 
bunal der  Richter,  welches  häufig  in  einem  besonderen  rechteckigen 
oder  halbrunden  Ausbau  belegen  war.  Gegenüber  an  der  anderen 
Schmalseite  war  oft  eine  Vorhalle  von  geringer  Tiefe  in  der  ganzen 
Breite  des  Gebäudes  angebracht.  —  Die  Oeci  waren  die  einzigen  grös- 
seren Räume  des  römischen  Wohnhauses  und  lagen  an  der  Rückseite 
des  inneren,  mit  einem  Wasserbecken  versehenen  oblongen  Säulen- 
hofes (Peristyl) .  Die  bauliche  Einrichtung  dieser  Versammlungszimmer 
war  verschieden  und  je  nach  ihrer  Grösse  waren  entweder  keine,  oder 
mehr  oder  weniger  Säulen  zur  Unterstützung  der  Decke  erforderlich: 
die  tetrastylen  hatten  vier  ins  Quadrat  gestellte  Säulen,  die  korinthi- 
schen eine  Doppelreihe  von  Säulen  von  unbestimmter  Länge  und  in 
den  ägyptischen  waren  die  Säulen  über  einander  verdoppelt :  die  un- 
tere Reihe  trug  mit  den  gleich  hohen  Umfassungsmauern  über  ihrem 
Architrav  einen  äusseren  Umgang  unter  freiem  Himmel,  die  obere 
Reihe  war  mit  Wänden  geschlossen,  welche  Fenster  durchbrachen,  so 
dass  sich  also  eine  basilikale  dreischiffige  Anlage  mit  erhöhtem  Mittel- 
schiffe ergab.  Auch  finden  sich  Beispiele  von  einem  halbkreisförmigen 
Schlüsse  solcher  Säle. 

Unsere  Kenntniss  der  römisch-heidnischen  Basiliken  aus  zum  Theil 
dunkeln  und  sich  widersprechenden  schriftstellerischen  Nachrichten,  ^) 


I)  Die  Hauptstelle  des  Vitruv  (5,  I)  übersetxt  und  erklArt  bei  ▼.  Quast,  die 
Basilika  der  Alten  S.  13  ff. 


Baukunst.  277 

sowie  aus  einzelnen  auf  uns  gekommenen  Ueberresten  in  Italien  ist  nur 
fragmentarisch,  und  das  sich  ergebende  sehr  allgemein  gehaltene  Bild  der- 
selben bedarf  zu  seiner  Vervollständigung  noch  weiterer  Forschungen.  — 
'Ueber  die  Oeci  giebt  Vitruv  6,  5  ein  deutliches  Bild.  Vergl.  O ver- 
beck, Pompeji  2,  191.  —  In  den  beträchtlichen  Ruinen  der  Villa  des 
LucuUus  fand  Mothes  (Basilikenform  S.  89)  zweifellos  zwei  grosse 
Säle  mit  halbkreisförmigem  Schluss. 

Anmerkung.  Gegen  die  bis  dahin  unangefochtene,  aber  unbewiesene 
Ansicht,  dass  die  christlichen  Basiliken  eine  Nachbildung  der  römisch- 
forensischen gewesen,  und  dass  in  vielen  Fällen  die  letzteren  seit  Constan- 
tinus  den  Christen  ohne  Weiteres  seien  eingeräumt  worden  (Schnaase, 
Kunstgesch.  3,  32;  Kugler,  Gesch.  der  Baukunst  1,  354),  trat  zuerst 
Zestermann  in  seiner  gekrönten  Preisachrift  »de  Basilicis«  1847  auf 
und  kam,  gestützt  auf  philologisches  Material,  zu  dem  Resultate,  dass  das 
christliche  Kirchengebäude,  hervorgegangen  aiis  dem  Bedürfnisse  der  Ge- 
meinde, eine  freie  Schöpfung  des  christlichen  Geistes  sei.  Dieser  Ansicht 
war  auch  1851  Kreuser  {Kirchenbau  1 .  Aufl.  1 ,  29) .  Dagegen  verthei- 
digte  Messmer  Anfangs  (über  den  Ursprung  .  .  .  der  Basilika.  1854)  die 
ältere  Meinung,  erklärte  sich  jedoch  später  (Zeitachr.  für  christl.  Archäol. 
u.  Kunst  2,  212)  für  die  Ableitung  der  christlichen  Basilika  von  den  Oecia 
und  Hausbasiliken.  Dieselbe  Ansicht  über  das  christliche  Gemeinde- 
haus hatte  schon  Weingärtner  (Ursprung  des  Kirchengebäudes  S.  32  ff.) 
zwar  ausgesprochen,  suchte  sich  aber  dadurch  selbst  zu  widerlegen,  dass  er 
das  christliche  Gotteshaus  der  Constantinischen  Zeit  für  die  reinste  Fort- 
setzung des  heidnischen  Hypäthral  -  Tempels  (ebd.  S.  138)  zu  erklären 
unternahm.  Neuerlich  gelangte  Kreuser  (Kirchenbau  2.  Aufl.  S.  42  ff.) 
dahin,  den  christlichen  Basilikenbau  von  der  jüdischen  Synagoge  zu  Ale- 
xandria, die  nach  einer  Stelle  im  Talmud  nach  Art  einer  grossen  (christ- 
lichen?) Basilika  erbaut  gewesen,  abzuleiten.  Mothes  endlich  hat  den 
ganzen  sehr  umfänglichen  Apparat  vom  Standpunkt  des  Architekten  und 
Technikers  übersichtlich  neu  bearbeitet  und  gezeigt,  wie  sich  das  Ideal  des 
christlichen  Gotteshauses  durch  Combinirung  aus  mehreren  dem  Bedürf- 
nisse angepassten  Gebäudeformen  allmählich  entwickelt  habe ,  da  auch 
ausserhalb  des  Römerreiches  bei  allen  gebildeten  Völkern  sich  Gebäude 
fänden,  die  mehr  oder  weniger  basilikale  Elemente  an  sich  trugen,  und  von 
deren  Formen  also  ein  grösserer  oder  geringerer  Theil  bei  Ausbildung  der 
christlichen  Basilika  verwendet  zu  werden  fähig  war.  —  Ueberall,  wo  ein 
grosser  Mittelraum  von  kleineren  umgaben  anzubringen  war,  und  man 
dennoch  dem  ersteren  das  Licht  nicht  entziehen  durfte  —  die  Aufgabe  der 
Kirchenbaumeister  —  fand  sich  die  Baukunst  fast  zu  der  basilikenartigen 
Anlage  genöthigt.   Vergl.  v.  Quast,  die  Basilika  der  Alten  S.  21. 

58.  Die  christliche  Basilika  erscheint  in  einem  bestimmten,  den 
Bedürfnissen  des  christlichen  Cultus  entsprechenden  Typus :  ein  läng- 
liches, von  einer  Mauer  umschlossenes  Viereck,  an  der  dem  Eingange 
gegenüber  belegenen  Schmalseite  von  einem  halbrunden  Ausbau  be- 
grenzt, wird  von  parallelen  Säulenreihen  in  drei  (oder  fünf)  Schiffe 


278 


Altchristllche 


getheilt  und  zwar  so,  dass  die  Breite  des  Mittelschiffes  ungefähr  die- 
selbe ist,  wie  die  der  Seitenschiffe  zusammengenommen.  Die  durch 
Rundbögen  mit  einander  verbundenen  Säulen  tragen  auf  diesen  die 
mit  vielen  rundbogigen  Fenstern  versehenen  Seitenmauern  des  mit 
Täfelwerk  flach  gedeckten  Hauptschiffes,  während  die  niedrigeren, 
dasUntergeschoss  bildenden,  durch  eigene  Fenster  beleuchteten  Neben- 


Fig.  116.    4.  demente  in  Korn  (nach  d'Agincourt). 

schiffe  sich  mit  ihren  Pultdächern  an  den  Hochbau  des  Mittelschiffes 
unterhalb  der  Fenster  des  letzteren  anlehnen.  Bald  ward  auch  ein 
Querschiff  von  der  Breite  des  Langhauses  (d.  h.  ohne  die  späteren 
Vorlagen),  und  zwar  unmittelbar  vor  dem  Scheidbogen  der  Tribüne 
angeordnet  und  von  dem  Langschiffe  durch  einen  zweiten  hohen 
Schwibbogen  getrennt,  wodurch  die  Kreuzform  der  Kirchen  entstand. 


Baokanst.  279 

Emporen  über  den  Seitenschiffen  sind  nur  im  Oriente  ein  integrirender 
Theil  des  Gebäudes.  Eine  schmale  loggienartige  Vorhalle  (Nartiex) 
und  ein  Vorhof  mit  Brunnen  ist  Erfordemiss. 

Ueber  die  Baulinie  und  die  Orientirung  s.  oben  S.  lOu.  S.  11  Anmerk.^l. 
—  Ueber  die  Confessio  mit  dem  Märtyrergrabe  S.  40  Anmerk.  2.  —  Ueber  die 
Kreuzform  und  das  QuerschifF  S.  16  Anmerk.  u.  S.  45.  —  Ueber  die  Vorhalle 
und  den  Vorhof  mit  dem  Reinigungsbrunnen  S.  63  f.  u.  S.  265.  —  Ueber  die 
Emporen  S.  73  f. 

Die  mächtige  Wirkung  der  äusserlich  ganz  schmucklos  gehaltenen 
altchristlichen  Basiliken  beruht  lediglich  in  der  Grossartigkeit  der  Ge- 
sammtanlage. Die  Säulen  pflegte  man  ohne  weitere  Rücksicht  von  zer- 
störten heidnischen  Tempeln  etc.  zu  nehmen ,  begnügte  sich  auch  nö- 
thigenfalls  mit  Pfeilern,  so  dass  sich  mehrere  Beispiele  finden  von  fünf- 
schiffigen  Kirchen,  wo  nur  das  Mittelschiff  Säulenreihen  hat,  während 
die  Seitenschiffe  imter  sich  durch  Pfeilerstützen  getrennt  sind.  In  ein- 
zelnen Fällen  behielt  man  zwar  noch  das  regelrechte  Horizontalgebälk 
über  den  Säulen  bei,  entschied  sich  jedoch  meist  für  die  auch  anderweitig 
in  Römerbauten  vorkommende  Verbindung  derselben  durch  Bögen,  was 
zwar  gegen  den  Geist  der  antiken  Baukunst,  aber  in  Betracht  der  schwer 
lastenden  Seitenmauem  des  Mittelschiffes  organisdier  war.  —  Die  Apsis 
erscheint  zuweilen  nicht  als  besonderer  Ausbau,  sondern  ist  am  Ende  des 
Mittelschiffes  in  den  rechtwinkeligen  Schluss  des  Gebäudekörpers  nur 
eingeschoben.  —  Die  für  die  verschiedenen  Abstufungen  der  Büsscr  be- 
stimmten äusseren  Theile,  der  Narthex  und  der  Brunnenhof,  erinnern 
mehr  an  das  vor  den  Oecü  belegene  Peristyl  des  Privatfiauses  (S.  276), 
als  etwa  an  den  Vorhof  des  jüdischen  oder  gar  des  heidnischen  Tempels. 
Der  Narthex  erscheint  aus  der  dem  Oecus  unmittelbar  vorliegenden  hin- 
teren Säulenhalle  des  Peristyls  hervorgegangen. 

Das  grossartigste  Denkmal  des  römisch-christlichen  Basilikenbaues, 
bis  zu  einem  Brande  1823  erhalten  und  seitdem  wieder  gebaut,  war  die 
Kirche  des  h.  Paulus  ausserhalb  der  Mauern  Roms  (3S6 — 400)  ;  ^)  s.  den 
Grundriss  Fig.  117.  (Die  das  Querschiff  in  zwei  Hälften  zerschneidende 
in  Arkaden  geöffnete  Wand  war  erst  in  Folge  eines  Erdbebens  vom  J. 
801  eingezogen  worden.)  —  Das  anschaulichste  Bild  der  alten  Cultus- 
einrichtungen  gewährt  die  zwar  erst  dem  IX.  und  XÜ.  Jahrh.  angehö- 
rende Kirche  S.  demente  in  Rom  (oben  Fig.  116).  Das  Innere  zeigt 
die  vollständige  Choreinrichtung  (/)  mit  Schranken  und  Ambonen,  im 
Aeusseren  die  Vorhalle  (h)  und  den  Vorhof  (t).  S.  den  Grundriss 
Fig.  118.  2)  —  Eine  tabellarische  Uebersicht  der  altchristlichen  Basiliken 
des  IV.  bis  VI.  Jahrh.  bei  Mothes,  Basilikenform. 


1)  d'Agincourt,  Archit.  Taf.  4 — 7;  69  No.  2.  3.  —  Guten  söhn  u.  Knapp. 
Taf.  4—7.  —  Hübsch,  altchristl.  Kirchen  Lief.  1  u.  2. 

2)  d'Agincourt,  a.  a.  O.  Taf.  16.  64  No.  4.  —  Gutensohn  u.  Knapp  Taf. 
32 — 34.  —  Gailhabaud,  Benkm.  Lief.  7, 


280 


AltohiiBÜiche 


Fig.  117.   GrandriM  von  8.  Paul  Tor  den 
Mauern  Soms  (nach  d^Agineourt). 


Flg.  118.   Orundriai  von  6.  Cle* 
mente  in  Rom  (nach  dWgincourt). 


59.  Neben  dieser  zur  Zelt  des  Constantinus  als  Versammlungs- 
stätte der  Gemeinde  (Pfarrkirche)  bereits  feststehenden  Hauptform  der 
Basilika  kam  dann  anderweitig  besonders  für  die  Gotteshäuser  (memo- 
rtae),  die  an  denkwürdigen  Orten,  über  den  Gräbern  der  Märtyrer 
u.  s.  w.  von  diesem  ersten  christlichen  Kaiser  und  seiner  frommen 
Mutter  Helena  gegründet  wurden,  der  Centralbau  des  antiken  Grab- 
mals (Si  oben  S.  18)  als  Vorbild  in  Anwendung.  Ein  achteckiger, 
runder  (später  besonders  viereckiger),  hoher,  von  einer  Kuppel  über- 
deckter, auf  einem  Säulenkreise  oder  auf  Pfeilern  ruhender  Mittelbau 
ist  von  einem  concentrischen,  niedrigeren  Umgange  gestützt  und  um- 
geben. 

Ein  solcher  Centralbau  ist  das  Mausoleum  der  Constantia 
(Schwester  oder  Tochter  Kaiser  Constantin  des  Grossen)  ausserhalb  der 
Mauern  Roms,  die  jetzige  Kirche  S.  Costanza,  an  der  Via  Nomentana 


BaiÜLunst. 


281 


über  den  Katakomben  der  h.  Agnese  gelegen.  ^)  Der  Grundriss  ist  ein 
Kreis ;  innerbalb  der  Umfassungsmauer  ist  ein  ooncentrischer  Kreis  ge- 
kuppelter, durcb  Rundbögen  verbundener  Säulen  angeordnet,  auf  wel- 
chen sich  die  cylindrische,  von  zwölf  Rundbogenfenstern  durchbrochene, 
von  einem  kugelförmigen  Kuppeldache  gedeckte  Mauer  dieses  Central- 
raumes  über  dem  erstgedachten  niederen,  in  der  Tonne  überwölbten  Um- 
gang erhebt;  das  Ganze  79  F.  im  D.  —  Nach  Eusebius  (de  vita 
Const.  c.  50)  hatte  der  innere  Hauptraum  der  von  Constantin  zu  Anti- 
ochia  erbauten  Kirche  eine  achteckige  Gestalt.  ^) 


Fig.  lli).  Mausoleum  der  Constantia  ausserhalb 
der  Mauern  Roms  (nach  d^Agincourt). 

Anmerkung.  Zur  Zeit  der  Römerherrschaft  in  Deutschland  war 
das  derselben  unterworfene  Gebiet  bereits  mit  Kirchengebäuden  ganz  be- 
deckt. (Vergl.  oben  S.  17.)  Als  der  Bischof  Athanasius  von  Alexandria 
zu  Trier  336 — 338  in  der  Verbannung  lebte,  versammelten  sich  die  Gläu- 
bigen daselbst  in  Tempeln,  an  denen  noch  gebaut  wurde.  In  Cöln  rühmen 
sich  die  Kirchen  zu  den  goldenen  Märtyrern  (St.  Gereon),  St.  Cornelius 
nnd  Cyprian  (St.  Severin)  und  der  älteste  Dom  stiftungsmässig  des  höchsten 
Alters.  Der  ursprüngliche  Dom  von  Mainz  soll  bei  dem  Vandalenüberfalle 
im  J.  406  vielen  tausend  Menschen  als  Zufluchtst&tte  gedient  haben.  In 
Regensburg,  Lorch  und  Passau  waren  christliche  Kirchen,  und  an  letzterem 
Orte  (im  heutigen  Innstadt)  wird  um  die  Mitte  des  V.  Jahrh.  eine  Basilika 
erwähnt.  In  Augsburg  ist  ein  Fortbestehen  der  kirchlichen  Einrichtungen 
bis  zur  Mitte  des  VI.  Jahrh.  nachgewiesen.    Vergl.  Rettberg,  F.,  Kir- 


1)  d*Agincourt  a.  a.  O.  Taf.  8.  No.  7.  8. 

?)  Vergl.  oben  S.  16  ff.  u.  S.  22  ff.;  auch  Büsching,  J.  Gust.  G.,  über  die 
achteckige  Gestalt  der  alten  Kirchen  ;  D renke,  £.,  und  Lassaulx,  J,  Claud.  v.» 
die  Matthiascap.  bei  Kobern  a.  d.  Mosel.  1837.  S.  51—64. 


282  Komanischer  und 

chengesch.  Deutschlands  1,  189.  541.  581;  2,  145.  276.  —  Alle  diese 
Bauten  sind  unter  den  Stürmen  der  Völkerwanderung  zu  Grunde  gegangen  ; 
doch  rühren  noch  aus  der  Römerzeit  her  der  älteste  Kern  des  Domes  von 
Trier  (s.  oben  S.  53)  und  die  jetzige  evangel.  Kirche  daselbst  ^)  (wahr- 
scheinlich das  von  Eumenius  Rhetor  gerühmte  Constantinische  Oerichts- 
gebäude) ,  sowie  mehrere  zum  Theil  grossartige  Ueberreste  von  Profange- 
bäuden hier  und  an  anderen  Orten  der  Rheinuferländer. 

60.  Der  Basilikenbau  fand  seine  weitere  Ausbildung  im  Abend- 
lande als  romanischer  Stil;  der  Centralbau^  von  zwei  gleich  langen 
Schiffen  durchkreuzt^  im  Morgenlande  als  byzantinischer  Stil.  ^) 

Das  erste  und  zugleich  bedeutendste  Muster  der  griechisch-christ- 
lichen (byzantinischen)  Bauweise  ist  die  von  532 — 537  erbaute  und  nach 
einem  Erdbeben  im  Jahre  557  erneute  Sophienkirche  (jetzige 
Moschee)  zu  Constantinopel ;  vergl.  oben  S.  34  Note  3,  S.  31 
Note  5 .  ^)  —  Das  einzige  lebhaft  an  den  christlichen  Baustil  des  Moigen- 
landes  erinnernde  und  darum  höchst  merkwürdige  Kirchengebäude  in 
Deutschland  war  die  Wallfahrtskirche  St.  Maria  auf  dem  Har- 
lungerberge  vor  Brandenburg,  ein  im  Jahre  1722  leider  abgebro- 
chener Ziegelbau  aus  der  ersten  Hälfte  des  XIII.  Jahrb.,  auf  der  Stelle 
eines  von  dem  letzten  Wendenkönige  Heinrich  (Pribislav)  1136  in  eine 
christliche  Kapelle  umgewandelten  Heiden tempels.  *) 

61.  Im  Laufe  der  Zeit  nahm  der  romanische  Stil  manche  Elemente 
des  byzantinischen  Stiles  in  sich  auf  und  bildete  sich  zum  Gewölbebau  ^) 
aus ;  ebenso  wie  sich  der  byzantinische  Stil  die  Grundform  der  Basilika 
aneignete  und  den  Basilikenbau  zu  einem  eigenthümlichen  Kuppel- 
system umschuf. 

Eine  eigenthamliche  Verbindung  des  Centralbaues  und  der  Basili- 
kenform findet  sich  in  den  armenischen  und  georgischen,  freilich  nur  in 
geringen  Maassen  erbauten  Kirchen  am  Kaukasus.  ^) 


1]  Yergl.  Die  Basilika  zu  Trier,  deren  Gesch.  u.  Einweih,  zur  evangel.  Kirche. 
1857.  —  Schmidt,  Chr.  W.,  Baudenkm.  in  Trier.  Lief.  5. 

2)£itelberger,  R.  v. ,  Zur  Orientirung  auf  dem  Gebiete  der  Baukunst  u. 
ihrer  Terminologie.  I.  Byzantinisch  u.  Romanisch,  in  den  Mittheil.  der  k.  k.  Central- 
Comm.  etc.  (1856).  1,  49—52.    Vergl.  ebd.  S.  69—76.  117—120. 

3)  Das  Hauptwerk  Über  die  byzantinische  Baukunst  ist:  Salzenberg,  W., 
Altchristi.  Baudenkmale  Constantinopels' vom  V.  bis  XU.  Jahrh.  1853. 

4)  Adler,  F.,  Mittelalter!.  Backsteinbauten  I.  1,  5 — 8  u.  Bl.  2.  —  Schneider, 
L.,  die  Marienk.  auf  dem  Harlunger  Berge  bei  Brandenb.,  in  Mittheil.  des  Vereins 
für  die  Gesch.  Potsdams.  II.  4,  1  —  16.  —  Förster,  Denkm.  Baukunst.  10,  11—14 
u.  2  Taf.  —  Bei  dem  nach  dem  Stile  vorauszusetzenden  Neubau  dieser  Kirche  im 
XIII.  Jahrh.  dürfte  der  alte  Grundriss  aas  Pribislavs  Zeit  beibehalten  worden  sein, 
der  eine  sehr  grosse  Uebereinstimmung  zeigt  mit  der  von  einem  Sohne  Waidemars 
des  Grossen  um  1 160 — 1 180  ebenfalls  aus  Ziegeln -erbauten  Marienkirche  zu  Kallund- 
borg  auf  der  Insel  Seeland.  Vergl.  Mittheil.  der  k.  k.  Central -Comm.  etc.  (1864) 
9,  1— III. 

5)  Leibnitz,  H.,  die  Organisation  der  Gewölbe  im  christl.  Kirch enbau.   1855. 

6)  Dubois  de  Montp^reux,  F.,  Voyage  au  Gaucase.  1840.  Atlas.  S^rie  III. 


byzantinischer  Baustil. 


283 


62.  Ungeachtet  der  Vorliebe  des  Abendlandes  für  den  Basiliken- 
bau finden  sich  doch  unter  den  Kirchen,  welche  zur  Zeit  der  Gothen- 
herrschaft  am  Schlüsse  des  V.  Jahrhunderts  durch  römische  und  grie- 
chische Baumeister  in  Italien  ausgeführt  wurden,  auch  einzelne  Cen- 
tralbauten,  und  gerade  diese  waren  es,  die  Carl  der  Grosse  für  seinen 
ersten  bedeutenden  Kirchenbau  in  Deutschland  zum  Vorbilde  wählte, 
welches  jedoch  bald  und  auf  immer  wieder  verlassen  wurde. 


Fig.  12Ü.  Längendurchschiiitt  von  8.  Vitale  in  Raveuna  (nach  d'Agincourt). 

Von  den  Bauten  aus  der  Zeit  der  Gothenherrschaft  ist  der  wichtigste 
S.  Vitale  in  Ravenna,  ^)  von  der  katholischen  Geistlichkeit  ohne 
Zuthun  der  arianischen  Gothen  erbaut :  die  Umfassungsmauern  bilden 
ein  Achteck  (mit  östlich  vorgelegter  Apsis),  aus  dessen  Mitte  sich  eine 
gleichfalls  achteckige  Kuppel  erhebt ;  der  niedrigere  Umgang  besteht  aus 
zwei  Stockwerken :  das  untere  Stockwerk  öffnet  sich  zwischen  den  acht 
die  Kuppel  tragenden,  durch  Bogenwölbungen  verbundenen  Hauptpfeilern 
(zwischen  denen,  mit  Ausschluss  der  Ostseite,  je  z\vei,  im  Ganzen  also 
vierzehn  Säulen  aufgestellt  sind)  innerlich  in  den  Centralbau ;  das  obere 
Stockwerk  bildet  eine  von  jenen  Säulen  und  Kreuzwölbungen  getragene, 
umlaufende,  vor  der  Apsis  unterbrochene  Empore.  —  Das  von  Carl  dem 
Grossen  796 — S04  als  zu  seiner  Grabstätte  bestimmte  Palastkapelle  er- 
baute Münster  zu  Aachen  ist  eine  offenbare,  wenn  auch  abweichende 
Nachbildung  von  S.  Vitale:  den  Kern  bildet  ein  Achteck  (D.  =  50', 
H.  =  100'),  umgeben  von  einem  sechszehnseitigen  etwa  60'  hohen  Um- 
gange   von  zwei  Stockwerken ;    vor  die  Ostscite  legt  sich  die  ehemals 


I]  Gailhabaud,  Dcnkin.  Bd.  '2.  Abth.  I.  2. 


284 


Karolingiaohe 


wahrscheinlich  platt  geschlossene  Apsis,  vor  die  Westseite  eine  von  zwei 
Kundthürmen  flankirte  Vorhalle^  deren  Obergeschoss  die  kaiserliche  Loge 
bildete.  —  Der  von  uns  (oben  S.  54  Fig.  23)  mitgetheilte,  durch  das 
Obergeschoss  des  Umgangs  gelegte  Qrundriss  zeigt  die  zwischen  den  acht 
Hauptbögen  vertheilten  Säulenstellungen :  unter  jedem  Bogen*  stehen 
zunächst  zwei  Säulen  unter  sich  und  mit  den  Hauptpfeilern  durch  Bögen 
verbunden;  darüber  sind  dann  den  unteren  entsprechend  wieder  zwei 
kleinere  Säulen  angebracht,  welche  völlig  unmotivirt  an  die  schräg  an- 
steigende Leibung  des  Hauptbogens  an- 
stossen.  Ueber  die  Bogenstellungen  er- 
hebt sich,  die  Bedachung  des  Umganges 
übersteigend ,  der  mit  einem  kuppel- 
artigen Klostergewölbe  gedeckte  Fen- 
stergaden;  vergl.  Fig.  121.  Dem  die- 
sem Bau  zu  Grunde  liegenden  sehr 
complicirten  baumeisterlichen  Gedan- 
ken entspricht  wenig  die  rohe  Technik 
und  die  Zusammenstellung  der  mit 
einigen  rohen  Granitsäulen  und  der 
Zeit  angehörigen  Capitälen  abwechseln- 
den ,  in  Farbe  .  Steinart  und  Gestalt 
verschiedenartigen,  aus  mehreren  an- 
tiken Gebäuden  entlehnten  .Säulen- 
schafte und  Capitäle.  *)  —  Dem  Aache- 
ner Muster  gleichen  mehr  oder  we- 
niger :  die Centralanlagen der  Schloss- 
kapelle auf  dem  Valkhofe  in 
Nymwegen  (XI.  und  Xu.  Jahrb.),  2)  des  Nonnenchores  im 
Münster  zu  Essen  (oben  S.  75  Fig.  29  und  S.  76)  noch  aus  dem 
X.  Jahrb.,  ^)  der  Nonnenkl  osterkirche  zu  Ottmarsheim  (Mitte 
des  XI.  Jahrb.),  ^)   des  sogen.  Thurmes  zu  Mettlach  a.  d.  Saar 


Fi«. 


121.   Kuppel  des  Mumien  zu  Aachen 
(nach  E.  Förster). 


1)  Die  ursprüngliche,  spflter  vielfach  und  namentlich  im  XIV.  Jahrh.  durch  den 
Anbau  eines  neuen  Chores  veränderte  Anlage  des  Aachener  Münsters  ist  durch  eine 
würdige  tuid  prachtvolle  Restauraüon  neuerdings  wieder  ins  rechte  Licht  gestellt 
worden.  —  Vergl.  Nolten,  F.,  Archftol.  Beschreib,  der  Münster-  oder  Krönungs- 
kirche in  Aachen.  1818.  —  Quix,  Chr.,  Histor.  Beschreib,  der  Münsterkirche  in 
Aachen.  1825.  —  Mertens,  Fz.,  aber  die  karoling.  Kaisercap.  zu  Aachen,  in  L. 
Förster's  Allgem.  Bauzeitung.  1S40.  S.  135—152  u.  Taf.  339.  —  Nöggerath, 
über  die  antiken  Säulen  im  Münster  zu  Aachen,  in  L.  L  er  seh  Niederrhein.  Jahrb. 
1843.  S.  193.  —  Debey,  M.  H.,  die  Münsterkirche  zu  Aachen.  185J.  —  Scher- 
vier, C.  G.,  die  Münsterkirche  zu  Aachen.  1855.  —  Die  besten  Abbild,  bei  Förster, 
£.,  Denkm.  Baukunst  Bd.  3  zu  S.  41  ff. ;  vergl.  Otte,  Gesch.  der  deut.  Baukunst. 
8.  80.  —  Vergl.  Weerth,  E.  aus'm,  Kunstdenkm.  in  den  Rheinlanden  I.  2,  58  ff. 

2)  Oltmans,  Alex.,  Description  de  la  chapelle  Carlovingienne  de  Nimdgue, 
1847.  —  Organ  für  christl.  Kunst.  1856.  S.  3  ff. 

3)  Quast,  Ferd.  v.,  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  u.  Kmist  ],  1  ff.  u 
Taf.  ] — 3,  daraus  in  £.  Förster's  Denkm.  Baukunst.  Bd.  1  zu  S.  33  ff. 

4)  Golbery,  Ph.  de,  et  Schweighaeuser ,  J.  G.,  Antiquit6s  de  l'Alsace. 
PI.  40. —  Burckhardt,  Jac,  die  Kirche  zu  Ottmarsheim,  in  den  Mittheil,  der 
Gesellsch.  für  vaterl.  Alterth.  in  Basel.  Heft  2.  1844.  Vergl.  Schnaase,  im  Kunst- 
blatt 1843.  No.  24. 


Baukunst. 


285 


(XI.  bis  XV.  Jahrh.),  *)  der  Ruine  einer  Kapelle  zu  Lonnig  (XII. 
Jahrh.), -^i  endlich  die  Säulenstellungen  des  Nonnenchores  in  Maria  auf 
dem  Capitol  zu  Cöln  (XL  Jahrh.).  ^) 

63.  Ausser  dem  Münster  zu  Aachen  haben  sich  in  Deutschland 
nur  zu  Fulda  und  Lorsch  einige  Bauwerke  erhalten ,  die  mit  völliger 
Bestimmtheit  der  karolingischen  Periode  zugeschrieben  werden  können. 
Wie  in  Aachen  finden  sich  auch  hier  antike  und  byzantinisirende  Ele- 
mente neben  einander:  jene  in  der  zumTheil  steifen  und  rohen  Nach- 
bildung der  römisch -korinthischen  oder  ionischen  Säulencapitale  und 
attischen  (in  Aachen  willkürlich  gegliederten)  Basen  ^  diese  in  den 
Kämpferaufsätzen  über  den  Capitälen,  um  die  Säulen  zur  Aufnahme 

der  Bögen  geeigneter  erschei- 
nen zu  lassen,  und  in  der  bun- 
ten Decorirung  der  Wandflä- 
chen. In  den  Gesimsen  ergiebt 
sich  der  Karniess  als  Haupt- 
glied. 

In  Fulda ^)  birgt  die  Kirche 
auf  dem  Petersberge  (*/,  M.  von 
der  Stadt)  in  ihrer  Krypta  den 
ältesten,  anscheinend  von  dem  zu 
Ende  des  VIII.  Jahrh.  gegrün- 
deten, 837  geweihten  Bau  her- 
rührenden Ueberrest  von  der 
Form  dreier  Tonnengewölbe  ne- 
ben einander,  welche  durch  ein 
viertes  davor  hinlaufendes  mit  ein- 
ander verbunden  sind.  Wichtiger 
ist  wegen  der  Details  die  820  bis 
822  erbaute,  im  XL  Jahrh.  ver- 
änderte Grabkapelle  S.  Michael 
(neben  dem  Dome)  :  ^)  eine  mit 
einem  niedrigeren  Umgange  ver- 
sehene Rotunde  von  44'  D.,  de- 
ren innerer  Theil  über  Rundbögen  anfacht  Säulen  mit  compositen  (später 
verstümmelten)   Capitälen  ruht,    welchen    acht  Fensteröffnungen  unter 


Fig.  122.   Säule  aus  der  Michaelskirche  xu  Fulda 
(nach  V.  Quast). 


1)  Schmidt,  Chr.  W.,  Baudenkm.  in  Trier.  Lief.  3.  S.  8  u.  Taf.  4.--Kugler, 
Kl.  Sehr.  2,  184.  ^  Otte,  Gesch.  der  deut.  Baukunst  S.  217.  Fig.  100;  S.  218 
u.  281. 

2)  Seul,  F.  J.,  (u.  T.  La  8  sau  Ix),  das  Maifeld  u.  die  Kirche  zu  Lonnig.  Frogr. 
des  Gymnas.  zu  Coblenz  1840. 

3)  Quast,  Ferd.  v.,  in  den  Bonner  Jahrb.  13,  180  u.  Taf.  4. 

4)  Lange,  J.  F.,  Baudenkm.  u.  Alterthümer  Fulda's.    1847. 

5)  Derselbe,  die  S.  Michaelsk.  zu  Fulda.  1855;  vergl.  Deut.  Kunstbl.  1855. 
S.  95  f.  —  Mittelalter!.  Baudenkm.  in  Kurhessen.    Lief.  4. 


0 1 1  e ,  Kuost-Archftologie. 


19 


2gg  KomaniiBi^er 

dem  Dachgesimse  entsprachen.  Die  Krypta  bat  statt  des  Säulenkreises 
eine  von  vier  BogenOffnungen  durchbrochene  Mauer,  kleine  Fenster  im 
Umgange  und  im  Centrum  eine  Säule  mit  ionischem  Capital  als  Träger 
des  Gewölbes.  —  In  Lorsch  datirt  die  im  XI.  Jahrb.  in  eine  Kapelle 
umgewandelte  zierliche  Durchgangshalle,  ein  Rechteck  von  c.  35X23' 
Fläche  und  24'  Höhe,  besonders  beraerkenswerth  wegen  ihrer  in  der 
Weise  eines  römischen  Sarkophags  mit  Halbsäulen  und  Filastern  in  zwei 
Etagen  geschmückten  und  auf  der  Wandfläche  mit  abwechselnd  rothen 
und  weissen  Steinplättchen  musivisch  belegten  Frontmauern,  wahrschein- 
lich aus  der  Zeit  Kaiser  Ludwigs  HI.  876—882.  ') 


I.  BomaniBcher  Stil.  ^) 

XI.  bis  XIH.  Jahrhundert. 

Li terator :  Heideloff,  C,  der  kleine  Byzantiner.  Tasohenhuch  des 
byzant.  Baustiles.  1837.  —  v.  R.,  Byzant.  Kapitaler  aus  verschiedenen  Kirchen 
Deutschlands  etc.  1845.  —  Möllinger,  C,  Elemente  des  Rundbogenstils. 
7  Hefte.  1845  —  J848.  —  Mezger,  Formenlehre  zur  Rundbogen  -  Archi- 
tektur.   1851. 

64.  Der  wie  im  grossesten  Theile  des  übrigen  Europa  vom  X. 
oder  XI.  bis  ins  XIII.  Jahrhundert  auch  in  Deutschland  herrschende 
Baustil  wird  passend  der  romanische  genannt:  derselbe  verhält  sich 
ähnlich  zu  der  antik  römischen  Bauweise,  wie  die  neueren  romanischen 
Sprachen  zu  der  altrömischen  Sprache. 

Die  Vergleichung  der  altrömischen  Sprache  und  der  antikrömischen 
Baukunst  einerseits  mit  den  neueren  romanischen  Sprachen  und  der 
mittelalterlichen,  romanisch  genannten  Bauweise  andrerseits  will  zeigen, 
dass  das  antike  Element  in  der  romanischen  Baukunst  nur  der  Stoff  ist, 
die  künstlerische  Thätigkeit  aber  ein  Neues,  so  dass  das  Antike,  nach- 
dem es  seine  volksthümliche  Bedeutung  ganz  verloren  hatte,  nur  in  sei- 
nen allgemeinen  Grundformen  wirksam  blieb :  diese  wurden  von  den 
neuen  Völkern  aufgenommen  und  dem  neuen  Geiste  entsprechend  umge- 
bildet.   Vergl.  Schnaase,  Kunstgesch.  IV.  1,  158. 

65.  Die  Kirchenbauten  der  romanischen  Periode  gingen  von  der 
Geistlichkeit,  besonders  von  den  Erdstern  aus  und  standen  unter  der 
ausschliesslichen  Leitung  des  Clerus.    Viele  hochgestellte  Geistliche 


1)  Abbild,  bei  Moller  I.  Taf.  1—4.  —  Gailhabaud,  Denkm.  Bd.  IL  Abth. 
2.  No.  4.  —  Förster,  Denkm.  Baukunst.  1,  11—14  u.  1  Taf.  Vergl.  Savelsberg, 
J.,  die  Begrftbnisskap.  deut.  Könige  su  Lorsch,  im  Deut.  Kunstbl.  1851.  S.  163  ff. ; 
Kugler,  Gesch.  der  Baukunst.  l,411;Franck,W.,  die  Ueberreste  des  Kl.  Lorsck, 
im  Frankf.  Conversationsbl.  1861.  No.  239  ff. ;  Organ  fürchristl.  Kunst.  1862.  No.  6. 

2)  Derselbe  wurde  früher  allgemein,  aber  wie  aus  §$.  60.  61  erhellt,  unpassend 
byzantinischer  Stil  genannt;  sonst  heisst  er  auch  liundbogenstil ,  auch  wohl  vor- 
gothischer  oder  lombardischer  Stil. 


Baustil. 


287 


waren  Architekten;  das  eigentlich  Handwerkliche  aber  wurde  von 
Laien  besorgt,  die  zwar  gewöhnlich  als  Conversi  zu  den  Klöstern  iin 
Verhältnisse  der  Hörigkeit  standen,  aber  doch  auch  zuweilen  mehr 
selbständig  auftretend  als  Handwerksmeister  ein  freies  Wanderleben 
führten  und  mehrfach  aus  der  Ferne  herangezogen  wurden.  Eigent- 
liche Baumeister  aus  dem  Laienstande  finden  sich  erst  gegen  das  Ende 
des  Zeitraumes. 

Die  aDsschliessliche  Leitung  der 
Bauten  durch  die  Geistlichkeit  ist  von 
K  r e  u  8  e  r  (Dombriefe  S.  1 26  ff.)  durch 
überreiche  Lesefrüchte  dargethan ; 
Springer  (die  Künstlermönche  im 
M.-A.,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Cen- 
tral-Comm.  [1862]  7,  1— lOu.  36—48) 
hat  indess  mit  Recht  hervorgehoben, 
dass  nicht  alle  geistliche  Bauherren 
und  Bauleiter  schon  deshalb  auch  als 
Baukünstler  angesehen  werden  dür- 
fen. —  Als  Hauptvertreter  der  clericalen 
Kunstthätigkeit  ihrer  Zeit  sind  zu  nennen 
die  Bischöfe  Bruno  von  Osnabrück, 
auch  im  Burgen-  und  Wasserbau  sehr 
erfahren  (gest.  1068),  und  Otto  von 
Bamberg  (gest.  1139).  —  Bischof  Geb- 
hard  II.  von  Constanz  (980—996)  ver- 
wendete diejenigen  seiner  Leibeignen, 
welche  Handwerke  trieben,  bei  der  Er- 
bauung des  Klosters  Petershausen  und 
schenkte  ihnen  dafür  die  Freiheit  vom 
Leibfalle  (Anzeiger  des  German.  Mu- 
seums 1860.  Sp.  2S5).  —  Beim  Baue 
des  Domes  zu  Paderborn  (1008—1015) 
rief  Bischof  Meinwerk  Arbeiter  von 
überallher  herbei  und  setzte  einen  un- 
bekannten Mann,  der  sich  auf  der  Bau- 
stelle einfand  und  sich  für  einen  Zim- 
merer und  Maurer  ausgab,  nach  von  ihm 
selbst  angestellter  Prüfung  seiner  Fähig- 
keiten ,  dem  ganzen  Werke  vor  (Vita 
Meinwerci,  bei  Pertz,  M.  G.  SS.  11, 
112).  —  Beim  Baue  des  Klosters  von 
S.  Vannes  unter  Abt  Richard  wurden  die 
Maurer  und  übrigen  Handwerker  aus 
Geschenken  Kaiser  Heinrichs  II.  reich- 
lich bezahlt  (Vita  Richardi,  a.  a.  O.  S. 
283) .  —  Bei  Erbauung  des  Klosters  für 
die  eingewanderten  Schottenmönche  in 
19* 


Fig.  123.    Mönchischer  Baumeister  des 
Magdeburger  Dompnrtnlet. 


288  Romanisciier 

Hegensburg  um  1090  bezahlten  die  dortigen  reichen  Bürger  die  Stein- 
metzen (Wattenbach,  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  u.  Kunst 
1,  28).  —  Im  Jahre  1099  wurde  Bischof  Conrad  von  Utrecht  von  dem 
Friesen  Pleber,  einem  Laien,  ermordet,  weil  er  dem  Sohne  desselben 
das  Tiarchanum  mctgisteriuma  zu  sicherer  Fundamentirung  des  Domes  im 
Sumpfgrunde  abzulocken  gewusst  hatte  (Kreuser,  Kirchenbau  1,  456). 
—  Im  Jahre  1133  übertrug  Bischof  Embricho  von  Würzburg  dem  Laien 
Enzelin  das  nnu^isfen'iema  bei  der  Reparatur  seiner  Kathedrale,  weil  sich 
derselbe  schon  durch  einen  Brückenbau  bewährt  hatte  (Niedermayer, 
Kunstgesch.  von  Wirzburg.  S.  87).  —  Im  Jahre  1219  vollendete  der 
Laie  Albero  das  Gewölbe  von  S.  Aposteln  zu  Cöln,  und  ist  vermuthlich 
identisch  mit  dem  Magister  Wolbero,  welcher  1209  den  Grund  zur 
Stiftskirche  in  Neuss  legte,  also  Baumeister  war  (Boisseree,  Denkm. 
der  Baukunst  am  Niederrhein  S.  19).  *)  —  Wenn  zuweilen  hohe  Prä- 
laten nicht  bloss,  sondern  auch  weltliche  Vornehme  (s.  oben  S.  13)  sich 
bei  den  Bauhanddiensten  betheiligten  und  Steinlasten  herbeischleppen 
halfen,  so  waren  dies  lediglich  zur  Anfeuerung  des  Volkes  dienende 
fromme  Hebungen  und  keineswegs  Erweise  künstlerischer  Thätigkeit 
(Springer  a.a.  O.  S.  43). —  Vergl.  auch:  Brunner,  Seb.,  die  Kunst- 
genossen der  Klosterzelle.  2  Thle.  1863. 

Anmerkung.  Die  Kunstübung  ausschliesslich  durch  die  Kirche  und 
unter  ihrer  speciellen  Leitung  bedingt  den  gleichartigen  Typus  der  roma- 
nischen Kirchengebäude  im  ganzen  Abendlande ;  die  einzelnen  Schulen  er- 
klären sich  aus  dem  verschiedenen  Geiste  derjenigen  Orden,  die  sichern 
der  Baukunst  betheiligten,  und  aus  der  unabweisbaren  Einmischung  des  un- 
geachtet der  klösterlichen  Abschliessung  dennoch  mächtigen  nationalen 
Elements :  alles  Factoren^  die  auch  über  die  romanische  Periode  hinaus  das 
ganze  Mittelalter  hindurch  ihre  Wirksamkeit  äusserten.  Einzelne  byzanti- 
nische und  arabische  Formen  wurden  namentlich  durch  die  Kreuzzüge,  in- 
dess  immer  nur  sporadisch,  aus  dem  Orient  in  das  Abendland  übertragen.  — 
Endlich  bleibt  stets  der  Einfluss  des  verschiedenen  Baumaterials  zu  be- 
achten; vergl.  oben  S.  27  Anmerk.  1. 

66.  Die  Zeitstellung  der  Kirchengebäude  dieses  Stils  innerhalb 
der  angegebenen  Periode  hat  bedeutende,  zuweilen  schwer  zu  über- 
windende Schwierigkeit:  die  Identität  der  vorhandenen  Gebäude  mit 
denen,  von  welchen  die  Geschichtsquellen  Bericht  erstatten,  lässt  sich 
nur  in  sehr  seltenen  Fällen  mit  Sicherheit  feststellen,  und  die  Zeitbe- 
stimmung für  alle  übrigen  muss  dann  auf  dem  Wege  der  künstlerischen 
Vergleichung  gefunden  werden. 


1}  Andrerseits  waren  aber  mönchische  Baumeister  auch  noch  in  späteren  Jahr- 
Hunderten  thätig:  dies  beweist  unter  anderen  die  Baumeisterstatue  in  klösterlichem 
Gewände  am  Hauptportale  des  Magdeburger  Domes  vom  Anfang  des  XIV.  Jahrb., 
deren  (noch  nicht  publicirte)  Abbild,  oben  Fig.  1 2.'{  nach  einer  Originalzeichnung  ge- 
geben ist,  die  ich  der  Güte  des  Herrn  Domcustos  Brandt  in  Magdeburg  zu  ver* 
danken  habe. 


Banstü.  289 

Die  obwaltenden  Schwierigkeiten  sind ,  tief  eingehend  und  mit 
grossem  Scharfsinne,  zuweilen  freilich  etwas  unklar  im  Ausdrucke^  ihrem 
ganzen  Umfange  nach  dargethan  von  Mertens  (die  Baukunst  des  M.-A. 
S.  65  ff.) ;  doch  darf  behufs  richtiger  Würdigung  der  hier  vorgetragenen 
Ansichten  und  ihrer  Anwendung  die  ebenso  gründliche  als  unbefangene 
Beurtheilung  Sehn  aase's  im  Deut.  Kunstbl.  1852.  No.  3  ff,  nicht  über- 
sehen werden. 

Es  sind  nach  Mertens  hiebei  drei  Hauptgesichtspunkte  zu  be- 
achten: 1)  Die  Mutation.  Es  lag  in  den  Verhältnissen  der  ersten 
Ausbreitung  des  Christenthums  in  den  deutschen  Landen,  dass  man  mit 
Dürftigkeitsbau  oder  doch  in  kleinerem  Maasstabe  begann ,  und  erst 
später,  wenn  die  neue  Stiftung  befestigt  und  erstarkt  war,  einen  auf  die 
Dauer  berechneten  Denkmalbau  an  die  Stelle  setzte.  So  wurde  die  Kirche 
des  Klosters  Huyseburg  in  dem  Zeitraum  von  nur  70  Jahren  dreimal  neu 
gebaut,  bloss  weil  sie  für  den  Wachsthum  der  Stiftung  immer  wieder  zu 
klein  befunden  wurde.  Ebenso  fanden  in  dem  ersten  Jahrhundert  (1 1 24  bis 
1205)  nach  der  Stiftung  des  Klosters  auf  dem  Petersberge  bei  Halle  a.  d.  S. 
an  der  dortigen  Kirche  sehr  viele  Veränderungen  und  Erweiterungen  statt, 
und  im  Innern  des  noch  jetzt  vorhandenen  romanischen  Gebäudes  hat  man 
Grundmauern  einer  früheren  kleineren  Kirche  aufgefunden.  —  In  der 
1255  — 1379  erbauten  Klosterkirche  zu  Altenberg  bei  Cöln  wurden  bei 
Erneuerung  des  Fussbodens  ebenfalls  Mauerreste  von  einer  älteren  der 
Gründung  des  Klosters  im  Jahre  1145  angehörigen  Kirche  entdeckt.  — 
Ausser  solchen  völligen  Erneuerungen  kamen  im  Laufe  der  Zeit  aber 
auch  mancherlei  theil weise  Veränderungen  und  Restaurationen  an  den 
Gebäuden  vor,  von  denen  gewöhnlich  keine  geschichtliche  Nachricht  sich 
erhalten  hat.  —  Aus  der  ältesten  Zeit  von  der  karolingischen  Periode 
bis  zum  XI.  Jahrhundert  ist  eine  ganze  Generation  von  Bauwerken  zu 
Gnmde  gegangen,  da  nach  dem  Zeugnisse  eines  französischen  Mönchs  ^) 
aus  der  ersten  Häli'te  des  XI.  Jahrhunderts  damals  ein  gleiches  Streben, 
Neues  an  die  Stelle  des  Alten  zu  setzen,  die  ganze  abendländische  Welt 
beseelte,  und  auch  gleichzeitige  deutsche  Zeugen  ^)  bekunden,   eine  hie 


1)  Rodulphus  Glaber,  Hist.  HI.  4  (beiBouquet  X.  29):  Inframille- 
aimum  tertiojam  fere  imminenU  anno  contigit  in  univerao  pene  terrarttm  orbe,  prae- 
cipiie  tarnen  in  Italia  et  in  Galliis  ,  innovari  ecclesiarum  basilicas ,  licet  pleraeqtie 
aecenter  locatae  minime  indiguisaent.  Aemnldbatar  tarnen  ^tiaeque  gens  Christico- 
larum  adver  aus  alteram  decentiore  frui :  erat  enim  instar  ac  st  muudus  ipse  excutiendo 
semet,  rejecta  veitistate,  passim  candidam  ecclesiarum  vestetn  indueret.  Tunc  denique 
episcopalium  sedium  ecciesias  pene  universas  ac  cetera  quaeque  diveraorutn  sanctorum 
monasteria  seu  minor a  rillarum  oratoria  in  meliora  qitique pennutavere  jßdeles.  Vergl. 
Ja nk mann,  W.,  Diss.  de  peregrinationibus  et  expeditionibua  sacri«.  Vratislav. 
1859.  p.  37. 

2)  Anonymus  Haser ensis  c.  32  (bei  Pertz,  M.  G.  SS  7,  261):  Suh  Heri- 
berto  episcopo  (von  Eichstädt  1022 — 1042)  primitas  apud  noa  (anderwärts  also  schon 
früher;  vergl.  Lotz,  Kunst-Topogr.  1,  6}  coepit  veterum  aedijiciorum  dejectio  et  no- 
vorum  aedißcatio,  Anteceasores  eftia  imia  et  mediocribus  aedijiciia  contenti  erant  ma- 
gnamque  in  hiis  häbundantiam  habere  volebant.  late  rero  eptacouus  ei  omnea  aticceaorea 
ejus  aut  navaa  eccleaiaa  aut  nova  palatia  aut  etiam  caatella  aeaißcabant  et  hocjugiter 
op&rando,  populum  aerviturum  ultima pattperlaie  attenuebant  Von  den  Würzburger 
Bischöfen  heisst  es  ;dann :  Wircebnrgenaibus  quodammodo  naturale  eat  deatruere  et 
aedißcarej  quadrata  rotundia  mutare  (Horatius,  ep.  I.  1,  lOü). 


290  Romanischer 

und  da  fast  bis  zur  Manie  gesteigerte  Regsamkeit  unter  den  deutschen 
Bischöfen,  die  älteren,  oft  kaum  vollendeten  Gebäude  abzubrechen,  um 
prachtvollere  Neubauten  an  deren  Stelle  zu  setzen,  so  dass  fast  der  ge- 
sammte  deutsch -romanische  Denkmalbau  erst  seit  dem  XI.  Jahrhundert 
datirt.  Ueber  die  Gründe  dieser  Erscheinung  vergl.  Otte,  Gesch.  der 
deut.  Baukunst  S.  148,  nach  W.  Giesebrecht,  Gesch.  der  deut. 
Kaiserzeit.  2.  Aufl.  2,  534. 

2)  Die  Documentation.  Die  Gründung  der  Kirchen  und  Klöster 
ist  regelmässig  durch  bestimmte  urkundliche  oder  chronistische  Daten 
documentirt,  aber  es  ist  mit  Ausnahme  von  Inschriften  und  Baubeschrei- 
bungen,  die  selten  vorkommen,  wegen  des  Gesetzes  der  Mutation  nicht 
zu  erweisen,  dass  die  geschichtlichen  Nachrichten  für  die  auf  uns  ge- 
kommenen Gebäude  Geltung  haben.  Ueber  spätere  Veränderungen  und 
völlige  Neubauten ,  welche  für  die  Geschichtschreibung  nicht  dieselbe 
Wichtigkeit  hatten  wie  die  erste  Stiftung,  fehlt  insgemein  alle  Kimde, 
und  die  Continuität  in .  der  Aufzeichnung  von  Vorfällen  war  im  Mittel- 
alter nicht  vorhanden.  Die  vielen  Feuersbrünste,  von  denen  die  Kirchen 
betroflFen  wurden  (oben  S.  70),  sind  zwar  gewöhnlich  von  den  Chronisten 
registrirt,  aber  man  erfährt  daraus  nicht,  ob  der  Brand  ein  Gebäude  ganz 
oder  nur  theilweise  zerstört  hat,  und  ob  nur  eine  Wiederherstellung  oder 
ein  völliger  Neubau  darauf  gefolgt  ist.  So  erklärt  es  sich,  dass  die  deut- 
lichen und  urkundlichen  Stiftungsdaten  sich  auf  untergegangene  Bauten 
beziehen,  während  die  undeutlichen  und  gelegentlichen  Angaben  am 
ehesten  auf  die  vorhandenen  Gebäude  anzuwenden  sind,  Die  Dome  zu 
Merseburg,  Naumburg  und  Bamberg  z.  B.  wurden  bestimmten  Daten 
zufolge  im  XI.  Jahrhundert  gegründet  oder  neu  gebaut;  es  finden  sich 
aber  Ablassbriefe  und  sonstige  gelegentliche  Nachrichten  aus  dem  XIII. 
Jahrhundert,  wo  ganz  nebensächlich  von  der  nreaedtßcatio«,  »restauraito^n 
oder  der  Vollendung  derselben  die  Rede  ist,  und  dem  Baustile  dieser 
Kirchen  zufolge  sind  allein  die  letzteren  Nachrichten  auf  die  vorhandenen 
Gebäude  anzuwenden,  nicht  aber  jene  von  ihrer  Gründung.  Andrerseits 
fehlt  es  indess  auch  nicht  an  Beispielen,  besonders  aus  dem  XII.  und 
Xm.  Jahrhundert,  wo  sich  der  Stiftungsbau  bis  auf  unsere  Tage  erhalten 
hat,  was,  namentlich  bei  grösseren  Bauwerken  aus  dem  XI.  Jahrhundert, 
nur  sehr  selten  vorkommt.  —  Die  Zeitbestimmung  eines  Gebäudes  auf 
dem  Wege  der  künstlerischen  Vergleichung  erfordert  nicht  bloss  eine 
sehr  gereifte  Sachkenntniss,  sondern  besonders  auch  ein  feines  Gefühl 
für  die  Eigenthümlichkeiten  und  Nuancen  der  architektonischen  Detail». 

3)  Die  Creation.  Es  ist  immer  ein  bestimmtes,  gewöhnlich  be- 
deutendes Gebäude ,  welches  zuerst  eine  gewisse  Form  hat ,  also  als 
eigentlicher  Schöpfungsbau  dasteht,  und  von  welchem  dann  eine  grössere 
oder  geringere  Anzahl  von  Gebäuden  als  von  ihrem  Ursprünge  ausge- 
gangen ist.  ^)  Diese  Ausbreitung  einer  neuen  Creation  ging  aber  an 
verschiedenen  Orten  nicht  gleichzeitig  vor,  und  andrerseits  machten  sich 
verschiedene  Wirkungen  auf  demselben  Räume  und  in  derselben  Zeit 


1)  Das  erste  Beispiel  von  Schöpfung  in  der  romanischen  Baukunst  seit  dem  Jahre 
1000  sieht  Mertens  (a.  a.  O.  S.  90)  in  6.  Benigne  zu  Dijon. 


Baiutil. 


291 


geltend  (Prftcesaion  oder  Propagation) .  Während  z.  B.  am  Niederrhein 
der  Oewölbebau  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  Xu.  Jahrhunderts  be- 
ginnty  begnügte  man  sich  in  Süddeutschland  bis  zum  Anfange  des  fol- 
genden Jahrhunderts  noch  mit  der  althergebrachten  Holzdecke  der  Basi- 
lika. —  Zu  Cöln  ist  die  im  romanischen  Stile  erbaute  Cunibertskirche 
1247  vollendet,  und  schon  im  Jahre  darauf  wurde  der  gothische  Dom 
daselbst  gegründet.  —  An  der  Liebfrauenkirche  zu  Trier  ist  der  sich 
über  dem  gothischen  Gebäude  erhebende,  nothwendig  spätere  Mittel- 
thurm  noch  in  romanischen  Formen  gehalten.  —  Der  romanische  Stil 
dauert  in  der  ersten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  fast  überall  und  in 
manchen  Gegenden  zuweilen  bis  gegen  1300  fort,  während  die  Gothik 
bereits  seit  den  ersten  Decennien  des  XIII.  Jahrhunderts  sporadisch  auf- 
zutreten beginnt. 

67.  Die  Kirchen  romanischen  Stils  sind  einfache,  massenhafte, 
mehr  niedrige  als  hohe  Gebäude  von  starkem  Gemäuer  und  grosser 
Festigkeit,  Anfangs  schwerfallig  und  schlicht,  später  zierlicher  und 
reicher.  Das  Vorherrschen  der  Horizontallinie  ist  an  ihnen  charakte- 
ristisch ;  ebenso  der  in  allen  Wölbungen  angewendete  halbkreisförmige 
Bundbogen. 


^Pig.  124.   Der  Dom  in  Merseburg  (nach  urtprOngHcher  Anlage). 

68.  Der  Grundriss  erscheint  nach  einem  bestimmten  Gesetze 
rhythmisch  gegliedert.  —  Delikt  man  sich  die  mittlere  Vierung  g  als 
die  Basis  eines  Würfels,  so  giebt  das  Netz  desselben  das  Maas  für  die 
Haupttheile  des  Gebäudes :  eine  Würfelfläche  für  den  Chor  -B,  zwei 
andere  für  die  Kreuzarme  C,  die  beiden  übrigen  für  das  Mittelschiff 
Ay  welchem  jedoch  zur  nothwendigen  Verlängerung  westlich  noch 
eine  Fläche  hinzugefügt  ist.  Die  Seitenschiffe  B  haben  die  halbe  Breite 
des  Hauptschiffes,  welcher  auch  die  Entfernung  der  Säulefx  oder  Pfeiler 
von  einander  entspricht  Die  Apsiden  sind  halbkreisförmige  Vorlagen, 


292 


Romanischer 


später  zuweilen  ein  halbes  Achteck  oder  Zehneck  bildend ;  die  kleinen 
Nischen  [z]  an  den  Kreuzarmen  dürfen  nicht  fehlen.  Der  Chor  ist 
bedeutend  über  dem  Fussboden  des  Schiffes  erhöht,  und  eine  Krypta 
befindet  sich  darunter.  Die  Vierung  wird  von  vier  hohen  Schwibbogen 
begrenzt. 

Offenbar  liegt  dem  ganzen  Entwürfe  die  Gestalt  des  lateinischen 
Kreuzes  zu  Grunde,  aber  das  von  Stieglitz  (Beiträge  2,  49)  aufgestellte 
Princip  von  der  (/Onstruction  des  Grundplanes  nach  dem  Netze  des  Wür- 
fels ,  obgleich  es  als  Princip  schon  wegen  der  Verlängerung  des  Schiffes 
(die  bei  den  Cisterziensern  noch  bedeutender  zu  sein  pflegt)  verwerflich 
ist,  dient  doch  zur  schnellen  Veranschaulichung.  —  Vergl.  übrigens  oben 
S.  36.  Anmerkung  und  S.  48  zu  §  21. 

Anmerkung.  Kleine  einschiffige  Kirchen  zeigen  eine  strenge  Drei- 
theilung  des  Raumes:  in  Apsis,  Chor  und  Schiff,  welches  letztere  etwas 
breiter  ist ;  an  einen  etwaigen  späteren  Anbau  desselben  wird  in  den  we- 
nigsten Fällen  gedacht  werden  dürfen.  Zuweilen  fällt  die  Apsis 
weg,  und  der  Östliche  Schluss  ist  rechtwinklig  (z.  B.  in  der  Prieg- 
nitz  und  Ukermark)  ;  ein  Thurm  fehlt  entweder  ganz,  oder  ist  auf 
der  Westseite  quadratisch,  auch  rechteckig  in  der  ganzen  Breite 
des  Schiffes  (am  Harz,  bei  Halle  a.  d.  S.,  zuweilen  in  der  Alt- 
mark und  in  der  Mark  Brandenburg) ,  selbst  breiter  als  letzteres 
(häufig  in  der  Altmark)  vorgelegt.  Anderweitig  ist  der  Thurm 
über  dem  Chorquadrate  angeordnet  (mehrfach  im  südlichen 
Deutschland,  auch  in  der  Altmark) ;  vergl.  oben  S.  59  f.  Doppel- 
thürme  sind  bei  den  Landkirchen  sehr  selten  (oben  S.  55  unter  c),  kommen 
jedoch  vereinzelt  vor :  zu  Lugau  bei  Dobrilug ,  zu  Ihlo  bei  Dahme ,  zu 
Broacker  bei  Flensburg.  —  Die  Anlage  einer  Krypta  fehlt  stets. 

69.  Im  Aufbau  zeigen  die  romanischen  Kirchen  regelmässig  die 
Basilikenform,  d.h.  das  Mittelschiff  ist  von  den  halb  so  hohen  Seiten- 
schiffen durch  Bogenreihen  geschieden,  über  welchen  die  Seitenmauem 
des  Langhauses  aufsteigen.  Die  Scheidbögen  (Ar- 
kaden) zwischen  den  Schiffen  werden  entweder  von 
Säulen  oder  von  Pfeilern  getragen.  Auch  kommt  es 
in  einigen  Gegenden  vor,  dass  Säulen  und  Pfeiler 
regelmässig  mit  einander  wechseln,  und  zwar  zu- 
weilen in  der  Weise,  dass  die  Pfeiler  unter  sich 
durch  höhere  Blendbögen  verbanden  sind  und  die 
dazwischen  stehenden  Säulen  durch  niedrigere  offene  Bögen,  woraus 
eine  glücklich  abgerundete  belebende  Gruppirung  entstand.  Vergl. 
Fig.  126  und  146. 

Säul,enbasiliken,  an  sich  die  ursprüngliche  Form ,  sind  im 
Allgemeinen  selten,  haben  sich  jedoch  gerade  aus  der  älteren  Zeit  häu- 
figer erhalten :  Limburg  a.  d.  Hardt,  St.  Justinus  zu  Höchst,  St.  Georg 


Fig.  125. 


\ 

1 

Fig.  120.   Bogenstellang 
zu  ntenburg. 


BaiMtil.  293 

zu  Cöln,  St.  Jacob  zu  Bamberg,  Moritzbeig  bei  Hildeshcim  —  aus  dem 
XI.  Jahrhundert;  Dom  zu  Constanz  und  mehrere  kleinere  Kirchen  in 
Schwaben,  Schottenkirche  zu  Regensburg,  Klosterkirche  zu  Hersfeld 
(1037  — 1144),  Paulinzelle,  Hamersleben  und  Jerichow  — aus  dem  Xu. 
bis  XIII.  Jahrhundert. 

Pfeilerbasiliken  kommen  mindestens  seit  dem  XI.  Jahrhun- 
dert vor  (Dome  zu  Mainz,  Augsburg  und  Bremen,  Maria  auf  dem  Capitol 
in  Cöln  etc.)  und  bilden  die  übergrosse  Mehrzahl,  da  man  die  Errichtung 
von  einfach  viereckigen  Pfeilern  wegen  der  grösseren  Solidität  und  er- 
heblich leichteren  Ausführung  vorzog,  und  die  Säulen  für  den  im  XII. 
Jahrhundert  aufkommenden  Gew(Jlbebau  überdiess  ganz  ungeeignet 
waren . 

Bei  den  Basiliken  mit  regelmässigem  Wechsel  von  Pfeilern 
und  Säulen,  die  nur  provinziell,  besonders  in  Niedersachsen,  vor- 
kommen, erscheinen  erstere  immer  als  die  Hauptstützen,  nicht  nur, 
wenn,  wie  in  Gemrode,  zwischen  zwei  Pfeilern  je  eine  Säule  angeordnet 
ist,  und  wenn  diese  Gruppen,  wie  in  Echternach  im  Trierschen  und  öfter 
am  Harz,  durch  höhere  Blendbögen  zusammengefasst  sind,  sondern  auch 
dann,  wenn  zwischen  jedem  Pfeilerpaare,  wie  in  mehreren  Hildesheimer 
Kirchen  und  in  der  Stiftskirche  zu  Quedlinburg,  je  zwei  Säulen  stehen, 
da  die  Entfernung  der  Pfeiler  von  einander  gewöhnlich  der  Breite  des 
Mittelschiffes  entspricht,  welches  daher  durch  die  Pfeilerstellungen  in 
seine  regelrechten  Quadrate  getheilt  erscheint. 

In  den  Krypten  ist  die  Scheidung  der  Schiffe  durch  Säulen  die  ge- 
wöhnlichere :  der  Stützenwechsel  findet  sich  nur  in  der  Krypta  des  Wi- 
pertiklosters  zu  Quedlinburg. 

Anmerkung  1.  Die  Säule,  eine  den  antiken  Bausystemen  ent- 
lehnte und  nach  einem  bestimmten  Grundtypus  gebildete  senkrechte  cy- 
lindrische  Stütze,  besteht  aus  drei  Haupttheilen  :  Fuss,  Schaft  und  Capital. 
Das  Capital  ist  der  am  meisten  charakteristische  Theil,  und  der  ro- 
manische Baustil  nahm  aus  der  karolingischen  Periode  zunächst  das  dem 
korinthischen  ähnliche  spät-römische  Säulencapitäl  auf:  es  ist  vasen- 
förmig gebildet,  mit  mehreren  Reihen  sich  nach  aussen  überbiegender 
Blätter  (Acanthus)  besetzt  und  trägt  eine  gewöhnlich  vieleckige  Deckplatte 
(Abacus) ,  unter  welcher  sich  kleine  Schneckenstengel  zwischen  dem  Blatt- 
werk ansetzen.  Dergleichen  korinthisirende  Capitäle  kommen  nicht  bloss 
in  der  Frühzeit  (Fig.  127  — 129),  sondern  während  der  ganzen  romanischen 
Periode  öfter  vor,  in  mehr  oder  weniger  willkürlicher  Behandlung,  doch 
stets  mit  Durchscheinen  des  antiken  Typus.  Dagegen  erscheint  eine  Nach- 
bildung des  ionischen  Capitäls  nur  in  der  Frühzeit,  wohl  niemals  nach 
dem  XI.  Jahrhundert  und  überhaupt  nur  sehr  selten,  z.  B.  (ausser  den  oben 
S.  285  f.  erwähnten  karolingischen  Beispielen  in  Fulda  und  Lorsch)  in  den 
Krypten  der  Wiperti-  und  der  Schlosskirche  zu  Quedlinburg,  in  Ganders- 
heim,  Essen,  Limburg  a.  d.  H.  (Fragmente)  und  in  Oberzell  auf  Reichenau. 
Das  Charakteristische  der  ionisirenden  Bildung  besteht  in  den  grossen 
Schnecken  (Voluten)  des  blätterlosen  und  flachen  Capitäls.  Während  in 
der  Antike  und  in  den  übrigen  bekannten  mittelalterlichen  Beispielen  die 
Voluten  abwärts  gewunden  sind,  erscheinen  dieselben  in  der  Schlosskirche 


294 


Romanischer 


zu  Quedlinburg  (Fig.  130)  in  umgekehrter  Weise  aufwärts  gekehrt.  *)  Zu- 
folge eines  richtigen  Gefühls,  nach  welchem  das  schlanke  korinthische  Ca- 
pital  wenig  geeignet  erschien ,    statt  des  wagerechten  antiken  Gebälkes 


Fig.  127.   Corvey  (nach  Lübke). 


Tig.  128.=  Paderborn 
(nach  L&bke). 


Fig.  129.    QuedUnburg  (nach  Kugler}. 


f  Fig.  130.  Quedlinburg  (nach  Kugler). 


])  Als  Reminiscenzen  des  ionischen  Capitflls  können  auch  die  an  Würfelknäufen 
mehrfach  (z.  B.  an  der  Schlosskirche  zu  Quedlinburg,  in  der  Marienkirche  zu  Magde- 
burg, in  der  Krypta  des  Domes  zu  Zeitz  etc.)  vorkommenden  eingemeisselten  Voluten- 
verzierungen angesehen  werden. 


Baustil. 


295 


ATkadenbögen  und  eine  auf  denselben  lastende  dicke  Mauer  zu  tragen, 
hatte  nach  dem  Vorgange  des  Byzantinismus  bereits  die  karolingische  Kunst 
zwischen  Capital  und  Bogen  den  Kämpfer  (oben  S.  285  §  63  und  Fig. 
122)  eingeschoben,  welcher  in  Fig.  130  nach  byzantinischen  Mustern  in 
trapezförmiger  Ausladung  gebildet  ist,  in  Fig.  127  und  129  dagegen  (wie 
schon  in  Fig.  1 22)  als  ein  aus  dem  Capitäle  aufsteigender,  mit  ausladendem 
Simswerk  gekrönter  viereckiger  Pfeiler,  der  in  Fig.  127  in  bewusster  Weise 
dem  antiken  Säulengebälke  nachgebildet  erscheint  und  wie  dieses  förmlich 
aus  drei  Abtheilungen  besteht :  Architrav  und  Fries  sind  durch  einen  Perl- 
stab getrennt,  und  der  Kranz  ist  (wie  auch  in  Fig.  128)  mit  dem  Zahn- 
schnitte verziert.  Später  verwandelte  sich  der 
Kämpfer  gewöhnlich  in  einen  verstärkten  mehr- 
gliedrigen  Abacus  und  bildet  nicht  mehr  ein  beson- 
deres Glied  für  sich.  —  Ausser  den  der  Antike  ent- 
lehnten Capitältypen  tauchen  im  Romanismus  zwar 
hin  und  wieder  auch  mannichfache  eigene  Erfin- 
dungen (z.  B.  von  Trapez-  oder  Trichterform)  auf, 
unter  welchen  jedoch  nur  das  Würfelcapitäl 
zur  allgemeinen  Herrschaft  und  Ausbildung  in 
Deutschland  gelangt  ist.  In  dem  ältesten  bekannten 
Beispiele,  an  einem  Fenstertheilungs-Säulchen  im 
Westchore  des  Münsters  zu  Essen  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  X.  Jahrhunderts  (Fig.  131)  gleicht  es 
einer  halbkugeligen  Schale,  die  mit  dem  unmittel- 
bar darüber  aufsetzenden  Mauerwerke  des  Bogens 
dadurch  verschmolzen  ist,  dass  letzterem  entspre- 
chend auf  allen  vier  Seiten  der  obere  Theil  der 
Schale  senkrecht  abgeschnitten  erscheint,  wodurch 
sich  über  dem  kugelförmigen  Grunde  vier  halb- 
kreisförmige Schilde  ergeben.  Diese  an  das  do- 
rische Capital  der  Antike  erinnernde,  nur  noch  in 
der  ebenfalls  hochalterthümlichen  Krypta  zu  Em- 
merich nachgewiesene  anmuthige  Bildung  dürfte 
sich  als  eine  gcföllige  Uebertragung  des  wohl  ohne 
Zweifel  dem  urdeutschen  Holzbau  entlehnten  Wür- 
felknaufes auf  den  Steinbau  ergeben,  während  an- 
dere ebenfalls  noch  frühzeitige,  namentlich  sächsische  Beispiele  (Fig.  132) 
in  schlagender  Weise  auf  diesen  Ursprung  hindeuten.  Ueberhaupt  erwies 
sich  das  an  sich  einfache  Motiv  mannichfaltigster  Modificationen  fähig, 
wenngleich  die  in  Fig.  133  wiedergegebene  Form  am  häufigsten  auftritt. 
Die  Theilung  der  Würfelflächen  in  zwei  oder  mehrere  Schildchen  ist  eine 
später  vorkommende  spielende  Variante  (Fig.  137  und  142),  von  welcher 
das  hin  und  wieder  in  Süddeutschland  anzutreffende  sogen.  Pfeifencapitäl, 
das  unter  der  Deckplatte  eine  ganze  Reihe  von  Schildchen  zeigt,  die  nach 
unten  kegelförmig  gefältelt  zusammenlaufen,  wiederum  als  eine  besondere 
phantastische  Modification  erscheint.  —  Gegen  Ausgang  der  romanischen 
Periode  tritt  eine  zierliche  Verbindung  der  Kelch-  und  Würfelform  auf, 
indem  sich  der  Cubus  zu  einer  starken  Platte  vermindert,  deren  Uebergang 


Fif.  131.   S&ulcheo  aus  dem 
MQosterzu  Essen  (nach  v.  Quast), 


296 


Romanischer 


Fig.  132.    llsenburg  (nach  Hase).  Fig.  133.   Würfelcapit&l  (nach  Schnaaae). 


Fig.  134.')  Maria  in  Capitolio  xa  Cöin  Fig.  135.*  Konradsburg  (nach  Futtrich). 

S(uach  V.  Quast). 'J 


Fig.  136.    Laach  (nach  Geier).  *'»?•  *37.   Eisenach  Fig.  138.    Königalutter 

(nach  Puttrich).  (nach  Ha»e). 


Baustil. 


297 


zu  dem  cylindrischen  Schafte  nicht  wie  früher  durch  Ahrundung  der  Ecken, 
sondern  durch  eine  schlanke  Auskehlung  vermittelt  wird  (Fig.  137  und 
1 38) .  —  Das  Ornament  macht  sich  anfangs  nur  sparsam  und  schüchtern 
geltend  (Fig.  134,  gegen  Mitte  des  XI.  Jahrhunderts),  behandelt  sodann 
die  halbkreisförmigen  Schilde  gesondert  [Fig.  136,  gegen  Mitte  des  XII. 
Jahrhunderts)  und  überzieht  zuletzt  das  Ganze  in  einer  Fläche  ohne  Rück- 
sicht auf  die  Schiidtheilung  (Fig.  135,  gegen  Ende  des  XII.  Jahrhunderts)  ; 
doch  lässt  sich  diese  Classificirung  nicht  in  chronologischer  Beziehung 
durchführen,  da  völlig  schlichte  Würfelcapit&le  neben  sparsam  oder  reich 
verzierten  die  ganze  Periode  hindurch  vorkommen.  Die  Verzierungen  be- 
stehen zuweilen  aus  geometrischen  Linien  (Fig.  136),  meist  aber  aus  frei  er- 


Fig.  139.    Paradies  zu  Laach  (nach  Geier). 


Fig.  141.    Quedlinburg  (nach  Kugler). 


'immm i i mm 


Fig.  140.    Uamertlpben  (nach  v.  Quast). 


298  llomanucher 

fundenem  autliegendem  Blatt-  und  Ranken  werk,  wobei  häufig  antike  Mo- 
tive (Palmetten  etc.),  niemals  aber  (mit  Ausnahme  der  spätesten  Zeit)  na- 
türliche Pflanzenformen  als  Muster  benutzt  werden.  Bezeichnend  für  den 
Schluss  der  Periode,  welcher  die  reichsten  und  edelsten  Beispiele  ange- 
hören, ist  die  Besetzung  der  Blattrippen  mit  Perlen  oder  facettirten  Qua- 
drätchen  (Diamanten);  Fig.  139,  Ende  des  XII.  Jahrhunderts.  Eine  be- 
sondere Gattung  machen  die  mit  Menschen-  oder  Thierflguren  geschmückten 
sogen,  ikonischen  oder  Bildercapitäle  aus;  Fig.  140^  c.  1100,  Fig. 
141,  um  1140.  Ueber  das  Technische  ist  zu  bemerken,  dass  in  der  Früh- 
zeit die  (oft  erst  nach  dem  Versetzen  der  Steine  gearbeiteten)  Verzierungen 
aus  der  Tiefe  herausgearbeitet  mehr  einer  sculptirten  Zeichnung  gleichen, 
als  dem  eigentlichen  Relief,  während  später  selbst  Unterarbeitungen  des 
noch  in  einer  Fläche  liegenden  Blattwerkes  und  zuletzt  Ablösungen  und 
freies  Hervortreten  namentlich  der  Eckblätter  beliebt  werden.  —  Die  ganze 
Periode  hindurch  gilt  als  Regel,  dass  die  Säulencapitäle  eines  Gebäudes 
selten  oder  nie  übereinstimmend  decorirt  sind,  sondern  mit  bewunderns- 
werther  Erfindungskraft  jedes  einzelne  in  eigenthümlicher  Behandlungs- 
weise. 

Der  Schaft,  der  mittlere  walzenförmige  (zuweilen  achtseitige)  Haupt- 
theil  der  Säule,  bleibt  im  Romanismus   (mit  höchst  seltenen  Ausnahmen) 
regelmässig  ohne  die  in  der  Antike  übliche  Cannelirung,  also  schlicht,  be- 
hält aber  in  den  besseren  Beispielen  die  Verjüngung  seiner  oberen  Hälfte 
bei,   während  anderweitig  und  regelmässig  bei  Halbsäulen,   die 
mit  anderem  Mauerwerke  verbunden  sind,   die  reine  Cylinder- 
form  angewendet  ist.    Im  XII.  Jahrhundert  kommen  decorirte 
Säulenstämme  vor  :  mit  gewundener  Ausrinnung,   wodurch  der 
Schaft  wie  aus  Tauen  zusammengedreht  erscheint  (Fig.  135)  ; 
über  und  über  mit  Rauten,    facettirten  Prismen,   Sternchen, 
Zickzack,   Palmetten  und  Ranken  werk  etc.  bedeckt.    Zuweilen 
wird  der  Schaft  aus  mehreren  dünnen  Cylindern  zusammenge- 
setzt, die  in  manchen  Fällen  in  der  halben  Höhe  einen  starken 
Knoten  bilden ;  vergl.  das  Fenstertheilungssäulchen  aus  Ilben- 
stadt  Fig.  142.  —  In  technischer  Beziehung  ist  der  Säulen- 
schaft entweder  aus  einem  Stück  errichtet  (monolithisch), 
oder  aus  Trommeln  zusammengesetzt,  oder  aufgemauert. 
Fig.  142.  (nach  Der  Säulenfuss    befolgt  fast  ausnahmslos  das  antike 

F.  H.  Müller).  Muster  der  attischen  Basis,  die  über  einer  Grundplatte  aus  zwei 
starken  Rundstäben  (dem  unteren  und  oberen  Pfühl)  und  einer 
zwischen  beiden  angeordneten  Hohlkehle  nebst  einigen  feinen  Verbindungs- 
gliedern bestehend,  durch  die  gegenseitigen  Verhältnisse  ihrer  Theile  ver- 
schiedener charakteristischer  Modificationen  föhig  erscheint;  Fig.  143.  Die 
ältere  Zeit  liebt  schwere  steile  Basen  (Fig.  143  a),  die  spätere  verflacht  die 
Pfühle  und  lässt  den  oberen  gegen  den  unteren  mehr  zurücktreten,  endlich 
letzteren  über  die  Grundplatte  zuweilen  Überquellen.  Als  charakteristisch 
für- das  XII.  Jahrhundert  gilt  das  Anbringen  einer  Verbindung,  welche, 
von  den  vier  Ecken  der  Grundplatte  ausgehend,  sich  an  oder  über  das  un- 
tere Pfühl  legt  und  in  den  mannichfaltigsten  Bildungen  (Fig.  143  ä,  c,  d) 
vorkommt :  als  roher  Knollen  oder  Klotz,  als  blosse  Anschrägung,  als  pro- 


Banttil. 


299 


ftlirtea  Blatt,  als  Thierkopf  oder  Klaue,  zuweilen  als  eine  den  Kern  des 
Pfühls  umgebende  Umhülsuug  (Fig.  143  e).  —  Wenn  der  Säulenschaft  or- 
namentirt  ist,  pflegt  auch  die  Basis  an  dem  Schmucke  Theil  zu  nehmen.  — 


c 


Fig.  143. 

a.  Qnedlinburgr 
(nach  Kugler). 

b.  CoDstanz        c,  Wartburg 
(nach  Schreiber). 

d.  Frei  barg  a.  d.  ü. 
<nach  Puttrich). 

e.  Frose 


Hin  und  wieder  (anscheinend  nicht  vor  dem  Xu.  Jahrhundert)   vertreten 
Menschen-  oder  Thiergestalten,   in  Correspondenz  mit  den  ikonischen  Ca- 

pitAlen,  als  Trfiger  des  Schaftes  die  Stelle  der 
Basis;  Fig.  144.  —  Dagegen  scheint  es  eine 
(nicht  eben  häufig  vorkommende)  Eigen thümlich- 
keit  der  früheren  Zeit  zu  sein,  wenn  (wie  z.  B. 
in  der  Krypta  des  Münsters  zu  Es^en  um  1051 , 
oder  im  Kreuzgange  des  Klosters  auf  dem  Non- 
nenberge zu  Salzburg  vom  Ende  des  XI.  Jahr- 
hunderts) sich  die  Capitälform  in  gestürzter 
Stellung  zu  unterst  als  Basis  wiederholt. 

Anmerkung  2.  Passender  als  die  Säule 
zum  Tragen  der  Arkaden  und  der  Scheidmauem 
erscheint  der  schlicht  quadratisch  oder  rechteckig 
gebildete  Pfeiler,    dessen  Anwendung  schon 

Fig.  144.    KrypU  zu  Klosterrath     ^^^    Spät  -  römiSchc    KuUSt    (obcu    S.    279)     UUter 

(nach  dem  Organ  für  chrUti.  Kunst).  Umständen  nicht  verschmähte,   bei  welchem  die 

Gliederung  des  Sockels  und  des  Kämpfergesimses 
das  allein  Charakteristische  ist.  Hier  gilt  die  einfachste  Verbindung  der 
Grund-  oder  Deckplatte  mit  dem  Pfeilerkerne  durch  eine  Schmiege  (s.  in 
Fig.  133)  für  eine  specifisch  deutsche,  vielleicht  dem  Holzbau  entlehnte 
Erfindung  des  XI.  Jahrhunderts,  und  anderweitig  kommt  in  dieser  Früh  zeit 
an  den  Kämpfern  vorzugsweise  der  (mehr  eingezogene,  als  nach  antik-rö- 
mischer Weise  ausladende)  Kamiess  (Fig.  145a;  vergl.  in  Fig.  127 — 129 
und  134)  vor,  neben  brfeiten  Halbkehlen  und  starken  Rundstäben  (Fig. 
145  b,  c)  einerseits,  und  einer  wiederum  an  die  Technik  der  Holzarbeiten 
erinnernden  Häufung  vieler  Gliederchen  über  einander  andrerseits ,  und 
zwar  in  sauberer,  sorgf&ltiger  Ausführung.  Im  XII.  Jahrhundert  erscheint 
die  attische  Basis  als  Fuss ,    und  in  umgekehrter  Folge  der  Glieder  als 


300 


RomaniBcher 


Krönung  der  Pfeiler  yorherrschend^  neben  complicirter,  aber  minder  frei 
und  edel,  sondern  mehr  willkürlich  und  handwerksmässig  componirten  Ge- 
simsprofilirungen  (Fig.  145  e — h),  —  Der  Kamiess  kommt  übrigens  in  der 
ganzen  Periode  vor,  später  jedoch  viel  seltener  als  in  der  Frühzeit.  —  Eine 
Ausgestaltung  der  Pfeilermasse  selbst,  abgesehen  von  der  zuweilen  beliebten 
Abschmiegung  der  Ecken  oder  Anbringung  von  engagirten  Säulchen  an 
denselben,  trat  ^st  durch  den  Gewölbebau  ein ;  vergl.  unten  §  75  Fig.  160. 


a 


X 


E 


Fig.  145. 
a.  Cttln,  Maria  in  Cap.     b.  Froae      c.  Oernrode      d.  HUdedieim,  8.  Mleh.    §-~h  Bchwanrheindorf 
(nach  V.  Qaatt).  (nach  Puttrich).  (nach  Hase).  (nach  Simons). 


70.  Die  kahle  ^  todte  Fläche  der  auf  den  Arkaden  lastenden 
Scheidmauer,  an  welche  sich  äusserlich  die  Pultdächer  der  Seitenschiffe 
lehnen,  ist  über  den  letzteren  (im  Lichtgaden)  durch  die  verhältniss- 
massig  kleinen,  im  Rundbogen  überdeckten  Fenster  belebt.  Der  unter- 
halb des  Lichtgadens  und  oberhalb  der  Arkaden  gelegene  Theil  wurde 
gewöhnlich  mit  Malereien  geschmückt;  ausserdem  wird  die  Fläche  des- 
selben architektonisch  nur  durch  ein  Gurtgesims  (den  sogen.  Arkaden- 
sims) gegliedert.  Die  Anordnung  von  Emporen,  Zwerggalerien  oder 
Blendenreihen  als  Zwischengeschoss  gehört,  mit  Ausnahme  einiger 
älteren  Nonnenkirchen  (Gemrode,  Essen],  erst  dem  Gewölbebau  an.  — 
Die  Wände  der  Kreuzarme  und  des  Altarhauses  (sowie  die  der  Krypten) 
erscheinen  in  der  Frühzeit  gern  durch  blosse  Blendbogen  Stellungen 
decorirt  und  erhielten  ebenfalls  den  Schmuck  der  Malerei. 


Baiutil.  301 

In  Thttringen  und  Sachsen  (Paulinzelle^  Hamersleben,  St.  Godehard 
in  Hildesheim) ^  sowie  in  Süddeutschland  (Maulbronn,  Brenz,  Sekkau) 
kommt  es  zuweilen  vor,  dass  von  dem-  Arkadensimse  gleich  profilirte 
Streifen  auf  die  Säulen-  oder  Pfeilermitten  hinabgeführt  sind,  wodurch 
eine  dem  Auge  wohlgefällige  rechtecKige  Umrahmung  der  einzelnen  Ar- 
kadenbOgen  entsteht.  —  Wanddecoration  durch  Blendarkaden  kommt  aus 
dem  XI.  Jahrhundert  in  Limburg  a.  d.  H.  und  Hersfeld  vor,  vom  An- 
fange des  XII.  Jahrhunderts  im  Ostchore  zu  Laach. 

Anmerkung.  Die  Fenster  haben  stets  schräg  ein-  und  ausgehende 
Gewände  und  abfällige  Sohlbänke,  um  auf  diese  Weise  den  Lichteinfall  zu 
verstärken.  In  der  Frühzeit  ist  die  Fensterwandung  schlicht,  und  eine 
Gliederung  derselben  durch  Proülirungen  oder  durch  ein  Halbsäulchenpaar, 
dessen  Schafte  sich  über  dem  Capital  am  Deckbogen  wulstförmig  fortsetzen, 
wird  erst  seit  dem  XII.  Jahrhundert  üblich.  —  Bemerkenswerth  ist  die  im 
XI.  Jahrhundert  einigemal  (in  der  Krypta  zu  Limburg  a.  d.  H.,  in  der 
Westwand  der  Domkrypta  zu  Speier,  unten  in  der  Apsis  der  Klosterkirche 
zu  Hersfeld]  vorkommende  Anordnung  kleiner  sechseckiger  Fensteröff- 
nungen.   Im  Uebrigen  vergl.  oben  S.  67  §  25. 

71.  Das  Mittelschiff  wurde  mit  einer  Holzdecke  flach  belegt; 
Wölbungen  finden  sich  nur  in  den  Halbkuppeln  der  Apsiden  und  in 
den  Kreuzgewölben  der  Krypten;  in  einzelnen  Fallen  jedoch  wurden 
auch  schon  frühzeitig  die  Seitenschiffe  mit  Kreuzwölbungen  überspannt. 

Ueber  die  Holzdecken  s.  oben  S.  69  §  26.  Das  einzige  Beispiel, 
wo  das  Sparrwerk  des  Daches  nach  innen  offen  liegt,  scheint  das  Schiff 
der  Abteikirche  zu  Schwarzach  am  Oberrhein  zu  geben.  —  Das  älteste 
bekannte  Beispiel  einer  ursprünglichen  Ueberwölbung  der  Seitenschiffe 
würde  die  Klosterkirche  zu  Echternach  von  1031  darbieten,  ')  wenn  dies 
nicht  von  den  Leitern  der  neuesten  Restauration  bestritten  würde.  — 
Viele  ursprünglich  flach  gedeckte  romanische  Basiliken  wurden  später  in 
organischer  Weise  in  Gewölbebauten  verwandelt,  wie  z.  B.  der  (1819 
abgetragene)  Dom  zu  Goslar,  der  Dom  zu  Bremen,  die  Marienkirche  zu 
Magdeburg.  Dasselbe  Verhältniss  scheint  auch  obzuwalten  gerade  bei 
den  drei  grossartigsten  Denkmälern  des  deutsch-romanischen  Gewölbe- 
baues ,  den  mittelrheinischen  Domen  zu  Mainz ,  Speier  und  Worms : 
Mainz  und  Worms  wenigstens  haben  sicher  schon  früher  mit  flachen 
Decken  existirt.  Bei  weitem  häufiger  war  die  spätere  Einziehung  von 
Kreuzgewölben  eine  völlig  unorganische  Zuthat,  z.  B.  in  Maria  auf  dem 
Capitol  zu  Cöln,  in  den  Klosterkirchen  zu  Echternach  und  Maulbronn 
u.  s.  w.,  was  sich  oft  sogleich  dadurch  verräth,  dass  die  Fenster  nicht 
genau  in  der  Mitte  der  Gewölbeschilde  stehen ;  doch  kommt  diese  Un- 
regelmässigkeit auch  in  solchen  (selbst  gothischen)  Kirchen  vor,  welche 
schon  ursprünglich  auf  Gewölbe  berechnet  waren.  —  Dass  man  in  dem 
ganzen  romanischen  Zeitalter  gewölbte  Decken  zu  bauen  verstand,  geht 
aus  den  Deckenwölbungen  der  Krypten  hervor ;  doch  sind  hier  die  über- 
spannten Räume  immer  nur  schmal,  und  das  Ueberwölben  des  weniger 


])  Otte,  Gesch.  der  deut.  Baukunst  S.  280  zu  S.  212. 
Otte,  Kun^t-Archiologic.  20 


d02 


ttomaniBclier 


gesicherten  Hauptschiffes  scheint  man  allerdings  gescheut  zu  hahen,  wenn 
man  auch,  wie  bisweilen  geschah,  das  Altarhaus  mit  einem  Gewölbe  ver- 
sah. —  Flach  gedeckte  Kirchen  finden  sich  übrigens  von  Anfang  bis  zu 
Ende  der  romanischen  Bauperiode. 


Fig.  Ufi.    Kiiclie  zu  Iluyvuburg  (nach  Struck). 

72.  Das  Aeussere  der  romanischen  Basiliken  ist  bei  aller  Schlicht- 
heit in  edler  Einfachheit  gehalten :  je  einfacher  desto  älter,  je  schmuck- 
voller desto  jünger.  Die  Gliederungen  am  Sockel  entsprechen  insgemein 
den  Basamenten  der  Säulen  oder  Pfeiler ;  ebenso  stimmt  das  Kranzgesims 


iULILi 


Fig.  i4S.    Krcuzgiebcl  xu  Frei- 
burg a.  d.  U.  (nach  Puttrich). 


Flg.  147.    Langhaus  zu  Panlinxell« 
(nach  T.  Quast). 

gewöhnlich  mit  den  Kämpfern  der  Pfeiler  des  Innern  überein,  besteht 
jedoch  oft  nur  aus  Platte  und  flacher  Hohlkehle.  Im  ausgebildeten 
Stile  laufen  an  den  Ecken  und  in  ebenmässigen  Entfernungen  auch 
an  den  Wänden  des  Gebäudes  von  dem  Kranzgesimse  flach  hervor- 
tretende,  bandartige  Mauerstreifen  (Lisenen  *)  senkrecht  auf  den 

I)  lieber  die  Etymologie  dieses  altitalienischen  Wortes :  Otte,  Wörterbuch 
S.  74;  vergl.  Hübsch,  altchristl.  Kirchen  S.  7  Anmerk.  4  u.  S.  26  Anmerk.  3.  — 
Die  Schreibweise  mit  8s  (Lissenen)  ist  unrichtig. 


Baustil. 


303 


Sockel  herab  und  Üieilen  die  Wandflächen  in  vertiefte,  längliche 
Felder,  welche  oben  stets  von  einem  aus  aneinandergereihten  kleinen 
Rundbögen  bestehenden  Friese  begränzt  sind;  Fig.  147.  Letzteres  ist 
auch  an  den  Giebelseiten  (Fig.  148)  der  Fall,  wo  der  Rundbogenfries 
die  Grundlinie  bildet  für  das  rechtwinkelige  Giebeldreieck ,  welches 
in  der  Mitte  gewöhnlich  mit  einem  oft  runden,  selten  viereckigen  über 
Eck  gestellten  Fenster  versehen  zu  sein  pflegt.  —  Die  Apsiden  bilden 
stets  deutlich  gesonderte  Vorlagen  unter  einem  besonderen  Walmdache. 

Die  grosse  Schlichtheit  eines  Gebäudes,  die  ja  auch  durch  andere 
Umstände  (z.  B.  durch  das  Material;  s.  S.  27  Anmerk.  1)  bedingt  sein 
kann,  ist  selbstverständlich  nicht  immer  ein  Beweis  für  das  höhere  Alter 
desselben;  dagegen  spricht  die  Ueberladung  mit  zu  vielem  Detail,  die 
zuweilen  an  rheinischen  Beispielen  (St.  Quirin  zu  Neuss  etc.)  vorkommt, 
unbedingt  für  den  Ausgang  der  Periode  im  XIII.  Jahrhundert.  —  An 
den  wenigen  in  ursprünglicher  Gestalt  erhaltenen  frühromanischen  Resten 
erscheint  das  Aeussere  fast  ohne  allen  Schmuck :  allenfalls  sind  Pilaster 
angeordnet,  die  entweder  (wie  am  Altarhause  der  Gereonskirche  zu  Cöln 
[Fig.  149]  und  des  Münsters  zu  Bonn)  durch  grosse  Blendbögen  ver- 
bunden sind ,  oder  (wie  an  den 
Apsiden  zu  Gernrode  und  Hersfeld) 
vom  Sockel  zu  einem  Gurtgesims 
aufsteigen,  über  welchem  (wie  in 
Gernrode)  kurze  Wandsäulchen  das 
Dachgesims  tragen ,  oder  ( wie  in 
Hersfeld)  ein  Kranz  kleiner  Flach- 
nischen angebracht  ist.  Eine  ]ähn- 
liche  Pilasterdecorätion  mit  Einthei- 
lung  der  Stockwerke  durch  Schmie- 
gengesimse zeigen  auch  die  alten 
Rundthürme  am  Ostchore  des  Domes 
von  Mainz  und  die  Thürme  zu  Gern- 
rode, wo  jedoch  die  enger  gestellten 
Wandpfeiler  giebelartig  oder  rundbogig  imter  einander  verbunden  sind. 
An  allen  diesen  Gebäuden  findet  sich  noch  keine  Spur  von  Lisenen 
und  Bogenfriesen,  die  sogar  noch  am  Dome  zu  Speier  gänzlich  fehlen. 
Der  erste  Versuch  eines  Bogenfrieses  (zwischen  Pilastern  und  unter  den 
sich  um  diese  verkröpfenden  Schmiegengesimsen  auf  Consölchen  ruhend) 
findet  sich  an  den  alten  westlichen  Theilen  von  St.  Pantaleon  in  Cöln ; 
Lisenen  und  Rundbogenfriese  aber  erscheinen  in  einem  sicheren  Bei- 
spiele zum  ersten  Male  am  Querschiffe  und  an  den  Nebenapsiden  der 
Abteikirche  zuLimbuiga.  d.  H.  von  1042,  um  an  allen  späteren  deutsch- 
romanischen Bauten  (wie  in  Italien)  regelmässig  wiederzukehren,  und 
man  darf  diesen  Schmuck  wohl  als  eine  Abbreviatur  jener  früheren  Wand- 
arkaden  betrachten ,  die ,  von  Halbsäulen  getragen ,  besonders  an  den 
Apsiden  die  ganze  Periode  hindurch  angeordnet  wurden.  Das  Motiv  des 
Rundbogenfrieses   (Fig.    150)  ,    der   wie    am  Obergaden  zu  Paulinzelle 

20* 


Tig.  149.   Waodarkaden  von  St.  Gereon  zu  Cöln 
(nach  V.  Quast). 


304 


KomaniBcher 


Fig.  150  (ntteh  Pttttrieb). 


(Fig.  147)  auch  ohne  Lisenen  für  sich  allein  vorkommt,  Hess  die  man- 
nichfaltigsten  Variationen  zu;  er  findet  sich  aus  grösseren  (z.  B.  wie  in 
Laach  die  Fenster  umrahmenden),  oder  kleineren  Bögen  bestehend; 
jeder  einzelne  Bogen  aus  mehreren  Steinen  zu- 
sammengesetzt oder  mehrere  aus  einer  Stein- 
platte gehauen ;  halbkreisförmig  oder  flachbogig; 
mit  überhöhten  Schenkeln  oder  hufeisenförmig ; 
die  einzelnen  Kleinbögen  enger  oder  weitläufiger 
gestellt,  und  in  letzterem  Falle  entweder  hori- 
zontal verbunden  oder  wellenartig  aneinander 
gezogen ;  die  Bogenschenkel  von  Consölchen  ge- 
tragen oder  schwebend  ;  einfach  oder  gegliedert ; 
schlicht  oder  verziert ;  die  Bogenfelder  leer  oder 
mit  einer  Blume  etc.  gefüllt,  und  gegen  Ende  des  Zeitraumes  erscheinen 
zuweilen  (wie  am  Domchore  zu  Magdeburg)  je  zwei  kleinere  Bögen  unter 
einem  grösseren  vereinigt,  oder  die  Bögen  einander  durchschneidend 
(wie  im  Ziegelbau),  endlich  kleeblattartig,  rechteckig  oder  spitz  ge- 
brochen. —  Die  grosse  Beliebtheit  dieses  Ornamentes  machte  dasselbe 
gewissermaassen  unentbehrlich,  und  man  brachte  dasselbe  auch  an  den 
Schrägseiten  der  Giebelfelder  an,  entweder  senkrecht  gestellt  und  mit 
abwechselnd  verlängerten  Schenkeln  stufenförmig  ansteigend,  oder  gleich- 
laufend mit  den  Giebelschrägen  und  an  der  Spitze  kleeblattartig  zusam- 
mentreffend (besonders  im  Ziegelbau) .  —  Statt  des  Bogenfrieses  oder  in 
Begleitung  desselben,  die  Grundlinie  der  Dach-  und  Gurtgesimse  bil- 
dend, kommen  vor:  das  sogen,  deutsche  Band  (auch  Zahnfries 
genannt),  eine  schmale  zurückweichende  Linie  mit  übereckgestellten, 
also  dreieckig  vortretenden  Steinen  (vergl.  Schnaase,  Kunstgesch.  IV. 


1,  204) 

Perlstab 


der  Kugelfries   (Fig.    151),  der 


(Fig.  152),  die  Schachbrettier- 
zierung  u.  a.  m.  —  Bei  schmuckvolleren 
Bauten  pflegen  auch  die  Gesimse,  beson- 
ders die  runden  Theile  derselben  mit 
Verzierungen  (s.  unten  §  73)  bedeckt  zu 
sein,  und  zuweilen  wird  das  Dachgesims 

von  Kragsteinen  getragen,  die  dann  entweder  einfach  sind,  oder  auch  die 

Gestalt  von  Köpfen,  Masken,  Ungeheuern  annehmen. 


F%.  151. 

I  iri  TT  T,3i:,nl,3l 

Fig.  152. 


73.  Den  grossesten  Schmuck  verwendet  die  ausgebildete  roma- 
nische Baukunst  auf  die  Portale,  welche  der  altchristliche  Basiliken- 
bau  noch  völlig  vernachlässigt  hatte.  Die  Seitenwände,  zu  dem  Ende 
zuweilen  nach  aussen  verstärkt,  sind  weit  abgeschrägt  und  stufen  sich 
in  zwei  oder  mehrere  Pfeilerecken  ab,  welche  in  ihren  rechtwinkeligen 
Vertiefungen  Säulen  aufnehmen;  dieselbe  abwechselnde  Gliederung 
pflanzt  sich  über  den  Kämpfern  in  der  Bogenwölbung  fort,  und  das 
Bogenfeld  über  dem  wagerechten  Thürsturz  ist  gewöhnlich  mit  einem 
Relief  geschmückt. 


Baustil. 


306 


-I  -I  i  i  T  f  T  T  M,  Vivt^T^ 

1    1    ^    1     *!    t    1    "i     1    1    TlHUte^bifar. 


''S*si>'^äS£ 


Fig.  1 53.   Portill  tu  Andernach  (nach  BoUwrfe). 

b 


tow^-^S^-A 


7  -y 


Fig.  154.    Kom«Qi*cbet  OrnamcDt. 


306  Romanischer 

An  der  Gliederung  der  Thürdeckbögen  (wie  auch  häufig  an  den 
rund  profilirten  Gesimsgliedern  im  Innern  und  am  Aeusseren  der  Ge- 
bäude) kehren  gewisse  dem  Romanismus  eigenthümliche  Ornamentgat- 
tungen, wenn  auch  verschiedentlich  variirt,  doch  nach  demselben  Typus 
oft  wieder,  z.  B.  das  Tau  (s.  in  Fig.  153),  das  Zickzack,  die  Rauten,  die 
Sterne,  die  Nagelköpfe  (Diamanten) ,  die  Rollen  (Pfeifenstiele) ,  die  Zin- 
nen u.  a.  m.    Vergl.  Fig.  154. 

Dem  architektonischen  Schmucke  der  Portale  gesellt  sich  später 
nicht  bloss  der  bildnerische ,  indem  Statuen  zwischen  den  Säulen  und 
Pfeilerecken  der  Wandung  eingereiht  werden,  sondern  es  kommt  auch 
oft  die  Pracht  farbiger  Bemalung  und  Vergoldung  hinzu.  Das  pracht- 
vollste spätromanische  Portal  ist  die  goldene  Pforte  des  Freiberger  Domes. 
Vergl.  Puttrich,  Denkmale  der  Baukunst  I.  Serie  Freiberg.  —  Förster, 
Denkmale.  Bildnerei.  Bd.  1  zu  S.  4  ff. 

74.  Die  Thürme,  welche  der  romanische  Baustil  zuerst  in  Ver- 
bindung mit  dem  Kirchengebäude  selbst  aufführte,  fehlen  in  der 
Fruhzeit  nicht  selten,  erscheinen  dann  von  runder,  später  von  vier- 
eckiger Grundform,  durch  Gurtgesimse  und  den  Bogenfries  in  mehrere 
Geschosse  gesondert  und  im  Oberstockwerke  in  das  Achteck  um- 
setzend. Die  Thurmfenster  sind  in  der  Regel  durch  ein  Mittelsäulchen 
in  zwei  Oeffnungen  getheilt  (Fig.  155),  während  anderweitig  auch  eine 
Dreitheilung  durch  zwei  Mittelsäulen  beliebt  wird  (Fig.  156),  und  die 
gewöhnlichen  einfachen  Rundbogenöffnungen  ebenfalls  vorkommen. 
Ueber  die  Thürme  vergl.  auch  oben  §  22  e.  f.  S.  59  ff. 

Die  Theilung  der  Fenster  durch  eine  Mittelsäule  scheint  orientali- 
schen Ursprungs  zu  sein  und  kommt  schon  an  der  Kuppel  von  S.  Vitale 
in  Ravenna  vor  (oben  S.  283  in  Fig.  120),  hat  aber  an  dem  Aachener 
Kuppelbau  (oben  S.  284  Fig.  121)  keine  Nachahmung  gefunden.  Das 
älteste  sichere  Beispiel  in  Deutschland  findet  sich  an  der  das  Aachener 
Vorbild  befolgenden  Kuppel  des  Münsters  zu  Essen  (Fig.  155)  aus  der 
zweiten  Hälfte  des  X.  Jahrhunderts,  wo  durch  die  in  dem  Blendbogen- 
felde angebrachte  Kundöffnung  bereits  eine  Gruppirung  und  Massenthei- 
lung vorgedeutet  ist,  die  erst  am  Schlüsse  der  romanischen  Periode  wieder 
aufgenommen  wurde  und  deren  Resultate  sich  erst  im  gothischen  Stile 
vollständig  entwickelten.  Die  Fensterblenden,  die  in  Essen  tief  in  der 
Mauer  liegen,  wurden  später  flacher  eingelegt,  wesshalb  man  einen  über 
dem  Capital  der  zurückstehenden  Theilungssäule  sich  nach  vorn  und 
hinten  weit  auskragenden  charakteristischen  Kämpfer  anzuordnen  pflegte, 
um  in  dieser  Weise  die  volle  Mauerstärke  wieder  zu  gewinnen ;  vergl. 
den  Durchschnitt  in  Fig.  156.  —  Aehnliche  Tbeilungen  grösserer  Bogen- 
öffnungen  durch  Mittelsäulchen  finden  sich  auch  an  den  Emporengalerien 
der  Spätzeit  im  wirksamen  Gegensatze  gegen  die  ungetheilten  Scheidbögen 
der  die  Schiffe  trennenden  Hauptarkaden,  und  ebenfalls  in  denOeffnungs- 
bögen  der  Kreuzgänge  mit  höchst  malerischer  Wirkung. 


Baustil. 


307 


■a^A^.?'^.  .0  -^>-:^v^ 


Fig.  IS*».  Thurmfeoster  in  £c«en 
(nach  T.  Quast). 


IXCZXZXrr 

Fif*  156r   Thurmfenster  in  Laaoh  (nach  Geier). 


Fig.  157.  Dom  zu  Bpeier  (nach  Strack). 


308 


Romanischer 


75.  Ein  bedeutsamer  Schritt  zur  weiteren  Ausbildung  der  kirch- 
lichen Baukunst  war  die  in  Deutschland  erst  seit  dem  XII.  Jahrhun- 
dert durchgeführte  Bedeckung  des  ganzen  Innern  der  Pfeilerbasilika 
mit  Kreuzgewölben  ^j  statt  der  bisherigen  ^  übrigens  namentlich  bei 
kleinern  Kirchen  und  in  manchen  Gegenden  die  ganze  romanische 
Periode  hindurch  beibehaltenen  flachen  Holzdecke. 

Das  roipianische  Kreuzgewölbe  besteht  aus  zwei  sich  durchschnei- 
denden Tonnengewölben  von  gleichem  Durchmesser,  und  zum  richtigen 
Verständniss  der  Construction  desselben  ist  zunächst  die  Eigenthflmlich- 
keit  der  Tonnenwölbung  ins  Auge  zu  fassen.  Das  Tonnengewölbe  (Fig. 
158),  als  gleichförmige  (etwa  wie  in  unserem  Holzschnitte  nur  durch 
unterlegte  Verstärkungsbögen  einigermaassen  belebte)  Masse  nach  einem 
Halbcylinder  oder  einer  halben  Tonne  gebildet,  erscheint  als  einfache 
Verlängerung  eines  auf  zwei  Stützen  gestellten  Gurtbogens  und  verbindet 
nur  die  beiden  gegenüber  liegenden  Wände  eines  vierseitigen  Raumes, 


Fig.  158.   Tonnengewölbe  Fig.  159.    Kreuzgewölbe 

(aus  E.  Fftwter's  Vorfchule). 

von  denen  es  getragen  wird,  während  die  beiden  anderen  Wände  (Stirn- 
wände oder  Schildwände  genannt) ,  an  welche  die  Wölbung  nur  anstöest 
und  den  sogen.  Stirnbogen  oder  Schildbogen  bildet,  lediglich  zum  Ab- 
schlüsse dienen  und  gleichsam  den  Boden  der  Tonne  darstellen.  Denkt 
man  sich  nun  zwei  Tonnengewölbe  von  gleichem  Durchmesser,  welche 
einander  rechtwinkelig  durchkreuzen,  so  laufen  beide  auf  ihrem  höchsten 
Punkte  zwar  ununterbrochen  fort,  in  allen  anderen  Punkten  aber  durch- 
brechen sie  sich  gegenseitig,  so  dass  ein  aus  vier  in  scharfen  Kanten 
(Graten)  aneinander  stossenden  sphärischen  Dreiecken  (o)  gebildetes  Kreuz- 
gewölbe (Fig.  159)  entsteht,  das,  weil  die  sich  durchschneidenden  beiden 


1)  Leibnitz,  H.,  die  Organisation  der  Gewölbe  im  christl.  Kirchenbau.  1855. 
—  Essen  wein,  A.,  die  Entwicklung  des  Pfeiler-  u.  Gewölbesystems  in  der  kirchl. 
Bankunst  bis  zum  Schluss  des  XIII.  Jahrb. ,  in  dem  Jahrbuch  der  k.  k.  Central- 
Comm.  etc.  J85<^.  S.  1—101. 


Baiutil. 


309 


Tonnengewölbe  einander  gegenseitig  in  der  Spannung  erhalten^  nicht  mehr 
zwei  Paar  gleichlaufende  Mauern  aU  Trfiger  verlangt,  sondern  nur  vier, 
aber  nothwendig  quadratisch  gestellte  Eckstützen  (n)  y  indem  die  beiden 
Tonnengewölbe  von  gleichem  Durchmesser  sein  müssen,  um  auf  einander 
zu  passen.  Das  in  dieser  Weise  entstehende  Kreuzgewölbe  war  nur  für 
quadratische  Räume  anwendbar,  wie  sich  solche  in  den  drei  gleich  breiten 
Schiffen  der  Krypten,  durch  die  Pfeiler  (oder  Säulen)  markirt,  darboten  : 
ein  gleiches  Verhältniss  fand  in  den  Seitenschiffen  der  Oberkirche  statt, 
wo  demnächst  auch  die  ersten  Versuche  der  Ueberwölbung  gemacht 
wurden,  die  sich  dann  später  auf  die  ebenfalls  quadratischen  Räume  des 
Chores,  der  Kreuzvorlagen  und  der  Vierung,  sowie  auf  die  Vorhalle  des 
mit  einer  Emporenanlage  ausgestatteten  westlichen  Zwischenhauses  er- 
streckten ;  um  dies  bewerkstelligen  zu  können,  machten  sich  jedoch  in 
den  Ecken  der  zu  überwölbenden  Quadrate  vorgelegte  Wandpfeiler  oder 
Säulen  nothwendig,  wenn  die  Ansätze  der  Gewölbe  nicht  völlig  roh  er- 
scheinen sollten.  Nachdem  nun  einmal  das  Wagniss  der  Ueberwölbung 
breiterer  Räume  geglückt  war,  gab  jene  Erfindung  der  Wandpfeiler  und 
Halbsäulen  die  Vermittelung  zur  Ausdehnung  des  Gewölbesystems  auch 
auf  das  Hauptschiff,  welches  man  dadurch  in  quadratische  Joche  ein- 
theilte,  dass  man  jeden  zweiten  Arkadenpfeiler  mit  einer  Halbsäulen- 
vorli^i^e.  versah,  welche,  das  Pfeilercapitäl  durchbrechend,  unverjüngt  an 
der  Scheidmauer,  dieselbe  in  ebenmässige  Felder  (Traveen)  theilend, 
emporlief  und  als  Träger  eines  Gurtbogens  diente :  zwischen  diesen  Quer- 
gurten konnten  nun  die  Kreuzgewölbe  eingespannt  werden.  Wählte  man 
statt  der  vorgelegten  Halbsäule  eine  rechteckige  Vorlage,   deren  breite 


Fig.  160.   GrundriM  eines  Hauptpfeilers  im  Schiffe  des  Münsters  zu  Basel 
(nach  Biggenbach). 

Fläche  der  Leibung  des  Gurtbogens  besser  entsprach,  so  ergab  sich  für 
den  Grundriss  des  Pfeilers  das  gleichschenkelige  Kreuz,  an  dessen  Arme 
dann  wiederum  Halbsäiden  gelehnt  werden  konnten,  deren  Schafte  sich 
als  Rundstäbe  an  den  dem  Pfeiler  entsprechend  abgestuften  Lieibungeii 


310 


Romanisoher 


der  GewOlbegurte  und  der  Arkadenb(^gen  fortsetzten.  Da  man  im  wei- 
teren Verlaufe  anfing,  auch  den  Gewölbegraten  schmale  GurtbOgen 
(Kreuzgurte)  unterzulegen,  so  basirte  man  dieselben  auf  Halbsäulen  von 
geringerem  Durchmesser,  die  man  in  den  Ecken  des  kreuzförmigen  Pfei- 
lers aufsteigen  Hess,  wodurch  derselbe  die  in  Fig.  160  dargestellte  orga- 
nische Ausgestaltung  erhielt.  An  dieser  yollständigen  Ausbildung  nah- 
men jedoch  nur  diejenigen  Pfeiler  Theil,  welche  als  Stützen  des  Gewölbes 
dienend  nunmehr  als  Hauptpfeiler  erschienen,  während  man  die  dazwi- 
schen liegenden  blossen  Arkaden pfeiler  theils  in  der  ursprünglichen  Ein- 
fachheit beliess,  oder  nur  an  der  Rückseite,  wo  sie  den  Gewölbegurten 
der  Seitenschiffe  als  Stützen  zu  dienen  hatten,  mit  einer  Gliederung  ver- 
sah ,  welcher  gegenüber  an  der  Abschlusswand  eine  übereinstimmend 
gegliederte  Vorlage    entsprach.     Das  romanische  Kreuzgewölbe  besteht 

daher  im  Mittelschiffe  aus  qua- 
dratischen Doppeljochen,  deren 
jedes  je  zwei  Arkadenbögen  in 
sich  schliesst;  vergl.  Fig.  161. 
Kam  es  dagegen  darauf  an  einen 
oblongen  Raum  mit  einem  rund- 
bogigen  Kreuzgewölbe  zu  Über- 
spannen^  musste  man  die  Schild- 
bögen der  Schmalseiten  über- 
höhen oder  denselben  eine  ellip- 
tische Form  geben,  so  dass  das 
Gewölbejoch  nun  aus  der  gegen- 
seitigen Durchdringung  zweier  Tonnengewölbe  von  ungleichem  Durch- 
messer bei  gleicher  Kämpfer-  und  Scheitelhöhe  bestand,  wenn  man  grös- 
serer Festigkeit  halber  nicht  vorzog,  den  Scheitelpunkt  etwas  zu  erhöhen 
und  die  Wölbung  um  so  viel  ansteigen  zu  lassen.  Dies  geschah  zwar 
bereits  in  der  ersten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts  bei  der  aus  einfachen 
rechteckigen  Jochen  bestehenden  Ueberwölbung  der  Abteikirche  zu  Laach, 
wo  daher  sämmtliche  Pfeiler  gleichmässig  mit  Gurtträgern  ausgestattet 
wurden ;  aber  dieser  Fortschritt  eines  selbständig  schaffenden  Meisters 
war  nur  eine  sporadische  Creation  und  blieb  im  romanischen  Gewölbe- 
bau, welcher  der  Doppeljochgruppirung  den  Vorzug  gab,  wesentlich  ohne 
Nachfolge.  —  Als  noth wendige  Folge  der  Ueberspannung  des  Mittel- 
schiffes mit  Kreuzgewölben  ergab  sich  eine  veränderte  Stellung  der  Ober- 
lichter, die  nun  meist  paarweise  gruppirt  die  Mitte  der  Gewölbeschilde 
einnahmen. 


T\g.  161.    Doppeljoch  auf  dem  Dome  zu  Bamberg 
(Dach  Landgraf). 


Anmerkung  1.  In  Frankreich  war  die  Ueberwölbung  der  Basiliken- 
schiffe mit  Tonnengewölben  zwar  schon  seit  dem  Anfange  der  romanischen 
Periode  üblich  geworden;  man  kann  es  dagegen  (nach  Mertens,  die 
Baukunst  des  M.-A.  S.  96)  nicht  unwahrscheinlich  finden,  dass  in  Ober- 
italien schon  bei  den  alten  Longobarden  einige  Versuche  zu  ganz  oder  doch 
zum  Theil  mit  Kreuzgewölben  überspannten  Schiffkirchen  gemacht  worden 
sind,  obgleich  ein  strenger  Beweis  sich  darüber  nicht  mag  fahren  lassen. 
Unleugbar  genoss  die  lombardische  Baukunst  im  Mittelalter  eines  gewissen 


Baustil.  311 

Anaehens,  ^}  und  von  einem  niederrheinischen  Chronisten  des  XIII.  Jahr- 
hunderts '^)  findet  sich  der  Name  Lombardische  Baukunst  zur  Be- 
Zeichnung  einer  besonderen  architektonischen  Gestaltung  eines  Gebäudes, 
und  zwar  in  der  Voraussetzung  angewendet,  dass  die  Leser  damit  einen 
bestimmten  Begriff  verbinden  würden,  der  uns  indess  nicht  mehr  geläufig 
ist;  es  könnte  aber  sehr  wohl  dabei  an  den  rundbogigen  GewOlbebau  zu 
denken  sein,  weshalb  ältere  Archäologen  (z.  B.  Wetter,  Dom  zu  Mainz 
S.  76  ff.)  eine  gewisse  Berechtigung  hatten,  diese  Bauweise  als  Lombar- 
dischen Baustil  zu  bezeichnen ,  obgleich  die  von  ihnen  dafür  beige- 
brachten Gründe  allerdings  nicht  stichhaltig  waren.  YergL  Schnaase, 
Kunstgesch.  IV.  2,  125. 

Anmerkung  2.  Die  Hauptrepräsentanten  des  deutsch- romanischen 
GewGlbebaues  sind  die  drei  grossen  mittelrheinischen  Dome  zu  Mainz, 
Worms  und  8  p  e  i  e  r  ,  vor  denen  in  ganz  Deutschland  kein  Gebäude  von 
gleicher  Mächtigkeit  und  Durchbildung  vorhanden  war.  In  Beziehung  auf 
die  Zeitstellung  dieser  drei  Dome  waren  die  Forscher  früher  nur  etwa  darin 
einig,  dass  der  Mainzer  Dom  der  ältere  sei,  man  hat  sich  indess,  in  Folge 
einer  neuerlich  bekannt  gewordenen  historischen  Notiz,  jetzt  wenigstens 
dahin  geeinigt,  einzuräumen,  dass  derselbe  als  Gewölbebau  nicht  der  (mit 
flacher  Holzdecke  versehene)  Dom  sein  kann,  welcher  im  Jahre  1036  ge- 
weiht wurde,  sondern  entweder  von  einem  Neubau  nach  einem  Brande  von 
1081,  oder  von  einem  solchen  nach  einer  abermaligen  Feuersbrunst  von 
1137  herrühre.  Der  Dom  von  Speier,  dessen  noch  vorhandene  grossartige 
Krypta  im  Jahre  1039  geweiht  wurde,  wird  daher,  sofern  man  die  Archi- 
tektur desselben  für  abhängig  von  Mainz  anerkennt,  nicht  füglich  der  um 
1061  geweihte  und  um  1100  vollendete  Bau  sein  können,  sondern  kann  erst, 
worin  auch  die  meisten  Stimmen  einig  sind ,  einem  Neubau  nach  einer 
Feuersbrunst  von  1159  entstammen.  Der  Wormser  Dom,  entschieden  der 
jüngste  von  allen  dreien,-  kann  dann  ebenfalls  nicht  der  1110  geweihte  Bau 
sein  und  muss  erst  der  zweiten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderte  angehören, 
wie  sich  denn  auch  die  Nachricht  von  einer  Weihung  im  Jahre  1181  vor- 
findet. Uebrigens  bestehen  alle  drei  Dome  aus  anerkannt  älteren  und  jün- 
geren Theilen  und  haben  überdies  verschiedentliche  und  durchgreifende 
Aenderungen  erfahren.  Die  aufgestellte  Vermuthung,  dass  die  jetzigen 
Gewölbekirchen  lediglich  Umbauten  früherer  fiachgedeckten  Pfeilerbasiliken 
seien ,   scheint  immer  mehr  an  Bestätigung  zu  gewinnen ,  obgleich  noch 


1)  Die  Magisti^  Comaeini  (Meister  aus  der  Gegend  um  den  Comersee)  mit  ihren 
Gehilfen  {colUgae,  eonsortes),  ala  ein  XJeberrest  der  römischen  Zünfte,  werden  als 
Leiter  der  Bauten  schon  in  den  alten,  im  VII.  Jahrh.  aufgezeichneten  Gesetzen  der 
Longobarden  ansführlich  erwähnt  (Reumont,  im  Kunstbl.  1847.  S.  117  ff. ;  Krieg 
v.  Hochfelden,  Gesch.  der  Militär- Architektur  S.  1  öS)  u.  führten  bis  zum  XIV. 
Jahrhundert  die  meisten  Bauwerke  im  grösseren  Theile  Italiens  auf. 

2)  E?  hat  Mertens  a.  a.  O.  nicht  gefallen,  seine  Quelle  näher  zu  bezeichnen; 
ich  vermuthe  aber,  dass  die  Annales  Rodensea  (Histolre  de  Limbourg.  Liege  1852. 
T.  VII)  gemeint  sind,  aus  welchen  Fz.  Bock  im  Organ  für  christl.  Kunst.  1859. 
S.  170  die  betr.  merkwürdige  Stelle  mitgetheilt  hat,  wonach  der  Grund  der  Stifts- 
kirche zu  Rolduc  (Klosterrath,  unweit  Aachen]  zu  Anfang  des  XII.  Jahrh.  T»scemate 
lonffobardinom  gelegt  worden  ist.  Die  Kirche  ist  ein  romanischer  Gewölbebau,  der 
manche  structire  Verwandtschaft  hat  mit  dem  Dome  zu  Modena  (1099 — 11S4}, 


312 


RomauiBcher 


manche  Räthsel    zu  lOsen  sind,   und  einige  Localforscher  in  Speier  und 
Worms  die  älteren  Ansichten  unerschütterlich  festhalten. 

Vergl.  über  die  Zeitstellung  der  drei  Dome:  Quast,  Ferd.  v.,  die  roman. 
Dome  des  Mittelrheins  zu  Mainz,  Speier,  Worms,  krit.  tintersueht  u.  histor. 
festgestellt.  1853. —  Derselbe,  in  der  Zeitschr.  für  Archftol.  u.  Kutfst  1. 
59  ff.  u.  125  ff.  —  Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  724  ff.  —  Schnaase,  im  Deut. 
Kunstbl.  1S58.  S.  145, 


Vi^,  162.  System  de«  SchifTe«  im  Dom  xu  Limburg  a.  d.  L.  (nach  EMenwein). 


Baustil. 


313 


76.  Im  Laufe  des  XIII.  Jahrhunderts  erscheint  der  romanische 
Baustil  verlebt,  und  es  bildet  sich  durch  Beimischung  verschiedener 
neuer  Elemente  der  sogenannte  Uebergangsstil,  wobei  man  an 
deutschen  Bauwerken  zu  scheiden  hat  zwischen  der  Minderzahl  solcher 
Gebäude,  in  deren  Formen  das  Suchen  nach  einem  noch  unentdeckten, 
hochstrebenden  Neuen  ersichtlich,  und  der  überwiegenden  Mehrzahl 
anderer,  wo  das  bereits  bekannte,  aber  noch  verschmähte  oder  unge- 
übte Neue  dem  Alten  anzupassen  versucht  wird. 

Es  finden  sich  namentlich  im  nördlichen  Deutschland  an  vielen 
Kirchen  romanischen  Stils  entschieden  gotbische  Details,  welche  von 
früheren  oder  gleichzeitigen  gothischen  Bauwerken  offenbar  copirt  sind  ; 
dagegen  findet  z.  B.  bei  dem  Chor  des  Magdeburger  Domes  der  umge- 
kehrte Fall  insofern  statt,  als  das  Gerippe  dieses  Gebäudes  dem  gothischen 
Systeme  entspricht,  während  die  Detailbildung  sich  gewissermaassen  un- 
gern von  der  hergebrachten  romanischen  Weise  zu  trennen  scheint,  und 
die  Technik  dies  nicht  vollständig  vermag.  Unzweifelhaft,  dass  der  Bau- 
plan in  der  Fremde  entworfen  ward,  und  dass  es  den  heimischen  Bau- 
leuten schwer  wurde,  sich  in  das  Neue  zu  finden.  —  Bei  dem  Dome  zu 
Limburg  a.  d.L.  ist  der  Grundriss  (Fig.  167)  noch  entschieden  dereiner 
romanischen  Kirche  und  ebenso  gehören  alle  Profile  und  Verzierungen 
dem  romanischen  Stile  an,  das  ganze  structive  System  dagegen  (Fig.  162] 
ist  bereits  gothisch. 

77.  Im  GiTindrisse  der  spätromanischen  Kirchen  kommt  statt  der 
halbrunden  Apsiden  häufig  das  halbe  Acht-  oder  Zehneck  vor;  der 
Chorraum  liegt  niedriger,  weil  die  Krypten  in  Wegfall  kommen;  die 


Fig.  163.    Limburg  a.  d.  L. 
(oftcb  Moller). 


Fig.  164.    Aschalfenburg 
(oaeh  Moller). 


Fig.  165.    AiichafTenburg 
(nach  MoUer).  . 


Fenster  treten  in  pyramidalen  Gruppen  zu  dreien  neben  einander ;  die 
Bogen  stufen  die  breite  Leibung  ab  und  umsäumen  sich  mit  Rund- 
stäben; die  Durchschneidungslinien  der  Deckengewölbe  werden  mit 
Kreuzgurten  versehen;  das  Würfelcapital  nimmt  die  Kelchform  an. 


314  Romanischer 

und  das  Ornament  liegt  nicht  mehr  flach  auf  dem  Kern,  sondern  tritt, 
gleichsam  dem  natürlichen  Wüchse  des  Blattwerkes  folgend,  freier 
hervor  und  bildet  Knospen ;  wo  jedoch  das  Hochstreben  am  entschie- 
densten sich  darstellt:  in  den  als  Gurtträger  und  in  senkrechten  Glie- 
derungen vorkommenden,  sehr  oft  auf  Consolen  basirten,  schlanken 
und  hohen  Halbsäulen,  wird  es  häufig  durch  trennende  Kinge  oder 
gegliederte  Knäufe  wieder  unterbrochen,  welche  die  Cy linderlängen 
in  zwei,  drei  und  mehr  Theile  sondern.  Diese  Knoten,  die  in  techni- 
scher Beziehung  als  Binder  dienen  und  selbst  an  den  Gewölbegurten 
vorkommen,  sind  den  Knoten  der  Gewächse  zu  vergleichen :  Stillstand 
um  neue  Kraft  zum  höheren  Wachsthum  zu  gewinnen.  —  Die  oft  ab- 
geschärften Gesimse  zeigen  tiefe  Unterhöhlungen,  entstanden  aus  der 
Hinüberführung  der  Hohlkehle  in  den  Rundstab  zu  einer  nicht  mehr 
unterbrochenen,  geschwungenen  Linie. 

Die  in  der  Uebergangsperiode  so  häufigen  Theilungsringe  (Fig. 
166)   an  engagirten  Säulenschaften  und  Rundstäben  kommen  in  den  or- 
namentist ischen  Kleinkünsten  schon  seit  dem  IX.  Jahrhundert  vor,  und 
Riggenbach  hat  in  den  Mittheilungen  der  k.  k.  Central-Oom- 
mission   (1862)   7,  53  dies  treffend  aus  der  Technik  der  Gold- 
schmiedekunst (die  XJeberlegung  eines  Bandes  oder  Ringes,  wo 
zwei  Bleche   aneinander   stossen)    erklärt.     Aehnliche  Ursachen 
brachten  in  der  Baukunst  ähnliche  Wirkung  hervor :    zur  gehö- 
rigen Verfestigung  der  schlank  an  der  Mauer  aufsteigenden  cy- 
Fiir.  166.   lindrischen  Gurtträger  waren  in  gewissen  Abständen  Binder  er- 
(n.  Schüler),  forderlich,  zu  denen  die  Verkröpfung  des  Arkadensimses  um  die 
Gurtträger  wohl  den  ersten  Anlass  gegeben  haben  mag ;   die  Ver- 
mehrung solcher  Theilungsringe  aber  ist  aus  der  vorwiegend  decorativen 
Richtung  der  Uebergangszeit  völlig  erklärlich. 

78.  Als  die  wichtigste  Neuerung  dieser  Uebergangsperiode  ist  zu 
bezeichnen  die  aufkommende  Anwendung  des  Spitzbogens  (we- 
sentlich von  breiter  Leibung,  wenn  auch  in  gegliederter  Abstufung 
und  mit  Rundstäben  umsäumt] :  zuerst  gewissermaassen  schüchtern  im 
Innern  an  den  Arkadenbögen  und  Kreuzgewölben,  sehr  niedrig,  oft 
in  kaum  merkbarer  Erhöhung  über  dem  der  gleichen  Sehne  entspre- 
chenden herkömmlichen  Rundbogen,  dann  auch  mit  grösserer  Ent- 
schiedenheit am  Aeusseren  der  Kirchen :  an  dem  Bogenfriese,  den  Por- 
talen und  Thurmfenstern,  zuletzt  wohl  an  den  Fenstern  und  Fenster- 
gruppen des  Langhauses. 

Die  gleichzeitige  Aufnahme  des  Spitzbogens  mit  anderen  vereinzelter 
vorkommenden  gebrochenen  Bogenformen  (dem  Kleeblattbogen,  dem 
Zackenbogen) ,  dem  Hufeisenbogen  und  gewissen  Friesomamenten,  z.  B. 
dem  Zickzack,  deutet  auf  die  gemeinschaftliche  Heimath  im  Morgenland. 


Baustil. 


315 


wo  dieselben  wahrscheinlich  schon  im  VII.,  sicher  datirt  seit  dem  IX. 
Jahrhundert  in  voller  Anwendung  waren,  und  die  Kreuzfahrer  und  Pilger 
an  den  arabischen  Bauwerken  damit  bekannt  wurden.  —  Im  Innern  der 
Gebäiide  empfahl  sich  der  Spitzbogen,  zumal  für  die  üblicher  gewordene 
Decken  Wölbung  besonders  aus  constructiven  Rücksichten.  Denn  während 
der  Rundbogen,  weil  er  ein  bestimmtes  Höhenverhältniss  seiner  Träger 
verlangt  und  überdies  bei  stärkerem  Schübe  auch  stärkere  Widerlagen 
erforderlich  macht,  oft  unbequem  erscheinen  musste,  so  erlaubt  der 
Spitzbogen  eine  beliebige  Veränderung  seiner  Grundlinie,  ohne  dadurch 
auf  die  Höhe  der  Träger  zurückzuwirken,  und  nimmt  bei  beträchtlich 
geringerem  Seitenschub  auch  mit  schwächeren  Widerlagen  fürlieb.  Als 
solche  wurden  besonders  zur  Sicherstellung  des  Hochbaues  Strebepfeiler 
üblich,  und  Strebe  wände,  die  man  unterwölbte  (Strebebögen)  und  an- 
fangs unter  der  Bedachung  der  Seitenschiflfe  zu  verbergen  suchte.  Dabei 
vermied  man,  um  die  Streben  nicht  vermehren  zu  müssen,  immer  noch 
die  Einführung  halbquadratischer  Gewölbejoche,   und  behielt  zwar  die 


Fig.  167.   GinndrUs  de«  Dornet  la  Limburg  a.  d.  L.  (nach  Moller}. 

quadratischen  Doppeljoche  bei,  theilte  indess,  was  in  Frankreich  schon 
hundert  Jahre  früher  geschah,  das  Kreuzgewölbe  durch  einen  mittleren 
Hilfsgurt,  der  über  den  Zwischenpfeilern  auf  einem  cylindrischen  Gurt- 
träger basirt  wurde,  in  zwei  rechteckige  Hälften,  wodurch  sechs  Dreiecke 
entstanden :  zwei  grosse  in  der  Längenaxe  des  Schiffes  und  vier  halb  so 
grosse  zwischen  den  Sargmauern;  vergl.  Fig.  162  und  167.  Aus  der 
Anordnung  der  Hilfsgurtträger  entwickelte  sich  die  Manier,  die  Gewölbe- 
dienste theil weise  nicht  vom  Fussboden  aus  aufzuführen,  sondern  die- 
selben erst  in  einer  gewissen  Höhe  auf  Consolen  zu  basiren.   *)     Die 


1)  Essen  wein,  A.,  das  Princip  der  Vorkragung  in  der  mittelalterl«  Baukunst, 
in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Ccntral-Comm.  etc.  (lb(il)  6,  81  ff. 


31g  Romanischer  Baustil. 

Mauern,  die  oft  übermässig  dick  angelegt  wurden  (s.  in  Fig.  167),  suchte 
man  durch  ausgesparte  Nischen  wieder  zu  erleichtem  und  die  Fläche 
derselben  durch  EmporenOffnungen  und  Scheingalerien  anmuthig  zu  be- 
leben. Letzteren  Zweck  wusste  man  auch  zu  erreichen,  indem  kreisrunde 
oder  kleeblattförmige  Durchbrechungen  in  den  Blendbogenfeldem  der 
Thurmfenster  und  Kreuzgangsarkaden  beliebt,  und  die  grossen  Rund- 
fenster an  den  Oiebelfronten  mit  Radspeichen  ähnlicher  Füllung  ver- 
sehen wurden. 

Anmerkung.  Von  einer  ganzen  Reihe  deutscher  Kirchen,  in  welchen 
der  Spitzbogen  neben  dem  Rundbogen  in  ausgedehnterAnwendung 
vorkommt,  und  welche  alle  Merkmale  der  Uebergangsperiode  an  sich  tragen, 
ist  aus  historischen  Gründen  früher  mit  einer  gewissen  Hartnäckigkeit  be- 
hauptet worden,  dass  sie  schon  im  X.  und  XI.  Jahrhundert  entstanden 
seien,  während  man  im  XII.  Jahrhundert  den  Spitzbogen  durchgängig  wie- 
der vermieden  habe;  dahin  gehören  die  Kirchenruine  zu  Memleben,  die 
älteren  Theile  der  Dome  zu  Naumbui-g,  Merseburg,  Bamberg  und  Basel, 
der  Stadtkirche  zu  Freiburg  a.  d.  Unstrut,  der  Sebaldskirche  zu  Nürn- 
berg etc.  Gegenwärtig  kann  diese  Ansicht  als  völlig  abgethan  betrachtet 
werden. 

C.  R.  Lepsius,  über  die  ausgedehnte  Anwendung  des  Spitzbogens  in 
Deutschland  im  X.  und  XI.  Jahrh.»  als  Einleitung  zur  Uebersetsung  von: 
H.  GallyKnight,  Eut Wickelung  der  Architektur  unter  den  Nonnannen. 
Ib41.  —  Desselben  Briefe  aus  Aegjpten,  Aethiopien  etc.  S.  52. — Vergl. 
dagegen  Kugler,  Kl.  Schriften  2,  376  ff. ;  455  ff. 

79.  Die  Mischbauten  der  in  die  erste  Hälfte  des  XIII.  Jahrhun- 
derts (und  darüber  hinaus)  fallen  den  Uebergangsperiode  sind  in  Deutsch- 
land in  allgemeinster  Verbreitung  erhalten,  und  viele  von  ihnen  (z.  B. 
die  Dome  zu  Limburg  a.  d.  L.,  zu  Bamberg  und  Naumburg,  die  Ma- 
rienkirche zu  Gelnhausen  etc.)  gehören  durch  geistvolle  Anordnung 
und  Fülle  des  schönsten  Details  zu  den  liebenswürdigsten  Schöpfungen 
des  Kirchenbaues  :  unselbständig  zwar  in  den  structiven  Verhältnissen, 
aber  an  Reichthum  und  höchster  Zierlichkeit  des  Ornaments  unüber- 
troffen. Man  darf  es  bedauern,  dass  sie  eben  nur  die  letzten  Ausläufer 
geblieben  sind  der  älteren  nationalen  Baukunst,  die  mit  ihnen  zu 
Ende  ging. 

lieber  den  Stil  der  Uebergangsperiode  vergl.  die  geistvolle  Darstellung 
beiSchnaase,  Kunstgesoh.  5,  300  ff. ;  auch  y.  Quast,  Entwicklung  der 
kirchl.  Baukunst.  S.  23  u.  51. 


KircheiiÄCbäiuTc  rointiiiiselicii  8tils 

nach  alphabetiaclieF  Reihenfolge  der  OrtschEfieti. 


tif .  Ifi$,   AbUikirche  lu  Lucb  (naob  £.  FONltr), 


i  In  den  Hheiulandeu. 

Llt^raiu  r  :  (SuhTeihei,  H,)  Denkmale  deuUcher  HaukuuMt  den  MitUH^ 
!ilt(>TR  am  Obenrliei«,  \on  einem  Vereine  vaterl.  Künstler  heraiisg.  Lief.  J — 3. 
l!i25"lS2Si^  Ssch  weighaeu&CT,  J.  F,,  etGolb^ry,  Ph-  de,  AntiquiU^s 
de  TAleace,  \h2^.  —  Lange,  L,,  Malt^riachc  Anaiehtcn  der  merk wOrdigstMi 
11.  schönsten  KathedTalcn  elc»  am  Rhein,  Main  u.  a.  d.  Lahn.  I^:i;i  — 1S43,  — 
LaiBAulx,  L  Claud.  v,,  ATchitektoniäch-hiBlorifichc  Bemerkutigen  über  die 
Bauwerke  am  Rhein  ^  in  J.  A.  Klein' ö  Rh  einreise  von  ?!^  traasburg  hl«  Kotter- 
dara.  2.  Aufl.  JSSß.  S,  lliU  ff.  —  Sc  hmidl,  Clir.  W.,  Baudenkmale  der  röm. 
Periode  und  des  Mitti^lnLtcrt<i  in  Trier  u.  seiner  LTmg;ebuug.  Lief*  2  u.  ^1.  1SH9. 
IhAl.  —  Püttm&nn,  IL^  KunsUchätze  u.  Baudenkmftler  am  Rhein,  von 
Basel  bifl  Holland.  IS-i2.  —  Boitigeri^e,  tSulp.,  Denkmale  der  Bank un»t  am 
Niederrbein.  Neue  Ausgabe  JSI3.  —  Lernch,  Lor.,  Nioderrh<?in,  Jahrbuch 
für  Geschichte,  Kunst  u.  Poesie.  I>>^3  u.  lS-14.  —  Waagen,  G.  F,,  KunsU 
werke  n.  Kilnatlor  in  Deutschland.  Thl.  ?  (Ba>ern,  Scbwaben,  Basiel»  Elsfu^a 
u.  Rheinpfalz).  IS  15,  —  Girier,  F.  X,,  u.  Gdrz,  tt.,  Denkmale  romanLacher 


OUp,  iLunit-Arehlolof^le. 


21 


318  RomanlBche  Kirchen 

Baukunst  am  Rhein.  1846  etc.  —  Füssli,  W.,  Zflrich  u.  die  wichtigsten 
Städte  am  Rhein  mit  Bezug  auf  alte  und  neue  Werke  der  Architektur,  Sculptur 
u.  Malerei.  2.  Aufl.  1846.  —  (Henry,  A.)  Bauwerke  am  Rhein.  Heft  1 
(Schwarzrheindorf  u.  Kreuzgang  am  Münster  zu  Bonn).  J846.  —  Denkmfller 
aus  Nassau.  Herausgegeb.  von  dem  Verein  fOr  nassauische  Alterthumskunde. 
Heft  1—3.  1852—1862.  —  Quast,  Ferd.  v.,  Die  roman.  Dome  des  Mittel- 
rheins SU  Mainz,  Speier,  Worms.  1853.  —  Kugler,  Fz.,  Rheinreise,  in  Kl. 
Sehr.  3,  114—123.  182—220;  722^740.—  Prisao,  Sieben  alte  Landkirchen 
in  dem  ehemal.  Erzstifte  Cöln,  im  Dombl.  1854.  No.  lOS.  —  Mooren,  J., 
u.  Schneider,  J.,  lieber  einige  christl.  Denkmäler  am  Niederrhein,  in  den 
Annalen  des  histor.  Vereins  für  den  Niederrhein.  Jahrg.  1856.  S.  38 — 62.  — 
Riehl,  W.  H.,  Kunstdenkmäler  der  Pfalz,  in  der  Augsb.  Allgem.  Ztg.  1857. 
Beil.  zu  No.  1 — 3.  —  Bulletin  de  la  sociötö  pour  la  conseryation  des  monu- 
ments  historiques  d'Alsace.  1857  etc.  —  Back,  F.,  Die  ältesten  Kirchen  im 
Lande  zwischen  Rhein,  Mosel  u.  Nahe.  Thl.  1.  1860. 

Torbemerkung. 

80.  Die  Lande  am  Rhein  erscheinen  als  die  Wiege  der  christlichen 
Baukunst  in  Deutschland :  zunächst  wegen  des  hier  stattgefundenen 
unmittelbaren  Einflusses  der  römischen  Kunst  auf  die  christliche  (in 
Trier  und  Cöln;  oben  S.  281  Anmerk.),  dann  nach  den  Stürmen  der 
Völkerwanderung  wegen  der  hier  durch  Carl  den  Grossen  erneuten 
Kunstthätigkeit  (in  Aachen;  §.  62  S.  283),  endlich  wegen  der  Macht 
und  des  Beichthumes  des  erzbischöflichen  Stuhles  von  Cöln,  als  Be- 
dingung einer  Baudichtigkeit,  wie  sie  gleichzeitig  in  keiner  anderen 
Gegend  von  Deutschland  möglich  war.  Die  geringen  Ueberreste  ältester 
Zeit  zeugen  davon,  dass  eine  Bauweise  beliebt  war,  welche  sich  in  der 
Decoration  der  Mauern  durch  verschieden  gefärbte,  aus  Bruchstein 
und  Ziegeln  (später  aus  rothem  Sandstein  und  TuflT)  bestehende  Wech- 
selschichten und  dadurch  hervorgebrachte,  oft  seltsam  gestaltete  Muster, 
sowie  in  grossen  Blendarkaden  (oben  S.  303  Fig.  149)  als  Schmuck 
des  Aeussern  gefiel,  wovon  sich  die  Spuren  (in  Cöln,  Trier,  Pfalzel 
und  Bonn)  bis  in  das  XI.  Jahrhundert  hinab  verfolgen  lassen.  *)  Femer 
macht  sich,  ohne  Zweifel  wohl  als  Nachwirkung  von  Aachen,  eine  be- 
sondere Vorliebe  für  den  Centralbau  bis  zum  Schlüsse  der  romanischen 
Bauperiode  geltend  in  den  häufig  über  Vierung  und  Chor  der  Kirchen 
angeordneten  Kuppelgewölben  und  Mittelthürmen,  sowie  in  dem  eigen- 
thümlichen  Schluss  der  Kreuzvorlagen  durch  einen  Halbkreis  an  ihren 
Frontseiten,  wodurch  der  Grundriss  der  Ostpartie  der  Kirchen  klee- 
blattförmig erscheint;  vergl.  S.  46  Fig.  18.  ^  Die  ganze  Construction 


1)  tJeber  die  Technik  s.  oben  S.  32. 

2)  R  o  i  8  i  n ,  Ferd.  de ,  Die  sogen.  rOmiflchen  Bflder  zu  Trier  als  Vorbild  der 
Chor-  u.  Kreuzconchenanlage  der  K.  St.  Marien  im  Capitol  zu  Cöln  (abgedr.  aus  den 
Mittheil,  des  christl.  archaolog.-hist.  Vereins  für  die  DiOzese  Trier).  1856.  —  Vergl. 
▼.  Quast,  in  der  Zeitschr.  fQr  christl.  Archaol.  u   Kunst.  I,  92—96. 


in  den  Hheinlanden.  819 

ist  auf  malerische  Gruppirung  der  Massen  berechnet^  deren  Wirkung 
noch  erhöht  wird  durch  die  über  den  Fenstern  und  unter  dem  Dach- 
gesimse^  besonders  der  östlichen  Theile ,  angeordneten  umlaufenden, 
aus  Zwergsaulen  bestehenden '  (sonst  nur  in  der  Lombardei  vorkom- 
menden] Arkadengalerien  9  ^j   und   durch  den  unter  letzteren  ange- 
brachten sogen.  Felderfries  9  welcher  aus  aneinander  gereihten  vier- 
eckigen Tafeln  dunkeln  Schiefers  in  vortretenden  Umrahmungen  be- 
steht und  durch  den  Wechsel  lichter  und  beschatteter  Stellen  mit  der 
Zwerggalerie  harmonirt.  Die  ältesten  Beispiele  von  Dachgalerien  finden 
sich  sicher  datirt  an  der  Gothardskapelle  neben  dem  Dome  von  Mainz 
(1138)   und  an   der  Kirche  zu  Schwarzrheindorf ^   Bonn  gegenüber 
(1151).  —  In  Cöln  hebt  seit  dem  furchtbaren  Stadtbrande  von  1149 
eine  neue  glänzende  Bauperiode  an^   indem  nach  der  prachtvollen 
Wiedergeburt,  welche  den  abgebranjiten  Kirchen  bei  den  vorhandenen 
grossen  Reichthümern  zuTheil  geworden  war,  der  Wetteifer  erwachte, 
auch   die  übrigen  Kirchen  mit  entsprechendem  Glänze  auszustatten, 
der  sich  denn  auch  über  die  zahlreichen  Neubauten  verbreitete,  welche 
in  Folge  des  verheerenden  Krieges  zwischen  den  beiden  Gegenkönigen 
Otto  von  Braunschweig  und  Philipp  von  Hohenstaufen  (1198 — 1206) 
besonders  auf  der  Strecke  von  Andernach  bis  Bonn  nothwendig  wur- 
den. —  Im  allgemeinen  herrscht  am  Niederrhein  die  Pfeilerbasilika, 
am  Oberrhein  die  Säulenbasilika  vor ;  Pfeiler  mit  dazwischen  gestellton 
Säulen  finden  sich  in  der  flach  gedeckten  Klosterkirche  zu  Echtemach 
von   1032   (und  zwar  durch  Blendbögen  verbunden)  und  in  einigen 
Gewölbebauten.  Abgesehen  von  den  bereits  oben  S.  31 1  besprochenen 
drei  mittelrheinischen  Domen  von  Mainz,  Speier  und  Worms  ist  die 
im  Trierschen,  auf  der  Grenze  des  Cölner  Sprengeis  belegene  Abtei- 
kirche zu  Laach   (geweiht  1156)   der  erste  grossartige,  bereits  in  der 
Anlage  darauf  berechnete  gewölbte  Schiffbau,  während  die  kleinere 
Kirche  St.  Mauritius  in  Cöln  ( 1 1 44  als  neu  bezeichnet)  ein  etwa  gleich- 
zeitiges, aber  in  jeglicher  Beziehung  geringeres  Beispiel  giebt.  —  Im 
Detcdl  lässt  die  Fr^zeit  strengere,  ernstere  und  doch  zugleich  zier- 
lichere Formen  erkennen,  als  die  spätere  Zeit,  wo  sich  bei  grösserer 
Uebung  das  Handwerkliche  mehr  hervorthut;  vergl.  Fig.  1 69  und  1 70. 
Am  Mittelrhein  steht  man^in  der  ersten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts 
noch  bei  alterthümlichen,  unentwickelten,  harten  und  theilweise  sogar 


1)  Die  bei  Anordnung  dieser  Umgftnge  obwaltende  constructive  Kacksioht  (Er* 
leichterung  der  Mauermasse  über  den  Gewölbeansätzen)  setst  Bchnaase  (Kunstgeücb, 
rV.  1,  191)  nach  dem  Vorgange  ron  Simons  (die  Kirche  zu  Schwarzrheindorf  S.  46) 
treflbnd  auseinander. 


21 


320 


Romanische  Kirchen 


rohen  Bildungen;  Fig.  171.  Im  Mosellande  bleibt  meist  eine  schlichte 
Strenge  vorherrschend ;  die  Gliederungen  sind  trocken,  selbst  plump ; 
die  Ornamente,  auch  wo  sie  in  der  Spätzeit  nach  Reichthum  streben^ 
zuweilen  unschön.  Gothische  Elemente  wurden  hier  frühzeitig  aufge- 
nommen, während  in  den  eigentlich  niederrheinischen  Gegenden  noch 


Fig.  169.   Aus  St.  Gereon  lu  Cöln  1068 
(nach  T.  Quast). 


Fig.  171.    Aus  der  Gothardskapelle  lu 
Mainz  1J3S  (nach  ▼.  Quast). 


Fig.  172. 


Fig.  170.    Au«  St.  Gereon   tu  Cöln  1160 
(nach  ▼.  Quast). 


im  Xin.  Jahrhundert  neue,  zum  Theil  spielende  Formen  (besonders 
auch  phantastisch-abenteuerliche  Fensterbildungen;  Fig.  172)  aus  dem 
augenscheinlich  verlebten  Romanismus  abgeleitet,  und  die  Massen  in 
überreicher  Weise  mit  bunt  wechselnden  Details  überkleidet  wurden. 


in  den  Rheinlanden.  32 1 

Andrerseits  finden  sich  weiter  rheinabwärts  (Gerresheim  bei  Düssel- 
dorf,  Werden  a.  d.  Ruhr)  Beispiele  maassvollster  Behandlung  und 
klassisch  edeler  Durchbildung.  —  Einen  völlig  anderen  Eindruck  als 
die  Bauten  des  nördlichen  Bheinthales  machen  die  oberrheinischen  in 
den  Sprengein  von  Strassburg^  Basel  und  Constanz.  Im  Elsass  er- 
scheinen die  Formen  auffallend  schwer  imd  düster^  und  in  der  Oma- 
mentation  giebt  sich  die  Neigung  zum  wild  Phantastischen  und  Bizarren 
kund,  anscheinend  unter  mannich faltigen  verwirrenden  Einflüssen  aus 
den  benachbarten  romanischen  Provinzen,  vielleicht  selbst  von  Italien 
her.  Die  beiden  grossartigsten  Denkmäler,  die  Münster  zu  Strassburg 
und  Freiburg  i.  B.,  dagegen  tragen  in  ihren  der  Uebergangsperiode 
angehörenden  ältesten  Theilen  das  Gepräge  einer  freieren  und  edleren 
Entfaltung  und  stehen  mit  ihren  Vierungskuppeln  mehr  unter  mittel- 
rheinischem Einfluss.  Aehnlich  verhält  es  sich  mit  dem  ältesten,  un- 
gefähr derselben  Spätzeit  entstammenden  Kerne  des  Münsters  von 
Basel,  wo  indess  neben  anmuthigen  Omamentbildungen  wiederum 
schwere,  seltsame,  barbaristische  Formationen  erscheinen.  Die  Bauten 
in  der  Gegend  des  Bodensees  bilden  einen  eigenen  Cyclus  von  zum 
Theil  sehr  alterthümlicher  Erscheinung,  besonders  in  den  Kirchen  auf 
der  Insel  Beichenau.  Der  rechteckige  Chorschluss  erscheint  häufig  und 
anscheinend  schon  frühzeitig.  —  Der  Kreuzgang  am  Grossmünster  zu 
Zürich  bietet  an  Fülle  ornamentaler  und  figürlicher  Sculptur  eine  glän- 
zende Leistung,  die  einen  unmittelbaren  Vergleich  mit  anderen  Bau- 
werken nicht  gestattet.  *) 

Vergl.  Schnaase,  Kunstgesch.  IV.  2,  93— 12T.  134— 140.  V,  337—377. 
—  Kugler,  Geschichte  der  Baukunst  2,  303-350.  443  —  460.  466—470. 
482 — 493.  —  Lübke,  Geschichte  der  Architektur  3.  Aufl.  8.  355—371.  — 
Otte,  Geschichte  der  deutschen  Baukunst  8.  202—230.  311—115. 

Aaehen.  Münster.  S.  oben  S.  283.  Elegant  spätest  romanische  Reste 
der  Klostergebäude.  (Lersch,  II.  Taf.  4;  G.  Möller,  in  der  Zeitschr. 
für  Bauwesen  1854.  Sp.  529.  Bl.  64).  —  Adalbertskirche,  nicht 
mehr  der  1015  geweihte  Bau ;  drei  Apsiden ;  die  nördliche  Thür  im  steilen 
Giehel  über  rohen  Pilastern  gedeckt;  der  quadrat.  Westthurm  aus  dem 
Xra.  Jahrh.  2) 

Alspach  bei  Kaisersberg.  Ruine.  Im  Schiff  Pfeiler  mit  eingelassenen 
Ecksflulchen. 


1)  Die  nachstehend  aufgeführten  Kirchen  der  Rheinlande  sind,  insofern  nicht 
ausdrücklich  etwas  anderes  bemerkt  ist,  sämmtlich  drei  schiffige  Pfeilerbasi- 
liken mit  Querschiff  und  runder  Apsis.  Bei  Gewölbebauten  verstehen  sich 
quadratische  Doppe^joche  im  Langhause. 

2)  Kreutzer,  Beschreib,  u.  Gesch.  der  ehemal.  Stiftsk,  zum  h.  Adalbert  in 
Aachen. 


322  Romanische  Kirchen 

Alt-Brebach.  Mflnster.  Die  älteren  Theile  Gewölbebau,  nach  Art  der 
mittelrheinischen  Dome.  Zwei  Chorthürme  und  Nebcnconchen.  Säulen- 
krypta.   (Chapuy,  TAUemagne.  Livr.  7). 

Altenahr.    Kirche,  spätgothisch  überwölbt;  Chor  gothisch. 

Altenberg  bei  Cöln.  Im  Gnmdbau  der  goth.  Klosterk.  Ueberreste  des 
Stiftungsbaues  von  1147.  *)  —  Die  schönen  spätroman.  Klostergebäude 
(Boisseree  Taf.  59.  60)  sind  1815  abgebrannt. 

AHtB-Casp  bei  Geldern. ''^J  Das  überwölbte  von  zwei  quadratischen 
Thürmen  flankirte  Altarhaus  der  im  XVII.  Jahrh.  erbauten  Kirche  des  11 22 
gegründeten  Cisterzienserklosters.  (Zeitschr.  für  Archäol.  u.  Kunst  1,  138). 

AlteaUreheB  unweit  Coblenz.  Kirche  mit  Holzdecke.  Die  Nebenapsiden 
sind  aussen  rechtwinkelig. 

Altorf  bei  Molsheim.  Abteikirche.  Das  Schiff  ist  ein  spitzbogiger  Ge- 
wölbebau, die  Ostpartie  von  1725. 

Altstadt  Kirche,  flach  gedeckt  mit  später  angebautem  Querschiffe.  Das 
Erdgeschoss  des  quadrat.  Westthurmes  bildet  die  Vorhalle. 

Aaderaaell«  Pfarrkirche  ohne  Querschiff  mit  westl.  und  östl.  Thurm- 
paar  und  Emporen  über  den  Seitenschiffen.  Das  Langhaus  Gewölbebau  im 
Uebergangsstil.  Der  Chor  und  die  östl.  Thürme  älter.  (Boisserde,  Taf. 
45—49;  das  südl.  Portal  oben  S.  305  Fig.  153). 

Aadlai.  Die  Vorhalle  (mit  Thierkämpfen  etc.  auf  einem  Friese)  und 
die  Säulenkrypta  (Schweighaeuser  et  Golbery  II.  Taf.  8)  unt^r  der 
gothischen  Nonnenkirche. 

Arasteln.  Prämonstratenserkirche ,  nach  Lotz  (1,  60)  Basilika  im 
Uebergangsstil  mit  zwei  viereckigen  West-  und  zwei  gothischen  Ostthürmen. 

Af^lsheiM.  Dom  Petrin  streng  roman.  Basilika  mit  modernem  Thurm 
und  flach  gedecktem  Mittelschiff.  —  Eine  durch  den  Anbau  eines  Lang- 
schiffes 1774  verstümmelte  Kapelle  in  der  Grundform  des  gleichschenkc- 
ligen  Kreuzes  mit  vier  Apsiden  und  achteckigem  Mittelthurm. 

Bacharadli  Pfarrkirche  (sogen.  Tempelherrenkirche) :  Spätroman.  Ge- 
wölbebau mit  schlanken  einfachen  Jochen^  hohen  Emporen  und  kleinen 
Arkadengalerien  über  denselben.  An  der  Ostseite  der  nicht  ausladenden 
Kreuzflügel  zwei  Rundthürme,  an  der  Westseite  ein  starker  Viereckthurm, 
an  der  Nordseite  ein  reiches  Portal.  (Quaglio  I;  Kallenbach  und 
Schmitt  Taf.  21.  Fig.  6.) 

Basel.  Kreuzgangreste  bei  der  Albanikirche.  —  Münster.  ^)  Von 
dem  1018  geweihten  Bau  sind  nur  Reste  vom  Grundbau  eines  ehemal. 
Westchores  nachgewiesen,  und  für  die  auf  uns  gekommenen  romanischen 
Gebäudetheile  bieten  nur  die  beiden  Brände  von  1185  und  1258  einigen 
histor.  Anhalt.  Aus  der  auf  den  ersten  Brand  folgenden  Bauperiode  rühren 
her  der  Unterbau  der  Frontalthürme,  das  Querhaus  mit  der  Gallenpforte, 
die  Krypta  (deren  ältester  Thcil  verschüttet  ist)  und  ein  Theil  des  im  halben 


J)  Orund,  F.,  die  aufgefundenen  Kaste  der  wahrscheinlich  ältesten  Abteik.  in 
Altenbefg;  in  den  Bonner  Jahrb.  X.  142— 1 16  u.  Taf.  3. 

2)  Michels,  Gesch.  u.  Beschreib,  der  ehemal.  Abtei  Camp.   1832. 

3)  Beschreib,  des  Münsters  u.  seiner  Merkwürdigk.  in  Basel  (Ilasler  et  Comp.)« 
(1842)  1846.  --  Förs;ter,  £.,  das  Münster  in  Basel,  im  D.  Kunstbl.  1855.  S.  33. 


io  dea  RheinUuiden.  323 

Achteck  geschlossenen,  mit  Umgang  versehenen  Altarhauses;  nach  dem 
zweiten  Brande  entstand  das  Langhaus,  ein  Gewölbebau  mit  Spitzarkaden 
und  im  Kundbogen  geöffneten  Emporen  über  den  Seitenschiffen.  Das 
Ganze  wurde  sodann  in  Folge  des  Erdbebens  von  1356  vielfach  verändert: 
das  Mittelschiff  gothisch  eingewGlbt,  zwei  äussere  Seitenschiffe  angebaut, 
die  Thürme  vollendet.  (Förster,  Denkm.  l,  29—32  u.  3.  Taf . ;  vergl. 
den  Grundriss  eines  Hauptpfeilers  oben  S.  309  Fig.  160.)  Der  alte 
Kreuzgang. 

BeBil«rf  bei  Coblenz.  Kirche,  Gewölbebau  im  Uebeigangsstil  ohne 
Querschiff  und  Thurm. 

Neber  bei  Andernach.  Kirche,  deren  Schiff  Spitzbogenarkaden  über 
achteckigen  Pfeilern  und  eine  flache  Decke  hat.  Der  Chor  ist  geradlinig 
geschlossen ;  kein  Querschiff. 

Bilk  bei  Düsseldorf.  Kirche  mit  viereckigem  Westthurm,  1860  re- 
staurirt. 

Btagen.  Die  Krypta  unter  der  Pfarrkirche,  deren  Säulen  einfache 
Wflrfelknäufe  und  Basen  ohne  Eckblätter  haben.  —  Ueberreste  der  Rup~ 
pertsberger  Kirche  am  linken  Naheufer. 

Bbrgelen  bei  Heinsberg.  Die  Kirche,  »einfach  romanisch,  ziemlich  er- 
halten.a  Lotz  1,  82. 

B«n.  Das  Münster:  ')  Gewölbebau;  der  Grundriss  der  östlichen 
Theile  in  Kleeblattform;  fünf  Thürme.  Nach  v.  Quast  (Bonner  Jahrb. 
X,  197 — 201)  drei  Bauzeiten :  1)  der  Chor  und  der  westliche  Theil  der 
Krypta,  mindestens  aus  dem  XI.  Jahrhundert ;  2)  der  östliche  Chorschluss 
nebst  seinen  Thürmen  und  der  östliche  Theil  der  Krypta  aus  der  Mitte  des 
XII.  Jahrhunderts ;  3)  die  vier  Abtheilungen  des  Schiffes ,  der  polygone 
Schluss  der  Kreuzarme,  der  an  300'  hohe  Mittelthurm  und  die  Spitzbogen- 
gewölbe des  Chores,  begonnen  zu  Anfang  des  XIII.  Jahrhunderts.  (B o is- 
ser ee  Taf.  56.  —  Gailhabaud,  Denkm.  Bd.  II.  Abth.  V.  No.  23  mit  Text 
von  Kugler.  —  Förster,  Denkm.  4.  31  f.  und  1  Taf. —  Otte,  Gesch.  der 
deut.  Baukunst  S.  157  Fig.  63.)  Der  Kreuzgang  und  Capitelsaal  um  1150. 
—  Auf  dem  Friedhofe  ist  die  ehemalige  Deutschherrenkapelle  von 
Kamersdorf,  ^)  mit  Rettung  der  alten  Säulen  und  Consolen,  in  einer 
Copie  wieder  aufgebaut :  ein  spätromanischer  gewölbter  Säulenbau,  dessen 
gleich  lange  und  gleich  hohe  Schiffe  östlich  in  drei  Apsiden  auslaufen  und 
von  einem  gemeinschaftlichen  Dache  bedeckt  sind.  —  Die  abgetragene 
Martinskapelle  (Boisseree  Taf.  Ij  s.  oben  S.  22  Fig.  4.  3) 

B«ppanli  Pfarrkirche,  ^)  Umbau  eines  zu  Anfang  des  XII.  Jahrh.  er- 
richteten älteren  Gebäudes  im  Uebergangsstil  aus  der  ersten  Hallte  des 
Xin.  Jahrhunderts :  Gewölbebau  mit  hohen  Emporen,  ohne  Querschiff,  mit 


1)  NOggerath,  die  Bausteine  der  Münsterk.  in  Bonn,  in  Lorsch,  Jahrb.  ], 
209.    Ueber  die  Gebäude  vergl.  ebend.  217—244. 

2)  8 c h n a a 8 e ,  C. ,  die  Kirche  tu  Ramersdorf,  inKinkel's  Taschenbuch  vom 
Rhein.  1847.  S.  191  ff.  —  Vergl.  Lassaulz,  im  Cölner  Bombl.  1845.  No.  2. 

3)  Haff  er,  Herm.,  die  alte  Martinsk.  in  Bonn  u.  ihre  Zerstörung,  in  den  An- 
naien  des  histor.  Vereins  für  den  Niederrhein.  Heft  13  u.  14.  S.  146  ff. 

4)  Krüger,  W.,  die  Ffarrk.  su  Boppard.  Mit  4  Taf.   1865. 


324  Romanische  Kirchen 

zwei  den  im  halben  Achteck  geschlossenen  Chor  flankirenden  Viereck- 
thOrmen ;  reiches  Westportal.  (Gladbach  [Moller  III.],  Denkm.  Tat*. 
19—21.  —  Quaglio  II.  1.  —  Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  213.) 

Branweiler  bei  Cöln.  Klosterkirche,  *)  mit  Ausnahme  der  vierschiffigen, 
mit  zwei  Säulen-  und  zwei  Pfeilerreihen  versehenen,  1051  geweihten  Krypta, 
Gewölbebau  im  Uebergangsstil,  theils  von  1193.  theils  nach  einem  Brande 
zu  Anfang  des  XIII.  Jahrhunderts.  Das  Querschiff  ladet  nicht  aus  und  die 
Seitenschiffe  setzen  sich  neben  dem  Chore  fort,  dessen  Apsis  von  zwei 
Thürmen  flankirt  wird.  Die  Westfront  bildet  ein  dreifacher  Thurmbau. 
Der  ehemalige  Mittelthurm  fehlt;  die  Gewölbe  des  Schiffes  von  1514. 
(v.  Quast,  in  den  Bonner  Jahrb.  XIII,  179.)  Kreuzgang  und  Capitelsaal. 

Brauenbirg  bei  Limburg  a.  d.  L.  Ruine  der  Prämons traten ser-Non- 
nenkirche.    Das  Kloster  gestiftet  um  1170.  (Lotz  1,  125.) 

Urrig  bei  Cöln.  Einschiffige  überwölbte  Dorfkirche,  deren  Apsis  ein 
halbes  Achteck  bildet. 

Casp  bei  Boppard.  Kirche  ohne  Querschiff,  mit  gothischem  Chor.  Im 
flach  gedeckten  Schiff,  dessen  westliche  Hälfte  eine  unterwölbte  Empore 
einnimmt,  nur  je  zwei  Arkaden. 

CardeB  a.  d.  Mosel.  Die  Ostpartie  der  Stifskirche  ^)  mit  zwei  vier- 
eckigen Thürmen  am  Chor,  im  Uebergangsstil ;  das  Langhaus  frühgothisch . 
(Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  215.  240.) 

Chir.  Der  Dom,  ^)  ein  höchst  unregelmässiger  Gewölbebau  im  Ueber- 
gangsstil, ohne  Querschiff,  mit  quadratischem  Chor,  an  den  sich  ein  schmä- 
leres rechteckiges  Altarhaus  schliesst;  geweiht  1282.  Die  unter  dem  Altar- 
hause  beflndliche  kleine  Säulenkrypta,  anscheinend  von  einem  früheren, 
1178  geweihten  Bau  übrig;  der  westliche  Theil  unter  dem  Chore  ist  mit 
einem  von  einer  Mittelsäule  gestützten  Kreuzgewölbe  überspannt.  Der 
Thurm  steht  südlich  neben  dem  Chore. 

CleMensUrehe  bei  Rheinstein.  Die  Kirche  mit  spätroman.,  flach  ge- 
decktem I^anghause  und  achteckigem  Thurme  über  dem  Westende  des  süd- 
lichen Seitenschiffes.  Das  überwölbte  Querschiff  mit  der  sich  an  die  Vie- 
rung schliessenden  Apsis  im  Uebergangsstil. 

Ctbleu.  Die  Castorkirche,  ^)  mit  westlichem  und  östlichem 
Thurmpaar  und  einem  nicht  über  die  Breite  des  Langhauses  vortretenden 
Querschiff.  Der  älteste  Theil  ist  der  Unterbau  der  beiden  mit  halbrund 
vortretenden  Treppenthürmchen  besetzten  Westthürme ;  dann  folgt  der 
Chor,  zuletzt  Langhaus,  Querschiff  und  Decoration  der  Apsis  :  der  Haupt- 
bau geweiht  1208.  Die  Pfeiler  des  ursprünglich  flach  gedeckten,  1498  mit 
Sterngewölben  überspannten  Mittelschiffes  viereckig,  mit  Halbsäulen  be- 
setzt. (Moller  I.  Taf.  7.  8.)  —  Das  im  XVII.  Jahrh.  gothisircnd  über- 
wölbte und  veränderte  Langhaus  der  Kirche  St.   Flor  in  mit  zwei  vier- 


1)  Giersberg,  die  Kirche  zu  Brauveiler,  im  Organ  für  christl.  Kunst.   1 S5 1 . 
S.  10  ff.  —  Mohr,  in  Förster's  Bauzeitung.  1860.  No.  2. 

2)  V.  Quast,  die  Stiftsk.  St.  Castor  zu  Garden  a.  d.  M.,  in  der  Zeitschr.  für 
Archäol.  u.  Kunst.   1,  90. 

3)  Beschreib,  der  Domk.  von  Chur,  in  den  Mittheil,  der  antiquar.  Gesellsch.  in 
Zürich.  Bd.  XI.  Heft  7. 

4)  Richter,  A.  J.,  die  8t.  Castork.  zu  Coblcnz,  deren  Gesch.,  Architektur, 
Kunstwerke  a.  Denkm.  (1850).  2.  Aufl.  1854. 


in  den  Rheinlanden.  325 

eckigen  Westthürmen  ;  kein  Querschiff;  Chor  gotbisch  von  1356.  (Wiebe- 
king Taf.  55;  Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  211).  Zierlich  spätroman.  Reste 
der  ehemal.  Stiftsgebäude  in  der  jetzigen  Küsterwohnung.  —  Das  (mit 
spätgothischen  Sterngewölben  gedeckte)  Langhaus  der  1182  gegr.  Lieb- 
frauenkirche mit  zwei  viereckigen  Westthürmen  und  Emporen  über  den 
Seitenschiffen,  im Uebergangsstil  1242—1259;  Chorgothisch  1404 — 1431. 
(Lotz,  1,  145.) 

Colli.  ^)  St.  Andreas,  spätroman.  GewOlbebau  von  1220,  mit  quer- 
schiffartigem,  eine  Empore  enthaltendem  Westbau,  niedrigem  Mittelthurm 
und  ursprOnglich  kleeblattfOrmiger  Ostpartie;  Chor  gothisch  von  1414, 
aucli  sonstige  gothische  Anbauten  und  Veränderungen.  Vermauerte  Krypta. 
—  St.  Aposteln,  ^)  nach  dem  Vorbilde  der  Capitolskirche,  im  Kern  des 
Langhauses  und  Westthurmes  nach  einem  Brande  von  1098  ;  das  westliche 
Querschiff  und  alles  Uebrige  nach  dem^Stadtbrande  von  1199,  bis  1219. 
(Boisseree,  Taf.  16—20.  —  Michiels,  Photogr.  Album.  —  Förster, 
Denkm.  4,  17—20  und  4  Taf.)  —  St.  Cäcilia,  ^)  ohne  Thurm  und 
Querschiff;  im  Westen  eine  Empore  und  westlich  von  dieser  eine  kleine, 
angeblich  uralte  Krypta.  Das  Mittelschiff  ist  spätgothisch  überwölbt.  Nörd- 
lich von  der  Kirche  in  der  östlichen  Mauer  des  angrenzenden  Hospitalhofes 
Reste  von  Blendbogenstellungen  aus  der  Zeit  vor  dem  X.  Jahrh.  —  St. 
Columba  enthält  den  Kern  einer  ursprünglichen  Pfeilerbasilika  in  dem 
gegenwärtig  fünf  schiffigen  gothischen  Umbau.  —  St.  Cunibert,  *j  spät- 
roman. Gewölbebau  mit  zwei  Querschiffen  und  drei  viereckigen  Thürmen, 
von  denen  einer  (1830  eingestQrzt  und  seitdem  neu  erbaut)  über  der  west- 
lichen Vierung,  die  beiden  anderen  über  den  nicht  ausladenden  östlichen 
Kreuzarmen  aufsteigen;  begonnen  zu  Anfang  des  XIII .  Jahrb.,  geweiht 
1247.  (Boisseree  Taf.  67—72.)  —  St.  Georg.  Säulenbasilika,  gegr. 
1059,  geweiht  1074,  ursprünglich  mit  kleeblattförmiger  Ostpartie,  jetzt  aus 
drei  in  Apsiden  endenden  Langschiffen  bestehend,  mit  späterem  unvollen- 
deten Westthurm,  dessen  Erdgeschoss  die  sogen.  Taufkapelle  bildet.  Die 
Säulen  des  später  überwölbten  und  veränderten  Mittelschiffes  und  der  zum 
Theil  vermauerten  Krypta  haben  schlichte  Würfelknäufe.  (Vergl.  Bois- 
seree Taf.  21.  22;  Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  199.)  —  St.  Gereon,  ^)  ur- 
sprünglich ein  in  dem  Mauerwerk  des  jetzigen,  ein  längliches  Zehneck  bil- 
denden, die  Stelle  des  Schiffes  vertretenden  Vorbaues  theil  weise  noch  er- 


1)  Ennen,  L.,  Gesch.  der  Stadt  Cöln.  Bd.  1.  2.  1862.  1865.  —  Quast, 
Fcrd.  y.,  Beitrage  zur  chronolog.  Bestimmung  der  älteren  Gebäude  Cölns  bis  zum 
XI.  Jahrh.,  in  den  Jahrbüchern  des  Vereins  von  Alterthumsfr.  im  Rheinlande  X, 
186—224  u.  XIII,  168—189.  Bonn  1847  u.  1848.  —  Weyden,E.,  Rückblicke  auf 
Cölns  Kunstgesch  ,  im  Oigan  für  christl.  Kunst.  1862  No.  1—1864  No.  24. 

2)  Der  »die  Apostelkirche  in  Cöln«  überschriebene  Artikel  von  G.  Eckertz  im 
D.  Kunstbl.  1 858.  S.  263 — 265  bezieht  sich  nicht  auf  diese,  sondern  auf  die  Cimi- 
bertskirche;  vergl.  die  Erklärung  des  Verf.  in  den  Dioskuren.  1859.  S.  115. 

3)  Mering,  E.  E.  v.,  die  Petersk.  u.  CAcilienk.  in  Cöln  (1834).   2.  Aufl.  1836. 

4)  Eckertz,  G.,  zur  Gesch.  der  Cunibertsk.  in  Cöln,  in  den  Dioskuren.  1859. 
S.  115  f.  —  Weyden,  E.,  im  Organ  für  christl.  Kunst.  1859.  S.  157—160. 

5)  Gesch.  der  Kirche  zum  h.  Gereon  in  Cöln,  herausgegeb.  von  dem  Kirchenvof- 
Stande.  1824.  —  Weyden,  E.,  die  Kirche  St.  Gereon  in  Cöln,  a.  a.  O.  1860.  No. 
16—23;  vergl.  1862,  die  artist.  Beilage  zu  No.  19. 


326  Romanische  Kirchen 

haltener  Rundbau  von  höchstem,  schwer  zu  bestimmendem  Alter,  dessen 
Ostliche  Schlussmauer  1066  abgebrochen  und  bis  1069  dafür  ein  Langchor 
(mit  zwei  nicht  mehr  vorhandenen  Thürmen)  angebaut  wurde,  woran  sich 
um  die  Mitte  des  Xu.  Jahrh.  der  von  zwei  viereckigen  Thürmen  flankirte 
Oberchor  und  die  üeberwölbung  des  Ganzen  schloss.  Mit  dem  Oberchor 
gleichzeitig  ist  der  Ostliche  Theil  der  Sfiulenkrypta,  während  der  westliche 
von  1067  datirt.  Das  mit  einem  Kuppelgewölbe  überdeckte,  1227  vollendete 
polygonische  Schiff  mit  westlicher  Vorhalle  ist  ein  den  Uebergang  in  den 
gothischen  Stil  zeigender  Prachtbau.  Der  sich  letztcrem  anschliessende 
elegant  spätroman.  Kreuzgang  wurde  1S21  abgebrochen;  die  südlich  an- 
grenzende unregelmässig  achteckige  Taufkapelle  vollendet  um  1219.  (B  o  i  s- 
seree  Taf.  61—63.  31—33;  v.  Quast,  in  den  Bonner  Jahrb.  X.  Taf.  8 
und  Xm.  Taf.  3;  Mich  i  eis,  Photogr.  Album.  Vergl.  oben  S.  303  Fig. 
149  und  S.  320  Fig.  169  und  170.)  —  St.  Johannes  Bapt.,  eine  aus 
drei  gleich  langen  Schiffen  bestehende ,  gänzlich  verbaute  ursprüngliche 
Pfeilerbasilika.  —  St.  Maria  auf  demCapitol,  Prototyp  der  nieder- 
rheinischen Kirchen  mit  kleeblattförmigem  Kreuzbau  und  Kuppel ;  mit 
Ausnahme  der  dem  XII.  und  XIII.  Jahrh.  entstammenden  Chorhaube  und 
der  Gewölbe  im  Hauptschiffe,  im  Wesentlichen  die  1049  geweihte  Pfeiler- 
basilika mit  einer  (hinter  der  Orgel  verborgenen)  zweigeschossigen  Halle 
in  Westen ,  welche  dem  System  des  Aachener  Münsters  entspricht ;  die 
Seitenschiffe  waren  schon  ursprünglich  auf  Üeberwölbung  berechnet,  wäh- 
rend das  Mittelschiff  nur  eine  flache  Decke  trug.  Um  die  drei  Hallen  des 
Kreuzbaues  zieht  sich  eine  durch  einen  Kranz  freier  Säulen  getragene  Ga- 
lerie, und  unter  dem  Östlichen  Theile  erstreckt  sich  eine  ausgedehnte  Krypta 
mit  mehreren  Nebenkapellen.  Vor  den  Portalen  des  Querschiffes  waren 
rechteckige,  offene,  flach  gedeckte  Säulenhallen  angeordnet,  von  denen  nur 
noch  die  südliche  existirt.  Der  Westthurm  mit  den  daneben  stehenden  po- 
lygonen  Treppenthürmen  ist  erneuert  und  der  angrenzende  Kreuzgang  mit 
Zinshäusern  bebaut.  (Boisseree  Taf.  2 — 9.  —  Förster,  Denkm.  1, 
19  f.  und  2  Taf.  —  v.  Quast  a.  a.  O.  XHI.  Taf.  3  Fig.  6.  7;  Taf.  4. 
Vergl.  oben  S.  46  Fig.  18;  S.  296  Fig.  134.)  -  St.  Maria  in  Lys- 
kirchen,  Gewölbe  bau  im  Uebergangsstil,  mit  Emporen  über  den  Seiten- 
schiffen, zwei  die  Stelle  der  Kreuzarme  vertretenden  Ostihürmen  und  einer 
Krypta  unter  dem  polygonisch  schliessenden  Chor.  —  St.  Martin,  nach 
dem  Typus  von  Maria  auf  dem  Capitol,  aber  mit  hohem  von  vier  Eckthürm- 
chen  flankirtem  Mittel thurm  über  der  Vierung  1206  — 1211.  Aelter  sind 
die  westlichsten  Arkaden  des  I^nghauses  und  stammen  von  einem  1172 
geweihten  Bau ;  die  Seitenmauern  mit  ihren  Wandarkaden  und  den  Ge- 
wölben sind  wiederum  später.  (Boisseree  Taf.  10  — 15.  —  Förster, 
Denkm.  8,  59  ff.  und  2  Taf.)  —  St.  Mauritius,  *!  kurz  vor  1144  voll- 
endeter Gewölbebau,  aus  drei  in  Apsiden  schliessenden  Langschiffen  be- 
stehend, mit  zwei  aus  der  viereckigen  in  die  Rundform  übergehenden 
Thürmen  zwischen  den  Apsiden.    Die  westliche  Hälfte  ist  1858  abgetragen 


1)  V.  Quast,  St.  Mauritius  in  Cöln,  in  der  Zeitschr.  für  Archäol.  u.  Kunst  1, 
235—240. 


in  den  Rheinlanden.  327 

und  ein  modem-gothischer  Polygonbbu  an  die  Stelle  getreten.  —  St.  Pan- 
talcon,  mit  Nebenconchen  an  den  Kreuzarmen,  gothischem  Chorschluss 
und  Gewölben  aus  dem  XVII.  Jahrhundert.  Der  westliche  Vorbau  kann 
(mit  Ausnahme  des  Thurmes)  noch  ron  einem  980  geweihten  Bau  her- 
rühren; alles  Uebrige  von  einem  zwischen  1216  und  1227  fallenden  Um- 
bau. (Kugler  a.  a.  O.  S.  238.)  —  St.  Severin,  1043  geweiht,  aber  am 
Schluss  des  XI.  Jahrh.  umgebaut,  wovon  als  Ueberrest  einer  kleineren 
Kirche  der  westl.  Theil  des  Chores  mit  den  kreuzarmartigen  Anbauten, 
sowie  der  westl.  Theil  der  Krypta  herrühren  konnte;  einem  späteren  1247 
geweihten  Bau  scheint  der  polygonisch  schliessende  Ostl.  Chortheil  mit  dem 
betr.  Theile  der  Krypta  anzugehören.  Alles  andere ,  mit  Ausnahme  des 
Unterbaues  der  beiden  Chorthürme  ist  gothisch,  aus  dem  XIV.  Jahrh. 
(Michiels,  Photogr.  Album.)  —  St.  Ursula,  mit  Emporen  über  den 
Seitenschiffen  und  am  Westende  im  Thurm.  Die  Sargwände  innerlich  mit 
Lisenen  und  Bogenfries.  Das  Mittelschiff  ist  mit  gothischen  Kreuzgewölben 
gedeckt  und  der  Chor  ebenfalls  gothisch .  (Kallenbach  und  Schmitt 
Taf.  4  No.  6.  7.  10;  Kallenbach,  Atlas  Taf.  6.) 

C^BStam.')  Dom,  kreuzförmige,  östlich  geradlinig  schliessende  Säulen- 
basilika mit  Krypta  und  westlichem  ITiurmbau,  soll  zwischen  1051 — 1069 
erbaut  sein :  die  Capitäle  der  mit  Eckknollen  versehenen  Arkadensäulen 
bilden  im  unteren  runden  Theile  nicht  sowohl  ein  Kugelsegment,  als  viel- 
mehr acht  Cylinderfragmente ,  die  an  den  Kanten  durch  eine  vortretende 
Naht  verbunden  sind.  Die  Krypta  mit  dicken  Säulen,  theils  mit  Akanthus-, 
theils  mit  rohen  Figurencapitälen.  Das  im  XVII.  Jahrh.  überwölbte  Lang- 
haus ist  mit  spätgothischen  Kapellen  besetzt,  die  Kreuzgiebelfronten  sind 
gothisch ,  der  Chor  verzopft.  Ueber  der  von  dem  gothisch  veränderten 
Thurmpaare  begrenzten  Vorhalle  erhebt  sich  der  Hauptthurm  mit  modern 
gothischem  hohem  Steinhelm. 

Craifthal  bei  Zabem.  Ruine  des  Cisterzienser  -  Nonnenklosters. 
(Schweighaeuser  et  Golb^ry  11.  Taf.  29.) 

ieitl.  Abteikirche  mit  Spitzarkaden,  nach  Zerstörungen  im  XIV.  und 
XVII.  Jahrh.  roh  hergestellt.  (Kugler.  Kl.  Sehr.  2,  206.) 

MetUrchen  bei  Limburg  a.  d.  L.  Stiftskirche,  Gewölbebau  mit  Em- 
poren über  den  Seitenschiffen,  nicht  vorspringenden  Kreuzflügeln  und  zwei 
Westthürmen.  Die  Apsis  umgiebt  ein  schmaler  Umgang  mit  einzelnen  Ka- 
pellen.   (Lotz  1,  164.) 

Mssifetdenberg  in  Odemheim  bei  Meisenheim.  Reste  des  um  1 150  neu 
erbauten  Klosters. 

■btelrath  (zwischen  Düren  und  Zülpich)  mit  der  angeblich  ältesten 
Pfarrkirche  dieser  Gegend. 

••rUsheta  bei  Rosheim.    Kirche,  Gewölbebau. 

••magen  gegenüber  Monheim.  Dorfkirche  in  einschiffiger  Kreuzform 
und  mit  Westthurm. 


1)  (Schreiber)  Denkmale  am  Oberrhein.  1.  Lief.  Konatans.  —  Führer  durch 
die  Münsterk.  zu  Constanz.  1853.  —  8.,  Constanz,  im  Organ  für  christl.  Kunst  1856 
in  No.  1  u.  2.  —  Der  Dom  zu  Conatanz,  in  den  Beilagen  zur  Augsb,  Postztg.  1856. 
No.  13—15. 


328  RomaniBche  Kirclien 

Eberbach  bei  Elfeld.  ^)  Cisterzieitserkirche,  geweiht  11S6:  Gewölbe- 
bau mit  geradem  Cborschluss  und  je  drei  Kapellen  an  der  Ostseite  der 
Kreuzarme.  Das  Refectorium  (die  sogen,  ältere  Kirche),  mit  drei  Säulen* 
schiffen  im  Uebergangsstil.  Die  Mauern  des  gothischen  Capitelsaales. 
(Geier  und  Görz.  Lief.  1  Taf.  1—3.) 

Eehteniaeh.  Klosterkirche,  geweiht  1031:  Basilika,  deren  Ar- 
kaden von  durch  Blendbögen  verbundenen  Pfeilern,  *  die  mit  Säulen  wech- 
seln, getragen  werden.  Die  Säulen  haben  einander  gleiche  korinthische 
Capitäle.  Der  Obergaden  des  gothisch  überwölbten  Mittelschiffs  hat  gothische 
Fenster  von  1244.  Die  Kreuzarme  laden  nicht  aus;  der  Chor  ist  gerade 
geschlossen.  Die  Krypta  hat  verschiedene  Nebenräume.  Von  den  vier 
Thürmen  ist  wenig  übrig ;  überhaupt  war  die  herrliche  Kirche  eine  profa- 
nirteKuine,  wird  aber  jetzt  restaurirt.  (Schmidt,  Baudenkm.  Lief.  2 
Taf.  8  und  9.  —  Förster,  Denkm.  8,  25—28  und  1  Taf.)  —  Die  Pfarr- 
kirche, spätgothisch  umgebaut. 

Eiseaberg  bei  Frankenthal.  Der  Chor  der  Kirche  mit  dem  über  dem- 
selben aufsteigenden  Thurm. 

Emerieh.  Chor  und  Krypta  des  Münsters ;  letztere  mit  Bündelsäulen ; 
frühromanisch.   (Kinkel,  Kunstgesch.  Taf.  5.  h — /.) 

Ems  (Dorf).  Die  kleine  dreischiffige  Kirche  hat  Emporen  über  den 
Seitenschiffen  und  eine  äusserlich  rechteckige  Apsis. 

Engen  bei  Constanz.    Kirche  aus  dem  XU.  Jahrb. 

Enkenbach  bei  Kaiserslautern.  Klosterkirche  (1265  noch  im  Bau  be- 
griffen) ,  Gewölbebau  im  Uebergangsstil,  im  Schiff  mit  durch  Blendbögen 
verbundenen  Pfeilern  und  dazwischen  gestellten  Säulen  und  mit  recht- 
eckigem Chore.  Das  südl.  Seitenschiff  wird  durch  einen  Flügel  des  Kreuz- 
ganges vertreten,  der  sich  auch  an  der  Westseite  fortsetzt  und  hier  mit  einer 
Empore  versehen  ist.  (Denkm.  der  deut.  Baukunst  von  dem  hess.  Verein 
zu  Därmstadt.  Bd.  1.  —  Sighart,  Bayer.  Kunstgesch.  S.  245—248.  — 
Förster,  Denkm.  10,  33—38  und  3  Taf.) 

Erluratt  bei  Düsseldorf.  Kirche  aus  dem  XU.  Jahrb.  mit  mächtigem 
Westthurme. 

Erjpel  gegenüber  von  Remagen.  Das  Langhaus  der  Kirche  ursprünglich 
mit  Emporen;  der  im  halben  Zehneck  geschlossene  Chor  im  Uebergangsstil. 

Eschai  bei  Strassburg.    Einfach  romanische  Klosterkirche. 

Essen.  Münster.  ^  Der  polygonische  Westchor  (S.  284)  mit  zwei 
Rundthürmen,  aus  der  zweiten  Hälfte  des  X.  Jahrb. ;  die  Krypta,  geweiht 
1051,  hat  mit  Ecksäulen  besetzte  Pfeiler.  Das  Paradies,  ein  Säulenhof  aus 
dem  XI.  Jahrh.  (Vergl.  oben  S.  75  Fig.  29  und  S.  295  Fig.  131.) 

Enskirehen  bei  Bonn.  Westthurm  imd  Langhaus  der  Kirche  in  ein- 
fachem Uebergangsstil. 


1)  Bär,  P.  Herrn.,  Diplomat.  Gesch.  der  Abtei  Eberbach.  Bd.  1.  1855.  — Kloster 
Eberbach  im  Rheingau,  in  Didaskalia.  (1857).  No.  132.  —  Rössel,  C,  Beschreib, 
der  Abtei  Eberbach,  in :  Denkm.  aus  Nassau.  Heft  2  u.  3.  1S57.  1862. 

2)  Die  Münsterk.  in  Essen,  im  Organ  für  chrisü.  Kunst  1851.  S.  89—91  ;  1852. 
S.  3 — 5.  —  Quast,  Ferd.  v.,  die  Münsterk.  in  Essen,  in  der  Zeitschr.  für  Archäol. 
u.  Kunst  I,  1—20.  (Auch  in  Förster's  Denkm.  6,  33-^9  u.  3  Taf.) 


in  den  Rheinlanden.  -  329 

BusenUial  bei  Landau.  Von  der  1260  vollendeten  Klosterkirche  ist 
nur  der  gerade  geschlossene  Chor  und  das  östlich  mit  je  zwei  eine  Abseite 
bildenden  Kapellen  besetzte  QuerschifT  vorhanden;  gothisirender  Ueber- 
gangsstil.  (Sighart,  Bayer.  Kunstgesch.  S.  250—252.) 

frankeythal  bei  Worms.  Ruine  der  1224  geweihten  Stiftskirche  mit 
zwei  Thürmen  über  dem  Ostende  der  Seitenschiffe  und  prachtvollem  West- 
portal. (Lotz  2,  119.) 

heibnrg  L  B.  Das  Querschiff  des  Münsters  im  Uebergangsstil.  — 
Die  evangelische  Kirche  (ehemal.  Klosterk.  von  Thennenbach,  seit 
1829  abgetragen  und  verändert  wieder  aufgebaut)  :  Gewölbebau  im  Ueber- 
gangsstil  mit  quadratischem  Chor  und  je  zwei  Kapellen  an  der  Ostseite  der 
Kreuzflügel.  Querliegende  Tonnengewölbe  in  den  Seitenschiffen.  (Hübsch^ 
H.,  Bauwerke  S.  12—15.) 

Cebwiller  bei  Thann.  Lazariuskirche,  begonnen  1182,  Oewölbebau  im 
Uebergangsstil  mit  offener  Vorhalle  und  zwei  viereckigen  Thürmen  in 
Westen  und  einem  hohen  achteckigen  Thurm  über  der  Vierung.  (Seh we ig- 
haeuser  et  Golbery  I.  Taf.  20.) 

Ceigeybaeh  unweit  Strassburg.  Die  im  Innern  verunstaltete  Stifts- 
kirche, eine  der  Klosterkirche  zu  Alpirsbach  in  Schwaben  ähnliche  Säulen- 
basilika. (Lotz  2,  137.) 

tIerresheiH  bei  Düsseldorf.  Stiftskirche,  Oewölbebau  im  Uebergangs- 
stil, mit  hohem  Thurm  über  der  Vierung. 

(liebdoif  bei  Bonn.  Kapelle,  fttnfseitig  geschlossen,  mit  schwerfälligem 
viereckigem  Thurm.    Krypta. 

(ÜMderidi  bei  Xanten.    Kleine  Kirche  im  Uebergangsstil. 

Gladbach  bei  Düsseldorf.  ^)  Abteikirchc,  ^)  begonnen  seit  1242,  Ge- 
wölbebau im  Uebergangsstil  mit  niedrigem  eine  Empore  enthaltenden  West- 
thurme  und  einer  Wandgalerie  über  den  Spitzarkaden ;  kein  Querschiff; 
der  Chor,  neben  welchem  sich  die  Seitenschiffe  in  späterer  Verlängerung 
fortsetzen,  bereits  frühgothisch.  Die  Krypta  stammt  von  einem  älteren  Bau. 
Restauration  seit  1857. 

filockebberg  bei  Strassburg.    Ruine  einer  Kapelle. 

MIesberg  bei  Bonn.    Kirche  von  1208. 

fiols  bei  Coblenz.  Alte  Kirche,  kleiner  Gewölbebau  mit  Spitzarkaden 
und  Emporen  über  den  Seitenschiffen,  die  zu  den  Seiten  des  Westthurmes 
vortreten.  Der  Chor  erhöht,  mit  kleiner  Apsis.  Am  Mittelschiff  Strebe- 
bögen, meist  unter  den  Dächern  verstehet.    (Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  215.) 

lageia«.  St.  Georg,  begonnen  1149,  geweiht  1184  :  Säulenbasilika 
mit  einfachen  Würfelcapitälen ;  die  Westseite  im  Uebergangsstil;  Chor  und 
Kreuzarme  gothisch;  das  Schiff  mit  gothischen  Gewölben.  (Schweig- 
haeuser  et  Golbery  11.  145.  Taf.  34.)  —  Der  Thurm  der  alten  Spital- 
kirche. 


1)  Eckertz,  Gottfr.,  u.NoeveT,E.  J.  Konr.,  die Benedictiner- Abtei  inMün- 
chen-Oladbach.  1853. 

2)  Die  ehemal.  Benedictiner  -  Abteikirche  zum  h.  Veit  in  M.-Gladbach  u.  ihre 
Wiederherstellung,  im  Organ  für  christl.  Kunst  1859.  No.  22—24. 


330  BomaniMfae  Kirchen 

letaenhelH  bei  Sinzig.  Die  Kirche  ^)  mit  Wulst-umzogenen  Spitz- 
arkaden  und  mit  ungewölbten  Emporen  über  den  Seitenschiffen ;  das  Mittel- 
schiff ist  gothisch  überwölbt  auf  Consolen.  Ueber  der  Vierung  eine  Kuppel 
mit  achtgiebeligem  gothischen  Thurm.  Der  Chor  polygonisch  geschlossen ; 
ebenso  die  Nebenconchen. 

leiiskerg.  Die  rechteckige  Säulenkrypta  unter  der  Gangolfskirche,  ^ 
erste  Hälfte  des  XII.  Jahrh. 

lebterbach  bei  Königswinter.  Kuine  der  etwa  1202  begonnenen  und 
1237  geweihten  Cisterzienserkirche :  ^)  Oewölbebau  mit  Umgang  um  den 
halbrund  geschlossenen  Chor  und  mit  zwei  Querschiffen.  (Boisserce 
Taf.  39—44.  —  Förster,  Denkm.  2,  13—16  und  2  Taf.) 

UMei  bei  Düsseldorf.  Die  Kirche,  ein  schlichter  spätroman.  Oe- 
wölbebau. 

lineMAck  bei  Boppard.  Die  Kirche  mit  flach  gedecktem  Langhause, 
nicht  ausladendem,  spätgpthisch  überwölbtem  Querhause  und  einfachem 
Westthurme;  der  Chor  frühgothisch.   (Kugler,  Kl.  Sehr    2,  211.) 

Hod-AtieMhefai  bei  Strassburg.    Dreischiffige  Kirche. 

Hoch-Eltes  (Eltenberg)  bei  Elton.  Stifts-  (jetzt  Pfarr-)  Kirche,  Oe- 
wölbebau mit  wechselnden  Pfeilern  und  Säulen,  Emporen  über  den  Seiten- 
schiffen und  westlichem  Thurm.    Chor  frühgothisch. 

lochst  Justinuskirche,  ^)  Säulenbasilika  mit  korinthisirenden  Capi- 
tolen  und  trapezartigen  Kämpfern  darüber;  mit  Ausnahme  des  spätgoth. 
Quer- und  Altarhauses  nach  1090.  (Gladbach  [Mo  11  er  III.],  Denkm. 
Taf.  7  — 11  ;  v.  Quast,  die  roman.  Dome  etc.  Taf.  5  Fig.  1 — 5). 

lölhgei  bei  Dürkheim.  Wenige  Ueberreste  der  1 120  gegr.  Augus  ti- 
nerkirche.  —  Die  kleine  einschiffige  Jacobsk.  auf  dem  Kirchhofe. 

Ikei  bei  Kreuznach.    Kleine,  trefflich  ausgeführte  Kirche. 

Iigelheta  (Nieder -Ingelheim)  bei  Bingen.  In  der  jetzigen  evangel. 
Kirche  Ueberreste  der  Palastkirche  Friedrichs  Barbarossa  von  1154,  be- 
stehend aus  dem  Kreuzbau  mit  der  Apsis  und  zwei  schlanken  viereckigen 
Thürmen  in  den  Winkeln  zwischen  dem  Chor  und  den  Kreuzarmen.  Das 
Langhaus  von  1766.  *) 

JohMlisberg.  Kirche  der  1106  gestifteten  Benedictiner- Abtei,  mit 
Holzdecke;  modernisirt. 

Jilldl.  Der  westliche  Theil  der  Kirche  romanisch;  der  östliche  im 
TJebezgangsstü. 

Kaisenkerg  bei  Colmar.  Die  Westseite  und  die  Arkadenpfeiler  der 
goth.  Pfarrkirche. 


1)  Kinkel,  Gottfr. ,  die  Kirche  zu  Heimersheim ,  in  L  er  seh,  Jahrb.  2, 
313^340. 

2)  Lindemann,  J.  W.,  die  Stiftsk.  vom  h.  Gangolphus  zu  Heinsbeig,  (auft 
einem  Schulprogramm)  im  Organ  für  christl.  Kunst  1853  No.  18 — 21  u.  1851  No.  2; 
vergl.  den  Nachtrag  von  v.  Quast,  ebd.  1853  No.  22. 

3)  Harless,  Heisterbach,  in  den  Bonner  Jahrb.  XXXVII,  45—50. 

4)  Müller,  Fz.  Hub.,  über  die  Architektur  der  alten  Kirche  zu  Höchst  a.  M., 
in  den  Annalen  des  Vereins  fOr  Nassauische  Altcrthumskunde  II.  3,  73 — 90. 

'  5)  Cohausen,  A.  v.,  der  Palast  K.  Carl  des  Or.  in  Ingelheim  u.  die  Bauten 
seiner  Nachfolger  daselbst,  in  den  Abbild,  von  Mainzer  Alterth.  V ;  vergl.  S.  17. 


in  den  Bheinlanden.  331 

Kaisenwerth«  Die  Stiftskirche,  ^)  ihrer  ursprünglichen  im  flach  ge* 
deckten  Langhause  erhaltenen  Anlage  nach  eine  schlichte  Pfeilerhasilika ; 
der  dreischüHge  mit  drei  polygonen  Apsiden  geschlossene  Chor,  ein  Ge- 
ivölbebau  von  gleicher  Breite  mit  dem  Querschiff,  zeigt  ein  Gemisch  von 
verdorbenem  spätromanischem  Uebergangsstil. 

Kappel  bei  Zug.  ^)  Der  rechtwinkelig  geschlossene  Chor  und  das  öst- 
lich mit  je  zwei  abseitenartig  angelehnten  Kapellen  versehene  Querhaus  der 
übrigens  goth.  Cisterzienserkirche  im  Uebergangsstil. 

KeHpei  bei  Krefeld .  Die  flach  gedeckte  einschiffige  Peterskapelle 
ausserhalb  der  Stadt.  —  Die  Spitzarkaden  und  der  Westthurm  der  übrigens 
goth . ,  1858  restaurirten  ehemal .  Stiftskirche  im  Uebergangsstil . 

Urchbiel  bei  Sempach.  Schmucklose  einschiff'ige  Kirche '^]  mit  goth. 
Chor  und  an  der  südl.  Langseite  stehendem  Thurm. 

Kl«8terrath  (Rolduc)  bei  Aachen.  *)  Die  Augustiner -Stiftskirche,  *) 
ein  rundbogiger  Gewölbebau  (begonnen  1138,  geweiht  1209).  in  dem  die 
gurttragenden  Pfeiler  mit  dazwischen  stehenden  Säulen  wechseln ,  wobei 
jedoch  diese  Anordnung  durch  zwei  querschiffartige  Joche  unterbrochen 
wird.  Am  Westende  ein  rechteckiger  Thurm  mit  einer  Empore.  Die  Säulen- 
krypta (S.  299  Fig.  144),  welche  sich  kleeblattlörmig  unter  dem  spätgoth. 
Altarhause  befindet  und  bis  unter  die  Vierung  des  weit  vortretenden  Quer- 
hauses erstreckt,  besteht  aus  zwei  Theilen,   deren  ältester  von  1108  datirt. 

Kneehtetedey  bei  Dormagen.  Die  Prämonstratenserkirche ,  ®)  (heg. 
1 138) ,  eine  überwölbte  doppelchörige  Anlage,  in  deren  Langhause  die  gurt- 
tragenden Pfeiler  mit  dazwischen  gestellten  Säulen  wechseln.  Ueber  der 
Vierung  des  weiträumigen  mit  drei  Kuppeln  gedeckten  Querschiffes  ein 
achteckiger  Mittelthurm  und  zwei  kleine  quadratische  Thürme  in  den  Win- 
keln zwischen  den  Kreuzarmen  und  dem  Altarhause.  Das  schmuck  volle 
Hauptportal  unter  besonderer  Giebelhalle  befindet  sich  am  südl.  Seiten- 
schiffe. 

Koben  bei  Coblenz.  Mathiaskapelle,  ^)  sechseckiger  Centralbau 
mit  niedrigem  Umgang  und  noch  niedrigerer  östlicher  Apsis  im  elegantesten 
Uebergangsstil.  —  Der  Thurm  der  ehemaligen  Kirche  mit  zwei  Erkern 
am  Walmdache.  (Lotz  1,  327.) 

Laach  ^)  bei  Andernach.  Abteikirche  (t  1 12 — 1156),  ausgezeichneter 
(schön  restaurirter)  doppelchöriger  Gewölbebau  (einfache  rechteckige  Joche 


1)  Bock,  Fz.,  die  Stiftsk.  zu  Kaiserswerth,  im  Organ  für  christl.  Kunst  1S53« 
No.  9  f. 

2)  Esche r,  H.,  die  Stiftung  des  Kl.  Kappel,  in  den  Mittheil,  der  antiquar. 
Geselisch.  in  Zürich.  II.  1,  1 — 8.  —  Vögelin,  Sal.,  u.  Keller,  Ferd.,  da«  ehemal. 
Kloster  Kappel  im  Canton  Zürich,  ebd.  III.  1 . 

3)  GeschichtBfreund.  Mittheil,  des  histor.  Vereins  der  fünf  Orte  Luzem  etc.  M, 
35—38;  15,95—99. 

4)  Schaepkens,  Alex.,  Rolduc  et  ses  enyirons.  1854. 

5)  Bock,  Fz.,  die  ehemal.  Augustiner^ Abteik.  Klosterrath,  im  Organ  fürchristl. 
Kunst.   1859.  No.  15  f.   Vergl.  oben  S.  31  i  Nota  2. 

(5)  Derselbe,  diePrftmonstr.-Ahteik.Knechtsteden,a.a.  O.  18(>0.  No.  21  u.  23. 

7)  Dronke,  E.,  u.  Lassaulx,  J.  Claud.  t.,  die  Mathiaskap.  auf  der  oberen 
Burg  bei  Kobern  a.  d.  Mosel.  1837. 

8)  Wegeler,  Im.,  das  Kloster  Laach.  Geschichts-  u.  Urkundenbuch.  1854. 


332  Romanische  Kirchen 

im  Langhause)  mit  zwei  Querschiffen,  einem  achteckigen  Kuppelthurm  über 
der  östl.  Vierung,  zwei  Viereckthürmen  in  den  Winkeln  zwischen  den 
Nebenapsiden  und  dem  Altarhause,  einem  über  der  westl.  Vierung  aufstei- 
genden viergiebeligen  Thurm  und  zwei  Rundthürmen  vor  den  Giebeln  des 
westl.  Querhauses.  Unter  dem  östlichen  Hauptchore  eine  Säulenkrypta. 
Westlich  vor  der  Kirche  ein  Säulenhof  (Paradies)  im  edelsten  und  elegan- 
testen Spätstil.  (Boisseree  Taf.  25.  26.  —  Geier  und  Görz  in  Lief. 
1—4.  —  Förster,  Denkm.  2,  1—6  und  3  Taf.  —  Vergl.  oben  S.  296 
Fig.  136;  S.  297  Fig.  139;  S.  307  Fig.  156;  S.  317  Fig.  168.) 

UHtarg  A.  d.  Itardt  bei  Dflrkheim.  Ruine  der  um  1030  gegründeten, 
1042  geweihten  Klosterkirche,  einer  rechtwinkelig  geschlossenen  Säulen- 
basilika mit  Nebenapsiden  und  einem  Westthurm  über  der  Vorhalle,  an 
deren  Ecken  (ursprünglich  runde)  Treppenthürme  vortraten.  Die  quadrat. 
Krypta,  1035  vollendet.  (Geier  und  Görz  Lief.  2  Taf.  4  und  5.  — 
Förster,  Denkm.  1,  7  und  Taf,  3  Fig.  a—e.) 

LiHbwg  a.  d.  Lahy.  Die  Stiftskirche  (Dom)  ^)  aus  der  ersten  Hälfte 
des  Xin.  Jahrb.,  Gewölbebau  im  Uebergangsstil  mit  Emporen  über  den 
Seitenschiffen  und  dem  Chorumgange  und  einer  Säulengalerie  unter  den 
Oberlichtem.  Ausser  zwei  mächtigen  Westthürmen  in  der  Axe  der  Seiten- 
schiffe ein  achteckiger  Kuppelthurm  mit  hohem  Spitzhelm  über  der  Vierung 
und  je  zwei  kleinere  über  den  Ecken  der  Kreuzflügel  angeordnete  Viereck- 
thürme.  (Moller  II.  Taf.  19—31.  —  Förster,  Denkm.  1,  15—18  und 
4  Taf.  —  Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  182.  —  Vergl.  oben  S.  312  Fig.  162, 
S.  313  Fig.  163  und  S.  315  Fig.  167.) 

liadav  am  Bodensee.  Die  schmucklose  einschiffige  Petrikirche  mit  nur 
einem  Fenster  in  der  Apsis ;  jetzt  Magazin. 

Uni  bei  Andernach.  Spätgothisch  veränderte  Kirche  im  Uebergan-^^'s- 
stil.  Gewölbebau  mit  Emporen  über  den  Seitenschiffen;  kein  Querschiff; 
Chorschluss  fünfseitig ;  viereckiger  Westthurm  mit  schlankem  Helm. 

Loiaig  bei  Coblenz.  Der  Chor  der  modernen  Kirche  mit  Apsis  und 
zwei  schlanken  Thürmen  im  Uebergangsstil.  —  Ueberreste  eines  Central- 
baues.    (Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  41  und  210.  Vergl.  oben  S.  285.) 

Lorsch  bei  Bensheim.  Buine  der  1130  geweihten  und  anscheinend 
bald  darauf  vergrösserten  Klosterkirche,  einer  flach  gedeckten  Pfeiler- 
basilika mit  Krypta.  (Moller  I.  Taf.  4.  —  v.  Quast,  die  roman.  Dome 
des  Mittelrheins  Taf.  5  Fig.  7  und  8.)  —  Ueber  die  karoling.  Durch- 
gangshalle s.  oben  S.  286. 

Lörenich  bei  Cöln.  Die  Kirche,  ein  einfacher  Bau  ohne  Querschiff  mit 
Nebenapsiden  an  den  Seitenscbiffen  und  Überwölbtem  Chor. 

Uflelberg  bei  Meckenheim.  Kirche  im  Uebergangsstil,  mit  älterer 
Vorhalle. 

Llteabach  bei  Gebweiler.  Die  spätroman.  flach  gedeckte  Capitels- 
kirche,  in  deren  Arkaden  Pfeiler  mit  cannelirten  Säulen  wechseln.    An  der 


1)  Busch,  Einige  Bemerk.  Aber  das  Alter  der  Domkirche  zu  Limburg  a.  d.  L. 
1S4I.  —  Dahl,  J.  C,  die  Domkirche  in  Limhurg,  in  den  Annalen  des  Vereins  für 
Kassauische  Alterthumsk.  II.  f,  153 — 170. 


in  den  Rheinlanden.  333 

Westseite  zwischen  zwei  zerstörten  Thfirmen  eine  sich  in  drei  Bögen  nach 
aussen  öffnende  Vorhalle .  Der  Chor  mit  Strebepfeilern .  (Schweighaeuser 
etGolb6ryI.  Taf.  24.) 

laiu.  ^)  Der  Dom,  ^)  ein  grossartiger  doppelchöriger  Gewölbebau, 
sehr  wahrscheinlich  im  Langhause  aus  einer  früheren  Basilika  mit  Holz-« 
decke  umgebaut,  mit  zwei  Kuppel-gekrönten  Querhäusern  (von  denen  jedoch 
nur  das  ausladende  westliche  innerlich  ein  Querschiff  bildet,  w&hrend  das 
östliche,  von  der  Breite  des  Langhauses,  die  Fortsetzung  der  Seitenschiffe 
aufnimmt,  die  hier  mit  Kapellenräumen  übersetzt  sind;,  zwei  auf  den  Ecken 
vortretenden  runden  Ostthürmen  und  zwei  den  polygonen  Westchor  flanki- 
renden  achteckigen  Thürmen.  Abgesehen  von  gothischen,  zopfigen  und 
modernen  Veränderungen,  Anbauten  und  Restaurationen  ergeben  sich  nach 
V.  Quast  und  Wetter  drei  verschieden^  Hauptbauperioden  (vergl.  oben 

5.  311  Anmerk.  2);  1)  die  beiden  östlichen  runden  Treppenthürme  (mit 
Ausnahme  der  oberen  Aufsätze)  1009 — 1036;  2)  die  Gothardskapelle  (ein 
nördlich  am  Dom  belegener  zweistöckiger,  aus  je  drei  gleich  hohen,  von 
vier  Säulen  getragenen  und  in  Apsiden  endenden  Schiffen  bestehender  Ge- 
wölbebau;  vergl.  oben  S.  20)  1135 — 1138  und  das  Schiff  (mit  Ausnahme 
der  später  erneuerten  Gewölbe)  nach  dem  Brande  von  1137;  3)  das  Quer- 
«chiff,  geweiht  1228,  und  der  Westchor,  geweiht  1239.    (Mol  1er  L  Taf. 

6,  9  und  12.  —  Gailhabaud,  Denkm.  Bd.  II.  Abth.  5.  No.  22.  — 
Förster,  Denkm.  1,  57  —  66  und  2  Taf.  —  v.  Quast,  die  roman.  Dome 
des  Mittelrheins.  Taf.  l  und  2.  —  Vergl.  oben  S.  320  Fig.  171.)  Die 
unter  dem  Ostchor  befindlich  gewesene  Krypta  existirt  nicht  mehr,  und  die 
goth.  Gruft  des  h.  Bardo  ^)  ist  unzugänglich.  Der  Capitelsaal  (die  sogen. 
Memorie)  gehörte  zu  dem  1243  geweihten  (später  gothisch  erneuerten) 
spätroman.  Kreuzgange.  —  Der  Unterbau  des  nordöstl.  Thurmes  von  St. 
Christophorus  im  Uebergangsstil.  —  Die  um  1230  bis  1236  errichtete, 
spätgothisch  umgebaute ,  jetzt  profanirte  Heil.  Geist- Hospitalkirche, 
von  welcher  ein  geschmücktes  Portal  gegenwärtig  im  Innern  des  Domes  (im 
nördl.  Kreuzarm)  angebracht  ist.  —  Reste  der  ehemal.  Heil.  Grabkirche, 
eines  kleinen  einschiffigen  Bauwerkes  mit  hohem  Thurm  über  dem  klee- 
blattförmig  ausgestalteten  quadratischen  Chor,  im  Hofe  der  preuss.  Genie- 
Direction. 

Iirback  bei  Gebersweier.  Reste  der  Augustinerstiftskirche.  (Seh  weig- 
haeuser  et  Golb6ry  I.  Taf.  19). 

laimtester  (Marmoutier) .  Der  spätroman.  aus  rothen  und  weissen 
Steinen  errichtete  Westtheil  der  gothischen  und  zopfigen  Benedictinerkirche, 
bestehend  aus  zwei  quadrat.  Thürmen  auf  beiden  Seiten  einer  nach  aussen 
geöffneten   dreischiffigen  Säulenhalle,    aus   deren  Giebelfront   ein   dritter 


1}  Joannis,  Geo.  Chr.,  Kenun  Mogunt.  VoU.  II.  1722.  —  Schaab,  C.  A., 
Oesch.  der  Stadt  Mainz.  4  Bde.    1841—1851. 

2)  Werner,  Fz.,  der  Dom  zu  Mainz  u.  seine  Denkm.  2  Bde.  1S27  u.  1830.  — 
Wetter,  J.,  Gesch.  u.  Beschreib,  des  Domes  zu  Mainz.  1835.  —  Emden,  Herrn., 
u.  Wetter»  J.,  der  Dom  zu  Mainz  u.  seine  bedeutendsten  Denkm.  in  Photogra- 
phien.   1857. 

3)  Dahl,  J.  C,  die  Krjpta  des  h.  Bardo  im  Dom  zu  Mainz,  in  den  Nassauer 
Annalenlll.  3,  3—10. 

0 1 1 1 ,  KuDSt-Archtologit.  2 2 


334  Romanische  Kirch«n 

Thurm  aufsteigt.  (Schweighaeuser  et  Golb^ry  IT.  105  und  Taf.  25. 
—  Gailhabaud,  Denkm.  H.  Abth.  V.  No.  17.  Taf.  1—4.  —  Förster, 
Denkm.  9,  61  und  1  Taf.) 

layeH.  Die  verstammelte  im  goth.  Vebergangsstil  errichtete  flach  ge- 
deckte Frauenkirche  unfern  des  Ortes. 

■ayeihanswiller  bei  Zabem.  Die  Benedictinerkirche ,  dreischiffiger, 
in  drei  Apsiden  schliessender  Qewölbebau  ohne  Querschiff ,  mit  Eopfiger 
Westfront. 

leckeiheta  bei  Bonn.  Die  Kirche,  ein  schlichter,  spätgothisch  über- 
wölbter Bau  (ohne  nOrdl.  Seitenschiff)  im  Uebergangsstil. 

lehtei  bei  Aachen.  Die  profanirte  Quirinuskapelle,  ^)  einschiffig  im 
Uebergangsstil^  zwischen  1215  und  1242. 

■eriig  a«  d.  Saar.  Die  Kirche,  eine  spätgothisch  aberwölbte  SSulen- 
basilika  in  Uebergangsformen,  mit  drei  Apsiden,  einem  Westthurme  und 
zwei  Tharmen  an  der  Ostseite  der  Kreuzarme.  (Schmidt,  Baudenkmale 
in  Trier  etc.  Lief.  3.  Taf.  1.) 

letdach  bei  Merzig.  Ruine  eines  gothisch  veränderten  ehemaligen 
achteckigen  Centralbaues,  genannt  der  Thurm ;  s.  oben  S«  284  f. 

■ittelhete.  Augustinerkirche  ^)  (gegen  1140),  eine  schl'ichte,  flach  ge- 
deckte Pfeilerbasilika  mit  sehr  kurzem  und  aberwölbtem  Chor,  einem  Kup- 
pelthurm  über  der  Vierung  und  sehr  schmalen  Seitenschiffen. 

■•■heta  bei  Dormagen.  Das  dreischiffige  Langhaus  der  Dorfkirche  im 
Uebergangsstil. 

■oselweb  bei  Coblenz.  Die  Kirche,  der  in  Bendorf  (s.  d.)  ähnlich, 
aber  mit  gerade  geschlossenem  Chor. 

liden  bei  Moselkem.  Die  Kirche  mit  gerade  geschlossenem  Haupt- 
und  polygon  schliessenden  Seitenschiffen  und  mit  viereckigem  Westthurm. 
(Lotz  1,  449.) 

lindelheta  bei  Düsseldorf.    Pfarrkirche. 

IfinsterelffeL -^)  Die  Stiftskirche,  eine  später  überwölbte  einfache  Pfei- 
lerbasilika mit  grosser,  meist  erneuerter  Krypta. 

HttBsteraalfeM.  Von  der  gothischen  Martinskirche  ist  der  mit  zwei 
halbrunden  Treppenthürmen  besetzte  Westthurm  romanisch ;  der  im 
halben  Zehneck  geschlossene  Chor  (begonnen  1225)  mit  innerem  Arkaden- 
umgang, sowie  die  Nebenapsiden  am  Querschiff  zeigen  den  Uebergangsstil. 
(Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  217.) 

■■rbadi  bei  Oebweiler.  *)  Die  noch  stehenden  Theile  der  1139  ge- 
weihten Benedictinerkirche :  der  dreischiffige,  gerade  geschlossene  und  flach 
gedeckte  Chor  und  zwei  viereckige  Thürme  über  den  Kreuzarmen.  (Schweig- 
haeuser  et  Golbery  L  Taf.  25.  —  Lübke,  Qesch.  der  Architektur 
S.  385.) 


1)  Qu  ix,  Chr.,  die  Kapelle  zu  Melaten.    1843. 

2)  Görz,  R.y  die  Kapelle  zu  Mittelheim  im  Kheingau,  in  den  Nassauer  Annalen 
m.  2,  95—104. 

3)  Katzfey,  Gesch.  der  Stadt  MOnstereiffel.  (Mit  Grundriss  der  Kirche.)  2  Bde. 
IS54.  JS55. 

4)  Otte,  Ferd.,  die  Abtei  Murbach.  1S57. 


in  den  Rheüilanden.  335 

NeiM  bei  Dttsseldorf.  St.  Quirin,  ^)  gegr.  1209,  in  der  Chorpartie 
nach  dem  Vorbilde  von  St.  Aposteln  zu  Cöln,  Qewölbebau  mit  Emporen 
über  den  Seitenschiffi^n.  Die  Westseite  mit  hohem  Mittelthurm  bildet  im 
Aeusseren  ein  überreich  decorirtes  Querhaus;  ausserdem  hat  das  west- 
lichste Drittel  des  Langhauses  doppelte  Seitenschiffe  mit  Giebelfronten. 
Restaurirt.  (Boisser^e  Taf.  50 — 52.  —  Förster,  Denkm.  5,  13—16 
und  2  Taf.) 

Neiweller.  Die  St.  Adelphikirche,  QewOlbebau  im  Uebergangs- 
Stil  mit  viereckigem  Thurm  über,  der  Vierung  und  Nebenapsiden  an  den 
Kreuzarmen ;  an  der  Westseite  zwei  zierliche  halbrunde  Thürme.  Der  halb 
zerstörte  dreischitfige  Chor  ist  gothisch .  (SchweighaeuseretGolbery 
II.  Taf.  32.)  —  Von  der  Abteikirche  ist  das  gerade  geschlossene,  mit 
zwei  ahnlichen  Seitenkapellen  begleitete  Altarhaus  und  das  Querschiff  noch 
in  reicher  roman.  Ausstattung,  während  das  I^anghaus  bereits  gothisch  ist. 
An  die  Ostseite  des  Chores  schliesst  sich  eine  zweistockige,  in  drei  Apsiden 
endende  dreischiffige  Kapelle,  deren  Decken  von  S&ulen  getragen  werden. 
(A.  a.  O.  S.  136  und  Taf.  3t.)    Der  von  Säulen  getragene  Capitelsaal. 

KickMich  bei  Andernach.  Die  kleine  Kirche  mit  gewOlbtem  Schiff  und 
spätgoth.  Chor. 

NMefgeM  bei  Düren.  Rundbogig  spätroman.  Kirche.  ''^)  Dem  drei- 
schiffigen,  mit  Triforien  versehenen  und  auf  UeberwOlbung  in  zwei  Doppel- 
jochen berechneten,  aber  flach  gedeckten  Langhause,  dessen  Abseiten  in 
Apsiden  enden,  legt  sich  in  der  Breite  des  Schiffes  ein  kleines  über  Eck- 
säulen eingewölbtes  und  viel  niedrigeres  Altarhaus  mit  Apsidenschluss  vor. 
Vor  der  Westseite  ein  quadrat.  Thurm. 

KlederlahutelM  bei  Coblenz.  Die  Kirche  St.  Johann,  eine  flach  ge- 
deckte ,  rechteckig  geschlossene  Pfeilerbasilika  ohne  Querhaus  mit  einem 
älteren  massigen  Westthurme,  aus  den  Ruinen  1856 — 1861  wiederher- 
gestellt. 

NkderMlltler  unter  St.  Odilien.  Ruinen  der  1180  geweihten  Nonnen- 
kirche und  einiger  zu  dem  Kloster  gehörig  gewesenen  Kapellen. 

NjHwegea.  Ueber  die  Kapelle  auf  dem  Valkhofe  s.  oben  S.  284.  Die 
Ruinen  der  daneben  befindlichen  Schlosskirche  aus  dem  XII.  Jahrb. 

tberbreisig  bei  Andernach.  Die  Kirche,  eine  kleine  überwölbte  zier- 
liche Pfeilerbasilika  im  Uebergangsstil ,  mit  Empore  über  der  nördlichen 
Abseite,  ohne  Querschiff;  die  Apsis  bildet  ein  halbes  Zehneck ;  der  West- 
thurm  ist  später  umgebaut. 

•berkirch  unweit  Strassburg.    Unter  der  goth.  Kirche  eine  Krypta. 

•kenteigei  bei  Zabem.  Die  Augustinerkirche,  überwölbte  Basilika 
ohne  Querschiff  mit  kleinem  Chor  im  gothisirenden  Uebergangsstil;  re- 
staurirt. 

Ifeibich  am  Glan  bei  Grumbäch.    Die  gothisirend  überwölbten  Reste 


1)  B.,  die  St.  QuirinuB- Kirche  zu  Neuss,  im  Orgaa  far  christl.  Kunst.    1852. 
S.  203—205.  —  L.,  die  Münsterkirche  von  St.  Quirin  in  Neuss,  ebd.  IS53.  S.  29—31. 

2}  Dr.  . . .  r,  Nideggen,  seine  Kirche  u.  seine  Burg,  im  Organ  für  christl.  Kunst. 
1866.  No.  7  nebst  2  Taf. 

22  • 


336  Romanische  Kirchen 

der  ehemal.  Benedictinerkirche :  ^)  das  QuerschifF  mit  dem  wenig  vertieften 
Chore,  der  fünfseitigen  Hauptapsis,  dreiseitigen  Nebenapsiden  und  einem 
geringen  Fragment  des  dreischifilgen  vollkommen  goth.  Langhauses;  auch 
der  achteckige  Thurm  über  der  Vierung  ist  gothisch .  (Schmidt,  Baudenkm . 
in  Trier  etc.  Lief.  3.  Taf.  2  und  3.) 

Iphoren  bei  Heinsberg.    Die  ziemlich  erhaltene  einfache  Kirche. 

•ppeiheiH.  Die  Westthürme  der  Katharinenkirche  und  Chor, 
Querschiff  und  Westfront  der  Altstadt.  Pfarrkirche  im  Uebergangsstil. 

Itterberg  bei  Kaiserslautern.  Cisterzienserkirche ,  ^)  GewOlbebau  in 
einem  Gemisch  roman.  und  goth.  Formen :  das  Altarhaus  hat  dreiseitigen 
Apsidenschluss,  das  schmale  Querhaus  tritt  weit  hervor  und  das  Langhaus 
mit  gratigen  Kreuzgewölben  ist  mit  ausgebildeten  Strebepfeilern  besetzt; 
die  Westfa^ade  mit  reichem  dreitheiligen  Portal,  einer  Fensterrose  und  im 
Giebel  ein  breites  goth.  Fenster.  Der  Bau  soll  1225  im  Wesentlichen  voll- 
endet gewesen  sein.  (Gladbach  [Moller  IIL]  Denkm.  Taf.  12 — 15.  — 
Sighart,  Kunstgesch.  von  Bayern  S.  249  ff.  —  Förster,  Denkm.  10, 
39  ff.  und  2  Taf.) 

Ittvarsheta  bei  Mühlhausen  im  Elsass.  Ueber  den  achteckigen  Cen- 
tralbau  s.  oben  S.  284. 

Petershaisei  bei  Constanz.  Von  der  ehemaligen  Klosterkirche,  einer 
westlich  orientirten,  rechteckig  geschlossenen,  flach  gedeckten  Säulenbasi- 
lika mit  isolirtem  Thurme  aus  dem  XII.  Jahrh.  existirt  nur  noch  das  jetzt 
zu  Neu-E berstein  aufgestellte,  restaurirte  östliche  Hauptportal.  *)  (Denk- 
male am  Oberrhein  I.  Titelvignette  und  Taf.  10.) 

Pfaffenheta  bei  Ruffach.  Der  polygonisch  geschlossene  Chor  der  Kirche 
und  der  viereckige  Thurm  im  Uebergangsstil.  (Schweighaeuser  et 
Golb6ry  I.  Taf.  21.  —  Lübke,  Gesch.  der  Architektur  S.  386.) 

PfaffenschwabenheiH  bei  Kreuznach.  Der  Chor  der  Klosterkirche  mit 
zwei  runden  Thürmen  auf  den  Seiten  des  dreiseitigen  Schlusses,  ein  klei- 
nes ,  aber  glänzendes  Beispiel  des  Uebergangsstils.  (Hess.  Denkm.  Taf. 
15—18.) 

Pfkliel  bei  Trier.  Die  Stiftskirche,  *)  eine  kreuzförmige  Basilika  mit 
romanischen,  gothischen,  zopfigen  und  modernen  Bestandtheilen,  besonders 
bemerkenswerth  durch  die  Technik  der  theilweise  bis  in  die  karoling.  Zeit 
hinaufreichenden  Umfangsmauern.  (S.  oben  S.  32.) 

Radolftzeli  bei  Constanz.    Krypta  unter  der  goth.  Kirche. 

RatiBgen  bei  Düsseldorf.  Der  Westthurm  der  Pfarrkirche  mit  dem 
Portal  und  zwei  kleine  Thürme  über  der  Mitte  der  Seitenschiffe. 


1)  V.  Quast,  die  Kirohe  cu  Offenbach  am  Ol.,  in  der  Zeitschr.  für  Archäol.  u. 
Kunst  2,  87  f. 

2)  Das  Münster  zu  Otterberg,  in  der  Augsb.  Allgein.  Zeitung  1S56.  Beilage  zu 
No.  219. 

3)Kriegv.  Hochfe\den,0.  H.,  das  Kirchenportal  der  Abtey  Petershausen. 
1852.  (Vergl.  den  im  Anseiger  des  german.  Museums  1860  Sp.  2S4  ff.  enthaltenen 
Auszug) . 

4)  Die  Stiftskirche  zu  Pfalzel ,  in  den  Mittheil,  des  histor.  Vereins  zu  Trier. 
Heft  1  No.  6. 


in  den  Rheinlanden.  337 

Rareigienkug  ^)  bei  Simmern.  Die  Tburmfa9ade  ^  der  einschi£figen 
spätgoth.  Klosterkirche. 

KegbheiH  bei  Mühlhausen.  Die  Kirche,  ein  schöner  Quaderbau  mit 
Thurm. 

Reiehenai)  ^)  Insel  im  Bodensee.  Die  Klosterkirche  zuMittelzell 
(Marienmünster) ,  eine  flach  gedeckte  Pfeilerbasilika  mit  östlichem  und  west- 
lichem Querschiff,  an  welches  letztere  sich  eine  Apsis  schliesst,  die  von 
einem  rechteckigen  Thurme  eingeschlossen  ist,  dessen  Erdgeschoss  sie 
bildet,  während  in  zwei  Stockwerken  über  derselben  sich  Reste  einer  in 
drei  Bogenstellungen  nach  innen  geöffneten  Empore  befinden.  Das  Ganze 
ist  auffallend  unregelmässig  und  scheint  der  1172  vorgenommenen  Er- 
neuerung eines  älteren  Gebäudes  anzugehören.  Der  Ostchor  ist  spätgoth isch. 
(Dorst,  C.  H.,  Reiseskizzen.  1848.  Heft  1  No.  8.  —  Hübsch,  die 
altchristl.  Kirchen  Taf.  49  Fig.  1 — 13.)  —  Die  Stiftskirche  St.  Georg  zu 
Oberzeil,  eine  Säulenbasilika  ohne  Querschiff,  westlich  von  einer  Apsis, 
Östlich  von  einem  Thurme  begrenzt,  an  den  sich  der  erhöhte  Ostchor  mit 
einer  quadratischen  Säulenkrypta  schliesst.  Die  Westapsis  ist  auch  hier 
von  einem  zweistöckigen  Gebäude  ummantelt,  dessen  Oberstockwerk  Säulen- 
fenster nach  dem  Mittelschiffe  zu  hat.  Die  Kirche ,  die  noch  Reste  aus  der 
Zeit  um  900  enthalten  soll ,  wird  ins  XI.  Jahrb.  versetzt.  —  Die  Stifts- 
kirche St.  Petri-Pauli  in  Unterzell,  eine  aus  drei  gleich  langen  Schiffen 
bestehende  Säulenbasilika,  mit  Thürmen  Über  dem  Ostende  der  Seiten- 
schiffe und  drei  in  der  Mauerstärke  ausgesparten  Altarnischen;  Xu.  Jahr- 
hundert. —  (Vergl.  Lotz  2,  411—413.) 

Reicheoberg  ^)  bei  St.  Goarshausen.  Sehr  geräumige  Kapelle  in  der 
Ruine  des  1284  gegründeten  Schlosses  im  Uebergangsstil :  ehemals  drei- 
stöckig und  durch  eine  Säulenreihe  in  zwei  Schiffe  von  ungleicher  Breite 
getheilt ;  der  östliche  Schluss  aussen  rund,  innen  dreiseitig. 

ReHagei.  Kathol.  Kirche:  im  flach  gedeckten  Schiff  rohe  Pfeiler 
und  Rundbögen ;  der  kleine  fünfseitig  geschlossene  (spätgoth.  überwölbte) 
Chor,  geweiht  1246,  in  zierlichem  Uebergangsstil.  —  Portal  am  kathol. 
Pfarrhof ,  mit  vielen  rohen  symbol.  Reliefs  an  den  Pfosten  und  dem  Bogen 
des  Thores ;  anscheinend  aus  dem  XII.  Jahrhundert.  ^) 


])  Back,  F.,  das  Kl.  Ravengiersburg  u.  seine  Umgebungen.  2  Bde.  (1S4I). 
2.  Aufl.    1853. 

2}FTeudenberg,  J.,  Portal  u.  Thürme  der  Klosterk.  zu  Ravengiersburg,  in 
den  Bonner  Jahrb.  XII,  1 19  u.  Taf.  7—10. 

3)  Fi  ekler,  C.  B.  A.,  die  kirchl.  Bauten  auf  Reichenau,  in  den  Denkmalen 
der  Kunst  u.  Gesch.  des  Heimathlandes,  herausgegeb.  von  dem  Badischen  Alter- 
thumsvereine  durch  A.  v.  Bayer.  Heft  5  nebst  4  Tafeln.  —  Die  Insel  Reichenau, 
in  der  Augsb.  Postzeitung.  ]855.  Beilage  zu  No.  214.  —  Drei  uralte  Basiliken  auf 
der  Insel  Reichenau  im  Bodensee,  ebd.  1S57.  Beilagen  zu  No.  272 — 276.  —  Staiger, 
Fz.  X.  C,  die  Insel  Reichenau  im  Untersee  mit  ihrer  Abtei.  1860.  -  Veigl.  Waa- 
gen, G.  F.,  aber  Denkm.  der  Kunst  etc.,  im  Kunstbl.  1848.  S.  253  f. 

4)  Burkart,  J.,  die  Burg  Reichenberg,  in  der  Zeitschr.  ftLr  Bauwesen.  1853. 
8p.  87— S9  u.  Taf.  71  u.  72. 

5)  Braun,  J.  W.  J.,  das  Portal  zu  Remagen.  (Festschrift  zu  Welcher«  Jubi- 
läum.) 1859.  —  Derselbe,  Kunstarchäolog.  Betracht,  über  das  Portal  zu  Remagen. 
(Programm  zum  Winckelmannsfeste.)  1859.  Vergl.  die  Anzeige  von  Chr.  Riggen- 
bach,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central -Comm.  etc.  (1860)  5,  60  u.  Annalen  des 
histor.  Vereina  fOr  den  Niederrhein  8,  264—266. 


338  Romanische  Kirchen 

Kepelen  bei  Mors.    Die  alten  llieile  der  Kirche,  Gewölbebau. 

Rheinkassel  bei  Cöln.  Die  Kirche  mit  zwei  Thürmen  zu  den  Seiten 
des  Chores. 

Riydiern  bei  Cleve.    Die  Apsis,  als  Uebcrrcst  einer  ehemal.  Kirche. 

RiMsehlfiden  bei  Ospem  (Luxemburg).  Die  Kirche,  deren  Wölbung 
auf  einer  Mittelsäule  ruht. 

lUHHenilorf  bei  Sayn.  Die  schon  im  späteren  M.-A.  verstümmelte, 
spätgothisch  überwölbte  Prämonstratenserkirche ,  zum  Theil  von  1135, 
meist  von  1210  mit  goth.,  1351  geweihtem  Chor.  An  die  Ost-  und  an  die 
Südseite  des  südlichen  Kreuzarmes  stossen  einige' Kapellen,  der  Capitelsaal 
und  der  Kreuzgang,  der  im  östl.  gothisirenden  Flügel  aus  der  Zeit  von 
1214 — 1236  stammt.   (Boisseree  Taf.  57  und  58.) 

R«sheta.  Die  Kirche,  ein  Qcwölbebau,  in  dessen  Langhause  Pfeiler 
als  Gurtträger  mit  dazwischen  gestellten  Säulen  wechseln.  Die  Westansicht 
erinnert  in  ihrer  Thurmlosigkeit ,  mit  ihrem  flachen  Giebel  und  flachen 
Seitenschifidächern  und  der  das  Profll  des  Aufbaues  befolgenden  Lisenen- 
decoration  an  italienische  Vorbilder.  Schweighaeuser  et  Golbery 
IL  66  Taf.  16.  —  Förster,  Denkm.  9,  23  und  2  Taf.  —  Schnaase, 
Kunstgesch.  IV.  2,  137  ff.) 

lUth  A.  d.  Iwr  (Luxemburg).  Die  spätgoth.  überwölbte  Kirche,  angeb- 
lich von  1256,  in  deren  Spitzarkaden  Säulen  zwischen  Pfeilern  stehen,  die 
unter  sich  durch  Blendrundbögen  verbunden  sind.  Von  den  Nebenapsiden 
ist  nur  die  nördliche  erhalten. 

RotheMkIrchei  bei  Alzei.  Das  ehemal.  Kloster-Refectorium,  ein  zwei- 
scbiffiger,  von  Säulen  mit  gleich  massigen,  korinthisirenden  Capitälen  (Sig- 
hart,  Bayer.  Kunstgesch.  S.  244  No.  85)  getragener  Gewölbebau ;  jetzt 
Kuhstall. 

Rifach.  Die  Kirche,  gothisirender  Gewölbebau  mit  Strebebögen  und 
Pfeilern ;  im  Langhause  wechseln  gegliederte  Pfeiler  als  Gurtträger  mit  da- 
zwischen gestellten  Säulen ,  über  der  Kuppel-gedeckten  Vierung  ein  acht- 
giebeliger,  schlank  behelmter  Thurm,  Zwei  unvollendete  Westthürme. 
(Schweighaeuser  et  Golbery  I,  59.  Taf.  22.  23.) 

St  Coar.  Die  Säulenkrypta  unter  der  goth.  Stiftskirche.  (Kugler, 
Kl.  Sehr.  2,  208.) 

St.  le«fehanl  bei  Rosheim.    Ruine  der  Stiftskirche. 

St.  0diliefe.  Einige  Kapellen  neben  der  zopfigen  Klosterkirche.  Die 
Kreuzkapelle,  zweistöckiger  Gewölbebau  mit  Mittelsäule.  (Schweig- 
haeuser et  Golbery  11.  48.  Taf.  11  und  12). 

St.  ThoHas  bei  Andernach.  Kapelle  ^)  im  ehemal.  Nonnenkloster  (jetzt 
Kirche  der  Irrenanstalt),  ein  überwölbtes  Rechteck;  äusserlich  in  zwei 
Stockwerke  getheilt. 

St.  ThoHas  a.  d.  Kyll.  Einschiffige  überwölbte  Nonnenkirche,  geweiht 
1222,  beendet  1225.  Die  westl.  Hälfte  durch  eine  von  Säulen  getragene 
unterwölbte  Empore  ausgefüllt;  Schluss  fünfseitig;  Ueb^rgangsstil ;  fast 
Ruine.  (Schmidt,  Baudenkm.  in  Trier  etc.  Lief.  3.  Taf.  4.) 


1)  Altbof,  die  Kapelle  zu  St.  Thomas,  in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen.   1855. 
Sp.  5:13—548  u.  Bl.  69. 


in  den  Rheinlanden.  339 

Sayn«  Die  Klosterkirche,  einschiffig  in  Kreuzform,  überwölbt  und  im 
Kreuz  mit  einer  Kuppel  gedeckt;  Uebergangsstil ;  Chorschluss  gothisch.  — 
Reste  des  Kreuzganges. 

SdafflMse«.  Das  Münster  der  Abtei  AUerheMigen ,  geweiht  1064, 
vollendet  IIOI,  eine  flach  gedeckte,  schlichte  (verzopfte)  SÜLulenbasilika  mit 
gerade  geschlossenem  Chor,  an  dessen  nördl.  Ecke  ein  viergiebeliger  Thurm 
(Hope,  an  historical  essay  on  architectüre.  3.  ed.  1840.  Taf.  73)  isolirt 
steht.    Reste  des  anstossenden  Klosters.  (Ebd.  Taf.  44  B.) 

ScUeUsUdt.  Die  Kirche  St.  Fides,  Gewölbebau,  in  dessen  mit  Strebe- 
pfeilern versehenem  Langhause  rings  mit  Halbsäulen  besetzte,  die  Ourte 
tragende  Pfeiler,  welche  durch  runde  Blendbögen  verbunden  sind,  abwech- 
selnd mit  Kleeblattsäulen  die  Spitzarkadeil  tragen ;  ein  achteckiger  Thurm 
über  der  Vierung ;  zwei  Westthürme  und  eine  zierliche  Vorhalle .  (Schweig- 
haeuser  et  Golbery  I.  11.  Taf.  4.) 

Schtiai  bei  Heidelberg.  Die  jetzige  Kirche  ist  das  ehemal.  Refecto- 
rium  des  früheren  Cisterzienserklosters :  ein  durch  eine  Säulenreihe  in  zwei 
spitzbogig  überwölbte  Schiffe  getheiltes  Rechteck  im  Uebergangsstil.  (Glad- 
bach [Moller  HL],  Denkm.  Taf.  22.  23.  —  Vergl.  Lotz,  2,  458.) 

SehoMStitt  bei  Vallendar.  Ruine  der  Kirche  des  1143  gestifteten  Non- 
nenklosters :  zwei  Westthürme  im  Uebergangsstil. 

Sckwtnach  bei  Baden-Baden.  Die  Abteikirche,  eine  Säulenbasilika 
(im  Mittelschiff  mit  offenem  Dachstuhl),  mit  niedrigem  Thurm  über  der 
Vierung  und  ehemals  mit  Nebenapsiden  an  den  Kreuzarmen.  Die  Seiten- 
schiffe setzen  sich  am  Langchore  fort  und  schliessen,  wie  dieses,  mit  Apsiden. 
Die  östl.  Theile  sind  1224  erhöht  und  im  Uebergangsstil  überwölbt.  (Geier 
und  Gör z  Lief.  3  Taf.  6,  Lief.  4  Taf.  (B.) 

SchwATf-UeMorf  bei  Bonn.  Eine  Doppelkirche,  ^)  deren  oberes  für 
die  Nonnen  bestimmtes  Stockwerk  in  der  Vierung  mit  dem  unteren  durch 
eine  achteckige  Oeffnung  verbunden  war ;  nach  ursprünglicher  Anlage  von 
tl5t  als  Grabkapelle  ein  Kuppelbau  im  gleicharmigen  Kreuz  mit  Apsiden 
an  allen  vier  Enden^  aber  mit  einem  schon  1157  nach  Durchbrechung  der 
Westseite  angebauten  einschüHgen  Langhause.  (Förster,  Denkm.  8, 
1—8  und  3  Taf.) 

Seebfteh  bei  Dürkheim.  Ueberreste  der  Benedictiner-Nonnenkirche  im 
zierlichen  spätroman.  Stil :  der  Chor  ist  gerade  geschlossen,  über  dem  Kreuze 
ein  niedriger  Thurm  aus  weissen  und  rothen  Steinen^  der  aus  dem  Viereck 
ins  Achteck  übergeht.    Das  Schiff  war  frühgothisch. 

Siegbirg.  Die  fünfschiffige,  mit  drei  Apsiden  schliessende  Krypta  der 
1667  erneuerten  Abteikirche  von  1183  (für  die  Irrenanstalt  nutzbar 
gemacht).  —  Die  Pfarrkirche  mit  roman.  und  goth.  Theilen. 

SigtbhelM  bei  Colmar.  Die  Kirche,  ein  Gewölbebau  im  Uebergangs- 
stil mit  Vierungsthurm  und  schönem  Westportal.  (Abbild,  des  letzteren  in 
Levrault,  Musee  historique  de  TAlsace.  1858.  1,  28.) 

Slnsheta  unweit  Heidelberg.  Reste  der  Klosterkirche,  einer  kreuzför- 
migen Pfeilerbasilika.  (Schriften  des  Alterth. -Vereins  für  Baden,  Bildtafel  6 
zu  Band  l.) 

1)  Simons,  Andr.,  die  Doppelkirche  zu  Schwarz rheindorf.  —  Noüe,  Ars.  de, 
Bxamen  de  rinscription  inaugurale  de  Täglise  de  Schwarzrheindorf,  in  den  Bonner 
Jahrb.  XXTX.  u.  XXX,  186—192. 


340  Romanische  Kirchen 

Sillig,  bei  Andernach.  Die  Pfarrkirche,  ^)  ein  bald  nach  1206  ent- 
standener Gewölbebau  mit  Emporen  über  den  Seitenschiffen,  achteckigem 
Thurm  über  der  Vierung  des  wenig  ausladenden  Querhauses  und  zwei  vier-' 
eckigen  ThOrmchen  zu»  den  Seiten  des  im  halben  Zehneck  endenden  Chores, 
im  TJebergangsstil.  (Boisser^e  Taf.  53 — 55.) 

Speier.  Der  Dom,^)  gegr.  um  1030,  der  grossartigste  Bau  seiner  Zeit, 
mit  zwei  viereckigen  Thürmen  im  Westen  und  zwei  anderen  in  den  Win- 
keln am  Chor  und  Kreuz  und  einem  Kuppelthurm  über  letzterem.  Der  dem 
Langhause  westlich  vorliegende  Querbau  mit  kleinerem  Kuppelthurm  ist 
eine  Erneuerung  in  modern-roman.  Stil.  Im  Wesentlichen  unverändert  ist 
von  dem  Urbau  allein  die  sich  auch  unter  dem  Querschiffe  ausbreitende 
Krypta  (vollendet  1039)  erhalten.  Eine  zwischen  1060  und  1072  stattge- 
fundene Weihe  bezog  sich  nur  auf  den  Chor,  und  die  am  Schlüsse  des 
Jahrhunderts  vollendete  Kirche ,  ohne  Zweifel  eine  flach  gedeckte  Pfeiler- 
basilika, wird  erst  nach  einem  Brande  von  1 1 59  mit  Erhöhung  der  Sarg- 
mauem  in  den  auf  uns  gekommenen  Qewölbebau  umgewandelt  worden 
sein,  der  nach  der  französischen  Zerstörung  von  1689  (wobei  vom  Lang- 
hause nur  die  beiden  östlichsten  Joche  unversehrt  blieben),  1772 — 1784 
mit  zopfiger  Westfa9ade  wieder  hergestellt  und  1820 — 1858  prachtvoll  re- 
staurlrt  worden  ist.  Neben  dem  nördlichen  Seitenschiffe  ist  die  am  Schlüsse 
des  XI.  Jahrhunderts  angebaute  Afrakapelle  gleichfalls  im  Xu.  Jahrhundert 
erneuert  worden ,  welchem  auch  der  gegenüber  am  südlichen  Seitenschiffe 
befindliche  Kapellenbau  angehört.  (Geier  und  Görz  in  Lief.  2 — 4.  — 
Gailhabaud,  Denkm.  Abth.  V.  No.  21  Taf.  1—6,  mit  Text  von  L. 
Lohde.  — Hübsch,  die  altchristl.  Kirchen  Taf.  ^0—52.  —  Förster, 
Denkm.  1,  1—10  und  3  Taf.  und  4,  21—24  und  1  Taf.  —  v.  Quast, 
die  roman.  Dome  etc.  Taf.  3.  —  Vergl.  oben  S.  307  Fig.  157.) 

Spoohete  bei  Kreuznach.  Die  Abteikirche,  '^)  ein  1123  geweihter 
Kreuzbau,  ursprünglich  ohne  Seitenschiffe  und  mit  unvollendet  gebliebenem 
Westarm,  mit  jüngerem  Oberbau  in  edlem  gothisirenden  Uebergangsstil. 
Ueber  der  Vierungskuppel  ein  achteckiger  Thurm. 

SteinfeM.  *)  Die  Klosterkirche,  inschriftlich  gegründet  1142.  (Lotz, 
1,  568.) 

Stranburg.  Die  östlichen  Theile  des  Münsters  (die  1190  vollendete 
Krypta,  das  Querschiff  und  die  sich  der  mit  einer  Kuppel  gedeckten  Vie- 
rung unmittelbar  vorlegende,  äusserlich  rechteckig  ummantelte  Apsis,  nebst 


1)  Kinkel,  Oottfr.,  die  Kirche  in  Sinzig,  in  Lersch,  Jahrbuch  2,  313—340. 

2)  Geissei,  J.,  der  Kaiserdom  zu  Speier.  3  Bde.  1826—1828.  —  Sehn  aase, 
C,  der  Kaiserdom  in  Speier,  im  Kunstbl.  1845.  No.  63  —  66.  —  Blaul,  F.,  der 
Kaiserdom  zu  Speier.  Mit  Abbildungen.  1 860.  —  Remling,  Fz.  X.,  der  Speierer 
Dom,  zunächst  Ober  dessen  Bau  etc.  unter  den  Saliern.  Nebst  1  Taf.  1861.  Vergl. 
die  Anzeigen  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.  von  Springer  (1861)  6,  247 
u.  von  Sehn  aase,  ebd.  S.  275;  auch  Otte,  H.,  wann  ist  der  Gewölbebau  des 
Doms  in  Speier  entstanden  ?  in  den  Bonner  Jahrb.  XXXII.  10U — 1Ü6.  —  Vergl.  oben 
S.  311  Anmerk.  2. 

3)  Reichensperger,  A.,  die  Schlosskirche  zu  Querfurt  u.  die  Sponheimer 
Abteikirche  in  dessen  Verm.  Sehr.  S.  349 — 351.  —  Vergl.  WOrzburger  Sonntagsbl. 
1862.  No.  19. 

4)  Barsch,  G.,  das  Prämonstr.-Mönchskloster  Steinfeld  i.  d.  Eifel.  1857.  Vergl. 
Annalen  des  histor.  Vereins  fOr  den  Niedezrhein  11.  Heft  4,  89  ff. 


in  den  Rheinlanden.  341 

schönem  Doppelportal  an  der  südlichen  Kreuasfront)  im  spatromanischen 
und  gothisirenden  Uebergangsstil .  (C  h  a  p  u  y ,  Cath6drales  fran^aises .  1826. 
Taf.  14.  —  Gailhabaud,  Denkm.  ü.  Abth.  V.  No.  18.  —  Denkm. 
deutscher  Baukunst  am  Oberrhein.  Lief.  3.  Taf.  8.)  —  Reste  der  Abtei* 
kirche  St.  Stephan,  eines  östlich  mit  drei  unmittelbar  am  Querschiff  lie- 
genden Apsiden  versehenen  romanisch-spitzbogigen  Gewö]bebaues.  (v.  Wi  e- 
beking,  Bau  künde  Taf.  86.)  —  Der  westliche  Vorbau  der  gothischen 
Thomaskirche. 

Surbirg  bei  Hagenau.  Die  CoUegiatkirche,  in  deren  flach  gedecktem 
Langhause  Säulen  mit  Pfeilern  wechseln.  Die  östlichen  Theile  (der  Chor 
mit  Apsis  und  das  Querschiff  mit  zwei  Nebenapsiden)  sind  überwölbt. 

Trier.  ^)  Der  Dom,  ^)  in  seinem  ursprünglichen  römischen  Kern  ein 
quadratischer  Säulenbau,  im  XI.  Jahrh.  westlich  verlängert  und  mit  zwei 
Thürmen,  an  deren  Ecken  runde  Treppen thürme  hervortreten,  und  einer 
Apsis  (nebst  Krypta)  versehen,  wobei  die  alten  Säulen  mit  Pfeilern  um- 
mauert wurden;  dann  zu  Ende  des  XII.  Jahrh.  nach  Osten  (mit  Anlage 
einer  Krypta)  erweitert  und  durch  die  im  halben  Zehneck  construirte  und 
von  zwei  Thürmen  flankirte  gothisirende  Westapsis  geschlossen ;  zu  Anfang 
des  Xni.  Jahrh.  das  Ganze  überwölbt.  Nach  einem  Brande  im  XVIII. 
Jahrh.  wurde  ausser  anderen  Verunstaltungen  eine  Art  Querschiff  einge- 
richtet, und  in  neuester  Zeit  eine  durchgreifende  Restauration  des  ganzen 
Gebäudes  ausgeführt.  Unter  den  anstossenden  Klosterbaulichkeiten  finden 
sich  einige  frühromanische  und  viele  spätromanische  Theile ;  der  herrliche 
Kreuzgang  ist  meist  frühgothisch.  (Schmidt,  Baudenkm.  in  Trier.  Lief.  2 
Taf.  1—6.  —  Gailhabaud,  Denkm.  ü.  Abth.  V.  No.  20  Taf.  1—11, 
mit  Text  von  L.  Lohde.  —  Förster,  Denkm.  1,  21—27  und  3  Taf.  — 
Hübsch,  die  altchristl.  Kirchen.  Taf.  6.)  —  Reste  der  Irminenka- 
pelle  bei  St.  Paul,  zum  Theil  frühromanisch.  —  Die  Abteikirche  von 
St.  Matthias  bei  Trier  1127  — 1148,.  aber  spätgothisch  verändert  und 
überwölbt :  das  anscheinend  ursprünglich  auf  TJeberwölbung  in  einfachen 
Jochen  (ähnlich  Laach)  angelegte  Mittelschiff  hatte  eine  Balkendecke,  wäh- 
rend die  Seitenschiffe,  die  sich  jenseits  des  Querhauses  als  mit  viereckigen 
Thürmen  übersetzte  Nebenchöre  fortsetzen  und  gerade  schliessen,  gewölbt 
waren.  Zwei  niedrige  Westthürme.  Säulenkr}'pta.  Der  Kreuzgang  und 
das  Kloster  im  Uebergangsstil.  (Schmidt  a.  a.  O.  Taf.  10.)  —  Die  nach 
Umwandelung  der  römischen  Porta  nigra  in  eine  Kirche  (St.  Simeon)  der- 
selben angebaute  Apsis  im  «spätroman.  Stil  und  die  daneben  liegenden  äl- 
teren Stiftsgebäude.  (Ebd.  Lief.  5  Taf.  6  und  7.) 

Trifels  bei  Landau.  In  den  spätroman.  Trümmern  der  Reichsburg  die 
im  Hauptthurm  über  der  Thorhalle  belegene  überwölbte  quadratische  Ka- 


ll Müller,  Mich.  Fs.  Jos.,  Literatur-Anzeige  über  die  in  Trier  bestehenden  u. 
lerstörten  Bauten  aus  der  ältesten  u.  mittleren  Zeit.  1840.  —  Marx,  J.,  Gesch.  des 
Enstifts  Trier.  3  Bde.  185S— 1862. 

2)  Hansen,  J.  A.  J.,  der  Dom  tu  Trier.  Gesch.  u.  Beschreibung.  1833. — 
Steininger,  J.,  Bemerkungen  zur  Gesch.  des  Doms  zu  Trier.  1840.  —  Roisin, 
F.  de,  la  Cath^drale  de  TrÖTes  du  IV.  au  XXX.  siMe.  Mit  4  Tafeln.  Paris  1863. 
(Abdruck  aus  den  Annales  arch^l.  par  Didron.) 


342  BomaniBche  Kirohen 

pelle  mit  vorgekragter  Apsis.  (Kriegv.  Hochfelden,  Gesch .  der  Mi- 
litär-Architektur. 1859.  S.  304  und  307.) 

UfeiM^  ')  Insel  im  Züricher  See.  Die  einschiffige,  flach  gedeckte 
Kirche  St.  Petri-Pauli  (geweiht  1141)  mit  im  XVH.  Jahrh.  verlän- 
gertem Querhaus  und  Thurm  üher  dem  gewölbten  Chorraum.  —  Die 
Martinskapelle,  geweiht  1141  ,  aber  im  XIII.  Jahrh.  erneuert,  ein- 
schiffig mit  schmälcrem  Chor. 

VläBden  A.  d.  #ir.  Dopkelkapelle  '^]  in  der  Schlossruine :  ein  über- 
wölbtes Zehneck  mit  i'ünfseitiger  Tribunenvorlage  an  der  Südseite  im  Ueber- 
gangsstil.  Die  Oeffnung  im  Fussboden  nach  dem  dunkeln  und  rohen  Unter- 
raum bildet  ein  Sechseck.    Restaurirt. 

VillilgeB  im  Breisgau.  Der  alte  Kern  des  Münsters^)  im  Ueber- 
gangsstil;  Seitenschiffe,  Thürme  und  Chor  gothisch.  —  Die  Oottes- 
ackerkirche. 

Wasseoberg  bei  Heinsberg.    Ziemlich  erhaltene  einfache  Kirche,  1118. 

Weilerbach  bei  Kaiserslautern.    Pfeilerbasilika  mit  Holzdecke. 

Werdeo  a«  d.  Knhr.  Die  Abteikirche ,  *)  restaurirter  Oewölbebau  mit 
Kuppelthurm  über  der  Vierung,  Nebenapsiden  an  den  Kreuzarmen  und 
polygoner  Apsis ,  wesentlich  im  Uebergangsstil ,  geweiht  1275;  um  circa 
1 00  Jahre  älter  ist  der  westlichste  Theil  des  Langhauses  nebst  dem  West- 
thurm;  wiederum  circa  100  Jahre  älter  die  sich  östlich  über  die  Kirche 
hinaus  erstreckende  quadratische  Säulenkrypta  mit  runder  Apsis ;  am  äl- 
testen endlich  die  unter  der  Chorapsis  belegene,  mit  der  Krypta  durch  einen 
in  der  Tonne  gewölbten  Umgang  verbundene  einfache  Gruft  des  h.  Liudger 
(1809). 

Vij^perfirth.  Die  Nicolaikirche,  ^)  ein  Gewölbebau  spätroman.  Stils 
mit  drei  den  Langschiffen  entsprechenden  Apsiden,  unmittelbar  an  der  Ost- 
seite des  Querschiffs,  über  dessen  Vierung  sich  ehemals  ein  Thurm  erhob. 
In  den  Ecken  vor  der  Hauptapsis  zwei  auf  einer  Säule  basirte  schlotför- 
mige  Thürmchen ;  ein  quadratischer  Thurm  vor  der  Mitte  der  Westfront. 

Wisiel  bei  Calcar.  Das  Langhaus  und  Querschiff  der  äusserlich  ein- 
fachen Stiftskirche;  ersteres  mit  schon  gothisirender  Pfeilerstellung  und 
mit  Rippengewölben.    Zwei  Thürme  neben  dem  gothischen  Chore. 

Wlldar  bei  Düsseldorf.  Die  kleine  dreischifiige  Kirche  mit  Chorapsis. 
Die  Fenster  des  Obergadens  liegen  aussen  in  Säulenarkaden. 


J)  Keller,  Ferd.,  Gesch.  der  Inseln  TJfenau  u.  Lützelau,  in  den  Mittheil.  der 
antiquar.  O eselisch,  in  Zürich  II.  I,  9 — 31  nebst  3  Taf.  —  Brandes,  C,  die  Kirchen 
auf  der  Ufenau.  1 S59. 

2)  Reichensperger,  A.,  die  Doppelkapelle  auf  8chloM  Vianden,  in  dessen 
Verm.  Sehr.  S.  100— 11U  u.  Taf.  3—5.  Vergl.  Sehn  aase,  in  derZeitschr.  fOr  Bau- 
wesen. IS54.  Sp.  98.  —  T.  Koenig,  im  Organ  für  christl.  Kunst.   1S65.  No.  24. 

3)  Bader,  J.,  das  ehetnal.  Stift  St.  Georgen  in  Villingen.   1844. 

4)  Geck,  H.,  die  Abteikirche  zu  Werden,  histor.-architekton.  dargestellt.  Mit 
I  Taf.  1856.  (Vergl.  Kugler,  im  D.  Kunstbl.  1856.  S.  24U  u.  v.  Quast,  in  der 
Zeitschr.  für  Archftol.  u.  Kunst  1,  47.)  — 'Die  Abteikirche  zu  Werden  a.  d.  R.,  mit- 
getheilt  von  A.  Stfller,  mit  Text  TonL.  Loh  de.  1857.  (Aus  der  Zeitschr.  far  Bau- 
wesen 1857.  Sp.  163  ff.  nebst  Taf.  20—25  u.  Bl.  .Firn  Text.) 

5)  Strauven,  die  K.  des  h.  Nicolaus  zu  Wipperfürth,  im  Organ  ftlr  christl. 
Kunst  1854.   S.  2  ff. 


in  den  Rheinlanden.  343 

W«nM.  *)  Der  Dom,  ^  ein  dopp^chöriger  Qewölbebau  nach  dem 
Systeme  der  Dome  von  Mainz  und  Speier,  und  wie  diese  wahrscheinlich 
Umbau  einer  früheren  flach  gedeckten  Basilika  (von  1110),  nur  noch  durch- 
greifender, in  etwas  geringeren  Maassen  und  etwas  später  (c.  1172 — 1234). 
Dem  alten  Bau  scheint  nur  das  schlichte  Erdgeschoss  der  vier  schlanken 
(oben  meist  gothisch  veränderten)  Rundthürme  anzugehören,  von  denen 
zwei  die  aussen  in  gerader  Giebelwand  geschlossene  Ostapsis  zwischen  sich 
einschliessen.  und  die  beiden  anderen  das  Quadrat  des  mit  polygoner  Apsis 
versehenen  und  mit  einer  Kuppel  gedeckten  Westchores  flankiren;  eine 
zweite  Kuppel  krönt  die  Vierung  des  Querhauses.  Restauration  seit  1859. 
(Moller  I.  Taf.  5.  10.  18.  —  Stieglitz,  Baukunst  Taf.  11.  13.  20. 
21.  —  Förster,  Denkm.  2.  25—28  und  2  Taf. —  v.  Quast,  die  roman. 
Dome  etc.  Taf,  4.)  —  St.  Andreas,  als  Magazin  benutzte  und  verstüm- 
melte spätroman.  Basilika :  das  Querschiff  und  der  quadratische  Chor  mit 
zwei  Thürmen  zur  Seite  überwölbt,  das  Langhaus  mit  goth.  Kreuzgewölben 
aus  Holz.  (Lotz  2,  584.)  —  Portal  und  Untertheil  des  Thurmes  der  mo- 
dernen Kirche  St.  Magni,  spätroman.  (Ebd.  S.  587.)  —  Die  Stiftskirche 
St.  Martin,  Gewölbebau  ohne  Querschiff  mit  gerade  schliessendem  Chor 
und  zwei  Westthürmen,  Umbau  einer  älteren  flach  gedeckten  Basilika,  ge- 
weiht 1265,  im  Uebergangsstil ,  unter  Einfluss  des  Domes,  (v.  Quast 
a.  a.  O.  taf.  5  und  6  zu  S.  49—52.)  —  St.  Paul,  umgebaut  1110,  wo- 
von noch  die  beiden  runden  Westthürme  herrühren  ;  der  Chor,  im  halben 
Zehneck  geschlossen,  ist  glänzend  spätromanisch;  der  querschiffartige  Vor- 
bau in  Westen  mit  einem  Mittelthurme  1261,  im  Uebergangsstil ;  das  Lang- 
haus zopfig  erneuert.  Der  Kreuzgang  ist  schon  fast  gothisch.  (Moller  U. 
Taf.  14—18.  —  Förster,  Denkm.  2,  29—32  und  1  Taf.) 

Worschweiler  bei  Zwei  brücken.  Ruine  der  Kirche  des  1197  gegrün- 
deten Klosters  im  Uebergangsstil. 

Ullrich.  Die  Kirche,  im  Schiff  spitzbogiger  Qewölbebau,  im  Chor  mit 
Bcstandtheilen  aus  frühroman.  Zeit,  welcher  auch  die  Säulenkrypta  ange- 
hört. (Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  120  und  193). 

Xiridi.  Am  Frauenmünster  ^)  rühren  die  beiden  niedrigen  Thürme 
an  der  Ostseite  des  Querhauses  von  einem  1170  geweihten  Neubau  h.er, 
wSlirend  dieses  selbst  und  der  gerade  geschlossene  Chor  in  der  ersten  Hälfte 
des  Xni.  Jahrb.,  das  Langhaus  im  XV.  Jahrb.  umgebaut  worden  sind. 
Der  nördl.  Flügel  des  Kreuzganges  aus  der  Mitte  des  Xu.  Jahrb.  —  Das 
Grossmünster  *)  bestebt  aus  verschiedenartigen  Theilen :  das  Langhaus, 
ein  rundbogiger  Gewölbebau  mit  Emporen  über  den  östlich  in  Apsiden  en- 
denden und  westlich  mit  Thürmen  besetzten  Seitenschiffen  von  1227;  das 


1)  Lange,  G.,  Gesch.  u.  Beschreib,  der  Stadt  Worms.    1837. 

2)  Hohenreuther,  J.  B.,  Kunstgeschich tl.  Darstellung  des  Domes  zuWonns. 
1857.  —  Derselbe,  welcher  Zeit  gehört  der  Wormser  Dom  an?  im  D.  Kunstbl. 
1S57.  S.  58.  —  T.  Quast,  Erbauungszeit  des  Doms  zu  Worms,  in  der  Zeitschr.  für 
Archäol.  u.  Kunst  2,  35.  — Vergl.  ohen  S.  311  Anmerk.  2. 

3)  Wyss,  G.  v.,  Gesch.  der  Abtei  Zürich  (mit  12  Tafeln),  in  den  Mittbeil,  der 
antiquar.  Gesellsch.  in  Zürich.  VIII. 

4)  Vögelin,  S.,  u.  Keller,  Ferd.,  der  Grossmünstcr  in  Zürich  (mit  9  Tafeln 
von  F.  Hegi,  a.  a.  O.  I.  u.  II.  —  Neujahrsblatt,  herausgegeb.  von  der  StadtbibUo* 
thek  in  Zürich.  1853  u.  1854. 


344  Romaniflohe  Kirchen  in  den  Rheinlanden. 

dem  altere  Theile  enthaltenden  Chorende  unsymmetrisch  angesetzte  quadra- 
tische Altarhaus  im  Uebergangsstil  aus  der  Mitte  des  XIII.  Jahrh.  Die  sich 
unter  beiden  Chorabtheilungen  erstreckende  Säulenkrypta  datirt  im  westl. 
Theile  aus  dem  XII.  Jahrh.  Der  spätromanische  Kreuzgang,  ^)  nirgends 
übertroffen  durch  die  unerschöpfliche  Fülle  ornamentaler  und  figürlicher 
Sculpturen. 

Anmerkung.    An  vielen  Kirchen  der  Rheinlande  finden  sich  noch 

Thürme  romanischen  Stils;  wir  nennen: 

Albisheim  bei  Kirchheim-Boland  ,  Alken  bei  Münstermaifeld, 
Altripp  bei  Mannheim,  Appenthal  bei  Neustadt  a.  d.  H.,  Asch- 
bach bei  Lauterecken,  Bremm  bei  Cochem,  Briedern  bei  Beilstein, 
Brünen  bei  Ringenberg ,  Cornelimünster  bei  Aachen,  Colgen- 
stein  bei  Frankenthal,  Drewenack  bei  Wesel,  Dittelsheim  bei 
Alzei ,  Feidenheim  bei  Mannheim,  Gross-Bundenbach  bei 
Zweibrücken,  Guntersblum  bei  Oppenheim,  Hatzenport,  Hess- 
heim bei  Frankenthal,  Hochheim,  Laybei  Coblenz,  L e h m e n  bei 
Cobem ,  Leutesdorf  bei  Andernach  ,  L 0 f  bei  Hatzenport ,  Mosel- 
kern, Mundenheim  bei  Mannheim,  Nieder-Barmen,  Neckarau 
bei  Mannheim ,  Niederzündorf  bei  COln ,  Ober-Ernst  bei 
Beilstein  ,  Oberfell  bei  Münstermaifeld ,  Oberkassel  bei  Bonn , 
Reinheim  bei  Saargemünd,  Rodenba ch  bei  Worms,  Trarbach 
a.  d.  Mosel,  Uedem  bei  Calcar,  Vallendar  bei  Coblenz,  Wande- 
rath  bei  Adenau,  Welmich  bei  St.  Goar,  Winningen  bei  Coblenz, 
Walsheim  bei  Zweibrücken,  Weiher  bei  Bruchsal,  St.  Victor  in 
Xanten. 

Femer  im  E 1  s  a  s  s : 

BOrsch,  Dimsthal,  Eckartsweiler,  Gundolsheim, 
Hägen,  Jetterswiller,  St.  Regula  in  Kiensheim,  Klßsterle 
bei  Laubenheim,  Lochwiller,  Monswiller,  Mutzig,  Rein- 
hardsmünster, Rittenburg,  Rumersheim,  St.  Nabor, 
Schweighausen,  Sindeisberg,  Singrist,  Still ,  Sulzmatt, 
Thal,  Truttenhausen,  Ungersheim,  Weissenburg,  Pfarr- 
kirche zu  Z a b  e  r  n. 

Romanische  Ueberreste  überhaupt  in : 

A d e n a u  bei  Coblenz,  Bedburg  bei  Cleve,  in  der  Schlosskapelle 
auf  dem  Greifenstein  bei  Weilburg,  Muri  bei  Zürich,  Katholische 
Kirche  zu  Ober-Ingelheim,  St.  Ilgen  bei  Heidelberg,  St.  Re- 
migiberg  bei  Cusel,  Zy  ff  lieh  u.  s.  w.  —  Vergl.  Lotz,  Kunst- 
Topographie. 

Ueber  die  Rundbauten  in  den  Rheinlanden  s.  oben  S.  22  Anmerk.  I. 


1)  Der  iLreuzgang  beim  grossen  Münster  8U  Zürich,   16  Abbild.  Ton  F.  Hegi, 
in  den  Mittbeil,  der  Züricberischen  Gesellsch.  für  vaterl.  Alterth.  II.  (1838.) 


^=fl__ 


Fig.  173.   Kirche  zu  Altenttadt  (nach  E.  Förster). 


IL  In  Bayern  und  Schwaben. 

Literatur:  Still  fr  ied-Hattonits,  Kud.  v.,  AUerthümer  u.  Kunst- 
denkmale  des  erl.  Hauses  Hohenzollern.  Ente  u.  zweite  Folge.  16  Hefte. 
1838 — 186-1.  —  Jahreshefte  des  Wirtenbergischen  Alterthumsvereins.  Stutt- 
gart 1844  etc  —  (St&lin)  Benkm.  des  Alterth.  u.  der  alten  Kunst  imKönigr. 
Warttemberg,  zusammengestellt  von  dem  kön.  statist.-topogr.  Bureau.  1843. 
(Vergl.  auch  die  von  derselben  Stelle  hexausgegeb.  Beschreibungen  der 
einzelnen  >irarttemberg.  Oberfimter.)  —  Merz,  H.,  Uebersicht  über  die  haupt- 
sächlichsten alten  Denkm.  christl.  Architektur  u.  Sculptur  in  Schwaben ,  im 
Kunstbl.  1843.  No.  47—52.  —  Thrän,  G.  0.  Ferd.,  Denkm.  altdeut.  Bau- 
kunst, Stein-  u.  Holzsculptur  aus  Schwaben.  tS46.  —  Manch,  J.  M.,  Ab- 
handlung über  die  mittelalterl.  Baudenkm.  in  Württemberg.  1849.  —  Eisen- 
lohr,  Fz.,  Mittelalterl.  Bauwerke  im  südwestl.  Deutschland  u.  am  Rhein. 
Heft  1—5.  1853  etc.  —  (Aretin,  CM.  v.)  Alterth.  u.  Kunstdenkm.  des 
bayer.  Herrscherhauses.  Herausgegeb.  auf  Befehl  Kön.  Maximilian  II.  Lief. 
1—3.   1851—1857.  —  Sighart,  Joach,,  die  mittelalterl.  Kunst  in  der  Erz- 


346  RomaniBche  Kirchen 

diöcese  München  -  Freising.  IS55.  —  Lfthke,  W.,  eine  Fahrt  durch  Sftd- 
deutschland,  im  D.  Kuustbl.  1855.  No.  47  u.  4U.  —  Beitrüge  zur  Erforschung 
Christi.  Kunstdenkm.  in  der  Augsburger  Diöcese  I — XXXIX,  in  den  Beilagen 
zur  Augsb.  Postztg.  1855.  No.  VA\,  mit  Unterbrechungen  fortgesetzt  bis  tSliO 
No.  64  —  (Niedermayer,  Andr.},  zur  Kunstgesch.  Niederbayems,  ebd. 
1855.  Beilage  zu  No.  168.  —  (Derselbe),  zur  Kunstgesch.  der  Diöcese  Re- 
gensburg I— XXII.  ebd.  1856.  No.  II,  mit  Unterbrechungen  fortgesetzt  bis 
No.  N6.  —  Die  Kunst  des  M.-A.  in  Schwaben.  Denkm.  der  Baukunst,  Bild- 
nerei  u.  Malerei.  Herausgegeb.  Ton  C.  Hei  de!  off  unter  Mitwirkung  von  C. 
Beisbarth,  mit  Text  von  F.  Müller.  Heft  f — 6.  1855— 1858.  Als  Supple- 
ment dazu:  Mittelalter!.  Baudenkm.  aus  Schwaben.  I— III.  1S5S — 1S62.  — 
Eye,  A.  v.,  Reisestudien  in  Franken  u.  Schwaben,  im  D.  Kunstbl.  1S56. 
No.  34  u.  36.  —  Rettberg,  R.  v.,  Uebersichtstafel  zur  Begründung  einer 
Gesch.  der  christl.  Kunst  in  Oberbayern.  I85S.  —  Marggraf,  Rud.,  zur 
oberbayer.  Kunstgesch.,  im  Abendbl.  der  N.  Münchener  Ztg.  1859.  No.  32 
bis  35.  —  Hassler,  C.  D.,  die  Kunst-  u.  Alterthumsdenkm.  Württembergs. 
Lief.  1,  in  den  Württemberg.  Jahrb.  für  vaterl.  Gesch.  1859.  S.  22  ff.  Lief.  2, 
ebd.  1862.  Heft  1  u.  2.  —  Bavaria.  Landes-  u.  Volkskunde  des  Kön.  Bayern, 
bearb.  von  einem  Kreise  bayer.  Gelehrten.  Bd.  I.  1.  Oberbayem.  2.  Nieder- 
bayern. 1860.  —  Sighart,  Joach.,  Gesch.  der  bild.  Künste  im  Kön.  Bayern. 
2  Abth.  in  1  Bd.  1862.  —  Leins,  Beitrag  zurKenntniss  der  vaterl.  Kirchen- 
bauten, im  Jahresbericht  der  polytechn.  Schule  zu  Stuttgart.  IS64. 

Eine  Architekturkarte  des  Sprengeis  von  München  -  Freising ,  als 
Beilage  zu  Sighart,  die  mittelalterl.  Kunst  in  der  Erzdiöcese  München- 
Freising. 

Yorbemerküng. 

S  l .  Obgleich  die  Donau-Hochebene  nicht  weniger  als  das  Rhein- 
land an  der  römischen  Bildung  Antheil  nahm,  so  ist  doch  weder  aus 
dieser  noch  aus  der  grösstentheils  erst  mit  dem  Anfange  des  VII.  Jahr- 
hunderts für  diese  Länder  beginnenden  altchristlichen  Zeit  irgend  ein 
namhaftes  Denkmal  übrig  geblieben:  die  Völkerwanderung,  deren 
grosse  Strasse  den  Lauf  der  Donau  verfolgte,  beseitigte  die  Spuren 
römischer  Cultur,  und  noch  im  IX.  und  X.  Jahrhundert  waren  es  die 
wilden  Ilngamhorden ,  welche  das  unglückliche  Land  vollends  zur 
Wüste  machten.  So  wurde  denn  erst  durch  die  Siege  Heinrich's  des 
Vogelstellers  und  Otto's  des  Grossen  der  Anfang  einer  neuen  Cultur 
ermöglicht,  wozu  die  grossen  Benedictinerklöster  des  Bayerlandes  we- 
sentlich mitwirkten;  doch  scheinen  sich  letztere  mehr  auf  die  Erzeu- 
gung beweglicher  als  unbeweglicher  Kunstdenkmale  gelegt  und  den 
Kunstbau  Anfangs  vernachlässigt  zu  haben.  Unter  allen  süddeutschen 
Städten  hat  Begensburg  als  Residenz  der  Agilolfinger  und  deutschen 
Karolinger,  sowie  im  X.  und  XI.  Jahrhundert  der  bayerischen  Herzoge 
noch  den  begründetsten  Anspruch  auf  Bauwerke  aus  dem  Hochinittel- 
alter,  allein  nach  den  gründlichen  Untersuchungen  von  v.  Quast  ^} 
finden  sich  auch  hier  nur  geringe,  an  jener  sorgsam- ängstlichen  Technik 

1)  Deutsches  Kunsthl.  1852.  No.  19  ff. 


in  Bayern  und  Schwaben. 


347 


und  antikisirenden  Zierlichkeit  der  Profile  kenntliche  Ueberreste  aus 
dem  XL  Jahrhundert  (der  sogen,  alte  Dom  und  einige  llieile  der 
Vorhalle  von  St.  Emmeram),  während  die  spateren  zu  Ende  des  XII. 
und  zu  Anfang  des  XIII.  Jahrhunderts  entstandenen  Bauwerke  (die 
Schottenkirche  zu  Begensburg,  die  Krypta  des  Domes  zu  Freising), 
ungeachtet  einer  gewissen  Ueppigkeit  in  Erfindung  phantastischer 
Ornamente,  eine  grosse  Rohheit  der  Formen  darlegen,  welche  in  an- 
deren Gegenden  Deutschlands  damals  bereits  überwunden  war.  Be- 
sonders die  Portale  zeigen  bei  meist  schwerer  Behandlungsweise  eine 


IMIillMMM» 


Fig.  175.   Aui  8t.  Jacob  in  Rf^eniburg  (nach  Kallrnbach). 

Fülle  von  figürlichem  Sculpturwerk  in  fast  monströsen  symbolischen 
Compositionen  utid  starrer  Ausführung.  In  Schwaben  kommen  zwar 
treffliche  Bauwerke  vor,  und  namentlich  war  Kloster  Hirschau  (1082 


348  Bomanische  Kirchen 

bis  1091)  sehr  bedeutend,  im  Allgemeinen  aber  blieb  in  diesen  ganzen 
süddeutschen  Gegenden  die  Architektur  hinter  den  rheinischen,  hes- 
sischen und  sächsischen  Landen  zurück.  Schon  der  Grundriss  der 
Kirchen  ist  meist  reducirt:  das  Querhaus  fehlt,  die  drei  gleich  langen 
Schiffe  laufen  in  drei  Apsiden  aus,  und  die  Thürme  erheben  sich  qua* 
dratisch  über  dem  östlichen  Ende  der  Seitenschiffe,  wodurch  die  An- 
sicht von  Osten  her  in  ansprechender  Gruppirung  erscheint.  Ander- 
weitig kommt  auch,  besonders  bei  kleineren  einschiffigen  Kirchen  in 
Schwaben,  der  geradlinige  Schluss  des  Chores  vor,  der  zugleich  den 
Unterbau  des  Thurraes  bildet.  Nicht  selten  ist  die  abgesonderte  Stel- 
lung des  Thurmes  neben  einer  Langseite  der  Kirchen.  Im  Innern 
herrscht  in  Bayern  der  Pfeilerbau  durchaus  vor,  während  sich  in  den 
unter  mehrere  auswärtige  Bischofssprengel  vertheilten  schwäbischen 
Gegenden  Pfeiler-  und  Säulenbasiliken  (die  Säulen  mit  Würfelcapi- 
tälen)  gleichzeitig  vorfinden.  Der  regelmässige  Wechsel  von  Pfei- 
lern und  Säulen  ist  anscheinend  ohne  Beispiel,  dagegen  die  willkür- 
liche Unterbrechung  der  Säulenreihen  durch  Einschaltung  eines  Pfei- 
lers nicht  ungewöhnlich.  Regelmässig  begnügte  man  sich  mit  der 
flachen  Holzdecke,  und  die  wenigen  Gewölbebauten  gehören  erst  der 
.  spät  eintretenden  Uebergangsperiode  an.  —  Das  Aeussere  der  Kirchen 
ist,  abgesehen  von  den  bereits  erwähnten  Portalen,  grösstentheils  ganz 
einfach,  mit  Lisenen  und  Rundbogenfries ,  welchen  letzteren  gern  das 
sogen,  deutsche  Band  begleitet.  Einzelne  Beispiele  schmuckvoller 
Decoration  in  Schwaben  gehören  der  Spätzeit  an,  —  Den  alten  Kunst- 
denkmalen  der  süddeutschen  Lande  haben  die  Stürme  der  Reforma- 
tionszeit und  des  dreissigjährigen  Krieges  weniger  gethan,  als  die 
darauf  folgende  Verzopfungsperiode,  deren  Einfluss  sich  an  den  begü- 
terten katholischen  Kirchen  fast  überall  geltend  machte,  während 
die  ärmeren  protestantischen  glücklicherweise  sich  davon  frei  halten 
mussten.  ^] 

Vergl.  Schnaase,  Kunstgesch.  IV,  2,  141-145.  V,  318-323.  —  Kug- 
le r,  Gesch.  der  Baukunst  2,  493—514.  —  Lflbke,  Gesch.  der  Architektur. 
3.  Aufl.  S.  377—388.  —  Otte,  Gesch.  der  deut.  Baukunst  8.  415 — 455.  — 
Die  lithograph.  Tafeln  in  G.  Jakob,  die  Kunst  im  Dienste  der  Kirche  (1857) 
u.  inLaibu.Schwarz,  Formenlehre  (1858)  enthalten  Abbild,  von  Gebäuden 
aus  den  süddeutschen  Ländern. 


I)  Die  nachstehend  aufgefahrten  bayerischen  u.  schw&bischen  Kirchen  sind,  so- 
fern nichts  anderes  bemerkt  ist,  sämmtlich  flach  gedeckte  Basiliken  ohne 
Querschiff.  * 


in  Bayern  und  Schwaben.  349 

Aftdterback  bei  Ingolfing.    Einschiffige  roman.  Kirche. 

Alterhofei  bei  Straubing.  Die  Kirche  mit  viergiebeligem ,  einen 
schlanken  Helm  tragenden  Westthurm^  Pfeilerarkaden,  gerade  schliesaen- 
den  Seitenschiffen  und  gothisch  veränderter  Apsis.  Quaderbau.  (Details 
bei  Jakob,  die  Kunst  etc.  Taf.  3.  Fig.  10.) 

Alpinbach«  Die  Kirehp  des  1095  gegründeten  Klosters,  eine  kreuz- 
förmige Säulenbasilika,  deren  Seitenschiffe  sich  am  Chore  fortsetzen ;  ge- 
weiht 1098,  aber  wohl  aus  dem  XII.  Jahrb.  Die  Apsis  ist  im  Erdgeschosse 
mit  einer  in  halbrunder  Nische  schliessenden  quadratischen  Kapelle  und 
zwei  Altarnischen  neben  der  letzteren  ausgefüllt;  der  Oberbau  ist  gothisch. 
Der  Thurm  mit  Satteldach  steht  über  dem  östl.  Ende  des  nOrdl.  Seiten- 
schiffes. Vor  der  ganzen  Breite  der  Westseite  eine  Vorhalle,  (v.  Still- 
fried-Rattonitz  I.  Heft  2  u.  5.  —  Detail  bei  Kallenbach,  Album 
Heft  1  No.  4.  —  Vergl.  oben  S.  347  Fig.  174.) 

Alteistadt  bei  Schongau.  Die  Michaeliskirche,  ')  ein  spitzbogiger  Ge- 
wölbebau von  sechs  einfachen  rechteckigen  Jochen,  mit  drei  Apsiden  und 
mit  Thürmen  über  dem  Ostende  der  Seitenschiffe.  Die  Arkadenpfeiler  be- 
stehen aus  vier  Halbsäulen.  (Förster,  Denkm.  2,  7 — 12  und  2  Taf.  — 
Grueber,  Vergleichende  Samml.  I.  Taf.  4.  II.  Taf.  28  und  Taf.  16  No. 
8.  —  Vergl.  oben  S.  345  Fig.  173.) 

Altittiig.  Die  Gnadenkapelle ,  ein  hoher  Achteckbau  mit  Nischen  im 
Innern  und  einem  Kuppelgewölbe. 

AMMenee  bei  München.  Die  Kirche  am  See,  einschiffig  mit  Apsis; 
modern  überwölbt. 

Ast  bei  Landshut.  Das  flach  gedeckte  Schiff  der  Kirche  mit  rundbo- 
gigem  Nordportal. 

Algsbug«  Der  D  o  m  ^)  enthält  in  seinem  gothisch  überwölbten  und 
veränderten  Bau  den  Kern  einer  doppelchörigen  Pfeilerbasilika  aus  dem 
XI.  Jahrb.,  mit  schmalem  westl.  Querschiff  und  Altarrund.  Die  ursprüng- 
liche Beschaffenheit  der  in  der  zweiten  Hälfte  des  XIV.  Jahrh.  völlig  er- 
neuten Ostpartie  ist  zweifelhaft.  Von  den  vier  Thürmen  stehen  die  west- 
lichen über  den  Flügeln  des  nicht  ausladenden  Querschiffes,  die  östlichen 
treten  neben  dem  Ende  der  Seitenschiffe  frei  heraus.  Die  Säulenkrypta 
unter  dem  quadratischen  Westchore  erstreckt  sich  bis  unter  die  Vierung, 
ist  aber  in  ihrer  älteren  westlichsten  Abtheilung  verbaut.  In  dem  spätgoth. 
Kreuzgange  romanische  Ueberreste.  (v,  Wiebeking,  Baukunde  Taf.  1. 
5.  6.  44.  —  Grueber,  Vergleichende  Samml.  I.  Taf.  14.  16.  23.  24.— 
Förster,  Denkm.  3,  9  —  14  und  1  Taf.)  —  Krypta  und  Thurm  der  Mo- 
ritzkirche. —  Der  Perlachthurm  bei  der  aus  drei  gleich  hohen 
Schiffen  bestehenden  einfachen  Peterskirche. 


1)  Förster,  £.,  die  St.  Michaelisk.  in  Altenstadt,  im  B.  Kunstbl.  1S50.  S.  122. 

2)  Braun,  Placid  ,  die  Doxnk.  von  Augsburg  u.  der  Klerus  an  derselben.  1829. 
—  Herberger,  Th.,  die  ältesten  Glasgemälde  im  Dom  8U  Augsburg  mit  der  Gesch. 
des  Dombaues  in  der  roman.  Kunstperiode.  1860.  Vergl.  Derselbe,  im  Augsb. 
Anzeigeblatt  1857.  No.  132—148.  —  Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  148;  2,  731 ;  3,  753.  — 
Hase,  C.  W.,  im  Correspondenbl.  des  Gesammtvereins  etc.  VI.  S.  80  ff.  —  Angsb. 
Postztg.  1858.  No.  143—146.  151.  152. 

Otte,  Knnrt-Archiologie.  23 


350  Romanische  Kirchen 

BackMMg  bei  Stuttgart.  Das  Querschiff  der  zu  Anfang  des  Xu.  Jahrh. 
gegründeten  Stiftskirche  mit  Resten  von  zwei  sich  ehemals  über  den  Kreuz- 
armen erhebenden  Thürmen.  Chor  gothisch,  Langhaus  modern.  Vergl. 
Lotz  2,  31. 

Baildt  bei  Ravensburg.  Die  Kirche,  soweit  bekannt,  eine  spater  über- 
wölbte rohe  Pfeilerbasilika  mit  schönem  Säulenportal. 

lebenhauei  ^)  bei  Tübingen.  Die  Cisterzienserkirche ,  eine  später 
überwölbte,  1227  geweihte  Pfeilerbasilika  im  Uebergangsstil ,  in  der  ver- 
änderten Ostpartie  ursprünglich  nach  der  gewöhnlichsten  Weise  des  Ordens, 
wie  Fig.  36 -S.  89.  Der  grosseste  Theil  des  Langhauses  existirt  nicht  mehr. 
—  In  den  spätgothischen  Klostergebäuden  einige  Überwölbte  dreischifiige 
Säulensäle  im  Uebergangsstil.  (Leibnitz,  Organisation  der  Qewölbe. 
1858.  S.  41—43.) 

Belsei  bei  Tübingen.  Eine  Kapelle  ^)  mit  antikisirendem  Gesims, 
welche  im  Westgiebel  mit  Stier-  und  Widderköpfen,  auf  den  Thürstürzen 
mit  mystischen  Kreisen  verziert,  deshalb  lange  für  einen  römischen  Isis- 
tempel gehalten  worden  ist. 

Bergei  bei  Neuburg  a.  d.  D.  Nonnenklosterkirche,  nach  einem  Brande 
in  der  zweiten  Hälfte  des  XII.  Jahrb.,  ein  aus  drei  in  Apsiden  schliessen- 
den  Schiffen  bestehender  barbarisirter  Langbau  mit  fünfschiffiger  Säulen- 
krypta und  einem  oben  modernen  Thurm  vor  dem  reich  ausgestatteten  Süd- 
portal. 

Beitebkack  unweit  Schorndorf.  Eine  Krypta,  die  sich  noch  weit  unter 
der  jetzigen  gothischen  Kirche  hinaus  erstreckt.  Aeltere  roman.  Details 
am  Aeusseren  eingemauert.  (Württemb.  Jahrbücher.  1838.  Heft  1.  Fig.  8.) 

Blkirg  bei  Abensberg.  Das  Münster  (1125 — 1150),  eine  kreuzför- 
mige^ spätgothisch  überwölbte  Pfeilerbasilika  mit  Apsiden  am  Chor  und  an 
den  neben  diesem  verlängerten  Seitenschiffen,  über  denen  sich  zwei  vier- 
eckige Thürme  mit  Walmdächern  erheben.  (Jakob,  die  Kunst  Taf.  1 
und  2.) 

MM  bei  Göppingen.  Die  modemisirte  Stiftskirche,  im  Mittelschiffe 
hochstrebender  Pfeilerbau  mit  späterem  Chor  und  isolirtem  Thurm. 

BinigheiM  bei  Besigheim.  Die  Pfarrkirche,  eine  verunstaltete  spitz- 
bogige  Säulenbasilika  mit  gothischem  Chor  und  oben  achteckigem  Thurm, 
dessen  Unterstock  als  Kapelle  diente. 

BrackeihelM  bei  Heilbronn.  Die  ehemal.  Pfarrkirche  vor  der  Stadt, 
eine  kreuzförmige  Basilika,  in  deren  Spitzarkaden  Pfeiler  und  Würfel- 
knaufsäulen  wechseln;  das  Erdgeschoss  des  Thurmes  bildet  den  über- 
wölbten Chor. 

Breu  bei  Heidenheim.  Die  Pfarrkirche,  eine  in  drei  Apsiden  endende 
kleine  Basilika,  deren  rechteckig  umrahmte  Arkaden  auf  Säulen  mit  oma- 


1)  Graf,  H.,  Darstellung  des  alten  schwflb.  Klosters  Bebenhausen  in  1  f  Kupfer- 
tafeln. (1S28.)  2.  Aufl.  1835.  —  Klunzinger,  C,  Artist.  Beschreib,  der  vormal. 
Cisterz. -Abtei  Bebenhausen.  1852.  —  (Roth  v.)  8(chTecken8tein),  Beben- 
hausen, ehemal.  Cisterzienserkl.,  Constanzer  Sprengeis,  im  Organ  für  christl.  Kunst. 
1854.  S.  116  f.  XL.  S.  123— 126.  —  Leibnitz,  H.,  Bebenhausen,  als  Supplem.  II 
zu:  die  Kunst  des  M  -A.  in  Schwaben.    1858. 

2}  (v.  Hövel) ,  die  Kapelle  zu  Belsen.    Stuttg.  u.  Sigmar.   1841. 


in  Bayern  und  Schwaben.  35] 

mentirten  Würfelcapitälen  und  Eckblatibasen  und  einem  achteckigen  Pfeiler 
ruhen,  mit  flach  überwölbtem  Chorraum  und  einem  westlich  vorgelegten, 
von  zwei  Kundthürmen  flankirten  viereckigen,  oben  achteckigen  Thurm, 
welcher  die  Vorhalle  und  über  dieser  eine  sich  nach  dem  Mittelschiffe  öff- 
nende Empore  enthält.  Der  rechtwinkelig  umrahmte  Kundbogenfries  mit 
vielen  Menschen-  und  Bestiengebilden.  (Württemberg.  Jahrbüchef .  Heft  1 
S.  38.  —  Manch,  Abhandlung  8.  13  und  Taf.  1.) 

C«Mkurg  ^)  bei  Schwab.  Hall.  Von  der  ehemaligen^  später  in  ein 
Ritterstift  umgewandelten,  verzopften  Benedictinerkirche  sind  nur 
noch  drei  romanische  Thürme  ^)  wesentlich  unverändert  und  eine  auf  der 
Nordseite  derselben  über  einer  in  der  Tonne  überwölbten  Durchfahrt  bele- 
gene sechseckige  Kapelle  im  Uebergangsstil,  deren  Spitzgewölbe  auf  einer 
schlanken  Mittelsäule  (Heideloff,  Ornamentik.  Heft  17.  Taf.  2)  ruhen. — 
Die  flach  gedeckte  Josephskapelle.  —  Wichtiger  ist  der  gleichfalls 
romanische,  von  zwei  viereckigen  Thürmen  flankirte  Thor  bau  des  Klosters. 
(Jahreshefte  des  wirtenberg.  Alterthums Vereines.  Heft  1  Taf.  3.)  S.  auch 
Klein- Com  bürg. 

CralbhelM  bei  Ellwangen.  Die  Johanniskirche  mit  schlacken  Säulen 
und  runden  verzierten  Capitälen  als  Träger  der  Spitzarkaden.  Thurm  und 
Chor  gothisch. 

Vechaitsreit  bei  Landshut.  Kapelle  mit  einspringendem  gerade  ge- 
schlossenem Chor;  Ziegelbau. 

VeMkeidvif.  ^)  Heil.  Grab-Klosterkirche,  eine  gothisch  veränderte,  ge- 
rade geschlossene,  spitzbogige  Pfeilerbasilika  mit  dreischifPiger,  durch  den 
Thurm  vom  Langhause  getrennter,  rundbogig  überwölbter  Vorhalle  (lieib- 
nitz  ,  Organisation  der  Gewölbe  S.  27)  in  Westen.  Die  grosse  einschiffige, 
an  dem  Bergabhange  hinausgebaute  Krypta  (das  heil.  Qrabj  ist  mit  einem 
spitzbogigen  Tonnengewölbe  gedeckt.  (Details  in  Heideloff,  Ornamentik. 
Heft  2.  Taf.  2d;  Heft  8.  Taf.  3c/.) 

VettiBgei  bei  Urach.  Die  Pfarrkirche,  eine  einfache  kleine  Pfeilerbasi- 
lika mit  goth.  Chor. 

9«rastaiK  bei  Dinkelsbühl.    Erwähnt  wird  die  roman.  Pfarrkirche. 

SUwMgei.  Die  Stiftskirche,  Gewölbebau  mit  Querschiff  im  spätroman. 
Stil  (gothisch  und  zopfig  verändert) .  Die  Seitenschiffe,  mit  Emporen  dar^ 
über,  setzen  sich,  mit  Thürmen  übersetzt,  neben  dem  Chore  fort  und 
schliessen  wie  dieses  in  Apsiden ;  ausserdem  sind  noch  zwei  Apsidiolen  an 
den  Kreuzvorlagen.  Vor  der  Westseite  eine  dreischiffige  Vorhalle  mit  Em- 
pore und  spätgoth.  Thurm.  Die  Krypta  hat  kleeblattförmige  Säuleti*  (Laib 
und  Schwarz,  Formenlehre  Taf.  5.  —  Grueber,  vergL  Samml.  n. 
Taf.  12. —  Heideloff,  Ornamentik.  Heft  2.  Taf.  1  a,  ä,  c.  —  Manch, 
Abhandl.  Taf.  1.)  —  Diese  Kirche  entspricht  unter  den  schwäbischen  am 
meisten  der  gewöhnlichen  roman.  Anlage. 

1)  (Rothv.)  S(chrecken8tein),  Comborg,  ehemal.  Benedictinerkl.  Würz- 
burger Sprengeis,  im  Organ  ftlr  christl.  Kunst.  1854.  No.  22  u.  23. 

2)  Merz,  H.,  dieThOrme  derKomburger  Stiftsk.,  in:  Wirtembergisch  Franken. 
Zeitschr.  des  histor.  Vereins  für  etc.  V.  3.  Abschn.  III.  No.  5. 

3)  (Rothv.)  S(chrecken8tein),  Denkendorf,  ehemal.  Chorherrenkl  ,  Con- 
stanzer  Sprengeis,  im  Oi-gan  für  christl.  Kunst.   1854.  No.  19  u.  20. 

23* 


352  Romanische  Kirchen 

EsdiBgeM.  Die  filteren  Theile  der  Dionysiuskirche  (das  nOrdl.  Portal 
und  der  Unterbau  der  die  Stelle  der  Kreuzarme  einnehmenden  Tharme)  im 
Uebergangsstil. 

Vamilav  bei  Göppingen.  Die  (ehemal.  Kloster-)  jetzige  Pfarrkirche, 
eine  kleine  Säulenbasilika  mit  drei  Apsiden  und  westlichem  Thurm»  der 
eine  übft-wölbte  Vorhalle  und  Empore  enthält.  Das  reich  geschmückte 
Aeussere  zeigt  am  Ostgiebel  Halbsäulen  statt  der  Lisenen.  (Thrän,  Denkm. 
Helt  1  ff .  —  Laib  und  Schwarz,  Formenlehre.  Taf.  1  Fig.  7  und 
Taf.  5.  —  Heideloff,  Ornamentik.  Heft  5.  Taf.  irf;  Heft  12.  Taf.  1 
a,b,c;  Heft  17.  Taf.  1.) 

PraaeichleMSee  bei  Wasserburg.  Die  Klosterkirche,  eine  Basilika  mit 
abgekanteten  Pfeilern,  einem  massigen  Thurm  und  rohem  Portal,  dessen 
Sockel  und  Capitäle  aus  Köpfen  bestehen.  (Gruober,  Yergl.  Samml.  I. 
Taf.  23.  24.) 

VraveulMMeni  bei  Gtiglingen.  Die  gothisch  und  modern  veränderte 
einschiffige  Kirche  im  Uebergangsstil ;  der  Thurm  steht  über  dem  gewölbten 
Chor.   Kleeblattfenster. 

Vrebllg.  Der  Dom  ^)  (1160—1205),  eine  gothisch  und  zopfig  ver- 
änderte, in  drei  Apsiden  schliessende  Pfeilerbasilika  mit  Emporen  über  den 
Seitenschiffen  und  zwei  viereckigen  Westthürmen.  In  der  goth.  Vorhalle 
ein  reiches  Säulenportal.  Die  vierschiffige  Krypta  mit  mannichfachen  Säulen 
ist  berühmt  wegen  ihrer  reichen  Bildercapitäle  und  der  ganz  mit  figürlichen 
Sculpturen  bedeckten  grossen  Mittelsäule.  (Quaglio,  Denkm.  12.  — 
Sighart,  Bayer.  Kunutgesch.  S.  155  f.  182  f.)  —  Die  einschiffige  flach 
gedeckte  Martinskapelle  mit  sehr  engen  Fensterschlitzen  in  der  Apsis; 
nur  Sockel  und  Ecken  aus  Haustein«  das  Uebrige  Ziegel. 

VrickellMfeB  bei  Dingolfing.  Kirchlein  mit  gerade  geschlossenem  Chor 
und  einfachem  Thurm. 

Meiienried  bei  Neunburg  vorm  Wald.  Kirchlein,  anscheinend  ur- 
sprünglich überwölbt ;  im  Westen  eine  unterwölbte  Empore.  Chor  spät- 
gothisch. 

Vissei  bei  Hohenschwangau.  Die  moderne  Abteikirche  mit  altem 
Thurm  und  einer  westlich  belegenen,  anscheinend  frühromanischen  Krypta 
(Gruft  des  h.  Magnus),  die  mit  drei  Tonnengewölben  gedeckt  ist.  Die 
Schiffe  sind  durch  vier  Pfeiler  und  zwei  Säulen  mit  streng  gebildeten  atti- 
schen Basen  und  kelchartigen  Capitälen  geschieden.  (Sighart,  Bayer. 
Kunstgesch.  S.  75.) 

fiMdenthal  bei  Schwab. -Hall.  Die  Kirche  des  1245  hieher  verlegten 
Cisterzienser-Nonnenklosters,  einschiffig,  mit  einem  Nonnenchor  im  Westen 
und  einer  inneren  Scheidewand  vor  dem  gerade  geschlossenen,  allein  über- 
wölbten Osttheile  des  gothisirenden  Gebäudes. 

fiogging  bei  Neustadt  a.  d.  D.  Einschiffige,  flach  gedeckte  Kirdie  mit 
einspringendem  Chor,  Apsis  und  Thurm  Über  dem  Chor ;  bemerkenswerth 
durch  das  an  den  Pfosten  des  einfach  abgekragten  Portals  und  an  der  Nord- 
seite angebrachte  rohe  symbolische  Bildwerk,  erinnernd  an  die  Sculpturen 


I)  Sighart,  Joach  ,  der  Dom  zu  Freisitig.  Mit  4  Tafeln.  IS52. 


in  Bayern  und  Schwaben.  353 

der  Kirche  des  Schottenklosters  zu  Regensburg,  welchem  diese  Kirche  eigen 
war.  (S  ig  hart,  Bayer.  Kunstgesch.  S.  187.) 

fiorgeukerg  unweit  Kauf  heuern.  Einschiffige  Kirche  mit  flacher  Decke  ; 
an  der  Apsis  Halbsäulchen  und  Bogcnfrics. 

firaisbaeh  bei  Donauwörth.  Eine  romanische  Kapelle  in  der  Burg- 
ruine. 

lall  in  Schwaben.  Von  einem  älteren,  1156  geweihten  Bau  der  spät- 
gothischen  Hauptkirche  ist  nur  der  Unterbau  des  Westthurmes  tkbrig, 
der  im  Erdgeschoss  eine  nach  drei  Seiten  offene  Halle  bildet,  deren  Ueber- 
wölbung  auf  einer  mittleren  Kleeblattsäule  ruht.  (Heideloff,  Ornamientik . 
Heft  2.  Taf.  4.)  —  Das  Schiff  der  Katharinenkirche  mit  einem  recht- 
eckigen Thurme  im  Osten,  an  den  sich  der  goth.  Chor  schliesst,  im  Ueber- 
gangsstil.  —  Die  einschiflige  Urbanskirche  in  der  Vorstadt  Unter- 
Limburg mit  dreiseitiger  Apsis  im  Uebergangsstil. 

leiileikaM  bei  Landshut.  Kirchlein,  das  Schiff  rundbogig,  der  Chor 
mit  Spitzbögen. 

leillir#Mt  Die  in  dem  südöstlichen  Thurm  der  (kathol.)  Josephs- 
kirche befindliche  Michaeliskapelle  im  Uebergangsstil,  mit  arabischem 
Blattomament  am  Schlusssteine  des  Gewölbes.  (Manch,  Abhandl.  Taf.  3.) 

HebnerdiMgeu  bei  Memmingen.  Einschiffige  Kirche  mit  schönem  Rund- 
bogenfries. 

lenreialk  ^)  bei  Wildbad.  In  der  1817  gänzlich  veränderten  Cister- 
zienserkirche,  ursprünglich  einer  romanischen,  später  gothisch  umgebauten 
kreuzförmigen  Pfeilerbasilika^  Ueberreste  aus  roman.  Zeit  (1148).  (Hei- 
deloff.  Ornamentik.  Helt  8.  Taf.  2  f.)  Westlich  von  der  Kirche  die 
Trümmer  eines  spätroman.  Paradieses. 

HiMrifhauei  bei  Herrenberg.  Das  verstümmelte  Langhaus  der  Kirche, 
dessen  Kundarkaden  von  abgekanteten  Pfeilern  getragen  werden ;  der  Chor 
spätgothisch. 

liltersried  in  der  Oberpfalz.    Kleine  Kirche. 

linchaa  ^)  bei  Calw.  Von  der  grossartigen  Petri-Paulikirche 
(1082  —  1091),  einer  von  den  Franzosen  1692  zerstörten  kreuzförmigen 
Basilika  mit  dreischiffigem,  gerade  geschlossenem  Chor,  ist  nur  ein  westl. 
Thurm  von  sechs  Geschossen  erhalten.  (Mittheil,  der  k.  k.  Central -Com- 
mission  etc.  [1S58]  3,  11.  Fig.  5.)  In  den  Trümmern  des  Kreuzganges 
einzelne  romanische  Theile.  —  Die  Aureliuskirche,  eine  kreuzförmige 
Säulenbasilika  mit  zwei  Westthürmen,  von  welcher  nur  noch  die  unteren 
Theile  der  letzteren  und  die  überwölbten  Seitenschiffe  bestehen.  (Hei- 
deloff,  Ornamentik.  Heft  8.  Taf.  2e.] 

IlMMliaster  bei  Piaffenheim.  Die  Stiftskirche,  eine  in  drei  Apsiden 
endende  Pleilerbasilika  mit  Sattelthurm  am  Westende  des  sOdl.  Seiten- 
schiffes, 1746  gewölbt  und  verzopft.  Die  mit  einer  Apsis  versehene  Krypta 


1)  Vexgl.  Krieg  t.  Hochfei  den,  G.  H.,  Gesch.  der  Grafen  von  Eberstein. 
8.  233—248. 

2)  Derselbe»  die  alten  Gebfiude  im  ehemal.  Kloster  Hirschau,  mit  2  Tafeln, 
in  Mone's  Anzeiger  für  Kunde  der  teut.  Vorzeit.  1835.  Sp.  101  ff.  u.  Sp.  25U  ff. 


354  Romanisohe  Kirchen 

mit  acht  Pfeilerchen,  vier  sculptirten  Säulen  und  zwölf  Halbsäulen.    (Sig- 
hart,  die  mittelalterl.  Kunst.  Taf.  2.) 

isen  bei  Erding.  Die  Canonicatskirche  (zwischen  1177  — 1202)  ^), 
eine  spätgothisch  überwölbte,  in  drei  Apsiden  endende  Pfeilerbasilika  mit 
einem  Westthurm  und  sculptirtem  Westportal  hinter  der  goth.  Vorhalle. 
Unter  dem  Chor  eine  Säulenkrypta. 

Ktger  bei  Regensburg.    Eine  Kapelle  mit  Apsis  und  roman.  Details. 

Kastei  bei  Amberg.  Die  drei  ursprünglich  Üach  gedeckten  Pfeiler- 
schiffe der  Benedictinerkirche  (angeblich  1098  — 1125)  und  eine  benach- 
barte ebenfalls  flach  gedeckte  Kapelle. 

KelheiM  bei  Regensburg.  Das  flach  gedeckte  Schiff^  der  Ostthurm  und 
die  Apsis  der  Michaelskirche  aus  der  Uebergangsperiode.  Ebenso  die 
um  1232  erbaute  Ottokapelle.  ^) 

KeMpten.    Die  Ruine  der  Abteikirche  mit  Krypta ;  Uebergangsstil. 

KenthelM  bei  Calw.  Die  gothisch  veränderte  einschiffige  Waldkapelle 
mit  Thurra  über  dem  Chor. 

Kleia-C«Mkvrg  ok  Steinkach  bei  Schwäb.-Hall.  Die  Klosterkirche,  eine 
kleine  kreuzförmige  Säulenbasilika  mit  gewölbtem  und  äusserlich  gerade, 
innerlich  in  einer  Rundnische  geschlossenem  Chor,  deren  Langhausarkaden 
auf  massigen  Säulen  ruhen ;  die  platt  austretenden  Pfühle  liegen  auf  einer 
schmalen  runden  Plinthe  von  17*/,'  im  Umfange. 

KlefalTieckt  bei  Freising.    Kleine  einachifl^ge  Kirche. 

Kaaigtndenkapelle  zwischen  Röttingen  und  Aub,  einschiffig  mit  ein- 
springendem überwölbtem  Chor,  der  als  Unterbau  des  Thurmes  diente  und 
unter  dem  sich  eine  Krypta  befand.  Die  ausgekragte  Apsis  mit  Bestienfries 
ruht  auf  zwei  Löwen. 

Kappingea  bei  Herrenberg.  Eine  Kapelle  mit  rohem  Bildwerk,  das 
man  auf  Wuotan  hat  beziehen  wollen.  (Sattler,  Topogr.  Geschichte  von 
Würtemb.  1,  317.  Fig.  XIV.) 

LftMilskat.  Die  oben  S.  21  erwähnte  Schlosskapelle  auf  der  Trausnitz, 
begonnen  um  1204 — 1231  und  im  XV.  und  XVI.  Jahrh.  sehr  verändert. 
(Ar  et  in,  Alterth.  des  bayer.  Herrscherhauses.  Lief.  1.  —  Sighart, 
Bayer.  Kunstgesch.  S.  18.) 

Leonkerg.  Die  Stadtkirche,  in  ihrer  ersten  roman.  Anlage  als  Pfeiler- 
basilika der  Stiftskirche  von  Tiefenbronn  entsprechend. 

LiekeostelMt  Die  achteckige  Schlosskapelle  zeigt  romanische,  gothische 
und  Renaissance-Formen ;  den  Chorschluss  bildet  der  Untertheil  des  acht- 
eckigen Thurmes.  (Beschreib,  des  Oberamts  Besigheim.  S.  229.) 

Liekensteia  unweit  Kempten.  Kirche ,  deren  drei  Schiffe  in  Apsiden 
auslaufen. 

Lorck  bei  Schwab. -Gmünd.  Gothischer  Umbau  der  Kirche  des  um 
1102  gestifteten  Klosters,  in  welcher  das  Mittelschiff  mit  Pfeilerarkaden, 
ein  Theil  des  Querhauses  und  der  südl.  Thurm  noch  aus  roman.  Zeit 
stammen.  (Heideloff ,  Ornamentik.  Heft  8.  Taf.  2b;  Heft  12.  Taf.  ic.) 


1)  Föringer,  Qeschichtl.  Denkm.  in  der  Pfarrkirche  zu  Isen,  im  Oberbayer. 
Archivs,  141. 

•2)  Vergl.  Verhandl.  des  histor.  Vereins  far  Kiederbayem  6,  329—342. 


in  Bayern  und  Schwaben.  355 

lalleHlhtteB  bei  Schieissheim.  Kirche  mit  roman.  Friesen  am  Schiff. 
-  lailkMU.  ^)  Die  Cisterzienserkirche,  eine  spätgoth.  überwölbte  und 
umgeänderte  kreuzförmige  Pfeilerbasilika  mit  geradem  Chorschluss,  deren 
Kreuzarme,  in  der  östlichen  Hälfte  zweistöckig  eingerichtet,  unten  je  drei 
Kapellen  und  oben  einen  Säulensaal  enthalten  ;  zuerst  geweiht  1178.  Die 
Arkaden  des  Langhauses  mit  rechtwinkeliger  Einrahmung.  Der  Westseite 
ist  das  Paradies  {B  des  Grundrisses  zu  S.  90),  ein  im  zierlichsten  Ueber- 
gangsstil  ausgeführter  überwölbter  Raum,  vorgebaut  (oben  S.  64  Fig.  26). 
Von  den  Klostergebäuden  gehören  die  zweischiffigc  Säulenhalle  G,  das 
prachtvolle  Refectorium  H  (oben  S.  90  Fig.  37)  und  der  Südflügel  des 
Kreuzganges  der  Uebergangsperiode  an.  (Förster,  Denkm.  7,  23 — 32  und 
4  Tal'.  —  Leibnitz ,  Organisation  der  Gewölbe  S.  37—46.) 

lichtelkeireB  unweit  Salzburg.  Das  reich  geschmückte  Portal  der 
Klosterkirche. 

Iitleir«th  bei  Gaildorf.  Einschiffige  Kirche  mit  gerade  geschlossenem 
Chor  und  dem  Thurm  über  letzterem. 

■•••bug  unweit  Landshut.  Die  Klosterkirche  (nach  einem 
Brande  von  1207  im  Jahre  1212  geweiht),  eine  gothisch  und  zopfig  ver- 
änderte Pfeilerbasilika  mit  gothischem  Chor.  Unverändert  ist  der  viereckige 
Thurm  vor  der  Westseite  und  das  reiche  Säulenportal  (Quaglio,  Denkm. 
Taf.  10.  —  Sighart,  Bayer.  Kunstgesch.  S.  180).  —  Die  Michels- 
kirche auf  dem  Gottesacker  ist  ein  einschiffiger  flach  gedeckter  Langbau 
mit  Apsis,  daher  in  dem  Verzeichnisse  der  Rundkirchen  oben  S.  23  V.  zu 
streichen. 

■•tthg  bei  Holzhausen  in  Niederbayem.  Kleine  Kirche  mit  gerad- 
linigem Chorschluss  und  schmalen  Fensterschlitzen. 

liBChM.  Die  Angerkirche,  dreischifl^g  mit  drei  runden  Apsiden 
im  Uebergangsstil ;  innerlich  verbaut.  —  An  der  gothischen  und  moderni- 
sirten  Peterskirche  ein  romanischer  Thurm,  als  Rest  eines  1327  abge- 
brannten Baues.  —  Die  einschifiige  überwölbte  Wieskapelle  mit  runder 
Apsis,  verbaut. 

Iwhardt  ^)  unweit  Stuttgart.  Die  Klosterkirche,  eine  Basilika 
mit  achteckigen  Pfeilern  und  zwei  viereckigen  Thürmen  an  der  Ostseite  der 
Kreuzarme,  vielfach  verändert  und  entstellt.  Die  Walderichskapelle 
neben  der  Klosterkirche,  quadratisch  mit  Apsis,  elegant  ornamentirt,  erbaut 
um  1180.  (Jahreshefte  des  wirtenb.  Alterthumsvereines,  Heft  5.  Taf.  1 
und  Heft  6.  —  Grueber,  Vergleich.  Samml.  I.  Taf.  9.) 

NagoM  bei  Calw.  Die  Stadtkirche,  begonnen  1370,  mit  schlichten 
Rundpfeilem,  welche  die  Spitzarkaden  tragen,  eine  Basilika  noch  ganz  in 
der  Weise  des  gothisirenden  Uebergangsstils. 

HeektrthalllMgeB  bei  Nürtingen.    Die  Pfarrkirche,  eine  Säulenbasilika 


1)  Klunzinger,  C,  Artist.  Beschreib,  der  vormal.  Cisterz. -Abtei  Maulbronn. 
(1849.)  4.  verb.  Aufl.  von  C.  B.  Klunzinger.  I>»(5I.  —  Eisenlohr,  Fi.,  Cister- 
xienserkloöter  Maulbronn,  mit  30  Taf.  (Heft  1 — 5  der  mittelalterl.  Bauwerke  im  süd- 
westl.  Deutscbl.)  1853.  —  Bäumlein,  Progr,  des  Seminars  Maulbronn.  1S59. 

2)  (Rothv.)  Slcbreckenstein),  Murhardt,  ebemal.  Benedict.-Kl. ,  Würab- 
Sprengels,  im  Organ  fftr  christl.  Kunst.    1854.  8.  186—190.  ^ 


356  Romanische  Kirchen 

mit  drei  äusserlich  rechtwinkeligen  Apsiden  am  Chor  und  am  Ostende  der 
Seitenschifife ,  als  Nachbild  der  Klosterkirche  zu  Alpirsbach  bezeichnet. 
Thurm  und  Anderes  spätgothisch . 

Kieilerahall  bei  Kflnzelsau.  Die  Stadtkirche  St.  Laurentii,  eine  Pfeiler- 
basilika  mit  Spitzarkaden  und  gothischen  Zusätzen. 

Obentenfeld  bei  Besigheim.  Die  Kirche  des  in  der  ersten  Hälfte  des 
XIIL  Jahrh.  gegründeten  Frauenstiftes,  eine  Basilika  mit  Apsiden  am  Ost- 
ende der  Seitenschiffe  und  mit  stattlichem  Thurm  über  dem  quadratischen 
Chor.  Die  Spitzbogenarkaden  werden  von  unregelmässig  wechselnden 
Säulen  (mit  Warfelknäufen)  und  Pfeilern  (mit  korinthisirenden  Capitälen» 
getragen.  Unter  den  um  8  Stufen  erhöhten  drei  östlichsten  Arkaden  be- 
findet sich  eine  Säulenkrypta,  der  sich  unter  dem  um  noch  1 1  Stulen  er- 
höhten Chore  (im  Thurm)  eine  zweite,  wie  der  Oberraum  über  Ecksäulen 
überwölbte  Krypta  anschliesst.  Eine  beabsichtigte  Ueberwölbung  des  Lang- 
hauses ist  nicht  zur  Ausführung  gekommen.  (Leins,  im  Jahresber.  der 
polytechn.  Schule  zu  Stuttgart  von  1864.  Taf.  1.) 

•wem  bei  Kirchheim  unter  Teck.  Die  jüngst  restaurirte  Pfarrkirche 
von  1280  im  gothisirenden  Uebergangsstil,  gleicht  der  Johanniskirche  zu 
Crailsheim. 

Passai.  Buine  der  1660  abgebrannten  Marienkirche,  einer  über- 
wölbten spätroman.  Pfeilerbasilika  mit  zwei  Westthürmen  und  Nonnen- 
empore im  Zwischenbau,  die  sich  bis  ins  Mittelschiff  erstreckt.  Die  Arkaden- 
pfeiler sind  mit  vier  Halbsäulen  besetzt.  (Yei;handl.  des  histor.  Vereins  für 
Niederbayern  IL  2 ;  vergl.  IV.  2,  111.)  —  Romanische  Ueberreste  in  der 
Nonnenkirche  in  Niedernburg  und  in  der  einschiffigen  Severinkirche 
in  der  Innstadt. 

Penchei  vor  Nabburg.  Die  Kirche,  eine  gerade  geschlossene  Pfeiler- 
basilika im  Uebergangsstil  mit  zwei  Thürmen  am  Ostende  der  Seitenschiffe. 
Die  Ueberwölbung  sammt  den  Strebepfeilern  ist  späterer  Zusatz.  (Sighart, 
Bayer.  Kunstgesch.  S.  231.) 

Petenberg  bei  Dachau.  Ehemalige  Klosterkirche,  eine  kleine  rohe 
Pfeilerbasilika,  erbaut  1104,  die  aus  drei  gleich  langen  in  Apsiden  schlies- 
senden  Schiffen  besteht;  über  der  südlichen  Apsis  ein  Thurm.  (Sighart, 
die  mittelalterl.  Kunst  etc.  Taf.  1.) 

Petenkerg  bei  Flintsbach.  Kleine  verunstaltete  Pfeilerbasilika  (1135 
his  1139)  mit  rohem  Bildwerk  am  Portal. 

Petteidorf  bei  Regensburg.    Kleine  roman.  Kirche. 

PfaffenMfiiister  bei  Straubing.  Die  Stiftskirche  (seit  1156),  eine  ver- 
zopfte Pfeilerbasilika  mit  Chorapsis  und  zwei  Westthürmen. 

Pßriag  bei  Abensberg.  Einschiffige  Pfarrkirche  mit  zwei  Nebenka- 
pellen zu  den  Seiten  des  schmäleren  Chores,  die,  wie  dieser,  mit  Apsiden 
schliessen,  und  über  welchen  sich  hohe  Thürme  erheben. 

Pfenheta.  Die  AltstädterKirche,  eine  höchst  einfache,  sehr  mo- 
demisirte  Pfeilerbasilika.  —  Die  Schlosskirche  mit  grossartiger  spät- 
romanischer ,  dem  mittelrheinischen  Geschmack  folgender  Westfa^ade : 
zwischen  zwei  Thürmen  eine  überwölbte  Vorhalle  mit  reichem  Rundbogen- 
portal.    (Kugler,  Kl.  Sehr.  1,   147.)    Der  Gewölbebau  des  Langhauses 


in  Bayern  und  Schwaben.  357 

geht  von  Westen  nach  Osten  aus  romanischen  in  gothische  Fonnen  über ; 
der  einschiffige  Chor  spätgothisch . 

Platdlng  unweit  Straubing.  Die  gothisch  und  zopfig  veränderte  Jacobs- 
kirche, ursprünglich  eine  flach  gedeckte  Pfeilerbasilika  mit  Westthurm. 

PUenlngeB  bei  Stuttgart.  Die  einschiMge  Kirche  mit  spätgothischem 
Chor  und  Westthurm ;  das  Aeussere  theilweise  bemerkenswerth  durch  die 
der  Antike  entlehnten  Motive  des  Gesimses.    (Manch,  Abhandl.  Taf.  4.) 

föring  bei  Landsberg  am  Lech.  Wallfahrtskapelle  spätroman.  Stils 
mit  Fenstern  in  Kreuzform.  (Dorst,  Reiseskizzen  I.  Taf.  1.) 

Prifeibg  bei  Regensburg.  Die  Kirche  des  um  1 109  gestifteten  Klosters, 
eine  kreuzförmige  Pfeilerbasilika  mit  zwei  Ostthürmen,  an  die  sich  Neben- 
apsiden schliessen.  Der  Chor  ist  gothisch,  die  UeberwOlbung  etc.  aus  der 
Zopfzeit.  (Chlingensperg,  M.  v.,  das  Königreich  Bayern.  1843.  2,  79, 
Stahlstich.) 

Raveiskirg  unweit  Lindau.  Rundkapelle,  sogen.  Heidenhäuschen, 
ausserhalb  der  Stadt. 

Eegeasbarg.  M  Aller-Heiligenkapelle  im  Domhofe,  erbaut  als 
Grabkapelie  des  Bischofs  Hartwig  IL  (1155  — 1165),  von  der  Grundform 
eines  an  drei  Seiten  mit  Apsiden  besetzten  Quadrates,  und  an  der  vierten 
mit  einer  rechteckigen  Eingangshalle,  mit  einer  das  Ganze  übersteigenden 
achteckigen  Kuppel;  innerlich  ganz  schlicht,  äusserlich  mit  lisenenartigen 
PilasteiTi  und  Rundbogenfriesen.  (Grueber,  Vergl.  Samml.  U.  Taf.  26.  — 
Kallenbach,  Chronologie  IL  Taf.  2.  —  v.  Quast,  Reihenfolge.  Fig. 
13— 15.— Förster,  Denkm.  3,  27  und  Taf.  l  Fig.  12— 14.)  — Der  »alte 
Dom«  (St.  Stephan),  nördlich  am  Domkreuzgange  belegen,  ein  Rechteck, 
aus  zwei  durch  einen  von  schlanken  Wandpfeilem  getragenen  Gurtbogen 
getrennten  Quadraten  bestehend,  die  mit  rund  bogigen  Gratgewölben  gedeckt 
sind.  Jede  Seite  der  beiden  Abtheilungen  ist,  mit  Ausnahme  der  zu  einer 
Apsis  ausgerundeten  Ostseite,  in  je  zwei  hohe  Rundbogennischen  von  6 — 7 
Durchm.  getheilt,  so  dass  im  Ganzen  1 1  Nischen  an  den  Umfassungswänden, 
durch  schmale  und  schlanke  Wandpfeiler  getrennt,  vertheilt  sind.  Basen 
und  Kämpfer  zeigen  in  übereinstimmender  Bildung  eine  zierliche,  entschie- 
den roman.  Gliederung.  Die  Fenster  sind  nicht  mehr  die  ursprünglichen ; 
wohl  aber  gehört  die  westlich  angebrachte  Empore  zu  dem  ursprünglichen 
Bau,  der  nur  an  den  Pfeilern  und  Bogeneinfassungen  aus  regelmässigen 
Quadern,  sonst  aber  aus  verputzten  Bruchsteinen  besteht.  Die  Entstehungs- 
zeit dieser  früher  dem  VIIL  Jahrh.  zugeschriebenen  Kapelle  fällt  nach 
V.  Quast  ins  XL  Jahrh.  (Grueber  a.  a.  O.  Taf.  36.  No.  l.  —  Kallen- 
bach a.  a.  O.  I.  Taf.  1.  —  v.  Quast  a.  a.  O.  Fig.  1—8.  —  Förster 
a.a.O.  Fig.  1 — 5.)  — Die  »alte  Kapelle«,  eine  Pfeilerbasilika  mit  goth. 
Chor,  gründlich  verzopft.  —  St.  Cassian,  ein  verzopfter  Bau  roman.  Anlage 
mit  spätestgoth.  Chor.  —  Die  Dreifaltigkeitskapelle  ausserhalb  der 


1)  Popp,  J.,  u.  Bülau,  Tb.,  die  Architektur  des  M.  -  A.  in  Regensburg.  tO 
Lief.  1831 — 1S39.  —  Quast,  Ferd.  v.,  Reihenfolge  und  Charakteristik  der  vorzüg- 
lichsten Gebäude  des  M.-A.  in  Regensburg,  im  D.  Kunstbl.  IS")?.  No.  19—26.  Nebst 
I  Taf.  —  Niedermayer,  Andr.,  Künstler  u.  Kunstwerke  der  Stadt  Regensburg. 
1S57.  —  Prisac,  Zwei  Gänge  dirrch  das  mittelalterl.  Nürnberg  u.  das  noch  ältere 
Regensburg,  im  Kölner  Dombl.  1S65.  No.  247  ff. 


358  Romanische  Kirchen 

Stadt,  eia  Rundbau.  —  St.  Emmeram,  1052,  nach  einem  Brande  von 
1163  im  Jahre  11S9  neu  geweiht,  eine  gänzlich  verunstaltete  doppel- 
chörige  Basilika  mit  Krypten  unter  beiden  mit  Apsiden  schliessenden 
Chören.  Die  westliche  Krypta  bildet  ein  in  fflnf  Schiffe  getheiltes  Quadrat 
und  stammt  in  den  Umfassungswänden  (Details  bei  v.  Quast  a.  a.  O. 
Fig.  12)  aus  dem  XI.,  in  den  sechzehn,  theils  runden,  theils  achteckigen 
Säulen  (Jakob,  die  Kunst  im  Dienste  der  Kirche.  Taf.  3.  No.  4.  — 
Förster  a.  a.  O.  Fig.  7)  aus  dem  XII.  Jahrh.  Ein  sich  nördlich  an- 
schliessender Nebenraum  mit  einem  Mittelpfeiler,  vermuthlich  der  Grund- 
bau eines  Thurmes,  gehört  der  älteren  Bauperiode  an.  Die  Entstehungs- 
zeit des  Kryptenumgangs  um  den  massiven  Kern  der  östlichen  Apsis  bt 
ungewiss.  Durch  bestimmte  Datirung  (1049 — 1064)  und  sehr  eigenthüm- 
liche  antikisirende  Architektur  zeichnet  sich  der  aus  zwei  in  Conchen  lie- 
genden geradlinig  gedeckten  Thüren  bestehende  Eingang  (v.  Quast  a.  a.  O. 
Fig.  9 — 11)  in  das  nördliche  Seitenschiff  aus,  welcher  sich  im  Hintergrunde 
eines  elegant  spätromanischen  Paradieses  befindet,  das  indess  nur  noch  in 
Bruchstücken  erhalten  ist.  Ein  Prachtbau  im  gothisirenden  Uebergangsstil 
ist  der  Kreuzgang  (Popp  und  Bülau  Lief.  7.  Taf.  4—6.  —  Sighart, 
Bayer.  Kunstgesch.  S.  222 — 226),  dessen  Vollendung  in  den  Anfang  des 
XIV.  Jahrh.  fiel.  Der  Thurm  der  Kirche,  spätgothisch ,  steht  isolirt.  — 
St.  Erhard 's  Krypta  {Kallenbach,  Atlas.  Taf.  3),  ein  höchst  einfacher 
dreischiffiger  Pfeilerbau  mit  östlichei  Nische,  unter  einem  Privathause  in 
der  Nähe  des  Niedermünsters.  —  Das  Langhaus  der  Deutschhauskirche 
St.  Gilgen,  ein  Gewölbebau  im  Uebergangsstil.  —  Die  Kirche  des  Schot- 
tenklosters St.  Jakob,  Basilika,  aus  drei  in  Apsiden  endenden  Schiffen 
bestehend,  mit  zwei  Thürmen  über  dem  Ostende  der  überwölbten  Seiten- 
schiffe. Die  Arkaden  werden  im  Chortheile  von  Pfeilern,  im  westlichen 
Theile  von  hoch  strebenden  Säulen  (oben  S.  347.  Fig.  175)  getragen.  In 
Westen  legt  sich  ein  Querbau  vor,  der  über  einer  sehr  niedrigen  gewölbten 
Halle  eine  von  Säulengruppen  getragene  Empore  enthält.  Der  an  der  nörd- 
lichen Langseite  belegene  grossartige  Portalbau  ist,  durch  reiches  sehr 
eigenthümliches  Sculpturwerk  charakterisirt,  einzig  in  seiner  Art.  Die  mit 
Ausnahme  der  älteren  Thürme  c.  1150 — 1204  erbaute  Kirche  hat  nach 
einem  Brande  von  1178  anscheinend  durchgreifende  Herstellungen  erfahren, 
und  vielleicht  datiren  die  Reste  des  Kreuzganges  ebenfalls  aus  dieser  Spät- 
zeit. (Popp  und  Bülau  Lief.  2  und  6.  —  Kallenbach,  Chronologie  I. 
Taf.  6.  —  V.  Quast  a.  a.  O.  Fig.  16  —  22.  —  Förster  a.  a.  O.  9, 
19 — 22  und  3  Taf.)  —  Die  Johanniterkirche  St.  Leonhard,  ein  aus 
drei  von  Säulen  und  Pfeilern  getrennten,  gleich  hohen  Schiffen  bestehender 
Gewölbebau  mit  östlicher  Apsis  im  Uebergangsstil ;  modemisirt.  —  Das 
Niedermünster,  völlig  verzopft,  zeigt  geringe  Ueberreste  aus  dem  XII. 
Jahrh.  —  Das  Obermünster  ist  eine  modernisirte,  sehr  einfache  Pfeiler- 
basilika mit  Ost-  und  Westapsis ,  westlichem  Querschiff  und  isolirtem 
Thurm  und  kann  in  ihrem  Kern  aus  dem  XI.  Jahrh.  datiren.  (Details  bei 
Grueber,  Vergleich.  Samml.  I.  Taf.  23  und  24.  —  Förster  a.  a.  O. 
3,  15.  Taf.  1.  Fig.  9  und  10.)  —  Die  Spitalkapelle  in  Stadtamhof,  *) 


I)  Weininger,  Hans,  über  das  Kirchlein  des  Katharinenspitals  im  Stadtamhof , 
inWcstcrmann's  lUubtr.  Monatsheften.  1860.  No.  41. 


in  Bayern  und  Schwaben.  359 

ein  Sechseck,  dessen  Ge\i'ölbe  auf  Ecksäuich en  ruht;  erbaut  1287  im  Ueber- 
gangsstil  und  nach  einem  Brande  von  1809  im  Jahre  1859  mit  erneuertem 
Chor  beigestellt.  (Sighart,  Bayer.  Kunstgesch.  8.  227.  No.  69  und  70.) 

BeicheBbach  unweit  Freudenstadt.  Georgskirche,  eine  Pfeilerbasllika 
mit  zwei  Nebenkapellen  zu  den  Seiten  des  halbrund  geschlossenen  Chores 
und  einer  überwölbten  Vorhalle  im  Westen.  (Leins,  Jahresbericht  der 
polytechn.  Schule  in  Stuttgart.  1864.) 

K*kril«rf  bei  Isny  hat  eine  dreischiifige  roman.  Kirche. 

K^ttweli  unweit  Hechingen.  Die  Pelagiuskirche,  sehr  modernisirte 
flach  gedeckte  Pfeilerbasilika  mit  jüngerem  Thurm.  (Heideloff,  Orna- 
mentik. Heft  6.  Taf.  5.)  —  Das  Westportal  und  ein  Thurm  etc.  der  goth. 
Heil.  Kreuzkirche  im  Uebergangsstil. 

St.  BgM  unweit  Regensburg.  £inschi£fige8  Kirchlein  mit  Apsis  und 
Westempore;  sehr  kleine  Kundbogenfenster. 

St.  Nicola  bei  Gangkofen.  Einschiffige,  sehr  modernisirte  Ziegelkirche, 
mit  Apsis  am  gewölbten  Chor. 

St.  Nl€*lau  bei  Wartenberg,  einschiffige  Bergkirche  mit  Thurm  und 
'Apsis. 

Sckw&bbck-tailil.  Die  Johanniskirche,  eine  durch  den  Zopf  verun- 
staltete, unsymmetrische  Pfeilerbasilika,  die  aus  einer  ursprünglichen  Säu- 
lenbasilika umgebaut  sein  soll,  betonders  bemerkenswert!!  durch  die  man- 
cherlei phantastischen  Figürchen,  mit  denen  die  KleinbOgen  des  Rund- 
bogenfrieses, die  Fensterbänke  u.  s.  w.  ausgestattet  sind.  Der  Thurm  steht 
frei  auf  der  Nordseite;  der  Chor  ist  spätgothisch.  (Württemberg.  Jahrb. 
1838.  Heft  1.  Fig.  7.  —  Kallenbach,  Chronologie  I.  Taf.  5.) 

SehwinUeh  bei  Tübingen.  Einschiffige  Kapelle  mit  jüngerer  Apsis, 
ausgezeichnet  durch  den  mit  allerlei  seltsamen  Figürchen  ausgefüllten  Rund- 
bogenfries, und  deshalb  früher  für  einen  Isistempel  erklärt.  (Württemberg. 
Jahrb.  1838.  Heft  I.  Fig.  6.) 

Seligenthal;  Cisterzienser- Nonnenkloster  bei  Landshut.  Die  Afra- 
kapelle  an  der  Nordseite  der  zopfigen  Klosterkirche,  ein  einschiffiger,  durch 
eine  Nonnenempore  fast  ganz  ausgefüllter  Langbau  im  Uebergangsstil  (vor 
1232),  mit  gothischem  Chor. 

SMelilgeM  bei  Böblingen.  Stiftskirche,  eine  Pfeilerbasilika,  deren 
drei  Schiffe  in  Apsiden  schliessen.  Die  Arkadenpfeiler  haben  an  den  vier 
Ecken  engagirte  Würfelsäulchen.  Der  Thurm  steht  südlich  isolirt.  Vor 
dem  Spitzbogenportal  dieser  Seite  eine  Vorhalle,  deren  Oberstock  eine  Ka- 
pelle mit  vorgekragter  Apsis  bildet.  Die  1110  geweihte  Krypta  existirt 
nicht  mehr.  (Heideloff,  Kunst  des  M.-A.  in  Schwaben  1,  10 — 14  und 
Taf.  3.  4.) 

SteiagadeM  bei  Schongau.  Die  Prämonstratenserkirche,  häss- 
lich  verzopfte  Pfeilerbasilika  mit  drei  Apsiden,  aus  der  zweiten  Hälfte  des 
XII.  Jahrhunderts.  Reste  des  spätroman.  Kreuzganges.  Am  Eingang  des 
Klosterhofes  eine  halb  verbaute  zierliche  überwölbte  Rundkapelle,  geweiht 
1177.   (Grueber,  Vergl.  Samml.  H.  Taf.  36.  Fig.  2.) 

Straihbig«  Die  Altstftdter  Pfarrkirche,  eine  kreuzförmige  Pfeilerbasi- 
lika mit  drei  Apsiden  und  westlichem  Thurm.    Das  Innere  verzopft,  das 


360  Romanische  Kirchen 

Aeussere  mit  schönem  Westportal  (Sighart,  Bayer.  Kunstgesch.  8.  186 
No.  47)  reich  verziert. 

TbierhaBpteM  unweit  Augsburg.  Die  um  1 150  einfach  aus  Ziegeln  er- 
baute Klosterkirche  St.  Petri  und  Pauli,  eine  aus  drei  gleich  langen  Schiffen 
bestehende  Pieilerbasilika  mit  Apsis  am  Mittelschiff  und  ursprünglich  zwei 
Westthürmen  in  der  Axe  der  Seitenschiffe ;  verzopft. 

Tlefenbrouu  bei  Pforzheim.  Die  Stiftskirche,  *)  eine  Basilika,  deren 
abgekantete  Spitzarkaden  von  achteckigen  Pfeilern  getragen  werden ,  im 
Uebei^ngsstil.    Chor  und  Westportal  gothisch. 

Mlbatk  unweit  Ingolstadt.  Einschiffiges  Kirchlein  mit  Apsis  und 
einem  am  Ostgiebel  vorgekragten  Thürmchen,  bemerkenswerth  wegen  der 
grossen  Mannichfaltigkeit  roh  phantastischer  Menschen-  und  ThierkOpfe, 
welche  dem  Rundbogenfries  als  Knäufe  dienen,  '-^j 

llBter-SchMdorf  bei  Landsberg.  Einschiffiges  Kirchlein  mit  Apsis  und 
einem  am  Westgiebel  ausgekragten  Thürmchen.  ( Oberbayer.  Archiv  X. 
2,  265.) 

VrschftlliKg  bei  Prien  am  Chiemsee.  Nach  Sighart  (Bayer.  Kunstgesch. 
S.  200)  eine  Kirche  mit  roman.  Wandmalereien. 

WelMgsrteM  bei  Ravensburg.   Ruine  der  1715  zerstörten  Klosterkirche. 

Weiasbergt  Die  Kirche  hat  im  flach  gedeckten  Langhause  auf  runden 
und  achteckigen  Säulen  ruhende  schlichte  Spitzbogen;  reich  verzierte  Ca- 
pitäle ;  ein  quadratischer  Thurm  am  Ostende  vor  dem  spätgothischen  Chor. 
Der  Bogenfries  am  Langhause  mit  vielen  mystischen  Verzierungen. 

Welssetd^rf  bei  Ingolstadt.    Die  Kirche,  ähnlich  der  zu  ToUbath;  s.  d. 

Wind berg*  unweit  Deggendorf  im  bayer.  Wald.  Die  Prämonstratenser- 
kirche,  einfacher  Quaderbau  von  1142 — 1167,  eine  kreuzförmige  Pfeiler- 
basilika mit  Chorapsis  und  zwei  Nebenapsiden  an  den  neben  dem  Altar- 
hause verlängerten  Seitenschiffen.  Reiches  Westportal  mit  figurirten  Capi- 
tälen  und  Laubwerk  am  Thürsturz ;  ähnlich  das  kleinere  Nebenportal  an 
der  Nordseite.  Der  Thurm  über  dem  Ostende  des  nördl.  Seitenschiffes,  an 
der  Westseite  der  Kreuzvorlage ,  von  1416.  In  den  Jahren  1436 — 1460 
wurde  die  Kirche  überwölbt  und  1755  innerlich  verzopft.  (Eichinger, 
Geo.,  Kloster  Metten  und  seine  Umgebungen.  Landshut.  1859.  S.  270  ff. 
mit  Ansicht.  Abbild,  der  Portale  in  den  Verhandl.  des  histor.  Vereins  für 
Niederbayern  5,  249.)  0 

IlrgesbelH  bei  Donauwörth.  Romanische  flach  gedeckte  Marienkirche 
mit  gothisch  veränderten  Fenstern  und  spätgothischem  Chor. 

Anmerkung.  Kirchthürme  romanischen  Stils  finden  sich  noch 
an  vielen  Kirchen,  im  Württembergi sehen  : 

Adelberg  bei   Schorndorf,    Altheim   bei   Riedlingen,    Balt- 
ringen bei  Laupheim,  Dorndorf  bei  Laupheim,  Gemrigheim  bei 


1)  Weber,  P.,  die  Kirche  zu  Tiefenbronn  mit  iliren  Merkwürdigkeiten.  Mit  4 
Abbild.    1845. 

2}  Panser,  F.,  Beschreib,  der  Kirchen  in  ToUbath  u.  Weissendorf,  im  Oberb. 
Archiv.  V.  3,  314  ff.  mit  4  Taf. 


in  Bayern  und  Schwaben.  361 

Besigheim,  Hohcnmemmingen  bei  Heidenheim,  H Ü r b e  1  bei  Och- 
senhausen,  Hüttisheim  bei Laupheim,  Ingelfingen  beiKünzelsau, 
Kirchheim  am  Neckar,  Laupheim,  Lautern  bei  Blaubeuem, 
Mariazell  bei  Schramberg,  Michelbach  bei  Gaildorf,  Mietingen 
bei  Laupheim,  Mittelbiberach  bei  Biberach,  Mönch berg  bei  Her- 
renberg, Münster  bei  Gaildorf,  Kirchhofskirche  zu  Nagold  bei  Calw, 
Nellingen  bei  Esslingen,  Nieder- Geltingen  im  schwäb.  Berg- 
lande, Nufringen  bei  Herrenberg,  Ober- Fischach  bei  Gaildorf, 
Oberholzheim  bei  Laupheim ,  Ober-Wälden  bei  Göppingen, 
Stiltskirche  zu  Oeh ringen,  Orsenhausen  bei  Laupheim,  Scharen- 
stätten bei  Blaubeuern,  Sulmingen  und  Unter-Balzheim  bei 
Laupheim,  Wangen  bei  Stuttgart,  Weil  im  Schönbuch  bei  Tübingen, 
Wildberg  bei  Herrenberg. 

Die  meisten  dieser  Thürme  sind  einfach  viereckig,  mit  Satteldach  und 
mit  nach  Westen  und  Osten  gekehrten  abgestuften  Giebeln. 

In  Bayern : 

Allersdorf  bei  Abensberg,  Altdorf  bei  Kaufbeuern,  Alten- 
heuern  bei  Rosenheim,  Asenkofen  bei  Kegensburg,  St.  Georg  und 
Kreuzkirche  in  Augsburg,  Bergheim  bei  Augsburg,  Bernbach  bei 
Kaufbeuern,  Diedorf  und  Dietkirch  bei  Augsburg,  Ebranzhausen 
bei  Abensberg,  F i s c h a c h  bei  Augsburg,  Gan^kofen  bei  Mühldorf, 
Gersthofen  und  Gögg  in  gen  bei  Augsburg,  Goldern  bei  Dingolfing, 
Gross-Konreuth  unweit  Eger,  Hebramsdorf  bei  Asenkofen, 
Hirnheim  unweit  Regensburg,  Indersdorf  bei  München,  Inningen 
bei  Augsburg,  Kaufbeuern,  Kirch  berg  bei  Eggenfelde,  Landau 
bei  Straubing,  Lechhausen  bei  Augsburg,  Moosham  bei  Eggenfelde, 
Pfarrkirche  zu  Neunburg  vorm  Wald,  Oberhausen  bei  Augs- 
burg, Oberndorf  bei  Abbach,  Oth marshausen  bei  Augsburg, 
Reichenbach  bei  Regensburg,  Remnatsried  bei  Schongau,  Rotz 
bei  Neunburg  vorm  Wald,  Ruderatshofen  bei  Kaufbeuern,  Schaz- 
hofen  bei  Landshut,  Scheyern  bei  Ilmmünster,  So s sau  bei  Strau- 
bing, Tu  rk h e i m  bei  Landsberg  am  Lech. 

Sehr  viele  dieser  Kirchthürme  sind  einfach  viereckig  mit  Rundbogen- 
blenden, mit  von  Säulchen  getheilten  Schallöffnungen  und  Zeltdächern. 

Einzelne  Theile  und  Ueberreste  roman.  Stils  finden  sich  an  den  Kirchen 
folgender  Ortschaften,  im  Württembergischen: 

Abtsgemünd  bei  Ellwangen,  Michelbergskirche  zu  Bönnig- 
h e i m  bei  Besigheim,  B o p f i n g e n  bei  Nördlingen,  Braunsbach  bei 
Schwäb.-Hall,  Cleebronn  bei  Besigheim^  St.  Georg  in  Dinkelsbühl, 
Gültstein  bei  Herrenberg,  St.  Martin  zu  Langenau  bei  Ulm,  Lie- 
benzell  bei  Pforzheim,  Maichingen  bei  Böblingen,  Mönsheim 
bei  Heinsheim,  Stadtkirche  zu  Munderkingen  bei  Ehingen,  Oeschel- 
bronn  bei  Herrenberg,  Pappelau  bei  Geislingen,  Reichertsrod 
bei  Rothenburg  a.  d.  T.,  Marienkirche  zu  Reutlingen,  St.  Martin  zu 
Rottenburg  a.  N. ,  Schöckingen  bei  Leonberg,  Sülchen  bei 
Rottweil,  Wangen  im  AUgäu,  Weiler  in  den  Bergen,  Wurmlingen 
bei  Tübingen. 


362 


Komanische  Kirchen  in  Bayern  und  Schwaben. 


In  Bayern : 

Chammünster  bei  Cham,  Feldmoching  bei  München,  Mallers 
dorf  bei  Regensburg.  Nieder- AI taich  bei  Deggendorf.  Ober- 
Haunstadt  bei  Ingolstadt,  Pasing  bei  München  ,  Scheggendorf 
bei  Mauern,  Schongau,  Stadtbergen  bei  Augsburg,  Stulln  in  der 
Oberpfalz,  Vilssattling  bei  Vilsbiburg.  —  Vergl.  Lotz,  Kunst-Topo- 
graphie Bd.  2. 

lieber  die  Rundbauten  in  Bayern  und  Schwaben  s.  oben  S.  23  V. 


Vig.  175a.  Eingang  in  das  nördl.  Seitenschiff  von  St.  Emmeram  in  Rrgensburg.   Vtrgl.  oben  S.  358 


Wcttteitc  laa  $L  StupLaiä  iu  Wien  (nacli  Tieliifrchka), 


IIL  In  den  dentsch-östiirroicliif^clien  liänderii. 


Lilerntiin  LUOmo  ^vsk  y ,  Kd.  v.,  T)en]cm>ile  dtr  Baukutii^t  u.  Bild- 
nev^i  des  M*-A.  im  Ocaterr.  Kaiaerthujne ,  (*ez.  von  Jos.  Pischcr.  1817.  — 
BscTior,  C,i  DenXra»  iiUerth.  Baukanat  in  Mahren.  1^22*  —  Techiscbka, 
Fä,,  Kunat  u.  Alterth.  Im  Oesterreich.  Kaiserstaat*  183Ü.  —  Hawlik,  E., 
stur  Geach.  der  Baukunst,  der  bildenden  u.  zeichnenden  KtLnste  in  Mfthren. 
l^^i^,  —  Derselbe!  Znsaty.e  u.  Verbcssefungcn  zur  Gescb,  der  Künste  in 
Mahren.  1841. —  Wietäenfeld,  C,  Skizzen  einer  Geatli.  der  Baukunst  in 
Böhmen»  1&44.  —  Wocel,  J,  Era^m, ,  Grundztlge  der  bdhm*  Altorthumsi- 
künde.  l^4&.  —  Schmidl,  A,  A,|  Oosterreich.  Blatter  für  Literatur  n.  Kunst* 
ISn— 1848.  —  Derselbe,  Kunst  u.  Alterth,  in  Oeaterreich,  Heft  h  JS4fi» 
—  Ernst,  Leop.,  u,  Ocscher,  L,i  Baudcnkm.  des  M.-A*  ira  Erzherz ogth, 
Oesterreich,  Lief.  I — L  IS-16* — ■  Primiaser,  Aloys,  u,  Hormayr^  J,  v*, 
Künat  u*  Alterth.  in  OesterTeich,  in  Hormayr'a  Taschenb,  i"ör  die  vaterK 
Cie.?ch.  184^*  S.  2'^0— :Jit3.  —  M  elly,  Ed.^  die  Archftolngte  in  Oesterreich  (in 
Oeatef reich  herau-^^ckomtnene  archäol.  Werke},  in  den  Annaies  archeoU  IS^IK 
Livr.  i^.  —  Sehiiiidl,  A.  A,,  Reiae-NotiEen  zu  Kuiist  u,  Alterth,  l*3"Sft»  — 
Wücel,  L  Erasm.,  Bericht  über  die  1851  unternomniene  kunstatcböol.  Be- 
reiaung  Bülinient«,  in  den  SiUungsterichten  der  philo». -histor.  Olaaec  der  Aka- 
demie der  Wiaaenach.  zu  Wien,  ä,  4 — 24»  —  Hclder,  tiust.f  n.  UiUiflcfi 


364  Romanische  Kirchen 

J.  V.,  Archflol.  Notizen,  gesammelt  auf  einem  Ausfluge  nach  Henogenburg, 
Göttweih  u.  Seitenstetten,  im  Archiv  für  Kunde  Österreich.  Geschichtsquellen. 
5,  i:i9 — 178;  525—540.  —  Schmitt,  Ant.,  Abbild,  der  Baualterthümer  in 
Böhmen,  gezeichnet  Ton  Fz.  Lorenz.  1853.  —  Zapp,  C.  Wlad.,  PamAtky 
archaeologickö  a  möstopisnä  (Archttol.  -  topograph.  Denkwardigkeiten.  Organ 
des  Museums  zu  Prag).  1854  etc.  —  Mittelalter!.  Kunstdenkm.  des  Österreich. 
Kaiserstaates,  herausgegeb.  von  Gust.  Held  er,  Rud.  v.  Eitelberger  u. 
J.  Hie 8er.  2  Bde.  I>55li— 1S59.  —  Springer,  Fz  ,  u.  Waldheim,  R.  v., 
Oesterrelchs  kirchl.  Kunstdenkm.  der  Vorzeit.  Lief.  I.  2.  1850.  —  Sacken, 
£d.  V.,  Baudenkm.  im  Kreise  unter  dem  Wiener  Walde,  In  den  Mittheil,  der 
k.  k.  Central-Comra.  etc.  (J856J.  1,^2—85;  103—107.  —  Ankershofen, 
Gli.  V.,  Uebersicht  der  kirchl.  Baudenkm.  in  Karnthen,  ebd.  S.  121  — 126.  — 
Wocel,  Erasm.,  Uebersicht  der  roman.  Baudenkm.  in  Böhmen,  ebd.  S.  145 
bis  U9.  —  Grueber,  Beruh.,  Cfiarakteristik  der  Baudenkm.  Böhmens,  ebd. 
S.  189—200;  213—222;  241—248.  —  Tlnkhauser,  Geo.,  Bericht  über 
eine  Reise  von  Brixen  nach  Inichen  u.  in  das  Thal  Taufers  in  Tirol,  ebd. 
S.  200 — 206.  —  Sc  beiger,  J.,  ein  archäol.  Ausflug  nach  Feldbach,  Feh- 
ring u.  Pertlstein  in  Steiermark,  ebd.  S.  248 — 251.  —  Passavant,  J.  D., 
aber  die  mittelalterl.  Kunst  in  Böhmen  u.  Mähren  (tlber  die  Baukunst),  in  der 
Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  u.  Kunst  I,  145—256;  234.  —  Haas,  C, 
Kunstdenkm.  des  M.-A.  in  Steiermark.  1857.  [Aus  dem  Jahrbuche  der  k.  k. 
Central-Comm.  etc.  2,  203—232).  —  Sacken,  Ed.  v.,  Mittelalterl.  Kunst- 
denkm. im  Kreise  ob  dem  Wiener  Walde.  1857.  (Ebd.  S.  101— MiO.)  —  Tink- 
hauser,  G.,  die  alten  Baudenkm.  des  Iselthales  in  Tirol,  in  den  Mittheil, 
der  k.  k.  Central-Comm.  etc.  (1857).  ?,  174—180.  —  Derselbe,  Reiseber, 
aber  einige  Denkm.  zwischen  Botzen,  Tirol  u.  St.  Pauls  u.  s.  w.,  ebd.  S.  322 
bis  327.  —  Mikoweo,  Ferd.  B,,  AUerthamer  u.  Denkwardigkeiten  Böh- 
mens. Mit  Zeichn.  von  Jos.  Hellich  u.  W.  Kandier.  Bd.  1.  1858. — 
Haas,  C  ,  Notizen  aber  mittelalterl.  Baudenkm.  in  Steiermark,  IndenMitth. 
des  hlstor.  Vereins  far  Steiermark,  7,  205—236;  8,  156-160;  9,  257—275; 
10,  297—309.  —  Eggers,  F.,  Reisebemerk,  in  Tirol,  im  D.  Kunstbl  9,  95  ff. 
—  Wocel,  Erasm.,  Bericht  aber  eine  kunstarchäol.  Reise  in  Böhmen  u. 
Mähren,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.  etc.  (185S).  3,  141—149; 
169—180;  (1859).  4,9«— 100;  135—137;  158-163;  212— 218.  — Scheiger, 
J. ,  aber  einige  mittelalterl.  Kunstdenkm.  in  der  Gegend  von  Judenburg  u.  s.  w. 
in  Steiermark,  ebd.  S.  293—304;  323  —  328.  —  Ankershofen,  Gli.  v., 
Kärntens  älteste  kirchl.  Denkmalbauten.  1860.  (Aus  dem  Jahrbuche  der  k.  k. 
Central-Comm.  etc.  4,  61  —  104.) —  Sacken,  Ed.  v.,  Kunstdenkm.  des  M.-A. 
im  Kreise  ob  dem  Manhartsberge ,  in  den  Berichten  u.  Mittheil,  des  Alter- 
thumsvereines  zu  Wien.  5,  71 — 126.  —  Kirchl.  Baudenkm.  im  Erzherzogth. 
Oesterreich  u.  d.  E.  nach  Konr.  Grefe's  Aquarell- Aufnahmen  in  Farbendr. 
dargestellt.  1861.  —  Die  von  den  Zöglingen  der  Wiener  Architekturschule  ge- 
machten Aufnahmen  älterer  Bauwerke,  herausgeg.  von  dem  Vereine  Wiener 
Bauhatte.  1862  etc.  —  Weiss,  C,  aber  einige  Kunstdenkm.  in  Nieder- 
österreich u.  Steiermark,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.  etc.  (1862). 
7,  158—164;  190—195;  297— 301.  —  Schmitt,  Ant.P.,  Bericht  aber  einige 
Kunstdenkm.  Böhmens,  ebd.  (1863).  8,  32o — 325.  —  Petschnig,  Hans, 
aber  das  Gailthal  in  Karnthen,  ebd.  (I86i).  9,  107—121.—  Levitschnig, 
Barth.,  Baudenkm.  des  Gailthales,  ebd.  S.  122— 12S.  —  K.  A.,  Beiträge  zur 
Entwicklungsgesch.  der  kirchl.  Baukunst  in  Tirol.  2  Lieff.  1S64.  —  Petsch- 
nig, Hans,  aber  einige  Kirchen  in  Steiermark,  in  den  Mittheil,  der  k.  ^. 
Central-Comm.  etc.  (1865).  10,  191  —  204.  —  Sacken,  Ed.  v.,  ArchäoL 
Wegweiser  durch  das  Viertel  unter  dem  Wiener  Walde  von  Niederösterreich. 
186(i. 

Die  period.  Publicatlonen  der  k.  k.  Central-Comm.  zur  Erforschung  u. 
Erhaltung  der  Baudenkm.  s.  oben  S.  7.  Das  Jahrbuch  scheint  mit  dem 
1861  herausgekommenen  5.  Bande  zum  Abschlüsse  gelangt  zu  sein;  die  Mlt- 
thellungen  erscheinen  seit  1 864  unter  anderer  Redaction  und  in  veränderter 
Einrichtung. 


in  den  deutsch-österreichischen  Ländern.  365 

Areh&ologische  Karten:  Schmitt,  Ant.,  Archttol.  Karte  des  Königreichs 
Böhmen.  1856.  —  Haas,  C,  Arehäol.  Karte  der  Steiermark,  in  den  Mitth. 
des  histor.  Vereins  für  Steiermark.  Heft  10.  ISÜÜ.  —  Sacken,  Ed.  v.,  Karte 
der  Kunstdenkm.  des  M.-A.  im  Kreise  u,  d.  W.  W.  von  Niederösterreich. 
1865,  in  Desselben  Archäol.  Wegweiser, 

Yorbemerkang. 

S2,  In  den  dciitschrn  Kronlsndern  des  jcUigen  Kuiserthums 
Oester reich  sind  Rimdenkniale  aus  der  Finihzoit  der  rnmanisrlien 
Periode  nicht  Tiactjgr wiesen.  In  den  AlpfnprovinKen  lassen  die  wenig 
zahlieiclien  roiunniseheu  Kirchfn  neben  ilireni  ullgemein  süddeutschen 
Typus,  wie  aus  der  Grenz  nach  bar  schuft  leicht  erklärlich,  in  gewissen 
Einzclnheitcn  norditjdienische  Einflüsije  erkennen,  und  es  sind  na* 
STientlkh  praditvolle  Portal bautrii  t  durch  die  abwechselnde  Aufein- 
anderfolge vt'rschiedentarbigcn  Materials  (nuber  Marmor  und  weisses 
Gestein)  von  polychromatischer  Wirkung,  mit  vielen  schlanken,  theils 
runden,  tlieils  achteckigen  korinthisirendcn  Säulen  besetzt  und  mit 
einem  kleineu  Vorbau  versieben,  dessen  Frontsäulcn  einen  Flachgiebel 
tragen  und  auf  liegenden  Löwen  ruhen,  wie  solche  in  Verona  und 
Tricnt  vorkommen ,  die  sich  von  Tirol  bis  nach  Salzburg  verfolgen 
lassen.  In  Tirol  sind  nur  wenige  romanische  Kirchen  bekannt,  und 
zwar  zeigt  sich  der  lombardische  Eintiuss  hier  auch  in  der  langen  Dauer 
des  RoinanismuK,  der  sich  mit  Anw^endung  der  Uebergang&foxiuen  auf 
den  beibehaltenen  Rundbogen  und  mit  der  fast  quadratischen  Anord- 
nung der  einfachen  GewCilbejoche  bis  ins  XIV.  Jahrb.  hineinzieht* 
In  iSakburg,  w*o  dag  Cbtistenthiini  schon  im  VIT.  Jahrb.  gepflanzt 
wurde,  birgt  die  Erde  zwar  manchen  Ueberrcst  der  vorangegangenen 
römischen  Cultur,  aber  ausser  der  unbedent enden,  angeblich  merovin- 
gischeu  Rupertnskapelle  (am  Eingange  der  Klause)  finden  sich  christ- 
liche Denkmale  (der  Kreuzgnng  auf  dem  Nunnberge,  vielleicht  noch 
vom  Ende  de«  XI,  Jahrh. ;  oben  S.  78]  erst  aus  dem  XI L  Jahrb.?  und 
auch  diese  vielfach  verbaut  nnd  modcrn^irt.  Besonders  bemcrken«- 
w*er*h  ist  die  anscheinend  durch  den  zeit  weisen  Aufenthalt  Erzbischofs 
Conrad  I*  von  Salzburg  (111)6 — tl47)  in  Niedersachsen  vermittelte 
Uebertragung  einzelner  dort  heimischen  Bau  formen  die  Basilika  mit 
je  Äwei  Säulen  im  Wechsel  mit  einzelnen  Pfeilern,  die  juit  dem  Würfel- 
ornament  verzierte  rechtwinkelige  Umrahmung  der  Arkadcnbögcn)  in 
seinen  Sprengel,  w^obin  er  sächsische  Angustin er- Chorherren  übersie- 
delte. Hcit  der  Mitte  des  XII.  Jahrb.  erscheint  in  Steiermark  und 
Kärnten  in  den  Domen  von  Sckkau,  Gurk  und  in  !St,  Paul  im  Tiaviuit- 
thale  eine  durch  Alter,  Stil^  Ornamentik  und  gute  Erhaltung  gleich 

Oll*,  Ktuwl^Afel^»l«Si(<«  3 1 


366  Bomaniflche  Kirchen 

ausgezeichnete  Architektturgruppe.  In  Oesterreich  selbst  sind  nur  Bei- 
spiele aus  der  Uebergangsperiode  bekannt  (Michaelerkirche  in  Wien^ 
Kirchen  in  Wiener -Neustadt,  Schöngrabern  etc.),  welche  sich  hier 
weniger  in  einzelnen  Gliederungen  und  Ornamenten,  als  vielmehr  in 
dem  Bestreben  nach  grösserer  Schlankheit  der  Verhältnisse  und  nach 
mehr  mannichfaltiger  Gestaltung  eines  phantastischen,  zuweilen  über- 
ladenen Zierwerkes  charakterisirt  und  tief  in  das  XIII.  Jahrh.  hinab- 
reicht. Die  Cisterzienser  -  Abteikirche  zu  Heiligenkreuz,  in  ihrem 
Langhause  höchst  schlicht  und  einfach,  doch  schon  mit  ursprünglicher 
Absicht  der  Ueberwölbung ,  zeigt  mit  Ausnahme  der  spitzbogigen 
Westportale  überall  den  Rundbogen ,  wogegen  in  Kloster  Lilienfeld 
desselben  Ordens  (1202 — 1230)  das  System  des  stark  gothisirenden 
Uebergangsstiles  mit  dem  Spitzbogen  vorherrscht.  Derselbe  Stil  kenn- 
zeichnet auch  die  prachtvollen  Kreuzgänge  in  beiden  genannten  Klö- 
stern und  zu  Zwetl.  Die  Stephanskirche  in  Wien  zeigt  in  dem  reichen 
Hauptportale  der  alten  Westfront  eine  entschiedene  Mittelstufe  zwi- 
schen dem  Romanischen  und  dem  Gothischen.  Unter  den  zahlreichen 
kleinen  einschifiigen  Kirchen  finden  sich  einige  gewölbte  (Wildungs- 
mauer, Petronell,  Schöngrabern  etc.)  und  viele  andere,  bei  welchen 
sich  nach  dem  in  Süddeutschland  beliebten  Typus  der  Thurm  am  Ost- 
ende erhebt  und  in  seinem  Unterbau  zugleich  den  Chor  enthält.  —  In 
Böhmen,  wo,  wenn  ausnahmsweise  eine  reiche  Ornamentik  angeordnet 
i^t,  die  Formbildung  an  einer  gewissen  Plumpheit  leidet,  findet  sich 
zwar  eine  nicht  unerhebliche  Anzahl  romanischer  Bauwerke,  aber  sie 
sind  nur  klein  in  den  Maassen  und  einfach  in  der  Structur  fast  wie 
Bedürfnissbauten;  ältere  Kirchen  von  Basilikenanlage  (St.  Georg  in 
Frag,  Frosek,  Tismitz,  Altbunzlau)  sind  nur  wenige  bekannt.  In  den 
einschiffigen  Landkirchen  ist  sehr  oft  eine  unterwölbte  Empore  am 
Westende  angeordnet,  welche  von  Säulen  oder  Ffeilern  getragen  wird. 
—  In  Mähren  sind  die  Benedictinerkirche  zu  Trebitsch  und  die  Cister- 
zienser-Nonnenkirche  zu  Ti^hnowitz  zwei  bedeutende  Gewölbebauten 
im  gothisirenden  Uebergangsstil ,  beide  durch  Frachtportale  ausge- 
zeichnet. —  Ueber  die  in  diesen  südöstlichen  Gegenden  von  Deutsch- 
land zahlreich  vertretene  Klasse  kleiner  Rundbauten  ist  bereits  oben 
S.  19  und  23  VI.  und  VII.  gesprochen. 

Im  Detail  herrscht  in  Oesterreich  das  der  Uebergangsperiode 
eigen thümliche  Knospencapitäl  stark  vor,  während  Böhmen  anschei- 
nend bis  gegen  1300  bei  einem  schweren  Würfelknaufe  stehen  blieb. 
Sehr  beliebt  erscheint  in  den  Bauwerken  des  XIII.  Jahrh.  die  (in 
Tischnowitz,  Heiligenkreuz,  Lilienfeld,  Kaurzim  etc.  vorkommende) 


in  den  deuUch-österreichischen  Ländern.  367 

• 

Manier,  die  Gewölbeanfönger  (tas  de  Charge)  über  den  Capitälen  in 
Form  von  Blendschilden  anzusetzen;  vergl.  Fig.  177.    Am  Aeusseren 

ist  die  süddeutsche  Verbindung  des 
deutschen  Bandes  mit  dem  Bogenfriese 
sehr  beliebt,  welcher  letztere  oft  reich 
gegliedert  und  in  gebrochenen  Formen 
vorkommt;  zuweilen  vertritt  dessen 
Stelle  der  Zinnenfries.  Statt  der  Li- 
senen  sind  häufig  Halbsäulen  ange- 
ordnet. 

Vergl.  Schnaase,  Kunstgesoh.  IV.  1, 
149—154;  V.  324  f.  u.  458.  —  Kugler, 
Gesch.  der  Baukunst  2,  51ir-531  ;  545 — 547; 
3,  274  f.  u.  303—306.  —  Lübke,  Gesch.  der 
Architektur.  3.  Aufl.  S.  388—400.  —  Otte, 
Gesch.  der  deut.  Baukunst  S.  238—24 1  u.  456  fi. 
Fig.  177.  Heiligenlireuz  (nach  Heider).      Bei  Springer,  die  Baukunst  des  christl.M.-A., 

findet  sich  Manches  über  Böhmen. 

Alt-BtiixUii  unweit  Prag.  Die  Kr}'pta  unter  der  vielfach  umgebauten 
Collegiatkirche,  mit  32  Säulen,  die  Eckblätter  an  den  Basen  und  plump- 
rohe  Würfelknäufe  tragen.  (Grueber,  in  den  Mittheil.  etc.  1,  197,) 

Ali-PdUa  in  Niederösterreich.  Eine  ursprünglich  flach  gedeckte,  spät- 
gothisch  überwölbte  Basilika  mit  östlichem  Thurm,  an  den  sich  der  spät- 
gothische  Chor  schliesst. 

Arilagger  in  Niederösterreich.  Die  dreischiöige  Krypta  der  zwischen 
1226  und  1240  geweihten  Collegiatkirche  mit  Gratgewölben  und  dünnen 
Säulen  mit  Knospencapitälen.  Die  Wände  mit  einfachen  Blenden  mit 
Schmiegengesimsen  vielleicht  von  einem  älteren,  1066  geweihten  Bau.  Das 
zopfig  überwölbte  Schiff  mit  spitzbogigen  Pfeilerarkaden.  Der  Chor  gothisch. 
(v.  Sacken,   in  den  Mittheil.  etc.  2,  106.) 

As^Kg  unweit  W. -Neustadt.  In  Unter- Aspang  eine  Kirche  mit  Apsis ; 
neben  derselben  eine  einfache  Rundkapelle. 

Bercktesgaden  bei  Salzburg.  Die  goth.  veränderte  Stiftskirche  enthält 
in  dem  Unterbau  der  beiden  Westthürme  und  dem  inneren  Rundbogen- 
portal mit  farbigen  Marmorstreifen  durchsetzte  Ueberreste  aus  der  Zeit  um 
tl22.  Ebenso  datirt  der  Kreuzgang  (Abhandl.  der  Akad.  der  Wissensch., 
histor.  Kl.,  zu  München.  V.  l)  aus  dem  XII.  Jahrh. 

Boeklitl  bei  Prag.  Kirche  in  Form  des  gleicharmigen  Kreuzes,  geweiht 
1158;  modern  vergrössert. 

IttiPB.  ^)  Die  alte  Pfarre  mit  Apsis  und  Balkendecke.  —  Die 
ehemal .  Dominicanerkirche  (jetzt  Magazin}  hat  einen  roman .  West- 


])  Messmer,  Alois,  Alte  Kunstdenkm.  in  Botzen  u.  seiner  Umgebung,  in  den 
Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.  etc.  (IS57).  2,  57 — 63;  97—103;  120—123  u, 
Taf.  A. 

21* 


368  Romanische  Kirchen 

thurm.  —  Der  Kreuzgang  bei  der  Franciscanerkirche  ^)  im  Ueber- 
gangsstil.  (Messmer  S.  60  und  61.)  —  Die  Liebfrauenkirche,  ^)  von 
einem  älteren  roman  Bau  noch  den  Unterbau  der  beiden  östlich  stehenden 
Thürme  und  zwei  Marmorportale  enthaltend,  zeigt  in  dem  aus  drei  gleich 
hohen  gewölbten  Schiffen  bestehenden  unregelmässigen  Langhause  (um 
1320  — 1350)  stark  gothisirenden  Uebergangsstil ;  der  Chor,  um  den  die 
Seitenschiffe  einen  Umgang  bilden,  ist  spätgothisch .  (Ebd.  S.  100  und 
Taf.  4.)  —  Die  einschiffige,  ohne  Rippen  im  Spitzbogen  überwölbte  Kirche 
St.  Johann  im  Dorf  hat  den  Thurm  über  dem  mit  einer  Apsis  schliessen- 
den  Chore.   Aehnlich  ist  die  1303  geweihte  Kirche  St.  Martin  in  Campill. 

BrilfD.  Per  zopfig  umgebaute  Dom,  **)  mit  Ausnahme  der  beiden. 
Westthürme  aus  Ziegeln,  lässt  im  Lang-  und  Querhause  den  im  Jahre  1237 
geweihten  Gewölbebau  im  Uebergangsstil  erkennen.  Der  Chor  w^ar  spät- 
gothisch. Am  südl.  Flügel  des  elegant  spätroman.  Kreuzganges  "*)  die  ein- 
schifHge,  zum  Theil  in  der  Tonne  überwölbte  Taufkapelle  mit  einem  Kup- 
pelthurm  über  dem  Chor  (ebd.  [1861].  6,  130;  vergl.  oben  S.  17  Fig.  1) 
in  rohem  Stil. 

teitseh  -  Altenbirg  bei  Hainburg.  Die  Johann iskirche,  ^)  eine  spät- 
gothisch überwölbte  rundbogige  Pfeilerbasilika  von  1213,  mit  goth.  Thurm 
und  Chor.  Der  südl.  belegene  Karner,  ein  Rundbau  mit  reichem  spätroman. 
Westportal. 

lUlBersbaehaK  nächst  Irdning  in  Steiermark.  Reste  der  einschiffigen, 
später  überwölbten  Kirche  St.  Egydi,  bcmerkenswerth  wegen  des  ährenför- 
migen  Mauerverbandes  {opus  spioatum) . 

BoXAD  in  Böhmen.  Die  1144  gegründete  Stiftskirche  mit  einer  Säulen- 
krypta. 

Ebemilorf  bei  Völkermarkt  in  Kärnten.  Augustinerstiftskirche ,  eine 
goth.  veränderte  kreuzförmige  Pfeilerbasilika  mit  dreischiffiger  Krypta  unter 
dem  Querschiff  und  viereckigem  Thurm  an  der  südl.  Langseitc. 

IS^er«  Die  unteren  Etagen  der  beiden  Ostthürme  an  der  gothischen 
Dechanteikirche  im  Uebergangsstil.  — Die  Schlosskapelle ,  ein 
zweistöckiger  Oranitbau  mit  achteckiger  Oeffnung  in  der  gewölbten  Zwi- 
schendecke, besteht  in  beiden  Stockwerken  aus  einem  quadratischen  Schiff, 
welches  über  vier  Säulen  in  neun  Jochen  im  Erdgeschoss  mit  rundbogigen 
Gratgewölben,  im  Oberstock  nach  einem  Brande  von  1270  mit  frühgoth. 
Rippengewölben  gedeckt  ist.  An  das  Schiff  schliesst  sich  östlich  ein  qua- 
dratischer Altarraum,  der  mit  zwei  in  der  Tonne  überwölbten  Nebenrüumen 
versehen  ist,  so  dass  das  Ganze  rechteckige  Grundform  erhält.    Die  Säulen 


1)  Schöpf,  J.  B.,  die  Kirche  u.  das  Kl.  der  Franciscaner  zu  Bozen. 

2)  Ladurner,  Justin. ,  Beitrage  zur  Gesch.  der  Pfarrkirche  von  Botzen.   1851. 
3)Tinkhauser,  G.,  die  alte  u.  neue  Domkirche  zu  Brixen  in  Tirol,  in  den 

Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.  etc.  (1861).  (»,  6S— 72 ;  9U— lol  ;  120—134. 

4)  Derselbe,  der  alte  Kreuzgang  des  bischöfl.  Münsters  zu  Brixen,  ebd.  ( 1 856) . 
1,  n— 22u.  Taf.  2. 

5)  Sacken,  Ed.  v.,  die  Kirche  u.  Rundkap.  zu  Deutsch* Altenburg  in  Nieder- 
österreich, ebd.  S.  251—254  u.  Taf.  13.  —  Vergl.  Derselbe,  die  röm.  Stadt  Car- 
nuntum,  in  den  Sitzungsber.  der  Wiener  Akademie  der  Wissensch  ,  philos.-histor. 
Kl.,  9,  765-772  u.  Taf.  8  u.  15. 


in  den  deutsch- österreichischen  Ländern.  369 

de8  Oberstockes  sind  aus  weissem  Marmor.  Erbaut  ist  die  Kapelle  unter 
Kaiser  Friedrich  I.  *)    (Förster,  Denkm.  10.  7 — 10  und  3  Taf.) 

Vriedenbaeh  bei  Zwetl  in  Niederösterreich.  Durch  Umbau  völlig  ver- 
änderte Pfarrkirche  von  1250  im  IJebergangsstil ;  Chor  gothisch. 

Vriesaeh. *^)  In  der  einschiffigen  goth .  Stiftskirche  nimmt  die  west- 
liche Hälfte  des  Schiffes  eine  Nonnenempore  ein ,  und  darunter  eine  von 
Würfelknaufsäulen  in  drei  Schiffe  getheilte  Halle,  die  im  niedrigen  Spitz- 
bogen mit  Gratgewölben  gedeckt  ist.  —  Die  Dominicanerkirche,  ge- 
weiht 1251,  eine  ursprünglich  flach  gedeckte  spitzbogige  Pfeilerbasilika  mit 
innerlich  runden ,  äusserlich  polygonen  Apsiden  am  Ostende  der  Seiten- 
schiffe und  goth.  Chor.  Das  Mittelschiff  hat  kleine  Kundfenster.  Der 
Kreuzgang  mit  rundbogigen  Gratgewölben  im  Uebergangsstil.  (Springer 
und  Waldheim,  Oesterr.  Kunstdenkm.  Lief.  3 — 6.) 

€an  bei  Eggenburg  in  Niederösterreich.  Das  Langhaus  der  Kirche  am 
Berge,  Kest  einer  einfach  spitzbogigen  Pfeilerbasilika,  mit  Radfenstern  an 
der  Westseite.  Ueberwölbung  modern ;  Chor  spätgothisch.  (v.  Sacken, 
in  den  Ber.  und  Mittheil,  des  Wiener  Alterth.- Vereines  5,  90.) 

taatil  unweit  Zwetl  in  Niederösterreich.  Verunstaltete,  flach  gedeckte 
schlichte  Pfeilerbasilika  mit  östl.  Thurm,  an  den  sich  ein  spätgoth.  Chor 
schliesst. 

fiiiffei  bei  Völkermarkt.  Prämonstratenserkirche^)  in  Griven- 
thal,  begonnen  1251,  eine  höchst  einfache,  rundbogig  überwölbte  Pfeiler- 
basilika, deren  Seitenschiffe  in  der  Flucht  des  Triumphbogens  geradlinig 
schliessen,  ebenso  wie  der  quadratische  Chor.  Ueber  dem  nördl.  Seiten- 
schiffe liegt  der  Capitelsaal,  welcher  sich  als  Empore  nach  dem  Mittelschiffe 
öffnet.  Die  Westfront  ist  modern,  und  alles  Uebrige  meist  verbaut. —  Die 
südwestlich  belegene  Pfarrkirche  in  Oberndorf  (älter  als  das  1236  ge- 
stiftete Kloster)  war  ursprünglich  einschiffig ,  mit  östlichem  in  der  Tonne 
überwölbtem  Chore,  über  dem  sich  der  Thurm  erhebt,  woran  sich  ein  goth. 
Chor  schliesst.  Das  Westportal  ist  rundbogig  und  hat  ein  Rundfenster 
über  sich. 

€«rk.  Der  Dom,  ^)  vollendet  um  1216—1218,  eine  rundbogige  Pfei- 
lerbasilika ,  deren  Schiffe  in  Apsiden  enden ,  mit  zwei  Westthürmen,  die 


1)  Quast,  Ferd.  v.,  die  Burg  zu  Eger,  im  Berl.  Kunstbl.  1S2S.  S.  230.  334  u. 
1829.  S.  84  u.  144,  nebst  2  Taf.;  vergl.  Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  u.  Kunst  I, 
15U.  —  Grassold,  P.  A.,  Beschreib,  der  alten  Burg  zu  Eger.  1831.  —  Grueber, 
Beruh.,  die  Kaiserburg  zu  Eger  u.  die  sich  anschliessenden  Denkm.,  in  den  Beitr. 
zur  Gesch.  Böhmens.  Abth.  III.  Bd.  2.  1S64.  —  Die  Kaiserburg  zu  Eger,  in  der 
Oesterr.  Wochenschr.   18H5,  No.  3. 

2)  Essen  wein,  A.,  die  mittelalterl.  Baudenkm.  der  Stadt  Friesach  inKamth., 
in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central- Comm.  etc.  (1863).  8,  149—173;  190-205  u. 
Taf.  5-7. 

3)  Ankershofen,  J.  v.,  die  Stiftskirchen  zu  Griffen  u.  Obemdorf  inKftmtben, 
ebd.  (1857).  2,  41-44. 

4)  Quast,  Ferd.  t.,  der  Dom  zu  Gurk,  in  Otte,  Gesch.  der  kirchl.  Kunst 
(Grundzflge).  S.  69 — 77.  —  Ankershofen,  G.  F.  v.,  über  die  Zeitstellung  des 
Gurker  Dombaues,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.  etc.  (1856).  1,  22—25. 
—  Derselbe,  über  die  Vollendung  des  Gurker  Dombaues,  ebd.  S.  229  f.  —  Haas, 
C,  der  roman.  Dom  zu  Gurk  in  Kamthen,  in  den  Mittelalterl.  Kunstdenkm.  im 
Oesterr.  Kaiserstaat  von  G.  Heider  etc.  2,  144—172  u.  Taf.  26—29. 


370  RomanUche  Kirchen 

einen  bis  ins  Mittelschiff  vortretenden  Nonnenchor  flankiren ;  anscheinend 
auf  ein  Querschiff  angelegt,  Avelches  aber  nicht  an  der  gewöhnlichen  Stelle 
zur  Ausführung  gelangte,  sondern  am  östlichen  Ende  des  Langbaues,  wo 
die  Wände  der  Seitenschiffe  zu  hohen  Giebelfronten  ausgebildet  erscheinen. 
Die  Krypta  (wohl  bereits  1174  vollendet),  durch  je  drei  Pfeiler  in  drei 
Schiffe  getheilt,  ist  in  *diesen  mit  einem  wahren  Wald  von  Würl'elknauf- 
säulchen  labyrinthisch  ausgesetzt.  Das  ganze  Gebäudt^  ist  durch  edles  Detail 
und  durch  das  herrliche  marmorartige  Material  ausgezeichnet.  (Vergl.  oben 
S.  42  Fig.  14  und  S.  47  Fig.  19.) 

lardeck  unweit  Eggenburg  in  Niederösterreich.  Kunder  Karner  mit 
oberirdischer  Gruft  und  erkerartiger  Apsis ;  Ruine,  (v.  Sacken,  in  den 
Ber.  und  Mittheil,  des  Wiener  Alterth .-Vereines  5,  104.) 

Iftrtberg.^)  Der  Karner  St.  Michael  und  Ulrich,  eine  über  dem  Kuppel- 
gewölbe mit  hohem  Kegeldach  gekrönte  Rotunde,  deren  entsprechend  ge- 
deckte Apsis  fast  die  volle  Kreisform  hat.  Der  Stil  ist  entschieden  spät- 
romanisch.   (Heider,  in  den  Mittheil.  etc.  [1856],  1,  59  f.  und  Taf.  4.) 

leiligeMkreu  ^)  unweit  Wien.  Von  dem  1187  geweihten  Bau  der 
Cisterzienserkirche  scheint  nur  noch  das  ehemals  über  der  Vierung 
mit  einem  Kuppelthurm  gekrönte  Querschiff  herzuröhren,  indem  der  in  fünf 
Doppeljochen  überwölbte  Pfeilerbau  des  Langhauses  seinen  Abschluss  wohl 
erst  im  ersten  Viertel  des  XIII.  Jahrh.  gefunden  haben  wird,  da  die  Säulen - 
portale  der  Westfront  schon  den  Spitzbogen  zeigen.  Der  dreischiffige,  fast 
quadratische  Hallenbau  des  Chores,  von  gleicher  Breite  mit  dem  Quer- 
hause, ist  gothisch  und  vermuthlich  erst  gegen  1400  entstanden.  Der  Kreuz- 
gang zeigt  gothisirenden  Uebergangsstil ;  die  Bögen  sind  mit  Marmorsäul- 
chen ausgesetzt.  Capitelsaal  und  altes  Dormitorium  (eine  Säule  aus  dem- 
selben oben  S.  367  Fig.  177)  scheinen  etwas  älter.  —  Die  einschiffige, 
1295  geweihte  Spitalkirche  hat  sechstheilige  Rippengewölbe,  spitzbogig 
über  ausgekragten  Wandpfeilern. 

leiiigenstailt  bei  Wien.  Das  Schiff  der  kleinen  Jaoobskirche,  mit  goth. 
Chor  und  innerlich  modernisirt. 

lenenilMf  bei  Wien.  Das  Aeussere  der  Kirche  mit  rohen  Halbsäulen 
unter  dem  Bogen-  und  Schachfriese.  Der  Chor  schliesst  gerade,  und  dar- 
über erhebt  sich  ein  goth.  Thurm. 

linberg  bei  Wien.  Das  Langhaus  der  iin  Innern  modernisirten  Kirche 
mit  nur  einem  in  einer  Apsis  schliessenden  Seitenschiffe  und  mit  spät- 
gothischem  Chor. 

R^ltbltx  unweit  Prag.  Die  Kirche  ist  ein  Rundbau,  ursprühglich  mit 
Apsiden  auf  vier  Seiten,  doch  ist  die  nördliche  in  eine  viereckige  Sacristei 
verwandelt,  und  im  Westen  ein  spätgoth.  Thurm  hinzugefügt. 


1)  Grave,  H.,  die  kirchl.  Gebflude  zu  Hartberg  in  Steiermark,  in  den  Mittheil, 
der  k.  k.  Central-Comm.  etc.  (I8ö6).  1,  I7S  — 181. 

2)  Heider,  Gast.,  Heiligenkreutz ;  mit  einer  histor.  Einleit.  von  Jos.  Feil,  in 
den  Mittelalter!.  Kunstdenkm.  etc.  von  G.  Heider  etc.  1,  1  —  54  u.  Taf.  1 — 3.  — 
Essenwein,  A.,  die  Zeitbestimmung  des  Chores  der  Kirche  u.  des  Dormitoriums 
zu  Heiligenkreaz»  in  den  Mitth.  der  k.  k.  Pentral-Comm.  etc.  (1S59).  4,  313—322.  — 
Feil,  iur  Feststellung  der  Bauzeit  des  Chores  der  Abtei kirche  zu  Heiligenkreuz, 
ebd.  (1861).  6,  165—173. 


in  den  deutoch-österreiohiachen  Ländern.  37 1 

iMtiwar  bei  Prag.  Eine  kleine  dreischifiige  Kirche  mit  Apats  am 
Mittelschiffe. 

Igia«  in  Mähren.    Die  kleine  Kirche  St.  Johann  am  Hügel. 

iKicheu  im  Pusterthal.  Die  Benedictinerkirche,  ^)  eine  kreuzförmige, 
überwölbte  Pfeilerbasilika  im  Rundbogen,  deren  Seitenschiffe  sich  im 
schiefen  Winkel  neben  dem  Chore  fortsetzen  und  wie  dieser  mit  Apsiden 
schliessen,  geweiht  1284.  Die  ehemals  unter  dem  Chor  und  der  mit  einer 
Kuppel  gedeckten  Vierung  befindliche  Säulenkrypta  in  neuerer  Zeit  zer- 
stört. Westlich  vor  dem  südlichen  Seitenschiffe  ein  quadratischer  Thurm, 
an  dessen  Nordseite  vor  dem  Säulenportale  des  Mittelschiffes  sich  eine  go- 
thische  Vorhalle  schliesst,  die  mit  einer  nördlich  angebauten  Kapelle  zu- 
sammenhängt. Die  Fenster  sind  meist  neueren  Ursprungs,  von  der  1846 
bis  1853  ausgeführten  Restauration. 

Katowiti  bei  Strakonitz  in  Böhmen.  Rechteckige  einschiffige  Kirche 
mit  einer  rundbogig  unterwölbten  Empore  in  Westen  und  einem  viereckigen 
Thurme  über  der  Nordostecke. 

KamiH  in  Böhmen.  Die  Erzdechanteikirche,  eine  gewölbte  Basilika 
im  gothisirenden  Uebergangsstil  (begonnen  wahrscheinlich  1232),  mit 
Thürmen  an  der  Stelle  der  Kreuzarme  und  zwei  Nebenchören,  die  wie  der 
Hauptchor  polygonisch  geschlossen  sind.  Am  Westende  drei  Emporen, 
unter  dem  Altarhause  eine  achteckige  Kryi)ta,  deren  Gewölbe  auf  einem 
mittleren  Säulenbündel  und  in  den  Ecken  auf  Kragsteinen  ruht.  (Zapp, 
Pamätky  1.  Taf.  10.)  Die  Details  sind  reich  und  mann  ichfaltig,  aber  dick 
mit  Kalk  bedeckt.  Ein  dritter  Thurm  steht  isolirt  vor  dem  schönen  mit 
Zackenbögen  geschmückten  spitzbogigen  Portal  der  Nordseite. 

KirliBg  bei  Klosterneuburg.  An  der  Apsis  der  Kirche  Halbsäulen  mit 
attischen  Basen. 

lUiBgenberg  bei  Pisek  in  Böhmen.  Die  Schlosskapelle  mit  kleinem 
Chor  und  Westempore  im  Uebergangsstil. 

KiMteneibirg  ^)  bei  Wien .  Die  S  t  i  f  t  s  k  i  r  c  h  e  3)  enthält  im  Chor 
und  Querschiff  vielleicht  noch  einige  Reste  des  ältesten,  1136  geweihten 
Baues.  Die  Westfront  ist  spätromanisch,  die  Thürme  auf  den  Flanken  sind 
gothisch,  aber  unvollendet.  Der  Chor  datirt  aus  der  Zopfzeit,  und  das  ganze 
Innere  der  ehemaligen  Pfeilerbasilika,  deren  Mittelthurm  im  XVII.  Jahrh. 
abgetragen  wurde,  ist  gründlich  entstellt.  Von  dem  grossentheils  frühgoth. 
Kreuzgange  zeigt  der  Östliche  Flügel  noch  Uebergangsformen.  (Ernst  und 
Oescher,  Baudenkm.  in  Oesterreich.  Lief.  1 — 3.) —  Die  Gertruds- 
kirche'') ist  einschiffig  und  flach  gedeckt,  mit  einer  Empore  in  Westen 
und  einem  quadratischen  Chore ,  über  dem  der  Thurm  aufsteigt,  und  der 
mit  einer  Apsis  schliesst. 

1)  Tinkhauser,  G.,  die  roman.  Stiftskirche  zu  Iniehen  in  Tirol,  ebd.  (1858). 
3,  225—237  u.  Taf.  10. 

2)  Festorazzo  u.  Haller,  das  Stift  der  regulirten  Chorherren  St.  Augustins 
in  Klosterneuburg.  Wien  1846. 

3)  Br.  K.  L.,  die  Stiftskirche  zu  Klosterneuburg,  in  den  Mitth.  der  k.  k.  Central- 
Comm.  etc.  (1805).  lü,  LIX— LXIII. 

4)H(eide]r,  die  St.  Oertrudskirche  zu  Klostemeubuig,  ebd.  (1856).  1,  225 
bis  227  u.  Taf.  12. 


372  Romanische  Kirchen 

Koidratf  bei  Wlaschim  in  Böhmen  (Kr.  Tabor) .  Das  Schiff  der  Dorf- 
kirche, dessen  Westfront  von  zwei  runden  Eckthülrmen  über  rechtwinke- 
liger Grundlage  flankirt  wird ;  der  einspringende,  viereckige  Chor  ist  go- 
thisch.    (Zapp,  Pamdtky  l,  Taf.  11.) 

K^paniM  bei  Prag.  Runde  Dorfkirche  mit  Apsis  und  viereckigem 
Thurme.    (Wocel,  Grundzüge  der  höh m.  Alterthumsk.  Taf.  6.  Fig.  5.) 

K^warj  bei  Prag.    Dorfkirche  röman.  Stils  auf  alter  Burgstelle. 

KtenriBg  bei  Eggenburg  in  Niederösterreich.  Die  Kirche  (neben 
den  Burgruinen),  ein  vielfach  veränderter,  ursprünglich  flach  gedeckter 
Langbau  mit  einem  Seitenschiff  auf  der  Südseite,  welches  östlich  den  Thurm 
trägt  und  mit  hufeisenförmiger  Apsis  schliesst;  das  Hauptschiff  mit  ge- 
wöhnlicher Apsis.  (v.  Sacken,  in  den  Ber.  und  Mittheil,  des  Wiener 
Alterth.- Vereines  5,  76  f.)  —  Der  Karner,  südlich  neben  der  Kirche, 
mit  der  Gruft  fast  über  der  Erde  und  ausgekragter  Apsis  des  Oberraumes, 
im  Uebergangsstil.    (a.  a.  O.  S.  78.) 

Lsas  in  Tirol  (Vintschgau) .  Komanische  Kirche  St.  Marx  mit  kleiner 
Krypta. 

Laifea  a.  d.  Salzach  bei  Salzburg.  Der  Thurm  der  goth.  Stiftskirche 
und  die  spätroman.  zweistöckige  Mariahilfkapelle  am  Kreuzgang:  das  vier- 
eckige Erdgeschoss  mit  auf  Kragsteinen  ruhendem  Gurtgewölbe,  das  neun- 
eckige Oberstock  mit  flachem  Tafel  werk.  ( S  i  g  h  a  r  t ,  Baver.  Kunstgesch. 
S.  218.) 

Laxeubirg  bei  Wien.  Von  der  1222  geweihten,  1318  durch  Feuer 
beschädigten  und  1799  zerstörten  Capella  speciosa  zu  Klosterneuburg ' ) 
sind  einzelne  Theile  in  der  Kapelle  und  in  dem  Speisesaale  des  1801  er- 
bauten Ritterschlosses  verwendet :  das  Portal,  Säulchen  und  Bögen  im  Ueber- 
gangsstil, die  Marmorbekleidung  der  Wände  etc. 

LIbisck  unweit  Prag.  Das  flach  gedeckte  Schiff  der  Jacobskirche  mit 
einem  Thurm  an  der  Westecke,  dessen  Innenraum  von  einer  Säule  getragen 
wird:  der  schmälere,  polygonisch  geschlossene  Chor  ist  frühgothisch. 
(Zapp,  Pamdtky  1,  111  und  Taf.  6  ff.) 

Uebskaise«  bei  Laun  in  Böhmen  (Kr.  Saatz).  Westthurm ,  schönes 
Portal  und  Schiff  der  Kirche;  Chor  gothisch  und  1852  erweitert. 

Liecbtenstein  bei  Mödling  in  Niederösterreich.  Die  oblonge  Pancratius- 
kapelle  auf  der  Burg,  mit  kleiner  Apsis  und  rundbogigen  Gurtgewölben 
über  Ecksäulen  mit  derben  Würfelcapitälen  und  attischen  Eckblattbasen. 

LiflllBg  bei  Strassburg  in  Kärnten.  Das  Schiff  der  Pfarrkirche  und  die 
unter  dem  goth.  Chore  befindliche  dreischiffige,  mit  Gratgewölben  im  niedri- 
gen Spitzbogen  gedeckte  Krypta. 

Liru  in  Tirol  (Iselthal) .  Die  Doppelkapelle  des  Schlosses  Brück  von 
quadratischer  Grundform  mit  Apsis.  Der  obere  Raum  ist  von  dem  unteren 
durch  eine  umlaufende  hölzerne  Empore,  in  der  Apsis  durch  ein  Steinge- 
wölbe geschieden.    Die  Ueberwölbung  des  Quadrates  ist  gothisch. 


1}  Esse  11  wein,  A.,  die  Kapelle  des  h.  Johannes  des  T.,  genannt  Capeila  spe- 
ciosa, zu  Klosterneuburg,  in  den  Ber.  u.  Mittheil,  des  Wiener  Alterth. -Vereines.  5, 
1—44  u.  Taf.  1—3.  —  Vergl.  oben  S.  IS. 


in  den  deutsch^Osterreichisohen  Ländern.  373 

UiieifeM  in  Niederösterreich  (Kr.  o.  d.  W.  W.) .  Die  Kirche  des  1202 
gestifteten  Cisterzienserklosters,  ein  bei  der  1232  stattgefundenen  Weihe 
sicher  noch  nicht  vollendeter  GewOlbebau  von  grossartigem  Orundplan  in 
einem  Gemisch  romanischer  und  gothischer  Elemente.  Die  Pfeiler  des  aus 
sechs  spitzbogigen  Jochen  bestehenden  Langhauses  sind  kreuzförmig  und 
an  allen  vier  Seiten  und  in  den  Ecken  mit  Halbsäulen  besetzt.  Die  Kreuz- 
arme  von  je  drei  Jochen  sind  Ostlich  mit  einer  Abseite  versehen,  und  über 
der  Vierung  war  ehemals  ein  achteckiger  Thurm.  Im  östlichsten  Joche  des 
Langhauses  haben  die  SeitenschifTe  gleiche  Höhe  mit  dem  Mittelschiffe. 
Der  im  halben  Zehneck  geschlossene ,  aus  zwei  rnndbogigen  Jochen  be* 
stehende  Chor  wird  von  einem  niedrigen  rechteckigen  Umgange  umzogen, 
welcher  der  jüngste  Theil  des  Ganzen  ist.  Die  Fenster  sind  überall  rund- 
bogig.  Das  nördliche  Seitenschiff  hat  Strebepfeiler,  der  Obergaden  und  der 
Chor  Lisenen  zwischen  dem  Rundbogenfries.  Im  Detail  herrschen  Knospen- 
und  Laubcapitäle  vor.  Die  Quer-  und  Kreuzgurte  des  Mittelschiffes  zeigen 
gothische  Bildung,  im  Querhause  schlichte  Bandform.  Die  verzopfte  West- 
front hat  ein  reiches  Spitzbogenportal ,  dessen  Schrägwände  mit  rothen 
Marmorsäulen,  in  Gruppen  von  zweimal  vier,  besetzt  sind,  die  Knospen- 
capitäle  von  gelblichem  Sandstein  tragen.  An  das  südliche  Seitenschiff  der 
Kirche  schliesst  sich  der  prächtige  im  gothisirenden  Uebergangsstil  gebaute 
Kretizgang,  dessen  Arkaden  mit  gekuppelten  Marmorsäulchen  ausgesetzt 
sind.  liCtztere,  im  Ganzen  über  400,  haben  höchst  zierliche  Knospenca- 
pitäle.  Die  Klostergebäude  zeigen  ebenfalls  eine  harmonische  Durchdrin- 
gung romanischer  und  gothischer  Formen,  (v.  Sacken  ,  im  Jahrbuch  der 
Central-Comm.  2,  109—120  und  Taf.  1—3.) 

Lorck  bei  Enns.  Das  ursprünglich  flach  gedeckte  Langhaus  der  Lorenz- 
kirche mit  einfachen  Pfeilerarkaden  im  Spitzbogen.  Der  gerade  geschlossene 
Chor  ist  gothisch ;  die  Seitenschiffe  sind  gothisch  verändert. 

largurethei  nm  Iom  unweit  Wien,  Die  Dorfkirche  (mit  moderner 
Abseite)  hat  im  Schiff,  über  dessen  Ende  sich  ein  achtgiebeliger  Thurm  mit 
Steinpyramide  erhebt,  über  kurzen  Halbsäulen  zwei  spitzbogige  Kreuzge- 
wölbe im  Uebergangsstil ;  der  gerade  geschlossene  Chor  hat  spätgothische 
Ueberwölbung.  —  Die  kleine  daneben  stehende  oblonge  Johanniskirche 
ist  mit  einem  spitzen  Tonnengewölbe  gedeckt  und  durch  eine  an  der  Fa^ade- 
mauer  angebrachte ,  aus  fünf  verzierten  Spitzarkaden  bestehende  offene 
Säulengalerie  ausgezeichnet,  (v.  Sacken,  in  den  Mittheil.  etc.  [1857].  2, 
303.)    Unter  dem  Kirchlein  eine  Gruft. 

■lecknifJ^W  bei  Stemberg  in  Böhmen  (Kr.  Tabor) .  Kleine  Dorfkirche 
mit  runder  Apsis  und  niedrigem  Westthurme. 

Ilbtailt  unweit  Villach  in  Kärnten.  Die  ehemalige  Benedictinerkirche, 
eine  spätgothisch  überwölbte  und  jetzt  unter  ein  Dach  gebrachte  kreuzför- 
mige rundbogige  Pfeilerbasilika,  deren  östlicher  aus  drei  fast  gleich  hohen 
polygonisch  schliessenden  Schiffen  bestehender  Theil  dem  älteren  west- 
lichen um  1289 — 1293  hinzugefügt  ist.  Das  Westende  des  Mittelschiffes 
mit  einer  Empore  öffnet  sich  durch  ein  reiches  Rundbogenportal  nach  einer 
auf  den  Seiten  mit  zwei  viereckigen  Thürmen  verbundenen  überwölbten 
Vorhalle.  Der  spätgothisch  überwölbte  Kreuzgang  ist  in  den  Arkadenbögen 


374  Romanische  Kirchen 

mit  mannichfachen  späUoman.  Säulen  ausgesetzt,    (v.  Ankers hofen,  im 
Jahrbuch  etc.  4,  83—104  und  Taf.  4,  5.) 

IMÜBg  bei  Wien.  Der  Kamer  St.  Pantaleon  neben  der  Pfarrkirche, 
ein  mit  sechstheiligem  Gratgewölbe  gedeckter  Rundbau  mit  mehr  als  halb- 
runder Apsis,  im  Uebergangsstil.  ') 

■•kehice  a.  d.  Iser,  bei  Turnau  in  Böhmen  (Kr.  Tabor).   Dorfkirche 
mit  Westthurm,  Empore  am  Ende  des  Schiffes  und  Apsis;  seit  1852  um-' 
gebaut. 

■•Mkehl  bei  Gröbning  in  Steiermark.  Kleine  einfache^  flach  gedeckte 
Kirche  mit  Apsis  und  zum  Theil  gothisch  veränderten  Fenstern. 

■lUkaweii  ^  in  Böhmen  (Kr.  Tabor).  Die  Kirche  des  um  VI  80  ge- 
grfindeten,  1190  abgebrannten  ehemal.  Prämonstratenserklosters ,  jetzt 
Dechanteikirche,  eine  rundbogige  Säulenbasilika  mit  zwei  Thürmen 
auf  den  Flanken  der  modemisirten  Westfront.  Am  Ostende  des  Langhauses 
hören  seltsamer  Weise  die  Arkaden  auf  und  die  Scheidmauem  steigen  in 
schlichter  Fläche  auf.  Das  nicht  ausladende  Querschiff  und  der  Chor  sind 
frahgothisch.  Die  grösstentheils  unter  dem  Fussboden  liegenden  Basen  der 
Säulen  bestehen  aus  abgeschmiegter  Platte  und  Rundstab ;  die  Capitäle  aus 
einem  Wulst  mit  vier  Eckknollen  unter  dem  viereckigen  Abacus.  Die 
Ueberwölbung  des  Langhauses  datirt  von  1648.  —  Die  einschiffige  edel- 
gothische  Aegidiuskirche  enthält  noch  die  West-  und  Nordwand  eines 
früheren  romanischen  Baues  geringerer  Dimension  mit  bemerkenswerthen 
Details. 

Nieilerdorf  bei  Inichen  in  Tirbl.  Die  1500  erneuerte  und  überwölbte 
Annakapelle  lässt  noch  den  früheren  zweistöckigen  romanischen  Bau  er- 
kennen. 

Merbarg  in  Steiermark,  unweit  Laibach.  Die  einschiffige  flach  gedeckte 
Magdalenenkirche  mit  einem  Thurm  vor  der  Westseite  und  einem 
quadratischen  Chor,  dessen  Rundbogenwölbung  auf  vorgekragten  Ecksäul- 
chen  mit  Knospencapitälen  ruht,  im  Uebergangsstil.  [Haas,  im  Jahrb.  etc. 
2,  213  f.)  —  Der  Thurm  der  Stiftskirche. 

9lnitl.  Die  Krypta  des  zum  Theil  gothischen,  zum  Theil  modernen 
Domes. 

fnegg  bei  Teplitz.  Der  an  dem  frühgothischen  Kreuzgange  der  Cister- 
zienserabtei  belegene  Capitelsaal  im  Uebergangsstil. 

fniach  bei  Yillach  in  Kärnten.    Die  Krypta  der  Benedictinerkirche. 

PetTMiell  bei  Hainburg  in  Niederösterreich.  Die  cinschifilge  Pfarr- 
kirche ^)  mit  Westthurm  und  überwölbtem  rechteckigen  Chor ;  das  Schiff 
gänzlich  modemisirt.  —  Die  Rundkapelle  *)  s.  oben  S.  17  f. 


1)  Sacken,  Ed.  v.,  die  Rundkapelle  zu  Mödling  u.  das  in  derselben  aufgedeckte 
Freskogemaide,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.  etc.  (1^58).  3,  263 — 268 
u.  Taf.  11. 

2)  Wocel,  Erasm.,  die  Baudenkm.  zu  Mahlhausen  in  Böhmen,  ebd.  (1S63). 
8,  1 1—16  u.  S.  36—16  nebst  Taf.  2. 

3)  Sacken,  Ed.  v.,  die  röm.  Stadt  Camuntum,  in  den  Sitzungsber.  der  Wiener 
Akademie  der  Wissensch.,  philos.-histor.  Kl.,  9,  756 — 765  u.  Taf.  6  Fig.  1  —4. 

4)  Ebd.  Taf.  6.  Fig.  6.  7  u.  Taf.  7. 


in  den  deutsch-österreichischen  L&ndern.  375 

Fiber  unweit  Gratz.  Einschifiige  Kirche  mit  Apsis  und  Thurm  über 
dem  Chor;  gothisch .verändert.    (Haas,  im  Jahrbuch  etc.  2,  212.) 

Piaaiai  bei  Kolin.  Die  Dechanteikirche  mit  gothischem  Chor  zeigt  am 
Westthurm  und  am  Aeusseren  des  innerlich  verzopften  Schiffes  Rundbogen- 
fries und  deutsches  Band. 

PoilwiBee  bei  Jungbunzlau  in  Böhmen.  Die  kleine  Kirche  von  quadra- 
tischer Grundform  mit  unterwölbter,  von  einem  Pfeiler  getragener  Empore 
in  Westen.  Letztere  nimmt  zwei  Drittel  des  ganzen  Raumes  ein  und  ist 
gegen  den  Ueberrest  des  Schiffes  durch  eine  mit  kleinen  Fenstern  durch- 
brochene Mauer  völlig  abgeschlossen.  Der  polygonische  Chorschluss  ist 
späterer  Anbau.  Fast  überreiches,  aber  unsymmetrisches  und  schwerüllliges 
Ornament.  (Schmitt,  Abbild,  etc.  —  Mikowef,  Alterth.  etc.  —  Wo- 
cel,  Grundzüge  etc.  auf  Taf .  5  und  6.) 

Porits  a.  d.  Sazawa,  unweit  Prag.  Die  einschiffige  Galluskirche 
mit  Krypta,  deren  RundbogengewOlbe  von  vier  schlanken  achteckigen 
Säulen  mit  Würfelknäufen  getragen  werden.  —  Die  einschiffige  Petri- 
Paulikirche.   (Schmitt,  Abbild,  etc.) 

Potwomr  bei  Kralowitzln  Böhmen.  Die  1241  gegründete  Pfarrkirche, 
einschiffiger  Quaderbau  mit  Apsis  und  unterwölbter,  von  Säulen  getragener 
Empore  in  Westen.  Aeusserlich  Lisenen,  Bogenfries  und  Schachornament. 
Westthurm  und  Vorhalle  später. 

Prag.  ^)  Die  Benedictiner-Nonnenkirche  St.  Georg  ^J  auf  dem  Hrad- 
schin,  nach  einem  Brande  von  1142  um  1150 — 1179  neu  erbaut  und  später 
vielfach  verändert,  schlichte  massenhafte  Basilika  mit  drei  Apsiden  und 
viereckigen  Thürmen  neben  dem  Ostende  der  Seitenschiffe,  an  der  Stelle 
der  Kreuzvorlageu.  In  den  Schiffarkaden  kurze  plumpe  Pfeiler  und  rohe 
Säulen  mit  kleinen  Arkadenemporen  Über  den  Seitenschiffen.  Die  Tonnen- 
gewölbe von  unsicherer  Entstehungszeit.  Eine  Krypta  mit  sechs  zierlichen 
Würfelknauf  Säulen  unter  dem  Chorraume.  (Grueber,  in  den  Mittheil.  etc. 
[1856].  1,  193—197.  Fig.  3—7.)  —  Die  Kapelle  S t.  Johann  in  vado, 
unfern  der  Moldaubrücke  am  Ufer,  kreuzförmig  mit  Apsiden  an  allen  vier 
Schenkeln;  nur  in  Ueberresten,  die  zu  Privathäusem  gezogen  sind.  —  St. 
Michael,  Basilika  mit  kurzen  dicken  Säulen.  —  Collegiatkirche  St. 
Petri-Pauli  am  Wissehrad ,  spätgothisch  fünfschiffig,  mit  Ueberresten 
einer  früheren  Säulenbasilika.  —  Prämonstratenserkirche  Strahow  auf 
dem  Hradschin,  ursprünglich  eine  Pfeilerbasilika  von  1143;  umgestaltet 
1579.  —  Die  Smichower  Kirche  zeigt  noch  roman.  Chorschluss.  —  Ueber 
die  Rundkapellen  s.  oben  S.  24.  (Abbild,  der  1865  restaurirten  Kapelle  in 
der  Postgasse  bei  Schmitt,  Abbild,  etc.) 

PrMek  bei  Prag.  Die  Kirche,  deren  drei  Schiffe  in  Apsiden  schliessen  ; 
doch  ist  das  Mittelschiff  länger  und  trägt  an  seinem  östlichen  Ende,  unmit- 
telbar vor  der  Apsis,  einen  Thurm.    (Schmitt  a.  a.  O.) 


1)  Hertens,  Fz.,  Prag  u.  seine  Baukunst  in  L.  Förster,  AUgem.  Bauzeitg. 
1845.  8.  15—38  nehst  2  Taf. 

2)Halakovsk7,  J.  M.,  über  die  St,  Georgskirche  in  Prag,  im  Niederlausits. 
Magazin.  Bd.  37.  1860. 


376  Romanische  Kirchen 

P*ir  bei  Wlaschim  in  Böhmen  (Kr.  Tabor).  Kleine  flach  gedeckte 
Dorfkirche  mit  Apsis. 

Pllkai  am  Manhartsberge  in  Niederösterreich.  Kundthurmartiger 
Kam  er  ^)  im  Uebergangsstil  mit  aber  halbrunder  Apsis,  dessen  zweites 
zwölfeckiges  Geschoss  in  ebenso  vielen  Giebeln  endet  und  mit  einer  Pyra- 
mide gekrönt  ist;  zierlich  ornamentirt.  —  Der  Thurm  der  Michaels- 
kirche, welcher  im  Erdgeschoss  einen  schmalen  Durchgang  bildet  zwi- 
schen Schiff  und  Chor. 

Raabs  bei  Drosendorf  in  Niederösterreich.  Die  Pfarrkirche,  '^)  eine 
schlichte,  jetzt  unter  ein  Dach  gebrachte  Pfeiler basilika  mit  östl.  Thurm, 
dessen  Erdgeschoss  einen  schmalen  Yerbindungsgang  nach  dem  goth.  Chor 
bildet. 

Raaheneek  bei  Baden  in  Niederösterreich.  Die  flach  gedeckt  gewesene 
Burgkapelle  mit  Apsis ;  die  Rundbogen thür  mit  einem  Rundstabe  umzogen, 
der  auf  attischen  Basen  mit  Eckwarzen  steht'. 

Reiehenhali  bei  Salzburg.  Romanische  Reste  in  der  goth.  Acgidien- 
kirche.  — Die  Johann iskirche,  einschiffig  mit  Apsis,  1147.  —  Die 
Nicolaikirche,  eine  kreuzförmige  Basilika  mit  wechselnden  Pfeilern 
und  Säulen ,  drei  Apsiden  und  einem  Marmorportal,  dessen  Säulen  Blatt- 
knäufe zeigen.    Der  Westthurm  ist  gothisch. 

Repy  bei  Prag.    Romanisches  Kirchlein. 

Raiiig  bei  Saatz  in  Böhmen.  Die  überwölbte  einschifllgc  Jacobskirche 
mit  Apsidenschluss ,  deren  Aeusse res  mit  pilasterartigen  Lisenen,  Rund- 
bogenfries und  Schachornament  geschmückt  ist.  Das  Säulenportal  ist  ver- 
stümmelt. 

Saliagstailt  bei  Schweigers  in  Niederösterreich.  Der  den  Chor  enthal- 
tende Ostthurm  der  zweischifilgen  goth.  Kirche ,  an  den  sich  ein  kleiner 
Altarraum  schliesst. 

Sallbarg.  ^)  Die  spätgothische  Nunnbergerkirche  enthält  an  dem 
Marmorportal  der  Südseite  noch  romanische  Reste  und  westlich  eine  jetzt 
finstere  Vorhalle  mit  Rundbogenblenden  an  den  Wänden;  vor  derselben 
steht  der  grösstentheils  zopflge  Thurm.  Unter  den  modern  veränderten 
roman.  Klostergebäuden  erscheint  der  Kreuzgang  mit  dem  Capitelhause  sehr 
alterthümlich  :  die  aus  rechteckigen  Jochen  bestehenden  gurtenloscn  Kreuz- 
gewölbe mit  Stichbogenschilden  ruhen  auf  schlichten  Würfelknaufsäulen, 
deren  Basen  das  gestürzte  Capital  bildet ;  die  Oeffnungsbögen  mit  ähnlichen 
Säulchen  an  den  Seiten  sind  breiten  und  niedrigen  Stichbogenfenstern  ähn- 
lich. Im  Capitelsaale  ruhen  die  vier  Gewölbe,  die  denen  des  Kreuzganges 
gleichen,  auf  einer  Mittelsäule  mit  trapezartigem  Capital  und  einer  Wulst- 


1)  Sacken,  Ed.  v.,  die  Rundbauten  zu  Scheiblingkirchen,  Pulkau  etc.,  in  den 
Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.  (I8t>(i).  5,  33S— 340  u.  auf  Taf.  10. 

2}  Feil,  Jos.,  die  Kirche  zu  Raabs,  in  C h m e  1* s  Oesterr.  Geschichtsforscher 
2   576—580. 

3)  Hertens,  Fz.,  Salzburg  u.  seine  Baukunst,  inL.  Förster's  Allg.  Bauztg. 
1840.  S.  241—261  u.  5  Tafeln.  —  Pezolt,  G.,  das  Herzogth.  Salzburg  u.  seine  An- 
grenzungen, enth.  90  landschaftl.  Darstellungen,  mit  Text  von  J.  G  ri  e  s.  181 7—  1 85 1 . 
—  Hei  der,  Gust.,  Mittelalter!.  Kunstdenkm.  in  Salzburg,  im  Jahrbuch  der  k.  k. 
Central-Comm.  etc.  2,  1—62  u.  Taf.  1—4. 


in  den  deutBch-Osterreiehuchen  Lftndem.  377 

basis  mit  Eckklötzen.  (Heider  a.  a.  O.  S.  16  und  17.)  —  Di^  Benedic- 
tinerkirche  St.  Peter,  eine  verzopfte  Basilika  (1127 — 1131),  in  deren 
Langhause  nach  niedersächsischem  Muster  je  zwei  Säulen  zwischen  einem 
Pfeilerpaare  standen.  Ueber  der  Vierung  des  wenig  vortretenden  Quer- 
hauses eine  Kuppel.  An  der  Westseite  des  viereckigen,  oben  gothischen 
Thurmes  ein  spätroman.  Säulenportal  hinter  einer  gewölbten  quadratischen 
Vorhalle.  Die  am  sfidlichen  Kreuzgiebel  belegene,  1227  geweihte,  in  zwei 
rechteckigen  Jochen  Oberwölbte,  im  Innern  verunstaltete  Katharinenkapelle 
zeigt  an  der  Apsis  den  von  Halbsäulen  getragenen  Bogenfries.  Ein  Theil 
des  Kreuzganges  und  die  zweistöckige,  oben  mit  ausgekragter  Apsis  ver- 
sehene Brunnenkapelle  im  Uebergangsstil.  (Ebd.  S.  52 — 60.)  —  Das  äus- 
serlich  verderbte  Langhaus  der  Franciscanerkirche  zeigt  spitzbogige 
Pfeilerarkaden  und  doppeljochige  Kreuzgewölbe  mit  schweren  Bandgurten 
und  Rippen.  Die  massigen  Pfeiler  sind  mit  starken  Halbsäulen  besetzt, 
deren  Capitälc  im  Mittelschiffe  nur  roh  zugehauen,  in  den  Seitenschiffen  zu 
Blattwerk  ausgearbeitet  sind.  Die  schmuck  vollen  Portale  an  der  West-  und 
an  der  Südseite  aus  wechselfarbigem  Marmor  gleichen  dem  von  St.  Peter. 
Der  langgestreckte  Chor  ist  spätgothisch.  (Ebd.  S.  37 — 44  und  Taf.  4.)  — 
Die  unbedeutende  Rupertikapelle  soll  angeblich  aus  frühester  Zeit 
stammen. 

St.  Aailrä  in  Lavant.  In  dem  spätgothisch  überwölbten  und  später  ver- 
unstalteten Dome  geringe  Reste  der  ursprünglichen  kreuzförmigen  Pfeiler- 
basilika aus  der  Zeit  von  1212 — 1218. 

St.  BenedicteB  bei  Knittelfeld  in  Steiermark.  Die  Kirche,  ein  schmuck- 
loser Rundbau  mit  östlich  angebautem  goth.  Chor  und  flach  gedecktem  Schiff 
in  Westen. 

St.  Egiileil  auf  dem  Steinfelde  bei  W.  Neustadt.  Die  viereckige  moder- 
nisirte  Kirche,  deren  Thurm  eine  Halle  zwischen  dem  ehemals  basiliken- 
förmigen  Schiffe  und  dem  Chore  bildet,  zeigt  einige  roman.  Ueberreste; 
am  Chore  über  dem  kleebogenartig  umfassten  Rundbogenfenster  zwei  Thier- 
gestalten  mit  Menschenköpfen  in  den  Klauen,  (v.  Sacken,  Archäol.  Weg- 
weiser S.  4  Fig.  1.) 

St.  VUriin  bei  Linz  a.  d.  Donau.  Unter  der  zopfigen  Stiftskirche  eine 
Krypta  mit  achteckigen  Granitsäulen,  deren  Capitäle  theils  rohe  Blätter, 
theils  volutenähnliche  Verzierungen  haben.  (Arneth,  in  den  Sitzungs- 
berichten der  philos.-histor.  Cl.  der  Wiener  Akad.  derWissensch.  [1851]. 
VII.  2,  die  Taf.  zu  S.  247.) 

St  Horiai  unweit  Botzen.  Einschiffige  Kirche  im  Uebergangsstil  mit 
Lisenen  und  auf  Köpfen  ruhendem  Bogenfries  an  der  Apsis. 

St.  (ie#rgeil  bei  Neumarkt  in  Steiermark.  Ruine  der  einschiffigen  Kirche 
mit  Apsis. 

St.  ISeorgei  bei  Unzmarkt  in  Steiermark.  Die  einschiffige  Kirche  mit 
Rundbogenportal  und  polygoner  Apsis.  Der  runde  Kamer  daneben  durch 
die  Kirchhofsmauer  zerschnitten. 

St.  ISetrgskapelle  am  Berge  Rip  bei  Raudnitz  in  Böhmen,  mit  einem 
runden  Thurme.  (Wocel,  Grundzüge  etc.  Taf.  6.  Fig.  4.) 


378  Romanwohe  Kirchen 

St.  Ideiia  am  Wieserbeige  bei  Orafendorf  in  Kärnten,  eine  einschiffige 
flach  gedeckte  Kirche  mit  Apsidenschi uss  und  Thurm  am  Ostlichen  Ende 
der  Südseite. 

St.  Jacob  bei  Kuttenberg  in  Böhmen.  Die  Kirche  «ein  schmuckvoller 
rechteckiger  Bau  (vollendet  1165),  mit  Apsis  und  mit  einem  westlich  vor- 
gelegten Quadratthurme.  Am  Westende  des  Schiffes  eine  von  zwei  Wflrfel- 
knaufsäulen  getragene  Empore.  Das  Aeussere  mit  Wandarkaden  und  Bild- 
werk decorirt.  (Wocel,  in  den  Mittheil.  etc.  [1857].  2,  155—158.  — 
Passavant,  in  der  Zeitschr.  für  Archftol.  und  Kunst  1  ,  149  und 
Taf.  10.) 

St.  JohailB  bei  Ourk.    Romanische  Kirche  mit  goth.  Chor. 

St.  Jakaan  bei  Neunkirchen  in  Niederösterreich.  Der  gewölbte  Chor 
und  der  östliche  Theil  des  Schiffes  der  im  Uebrigen  spätgoth.  zweischiffigen 
Dorfkirche  im  Uebergangsstil. 

St  Jahaan  im  Felde  bei  Knittelfeld  in  Steiermark.  Westportal  und 
Chor  mit  Apsis  an  der  goth.  Friedfelder  Kirche  spätromanisch. 

St  Laaibrecht  unweit  Judenbui^  in  Steiermark.  Der  Karner  St.  Mi- 
chael neben  der  goth.  Benedictinerkirche,  Kundbau,  dessen  Qrult  sich  bis 
unter  die  Apsis  erstreckt.    (Haas,  im  Jahrbuch  etc.  2,  215.) 

St  Leaabanl  unweit  Judenburg.  Die  äussere  Pfarrkirche,  eine  gothisch 
umgebaute  roman.  Pfeilerbasilika. 

St.  Lareaiea  bei  Markersdorf  in  Niederösterreich.  Die  Kirche,  ein  an- 
sehnlicher Rundbau  mit  Wandstreifen,  vor  welchen  Halbsäulen  angebracht 
waren ;  Chor  spätgothisch. 

St.  lareia  bei  Neumarkt  in  Steiermark.  Die  gothisch  umgebaute  ein- 
schiffige Pfarrkirche,  deren  Presbyteriura  unter  dem  Thurme  hineinreicht. 
Auch  der  Karner  ist  gothisch  verändert. 

St  ■aiiaiillaa  nächst  Baumkirchen  in  Steiermark.  Flach  gedeckte 
Rundkapelle  mit  Apsis  und  ohne  Gruft. 

St  Paal  in  Lavant.  Die  1264  geweihte  Benedictinerkirche ,  ^)  theils 
spätromanisch,  theils  im  Uebergangsstil,  eine  spätgothisch  überwölbte  l^ei- 
lerbasilika  mit  Apsiden  am  Chor  und  an  der  Ostseite  der  Kreuzvorlagen 
und  mit  zwei  im  Oberbau  gothisch en  Westthürmen,  die  über  der  Vorhalle 
eine  bis  ins  Schiff  vortretende  Empore  zwischen  sich  einschliessen.  Die 
rechteckigen  Arkadenpfeiler  sind  an  den  Innenseiten  mit  Halbsäulen  be- 
setzt, welche  die  abgetreppte  Bogenleibung  tragen ;  die  Bögen  selbst  waren 
rechtwinkelig  umrahmt.  Das  mit  reichem  Sockel,  Rundbogenfriese  und 
zum  Theil  mit  Lisenen  versehene  Aeiissere  ist  mit  zwei  schönen  Säulen- 
portalen geschmückt,  deren  Detail,  wie  das  der  Halbsäulen  im  Innern,  als 
von  edelster  Art  erscheint.  Die  Kirche  ist  1852  restaurirt.  (v.  Ankers- 
hofen,  im  Jahrbuch  etc.  4,  61—82  und  Taf.  1 — 3.) 

St.  Peter  bei  Gurk  in  Kärnten.    Wohl  erhaltenes  roman.  Kirchlein. 

St  Peter  bei  Nassenfuss  in  Krain.  Ruine  eines  schlichten  mit  einer 
Kuppel  gedeckten  und  mit  Apsis  versehenen  Rundbaues.  (Mittheil,  des 
histor.  Vereines  für  Krain  2,  85  mit  Abbild.) 


1)  Seh  roll,  Beda,  die  Feststellang  der  Bauzeit  der  Kirche  St.  Paul  in  Kärnten, 
inden  Mitth.  der  k.  k.  Central-Comm.  etc.  (1862).  7,  78. 


in  den  deutsch-österreichischen  lAndem.  379 

8t  Peter  im  Passeirthal.    Kirche  im  roman.  oder  Uebergangsetil. 

St.  PolteM  in  NiederOsterreich.  Die  Stiftskirche,  eine  ganz  verunstaltete 
und  schon  im  XV.  Jahrh.  veränderte ,  aus  drei  in  Apsiden  schliessenden 
Langschiffen  bestehende  Pfeilerbasilika  mit  zwei  Westthürmen,  nach  einem 
Brande  von  1266  im  Uebergangsstil  erneuert. 

St«  Stephan  bei  Marienberg  im  Vintschgau.    Komanische  Kirche. 

St.  Veit  bei  Neumarkt  in  Steiermark.  Der  romanische  Thurm  der  un- 
bedeutenden Pfarrkirche  enthält  den  Chor.  —  Ueber  den  K a r n e r  St. 
Martin  s.  oben  S.  19. 

St.  Imm  bei  Reichenhall.  Die  1126  neu  begonnene  Augustinerstifts- 
kirche, eine  spätgothisch  überwölbte,  theilweise  verzopfte  Pfeilerbasilika 
ohne  Querhaus  mit  Chorapsis,  mit  westlicher  Thurmanlage  und  reichem 
Löwenportal.  Der  Kreuzgang  zeigt  schöne  mannich faltige  Säulen  mit  figu- 
rirten  Würfelcapitälen. 

ScheibliBgkirckeB  ^}  unweit  W.- Neustadt.  Die  Dorikirchc,  ein  sehr 
ansehnlicher  Rundbau  (um  1150  begonnen,  1189  vorhanden)  mit  mehr 
als  halbrunder  Apsis.  Das  Innere  deckt  ein  Kreuzgewölbe,  dessen  breite 
Bandgurte  auf  Kragsteinen  ruhen ;  das  Aeussere  ist  mit  Wandstreifen  be- 
setzt, vor  denen  Halbsäuleu  mit  Eckklotzbasen  und  mit  rohen  Blatt-  oder 
Würfelcapitälen  stehen. 

Sehelkowiti  bei  Trebnitz  in  Böhmen.  Die  Dorfkirche,  ein  kleiner 
Rundbau  mit  zierlichem  Rundbogenfries  an  der  Äpsis  und  als  rahmenartigem 
Ornament  der  südlich  angebrachten  Rundbogenthür.  (Abbild,  bei  Schmitt, 
Abbildungen  etc.) 

Schongraben  im  Kr.  unter  dem  Manhartsberge.  Die  überwölbte  ein- 
schiffige Kirche^)  mit  Apsis  am  schmäleren  Chor;  das  Aeussere,  zwei- 
stöckig behandelt,  ist  mit  Lisenen,  Halbsäulen,  Bogenfriesen,  deutschen 
Bändern  und  willkürlich  angebrachten  ungeheuer  rohen  Bildwerken  reich 
decorirt. 

Sehiniia  bei  Meran.  Die  Qeorgskapelle,  ein  Rundbau,  dessen 
Gewölbegurte  von  einem  schlanken  runden  Mittelpfeiler  getragen  werden. 
—  Die  kleine  zweischiffige  Martinskirche  im  romanischen  oder  Ueber- 
gangsstil. 

SeiteMtetteM  bei  Steier  in  Niederösterreich.  Die  (1116  geweihte)  Be- 
nedictinerkirche,  eine  ganz  modernisirte  Pfeilerbasilika  mit  goth.  Chor,  an 
deren  Nordseite  sich  eine  im  Rundbogen  überwölbte  einschiffige  Kapelle 
befindet,  deren  Apsis  äusserlich  in  halber  Höhe  von  einem  durch  Halb- 
säulen getragenen  einfachen  Bogenfriese  umzogen  ist. 

Sekktl  in  Ober-Steiermark.  Die  Augustinerstiitskirche  1 142 — 11 95, 
eine  aus  drei  in  Apsiden  schliessenden  gleich  langen  Schiffen  bestehende 
spätgothisch  überwölbte  Basilika  mit  zwei  Westthürmen.  Die  Arkaden- 
bögen  sind  mit  würfelverzierten  Leisten  rechtwinkelig  eingerahmt,  und  die 
Träger  bestehen  zumeist  aus  je  zwei  Säulen  mit  einem  Pfeiler  wechselnd, 


1)  Sacken,  Ed.  v.,  die  Rundbauten  zu  Scheiblingkirchen  etc.  in  Niederöster- 
reich, ebd.  5,  337  f.  u.  Taf.  10  Fig.  1—3, 

2)  Heider,  Ouat.,  die  roman.  Kirche  su  Schöngrabem  in  Niederöaterreich.  Mit 
3  Kupfertaf.  u.  35  Holzschn.  1855. 


380  Romanuche  Kirchen 

wobei  die  Pfeiler  verschieden  behandelt  erscheinen.  Das  Detail  ist  schwer 
und  massig :  attische  Basen  mit  Eckknollen ,  Würfelcapitälc  mit  derbem 
Zierwerk.  Das  im  Zwischenbau  belegene  reich  gegliederte  Hauptportal  ent- 
hält in  acht  Abstufungen  über  gemeinsamem  Basament  Säulen,  die  statt  der 
Capitäle  zum  Theil  nur  durch  ein  gemeinschaftliches  Kämpfergesims  ver- 
bunden sind.  Das  schlichte  Aeussere  mit  Bogenfriesen  und  reichen  Dach- 
simsen.   (Haas,  im  Jahrbuch  etc.  2,  205 — 209.) 

Sieding  bei  Ternitz  in  Niederösterreich.  Ruine  der  einschifiigen,  mit 
Apsis  versehenen  Pancratiuskapelle  unweit  des  Dorfes. 

Skalltl  im  Kr.  Prag.  Der  Chor  der  Dorlkirche  ist  romanisch,  mit 
Thiergestalten  an  der  Aussenseite. 

SoUeschiB  im  Czaslauer  Kreise.  Thurm  und  Apsis  der  Dorfkirche  sind 
romanisch. 

Spitalitsch  bei  Gonobitz  in  Steiermark.  Die  Kirche ,  ein  einschiffiger 
Gewölbebau  mit  quadrat.  Chor  und  modernem  Westthurm.  Am  Triumph- 
bogen Ringsäulen  mit  Knospencapitälen ;  am  Aeusseren  Strebepfeiler,  um 
die  sich  das  attische  Basament  des  Sockels  verkröpft.. (Mi tth.  etc.  10,  190.) 

Strakonitl  a.  d.  Watawa  bei  Pisek.  Die  Johanniterkirche  St.  Prokop, 
ein  einschiffiges  modemisirtes  goth.  Gebäude  npiit  zwei  Thürmen  im  Ueber- 
gangsstil.  Dieser  Periode  gehört  auch  der  Kreuzgang  an,  und  das  rund- 
bogige  Säulenportal,  das  in  den  verzopften  Capitelsaal  führt. 

Strtsswalchen  unweit  Salzburg.  Die  Pfarrkirche  ein  roman.  Gewölbe- 
bau mit  zierlichem  Thurm. 

Telfs  ober  Innsbruck.  Gottesackerkirche,  ein  fast  quadratischer  Ge- 
wölbebau, durch  zwei  Säulen  in  drei  Schiffe  getheilt,  mit  Gruft  über  der 
P^rde. 

Tepl  unweit  Eger.  An  der  verzopften  goth.  Prämonstratenserkirche  in 
Kreuzform  zeigen  die  beiden  Nebenchöre  und  die  Wcstthürme  mit  dem 
Zwischenbau  noch  romanische  und  Uebergangsformen.  (Zapp,  Pamätky 
1,21.) 

Tetill  bei  Beraun  in  Böhmen.  Die  aus  zwei  durch  einen  runden  Scheid- 
bogen verbundenen  trapezförmigen  Räumen  bestehende  Schlosskapelle,  von 
denen  der  östliche  kleinere  Raum  den  überwölbten  Chor  bildet,  der  grössere 
flach  gedeckte  mit  einer  Empore  in  Westen  das  Schiff.  (Grueber,  in  den 
Mittheil.  [1856],  1,  199.) 

TejB  unweit  Jungbunzlau.    Romanische  Kirche. 

Theniberg 'bei  W. -Neustadt.  Einschiffige  überwölbte  spätromanische 
Kirche  mit  Säulen-geschmückter  Apsis. 

Tisehiowiti  unweit  Brunn.  Cisterzienser- Nonnenkirche,  ')  eine  in 
einfachen  Jochen  gewölbte  kreuzförmige  Pfeilerbasilika,  deren  Seitenschiffe 
sich  neben  dem  quadratischen  Altarhause  fortsetzen  und  wie  dieses  im 
halben  Achteck  schliessen ;  im  göthisirenden  Uebergangsstil.  Die  spitzen 
Arkadenbögen  sind ,  wie  die  mit  Diensten  besetzten  fast  quadrat.  Pfeiler 
fein  und  zierlich  gegliedert.  Das  prachtvolle  Westportal  (mit  den  Resten 
einer  Vorhalle)  zeichnet  sich  nicht  nur  durch  das  reiche  Pflanzenomamen t 


1 )  W  o  c  e  1 ,  Eraam  ,  die  Kirche  des  ehemal.  Cistenienser-Nonnenkl.  Porta  coeli 
zu  Tischnowitz,  im  Jahrbuch  der  k.  k.  Centrol-Comin.  etc.   3,  249 — 27C  und  4  Taf. 


in  den  deatsch-österreichiachen  Lftndern.  381 

aus,  sondern  auch  durch  die  zwischen  den  je  fünf  Ringsäulchen  mit  schönen 
Knospencapitälen  in  Nischen  angeordneten,  würdevoll  edelen  Apostelsta- 
tuen. Bei  der  im  Jahre  1239,  sechs  Jahre  nach  der  Stiftung  des  Klosters, 
stattgefundenen  Weihe  war  der  schöne  einfach  edele  Quaderbau  der  Kirche 
sicherlich  noch  nicht  vollendet.  Der  Kreuzgang  mit  dem  Capitelsaal  zeigt 
gleichen  Stil. 

Tisniti  bei  Böhmischbrod.  Die  stark  veränderte,  aus  drei  gleich  langen 
in  Apsiden  schliessenden  Schiffen  bestehende  Kirche  mit  zwei  Westthürmen. 
(Schmitt,  Abbild,  der  Baualterth.  in  Böhmen.) 

Toschen  bei  Melnik  in  Böhmen.    Romanisches  Kirchlein. 

Trebitoch  a.  d.  Iglawa.  Die  Abteikirche,  ^)  eine  überwölbte  Pfeiler- 
basilika ohne  Querschiff  mit  mancherlei  Absonderlichkeiten,  die  sich  am 
besten  aus  zwei  verschiedenen,  aber  nahe  aneinander  liegenden  Bauperioden 
der  Uebergangszeit  erklären  dürften  und  daraus,  dass  die  sicherlich  erst  ins 
XIV.  Jahrh.  fallende  Üeberwölbung  des  Mittelschiffes  mit  einer  Art  von 
Rautengewölben  der  ursprünglichen  Anlage  nicht  entsprach.  Der  recht- 
eckige Chor,  westlich  vom  Schiff,  östlich  von  dem  polygonischen  Schluss 
und  nochmals  in  der  Mitte  durch  drei  übermauerte  und  in  der  Ueber- 
mauerung  mit  kleinen  Rundbogenfenstern  versehene  spitze  Schwibbogen 
von  ungleicher  Kämpfer-  und  Scheitelhöhe  abgetheilt  und  durch  volle 
Mauern  von  den  sich  neben  letzteren  fortsetzenden  in  Apsiden  schliessen- 
den Seitenschiffen  geschieden,  hat  noch  Rundbogenfenster  und  äusserlich 
Lisenen,  den  Bogenfries  und  das  deutsche  Band  und  besteht  aus  zwei  qua- 
dratischen, mit  achteckigen  Fächerkuppeln  gedeckten  Traveen.  Ebenso  ist 
der  den  originellsten  Theil  des  Ganzen  bildende  niedrigere  Chorschluss  mit 
einem  vollen  Achteck  überwölbt;  derselbe  ist  innerlich  unten  mit  spitz- 
bogigen  Säulenarkaden  geschmückt  und  darüber  mit  schönen  Radfenstem 
versehen ;  äusserlich  ist  über  letzteren  ein  auf  den  verstärkten  Eckpfeilern 
und  runden  Wandbögen  ruhender,  von  schmalen  Rundbogenfenstern  he- 
leuchteter  Mauerumgang  unter  Pultbedachung  angebracht,  über  welchem 
die  oben  mit  kleinen  Rundfenstern  versehenen  Mauern  bis  zu  dem  Dach- 
gesimse aufsteigen.  Unter  diesem  ganzen  Östlichen,  mit  dem  westlichen  in 
gleichem  Niveau  liegenden  Räume  befindet  sich  eine  gänzlich  unter  der 
Erde  liegende  dreischifiige  Krypta,  deren  spitzbogige  Gurtgewölbe  von  acht- 
eckigen Säulen  getragen  werden,  und  in  den  einschiffigen  Nebenchören  von 
Wandsäulen.  Das  mit  Strebepfeilern  und  Spitzbogenfenstem  versehene, 
äusserlich  schlichte  Langhaus  der  Kirche  war,  wie  aus  der  Pfeilerbehand- 
lung zu  schliessen ,  auf  Üeberwölbung  in  drei  Doppeljochen  berechnet, 
während  es  jetzt  in  sechs  schmal  gestellte  Compartimente  getheilt  ist.  Den 
westlichen  Schluss  im  äusserlich  modemisirten  Zwischenbau  zwischen  den 
beiden  quadratischen  Thürmen  macht  eine  niedrige,  wiederum  achteckig 
überwölbte  Vorhalle  mit  einer  Empore  darüber.  Einen  Glanzpunkt  des 
Ganzen  bildet  das  sehr  reiche,  an  der  Nordseite  hinter  einer  offenen  Vor- 
halle befindliche  rundbogige  Säulenportal.  (Zapp,  Pamätky  2,  273—280.) 


])  Heider,  Gust.,  die  Benedictiner-Abteikirche  zu  Trebitsch  in  Mähren,  nach 
den  Aufnahmen  von  E.  Kirschner,  in  den  Mittelalterl.  Kunstdenkm.  etc.,  heraus- 
gegeben von  Gu8t.  Heider  etc.  2,  67—90  u.  Taf.  13—17. 

0 1 1  e ,  Kontt-Arcli&ologie .  25 


382  Bomaiüsohe  Kirohen 

TnebetcUtl  bei  Wlaschim  in  Böhmen.  Die  stark  verbaute  Pfarrkirche 
mit  Apsis  und  sechseckigem  Westthurm. 

TbIb  unweit  Wien.  Kapelle,  ')  innen  rund,  äusserlich  eilfeckig,  mit 
Ostlicher  Apsis  und  nördlichem  Portalvorbau,  schmuck  voll  im  spAtroman. 
Geschmack.    Darunter  eine  Gruft. 

IlBternais  bei  Meran.  Die  einschifl^ge,  dreiseitig  geschlossene  Maria- 
Trostkirche,  in  der  Tonne  überwölbt,  mit  einem  Seitenthurm. 

Viktriag  bei  Klagenfurt  in  Kärnten.  Die  Cisterzienserkirche ,  eine 
kreuzförmige  Pfeilerbasilika,  scheint  nochTheile  des  1200 — 1202  geweihten 
Baues  zu  enthalten. 

Yölkemarkt  ^)  unweit  Klagenfurt.  Die  ursprünglich  flach  gedeckte 
einschiffige  Pfarrkirche  St.  Ruprecht,  ein  Oblongum  mit  östlich  vorgelegtem 
Quadratthurm,  der  in  der  gewölbten  Halle  des  Erdgeschosses  den  Chor  ent- 
hält.   Nördlich  daneben  ein  kleiner  runder  Karner. 

WelgeMorf  bei  Ebrichsdorf  in  Niederösterreich.  Die  Kirche,  ein  klei- 
ner Quaderbau  mit  Apsiden  vorläge  an  der  südlichen  Abseite. 

Weitra  in  Niederösterreich .  Die  spätgothisch  veränderte  Pfarrkirche, 
ursprünglich  eine  flach  gedeckte  Pfeilerbasilika  (1182  — 1190)  mit  vier- 
eckigem Ostthurm,  dessen  gewölbtes  Erdgeschoss  zwischen  dem  Schiff  und 
dem  spätgoth.  Chor  einen  Durchgang  bildet.  Ebenso  dient  der  einschiffigen 
flach  gedeckten  Gottesackerkirche  die  Thurmhalle  als  Chor. 

Wels  unweit  Linz.  In  der  spätgoth.  einschiffigen  Pfarrkirche  ^)  roman. 
Reste,  besonders  das  rundbogige  Hauptportal  mit  rohen  Sculpturen. 

Wien.  Die  Kirche  St.  Michael,  ^)  zuerst  vollendet  1221  und  nach 
einem  Brande  von  1275  im  Jahre  1288  aus  den  Trümmern  erstanden^  ur- 
sprünglich eine  überwölbte  kreuzförmige  Pfeilerbasilika  im  trefflich  durch- 
gebildeten Uebergangsstil ,  wovon  sich  noch  das  Langhaus ,  das  Querschiff 
und  die  Seitenmauem  des  in  späteren  Zeiten  zweimal  verlängerten  Chores, 
wenn  auch  theil weise  verzopft,  erhalten  haben.  —  Die  spätromanischen  und 
gothisirenden  Ueberreste  an  der  We8tfa9ade  von  St.  Stephan^)  (oben 
S.  363  Fig.  176)  :  das  reich  geschmückte  Hauptportal  ^)  und  die  beiden 
Thürme,  mit  Ausschluss  der  späteren  gothischen  Abänderungen  und  Zu- 
sätze, datiren  aus  der  Zeit  nach  zwei  Bränden,  von  denen  die  zuerst  1144 
bis  1147  erbaute  Kirche  1258  und  1275  betroffen  wurde,  (v.  Lich- 
nowsky,  Denkm.  Lief.  1.)  —  Der  Thurm  der  Kirche  St.  Johann  am 
Alserbache  mit  rundbogigen  Säulenfenstem. 


1)  Heider,  Gu8t.,  die  Kapelle  der  h.  drei  Könige  in  Tuln.   IS47. 

2)  Ankershofen,  Gli.  v.,  Kirchl.  Baudenkm.  des  M.-A.  in  Völkermarkt,  in 
den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.  (1856).  I,  141  —  145. 

3)  Sacken,  Ed.  v.,  die  Stadtpfarrkirche  zu  Wels  in  Oberösterreich,  ebd.  S. 
227—229. 

4)  Lind,  C,  die  Kirche  St.  Michael  in  Wien,  in  den  Berichten  u.  Mittheil,  des 
Wiener  Alterth. -Vereines  3,  1 — 59  u.  Taf.  1 — S.  Ein  Aussug  aus  dem  Texte  in  den 
Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.  (1859).  4,  305— 308. 

5)  Einige  Details  von  dem  ältesten  Tbeile  des  St.  Stephansdomes  zu  Wien,  ebd. 
(1864).  9,  269 — 278  u.  Taf.  13  —  15  (nach  Zeichnungen  von  Leop.  Oescher). 

6}  Melly,  Ed.,  das  Westportal  des  Domes  zu  Wien  in  seinen  Bildwerken  u. 
seiner  Bemalung.  1 850. 


in  den  deut6ch*68terreichiBchen  Ländern.  ggg 

WieMer-NeaiUii  Die  Westthürme  und  das  Langhaus  der  Marien- 
kirche ')  (geweiht  1279),  erstere  stattlicher  als  die  von  8t.  Stephan  in 
Wien,  letzteres,  ein  Gewölbebau,  im  Innern  schwer  und  unentwickelt,  mit 
plumpen  Pfeilern  und  abgetreppten  Spitzarkaden,  im  Aeussern  mit  feinem 
spätroman.  Detail,  besonders  an  den  schmuckvollen  Portalen.  Der  Kamer, 
südlich  zur  Seite  der  Kirche,  ist  sechseckig  mit  runder  Apsis  und  einem 
später  angebauten  gothischen  Schiff. 

WIMugSMtaer  bei  Regelsbrunn  in  Niederösterreich.  Kleine  einschiffige 
Kirche  mit  gerade  geschlossenem  Chor,  rundbogig  Überwölbt  und  äusserlich 
mit  reichem  Bogenfries. 

Wiaiiiseh-Iatrei  im  Iselthal  (Tirol) .  Das  nahe  gelegene  gothisch  ver- 
änderte Wallfahrtskirchlein,  einschiffig  mit  quadrat.  Ostthurm,  in  dessen 
Unterraume  zwei  Kapellen  über  einander  liegen.  (Tinkhauser,  in  den 
Mittheil.  etc.  [1857].  2,  178  f.  Fig.  3—5.) 

Wolfsberg  bei  St.  Andrä  in  Lavant.  Die  Pfarrkirche  mit  reichem  Portal 
ist  Umbau  einer  Pfeilerbasilika. 

Zabori  bei  Teinitz  in  Böhmen  (Kr.  Czaslau) .  Die  Dorfkirche  ^)  be- 
steht in  ihrem  älteren  Theile  aus  einem  quadratischen,  durch  vier  Säulen 
mit  Würfelknäufen  in  drei  überwölbte  Schilfe  getheilten  Raum,  ehemals 
mit  östlicher  Apsis,  und  auf  den  vier  in  die  Mitte  gestellten  Säulen  erhebt 
sich  ein  Thurm.  Südlich  befindet  sich  ein  grösserer  rechteckiger  Anbau 
aus  späterer  Zeit  mit  einem  von  dem  älteren  Theile  hieher  versetzten  schön 
omamentirten  rundbogigen  Säulenportal. 

leioberg  bei  Meran.  Die  schmucklose  Schlosskirche,  die  aus  zwei 
rechteckigen,  neben  einander  belegenen,  ehemals  flach  gedeckten  zwei- 
stöckigen Kapellen  mit  Apsidenschlüssen  besteht,  mit  einem  kleinen  Thurm 
an  der  Langseite  der  südlichen  Kapelle  und  einem  aus  weissen  und  rothen 
Marmorquadem  bestehenden,  mit  Thierreliefs  geschmückten  spätroman. 
Portal  an  der  nördlich  belegenen  Kapelle.  (Eggers,  im  Deut.  Kunstbl. 
9,  139  f.) 

tuia  an  der  Taya  in  Mähren.  Die  Burgkapelle  (im  Militärspital], 
ein  Rundbau  mit  Apsis. 

ZwetI  am  Kampflusse  in  Niederösterreich.  Der  Kreuzgang  mit  dem 
sechseckigen  Brunnenhause  neben  der  gothischen  Cisterzienserkirche  in 
einem  reichen  Uebergangsstil ;  am  prachtvollsten  ist  der  am  meisten  den 
romanischen  Charakter  bewahrende  Nordflügel.  Das  östlich  liegende  Ca- 
pitelhaus,  ein  überwölbtes  Quadrat  mit  einer  Mittelsäule,  ist  noch  rund- 
^fi»^^-  (^*  Sacken,  in  den  Mittelalterl.  Kunstdenkm.  etc.,  herausgegeben 
von  Heider  etc.  2,  51—57  und  Taf.  7.  10.  II.)  —  Die  Kirche  des 
Klosterspitals ,  geweiht  1218,  ein  einschiffiges  Rechteck  mit  Apsis  und 
Rundbogenfenstern ;  das  Innere  modemisirt. 


1)  Sacken,  £d,  v.,  die  Liebfrauenkirche  zu  W.-Neustadt  in  Niederösterreieb, 
in  den  Mittelalterl.  Kunstdenkm.  etc.,  herausgegeben  von  Gust.  Heider  etc.  2^ 
176-196  u.Taf.  31—36. 

2)  Wocel,  J.  Erasm.,  die  roman.  Kirche  zu  Zähorz  in  Böhmen,  in  den  Mittheil, 
der  k.  k.  Centrsl-Comm.  (1857).  2,  1 16—1 19  u.  Fig.  1—7. 

25» 


384  Romanische  Kirchen 

Anmerkung.  Romanische  Theile  und  Ueberreste  finden 
sich  noch  an  sehr  vielen  Kirchen  in  den  deutsch-österreichischen  Ländern ; 
wir  nennen : 

In  den  Alpenprovinzen: 

Admont  in  Steiermark  (Reste  der  1865  abgebrannten  Benedic- 
tinerkirche ?) ,  B u r g e i s  im  Vintschgau  (Portal) ,  Dietmannsdorf  bei 
Rottenmann  in  Steiermark,  Fei  st  ritz  bei  Knittelfeld,  Gais  bei  Bru  neck 
im  Thal  Taufers,  Gösting  bei  Gratz  (Burgkapelle),  Gr.  Sonntag  bei 
Friedau  in  Steiermark,  Hallein  bei  Salzburg  (Thurmbau),  Hohen- 
berg  bei  Irdning  in  Steiermark  (Kapelle),  Jahring  bei  Marburg  in 
Steiermark  (Kamer),  Kobenz  bei  Knittelfeld,  Mals  im  Vintschgau 
(Thürme),  Mariahof  bei  Neumarkt  in  Steiermark  (Nicolaikapelle), 
Marienberg  im  Vintschgau  (Pprtal) ,  M a r  1  i n g  bei  Meran  (Thurm) , 
Naturns  im  Vintschgau,  Rad  Stadt  a.  d.  Enns  (Thurm  der  Haupt- 
kirche) ,  Saldenhofen  unweit  Marburg  in  Steiermark  ,  S t a m b s  im 
Innthal  (Theile  der  Cisterzienserkirche) ,  Taufers  in  Tirol  (Burgka- 
pelle), Ter  laut  bei  Meran,  Tirol  (Theile  der  Schlosskirche) ,  Tra- 
boch  bei  Walpern  in  Steiermark  (Sacristei)  ,  Villach  in  Kärnten 
(Thurm  der  Stadtkirche) . 

Im  Erzherzogthum  Oesterreich: 

Eggenburg  (Thürme  der  Stephanskirche),  Emmerberg  bei 
W. -Neustadt  (Schlosskapelle),  Emmersdorf  bei  Melk  (Pancratiuskap. 
in  der  Nähe),  Enzesfeld  bei  W.- Neustadt ,  Fischament  unweit 
Wien  (Chor),  Globnitz  bei  Zwetl  (Thurm,  zugleich  Chor),  Hoch- 
wolkersdorf  bei  W. -Neustadt,  Klein-Mariazell  unweit  Baden 
(Portale) ,  Krems  (Thurm  der  Piaristenkirche) ,  Moosbrunn  bei  Him- 
berg  (Thurm) ,  Neunkirchen  bei  W. -Neustadt  (Thurm) ,  Pötten- 
dorf  (Kapellenthurm) ,  Regelsbrunn  bei  Petronell,  Scheuchen- 
stein unweit  W.- Neustadt  (Theile  des  Schiffes),  Solenau  unweit 
Baden  (Details  bei  v.  Sacken,  Archäol.  Wegweiser  S.  56  Fig.  101), 
Spital  bei  Weitra  (Thurm  am  Ostende),  Starhembergbei  W. -Neu- 
stadt (Schlosskapelle) ,  Urschendorf  bei  W. -Neustadt  (Portal  aus  St. 
Egiden  als  Quelleneinfassung,  Detail  a.  a.  O.  S.  57  Fig.  104),  Weid- 
mannsfeld bei  W.  -Neustadt  (Chor) ,  W  e  i  n  z  i  e  r  1  bei  Weissenkirchen 
(Thurm). 

In  Böhmen  und  Mähren  : 

Albrechtitz  im  Budweiser  Kr.  (Thurm),  Brada  bei  Jitschin, 
Budin  im  Leitmeritzer  Kr.  (Kirche  am  Friedhofe)  ,  Brozan  ebd., 
Charwatez  im  Rakonitzer  Kr.,  Cirkwitz  bei  Kuttenberg  (Thurm), 
Czabonosi  bei  Planian,  C z a s  1  a u  (Dechanteikirche ,  Reste) ,  C z e  1  a- 
kowitz  unweit  Prag  (Dechanteikirche,  Reste),  Czestin  im  Taborer  Kr. 
'  (Thurm  und  Portal),  Dobrzichow  bei  Kolin,  Hoch-Aujezd  im 
*  Königgrätzer  Kr. ,  H  o  w  o r  z o  w  i t z  bei  Prag,  H ru si tz  bei  Prag  (Portal) , 
Jankau  unweit  Tabor,  Iglau  in  Mähren  (Portal  der  Dominicaner- 
kirche), Klein-Boz  im  Pilsener  Kr.,  Lanschau  im  Jitschiner  Kr., 


in  den  deuUeh* Österreich lEcben  Ländern. 


3S5 


Lad^an  im  t'hrudimer  Kr.  (Thurm),  Libschan  im  Kdniggrjltzer  Kr., 
N  a  e si e  r  a  c x  bti  Wlastlum  (Thurm] ,  N  c  i> o  m  u  k  utnveit  Pilsen  [Portal 
der  alten  Pfarrkirche],  Ncuendorf  bei  BrQx  (l'ortalj^  Pcrtoltitz  bei 
KulUnberg  (Thvirm) ,  SautilK  im  Czaülaucr  Kr.  l  Thurm),  Turn  au  bei 
J uiigbunKlau  (Thurm  der  FranciscancrkircheJ ,  W  e  i  s s  k  i  r  c h  c  n  (Wino* 
wen]  bei  Melnik  (Kirche  in  Form  den  griechischen  Kreuzes;  Schmitt, 
Abbikl.'i,  Wrbuo  bei  Melnik  (Chor). 


Fig.  l7Ta.    Votii  nördlichen  Tortal  der  A^iU-ikirchi'  Ju  TrcbEttch  (natli  Kirjctmer).    Yer^Lttbeu  3.  39t. 


Fig.  17'^.   Dom  xu  Bamberg  (nach  Chapuy). 


387 


IV.  In  Pranken  und  Hessen. 

Literatur :  D  i  1  i  c  b,  W.,  Neue  Chronica  u.  Beschreib,  des  Landes  Hessen. 
1604.  —  Schöpf,  Greg.,  Histor.-statist.  Beschreib,  des  Hochstifts  Warzburg. 
1802  —  Heller,  Jos.,  u.  JTäck,  H.  J.,  Beiträge  zur  Literar-  u.  Kunstgesch. 
Jg2l.  —  Heller,  Jos.,  Handbuch  für  Reisende  in  dem  ehem.  fränk.  Kreise. 
182S.  —  Heeringen,  Gust.  v. ,  Wanderungen  durch  Franken.  1839.  — 
Landau,  G.,  Beschreib,  des  Kurfflrstenth.  Hessen.  1842.  —  Derselbe, 
Malerische  Ansichten  von  Hessen.  1842.  —  Eberhard,  H.  W.,  National- 
Archiv  für  Deutschlands  Kunst  u.  Alterth.  Lief.  I  —3  mit  36  Tafeln.  —  Eber- 
lein, G.,  Rangau  -  Album ,  in  25  skizz.  Aquarellen.  —  Waagen,  G.  F., 
Kunstwerke  u.  Künstler  in  Deutschland.  Theil  1  :  im  Erzgebirge  u.  (S.  72  bis 
390)  in  Franken.  1843.  —  Spruner,  C.  L.  v.,  Handbuch  fOr  Reisende  auf 
dem  Main.  1843.  —  Dieffenbach,  Fh.,  Auszug  aus  dem  Tagebuche  einer 
im  Auftrage  des  histor.  Vereines  unternommenen  Reise,  im  Archiv  ftlr  hess. 
Gesch.  u.  Alterthumskunde.  IV.  2u.  V.  1  u.  2.  1843  u.  1846.—  Beckstein, 
L.,  Kunstdenkm.  in  Franken  u.  Thüringen.  Heft  1.  1844.  —  Eye,  A.  v., 
Rcisestudien  in  Franken  u.  Schwaben,  im  D.  Kunstbl.  1856.  No.  34  u.  36.  — 
Denkmäler  der  deut.  Baukunst,  dargestellt  von  dem  hess.  Verein  für  die  Auf- 
nahme mittelalterl.  Kunstwerke  zu  Darmstadt.  Bd.  1.  1856  etc.  —  Wipper- 
mann, C.  W.,  Notizen  über  das  Alter  der  Kirchen  in  Hessen,  in  derZeitschr. 
des  Vereins  für  hess.  Gesch.  u.  Landeskunde.  VII.  1  u.  2.  1859.  —  Mittel- 
alterl. Baudenkm.  in  Kurhessen,  herausgegeb.  von  dem  Verein  für  hess.  Gesch. 
u.  Landeskunde.  Lief.  1—4.  1862—1865. 

Vorbemerktiiig. 

83.  Die  ältesten,  freilich  nur  unbedeutenden,  aber  durch  ihr  ge- 
sichert hohes  Alter  sehr  bemerkenswerthen  Baudenkmäler  in  diesen 
mitteldeutschen  Gegenden,  die  zuerst  durch  den  h.  Bonifacius  der 
christlichen  Kirche  gewonnen  wurden  und  in  baulicher  Beziehung 
unter  dem  Einflüsse  der  angrenzenden  älteren  rheinischen  Culturländer 
standen,  finden  sich  in  Fulda  (oben  S.  285),  wo  indess  an  die  Stelle 
der  ehemaligen  Benedictinerkirche,  einer  doppelchörigen  Sftulenbasi- 
lika  aus  dem  IX.  und  X.  Jahrhundert,  seit  1697  leider  in  dem  heu- 
tigen Dome  ein  zopfiger  Neubau  getreten  ist,  und  auch  die  herrliche 
Säulenbasilika  von  Hersfeld,  die  nach  einem  Brande  von  1038,  fast 
gleichzeitig  mit  Limburg  a.  d.  H.  (oben  S.  332)  und  unter  der  Leitung 
desselben  Baumeisters,  des  berühmten  Cluniacenser  -  Abtes  Poppe  von 
Stablo,  begonnen  ward,  liegt,  von  den  Franzosen  im  siebenjährigen 
Kriege  zerstört,  in  Trümmern,  welche  nur  noch  die  in  edler  Einfach- 
heit unübertroffene  Grossartigkeit  der  Anlage  (s.  den  Grundriss  S.  4  5 
Fig.  1 7)  bewundern  lassen.  Unter  den  wenigen  hessischen  Pfeilerba- 
siliken zeichnet  sich  die  Prämonstratenserkirche  zu  Ilbenstadt  (1123 
bis  1159)  durch  reiche  Gliederung  der  Arkadenbögen  aus  und  zwar  in 
einer  Weise,  die  an  thüringische  Beispiele  erinnert,  während  die  mit 
vier  Halbsäulen  besetzten  Pfeiler  theils  ^dereckigen,   theils  runden 


388  Romanische  Kirchen 

Kernes  sind :  eine  Art  der  Abwechselung,  diÄ  sich  an  keine  der  bis- 
herigen Schulen  anschliesst.  In  Franken  sind  St.  Jacob  zu  Bamberg 
(geweiht  1109)  und  die  Klosterkirche  von  Heilsbronn  (geweiht  U36) 
Säulenbasiliken  im  schwäbischen  Geschmack;  in  St.  Burchard  zu 
Würzburg  (1033 — 1042)  wechseln  kurze  Säulen  mit  Pfeilern;  dagegen 
sind  der  dortige  Dom  und  die  Schottenkirche  St.  Jacob  daselbst,  sowie 
die  Michelsbergerkirche  in  Bamberg  (alle  drei  leider  modemisirt)  Pfei- 
lerbauten ^  wobei  die  Würzburger  Schottenkirche  (1134  — 1146)  mit 
ihren  gleich  langen,  in  neben  einander  liegenden  Apsiden  schliessenden 
Schiffen  und  den  beiden  über  dem  östlichen  Ende  der  Seitenschiffe 
aufsteigenden  Thürmen  den  süddeutschen  Typus  repräsentirt.  Der 
Gewölbebau  tritt  erst  in  Verbindung  mit  dem  Spitzbogen  auf:  in  der 
Cisterzienserkirche  zu  Bronnbach  (begonnen  1157)  nach  einem  dem 
französisch- romanischen  Tonnengewölbe  entsprechenden,  im  Detail 
jedoch  eigenartigen  Systeme,  und  in  der  Benedictinerkirche  zu  Fritzlar, 
bei  einer  zwar  bereits  umfassenderen  Anwendung  des  Spitzbogens, 
aber  ebenfalls  noch  in  verhältnissmässig  strengen  romanischen  Formen; 
dagegen  zeigt  die  künstlerische  Behandlung  des  Domes  zu  Bamberg 
(oben  S  44  Fig.  16  und  S.  386  Fig.  178)  überall  die  spätromanische 
Bildung,  im  Innern  in  edler  Einfachheit,  am  Aeusseren  in  grossartiger 
Pracht.  —  Wie  der  polygone  Schluss  der  Benedictinerkirche  zu  Fritzlar 
mit  seiner  Zwerggalerie  im  allgemeinen  an  rheinische  Formation,  im 
besonderen  an  St.  Paul  zu  Worms  erinnert,  so  zeigt  die  Ostpartie  der 
Pfarrkirche  von  Gelnhausen,  mit  einem  Kuppelthurm  über  der  Vie- 
rung, das  zierlichste  und  reichste  Spiel  spätest  -  romanischer  nieder- 
rheinischer Decoration  in  anmuthigster  und  glänzendster  Entfaltung. 
Im  Detail  kommt  in  der  Frühzeit,  im  Langchore  von  Hersfeld, 
die  Decoration  der  inneren  Wände  mit  Reihen  von  schlanken  Bund- 
bogenblenden vor,  ohne  Zweifel  als  Uebertragung  aus  dem  verwandten 
rheinpfalzischen  Bau  von  Limburg  a.  d.  H.  Die  ältere  Capitälform 
ist  der  schlichte  Würfel,  der  in  der  Krypta  von  Hersfeld  allmählich 
aus  der  unteren  Abrundung  in  das  obere  Viereck  übergeht,  und  in  St. 
Jacob  zu  Bamberg  mit  einem  einfach  gegliederten  hohen  Kämpfer- 
gesimse gekrönt  ist.  In  St.  Burchard  zu  Würzburg  haben  die  Säulen 
einfache  Würfelknäufe  mit  nach  unten  convergirenden  Seitenflächen 
und  mit  vier  oder  acht  an  der  Rundung  herablaufenden  Riemchen.  In 
der  Uebergangsperiode  herrscht  das  kelchförmige,  zuweilen  schlichte, 
gewöhnlich  mit  Knospen  oder  mit  dem  schönsten  und  mannichfachsten 
Blattwerke  geschmückte  Capital  vor;  s.  oben  S.  313  Fig.  164  und  165 
die  Beispiele  aus  dem  Kreuzgange  zu  Aschaffenburg.  —  Die  Oma- 


in  Franken  und  Hessen.  3g9 

mentik  in  Franken  ist  (nach  Mertens)  scharfer  in  der  Zeichnung  und 
ungefügiger  in  der  Zusammensetzung  als  in  Thüringen  und  Sachsen. 
Die  Traditionen  des  Landes  weisen  auf  den  Mittelrhein  hin :  der  Dom 
zu  Bamberg  in  seiner  bunt  geschnitzten  Verzierungsweise  ist  wie  eine 
Fortsetzung  der  einfacheren  des  Domes  von  Worms,  und  Würzburg 
erinnert  in  seiner  Baukunst  an  Mainz.  Sporadisch  kommen  in  Nürn- 
berg und  in  der  Umgegend  arabische  Blatt-  und  Bandmuster  vor. 

Vergl.  Schnaase,  Kunstgesch.  IV.  2,  145—149;  V,  314—316;  373  bis 
377;  433  f.;  443—415;  451-457;  464  f.;  577  f.  —  Kugler,  Gesch.  der  Bau- 
kunst 2,  456—480.  —  Lübke,  Gesch.  der  Architektur.  3.  Aufl.  S.  351  bis 
355;  371 — 377.  —  Otte,  Gesch.  der  deut.  Baukunst  S.  242—248.  —  Mer- 
tens, das  Abendland  während  der  Kreuzzüge  S.  !9. 

kUemtmrt  bei  NQmberg.  Rundkapelle  ^)  mit  Kuppelgewölbe  und  jün- 
gerer Apsis;  vergl.  oben  S.  23.  IV. 

Anhauei  im  Rezatkreise.  Theile  der  Benedictinerkirche^  einer  Basilika 
mit  zwei  Thürmen ;  andere  Theile  gothisch  von  1333  und  1519. 

Ansbarg  a.  d.  Wetter,  unweit  Grünberg.  Ruine  der  Cisterzienser- 
kircbe,  Qewölbebau  im  Uebergangsstil ;  der  Ostliche  Theil  der  Doppeljoche 
des  Langhauses  rundbogig,  der  westliche  spitzbogig.  Die  Mittelschiffge- 
wölbe  sechstheilig,  auf  vorgekragten  Gurtträgern.  Um  den  gerade  geschlos- 
senen Chor  ein  niedriger  Umgang  mit  kleiner  Apsis.  Nebenapsiden  an  den 
Kreuzarmen.  Ueber  der  Vierung  ehemals  ein  achteckiger  Thurm,  und  vor 
der  Westfront  eine  geschlossene  niedrige  Vorhalle.  Der  Capitelsaal  mit  dem 
Dormitorium  darüber  gleichfalls  im  Uebergangsstil,  doch  schon  gothisirend. 
(Fz.  Hub.  Müller,  Beiträge  3.  Taf.  5.  —  Gladbach  [Moller  HI.], 
Denkm.  Taf.  52—60.  —  Förster,  Denkm.  6,  19—22  und  2  Taf.) 

Aschaffeabarg.  ^)  Die  Stiftskirche,  ^)  eine  ursprünglich  flach,  jetzt  im 
Zopfgeschmack  gedeckte  Pfeilerbasilika  1116 — 1120,  mit  einer  in  spätrem. 
Zeit  eingebauten,  von  vier  Säulenreihen  getragenen  unterwölbten  Empore 
am  Westende.  Das  Querschiff  und  der  gerade  geschlossene  Chor,  spitz- 
bogig  im  Uebergangsstil  überwölbt.  Der  Thurm  an  der  südwestl.  Ecke  des 
Langhauses  spätgothisch.  (Lotz  2,  18.)  —  Der  nordöstlich  belegene  Kreuz- 
gang im  Uebergangsstil,  zwar  nur  mit  Holzdecke,  aber  ausgezeichnet  durch 
viele  feine  (nur  6"  dicke)  auf  das  mannichfachste  geschmückte  Säulchen 
(oben  S.  313  Fig.  164  und  165)  und  die  eigenthümliche  Bogenconstruction. 
(Moller,  Denkm.  I.  Taf.  14  —  16.) 

.  Am  bei  Hammelburg.    Ruine  des  1108  gegründeten  Klosters.  ^)   Die 


1)  Soden,  F.  v.,  Histor.  -  topograph.  Beschreib,  der  uralten  Kapelle  zu  Alten- 
furth.  1834. 

2)  Itittel,  M.  B.,  u.  Riedel,  Alb. ,  die  Bauomamente  aller  Jahrhunderte  an 
Gebäuden  der  Stadt  Aschaffenburg.  Lief.  1—12.   18r2— 1861. 

3)  May,  J.,  Beschreib,  der  vormal.  CoUegiat-Stiftskirche  zu  den  h.  Peter  u. 
Alexander  in  Aschaffenburg,  nebst  H  Taf.,  im  Archiv  des  histor.  Vereins  von  Unter- 
franken u.  Aschaffenburg.  IV.  2,  1—210. 

4)  Rein  in  g  er,  N.,  die  Benedictiner- Abtei  Aura  an  der  fränk.  Saale  etc.,  a.  a.  O. 
XVI.  1,  1—96. 


390  Romanüche  Kirchen 

Kirche,  eine  flach  gedeckte  Pfeilerbasilika  mit  zwei  Tharmen  zur  Seite  der 
Apsis,  ist  gänzlich  modemisirt. 

labeBhailsei  bei  Aschaffenburg.  Die  spätgoth.  Pfarrkirche^}  von  1472 
enthält  in  ihrem  flach  gedeckten  Mittelschiff  und  Thurm  die  Reste  einer 
kleinen  spitzbogigen  Säulenbasilika. 

lasberg.  ^  Der  Dom,  ^)  ein  doppelchöriger,  vierthürmiger  Gewölbe- 
bau mit  westlichem  Querschiff,  innerlich  im  Spitzbogen,  äusserlich  im  Rund- 
bogen, umgebaut  aus  einer  ursprünglich  flach  gedeckten  Pfeilerbasilika  und 
1237  geweiht;  der  gothisirende  Westtheil  sammt  dem  Oberbau  der  West- 
thürme  1257 — 1274  etc.  Von  den  beiden  Krypten  enthält  die  Ostliche  vier- 
zehn, theils  Tunde,  theils  achteckige  Säulen ;  die  westliche  ist  unbedeutend. 
Reiche  Prachtportale  zu  den  Seiten  der  östlichen  Apsis,  und  in  der  Mitte 
des  nördlichen  Seitenschiffes:  die  Fürstenthür.  Restaurirt  1828  — 1837. 
(Förster,  Denkm.  3,  33—40  und  6  Taf.  —  Chapuy,  AUemagne 
Livr.  11.  — Kallenbach  und  Schmitt  Taf.  22.  —  Kugler,  Kl.  Sehr. 
1,  152—162.  —  Vergl.  oben  S.  44  Fig.  16,  S.  310  Fig.  161,  S.  386 
Fig.  178.)  —  Die  Thürme  der  Pfarrkirche  St.  Gangolf  in  ihren  spät- 
romanischen Untergeschossen.  —  Die  Stiftskirche  St.  Jacob  mit  goth. 
Chor  scheint  in  ihren  verzopften  roman.  Theilen  aus  zwei  verschiedenen 
Bauperioden  herzurühren.  Das  jetzt  westlich  belegene  Querschiff,  an  dessen 
Ostseite  sich  zwei  Apsiden  und  zwei  viereckige  Thürme  schliessen,  könnte 
einem  älteren  Bau  angehören,  in  dem  es  die  gewöhnliche  östl.  Lage  hatte, 
so  dass  das  gegenwärtige  Langhaus  mit  seinen  durch  Säulen  getrennten 
*  Schiffen  (1073 — 1109)  an  die  Stelle  eines  dreischifilgen  Altarhauses  ge- 
treten wäre.  (Lotz  2,  36.)  —  Die  Katharinenkapelle  (in  der  Hof- 
haltung am  Domberge) ,  zweischiffig  mit  Würfelsäulen,  einem  Portale  und 
zierlichem  Fries  an  der  Apsis.  —  Der  roman.  Bau  der  Michelsberger 
Kirche,  ^)  einer  durch  den  Zopf  gänzlich  entstellten  Pfeilerbasilika,  dürfte 
nicht  mehr  der  1021  geweihte  ursprüngliche  sein,  sondern  gehört  erst  dem 
XII.  Jahrb.  an,  wo  1147  Vergrösserungsbauten  stattfanden;  der  Chor  ist 
gothisch.  —  Die  Thürme  der  zopfigen  Kirche  St.  Stephan  *)  im  Ueber- 
gangsstil.  —  Ein  Theil  des  Westbaues  mit  dem  Portal  der  zopfigen  Theo- 
dorkirche (Karmeliter)  spätromanisch.  Reste  des  Kreuzganges  im  zier- 
lichen Uebergangsstil.  (Kallenbach  und  Schmitt  Taf.  21  No.  7.) 

latteifeM  bei  Frankenberg.  Die  Kirche,  ein  der  Seitenschiffe  be- 
raubter kreuzförmiger,  spätroman.  Gewölbebau  mit  rechteckigem  Chor  und 
rechteckigem  Westthurm.  Die  Kreuzarme  mit  Tonnengewölben.  (Denkm. 
der  deut.  Baukunst,  dargestellt  von  dem  hess.  Verein  zu  Darmstadt.  Bd.  1.) 


1)  Franck,  die  luth.  Pfarrk.  in  Babenhausen,  im  Archiv  für  Hess.  Gesch.  u. 
Alterthumskunde  IX.  J,  15—29. 

2)  Murr,  C.  6.  v.,  Merkwürdigkeiten  der  fürstbischöfl.  Residenzstadt  Bamberg. 
1799.  —  Jäck,  H.  Joach.,  Bamberg  u.  dessen  Umgebungen.  1813. —  Heller,  Jos., 
Taschenb.  von  Bamberg.  1831.  —  Derselbe,  Uebersicht  der  Kunstdenkm.  su Bam- 
berg, in  Mone,  Anzeiger  für  Kunde  der  deut.  Vorzeit  3,  113 — J20  ;  vergl.  Berichte 
über  das  Wirken  des  histor.  Vereines  des  Obermainkr.  zu  Bamberg  8,  29—59. 

3)  Landgraf,  M.,  der  Dom  zu  Bamberg.  1836.  —  Heller,  Jos.,  Gesch.  der 
Domkirche  zu  Bamberg.  1837.  —  Derselbe,  der  Dom  zu  Bamberg.  1843. 

4)  Jftck,  H.  Joach.,  Gesch.. der  Abtei  MicheUberg.   1826. 

5)  Heller,  Jos.,  Gesch.  der  protest.  Pfarrk.  zum  b.  Stephan  in  Bamberg.  1S30. 


in  Franken  und  Heasen.  39 1 

bei  Breitenbacb.  Barbarisirte  Ueberreste  der  1682  abge* 
brannten  einscbiffigen  Kreuzkirche  des  1218  hieher  verlegten  Nonnenkl. 
im  Uebergangsstil.    (Lotzl,83.)         • 

IreiteiM  bei  Cassel.  Kirche  des  1113  gegründeten  Benedictinerkl., 
eine  seit  1579  verstümmelte  und  profanirte  Pfeilerbasilika  mit  Apsiden  an 
den  Kreuzarmen  und  spätgoth.  Chor,  überwölbt  1508.  Zwischen  den  beiden 
unvollendet  gebliebenen  Westthürmen  eine  gewOlbte  Vorhalle  mit  Empore. 
Die  Arkadenbögen  des  Schiffes  mit  rechtwinkeliger  Einrahmung.  (Hase, 
Baudenkm.  Niedersachsens  1,  117 — 128  nebst Taf.  27—29.  —  Förster, 
Denkm.  8,  13  f.  und  2  Taf.) 

ireid-L^reaiei  unweit  Schweinfurt.  Spätroman.  Kirche.  (Details  bei 
Heideloff,  Ornamentik  18,  auf  Taf .  3.) 

ir»MsUrchei  bei  Frankenberg.  In  der  Kirche  zwei  roman.  Doppel* 
Joche  des  Mittelschiffes  mit  dicken  viereckigen  Pfeilern;  die  Gewölbe  ohne 
Kippen  zwischen  den  auf  den  rechtwinkeligen  Vorlagen  der  Hauptpfeiler 
ruhenden  Rundbogengurten.  (Denkm.  der  deut.  Baukunst,  dargestellt  von 
dem  hess.  Verein  zu  Darmstadt.  Bd.  1.) 

irtubach  bei  Wertheim.  Cisterzienserkirche  im  Uebergangsstil,  eine 
in  Doppeljochen  überwölbte  Pfeilerbasilika  mit  Säulen  statt  der  Zwischen- 
pfeiler. An  der  Ostseite  der  Kreuzarme  abseitenartig  je  zwei  niedrige  Ka- 
pellen; das  Altarhaus  mit  Apsidenschluss.  (Schnaase,  Kunstgesch.  5, 
423  und  425.  —  Kugler,  Gesch.  der  Baukunst  2,  462  f.) 

iirg -  liSlBgei  ')  bei  Cassel.  Die  Ruine  der  ehemal.  Klosterkirche, 
einer  Basilika  ohne  Querschiff  (Schutthaufen) ;  nur  ein  achteckiger  West- 
thurm  über  niedrigem  viereckigen  Unterbau  ist  erhalten.  (Hase,  Baudenkm. 
Niedersachsens.  Heft  4.  Sp.  129—132  und  Taf.  30.) 

Ivttbach  bei  Friedberg.  Die  Marcuskirche,  eine  gothisch  umgebaute 
ursprünglich  flach  gedeckte  spitzbogige  Pfeilerbasilika  mit  Rundstäbchen 
an  den  abgeschmiegten  Ecken  der  viereckigen  Pfeiler.    (Lotz  1,  132.) 

Calderi  bei  Marburg.  Nonnenklosterkirche,  im  Uebergangsstil,  eine 
Basilika  ohne  südl.  Seitenschiff  mit  Spitzbogenkuppeln.  (Lotz  1,  134.) 

Baalphe  unweit  Marburg.    Roman.  Kirche  mit  viereckigem  Ostthurm. 

Ehrach  unweit  Bamberg.  Cisterzienserkirche  im  Uebergangs- 
stil, geweiht  1285,  eine  kreuzförmige,  in  rechtediigen  Jochen  überwölbte 
Pfeilerbasilika  mit  Umgang  um  den  gerade  geschlossenen  Chor,  an  den  sich 
ein  zweiter  noch  niedrigerer  schliesst,  der  durch  Scheidewände  in  Kapellen 
getheilt  ist.  (Vergl.  oben  S.  89  Fig.  35.  —  v.  Heeringen,  Wande- 
rungen. —  Details  bei  Grueber,  Vergleich.  Samml.  I.  Taf.  13  und  II. 
Taf.  10.)  —  Die  Michaeliskapelle  am  nördl .  Kreuzarme  der  Kirche, 
kreuzförmig,  mit  Ringsäulen  und  Kleebogenblenden  im  Innern. 

Elchstädt«  Der  Dom,  ^)  ein  theils  gothisches,  theils  zopfiges  Gebäude, 
(ursprünglich  eine  doppelchörige  Pfeilerbasilika  mit  östl.  Krypta  aus  dem 
XI.  Jahrh.)  enthält  in  den  östlich  stehenden  Thürmen  und  am  nördlichen 
Seitenschiffe  romanische  Uebcrrestc ;    der  gerade  geschlossene  Westchor 


1)  Schlereth,  das  Kloster  Hasungen,  in  der  Zeitschr.  für  hess.  Gesch.  u. 
Landeskunde.  III.  2,  1 37-^159.  Mit  2  Taf. 

2)  Becker,  C,  der  Dom  zu  Elchstädt,  im  D.  Kunstbl.  1853.  8.  444  f. 


392  Romanische  Kirchen 

scheint  aus  der  Uebergangsperiode  {1259 — 1269)  zu  datiren.  —  Der  Kreuz- 
gang theils  romanisch,  theils  im  Uebergangsstil.  (Wiebeking,  Baukunde. 
Taf.  61.  —  Sighart,  Bayer.  Kuiretgesch.  S.  169  und  232.) 

l^rankAlTt  a.  H.  In  dem  goth.  Bau  der  Leonhardskirche  findet 
sich  ein  älteres  spStroman.  Gebäude  eingeschachtelt,  woran  zwei  mit  Scul- 
pturen,  dem  Zickzack  etc.  reich  verzierte  Portale  besonders  bemerkenswerth 
sind.  (Moller,  Denkm.  I.  Taf.  11.)  —  Die  Doppelkapelle  in  einem  noch 
erhaltenen  halbrunden  Thurme  des  ehemal.  Saalhofes,  ^)  anscheinend 
aus  dem  XII.  und  XIII.  Jahrh.  ;  vergl.  oben  S.  21. 

Praaei-Aarach  bei  Herzogen -Aurach.  Reich  spätroman.  Kirche;  das 
Portal  ähnlich  den  Westportalen  von  St.  Sebald  in  Nürnberg. 

Praaeirtde  bei  MOnnerstadt.  Ziemlich  erhaltene  Kirche  des  1231  ge- 
gründeten Cisterzienser-Nonnenkl osters.  (Details  bei  Heideloff,  Orna- 
mentik. Heft  18  auf  Taf.  3.) 

fritllar.  Die  Stiftskirche,  ^)  eine  spitzbogige,  in  Doppeljochen  über- 
wölbte Pfeilerbasilika  mit  Querschifif  und  füniseitiger  Apsis.  Die  Haupt- 
pfeiler sind  sehr  breit  rechteckig,  an  der  Vorderseite  mit  Vorlagen,  die  sich 
zu  Spitzbogenblenden  zusammen  wölben ;  sodann  an  beiden  Fronten  mit 
nochmaligen  Pilaster vorlagen,  die,  mit  einem  Bündel  von  drei  Halbsäulen 
besetzt,  die  Scheidgurte  der  Gewölbe  tragen.  Die  quadratischen  Zwischen- 
pfeiler mit  einer  Halbsäule  auf  jeder  Seite.  Die  weiteren  Details  meist 
schwer  und  barbarisircnd ;  die  Capitälgesimse  der  Pfeiler  völlig  nach  der  im 
Wormser  Dome  angewandten  Bildung.  Unter  dem  Chore  und  der  Vierung 
eine  dreischififige  Säulenkr}'pta  mit  einem  Nebeniaume  unter  dem  nördl. 
Kreuzarme.  Jünger  als  die  erwähnten,  gewöhnlich  einer  Bauperiode  nach 
1171  zugeschriebenen  Theile  ist  die  sich  in  der  vollen  Breite  vor  die  beiden 
roman.  Westthürme  und  den  roman.  Zwischenbau  legende  überwölbte  vier- 
schiffige  Pfeilervorhalle  mit  zierlichem  Detail,  angeblich  nach  1232.  (Glad- 
bach [Moller  III.],  Denkm.  Taf.  4—6  imd  24.) 

Palda.^)  Das  der  altchristl.  Michaeliskapelle  (oben  S.  285)  auf- 
gesetzte Obergesohoss,  das  kleine  westlich  hinzugefügte  Langhaus  mit  dem 
Thurme,  die  aussen  gerade  und  innen  rund  geschlossene  Apsis,  sowie  die 
südliche  Vorhalle.  Die  in  dieser  Gestalt  1092  geweihte  Kirche,  nach  einer 
Verunstaltung  von  1716,  seit  1854  hergestellt.  —  Die  y^  Meile  von  der 
Stadt  entfernte  Petersberger  Kirche  (oben  S.  285)  ist  1479  aus  einer 
roman.  Pfeilerbasilika  einschifiig  umgebaut  und  zeigt  an  den  Chormauern, 
sowie  an  dem  östlichen  und  dem  westlichen  Thurme  noch  Spuren  des  äl- 
teren Baues.  —  In  dem  südwestlich  vor  der  Stadt  belegenen  Kloster  St. 


1)  Krieg  y.  Hochfei  den,  G.  H.,  die  ftl  testen  Bauwerke  im  Saalhof  zu  Frank* 
fürt  a.  M.,  im  Archiv  für  Frankfturts  Gesch.  u.  Kunst  I.  3,  1—27  nebst  Taf.  1—26.  — 
Rado  vitz,  J.  M.  y.,  die  Kapelle  im  Saalhof  zu  Frankfurt  a.  M.,  ebd.  1,  1 17— i2S 
nebst  Taf.  1—3. 

2)  Hoff  mann,  F.,  u.  Dehn-Rotf  eiser,  H.  v.,  die  Stiftskirche  St.  Petri  zu 
Fritzlar,  als  Lief.  3  der  Mittelalter!.  Baudenkm.  in  Kurhessen.  1865.  —  Vergl. 
Deutochland.  1857.  Beilage  zu  No.  2S6. 

3)  Schlereth,  der  Dom  u.  die  vorigen  Ilauptkirchen  in  Fulda,  in  Schnei- 
der'« Buchonia  I.  2,  85—151  u.  II.  1,  MS— 201.  —  Vergl.  oben  S.  285  Nota  4  u.  5. 


in  Franken  tmd  Hessen.  393 

Andreasberg  (Neuenberg)  soll  der  frabromanische  Chor  der  Kirche  noch 
von  dem  1023  geweihten  Stiftungsban  herrühren.  Spätromanisches  Detail 
auch  in  den  Klostergebäuden. 

debnidda  bei  Nidda.  Der  unsymmetrisch  gestellte  Westthurm  und  das 
kleine  basilikale  in  drei  Jochen  überwölbte  Langhaus  der  Kirche  in  gothi- 
sirendem  Uebergangsstil ;  Chor  gothisch.  (Gladbach  [Moller  III.], 
Denkm.  Taf.  16—18.) 

delahaiseB*  ^)  Die  Pfarrkirche  St.  Maria,  an  deren  älteren  schwer 
roman.  Westthurm  sich  ein  basilikaler  spitzbogiger  Pfeilerbau  mit  flacher 
Decke  und  gothisch  veränderten  Seitenschiffen  schliesst,  ist  durch  die  reiche 
und  malerische  Gestaltung  der  Östlichen  Theile  eines  der  ausgezeichnetsten 
Beispiele  des  Uebergangsstiles.  Ueber  den  halbrunden  Apsidiolen  des 
Querschiffes  erheben  sich  leichte  Achteckthürme  und  über  dem  kuppel- 
artigen Gewölbe  des  Kreuzmittels  ein  dritter  achteckiger  Thurm  mit  ge- 
brochenbogigen  Säulenfenstern;  die  Kreuzfronten  haben  prächtig  decorirte 
Spitzbogenportale  und  der  mit  Strebepfeilern  besetzte,  dreiseitig  geschlos- 
sene Langchor  zeigt  schlank  spitzbogige  Fenster  mit  Kosetten  darüber, 
welche  letztere  hinter  einer  gebrochenbogigen  leichten  Säulengalerie  liegen. 
Nicht  minder  reich  ist  die  Ausgestaltung  des  Inneren  mit  schlanken  King- 
säulenbündeln als  Gewölbediensten  und  leichten  im  gebrochenen  Bundbogen 
gedeckten  Wandarkaden  zwischen  denselben.  (Moller,  Denkm.  I.  Taf. 
19—25.  —  Ruhl,  Taf.  8—15.  —  Kallenbach,  Chronologie  Taf.  22  f. 
—  Förster,  Denkm.  2,  33 — 36  und  2  Taf.'  —  Von  der  profanirten 
Peterskirche  ist  der  mit  zwei  Bundthürmen  flankirt  gewesene  Chor  ab- 
gerissen ;  das  Querschiff  zeigt  noch  roman .  Detail ;  das  flach  gedeckte  Lang- 
haus mit  rohen,  schwer  spitzbogigen  Säulenarkaden  gehört  in  die  Ueber- 
gangsperiode ;  die  Westfa9ade  ist  zopfig.  (Ruhl  Taf.  3  etc.)  —  In  der 
Buine  des  Barbarossapalastes  ^j  von  1170  die  ehemals  zweischiffige 
Burgkapelle  über  einer  gewölbten  Thorhalle.  (Gladbach  [Moller  III.] , 
Denkm.  Taf.  36—42.  —  Förster,  Denkm.  1,  33—36  und  2  Taf.)  — 
Die  einfach  rechteckige  Gislakapelle  vor  der  Stadt,  deren  ehemaliges 
Gewölbe  auf  einer  Mittelsäule  ruhte.    (Buhl.) 

demerode  bei  Eschwege.  Kirche  des  1145  gegründeten  Prämonstr.- 
Nonnenklosters,  •*)  verstümmelte  überwölbte  Pfeilerbasilika  mit  drei  Apsi- 
den, einer  kleinen  Krypta,  einem  von  Pfeilern  und  Säulen  getragenen  westl. 
Nonnenchor  und  zwei  Thürmen. 

Cirtsseahltseck  bei  Giessen.  Kreuzkirche  mit  viereckigem  Thurm ;  Chor 
gothisch. 

4ir«8S«BUndeB  bei  Giessen.  Einschiffige  gerade  geschlossene  Kreuz- 
kirche *)    mit   viereckigem  Mittelthurm   und   zwei  Bundthürmen  an  den 


1)  Buhl»  Jul.  £ug.,  Gebäude  des  M.-A.  zu  Gelnhausen.   1831. 
.   2)  Hundeshagen,  Beruh. ,  Kaiser  Friedrich's  I.  Barbarossa  Palast  in  der  Burg 
zu  Gelnhausen.  (1819).  2.  Aufl.  IS32. 

3)  Schminke,  das  Nonnenkloster  Germerode,  in  der  Zeitschr.  für  hess.  Gesch. 
u.  Landeskunde  7,  1. 

4)  Bitgen,  H.  v.,  über  die  Kirche  zu  Grossenlinden,  inL.  Forste r's  Allgem. 
Bauztg.  184t>.  S.  36S.  —  Klein,  J.  Val.,  die  Kirche  zu  Grossenlinden.  Versuch 
einer  histor,  -  symbol.  Ausdeutung  ihrer  Bauformen  u.  ihrer  Portalreliefs.  1857.  — 
Vergl.  Archiv  fOr  hess.  Gesch.  u.  Alterthumskunde  III.  2  u.  V.  2. 


394  BonumiBohe  Kirchen 

Ecken  der  Westseite.  Flache  Decke.  Das  Portal  ist  mit  rohem  symbolischen 
Bildwerk  verziert. 

Crossenlader  bei  Fnlda.  Kirche,  mit  Resten  im  Uebergangsstil.  (Be- 
richte der  deutschen  Oesellsch.  in  Leipzig.  1833.  Taf.  3 — 6.) 

feusfeMhaueB  bei  Grünsfeld.  Die  Kirche  besteht  aus  zwei  acht- 
eckigen Kapellen,  die  durch  einen  in  der  Tonne  überwölbten  Zwischenbau 
verbunden  sind,  über  dem  sich  ein  Thurm  erhebt. 

latsfeld  bei  Frankenbetg.    Todtenkapelle  a.  d.  Edder,  GewOlbebau. 

leidilgsfeM  bei  Würzburg.  Die  Pfarrkirche,  eine  gothisch  verftnderte 
kreuzförmige  Pfeilerbasilika  mit  flach  gedecktem  Schiff  und  viereckigem 
Thurm  auf  der  Südseite;  Chor  gothisch. 

MbbrMI  unweit  Nürnberg.  Die  Münsterkirche  des  1132  ge- 
stifteten Cisterzienserklosters ,  eine  1150  geweihte  kreuzförmige  Basilika 
mit  einfach  derben  Würfelknauf  Säulen,  deren  Seitenschiffe  sich  neben  dem 
Chore  fortsetzten  und  wie  dieser  in  Apsiden  schlössen;  1263 — 1280  aber 
wurde  der  Chor,  gleichfalls  in  dreischifiiger  Anlage ^  verlängert  und  in 
frühgothischem  Stile  umgebaut.  Andere  Veränderungen  fanden  in  spät- 
gothischer  und  modemer  Zeit  statt,  letztere  aber  sind  durch  die  Restau- 
ration 1856 — 1860  wieder  beseitigt.  Die  an  der  Südseite  des  Kreuzes  be- 
legene Heideckerkapelle  ist  ein  Rechteck  mit  Holzdecke  und  einer 
auf  einem  Kragsteine  ruhenden  Apsis.  (v.  Stillfried-Rattonitz, 
Alterth.  und  Kunstdenkm.  des  Hauses  Hohenzollern.  Lief.  1.  Neue  Folge. 
Lief.  4.)  —  Eine  an  der  Nordseite  des  Kreuzganges  belegene,  gothisirend 
überwölbte,  rechteckige  [nicht  orientirte)  Kapelle  (Conventskirche)  im 
Uebergangsstil  ist  ausgezeichnet  durch  ein  prächtiges  Portal  *)  mit  je  vier 
verschieden  decorirten  Ringsäulen  und  fein  profilirter  Rundbogenwölbung, 
in  deren  Einschluss  ein  kleeblattförmig  gebrochener,  von  reichem  Ornament 
umgebener  Bogen  den  eigentlichen  Thürsturz  bildet ;  die  ganze  Decorations- 
weise zeigt  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  arabischem  Zierwerk.  (Eber- 
hard, National -Archiv  Lief.  1.  2.  —  Kallenbach,  Chronologie  L 
Taf.  7.  —  Schnaase,  Kunstgesch.  5,  464.  —  Förster,  Denkm.  6,  51 
nebst  1  Taf.) 

leReBoireltVBgei  bei  Schmalkalden.  Die  (ehemal.  Benedictiner-) 
Schlosskirche  enthält  noch  das  basilikale  Langhaus  eines  roman.  Baues, 
in  dessen  Arkaden  Pfeiler  und  Würfelknaufsäulen  mit  Eckblattbasen  wech- 
seln. Der  viereckige  Thurm  über  der  Westseite  öffnet  sich  gegen  das 
Mittelschiff.  —  Die  zopfige  Dorfkirche  hat  noch  einen  roman.  Thurm, 
dessen  Erdgeschoss  eine  gothisirend  überwölbte  Halle  bildet.  (Lotz, 
1,  291.) 

lersfdlil.  Die  Ruine  der  nach  einem  Brande  von  1 038  neu  erbauten 
Benedictinerkirche ,  ^]  einer  grossartigen  Säulenbasilika  (geweiht  1144], 
deren  Langhausarkaden  völlig  zerstört  sind  ;  ebenso  die  1040  geweihte  drei- 


1)  Eine  genaue  Nachbildung  dieses  Portales,  in  gebranntem  Stein,  gegenwärtig 
an  der  Friedenskirche  zu  Potsdam. 

2)  Lotz»  W.,  die  Stiftskirche  zu  Hersfeld,  im  Correspondenzbl.  des  Gesammt- 
vereines  etc.  (1858).  6,  115  ff.  nebst  Taf.  —  Veigl.  v.  Quast,  Entwicklung  der 
kirchl.  Baukunst  S.  14. 


in  Franken  nndHeiMn.  3^5 

schiffige  Säulenkrypta.  Ohne  Gleichen  ist  die  Ausdehnung  des  Altarhauses 
und  des  weit  ausladenden  Querschiffes ;  sehr  eigenthümlich  auch  die  An- 
ordnung einer  in  der  Tonne  überwölbten  niedrigen  Vorhalle  in  Westen, 
deren  Oberstock ,  mit  einer  Apsis  versehen .  als  Westchor  behandelt  ist. 
(Vergl.  oben  S.  45  Fig.  17.) 

lofgelsMar  unweit  Cassel.  Die  Liebfrauenkirche  in  der  Altstadt  er- 
scheint als  gothischer  Umbau  einer  vorauszusetzenden  ursprünglichen  ge- 
wölbten Pfeilerbasilika  im  Uebergangsstil.  Der  viereckige  Thurm  vor  der 
Westseite  ist  einfach  romanisch,  der  Chor  elendes  Machwerk  neuerer  Zeit. 
(Lotz  1,  305.) 

loMbng  bei  Qössenheim  in  Unterfranken.  Prachtvolle  Reste  einer 
Doppelkapelle  auf  der  Burg;  vergl.  S.  21. 

Ilbeutadt  bei  Friedberg.  Die  (1159  geweihte)  spater  gothisch  über- 
wölbte Prämonstratenserkirche ,  eine  Pfeilerbasilika  mit  Nebenapsiden  an 
den  Kreuzarmen,  gerade  schliessendem  Chor  und  zwei  Westthürmen,  zwi- 
schen denen  eine  sich  nach  aussen  in  zwei  Rundbögen  öfi'nende  Vorhalle 
angeordnet  ist,  mit  einer  Empore  über  derselben.  Die  Pfeiler  des  Schiffes 
sind  viereckig,  auf  der  Nordseite  jedoch  abwechselnd  rund,  und  sämmtlich 
mit  vier  Halbsäulen  besetzt,  von  denen  die  vorderen  Blendbögen  als  Ein- 
fassung der  Arkaden  tragen,  und  die  inneren  sich  als  Wulste  an  der  Lei- 
bung derselben  fortsetzen.  In  den  Schallöffnungen  der  Thürme  kommen 
Theilungssäulchen  mit  Knotenverschlingungen  (oben  S.  298  Fig.  142)  vor. 
(Fz.  Hub.  Müller,  Beiträge  I.  Taf.  10.  19  und  20.) 

KMlfugei  bei  Cassel.  Von  dem  Stiftungsbau  der  Kirche  der  um 
1008  gegründeten  Nonnenabtei  stammen  die  unteren  aus  kleinen  Bruch- 
steinen erbauten  Theile  des  nördl.  Seitenschiffes  und  der  breite  viereckige 
Thurm,  sowie  die  hohe  nördl .  Nebenapsis,  die  östlichen  Vierungspfeiler 
und  der  nördl.  Kreuzarm.  Der  Spätzeit  des  XII.  Jahrh.  scheint  die  reiche 
Umgestaltung  des  Langchores  anzugehören,  dem  Xm.  Jahrh.  endlich  die 
westl.  Vierungspfeiler  und  die  weiten  Spitzarkaden  des  Schiffes.  Statt  der 
Chorapsis  wurde  1470  ein' spätgoth.  Chorschluss  errichtet  und  Manches 
verändert  und  nach  einem  Brande  von  1564  wahrscheinlich  die  jetzige 
Holzdecke  eingezogen,  welche  die  ArkadenbÖgen  verschliesst.  Südlich  von 
der  Kirche  der  unbedeutende  Bruchsteinbau  einer  Kapelle  mit  Apsis. 
(Lotz  1,  319.) 

KouaiM«rf  bei  Büdingen.  Die  profanirte,  1191  gestiftete  Kloster- 
kirche, eine  kleine  Pfeilerbasilika  ohne  Querhaus  und  Thurm  mit  Chor- 
apsis, Holzdecke  und  westl.  Balkenempore.  Die  Mauern  des  Langhauses 
divergiren  gegen  Westen.  (Gladbach  [Moller  III.],  Denkm.  Taf.  34  f.) 

MniAetal  bei  Mergentheim.  Die  Ruine  der  Burgkapelle  im  Ueber- 
gangsstil mit  reichem  Portal  an  der  Vorhalle.  (Heideloff,  Ornamentik. 
Heft  23.  Taf.  1  f.) 

LaagheiM  bei  Lichtenfels.    Romanische  Kirche. 

Uhr  unweit  Aschaffenburg.  Das  flach  gedeckte  Schiff  der  Pfarrkirche, 
dessen  Arkadenpfeiler  ohne  Kämpfergesimse  nur  eine  Abkantung  der  Ecken 
zeigen,  welche  beim  Anfange  der  Bögen  aufhört. 


396  Romanische  Kirchen 

lellldistadt  unweit  Meiningen.  Die  beiden  schweren  roman.  Thürme 
auf  den  Seiten  des  gerade  geschlossenen  der  Uebergangszeit  entstammenden 
Chores  der  im  Uebrigen  modernisirten  Kirche. 

lergeitteiM.  Die  goth.  Hauptkirche  mit  Bogenfriesen  an  den  unteren 
Geschossen  des  Thurmes  und  rundbogigen  Fenstern  im  Hauptschiffe,  das 
durch  schlanke  Säulen  von  den  Seitenschiffen  getrennt  ist. 

lerihausen  bei  Naumburg  in  Hessen.  In  der  spätgothisch  hergestellten 
Kirche  des  1213  gegründeten  Augustinerklosters  anscheinend  noch  Reste 
des  Stiftungsbaues.  (Lotz  1,  442.) 

lockenlohe  bei  Eichstädt.  Ein  angebliches  Baptisterium  aus  dem  XII. 
Jahrhundert. 

■aBBersUdt  bei  Schweinfurt.  Romanische  Reste  und  Spuren  in  dem 
modernisirten  Langhause  und  in  der  Thurmhalle  der  Pfarrkirche  mit  go- 
thischem  Chor. 

Reastadt  a.  1*  ^)  unweit  Wertheim.  Die  Arkaden  des  Langhauses  der 
alten  grossartigen  Klosterkirche  zeigen  einen  »angenehmen«  Wechsel  von 
Würfelknauf  Säulen  und  Pfeilern ,  deren  Kämpfer  nur  aus  Platte  und 
Schmiege  bestehen;  der  Thurm  an  der  Nordseite  der  Apsis.  (Sighart, 
Bayer.  Kunstgesch.  S.  84.) 

Nledenibwrg  bei  Aschaffenburg.  Der  Chor  der  Kirche,  ähnlich  dem  der 
Pfarrkirche  von  Gelnhausen. 

Niederweissel  bei  Friedberg.  Die  zweistöckige  Johanniterkirche  im 
Uebergangsstil,  deren  Erdgeschoss  aus  drei  niedrigen  Schiffen  von  gleicher 
Hohe  besteht,  durch  zweimal  zwei  viereckige  und  zwei  Rundpfeiler  ge- 
trennt, welche,  auf  den  vier  Seiten  mit  Halbsäulen  besetzt^  die  einfachen 
GurtbOgen  tragen,  zwischen  denen  die  GratgewOlbe  eingespannt  sind.  Das 
unvollendete  Obergeschoss  hat  eine  flache  Decke  und  eine  polygonische 
Apsis  über  der  halbrunden  unteren.  (Denkm.  der  deut.  Baukunst,  darge- 
stellt von  dem  hess.  Verein  zu  Darmstadt.  I.) 

Nordhavsei  bei  Cassel.  An  der  einschiffigen  goth.  Kirche  des  1257 
gestifteten  Cisterzienser- Nonnenklosters  zeigt  der  den  Nonnenchor  enthal- 
tende, sich  als  Glockenhaus  über  die  Kirche  erhebende  Westbau  den  Ueber- 
gangsstil. (Lotz  1,  477.) 

Nunberg«  Die  in  dem  sogen.  Heidenthurme  der  Burg  belegene  Dop- 
pelkapelle,  in  beiden  Stockwerken  von  annähernd  quadratischer  Grund- 
form mit  viereckigem  Chörlein  und  einem  westlichen  Vorräume  mit  einer 
im  Erdgeschosse  von  Pfeilern,  im  Oberstock  von  kurzen  Säulen  getragenen 
Empore.  Je  vier  Säulen,  kurze  und  schwere  in  der  Unterkapelle,  sehr 
schlanke  mit  korinthisirenden  Capitälen  in  der  Oberkapelle ,  theilen  den 
mit  Rundbogengewölben  überspannten  Raum  in  drei  Schiffe  von  gleicher 
Breite ;  nur  eine  Abtheilung  des  Mittelschiffes  in  der  unteren  Kapelle  hat 
ein  Spitzbogengewölbe,  welches  voraussetzlich  an  der  Stelle  der  ursprüng- 
lichen Deckenöffnung  (oben  S.  20)  später  entstanden  sein  wird.  Die  Unter- 
kapelle kann  von  den  Bauten  Friedrich's  Barbarossa  um  1158  herrühren, 
die  obere  Kapelle  ist  entschieden  viel  später.  (Popp  und  Bü lau,  die 
Architektur  des  M.-A.  in  Regensburg.  Heft  7.  —  Heideloff,  Nürnberg. 


1)  Kraus,  J.,  die  Benedictinerabtei  Neustadt  a.  M.   1856. 


in  Franken  nnd  Hessen.  397 

Baudenkm.  Heft  1.  Taf.  8.  —  Wolff,  Nürnbergs  Gedenkbuch  I.  Taf.  33. 
—  V.  Rettberg,  Nürnbergs  Kunstleben  S.  7.)  —  Die  Eucharius- 
kapelle  bei  der  Aegidienkirche,  ein  zweischiffiger  Hallenbau,  über  zwei 
frei  stehenden  und  acht  Wandsäulen  zwischen  runden  ScheidbOgen  spitz- 
bogig  eingewölbt ;  an  den  Würfelknäufen  der  Säulen  arabische  Blatt-  und 
Bandmuster  und  im  sonstigen  Detail  mancherlei  Eigenartiges.  (Wolff 
a.  a.  O.  Taf.  12.  —  v.  Rettberg  a.  a.  O.  S.  6.)  —  Die  Sebalds- 
kirche  zeigt  in  ihren  älteren  Theilen ,  dem  Schiff  mit  Triforium  (oben 
S.  77  Fig.  30)  und  dem  dreiseitig  geschlossenen  Westchor,  einen  mit  goth. 
Formen  stark  versetzten  schweren  Uebergangsstil.  (Heideloff  a.  a.  O. 
Taf.  1—3.  —  Kallenbach,  Chronologie  I.  Taf.  9.  —  v.  Rettberg 
a.  a.  O.  S.  9  —  14.  —  Förster,  Denkm.  4,  25—30  und  4  Taf.  Vergl. 
oben  S.  30  Fig.  6.) 

iher-Kichstadt  bei  Eichstädt.  Ritterkapelle  mit  massivem  Thurm  und 
Rundbogenfenst  em . 

iber-WIttighaisei  unweit  Würzburg.  Die  Sigismundkapelle ,  ')  ein 
achteckiger  Centralbau  mit  Apsis,  im  Uebergangsstil,  mit  einem  Portal, 
das  an  Reichthum  und  Charakter  der  Verzierung  dem  der  Schottenkirche  in 
Regensburg  gleichkommt. 

ther-Zell  bei  Würzburg.  Profanirte,  Reste  der  Kirche  des  1128  ge- 
gründeten Prämonstratenserklosters,  einer  flach  gedeckten  Säulenbasilika : 
stattliche  Oranitsäulen  mit  Würfelknäufen  und  eckblattlosen  attischen 
Basen.  —  Im  Garten  der  Maschinenfabrik  schöne  Säulchen  vom  ehemal. 
Kreuzgange.  —  Der  aus  einem  grossen  und  kleinen  Thor  bestehende,  von 
drei  Säulen  getragene  Eingang  in  den  Klosterhof. 

PlankstetteB  bei  Beilngriess  im  Eichstädtischen.  Die  ziemlich  in  alter 
Form  erhaltene  Klosterkirche,  eine  flach  gedeckte  Pfeilerbasilika  mit  zier- 
lichem Rundbogenportal,  einer  Vorhalle  und  zwei  Westthürmen.  Die  ehe- 
malige Krypta  ist  durch  den  goth.  Umbau  des  Chores  zerstört. 

PoflfMihMSeB  bei  Grünsfeld.  Einschiffige  Pfarrkirche  mit  östlichem 
Thurm. 

Raadsacker  bei  Würzburg.  Die  Pfarrkirche,  eine  Pfeilerbasilika  mit 
vierstöckigem  Thurm  an  der  Südseite  und  spätgoth.  Chor. 

Kasdorf  bei  Fulda.  Die  Kirche  des  schon  im  IX.  Jahrh.  vorhandenen 
Klosters  enthält  in  ihrem  goth.  Umbau  noch  von  rohen  Säulen  getragene 
ungegliederte  Spitzarkaden  und  eine  Westempore,  deren  Unterbau  sich  in 
von  Säulen  getragenen  Rundbögen  gegen  das  Schiff  Öffnet.  (Lotz  1,  510.) 

ledwitl  bei  Wunsiedel.  Die  Pfarrkirche,  aus  drei  gleich  hohen  Schiffen 
bestehend,  mit  Säulen  und  Kreuzgewölben;  Chor  gothisch. 

lelcheabach  bei  Lichtenau  unweit  Cassel.  Die  vielfach  veränderte 
Klosterkirche,  eine  flach  gedeckte  Basilika,  in  deren  Arkaden  ein  Mittel- 
pfeiler und  je  zwei  Würfelknaufsäulen  stehen  ;  .kein  Querschiff;  Chor  qua- 
dratisch. (Lotz  1,  514.) 

Retxhach  bei  Würzburg.    Der  Chor  der  Wallfahrtskirche. 


1}  Bauer,  H.,  in  Wirtenb.  Franken.   Zeitschr.  des  Vereins  für  etc.  III.   1  ,90 
u.  3,  59  u.  66  f. 

Ott«,  Kaiwt-Anh&ologie.  26 


398  Romaniflche  Kirchen 

Kiieck  bei  Gemünden  a.  M.  Im  Thurme  der  Burg  eine  Doppelkapelle 
mit  kleeblattförmigem  Obergeschoss. 

KMStoll  bei  Nürnberg.  Das  einschifiFige  flach  gedeckte  Langhaus  und 
die  Kr3rpta  der  Kirche  mit  spätgoth.  Chor  und  Thurm.  (Eberlein, 
Rangau^-Album.  Bl.  24.) 

Bothenburg  a«  d.  T.  In  dem  sogen,  hohen  Hause  der  Herzogsburg  die 
Reste  einer  gothisch  veränderten  Doppelkapelle,  deren  Stockwerke  durch 
eine  Holzdecke  geschieden  waren.  (Heideloff,  Ornamentik.  Heft  25  auf 
Taf.  1.  —  Kallenbach,  AÜas.  Taf.  27.) 

Sdllfenberg  bei  Oiessen.  Die  Kirche  des  1129  oder  1141  gegründeten 
Augustinerstifts,  eine  verstümmelte,  spätgothisch  überwölbte  doppelchörige 
einfache  Pfeilerbasilika  mit  runden  Treppenthürmen  zu  den  Seiten  der 
Westapsis  und  achteckigem  Thurm  über  dem  Kreuzmittel.  (Denkm.  deut. 
Baukunst  von  dem  hess.  Verein  zu  Darmstadt.  Bd.  1.  —  Lotz  1,   539.) 

ScUndilg  bei  Wunsiedel.  Einschiffige  Kirche  mit  zwei  GewOlbe- 
jochen,  die  durch  einen  auf  Wandpfeilem  ruhenden  Ourtbogen  getrennt 
sind ;  enge  Rundbogenfenster. 

Sehlitt  bei  Fulda.  Die  sehr  verstümmelte  Kirche ,  ursprünglich  eine 
Basilika  mit  oben  achteckigem  Thurm  über  der  Mitte  des  Hauptschiffes  und 
Apsis  am  quadratischen  Chor;  letzterer  und  das  Westportal  im Uebergangs- 
Stil.  (Lotz  l,  541.) 

Schweiiiftirt.  ^j  Das  durch  zwei  kreuzförmige  Pfeiler  in  zwei  überwölbte 
Schiffe  von  gleicher  Breite  getheilte  Querhaus  und  die  an  der  Ostseite  der 
Kreuzarme  belegenen  rechteckigen  Thürme  der  Pfarrkirche  im  reichen 
Uebergangsstil  um  1240;  alles  Uebrige  gothisch  aus  verschiedenen  Zeiten 
mit  modernen  Abänderungen.    (Beck  a.  a.  O.  1,  54 — 98  mit  Abbild.) 

SeUgensttdt  bei  Hanau.  Die  Benedi ctinerkirche,  ^)  kreuzförmig,  mit 
halbachteckigem  Chor  in  zierlichem  Uebergangsstil ,  achteckigem  Mittel- 
thurm  und  zwei  roman.  Westthürmen  zu  den  Seiten  des  zopfigen  Zwischen- 
baues; doch  ist  nur  der  nOrdliche  Thurm  erhalten.  (Kallenbach,  Atlas. 
Taf.  29.  —  Lotz  2,  471.) 

8taBll«rf  bei  Creglingen.  Die  aus  dem  Achteck  construirte  flach  ge- 
deckte Ulrichskapelle  ^)  mit  schmalem  rechteckigen,  überwölbtem  Chor  und 
Apsis ;  zu  den  Seiten  des  letzteren  zwei  viereckige  Nebenräume,  der  eine 
mit  einem  Thurme  übersetzt,  der  andere  mit  einem  Tonnengewölbe  gedeckt 
und  mit  einer  kleinen  vorgekragten  Apsis  versehen.  Die  Details  deuten 
auf  späte  Zeit. 

Steiabach  bei  Michelstadt.  Ruine  der  Benedictiner- Nonnenkirche, 
einer  einfachen  Pfeilerbasilika  in  T  Form,  Ostlich  mit  drei  Apsiden  und  mit 
zwei  Westthürmen.  Eigenthümlich  ist  die  sich  weit  in  das  Schiff  er- 
streckende kreuzförmige  Krypta,  deren  Arme  schmale  in  der  Tonne  über- 
wölbte Gänge  bilden,  deren  Enden  wiederum  kreuzförmig  gestaltet  sind. 
(Archiv  für  hess.  Qesch.  und  Alterthumskunde  III.  2.) 


n  Beck,  H.  Chr.,  Chronik  der  Stadt  Schweinfurt.   2  Bde.   1836  u.  1841. 

2)  Dahl,  J.  C,  das  tausencfjährige  Jubelfest  der  Pfarrk.  zu  Seligenstadt,  nebet 
Gesch.  u.  Beschreib,  der  Kirche.  1825. 

3)  Bauer,  H.,  die  Ulrichskap.  bei  Standorf,  in  Wirtembezg.  Franken.  Zeitschr. 
des  Vereins  für  etc.  5,  li  1 — 1 17  nebst  AbbUd. 


in  Franken  und  Heasen.  399 

TreyM  in  der  Grafschaft  Ziegenhain.  Die  Ruine  der  gothisch  umge- 
bauten Stiftskirche  :  ein  basilikaler  Langbau  mit  meist  runden  Pfeilerarkaden 
und  einschiffigem,  polygonisch  geschlossenem  goth.  Chor ;  der  Thurm  über 
dem  Westende  des  nördlichen  Seitenschiffes  zeigt  Uebergangsstil.  (Lotz 
1,  590.) 

Vaterregeaktcb  bei  Langenburg  im  Hohenlohischen.  Der  Keller  des 
Pfarrhauses  ist  eine  alte,  anscheinend  frühromanische  dreischiffige  Pfeiler- 
krypta, von  einer  untergegangenen  Kirche  herrührend.  (Kugler,  Gesch. 
der  Baukunst  2,  534.  —  Anzeiger  des  German.  Museums.  1863.  Sp.  355 
nebst  Abbild,  und  1865.  Sp.  43.) 

Vessera  bei  Schleusingen.  Profanirte  Reste  der  Kirche  des  1130  ge- 
gründeten Prämonstratenserklosters ,  einer  flach  gedeckten  kreuzförmigen 
Pfeilerbasilika  ohne  Apsiden  mit  wagerecht  schliessendem  Zwischenbau  und 
einer  nach  Westen  offenen  Vorhalle  zwischen  den  beiden  Thürmen.  {Putt- 
rich,  Denkm.  der  Baukunst  in  Sachsen,  ü.  Serie  Mühlhausen.  Taf.  13.) 

Wachbach  bei  Mergentheim.  Einschiffige  spätroman.  Kirche  mit  Thurm 
über  dem  gewölbten  Chor. 

WertheiM,  Die  Pfarrkirche  ^)  enthält  in  ihrem  gothisch  umgebauten, 
mit  modemer  Holzdecke  versehenen  Schiffe  von  einfachen  Pfeilern  getragene 
schlichte  Spitzarkaden  im  Uebergangsstil. 

Wetllar.  Der  alte  ruinenhafte  Westbau  der  Stiftskirche :  zwei  vier- 
eckige Thürme  mit  halbrunden  Treppenthürmen  auf  den  Seiten,  eine  Vor- 
halle zwischen  sich  ednschliessend,  die  sich  über  einer  mittleren  Säule  im 
Doppelbogen  nach  aussen  öffnet.  Die  rohe  Masse  aus  Basalt,  das  theils 
feine,  theils  schwere  und  wild  phantastische  Detail  aus  rothem  Sandstein  ; 
anscheinend  XII.  Jahrh.    (Kugler,  KL  Sehr.  2,  165  ff.) 

Wllhelnshaasen  bei  Münden.  Die  Kirche  des  ehemal.  Cisterzienser- 
klosters  Wahlshausen,  eine  verstümmelte  und  entstellte  flach  ge- 
deckte Basilika,  in  welcher  Pfeiler  und  Säulen  wechseln.  Am  Chor  eine 
Apsis,  am  Querschiff  zwei  Nebenapsiden.  (Hase,  Baudenkm.  Niedersach- 
sens. Heft  3.  Sp.  82—84  und  Bl.  19.) 

WdlcUagea  bei  Boxberg.  Die  Johanniterkirche ,  eine  spitzbogig  ge- 
wölbte kreuzförmige  Pfeiler basilika ,  ursprünglich  mit  drei  östl.  Apsiden 
und  ohne  Thurm.  Die  Arkadenpfeiler  sind  mit  mächtigen  Säulen  besetzt, 
deren  kunstreich  gearbeitete  Capitäle  verschiedene  Formen  haben.  Unter 
dem  Chore  eine  kryptenartige  Gruft.  Die  Fenster  rundbogig,  das  Aeussere 
mit  Bogenfriesen  und  Lisenen,  die  zum  Theil  strebenartig  vorspringen. 
(Wirtenb.  Franken.  Zeitschr.  des  Vereins  für  etc.  IV.   1,  31  mit  Abbild.) 

Winharg.  ^)  Die  Burchardikirche^j  gilt  in  ihrem  flach  gedeckten 

'  Schiffbau ,  in  welchem  Pfeiler  und  kurze  Säulen  mit  plumpen  Capitälen 

wechseln,  als  Ueberrest  des  1042  geweihten  Neubaues.    Die  ursprünglich 

die  Stelle  der  Kreuz  vorlagen  vertretenden  beiden  Thürme  wurden  um  1240 

bis  1257  im  Uebergangsstil  erhöht.  Das  nördliche  Portal  und  die  vor  dem- 


])  Becker,  C,  die  Kirche  zu  Wertheim  u.  ihre  Grabmftler,  imD.  KunBtbl. 
1855.  8.  154  ff. 

2)NiedeTmayer,  Andr.,  Kunstgesch.  der  Stadt  Wirzburg.  1 860. 

3)  Wieland,  Mich.,  Histor.  Darstell,  des  Stiftes  St.  Burkard  zu  Wflrzburg,  im 
Archiv  des  histor.  Vereins  von  Unterfranken  etc,  XV.  t,  43 — 114 ;  2  u.  3,  1  ff. 


26 


« 


400  RomaniBche  Kirchen  in  Franken  und  Hessen. 

selben  belegene  flach  gedeckte  Vorhalle  von  c.  1168.  (Gruöber,  Vergl. 
Samml.  2.  Taf.  13.  Fig.  2  und  3.  —  Sighart,  Bayer.  Kunstgesch.  S.  174.) 
Der  westliche  Thurmbau  und  die  Krypta  1677  zerstört.  Chor  und  Quer- 
schifF  spätgothisch.  —  Der  zum  Theil  verzopfte  Thurm  an  der  Südwestecke 
der  goth.  Deutschhauskirche  im  Uebergangsstil.  —  Der  Dom,  *)  ein 
gothisch  und  zopfig  verändertes  Bauwerk,  dessen  ältester  Bestandtheil  (seit 
1042)  die  schmucklose  Westfront  mit  den  beiden  Westthürmen  ist,  die  in 
dem  geringeren  Breitenmaasse  zu  dem  übrigen  Bau  nicht  passt,  dessen  Er- 
richtung in  die  Zeit  von  c.  1133 — 1189  fiel:  es  ist  eine  grossartige,  ur- 
sprünglich fiach  gedeckte  Pfeilerbasilika  mit  Apsiden  an  der  Ostseite  der 
weit  ausladenden  Kreuzvorlagen  und  dem  rechteckigen,  von  zwei  etwas 
späteren  Thürmen  flankirten  Altarhause.  Die  Krypta  %vurde  1749  gänzlich 
umgebaut  und  enthält  nur  noch  in  ihren  Vorräumen  roman.  Würfelknauf- 
säulen. (Förster,  Denkm.  9,  25 — 32  und  4  Taf.)  —  Die  Schottenkirche 
St.  Jacob,  eine  gothisch  und  zopfig  veränderte,  aus  drei  gleich  langen  in 
Apsiden  schliessenden  Schiffen  bestehende  Pfeilerbasilika  mit  zwei  ThÜrmen 
über  dem  Ostende  der  Seitenschiffe,  1134  — 1146.  -^—  Der  gothisch  und 
zopfig  veränderte  Rundbau  der  Kapelle  auf  dem  Marienberge;  vergl. 
oben  S.  23.  IV. —  Das  Aeussere  der  innerlich  und  an  der  Fa^ade  gänzlich 
modernisirten  Neu  münsterkirche  (c.  1213 —  1247),  mit  spielender 
Eleganz  decorirt.  (Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  419.) 

Anmerkung.   Kirchthürme  roman.  Stils  finden  sich  in  Franken 

und  Hessen  noch  an  vielen  Orten,  unter  anderen  zu 

Amorbach  bei  Aschaff'enburg ,  Bettenhausen  bei  Giessen, 
Crainfeld  bei  Fulda,  Ehlen  bei  Cassel,  F  euch  tw  an  gen  bei  Din- 
kelsbühl, Florenberg  bei  Fulda,  Frommershausen  bei  Cassel, 
Gaurettersheim  bei  Ochsenfurt,  Hungen  bei  Friedberg,  Karl- 
stadt bei  Würzburg,  Königshof en  bei  Mergentheim,  Münzenberg 
bei  Butzbach  an  der  Pfarrkirche,  Muschenheim  bei  Giessen,  Nicder- 
Elsungen  bei  Cassel ,  O s t h e i m  bei  Butzbach,  Konshausen  bei 
Breitenbach,  Schmalkalden  an  der  Stadtkirche,  Thüngen  bei 
Würzburg  an  der  Gottesackerkirche,  Unter-Zeil  bei  Würzburg,  Well- 
heim bei  Eichstädt, 

und  sonstige  Ueberreste  und  Einzeltheile  in^ 

Berstadt  bei  Friedberg,  Biedenkopf  bei  Marburg  an  der  Pfarr- 
kirche, Fürstenau  bei  Michelstadt  an  der  Schlosskapelle  ein  Portal 
aus  Kl.  Steinbach,  Gleiberg  bei  Giessen  von  der  Burgkapelle,  Hai  na 
bei  Frankenberg  in  der  Cisterzienserkirche,  Heidenheim  bei  Weissen- 
burg,  Jobstgereuth  bei  Windsheim,  Johannisberg  bei  Fulda, 
Kreuzberg  bei  Vacha  an  der  Schlosskirche,  Künzelsau  bei  Schwäb.- 
Hall,  Münster  bei  Laubach,  Trais-Münzenbergbei  Münzenberg, 
U 1  f  a  bei  Nidda,  Z  e  1 1  bei  Alsfeld. 


1)  Scharold,  C.  G.,  Gesch.  u.  Beschreib,  des  St.  Kiliansdomes  zu  Würzburg, 
a.  a.  O.  IV.  1,  1—148  mit  2  Taf.  ^  Himmel  stein,  Fz.  X.,  der  St.  Kiliansdom  zu 
Warzburg.   Ein  Wegweiser  etc.   Mit  einem  Plane  des  Domes  etc.  1 850. 


Ftff.  179,   ßU*Ukir<tliij  in  Gern  rode  {vgr  dpr  RcrtatintiDD). 


V-  In  Tlnlrini|:en  nnd  Sachsen. 

liUertifiir:  Weideubach,  die  Kirchen  im  Köni^l.  Prema.  S&eHaoit. 
]h2^.  —  Puttrich,  L,  ^  Denkmale  der  Baukunst  des  M.-A.  in  Sachi«n, 
{Abth.  1.  da*  Kl^nigreich  Saeh?en,  das  GrosslierZDgtbum  u,  die  HeTxogthflmer 
Emastinisclier  Linie,  die  Hcrzogthümer  u.  Fürstcnthömer  AnbsU,  Schwarz- 
burg  u.  Rous»»^  enth.,  2  Bde.  —  Abth,  II.  die  K,  Preusp,  FrovinE  SacbHCti  eiitb., 
2  Bde,]  1  *iH5 —  1  *^52.  —  Der^clbe^  t^jTitematische  Darstellung  der  Ent Wicke- 
lung der  Baukunst  in  den  ObcTsflcbs.  l-?liiderii  vom  X.  bis XV.  .Tuhrh.  1852,  — 
Thdriugen  u,  der  Har?,  mit  ihren  Merkwflrdijjkeiten.  7  Bde.  I'i39  etc,  — 
Schiffner,  A.,  BcKclireib.  von  Sachsen  u.  der  Ernesthüschen,  lieuüaischcn 
ti,  Schwarviburg.  Lzinde.  Mit  2m  StahUt,  iS4iK  —  f  Kastner),  Beiträge  zur 
Kuuötgefieh.  de«  M.-A.  in  Nied erwachsen,  im  Hnnnfi veraschen  Magazin.  1^50, 
S,  42—96.^  I.flbke,  W.,  Beitrag  zur  Kuustgench  des  M.-A.  in  Nieder* 
»achflcn,  im  Beut,  ICunstbl.  H50.  S.  ISfifT,  —  Derselbe,  Studien  KurGeeeh. 
dor  mittelalteTl,  Kxmst  in  Niedcraachsen*  im  Deut.  KunstbL.  IH5L  S,  b\,  6J. 
74ii.  83,  —  Quast,  Ferd,  v.,  Atehaolog,  Wanderung  durch  einige  roman. 


402  Romanische  Kirchen 

Kirchen  am  Harze.  (Erster  Artikel :  Huyseburg)  in  der  Zeit<«chr.  für  Bauwesen. 
1S52.  Sp.  113—122.  —  Mit  hoff,  H.  W.  H. ,  Archiv  für  Niedersachsens 
Kunstgesch.  (Abth.  1.  Hannover.  Abth.  2.  Wienhausen.  Abth.  3.  Goslar.) 
1S52 — 1862.  —  Rein,  W.,  Bauwerke  der  roman.  Zeit  an  dem  mittleren  Laufe 
der  Werra,  in  der  Zeitschr.  des  Vereins  für  thüring.  Qesch.  u.  Alterthums- 
kunde  2>  I  ff.  —  Hess,  H.,  über  einige  Bauwerke  der  roman.  Zeit  in  den 
östl.  Theilcri  Thüringens,  ebd.  3,  145  ff.  —  Lepsius,  C.  P.,  Kl.  Schriften, 
Beiträge  zur  thüring. -sächs,  Oesch.  u.  deutschen  Kunst-  u.  Alterthumskunde, 
herausgegeb.  von  SanMarte.  Bd.  I.  1854.  —  Quast,  Ferd.  v.,  Arohäolog. 
Reiseberichte,  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archäologie  u.  Kunst.  1,  165 — 180. 
213—229  240—260;  2,  72— Sl.  171—177.—  (Hase,  C.  W.),  die  mittel- 
alterl.  Baudenkm.  Niedersachsens,  herausgegeb.  von  dem  Architekten-  u.  In- 
genieur-Verein für  das  Königr.  Hannover  [als  besondere  Ausgabe  aus  der  im 
Anhange  der  Zeitschr.  des  Vereins  enthaltenen  «Uebersicht  der  mittelalterl. 
Baudenkm.  Niedersachsens«).  1S56  ff.  —  Sprenger,  £.,  Baudenkm.  im  Al- 
tenburgischen,  in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen.  1R«0.  Sp.  519  ff.  1863.  Sp.  " 
377  ff.  u.  555  ff.  —  Reiseskizzen  der  Niedersftchs.  Bauhütte.  Schöningen, 
Helmstedt,  Königslutter.  Pfingsten  1S62.  Hannover  1864.  —  Mithoff,  H. 
W.  H.,  Kirchen  u.  Kapellen  im  Königr.  Hannover.  Heft  I.  Gotteshäuser  im 
Fürstenth.  Hildesheim.  1865.  —  Quast,  Ferd.  v.,  Vortrag  über  den  histor. 
Gang<ler  Ausbreitung  des  roman.  u  goth.  Styls  in  der  Gegend  von  Halberstadt, 
im  Correspondenzbl.  des  Gesammtvereines  etc.  1866.  No.  1 — 3. 

Vorbemerkimg. 

84.  Im  inneren  Deutschland  erscheint  die  Heimath  der  sächsischen 
Kaiser  als  der  bedeutendste  Sitz  der  Kunstübung,  und  wir  finden  na- 
mentlich in  Niedersachsen  seit  dem  X.  und  XI.  Jahrhundert  den 
Basilikenbau  nicht  bloss  in  zahlreichen  Beispielen,  sondern  auch  in 
eigenthümlicher  und  mannichfaltiger  Ausbildung.  Häufig  ist  die  doppel- 
chörige  Anlage,  und  grössere  Kirchen  haben  stets  die  Grundform  des 
Kreuzes,  gewöhnlich  mit  Nebenapsiden  an  der  Ostseite  der  Kreuz- 
arme. Während  im  Aufbau  der  reine  Säulenbau  selten  (in  Hamers- 
leben,  auf  dem  Moritzberge  in  Hildesheim]  und  der  Pfeilerbäu  beson- 
ders nur  in  der  Spätzeit  der  Periode  und  häufig  in  Verbindung  mit 
Gewölben  vorkommt,  erscheint  der  Wechsel  von  Pfeilern  und  Säulen 
namentlich  in  den  Ortschaften  am  nördlichen  Fusse  des  Harzes  hei- 
misch ,  so  dass  in  den  Arkaden  entweder  (wie  in  der  Stiftskirche  zu 
Quedlinburg)  immer  zwei  Säulen  gruppenweise  zwischen  zwei  Pfeilern 
stehen,  oder  dass  einzelne  Pfeiler  mit  einzelnen  Säulen  (wie  in  Gern- 
rode) abwechseln.  Die  letztere  Weise  hat  in  manchen  Fällen,  wie  in 
Bsenburg,  Huyseburg  (vergl.  oben  S.  292  und  302  Fig.  126  und  146), 
Drübeck  etc.,  zu  einer  eigen thünilichen  organischen  Ausbildung  ge- 
führt, bei  welcher  die  Last  der  Scheidmauer  des  Hauptschiffes  für  das 
Auge  in  gelungener  Weise  dadurch  beseitigt  ist,  dass  die  Pfeiler,  deren 
Entfernung  von  einander  stets  der  Breite  des  Mittelschiffes  entspricht, 
unter  sich  durch  hohe  Blendbögen  verbunden  sind,  welche  sich  über 
die  zurücktretenden,  niedrigeren  auf  den  Säulen  ruhenden  Arkaden- 


in  Thüringen  und  Sachsen.  403 

bögen  hinweg  wölben.  Allen  diesen  Kirchen,  namentlich  insofern  sie 
zu  Nonnenklöstern  oder  solchen  Mönchsklöstern  gehörten,  mit  denen 
ein  Nonnenconvent  verbunden  war  (oben  S.  73)  ist  die  Anordnung 
einer  nur  von  dem  Inneren  des  Schiffes  aus  zugänglichen,  zweige- 
schossigen Halle  am  westlichen  Ende  eigenthümlich,  wie  davon  auch 
in  anderen  Gegenden  zahlreiche  Beispiele  vorkommen.  Häufig  finden 
sich  die  Kreuzarme  von  der  zum  Chore  gezogenen  Vierung  durch 
niedrige  Scheidewände  getrennt,  welche  mit  Arkadenstellungen  und 
Sculpturen  geschmückt  sind.  Als  schwer  und  im  Widerspruche  mit 
dem  emporstrebenden  Charakter  der  Thürme,  muss  der  in  Nieder- 
sachsen häufige  Abschluss  des  Zwischenbaues  durch  eine  Horizontal- 
linie (vergl.  oben  S.  69)  bezeichnet  werden,  indem  nicht  die  Giebel- 
seite, sondern  die  schräge  Dachfläche  zwischen  den  Thürmen  Front 
macht.  Noch  ungünstiger  wirkt  die  ebenfalls  oft  wiederkehrende  Ma- 
nier, den  gesammten  Westbau  als  eine  ungetheilte  Masse  zu  behandeln, 
über  deren  Flügeln  dann  erst  die  beiden,  insgemein  achteckigen  Thürme 
beginnen.  —  Das  älteste  Baudenkmal  dieser  Gegend  ist,  abgesehen 
von  der  Wipertikrypta  in  Quedlinburg,  die  um  958  begonnene  Kirche 
des  Frauenklosters  Gernrode,  ein  herrliches  Denkmal  des  ehedem 
so  verrufenen  X.  Jahrhunderts,  dessen  Ehre  durch  die  meisterhafte 
Bestauration  gegenwärtig  glänzend  gerettet  erscheint,  und  während  wir 
in  Hildesheim  der  reichsten  Blüthe  des  romanischen  Basilikenbaues 
begegnen,  treffen  wir  in  den  Kirchen  Braunschweigs,  welche  der  Masse 
nach  allerdings  nur  Gebäude  zweiten  Banges  sind,  mehrere  Beispiele 
jenes  Uebergangsstiles,  welcher  die  strengen  Formen  der  romanischen 
Pfeilerbasilika  mit  den  Elementen  des  gothischen  Gewölbebaues  auf 
das  glücklichste  zu  verschmelzen  gewusst  hat.  —  In  Ober  Sachsen, 
wo  sich  im  Thüringer  Walde  die  Grenze  gegen  den  fränkischen  Bau- 
kreis ersichtlich  macht,  kommen  flach  gedeckte  Basiliken  (Paulinzelle 
mit  Säulen,  Bürgelin  mit  Pfeilern)  nur  vereinzelt  vor;  dagegen  hat 
hier  der  Gewölbebau  mit  Anwendung  von  gegliederten  Pfeilern  und 
Spitzarkaden  (Dom  zu  Naumburg)  seine  reizvollsten  Blüthen  ent- 
wickelt. 

Im  Detail  erscheinen  frühzeitig  neben  den  der  Antike  entlehnten 
Formen  solche  eigenthümliche  Bildungen,  die  sich  am  wahrscheinlich- 
sten aus  der  altnationalen  Holztechnik  erklären  lassen.  In  Gemrode 
bekunden  sich  die  ersten  energischen  Schritte,  beide,  zum  Theil  ein^ 
ander  widerstrebenden  Formbildungen  harmonisch  zu  vereinigen :  die 
Arkadensäulen  haben  byzantinisirende  Capitäle,  die  auf  die  korinthische 
Formation  zurückzuführen  sind,  und  die  Säulen  der  Emporengalerien 


404 


Romanische  Kirchen 


schlichte  Würfelknäufe  und  statt  der  Basen  cylindrische  Steinklötze, 

die  an  den  Holzbau  erinnern.    In  der  Krypta  zu  Quedlinburg  finden 

sich  korinthisirende  Blättercapitäle  (üben  S.  294 

WFig.  129),  in  lUenburg  dagegen  Würfelcapitäle 
(oben  S.  296  Fig.  132),  die  ebenso  gut  aus  Holz 
gearbeitet  sein  könnten,  wie  aus  Stein.  In  der 
Krypta  des  Domes  von  Merseburg  zeigt  die  com- 
plicirte  Bildung  der  Pfeiler  (Fig.  180)  durchaus 
die  Eigenthümlichkeiten  der  Schnitzarbeiten.  Im 
Verlauf  des  XII.  Jahrhunderts  begegnen  wir 
einer  grossen  Mannichfaltigkeit  des  Ornaments, 
welches,  wie  nirgend  anderswo,  in  edler  Anmuth  der  Motive,  in  ge- 
schmackvollem Reichthum  und  in  fieissig  sorgfaltiger  Ausführung  bis 
zum  Schlüsse  der  Periode  sich  zu  wahrhaft  klassischen  Leistungen 
durchbildet.  Vergl.  Fig.  181—183  und  oben  S.  296  und  297  Fig.  135. 
137.  138  und  141.  *) 


Fig.  180.   Merseburg 
(nach  Puttrich). 


Fig.  181.    Naumburg 
(nach  Puttrich). 


'T' 


Fig.  182.   Naumburg 
(nach  Puttrich). 


Mm 


Fig.  183.  Freiburg  a.  d.  ü. 
(nach  Puttrich). 


Vergl.  Schnaase,  Kunstgesch.  IV.  2,  55—93;  V.  316 — 318.  327—336. 
445—449.  45S  — 463.  —  Kugler,  Gesch.  der  Baukunst  2,  364  —  124.- 
Lübke,  Gesch.  der  Architektur.  3.  Aufl.  S.  317 — 351.  —  Otte,  Gesch.  der 
deut.  Baukunst  S.  111  —  121.  159—190. 


Aken  a.  d .  Elbe.  Die  Liebfrauenkirche,  eine  einfache  Basilika 
ohne  QuerschifF  im  Uebergangsstil,  mit  vorgesetztem  gothisirenden  West- 
bau: zwei  Thürme,  die  achteckig  über  dem  eine  Masse  bildenden,  zwischen 
ihnen  in  einem  Oiebel  endenden  Unterstock  emi>orsteigen.  (Puttrich, 
Denkm.  II.  Serie  Halle.  Bl.  19.)  —  Die  Nicolaikirche  mit  ähnlicher 
Westfafade. 


1)  Die  nachstehend  angcftlhrten  sächsischen  und  thüringischen  Kirchen  von  ba- 
silikaler  Anlage  haben  sämmtlich  die  Grundform  des  Kreuzes  und  ausser  der  Haupt- 
apsis  noch  zwei  Nebenapsiden  an  der  Ostseite  der  Kreuzarme ;  Ausnahmen  von  dieser 
Hegel  sind  besonders  bemerkt. 


in  Thüringen  und  Sachsen.  405 

Alteabirg.  *)  Die  zum  Theil  erneuerte  Krypta  der  Bartholomäi- 
kirche,  zweischiffig,  mit  vier  gekuppelten  Säulen  in  der  Mitte.  (Spren- 
ger, in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen.  1863.  Bl.  65.)  —  Die  Westfront  der 
1172  gestifteten  Augustinerchorherren-Kirche,  die  sogen,  »rothen 
Spitzen«,  zwei  Thürme,  Ziegelbau  roman.  Stils.  (Pu.ttrich,  Denkm.  I. 
Serie  Altenburg.  Bl.  8.)  —  Der  Thurm  der  ehemal.  Nicolaikirche, 
oben  im  Ueborgangsstil. 

Alteiielle  bei  Nossen.  Reste  der  Klostergebäude,  besonders  das  zwei- 
schiffige  Refectorium.  (Puttrich,  Denkm.  I.  Serie  Reuss.  Bl.  9.  c.  h.  k.) 

AneloMlhorii'bei  Stadtoldendorf.  Das  Langhaus  derCisterzienserkirche, 
dessen  Arkaden  auf  wechselnden  Pfeilern  und  Würfelknaufsäulen  ruhen ; 
das  Querschiff  mit  roman.  Südportal  ist  frühgothisch  ;  der  gerade  geschlos- 
sene Chor  geweiht  1309. 

Anneuleben  bei  Wolmirstädt.  Die  1135  geweihte,  spätgothisch  über- 
wölbte Chorherrenkirche,  ein  unregelmässig  dreischiffiger  Langbau  mit 
Pfeilerarkaden.    (Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  und  Kunst  2,  72.) 

Arnsttllt  bei  Erfurt.  Die  liiebfrauenkirche ,  ^)  deren  Langhaus  mit 
rundbogigen  Pfeilerarkaden  vielleicht  erst  in  der  Uebergangsperiode  zum 
Gewölbebau,  mit  Emporen  über  den  Seitenschiffen,  umgestaltet  worden, 
oder  damal§  neu  entstanden  ist.  XJeber  dem  eine  ungetheilte  Masse  bil- 
denden Westbau  erheben  sich  zwei  schlanke  achteckige  Thürme,  ein  dritter 
Thurm  steht  über  dem  in  der  Tonne  überwölbten  östlichsten  Joche  des 
Mittelschiffes.  Querschiff  und  Chor  sind  gothisch  ;  das  ganze  unbenutzte 
Gebäude  droht  den  Einsturz.  (Puttrich,  Denkm.  I.  Serie  Schwarzburg. 
Bl.  1—8.) 

Ballenstedt  am  Harz.  Die  Säulenkrypta  unter  der  bei  den  Umbauten 
des  jetzigen  Schlosses  im  XVIII.  Jahrh.  zu  Grunde  gegangenen  Benedi- 
ctinerkirche,  in  strengem  Stil,  aus  der  Zeit  Albrecht  des  Bären  und  ziemlich 
gut  erhalten. 

Barhy  bei  Zerbst.  Kirche  im  Uebergangsstil^  mit  pyramidal  gruppirten 
Giebelfenstern. 

Berne  bei  Oldenburg.  Die  unteren  Theile  der  Nordseite  und  der  nörd- 
liche Thurm  der  im  Uebrigen  frühgoth.  Kirche  ^)  Sandsteinbau,  doch  sind 
einige  Rundbogenöffnungen  und  die  Giebel  der  drei  Paralleldächer  aus 
Ziegeln. 

Bieek^firolla  bei  Kreuzburg.  Rohe  einschiffige  Kirche  mit  viereckigem 
Thurm,  dessen  gewölbtes  Erdgeschoss  das  breitere  flach  gedeckte  Schiff  mit 
dem  schmäleren  in  der  Tonne  überwölbten  Chorraume  verbindet. 

Bbnkenharg  im  Harz.  Die  fast  quadratische  Bartholomäikirche  im 
Uebergangsstil,  angeblich  der  Liebfrauenkirche  in  Bremen  sehr  ähnlich. 

Bosai  bei  Zeitz.  Die  Krypta  und  die  Grundmauern .  der  mit  fünf 
Apsiden  versehen  gewesenen  Benedictinerkirche,  nach  1160.    Details  von 


1)  Wagner,  über  die  alteren  Bauwerke  der  Stadt  Altenburg,  in  den  Mittheil. 
der  geschichta*  u.  alterthumsforsch.  GeselUch.  des  Osterlaudes  2,  20 — 29. 

2)  He  IIb  ach,  J.  Chr.  t.,  Nachricht  von  der  Lieben  Frauenkirche  zu  Arnstadt. 
(1821).  3.  Aufl.  18J0.  Mit  6  Kupfern. 

3)  Maller,  Herrn.  Alex.,  die  Kirche  in  Beme  u.  das  Kloster  Hude,  im  D, 
Kunstbl.  1854.  S.  256  f. 


406  Bomanische  Kirchen 

der  Kirche  befinden  sich  in  der  Krypta  der  Schlosskirche  zu  Zeitz.  (Lotz 
1,  648.) 

BrMUckweig,  *)  Der  Dom,  ^  gegründet  1173,  geweiht  1227,  eine 
überwölbte  Pfeilerbasilika  mit  zwei  westlichen  Thürmen,  welche  sich  acht- 
eckig über  einem  gemeinschaftlichen  Unterbau  erheben;  die  Pfeiler  sind 
viereckig,  abwechselnd  kreuzförmig  und  an  den  Ecken  mit  engagirten  Wür- 
felknaufsäulchen ;  die  Gewölbe  ohne  Quer-  und  Kreuzgurte.  Unter  Chor 
und  Vierung  eine  dreischiffige  Krypta,  in  der  östlichen  Abtheilung  mit 
Pfeilern,  in  der  westlichen  mit  Säulen.  Um  1344  wurde  südlich  und  im 
Jahre  1469  nördlich  ein  Seitenschiff  hinzugefügt,  so  dass  die  Kirche  jetzt 
fünfschiflRg  erscheint.  (Kallenbach,  Atlas.  Taf.  38.  —  v.  Quast,  Ent- 
wicklung der  kirchl.  Baukunst.  Fig.  2.  7.  15.)  —  Die  Katharinen- 
kirche,  bereits  ursprünglich  bei  ihrer  Gründung  1173  als  Gewölbebau 
angelegt  und  im  Uebergangsstil  mit  gegliederten  viereckigen  Pfeilern  durch- 
geführt, aber  im  Jahre  1252  im  goth.  Stil  umzubauen  angefangen;  die 
Zeitbestimmungen  nach  Schiller  S.  48:  das  unterste  Thurmgeschoss  nebst 
dem  Hauptschiff  1173.  die  Seitenschiffe  nebst  dem  zweiten  Thurmstockwerk 
1252,  das  Glockenhaus  1280—1300;  die  beiden  oberen  Thurmetagen  1379, 
die  Seitenschiffe  östlich  vom  ehemal.  Querschiff  1450,  die  Chornische  um 
1500.  —  Die  Martinikirche,  ebenfalls  zu  Ende  des  Xu.  Jahrh.  als 
Gewölbebau  in  Kreuzform  gegründet,  vielleicht  aber  nie  in  dieser  Weise 
ganz  vollendet,  sondern  mit  goth,  Seitenschiffen  als  Hallenkirche  fertig  ge- 
baut; Zeitbestimmungen  nach  Schiller  S.  66:  Thurm,  Mittelschiff  und 
die  ehemal.  Kreuzflügel  um  11  SO — 1190,  Seitenschiffe  bis  zu  den  Kreuz- 
flügeln um  1250—1280,  die  Annakapelle  an  der  Südseite  1434,  der  Chor- 
schluss  1490—1500.  (Kallenbach,  Chronologie  11 .  Taf.  2.)  —Ebenso 
verhält  es  sich  mit  der  Andreaskirche,  deren  Thurmunterbau  und 
Mittelschiff  den  Uebergangsstil  zeigen;  auch  die  Magnikirche  und  die 
Petrikirche  enthalten  Bestandtheile  aus  der  Uebergangsperiode.  —  Der 
Capitelsaal  bei  der  A  e  g  i  d  i  e  n  k  i  r  c  h  e  hat  Säulen  mit  Würfelcapitälen  und 
verzierte  Schafte  im  Geschmack  des  Xu.  Jahrhunderts. 

Brunei,  ^)  Die  Ansgariuskirche,  ^)  ursprünglich  eine  kreuzför- 
mige gewölbte  PfeilerbaRilika  mit  gerade  geschlossenem  Chor  und  einem 
Westthurm  im  Uebergangsstil  (1229 — 1243),  aber  als  Hallenkirche  in 
spätgoth.  Zeit  entstellend  umgebaut.  Hausteinbau  mit  Ziegelgiebeln ;  auch 
die  spätgoth.  Zuthaten  sind  aus  Ziegeln.  —  Der  Dom,  *)  eine  doppel- 
chörige,  östlich  und  westlich  gerade  geschlossene,  ursprünglich  flach  ge- 
deckte kreuzförmige  Pfeilerbasilika  mit  zwei  Thürmen  zu  den  Seiten  des 
Westchores,  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XI.  Jahrb.,  welche  aber  im  XIII. 


1)  Schiller,  C.  Geo.  W.,  die  mittelalterl.  Architektur  Braunschweigs.  1852. 
Mit  8  Grundrissen. 

2)  Görges,  F.,  der  St.  Blasiusdom  in  Braunschweig.    (1S15}.  2.  Aufl.    1836. 
Mit  5  Taf. 

3)  Storek,  A.,  Ansichten  der  fr.  Hansestadt  Bremen.  1822.  Mit  16  Kupfern. 

4)  Müller,  Herrn.  Alex.,  die  St.  Ansgariikirche  zu  Bremen  u.  ihre Kunstdenkm., 
im  Organ  für  christl.  Kunst.  1S62.  No.  3 — 5  nebst  1  Taf. 

5)  Derselbe,  der  Dom  zu  Bremen  u.  seine  Kunstdenkm.    1861.  Mit  4  Taf.  u. 
eingedr.  Holzschnitten. 


in  Thftringen  und  Sachsen.  407 

Jahrh.  in  einen  frühgoth.  Gewölbebau  umgewandelt  und  im  XVI.  Jahrb. 
entstellend  restaurirt  wurde.  Von  den  beiden  dreischiffigen  Krypten  hatte 
die  grössere,  sich  unter  Chor  und  Vierung  erstreckende  östliche  ursprüng- 
lich Säulen  statt  der  jetzigen  aus  neuerer  Zeit  stammenden  Pfeiler;  die 
kleinere  Westkrypta  hat  im  westlichen  Theile  Pfeiler,  im  östlichen  Sflulen 
mit  Eckknollen  an  den  Basen.  (Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  640  ff.)  —  Die  Lieb- 
frauenkirche^)  zeigt  zwei  roman.  Westthürme,  im  Langhause  gleich 
hohe,  von  kreuzförmigen  mit  Halbsäulen  besetzten  Pfeilern  geschiedene 
überwölbte  Schiffe  im  Uebergangsstil  und  einen  rechteckigen  goth.  Chor. 
Die  älteren  Theile  sind  möglicherweise  Umbau  einer  früheren  Basilika.  — 
Die  Martins-  und  die  Stephanskirche  sind  goth.  Umbauten  ursprüng- 
licher Basiliken  im  Uebergangsstil. 

Bocken  bei  Verden.  Die  Stiftskirche,  ^)  eine  schlichte  Pfeilerbasilika 
mit  zwef  rechteckigen,  eine  in  der  Tonne  unterwölbte  Westempore  zwischen 
sich  einschliessenden  Thürmen  und  einem  Querschiff  von  der  Breite  des 
Langhauses.  Der  ganze  alte  Bruchsteinbau  (Schiff,  Chor  und  die  drei  Ap- 
siden) um  1248 — 1250  mit  Backsteinen  bedeutend  erhöht  und  später  go- 
thisch  überwölbt.    Seit  1861  restaurirt. 

Bürgelh  (Thalbürgel)  bei  Jena.  Ruine  der  Cisterzienser- Nonnen- 
kirche, einer  grossartigen  Pfeilerbasilika  mit  zwei  in  Apsiden  schliessenden 
Nebenchören  und  spätgoth.  Schluss  des  Hauptchores.  Die  beiden  am  Ost- 
ende der  Seitenschiffe  vor  den  Kreuzarmen  stehenden  Thürme  aus  Bruch- 
stein, begonnen  1174;  das  Schiff  aus  Quadern  mit  rechteckigen,  auf  den 
Ecken  und  an  den  Zwischenseiten  mit  Säulchen  besetzten  Pfeilern  und  ent- 
sprechend gegliederten  rechtwinkelig  eingerahmten  Arkadenbögen  um  1199. 
Vor  dem  reichen  Westportal  eine  grosse  dreischifiige,  nur  theilweise  erhal- 
tene Vorhalle,  die  wahrscheinlich  eine  Nonnenempore  trug.  Ausgezeich- 
netes Ornament.    (Puttrich,  Denkm.  I.  Serie  Weimar.  Bl.  8 — 11.) 

Birgwerhen  bei  Weissenfcls.  Verstümmelte  Basilika  mit  Spitzarkaden. 
(Weidenbach,  die  Kirchen  etc.  Heft  1.  Taf.  4.) 

Birsfelde  a.  d.  Weser  bei  Minden.  Die  spätgothisch  veränderte,  später 
verstümmelte  und  profanirte  Benedictinerkirche,  eine  Basilika  ohne 
Querschiff  mit  zwei  eine  Empore  einschliessenden  Westthürmen  und  drei 
Apsiden  an  den  gleich  langen  Schiffen.  Im  westlichen  Theile  wechseln 
Pfeiler  und  Würfelknaufsäulen,  im  östlichen,  als  Chor  behandelten  Theile 
stehen  je  zwei  niedrige  Säulen  zwischen  zwei  Pfeilern  auf  einer  die  Schiffe 
trennenden  BrüvStungsmauer.  (Hase,  Baudenkm.  1,  73 — 80  und  Taf.  17  f.) 

Clis  bei  Gandersheim.  Die  1124  geweihte  Benedictinerkirche,  eine 
kleine  ziemlich  rohe  Basilika  ursprünglich  mit  zwei  West--  und  einem  Vie- 
rungsthurm.  Im  Schiffe  zwei  Säulen  und  ein  Pfeiler  zwischen  ihnen.  Die 
östlichen  Theile  überwölbt,  Chorschluss  gothisch. 

Broheck  bei  Ilsenburg.  Die  vielfach  und  schon  in  roman.  Zeit  ver- 
änderte (die  ursprünglich  korinthisirenden  Capitäle  waren  mit  jetzt  wieder 

1)  Müller,  Herrn.  Alex.,  die  Liebfrauenkirche  zu  Bremen,  im  Organ  für  christl. 
Kunst.   1861.  No.  16  u.  17  nebst  1  Taf. 

2)  Derselbe,  die  Stiftskirche  zu  Bflcken  (unweit  Hoya)  u,  ihre  Kunstdenkm., 
in  den  Dioskuren.  1860.  No.  43  u.  4J.  —  Klopp,  Onno,  u.  Hotzen,  Adelb  ,  Ge- 
schichte XL.  Beschreibung  der  Stiftskirche  St.  Matemiani  zu  Bücken.  1860. 


408  Romanische  Kirchea 

abgefallenem  Stuck  überzogen  und  im  Ornament  vOllig  umgebildet) ,  ganz 
verstümmelte  Klosterkirche,  *)  eine  kleine  doppelchörige  Basilika  mit 
zwei  achteckigen  Westthürmen  über  einem  mit  Apsis  versehenen  gemein- 
samen Unterbau.  In  den  Arkaden  sind  die  mit  einzelnen  Säulen  wechseln- 
den Pfeiler  unter  sich  durch  höhere  Blendbögen  verbunden.  Die  unter  dem 
Altarhause  befindliche  Krypta  ist  in  einem  chaotischen  Zustande.  (Putt- 
rich,  Denkm.  II.  Serie  Stolberg.  Bl.  Ib.  — Hase,  Baudenkm.  1,  141 
bis  146  und  Taf.  33  f.  —  Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  616  f.)  —  Die  Dorf- 
kirche, eine  verstümmelte  spfltroman.  Pfeilerbasilika  mit  massigem  West- 
thurm;  die  Apsis  an  dem  sehr  kleinen  Chore  aussen  polygonisch.  (Hase 
a.  a.  O.  6p.  147  f.) 

EiseMck.  Die  Benedictiner  (Nicolai-)  k i r c h e ,  eine  spätroman . 
Basilika  ohne  Querschiff,  in  welcher  verschieden  gebildete  Pfeiler  mit  Säulen 
wechselnd  die  gegliederten  Arkadenbögen  tragen.  Vor 'dem  Westportal  eine 
rechteckige  Vorhalle.  Der  im  Erdgeschosse  viereckige ,  sonst  achteckige 
Thurm  steht  südlich  am  Chore.  (Pütt rieh,  Denkm.  I.  Serie  Weimar. 
Bl.  7ö  und  17.)  —  Die  Dominicanerkirche,  ^)  Reste  eines  spitz- 
bogigen  basilikalen  Langbaues  im  gothisirenden  Uebergangsstil ;  seit  1235. 

Eidagsei  bei  Hildesheim.    Reste  einer  ehemal.  Säulenbasilika. 

Erdnanskah  bei  Leipzig.  Die  Kirche,  roher  Bruchsteinbau  mit  Apsis ; 
modern  verändert. 

Irfirt. ^)  Die  profanirten  Ueberreste  der  Benedictinerkirche  auf 
dem  Petersberge :  die  Umfassungsmauern  und  die  Pfeiler  einer  grossartigen 
Basilika  mit  vier  Thürmen  über  den  Pocken  des  Langhauses,  geweiht  1147. 
(Put trieb,  Denkm.  II.  Serie  EWurt.  Bl.  11.)  —  Die  restaurirten  Doppel- 
thürme  zwischen  Chor  und  Schiff  des  Domes  und  einige  Theile  des  Kreuz- 
ganges im  Uebergangsstil.  (Ebd.  Bl.  3.  7.  11.)  —  Die  Reglerkirche  und 
die  Schottenkirche  lassen  unter  den  späteren  Umänderungen  noch  die 
ursprüngliche  roman.  Anlage  erkennen. 

hedekloh  bei  Eimbeck.  Die  Kirche  des  Augustiner  -  Doppelklosters, 
vollendet  1172,  nach  einem  Brande  um  1290  und  modern  verändert:  eine 
doppelchörige  Pfeilerbasilika  mit  einer  westlichen  Empore,  die  auf  einer  in 
der  Westapsis  befindlichen  Wendelstiege  zugänglich  ist.  Die  Vierung  ist 
von  dem  Langhause  durch  eine  S  —  lO'  hohe  Mauer  getrennt.  Die  beiden 
Thürme  nehmen  die  ganze  Westfafade  ein  und  steigen,  mit  einem  hohen 
Sockel  anhebend,  in  mehreren  Geschossen  von  schwach  pyramidaler  Ver- 
jüngung auf.   (Hase,  Baudenkm.  Heft  l.  Taf.  8  und  Heft  2,  49—52.) 

Vreiberg.  Die  goldene  Pforte  des  Domes  *)  im  reichen  Uebergangsstil 
mit  berühmten  Sculpturen.    (Puttrich,  Denkm.  I.  Serie  Freiberg.) 

Vrelhirg  a.  d.  Unstrut.  Die  offene  Vorhalle,  die  beiden  oben  acht- 
eckigen Westthürme,   das  Querhaus  und  der  Vierungsthurm  der  Stadt- 

1}  Hart  mann,  Alfr.,  Kloster  Drübeck,  in  R  o  m  b  e  r  g '  s  Zeitschr.  für  prakt. 
Baukunst.    1857. 

2)  Rein,  W.,  das  Dominicanerkloster  zu  Eisenach,  geschichtlich  u.  architekto- 
nisch dargestellt.   1857.  Mit  1  Taf. 

3)  Schöler,  die  mittelalterl.  Baudenkm.  in  Erfurt,  im  D.  Kunstbl.  1852. 
8.  273  f. 

4)  Heuchler,  Ed. ,  der  Dom  su  Freiberg.  1 862. 


in  Thüringen  und  Sachsen.  409 

kirche  im  Uebei^angsstil  des  Naumburger  Domes.  (Puttrich,  Denkm. 
IL  Serie  Freiburg.  Bl.  2 — 6;  vergl.  oben  S.  302  Fig.  148.  —  Förster, 
Denkm.  7,  7—12  und  3  Taf.)  —  Die  Doppelkapell^  auf  dem  Schlosse, 
deren  älteres  Erdgeschoss  sich  ursprünglich  nach  Westen  weiter  fortsetzte 
und  hier  eine  von  zwei  Säulen  getragene  Empore  enthielt ;  das  Obergeschoss 
im  glänzendsten  Uebergangsstil :  von  einer  Bündelsäule  in  der  Mitte  gehen 
die  in  arabischer  Weise  ausgezackten  Gurtbögen  des  Gewölbes  aus.  (Putt- 
rich Bl.  7— 10;  vergl.  oben  S.  20  Fig.  3  S.  299  Fig.  143rfund  S.  404 
Fig.  183.  —  Förster  a.  a.  O.) 

Prosa  bei  Hoym.  Die  Nonnenstiftskirche  ^  eine  Basilika  mit  zwei 
westlichen  Thürmen,  die  eine  nach  innen  offene  Vorhalle  mit  Empore  ein- 
schliessen.  Im  Schiff  wechseln  Pfeiler  mit  je  zwei  Säulen.  Die  Kreuzarme 
sind  von  der  Vierung  durch  Mauern  abgetrennt.  (Puttrich,  Denkm.  I. 
Serie  Anhalt.  Bl.  36  f.  —  Kugler,  Kl.  Sehr,  l,  607—611.  —  Vergl. 
obenS.  299  Fig.  143  c.) 

danderskeifli  bei  Eimbeck.  Die  Nonnenstiftskirche,  eine  Basilika^  als 
deren  ältester,  nach  einem  Brande  von  1073  datirender  Theil  ausser  der 
ursprünglichen  Choranlage  das  Untergeschoss  des  querschiffartigen  west- 
lichen Vorbaues  gilt,  während  die  im  Oberstock  befindliche  Nonnenempore 
und  die  beiden  achteckig  aufsteigenden  Thürmc  einer  späteren  Zeit  ange- 
hören. Das  zwischen  den  genannten  alten  Theilen  eingebaute  Langhaus, 
in  welchem  je  zwei  Säulen  zwischen  zwei  Pfeilern  stehen,  wurde  nach  einem 
abermaligen  Brande  um  1170  in  einen  Gew^ölbebau  umgewandelt,  der  je- 
doch niemals  ganz  vollendet  worden  zu  sein  scheint  und  bei  der  neuesten 
Restauration  wieder  beseitigt  ist.  Chor  und  Querschiff  haben  spätroman. 
Kreuzgewölbe,  und  auch  die  Krypta  erscheint  als  eine  Erneuerung  aus  der 
zuletzt  erwähnten  Bauperiode.    Das  Westportal  ist  modern. 

deUbayn  bei  Rochlitz.  Die  Thürme  und  der  Zwischenbau  der  goth. 
Nicolaikirche.    (Puttrich,  Denkm.  I.  Serie  Reuss.  Bl.  13  und  16.) 

deorgestkal  ^)  bei  Gotha.  Ruine  eines  dreischiffigen  Säulenbaues^  ver- 
muthlich  des  Capitelsaales  von  dem  ehemal.  1142  gegründeten,  aber  erst 
nach  1186  reicher  baulich  ausgestatteten  Kloster;  die  Säulen  mit  Würfel- 
capitälen  und  weit  über  die  Plinthe  ausladenden  Pfühlen,  zum  Theil  canne- 
lirt.    Die  Kirche  selbst  hatte  eine  grosse  Apsis. 

(leTDrode  bei  Quedlinburg.  Die  964  vollendete  Nonnenstiftskirche^  ^) 
eine  flach  gedeckte  doppelchörige  Basilika  mit  kaum  vorspringenden  Kreuz- 
armen, zwei  den  Westchor  flankirenden  Rundthürmen  und  zwei  Krypten. 
Im  Langhause  steht  ein  Pfeiler  in  der  Mitte  zweier  Säulen  mit  byzantinisch- 
korinthisirenden  Capitälen,  und  über  den  Seitenschiffen  ist  unterhalb  der 
sehr  kleinen  und  hoch  belegenen  Fenster  des  Obergadens  eine  Emporen- 
galerie angeordnet,  die  in  Verbindung  steht  mit  einer  im  Westchore  ange- 


])  Stark,  Bemh.,  die  Cisterscienserabtei  Georgenthal,  in  der  Zeitschr.  des  Ver* 
eins  für  thüring.  Gesch.  u.  Alter thumskunde I.  3  u.  4.  Mit  3 Taf.  —  Eberhard,  G., 
Aufgefundene  Reste  einer  Klosterkirche  bei  Georgenthal,  in  der  Zeitschr.  für  Bau- 
.wesen.  1852.  Sp.  538  u.  Bl.  83.  —Vergl.  Illustr.  Ztg.   1853.  No.  498. 

2}  Lucanus,  F.,  die  Stiftskirche  zu  Gemrode  etc.,  im  Anseiger  des  German. 
Museums.  1857.  Sp.  12—14;  42—44. 


410  RomaniBche  Kirchen 

brachten  Empore.  Letztere  gehört  jedoch  nicht  dem  Stiftungsbau  an,  sondern 
einer  wesentlichen  Veränderung,  welche  die  Kirche  um  die  Mitte  des  Xu. 
Jahrb.  erlitt,  wobei  der  ursprüngliche  Westchor  entfernt,  das  Obergeschoss 
des  jetzigen  Glockenhauses  hinzugeffigt ,  eine  Erhöhung  der  alten  Trep- 
penthürme  vorgenommen  und  eine  grosse  neue  Westapsis  errichtet  wurde. 
Zugleich  fand  eine  Vermauerung  der  (jetzt  wieder  eröffneten)  Seitenemporen 
und  eine  Erhöhung  des  Fussbodens  der  Kreuzarme  über  kryptenartigen 
Säulenunterbauen  statt.  Auch  die  geräumige  dreischiffige  Säulenkrypta 
unter  dem  Westchore  gehört  erst  dieser  Zeit  an,  während  die  kleine  qua- 
dratische Pfeilerkrypta  des  Ostchores  mit  ihren  völlig  aller  Gurtungen  ent- 
behrenden Kreuz-  und  Tonnengewölben  ursprünglich  ist.  Bemerkenswerth 
durch  ihre  mit  Sculpturen  bedeckten  Wände  ist  die  dem  Ostende  des  südl. 
Seiten  Schiffes  eingebaute  Heil.  Grabkapelle,  aus  der  Zeit  etwa  gegen  1100. 
—  Der  noch  erhaltene,  an  der  Kirche  belegene  Nordflügel  des  Kreuzganges, 
mit  einem  Corridor  über  demselben  zeigt  die  vollendeten  Formen  einer 
spätroman.  Erneuerung.  (Puttrich,  Denkm.  I.  Serie  Anhalt.  Bl.  18  bis 
28.  —  Derselbe,  Systemat.  Darstellung,  Titelvignette.  —  Förster, 
Denkm.  2,  37—42  und  2  Taf.  —  Vergl.  oben  S.  401  Fig.  179.)  Bei  der 
im  Jahre  1865  unter  v.  Quast's  Leitung  vollendeten  gründlichen  Restau- 
ration der  gänzlichen  Verfall  drohenden  Kirche  ist  alle  fremdartige  Zuthat 
vorsichtig  beseitigt  und  das  Ganze  möglichst  im  ursprünglichen  Geiste  (mit 
einer  nach  Mustern  des  X.  Jahrh.  geschnitzten  und  polychromirten  Balken- 
decke aus  natürlichen  Eichenstämmen)  hergestellt  worden.  (Vergl.  Luca- 
nus, Wegweiser  durch  Halberstadt  etc.  2.  Aufl.  1866.  S.  76—80  und 
v.  Quast,  im  Correspondenzbl.  etc.  1866.  S.  3  f.) 

dölUngen  ^)  bei  Sondershausen.  Von  der  dortigen  Benedictinerkirche 
sind  nur  die  Grundmauern  des  Altarhauses  nachgewiesen.  Bemerkenswerth 
ist  eine  westlich  von  diesen  Ueberresten  belegene  schmuckvolle  quadratische, 
oben  in  einen  achteckigen  Thurm  übergehende  Kapelle  mit  einer  viersäu- 
ligen  Krypta,  deren  Gewölbegurte  die  Hufeisenform  haben.  Beide  Räume 
öffneten  sich  nach  Osten  in  eine  Vorhalle.  (Puttrich,  Denkm.  Serie 
Schwarzburg.  Bl.  19.  20.) 

Mrlitl.  Die  Westfront  der  Petri-Paulikirche  im  Uebergangsstil :  zwei 
oben  achteckige  Thürme  und  ein  sehr  reiches,  aber  stark  beschädigtes  Spitz- 
bogenportal. (Kallenbach,  Atlas  Taf .  27.) 

ÜMeck  ^)  bei  Weissenfeis.  Das  gerade  geschlosseue  Altarhaus  und  das 
mit  Nebenapsiden  besetzte  Querschiff,  als  Ueberreste  der  ehemal.  Kloster- 
kirche. Die  zum  Theil  verbaute  Krypta  erstreckt  sich  bis  unter  die  Vierung 
und  gehört  verschiedenen  Bauperioden  an.  (Puttrich,  Denkm.  Serie 
Mühlhausen.  Bl.  18.) 

(iMbr.  Der  Dom  (eine  Basilika,  in  welcher  je  zwei  Säulen  zwischen 
zwei  Pfeilern  standen,  geweiht  1050,  in  spätroman.  Zeit  in  einen  Gewölbe- 
bau umgewandelt)  ist  1819  abgetragen  und  nur  in  Zeichnungen  (Mithoff, 
Archiv.    Abth.  m.   Lief.  1.   Taf.  1—3.  —  Otte,  Gesch.  der  Baukunst 


1)  Bleichrodt,  W.  G  ,  das  Kloster  GöUingen.  1838. 

2)  Sturm,  C.  O.  A.,  Gesch.  u.  Beschreib,  der  ehemal.  Grafschaft  u.  Benedi- 
ctinerabtei  Goseck.  1844. 


in  Thllringen  und  SaohMn.  41 1 

S.  166)  erhalten;  conserrirt  ist  allein  die  Vorhalle  der  Nordseite,  ein  über- 
wölbtes dreischifiiges  Rechteck  in  reichem  spätroman.  Stil :  den  Eingang 
bilden  zwei  offene  Bögen,  seitwärts  auf  Pilastem,  in  der  Mitte  auf  einer 
ganz  mit  Ornament  bedeckten  Säule  ruhend,  deren  Basis  auf  einem  Löwen 
liegt,  und  deren  Würfelknauf  vier  von  Drachen  umstrickte  Menschenköpfe 
zeigt.  (Gladbach  [Moller  m.],  Denkm.  Taf.  1—3.  —  Mithoff  a.  a.  O. 
Taf.  4—6.  —  Förster,  Denkm.  6,  17  und  2  Taf.)  —  Die  Kirche  auf 
dem  Frankenberge,  ursprünglich  eine  flach  gedeckte  Pfeilerbasilika 
mit  rechtwinkelig  eingerahmten  Arkadenbögen  (1108),  seit  1208  in  einen 
spitzbogigen  Oewölbebau  umgewandelt  und  am  Ostende  gothisch  verändert. 
(Mithoff  a.  a.  O.  Lief.  5 — 7.)  —  Die  Jacobikirche,  eine  vielfach 
und  schon  frühzeitig  veränderte  ursprüngliche  Pfeilerbasilika  mit  zwei 
Westthürmen,  in  der  Uebergangsperiode  in  eine  überwölbte  Hallenkirche 
umgewandelt;  der  Chor  ist  frühgothisch.  (a.  a.  O.  Taf.  24.)  —  Die  Markt- 
kirche, eine  überwölbte  Pfeilerbasilika  mit  zwei  Westthürmen,  im  LTeber- 
gangsstil ;  das  Langhaus  erhielt  später  noch  zwei  äussere  Seitenschiffe ;  der 
polygonisch  schliessende  Chor  ist  frühgothisch.  (Ebd.)  —  Die  Kirche  des 
Cisterzienserklosters  N  e  u  w  e  r  k ,  eine  überwölbte  Pfeilerbasilika  im  Ueber- 
gangsstil,  mit  zwei  achteckigen  Westthürmen  über  gemeinschaitlichem  Un- 
terbau. (Ebd.  Taf.  17—23.)  —  Die  Doppelkapelle  St.  Ulrich  am 
Schloss,  *)  restaurirt;  s.  oben  S.  22.  m.  (Ebd.  Taf.  15  f.)  —  Die  Clus, 
in  einen  isolirten  Felsen  gehauene  Kapelle  im  Uebergangsstil,  vor  der  Stadt. 

üotUMgude  bei  Calbe  a.  d.  S.  Die  Hospitalkapelle  Joh.  Bapt.  (jetzt 
evangelische  Kirche),  polygonisch  geschlossen,  mit  breitem  Sattelthurm  in 
Westen,  geweiht  1208. 

drafeahailidieB  bei  Wittenberg.  Kirche  im  einfachen  Uebergangsstil ; 
am  Giebel  pyramidal  gruppirte  Fenster. 

dfalken  bei  Grimma.  Romanische  Landkirche;  als  Giebelträger  ein 
roher  menschlicher  Arm. 

Clrinna  bei  Leipzig.  Die  Marienkirche,  einfache  überwölbte  Pfeiler- 
basilika im  schlichten  Spitzbogen;  die  Gewölberippen  von  Consolen  ge- 
tragen ;  die  Fenster  des  gerade  geschlossenen  Chores  zu  dreien  in  p3rrami- 
daler  Gruppe ;  zwei  innerlich  runde,  äusserlich  oberwärts  polygone  Neben- 
apsiden an  der  Ostseite  der  Kreuzarme.  Zwei  Westthürme.  (Puttrich, 
Denkm.  I.  Serie  Reuss.  Bl.  17  und  Systemat.  Darstell.  Bl.  IV,  7;  V,  7; 
VI,  13.) 

Cr^MfSch.  Ruine  einer  Rundkapelle;  s.  oben  S.  20  Fig.  2.  (Puttrich, 
Denkm.  I.  Serie  Reuss.  Taf.  5,  c.) 

driailgei  bei  Halberstadt.  Die  dreischiffige  Kirche,  mit  roh  spitz- 
bogigen  Pfeilerarkaden  und  gerade  schliessendem  Chor.  (Lotz  1,  259.)  — 
Im  nahe  gelegenen  Dorfe  Kloster-Groningen,  eine  verstümmelte  Ba* 
silika  ^   mit  achteckigem  Thurm  über  der  Vierung ;  in  den  Arkaden  steht 


IJ  Blumenbach,  Beschreib,  des  alten Kaiserpalastes  su  Goslar  u.  der  daneben 
neu  entdeckten  kaiserl.  Haaskapelle,  im  Archiv  des  histor.  Vereins  far  Niedersachsen. 
1846.  8.  1—27. 

2)  Hartmann,  H.,  Kloster  Groningen,  in  Romberg's  Zeitschr.  fürprakt. 
Baukunst.  1858.  Sp.  235—240  u.  Taf.  25, 


412  Romunische  Kirchen 

ein  Pfeiler  zwischen  je  zwei  Säulen,  die  hohe  attische  Basen  und  an  den 
Würfelcapitalen  zum  Theil  rohe  phantastische  Zierden  zeigen.  Anscheinend 
war  ursprünglich  ein  Westchor  vorhanden,  statt  dessen  sich  ein  jQngerer 
kryptenartiger  Kapellenein  bau  findet,  mit  einer  Empore  darüber  und  in  der 
Mitte  mit  einer  in  das  Schiff  vortretenden  Apsis  versehen.  (Kugler,  Kl. 
Sehr.  1,  597—600.) 

CadeMwegen  bei  Magdeburg.  Einschiffige  Kirche  mit  Apsis  und  recht- 
eckigem Westthurm. 

ladnersleben  bei  Halberstadt.  Benedictiner  -  Nonnenkirche ,  ^)  ein« 
schiffig,  rechteckig,  mit  zwei  Westthürmen,  gothisch  umgebaut.  Die  west  - 
liehe  Hälfte  nimmt  eine  Nonnenempore  ein  mit  kryptenartigem  Säulen-  und 
Pfeilerunterbau . 

lalberstadt  '^)  Die  Cisterzienser- Nonnenkirche  St.  Burchardi, 
eine  profanirte ,  der  Seitenschiffe  beraubte ,  flach  gedeckte ,  rundbogige 
Pfeilerbasilika  (angeblich  erbaut  1208),  mit  gewölbtem  Umgang  um  den 
gerade  geschlossenen  Chor;  schönes  Sildportal.  —  Die  (restaurirte)  West- 
fa^ade  des  Domes:  der  von  zwei  Thürmen  '^)  flankirte,  in  einen  schlanken 
Giebel  aufsteigende  Zwischenbau  mit  dem  Portal  und  einem  Radfenster  über 
letzterem  im  reichen  Uebergangsstil,  seit  1237.  (Lucanus,  Dom  zu  Hal- 
berstadt. Taf.  4.  —  Kallenbach,  Chronologie  I.  Taf.  8.  —  Förster, 
Denkm.  8,  37 — 42  und  3  Taf.  nach  der  Restauration.)  Auch  der  Kreuz^ 
gang  am  Dom  zeigt  die  Formen  der  Uebergangsperiode.  (Kallenbach 
a.  a.  O.  Taf.  12.)  —  Die  Liebfrauenkirche,  ^)  eine  einfache  Pfeiler- 
basilika in  schlichten,  aber  den  edelsten  Formen ;  neben  dem  Chore  zwei 
in  Apsiden  auslaufende  Seitenkapellen ;  zwei  westliche ,  viereckige ,  und 
zwei  östliche,  achteckige  Thürme;  das  Ganze  noch  im  roman.  Stile  später 
überwölbt.  Nach  v.  Quast's  Untersuchungen  gelten  für  diesen  Bau  fol- 
gende Zeitbestimmungen:  der  untere  Theil  des  westlichen,  horizontal 
schliessenden  Thurmvorbaues  aus  der  Zeit  von  996  — 1023;  der  ältere 
Hauptbau,  geweiht  1146;  hierauf  wahrscheinlich  die  vier  Thürme  (der 
nordöstliche  ist  nach  dem  alten  Muster  um  1844  neu  erbaut),  und  endlich 
in  der  Zeit  von  1274  — 1284  die  (durch  die  Restauration  wieder  beseitigte) 
Ueberwölbung.  (Kallenbach,  Chronologie.  II.  Taf.  1.  —  v.  Quast, 
in  der  Zeitschr.  für  Archäol.  und  Kunst  2,  176  f.  und  Taf.  11.  12.  — 
Romberg,  Zeitschr.  für  prakt.  Baukunst.  1856.  Taf.  38  f.  —  Förster, 
Denkm.   8,   15 — 20  und  3  Taf.)  —  Die  Vierungspfeiler  der  Martini- 


1)  Hartmann,  Alfr.,  Klosterkirche  St.  Peter  u.  Paul  zu  Hadmersleben,  in  der 
Zeitschr.  des  Architekten-  etc.  Vereins  für  Hannover.  VII.  4,  213— 218  u.  Taf.  53—56. 

2)  Lucanus,  F.,  Wegweiser  durch  Halberstadt  u.  die  Umgegend.  (1843.) 
2.  Ausg.   1866. 

3)  Ueber  die  Restauration  der  Thürme,  vergl.  Organ  für  christl.  Kunst.  ISGl. 
S.  215. 

4)  Augustin,  Chr.  F.  Bemh.,  die  Liebfrauenkirche  zu  Halberstadt,  in  Kugle r's 
Museum.  1833.  S.  86  u.  103  fil  —  Quast,  Ferd.  v.,  die  Liebfrauenkirche  zu  Hal- 
berstadt, im  Kunstbl.  1845,  No.  52 — 56.  —  Lucanus,  F.,  die  Liebfrauenkirche  zu 
Halberstadt,  deren  Geschichte,  Architektur  u.  Kunstwerke.  1848.  Mit  2  Abbild.  — 
Hartmann,  Alfr.,  Klosterkirche  zu  U.  L.  Fr.  zu  Halberstadt,  im  Anhange  zu 
Bd.  vm.  (18Ö2)  der  Zeitschr.  des  Architekten-  u.  Ingenieur- Vereins  für  Hannover. 


in  Thüringen  und  Sachsen.  413 

kirche,  romanisch  von  1197.  —  Die  Moritzkirche,  ^)  eine  flach  ge- 
deckte, gerade  schliessende  Pfeilerbasilika,  mit  zwei  Westthürmen  neben 
dem  wagerecht  abgeschlossenen  Zwischenbau,  im  Uebergangsstil ,  nach 
1240;  1843  unverständig  restaurirt.  —  Die  Paulskirche,  eine  profa- 
nirte,  verstümmelte,  flach  gedeckte  Pfeilerbasilika  im  Uebergangsstil,  mit 
zwei  roman.  Westthürmen  über  dem  Glockenhause;  Chor  gothisch. 

lalle  a.  d.  S.  Die  beiden  Östlichen,  achteckig  neben  dem  wagerechten 
Zwischenbau  aufsteigenden  Thürme  der  Marktkirche,  im  Uebergangsstil ; 
sie  waren  ursprünglich  die  Westthürme  eines  früheren  Baues.  (Kallen- 
bach,  Chronologie.  I.  Taf.  12.) 

laoierslebeii  unweit  Oschersleben.  Kirche  des  um  1 1 1 2  gegründeten 
Augustiner-Doppelklosters,  eine  (restaurirte)  flach  gedeckte  Säulenbasilika 
mit  zwei  Thürmen  über  dem  Ende  der  Seitenschifie  an  der  Westseite  des 
Querhauses,  dessen  Arme  von  der  Vierung  über  einer  Brüstungsmauer 
durch  Säulenarkadeu  geschieden  sind,  und  zwei  in  Apsiden  schliessenden 
Nebenchören.  An  das  westliche  Doppelportal  schloss  sich  ehemals  ein« 
Vorhalle  mit  Nonnenempore.  Bemerk enswerth  ist  die  Architektur  der  drei 
Fenster  der  Hauptapsis,  von  denen  das  mittlere  etwas  höher  aufsteigt ;  die- 
selben sind  wie  die  zwischen  ihnen  liegenden  ähnlichen  Blenden  äusserlieh, 
wie  die  SchifFarkaden  des  Innern,  rechtwinkelig  eingerahmt.  Das  maassvoll 
reiche,  zum  Theil  ikonische  Ornament  der  Säulen  mit  Würfelcapitälen  ist 
ausgezeichnet  und  besonders  in  den  jüngeren  Theilen  der  Kirche  (im  Quer- 
schiff) nirgends  übertroffen,  (v.  Quast,  in  der  Zeitschr.  für  Archäol.  und 
Kunst  2,  74—81 ;  171  —  176  und  Taf.  5  f.  —  Hase,  Baudenkm.  Helt  3, 
97  —  108  und  Taf.  21—24.  —  Schnaase,  Kunstgesch.  IV.  2,  77.  — 
VergL  oben  S.  297  Fig.  140.) 

leckUugen  bei  Bernburg.  Benedictiner-Nonnenkirche ,  eine  Basilika 
mit  wechselnden  Pfeilern  und  Säulen  und  ursprünglich  zwei  Westthürmen, 
spätroman.  Stils ;  der  reich  decorirte  Emporeneinbau  am  Westende  des 
Mittelschiffes  und  unter  den  Arkaden  des  südlichen  Seitenschiffes,  sowie 
die  ausgezeichneten  Stucksculpturen  datiren  später  als  der  Hauptbau.  (Putt- 
rich,  Denkm.  I.  Serie  Anhalt.  Bl.  29—36.  ~  Förster,  Dcnkm.  1, 
49—52  und  2  Taf.) 

leiligenkreu  bei  Meissen.  Ruine  der  Benedictiner-Nonnenkirche  im 
Uebergangsstil  (1217  — 1233)  :  eine  überwölbte  Basilika,  nur  mit  einem 
(südlichen)  Seitenschiff,  welches  wie  der  Chor  mit  einer  Apsis  schliesst; 
allein  die  östlichen  Theile  sind  erhalten.  (Puttrich,  Denkm.  I.  Serie 
Meissen.  Bl.  20 — 23.)  —  Das  Refectorium  mit  vier  von  einer  Mittelsäule 
getragenen  Kreuzgewölben. 

lelningen  bei  Wolfenbüttel.  Die  nacn  einer  Inschrift  1 012  gegründete, 
aber  später  erneuerte  und  überwölbte  Augustiner-Nonnenkirche,  ^)  eine 
mehrfach  verstümmelte  Basilika,  in  der  Pfeiler  und  Säulen  wechseln  und 
erstere  unter  sich  durch  höhere  Blendbögen  verbunden  sind ;   die  Seiten- 


1}  Hartmann,  Alfr.,  u.  Quast,  Ferd.  v.,  St.  Moritz  in  Halberstadt,  in  der 
Zeitschr.  für  Archäol.  u.  Kunst  2,  2Sü— 2S3  u.  Taf.  H. 

2)  Lüer,  W.,  Klosterkirche  zu  Heiningen,  in  der  Zeitschr.  des  Arcbitekten- 
etc   Vereins  für  Hannover.  VIU.  4,  nebst  2  Taf. 

Otte,  Kttn»t-Archftologle.  27 


414  Romanische  Kirchen 

schiffe  setzen  sich  auch  neben  dem  Chore  fort  und  enden  in  Apsiden ;  in 
den  Kreuzarmen  Altamischen  in  der  Mauerstärke. 

■einstallt.  Die  Krypta  des  ehemal.  Ludgeriklosters,  geweiht 
1098;  die  ehemals  viertharmige  Kirche,  begonnen  1133;  die  zierliche 
Doppelkapelle  im  Kreuzgang,  erste  Hälfte  des  XI.  Jahrh.  —  Die  Kirche 
des  Augustinerinnenklosters  Marienberg  vor  der  Stadt,  eine  125G  ge- 
weihte Pfeilerbaailika  im  Uebergangsstil,  mit  gothisch  umgebautem  Chor. 

Itldeskeifli.  ^)  Der  Dom,  ^)  eine  flach  gedeckte,  innerlich  ganz  ver- 
zopfte, früher  auch  schon  gothisch  veränderte  Basilika,  in  welcher  je  zwei 
Säulen  zwischen  zwei  Pfeilern  stehen.  Die  unter  dem  Chor  und  der  Vie- 
rung befindliche  Krypta  ist  ganz  entstellt,  die  Westthürme  sind  modern. 
Die  elegant  verzierte  Apsis  von  einem  1190  geweihten  Bau.  Der  zwei- 
stöckige Kreuzgang  an  der  Ostseite  des  Domes  in  spätroman.  Stil.  —  Die 
Godehardikirche,  1133 — 1172,  eine  flach  gedeckte  Basilika  (in  den 
rechtwinkelig  eingerahmten  Arkaden  des  Langhauses  dem  beim  Dome  er- 
wähnten Schema  folgend),  deren  Seitenschifi*e  sich  jenseits  des  über  der 
Vierung  mit  einem  achteckigen  Thurme  und  Östlich  mit  Apsiden  versehenen 
Querhauses  fortsetzen  und  einen  in  der  Tonne  übenvölbten  und  mit  drei 
radianten  Apsidiolen  besetzten  Umgang  um  den  halbrunden  Chorschluss 
bilden.  An  den  wagerecht  abschliessenden  Zwischenbau  zwischen  den  beiden 
oben  achteckigen  AVestthürmen,  der  im  Innern  zweistöckig  behandelt  ist, 
schliesst  sich  eine  niedrige  Westapsis;  diese  westlichen  Theile  datiren  seit 
1187.  Die  ausgezeichnete  Restauration  (seit  1848)  hat  viele  gothische  und 
spätere  Entstellungen  beseitigt.  Das  Ornament  der  Würfelknauf  Säulen  im 
Schifi*  ist  ebenso  edel  als  maassvoll.  (Hase,  Baudenkm.  Niedersachsens. 
Heft  1,  5—11  und  Taf.  1  f.  —  Förster,  Denkm.  5,  9—12  und  2  Taf, 

—  Kallenbach  und  Schmitt,  Kirchenbaukunst.  Taf.  13.  Fig.  1  —  10.) 

—  Die  Kirche  des  Benedictinerklosters  St.  Michael  von  grossartigster 
Anlage,  vollendet  1033  :  eine  doppelchörige  Basilika  mit  zwei  Querschiffen, 
die  jedes  über  der  Vierung  mit  einem  viereckigen  Mittelthurm  und  an  den 
Giebelfronten  mit  achteckigen  Treppenthürmen  versehen  sind,  welche  die 
Aufgänge  enthalten  zu  den  in  den  Vorlagen  der  Kreuzarme  angeordneten, 
von  Arkaden  getragenen  Emporen.  Das  Langhaus  bietet  das  älteste  Bei- 
spiel des  schon  beim  Dome  und  bei  St.  Godehard  bemerkten  Stützen  wech- 
seis von  je  zwei  Säulen  zwischen  zwei  Pfeilern.  Brand  und  Vernachlässigung 
des  Gebäudes  veranlassten  im  XII.  Jahrh.  einen  1186  geweihten  Neubau; 
doch  rühren  ausser  sämmtlichen  Arkadenpfeilern  auch  einige  Säulen  noch 
von  dem  alten  Bau  her :  letztere  haben  über  den  schweren  und  schlichten 
Würfelknäufen  aus  antikisirenden^Gebälkstücken  bestehende  Kämpfer  (oben 
S.  300  Fig.  145  c/),  während  die  Säulen  des  Neubaues  mit  glänzend  korin- 
thisirenden  Capitälen  geschmückt  sind.  Die  unter  dem  Westchore  zu  ebener 
Erde  belegene  (vielleicht  erst  im  XVI.  Jahrh.  mit  einem  Umgange  ver- 
sehene) dreischiflfige  Säulenkrypta  ist  eine  Erneuerung  aus  dem  XII.  Jahrh., 
und  die  erhaltenen  Theile  des  Kreuzganges  datiren  von  der  Mitte  des  XIII. 


1)  Lüntzel,    H.  A.»   Gesch.  der  Diöcese  u.  Stadt  Hildesheim.   Tlieil  1.  2. 
1S57etc. 

2)  Kratz  ,  J.  M.,  der  Dom  2U  Hildchheira.  Theil  2  u.  3.    1840. 


in  ThOringen  und  Sachsen.  415 

Jahrhunderts.  Die  nur  fragmentarisch  auf  uns  gekommene  Kirche  ist  seit 
1855  nur  ebenso ,  doch  sachkundig  restaurirt  worden.  (Gladbach 
[Moller  m.],  Denkm.  Taf.  43—48.  —  Hase,  Baudenkm.  Heft  1.  Sp. 
17—28  und  Taf.  3—6.  -  Vergl.  oben  S.  56  Fig.  24.)  —  Die  Kloster- 
kirche auf  dem  Moritz  berge  (y^  Stunde  von  der  Stadt)  ist  eine  veieopfte 
Säulenbasilika  von  circa  1060,  mit  einem  später  ins  Achteck  umgesetzten 
Thurm  über  dem  quadratischen  Altarhause,  dem  sich  ursprünglich  wahr- 
scheinlich eine  Apsiden  vorläge  anschloss,  welche,  wie  die  an  den  Kreuz- 
flügeln befindlichen,  innen  im  Halbkreise,  äusserlich  rechtwinkelig  gebildet 
war.  Die  kleine  Säulenkrypta  mit  gurtenlosen  QewOlben  ist  entstellend 
verändert.  Den  westlichen  Abschluss  des  Schiffes  bildet  eine  von  zwei 
Säulen  getragene  Empore  zwischen  zwei  quadratischen  Treppenhäusern. 
Der  südlich  angrenzende  Kreuzgang  zeigt  verdorbenen  spätroman.  Stil. 
(Hase  a.  a.  O.  Heft  4  Sp.  109—114  und  Taf.  25  f.) 

liUenlehes  bei  Wolmirstädt.  Die  in  Trümmern  liegenden  östlichen 
Theile  (Querschiff  und  Altarhaus  mit  zwei  Nebenchören)  der  Benedictiner- 
kirche,  vom  Ende  des  Xu.  Jahrh. ;  das  verstümmelte  Langhaus  (gewölbter 
Pfeilerbau)  mit  dem  Westthurm  in  rohem  Uebergangsstil,  circa  1259 — 1304. 
(v.  Quast,  in  der  Zeitschr.  für  Archäol.  und  Kunst  2,  20—27.) 

lokeilohe  unweit  Leipzig.  Dorfkirche  mit  schmälerem,  gerade  schlies- 
sendem  Chor,  im  Uebergangsstil.  (Bericht  der  deut.  Gesellsch.  in  Leipzig. 
1832.  S.  68  und  Fig.  4.  5.) 

Iiyseharg  ^)  bei  Halberstadt.  Benedictinerkirche,  eine  dopi)€lchörige, 
flach  gedeckte  Basilika,  in  welcher  die  mit  Säulen  wechselnden  Pfeiler  unter 
sich  durch  hohe  Blendbögen  verbunden  sind,  geweiht  1121.  Die  Säulen 
haben  meist  korinthisirende  Capitäle.  Kreuzarme  ohne  Nebenapsiden ; 
neben  dem  sehr  langen,  mit  einer  Apsis  geschlossenen  Altarhause  zwei 
Seitenchöre,  deren  Altamischen  in  der  geraden  Schlusswand  liegen.  Die 
beiden  rohen  Westthürme  von  1487.  Kreuzgang  und  Klostergebäude  (Ca- 
pitel-  und  Bibliotheksaal) ,  zum  Theil  glänzend  spätromanisch,  aber  ver- 
stümmelt. (Vergl.  oben  S.  302  Fig.  146.) 

Icktenkaisei  bei  Erfurt.  Cisterzienser-Nonncnkirche,  rechteckig,  mit 
drei  Apsiden  und  zwei  westlichen  Thürmen. 

Jeaa.  Die  einschiffige  Johanniskirche  auf  dem  Kirchhofe,  mit  recht- 
eckigem überwölbtem  Chor.    Die  Fenster  meist  gothisch  verändert. 

Ikenbirg  bei  Wernigerode.  Benedictinerkirche,  ^)  eine  verstümmelte, 
ursprünglich  doppelchörige  Basilika,  in  welcher  Pfeiler  mit  Wörfelknauf- 
säulen  (s.  oben  S.  296  Fig.  132)  wechseln,  geweiht  1077.  Im  XII.  Jahrh. 
wurde  das  Schiff  überwölbt,  und  an  die  Stelle  der  westlichen  Apsis  trat  ein 
Portal.  Gleicher  Zeit  (circa  1150 — 1176)  gehören  das  Refectorium  und  der 
Capitelsaal  an :  dreischifllge  gewölbte  Säulenbauten.  (Puttrich,  Denkm.  11. 


1)  Oeiwitz,  Geo.,  Reisenotiz,  im  D.  Kunstbl.  1S51.  S.  352  f.  -<-  Quast, 
Ferd.  v.,  BLuyseburg,  in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen.  1852.  Sp.  1 1 1  ff .  —  Hart- 
mann, Alfr.,  Kloster  Huyseburg.  Ebd.  1851.  Sp.  401  ff.  u.  Bl.  53— 5'». 

*2)  Niamey  er,  Chr.,  über  die  Kirchen  zu  ILsenburg  u.  Walbock,  in  den  N. 
Mittheil  des  Thü  ring.  -  Sachs  Vereins.  IV.  2,  132—137. —  Hart  mann,  Alfr., 
Kloster  Ilsenburg,  in  Romberg's  Zeitschr.  für  prakt.  Baukunst.   1857. 

27  • 


416  Romaniflche  Kirchen 

Serie  Stolberg.  Bl.  6  und  7a,  5  und  10.  —  Hase,  Baudenkm.  Heft  5. 
Sp.  151 —  t62  und  Tat.  35  —  37.  —  Förster,  Denkm.  5,  21  f.  und 
1  Taf.) 

Kleln-SchöppeMtedt  bei  Braunschweig.  Verkehrt  orientirte  einschifiige 
flach  gedeckte  Kirche ,  mit  der  Apsis  in  Westen  und  dem  rechteckigen 
Sattelthurm  in  Osten. 

Könlgslitter  bei  Braunschweig.  Die  1135  gegründete  Benedictiner- 
kirche,  ^)  eine  grossartige  Pfeilerbasilika  mit  zwei  Nebenchören  und  fünf 
Apsiden'  (drei  an  den  Chören,  zwei  an  den  Kreuzarmen)  in  Osten,  acht- 
eckigem Hauptthurm  auf  dem  Kreuz  und  zwei  kleineren  achteckigen  West- 
tKürmen  über  einem  rechteckigen  Unterbau,  mit  einer  Empore  zwischen 
denselben.  Die  Gewölbe  des  Langhauses  sind  erst  von  1693,  im  Querschiff 
und  der  Chorpartie  dagegen  ursprünglich.  Der  Nordflügel  des  Kreuzganges 
spätroraanisch ,  von  zierlichen  Säulen  in  zwei  Schiffe  getheilt.  (Hase, 
Baudenkm.  Heft  2.  Sp.  37—52  und  Taf.  9—12.  —  Förster,  Denkm. 
5,  1—4  und  3  Taf.  —  Vergl.  oben  S.  296  Fig.  138.) 

Kouradsburg  bei  Gernrode.  Von  der  Benedictinerkirche  ist  nur  die 
Chorpartie  erhalten:  ein  spätroman.  basilikaler  Gewölbe  bau  mit  drei  Ap- 
siden. Die  Krypta  hat  dieselbe  Grundform  ,  ist  aber  durch  prachtvolle 
Säulen  in  fünf  Schiffe  getheilt.  (Puttrich,  Denkm.  II.  Serie  Eisleben. 
Bl.  12  —  16.  —  Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  614.  —  Förster,  Denkm.  5, 
5—8  und  3  Taf.  —  Vergl.  oben  S.  296  Fig.  135.) 

Krenzhiirg  bei  Eisenach.  Der  spätromanische,  überwölbte  Chor  der 
Stadtkirche,  begonnen  1215.  —  Theile  der  1252  angelegten  Gottes- 
ackerkirche. —  Geringe  Reste  in  der  Ruine  der  Kirche  des  1173  ge- 
sti fteten  Augustiner-Nonnenklosters . 

Laidsberg  bei  Halle  a.  d.  S.  Die  zweistöckige  Schlosskapelle,  ^ 
dreischiffiger  zierlicher  Hallenbau  mit  drei  Apsiden;  die  Schiffe  sind  durch 
kreuzförmige  Pfeiler  mit  engagirten  Würfelknaufsäulen  getrennt;  1 156  bis 
1180.  (Puttrich,  Denkm.  II.  Serie  Halle.  Bl.  14—18.  —  Förster, 
Denkm.  1,  45 — 48  und  1  Taf.)  —  Die  einschiffige  Stadtkirche  mit 
Apsis  und  rechteckigem  Westthurme. 

LaiSAltl  bei  Eisenberg.  Chor  und  Querschiff  der  seit  1862  wieder  her- 
gestellten Augustiner -Nonnenkirche  (geweiht  1180),  Östlich  mit  drei  Ap- 
siden, im  flach  gedeckten  I^anghause  Pfeiler,  die  mit  vier  Halbsäulen  und 
mit  eingelassenen  Ecksäulchen  versehen  sind.  (Puttrich,  Denkm.  I. 
Serie  Altenburg.  Bl.  14.  16.  17.  —  Sprenger,  in  der  Zeitschr.  für  Bau- 
wesen. 1863.  Sp.  377—384  und  Taf.  55  f.) 

Leitikai  unweit  Zerbst.  Die  1155  geweihte  Prämonstratenserkirche, 
eine  verstümmelte  und  profanirte  kreuzförmige  Pfeilerbasilika  aus  Haustein, 
ehemals  mit  drei  Apsiden  und  zwei  Westthürmen.  Details  von  der  Krypta 
im  Schlossbau.  (Adler,  Backsteinbauwerke.  Bd.  II.  S.  23  ff.) 


1)  Stamm,  die  Stiftskirche  zu  Königslutter,  im  Organ  für  chri«tl.  Kunst.  1853« 
No.  13  nebst  Abbild. ;  vergl.  ebd.  1S56.  No.  18. 

2)  Stapel,  A.,  die  Doppelkap.  zu  Landsberg.  ISU.  —  Mühin  er,  Gesch.  der 
Schlosskap,  St.  Cruois  zu  Landsberg.   1 SG2. 


in  Thüringen  und  Sachsen.  4t  7 

Liknde  bei  Hildesheim.  Kirche  in  der  Grundform  des  gleicharmigen 
Kreuzes,  einschiffig,  mit  goth.  Gewölben  und  goth.  Chorschluss. 

Itgdebirg.  Der  Kreuzgang  am  D  o  m  zeigt  im  südlichen  Flügel  spät- 
romanische Formen;  der  nördliche  Flügel,  ursprünglich  im  Uebergangsstil, 
ist  gothisch  umgebaut ;  der  östliche  Flügel  zeigt  gothisirende  ITebergangs- 
formen;  der  westliche  Flügel  ist  gothisch.  Im  Capitelsaal  fjetzt  Provincial- 
archiv)  sind  Granitsäulen  zur  Anwendung  gekommen,  die  auf  umgestürzten 
byzantinischen  Marmorcapitälen  stehen  und  vermuthlich  aus  dem  1207  ab- 
gebrannten Dome  Otto's  des  Grossen  herrühren.  ^)  —  Die  Westfa^ade  der 
Johanniskirche  im  Uebergangsstil,  nach  1207  ;  der  Giebel  des  Glocken- 
hauses modernisirt.  (v.  Quast,  in  der  Zeitschr.  für  Archäol.  und  Kunst 
l,  253  und  Taf.  16.  Fig.  9.)  —  Die  Marienkirche, ^j  ursprünglich  eine 
kreuzförmige  flach  gedeckte  Basilika  mit  Pfeilern  und  Säulen  und  im  We- 
sentlichen von  einem  Neubau  seit  1 1 29  herrührend  (vielleicht  mit  einigen 
älteren  Bestandth eilen  von  1064  bis  circa  1100],  welche  in  frühgoth.  Zeit 
in  einen  Gewölbebau  umgewandelt  worden  ist.  Die  dreischiffige  Krypta 
unter  dem  Chore  enthält  zum  Theil  Säulen  aus  edlem  Gestein  und  ist  ein 
Umbau  aus  der  Spätzeit  des  XII.  Jahrh.  ;  gleichzeitig  erscheint  auch  das 
von  zwei  runden  Treppen thürmen  flankirte  mächtige  quadratische  Glocken- 
haus, welches  im  Innern  mehrere  gewölbte  Hallen  über  einander  enthält. 
Der  prachtvoll  grossartige  Kreuzgang  mit  einem  Brunnenhause  (oben  S.  79 
Fig.  31)  und  die  mächtigen  Klostergebäude  datiren  seit  1129  und  sind 
neuerlich  stilgemäss  restaurirt,  zum  Theil  umgebaut.  (Kugler,  Kl.  Sehr. 
1,  127.  —  V.  Quast  a.  a.  O.  S.  167—180;  213—216  und  Taf.  12.)  — 
Der  Thurm  der  Petrikirche.  —  Die  Westfront  der  Sebastianskirche 
mit  zwei  Thürmen  zu  den  Seiten  des  wagerecht  abschliessenden  Zwischen- 
baues ,  höchst  einfach ;  auch  das  Querhaus  hat  im  wesentlichen  noch  die 
roman.  Formation  behalten,  (v.  Quast  a.  a.  O.  S.  250 — 253  und  Taf.  16 
Fig.  1-5.) 

■aildelslok  ^)  bei  Wunstorf.  Die  Archidiakonatkirche,  eine  flach  ge- 
deckte kreuzförmige  Pfeilerbasilika  mit  breitem  Westthurm  und  ursprüng- 
lich mit  zwei  Nebenchören ;  einfacher  Ziegelbau,  zum  Theil  mit  Haustein- 
details. (Hase,  Baudenkm.  Heft  6.  Sp.  171  ff.  und  Taf.  45.) 

■aufeM  bei  Eisleben.  Die  Kirche  des  '/g  Meile  entfernten,  1 170  ge- 
stifteten Klosters,  eine  verstümmelte  Säulenbasilika.  (Detail  bei  Puttrich, 
Systemat.  Darstellung.  Bl.  VII.  10.) 

■arieafliftl  bei  Helmstädt.  Die  Cisterzienserkirche ,  eine  gerade  ge- 
schlossene, nur  im  Chor  überwölbte  Pfeilerbasilika,  ursprünglich  mit  je 
zwei  Kapellen  an  der  Ostseite  der  Kreuzarme ;  1 138 — 1 146. 

larieBwerder  bei  Hannover.  Die  Augustiner  -  Nonnenkirche ,  eine 
thurmlose  gewölbte  Pfeilerbasilika  mit  drei  Apsiden,  im  Uebergangsstil, 
geweiht  1200;  1860  restaurirt.  (Hase,  Baudenkm.  Heft  6.  Sp.  177—182 
und  Taf.  46.) 


1)  Die  Literatur  über  den  Dom  s.  unten  Abschn.  2.  V.  imter  Magdeburg. 

2)  Hartmann,  Alfr.,  die  Klosterk.  u.  1.  Fr.  zu  Magdeburg,   inRomberg's 
ZeitBchr.  etc.   I85U  Sp.  t:i7  ff.  u.  Taf.  15—23;  vergl.  ebd.  Sp.  330. 

3)  Fiedeler,  über  MandeUloh^s  Vorzeit,  in  der  Zeitschr.  des  hist.  Vereins  ftU 
Ntedersachsen.  3,  254  u.  Taf.  4. 


418  RomanUche  Kirchen 

leissen.  Die  Kapelle  auf  dem  Martinsberge,  einschiffig  mit  schmälerem 
Chor  und  Apsidenschluss. 

HelTerode  bei  Braunschweig.  Die  Dortkirche ,  ein  Gewölbebau  im 
Uebergangsstil.  Das  fast  quadratische  Langhaus  besteht  aus  drei  durch  ein 
Pfeilerpaar  geschiedenen  Schiffen  von  gleicher  Höhe  und  dem  quadratischen 
Chore  von  der  Breite  des  Mittelschiffes,  welcher  wie  die  schmalen  Seiten- 
schiffe mit  einer  Apsidenvorlage  schliefst.  Ueber  dem  Westende  erhebt 
sich  ein  Thurm,  der  mit  seinen  Giebelmauem  auf  den  Seitenschiffwftnden, 
mit  der  Ostmauer  über  zwei  Pfeilern  auf  drei  Gurtbögen  ruht  und  im  Erd- 
geschosse eine  schmale  Vorhalle  bildet,  welche  durch  eine  südlich  ange- 
brachte Thür  zugänglich  ist.  Merkwürdig  ist  die  Construction  der  Gewölbe, 
die  aus  quer  und  längs  liegenden  sich  durchschneidenden  Tonnengewölben 
besteht.  (Kallenbach,  Atlas.  Taf.  4.  —  Schnaase,  Kunstgesch.  5, 
331  f.) 

■ealebei  bei  Bibra.  Ruine  der  Klosterkirche  im  Uebergangsstil :  eine 
flach  gedeckte  Basilika,  deren  gegliederte  Spitzarkaden  auf  Halbsäulen  vor- 
lagen der  rechteckigen  Pfeiler  ruhen.  Die  drei  Apsiden  am  Chor  und  Quer- 
schiff sind  polygonisch.  Unter  dem  Altarhause  eine  Säulenkrypta  mit  Gurt- 
gewölben. Ehemals  zwei  Westthürme  und  ein  Mittel  thurm  über  dem  Kreuz. 
(Puttrich,  Denkm.  II.  Serie  Memleben.  Bl.  l — 7.  —  Grueber,  Vergl. 
Samml.  2.  Taf.  29.) 

■enebarg.  Die  älteren  Theile  des  Domes:  *)  die  Krypta  (oben  S.  41 
Fig.  12)  mit  sehr  complicirten ,  fein  gegliederten  Pfeilern  (oben  S.  404  Fig. 
180),  und  der  Unterbau  der  beiden  seitlich  einschneidenden  Rundthürme 
aus  dem  XI.  Jahrb.,  das  gewölbte  Altar-  und  Querhaus  mit  den  den  Chor 
von  den  Kreuzflügeln  trennenden,  elegant  decorirten  Brüstungswänden,  der 
Oberbau  des  südl.  Chorthurmes  (oben  S.  59  Fig.  25),  das  spätgothisch 
überwölbte  Zwischenhaus,  die  beiden  Westthürme  und  die  vor  letzteren 
befindliche  spät  est  gothisch  umgebaute  dreischiffige  Vorhalle,  durchgängig 
spitzbogig  im  einfachen  Uebergangsstil  (um  1256 — 1274).  (Puttrich, 
Denkm.  II.  Serie  Merseburg.  Bl.  2.  3.  5.  6.  9.  10.  Vergl.  oben  S.  35 
Fig.  9.  —  Die  Krypta,  in  Desselben  Systemat.  Darstellung.  Bl.  3  No.  1. 
Vergl.  Grueber,  Vergleich.  Samml.  2.  Taf.  13.  —  Die  Vorhalle,  in  C. 
R.  Lepsius,  Einleit.  zu  H.  Gally  K  night,  Entwickl.  der  Architektur 
unter  den  Normannen.  S.  32  und  Taf.  4.)  —  Die  Neumarktskirche, 
eine  bei  der  Restauration  theil weise  der  Seitenschiffe  beraubte  kreuzförmige 
flach  gedeckte  Basilika  mit  drei  Apsiden,  um  1188 — 1198;  in  den  Lang- 
hausarkaden wechseln  Pfeiler  mit  Würfelknauf  Säulen.  Von  den  beiden 
Westthflrmen  steht  allein  noch  der  nördliche.  Zwei  reich  geschmückte  Por- 
tale. (Puttrich,  Denkm.  a.  a.  O.  Bl.  4.  7..9.)  —  Die  einfache  Pfeiler- 
krypta des  nicht  mehr  vorhandenen  Petersklosters  (geweiht  1091), 
ganz  finster  und  nur  aus  angrenzenden  Kellerräumen  zugänglich.    Drei  aus 


I)  Vergl.  die  Abhandlungen  Über  Gesch.  u.  Architektur  des  Domes  zu  Merse- 
burg, in  den  N.  Mittheil,  des  Thüring. -Sachs.  Vereins:  von  C.  P.  Lepsius  VI.  -1, 
67  ff.  u.  VII  4.  103  ff. ;  u.  von  Otte  VII.  3,  1  ff.  nebst  1  Taf.  —  Otto,  J.  Gottfr., 
die  Schloss-  u.  Domkirche  su  Merseburg,  ihre  Denkm.  u.  Merkwürdigkeiten.  1834. 
Mit  Ansicht. 


in  ThOrixigen  und  Sachsen .  .  419 

dem  Kloster  herrührende  roman.  Gewölbeschlussteine,  jetzt  in  der  Dom- 
vorhalle. —  Der  einfach  rechteckige  Westthurm  der  Stadtkirche. 

leicheB  bei  Pegau.  Das  Schiff  und.  der  ostwärts  von  demselben  vor 
dem  spätgoth.  Chor  stehende  Thurm  der  1857  restaurirten  Kirche. 

■ichaelsteln  bei  Blankenburg  im  Harz.  Reste  des  Cisterzienscrklosters. 

■UilenfMrt  bei  Weida.  Verstümmelte  Theile  der  ehemal.  Augustiner- 
stiftskirche :  Gewölbebau  im  Uebergangsstil.  Die  Pfeiler  sind  mit  zahl- 
reichen Halbsäulen  besetzt.  (Puttrich,  Denkm.  I.  Serie  Reuss.  Bl.  3 — 5.) 

lOMchenUhra  bei  Nordhausen.  Die  Klosterkirche,  eine  verstüm- 
melte Pfeilerbasilika.  (Puttrich  a.  a.  O.  II.  Serie  Mühlhausen.  Taf.  16.) 
—  In  Schloss  Lohra  das  Untergeschoss  einer  ehemal.  Doppelkapelle, 
dessen  Gewölbe  von  vier  Säulen  getragen  werden;  spätromanisch.  Das 
ganze  Oberstockwerk  ist  völlig  entstellt.    (Puttrich  ebd.) 

■ÜhlhaueB  i.  Th.  Die  gothisch  veränderten  Thürme  der  Blasius- 
kirche  (oben  S.  59  Fig.  25)  im  Uebergangsstil;  ebenso  die  seitlichen 
Westthürme  der  Marienkirche. 

NftMbvrg  a.  d.  S.  Der  Dom,  ^)  eines  der  bedeutendsten  Beispiele 
des  Spätroman.  Gewölbebaues  in  Sachsen:  der  Mittelbau  der  Krypta,  viel- 
leicht von  1030;  die  übrigen  Theile  derselben,  der  Kreuzbau^  das  Schiff 
und  die  beiden  Thurmpaare  in  Osten  und  Westen  aus  der  ersten  Hälfte  des 
XIII.  Jahrh.  (Eine  Kirch  weihe  wird  1242  berichtet.)  Im  Langhause 
kreuzförmige,  mit  vier  Halb-  und  vier  Ecksäulen  besetzte  Hauptpfeiler  und 
verschieden  gebildete  Zwischenpfeiler,  als  Träger  der  abgetreppten  Spitz- 
bögen; äusserlich  herrscht  der  Rundbogen.  Der  Kreuzgang  gehört  der- 
selben Zeit  an  i.  (Puttrich,  Denkm.  II.  Serie  Naumburg.  Bl.  2.  7.  19. 
21—25.  —  Förster,  Denkm.  4,  1  —  12  und  8Taf.  — Vergl.  oben  S.  404 
Fig.  181  f.)  —  Eine  zweistöckige  Curie  am  Domplatze,  ein  interessanter 
spätroman.  Gewölbebau ,  dessen  Oberstockwerk  eine  Kapelle  mit  ausge- 
kragter Apsis  bildet.    (Puttrich  a.  a.  O.  Bl.  27.) 

Nevstailt  am  Rübenberge,  unweit  Hannover.  Die  Kirche,  ^ine  spät- 
gothisch  umgebaute  gewölbte  Basilika  im  Uebergangsstil,  mit  rechteckigen 
Haupt-  und  verschieden  gebildeten  Zwischen pfeilern  der  Spitzarkaden. 
Zwei  reich  mit  Arabeskenwerk  verzierte  Spitzbogenportale  an  den  Lang- 
selten  der  Kirche.  Der  mächtig  angelegte  Westthurm  gehört  nicht  dem 
ursprünglichen  Bau  an.  (Hase,  Baudenkm.  Heft  5.  Sp.  157 — 162  und 
Taf.  38—40.) 

Nicolassberg  bei  Göttingen.  Das  Querschiff  mit  den  in  den  Ost  wänden 
der  ursprünglichen  Vorlagen  eingetieften  Nebenapsiden  und  der  westliche 
Theil  des  Altarhauses  der  kleinen  goth .  Augustincr-Nonnenkirche  als  Ueber- 
reste  eines  älteren  Baues  aus  dem  XII.  Jahrh.  (Hase  a.  a.  O.  Heft  2  Sp. 
65—72  und  Taf.  16.) 

N^rdhaMsen.  ^)  Der  Dom  in  seinen  östlichen  Theilen  (verwüstete 
Krypta,  gerade  geschlossenes  Altarhaus,  zwei  Östliche  Thürme  mit  Seiten- 


t)  Lepsius,  C.  F.,  über  das  Alterth.  u.  die  Stifter  des  Doms  zu  Naumburg,  in 
den  Mittheil,  des  Thüring.-Silchs.  Vereins.  Heft  I.  1821.  —  Quast,  Ferd.  v.,  die 
Erbauungszeit  des  Domes  zu  Naumburg,  im  D.  Kunstbl.    1855.  S.  202. 

2)  Lesser's  histor.  Nachricht  von  der  Stadt  Nordhausen,  umgearb.  u.  fortgcs. 
von  £.  G.  Försfemann.   IStiO. 


420  Romanische  Kirchen 

apsiden]  wahrscheinlich  nach  einem  Brande  von  1234  im  Uebeirgangsstil 
aus  einer  älteren  Kirche  umgebaut.  (Puttrich  ,  Denkm.  II.  Serie  Mühl- 
hausen. Bl.  12.)  —  Die  Marien-  (Cisterziensemonnen-)  Kirche,  eine 
rundbogige,  gewölbte  Pfeilerbasilika  im  Uebergangsstil  1233.  Die  recht- 
eckigen Hauptpfeiler  vom  mit  Vorlagen  für  die  Quergurte  der  rippenlosen 
Gewölbe;  die  Zwischen pfeiler  quadratisch.  (Ebd.  Bl.  13.)  —  Der  über 
Ecksäulen  mit  einem  Rippengewölbe  überdeckte  gerade  schliessende  Chor 
der  Petrikirche  im  Uebergangsstil . 

tberail^rf  bei  Arnstadt.  Die  Kirche,  eine  verstümmelte  Pfeilerbasilika, 
in  schlichter  Weise.  Der  östlich  stehende  Thurm  enthält  den  Altarraum. 
(Puttrich,  Denkm.  I.  Serie  Schwarzburg.  Bl.  8  a.) 

tber-Preilipp  bei  Saalfeld.  Die  einschiffige  Dorlkirche,  ^)  mit  einem 
östlichen ,  oben  achteckigen  Thurm  vor  dem  gerade  schliessenden  go- 
thischen  Chor. 

tber  -  RoUingeB  bei  Eisleben.  Spätroman.  Dorfkirche  mit  Steinmetz- 
zeichen. (Zeitschr.  für  Archäol.  und  Kunst  1,  269.) 

isterwik  a.  d.  Ilse.    Die  Front  der  Stephanskirche  mit  Doppelthurm. 

PMÜBielle  ^)  bei  Stadt- Dm.  Ruine  der  Benedictinerkirche, '*)  1105 
bis  1119  :  eine  grossartige,  östlich  mit  fünf  Apsiden  versehene  Säulenbasi- 
lika mit  späterem  dreischiffigem  Emporen vorbau  vor  dem  Westportal  und 
zwei  Westthürmen.  Die  Säulen  haben  einfach  verzierte  Würfelknäufe,  und 
die  Arkadenbögen  sind  rechteckig  eingerahmt.  (Puttrich^  Denkm.  I. 
Serie  Schwarzburg.  Bl.  9 — 12.  14a.  h,  xmd  16.  —  Kallenbach.  Chro- 
nologie. I.  Taf.  3.  —  Förster,  Denkm.  2,  49  f.  und  1  Taf.  —  Vergl. 
oben  S.  47  Fig.  20  und  S.  302  Fig.  147.) 

Petenberg  ^)  bei  Halle.  Die  1853~-1S57  stilgemäss  aus  der  erhal- 
tenen Ruine  neu  erbaute  Augustinerkirche  (geweiht  1 184,  dann  nach  einem 
Brande  von  1200  im  Jahre  1224)  :  eine  nur  in  dem  mit  NcbenchOren  und 
seitlichen  Emporen  versehenen,  von  einem  Dache  gedeckten  Altarhause 
überwölbte  Pfeilerbasilika  mit  rechteckigem  Sattelthurm  von  der  Breite  des 
Langhauses  am  Westende,  welcher  eine  sich  nach  innen  Öffnende  geräumige 
Halle  bildet.  (Puttrich,  Denkm.  II.  Serie  Halle.  Bl.  5Ä.  7—11.— 
Kallenbach,  Chronologie  I.  Taf.  4.)  —  Die  Peterskapelle,  ein 
kleiner  Rundbau  mit  östlicher  Apsis,  dem  später  ein  westliches  Langschiff 
nebst  Sattelthurm  hinzugefügt  wurde;  Ruine.  (Pu  t  tr  i  ch  a.  a,  O.  Bl.  7.  — 
Vergl.  oben  S.  20.  Nota  1,  S.  22.  III.  und  S.  59  Fig.  25.) 


1)  Stark ,  Bernh.,  die  Kirchen  zu  Zeigerheim  u.  Oher-Preilipp,  in  den  N.  Mitth. 
des  Thüring.-Sachs.  Vereins.  Vin.  3  u.  4,  101—120. 

2)  Hesse,  L.  F.,  Gesch.  des  Kl.  Paullnzelle.  1815.  Vergl.  desselben  Beiträge 
zur  Gesch.  des  M.-A.  I.  2,  337.  —  Weininger,  H.,  Paulinselle  bei  RudoUtadt,  im 
Münch.  Sonntagsbl.   1S65.  No.  3. 

3)  Kugler,  Fz. ,  Bemerkungen  über  die  Kirche  von  Paulinzelle,  in  den  N. 
Mittheil,  des  Thüring.-Sachs.  Vereins  VI.  I,  19—25. 

4)  Wichmann,  Chronik  des  Petersberges.  1S57. —  Köhler,  Gust.,  das  Kl. 
des  h.  Petrus  auf  dem  Lauterberge  bei  Halle.  1857.  —  Ritter,  F.  A.,  die  Kloster- 
kirche auf  dem  Petersberge  bei  Halle  u.  ihre  Restauration.  Mit  5  Taf.  1857.  (Aus 
der  Zeitschr.  für  Bauwesen.  1S5S.  Sp.  31  ff.)  —  Quast,  Ferd.  v.,  die  Kirche  u.  das 
Kloster  auf  dem  Petersberge  bei  Halle,  in  der  Zeitschr.  für  Archäol.  u.  Kunst  2, 
145—100.  205—212  u.  Taf.  S  f.  (Auch  in  Förster,  Denkm.  9,  1—4  u.  1  Taf.) 


in  Thüringen  und  Sachsen.  421 

Pforte  bei  Naumburg  a.  d.  S.  Das  gothisch  umgebaute  Lang-  und 
Querhaus  der  Cisterzienserkirche  enthält  noch  den  Kern  eines  roman. 
Baues  aus  dem  XII.  Jahrh.  • —  Die  Abtskapelle,  ein  einschifiiger  Ge- 
wölbebau (also  unter  den  Rundbauten  S.  23  zu  streichen)  im  spätroman. 
Stil,  mit  polygoner  Apsis.  (Puttrich,  Denkm.  II.  Serie  Pforta.  Bl.  8 — 10.) 

P«rtiti  bei  Leipzig.    Dorfkirche  mit  einspringendem  Altarhaus. 

PMnits  bei  Dessau.  Die  Kirche  des  ehemaligen,  1198  gestifteten 
Klosters ;  eine  der  Seitenschiffe  beraubte  spitzbogige  Basilika  mit  (neuem) 
Thurm  über  dem  Kreuz,  in  deren  Arkaden  ganz  ungewöhnlich  zwei  Pfeiler 
zwischen  zwei  Säulen  stehen.  Ziegelbau  mit  Hausteindetails.  (Puttrich, 
Denkm.  I.  Serie  Anhalt.   Bl.  7  und  10.) 

PrieMiti  bei  Dresden.  Unter  der  spätgoth.  Kirche  mit  Thurm  von 
1204  angeblich  eine  roman.  Kiypta. 

U«eilliilb«rg.  Die  Stiftskirche,  ^)  deren  zu  ebener  Erde  belegene 
Krypta  (oben  S.  294  und  297  Fig.  129  f.  und  141)  Chor  und  Querschiff 
umfasst  und  noch  mit  einem  unterirdischen  Nebenraume  versehen  ist,  eine 
Basilika,  in  welcher  je  zwei  Säulen  mit  Adlercapitälen  zwischen  zwei  Pfei* 
lern  stehen,  mit  zwei  Westthürmen,  die  einen  Emporenbau  einschliessen. 
Am  Aeusseren  statt  der  Lisenen  sparsame  Halbsäulen,  die  zu  den  Bogen- 
und  Bestieni'riesen  emporlaufen.  Die  Fenster  haben  eine  Wulstumfassung 
über  Säulchen  am  Gewände.  Die  grossartige,  jetzt  in  der  Restauration  be- 
griffene Kirche  ist  der  nach  einem  Brande  von  1070  angefangene  und  1129 
geweihte  Bau,  enthält  aber  Theile,  die  aus  der  Zeit  vor  dem  Brande  her- 
rühren;  der  Chor  ist  gothisch  von  1320.  (Hartmann,  inHase's  Bau- 
denkm.  Heft  7.  [II,  1.]  Sp.  193  ff.  und  Taf .  49 — 52.—  Förster,  Denkm. 
8,  9  — 12  und  1  Taf.)  —  Die  Klosterkirche  St.  Wiperti,  2)  eine  einfache 
rundbogige  Pfeilerbasilika  (jetzt  verstümmelt  und  profanirt),  an  welcher 
1266  noch  gebaut  wurde.  Die  Krypta  ^)  (oben  S.  42)  aus  dem  X.  Jahrh. 
besteht  aus  drei  Schiffen  von  ziemlich  gleicher  Breite  mit  halbrundem 
Schluss,  um  den  die  Seitenschiffe  einen  Umgang  bilden,  und  ist  mit  Tonnen- 
gewölben gedeckt,  die  von  einem  wagerechten  Gebälk  getragen  werden, 
welches  auf  wechselnden  Pfeilern  und  Säulen  mit  verschieden  gebildeten 
Knäufen  ruht.  (Ku  gl  er,  Kl.  Sehr.  1,  593  ff.) 

UMeifvrt  unweit  Merseburgs.  Die  Schlosskirche,  fast  in  der  Grundform 
des  gleicharmigen  Kreuzes  mit  drei  Apsiden  an  Chor  und  Querschiff,  flach 
gedeckt  und  mit  einem  achteckigen  Kuppelthurm  über  der  Vierung;  am 
Westende  eine  Empore.  (Puttrich,  Denkm.  11.  Serie  Eisleben.  Bl. 
12—16.) 

Suephas  bei  Altenburg.  Der  Chor  und  der  Westthurm  der  im  Uebrigen 
modernen  Kirche.  (Sprenger,  in  derZeitschr.  für  Bauwesen^  1863.  Bl.  65.) 

•  l)Ranke,  E.  F.,  u.Kugler,  Fz.,  Beschreib,  u.  Gesch.  der  Schlosskirche  in 
Quedlinburg.  Mit  8  Taf.  1S38.  (Auch  in  Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  540  —  639.)  — 
Steuerwaldt,  W.,  u.  Virgin,  C,  die  mittelalterl.  Kunstschatze  im  Zittergewölbe 
der  Schlosskirche  zu  Quedlinburg,  nebst  mehreren  Ansichten  des  Stifts.  1855. 

2)  Hartmann,  Alfr.,  Kirche  des  Kl.  St.  Wiperti  zu  Quedlinburg,  in  der  Zeit- 
schrift für  Bauwesen.  1853.  Sp.  141  — 144  u.  Taf.  25. 

3)  Hase,  C.  W.,  die  Krypta  der  Klosterk.  St.  Wiperti  in  Quedlinburg,  in  der 
Zeitschr.  des  Architekten-  etc.  Vereins  für  das  Könige.  Hannoyer.  VHI.  4  mit  Abbild. 


422  Romanificfae  Kirchen 

Richenberg  bei  Goslar.  Ruine  der  1131  geweihten  Augustinerkirche, 
einer  Basilika  mit  drei  Apsiden  am  Chor  und  an  den  Kreuzarmen ,  zwei 
Thürmen  über  der  östlichen  Ausmündung  der  Seitenschiffe  in  das  Quer- 
schiff  und  zwei  Westthürmen.  Vollständig  erhalten  ist  nur  die  dreischiffige, 
mit  gurtenlosen  Gewölben  überspaünte  Krypta,  deren  Säulen  kannelirte  und 
ornamentirte  Schafte  und  an  den  Würfclcapitälen  brillantes,  vorwiegend 
aus  der  Thierwelt  entnommenes  Zierwerk  von  lebendiger  Auffassung  und 
technischer  Vollendung  haben.  (Hase,  Baudenkm.  Heft  2.  Sp.  53 — 64 
undTaf.  13—15.) 

RMflagshauen  bei  Braunschweig.  Die  1278  geweihte  (^isterzienser- 
kirche,  ^)  eine  spitzbogige,  gewölbte  Pfeilerbasilika  im  entschiedensten 
Uebergangsstil,  deren  Seitenschiffe  jenseits  des  Querschiffes  einen  Umgang 
um  das  quadratische  Altarhaus  bilden,  den  ein  in  einzelne  Kapellen  ge- 
theilter,  noch  niedrigerer  Umgang  umgiebt  (ähnlich  wie  in  Ebrach,  s.  oben 
8.  89  Fig.  35) .  Die  Pfeiler  sind  an  der  Rückseite  und  an  den  Zwischen- 
seiten mit  je  einer  Halbsäule  besetzt,  die  Hauptpfeiler  überdies  mit  je  drei 
Frontalsäulen.  Die  Fenster  stehen  in  pyramidalen  Gruppen.  (Schiller, 
Architektur  Braunschweigs  und  seiner  nächsten  Umgebung.  S.  132 — 145 
undTaf.  6.  —  Kallenbach,  Chronologie.  II.  Taf.  5.)  Erhalten  sind 
auch  Ueberreste  des  Kreuzganges  und  die  nordwestlich  belegene  Kapelle  für 
die  Frauen. 

Saigerhauen  bei  Nordhausen.  Die  zuerst  1083  gegründete  Ulrichs- 
kirche, bei  welcher  zu  Anfang  des  XIII.  Jahrh.  ein  Cisterzienser-Nonnen- 
kloster  errichtet  wurde ,  eine  (vielleicht  aus  einer  ursprünglich  flach  ge- 
deckten umgebaute)  in  einfachen  Rundbogenjochen  überwölbte  Pfeilerbasi- 
lika,  deren  gleich  lange  Schiffe  in  Apsiden  enden  und  das  an  den  mit 
Tonnengewölben  gedeckten  Kreuzvorlagen  mit  Apsiden  besetzte  Querschiff 
durchschneiden.  Die  Pfeiler  haben  an  den  inneren  Seiten  Vorlagen  für  die 
entsprechend  abgestuften  Arkaden  bögen.  Die  Quergurtc  der  gratigen  Kreuz- 
gewölbe setzen  auf  Wandpfeilem  auf,  die  nicht  bis  zum  Fussboden  hinab- 
gehen. Die  aus  Platte  und  Schmiege  bestehenden  Pfeilerkämpfer  zeigen 
streng  romanische  und  Bestienornamente  ^  Das  Querschiff  hat  in  den  mitt- 
leren Theilen  spitzbogige  Rippengewölbe.  Ueber  der  Vierung  erhebt  sich 
ein  hoher  Thurm,  und  an  die  Westseite  des  Mittelschiffes  schliesst  sich 
eine  spätere  rechteckige  Kapelle.  (P  u  1 1  r  i  q h  ,  Denkm.  II.  Serie  Eisleben. 
Bl.  4.  5a und 6;  Systemat.  Darstell.  No.  2,  6.) 

Seh^Mbeck  unweit  Magdeburg.  Die  Kirche,  eine  verbaute,  geradlinig 
geschlossene  ehemalige  Basilika  ohne  Querhaus,  mit  zwei  den  wagerecht 
endenden  Zwischenbau  einschlieasenden  Westthürmen,  im  Uebergangsstil. 

SehMingen  bei  Helmstädt.  Die  Liaurentiuskirche,  deren  einschiffiges 
Langhaus  als  gothischer  Umbau  einer  früheren  Basilika  erscheint,  hat  ein 
rundbogig  überwölbtes  Quer-  und  Altarhaus,  dessen  Apsis  von  zwei  vier- 
eckigen Thürmen  flankirt  ist. 

Stebibtdi  bei  Bibra.  Einschiffige  Dorfkirche,  flach  gedeckt,  im  zier- 
lichen spätromanischen  Stil,  mit  freistehenden  Säulen  am  Aeussern  der  Apsis 


1)  Ahlburg,  die  Klosterkirche  zu  Riddagshausen.  Mit  3  Taf .   1857.    (Aus  der 
Zeitschr.  für  Bauwesen.  1857.  Sp.  543->552  u.  Taf.  65^67.) 


in  Thüringen  und  Sachsen.  423 

des  schmäleren  Chores.  Rechteckiger  abgewalmter  Westthurm.  (Pütt rieh, 
Denkm.  IL  Serie  Mühlhausen.  Bl.  17.) 

SippÜBS^nbirg  bei  Helmstädt.  Die  roman.  Templerkirche,  die  schon 
in  der  Uebergangsperiode  bedeutende  Veränderungen  erfahren  bat,  ist  eine 
gewölbte  spitzbogige  Pfeilerbasilika  mit  Nebenapsiden  am  Querschiff  und 
einem  gerade  geschlossenen  Altarhause. 

TeBBSt&dt  unweit  Erfurt.    Kirche  im  Uebergangsstil. 

TeitlebeB  unweit  Naumburg.  Dorfkirche  mit  Thurm  über  dem  Chor, 
woran  sich  eine  Apsis  schliesst.    Thür  und  Fenster  meist  roh  entstellt. 

Thedakirche  bei  Iicipzig.  Typus  der  ältesten  dortigen  Landkirchen  : 
Schiff  rechteckig  mit  breitem  Thurm  ohne  Portal ;  Chor  schmäler  und  gerade 
geschlossen;  flache  Decken.     (Puttrich,  Systemat.  Darstell.  No.  3,  11.) 

T^rgailt    Ruine  der  Marktkirche  im  Uebergangsstil. 

Trebenkirche  bei  Weissenfeis ,  zeigt  den  T}^us  der  dortigen  Land- 
kirchen,  mit  Apsis  am  schmäleren  Chor  und  westlich  vorgelegtem  quadra- 
tischen Sattelthurm.    (Puttrich,  Denkm.  IL  Serie  Memjeben.  Bl.  9.) 

Vater -8mU  bei  Eisenach.  Die  Dorfkirche,  ein  Rundbau  mit  östlicher 
Apsis.    Fenster,  Thüren  und  Bedachung  nicht  ursprünglich. 

ValkearaiU  bei  Mühlhausen.  Chor  und  Querschiff  (mit  drei  Apsiden) 
der  zerstörten,  flach  gedeckten,  1140  geweihten  Cisterzienserkirche. 

Walbeck  bei  Helmstädt.  Ruine  der  Stiftskirche,  ')  einer  höchst  ein- 
fachen Pfeilerbasilika  mit  Querschiff  und  drei  Apsiden,  nach  einem  Brande 
von  1011. 

Walkearied  ^)  bei  Nordhausen.  Ruine  der  circa  1207—1290  in  einem 
gothisirenden  Uebergangsstil  erbauten,  später  zum  Theil  gothisch  verän- 
derten Cisterzienserkirche,  einer  grossartigen  gewölbten  PfeilerbasUika  mit 
breitem,  anscheinend  fünfschiffigem  Chor  und  einer  niedrigen  Abseite  an 
der  Ostseite  des  Querschiffes.  Die  Gewölbe  des  Mittelschiffes  bestanden 
aus  Doppeljochen  mit  sechs  Rippen.  (Vergl.  Otte,  Qesch.  der  deutschen 
Baukunst.  S.  292  Fig.  138.)  —  Das  zweischiffige  Refectorium  im  Ueber- 
gangsstil, aber  gothisch  umgebaut.  —  Reste  des  spätroman.  Thorbaues. 

Waribvg  bei  Eisenach.  Die  Schlosskapelle,  ^)  einfach,  mit  einer 
Mittelsäule  als  Träger  der  gurtenlosen  Gratgewölbe.  Restaurirt  in  dem  stil- 
gemäss  neu  erbauten  Landgrafenhause  der  Burg.  (Puttrich,  Denkm.  L 
Serie  Weimar.  Bl.  1~6.) 

Wechselbarg  bei  Rochlitz.  Die  Kirche  des  ehemaligen,  1174  gegrün- 
deten AuguRtinerklosters  Zschillen  (geweiht  1184),  eine  spätromanische, 
im  Mittelschiff  ursprünglich  flach  gedeckte,  in  den  Seitenschiffen  und  in 
der  Ostpartie  gratig  überwölbte  Pfeilerbasilika  mit  drei  Apsiden  am  Quer- 
schiff und  Chor.  Die  Pfeiler,  auf  den  Ecken  gegliedert  oder  mit  einge- 
lassenen Säulchen,  die  Arkadenbögen  schlicht.  Zwischen  den  beiden  West- 
thürmen  eine  Empore  mit  einem  grossen  Radfenster.     Vor  dem  Doppel- 


1)  Vergl.  oben  8.  415  Nota  2. 

2)  LotE,  W.,  Walkenried,  in  der  Zeitochr.  für  Archäol.  u.  Kunst  2,  193—204 
u.  Taf.  13. 

3)  Ritgen,  H.  y.,  Einige  Worte  über  die  Gesch.  der  Kap.  auf  der  Wartburg. 
1855.  Vergl.  Desselben  Führer  auf  der  Wartburg.   1860.  S.  122  u.  124. 


424  Romanische  Kirchen 

portale  des  nördlichen  Seitenschiffes  eine  verfallene  offene  Vorhalle  in 
reichem  und  zierlichem  Stil.  (Puttrich,  Denkm.  I.  Serie  Wechselbarg. 
Bl.  2—13.) 

WelMeben  bei  Quedlinburg.  Krypta  mit  achteckigen  Pfeilern  und 
GratgewOlben  unter  dem  gothischen  Chor  der  im  Uebrigen  neuen  Kirche. 

Wieprechtshauen  bei  Nordheim.  Die  Cisterzienser- Nonnenkirche  im 
Uebergangsstil,  eine  aus  drei  in  Apsiden  endenden  Schiffen  von  gleicher 
Länge  bestehende,  in  Doppeljochen  überwölbte  Basilika  mit  wechselnden, 
unter  sich  durch  Blendbögen  verbundenen  Pfeilern  und  verschieden  gebil- 
deten Säulen  als  Zwischenstützen.  Im  Westen  eine  Nonnenempore ,  die 
sich  über  den  von  viereckigen  Treppen thürmen  flankirten  Paradies vorbau 
ausdehnt.   (Hase,  Baudenkm.  Heft  6.  Sp.  183—190  und  Taf.  47  f.) 

Winnelbirg  bei  Eisleben.  Ruine  der  Klosterkirche,  mit  fünf  Ostlichen 
Apsiden,  ähnlich  wie  Paulinzelle  (s.  d.),  gestiftet  1121.    (Lotzl,   630.) 

WHUtorf  unweit  Hannover.  Die  Stiftskirche,  eine  überwölbte  spät- 
romanische Basilika,  in  welcher  je  zwei  Säulen  mit  kreuzförmigen  Pfeilern 
wechseln.  Der  breite  rechteckige  Sattelthurm  enthielt  eine  bis  ins  Lang- 
haus vortretende  Nonnenempore.  Am  Chor  und  an  den  Kreuzvorlagen 
Apsiden.  Nur  die  Gratgewölbe  der  Vierung  und  des  südlichen  Kreuzarmes 
sind  noch  die  ursprünglichen  ;  im  Chor  und  Mittelschiff  stammen  die  Ourt- 
gewölbe  aus  der  Uebergangsperiode  (1284),  im  nördlichen  Kreuzarm  und 
Seitenschiff  sind  sie  gothisch,  und  das  südliche  Seitenschiff  ist  bei  der  Re- 
stauration neu  erbaut.  Das  Ornament  der  Säulen  und  Pfeiler  meist  ge- 
schmacklos. (Hase,  Baudenkm.  Heft  6.  Sp.  165 — 170  und  Taf.  41  —  44.) 

Zeigerhein  bei  Saalfeld.  Landkirche  ^)  im  Uebergangsstil,  mit  einem 
Thurm,  dessen  Erdgeschoss  den  Durchgang  aus  dem  Schiffe  in  den  schmä- 
leren, gerade  geschlossenen  Chor  bildet. 

Zeiti.  Die  dreischiffige  Krypta  unter  der  Schlosskirche  (dem  ehemal. 
Dom) ,  deren  durch  Gurtbögen  verbundene  Würfelknaufsäulen  Basen  ohne 
Eckblatt,  aber  keine  Deckplatten  haben ;  schwerlich  von  dem  974  voll- 
endeten Bau  herrührend.  (Puttrich ,  Denkm.  11.  Serie  Wittenberg.  Bl.  2.) 
In  der  spätgoth.  Kirche  bemerkt  man  noch  die  roman.  Giebel  wand  des  süd- 
lichen Kreuzarmes  mit  zwei  kleinen  Rundbogenfenstern. 

Anmerkung.  Einzelne  Theile,  Ornamente,  Trümmer  etc.  roma- 
nischen und  Uebergangsstils  finden  sich  noch  in  vielen  thüringischen  und 
sächsischen  Kirchen ;  wir  nennen  nur  : 

Aisleben  bei  Bernburg,  Alt-Penig  bei  Chemnitz,  Bibrabei 
Naumburg,  Brehna  bei  Halle,  Eisenberg  unweit  Weimar,  im  Palais 
des  Gr.  Gartens  zu  Dresden  Details  aus  Göda  bei  Bautzen,  Fries  au 
bei  Schleitz,  Hilwartshausen  bei  Münden,  Hohenlohe  bei  Chem- 
nitz, Klein-Ottersleben  bei  Magdeburg,  Stadtkirche  zu  Kranich- 
feld bei  Erfurt,  Lichtenhain  bei  Jena,  Nicolaikirche  zu  Leipzig, 
Marienborn  im  Magdeburgischen,  Neuenhofen  bei  Neustadt  a.D., 
Obern itz  bei  Saalfeld,  Oldendorf  bei  Lauenstein,  die  Wasser- 
kapelle und  die  Apotheke  in  Saal  fei  d,  die  Kirchen  St.   Huden  und 


1)  VergU  oben  8.  420  Nota  1. 


in  Thüringen  und  Sachsen.  425 

St.  Wendel  vor  Salzungen,  Schafstädt  bei  Merseburg,  SchOnfeld 
bei  Dresden,  Schraplaii  bei  Eisleben,  See  bürg  (Bergkirche)  bei  Eis- 
leben, Treffurt  bei  Mühlhausen,  Triptis  (Kloster)  bei  Neustadt  a.  O., 
Vei  ta berg  bei  Neustadt  a.  O.,  Wallensen  bei  Alfeld,  Wey da  bei 
Neustadt  a.  O.,  Zwätzen  bei  Jena,  Katharinenkirche  zu  Zwickau. 

Portale  unter  anderen  an  folgenden  Kirchen : 

C  o  8  s  w  i  g  bei  Wittenberg,  Elend  bei  Ilsenburg,  Griesheim  bei 
Stadt-Ilm,  Heilingen  bei  Kahla,  Enauthayn  bei  Leipzig,  Kohren 
bei  Altenburg,  N o s s e n  bei  Freiberg  (aus  Altenzelle) ,  Ober-Ebers- 
bach bei  Grossenhain,  Pffltzthal  bei  Halle,  Rochsburg  bei  Penig, 
Schleitz  (Bergkirche),  Wiederau  bei  Rochlitz,  Wo rlitz  bei  Dessau. 

Thürme,   z.  B.  an  den  Kirchen  zu 

Altstadt  bei  Querfurt,  Ammerbach  bei  Jena,  Bardowik  bei 
Lüneburg  (am  Dom) ,  Derenburg  bei  Halberstadt,  Dippoldswalde 
bei  Dresden  (an  der  Lorenzkirche) ,  Dorndorf  bei  Eisenach,  Hopf- 
garten bei  Weimar ,  K r a k a u  bei  Magdeburg ,  Kübelingen  bei 
Schöppcnstedt,  Langenweddingen  bei  Magdeburg,  Lehnstedt  bei 
Weimar,  Lemsdorf  bei  Magdeburg,  Mascherode  bei  Braunschweig, 
Meiningen  (an  der  Stadtkirche),  Mihla  bei  Kreuzburg,  Nieder- 
Dodeleben  bei  Magdeburg,  Ober-Weimar  bei  Weimar,  Raut- 
heim bei  Braunscliweig ,  St.  Leonhard  bei  Braunschweig,  Stadt- 
Ilm,  Stöckheim  bei  Wolfenbüttel,  Sulzbach  bei  Weimar,  Süssen- 
born  bei  Weimar,  Thangelstedt  bei  Tannroda,  Tonndorf  bei  Erfxirt, 
Umpferstedt  bei  Weimar,  Vacha  bei  Eisenach  (an  der  Haupt  kirche) . 


Fig.  184.   Dom  zu  Paderborn  (nach  LObke). 


VI.  In  Westfalen. 

Literatur:  Schimmel,  Corael.,  Westfalens  Denkmäler  deutscher 
Baukunst.  10  Lieferungen  (Abbild,  ohne  Text).  (I82(i). — Curtze,  L.,  Ge- 
schichte u.  Beschreibung  des  Fürstenthums  Waldeck.  1S50.  —  (Lübke,  W.), 
Kirchl.  Denkmaler  in  Westphalen,  eine  längere  Keihe  von  Artikeln  im  Jahrg. 
1852  des  Organs  für  christl.  Kunst.  No.  1  ff.  —  Giefers,  W.  Engelbr.,  Drei 
merkwürdige  KapeUen  Westfalens,  zu  Paderborn,  Extemstein  u.  Drüggelte. 
2.  verm.  Aufl.  1854.  —  Lübke,  W.,  die  mittelalterl.  Kunst  in  Westfalen. 
Mit  einem  Atlas  von  29Taf.  u.  einer  Architekturkarte.  1S53.  —  Becker,  C, 
Nachträge  zu  Lübke' s  mittelalterl.  Kunst  in  Westfalen,  im  Deut.  Kunstbl. 
2,  404  ff.  —  Kugler,  Fz.,  Baugeschichtliches,  Bei  Gelegenheit  des  Werkes 
von  W.  Lübke  über  die.Denkm.  Westfalens,  in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen. 
1857.  Sp.  3S9— 402.  — Orth,  A.,  die  roman.  Kirchen  im  Fürsten th.  Waldeck, 
in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen.  1862.  Sp.  157— J 64  u.  Bl.  32  f. 

Yorbemerkiing. 

85.  Abgesehen  von  geringen  Ueberrcsten  in  Corvey  und  einigen 
dem  XI.  Jahrhundert  zugeschriebenen  Bauwerken  (die  Bartholomäus- 
kapelle  neben  dem  Dom  und  die  Krypta  von  Kloster  Abdinghof  in 
Paderborn,  sowie  die  Kiypta  zu  Vreden)  ist  es  namentlich  eine  über- 
aus reiche  Anzahl  in  spatromanischer  Zeit  entstandener  oder  aus  älteren 
umgewandelter  Bauten,  wodurch  Westfalen  ausgezeichnet  ist.  Wie 
es  von  der  Beschaffenheit  des  Landes  zum  Theil  bedingt  und  in  dem 
Charakter  des  Volkes  also  begründet  ist,  schloss  man  sich  hier  von  den 
rheinischen  und  sächsischen  Nachbaren  so  völlig  ab,    dass  die  Ent- 


Romanische  Kirchen  in  Westfalen. 


427 


Wickelung  der  Baukunst  zwar  betrachtlich  zurückblieb,  dafür  aber  bei 
längerem  Verweilen  im  Romanismus  nicht  bloss  eine  sehr  grosse  An- 
zahl zumeist  freilich  kleinerer  Kirchen  entstand,  sondern  auch  die 
völlig  eigenthümliche  Gestaltung  des  romanischen  Gewölbebaues  zur  • 
Hallenkirche  (mit  Schiffen  von  gleicher  Höhe;  vergl.  Fig.  185)  her- 
ausgebildet wurde,  wobei  man  sich  in  mancherlei  Ueberwölbungs- 
formen  versuchte.  —  Bezeichnend  für  die  ältere  westfälische  Kunst 


Fig.  185.   Qiierdurchtchnitt  der  Kirche  zu  Balve  (nach  Lübke). 

ist  die  gänzliche  Nacktheit  des  Aeusseren,  welches  jeder  Detailbildung 
(also  auch  der  Lisenen  und  des  Bogenfrieses)  entbehrend,  meist  ledig- 
lich den  Eindruck  eines  schlichten,  ja  rohen  Bedürfnissbaues  hervor- 
bringt, wozu  die  auch  bei  grösseren  Kirchen  insgemein  beliebte  An- 
ordnung nur  eines  Thurmes  und  der  gewöhnlich  geradlinige  Chor- 
schluss  das  Ihrige  beitragen;  erst  in  der  Spätzeit  von  1150 — 1250 
macht  sich  namentlich  im  Münsterlande  eine  massige  Ornamentirung 
bemerklich  in  der  Anordnung  von  Lisenen,  des  Bogenfrieses,  von 
Säulen  an  den  Thür-  und  Fensterwänden  etc.  Von  zierlicher  Ent- 
wickelung  des  Decorativen  gewährt  besonders  das  Westportal  der  Ja- 
cobikirche  zu  Koesfeld  ein  glänzendes  Beispiel.  —  Im  Innern  herrscht 
der  Pfeilerbau  vor,,  aus  dem  sich  die  überwölbte  Basilika  (Dome  zu 
Soest  und  Münster,  Kirchen  zu  Brenken,  Husten,  Lippoldsberg  etc.) 
und  die  Hallenkirche  ( Johanniskirche  zu  Billerbeck,  Ludgerikirche  zu 
Münster,  Maria  zur  Höhe  in  Soest  etc.)  entwickelt;  doch  finden  sich 
auch  einzelne  Beispiele  sowohl  des  Säulenbaues  (Neuenheerse) ,  als  des 
Wechsels  zwischen  Pfeilern  und  (namentlich  gekuppelten)  Säulen 
(Kirchen  zu  Boke,  Böle,  St.  Peter  in  Soest  etc.).  Die  Seitenschiffe 
der  kleinen  Kirchen  sind  oft  sehr  schmal  angenommen,  und  statt  der 
Nebenapsiden  wurden  oft  in  der  Mauerstärke  ausgesparte  Wand- 
nischen angebracht. 


428  Bomanisohe  Kirchen 

Vergl.  Sehn  aase,  Kunstgeach.  IV.  2,  51—55;  128—134 ;  V.  378^393. 
—  Kugler,  Gesch.  der  Baukunst  2,  42-1 — 142.  —  Labke,  Gesch.  der  Ar- 
chitektur. 3.  Aufl.  S.  371 — 377.  —  Otte,  Gesch.  der  deutschen  Baukunst. 
S.  104  f.;  194—202. 

Ad«lf  bei  Corbach.  Die  Kirche,  eine  in  drei  Doppeljochen  überwölbte 
Pfeilerbasilika  mit  Apsis  am  quadratisch  vorgelegten  Chor  und  ursprünglich 
mit  zwei  Nebenapsiden  am  Ende  der  Seitenschiffe.  Der  Westthurm  mit 
einer  Empore,  zu  welcher  eine  in  einem  angelehnten  Treppenhäuschen  ent- 
haltene Wendelstiege  führt.  Sparsames  Ornament.  (Orth.  in  der  Zeitschr. 
für  Bauwesen.  1862.  Taf.''32  f.) 

Affeln  bei  Plettenberg.  Hallenkirche  mit  Ohorapsis  und  zwei  in  Altar- 
nischen endenden  Kapellen  neben  dem  Chor,  in  etwas  rohem  Ueber- 
gangsstil. 

Ahenheene  bei  Paderborn.  Einschiffige  überwölbte  und  gerade  ge- 
schlossene Kirche. 

Apierbeek  bei  Dortmund.  Die  Kirche,  eine  kreuzförmige,  gerade  ge- 
schlossene und  gewölbte  Basilika  im  Uebergangsstil,  mit  wechselnden  Pfei- 
lern und  Säulen.  Die  Mittelschiffgewölbe  nicht  ursprünglich.  (Details  bei 
LübkeTaf.  16  und  18.) 

Apelenij  westlich  von  Hannover.  Durch  drei  kurze  Würfelknaufsäulen 
mit  Eckblattbasen  und  einen  Pfeiler  in  zwei  Schiffe  getheilte  Kirche  mit 
gothisch  erneuerter  Ueberwölbung  und  einem  Portal  im  Uebergangsstil. 

Asbeck  bei  Ahaus  Die  Nonnenklosterkirche,  in  einschiffiger  Kreuz- 
form und  gerade  geschlossen,  überwölbt  und  ehemals  mit  einer  Balken- 
empore in  Westen;  die  Fenster  paarweise.  —  Reste  eines  zweistöckigen 
Kreuzganges  *)  mit  Säulengalerien.    (Lübke  Taf.  7  Fig.  3 — 7.) 

Balfe  bei  Iserlohn.  Kreuzförmige ,  in  einfachen  Pfeilerjochen  über- 
wölbte Hallenkirche  spätroman.  Stils  mit  Apsis  und  zwei  Altarnischen  in 
der  östlichen  Wand  der  Kreuzflügel.  Der  Chor  ist  in  der  Tonne  überwölbt. 
Die  Pfeiler  im  Schiff  mit  vier  Halbsäulen,  die  Seitenschiffe  mit  Stichkappen- 
wölbung. Im  zweiten  Stock  des  im  Erdgeschosse  mit  der  Kirche  verbun- 
denen Westthurmes  eine  Kapelle  mit  Altamische  und  nach  dem  Innern  des 
Schiffes  gerichteten  Fenstern.    (Lübke  Taf.  11.  Vergl.  S.  427  Fig.  185.) 

BanilghaweB;  westlich  von  Hannover.  Kirche  des  1203  gegründeten 
Nonnenstifts,  ein  kreuzförmiger  Hallenbau  mit  runder  Chorapsis  und  poly- 
gonen  Nebenapsiden  am  Querschiff;  ohne  Thurm.  Nonnenemporen  über 
dem  südl.  Seitenschiff  und  im  südl.  Kreuzarm.  (Lübke  Taf.  12.) 

Belen  bei  Warendorf.  Einschiffige ,  gerade  geschlossene,  überwölbte 
Kirche  mit  Westthurm  im  Uebergangsstil. 

lein  bei  Osnabrück.    Die  Kirche,  angeblich  aus  Wittekinds  Zeit. 

BerghaueB  bei  Schmallenbei^.  Kleine  gewölbte  Pfeilerbasilika  mit 
Apsiden  am  Chor  und  an  den  Kreuzarmen  und  einem  Thurm  über  dem 
Westende  des  Mittelschiffes.    In  den  Seitenschiffen  halbirte  Kreuzgewölbe. 


1]  Quast,  Ferd.  v.,  der  Kreuzgang  neben  der  ehemal.  Stiftskirche  zu  Asbeck 
im  Münsterlande,  in  der  Zeitschr.  für  Archaol.  u.  Kunst  2,  89. 


in  Westfalen.  42d 

Bergkein  bei  Nieder- Wildungen.  Die  Kirche  mit  sechs  gerade  durch 
die  Mitte  aufgestellten  Säulen ;  der  Thurm  bei  dem  Chor,  und  wie  dieser 
anscheinend  jünger  als  das  Uebrige. 

Bernil«rf  bei  Corbach.  Die  Kirche,  eine  aus  zwei  Doppeljochen  be- 
stehende ,  rechteckige,  gewölbte  Pfeilerbasilika  mit  gerade  schliessendem 
('hör  und  überwölbter  Halle  unter  dem  Westthurm.  Die  nur  7'  breiten 
Seitenschiffe  haben  Stichkappengewölbe.  (Orth,  in  der  Zeitschr.  füi:  Bau- 
wesen. IS62.  Taf.  32  f.) 

Biilerbeck  bei  Koesfeld .  DieJohanniskirche,  Hallenbau  im  Ueber^ 
gangsstil,  ohne  Querschiff,  mit  in  Apsiden  endenden  Seitenschiffen  und 
quadratischem  Chor.  Die  kreuzförmigen  Hauptpfeiler  sind  mit  je  acht 
Säulen  besetzt ;  die  Zwischenpfeiler,  statt  deren  auf  der  Nordseite  Säulen 
angeordnet  sind,  haben  viereckige  Form  und  sind  mit  je  vier  Säulen  be- 
setzt. Das  Mittelschiff  mit  achtrippigen,  die  Seitenschiffe  mit  gratigen  Ge- 
wölben ;  herabhängende  Schlusssteine.  Reiches  Nordportal.  Das  Mittel- 
schiff steigt  mit  seinen  Sargmauern  etwas  über  den  Dächern  der  Seiten- 
schiffe empor  und  ist  wie  letztere  mit  dem  Rundbogenfriese  versehen. 
(Lübke  Taf.  10.)  —  Die  Ludgerikirche,  ein  verzopfter,  ein- 
schiffiger Bau, 

Bisseftd^rf  bei  Osnabrück.  Einschiffige  gewölbte  Kirche  mit  geradem 
Schluss. 

BdiliiekeM  bei  Paderborn.    Profanirte  Reste  der  Nonnenkirche. 

B«ke  bei  Paderborn.  Die  Kirche,  eine  gerade  geschlossene,  quer- 
schifflose,  gewölbte  Basilika  mit  nach  dem  Schiffe  zu  offenem  Westthurm, 
in  welcher  Pfeiler  mit  Säulen  wechseln,  die  paarweise  hinter  einander  ge- 
kuppelt sind.  An  der  Südseite  eine  zierliche  Thür.  (Lübke  Taf.  5 
und  18.) 

Bile  bei  Hagen.  Die  Kirche,  eine  gewölbte  Basilika  mit  in  der  Mauer 
ausgesparten  Seitenapsiden  und  einer  den  Chor  bildenden  Apsis  auf  schmaler 
mit  einem  Tonnengewölbe  gedeckter  Vorlage.  Im  Schiffe  wechseln  Pfeiler 
mit  Würfelknaufsäulen  ^  die  nur  auf  der  Nordseite  gepaart  stehen.  Der 
Thurm  mit  Pyramidendach. 

Brakel  bei  Dortmund.  Die  Templerkirche ,  roher  spätest  gothischer 
Umbau  einer  kreuzförmigen  gewölbten  Pfeilerbasilika  mit  drei  Apsiden. 
Das  Querschiff  tritt  nicht  über  die  Breite  des  Langhauses  vor.  (Lübke 
Taf.  6.) 

Brtkel  bei  Paderborn.  Die  Kirche,  deren  ursprüngliche  Anlage  ganz 
dem  System  der  Klosterkirchen  von  Lippoldsberg  und  Gehrden  folgt,  doch 
ist  das  südliche  Seitenschiff  später  auf  gleiche  Höhe  mit  dem  Mittelschiffe 
gebracht  und  ein  polygoner  gothischer  Chorachluss  angesetzt.  Thurm 
modern. 

BrecktcB  bei  Dortmujid.  Gerade  geschlossene,  spitzbogige  Hallenkirche 
mit  viergiebeligem  Westthurm.  Die  Pfeiler  mit  eleganten  Ecksäulchen. 
(Details  bei  Lübke  Taf.  12.) 

Breftken  bei  Paderborn.  Gewölbte,  kreuzförmige  Pfeilerbasilika  mit 
drei  Apsiden  und  einem  im  unteren  Theile  eine  Vorhalle  bildenden  West- 
thurm unter  Pyramidendach.  (Lübke  Taf.  3.) 

Ottc,  Kuiwt-Archiiulogie.  2S 


430  Romanische  Kirchen 

BrilOB  an  der  Ostgrenze  des  Sauerlandes,  Pfarrkirche,  Hallcnbau  im 
Uebergangsstil ;  Chor,  Querschiff  und  Thurra  gothisch . 

BireB  unweit  Lippstadt.  Die  Stadtkirche,  eine  gewölbte,  kreuzförmige 
Pfeilerbasilika  im  Uebergangsstil,  mit  gerade  schliessendem  dreischiffigem 
Chor.  Die  Hauptpfeiler  mit  Vorlagen  für  die  Quer-  und  Schildbögen  der 
Gewölbe;  die  Zwischenpfeiler  sehr  schmal  rechteckig.    (Lübke  Taf.  3.) 

Cappetberg  bei  Lüne.  Die  1122  gegrflndete  Prämonstratenserkirche, 
eine  ursprünglich  flach  gedeckte  (gothisch  überwölbte)  Pfeilerbasilika  mit 
gothisch  verändertem  Chorschluss  und  ehemals  mit  Nebenapsiden  an  den 
Kreuzflügeln. 

Castrop  bei  Dortmund.  Die  Kirche,  Hallenbau  im  Uebergangsstil,  mit 
einer  äusserlich  polygonen  Chorapsis  und  in  der  Mauerdicke  ausgesparten 
Nebenapsiden.  Die  Pfeiler  mit  Halb-  und  Ecksäulen.  Die  Seitenschiffe 
unter  Giebeldächern. 

C^rrej  bei  Höxter.  Die  nach  dem  30  jährigen  Kriege  völlig  umgestal- 
tete Benedictinerkirche ;  nur  die  unteren  Theile  des  Zwischenbaues  und  der 
Thürme  mit  schwerfälligen  Pfeilern  und  Säulen,  welche  letztere  an  ihren 
Capitälen  eine  eigenthümlich  strenge  Nachbildung  des  korinthischen  Ca- 
pitäls  und  überdies  die  Anordnung  eines  architravähnlichen  Kämpfers  mit 
antikem  Zahnschnitt  über  der  Deckplatte  zeigen  (oben  S.  294  Fig.  127), 
werden  einem  im  Jahre  885  geweihten  Bau  zugeschrieben  —  wenn  sie  nicht 
vielleicht  doch  erst  einem  Neubau  um  1058  — 1071  angehören  sollten,  zu- 
mal jener  Unterbau  noch  ein  gleichzeitiges  Oberstock  trägt,  dessen  ganze 
Bauweise  für  das  XL  Jahrh.  spricht.    (Lübke  Taf.  15  Fig.  1.) 

Cronbach  bei  Siegen.  Die  Kirche,  Hallenbau  im  Uebergangsstil,  mit 
Chorapsis,  Wandnischen  am  Ostende  der  Seitenschiffe  und  Westthurm. 
Die  schwerfälligen  Pfeiler  mit  vier  Halbsäulen  als  Gurtträger.  In  den  Seiten- 
schiffen sechstheilige  Gewölbe . 

Belbruek  bei  Lippstadt.  Die  Kirche  enthält  die  verbauten  Reste  einer 
gewölbten  Basilika,  in  welcher  Pfeiler  mit  gekuppelten  Säulen  wechselten. 
(Lübke  Taf.  5.) 

Bene  bei  Dortmund.  Kleine  gewölbte  Kreuzkirche  mit  geradem  Chor- 
schluss und  Nischen  in  den  Ostwänden  des  Querschiffes.  Die  Seitenschiffe 
haben  fast  die  Höhe  des  Hauptschiffes,  von  dem  sie  durch  einen  Mittel- 
pfeiler und  Zwischensäulen  getrennt  sind.    (Lübke  Taf.  lO.j 

BortnMBd.  Die  Marienkirche,  eine  spätroman .  gewölbte  Pfeiler- 
basilika ohne  Querschiff,  mit  zwei  den  Giebel  des  Mittelschiffes  flankirenden 
Westthürmen.  Die  Pfeiler  haben  mit  Säulen  besetzte  Vorlagen.  Im  Mittel- 
schiff Doppeljoche  mit  Kuppelgewölben.  Chor  gothisch.  (Lübke  Taf.  18 
und  24  Fig.  8  f.)  —  Die  Reinoldikirche,  eine  kreuzförmige,  gewölbte 
Pfeilerbasilika  im  Uebergangsstil ;  die  Pfeiler  von  Kreuzform  mit  vier  Haib- 
und vier  Ecksäulen.  Chor  gothisch,  Thurm  aus  dem  XVII.  Jahrhundert. 
(Lübke  Taf.  U  und  25.) 

Broggelte  bei  Soest.  Heil.  Grabkapelle,  ^)  s.  oben  S.  85  und  Fig.  34. 


l}Blanken8tein,  die  Kapelle  zu  Drflggelte,  in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen 
1S54.  Sp.  397—102  u.  Taf.  52. 


in  Westfalen.  431 

(Giefers,  Drei  Kapellen.  Taf.  3—5.  —  Lübke  Taf.  14  und  IG  Fig. 
24—26.) 

Ebey  bei  Iserlohn.  Prämonstratenser-Nonnenkirche,  roher  Hallenbau 
in  Kreuzform  mit  geradem  Chorschluss,  Wandapsiden  in  den  Querschiff- 
mauern und  einem  Westthurm.    Uebergangsstil. 

Ebpe  bei  Attendorn.  Die  Kirche,  ein  kleiner  Hallenbau  im  Ueber- 
gangsstil, ähnlich  dem  zu  Crombach. 

Elger  bei  Herford.  Von  der  goth.  Stiftskirche  gehören  der  Chor  nebst 
Apsis  und  das  Querhaus  mit  Nebenapsiden  der  spätroman.  Zeit  an.  Der 
Thurm  steht  isolirt. 

Eftliiger  bei  Ahlen.  Kleine  spitzbogige  Hallenkirche  mit  quadratischem 
Chor  und  Westthurm.  (Details  bei  Lübke  Taf.  7  Fig.  10.) 

Erwitte  bei  Lippstadt.  Die  Kirche,  eine  gewölbte,  kreuzförmige  Pfeiler- 
basilika mit  drei  Apsiden  und  massenhaftem  viergiebeligem  Westthurm. 
Die  Gewölbe  ohne  Rippen,  zwischen  breiten  Quergurten.  (Lübke  Taf.  16 
und  25.) 

Eite»  bei  Rinteln.  Einschiffige  Gewölbekirche  mit  Chorapsis.  (Lübke 
Taf.  3.) 

Hschbeck  unweit  Hameln.  DieBenedictiner-Nonnenkirche,  eine  kreuz- 
förmige, durchweg  flach  gedeckte  Pfeilerbasilika  mit  bedeutend  erhöhtem 
Chor  und  Chorapsis,  zwei  Nebenapsiden  an  den  gleichfalls  erhöhten,  von 
der  Vierung  durch  Brüstungs wände  abgeschlossenen  Kreuzarmen,  mit  west- 
lichem Thurm-  und  Vorhallenbau  :  sehr  unregelmässig  in  allen  Maassver- 
hältnissen, und  in  der  südl.  Arkadenreihe  mit  Einmischung  zweier  Würfel- 
knaufsäulen. Die  Krypta  hat  Gratgewölbe,  flie  von  zwei  Reihen  Würfel- 
knaufsäulen getragen  werden ;  auch  unter  den  Kreuzarmen  befinden  sich 
rundbogig  Überwölbte  Räume.  Der  Kreuzgang  südlich  neben  der  Kirche, 
mit  herausgeschlagenen  Gewölben.  Das  schon  954  gegründete  Kloster 
wurde  1234  zerstört  und  1254  neu  eingeweiht,  die  Kirche  scheint  aber  der 
ersten  Hälfte  des  Xu.  Jahrh.  anzugehören.    (Lübke  Taf.  3.) 

FlechUrf  bei  Corbach.  Die  Kirche  des  1101  gegründeten  Benedictiner- 
klosters,  ursprünglich  eine  rechteckige,  aus  zwei  Doppeljochen  bestehende, 
überwölbte  Pfeilerbasilika,  welcher  in  der  Uebergangsperiode  westlich  noch 
anderthalb  Joche  und  zwei  ganz  stattliche  Thürme  hinzugefügt  sind.  Das 
südl.  Seitenschiff  ist  in  frühgoth.  Zeit  zu  gleicher  Höhe  mit  dem  Mittel- 
schiffe gebracht  und  das  Xjfanze  unter  ein  Dach.  (Orth,  in  der  Zeitschr. 
für  Bauwesen.  1862.  Taf.  32  f.) 

Freckenk^rst  bei  Warendorf.  Die  Benedictinerkirche,  eine  zum  Theil 
gothisch  veränderte  und  überwölbte,  1129  geweihte  Pfeilerbasilika  mit 
zwei  schlanken  Thürmen  an  der  Ostseite  der  Kreuzarme  und  einem  massen- 
haften, eine  Vorhalle  umschliessenden  Thurme  vor  der  Westseite,  der  ur- 
sprünglich von  zwei  runden  Treppenthürmen  flankirt  war.  Krypta  mit 
Würfelknauf  Säulen . 

VrereB  bei  Lingen.  Einfache  Kirche  spätroman.  Stils  mit  gerade 
schliessendem  Chor. 

rroBileBkerg  a.  d.  Ruhr.  Cisterzienser-Nonnenkirche,  begonnen  1230 
und   1371   noch  nicht  vollendet,   einschiffiger,  kreuzförmiger  Gewölbebau 

2S* 


432  Romanische  Kirchen 

ohne  Apsiden  im  Uebergangsstil.  Die  zwei  westlichsten  Joche  mit  einer 
Nonnenempore  sind  frühgothisch.  (Lübke  Taf.  18.) 

ClehnleB  unweit  Paderborn.  Die  Nonnenklosterkirche,  eine  gewölbte 
Pfeilerbasilika  in  Kreuzform  (nach  1146),  mit  gothisch  verlängertem  Chor 
und  zwei  in  Apsiden  schliessenden  Nebenchören.  Quadratische  Arkaden- 
pfeiler mit  abgeschrägten  Ecken  und  angelehnten  Halbsäulchen.  Ein  vier- 
eckiger Sattelthurm  mit  Dachreiter.   (Lübke  Taf.  6.) 

Cleseke  bei  Lippstadt.  Die  Nonnenstiftskirche,  eine  vielfach 
veränderte,  romanisch  und  gothisch  umgebaute  und  in  einen  Hallenbau 
verwandelte  ursprüngliche  Pfeilerbasilika  mit  Apsiden  an  den  Kreuzarmen 
und  zwei  östlichen  Thürmen  in  gleicher  Linie  mit  der  Giebelmauer  des  ge- 
rade schliessenden  Chores;  ausserdem  ein  kräftiger  Westthurm.  (Lübke 
Taf.  16  Fig.  9.)  —  Die  Pfarrkirche,  eine  ebenfalls  vielfach  romanisch 
und  gothisch  veränderte  gewölbte  Pfeilerbasilika  mit  dreiseitig  geschlos- 
senem Chor  und  ursprünglich  mit  Nebenapsiden  am  Querschiff;  ein  Sattel- 
thurm in  Westen. 

fl«MebheiM  bei  Corbach.    Kirche,  der  zu  Adorf  ähnlich. 

CI«ilelheiM  bei  Höxter.    Einschiffige  Kirche  mit  goth.  Chor. 

CIrMseB-WieileB  bei  Hameln.  Einfache  einschi£fige,  gerade  geschlossene, 
überwölbte  Kirche. 

iMnebb  Das  Münster,  dessen  Kern  in  der  Uebergangsperiode  aus  einer 
Basilika  in  eine  kreuzförmige  Hallenkirche  umgebaut  und  erweitert,  und 
wiederum  gothisch  verändert  worden  ist.  Bemerkenswerth  ist  die  Anlage 
eines  mächtigen  Kuppelthurmes  über  der  Vierung.  Unter  letzterer  und  dem 
ursprünglich  mit  einer  Apsis  geschlossenen  Chor  eine  aus  zwei  verschieden 
behandelten  Abtheilungen  bestehende  Säulenkrypta.  (Lübke  Taf.  9  Fig.  7.) 

lardekaueB  bei  Warburg.  Geringe  Ueberreste  der  Cisterzienser- 
kirche  (Lübke  Taf.  15  Fig.  4)  und  eine  zum  Kloster  gehörig  gewesene 
zweistöckige  Kapelle  im  Uebergangsstil,  deren  viereckiges  Erdgeschoss 
dem  durch  eine  Freitreppe  zugänglichen  achteckigen  Oberstock  als  Unterbau 
dient.  Das  Pyramidendach  erhebt  sich  zwischen  den  vorgebauten  Dächern 
von  acht  Giebeln.  (Ebd.  Taf.  14.) 

legge«  bei  Attendorn.  Kleine  spitzbogige  Hallenkirche,  ähnlich  der 
zu  Crombach. 

leitleB  bei  Attendorn.  Die  Kirche,  eine  in  drei  Apsiden  schliessende 
gewölbte  Pfeilerbasilika  im  Uebergangsstil ,  ohne  Querschiff.  Unter  dem 
Chor  eine  rohe  Pfeilerkrypta. 

leMbergen  bei  Münster.    Einschiffige  gewölbte  Kirche. 

leaserde  bei  Unna.  Ueberwölbte  einschiffige  Kirche  in  Kreuzform. 
Der  mit  Apsis  versehene  Chor  und  das  Querschiff  mit  Wandapsiden,  an- 
scheinend älter  als  das  spitzbogige  Langhaus  und  der  Westthurm. 

leriieke  bei  Dortmund.  Die  Nonnenkirche,  eine  gewölbte  Pfeiler- 
basilika mit  gerade  schliessendem  Chor  in  rohem  Uebergangsstil.  —  Eine 
rechteckige  Kapelle  mit  Apsis  ebenfalls  roh. 

leif^fd.  Die  Münsterkirche,  ein  dem  Dome  in  Paderborn  verwandter 
mächtiger,  kreuzförmiger  Hallenbau  von  drei  gleichen  Schiffen  mit  zwei 
Westthürmen  zu  den  Seiten  des  wagerecht  schliessenden  Zwischenbaues, 
im  Uebergangsstil.    Im  nördlichen  Kreuzarme  eine  von  Säulen  getragene 


in  Westfalen.  433 

Nonnenempore.  Alle  GewOlbe  ohne  -Rippen,  im  Mittelschiff  kuppelartig 
zwischen  spitzbogigen  Quergurten.  Die  langen  schmalen,  meist  rundbogigen 
Fenster  zu  zwei  oder  drei  in  Gruppen.  Die  Seitenschiffe  unter  Giebel- 
dächern.   Der  gerade  Schluss  des  Altarhauses  spätgothisch. 

lerilgkaueB  bei  Corbach.    Kirche  der  zu  Adorf  ähnlich. 

lerifeM  bei  Lippstadt.  Die  einschiffige  Nonnenkirche,  aus  einer  ro- 
manischen spätgothisch  umgebaut. 

■•heur^de  bei  Rinteln.  Einschiffige  gewölbtet  Kirche ,  geweiht  1172 
und  1440  erweitert.  (Vergl.  Lotz  1,  306.) 

lorste  bei  Lippstadt.  Die  Kirche,  der  zu  Boke  vollkommen  ähnlich, 
jedoch  mit  in  der  Mauer  ausgesparten  Apsiden  am  Ostende  der  Seitenschiffe. 

lölter.  Die  Kilianskirche,  eine  Pieilerbasilika  mit  gerade  schliessen- 
dem  Chor,  Nebenapsiden  an  den  Kreuzarmen  und  zwei  spätroman.  West- 
th armen  neben  dem  wagerecht  geschlossenen  Zwischenbau.  Das  Schiff, 
ursprünglich  flach  gedeckt,  hat  bereits  in  roman.  Zeit  eine  Ueberwölbung 
in  Doppeljochen  erhalten;  ebenso  die  niedrigeren  Kreuz  vorlagen.  Die 
Halbsäulen  an  den  einfachen  Pfeilern,  welche  die  Gewölbegurte  tragen, 
zeigen  mannichfaltiges  Ornament  der  Capitäle  mit  Adlern,  Drachen,  Pflan- 
zen etc.  und  Eckblattbasen.  Der  Chor  hat  goth.  Gewölbe;  das  südl.  Seiten- 
schiff ist  in  spätgoth.  Zeit  verdoppelt.     (Lübke  Taf.  4  Fig.  6.) 

Ivckanle  bei  Dortmund.  Die  Kirche,  ein  aus  zwei  Jochen  bestehender 
Hallenbau  mit  westlichem  Thurm  und  gothischem  polygonen  Chorschluss. 
Die  sehr  Whmalen  Seitenschiffe  enden  in  flachen  Wandapsiden.  (Lübk« 
Taf.  11.) 

liisteB  bei  Arnsberg.  Die  Kirche,  eine  aus  drei  gleich  langen,  in  Ap- 
siden schliessenden  Schiffen  bestehende  kleine  gewölbte  Pfeilerbasilika  mit 
westlich  vorgelegtem  Thurm.  Die  breiten  Hauptpfeiler  der  drei  Doppel- 
joche mit  Pilastervorlagen,"  die  Zwischenpfeiler  schmäler.  Die  Seitenschiff- 
gewölbe ohne  alle  Gurtungen.  An  der  Nordseite  ein  reicher  gestaltetes 
Portal.    (Lübke  Taf.  3  Fig.  4.  Taf.  4.) 

Meuen  ^)  bei  Wunstorf.  Die  Kirche  in  einschiffiger  Kreuzform,  mit 
der  innerlich  durch  einen  Blendbogenkranz  über  frei  stehenden  schlanken 
Würfelknaufsäulen  gesclimückten,  äusserlich  polygonen  Apsis  an  der  Ost- 
seite der  Vierung,  zwei  Wandapsiden  in  den  .Kreuzarmen  und  einem  West- 
thurm  von  der  Breite  des  Schiffes :  spätroman.  Gewölbebau  mit  kuppel- 
artigen Gewölben,  deren  Quer-  und  Kreuzgurte  auf  Halbsäulen  basiren, 
mit  denen  die  Wandpfeiler  besetzt  sind.  (Hase,  Baudenkm.  Niedersach- 
sens. Heft  4.  Sp.  133—140  und  Taf.  31  f.  —  Lübke,  Kunst  in  West- 
falen. Taf.  13  Fig.  5—7,) 

herlohl.  Kirchspielskirche,  goth .  Umbau  einer  kreuzförmigen 
Basilika.  —  Theile  der  spätgoth .  OberenStadtkirche. 

Rappel  bei  Lippstadt.  Die  Nonnenstiftskirche,  eine  verstümmelte  ge- 
wölbte Pfeilerbasilika  mit  gerade  geschlossenem  Chor,  aber  ehemals  mit 
zwei  Nebenapsiden  an  den^reuzarmen.  In  den  Seitenschiffaxen  zwei  West- 
thürme,  verbunden  durch  den  horizontal  geschlossenen  Zwischenbau.    Den 


1]  Fiedeler ,  Zur  Gesch.  des  Dorfes  Idensen,  in  der  Zeitschr.  des  histor.  Ver- 
eins für  Niedersachsen.  1856.  2,88—144. 


434  Romanische  Kirchen 

grössten  Theil  des  Schiffes  nimmt  eine  von  zwei  Reihen  Pfeilern  und  Säulen 
getragene  Nonnenempore  ein. 

Kemade  bei  Bodenwerder  a.  d.  Weser.  Die  kleine  Nonnenkirche, 
eine  flach  gedeckte  Pfeilerbasilika  mit  Chorapsis ,  ursprünglich  auch  mit 
Nebenapsiden  an  den  Kreuzarmen,  ohneThurm;  vielleicht  der  1046  ge- 
weihte Bau.    (Detail  bei  Lübke  Taf.  3.) 

Keppel  bei  Crombach.  Kleine  einschiffige  gewölbte  Stiftskirche  im 
Uebergangss  til . 

Hirch-Btrchei  bei  Paderborn.  Gewölbte  einschiffige,  gerade  geschlos- 
sene Kirche  mit  Sattelthurm.  An  den  Kämpfern  der  Wandpfeiler  das 
Schach-  und  das  Tauornament. 

KircUlsile  bei  Dortmund.  Die  Kirche,  ein  Hallenbau  im  Uebergangs- 
stil,  ohne  Querschiff  mit  äusserlich  polygoner  Apsis  und  Wandnischen  am 
Ostende  der  sehr  schmalen  Seitenschiffe.  Das  Mittelschiff  hat  zwei  Kuppel- 
gewölbe zwischen  rundbogigen  Quergurten ;  die  Seitenschiffe  mit  querlie- 
genden Tonnenwölbungen  mit  einschneidenden  spitzen  Stichkappen.  West- 
thurm  neu.  (Lübke  Taf.  11.) 

Kirch  -  Teisched«  ini  Kr.  Olpe.  Einschiffige,  völlig  einfach  behandelte 
Kirche  im  Uebergangsstil. 

K^esfeM.  Die  Jacobikirche,  vielfach  verbauter  und  entstellter 
spitzbogiger  Hallenbau  in  der  Grundform  des  Kreuzes  mit  gerade  schlies- 
sendem  Chor,  im  reichsten  Uebergangsstil.  Im  Schiff  wechseln  achteckige 
Pfeiler  und  Säulen.  Der  höchste  Glanz  erscheint  an  dem  Portal,  welches 
aus  der  unter  dem  (älteren)  Westthurm  liegenden  Vorhalle  in  das  Schiff 
führt.  (Schimmel,  Denkm.  Lief.  9.  —  Lübke,  Gesch.  der  Architektur. 
S.  376.)  —  Die  Lambertikirche  ist  eine  gothisch  umgebaute,  ur- 
sprünglich romanische  Basilika. 

Hruckeberg  bei  Oldendorf.  Einfache,  spitzbogig  über  Kragsteinen  ein- 
gewölbte Kirche  im  Uebergangsstil. 

Klflkeibflrg  bei  Karlshafen  a.  d.  Weser.  Ruine  der  Burgkapelle :  ^) 
ein  mit  Kuppel  gedeckter  Rundbau,  an  den  sich  kreuzförmig  vier  niedrige 
Schenkel  legten,  die  mit  Tonnengewölben  bedeckt  waren.  [Lübke 
Taf.  14.) 

Langeihtrst  unweit  Rheine.  Die  Kirche  des  1 178  gestifteten  Nonnen- 
klosters ,  ein  unsymmetrisch  geplanter  Hallenbau  in  der  Grundform  des 
Kreuzes  mit  einer  an  der  Chorgiebelwand  rechteckig  ausgebauten  Apsis  und 
der  Anlage  zweier  Thürme  in  den  Winkeln  zwischen  Chor  und  Querschiff. 
Das  ganze  Schiff  nimmt  eine  Nonnenempore  ein,  welche  von  einer  mitt- 
leren Säulenreihe  getragen  wird,  deren  Capitäle  in  ausgezeichneter  Arbeit 
reich  geschmückt  erscheinen.  Die  Wandflächen  der  Ostpartie  sind  durch 
Blendbögen  belebt,  die  auf  schlanken  Halbsäulen  ruhen.  (Lübke  Taf.  10.) 

Legdea  bei  Ahaus.  Die  Kirche,  in  der  Anlage  der  Johanniskirche  von 
Billerbeck  nahe  verwandt,  doch  mit  kürzerem^Langhaus  und  in  den  Orna- 
menten der  Capitäle  weniger  elegant.  Die  Aussenflächen,  hier  wie  dort, 
durch  Lisenen  und  Rundbogenfriese  detaillirt.  Zwei  zierliche  Säulenportale  ; 


1)  Lassaulx,  J.  Claud.  v.,  die  Kirche  zu  Krukenburg,  in  Wigand's  Archiv 
für  Gesch.  u.  Alterthumakunde  Westfalens.  VII.   I,  87— SD. 


in  Westfalen.  435 

vor  dem  südlichen  eine  nach  Osten  offene  Vorhalle  mit  Kleeblogeneingang. 
(LübkeTaf.  10.) 

Lemg^t  Die  Nicolaikirche,  gothischer  Umbau  einer  gewölbten  Pfeiler- 
basilika im  Uebergangsstil.  Die  beiden  Westthürme  mit  dem  horizontal 
abschliessenden  Zwischenbau  aus  der  früheren  Bauperiode.  (Lübke 
Taf.  9  ) 

Lette  bei  Rheda.  Flach  gedeckte  einschiffige  Kirche  mit  prachtvollem 
spätroman.  Südportal.    (LübkeTaf.  16.) 

Lippeidsberg  oberhalb  Karlshafen  a.  d.  Weser.  Die  Nonnenkirche, 
eine  überwölbte  Pfeilerbasilika,  deren  Seitenschiffe  sich  jenseits  des  Quer- 
hauses neben  dem  Chore  fortsetzen  und  wie  dieser  in  Apsiden  enden.  Die 
rundbogigen  Quergurte  der  Gewölbe  werden  an  den  Hauptpfeilern  von  aus- 
gekragten Vorlagen  getragen ,  in  den  Seitenschiffen  von  Consolen.  Die 
schlanken  Zwischenpfeiler  sind  auf  den  Ecken  mit  Würfelsäuich en  besetzt 
und  die  Arkadenbögen  mit  einer  feinen  Hohlkehle  gegliedert.  Weit  hinein 
in  die  westliche  Hälfte  der  Kirche  schiebt  sich  die  Nonnenempore ,  auf 
niedrigen  Säulen-  und  Pfeilerstellungen  ruhend.  Von  den  ursprünglichen 
beiden  Westthürmen  steht  nur  noch  der  südliche.  (Lübke  Taf.  6.) 

LiffStailtt  Der  massige  Westthurm  und  das  Querhaus  der  Grossen 
Marienkirche  mit  den  beiden  schlanken  Thürmen  an  der  Ostseite  der 
Kreuzarme  datiren  von  einem  1198  geweihten  Bau.  Der  dreischifilge 
Hallenbau  des  Langhauses  ist  ein  Umbau  aus  dem  XIIE.  Jahrh.  im  Ueber- 
gangsstil, die  Pfeiler-  und  Gewölbeanordnung  ähnlich  der  Johanniskirche 
in  Billerbeck;  der  Chor  spätgothisch.  (iTtibke  Taf.  10.)  —  Die  Nicolai- 
kirche mit  geradem  Chorschluss  und  innen  runden,  aussen  polygonen 
Nebenapsiden  am  Querschiff  im  Uebergangsstil.  Das  aus  zwei  Doppel- 
jochen bestehende  Langhaus  ist  in  der  westlichen  Hälfte  basilikal,  mit 
einem  Thurm  über  dem  Mittelschiff,  in  der  östlichen  Hälfte  Hallenbau. 

Leccflm  bei  Stadthagen.  Die  1240  begonnene,  1277  vollendete  Cister- 
zienserkirche,  ^)  eine  gewölbte,  spitzbogige  Pf  eiler  basilika  im  Uebergangs- 
stil: Chor  (geweiht  1250)  gerade  geschlossen ;  je  zwei  Kapellen  abseiten- 
artig an  den  Kreuzarmen  (oben  S.  89  Fig.  36; ;  die  Hauptpfeiler  des  Lang- 
hauses mit  ausgekragten  Ecksäulen  für  die  Gewölberippen ,  die  etwas 
schwächeren  Zwischenpfeiler  mit  engagirten  Ecksäulchen.  Die  Fenster 
stehen  paarweise  unter  jedem  Schildbogen  und  sind  in  der  Ostpartie  rund- 
bogig,  im  Schiff  spitzbogig.  Restaurirt  seit  1848.  (LübkeTaf.  8.)  — 
Der  Capitelsaal,  wohl  älter  als  die  Kirche. 

Lfigde  bei  Pyrmont.  Die  Kilianskirche,  eine  kleine  gewölbte  Basilika, 
in  der  Pfeiler  und  Säulen  wechseln ;  das  Querschiff  mit  Apsiden,  der  Chor 
mit  einer  grösseren  Apsis ;  Westthurm  mit  Satteldach,  die  Halle  im  Erd- 
geschoss  mit  einem  Tonnengewölbe.  Die  ornamentale  Behandlung  der 
Würfel-  und  trichterförmigen  Capitäle  und  der  beiden  an  den  Kreuzgiebel- 
fronten befindlichen  Portale  zwar  reich,  aber  in  unbehilflicher  Zeichnung 
und  von  ziemlich  roher  Arbeit.   (Lübke  Taf.  5  und  15  Fig.  7  f.) 


i)L(abke,  W.),   Fünf  Cisterzienser-Abteikirchen.   2.  Loccum,  im  Organ  für 
Christi.  Kunst.  1S53.  8.  17 — 19.   Vergl.  die  Bemerkung  von  v.  Quast,  ebd.  S.  54. 


436  Romanische  Kirchen 

Harleilfelil  unweit  Gütersloh.  Die  Cisterzienserkirche,  ')  Zie- 
gelbau im  Uebergangsstil  mit  Hausteindetails,  geweiht  1222  :  eine  kreuz- 
förmige, spitzbogige,  überwölbte  Basilika  mit  wechselnden  Pfeilern  und 
Säulen  und  einem  niedrigen  Umgang  um  den  gerade  geschlossenen  Chor. 
Die  Stelle  des  südlichen  Seitenschiffes  nimmt  ein  Ueberrest  des  gothischen 
Kreuzganges  ein.  Am  Aeussern  Rundbogenfriese  aus  Ziegeln.  (Lübke 
Taf.  8.) 

■arierainster  bei  Höxter.  Die  Benedictinerkirche,  eine  völlig  ver- 
änderte und  verzopfte  Basilika  mit  achteckigem  Thurm  über  dem  Kreuz- 
mittel und  zwei  durch  einen  wagerecht  endenden  Zwischenbau  verbundenen 
Westthürmen. 

leogede  bei  Dortmund.  Die  Kirche  in  Kreuzform  mit  geradem  Chor- 
schluss,  ein  dreischiffiger  Hallenbau  in  rohem  Uebergangsstil. 

letelen  bei  Steinfurt.  Die  Nonnenkirche  in  merkwürdig  unregel- 
mässiger Anlage  und  Ausbildung ,  ein  Hallenbau  ohne  südliches  Seiten- 
schiff im  Uebergangsstil,  anscheinend  aus  einem  älteren  Gebäude  umge- 
wandelt, mit  gerade  schliessendem  Chor,  mit  einer  weit  in  beide  Schiffe 
vortretenden  unterwölbteh ,  von  Pfeilern  getragenen  Nonnenempore  in 
Westen.  Der  Zwischenbau  mit  Staffelgiebel ;  ebenso  der  südlich  anliegende 
Thurm,  während  der  nördliche  nur  im  Unterbau  vorhanden  ist.  Auf  der. 
Südseite  ein  prachtvoll  spätromanisches  Säulenportal.  (Lübke  Taf.  7 
Fig.  8.) 

Hethler  unweit  Dortmund.  Die  Kirche,  ein  dreischiffiger  Hallenbau 
mit  quadratischem  Chor  und  polygonen  Apsiden  am  Ostende  der  Seiten- 
schiffe, in  zierlich  durchgeführtem  spitzbogigem  Uebergangsstil.  Die  kreuz- 
förmigen Pfeiler  mit  vier  HalbsSulen  und  vier  Ecksäulen  für  die  Quer-  und 
Kreuzgurte  der  Gewölbe.  Die  Seitenschiffe,  die  fast  ebenso  breit  und  ebenso 
hoch  sind,  wie  das  Hauptschiff,  haben  einzelne  Giebeldächer  von  gleicher 
Höhe  mit  dem  Dache  des  letzteren.  Der  Westthurm  ist  älter  als  das  Uebrige. 
Restaurirt.    (Lübke  Taf.  11 .  1 5  f.  und  25 .) 

limleB.  Der  Westbau  des  Domes:  ein  Glockenhans  von  der  vollen 
Breite  der  Kirche  mit  von  Säulen  getheilten  Schallöffnungen  im  Oberge- 
schoss,  aus  dessen  Mitte  ein  mit  ähnlichen  Oeffnungen  versehener  niedriger 
Sattelthurm  aufsteigt.  Diese  Theile  sehr  wahrscheinlich  1062 — 1072;  die 
niedrige  (gothisch  veränderte)  Vorhalle  vor  dieser  Fa^ade  anscheinend  etwa 
gleichzeitig  mit  dem  Querhause  und  dem  Langchore  im  spätroman.  Stil. 
Das  Uebrige  ist  gothisch.  (Lübke  Taf.  2  Fig.  2.)  Der  Kreuzgang  in 
höchst  einfachem  Uebergangsstil.  —  Die  Marienkirche  enthält  in  ihrem 
goth.  Umbau  noch  den  Kern  einer  roman.  Basilika.  Die  Martinikirche, 
jetzt  ein  goth.  Hallenbau,  war  früher  ebenfalls  eine  gewölbte  romanische 
Basilika. 

lölleilbeck  bei  Rinteln.  Die  beiden  runden  Westthürme  der  spät- 
gothischen  ehemaligen  Benedictiner  -  Nonnenkirche.  Romanische  Reste 
in  der  Krypta,  vielleicht  auch  im  Querschiff.     (Lübke  Taf.  20  Fig.  d.  e.) 


I)  L(abke)  a  a.  O.  S.  laf. ;   3.  Marienfeld. 


in  Westfalen.  437 

iJUttter.  ^)  Der  Dom,  an  Ausdehnung  den  ersten  Hang  unter  den 
westfölischen  Kirchen  einnehmend,  eine  doppelchOrige  gewölbte  Pfeilerba- 
silika mit  zwei  Querschiffen,  im  vollendeten  Uebergangsstil  (1225 — 1261), 
theilweise  mit  brillant  spätgoth.  Veränderungen.  Der  Ostchor  mit  Umgang 
bildet  einen  fünfseitigen  Schluss ,  der  Westchor ,  von  zwei  viereckigen 
Thürmen  flankirt,  schliesst  in  gerader  Linie.  Im  Schiffe  sind  nur  die  sehr 
breiten,  durch  Spitzbogen  verbundenen  Hauptpfeiler  erhalten,  die  Zwischen- 
pfeiler schon  frühzeitig  herausgebrochen.  Die  Fenster  stehen  zu  dreien  in 
pyramidalen  Gruppen.  Im  Chor  eine  Galerie,  die  sich  in  den  Ereuzarmen 
fortsetzt.  Das  westliche  Querhaus  mit  schönen  Kundfenstern  und  einem 
Doppelportal  an  der  Südseite,  an  die  sich  ein  ursprünglich  offenes  Paradies 
schliesst.  (Schimmel,  Denkm.  in  Lief.  1.  4.  6  f.  —  Lübke  Taf.  9.  — 
Förster,  Denkm.  4,  13—17  i^nd  2  Taf.)  —  Der  Thurm  der  Lamberti- 
k  i  r  c  h  e ,  neuerlichst  Behufs  Neubau  abgetragen .  —  DieLudgerikapelle 
bei  der  Liebfrauenkirche,  ein  kleiner  überwölbter  Raum,  vielleicht  Thurm- 
rest  der  früheren  Kirche.  —  Die  Ludger iki r che,  eine  gothisch  ver- 
änderte, kreuzförmige,  ursprünglich  spätromanische  (1203),  gewölbte  Pfei- 
lerbasilika mit  achteckigem  Mittelthurm.  (Schimmel  a.  a.  O.  in  Lief.  1 
und  4.)  —  Der  untere  Thurmtheil  der  goth.  Martinikirche.  —  St. 
M  a  u  r  i  t  z ,  kleine  einschiffige  Kirche  (nach  1197)  mit  Westthurm  und  zwei 
kleinen  Chorthürmen ;  Chor  spätgothisch.  —  St.  Servatius,  Hallen- 
kirche im  Uebergangsstil,  in  welcher  Pfeiler  mit  schlanken  Säulen  wechseln ; 
gothische  Veränderungen  und  Zusätze.    (Lübke  Taf.  10.) 

Netie  bei  Waldeck.    Zweistöckige  Kapelle  im  Uebergangsstil. 

Heien -leene  bei  Paderborn.  Die  Benedictiner- Nonnenkirche,  spät- 
gothischer  Umbau  einer  kreuzförmigen,  gerade  geschlossenen  und  flach  ge- 
deckten Säulenbasilika  von  1165  mit  einem  von  zwei  runden  Treppen- 
thürmen  flankirten  Westthurm.  Im  südlichen  Kreuzarm  der  gewölbte  Ca- 
pitelsaal,  darüber  der  Nonnenchor.  Unter  dem  Chore  eine  dreischiffige 
Säulenkrypta.  (Lübke  Taf.  12.) 

#ber*lanberg  unweit  Paderborn.  In  dem  jetzigen  dreischiffigen,  viel- 
fach veränderten  Hallenbau  der  alten  Benedictinerkirche  der  Kern  eines 
Bauwerkes  roman.  Stils.    Krypta.    (Lübke  Taf.  12  und  15.) 

tbenkifchei  bei  Rinteln.  Die  westliche  Vorhalle  der  goth.  Nonnen- 
kirche mit  zwei  ohne  Zwisohenbau  dicht  aneinander  gerückten  viereckigen 
Thürmen  im  Uebergangsstil. 

Mer*Tid«rf  bei  Paderborn.  Die  Kirche,  ein  einschiffiger  Gewölbebau 
mit  quadratischem  Chor.    (Lübke  Taf.  18.) 

#ber*Werbä  bei  Waldeck.  Ruine  der  jetzt  einschi£ßgen ,  gewölbten 
Klosterkirche.  (Denkm.  der  deut.  Baukunst,  dargestellt  von  dem  hessischen 
Verein  zu  Darmstadt.  I.) 

tcktnif  unweit  Rheine.  Spätromanische  Kirche  mit  gerade  geschlos- 
senem Chore. 

MIe  bei  Plettenberg.  Die  Kirche,  Hallenbau  im  Uebergangsstil,  der 
Kirche  zu  Heggen  ähnlich ;  nur  steht  der  Thurm  über  dem  quadratischen 
Chorraume,  aus  dessen  Ost  wand  die  Apsis  hervortritt. 


1)  (Geisberg,  H.),  Merkwürdigkeiten  der  Stadt  Münster.   1854. 


438  Romanische  Kirchen 

tfheriieke  unweit  Dortmund.  Die  Kirche,  eine  überwölbte  Basilika 
mit  nur  einem  (nördl.)  SeitenschiflP,  schmal  rechteckigem,  in  der  Tonne 
eingewölbtem  Chor,  an  den  sich  eine  äusserlich  polygonische  Apsis  schliesst, 
und  mit  Wandapsiden  in  der  Mauerst&rke  der  Kreuzarme.  Im  Schiff  wech- 
seln gekuppelte  Säulen  mit  Pfeilern,  die  fttr  die  Schildgurte  mit  Pilaster- 
vorlagen,  für  die  Quergurte  mit  Halbsäulen  versehen  sind.  Brillante  oma- 
mentirte  Ausstattung.  Westthurm  mit  niedriger  Dachpyramide.  (Lübke 
Taf.  5.) 

teiede  bei  Osnabrück.  Die  einschiffige  kreuzförmige  Nonnenkirche 
mit  gerade  geschlossenem  Chor  und  Flachnischen  in  den  Ostwänden  der 
Kreuzflügel ,  Gewölbebau  im  Uebergangsstil.  In  Westen  eine  Balken- 
empore. In  der  Ostpartie  spätgothische  Fenster.  Ein  Westthurm  an  der 
Nordseite. 

taiabrack.  *)  Der  Dom,  eine  vielfach  veränderte  überwölbte  Pfeiler- 
basilika im  Uebergangsstil  mit  einem  Thurme  über  der  Vierung  und  zwei 
Westthürmen ;  die  Arkadenpfeiler,  in  Pilasterecken  abgetreppt,  sind  höchst 
massig,  die  Kreuzarme  durch  eine  Brüstungswand  von  der  Vierung  ge- 
schieden ;  der  ursprünglich  gerade  geschlossene  Chor  ist  in  gothischer  Zeit 
mit  Umgängen  und  Kapellen  versehen.  Die  Sacristei,  sehr  schön  im  spät- 
romanischen Stil;  auch  der  Kreuzgang  grösstentheils  noch  romanisch. 
(Lübke  Taf.  7.  —  Förster,  Denkm.  9,  55  f.  und  1  Taf.)  —  Die 
Johanniskirche,  kreuzförmiger  dreischiffiger  Hallenbau  im  gothisi- 
renden  Uebergangsstil  mit  gerade  geschlossenem  Chor  und  zwei  West- 
thürmen am  wagerecht  endenden  Zwischenbau.  Die  Pfeiler  im  Schiff  mit 
eingelassenen  Ecksäulchen.  Die  Seitenschiffe  mit  Giebeldächern.  Plumpe 
Strebepfeiler.  —  Der  Thurm  der  Marienkirche  im  Uebergangsstil. 

ttteBfeMe  bei  Warendorf.  Die  Kirche ,  ein  einschijßger  Gewölbebau 
im  Uebergangsstil.  Das  Aeussere  zierlich  schmuck  voll ;  doch  alles  Orna- 
mentale arg  verwüstet. 

tsterwick  bei  Koesfeld.  Spätromanische  Kirche  mit  gerade  schlies- 
sendem  Chor. 

PaderlMni.  Die  Bartholomäikapelle,  ^)  ein  gewölbter  drei- 
schiffiger,  von  Säulen  getragener  Hallenbau  mit  Apsis  und  einer  sehr 
niedrigen  in  der  Tonne  überwölbten  Vorhalle  in  Westen.  Die  Säulen  zum 
Theil  mit  korinthisirenden,  denen  von  Corvey  sehr  ähnlichen  Capitälen. 
Die  Gewölbe  sind  rechteckige  gestutzte  Kuppeln  zwischen  Gurtbögen.  Er- 
baut 1017.  Restaurirt  1859.  (Schimmel,  Denkm.  in  Lief.  9  und  10.  — 
Giefers,  Drei  merkwürdige  Kapellen.  S.  10  und  Taf.  1  f.  —  Lübke 
Taf.  2  und  15  Fig.  2.  —  Kugler,  Gesch.  der  Baukunst  2,  425.)  —  Die 
Benedictinerkirche  Abdinghof,  eine  gerade  geschlossene,  überwölbte 
Pfeilerbasilika  in  profanirten  Ueberresten ;  die  unter  dem  Chore  befindliche 


1)  Prisac,  Kirchen  u.  kirchl.  Alterthümer  u.  Kunstwerke  in  Osnabrück,  im 
Kölner  Dombl.  No.  58.  —  Lübke,  W.,  Kunstwerke  des  M.-A.  in  Osnabrück,  im 
D.  Kunstbl.  1853.  No.  1  f. 

2)  Die  Marien-  u.  Bartholomäuskapelle  su  Paderborn,  im  Organ  für  christl. 
Kunst.  1852.  No.  12  f.  —  Kayser,  J.,  die  Bartholomäikapelle  zu  Paderborn,  in 
den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.  etc.  (1865).  10,  32—10;  auch  im  Organ  für 
Christi.  Kunst.   1865.  S.  91  ff. 


in  Westfalen.  439 

dreischifiige  Krypta,  mit  Tonnengewölben  und  einschneidenden  Stichkappen 
über  Pfeilern  und  Bündelsäulen ,  wird  dem  XI.  Jahrh.  zugeschrieben. 
(Lübke  Taf.  2  und  15  Fig.  10.)  —  In  der  im  Uebrigen  goth.  Stiftskirche 
Bustorf  hat  der  von  zwei  RundthOrmen  flankirte  Chor  roman.  Ueberwöl- 
bung  und  der  Westthurm  einen  roman.  Unterbau.  —  Der  Dom,  ^)  in  der 
ursprünglichen  Anlage  eine  gerade  geschlossene  Pfeilerbasilika  mit  öst- 
lichem und  westlichem  Querschiff  und  einem  westlich  vorgelegten  Thurm, 
nach  einem  Brande  von  11 33  geweiht  1143,  sodann  in  der  ersten  Hälfte 
des  XIII.  Jahrh.  grösstentheils  zu  einer  Hallenkirche  im  Uebergangsstil 
umgebaut  und  (abgesehen  von  späteren  gothischen  Veränderungen)  früh- 
gothisch  vollendet.  Als  älteste  Theile  charakterisiren  sich  der  massige,  von 
zwei  kleinen  runden  Treppenthürmen  flankirte  Giebelthurm  (oben  S.  426 
Fig.  148)  und  die  unter  dem  Chor  und  der  Vierung  belegene  dreischiifige 
Krypta  mit  gurtenlosen  Kreuzgewölben,  welche  von  sechs  Paar  Würfel- 
knaufsäulen mit  Eckblattbasen  und  einem  eingereihten  Pfeilerpaare  ge- 
tragen werden.  Bemerkenswerth  sind  die  beiden  am  westlichen  Querschiff 
befindlichen  reichen  Portale,  besonders  das  Doppelportal  der  Südseite 
(Moller,  Denkm.  I.  Taf.  17).  Der  nordöstliche  Kreuzarm  hat  statt  des 
Giebels  einen  polygonischen  frOhgothischen  Schluss.  (Schimmel,  Denkm. 
in  Lief.  1.  2.  4—6  und  7.  —  Lübke  Taf.  2  Fig.  1.  Taf.  13.)  —  Die 
Gaukirche  (des  1230  gestifteten  Cisterzienser  -  Nonnenklosters) ,  eine 
kleine  ursprünglich  gewölbte  und  später  veränderte  Pfeilerbasilika  mit  ge- 
radem Chorschluss  und  ehemals  mit  Seitenapsiden.  Ein  achteckiger  West- 
thurm. 

Peetiei  bei  Minden.  Die  einschiffige  gewölbte  Kirche  mit  einem  West- 
thurm, dessen  Erdgeschoss,  mit  einem  Tonnengewölbe  gedeckt,  sich  gegen 
das  Schiff  in  einem  Doppelbogen  über  einem  Pfeiler  öffnet. 

Plettenberg.  Die  Kirche,  ein  Hallenbau,  an  Grösse  und  Raumtheilung, 
in  der  Ueberwölbung  und  rohen  Behandlung  der  Pfeiler  dem  zu  Balve  fast 
gleich,  zeichnet  sich  durch  den  äusserlich  polygonen,  innerlich  halbrunden 
Schluss  der  KreuzflOgelfronten  und  durch  die  beiden  schlanken  Chor- 
thürmchen  aus.  Der  Chor  hat  einen  späteren  gothischen  Schluss.  (Lübke 
Taf.  11.) 

Keeke  im  Kr.  Tecklenburg.  Beachtenswerthe  Dorfkirche,  verschie- 
denen roman.  Bauperioden  angehörig,  mit  Vorhalle  im  Thurme. 

SeckllighilseB  unweit  Dortmund.  Gothischer  und  verzopfter  Umbau 
einer  kreuzförmigen  Hallenkirche  mit  Westthurm. 

Rehme  bei  Minden.  Dorfkirche  ^)  in  der  Grundform  des  fast  gleich- 
schenkeligen  Kreuzes  mit  Chorapsis  und  Westthurm ;  zum  Theil  gothisch 
verändert. 

Rhynen  bei  Hamm.  Die  Kirche,  eine  gewölbte  spätroman.  Basilika 
mit  wechselnden  Pfeilern  und  Säulen ;  gerade  geschlossener  Chor,  Wand- 
apsiden in  den  Kreuzarmen,  viereckiger  Westthurm  mit  schlankem  Helm. 


1)  Brand,  F.  J.,  der  Dom  zu  Paderborn.   1827.  —  Giefcrs,  W.  Engelbr., 
der  Dom  zu  Paderborn.   1860. 

2)  E(ye,  A.  v.),  die  roman.  Kirche  zu  Rehme,  im  Anzeiger  des  German.  Mu- 
seums.  1861.  Sp.  235— 237. 


440  Romanische  Kirchen 

liiteh«  Die  Marktkirche,  ^)  gothischer  Umbau  einer  gewölbten  Pfeiler- 
basilika im  Uebergangsstil  (1238).  Originell  spätroman.  Hauptportal  an  der 
Südseite.  (Lübke  Taf.  18.) 

Ritten  bei  Brilon.  Hallenkirche  im  Uebergangsstil  mit  polygonisch 
geschlossenem  Chor  und  Wandapsiden  am  Ostende  der  Seitenschiffe.  Die 
Gewölbe  im  Schiff,  Kuppeln  (zum  Theil  eingestürzt),  in  den  Seitenschiffen 
Halbkuppeln  ähnlich.  Die  Pfeiler  mit  flck-  und  Frontalsäulchen,  als  Träger 
der  spitzbogigen  Gurte.    Moderner  Thurm. 

Stisktttei  bei  Paderborn.  Einfache  Hallenkirche  in  Kreuzform  mit 
gerade  geschlossenem  Chor  und  Westthurm ;  Uebergangsstil  und  gothisch 
verändert. 

SchnaUenberg  unweit  Arnsberg.  Hallenkirche,  der  zu  Brilon  ähnlich ; 
Chor  gothisch. 

Seidenh^nl  unweit  Münster.  Die  Kirche,  einschiffiger  Gewölbebau 
in  Kreuzform  mit  gerade  geschlossenem  Chor ;  Uebergangsstil,  Thurm  älter. 

Siegen.  Die  Nicolaikirche,  ein  sechseckiger  Centralbau  mit  niedrigem 
Umgang,  rechteckigem  Chor  mit  Apsis  und  viereckigem  Westthurm ;  roher 
Uebergangsstil. 

Stest,^)  Der  Dom,  eine  kreuzförmige  Pfeilerbasilika  von  grossen  Di- 
mensionen, mit  Chorapsis  und  einer  nördlichen  Nebenapside,  ursprünglich 
nur  mit  überwölbten  Seitenschiffen,  später  (um  1166)  in  einen  Gewölbebau 
umgewandelt  und  zum  Theil  mit  gothischen  Veränderungen.  Ausgezeichnet 
ist  die  Vorhalle  mit  ihrer  Empore  und  dem  sich  über  derselben  erhebenden 
Thurm ,  dessen  Bauformen  aus  dem  romanischen  in  den  gothischen  Stil 
übergehen,  und  besonders  bemerkenswerth  die  spätromanische  zweistöckige 
Vof halle  vor  der  Westfront,  deren  starke  Pfeiler  reich  mit  Halbsäulen  be- 
setzt sind,  und  die  sich  in  fünf  Rundbögen  öffnet.  An  der  Südseite  des 
Chores  unter  der  roman.  Sacristei  befindet  sich  noch  ein  Nebenraum  der 
ehemal.  Krypta,  dessen  Kreuzgewölbe  von  Würfelknaufsäulen  getragen 
werden.  (Lübke  Taf.  4.  —  Förster,  Denkm.  8,  33—36  und  2  Taf.)  — 
Ueberreste  eines  Kreuzganges,  der  die  östlichen  Theile  der  Kirche  wie  eine 
Ringmauer  umfasste,  und  eines  zweiten  längs  der  Südseite.  —  St.  Maria 
zur  Höhe  (die* ZToAn«  genannt),  eine  zur  unsymmetrischen  Hallenkirche 
im  Uebergangsstil  umgebaute  bescheidene  Pfeilerbasilika  mit  quadratischem 
Chor,  einer  äusserlich  polygonen  Apside  am  Ende  des  nördlichen  und  einer 
Wandnische  am  Ende  des  südlichen  Seitenschiffes.  Im  Innern  an  der  west- 
lichen Wand  sind  Reste  des  alten  Baues  kenntlich :  eine  niedrige  Halle 
unter  dem  Thurm,  mit  Tonnengewölbe  und  eine  zum  Theil  erhaltene  Em- 
pore. Das  Aeussere  reich  mit  Lisenen,  Bogenfriesen  und  mancherlei  Blen- 
den; das  südwestliche  Säulenportal  ^)  mit  Figurencapitälen.  (Lübke 
Taf.  17.)  —  Die  Nicolaikapelle  (neben  dem  Dom) ,  ein  zweischiffiger 


1)  Wippermann,  die  luther.  Pfarrk.  St.  Nicolai  zu  Rinteln,  in  der  Zeitschr. 
des  Vereins  für  hess.  Gesch.  u.  Landeskunde  7,  66. 

2)  Tappe,  W.,  die  Alterthümer  der  deut.  Baukunst  in  der  Stadt  Soest.  2  Thle. 
1823.  — Barthold,  F.  W.,  Soest,  die  Stadt  der  Engem.  1855.  8. 

3)  (y.  Medem),  Bildwerke  des  M.-A.  in  Soest.   Das  Südportal  an  der  Marienk. 
zur  Höhe.  (Berlin  1863.) 


in  Westfalen.  441 

Hallenbau  mit  Ostlicher  Apsis  und  westlich  dreiseitig  geschlossen  mit  Em- 
porenanlage; die  Schiffe  geschieden  durch  zwei  schlanke,  20'  hohe  mono- 
lithe Würfelknaufsäulen,  auf.  denen  die  gurtenlosen  Kreuzgewölbe  ruhen. 
(Ebd.  Taf.  14  Fig.  4—6.)  —  St.  Peter  (die  alte  Kirche  genannt),  eine 
kreuzförmige,  gewOlbte  Basilika  mit  drei  frühgothischen,  pölygonisch  ge- 
schlossenen Choren,  in  welcher  massige,  mit  Vorlagen  versehene  Pfeiler 
mit  streng  ornamentirten  WtLrfelknaufsäulen  wechseln.  Der  Thurm  erhebt 
sich  über  dem  Westende  des  Mittelschiffes  und  bildet  im  Unterstockwerke 
mit  den  anliegenden  Theilen  der  Seitenschiffe  eine  dteischiffige,  sich  weiter 
nach  Osten  vorschiebende  Säulenvorhalle  mit  Empore.  Als  spätere  Hinzu- 
fügung aus  der  Uebergangsperiode  ergeben  sich  die  Über  den  Seitenschiffen 
angeordneten  Emporen,  und  gleichzeitig  fand  auch  ein  Umbau  des  Quer- 
schiffes mit  den  prächtig  verzierten  Spitzbogenportalen  statt.  (Ebd.  Taf.  5 
und  16.)  —  Die  ruinOse  Thomaskirche,  eine  117^  begonnene  über- 
wölbte Basilika;  welche  durch  Erhöhung  des  nördlichen  Seitenschiffes  in 
der  Uebergangsperiode  und  durch  den  gothischen  Umbau  des  südlichen  in 
eine  Hallenkirche  mit  frühgothischem ,  polygonisch  schliessendem  Chore 
verwandelt  erscheint.  Auch  der  westliche  Theil  mit  dem  Thurme  und  einer 
sich  unter  diesem  und  zu  beiden  Seiten  erstreckenden  Empore  stammt  aus 
der  Uebergangsperiode. 

8«iniieneh  unweit  Paderborn.    UeberwOlbte  einschiffige  Kirche. 

Stetafirt  unweit  Münster.  Zweischifiige  Doppelkapelle  im  Schlosse 
Burgsteinfurt,  mit  viereckiger  Oeffnung  im  Fussboden  des  Oberstockes. 
(LübkeTaf.  14.) 

Stelilieiin  unweit  Pyrmont.  Die  Kirche,  ursprünglich  eine  der  Kirche 
zu  Lügde  sehr  ähnliche,  nur  zierlichere  und  jüngere  gewOlbte  Basilika,  die 
in  gothischcr  Zeit  in  eine  Hallenkirche  umgewandelt  worden  ist. 

Siniighauei  bei  Beckum.  Einschiffige  gewOlbte  Kirche,  durch  eine 
Chorapsis  und  ein  zierliches  Portal  ausgezeichnet. 

Sylnirg  am  Zusammenflusse  von  Ruhr  und  Lenne.  Einschiffige  flach 
gedeckte  Kirche  mit  spätroman.  viergiebeligem  Westthurm  und  einem  Säulen- 
portal an  dessen  Südseite;  der  Chor  spätgothisch . 

Thnle  bei  Paderborn.  Die  Kirche,  ein  einschiffiger  roher  GewOlbebau ; 
der  Thurm,  dessen  Innerei  mit  zur  Kirche  gezogen  ist.  mit  angelehntem 
runden  Treppenhause. 

Twiste  bei  Corbach.  Kleine  T  förmige  in  zwei  Doppeljochen  über- 
wölbte Pfeilerbasilika  mit  Chorapsis  und  Flachnischen  in  den  Wänden  der 
Kreuzarme.  Das  Innere  des  Westtkurms  bildet  eine  überwölbte  Halle. 
(Orth  .  in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen.  1862.  Taf.  32  f.  —  Vergl.  oben 
S.  38  Fig.  10.) 

YalberC  bei  Attendorn.  Eine  im  XTV.  Jahrh.  umgebaute,  ursprünglich 
roman.  Pfeilerbasilika ;  halb  zerstört. 

YeUei  bei  Obemkirchen.    Schlichte  einschiffige  GewOlbekirche. 

Vene  unweit  Lippstadt.  Die  Kirche  zeigt  im  nördlichen  Seitenschiffe 
die  frühere  Anlage  einer  gewölbten  Basilika,  in  welcher  Pfeiler  mit  gekup- 
pelten Säulen  wechselten.  Der  Westthurm  ist  achteckig  mit  schlankem 
achtscitigem  Helm.    (Lübke  Taf.  5.) 

Vredei.   Die  Stiftskirche,  in  einschiffiger  Kreuzform  und  gewölbt,  mit 


442  Romanische  Kirchen 

dreiseitig  geschlossenem,  gothisch  überwölbtem  Chor  und  mit  gothischen 
Fenstern.  Die  dem  XI.  Jahrh.  zugeschriebene  dreischiffige  Krypta  wird 
durch  zwei  massenhafte  Pfeiler  in  zwei  Theile  getheilt,  von  denen  der  Ost- 
liche kleiner,  aber  von  höheren  Säulen  und  Gewölben  ist,  als  der  westliche, 
der  sechs  Stützen  hat,  vier  Pfeiler  und  zwei  Säulen,  die  mit  Cannelirungen 
und  Honstigen  verticalen  Gliederungen  versehen  sind ;  die  Gesimse  überall 
in  Kamiessform;  die  Gewölbe  zwischen  Längen-  und  Quergurten  einge- 
spannt. (Lübke  Taf.  2.  15  und  16.) 

Wallenh^rst  bei  Osnabrück.  Die  Kirche,  eine  kleine  überwölbte  Pfeiler- 
basilika im  Uebergangsstil  mit  vorgelegtem  quadratischem  Chor  und  mit 
einem  querschiffartigen  Westbau ,  vor  dessen  Mitte  der  viereckige  Thurm 
steht.  Ueber  den  Seitenschiffen  waren  ehemals  Emporen.  (Hase,  Bau- 
denkm.  Heft  1.  Sp.  29—32  und  Taf.  7,  Vergl.  Mittheil,  des  histor.  Ver- 
eins zu  Osnabrück  5,  325—338.) 

Warbarg.  Die  Johanniskirche,  ein  dreischiffiger  Hallenbau  im 
Uebergangsstil ;  Westthurm  und  Querschiff  gothisch  verändert ;  Chor  go- 
thisch .  —  Die  zweistöckige  Schlosskapelle^  ein  Rechteck  mit  Apsiden- 
schluss ;  das  Erdgeschoss  bildet  eine  dreischiffige  kryptenartige  Säulenhalle, 
das  Oberstockwerk  ist  gothisch  eingewölbt  und  auf  zwei  Freitreppen  zu- 
gänglich.  (Lübke  Taf.  3  Fig.  8.) 

Wafersloh  bei  Lippstadt.  Kleine  Hallenkirche  im  Uebergangsstil  mit 
gerade  geschlossenem  Chor  und  Wandapsiden  in  den  Kreuzarmen.  Seiten- 
schiffe später  verbreitert  und  Fenster  verändert. 

Wefebbarg  *)  bei  Paderborn.  Die  durch  eine  Reihe  von  drei  Rund- 
pfeilem  in  zwei  gleich  hohe  Schiffe  getheilte  Burgkapelle  mit  niedrigen 
Kreuzarmen. 

Weibeck  bei  Hameln.  Flach  gedeckte  einschiffige  Kirche  mit  gothisch 
gewölbtem  Chor. 

Weuigsei  bei  Hannover.  Reste  der  Nonnenkirche  im  Uebergangsstil : 
ein  Langhaus  mit  nur  einem  (südlichen)  in  einer  Apsis  endenden  Seiten- 
schiff; nördlich  baut  sich  ein  Querarm  mit  einer  Nonnenempore  an,  der 
wie  der  Chor  spitzbogig  eingewölbt  ist.    Ein  viereckiger  Westthurm. 

Werdohl  bei  Plettenberg.  Hallenkirche  von  derselben  Anlage  wie  die 
von  Balve,  doch  ohne  Querschiff  und  um  ein  Joch  kürzer  und  mit  Wand- 
apsiden am  Ende 'der  Seitenschiffe. 

Wester-Kappeh  bei  Osnabrück.    Romanische  Kirche. 

Wetter  ^j  bei  Herdecke.  Romanische  Kirche  im  Dorfe ;  in  der  goth. 
Kirche  auf  der  Freiheit  roman.  Reste. 

Wickeile  bei  Unna.  Hallenkirche  im  zierlichen  Uebergangsstil,  der 
sich  besonders  in  dem  quadratisch  geschlossenen  Chor  und  äusserlich  an  der 
Südseite  entfaltet.  Der  Westthurm  ist  älter,  auch  anscheinend  die  später 
erhöhten  Umfassungsmauern  der  Kirche. 

WiedeBbrÜck  bei  Gütersloh.  Chor  und  Querhaus  der  spätgoth.  Capi- 
telskirche  in  zierlich  reichem  Uebergangsstil.  Drei  polygonische  Apsiden. 
(Lübke  Taf.  9.) 


1)  Giefera,  W.  Engelbr.,  Gesch.  der  WefeUburj?.  1855. 

2)  Hark  ort,  Gesch.  des  Dorfs,  der  Burg  u.  der  Freiheit  Wetter.   lS5ü. 


in  Westfalen.  443 

WiiAete  unweit  Minden.  Gewölbte  einschiffige  Kirche  mit  gerade 
geschlossenem  Chor.    Westthurm  mit  Satteldach. 

Wtmback  im  Kr.  Meschede.    Hallenkirche,  der  zu  Heggen  ähnlich. 

Anmerkung.  Einzelne  Theile  und  mehr  oder  minder  beträcht- 
liche Reste  aus  der  romanischen  und  Uebergangsperiode  finden  sich  unter 
anderen  in  folgenden  westfälischen  Kirchen : 

Böddeken  bei  Paderborn,  Breckerfeld  bei  Wipperfürth, 
Clarholz  bei  Belen,  Dellwig  bei  Menden,  Dringenberg  bei  Pa- 
derborn ,  G e h r d e n  unweit  Hannover,  Gembeck  im  Waldeckischen , 
Kapelle  zu  Hauhenhorst  bei  Münster,  Abteikirche  zu  Iburg  bei 
Osnabrück,  L ü n n e r n  bei  Unna,  Massenhausen  im  Waldeckischen, 
Meschede  unweit  Soest,  N o 1 1 u  1  n  bei  Koesfeld,  Rh e n a  bei  Corbach , 
Rh  öden  bei  Arolsen,  Rietberg  bei  Gütersloh,  Schwerte  bei  Dort- 
mund, Vasbeck  bei  Corbach,  Kapelle  zu  Visbeck  bei  Wildeshausen. 

Romanische  Thürme  z.  B.  in: 

Altenberge  bei  Münster,  Alten-Rüthen  bei  Brilon,  Asseln 
bei  Dortmund,  Attendorn  bei  Siegen,  Bennighausen  bei  Lipp- 
stadt ,  C a m e n  bei  Dortmund ,  Diestedde  bei  Beckum  ,  Elsen  bei 
Paderborn  ,  G i m t e  bei  Münster ,  Grafschaft  bei  Schmellenberg, 
Greven  bei  Münster,  Grohnde  bei  Hameln,  Liesborn  bei  Lipp- 
stadt, Lingen  bei  Osnabrück,  Rhede  bei  Bocholt,  Roxel  bei  Münster, 
Senden  bei  Lüdinghausen. 


v-4-4 P 'A ¥ ? % ? S'-*" 

Fi;.  186.   Klotterkirchc  in  Jericbow  (nach  r.  Minutoli). 


445 


YII.  Im  norddentschen  Tieflande. 

Literatur:  Kumohr,  C.  F.  v.,  Einige  Nachrichten  von  Alterthümern 
des  transalbing.  Sachsens,  in  F.  Schi e gel' s  Deutschem  Museum.  4,  479  iF. 
Ibl4.  —  Büsching,  J.  G.,  Wöchentl.  Nachrichten  für  Freunde  der  Gesch., 
Kunst  etc.  des  M.-A.  24  Hefte.  1816  —  18.  —  Derselbe,  Reise  durch  einige 
Münster  u.  Kirchen  des  nOrdl.  Deutschlands.  1819. —  Derselbe,  Merk- 
würdigkeiten altdeut.  Kunst  in  der  Altmark.  1825.  —  Strack,  J.  H.,  u. 
M  e  y  e  r  h  e  i  m ,  F.  C,  Architekt.  Denkmttler  der  Altmark  Brandenburg ;  mit 
erläuterndem  Text  von  Fz.  Kugler.  4  Hefte.  ts33.  —  Humohr,  C.  F.  v, 
Ueberblick  der  Kunsthistorie  des  transalbing.  Sachsens,  im  Archiv  für  Gesch. 
der  Herzogth.  Schleswig  etc.  2,  1 — 22.  1*^3^.  —  v.  d.  Hagen,  Kunstalterth. 
in  Schlesien,  Preuss.  Polen  u.  Preussen;  aus  J.  G.  Büsching's  Nachlass 
mitgetheilt,  in  Kugler 's  Museum.  1835.  No.  5  ff.  —  Minutoli,  Alex,  v., 
Denkm.  mittelalterl.  Kunst  in  den  Brandenb.  Marken.  Lief.  I  u.  2.  1S36.  — 
Wiggert,  F,  Histor.  Wanderungen  durch  Kirchen  des  Reg. -Bez.  Magde- 
burg, in  den  N.  Mittheil,  des  Thüring.-Sftchs.  Vereins  III.  4,  99  ff.  u.  VI.  2, 
1  ff.  1S3T.  1842.  —  Kugler,  Fz.,  Pommersche  Kunstgesch.  1840.  (Wieder 
abgedruckt  u.  mit  vielen  Abbild,  ausgestattet  in  den  Kl.  Sehr.  1,  652  835.) 
—  Riedel,  Ad.  F.,  Klöster  u.  Klosterruinen  in  der  Churmark  Brandenburg, 
in  den  Mark.  Forschungen.  1,  n»5  ff.  1841.  —  Jahresberichte  des  Vereins  für 
Meklenburg.  Gesch.  u.  Alterthumskunde.  VI— VIII.  1S41  —  I843.  ~  Lisch, 
G.  C.  F  ,  Jahrbücher  des  Vereins  für  Meklenb.  Gesch.  u.  Alterthumskunde. 
IX.  etc.  1S44  etc.  —  Hirsch,  Th.,  Beiträge  zur  Gesch.  Westpreuss.  Kunst- 
bauten. Tbl.  1  (Kloster  OH va).  1850.—  Quast,  Ferd.  v.,  Beiträge  zur  Gesch. 
der  Baukunst  in  Preussen,  in  den  Neuen  Preuss.  Provinzialbliittern.  Bd.  IX. 
bis  XI.  Heft  3.  1850  f.  -  Derselbe,  Zur  Charakteristik  des  älteren  Ziegel- 
baues in  der  Mark  Brandenburg,  im  D.  Kunstbl.  1850.  No.  29  ff .  —  (Kal- 
lenbach,  G.  G.)  Ausflug  zu  den  Alterth.  {nehrerer  norddeutschen  Städte. 
I — XXI,  eine  Reihe  von  Artikeln  im  Organ  für  christl.  Kunst.  1S51.  No.  8 
bis  1852.  No.  21.  —  Minutoli,  Alex,  v.,  d^r  Dom  zu  Dronthcim  u.  die 
Baukunst  der  skandinav.  Normannen.  1853.  (Enthält  gelegentliche  Notizen 
u.  Abbild,  über  den  norddeutschen  Ziegelbau.)  -  Luchs,  Herrn.,  Stilbe- 
zeichnung u.  Datirung  einiger  Kirchen  Schlesiens,  in  der  Zeitschr.  des  Ver- 
eins für  Gesch.  u.  Alterth.  Schlesiens.  I,  298 — 303.  ISöO.  —  Essen  wein, 
A.,  Norddeutschlands  Backsteinbau  im  M.-A.  1^56.  —  Kirchner,  E.,  Ge- 
schichte der  Klöster  in  der  Mark  Brandenburg.  Bd.  1.  2  mit  Abbild.  1857.  — 
Milde,  C.  J.,  die  Kirchen  der  Herzogth.  Holstein  u.  Lauenburg,  in  kunst- 
geschichtlicher Hinsicht  untersucht,  im  Jahrbuch  für  die  Landeskunde  der 
Herzogth.  Schleswig,  Holstein  u.  Lauenburg.  (I.  Propatei  Stormam)  I.  3, 
331-334.  (IL  Propstei  Segeberg)  IL  3,  369—377.  l85Sf.  —  Luchs,  Herrn., 
Roman,  u.  goth.  Stilproben  aus  Breslau  u.  Trebnitz.  Kurze  Anleitung  zur 
Kenntniss  der  bild.  Künste  des  M.-A.,  zunächst  Schlesiens.  J859.  —  Adler, 
F. ,  Mittelalterl.  Backsteinbauwerke  des  preuss.  Staates.  Bd.  I.  (die  Mark 
Brandenburg.  I.  Stadt  Brandenburg.  II.  Die  Altmark)  in  6  Heften ;  Bd.  II. 
Heft  !  u.  2  (oder  7  u.  8) .  1859— 1864.  —  Weingärtner,  W.,  Charakteristik 
der  schlesischen,  bes.  Breslauer  Architekturen,  in  der  Zeitschr.  des  Vereins 
für  Gesch.  u.  Alterth.  Schlesiens.  3,  J— 32.  1861.—  Drescher,  C,  Bei- 
träge zur  Gesch.  des  Kirchenbaues  in  Schlesien,  in  den  Mittheil,  der  k.  k. 
Central-Comm.  etc.  (1864).  9,  45—69. 

Vorbemerkimg. 

86.  Erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts  konnte  das 
Christenthuui  in  den  Ländern  östlich  und  nördlich  von  der  Elbe 
festen  Fuss  fassen,  und  dieser  Periode  des  Ueberganges  aus  dem  roina- 

0 1 1  e ,  Kunst-Archäologie.  29 


446  RomaniBche  Kirchen 

nischen  ia  den  gothischen  Baustil,  welche  sich  hier  in  einzelnen  Fällen 
bis  in  den  Anfang  des  XIV.  Jahrhunderts  hineinzieht^  gehören  die 
ältesten  erhaltenen  Denkmale  an,  in  welchen  daher  grösstentheils  der 
niedrige  Spitzbogen  neben  dem  Bundbogen  vorkommt  Da  es  in  dem 
ganzen  norddeutschen  Tieüande  an  Bruchsteinen  mangelt,  so  war  man 
theils  auf  den  im  Geschiebe  mehr  oder  weniger  reich  verbreiteten 
Granit,  theils  auf  das  künstliche  Material  der  Ziegel  [opus  laterictum) 
angewiesen,  ^]  und  es  finden  sich  beide  Baumaterialien  in  dem  ganzen 
Gebiete  dergestalt  neben  einander  angewendet,  dass  grössere  Kirchen 
meist  immer  aus  Ziegeln,  kleinere  oft  (z.  B.  auf  dem  Fläming  und  in 
dem  grösseren  Theile  der  Mark  Brandenburg,  namentlich  in  der  Alt- 
mark, der  Priegnitz,  der  Grafschaft  Ruppin  und  der  Ukermark  in 
überwiegender  Mehrzahl]  aus  Granit  erbaut  sind.  ^)  Im  Lande  Stargard 
(etwa  mit  Ausnahme  der  Stadt  Neu- Brandenburg  und  des  Cisterzienser- 
Nonnenklosters  Wanzka,  wo  der  Ziegelbau  herrscht),  ist  Beides  durch 
einander  zur  Anwendung  gekommen :  Granit  zu  dem  rechteckigen 
Körper  des  Gebäudes  und  Ziegel  zur  Bekleidung  der  Fensteröffnungen. 
Granit  und  Backstein,  zwei  an  sich  höihst  verschiedenartige  Baustoffe, 
stimmen  jedoch  darin  mit  einander  überein,  dass  sie  sich  gleichmässig 
zur  Aufführung  glatter  Mauern,  also  im  Allgemeinen  für  den  roma- 
nischen Baustil  sehr  wohl  eignen,  während  jedoch  auch  hier,  was  das 
Ornament  anbetrifft,  der  harte,  nur  sehr  schwer  zu  bearbeitende  Granit 
hinter  dem  bildsamen  Backstein  zurückbleibt;  wir  finden  daher  die 
Granitgebäude  höchst  einfach,  und  ihr  ganzer,  ernster  Schmuck  pflegt 
lediglich  in  rechtwinkeligen  Abstufungen  derThür-  und  allenfalls  der 
Fensterwände,  sowie  in  Abtreppungen  der  Giebelschenkel  zu  bestehen, 
aber  eine  eigentlich  künstlerische  Ausbildung  lässt  sich  nur  an  dem 
Ziegelbau  wahrnehmen.  Das  System  desselben  schliesst  sich  im  Ganzen 
zwar  genau  an  niedersächsische  Vorbilder  mit  treuer  Festhaltung  des 
überlieferten  Basilikentypus  an^  indess  anders  verhält  es  sich  in  Be- 
ziehung auf  gewisse  Details,   (wenn  diese  nicht,  was  zuweilen  vor- 


1)  Vergl.  obenS.  27  Tl.  32— 34. 

2)  In  dem  Landstriche  des  bischöfl.  Sprengeis  Brandenburg,  welcher  nördlich 
vom  Flauer  Kanal,  westlich  von  der  £lbe  begrenzt  wird  u.  sich  südlich  bis  etwa  zur 
Anhaltischen  Grenze  erstreckt,  kommen  in  den  Stftdten  (Beizig,  Niemegk  [ehemals], 
Burg,  Genthin)  u.  auf  dem  Lande  nur  Granitkirchen  vor;  im  Havelbergischen  da- 
gegen (nördlich  von  Genthin)  scheint  ausschliesslich  der  Ziegelbau  üblich  gewesen  zu 
sein.  Auf  dem  Fläming  u.  in  der  ganzen  Umgegend  sind  die  Landkirchen  regelmassig 
aus  Granit;  die  älteste  Kirche  des  Landes  Jüterbog  (u.  1.  Fr.  auf  dem  Damm)  ist  da- 
gegen Ziegelbau.  Letzterer  kommt  auf  dem  Lande  in  dieser  Gegend  nur  ganz  ver- 
einzelt vor:  zu  Pechüle  u.  Bardenitz  bei  Treuenbrietzen,  u.  weiter  südlich:  zu  Axien 
bei  Torgau. 


im  norddeutschen  Tieflande. 


447 


Fig.  187.  Jerichow  (nach  v.  Quast). 


kömmt,  aus  Hausteinen  gearbeitet  sind).  Das  Aeussere  ist  wie  ge- 
wöhnlich mit  Lisenen  verziert,  deren  Stelle  indess  namentlich  an  den 
Apsiden  auch  wühl  von  Halbsaulenbündeln  vertreten  wird,  und  der 
herkömmliche  Kundbogenfries,  auf  verschieden  profilirten  Consölchen 

aufsetzend,  besteht  aus  mehreren  in  Stein - 
schnitt  zusammengefügten ,  nicht  profilirten 
gewöhnlichen  Ziegeln,  ist  jedoch  in  der  Regel 
so  angeordnet,  dass  die  Bogenschenkel  ein- 
ander durchkreuzen,  so  dass  jeder  Bogen  den 
andern  einmal  durchschneidet  und  von  die- 
sem einmal  durchschnitten  wird.  Dieser  Fries 
(Fig.  187)  begleitet  auch  die  schrägen  Gesimse  der  Giebelschenkel  und 
stösst  in  der  Spitze  des  Giebeldreiecks  kleeblattartig  zusammen.  Die 
Gesimse  laden  nur  so  weit  aus,  als  es  das  beschränkte  Format  der 
Backsteine  erlaubt;  es  wird  aber  häufig  durch  hinzugefügte  Consolen 
Und  durch  das  aus  übereck  gestellten  Ziegeln  gebildete  sogen,  deutsche 

Band,  welches  sägezahnartig  in 
einem  vertieften  Falze  liegt,  eine 
sehr  anmuthige  Wechselwirkung 
zwischen  Licht  und  Schatten  in 
einfachster  Weise  erreicht.  Im  In- 
nern herrscht  zwar,  von  der  Eigen* 
thümlichkeit  des  Materials  begün- 
stigt, der  Pfeilerbau  vor,  doch 
'  finden  sich  auch  Säulenarkaden,, 
und  fast  regelmässig  sind  an  den 
Ecken  der  Vierung  als  Träger  der  Scheidbögen  starke  Halbsäulen  an- 
gebracht. Der  Säulenknauf  besteht  aus  einer  dem  Material  gemässen, 
höchst  merkwürdigen  Umbildung  des  romanischen  Würfelcapitäls  :  die 
Vermittelung  des  runden  Säulenschaftes  und  der  rechteckigen  Deck- 
platte geschieht  nämlich  nicht  wie  beim  Hausteinbau  durch  Kugel-, 
sondern  durch  Kegelabschnitte,  weshalb  die  Seitenflächen  des  Capi- 
täls  sich  nicht  als  Halbkreise,  sondern  als  Trapeze  oder  Dreiecke  dar- 
stellen. ^)    Hiezu  tritt  das  eigenthümliche,  das  ganze  Mittelalter  hin- 


r\g.  1S8.  Jrrkbow 
(nach  V.  Qua»t). 


Fig.  189.   Ringctod 
(nach  Worsaac). 


J)  »Wie  dieses  Capital  praktisch  hergesteUt  worden,  lässt  sich  schvi'er  entscheiden. 
Da  die  schiefen  Kegelflfichen  nicht  geformt,  sondern  gemeisselt  sind,  so  ist  zu  ver- 
muthen,  dass  die  über  dem  Schaftringe  anfangenden  Capitälschichten  in  der  Diagonale 
des  Quadrats  schichtweise  Aber  einander  yortretend  gemauert  worden  sind,  bis  mit- 
telst der  letzten  vorgestreckten  Schichten  die  Abacusecken  erreicht  waren,  dass  dann 
▼on  diesen  Scheltelecken  aus  nach  bestimmten  Punkten  der  kreisförmigen  Grund- 
ebene Schnurachlfige  gemacht  und  endlich  mittelst  des  Meisseis  die  schiefen  Kegel- 

29* 


448  RomaniBche  Kirchen 

<larch  festgehaltene  Princip,  die  Gebäude  äusserlich  und  innerlich  im 
Rohbau  stehen  zu  lassen  und  die  sauberen  Fugen  (gelegentlich  auch 
bei  ährenförmiger  Lagerung  der  Steine  [Fig.  190],  wie  an  den  Giebeln 

der  Marienkirche  zu  Bergen, 
der  Nicolaikirche  zu  Treuen- 
brietzen  etc.],  sowie  die  warme 
Färbung  des  Mauerwerkes,  in- 
sofern der  Grund  nicht  behufs 
Aufnahme  von  Wandmalereien 
verputzt  wurde,    als   wesent- 

Fig.  190.   AehrenförmigeSteiula^run,.  j.^j^^^  ^         ^^^^j^         buntfarbige 

Wechselziegel  noch  erhöhten  Schmuck  zu  behandeln.  ^)  —  Der  Um- 
stand, dass  die  geschilderten  Besonderheiten  des  Ziegelbaues  (zu  denen 
sich  überdies  noch  eine  häufig  buchstäbliche  Uebereinstimmung  der  zu 
Profilirungen  und  Ornamenten  verwendeten  Formziegel  an  den  ver- 
schiedensten Orten  gesellt,  was  nur  aus  Benutzung  der  nämlichen 
Formen  in  den  verschiedenen  Ziegeleien  erklärt  werden  kann)  in  dem 
ganzen  weiten  Gebiete,  welches  in  Westen  bis  zur  Altmark  einschliess- 
lich, in  Osten  bis  nach  Freussen  reicht  und  sich  südlich  vom  Fläming 
und  vom  Fusse  der  Karpathen  bis  nördlich  zu  den  dänischen  Inseln 
erstreckt,  nicht  bloss  übereinstimmend  vorgefunden  werden,  sondern 
auch  in  den  ältesten  Beispielen  (Jerichowj  mitten  im  uncultivirten 
Lande  schon  in  hoher,  spater  so  kaum  wieder  erreichter  Vollendung 
erscheinen,  rechtfertigt  die  Annahme  einer  Einführung  dieser  Typen 
in  die  neu  christianisirten  Lande  aus  der  Fremde:  indirect  sicher 
wohl  aus  Italien,  direct  vielleicht  von  dem  damals  rasch  an  Macht 
wachsenden  Dänemark  aus,  wo  der  Ziegelbau  unter  Waldemar  dem 
Grossen  (1 157 — 1182)  bereits  fest  gewurzelt  und  allgemein  üblich  war.^) 


flftchen  ( —  sei  es  geradlinig,  wie  in  Fig.  1 S^,  oder,  wahrscheinlich  nach  einem  Lehr- 
brett,  ausgekehlt,  mehr  kelchartig,  wie  in  Fig.  1 89  — )  sur  Verbindung  des  Cylindera 
mit  dem  Kubus  hergestellt  wuiden.«  Vergl.  Adler,  Backsteinbauwerke.  I.  3,  40.- — 
Nachgewiesen  ist  dieses  TrapezcapitAl :  zu  Thorsager  in  Jfltland ;  zu  Köskild,  Bjemede, 
.Ringsted  und  Soröe  auf  Seeland  (und  in  Schonen  weit  verbreitet) ;  zu  Altenkirchen, 
Bergen,  Eldena  und  Colbatz,  auf  Rügen  und  in  Pommern  ;  zu  Altenkrempe,  Gettorf, 
Lütjenburg,  Segeberg,  Schlagsdorf,  Labeck,  Ratzeburg,  Yietlübbe,  Mölln,  Dargun, 
Wittenburg  und  Bachen  an  der  Niederelbe ;  zu  Prenzlau  in  der  Ukermark ;  zu  Je- 
richow,  Sandau,  Schönhausen,  Diesdorf,  Arendsee,  Salzwedel,  Gardelegen,  Gross- 
Beuster  in  der  Altmark ;  zu  Lehnin  in  der  Mark ;  zu  Oliva  bei  Banzig. 

1}  Vergl.  oben  S.  266.  —  Die  Verputzung  wurde  nur  angewendet  an  den  Ge- 
wölbekappen und  Bogeiüeibungen  (auch  wenn  leutere  nicht  aus  verhauenen  Ziegeln 
bestehen),  an  Nischen-  und  Blendenfeldern,  sowie  h&ufig  in  den  Vertiefungen  zwi- 
schen den  Schenkeln  des  Rundbogenfrieses. 

2)  Die  Yermuthung  einer  Uebertragung  der  Backstein- Architektur  aus  der  Lom- 
bardei in  die  norddeutschen  lleflande  hat  v.  Quast  [D.  Kunstbl.  JS50.  S.  235)  aus- 


im  norddeatschen  TiefUnde.  449 

Die  ältesten,  noch  aus  der  Zeit  um  die  Mitte  des  XII.  Jahrh.  her- 
rührenden Bauwerke  sind  in  der  Altmark  Brandenburg,  wo  Hil- 
lersleben,  Wolmirstädt  und  Leizkau  in  der  Zauche  die  Grenze  des 
Hausteinbaues  bilden,  zu  suchen,  während  in  den  übrigen  Marken  und 
auf  dem  Fläming  der  Denkmalbau  höchstens  bis  in  das  letzte  Viertel 
des  genannten  Jahrhunderts  hinaufreicht.  —  In  Niedersachsen 
bildet  eine  Linie  nördlich  von  Braun«chweig  über  Hannover,  Neustadt 
am  Rübenberge  bis  Verden,  bestimmt  durch  den  südlich  von  derselben 
gelegenen  Gebirgszug,  die  Grenze  des  Ziegelbaues;  doch  sind  in  dem 
rein  deutschen  Gebiete  Niedersachsens^  von  den  Grenzen  der  Altmark 
bis  zu  den  Niederlanden  hin  nur  wenige  Denkmale  des  romanischen 
und  Uebergangsstiles  im  Ziegelbau  nachgewiesen.  Auch  westlich  von 
der  Weser,  im  Oldenburgischen,  finden  sich  nur  wenige  Spuren,  und 
meist  gemischt  mit  Haustein,  der  in  den  älteren  Monumenten  vor- 
herrscht und  auf  der  Weser  und  ihren  Nebenflüssen  vom  Oberlande 
her  eingeführt  wurde.  — luden  Nord- albingi sehen  Herzogthü- 
mern  scheint  bei  den  ältesten,  vielleicht  bis  ins  XI  Jahrh.  hinaufrei- 
chenden Denkmalbauten  der  rheinländische ,  zu  Schiffe  eingeführte 
Tuff  (s.  oben  S.  27}  zur  Anwendung  gekommen  zu  sein;  später  findet 
sich  Backstein  und  Granit,  letzterer  auch  mit  Ziegeldetails.  Eigen- 
thümlich  ist  bei  einigen  Dorfkirchen  die  Anlage  eines  runden  West- 
thunues,  und  selbst  das  Beispiel  eines  Doppelthurmes  (Broacker)  wird 
angetroffen.  —  In  Meklenburgist  das  ganze  Land  mit  stilgemässen, 
meist  einschifiig  rechteckigen  und  oft  zierlich  decorirten  Backstein- 
kirchen des  XIII.  Jahrh.  förmlich  übersäet,  welche  sich  namentlich  in 

gesprochen;  seitdem  hat  Lübke  (Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.  [1860].  5,  135] 
das  Vorkommen  des  TrapezcapitAls  in  der  bis  ins  XI.  Jahrh.  hinaufreicbenden  Kirche 
S.  Ix)renzo  in  Verona  nachgewiesen  und  gefunden,  dass  die  Art  der  Verputzung  der 
Vertiefungen  zwischen  den  sich  durchkreuzenden  Schenkeln  des  Bogenfrieses  (der 
selbst  in  Kom  an  dem  Ziegelbau  des  QuerschifFes  von  St.  Johann  im  Lateran,  Abbild, 
in  den  Annales  archöol.  15,  56,  erscheint)  an  den  lombardiscben  Backsteinbauten 
gleichfalls  vorkommt.  Die  Erfindung  dieser  Typen  in  dem  italienischen  Locale  kann 
wohl  nicht  bezweifelt  werden.  —  Die  Uebertragung  aus  Dänemark  (vergl.  über  den 
dortigen  Ziegelbau:  [Worsaae  ,  J.  A.],  Kongegravene  i  Ringsted  Kirke.  Kjöbenhavn 
1958),  die  schon  Kugler  (Kunstgesch,  2.  Aufl.  S.  öJMi)  für  wahrscheinlich  gehalten 
hat,  konnte  sehr  wohl  vermittelt  sein  durch  Erzb.  Hartwig  von  Bremen,  aus  dem 
Grafenhause  Stade,  einen  Mitstifter  von  Jerichow*.  Dagegen  hat  Adler  (die  nieder- 
ländischen Kolonien  in  der  Mark  Brandenburg;  Separatabdruck  aus:  Mark.  Forsch. 
Bd.  VII.),  zwar  aus  guten  Gründen  die  Uebertragung  des  mftrki.schen  Backsteinbaues 
aus  Holland  und  vom  Niederrhein  nachzuweisen  versucht,  ohne  jedoch  auch  nur  e  i  n 
Beispiel  vcn  dem  Vorkommen  des  specifischen  TrapezcapitäU  in  jenem  Locale  beige- 
bracht zu  haben.  Die  Uebertragung  der  vollendeten  Backs teinfabrica tion  als 
solcher  (s.  oben  S.  33)  durch  die  niederländischen  Colonisten  kann  dessenungeachtet 
als  gesichert  angenommen  werden.  —  Uebrigens  findet  sich  an  den  Ziegelhauten  (z.  B. 
in  Jüterbog  und  Dobrilug)  auch  das  gewöhnliche  abgerundete  Würfelcapitäl,  zuweilen 
selbst  neben  dem  trapezförmigen. 


450  Romanische  Kirchen 

den  kleinen  Städten  und  auf  dem  Lande  (besonders  in  dem  häufig  ge- 
rade geschlossenen  Chorraum  mit  Lanzettfenstem)  noch  unverändert 
erhalten  haben.  *)  —  In  Pommern  und  auf  Rügen  datiren  vielleicht 
einige  wenige  Ueberreste  (Granit  und  Ziegel)  noch  von  dem-  Ende  des 
XII.  Jahrh.,  während  im  Ordensland  Preussen  vor  dem  dritten 
Jahrzehnt  des  XIII.  Jahrh.  kein  Denkmalbau  vorkommt.  Nicht  viel 
mehr  ist  in  Schlesien  zu  finden,  wo  übrigens  in  den  Gebirgsge- 
genden der  Steinbau  üblich  ist,  und  die  Details  der  Ziegelbauten  über- 
haupt meist  aus  Haustein  bestehen.  —  lieber  die  Holzbauten  in  Ober- 
schlesien etc,  s.  oben  S.  25  f. 

Vergl.  T.  Quast,  im  D.  Kunstbl.  1^50.  No.  29  ff.;  auch  in  derZeitschr. 
fflr  Archäol.  n.  Kunst  ],  271  ff.  —  Schnaase,  Kunstgesch.  5,  393 — 408.  — 
Kugler,  Gesch.  der  Baukunst  2,  549 — 5G7.  —  Lflbke,  Qesch.  der  ArchU 
tektur  S.  400—104. 

Alteikircbei  auf  Rügen.  Der  mit  grosser  Apsis  yersehene  romanische 
Altiirraum  der  Kirche,  einer  Pfeilerbasilika  ohne  Querhaus  und  Thurm, 
deren  spfttgothisch  überwölbtes  Schiff  im  schweren  Uebexgangsstil  gebaut 
ist.     (Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  666  f.) 

Alt«^lkrenpe  bei  Neustadt  a.  d.  Ostsee.  Die  Kirche,  eine  gewölbte 
Pfeilerbasilika  mit  flachrunder  Apsis,  ohne  Querschiff,  mit  Westthurm  über 
dem  Ende  des  Mittelschiffes,  im  Uebergangsstil.  Die  abgetreppten  Haupt- 
pfeiler des  Langhauses  sind  mit  Halbsäulen  besetzt,  die  Zwischenpfeiler  im 
Vierblatt  mit  Ecksäulchen.  Alle  drei  Schiffe  jetzt  leider  unter  einem  Dache. 
Vergl.  Lotz  1,  44. 

AH-Kalei  bei  Gnoien.  Einschiffige  gerade  geschlossene  Kirche,  zier- 
licher gewölbter  Ziegelbau  im  Uebergangsstil.  Aeusserlich  Lisenen  und 
Rundbogenfriese.    Gothischer  Westthurm. 

Alt-6aan  in  Meklenburg.  Dreischiffige  Gewölbekirche  mit  quadrat. 
CJhor  und  Westthurm ;  Uebergangsstil. 

Areiilsee  in  der  Altmark.  Die  Benedictiner-Nonnenkirche,  der  älteste 
märkische  Gewölbebau  :.  eine  rundbogige  Pfeilerbasilika  mit  Chorapsis  und 
zwei  Nebenapsiden  an  den  Kreuzarmen,  ohne  Thurm;  nach  v.  Quast 
nach  1184.  Einfach  viereckige  Arkadenpfeiler;  im  Mittelschiff  kuppel- 
artige, in  den  Seitenschiffen  Tonnengewölbe  mit  Stichkappen.  Ueber  dem 
Ostende  des  südl.  Seitenschiffes  eine  Nonnenempore.  Die  Kirche  neuerlich 
restaurirt.  (Adler  I,  47—49  und  Taf.  26—28.) 

Araebwrg  bei  Stendal.  Die  Georgenkirche,  flach  gedeckter  Granitbau 
in  einschiffiger  Kreuzform. 

!)  Lisch  (Zeitschr.  für  Bauwesen.  1^.52.  Sp.  313)  schätzt  die  Zahl  der  in  Mek- 
lenburg-Schwerin  überhaupt  vorhandenen  Backstein kirchen  auf  etwa  200  ;  leider  fehlt 
CS  gänzlich  an  Abbildungen  und  zum  Theil  auch  an  widerspruchslosen  Beschrei- 
bungen. —  Vergl.  Jahresbericht  des  Vereins  für  Meklenb.  Gesch.  u.  Alterthumsk. 
Vir,  60  ff. ;  VIII,  102  ff.  —  Lisch,  Jahrbücher  10,  30S  ff. ;  12,  460  ff.  —  D.  C.  W., 
tJebersicht  über  die  kirchl.  Denkm.  mittelalterl.  Kunst  in  Meklenburg,  ebd.  in  Bd.  29 
(1864). 


im  norddeutsohen  Tieflande.  451 

Balll  in  Pommern.  Die  Kirche,  eine  rohe  Pfeilerbasilika  im  schweren 
Spitzbogen,  ohne  Querschiff;  Granitbau. 

lardeBitl  bei  Treuenbrietzen  (dicht  neben  Pechüle;  s.  d.).  Backstein- 
kirche ^  deren  ältester  rund  bogiger  Theil  das  Schiff  ist,  mit  dem  in  gleicher 
Breite  vorgelegten  (neuerlich  geputzten)  fast  quadratischen  Westthurme, 
durch  welchen  der  Haupteingang  führt.  An  das  Schiff  ist  Ostlich  ein  in  vier 
schmalen  Jochen  edel  gothisch  überwölbtes,  breiteres,  rechteckiges  Altar- 
haus, nördlich  aus-  und  südlich  einspringend,  angebaut  mit  schmalen  L4in- 
zettfenstem,  bei  welcher  Gelegenheit  auch  das  Schiff  in  drei  Jochen  mit 
goth.  Kreuzgewölben  überspannt  wurde.  Sämmtliche  Quer-  und  Kreuz- 
gurte werden  von  zierlichen  polygonischen  Consolen  getragen.  Das  Aeu'ssere 
de&  Schiffes  ist  ganz  schlicht^  das  Altarhaus  zeigt  ein  deutsches  Band  und 
am  Giebel  eine  Blendengruppe. 

BassHH  zwischen  Verden  und  Bremen.  Die  Benedictiner- Nonnen- 
kirche, ein  dreischiffiger  Gewölbebau  im  Uebergangsötil  mit  Chorapsis  und 
einer  Nebenapsis  am  nördl.  Kreuzarm ;  am  südl.  Kreuzarm  dafür  ein  Trep- 
penhaus, als  Zugang  zu  dem  über  der  Vierung  angeordneten  Thurm*.  Das 
Langhaus  mit  der  Anlage  zweier  Westthürme  passt  nicht  recht  zu  der  Ost- 
partie und  hat  überdies  erst  nach  einem  Brande  um  1328  seine  jetzige  Ge- 
stalt erhalten.  Ziegelbau  mit  Hausteindetails.  [Hase,  Baudenkm.  Nieder- 
sachsens. Heft  3  Sp.  87—96  und  Taf.  20.) 

Behleailerf  bei  Lübeck.  Einschiffige  rechteckige  Kirche,  im  älteren 
Theile  von  Granit,  im  Uebrigen  von  Ziegeln.  Oestlich  drei  kleine  Fenster 
und  ein  zierlicher  Giebel.  An  den  Langseiten  gekuppelte  Spitzbogenfenster 
in  Rundbogenblenden.    Vergl.  Lotz  1,  65. 

Bergzai  bei  Genthin.  Backsteinkirche,  ähnlich  der  zu  Melkow  (s.  d.], 
nur  etwas  grösser. 

Bfrgea  auf  Rogen,  Ueberreste  der  1193  geweihten  Nonnenkirche  St. 
Maria:  Westportal,  Nonnenempore,  Scheidbögen  der  Vierung,  Mauern  des 
Querschiffes  und  Chores ,  Unterbau  der  Apsis ;  das  Uebrige  nach  einem 
Brande  von  1445.  (Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  664  f.) 

Berlin.  Die  unteren  Theile  der  Thurmfa^ade  der  Nicolaikirche  mit  ab- 
getreppt spitzbogigem  Portal,  runden  und  rundbogig  gedeckten  Fenstern ; 
Granitbau. 

Berne  unweit  Breslau.    Der  gerade  geschlossene  Chor  der  Kirche. 

BraidealMirg.  ^)  Der.Dom,^)  in  seiner  ursprünglichen,  im  Schiffe 
kenntlichen  Anlage  eine  schlichte  rundbogige  Pfeilerbasilika  von  der  Grund- 
form des  Kreuzes,  nach  v.  Quast  1165  bis  nach  1 179.  Von  der  zu  ebener 
Erde  unter  Chor  und  Vierung  gelegenen  Krypta  gehören  nur  die  Lang- 
wände mit  ihren  Gurtträgem  dem  ursprünglichen  Bau  an;  die  ein  halbes 
Zehneck  bildende  Apsis  und  die  zweischiffijje  Einrichtung  mit  der  mittleren 


0  Heffter ,  Mor.  W.,  Brandenburg  u.  seine  Alterth.   1S40. 

2)  Schröder,  A.,  Kurzer  Abriss  einer  Gesch.  der  Stifte-  u.  Domkirche  zu. 
Brandenburg.  lS'36  —  Derselbe,  zur  Gesoh.  de»  Bisthums  Brandenburg.  Einla- 
dungsschrift zur  9' >0  jähr  ig^h  Jubelfeier.  IS49,  :-  Vergl.  Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  448 
bis  454. 


452  Romanische  Kirchen 

Säulenreihe^)  im  Uebergangsstil  um  1235,  wo  der  Altar  der  Krypta  ge- 
weiht wurde.  Ziegelbau,  meist  mit  Hausteindetails  und  im  XIV.  Jahrh.  in 
einen jgoth.  Gewölbebau  umgewandelt;  1834  restaurirt.  (Adler  I,  11  — 15 
und  Taf.  5  —  7.)  —  Der  roman.  Westbau  der  goth.  Godehardskirche 
mit  dem  Unterbau  zweier  Thürme  und  dem  Hauptportal  aus  grossen  Gra- 
nitquadem,  um  1160.  (A.  a.  O.  S.  25  und  Taf.  18.)  —  Der  Granitunter- 
bau  der  rechteckigen  goth .  Petrikapelle  auf  der  Dominsel.  —  Die  N i- 
colaikirche  vor  der  Altstadt,  eine  Aach  gedeckte  Pfeilerbasilika  ohne 
Querschiff  mit  Chorapsis  und  Nebenapsiden  am  Ostende  der  Seitenschiffe. 
Die  Toman.  Ostpartie  älter  als  die  im  Uebergangsstil  ausgeführten  übrigen 
Theile,  als  deren  jüngster  sich  die  einen  grossen  abgetreppten  Giebel  bil- 
dende Westfront  darstellt,  aus  welcher  sich  zwei  niedrige  dicht  aneinander 
stehende  viereckige  Thürmchen  entwickeln.  Die  Fenster  im  Obergaden  des 
Langhauses  sind  theils  kreisförmig,  theils  übereck  gestellt  viereckig.  (A.  a.  O. 
S.  8  — 10  und  Taf.  3  f.)  —  Ueber  die  ehemal.  Marienkirche  auf  dem  Har- 
lungerberge  s.  oben  S.  282. 

Breslau«  ^)  Die  kleine  Aegidienkirche  auf  dem  Dom  im  Ueber- 
gangsstil: der  polygone  Chor  mit  rundbogigem  Kreuzgewölbe,  das  Schiff 
mit  Tonnengewölbe.  —  An  der  Südseite  der  goth.  Magdalenenkirche 
ein  reich  geschmücktes  spätroman.  Hausteinportal  von  der  alten  "Vincenz- 
kirche.  ^) 

Breaeker  unweit  Flensburg.  Kreuzkirche  im  Uebergangsstil,  mit  Apsis 
und  breitem  Westthurm,  der  zwischen  je  vier  Giebeln  mit  zwei  neben  ein- 
ander stehenden  Helmen  gekrönt  ist.  (Ansicht  im  Jahrb.  für  christl.  Unter- 
haltung auf  das  Jahr  1866.  [Kaiserswerth] .  S.  117.) 

Rachel  bei  Lauenburg.  Das  Langhaus  der  Kirche,  ein  dreischifilger 
Hallenbau  im  Uebergangsstil.  Die  Pfeiler  bestehen  abwechselnd  aus  vier 
runden  und  aus  vier  achteckigen  Halbsäulen,  die  aus  rothen  und  schwarzen 
Ziegelschichten  aufgemauert  sind  und  schwarze  Trapezcapitfile  tragen.  Der 
ursprünglich  einschiffige  Chor  hat  s^JÄtgoth.  Seitenschiffe  erhalten.  Vergl. 
Lotz  1,  128. 

Borg  unweit  Magdeburg.  Die  Untere  Pfarrkirche,  eine  Basilika 
mit  Chorapsis  und  zwei  Nebenapsiden  an  den  Kreuzarmen;  zwei  West- 
thürme  mit  schlanken  Helmen  schliessen  das  hohe  geradlinig  endende  Zwi- 
schenhaus ein.  Granitbau.  (Bernewitz,  in  der  Allgem.  Bauztg.  1845 
zu  S.  385.)  —  Die  Obere  Kirche  hat  einen  ähnlichen  Thurmbau.  Vergl. 
Lotz  t,  131. 

Cannfa  in  Pommern.  Der  Dom,  eine  kreuzförmige  Basilika  mit  Chor- 
apsis,  ist  mit  Ausnahme  des  wohl  noch  dem  XH.  Jahrh.  angehörenden 
Granitportals  im  nördlichen  Kreuzarme,  in  seinen  älteren  Theilen  im  Spitz- 
bogen  des   XIII.  Jahrh.    erbaut,    die  Fenster   zu   dreien   in   p3*ramidalen 

1)  Adler,  F.,  dns  Figuren-Kapitell  in  der  Krypta  des  Domes  »u  Brandenburg. 
(Separat- Abdr.  aus:  Mark.  Forsch.  Bd.  VII.)  1$6I.'  Vergl.  v.  Minutoli,  Denkm. 
Taf.  4  u.  10. 

2)  Die  Literatur  s.  im  folgenden  Abschnitt  unter  VII. 

3)  Fischer,  die  Prachtthür  der  Maria  Magdalenenkirche.  ISI7.  Vergl.  Luchs, 
über  einige  mittelalterl.  Kunstdenkm.  von  Breslau.  8.  44 — 47  u.  Desselben  Stil- 
proben. Taf.  I  Fig.  2  f. 


im  norddeutschen  Tieflande.  453 

Gruppen ;  am  Südgiebel  des  Querschiffea  ein  reiches  Portal  im  spätroman. 
Geschmack  (das  einzige  der  Gattung  in  Pommern) ,  dessen  Säulen  aus  gla- 
sirten  Ziegeln  mit  Stuckomamenten  bestehen.  Die  Sacristei  an  der  Nord- 
seite des  Chores  mit  geschmackvoller  Säulenthür  ist  eine  Kapelle  mit  inner- 
lich runder,  äusserlich  dreiseitiger  Apsis,  im  Uebergangsstil .  (Kugler, 
Kl.  Sehr,  l,  678—688.)  Die  Kirche  ist  seit  1846  restaurirt  und  mit  einem 
schlank  aufsteigenden  Thurmbau  versehen  worden.  Vergl.  Zeitschr.  für 
Bauwesen  1851.  Sp.  tOl. 

.  Culbatl  in  Hinterpommern.  Die  Cisterzienserkirche,  eine  verstümmelte 
und  profanirte  ehemalige  Pfeilerbasilika  mit  abseitenartigen  Kapellen  an 
der  Qstseite  der  Kreuzarme.  enthält  bedeutsame  Ueberreste  im  Ueber- 
gangsstil. (Kugler,  Kl.  Sehr..  1,  669  —  678,  vergl.  D.  Kunstbl.  1850. 
S.  140.) 

Cnnesse  bei  Lübeck.  Die  Kirche,  Hallenbau  mit  zweischiffigem  Lang- 
hause, rechteckigem  Chor  und  Westthurm,  im  Uebergangsstil.  Die  Pfeiler 
bestehen  aus  acht  Halbsäulen ;  die  schmalen  mit  Säulchen  eingefassten 
Fenster  in  der  Schlusswand  des  Chores  zu  dreien  in  pyramidaler  Gruppe. 
Vergl.  Lotz  1,  151. 

Cülnsee  unweit  Thorn.  Die  kleinen  Thürme  am  Ostende  der  Seiten- 
schiffe des  1251  gegründeten  Domes  mit  Lisenen  und  Rundbogenfries. 

Banbeck  bei  Salzwedel.  Die  einschiffige  flach  gedeckte  Nonnenkirche 
mit  grosser  Apsis,  im  Uebergangsstil ;  Westthurm  jünger.  (Adler  I.  auf 
Taf.  31.) 

Banngartei  bei  Ribnitz  in  Pommern.  Die  verbaute  einschifHge  Kirche 
mit  quadratischem  Chor  und  mit  einem  mehrfach  geradlinig  gebrochenen 
Fries  unter  dem  Dache.    (Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  695.) 

BargHB  bei  Demmin.  Das  wüst  liegende  Schiff  der  Cisterzienserkirche 
im  Uebergangsstil  1219  ;  1237  —  1241.  Die  niedrigen  Gewölbe  ruhen  auf 
Bündeldiensten.    Vergl.  Lotz  1,  159. 

Bassaw  unweit  Lübeck.  Das  flach  gedeckte  Schiff  der  Kirche  von  Gra- 
nit; die  grossen  Spitzbogenfenster  mit  Backsteinpfosten.  Der  viereckige 
Chor  von  Ziegeln,  über  Eckdiensten  mit  Laubcapitälen  von  Thon  einge- 
wölbt; äusserlich  noch  mit  Rundbogen fri es. 

Mesflarf  unweit  Salzwedel.  Die  Kirche  des  Augustiner-Doppelklosters, 
eine  gewölbte  Pfeilerbasilika  mit  Chorapsis,  zwei  Nebenapsiden  an  den 
Kreuzarmen  und  der  Anlage  zweier  Westthürme.  Die  ältesten  Theile,  Chor 
und  Querschiff,  (um  1157 — 1161)  sind  noch  ohne  Gewölbe  ;  im  nördlichen 
Kreuzarme  eine  Nonnenempore ,  welche  auf  Gratgewölben  über  vier-  und 
achteckig  oder  säulenartig  gebildeten  Pfeilern  ruht  und  im  XIV.  Jahrh. 
durch  einen  Anbau  nach  aussen  erweitert  ist.  Das  Langhaus  ist  etwas 
jünger :  die  abgetreppten  Arkaden-  und  Gurtbögen  der  rippenlosen  Ge- 
wölbe in  Doppeljochen  werden  von  Halbsäulen  vorlagen  der  Pfeiler  getragen. 
Im  nördlichen  Seitenschiff  eine  später  eingebaute  heilige  Grabkapelle.  Ein 
reiches  Portal  am  südlichen  Kreuzarm.  Aeusserlich  Lisenen,  Bogenfriese 
und  deutsche  Bänder.  (Adler  I,  49  —  52  und  Taf.  29.)  Die  Klostergebäude 
im  Uebergangsstil  sind  erst  neuerlich  grösstentheils  zerstört. 

Bäbbenea  bei  Wittenburg.  Die  Kirche,  einschiffig  und  überwölbt,  im 
Uebergangsstil. 


454  Romaniech«  Kirchen 

Mienul«  Im -südlichen  Seitenschiffe  und  an  der  Westseite  der  Kloster- 
kirche noch  Reste  des  älteren.  1232  geweihten  Baues.  Die  Heil.  Bluts- 
kapelle neben  dem  nördlichen  Kreuzanne,  achteckig,  aus  lauter  bunten 
Wechselziegeln  aufgemauert;  nach  Lisch  in  kräftigem  Uebergangsstil.  ^) 

^•brilHg  bei  Luckau  in  der  Niederlausitz.  Die  Kirche  des  1181  ge- 
gründeten Cisterzienserklosters^  eine  kreuzförmige  gewölbte  Pfeilerbasilika 
mit  Chorapsis,  im  Uebei^angsstil.  Das  Langhaus  in  Doppeljochen,  wie  die 
Ostpartie  mit  Rippengewölben  überspannt,  die  Pfeiler  mit  Halbsftulen  be- 
setist.  Aeusserlich  an  der  Apsis  ebenfalls  Halbsäulen ;  letztere  zumeist  mit 
kubischen  Capitälen.  (Puttrich  ,  Denkm.  II.  Serie  Lausitz.  Bl.  10  f.  — 
Derselbe,  Systemat.  Darstell.  Bl.  2  No.  15.  —  Adler,  Backsteinban- 
werke.  Heft  7  Taf.  62  f.) 

Elbing«  Im  Chor  der  Marien-  (Dominicaner-)  Kirche  ein  Rest  des  ur- 
sprünglichen,  gegen  1284  vollendeten  Baues  im  gothisirenden  Ueber- 
gangsstil. 

Eldeaa  bei  Greifswald.  Die  älteren  Theile  der  in  Trümmern  liegenden. 
Kirche  des  um  1203  gestifteten  Cisterzienserklosters,  einer  kreuzförmigen 
Basilika  im  Uebergangsstil.  (Kugler,  Kl.  Sehr.  1    690  f.) 

Eldena^  südlich  von  Schwerin.  Die  Cisterzienser-Nonnenkirche,  ein- 
schiffig mit  dreiseitigem  Schluss,  nach  einem  Brande  von  1290  im  gothisi- 
renden Uebergangsstil ;  der  Thurm  imd  das  Innere  modern ,  nach  einem 
Brande  von  1835. 

Falkfühagei  bei  Manch eberg  in  der  Mark.  Die  aus  Granit  erbaute 
Kirche,  ^)  eine  der  Seitenschiffe  beraubte,  flach  gedeckte,  schlicht  spitzbo- 
gige  Pfeilerbasilika  ohne  Querhaus,  mit  einschiffigem  rechteckigem,  von 
der  Axenlinie  nach  Norden  abweichendem  Chor  und  einem  oblongen  West- 
thurm  mit  Backsteinschallöchern,  zu  dessen  Seite  noch  Reste  der  ehemal. 
Nebenschiffe  übrig  sind. 

fiadebucll  unweit  Schwerin.  Das  rundbogig  überwölbte^  aus  drei 
gleich  breiten  und  gleich  langen  Schiffen  bestehende  Langhaus  der  Kirche. 
Die  sämmtlich  verschieden  gebildeten  Pfeiler  sind  mit  Säulen  besetzt,  deren 
Würfelknäufe  mit  Menschen-  und  Thierköpfen  versehen  sind.  Entstellende 
Restauration  1842. 

Mgelaw  bei  Stemberg  in  Meklenburg.  Die  einschifiige  Gewölbekirche 
mit  quadratischem  Chor:  Granitbau  mit  Ziegeldetails  im  Uebergangsstil. 

(ialeabeck  bei  Friedland  in  Meklenburg.  .Granitkirche  im  Ueber- 
gangsstil. 

ISardelegei.  Theile  des  Aeusseren  und  Inneren  der  Marienkirche 
nebst  ein^m  Rundbogenportale  der  Nordseite.  Trapezcapitäle.  —  An  der 
Nicolaikirche  Reste  der  Westfront  mit  Rundbogenöffnungen;  auch  alte 
Rundbögen  im  Innern,  1222.   (Adler  I.  S.  91.) 

(iettorf  bei  Kiel.    Einschiffige  Kreuzkirche  mit  geradem  Schluss  und 


1)  Lisch,  G.  C.  F.,  Blätter  zur  Geftch.  der  Kirchen  zu  Doberan  u.  Althof.  (Aus 
Bd.  19  der  Jahrbücher  etc.)  S.  62  ff. 

2)  Kuchenbuch,  die  Marienkirche  zu  Müncheberg'u.  die  Kirchen  der  nächsten 
Umgegend,  im  IV.  Jahresbericht  u.  Mittheil,  des  histor.*8 tatist.  Vereins  zu  Frank- 
furt a.  O.   1S64.  S.  53  f.  nebst  Abbild. 


im  norddeutschen  Tieflande.  455 

hohem  Westthurm.  Trapezcapitäle  an  den  Wandsäulen ;  Uebergangsstil. 
Vergl.  Lotz  1,  239. 

tteanMliBiJerf  bei  Bunzlau.  Einschifiige,  flach  gedeckte,  spätroman. 
Kirche  ans  Sandsteinquadem  mit  schmälerem,  ursprünglich  annähernd  qua- 
dratischem, über  Ecksäulen  gewölbtem  Chor,  welcher  im  X\1I.  Jahrh.  mit 
Benutzung  der  alten  polygonischen  Apsis  verlängert  wurde.  Letztere  ist 
über  Halbsäulen  mit  einem  vom  deutschen  Bande  begleiteten  omamentirten 
Rundbogenfries  und  Kranzgesims  geschmückt.  Vor  der  Mitte  der  West- 
seite ein  quadratischer,  oben  kurz  achteckiger  Thürm  aus  dem  XVI.  Jahrh. 
mit  Spitzhelm.  (Drescher,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm . 
1864.  S.  55—69  und  Taf.  3.) 

i^lelekenderf  bei  Lübeck.  Die  flach  gedeckte  einschiflige  Granitkirche 
mit  Apsis  am  gleich  breiten  Chor;  ebenso  breit  ist  der  niedrige  Westthurm ; 
roher  Uebergangsstil.    Vergl.  Lotz  1,  242. 

Mssaii  unweit  Lübeck.  Einschiflige  Kirche  im  Uebergangsstil^  mit 
Holzdecke ;  der  rechteckige  Chor  schmäler  und  niedriger  als  das  Schifi* ; 
breiter  niedriger  Westthurm  mit  hölzernem  Obertheil.  Aussen  Ecklisenen 
und  Rundbogenfries.    Vergl.  Lotz  1,  243. 

faejea  unweit  Rostock.  Der  viereckige  Chor  der  goth.  Kirche  mit 
Ecklisenen  und  Rundbogenfries ;  in  der  Schlusswand  drei  Spitzbogen- 
fenster. 

€•!■  bei  Neu-Brandenburg.  Granitkirche  im  Uebergangsstil  mit  zwei 
Fenstern  in  der  Seh luss wand ;  das  Langhaus  war  früher  zweischiffig  ein- 
gewölbt. 

firabew  in  Meklenburg.  Die  Kirche  scheint  im  Chor  und  am  West- 
thurm roman.  Spuren  zu  zeigen. 

firaMZOW  bei  Prenzlau.  Die  Kirche  mit  drei  pyramidal  gruppirten 
Fenstern  in  der  Schlusswand.    Der  zweigiebelige  Westthurm  ist  gothisch. 

firMsee  unweit  Zehdenick.  DerWesttheil  der  Marienkirche  im  Ueber- 
gangsstil. 

fireiffeHliagei  in  Pommern.  Die  Nicolaikirche ,  eine  später  vielfach 
veränderte  dreischiffige  Kreuzkirche  mit  geradem  Chorschluss;  gothisch 
überwölbter  Granitbau  im  schweren  Spitzbogen.    Neuerlich  restaürirt. 

firefiMinUeB  bei  Wismar.  Die  Kirche,  ein  dreischifiiger  Hallenbau 
mit  einschifiigem,  gerade  geschlossenem  Chor  und  Westthurm,  äusserlich 
mit  Lisenen  und  Rundbogenfriesen,  hat  im  Chore  Rundbogenfenster  und 
Thüren.  Die  Träger  der  Spitzbogengewölbe  des  Langhauses  sind  Säulen- 
bündel. 

firoiliU  bei  Neustadt  a.  d.  Ostsee.  Kleine  Granitkirche,  im  Schiff  mit 
Holzdecke,  im  gerade  geschlossenen  Chor  überwölbt.  Die  Gewände  der 
spitzbogigen  Fenster  von  Ziegeln.    Vergl.  Lotz  1,  258. 

6r«88-Bewter  bei  Seehausen.  Die  Collegiatkirche,  eine  später  gothisch 
eingewölbte  schwere  Pfeüerbasilika  ohne  Querschifi*  mit  Apsis  an  dem  qua- 
dratischen Chor  und  einem  rechteckigen  Westthurm  •  von  der  Breite  des 
MittelschiflTes.  Von  den  Pfeilern  der  Arkaden  sind  zwei  runde  Trapezca- 
pitäle.   Um  1150. 

(intt-laigeUkrf  bei  Jericho w.    Romanische  Kirche  aus  Ziegeln. 


456  Eomaniflche  Kirchen 

fofSS-Wrikew  bei  Jerichow.  Die  einschiffige  Kirche  mit  Apsis  am  ein- 
springenden Chor  und  Westthurm;  Ziegelbau. 

fiistrtw.  Der  Kern  des  goth.  Domes,  eine  einschiffige  Kreuekirche  im 
Uebergangsstil  seit  1226 :  die  Fenster  zu  dreien  in  pyramidalen  Gruppen. 
Am  Querschiffgiebel  ein  gestelzt  aufsteigender  Rundbogenfries  (Essen- 
wein, Backsteinbau.  Taf.  13  Fig.  5). 

MwUthj  bei  Schleswig.  Einschiffige  Kirche  mit  einspringendem,  ge- 
rade geschlossenem  und  überwölbtem  Chor;  Granit  mit  Ziegelfenstern. 

lageiow  unweit  Schwerin.  Der  gerade  geschlossene  Chor  der  im 
Uebrigen  gothisch  umgebauten  Kirche  im  Uebergangsstil. 

laTelberg«  Der  Sandstein -Unterbau  des  Domes  und  andere  roman. 
Ueberreste  rühren  von  dem  1 170  geweihten  Bau  her. 

leiligeiliafeii  am  Fehmarsund.  Der  Chor  der  Kirche  im  Uebergangs- 
stil, mit  drei  Spitzbogenfenstern  in  der  geraden  Schlusswand  und  äusserlich 
mit  Lisenen  und  Rundbogenfriesen.    Vergl.  Lotz  1,  285. 

leiligeBstedtei  bei  Itzehoe.  Niedrige  Granitkirche  mit  grossen  Spitz- 
bogenfenstern, die  paarweise  in  einem  Blendbogen  stehen,  dessen  Feld  von 
einer  RundOffnung  durchbrochen  ist.    Vergl.  Lotz  1,  287. 

liMHelpfert  bei  Fürstenberg  in  Strelitz.  Das  der  Seitenschiffe  beraubte 
Langhaus  der  Kirche  des  1299  gegründeten  Cisterzienserklosters  mit  goth. 
Chor.  (Mark.  Forsch.  6,  1.) 

■oheagdlireB  bei  Stendal.    Dorfkirche  aus  Ziegeln. 

Ilde  im  Oldenburg.  Kr.  Delmenhorst.  Ruine  der  Cisterzienserkirche,') 
einer  stattlichen,  gerade  geschlossenen,  gewölbten,  spitzbogigen  Pfeilerba- 
silika in  Kreuzform  von  schönen  Verhältnissen ,  in  gothisirendem  Ueber- 
gangsstil, um  1236.  Die  viereckigen  Pfeiler  mit  Ecksäulen ;  an  den  Scheid- 
mauern unterhalb  des  aus  rothen  und  gelben  Wechselziegeln  bestehenden 
Arkadensimses  eine  fein  gegliederte  Blendenreihe.  In  den  Schilden  der  auf 
sculpirten  Backsteinconsolen  ruhenden  Mittelschiffgewölbe  je  ein  Fenster 
zwischen  zwei  Blenden. 

Jerichow  bei  Tangermünde.  Die  Prämonstratenserkirche,  eine 
kreuzförmige,  flach  gedeckte  Säulenbasilika  mit  je  einem  Pfeiler  in  Westen  : 
die  Säulen  mit  Trapezcapitälen  (oben  S.  447  Fig.  188),  deren  Deckplatten 
aus  Haustein  bestehen.  Unter  dem  mit  einer  Apsis  versehenen  Chore  zu 
ebener  Erde  eine  zweischiffige  Säulenkrypta  aus  Sandstein  (oben  8.  41 
Fig.  13);  neben  demselben  zwei  in  der  Tonne  gewölbte,  mit  Apsiden 
schliessende  Seitenkapellen;  diese  Ostpartie  und  die  beiden  Thflrme  in 
Westen  (oben  S.  444  Fig.  186)  etwas  später  als  der  übrige  zwischen  1147 
und  1152  angefangene  Bau.  Das  Aeussere  überall  mit  Lisenen,  Bogen- 
friesen  und  deutschen  Bändern  (oben  S.  447  Fig.  187).  Die  ganze  Kirche 
ein  durch  vollendete  Sauberkeit  der  Technik  und  klare  Durchbildung  des 
Aeusseren  ausgezeichneter  Schöpfungsbau;  restaurirt  1856.  (Strack  und 
Meyerheim,  Denkm.  No.  20.  —  v.  Minutoli,  Denkm.  Lieif.  2.  — 
V.  Quast,   im  D.  Kunstbl.    1850.  No.  30  S.  233  ff.  —  Essenwein, 

1)  Mühle,  das  Kloster  Hude.  Mit  Grundriss.  1S26.  —  Müller,  Herrn.  Alex., 
die  Kirche  in  Herne  u.  das  Kloster  Ilude,  im  D.  Kunsthl.  1854.  S.  257  f.  —  All- 
mers,  H.,  die  Ruinen  der  Cistersienserabtei  Hude,  ebd.   1856.  S.  19. 


im  norddeutschen  lieflande.  457 

Backsteinbau.  Taf.  1  Fig.  3.  —  Adler,  Backsteinbauwerke  I,  36--43 
und  Taf.  21—23.  —  Förster,  Denkm.  10,  1  flf.  und  3  Taf.)  -—  Der 
Kreuzgang  mit  den  Klostergebäuden,  zum  Theil  mit  schönen  Sandstein- 
details, noch  aus  dem  XII.  Jahrh.,  aber  später  erweitert  und  verschönert.  — 
Die  einschiffige  Stadtkirche  mit  gerade  geschlossenem  Chor,  ziemlich 
aus  derselben  Zeit  wie  die  Klosterkirche. 

lUew  bei  Dahme.    Dorfkirche  mit  Doppelthurm. 

Jaterbog«  Die  Frauenkirche  auf  dem  Damm,  nach  ursprünglicher  An- 
lage eine  flach  gedeckte,  rundbogige  Pfeilerbasilika  von  sauberer  Technik, 
geweiht  zwischen  1172  und  1 179  ;  das  ehemals  mit  Nebenapsiden  versehene 
Querschiff,  ungeachtet  seiner  sehr  alterthümlichen  Kundbogenportale,  jün- 
ger, vermuthlich  um  1227;  die  beiden  westlichsten  Spitzbogenstellungen 
des  der  Seitenschiffe  beraubten  Langhauses  und  die  westliche  Granitgiebel- 
wand mit  Ziegel  -  Rundfenster  wahrscheinlich  von  1282.  Der  polygone 
Chorschlussistspätgothisch.  [Pütt  rieh,  Denkm.  II.  Serie  Jüterbog.  Bl.  5.) 

iaiberwisch  bei  Osterburg.  Einschiffige  Kirche  von  1164  aus  Granit 
und  Ziegeln,  mit  Westthurm  von  gleicher  Breite  und  einspringendem  qua- 
dratischem Chor;  letzterer  ist  überwölbt.  (Adler  I,  47.) 

Keitsn  auf  Sylt.  Die  einschiffige ,  flach  gedeckte  Severinskirche  im 
Uebergangsstil.  Der  Unterbau  aus  Granit,  der  Chor  mit  Apsis  aus  Tuff. 
Hoher  Westthurm  mit  Satteldach.    Vergl.  Lotz  1,  319. 

lUrch-iaggeidorf  bei  Triebsees.  Die  Kirche  im  Uebergangsstil,  be- 
merkenswerth  durch  kuppelartige  Wölbungen  mit  untergelegten  Gurten,  im 
Chor  in  zierlicher  Behandlung,  sowie  durch  Gruppirung  und  Gliederung  an 
Portal  und  Fenstern  und  klare  Bildung  der  Details. 

Klidei  bei  Arendsee.  Granitkirche  mit  einzelnen  Backsteinzierrathen. 
Der  Thurm  im  Uebergangsstil,  dem  zu  Kalberwisch  ähnlich. 

Klein  -  Weselberg  bei  Lübeck.  Einschiffige,  flach  gedeckte  Kirche  im 
Uebergangsstil ,  mit  einspringendem ,  ursprünglich  gewölbtem ,  gerade 
schliessendem  Chor.  An  der  Südseite  des  letzteren  eine  Vorhalle  mit  abge- 
trepptem Giebel.    Vei^l.  Lotz  1,  324. 

Uieti  bei  Sandau  in  der  Altmark.    Romanische  Ziegelkirche. 

Klitl  bei  Grevismühlen.  Verstümmelte,  gothisch  veränderte  Hallen- 
kirche im  Uebergangsstil.  Am  Schiff  gekuppelte,  am  einschiffigen,  gerade 
schliessenden  Chor  zu  dreien  pyramidal  gruppirte  Fenster  und  Blenden. 
Aussen  Lisenen  und  Rundbogenfriese. 

ielzftW  bei  Marlow  in  Meklenburg.  Einschiffige  Granitkirche  im' 
Uebergangsstil  mit  einigen  Ziegeldetails ;  der  schmälere  quadratische,  roh 
eingewölbte  Chor  mit  drei  Fenstern  in  der  Schlusswand. 

idiigsiiark  bei  Werben.  Die  Kirche,  ursprünglich  eine  Pfeilerbasilika 
ohne  Querschiff  mit  Apsis  am  einschifllgen  Chor,  1164.  Granitbau  mit 
Backsteindecoration . 

iöpenifk  bei  Berlin.    Kirche  mit  Spitzarkaden  im  Uebergangsstil. 

irtka«.  Die  unter  dem  Schiffe  belegene  Krypta  des  Domes,  deren 
Würfelknaufsäulen  auf  Cy linderplatten  ruhen. 

irewete  bei  Osterburg  in  der  Altmark.  Die  Kirche  des  1 157  gegrün- 
deten Benedictiner-Nonnenklosters,  eine  später  gothisch  überwölbte  Basi- 
lika ohne  Thurm  und  Querschiff,  mit  Apsis  am  rechteckigen  Chor  und  mit 


458  Romanisclie  Kirchen 

bereits  ursprünglich  gewölbten,  zum  Theil  spfitgothisch  erneuerten  Seiten- 
schiffen. Die  Arkadenträger  sind  mit  einigen  runden  gemischte  viereckige 
Pfeiler.    Granitbau  mit 'Ziegeldetails.    (Adler  I,  45  und  Taf.  25.) 

Kropellft  unweit  Rostock.  Der  rechteckige  einspringende  Chor  der 
einschiffigen  goth.  Kirche,  im  unteren  Theile  aus  Qranit,  im  Uebergangs- 
Stil,  dessen  zwei  durch  einen  Gurtbogen  geschiedene  Gewdlbejoche  abge- 
treppte Rippen  haben,  die  von  zierlichen  Wandsäulen  getragen  werden. 
Aeusserlich  Ecklisenen,  Rundbogen-  und  Zinnenfriese. 

Knischwiti  am  Goplo-See.  Der  Dom,  ^ine  kreuzförmige,  rundbogige 
Basilika  aus  Sandstein,  neuerlichst  mit  modernen  Zusätzen  in  Ziegelbau. 

Krüppel tin  bei  Flau  in  Meklenburg.  Das  flach  gedeckte  Schiff  der 
Kirche  aus  Granit  im  Uebergangsstil ;  der  sehr  hohe,  gewölbte,  polygonisch 
schliessende  Chor  ist  frühgothischer  Ziegelbau. 

Lage  unweit  Rostock.  Der  gerade  schliessende  einschiffige  Chor  der 
dreischifiigen  goth.  Kirche  im  Uebergangsstil ;  die  Gewölberippen  ruhen 
auf  Bündeldiensten  mit  schönen  Blattwerk capitälen.  Die  Fenster  stehen  zu 
zwei  oder  drei  gruppirt  in  Blenden. 

Lattai  in  Pommern.  Der  gerade  geschlossene.,  gothisch  überwölbte 
Chor  der  Kirche,  an  der  Ostwand  mit  Fenstern  und  Blenden  in  Gruppen, 
im  Uebergangsstil.    (K  u  g  1  e  r ,  Kl.  Sehr.  1 ,  69 1 . ) 

Leeiea  bei  Segeberg.  Schlichte,  flach  gedeckte  Granitkirche  mit  ein- 
springendem gerade  schllessendem  Chor. 

Lehiihi  bei  Brandenburg.  Die  Kirche  des  1180  gegr.  Cisterzienser- 
klosters,  ein  Gewölbebau,  wesentlich  aus  zwei  verschiedenen  Bauzeiten: 
die  später  überhöhte  Ostpartie  (der  Chor,  dessen  Apsis  in  zwei  Reihen  zehn 
Fenster  zeigt,  das  Querschiff  und  die  der  Ostseite  der  Kreuz  vorlagen  anlie- 
genden abseitenartigen  Kapellen)  und  das  jüngere  dreischiffige  Langhaus 
(vermuthlich  von  1272),  dessen  Arkadenpfeiler  abwechselnd  mit  Vorlagen 
als  Qurtträger  versehen  sind;  über  je  zwei  Arkadenbögen  wölbt  sich  ein 
höherer  Blendbogen.  Besonders  ausgezeichnet  ist  die  Westfront  mit  zwei 
Eckthürmchen  auf  den  Flanken,  zwei  Reihen  von  je  drei  grossen  Fenstern 
über  einer  Reihe  von  Wandarkaden  und  einer  aus  Sechspässen  componirten 
grossen  Blendrose  im  Giebelfelde.  Die  stilgcmässe  Herstellung  der  zum 
Theil  in  Trümmern  liegenden  schönen  Kirche  steht  in  Aussicht,  (fissen- 
wein.  Backsteinbau.  Taf.  1  Fig.  1.  —  Adler,  Backsteinbauwerke.  Heft  6 
Taf.  58—60.) 

Lewetiew  unweit  Güstrow.  Die  1304  erbaute  Kirche  (jetzt  Kapelle) 
zeigt  noch  den  Rundbogen. 

liehteBberg  bei  Neu-Ruppin.  Granitkirche  mit  aufgemaltem  Bogen- 
fries  unter  dem  Dachgesimse. 

liehtenhagen  bei  Doberan.  Der  aus  Granit  erbaute  Chor  und  der  Thurm 
der  goth.  Backsteinkirche  im  Uebergangsstil. 

IhdeBa«  bei  Dobrilug.  Die  Kirche,  eine  kleine,  mit  sehr  schmalen 
Abseiten  versehene,  überwölbte,  rundbogige  Pfeilerbasilika  mit  einschiffigem 
rechteckigem  Chor  und  Apsis.  Der  Westthurm  von  der  Breite  des  Mittel- 
schiffes ist  gothisch,  innerlich  mit  der  Kirche  verbunden.  (Adler,  Heft  7 
Taf.  64.) 


im  norddeutschen  Tieflande.  459 

Lfai4#W  bei  Neu-Ruppin.  Ruine  des  Prämonstratenser-Nonnenklosters, 
Qranitbau  im  älteren  Spitzbogen,  ähnlich  Zehdenick,  jedoch  kleiner. 

lebllf  unweit  Magdeburg.  Die  Todtenkirche,  Ueberrest  einer  Basilika 
aus  Granit,  mit  Pfeilern  und  Säulen,  die  aus  GranitblOcken  zusammenge- 
fügt sind.  (Wiggert,  in  den  N.  Mittheil,  des  Tharing. -Sachs.  Vereins 
III.  4.  Taf.  2.  No.  5.) 

Loiti  bei  Demmin.  Die  Kirche,  eine  Basilika,  welche  aus  einem  bar- 
barischen Gemisch  aller  möglichen  Bauformen  besteht,  enthält  auch  roman. 
Bestandtheile. 

UbcUB  bei  Triebsees.  Die  einschiffige  Granitkirche  mit  Apsis  an  dem 
gewölbten  Chor  und  einem  etwas  jüngeren,  oben  achteckigen  Westthurm  ; 
Uebergangsstil. 

Liibeck«  ^j  Der  Dom,  nach  seiner  ursprünglichen  Anlage  von  1173 
(kenntlich  im  Hauptschiffe,  dem  Kreuzbau  und  den  beiden  Thürmen  in 
Westen) ,  eine  einfache  Pfeilerbasilika  mit  Gewölben  ohne  Diagonalrippen ; 
die  Vorhalle  auf  der  Nordseite  mit  dem  innerhalb  derselben  befindlichen 
Portal  (aus  Sandstein  mit  Basaltsäulen)  im  reichen  Uebei^angsstil  aus  der 
Zeit  um  1266 — 1276.  Die  Seitenschiffe  gothisch ,  ebenso  der  Chor  von 
1 335  mit  Rundpfeilern.  (Schlösser  und  Tischbein,  Denkm.  altdeut. 
Baukunst  in  Lübeck.  Bl.  8—11  und  17  f.  —  Milde ,  Lübecker  A-B-C.) 
Theile  des  Kreuzganges  im  Uebergangsstil.  —  Der  Thurm  der  Petri- 
kirche  theilweise  und  ein  Hausteinportal  an  der  Südseite  der  Spital- 
kirche (Milde,  A-B-C)  im  Uebergangsstil. 

Ubow  bei  Wismar.  Einschiffige,  flach  gedeckte  Backsteinkirche  mit 
einspringendem,  überwölbtem  und  mit  Apsis  versehenem  Chor;  der  West- 
thurm im  Uebergangsstil. 

Liderf  bei  Röbel.  Die  Kirche,  ein  achteckiger  Central  bau  mit  östlicher 
Apsis,  halb  achteckigen  Anbauten  nördlich  und  südlich  und  viereckigem 
Westthurm.    Die  goth.  Ueberwölbung  ist  von  1346. 

iMgai  bei  Dobrilug.  Einschiffige,  flach  gedeckte  Dortkirche  mit  schmä- 
lerem, gerade  schliessendem  Chor,  Granitbau  mit  Ziegeldetails  im  Ueber- 
gangsstil. Höchst  merkwürdig  ist  der  breite  westliche  Thurm  bau  :  über 
einem  aus  zwei  Absätzen  bestehenden  Granitunterbau  mit  Spitzbogenthür 
und  Ziegelrundfenster  erhebt  sich  ein  schmuckvolles  Geschoss  aus  Backstein 
(mit  Ecksäulen ,  paarweise  gestellten,  theils  rundbogig,  theils  apitzbogig 
oder  giebelartig  gedeckten  Fenstern  und  Blenden,  deutschen  Bändern  und 
einem  völlig  rheinländischen  Felder fries),  woraus  sich  zwei  dicht  an- 
einander gerückte ,  an  den  Aussenseiten  in  je  drei  Giebeln  schliessende 
Thürme  entwickeln,  deren  Rautendächer  den  lebhaft  an  rheinische 
Vorbilder  erinnernden  Eindruck  verstärken.  (Adler,  Backsteinbauwerke. 
Heft  7  Taf.  61  und  64.) 

LntJnbHrg  westlich  von  Kiel.  Einschiffige,  überwölbte  Kirche  im 
Uebergangsstil,  mit  schmälerem,  gerade  geschlossenem  Chor  und  schmälerem 
Westthurm.  Die  Gewölbe  ruhen  im  Schiff  auf  Wandpieilern  mit  starken 
Trapezknaufsäulen.    Vergl.  Lotzl,411. 


1)  Die  Literatur  s.  im  folgenden  Abschnitt  unter  \II. 


460  BomaniBclie  Kirchen 

laleite  bei  Eutin.  Einschiffige,  flach  gedeckte  Granitkirche  im  Ueber- 
gangsstil,  mit  einspringendem  gewölbtem  Chor  und  einem  isolirt  stehenden 
Holzthurm.    A.  a.  O.  S.  421. 

larieihafe  bei  Norden.  Die  erst  in  neuer  Zeit  zerstörte  Kirche  *)  war 
eine  gewölbte  Basilika  im  Uebergangsstil  mit  flachrunden  Apsiden  am  Chor 
und  an  den  Kreuzvorlagen ,  in  deren  Langhause  gegliederte  Pfeiler  mit 
dicken  Säulen  als  Zwischenstfltzen  wechselten.  Das  Aeussere  zeigte  Sand- 
steinfriese mit  zahllosen  Scenen  aus  der  Thierfabel.  Es  steht  nur  noch  der 
dachlose  Untertheil  des  Thurmes  mit  Lisenen  und  Bogenfriesen. 

larlew  unweit  Rostock.  Die  Kirche  von  1244,  eine  (1841  restaurirte) 
der  Seitenschiffe  beraubte,  kleine,  gewölbte,  rundbogige  Pfeilerbasilika 
ohne  Querschifi*  mit  quadratischem  Chor.  Die  Spitzbogenfenster  paarweise 
oder  zu  dreien  unter  den  Schildbögen.  Ausse9  Ecklisenen  und  Bogenfriese. 

larrin  bei  Cörlin.  Der  Thurm  der  modernen  Kirche  im  Uebergangs- 
stil mit  Blendenreihen  und  Satteldach.  (Abbild,  in  der  Zeitschr.  für  Bau- 
wesen.   1851.  Sp.  103.) 

leldorf  zwischen  Norderau  und  Süderau  in  Dithmarschen .  Sehr  an- 
sehnliche Gewölbekirche  im  Uebergangsstil  mit  gothischem  Thurm.  Die 
Gewölbeträger  sind  Halbsäulen  mit  i^vierechigen^ii  Capitälen.  Vergl.  Lotz 
1,438. 

lelkow  bei  Jerichow.  Einschiffige  kleine  Backsteinkirche  mit  Apsis  an 
dem  überwölbten  schmäleren  Chor  und  mit  breitem,  auf  den  Schiffmauem 
ruhendem  Westthurm.    (Adler  I,  43  und  Bl.  24  Fig.  5  f.) 

lestlll  bei  Goldberg  in  Meklenburg.  Der  Chor  der  Kirche  aus  Granit 
im  Uebergangsstil ;  das  Uebrige  gothisch  und  aus  Ziegeln. 

lockeri  unweit  Magdeburg.  Die  Kirche,  eine  alte  Basilika,  deren 
Schiffe  unter  ein  Dach  gebracht  sind. 

■dlla  bei  Ratzeburg.  Die  Nicolaikirche,  eine  gewölbte  Basilika  ohne 
Querschiff  und  mit  Apsis  am  kleinen  Chor  und  rechteckigem  Thurm  am 
Nordwestende,  in  allen  Details  in  sehr  enger  Verbindung  mit  dem  Ratze- 
burger Dom ,  doch  mit  fast  durchgängiger  Anwendung  des  Spitzbogens 
und  mit  in  gothischer  Zeit  umgebautem  südlichem  Seitenschiff.  Vergl. 
Lotz  1,  447. 

Nei-Blkew  bei  Wismar.  Die  Nicolaikirche,  Ziegelbau  mit  Granit- 
sockel, im  Langhause  mit  drei  Schiffen  von  gleicher  Höhe  und  mit  ein- 
schiffigem, gerade  geschlossenem  Clior  im  Uebergangsstil.  Die  Schiffpfeiler 
sind  kreuzförmig,  mit  starken  Halbsäulen  in  den  Ecken.  Die  Gewölbe  und 
die  Schifffenster  sind  jünger.  Am  Chorgiebel  der  ährenförmige  Mauerver- 
band in  bunten  Wechselziegeln.    Der  Thurm  aus  spätgoth.  Zeit. 

Neibirg  bei  Wismar.  Die  Kirche,  eine  der  Seitenschiffe  beraubte  Pfei- 
lerbasilika ohne  Querhaus  und  mit  gerade  geschlossenem,  gewölbtem  Chor 
im  Uebergangsstil.  Die  kreuzförmigen  Arkadenpfeiler  mit  Ecksäulchen, 
deren  Schafte  sich  als  Wulste  an  den  Bögen  fortsetzen.  Der  Thurm  ist 
jünger. 

Neieikircliei  bei  Schwan  in  Meklenburg.   Einschiffige  gewölbte  Granit- 

I)  Die  alte  Kirche  zu  Marienhafe  in  Ostfriesland.  Mit  17  Taf.  Herausgegeb.  von 
der  GeselUch.  für  bild.  Kunst  etc.  in  Emden.   1845. 


im  norddeutschen  Tieflande.  461 

kircbe  mit  Ziegeldetail;  der  quadratische  Chor  ist  äusserlich  über  den 
breiten  Fugen  des  Granitmauerwerks  mit  rotben  Strichen  quadrirt  (vergl. 
oben  S.  32  f.)  und  unter  dem  Dache  mit  einem  roth  gemalten  Omament- 
streifen  verziert. 

Nenklrchei  bei  Heiligenhafen.  Der  quadratische  Chor  der  Kirche  von 
1248  im  Uebergangsstil ,  ähnlich  dem  in  Heiligenhafen.  Vergl.  Lotz 
1,  467. 

Nenklrchei  bei  Eutin.  Die  1238  gegründete  noch  rundbogige,  ein- 
schiffige, flach  gedeckte  Antoniuskirche  aus  Granit,  mit  schmälerem,  später 
verlängertem  Chor  und  mit  einem  Rundthurm  vor  der  Westseite.  Vergl. 
a.  a.  O.  S.  468. 

NenUester  bei  Wismar.  Die  Kirche  des  1219  gegründeten  Cisterzienser- 
Nonnenklosters  in  einschififiger  Kreuzform  im  Uebergangsstil ;  der  gewölbte 
Chor  erscheint  jünger.    Der  Glockenthurm  steht  isolirt. 

NeM-RHpph.  An  der  streng  goth.  Dominicanerkirche  Reste  der  Chor- 
wände mit  sich  kreuzendem  Rundbogehfries ;  1246. 

tderberg  i.  d.  Mark.    Kirche  im  Uebergangsstil. 

Mira  bei  Danzig.  Die  Cisterzienserkirche,  ^)  das  älteste  Gebäude  in 
Preussen,  gegründet  wahrscheinlich  erst  nach  1253,  in  ihrer  ursprünglichen 
Anlage  eine  kreuzförmige  Pfeilerbasilika  mit  stumpfen  Spitzbögen ;  Pfeiler 
und  Bögen  vielfach  abgetreppt,  mit  Ausnahme  der  den  innersten  Bogen  tra- 
genden Stützen,  welche  aus  etwas  gestauchten  Halbsäulen  bestehen. 

fsterbwg  i.  d.  Altmark.  Der  Kern  der  goth.  Nicolaikirche,  einer 
ursprünglichen  kreuzförmigen  Basilika  aus  Granit  mit  rechteckigem  West- 
thurm,  dessen  Mauern  8*4'  dick  sind.  (Adler  I,  79—81  und  Bl.  46.)  — 
Die  Martinskirche  vor  der  Stadt,  einschiffig  und  flach  gedeckt,  mit 
Apsis  am  einspringenden  gewölbten  Chor  und  mit  frühgoth.  Westfront. 
Mit  Ziegeln  geblendeter  Granitbau. 

•strawitsdl  bei  Kowallen.  Kleine  Granitkirche,  östlich  mit  Rundbogen- 
fenstem  und  Blenden  am  Giebel ;  der  Westthurm  mit  Zinnen. 

f archin  in  Meklenburg.  Der  Kern  der  Altstädterkirche,  einer 
ursprünglichen  Basilika  im  Uebergangsstil.  Ebenso  erscheint  die  Neu- 
städterkirche als  älterer  Bau  aus  der  Uebergangsperiode  mit  goth .  Ver- 
änderungen. 

farkeatta  bei  Doberan.  Der  rechteckige,  gewölbte  Chor  der  goth. 
Hallenkirche,  aus  Granit  im  Uebergangsstil. 

fasewalk.  Die  Nicolaikirche,  ein  einschiffiger  Granitbau  in  der  Grund- 
form des  gleichschenkeligen  Kreuzes  ohne  Apsis ;  die  Vierung  durch  vier 
schwere  Spitzbögen  geschieden.    Verändert  im  XVI.  Jahrhundert. 

Pecbftle  bei  Treuenbrietzen.  Schmucklose  Backsteinkirche  mit  ein- 
springendem gewölbtem  Chor  und  Apsis ;  der  rechteckige  Westthurm  aus 
Granit  mit  Ziegelaufsatz  stand  ursprünglich  mit  dem  Schiffe  in  Verbindung, 
welches  in  goth.  Zeit  über  zwei  kreuzförmigen  Mittelpfeilem  zweischiffig 
eingewölbt  worden  ist. 


1)  Hirsch,  Th. ,  das  Kloster  OHva.   Ein  Beitrag  zur  Gesch.  der  westpreuss. 
Kunstbauten.   1S.M».  Mit  I  Taf.    1S50. 

Otte,  Kanft-Areh&oloyle.  30 


462  Romanische  Kirchen 

flu  in  Meklenburg.  Das  Langhaus  der  Kirche  ist  ein  Hallen  bau  aus 
Ziegeln  mit  schmalen  Seitenschiffen,  verschieden  gebildeten  Pfeilern  und 
spitzbogigen  Rippengewölben.  Die  Fenster  stehen  zu  dreien  in  pyramidalen 
Gruppen.  Der  rechteckige  Chor  und  der  Unterbau  des  Westthurmes  sind 
aus  Granit,  beide  mit  wohl  gegliederten  Thüren. 

Pekrest  bei  Gadebusch.  Einschiffige  Backsteinkircbe  mit  polygonischer 
Apsis  an  dem  schmäleren  Chor;  überall  restaurirt. 

Prenzlai.  Franciscaner-  (Johannis-)  Kirche:  ein  einfaches  Recht- 
eck aus  Granitmauerwerk  mit  Ziegelfenstem  ;  goth.  Gewölbe  über  Wand- 
säulen mit  Trapezcapitälen.  —  Das  Aeussere  der  nicht  gewölbten  Jacobi- 
kirche  mit  einspringendem  Chor  und  breitem  Westthurm  entspricht  der 
Johanniskirche  völlig;  nach  v.  Quast  um  1270. 

Prodel  bei  Leitzkau.  Einschiffige  Granitkirche  mit  Apsis  am  einsprin- 
genden Chor. 

pTMsderf  bei  Segeberg.  Einschiffige  Granitkirche  mit  schmälerem, 
gerade  geschlossenem,  später  verlängertem  Chor  und  einem  runden  West- 
thurm. Unter  der  Kirche  eine  Gruft,  deren  Gewölbe  auf  einer  Mittelsäule 
ruhen.    Vergl.  Lotz  1,  505. 

PrMekfl  bei  Wismar.  Einschiffige,  spitzbogig  gewölbte  Backstein- 
kirche mit  gerade  geschlossenem  Chor  und  kräftigem  Westthurm. 

Ratekai  bei  Plön.  Einschiffige  Granitkirche  mit  Apsis  am  schmälerem 
Chor  und  einem  westlichen  Rundthurm. 

Ratiebirg«  Der  Dom,  eine  rundbogige  Pfeilerbasilika  in  der  Grund- 
form des  Kreuzes  mit  Chorapsis  und  zwei  Nebenchören,  ein  ausgebildeter 
Gewölbebau  mit  altspitzbogigen  Kreuzgewölben  ohne  Rippen ;  nach  Lisch 
(Jahrbücher  XI,  420)  gegründet  1154;  nach  v.  Quast  (Deut.  Kunstbl. 
1850.  S.  242]  eine  mit  den  für  den  Ziegelbau  nothwendigen  Abänderungen 
versehene,  fast  wörtliche  Copie  des  Braun  Schweiger  Domes,  also  frühestens 
aus  dem  Anfang  des  XIII.  Jahrh.  —  Die  südliche  Vorhalle  etwas  jünger 
als  das  übrige  mit  gothischen  Veränderungen  und  Zusätzen  versehene  Ge- 
bäude. Im  Kreuzgange  roman.  Reste.  —  Die  Georgskirche,  einschiffiger 
Backsteinbau  mit  quadratischem  Chor ;  der  Westthurm  aus  gelben  Ziegeln 
mit  rothen  Ecken. 

Reckliitf  bei  Güstrow.  Granitkirche  mit  Ziegeldetails.  Das  Langhaus, 
dessen  Gewölbe  auf  einem  Mittelpfeiler  ruhen,  ist  zweischiffig ;  der  Chor 
ist  gerade  geschlossen'. 

Redekia  bei  Jerichow.  Einschiffige,  flach  gedeckte  Backsteinkirche  mit 
Apsis  an  dem  einspringenden  Chor  und  Westthurm,  der  oben  mit  sechszehn 
Fenstern  versehen  ist,  die  zu  zweien  in  Rundbogenblenden  stehen.  (Adler 
I,  43  und  Bl.  24.) 

Rehia  bei  Gadebusch.  Der  Kern  des  einschiffigen  Langhauses  und 
Westthurmes  der  gothisch  und  modern  veränderten  Kirche  des  1236  gegr. 
Benedictiner-Nonnenklost^rs  im  Uebergangsstil. 

Reiafeld  bei  Lübeck.  Einschiffige ,  flach  gedeckte  Backsteinkircbe 
mit  dreiseitigem  Chorschluss  und  kleinen  Spitz  bogen  fenstcm.  Vergl.  Lotz 
1,  515. 

ReiashigeB  bei  Güstrow.    Die  Kirche,   ein  gothisirender  dreischiffiger 


im  norddeutschen  Tieflande.  463 

GewOlbebau  aus  Ziegeln  über  einem  Sockel  ans  Granitquadern ;  der  Chor 
mit  Kundbogeufries  ist  gerade  geschlossen. 

Ribniti  unweit  Rostock.  Der  westliche  Theil  der  einschiffigen  Stadt- 
kirche  im  Uebergangsstil. 

Kfalidt  unweit  Salzwedel.  Einschiffige,  in  der  Tonne  überwölbte  Gra- 
nitkirche mit  Apsis  am  einspringenden  Chor. 

Röbel  in  Meklenburg.  Der  rechteckige,  überwölbte  Chor  der  Marien- 
kirche (Zeitschr.  f.  Bauwesen.  1852.  Bl.  65  f.)  und  die  Nicolaikirche, 
ein  dreischiffiger  Hallenbau  mit  rechteckigem  Chor,  sind  völlig  gothisirend, 
zeigen  aber  äusserlich  Lisenen  und  Rundbogenfriese. 

Salzwedel.  Der  Westthurm  der  Katharinenkirche  und  die  anlie- 
genden Theile  des  Langhauses  als  Reste  einer  1246  begonnenen  ursprüng- 
lichen (später  gothisch  umgebauten)  überwölbten  Pfeilerbasilika  im  Ueber- 
gangsstil. (Adler  I,  35  und  S7  nebst  Bl.  48 — 50.)  —  Die  (restaurirtenj 
Ueberreste  der  Lorenzkirche,  einer  nur  kleinen  gewölbten  Pfeilerbasi- 
lika ohne  Querschiff  mit  gerade  geschlossenem  (etwas  jüngerem)  Chor  und 
oblongem  Westthurm,  zeigen  den  Uebergangsstil  in  höchster  Vollendung 
bei  origineller  Erfindung.  (Ebd.  S.  84  f.  und  Bl.  30.)  —  Der  Körper 
der  im  XV.  Jahrh.  fünfschiffig  umgebauten  Marienkirche,  einer  ur- 
sprünglich gewölbten,  kreuzförmigen  Pfeilerbasilika  im  Uebergangsstil 
mit  einem  achteckigen  Westthurm,  der  über  einem  älteren  runden  Granit- 
unterbau (jetzt  innerhalb  der  verlängerten  Kirche)  aufsteigt.  (Ebd.  S.  85  f. 
und  Bl.  49  f.) 

St.  Jehaines  auf  Föhr.  Die  Kirche,  ein  kreuzförmiger  Gewölbebau  mit 
einem  c.  lOO'  hohen  Thurm  ^  dessen  Mauer  unten  gegen  lO'  dick  ist. 
Vergl.  Lotz  1,  535. 

Saadaii  bei  Havelberg.  Die  Pfarrkirche,  eine  Pfeilerbasilika  mit  Chor- 
apsis  und  oblongem  Westthurm,  Ziegelbau  von  ausgezeichneter  Technik, 
aber  verunstaltet  und  unter  ein  Dach  gebracht. 

Saaitl  bei  Marlow  in  Meklenburg.  Einschiffige,  gewölbte  Granitkirche 
mit  Ziegeldetails ;  der  schmälere  Chor  ist  gerade  geschlossen ,  der  West- 
thurm oben  achteckig;  Uebergangsstil. 

Sat#W  bei  Plan.  Einschiffige,  gewölbte  Granitkirche  mit  Ziegeldetails, 
im  Uebergangsstil. 

Sehaprede  auf  Rügen.  Der  Chor  der  Kirche  romanisch,  das  Schiff 
gothisch . 

SeUagsderf  bei  Ratzeburg.  Die  Kirche  mit  zweischiffigem  Langhaus, 
dessen  Gewölbe  von  drei  Stützen  getragen  werden,  die  theils  aus  vier 
runden,  theils  aus  viet  achteckigen  Säulen  mit  Trapezknäufen  zusammen- 
gesetzt sind.    Der  einschiffige  Chor  ist  gothisch. 

Scllbuiiendftrf  bei  Segeberg.  Die  Kirche,  ein  runder  Centralbau  aus 
Granit^  dessen  rundbogige  Kreuzgewölbe  zwischen  breiten  Gurten  einge- 
spannt sind,  die  auf  vier  ins  Quadrat  gestellten  dicken  Rundpfeilem  und 
auf  achteckigen  Wandpfeilern  ruhen.  Oestlich  ist  an  der  Stelle  der 
Apsis  ein  flach  gedecktes  Langschiff  aus  Ziegeln  angebaut.  (Milde, 
im  Jahrbuch  für  die  Landeskunde  von  Schleswig  etc.   2,  375  mit  Abbild.) 

30* 


464  Homanische  Kirchen 

Schleswig.  Der  Dom  in  Kreuzform  von  Ziegel  und  Qranit  aus  dem 
XII.  bis  XV .  Jahrh .  —  Die  Michaeliskirche,  ^)  ursprünglich  ein  wohl 
um  1100  entstandener  runder  Centralbau  aus  Tuff  ohne  alle  Gewölbe, 
dessen  (nur  auf  der  Nordseite  erhaltener)  eine  Empore  tragender  zwei- 
stöckiger Umgang  sich  in  doppelten  Pfeilerarkaden  gegen  den  noch  höher 
aufsteigenden  und  mit  Oberlichtem  versehenen  Mittelraum  (von  38'  D.) 
öffnete.  Auf  der  Südseite  ist  der  Umgang  c.  um  1200  in  ein  oblonges 
Seitenschiff  (Tuff  und  Granit)  verwandelt  und  östlich  eine  (später  wiederum 
veränderte)  kleine  hufeisenförmige  Apsis  angebaut  worden,  und  um  1400 
ein  rechteckiger,  langschiffartiger,  gothischer  Westbau  aus  Ziegeln.  Das 
Ganze  (oben  meist  in  Ziegelbau  übergehend)  mit  (geputzten)  Zusätzen  und 
Veränderungen  anscheinend  aus  der  Zeit  um  1600. 

ScUöa  bei  Waren  in  Meklenburg.  Das  einschiffige  Langhaus  der 
Kirche,  dessen  Wölbung  von  einem  (späteren)  Mittelpfeiler  gestützt  ist,  im 
Uebergangsstil ;  der  gleich  breite  rechteckige  Chor  ist  gothisch. 

Schvitsdoif  bei  Tangermünde.    Romanische  Backsteinkirche. 

Schönberg  bei  Werben.  Romanische  Granitkirche  mit  einzelnen  Ziegel- 
verzierungen ;  der  oblonge  Westthurm  im  Uebergangsstil. 

Schotthavsen  bei  Tangermünde.  Die  1212  geweihte  Kirche,  eine  flach 
gedeckte  Pfeilerbasilika  ohne  Querschiff,  mit  Apsis  an  dem  in  der  Tonne 
überwölbten  Chor  und  einem  westlichen  Thurmbau^  der  das  Langhaus  an 
Breite  übertrifft  und  mit  den  gen  Nord  und  Süd  fallenden  Giebeln  den  Ein- 
druck eines  Querhauses  macht.  Die  Arkadenträger  des  Langhauses  sind 
verschieden :  achteckig,  kreuzförmig  und  rund  (mit  Trapezcapitälen) ,  die 
Bögen  ausgezackt.  Das  Aeussere  sehr  verwandt  mit  dem  benachbarten  Je- 
richow.  (Adler  I,  44  und  Bl.  24.) 

ScborreDtitt  bei  Dargun.  Der  gerade  geschlossene  Chor  der  Kirche  im 
Uebergangsstil ;  das  einschiflige  Langhaus  gothisch  von  1390. 

Schwerin.  Der  Dom ,  dessen  gothisch  veränderter  Westthurm  noch 
von  dem  1222 — 1248  errichteten  Bau  herstammt,  ist  im  Uebrigen  gothisch. 

Seehavsen  i.  d.  Altmark.  Die  zuerst  1192  erwähnte  Pfarrkirche  zeigt 
in  den  Untermauern  des  Querhauses  noch  die  Reste  eines  roman.  Granit- 
baues; die  Westthürme  und  das  zwischen  denselben  angeordnete  rund- 
bogige  Prachtportal  mit  Sandsteinsäulen  im  Uebergangsstil;  das  Uebrige 
spätgothisch.    (Adler  I,  82  f.  und  Bl.  47.) 

Segeberg  in  Holstein.  Die  Stadtkirche,  eine  (jetzt  von  einem  Dache 
bedeckte)  gewölbte  Basilika,  deren  Quergurte  auf  den  Vorlagen  breiter  vier- 
eckiger Pfeiler  mit  engagirten  Ecksäulchen  ruhen,  die  mit  5'  dicken  Trapez- 
knaufsäulen als  Zwischenstützen  wechseln ;  der  kleine  quadratische  Chor 
schliesst  gerade ;  über  dem  westlichsten  Joch  des  Langhauses  erhebt  sich 
ein  viereckiger  Thurm.  Aeusserlich  am  Schiff  Lisenen  und  Bogenfriese. 
Vergl.  Lotz  1,  553. 

Seview  bei  Marlow  in  Meklenburg.  Einschiffige  Granitkirche  mit 
Ziegeldetails,  westlichem  Thurm  und  überwölbtem  quadratischem  Chor. 

Serrabn  unweit  Güstrow.  Die  rechteckige  Kirche  mit  westl.  Thurm, 
ein  zierlicher  überwölbter  Ziegelbau  im  Uebergangsstil. 


1)  Nach  einer  gefälligen  Mittheilung  des  Herrn  v.  Quast. 


im  norddeutschen  TiefUnde.  465 

Sonp  in  Angeln  beim  See  gl.  Namens.  Einschifiige  Kirche  aus  Granit- 
quadern mit  Apsis,  Säulenportal  an  der  Nordseite  und  Westthurra.  Vergl. 
Lotz  1.  563. 

Stenilal*  Die  beiden  Westthürme  des  Domes  zu  den  Seiten  des  wage- 
recht scbliessenden  Zwischenbaues  im  Uebergangsstil ;  restaurirt.  ^)  Die 
älteren  Theile  des  Kreuzganges  mit  Hausteindetails. 

Stück  bei  Schwerin.  Der  gerade  schliessende  überwölbte  Chor  der  1857 
neu  erbauten  Kirche  im  Uebergangsstil. 

Svlejow  bei  Piotrkow  in  Gr.  Polen.  Die  stattlich  spätroman.  Cister- 
zienserkirche,  Hausteinbau.  Im  Innern  Säulen  mit  platt  wulstigen  Eck- 
blattbasen und  reichen  Blattwerkcapitälen ;  ein  mit  einem  Giebel  (Iber- 
setztes  rundbogiges  Säulenportal. 

Sissei  bei  Eutin.  EinschifEige  Granitkirche  mit  Apsis  am  einsprin- 
genden gewölbten  Chor,  welcher  südlich  mit  einer  zierlich  decorirten  Rund- 
bogenthür  versehen  ist.    Westthurm  axis  Ziegeln.    Vergl.  Lotz  1,  579. 

Tangemiittil««  Die  Nicolaikirche,  modemisirter ,  einschifHger, 
flach  gedeckter  Granitbau  mit  quadratischem  Chor  und  spätgoth.  West- 
thurm aus  Ziegeln.  —  An  der  Nordseite  der  Stephanskirche  ein  alter 
Mauerrest  mit  Kiindbogenfenstern  und  Lisenen ;  nach  v.  Quast  vor  1192. 

Teterow  unweit  Güstrow.  Der  gerade  geschlossene,  gewölbte  Chor  der 
dreischifligen  goth.  Kirche  spitzbogig  in  einem  edelen  Uebergangsstil. 

Thelkow  bei  Triebsees.  Einschiffige,  gewölbte  Granitkirche  mit  qua- 
dratischem Chor  im  Uebergangsstil. 

Trebaitz  unweit  Breslau.  Die  1209  geweihte  Cisterzienser  -  Nonnen- 
kirche, eine  kreuzförmige,  gewölbte  Pfeilerbasilika,  ursprünglich  mit  drei 
Apsiden  ;  Ziegelbau  mit  Hausteindetails  im  Uebergangsstil.  Unter  dem 
Chor  eine  dreischiffige  Pfeilerkrypta.  In  dem  jüngeren,  mit  Strebepfeilern 
und  Strebebögen  besetzten  Schifi*  sind  die  abgestuften  rechteckigen  Haupt- 
pfeiler mit  je  drei  Halbsäulen  besetzt,  die  Zwischenpfeiler  nur  mit  einer. 
Die  Spitzbogengewölbe  des  Mittelschiffes  sechsrippig.  Das  Innere  ist  ver- 
zopft.  (Luchs,  Stilproben.  Taf.  1  Fig.  5—14.) 

TreaenbrietieB.  Die  Marienkirche,  kreuzförmige,  gewölbte  Pfeiler- 
basUika  mit  Chorapsis,  spitzbogig,  im  Uebergangsstil ;  Ziegel  und  Granit. 
Viereckiger  spätgoth.  Westthurm  mit  vier  Giebeln  und  Kreuzdach.  —  Die 
Nicolaikirche,  der  vorigen  ähnlich,  aber  schmuckvoller  und  mehr  aus- 
gebildeter durchgängiger  Ziegelbau,  mit  drei  Apsiden.  Die  Hauptpfeiler 
mit  einer  Vorlage  für  die  Quergurte  und  mit  Ecksäulen  für  die  Rippen,  die 
Zwischenpfeiler  einfach  ausgeeckt ;  über  der  (jetzt  mit  einem  Holzgewölbe 
geschlossenen)  Vierung  ein  Mittelthurm.  (Put trieb,  Denkm.  II.  Serie 
Jüterbog.  Bl.  12.  —  Adler},   Backsteinbauwerke.   Heft  7   Bl.  70.) 

Yerchen  bei  Demmin.  Das  flach  gedeckte  Schifi"  der  Nonnenkirche,  ^) 
dessen  geschmackvoll  im  Uebergangsstil  decorirtcr  Ostgiebcl  durch  späteren 
Anbau  verdeckt  ist.  In  Westen  ehemals  eine  Nonnenempore.  Chor  und 
Thurm  spätgoth  isch. 

1)  Quast,  F.  v.,  der  Dom  zu  Stendal,  in  der  Zcitschr.  far  Archäol.  u.  KunHt  1, 
186—188  u.  Fig.  26  f. 

2)  Lisch,  G.  C.  F.,  die  Kirche  zu  Verchen,  in  den  Halt.  Studien  VU.  2,  lü2  ff. 


466  Romanische  Kirchen 

Yenlei.  Die  Andreaskirche,  einschiffig  mit  Apsis  und  westlich  vor- 
gelegtem  viereckigem  Hausteinthurm  ;  spätroman.  Ziegelbau  mit  wesentlich 
goth.  Elementen.  Das  Schiff,  aus  drei  von  rechteckig  gegliederten  Gurten 
getrennten  kuppelartig  überwölbten  Jochen  bestehend ;  äusserlich  einfache 
Strebepfeiler,  an  der  Apsis  schlanke  Halbsäulen ;  vor  1231.  (Details  bei 
Essen  wein,  Backsteinbau.  Taf.  13  Fig.  1.)  —  Die  unvollendeten  West- 
thürme  des  Domes,  als  Ueberrest  eines  11  SO  geweihten  Baues. 

Yietlvbbe  bei  Gadebusch.  Ueberwölbte ,  rundbogige  Kirche  von  der 
Grundform  des  gleicharmigen  Kreuzes  mit  östlicher  Apsis.  Die  Halbsäulen- 
vorlagen  der  Vierung  mit  Trapezknäufen. 

Vippemr.  Rechteckige  Granitkifche  mit  Ziegeldetails;  Uebergangsstil. 

Wftriler  bei  Segeberg.  Einschifiige ,  flach  gedeckte  Granitkirche  mit 
rechteckigem,  gerade  geschlossenem  Chor  und  kurzem  viereckigem  Thurm. 
Lotz  1,  613. 

Waren  in  Meklenburg.  Der  Chor  der  Pfarrkirche,  Granitbau,  und 
der  Chor  der  Neuen  Kirche,  beide  viereckig  und  im  Uebergangsstil. 

Wattaianukagei  bei  Güstrow.  Der  gerade  schliessende  gewölbte  Chor 
der  Kirche,  Granitbau  im  Uebergangsstil. 

Werben  bei  Havelberg.  Der  im  roman.  Erdgeschosse  mit  einem  Ton- 
nengewölbe versehene,  schmal  rechteckige  Westthurm  der  goth.  Johannis- 
kirche,  oben  im  Uebergangsstil.  (Adler  I,  77  und  Bl.  43  Fig.  6.) 

Wiesenbirg  bei  Beizig.  Einschiffige,  flach  gedeckte  Kreuzkirche  mit 
polygoner  Apsis;  Granitbau  im  Uebergangsstil. 

Wittenbirg  in  Meklenburg.  Die  Kirche  um  1260—1280  im  Ueber- 
gangsstil :  das  Langhaus  mit  drei  Schiffen  von  gleicher  Höhe,  deren  Pfeiler 
meist  mit  je  vier  Trapezknauf säulen  und  dazwischen  mit  Diensten  für  die 
Wulsteinfassungen  der  Qu^rgurte  und  für  die  Kreuzgurte  besetzt  sind ;  der 
rechteckige,  gerade  geschlossene  Chor  mit  späteren  Sterngewölben  und  drei 
in  eine  Spitzbogenblende  zusammengestellten  schmalen  Lanzettfenstem.  Am 
Aeusseren  Ecklisenen  und  Rundbogenfriese. 

Welkew  bei  Treptow  a.  d.  R.  Kleine  Backsteinkirche  im  spätesten 
Uebergangsstil. 

Welvirstadt  bei  Magdeburg.  Die  jetzige  Stadtkirche  enthält  den  Kern 
der  nach  1240  im  Uebergangsstil  aus  Haustein  gebauten  Cisterzienser- 
Nonnenkirche.  (v.  Quast,  in  der  Zeitschr.  für  Archäol.  und  Kunst  1, 
263—266  und  Fig.  35  f.) 

Zahna  bei  Wittenberg.  Die  Kirche,  eine  schlicht  rundbogige.  flach  ge- 
deckte, anscheinend  schon  frühzeitig  der  Seitenschiffe  und  der  Nebenapsiden 
des  Querhauses  beraubte  ursprüngliche  Pfeilerbasilika  mit  Chorapsis :  Gra- 
nitbau ;  das  Fenstergeschoss  des  T^anghauses  und  der  viereckige  Westthurm 
von  der  Breite  des  letzteren  aus  Ziegeln. 

Zarpen  bei  Lübeck.  Die  einschiffige,  gewölbte  Kirche  mit  (K)lygoner 
Apsis  am  einspringenden  Chor  und  niedrigem  Westthurm  von  derselben 
Breite;  Uebergangsstil.  Paarweise  gestellte  Spitzbogenfenster ;  aussen  Rund- 
und  Spitzbogenfriese  und  deutsche  Bänder.    Vergl.  Lotz  1,  647. 

If hdenik.  Der  östliche  Flügel  des  1250  gegründeten  Cisterzienser- 
k  1  o  s  t  e  r  s  ,  ein  Granitbau  mit  zwei  langen  Reihen  kleiner  Spit^bogen- 
fenster  und  am  Südgiebel  mit  drei  hohen  gekuppelten  Fenstern,  ebenfalls 


im  norddeutschen  Tieflande.  467 

im  älteren  Spitzbogen.    (Mark.  Forsch.  5,    174  nebst  Ansicht.)  —  Der  ro- 
manische Thurm  der  Stadtkirche. 

linnu  bei  Jüterbog.  Die  Kirche  ^)  des  1170  gestifteten  Cisterzienser- 
klosters,  eine  schlichte,  spitzbogige  Pfeilerbasilika  aus  Granitquadern ;  auf 
beiden  Seiten  des  flachen  Chores  je  zwei  wie  letzterer  selbst  innen  rund, 
aussen  im  halben  Achteck  geschlossene,  in  der  Tonne  überwölbte  Kapellen, 
wodurch  der  Chorraum  die  ganze  Breite  des  Querschiffes  einnimmt.  Die 
Kirche  ist  mit  Kreuzgewölben  überspannt,  die  im  Schiff  nach  einem  abge- 
flachten Rundbogen  construirt  sind  und  deren  gothisch  gegliederte  Quer- 
und  Kreuzgurte  auf  schlichten  Kragsteinen  aufsetzen,  von  denen  einige  in 
den  Seitenschiffen  mit  romanisch  ornamentirten  Stuckmänteln  ^  maskirtsind. 
(Puttrich,  Denkm.  ü.  Serie  Jüterbog.  Bl.  13.  15.  16.  —  Derselbe, 
Systemat.  Darstell.  Bl.  2.  No.  13.) 

Anmerkung.  Die  bei  weitem  überwiegendste  Mehrzahl  der  zumeist 
erst  aus  der  Uebergangsperiode  stammenden  Dorfkirchen  des  nord- 
deutschen Tieflandes  ist  aus  Granit  erbaut  und  zwar  in  den  ältesten  Bei- 
spielen nach  dem  oben  8.  292  Fig.  125  skizzirten  Planschema,  welchem  in 
der  Altmark  ^)  noch  ein  rechteckiger  Sattelthurm  (mit  der  Thür  auf  der 
Giebelseite,  nördlich  oder  südlich)  von  der  Breite  des  Langhauses  (zuweilen 
noch  breiter  als  letzteres)  westlich  hinzugefügt  ist :  Gross-Schwechten 
und  H  äs  ewig  bei  Stendal,  Walsleben  und  Iden  bei  Osterburg,  Min- 
den bürg  bei  Sandau;  bei  anderen  fehlt  bereits  die  Apsis,  und  der  Chor 
schliesst  in  gerader  Linie :  Binde  bei  Osterburg,  Krusemark  bei  Sandau, 
Vielbaum  bei  Seehausen,  Wiepke  bei  Gardelegen.  Eine  besondere 
Gattung  bilden  die  im  Yolksmunde  sogen.  9 sieben  verkehrten <ii  Dorfkirchen^ 
wo  nach  dem  in  Süddeutschland  häufigen  Muster  der  Thurm  in  Osten  über 
dem  Chore  steht,  woran  sich  die  Apsis  lehnt:  Hemerten  *)  bei  Tanger- 
münde, Tangein  bei  Salzwedel,  Belitz  und  Staffeide  bei  Stendal  etc. 
—  Auf  dem  Fläming  ist  die  Apsis  meist  vorhanden ;  dagegen  fehlt  eine 
ursprüngliche  Thurmanlage  grösstentheils  :  Raben,  Mörz  und  D  a  h  m  s- 
dorf  bei  Beizig,  Lindo,  Kaltenborn,  Höh  engörsdor  f ,  Werbig, 
Lichterfelde,  Borgisdorf,  Reinsdorf,  Wahlsdorf  bei  Jüterbog, 
und  die  Eingänge  befinden  sich  nie  auf  der  Westseite.  In  einigen  Bei- 
spielen ist  (wie  an  der  Dammkirche  vor  Jüterbog)  die  westliche  Mauer  mit 
wagerechtem  Abschluss  über  die  Dachhöhe  der  Kirche  hinaufgeführt  und 
bildet  die  Vorderseite  für  den  daran  gelehnten  Fachwerkthurm  :  Neu  mark  t 
an  Jüterbog  und  Dorf-Zinna.  Durch  einen  Steinthurm  über  der  Westseite 
zeichnet  sich  Langenl  ipsdorf  ^)  aus.    Geradlinigen  Chorschluss  haben 


1)  Otte,  H.,  die  Kirche  des  ehemal.  Cisterzienser-Mönchsklosters  zu  Zinna,  in 
den  N.  Mittheil,  des  Thüring.- Sachs.  Vereins  VIL  2,  33—00. 

2)  S.  oben  S.  33  Fig.  7.  Diese  Consolen  sind  mit  Kalkmörtel  üherschmiert,  unter 
welchem  sie  roth  erscheinen  und  deshalb  bisher  für  Backstein  gegolten  haben.  Bei 
gründlicherer  Untersucliung  durch  Hrn.  Prof.  Adler  stellte  sich  indcss  heraus,  dass 
die  rothe  Farbe  nur  altere  Bemalung  ist,  und  die  Masse  selbst  aus  Stuck  besteht. 

3)  Vergl.  Adler,  Backsteinbauwerke  I,  92,/ 

4)  Strack  u.  Meyerheim,  Denkm.  No.  5. 

5)  Puttrich,  Denkm.  IL  Serie  Jüterbog.  Bl.  12. 


468  Romanische  Kirchen  im  norddeutschen  Tieflande. 

in  der  Gegend  um  Jüterbog :  Welsigkendorf^  Hohenahlsdorf  und 
Rohrbeck;  Schlenzer  (zuerst  urkundlich  erwähnt  1227)  und  Werder 
mit  oblongen  Westthürmen ;  der  Thurm  von  Werder  mit  Ziegeloberbau.  — 
In  der  Mittelmark  bei  Berlin  repräsentiren  Tempelhof,  Marien- 
felde, Franz.  Buchholz,  Herzfelde  bei  Fürstenwalde,  Tempel- 
berg und  Heinersdorf  bei  Müncheberg  den  Typus.  Mariendorf  und 
Bukow  sind  zweischiffig  überwölbt:  ersteres  mit  drei,  letzteres  mit  zwei 
Pfeilern.  —  In  der  Ukermark  und  in  der  Priegnitz  ^)  findet  sich  der 
oblonge,  hier  aber  mit  einem  kleinen  Dachreiter  besetzte  Westthurm,  aber 
die  Apsis  fehlt,  z.  B.  in  Gaartz,  Kampehl,  Nebelin  bei  Lenzen, 
Gross-Welle  (ohne  Thurm)  ,Breddin,  Zernitzbei  Havelberg  (mit 
unter  dem  Dach  aufgemaltem  Rundbogenfries).  Die  Kirche  zu  Herz- 
sprung ist  durch  die  Verwendung  von  kolossalen  Granitplatten  bemer- 
kenswerth.  Die  Kirche  zu  Altenzaun  bei  Havelberg  hat  über  dem  West- 
giebel zwei  Pfeiler,  zwischen  denen  die  Glocke  hängt.  —  Im  nördlichen 
Theile  des  Landes  Stargar d^)  ist  der  rechteckige  Chorschluss  mit  drei 
von  Ziegeln  eingesetzten  Fenstern  die  Regel :  Neddemin,  Neverin, 
Staven,  Roga,  Dahlen,  Salow,  Broma,  Helpte,  Käbelich, 
Cölpin,  Teschendorf,  Warbende;  nur  Lübberstorf  und  Golm 
mit  Gewölben.  Die  Glocken  hängen,  auch  wenn  ein  Thurm  vorhanden  ist, 
oft  in  einem  neben  der  Kirche  aufgerichteten  Glockenstuhl.  Dagegen  sind 
die  Landkirchen  in  der  Gegend  von  Rostock,  bei  gleichem  Grundplane  und 
mit  viereckigem  Westthurm,  aus  Ziegeln  gebaut  und  zeigen  nur  an  den 
Ecken  und  an  den Thürmen  häufig Granitquadem,  z.  B,  Schwan,  Ruchow, 
Lüssow,  Cambs,  Grossengrenz,  Hohensprenz.**)  —  Als  Typus 
der  Granit-Dorfkirchen  in  Pommern  wird  Tribohm  (zwischen  Damm- 
garten und  Triebsees)  angelührt.  Diese  Kirche  besteht  aus  dem  oblongen 
Schifi^  mit  schmälerem  Altarhaus,  ohne  Apsis.  ^) 


1)  Vergl.  Adler  a.  a.  O.  II,  19. 
2]  Lisch,  Jahrbuch  etc.   ]0,  314. 

3)  Derselbe,  im  VI.  Jahresbericht  etc.  S.  87. 

4)  Derselbe,  Jahrbuch  etc.  23,  320;  vergl.  Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  689. 


469 


n.  Gothischer  StO. ') 

Xm.  bis  XVI.  Jahrhundert. 

Literatur:  Schlegel,  F.,  Grundzage  der  goth.  Baukunst,  auf  einer 
Reise  durch  die  Rheingeg^nden,  die  Niederlande,  die  Schweiz  und  einen  Theil 
Frankreichs.  1  SO  1— I SU5.  [VT.  W.  VI.)  —  Sammlung  goth.  Kirchen  in  Deutsch- 
land. 1808.  —  Costenoble,  J.  C,  Über  altdeut.  Architektur  und  deren  Ur- 
sprung. 1812.  —  Murphy,  J,  über  die  Grundregeln  der  goth.  Baukui^st. 
Aus  dem  Engl,  von  J.  D.  E.  W.  Engelhard.  1828.  —  Zwirner,  E.,  Rede 
über  deut.  Baukunst,  im  Kolberger  Wochenbl.  vom  22.  Aug.  1829.  —  Melas, 
Th.,  Erwin  von  Steinbach  oder  Geist  der  deut.  Baukunst.  3  Bde.  1834.  — 
Metzger,  J.,  Gesetze  der  Pflanzen-  u.  Mineralienbildung,  angewendet  auf 
altdeut.  Baustil.  1835.  —  Kopp,  E.,  Beitrag  zur  speciellen  Darstellung  des 
spitzbog;  Baustils.  6  Hefte.  1839~-!944.—  Hoffstadt,  F.,  Goth.  A.-B.-C. 
Buch,  d.  i.  Grundregeln  des  goth.  Stils  für  Künstler  u.  Werkleute.   1840  etc. 

—  Wiegmann,  Rud.,  über  den  Ursprung  des  Spitzbogenstils.  1842.  —  Die 
Artikel  »Altdeutsche  Kunst«  in  Bd.  1  S.  303 — 310  u.  »Germanische  Baukunst« 
in  Bd.  4  S.  416— 49S  des  Converaat. -Lexik,  für  bild.  Kunst.  1843.  1848.  — 
MöUinger,  C,  Elemente  des  Spitzbogenstils,  systematisch  entwickelt.  1845. 

—  Reichensperger,  A.,  die  christl.-german.  Baukunst  u.  ihr  Verbftltniss 
zur  Gegenwart.  (1815).  3.  Aufl.  1859.  —  Heideloff,  C,  der  kleine  Alt- 
deutsche (Gothe),  oder  Grundzüge  des  altdeut.  Baustils  (1847  etc.).  —  Kau- 
mann, Über  die  german.  Baukunst  des  M.-A.  1847.  —  MeUy,  Ed.,  Goth. 
Briefe.  (Heftweise  erschienen  bis  1856.)  —  Statz,  V.,  u.  Ungewitter,  G., 
Goth.  Musterbuch,  mit  einer  Einleit.  von  A.  Reichensperger.  18  Lieff. 
1856 — 1861.  —  Ungewitter,  G.,  Lehrbuch  der  goth.  Constructionen.  Nebst 
Atlas.  Lief.  1 — 3.  1859  etc.  —  Ursprung  u.  Schfttzung  des  goth.  Stils,  in  den 
Grenzboten.  1865.  No.  12.  S.  460  ff.  —  Aus  der  Gesch.  des  christl.  Kirchen- 
baues. III.  Der  goth.  Styl,  im  Christi.  Kunstbl.   1866.  No.  1  ff. 

87.  Der  wie  im  grossesten  Theile  des  ganzen  Abendlandes  von' 
der  Mitte  des  XIII.  bis  etwa  zur  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts  auch  in 
Deutschland  herrschende  Baustil  wird  hergebrachter  Weise  der  go- 
thische  genannt:  nicht  weil  dieser  Name  etwa  dem  Wesen  dieser 
Architektur  oder  ihrem  geschichtlichen  Herkommen  entspräche,  son- 
dern lediglich  dem  einmal  üblichen  Sprachgebrauche  gemäss,  da  es 
anderweitig  an  einer  Benennung  fehlt,  an  welche  sich  nicht  falsche 
Nebenbegri£fe  anknüpften. 

Der  Name  goth is eh  ist  nicht  von  dem  Volke  der  Oothen  abzu- 
leiten ;  wir  haben  denselben  vielmehr  von  den  Wälschen  in  der  Zopfzeit 
überkommen,  welche  mit  dem  Worte  ffoüco,  gotMque  alles  Altfränkische, 
Aussermodegekommene  und  Barbarische  zu  bezeichnen  liebten  (vergl. 
die  Bemerkung  Goethe's,  von  deutscher  Art  und  Kunst;  W.  W.  39, 
344 .  Ausg.  letzter  Hand) ,  und  —  barbarisch  erschien  der  damaligen 
Zeit  der  mittelalterliche  Baustil.  —  Es  fehlt  uns  leider  ein  passender 
Name  für  diese  Baukunst,  und  die  sonst  empfehlenswerthe  Benennung 


1)  Derselbe  wird  sonst  auch  deutscher,  romantischer,  'germanischer  oder  Spitz- 
bogenstil genannt. 


470  Gothischer 

»germanisch«  hat  sich  nicht  einbürgern  wollen  und  beruhte  bei  ihrem 
Erfinder  (v.  Rumohr)  auf  einer  irrigen  wissenschaftlichen  Ansicht.  — 
Die  Franzosen  sagen  architecture  ogtvale  ^  d.  i.  wörtlich  »Vermehrungs- 
oder Verstärkungsbaukunst«:  ein  innerlich  passender  Name,  da  man  als 
innerstes  Princip  der  gothischen  Baukunst  die  durch  fortgesetzte  Thei- 
lungen  und  Vermehrungen  der  Stützen  ermöglichte  folgerichtige  Durch- 
führung des  Gewölbebaues  zu  erkennen  hat.    Vergl.  §  93.  S.  475. 

88.  Durch  die  fortschreitende  Entwickelung  der  mittelalterlichen 
Kunstgeschichte  ist  der  Ursprung  des  gothischen  Baustils  aus  Frank- 
reich unwiderleglich  dargethan,  indem  in  den  nordöstlichen  Gegenden 
dieses  Landes  nicht  nur  die  ältesten  gothischen  Bauwerke  vorkommen, 
an  welchen  der  neue  Stil  in  seinen  noch  unentwickelten  Principien  in 
schlechthin  primitiver  Weise  erscheint,  sondern  auch  die  allmähliche 
Ausbildung  sich  Schritt  vor  Schritt  bis  nahe  zur  höchsten  Staffel  der 
Vollendung  verfolgen  lässt ;  letztere  wurde  jedoch  erst  in  Deutschland 
erreicht. 

Das  älteste  gothische  Bauwerk  in  Franzien  ist  die  Front  und  der 
Chor  von  St.  Denis,  und  der  ausdrücklich  bekundete  Leiter  dieses  Baues, 
der  dortige  Abt  S  u  g  e  r ,  wird  deshalb  von  Hertens  (die  Baukunst  in 
Deutschland  S.  8)  geradezu  als  Erfinder  der  gothischen  Bauweise  be- 
zeichnet. Obwohl  die  Rechtfertigung  dieser  Behauptung  füglich  dem 
Autor  derselben  überlassen  bleiben  muss,  so  hat  doch  die  Idee  von  der 
Erfindung  des  gothischen  Baustiles  durch  ein  bestimmtes  Individuum  in 
Betracht  des  diesem  Stile  zu  Grunde  liegenden,  so  höchst  eigenthüm- 
lichen  Constructionsprincipes  unläugbar  viel  Ansprechendes ,  während 
der  Geist  des  Stiles  immerhin  als  gemeinsames  Erzeugniss  jener  ganzen 
Zeit  anzuerkennen  sein  wird. 

In  Deutschland  tritt  der  gothische  Baustil  bald  nach  dem  Beginn 
des  Xin.  Jahrh.  an  einzelnen,  von  einander  unabhängigen  Stellen  zu- 
nächst sporadisch  auf,  und  in  mehreren  Fällen  lässt  sich  die  Verpflanzung 
aus  Frankreich  nicht  bloss  mit  vieler  Wahrscheinlichkeit,  sondern  selbst 
mit  voller  Bestimmtheit  nachweisen.  Das  älteste  Beispiel  von  Anwen- 
dung eines  französischen  Bauplanes  auf  ein  deutsches  Gebäude  betrifft 
noch  ein  romanisches  Denkmal:  die  Kirche  St.  Godehard  in  Hildes- 
heim [gegr.  1133),  soviel  bekannt,  die  einzige  dieses  Stils  auf  deutschem 
Boden,  welche  einen  halbkreisförmigen  Chorumgang  mit  radianten  Ka- 
pellen hat,  eine  Bauform,  die  schon  im  XL  Jahrh.  im  südlichen  Frank- 
reich ganz  üblich  und  bis  zur  Loire  hin  völlig  verbreitet  war.  Bei  der 
Kanonisation  des  h.  Godehard  1131  auf  dem  Concile  zu  Rheims  war  der 
Stifter  der  gedachten  Kirche,  Bischof  Bernhard  l.  von  Ilildesheim,  zu- 
gegen; es  ist  deshalb  wahrscheinlich,  dass  er  dort  oder  in  Frankreich 
überhaupt  jene  Chorform  kennen  gelernt  und  bei  der  von  ihm  neu  ge- 
gründeten heimischen  Kirche  zum  Muster  genommen  haben  wird.  ^)  — 


1)  Vergl.  Zeitschr.  für  christl.  Archäol.  u.  Kunst  t,  218  u.  276. 


Baustil.  471 

Der  an  Stelle  des  1207  abgebrannten  Ottonischen  Domes  zu  Magde- 
bürg  getretene  Neubau  zeigt  in  seiner  mit  einem  zweigeschossigen  Um- 
gange und  einem  Kapellenkranze  versehenen  Chore,  in  der  durchgängigen 
Anwendung  des  so  frühzeitig  im  inneren  Deutschland  sonst  nicht  nach- 
gewiesenen Spitzbogensystemes  und  in  manchen  anderen  Eigenschaften 
deutlich  den  Einfluss  des  nordfranzösischen  Kathedralenstils,  und  muss, 
trotz  der  Menge  deutsch-romanischer  Details  und  Eigenthümlichkeiten, 
im  Wesentlichen  als  ein  altgothisches  Denkmal  anerkannt  werden.  Man 
darf  annehmen,  dass  Erzbischof  Albert  11.,  welcher  wenige  Tage  nach 
dem  Dombrande  seinen  Einzug  in  Magdeburg  hielt  und  vorher  auf  der 
Universität  zu  Paris  studirt  hatte,  wo  sich  ihm  Gelegenheit  bot,  den  da- 
mals so  grossen  Aufschwung  der  dortigen  Baukunst  kennen  zu  lernen, 
entweder  fertige  Baupläne  aus  Frankreich  kommen  Hess  oder  deutsche 
Bauleute  dorthin  sandte,  um  sich  mit  der  neuen  Kunstweise  bekannt  zu 
machen.  ^  —  Die  1227  begonnene  Lieb  fr  au  enkir  che  zu  Trier, 
ein  frühgothischer  Centralbau  mit  einzelnen  romanischen  Erinnerungen 
und  von  sehr  complicirtem  Grundriss,  hat  den  Chor  der  Kirche  St.  Ived 
in  Braine  bei  Soissons  (IJSO — 1216)  in  der  Art  zum  Vorbilde,  dass  zu- 
nächst der  Chor  copirt  und  dann  nochmals  westlich  vom  Querhause  wie- 
derholt wurde,  statt  des  von  Säulen  getragenen  Langhauses  in  dem  fran- 
zösischen Urbilde.2)  —  In  Naumburg,  wo  1242  eine  Weihe  des  im 
deutsch-romanischen  Uebergangsstile  erbauten,  noch  unvollendeten  Domes 
stattfand,  ^)  wurde  in  demselben  Jahre  ein  gelehrter  Mann  und  Magister 
artium,  Namens  Peter,  von  Paris,  wo  er  sich  den  Studien  widmete,  durch 
das  Domcapitel  auf  den  bischöflichen  Stuhl  berufen,  den  er,  von  der 
markgräflichen  Partei  verdrängt,  freilich  nicht  zu  behaupten  vermochte ;  *) 
es  darf  indess  darauf  hingewiesen  werden,  dass  der  am  Westchor  von 
seinem  Nachfolger  bald  darauf  wieder  aufgenommene  Dombau  im  un- 
mittelbaren Anschlüsse  an  das  Vorhandene,  aber  in  grellem  Gegensatze 
dazu  nunmehr  in  entschieden  gothischer  Weise  offenbar  durch  andere 
Bauleute  vollendet  wurde.  —  Der  Plan  zu  dem  1248  gegründeten  Chore 
des  Domes  von  Cöln  ist,  wie  unzweifelhaft  feststeht,  im  Wesentlichen 
eine  genaue  Nachahmung  des  bei  der  Grundsteinlegung  desselben  im  Bau 
begriffenen  und  schon  weit  vorgeschrittenen  Chores  der  Kathedrale  von 
Amiens,  und  beide  Grundrisse  decken  fast  einander.  *)  —  In  den  Jahren 
von  1262 — 1278  fand  ein  Neubau  der  Stiftskirche  zu  Wimpfen 


1)  V.  Quast,  ebd.  S.  172  u.  219  ff. 

2)  Schnaaae,  Kunstgesch.  5,  478,  wo  beide  Grundrisse  neben  einander  gestellt 
sind,  auf  deren  Verwandtschaft  zuerst  Mertens  (ebd.  S.  4 SO)  bereits  im  Jahre  1841 
hingewiesen  hat.  —  Didron,  Annales  arch^ol.  11,  272 — 286. 

3)  V.  Quast,  im  D.  Kunstbl.  1855.  S.  102. 

4)  Lepsius,  C.  F.,  Gesch.  der  Bischöfe  von  Naumburg  1,  81. 

5)  Schnaaae  a.  a.  O.  S.  528,  wo  beide  Grundrisse  neben  einander  gestellt  sind. 
Vergl.  Verneilh,  ¥6\.  de,  la  cath^drale  de  Cologne,  in  den  Annales  archäol.  7, 
57 — 69;  225  240;  8,  IM — 135.  —  Die  Uebereinstimmung  beider  Grundpläne  war 
übrigens  in  Deutschland  längst  bekannt ,  und  schon  1811  stellte  Boisser^e  der 
Vergleichung  halber  beide  zusammen.  (Sulpiz  Boisaeree.  Stuttgart  1862.  S.^121.) 
Das  Studium  französ.  Vorbilder  wird  auch  durch  die  Fenster  der  Apsidiolen  darge- 
than,  welche  mit  denen  der  Ste.  Chapelle  in  Faris  (1243—1248)  fast  buchstäblich 


472  Gothiachcr 

im  T h  a  1  e  statt,  zu  welchem  nach  dem  Berichte  eines  fast  gleichzeitigen 
Chronisten^)  ein  in  der  Baukunst  sehr  erfahrener  Steinmetz  herbeige- 
rufen wurde,  der  erst  kürzlich  aus  Paris  gekommen  war  und  das  Werk 
aus  Hausteinen  i^opere  Franciffmou  auf  das  Trefilichste  ausführte.  —  Ausser 
solchen  einzelnen  Beispielen  der  Verpflanzung  des  neuen  Stiles  aus 
Frankreich  trugen  im  Allgemeinen  zu  dessen  Ausbreitung  die  Orden  der 
Cisterzienser  (bei  ihrer  fortwährenden  Verbindung  mit  den  dortigen 
Mutterklöstern) ,  der  Dominicaner,  der  Franciscaner  und  der  Deutschen 
Ritter  wesentlich  bei.  ^) 

Obgleich  die  deutsche  Gothik  ihren  französischen  Ursprung  nicht 
verläugnen  kann,  so  erfassten  doch  die  deutschen  Meister  das  Fremde 
mit  wahrhaft  genialem  Blick  und  unter  Bethätigung  ihrer  volksthüm- 
lichen  Individualität  in  durchaus  selbständiger  Verarbeitung :  sie  repro- 
ducirten  das  neue  System  von  innen  heraus,  führten  es  auf  seine  Grund- 
Züge  zurück  und  entwickelten ,  dasselbe  unter  Entkleidung  von  mancher 
verhüllenden  decorativen  Zuthat  in  edeler  Keuschheit  zu  einer  weder  in 
Frankreich  noch  England  erreichten  inneren  Harmonie ,  Klarheit  und 
Lauterkeit.  {Vergl.  Kugler,  Gesch.  der  Baukunst  3,  203.  —  Lübke, 
Gesch.  der  Architektur  S.  543.  —  Mertens,  in  der  Zeitschr.  für  Bau- 
wesen. 1862.  Sp.*  178 — 183.)  Die  Anwendung  des  gothischen  Stils  auf 
die  Hallenkirche  (oben  S.  5 2  Anmerk. )  ist  rein  deutsche  Erfindung. 

89.  Die  gothische  Baukunst  ging  in  Deutschland  von  Laien-Bau- 
meistern aus,  die  sich  zu  Kunstgenossenschaften  ^)  zusammen  thaten, 
indem  seit  dem  XIII.  Jahrhundert  die  Kunstübung  aufhörte,  aus- 
schliessliches Privilegium  der  Klöster  zu  sein,  und  bei  der  wachsenden 
Macht  der  Städte  ihre  Vertretung  nunmehr  in  dem  erstarkenden  Bür- 
gerthume  fand,  während  der  Clerus  verweltlichte  und  das  Mönchsthum 
erschlaffte. 

Die  baukundigen  Laien  (s.  oben  S.  287],  deren  sich  aus  den  Con- 
versen  der  Klöster  immer  mehr  herangebildet  hatten,  wurden  dadurch 
selbständig,  dass  neben  den  Kirchenbauten  nun  auch  bürgerliche  Kunst- 
bauten in  den  St&dten  (Thore,  Brücken  etc.)  ein  Bedürfniss  waren,  wel- 
ches man  von  Seiten  der  Bürgerschaften  unabhängig  von  dem  Clerus, 
dem  Beschäftigung  mit  weltlichen  Bauten  (durch  ein  Gesetz  von  1157) 
verboten  worden  war ,  "*)    nicht  bloss  befriedigen  musste ,    sondern  im 


übereinstimmen.  —  Vergl.  auch  Roisin,  Ferd.  de,  lea  cathödrales  de  Cologne  et 
d'Amiens,  in  den  AnnaleB  etc.  7,  178 — 187. —  Reichensperger ,  Verm.  Sehr. 
S.  381—399. 

1)  Chron.  ecclesiae  Wimp.,  bei  Schannat,  Vindemiae  litterariae  2,  59,  woraus 
Dahl  bei  Fz.  Hub.  Müller  (Beiträge  zur  deut.  Kunst  I,  73  f.)  die  betr.  wichtige 
Stelle  (auch  bei  Schnaase  a.  a.  O.  S.  553)  zuerst  mitgetheilt  hat. 

2)  Vergl.  Roisin,  Ferd.  de,  les  missionnaires  de  Tart  gothique  en  Allemagne 
au  Xlldme  sidole,  im  Bulletin  monumental.  Vol.  25.  No.  8.   1S59. 

3)  Die  sogen.  Bauhütten.  S.  den  Anhang  zu  diesem  Abschnitte. 

4)  Martdne  et  Durand,  Thesaur.  IV.  p.  1248  u.  1250,  angeführt  in  Kreu- 
8 er' 8  Kirchenbau  1,  469. 


Baustil.  473 

Drange  nach  Selbständigkeit  auch  befriedigen  wollte.  Dass  aber  die 
Geistlichkeit  der  alten  Meisterschaft  in  der  Baukunst  verlustig  ging,  ge- 
schah durch  eigene  Schuld ;  die  gesteigerten  Ansprüche  an  die  Technik 
schreckten  die  jetzt  fast  ausschliesslich  aus  dem  an  das  Kriegshandwerk 
gewöhnten  hohen  Adel  hervorgehenden  Grosswürdenträger  der  Kirche 
zurück ;  andrerseits  war  aber  auch  die  frühere  Nothwendigkeit  der  Bau- 
führung durch  den  Clerus  nunmehr  weggefallen,  und  die  Geistlichkeit 
hätte  Gelegenheit  gehabt,  dringenderen  Aufgaben  ihres  Standes  zu  ge- 
nügen. 

90.  Die  Schwierigkeiten  in  Beziehung  auf  die  Zeitstellung  der 
kirchlichen  Bauwerke  mindern  sich  im  Verlaufe  dieses  Zeitraumes^ 
indem  die  Ausbildungsphasen  des  gothischen  Baustiles  sich  mit  grosser 
Bestimmtheit  von  einander  sondern  lassen  ^  und  die  Continuitat  der 
überlieferten  schriftlichen  Nachrichten  immer  mehr  zunimmt. 

Die  chronologischen  Schwierigkeiten,  die  aus  der  Von  Hertens 
sogen.  Mutation  (dben  S.  289)  entsprangen,  hören  mit  dem  Verlaufe 
des  Xm.  Jahjrh.  in  demjenigen  Theile  Deutschlands ,  wo  das  Christen- 
thum  schon  lange  herrschend  war,  grösstentheils  auf,  dauern  dagegen  in 
dem  baltischen  Tief  lande,  wo  christliche  Bildung  erst  seit  der  Mitte  des 
XII.  Jahrh.  eine  feste  Stätte  gewonnen  hatte,  zum  TheÜ  noch  das  XIV. 
Jahrh.  hindurch  fort,  und  werden  hier ,  wo  der  in  Beziehung  auf  Glie- 
derungen und  Ornamente  nicht  anders  als  fabrikmkssig  zu  betreibende 
Ziegelbau  herrscht,  dadurch  noch  vermehrt,  dass  die  Entstehungszeit  der 
Gebäude  nicht  nach  den  für  den  Hausteinbau  geltenden  Regeln  beurtheilt 
werden  kann. 

9 1 .  Die  Kirchen  gothischen  Stils  sind  hochstrebende  Gebäude^ 
deren  Gerippe  (s.  den  Querdurchschnitt  des  Halberstädter  Domes  S.  476 
Fig.  192)  aus  schmalen  senkrechten  Gliedern  besteht»  zwischen  wel- 
chen von  grossen  Fenstern  durchbrochene  leichte  Wände  als  blosse 
Füllungen  zum  Abschlüsse  des  Baumes  eingefugt  sind.  Das  Vor- 
herrschen der  VerticalUnie  ist  an  ihnen  charakteristisch;  ebenso  der  in 
allen  Wölbungen  angewendete  Spitzbogen  von  schrägen,  gegliederten 
Seitenflächen  und  das  aus. Rippen,  zwischen  denen  leichte  Kappen 
eingespannt  sind,  bestehende  Kreuzgewölbe,  welches  Pfeiler  als  Stützen 
und  Strebepfeiler  als  Widerlagen  bedingt.  Die  Detailbildung,  anfangs 
streng  und  einfach,  spater  freier  und  reicher,  artet  zuletzt  einerseits  in 
Ueberfülle,  andererseits  in  Trockenheit  aus. 

Beim  Rfickblicke  auf  den  Weg.  welchen  die  christliche  Kirchen- 
baukunst bis  zur  Vollendung  des  gothischen  Baustils  zurückgelegt  hat, 
zeigt  sich,  dass  dieselbe  erst  in  diesem  das  mit  dem  Blicke  nach  Oben 
gesuchte  Ideal,   die  Vergeistigung  der  todten  Masse  gefunden  hat.    Der 


474 


Grothischer 


gothische  Dom  entspricht  der  evangelischen  Forderung  des  mittelalter- 
lichen Dichters :  ^) 

Man  soll  an  lichter  weite 

Chriaten-glauben  künden  und  Chrieius-ammetj 

und  wenn  der  griechische  Tempel  nur  den  Aussenbau  und  die  romanische 
Kirche  nur  den  Innenbau  ausgebildet  hatte,  so  gelang  dem  gothischen 
Stile  eine  gleichmässige  Ausbildung  des  Innern  und  des  Aeussern.  —  In 
technischer  Beziehung  ist  zu  bemerken,  dass  die  gothische  Architektur 
die  Kunst  verstand,  mit  möglichst  wenig  Steinen  die  grössest  möglichen 
Räume  zu  umschliessen.  —  Getadelt  hat  man  an  dem  Stile  eine  gewisse, 
namentlich  an  der  Chorpartie  bemerkliche  Zerklüftung  des  Aeussern  und 
die  übermässige  Grösse  der  Fenster,  deren  überreichliches  und  grelles 
Licht  das  Mittelalter  indess  durch  gefärbtes  Glas  zu  massigen  und  zu 
dämpfen  wusste.  '^) 

92.  Der  Grundriss  des  gothischen  Domes  zeigt  bei  wesentlicher 
Beibehaltung  der  alten  Basiliken-  und  Kreuzförm  eine  freiere  Behand- 
lung des  überlieferten  strengen  Typus ,  welche  sich  namentlich  aus- 
spricht in  dem  mit  dem  ganzen  Langhause  in  Eins  verschmolzenen, 
verlängerten  Altarraum  und  dessen  polygonischem  Schluss. 


Fig.  191.  Dom  zu  H&lbersUdt  (nach  Lucanui). 

In  dem  Plane  der  gothischen  Kirche  ist  in  reformatorischer  Weise 
die  Bahn  zum  Tische  des  Herrn  eröffnet,  und  der  zwischen  Chor  und 
Schiff  eingeschobene  Lettner  (oben  S.  39  Anmerk.  1)  erscheint  nur  als 
eine  schwache  hierarchische  Reaction.  —  Mit  dem  Wegfall  der  Krypten 
hörte  auch  die  bedeutende  Erhöhung  des  Chores  auf,  die  im  gothischen 
Stil  nur  wenige  Stufen  beträgt.  An  die  Stelle  der  in  der  romanischen 
Kirche  stets  einen  besonderen  ,  für  sich  bestehenden  Theil  bildenden 
Apsis  tritt  jetzt  der,  vom  Kreuzgewölbe  bedingte,  aus  mehreren  Seiten 


li 


S.  oben  S.  41  NoU  1. 


2)  Die  Mängel  des  goth.  Stils  legt  nicht  ohne  Einseitigkeit  dar:  Hübsch  (die 
Architektur  u.  ihr  Verhältniss  etc.  S.  S8  ff.),  welcher  den  goth.  Dom  ein  »»Glashaus* 
nennt:  ein  Bonmot,  das  sich  auch  Lübke  'Gesch.  der  Architektur  S.  464)  ange- 
eignet hat. 


Baustil.  475 

eines  Vielecks  bestehende ,  eine  grossartige  Wirkung  hervorbringende 
Schluss;  wir  finden  denselben:  dreiseitig  aus  dem  Achteck,  Zehneck 
oder  Sechseck ;  vierseitig  aus  dem  Zehneck ;  fünfseitig  aus  dem 
Achteck ,  Zehneck  oder  Zwölfeck ;  sechsseitig  aus  dem  Achteck ; 
siebenseitig  aus  dem  Zehneck,  ^j  aus  dem  ZwOlfeck  oder  aus  dem 
Vierzehneck;  neunseitig  aus  dem  Achtzehneck ;  zwölfseitig  aus 
dem  Vierundzwanzigeck;  jedoch,  mit  seltenen,  unschönen  Ausnahmen 
aus  später  Zeit  (Ostchor  des  Domes  zu  Naumburg ,  Kapellenkranz  des 
Münsters  zu  Freiburg  i.  B.)  stets  so,  dass  die  Längenaxe  der  Kirche  nicht 
in  einen  Polygon winkel ,  sondern  in  die  Mitte  einer  Seite  fällt.  Der 
Schluss  mit  zwei  Seiten  eines  gleichschenkeligen  Dreiecks  (also  im  spitzen 
Winkel)  ist  eine  höchst  selten  vorkommende  blosse  Sonderbarkeit  (Chor- 
kapellen zu  Hohenfurt  in  Böhmen,  Clarissenkirche  in  Trier).  —  Im  Dom 
zu  Halberstadt  (s.  den  Grundriss  Fig.  191)  ist  an  das  dreiseitige  Chor- 
haupt noch  eine  niedrigere  Kapelle  mit  fünfseitigem  Schluss  angebaut.  — 
Die  alte  Kreuzform  des  Grundrisses  wird  nach  dem  XIII.  Jahrh.  aufge- 
geben, zuerst  wohl  bei  den  für  die  Zwecke  der  Predigt  berechneten  Volks- 
kirchen der  sich  seit  dem  XIII.  Jahrh.  in  den  Städten  niederlassenden 
Bettelorden,  und  kommt  hauptsächlich  nur  noch  da  vor,  wo  auf  der  Stelle 
des  Neubaues  schon  früher  eine  Kreuzkirche  gestanden  hatte ;  das  Quer- 
schiff  konnte  auch  um  so  eher  wegfallen,  als  dessen  Anlage  nie  in  den 
eigentlichen  Bedürfnissen  des  Cultus  begründet  gewesen  war.  Neben- 
apsiden an  der  Ostseite  der  Kreuzarme,  die  im  Romanismus  so  sehr  be- 
liebt waren,  fallen  gänzlich  weg,  wogegen  die  Seitenschiffe  zuweilen  po- 
lygonisch schliessen.  —  Wo,  was  nicht  unverbrüchliche  Regel  ist,  die 
Seitenschiffe  (wie  in  Halberstadt ;  s.  den  Grundriss)  sich  als  Umgang  um 
den  Chor  herumziehen,  kommt  es  nach  Analogie  des  Grundplanes  der 
französischen  Kathedrale  öfter  vor,  dass  der  Chorschluss  noch  von  einem 
Kapellenkranze  (oben  S.  50  f.  und  Fig.  21)  umzogen  wird,  indem  man 
jeder  Seite  des  polygonen  Schlusses  einen  kleineren,  ebenfalls  polygonen 
Anbau  gab,  welcher  fast  immer  mit  drei  Seiten  des  Achtecks  geschlossen 
ist.  —  Als  eine  anderweite  Bereicherung  des  Grundrisses  ist  auch  die 
aber  nur  selten  beliebte  Anordnung  von  doppelten  Seitenschiffen  zu  be- 
zeichnen. —  Endlich  kommt  die  organische  Verbindung  der  Thurmanlage 
mit  dem  Langhause  der  Kirche  in  Betracht,  indem  man  entweder  die  Zu- 
gänge zu  den  Seitenschiffen  durch  die  Thürme  legte,  oder  letztere  doch 
durch  offene  Hallen  einerseits  mit  dem  Zwischenbau,  andrerseits  mit  den 
Seitenschiffen  verband.    (S.  oben  S.  61.) 

93.  Das  eigentliche  Princip  des  gothischen  Baustiles  besteht  in 
der  durch  folgerichtige  Durchführung  des  spitzbogigen  Gurtgewölbes 
erreichten  vollständigen  Vermittelung  zwischen  Kraft  und  Last,  wovon 
der  ganze  Aufbau  des  Gebäudes  abhängig  wurde. 

1)  Wenn  der  Chorschluss,  was  (z.  B,  in  der  Klosterkirche  zu  Berlin,  an  der 
Johanniskirche  zu  Stettin,  dem  Münster  zu  Aachen,  der  Peters-  u.  der  Wiesenkirche 
zu  Soest  u.  St.  Ludgeri  zu  Münster)  selten  vorkommt,  aus  7  Seiten  des  Zehnecks  ge- 
bildet ist,  so  tritt  der  Polygonabschnitt  seitwärts  Über  beide  Chormauern  hinaus. 


476 


Gothiacher 


Obgleich  der  Aufbau  eines  Gebäudes  von  unten  nach  oben  fort- 
schreitet, so  lässt  sich  doch  der  dem  gothischen  Baustile  zu  Grunde  lie- 
gende, wohl  berechnete  technische  Gedanke  am  fasslichsten  darlegen, 
wenn  man  den  umgekehrten  Weg  einschlägt  und,  die  gothische  Kirche 
ge Wissermassen  von  oben  nach  unten  construirend,  bei  dem  Deckenge- 
wölbe den  Anfang  macht.  Während  das  KundbogengewOlbe,  abgesehen 
von  künstlichen  Aushilfen,  quadratische  Gewölbefelder  (s.  oben  S.  309) 
schlechthin  noth wendig  machte,  weshalb  immer  nur  der  je  dritte  Pfeiler 
Stütze  des  Mittelgewölbes  sein  konnte,  so  erlaubt  das  Spitzbogengewölbe, 
da  der  Spitzbogen  nach .  Bedürfniss  mehr  oder  weniger  steil  construirt 
werden  kann,  die  grosseste  Freiheit  in  der  Bildung  der  Decke  :  die  Ge- 
wölbejoche des  Mittelschiffes  können  schmäler  gestellt,  also  in  Rechtecke 
verwandelt  und  mit  den  quadratischen  Jochen  der  Seitenschiffe  gleich 
gelegt  werden,  so  dass  nun  jeder  einzelne  Pfeiler  als  gleich  massige  Stütze 
des  Ganzen  benutzt  wird,  und  das  Innere  an  perspectivischer,  das  Aeussere 


Fig.  192.   Querdurehschnitt  des  Dornet  zu  Halberttodt  (nach  Lucanui). 


an  malerischer  Wirkung  wesentlich  gewinnt.  Das  gothische  Kreuzge- 
wölbe selbst  besteht  ferner  nicht  mehr  aus  sich  durchschneidenden  Ton- 
nengewölben, sondern  nur  aus  einem  starken  Gerippe  von  gegliederten 
Quergurten  zur  Begrenzung  der  einzelnen  Joche  und  aus  ähnlichen,  nur 
leichteren  Diagonalrippen,  welche  im  Durchschneidungspunkte  in  einem 
Steinringe  als  Schlussstein  zusammenstossen .  Dieses  feste  Gerippe  wird 
nun  mit  leichten  Kappen  von  der  Form  sphärischer  Dreiecke  ausgefüllt, 
und  die  ganze  aufgelöste  Gewölbemasse  beschränkt  auf  diese  Weise  ihren 
Druck  und  Seitenschub  lediglich  auf  die  Ausgangspunkte  der  Quer-  und 


Baustil.  47f 

Kreuzgurte ;  weshalb  nur  diese  Punkte  verstärkt  zu  Werden  brauchen, 
welches  durch  vortretende  schmale,  nach  unten  äusserlich  in  Absätzen 
verstärkte  Mauertheile ,  die  Strebepfeiler ,  geschieht.  Diese  sind  nach 
innen  als  Träger  für  die  Gewölbegurte,  wie  letztere,  durch  Vorlage  von 
Halbsäulchen,  gegliedert ;  eine  gleichartige  Gliederung  erhalten  auch  die 
Arkadenpfeiler,  welche  dadurch  zu  Säulenbündeln  von  cylindrischem 
oder  prismatischem  Kern  umgebildet  werden,  indem  sich  ihrem  Unter- 
theile  überdies  noch  die  Träger  für  die  Gurte  der  Seitenschiffe  und  der 
an  ihren  schrägen  Seitenflächen  am  reichsten  gegliederten  Arkadenbögen 
anfügen.  —  Da  die  Strebepfeiler  für  die  MittelschifFgewölbe  axif  die 
schlanken  Arkaden pf eiler  aufgesetzt  und  deshalb  schwächer  gehalten 
^  werden  müssen,  so  erscheinen  dieselben,  wenn  auch  wohl  zur  Aufnahme 
des  Seitenschubes,  so  doch  nicht  stark  genug,  um  die  hohen  Sargwände 
vor  dem  Auseinandergehen  zu  bewahren :  man  führte  deshalb  die  ver- 
stärkten, pyramidalisch  gekrönten  Strebepfeiler  der  Seitenschiffe  über  die 
Dachhöhe  der  letzteren  hinaus  und  wölbte  von  ihnen  aus  Strebebögen  zu 
den  dadurch  gestützten,  ihrerseits  wiederum  das  Kranzgesims  des  Lang- 
hauses übersteigenden  und  ebenfalls  in  Pyramiden  ausgehenden  Strebe- 
pfeilern des  Hauptschiffes  hinüber ;  doch  kommen  die  Strebebögen  an 
deutschen  Kirchen  im  Allgemeinen  nur  seltener  vor  und  wurden  auch, 
wo  man  die  Seitenschiffe  von  gleicher  Höhe  mit  dem  Mittelschiff  anord- 
nete, überdies  völlig  entbehrlich.  —  Die  Abbildung  Fig.  192  von  dem 
Querdurchschnitte  des  Domes  zu  Halberstadt  veranschaulicht  die  gegebene 
Erläuterung^]  und  zeigt  das  gegenseitige  Verhältniss  der  einzelnen  Theile, 
sowie  das  lebenvoUe  Hochstreben  des  Ganzen  an  einem  Beispiele  des 
ausgebildeten  Stiles  aus  dem  XIV.  Jahrhundert.  In  der  Frühzeit  des 
Stiles  sind  alle  Theile  noch  schwerer  und  einfacher ;  in  der  Spätzelt  da- 
gegen verlieren  die  Pfeiler  entweder  die  Gliederung  ganz  oder  doch  die 
Capitäle ,  welche  in  ihrer  Becherform  überdies  fast  nur  decorativ  die 
Grenze  zwischen  der  Vertical-  und  d6r  Bogenlinie  zu  bezeichnen  ge- 
eignet waren. 

94.  Das  Innere  der  gothischen  Kirche  erscheint  als  ein  erhabenes, 
wohlgeordnetes  Ganzes,  dessen  mannichfaltige  Theile  in  leichter,  le- 
bendiger Gliederung  senkrecht  aufsteigen.  Die  starre  romanische 
Mauerinasse  mit  ihrem  lastenden  Druck  ist  verschwunden ;  das  Auge 
sieht  nur  verticale  Stützen,  welche  sich  zuletzt  in  schlanken  Spitz- 
bögen gegen  einander  neigen ;  die  weite,  nirgends  unterbrochene  Per- 
spective nöthigt  die  Einbildungskraft,  ohne  sie  zu  beunruhigen,  das 
Ziel  zu  suchen,  welches  jenseits  liegt,  und  sich  den  Tempel  des  Herrn 
zu  vergegenwärtigen,  der  nicht  mit  Menschenhänden  gemacht  ist. 

Die  fast  völlige  Auflösung  der  in  der  romanischen  Kirche  mehr  oder 
weniger  drückend  wirkenden  Last  der  Scheidmauer  des  Hauptschiffes  hat 


IjBi«  Construction  des  Strebepfeiler-  u.  Strebebogensystcms  bei  einer  Kirche 
mit  doppelten  Seitenschiffen  erhellt  aus  Abbild.  2\Ct  vom  Dom  zu  Cöln;  S.  4SG. 

Otte,  Kunst-Arch&ologie.  31 


478  Gothischer 

der  gothische  Stil  erreicht  Bowohl  durch  die  höher  aufsteigenden  Spitz- 
bogen der  Arkaden,  als  durch  die  hohen  und  weiten,  tief  hinabreichenden 
Fenster  des  Hauptschiffes ;  die  zwischen  den  Spitzen  der  Arkadenbögen 
und  den  Fensterbänken  übri^  bleibende  geringe  Fläche  ist  in  vielen 
Fallen  durch  eine  schmale,  nur  in  der  Mauerdicke  angebrachte  Spitz- 
bogengalerie,  das  Triforium  (s.  oben  S.  77),  oder  eine  ähnliche  Blenden- 
stellung, dem  hochstrebenden  Principe  des  Ganzen  entsprechend,  lebendig 
gegliedert.  —  Die  inneren  R&ume  erscheinen  dadurch  noch  höher  als  sie 
in  der  That  sind,  dass  man  die  Pfeilerabstände  geringer  genommen  hat, 
als  die  Breite  des  Mittelschiffes,  wodurch  die  Traveen  schmäler  werden 
und  an  Schlankheit  gewinnen.  —  Die  Durchschneidung  von  Langhaus 
und  Querschiff  wird  nur  durch  vier  stärkere  Pfeiler  bezeichnet,  welche 
die  Perspective  kaum  merklich  unterbrechen  und  doch  Wechsel  in  die- 
selbe bringen.  —  In  der  Hallenkirche,  wo  den  Seitenschiffen  gleiche 
Höhe  mit  dem  Hauptschiffe  gegeben  ist,  wird  die  freie  lichte  Weitendes 
ganzen  Innern  unläugbar  noch  gefördert,  allein  dies  geschieht  auf  Kosten 
des  Aeusseren,  welches  dadurch  an  Leben  bedeutend  verliert.  —  Es  liegt 
in  der  Natur  der  Sache,  dass  es  lediglich  technische  Mittel  sind  und  sein 
müssen,  auf  welche  die  Wunderwirkung  des  gothischen  Domes  zurück- 
zuführen  ist ;  allein  in  der  schöpferischen  geistigen  Kraft,  die  jene  Mittel 
erfand,  erkennt  der  gläubige  Sinn  das  Wehen  des  christlich -germa- 
nischen Geistes. 

95.  Am  Aeusseren  der  gothischen  Kirche  tritt  uns  im  Gegensatze 
gegen  die  rukige  Fläche  der  romanischen  Umfassungsmauer  eine  le- 
bendige Abwechselung  von  mannichfachen  vor-  und  zurücktretenden 
verticalen  Theilen  entgegen:  die  Horizontallinie  ist  überall  durch- 
brochen und  die  Mauerflache  fast  ganz  in  mächtige  Spitzbogenfenster 
aufgelöst.  Am  grossartigsten  ist  die  westliche  Hauptfacade  geschmückt 
mit  ihren  prächtigen  Portalen  und  dem  hohen  Spitzgiebel  des  sehr 
steilen^  gewaltigen  Daches  in  der  Mitte  und  den  majestätischen  Thür- 
men  auf  beiden  Seiten. 

Jener  Wechsel  vor-  und  zurücktretender  Theile  wird  durch  die 
Strebepfeiler  hervorgebracht,  welche  in  Absätzen,  unten  mehr,  oben  we- 
niger, vor  der  Wandfläche  hervortreten  und,  indem  sie  das  eine  Spitz- 
bogenbrüstung tragende  Kranzgesims  durchbrechen,  die  Horizontallinie 
desselben  in  kurze  Abschnitte  zerlegen,  deren  Mitte  überdies  durch  die 
sich  über  den  Fenstern  erhebenden  Spitzgiebel  (Wimbergen  genannt) 
nochmals  getheilt  wird.  —  Die  Fenster  selbst  sind  durch  Steinpfosten  in 
mehrere  Längsfelder  getheilt ;  die  Pfosten  neigen  sich  in  Spitzbögen  zu- 
sammen, und  der  Raum  oberhalb  derselben  und  unter  dem  Deckbogen 
de9  Fensters  wird  mit  durchbrochenem  .Maasswerk  (§  97)  ausgefüllt.  Die 
Fensterwände  und  Deckbögen  sind  wie  die  der  Portale  reich  gegliedert. 
IjCtztere  behalten  zwar  im  Allgemeinen  die  romanische  Anordnung  bei, 
bringen  aber  durch  ihre  Profil irung, und  dadurch  einen  völlig  verschie- 
denen Eindruck  hervor,  dass  sie,  den  Fenstern  gleich,  von  Spitzpfeilern 


Baustil.  47d 

flankirt  und  von  Wimbergen  überragt  werden.  Ueber  dem  Hauptportal 
wird  eine  mit  Maasswerk  gefüllte  Fensterrose  oder  ein  anderes  Pracht- 
fenster angebracht.  Die  Thürme,  in  ihren  verschiedenen  Stockwerken 
ebenfalls  mit  grossen  Fenstern  versehen,  erheben  sich  in  mehreren  vier- 
eckigen Oeschossen,  aus  deren  Masse  sich  verjüngende  Strebepfeiler  her- 
vortreten, welche  in  Spitzsäulen  ausgehen ;  das  Obergeschoss  setzt  in  das 
ähnlich  von  Spitzsäulen  umgebene  Achteck  um,  und  über  demselben 
steigt,  gänzlich  aus  durchbrochenem  Maasswerk  bestehend,  der  schlanke 
achteckige  Helm  empor,  mit  einer  mächtigen  Kreuzblume  (Fig.  196)  auf 
seiner  Spitze.  Leider  sind  die  projectirten  Prachtthürme  nur  selten,  und 
noch  seltener  nach  dem  ursprünglichen  Entwürfe  zur  vollständigen  Aus- 
führung gekommen.  ^)  —  Die  gewaltige  Masse  des  grossen  Kirchendaches 
macht  sich  am  meisten  auf  der  Ostseite  bemerkbar,  wo  sich  die  Walme 
des  polygonen  Chorschlusses  bis  zum  Firste  erheben. 

96.  Die  Verbindungs-  und  Neigangsforinen,  sowie  die  Ornamente 
sind  die  vorzüglichsten  Merkmale  für  die  Ausbildung  des  Stiles  auf 
seinen  verschiedenen  Entwickelungsstufen. 

Die  Profilirungen  (Ausgestaltungen  der  gegliederten  Theile)  erhalten 
ihr  eigenthümliches  Gepräge  durch  die  Abschrägung 
aller  geradlinigen,  die  tiefe  Unterschneidung  aller 
hohlen  Glieder  und  die  Verwandelung  des  Rund- 
stabes in  die  Bimenform.  (Man  vergleiche  hiezu  die 
sämmtlichen  folgenden  Abbildungen  Fig.  193 — 225.) 
—  In  der  Kunst  der  Profilirung,  die  der  eigentliche 
Ausdruck  ist  von  dem  die  Architektur  beseelenden 
Geiste,  hat  die  deutsche  Gothik  durch  edles  Maass- 

fftadt  (nach^Lucanuf).*  "  halten  die  Magerkeit  der  französischen  und  die  Ueber- 
treibungen    der   englischen  Gothik    weit  übertroffen 

und  dadurch  ihre  Superiorität  dargethan. 

97.  Das  gothische  Ornament  besteht  aus  Maasswerk,  Laubwerk 
und  Bildwerk. 

Das  Maasswerk  ^)  besteht  aus  rein  geometrischen  Elementen,  die 
zwar  verwickelt  scheinen  und  es  oft  auch  sind,  indem  die  mannich faltig- 
sten Combinationen  von  Rosetten  und  sphärischen 
Figuren  vorkommen :  der  charakteristische  Bestand- 
theil  sind  und  bleiben  indess  die  sogenannten  Nasen 
(Fig.  194).  Die  nicht  immer  gelungenen  Versuche 
Fig.  194.  der  Neueren,  das  gothische  Maasswerk  auf  streng 

geometrischem  Wege  nachzuconstruiren ,  scheinen 
den  Beweis  geliefert  zu  haben,  dass  die  Alten  nicht  auf  diese  "Weise, 


1)  Den  Beweis,  dass  der  goth.  Thurmbau  nicht  bloss,  was  die  Höhe  u.  die  Aus- 
arbeitung der  Details  anbetrifft,  sondern  besonders  auch  in  ideeller  Ilin.sirbt  nur  in 
Deutschland  zur  Vollendung  gelangt  ist,  s.  bei  Schnoase,  Kunstgesch.  ü,  2-1 G — 2ül. 

2)  Ueber  das  Maasswerk  vergl.  Kugler,  im  Deut.  Kunstbl.   1S53.  S.  3SG.  — 

31» 


4S0 


Gothischer 


sondern  durch  ein  schöpferisches  Suchen  und  Probiren  mit  Lineal  und 
Zirkel  zu  ihren  bewunderten  kaleidoskopischen  Resultaten  gelangten.  — 
Das  Maasswerk    füllt   alle  Oeffnungen   (besonders  die  Bogenfelder  der 

Fenster)  und  überkleidet  alle  Flächen.  — 
Das  Laubwerk  ist  der  Natur  entnommen; 
namentlich  sind  es  gewisse  vaterländische 
Pflanzen ,  deren  Blatt  man  nachbildete 
(Eichenlaub  ,  Weinlaub  ,  Epheu  ,  Kreuz- 
kraut, Hopfen,  Stechpalme,  Haselwurz  etc.) , 
um  damit  in  leichten  Sträusschen  sym- 
metrisch die  kelchförmigen  CapitAle  zu 
schmücken.  Die  äusseren  Kanten  der  Qie- 
belschenkel  und  Pyramiden  werden  mit 
196  Blättern   besäumt  (Fig.    195)  ,    welche  am 

*^'      *  '**  meisten  dem  Kohlblatte  gleichen  und  unter 

dem  Namen  der  Bossen,  Krabben  oder  des  Frauenschuhes  bekannt  sind; 
auf  den  Spitzen  gruppiren  sich  mehrere  dieser  Blätter  zur  Kreuzblume 
(Fig.  196)  zusammen.  —  Das  Bildwerk  theilt  sich  in  Statuen  und 
Reliefs.  Die  Statuen  von  biblischen  Personen  und  Heiligen  werden  an 
den  Arkadenpfeilern  auf  Consolen  unter  Baldachine  gestellt,  am  Aeusseren 


Fig.  197.    Von  der  Lorenzkirchc  zu  Nürnberg  (nach  Kollenbacli). 

des  Gebäudes  in  die  Bildernischen  der  Strebepfeiler,   an  die  Theilungs- 
pfosten  der  Thüröffnung,  besonders  aber  in  die  Einkehlungen  der  Portal- 
wände und,  den  Regeln  des  Geschmackes  und  der  Statik  zuwider,  umlaufend 
auch  in  die  Hohlkehlen  der  Thflrdeckbögen ;  Fig.  197.   Thier- 
gestaltcn  kommen  als  Wasserspeier  in  phantastischer  Bildung 
vor;   Fig.  198.  —  Das  Relief  nimmt  seine  alte  Stelle  in  dem 
Bogenfelde  über  dem  Thflrsturze  ein.  —  Den  norddeutschen 
Ziegelbauten  fehlt  mit  sehr  wenigen  Ausnahmen  der  Bildwerk- 
*''«^-'»«-     schmuck. 


98.  Die  Entwickelungsstufen  des  gothischen  Baustiles  können 
zwar  im  Allgemeinen  bezeichnet  werden  als  früher  oder  strenger, 
als  ausgebildeter  oder  edler,  als  später  oder  ausartender  Stil;  allein 


S  t  o  o  s  M,  C,  aber  die  Construction  der  Maasswerke  etc.  Mit  1 5  Taf.  1 S53.  —  Re  u  s  c  h, 
Bd.,  der  Spitzbogen  u.  die  Orimdlinien  seines  Maasswerkes.  Mit  25  Taf.  1854. 


Baustil. 


481 


es  gehen  doch  den  ganzen  Zeitraum  hindurch  zwei  Bauweisen  neben 
einander,  eine  reichere  und  eine  einfache,  welche  letztere  auch  in  der 
Blüthezeit  der  Gothik  strengere,  schmucklose  Formen  beibehält  und  in 
der  Spätzeit  in  Trockenheit  ausartet,  während  erstere  in  spielender 
Decoration  ihre  Endschaft  erreicht. 

Die  schmucklose  einfache  Bauweise,  principiell  von  den  Cisterzien- 
sern  (Chor  in  Marienstadt  1221  — 1230)  und  den  Bettelorden  (Minoriten- 
kirche  in  Cöln,  geweiht  12G0;  Dominicanerkirche  in  Regensburg  1274 
bis  1277)  ausgehend,  wurde  überall  da  befolgt,  wo  nur  bescheidene 
Geldmittel  vorhanden  waren,  oder  wo  der  durch  das  Material  der  Ziegel 
bedingte  Geschmack  es  verlangte. 


M»P°?S^y  B- 

n  t^  tKl^  ^      '"jd^^^:  \  .nl-l  li      IH.  \ 

%ps^\  11 

ii  ^  i 

%^ 

^l^- 

Fig.  199.    Klosterkirche  zu  Nienburg  a.  d.  S.  (nach  FnUrich). 

99.  Frühgothischer  Stil  (XIII,  Jahrhundert):  Strengein 
den  noch  schweren  Formen  mit  romanischen  Reminiscenzen  und 
ernstes  Ebenmaass  der  Theile.    Vergl.  Fig.  199-211. 

Die  Grundform  der  grösseren  Kirchen  ist  das  Kreuz  mit  dreiseitigem, 
fünfseitigem,  selten  siebenseitigem  oder  rechteckigem  Chorschluss,  den 
in  mehreren  Fällen  ein  Kapellenkranz  umzieht. 


Fig.  'iUO.   Ki«nborg  (nach  Puttrieb). 


482 


Gothischer 


V\g,  2ül.   Elisabcthkirchc  lu  Marburg  (nach  Möller). 


Fig.  202. 
Magdeburg. 


An  die  Pfeiler  von  rundem  Kern  und  mit  vieleckigem  Basament 
reihen  sich  vier  Dreiviertelsäulen  als  GuTtträger,  deren  Kelchcapitäle  zu- 
weilen dicht  mit  Blattwerk  geschmückt  sind,  welches  sich  friesartig  auch 
um  den  Hauptstamm  des  Säulenbündels  zieht.  —  Pfeiler 
von  viereckigem  Kern  sind  eine  selten  vorkommende  roma- 
nische Reminiscenz.  —  In  dem  aus  dem  XIII.  Jahrh.  her- 
rührenden Theile  der  Dome  von  Cöln  und  Halberstadt 
scheinen  entweder  die  Pfeiler  ursprünglich  auch  nur  auf 
vier  Gurtträger  (wie  in  St.  Elisabeth  zu  Marburg  und  in 
Nienburg)  entworfen  gewesen  zu  sein,  indem  die  zwischen 
denselben  angebrachten  feineren  Säulchen  nicht  im  Ver- 
bände mit  dem  Pfeilerstamme  stehen,  sondern  demselben  nur  angelehnt 
sind  ;  oder,  was  wahrscheinlicher  ist,  es  beruhte  dies  lediglich  auf  einer 
noch  unvollkommenen  Technik,  da  im  östlichen  Theile  des 
Langhauses  vom  Dome  zu  Magdeburg  sich  dieselbe  Erschei- 
nung wiederholt.  —  Die  Gurte  der  einfachen  Kreuzgewölbe 
sind  entweder  noch  Rundstäbe  oder  haben  theilweise  geradlinige 
Profile.  —  Die  Strebepfeiler,  schwer  und  massig,  sind  mit 
Giebeldächern  bedeckt,  die  Strebebögen,  wo  sie  vorkommen, 
ohne  Gliederung  und  eigentlich  unterwölbte  Strebemauern.  Charakteristisch 
ist  die  Anordnung  an  den  rechtwinkligen  Ecken  der  Fronten, 
wo  gewöhnlich  zwei  Strebepfeiler  rechtwinkelig  neben  einander 
stehen,  während  selten  nur  einer  vorkommt,  welcher  dann  in  die 
Fig. "204.   Diagonale  gestellt  ist.  —  Die  Fenster,  mit  Halbsüulen  an  den 


B«a8tU. 


483 


7ig,  2uä.    Bt.  Genon  in  Cölo 
(nacli  ü^tii  Orj^nti  für  clirUU'  Kutifttf. 


Ft§,  2D«,    FfurU  (nach  FiillrJtb), 


(tisch  KillculfWh).  MjrfTT  I>om*  (pttcb  Puttrieh).  (it«eK  Molkn* 


^     .JJl-rr-^ 

■  OmL^- 

,I^^-'-%^t 

^^^V^i^^i- 

i^feS^^ÜÖ 

-  j/  l/Sm^^BSBt 

i 

GÜltii^V 

m.: 

—  -     ■■     — 'j 

Pl|-  'i!l>,    st   UUtitfii  lu  Mahl'         FJg:«  111«    au  .ifj^idicu  lU  ndUi^DtUflt 


484 


Gothischer 


Wänden,  werden  durch  eine  Säule  in  zwei  Felder  getheilt ;  das  Maass- 
werk in  der  Bogcnfüllung  besteht  aus  Kreisen,  die  aus  Rundstäben  zu- 
sammengestellt sind.  Im  einfachsten  Stil  ist  in  das  Fensterbogenfeld  eine 
Steinplatte  mit  durchbrochener  Arbeit  oder  statt  des  Maasswerkes  ein 
Steinring  eingesetzt.  —  Die  Portalbildung  ist  noch  schwer  und  stark 
romanisirend ;  an  den  Schenkeln  der  Wimbergen  und  Giebel  er- 
scheinen als  Verzierung  sich  abbiegende  Stengel ,  welche  Kugeln  oder 
Knospen  tragen.  —  Die  Gesimse  zeigen  neben  der  specifisch  gothischen 
noch  häufig  eine  romanisirende  Bildung,  und  ähnlich  verhält  es  sich  mit 
dem  Ornament. 


Fig.  212.    Dom  XU  Cöln  (nach  strack). 


Baustil. 


4S5 


100.    Ausgebildet  gothischer  Stil  (XIV.  Jahrhundert):  Ele- 
ganz und  Reichthum  der  Formen  und  lebendige  Bew^ung  aller  Therle. 

Die  Hundp  feiler  sind  reich  mit  Halbsäulen  und  Säulchen  (alten 
und  jungen  Diensten)  umstellt,  so  dass  oft  auf  der  Seite  des  Mittel- 
schiffes fünf  Gurtträger  angebracht  sind,  von  denen  der  stärkste  in  der 
Mitte  für  den  Quergurt ,  die  beiden  nächsten  für  die  Kreuzrippen  und 
die  beiden  äussersten  für  die  Stirnbögen  über  den  Fenstern  des  Haupt- 
schiffes bestimmt  sind ;  für  die  Arkadenbögen  und  Gurte  der  Seitenschiffe 
ist  dieselbe  Anordnung  beobachtet,  nur  in  feinerer  Gliederung;  am 
reichsten  ausgestattet  erscheinen  die  vier  grossen  Pfeiler  der  Vierung. 
Gewöhnlich  sind  die  Gurtträger  unter  sich  durch  Hohlkehlen  verbunden, 
so  dass  die  Kreislinie  des  Kerns  nicht  mehr  angedeutet  ist ,  und  der 
Pfeiler  mehr  als  eine  Masse  erscheint.  Die  Basis  ist  ein  übereck  ge- 
stelltes Viereck  mit  abgeschnittenen  Ecken ;  auf  derselben  ruhen  die  po- 
lygonischen Sockel  der  einzelnen  Gurtträger.    Die  Capitäle  sind  mit 


Fi;.  213.    Dom  zu  CiMn  (nach  Caspar). 


Fig.  2 14.    Halberttadt 
(nach  Kallenbach). 


WV 


Fig.  216.   Gurtpronie. 

leichten  Blätter  st  räusschen  geschmückt,  jedoch  so,  dass  sich  das  Blatt- 
werk nicht  mehr  friesartig  um  das  ganze  Säulenbündel  herumzieht,  und 
die  Einkehlungen  nun  frei  davon  bleiben.  —  Die  Gurtungen  der  Ge- 
wölbe zeigen  tiefe  Einkehlungen,  und  der  unterste  Rundstab  hat  gewöhn- 
lich die  Birnenform  ;  es  kommen  aber  statt  der  einfachen  Kreuzgewölbe 
auch  Stern-  und  Rauten-  oder  Netzgewölbe  auf.  —  Die  mit  Maasswerk 
bekleideten  Strebepfeiler  sind  mit  hohen  Spitzthürmchen  (Fialen 
genannt)  gekrönt,  die  Strebebögen  durchbrochen,  oben  mit  Blumen 
besetzt  und  an  der  Unterseite  stilgemäss  gegliedert.  —  Die  grossen 
Fenster  sind  mit  Wimbergen  überdeckt  und  mit  Fialen  flankirt.    Die 


486 


Gothischer 


Wandungen  und  Deökbögen  derselben  zeigen  reiche  Gliederungen  aus 
Rundstäben   und  Hohlkehlen;    die  Oeffnung  wird  durch  stärkere  und 


Fig.  216.  Flg.  217. 

Dom  lu  Cöln  (nach  Boi««er^). 

schwächere  Säulchen  (alte  und  junge  Pfosten)  in  mehrere  (gewöhn- 
lich in  vier)  Lichter  getheilt,  und  das  Maasswerk  in  der  Füllung  besteht 
aus  den  mannichfaltigsten  Combinationen ,  die 
aber  alle  auf  die  Motive  des  Kreises,  des  Vier- 
passes  und  Vierblattes,  des  Dreipasses  und  Drei- 
blattes zurückgeführt  werden  können.  —  Die 
Portale  sind  ebenfalls  an  dem  nicht  mehr  ab- 
gestuft, sondern  schräg  gebildeten  Thüreinschlage 
reich  profilirt :  die  Rundstäbe  sind  verkleinert, 
die  Einkehlungen  zur  Aufnahme  von  Statuen 
nischenartig  erweitert  und  über  letzteren  statt  der 
Capitäle  Baldachine  angebracht,  welche  Anord- 
nung auch  in  den  Einkehlungen  fortgeführt  wird. 
—  Wo  an  einfacheren  Portalen  (Fig.  218)  das 
Bildwerk  fehlt,  bleiben  die  Capitäle  dennoch  oft 
weg,  was  übrigens  auch  an  den  Arkadenpfeilern 
und  Fenstern  schon  zuweilen  der  Fall  ist.  —  Die 
an  den  Schenkeln  der  Giebel  und  Bögen  ange- 
brachten Blätter  biegen  sich  mit  ihren  Stengeln 
oft  nicht  mehr  ab,  sondern  kleben  mit  denselben  an  und  tragen  statt  der 
früheren  Knospe  ein  Blatt.  —  Auf  allen  Spitzen  löst  sich  die  Bewegung 
in  einer  Kreuzblume  auf.  —  (Vergl.  Fig.  212 — 218.) 


Fig.  218.   Nicolaikirrhe  zu 
Jüterbog  (nach  Put  trich). 


Bsustit. 


487 


Fi;.  219.   Pctri'Paulikirchc  in  Görlitx  (nach  Puttrich). 

101.  Spätgothischer  Stil  (XV.  und  XVI.  Jahrhundert):  Es 
machen  sich  allerlei  willkürliche  Neuerungen  beinerklich,  die  in  den 
Principien  des  Stiles  nicht  begründet,  zuweilen  jedoch  nicht  ohne  Reiz 
sind.  Entweder  übertriebene  Schlankheit  oder  schwerer  Charakter  des 
trockenen  oder  überladenen  Ganzen ;  Verflachung  der  Formen,  Dis- 
harmonie der  ITieile.    Vergl.  Fig,  219—225. 

Die  stets  oblongen  Kirchen  sind  nur  ausnahmsweise  von  basilikaler 
Anlage  mit  niedrigeren  Seitenschiflen  ;  gewöhnlich  erscheint  das  Haupt- 
schiff mit  den  Seitenschiffen  als  Hallenbau  unter  einer  gemeinschaftlichen 
Bedachung.  —  Bei  grosser  Nüchternheit  des  Pfeilerbaues  ergeht  sich  die 
Phantasie  des  spätgothischen  Meisters  in  reichen  Oewölbeanlagen  :  aus 
den  weitläufig  gestellten  achteckigen  Pfeilern  entspringen  frei,  oft 
ohne  Vermittelung  von  Gurtträgem  und  Kämpfern,   die  flach  und  gratig 

gegliederten ,    meist   tief  herabhan- 
genden Gurte  der  ein  zierliches,   zu- 
weilen  verwirrtes  Netzwerk   bil- 
denden ,  hin  und  wieder  im  Flach- 
hogen  gespannten  zusammengesetzten 
Kreuzgewölbe.    —    Die    S  t  r  e  b  e  - 
p  f  e  i  1  e  r  nehmen  gewöhnlich  wieder 
ein  schweres  Verhältniss  an;  sie  reichen  nicht  mehr  Über  das  Kranzge- 
sims hinaus  und  enden  nicht  in  Spitzsäulen,  oder  wenn  dieses  der  Fall 
ist,  so  steht  die  Spitzsäule  über  Eck  auf  dem  Pfeiler.    Charakteristisch 
ist  die  Einbiegung  der  Wasserschrägen  an  den  Strebepfeilern.  —  Das 
Maasswerk  erscheint  in  allen  mathematisch  möglichen  Figuren,  be- 
sonders oft  in  dem  sogen.   Fischblasenmuster^    oder  es   nimmt 


¥lg,  220.    Pfeiler  und  Gewölbegurte. 


488 


Gothischer  Baustil. 


pflanzenartige  Formen  an,  indem  entweder  mancherlei  Blumen  (z.  B. 
Tulpen  etc.)  nachgeahmt  werden,  oder  was  häufiger  vorkommt,  dürres 
Ast-  und  Stengelwerk  als  trockener  Zierrath  dient.  Wie  diese 
Aeste  lässt  man  auch  Rundstäbe  einander  durchkreuzen  und  Säulchen 
schraubenförmig  sich  winden.  —  Neben  dem  gewöhnlich  niedrigen  Spitz- 
bogen wird  auch  die  Umkehrung  desselben  beliebt,  und  die  geschweifte 
Linie  des  sogen.  Eselsrückens;  auch  Stichbögen,  elliptische  und 
halbkreisförmige  Bögen  kommen  vor. 


Fig.  221.    Schorndorf  bei  Stuttgart 
(nach  Kallcnbach), 


Fig.  222. 


Fig.  223.    Dom  xu  Merse- 
burg (nach  Puttiich). 


Fig.  224.    St.  Llricl*  und  Afra  in 
Augsburg  (nach  Kallenbach). 


Fig.  22.').    Von  einem  sächs.  Gebäude  (nach  dem  Send- 
schreiben des  K.  Sächs.  AlterthumsTereins). 


48d 


Kirchengebäude  gothischen  Stils, 

nach  alphabetischer  Reihenfolge  der  Ortschaften. 


Fig.  226.    Münster  xu  Freiburg  i.  B.  (nach  Quaglio). 


I.  In  den  Kheinlanden. 

Literatur:  Vergl.  die  oben  S.  3J7  angeführten  'Schriften  u.  Kupfer- 
werke.  —  lieber  goth.  Bauten  der  Rheinuferlander  s.  Kugle r.  Kl.  Sehr.  2, 
221-^247. 

Vorbemerkung. 

102.  Die  Rheinlande  enthalten  nicht  bloss  in  dem  Chor  der 
Cisterzienserkirche  von  Marienstadt  und  in  der  Liebfrauenkirche  von 
Trier  die  ältesten  Denkmale  entschieden  gothischen  Stils  in  Deutsch- 


4d0  Gothische  Kirchen 

land,  sondern  in  den  Domen  von  Cöln,  Strassburg  und  Freiburg  auch 
die  weithin  berühmtesten  und  glänzendsten  Kirchen  unseres  Vater- 
landes. Neben  diesem  reichen  Kathedralenstil  finden  sich  dann  be- 
sonders abwärts  von  Cöln  Beispiele  einer  einfacheren  Bauweise,  na- 
mentlich an  den  Kirchen  der  Bettelorden,  und  in  der  Umgegend  des 
Bodensees  sogar  mehrere  ungewölbte  Kirchen  (St.  Stephan  in  Constanz, 
Stadtkirche  in  St.  Gallen,  Franciscanerkirche  in  Lindau).  —  Am 
Niederrhein  und  unterhalb  Xanten  von  Calcar  an  weicht  der  Tuffstein 
dem  Ziegelbau,  welcher  hier  jedoch  (wie  in  Holland  und  Bayern]  ohne 
alle  künstlerische  Ausbildung  nur  bei  den  Mauermassen  angewendet 
erscheint;  alles  Detail  ist  von  Haustein.  —  Die  grosse  Mehrzahl  der 
gothischen  Kirchen  des  Rheinlandes  datirt  erst  aus  dem  XV.  Jahr- 
hundert. 

Vergl.  Schnaase,  Kunstgesch.  5,  475—487;  496—554;  6,  2ö4— 274.— 
Kugler,  Gesch.  dcT Baukunst 3,  205—230;  361—367;  370—391.  — Lübke, 
Gesch.  der  Architektur  S.  548  ff. 

Aachen«  Die  Franciscanerkirche,  spätgoth .  Hallenbau  mit  ein- 
schifiFigem  Chor;  runde  Pfeiler.  —  Der  dem  karoling.  Münster  (s.  oben 
S.  283)  im  Jahre  1353  angebaute  Chor,  in  reichem  glänzenden  Stil.  Re- 
staurirt. *)  —  Die  spätgoth .  Paulskirche  mit  fast  gleich  holten  Schiffen 
und  einschiffigem  Chor.  Runde  Pfeiler.  —  Die  Pholianskirche,  spät- 
gothisch  mit  niederen  Seitenschiffen ;  Pfeiler  theils  rund,  theils  viereckig, 
theils  mit,  theils  ohne  Dienste.    Vergl.  Lotz  1,  36. 

AileuM  unweit  Altenahr.  Der  gerade  geschlossene  Chor  der  Kirche, 
einfach  ausgebildet  gothisch ;  das  Schiff  mit  seinen  Rundpfeilern  oder  doch 
die  Ueberwölbung  desselben  spätgothiscli. 

Ahrweiler.  Die  Lorenzkirche,  begonnen  zwischen  1245  und  1274, 
doch  im  Wesentlichen  wohl  aus  dem  XIV.  Jahrb.,  oblonger  Hallenbau  mit 
drei  polygonisch  schliessenden  Schiffen  ,  so  dass  der  Schluss  der  Seiten- 
schiffe über  die  Flucht  der  Langwände  hervortritt.  Rundpfeiler.  Ueber  der 
Westseite  ein  achteckiger  Thurm.  Die  Emporen  ein  spätgoth.  Einbau. 
(Müller,  Fz.  Hub.,  Beiträge  II.  Taf.  5.  9.  10.  15.  20  f.) 

Allerheiligen  bei  Oberkirch.  Kirchenruine  des  1 196  gegr.  Cisterzienser- 
klosters :  kreuzförmiger  Hallenbau  mit  Nebenchören  an  der  Ostseite  der 
Kreuzarme  und  einfachem  Mittelthurm  ;  die  östlichen  Theile  frflhgothisch . 
Die  Pfeiler  mit  vier  Diensten  und  Capitälen,  im  Westen  ohne  Capitäle. 
Vergl.  Lotz  2,  7. 

Altenherg  a.  d.  Lahn.  Prämonstratenser  -  Nonnenkirche ,  einschiffige 
Kreuzkirche  mit  ausgedehntem  Nonnenchor  über  einer  zweischiffigen  Halle 
mit  zwei  Fensterreihen ,  einfach  frflhgothisch  um  1267.  (Kugler,  Kl. 
Sehr.  2,  179  f.) 


1)  Jungbluth,  F.,  die  Restauration  des  Aachener  Münsters.  1862.  —  Bock, 
Fz.»  das  Liebfrauenmanster  zu  Aachen.  Ein  Vortrag.  1866.  —  Crem  er,  R.,  Be- 
sprechung des  durch  Dr.  Bock  gehaltenen  Vortrages  etc.   1 SG6. 


in  den  Kheinlanden.  491 

Altenberg  bei  COln.  Die  Cisterzienserkircke,  ^)  ganz  nach  dem 
Systeme  des  Cölner  Domes,  jedoch  im  Langhause  nur  dreischifiig  und  der 
Sitte  des  Ordens  gemäss  einfacher  gehalten,  ohne  Thürme;  der  Chor  1255 
bis  1265,  der  ganze  Bau  erst  1379  vollendet;  die  Rundpfeiler  fast  durch- 
gängig ohne  Dienste.  Nach  einem  Brande  1835  —  1S47  hergestellt. 
(Schimmel,  Westphalens  Denkm.  in  Lief.  8  und  10.  —  Förster, 
Denkm.  9,  9  —  12  und  2  Taf.) 

Alt>Breisach.  Chor  und  Thurmfa^ade  des  Stephansmünsters  aus  dem 
XIV.  Jahrhundert. 

Abey  unweit  Worms.  Spatgoth.  dreischiffige  Stiftskirche  1476 — 1499. 

Aldenach«  Die  Franciscanerkirche,  Hallenbau  mit  nur  einem  Seiten- 
schiff, um  1414  —  1463.    (Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  243.) 

AnMheiM  bei  Alzey.    Kirche  von  1430. 

BackaTftch.  Malerische  Ruine  der  Wernerskirche,  ^)  eines  einschiffigen, 
edel  gothischen  Kreuzbaues  mit  polygonem  Schluss  des  Chores  und  der 
Kreuzarme  und  einer  Empore  im  Schiff.  Chor  geweiht  1293,  Schiff 
um  1428. 

BadeM  unweit  Carlsruhe.  Die  verzopfte  Stiftskirche,  Hallenbau 
von  1453  mit  einschiffigem  Chor  und  viereckigem  Westthurm;  Portal  von 
1518.  —  Die  spatgoth.  Spitalkirche  ist  unbedeutend. 

■tScL  Albanikirche,  nach  1362;  seit  1845  verändert.  — Bar- 
füsserkirche,^;  einfache  basilikale  Anlage,  jetzt  durchgängig  mit  flacher 
Decke.  Rundpfeiler,  aus  denen  die  reiche  Gliederung  der  Arkaden  bögen 
hervorwächst;  die  Seitenschiffe  in  der  zweiten  Hälfte  des  XIV.  Jahrh.  ver- 
breitert. Profanirt,  —  Dominicaner-Nonnenkirche  Klingenthal;  s.  oben 
S.  91  f.  —  Leonhardskirche,  Hallenbau  mit  Netzgewölben,  1496  bis 
1500  ;  der  Kreuzgang  daneben  in  reinerem  Stil.  —  Das  Münster,  nach 
durchgreifender  Restauration  eines  älteren  Baues  geweiht  1363 ;  der  südl. 
Thurm  1484—1500.  Der  jüngere  der  beiden  Kreuzgänge  1470—1487.  — 
Predigerkirche,  ^)  mit  einschiffigem,  frühgothischem ,  1261  gegrün- 
detem Chor  und  dreischiffigem  basilikalem  Langhaus  mit  flacher  Decke  aus 
der  zweiten 'Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts.  Wie  in  der  Barfüsserkirche  sind 
Chor  und  Schiff  durch  einen  Lettner  geschieden,  der  zugleich  einen  Durch- 
gang quer  durch  die  Kirche  bildet.  Das  sechseckige  Qlockenthürmchen  an 
der  Südseite  des  Chores  1420  —  1423.  —  Theodor  kirche  1420,  moder- 


1 )  Schimmel,  Com . ,  die  Cisterzienserab tei  Altenberg.  1833.  —  Zuccal- 
maglio,  V.  T.,  Gesch.  u.  Beschreib,  des  Kl.  Altenberg.  1836.  —  Beltz,  C.  Ch., 
Altenberg  u.  seine  Kirche,  in  Lersch,  Jahrbuch  1,  201  ff. —  Biercher,  die  Kirche 
SU  AUenberg  in  histor.  u.  architektonischer  Beziehung,  im  Kölner  Dombl.  1843. 
No.  32  f.  —  Die  Kirche  zu  Altenberg,  im  Organ  für  christl.  Kunst.  1857.  No.  3  f. 
u.  1865.  No.  22.  S.  255—259. 

2)  Wagner,  R. ,  die  Wemerakirche  in  Bacharaeh,  im  Cölner  Dombl.  1846. 
No.  18.  —  Weidenbac*h.  A.  J.,  Bacharach,  Stahleck  u.  die  Wernerskirche.  1854. 
—  Reichensperger,  A.,  Verm.  Sehr.  S.  467 — 170. 

3}  Sarasin,  Ad.,  die  Barfüsserkirche  in  Basel,  in  den  Mitth.  der  Gesellsch.  für 
TaterUnd.  Alterth.  in  Basel.  III.   1845. 

4)  Burckhardt,  L.  A.,  u.  Riggenbach,  Gh.,  die  Dominicanerklosterkirche 
in  Basel,  ebd.  VI.  1855. 


4d2  Oothiache  Kirolien 

« 
nisirt.  —  Ulricbskirche  aus  der  zweiten  Hftlfte  des  XIV.  Jahrh. ;  der 
Thurm  1440 — 1444.    Profanirt. 

Beibtetal  bei  Cochem.  Spätgothische  Hallenkirche  mit  runden  Pfeilern 
und  geradem  Chorschluss. 

*  len«  Die  Marienkapelle  um  1465.  —  Das  Münster^)  mit  ba- 
silikalem  Langhaus  und  einschiffigem  Chor  1421 — 1520.  Kreuzförmige 
mit  Diensten  besetzte  Pfeiler  und  reiche  Netzgewölbe.  Zwischen  den  nach 
innen  gezogenen  Strebepfeilern  Kapellen.  Das  -grossartige  Hauptportal  in 
verschwenderischem  Schmuck .  Westthurm  unvollendet.  (Riggenbach, 
in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.  etc.  (1861).  6,  29—33.  — 
Förster,  Denkm.  10,  47  f.  und  2  Taf.)  —  Die  frühgoth.  Prediger- 
kirche 1277,  ähnlich  der  Kirche  dieses  Ordens  in  Basel. '^) 

Bingei.  Die  ursprünglich  dreischiffige  Pfarrkirche  von  1403  wurde  im 
Jahre  1500  durch  den  Anbau  zweier  äusseren  Abseiten  erweitert. 

Bitthirg  unweit  Trier.  Die  spätgoth.  Oberkirche  mit  nur  einem  (sfldl.) 
Seitenschiff  und  modernem  Chor. 

B«mi.  Die  Minoriten  (Stadt-] kirche  von  1450  mit  dreischifiig  basili- 
kalem  Langhaus  und  einschiffigem  Chor.    Kundpfeiler  mit  zwei  Diensten. 

B^pptrd.  Die  Franciscaner-  und  die  Karmeliterkirche,  ^)  beide  ein- 
schiffig, letztere  mit  einem  später  angebauten  gleich  hohen  Seitenschiff. 

BrtVBfek  bei  Weilburg.  Die  Schlosskirche,  spätgoth.,  ohne  Bedeutung : 
ein  niedriger  Hallenbau  mit  capitällosen  Rundpleilern. 

BrachiuiL  Die  Stiftskirche  von  1444,  die  Michaelskirche 
von  1472. 

Calcar«  Die  Stiftskirche ,  dreischiffiger  Hallenbau  mit  Rundpfeilern, 
nach  Kinkel  (Kunstbl.  1846  S.  150)  das  schönste,  in  sich  zur  grossesten 
Harmonie  vollendete  Modell  des  niederrheinischen  Backsteinbaues. 

Ctnleil.  Das  Langhaus  der  1247  geweihten  Stiftskirche,  *)  frahgothisch 
basilikal;  Rundpfeiler  mit  vier  Diensten  und  edlen  Laubcapitälen ;  sehr  nied- 
rige Arkaden.    Restaurirt. 

Castell  a.  d.  Saar.  Spätgothische  zweischifiige  Hallenkirche  mit  acht- 
eckigen Pfeilern,  Netzgewölben  und  schon  rundbogigen  Fenstern. 

ClaweM  bei  Trier.  Die  spätgoth.  zweischiffige  Wallfahrtskirche  mit 
achteckigem  Pfeiler;  der  Chor  geweiht  1474. 

Ciefe.  Die  Capitelskirche  von  1334  führt  den  Stil  des  nieder- 
rheinischen Backsteinbaues  in  strenger  Grossartxgkeit  durch  :  zwei  Thürme 
erheben  sich  über  dem  Westende  der  niedrigeren  Seitenschiffe,  welche  neben 
dem  fünfseitigen  Chorschlusse  vierseitig  schliessen  und  mit  zwei  Polygon- 
seiten über  die  Fluchtlinie  vortreten.  Die  Arkadenpfeiler  sind  rund  und 
nach  dem  Hauptschiffe  zu  mit  einem  Bündel  von  Rundstäben  besetzt,  auf 
deren  Capital  die  Gurte  der  einfachen  Wölbung  aufsetzen.    Die  Fenster- 


1)  Probst,  das  Münster  zu  Bern.  —  Stantz,  Münsterbuch.    Eine  artist.-Mst. 
Beschreib,  des  St.  Vincenzen- Münsters  in  Bern.  1865. 

2)  Das  Dominicanerkloster  in  Bern.  Neujahrsblatt  1857. 

3)  Nolden,  die  Carmeliterkirche  in  Boppard.    Schulprogramm  1854.   Vergl. 
Reichensperger,  Verm.  Sehr.  S.  420. 

4)  Quast,  Ferd.  v.,  die  Stiftskirche  »St.  Castor  zu  Garden  a.  d.  Mosel,  in  der 
Zeitschr.  f ür  Archäol   u.  Kunst  I,  !)U  u.  Fig.  4U. 


in  den  Rheinlanden.  4^3 

bögen  sind  zum  TheÜ  mit  Maa8S werk  geffillt.  (Schimmel,  Westf.  Denkm. 
Lief.  6.)  —  Die  Franciscanerkirche,  mit  nur  einem  fnördlichen) 
Seitenschiff. 

Cfotten  bei  Cochem.  Spätgothische  zweischiffige  Hallenkirche  mit 
reichen  Netzgewölben.    Westthurm  mit  schlankem  achteckigem  Helm. 

€«UeBf •  Die  frühgothische,  1 239  gegr.  Dominicanerkirche  mit 
sehr  niedrigen  Abseiten;  die  Pfeiler  der  abgetreppten  Arkadenbögen  ver- 
schieden. Profanirt.  (Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  239.)  —  Von  der  einfach 
spätgoth.  Franciscanerkirche  (1450)  steht  nur  noch  der  Chor.  —  Die 
einschiffig  rechteckige  Georgskirche^  spätest  gothisch  von  1618.  (£bd . 
S.  249.) 

Msar.  Das  Münster  St.  Martin,  eine  1237  begonnene  kreuzförmige 
Basilika  mit  zwei  Westthürmen,  von  denen  nur  einer  vollendet  ist.  Die 
Pfeiler  des  mit  Strebebögen  versehenen  Langhauses  (1263 — 1303)  rund  mit 
vier  Diensten  und  grösstentheils  schlichten  Capitälen.  Der  Chor  von  1350 
mit  timgangartigen  Anbauten.  Die  südliche  Kreuzfront  mit  reichem  früh- 
gothischem  Portal,  zwei  Galerien,  einem  grossen  Fenster  zwischen  zwei 
schmuckvollen  Blenden  und  einer  Rose  im  Giebel.  (Schweighaeuser  et 
Golb^ry  Taf.  15  f.  —  Statz  und  Ungewitter,  Musterbuch,  auf  Taf. 
147.  179  und  f.)    Vergl.  Lotz  2,  82. 

CSIft.  Der  Dom,  *)  das  vollkommenste  und  wahrhaft  classische  Bei- 
spiel des  goth.  Baustiles,  nicht  bloss  in  Deutschland,  sondern  in  dem  ganzen 


1)  Ritter,  C,  die  Ruinen  am  Rhein.  Ueber  die  Alterth.  von  C61n  (ein  Vortrag 
des  berühmten  Geographen,  namentlich  über  den  Born,  voll  hoher  Bewunderung  u^ 
für  jene  Zeit  von  feiner  Auffassung  der  deutschen  mittelalterl.  Kunst),  in  Vogt  u. 
Weitzel,  Rhein.  Archiv  für  Gesch.  u.  Litteratur.  1810.  3,  1 99—22 1 .— Der  Dom 
in  Cöln,  1.  Heft,  mit  Kupfern  von  Prof,  Thelott.  Dortmund.  1810.  fol.  — 
£.  d' (Harne),  Histor.  Beschreib,  der  h.  Erzdomkirche  zu  Cöln  a.  Rh.  1S2I.  — 
Boisseräe,  Sulp.,  Ansichten,  Risse  u.  einzelne  Th eile  des  Doms  von  Cöln.  1822 
bis  1 83 1 .  Prachtausgabe  in  Folio ;  wohlfeile  Ausgabe  in  Quart.  1842.  —  Desselben 
Gesch.  u.  Beschreib,  des  Doms  von  Cöln.  (1823).  1842.  —  Der  Dombau  zu  Cöln. 
Beilage  zu  No.  5  der  Cölner  Ztg.  1834.  —  Nachrichten  über  den  Dom  zu  Cöln.  3 
Hefte.  Cöln  1839.  —  Cölner  Domblatt.  Monatsschrift.  Amtl.  Mittheil,  des  Central- 
Dombauvereins.  1842  etc.  No.  1 — 255.  —  Zwirn  er,  E.,  Vergangenheit  u.  Zukunft 
des  Cölner  Dombaucs.  1842.  —  Bruchstücke  Über  das  Entstehen  des  Grundrisses  u. 
der  ersten  Mittel  zum  Cölner  Dombau,  in  der  Zeitschr.  für  vaterlfind.  Gesch.  u.  Alter- 
thumskunde;  herausgegeb.  von  dem  Verein  für  Gesch.  etc.  Westfalens.  1842.  rt, 
123  ff  —  Kugler,  Fz.,  der  Dom  von  Cöln  u.  seine  Architektur,  in  der  Deutschen 
Vieite^ahrsschr.  1842.  Heft  3.  No.  XIX.  S.  269>-3ll  (auch  in  Desselben  Kl.  Sehr. 
2,  123—152  nebst  2  Taf.)  Vergl.  Desselben  Gesch.  der  Baukunst  3,  216—22(1.  ^ 
Dal 7,  C68.,  Projet  d'achevement  de  la  cath^drale  de  Cologne,  Paris  1842.  —  La- 
comblet,  Th.  Jos.,  Urkunden-Samml.  für  die  Gesch.  des  Niederrheins.  1846.  2, 
XVI—XXVII.  Vergl.  Desselben  Archiv  für  die  Gesch.  des  Niederrheins  II.  1.  S.  103 
bis  180  u.  III.  S.  177.  —  Reichensperger«  A.,  Verm.  Sehr.  IH56.  S.  7-54. 
319—327.  381—398.  446—448.  454 — 156.  (Verschiedene  Aufsätze  aus  den  Jahren 
1840—1853.)  —  Schnaase,  C,  Kunstgesch.  1856.  5,  510—544  u.  6,  67—71. 
Vergl.  Desselben  Abhandl»  in  den  Mittheil.  der  k.  k.  Central-Comm.  etc.  (1861).  6, 
137—140.  —  WeingArtner,  W.,  zur  Gesch.  des  Cölner  Dombaues,  a.  a.  O.  (1860). 
5,  84 — 86. —  Springer,  Ant.,  zur  Baugesch.  des  Cölner  Domes,  in  den  Bonner 
Jahrb.  XXII,  102  ff.  Vergl.  Desselben  Abhandl.  in  den  Mittheil.  der  k.  k.  Central- 
Comm.  a.  a.  O.  S.  203 — 207.  —  Mertens,  Fz.,  u.  L»ohde,  L.,  die  Gründung  des 
Cölner  Domes  u.  der  erste  Dombaumeister,  in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen.   1862. 

Otte,  Kunat-ArchKologie.  32 


494  Gothifldlie  Kixcken 

Gebiete  der  mittelalterlichen  Kirchenbaukunst.  Der  Grandrias  ergiebt  die 
fünfschifiige  Anlage,  in  der  Grundform  des  Kreuzes,  mit  zwei  westlichen 
Thürmen ;  das  dreischiffige  Querschiff  durchschneidet  das  Gebäude  fast  in 
der  Mitte,  so  dass  sechs  Joche  auf  das  Langhaus,  fünf  Joche  auf  den  Chor 
fallen,  neben  welchem  sich  die  vier  Seitenschiffe  fortsetzen.  Während  die 
äusseren  Abseiten  nur  die  drei  westlichen  Joche  des  Chores  begleiten  und 
dann  rechtwinkelig  schliessen,  ziehen  sich  die  inneren  um  das  fOnfseitig  aus 
dem  Zwölfeck  geschlossene  Chorhaupt  herum,  und  zwischen  den  Strebe- 
pfeilern des  letzteren  sind,  von  den  Abschluss wänden  der  äusseren  Seiten- 
schiffe anhebend,  sieben  mit  drei  Seiten  des  Achtedcs  schließende  Kapellen 
angeordnet,  welche  gewissermassen  eine  Fortsetzung  der  äusseren  Seiten- 
schiffe bilden.  Die  Abseiten  haben  die  halbe  Höhe  und  jede  eineeine  die 
halbe  Breite  des  Hauptschiffes.  Die  Pfeiler  von  rundem  Kern  sind  mit 
Diensten  von  verschiedenem  Durchmesser  reich  besetzt,  und  die  Sockel- 
platten haben  die  Gestalt  eines  länglichen  verschobenen  Vierecks,  auf  wel- 
chem die  polygonen  Basen  der  einzelnen  Halbsäulen  ruhen.  Der  Raum  des 
Triforiums  ist  durch  eine  umlaufende  Galerie  belebt.  —  Das  Aeussere  er- 
scheint durch  die  Doppelreihe  der  in  hohe  Spitzthürme  auslaufenden,  ein- 
ander übersteigenden  Strebepfeiler  und  durch  die  vierfachen  Strebebögen 
im  glänzendsten  Schmuck,  namentlich  an  der  frei  gelegenen  Südseite,  wäh- 
rend die  nach  einer  engen  Gasse  belegene  Nordseite  einfacher  gehalten  ist. 
—  Die  Geschichte  des  Baues  ist  noch  nicht  ganz  aufgehellt :  die  Gründung 
fand  statt  durch  den  Erzbischof  Conrad  von  Hochsteden  am  14.  August 
1248  ;  es  kann  indess  aus  verschiedenen  historischen  Gründen  zweifelhaft 
erscheinen ,  ob  der  Bau  in  den  ersten  zehn  Jahren  wesentlich  gefördert 
worden  sein  mag,  gewiss  aber  wurde  gegen  den  Ausgang  des  XIII.  Jahrh. 
hin  und  am  Anfange  des  folgenden  eine  ernste  Thätigkeit  entwickelt,  so 
dass  die  Weihe  des  Chores  am  27.  September  1322  stattfinden  konnte. 
Hierauf  scheint  hian  eifrig  fortgebaut  zu  haben ,  so  dass  die  Pfeiler  des 
Querschiffes  bis  zu  den  Capitälen  der  Abseiten arkaden  bald  beendigt  worden 
sein  mögen ;  auch  nahm  man  das  Langhaus  in  Angriff  und  war  besonders 
an  der  Aufführung  des  südlichen  Thurmes  thätig,  welcher  im  Jahre  1437 
bis  zum  dritten  Geschosse  vorgerückt  war.  Für  die  südliche  Kreuzvorlage 
und  den  nördlichen  Thurm,  sowie  für  das  ganze  Langhaus  mit  Ausnahme 


Sp.  163^198.  339—368;  nebst  Nachtrag  von  v.  Quast,  ebd.  Sp.  497—500.  Vergl. 
auch  den  Aufsatz  von  6.  Eckerts  ebd.  Sp.  367—370.  —  Ennen,  L.,  Baugesch. 
des  alten  u.  neuen  Domes  zu  Cöln.  1863.  Vergl.  Organ  für  christl.  Kunst.  1863. 
No.  15  f. 

De  Noel,  M.  J.,  der  Dom  zu  Cöln.  (1834).  2.  Aufl.  1837.  —  Binser,  A.  t., 
der  Cölner  Dom,  in  4  Stahlst.  erUutert.  1840.  —  Kiefer,  Neue  u.  vollatänd.  Be- 
schreibung des  Domes  von  Cöln.  1840.  —  Pfeil  Schmidt,  £.  H.,  Gesch.  des  Doms 
SU  Cöln.  1842.  —  Schücking,  Chr.  Beruh.  Levin,  der  Dom  zu  Cöln  u.  seine  Voll- 
endung. 1842. —  Gerhardt,  £.,  u.  Levy-Elkan,  D.,  Erinnerung  an  den  Dom 
zu  Cöln.  (1845.)  —  Elsen,  F.  C,  Neueste  Beschreib,  des  Domes  zu  Cöln.  (1856). 
2.  Aufl.   1857.  —  Der  Dom  zu  Cöln,  in  der  lUustr.  Ztg.  1864.  No.  1082. 

Ueber  den  Vollendungsbau  des  Domes  vergl.  die  Bauberichte  der  Dombaumeister 
Zwirner  u.  Voigtel  (No.  1 — 56)  im  Cölner  Dombl. ,  abgedruckt  auch  in  der 
Zeitschr.  für  Bauwesen.  —  Ein  Artikel  zur  Literatur  des  Cölner  Domes  im  Dombl. 
von  1847.  No.  30  ff. 


in  d«n  BlieiiilAiiden.  4^5 

des  nördlidien,  zu  Anfalle  des  XVI.  Jahrh.  Oberwölbten  und  verglasten 
Seitenschiffes  war  am  wenigsten  gethan,  als  um  diese  Zeit  der  Bau  völlig 
ins  Stocken  gerieth.  Der  allein  ganz  vollendete  Chor  war  schon  frflhzeitig 
nach  Westen  zu  durch  eine  unten  7'  dicke  interimistische  Giebelmauer  (be- 
seitigt 1863)  geschlossen  worden,  und  auch  auf  der  Sfld-  und  Nordseite 
des  Chores  waren  am  Querschiffe  Abschlussmauem  (fortgenommen  1848) 
errichtet.  —  Es  lässt  sich  an  dem  Chore  eine  dreifache  Entfaltung  des  goth. 
Baustiles  nachweisen  :  Erstes  Stadium:  Die  untere  Hälfte  des  Chores 
bis  dahin,  wo  das  Mittelschiff  sich  über  die  Nebenrftume  erhebt.  Zweites 
Stadium:  Der  obere  Theil  des  Mittelschiffes  im  Chor.  Drittes  Sta- 
dium: Das  System  von  Strebe- Thürmen  und  Bögen,  die  sich  Aber  den 
Seitenräumen  des  Chores  erheben,  zu  deren  ursprünglich  nicht  in  dieser 
Weise  beabsichtigten  Anlage  man  bereits  fertige  Theile  verändern  und  schon 
vorhandenen  bildnerischen  Schmuck  theilweise  wieder  zerstören  musste.  — 
Der  Dom  von  Cöln  ist  mit  Hecht  als  das  höchste  Wunderwerk  der  christ- 
lichen Baukunst  zu  preisen :  denn,  obgleich  bei  der  ersten  Anlage  nord- 
französische Vorbilder  stark  benutzt  wurden  (s.  oben  S.  471),  so  ist  doch 
bei  der  allmählichen  Ausbildung  des  ursprünglichen  Planes  das  Princip  des 
goth.  Baustiles,  wie  nirgend  anderswo,  mit  der  genialsten  Consequenz 
bl6  zur  Verkörperung  des  Ideals  entwickelt  worden,  wie  dies  namentlich 
von  den  etwa  aus  der  Mitte  des  XIV.  Jahrh.  herrührenden  Originalzeich- 
nungen derThürme  (oben  S.  28)  anzuerkennen  ist.  Kleine  Inconvenienzen, 
K.  B.  die  Verdeckung  der  westlichsten  Fenster  des  Langhauses  bis  zur 
Hälfte  ihrer  Breite  durch  den  riesigen  Unterbau  der  Thürme,  die  Zusam- 
menpressung des  Zwischenbaues  zwischen  letzteren  etc.  können  nicht  in 
Betracht  kommen.  Bedauerlich  bleibt  allein  die  Wahl  eines  Bausteines 
(Trachyt  vom  Drachenfelsen),  welcher  zwar  von  schöner  graugrünlicher 
Farbe,  aber  leider  mit  unzähligen  Stückchen  eines  leicht  verwitternden 
Feldspaths  durchwachsen  ist,  was,  zumal  bei  der  traurigen  Vernachlässigung 
des  Gebäudes  im  vorigen  und  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts,  den  Ruin 
einzelner  Theile  ded  Riesenbaues  zur  Folge  hatte ,  dem  indess  durch  eine 
schwierige  Reparatur  (1824  — 1842)  auf  lange  Zeit  glücklich  abgeholfen 
worden  ist.  In  den  nun  folgenden  21  Jahren  wurde  nach  dem  grossen  Ge- 
danken Königs  Friedrich  Wilhelm  IV.  der  Vollendungsbau  des  ganzen 
Domes  (mit  einem  Kostenaufwande  von  2,220,000  Thalern)  aus  Staats- 
mitteln und  aus  freiwilligen  Beiträgen  deutscher  und  fremder  Fürsten  und 
des  katholischen  und  evangelischen  Volkes  von  ganz  Deutschland  verwirk- 
licht. Die  Weihe  fand  am  15.  October  1863  statt;  die  Thürme  hofft  man 
im  nächsten  Decennium  zu  vollenden.  (Gailhabaud,  Denkm.  Bd.  3 
No.  3.  —  Kallenbach,  AÜas.  Taf.  36.  39—41.  50.  —  Ouhl  und 
Caspar,  Denkm.  Taf.  54a.  h.  c.  —  Springer,  Baukunst.  Taf.  18.  21. 
23  f.  —  Förster,  Denkm.  7,  47—68  und  7  Taf.  —  Photographien  von 
Michiels,  oben  S.  270.  —  Details  u.  A.  bei  Grueber,  Vergl.  Samml. 
I,  Taf.  9.  n.  Taf.  23  f.  und  34.  —  Statz  und  Ungewitter,  Muster- 
buch 45  f.  und  63.  —  Vergl.  oben  S.  51  Fig.  21.  S.  484  Fig.  212.  S.  485 
und  486  Fig.  213.  216.  217.) 

St.  Columba,  s.  oben  S.  325.  —  Kreuzgang  und  Dorniitoriiim  der 
zerstörten  Johanniterkirche  1483 — 1490.  —  Der  spätgoth.  Kreuz- 

32* 


4d6  GothiBche  Kirchen 

gang  der  ehemal.  Karthause  (Lazareth).  —  Die  1260  geweihte,  einfach 
frühgoth .  Minoritenkirche^)  mit  basilikalem  Schiff  und  einschiffigem 
Chor.  Rundpfeiler  mit  vier  Halbsäulen  und  meist  schlichten  Capitälen. 
Die  Strebepfeiler  der  Seitenschiffe  entwickeln  sich  erst  aus  den  unten  stär- 
keren Mauern  und  senden  Strebebögen  gegen  den  Hochbau.  (Kugler 
a.  a.  O.  S.  233.  —  Essen  wein,  in  den  Mitth.  der  k.  k.  Central-Comm. 
3,  98.)  Der  Kreuzgang  mit  Holzdecke  und  Flachbogenfenstern.  (Kugler 
a.  a.  O.  S.  23S.)  —  St.  Peter,  ^)  eine  1524  begonnene  basilikale  Kirche 
mit  Emporen  über  den  Seitenschiffen;  viereckige,  an  den  Ecken  ausge- 
kehlte Pfeiler.  —  Rathhauskapelle,  geweiht  1426,  mit  zierlichem 
Dachreiter.  (Zeitschr.  für  Bauwesen.  1857.  Taf.  1.)  —  Das  basilikale 
Langhaus,  der  Chorschluss  und  der  obere  Theil  der  Östlichen  Thürme  von 
St.  Severin  aus  dem  XIV.  Jahrh. ;  die  Pfeiler  rund  mit  vier  starken  und 
vier  schwachen  Gurtträgem.  Der  Westthurm,  im  niederrheinischen  Ge- 
schmack aus  Ziegeln,  1394 — 1411.  Der  Kreuzgang,  ebenfalls  aus  dem 
XIV.  Jahrh.  ») 

C«MttM.  ^}  Ueber  den  Dom  s.  oben  S.  327.  Der  Kreuzgang  und 
die  anstossenden  Säle,  bis  um  1480.  Die  frühgoth.  polygone  Heil.  Grab- 
kapelle in  der  runden,  mit  gerade  geschlossenem  Chor  versehenen  Morrtz- 
kapelle.  —  Die  Ruine  der  einfach  frühgoth.  Dominicanerkirche  v5n 
basilikaler  Anlage  mit  gerade  geschlossenem  Chor  und  Holzdecke;  die 
Pfeiler  rund  mit  achteckigen  Capitälen .  —  Die  Stephanskirche,  1428 
bis  1486,  einfach,  mit  Holzdecke;  achteckige  Pfeiler  mit  schlichten  Ca-» 
pitälen. 

€«68  a.  d.  Mosel.  Die  kurz  vor  1458  erbaute  Hospitalkirche,  in  wel- 
cher das  Gewölbe  des  quadratischen  Schiffes  auf  einer  Mittelsäule  ruht. 
(Schmidt,  Baudenkm.  in  Trier.  Lief.  3.  Taf.  10.) 

ivbhvg.  Die  einschiffige  Minoritenkirche  mit  unsymmetrisch 
angesetztem  Chor;  die  Strebepfeiler  entwickeln  sich  aus  den  unten  stär- 
keren Mauern  und  sind  meist  nach  innen  gezogen  ;  die  zweitheiligen  Fenster 
im  Bogenfelde  mit  einfachem  Steinring.  (Ungewittef,  Lehrbuch  Taf.  20 
Fig.  551  f.)  —  Die  Salvatorkirche  (Backstein  mit  Hausteindetails  und 
Tuffstein- Verblendungen) ,  1415 — 1507,  reiche  basilikale  Anlage  mit  nicht 
ausladendem,  giebellosem  Querschiff  und  drei  Chören.  Rechteckige,  abge- 
kantete Pfeiler  mit  zwei  Diensten  an  den  Frontseiten.  Restaurirt.  Vergl. 
Lotz  1,  188. 

Mirkheiv.  Die  dreischifilg  basilikale  Hauptkirche  mit  Kreismaasswerk 
in  den  Fenstern  und  schwerem  Südportal. 

Edlger  bei  (Cochem.  Spätgothische  zweischiffige  Hallenkirche  mit  zwei 
Rundpfeilem ;  Giebeldächer. 

1)  Braun,  J.  W.  J.,  das  Minoritenkloster  u.  das  neue  Museum.   1862.   VergU 
Organ  für  christl.  Kunst.   1862.  S.  150. 

2)  Mering,  P.  E.  v. ,  die  Peterskirche  u.  die  Cäcilienkirche  in  Cöln  a.  Rh. 
(1834).  2.  Aufl.   1836. 

3)  Der  Kreuzgang  Ton  St.  Severin  in  Cöln,  nebst  Ansicht  desselben  u.  der  Kirche, 
im  Organ  für  christl.  Kunst.  1862.  No.  1. 

A)  Ansichten  der  goth.  Kirchen  bei  Bergmann,  J.,  Samml.  der  Torzflglichsten 
Merkwardigkeiten  des  Grosshersogth.  Baden.  1825. 


in  den  Rheinlanden.  497 

BUei  bei  Emmerich.  Die  Kirche,  spätgoth.  Ziegelbau,  eine  verklei- 
nerte Copie  von  St.  Algund  in  Emmerich. 

Eltfille.    Der  spätgoth.  Kirch thurm  mit  zierlichem  Leistenwerk. 

EMMerich.  Die  Algundenkirche,  Ziegelbau  von  1483  mit  drei 
fast  gleich  breiten  und  gleich  hohen  Schiffen ;  gegliederte  Pfeiler.  West- 
thurm  aus  Tuff.  —  Die  spätgoth.  Backsteinzusätze  am  Münster. 

Srkeleu  im  Reg. -Bez.  Aachen.  Die  Kirche,  einer  der  grossartigsten 
und  interessantesten  spätgoth.  Ziegelbauten  am  Rhein. 

KMei.  Der  gerade  geschlossene  dreischiffige  Ostchor  und  das  Langhaus 
des  Münsters  1265  — 1316;  glatte  Rundpfeiler  mit  Laubcapitälen ;  Quer- 
haua  zweischifßg;  die  nach  innen  vortretenden  Strebepfeiler  mit  Durch- 
gängen einer  Galerie.  —  Die  westlich  am  Vorhofe  des  Münsters  belegene 
Johanniskirche,  Hallen  bau  von  1471  mit  quadratischem  Chor. 

Nnrich  bei  Andernach.    Einschiffige  Kapelle  1369.  ^) 

helhirg  im  Breisgau.  Das  Münster:^)  das  Langhaus  mit  dem  Unter- 
bau des  vor  der  Mitte  der  Fa^ade  vortretenden  Thurmes  erscheint  als  von 
Osten  nach  Westen  vorgeschrittene  Fortsetzung  des  spätroman.  Querschiffes 
und  gehört  dem  Verlaufe  des  XIII.  Jahrh.  an.  (Die  Pfeiler,  eine  Zusammen- 
häufung von  Halbsäulen  über  einer  viereckigen  Grundform  bildend,  schlies- 
sen  sich  den  roman.  Pfeilern  der  Vierung  an.)  Der  achteckige  Obertheil 
des  Thurmes,  ersichtlich  von  dem  ursprünglichen  einfacheren  Plane  ab- 
weichend, ist  von  keinem  unter  allen  zur  Ausführung  gekommenen  goth. 
Prachtthürmen  an  Reichthum,  Kühnheit  und  Adel  der  Formenbildung 
übertroffen.  —  Der  Chor,  gegründet  1354,  erbaut  1471 — 1513,  mit  seinem 
Kapellenkranz  und  seinen  aus  den  schlanken  Pfeilern  emporwachsenden 
Netzgewölben  vergegenwärtigt  die  letzte  Entwicklung  des  goth.  Stils. 
(Moller,  Denkm.  IL  Lief.  19 — 22.  —  Schreiber,  Denkm.  am  Ober- 
rhein. Heft  2.  —  Gailhabaud,  Denkm.  Bd.  3.  No.  4  mit  Text  von 
Kugler  (s.  in  Dessen  Kl.  Sehr.  2,  410—415  und  520).  —  Förster, 
Denkm.  2,  51—54  und  2  Taf.  —  Theile  bei  Statz  und  Ungewitter, 
Musterbuch  auf  Taf.  87.  92.  94—96.  113.  154.  156.) 

lislach  im  Elsass.  Collegiatkirche  von  basilikaler  Anlage  mit  einem 
Westthurm:  der  Chor  seit  1274,  das.Uebrige  im  XIV.  Jahrh.  (Schweig- 
haeuser  et  Golbery  2.  Taf.  21.) 

latieip^H  bei  Münstennaifeld.  Kirche  mit  einem  Mittelpfeiler  im 
Schiff,  ähnlich  der  Hospitalkirche  in  Cues. 

ieiilelheif .  Heil.  Geistkirche,  Hallenbau  mit  Chorumgang,  seit 
1398.  Rundpfeiler  mit  weh  ausladenden  Kämpfergesimsen.  Seitenschiffe 
mit  zwei  Reihen  Fenster.  —  Peterskirche,  einschiffig  mit  Holzdecke; 
der  schmälere  Chor  gewölbt;  roher  ü^estthurm  ;  1491.  Vergl.  Lotz  2,  136. 

lelnsheif.  Die  Stiftskirche  St.  Gangolf,  Ziegelbau,  dessen  drei  gleich 
hohe  Schiffe  von  schweren  viereckigen,  mit  Gurtträgem  versehenen  Pfeilern 

1)  Re ich ensp erger,  A.,  die  Kapelle  in  Fornich  betr.  (1844),  in  Venn.  Sehr. 
S.  333  f. 

2)  Müller,  J.  N.,  Führer  durch  die  Dom-  u.  Münsterkirche  «u  Freiburg  i.  B. 
1839.  —  Engelberger,  G.,  Beschreib,  der  Domkirchc  zu  Freiburg  i.  B.  1847.  — 
Mone,  F.  J.,  über  das  Münster  su  Freibuig,  in  der  Zeitschr.  für  die  Oesch.  des 
Oberrbeins.  1852.  3,  17-38. 


498  Gotbiache  Kirchen 

geschieden  werden.  Das  untere  Langhaue,  geweiht  1262;  die  Sterngewölbe 
des  Mittelschiffes  aus  dem  XIV.  bis  XV.  Jahrh. ;  ebenso  der  Chor  und  der 
Thumi.    Restaurirt.    S.  oben  S.  330. 

lensheim  bei  Worms.  Hallenkirche  mit  einfachem  Westthurm,  1478. 
Gewundene  achteckige  Pfeiler.    Vergl.  Lot«  2,  176. 

HaUenhttten.  Die  1288  erbaute  Stiftskirche,  ein  dreischiffiger 
oblonger  Hallenbau  mit  zwei  Fensterreihen ;  über  dem  noch  romanisirenden 
Chor  ein  achteckiger  Thurm  und  über  dem  Westende  der  Seitenschiffe,  die 
mit  Giebeldächern  versehen  sind,  zwei  gleichfalls  achteckige  Thüme,  wie 
der  ('horthurm  mit  Spitzhelmen.  Die  Pfeiler  des  Innern  sind  sechseckig, 
mit  Diensten  an  zwei  Seiten  und  Laubcapit&len.  Ueber  dem  schmucklosen 
Westportal  eine  Fensterrose ;  an  der  Nordseite  eine  schöne  Vorhalle.  (Sig- 
hart,  Bayer.  Kunstgesch.  S.  330  No.  116.)  —  Die  einfache  Francis- 
canerkirche  mit  nur  einem  Nebenschiffe  und  Rundpfeilem  ohae  Capi- 
t&le,  jetzt  flach  gedeckt.  Der  von  der  Axe  abweichende  Chor  adieint  später 
zu  sein  als  das  Uebrige. 

Helkerg  unweit  Mayen.  Zweischiffige  Hallenkirche  mit  zwei  Rand- 
pfeilern. 

leMpciich  bei  Mayen.  Spätgothische  zweischiffige  Hallenkirche  mit 
drei  achteckigen  Pfeilern. 

Uedttkh  bei  Wiesbaden.  Die  Karmeliterkirche,  spätgoth. 
Hallenbau  mit  Emporen  in  den  Seitenschiffen  und  einschiffigem,  1481  ein- 
gewölbtem  Chor.  Achteckige  Pfeiler.  Sacrlstei  mit  zierlichem  Giebel.  — 
Die  Michaeliskapelle,  ^}  brillant  spätgothisch  von  1449,  mit  erker- 
artiger Apsis,  altanartigem  Vorbau  an  der  Nordseite  und  schlankem  West- 
thurm.  Restaurirt  seit  1854.  (Quaglio,  Merkw.  Gebäude  IL  1.  Taf.  2.  — 
Kallenbach,  Chronologie.  2.  Taf.  20.) 

ILirclherg  bei  Simmern.  Spätgothische  Hallenkirche  mit  einschiffigem 
Chor.    Rundpfeiler.    (Detail  in  Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  244.) 

lUapeilch  bei  Adenau.  Zweischiffige  spätgoth.  HaUenkirche  mit  drei 
achteckigen  Säulen. 

Kreuiach.  Der  zierliche  Chor  und  das  Querschiff  an  der  Evangel. 
Kirche  1332.  —  Die  Kathol.  Kirche,  frühgoth.  Basilikcnanlage  mit 
kurzen  Rundpfeilern  und  abgetreppten  Arkadenbögen.  —  Der  Chor  der 
profanirten  Liebfrauenkirche  auf  dem  Wi5rth,  begonnen  1 40^ . 

ILyllharg  unweit  Trier.  Die  einschiffige  frühgoth.  Stiftskirche,  begonnen 
1276,  mit  schmälerem  Chor  und  Thurm  auf  der  Nordwestecke.  Der  etwas 
spätere  Kreuzgang  liegt  zum  Theil  in  Trümmern.  (Schmidt,  Baudenkm. 
von  Trier.   Lief.  3  Taf.  4.J 

LadealMUrg  bei  Heidelberg.  Gallu^rche,  von  basilikaler  Anlage  mit 
Thürmen  statt  der  Kreuzarmc  und  einsclkifilgem  Chor^  mit  Ausnahme  des 
südlichen,  1412  begonnenen  Thurmes  im  strengen  Stil.  Niedrige  glatte 
Rundpfeiler  mit  schlichten  Polygoncapitälen.  Strebeböfon  zerstört.  Vergl. 
Lotz  2,  232. 


1)  Hochstettcr,  J.,  Mittelalterl.  Bau  wecke  im  Büdwestl.  Beutachland  u.  am 
Rhein.   (1S57).  (Enthält  auf  9  Taf.  die  Michaeliskapelle  in  Kiederich.) 


in  den  lUieinlanden.  499 

in  der  Pfalz.  Die  profanirte  Augustinerkirche  von  1407, 
dreischiffig  basilikal  mit  einschiffigem  Chor;  Rnndpfeiler  mit  einfachen 
Kämpfern.  Ein  schön  durchbrochener  Dachreiter  in  Westen.  —  Die  gleich- 
falls profanirte  Katharinenkirche  von  1341,  dreischiffig  mit  Rund- 
pfeilern.—  Die  Stiftskirche  von  1281,  dreischiffig  mit  einschiffigem 
Chor,  jetzt  im  Hauptschiffe  mit  flacher  Decke.  Rundpfeiler  mit  einfachem 
Kämpfer.  Schönes  Westportal.  Im  Jahre  1458  wurde  der  Thurm  und 
1466  ein  viertes  Seitenschiff  angebaut. 

Itltertach  bei  Oberkirch.  Einschiffige  1471—1483  erbaute,  seit 
1846  restanrirte,  verlängerte  und  mit  einem  Thurm  versehene  Kirche.  ^] 

Umh«  am  Bodensee.  Die  profanirte  Franciscanerkirche  von 
1270:  hoch,  leicht,  einschiffig  und  sehr  einfach;  eleganter  ist  der  dem 
XIV.  Jahrh.  angehörige  Chor,  aber  wie  das  Schiff  nur  mit  flacher  Decke 
und  deshalb  ohne  Streben.  —  Die  evangel.  Kirche. 

Um  bei  Andernach.  Veränderungen  an  der  Kirche  1512  ;  der  schlanke 
Thnrmhelm  nach  1391. 

laisf.  Der  Chor  der  Antoniterkirche  mit  südlich  anliegender 
Kapelle,  zierlich  gothisch  aus  dem  XIV.  Jahrh.  —  Das  basilikale  Lang- 
haus der  Cristophoruskirche,  1292  begonnen .  Niedrige  Rundpfeiler 
mit  vier  Gurttrftgem.  —  Mehrere  reiche  Fenster  etc.  in  den  Seitenkapellen 
des  Domes  1292 — 1332  ;  das  Maasswerk  zum  Theil  erneuert.  (Moller, 
Denkm.  I.  Taf.  44  und  54.  —  Statz  und  Ungewitter,  Musterbuch. 
Taf.  145.)  Der  Kreuzgang  zwischen  1397  und  1412.  —  St.  Emmeram, 
spätgoth.  mit  niedrigen  Seitenschiffen  und  einschiffigem  Chor.  Achteckige 
Pfeiler;  um  1450.  —  Karmeliterkirche,  spätgoth.  basilikaler  Bau 
mit  einschiffigem  Chor,  vollendet  1404.  Pfeiler  mit  acht  ungleichen  Seiten. 
Magazin.  —  St.  Quintin,  Hallenkirche  mit  einschiffigem  Chor,  geweiht 
1348;  SeitenschifFgewölbe  1425 — 1430.  Pfeiler  viereckig  mit  vier  runden 
Diensten,  (v.  Wiebeking,  Baukunde  Taf.  61.)  —  St.  Stephan,  doppel- 
chörige  Hallenkirche  in  der  Grundform  des  Kreuzes  mit  gerade  geschlos- 
senem Westchor,  XIII.  bis  XIV.  Jahrh.  Rundpfeiler  mit  vier  Gurtträgern 
und  Laubcapitälen.  (Details  bei  K allen b ach,  Chronologie.  2.  Taf.  13. 
—  Moller,  Denkm.  I.  Taf.  38.  —  Ungewitter,  Lehrbuch  Taf.  28. 
Fig.  660a.)  Der  Kreuzgang  von  1499.  (Ungewitter  a.  a.  O.  Taf.  11. 
Fig.  278 Ä.  und  c.)    Vergl.  Lotz  2,  258  ff. 

lanehaeh  bei  Adenau.  Spätgothische  zweischiffigc  Hallenkirche  mit 
drei  Pfeilern. 

lufolsUMll^  nördlich  von  Hachenburg.  Cisterzienserkirche ,  ^)  nach 
dem  Plan  der  französischen  Kathedralen.  Der  Chor,  begonnen  1227,  mit 
Umgang  und  Kranz  von  sieben  n||h  halbrunden  Apsidiolen ;  an  der  Ost- 
seite des  Querhauses  nach  der  Weise  des  Ordens  je  zwei  viereckige  Ka- 
pellen. Das  Schiff  i^eiht  1330.  Schwere  RundpfeUer  mit  meist  schlichten 
(nur  in  der  OstpärCe  korinthisirend  geschmückten)  Kelchcapitälen ,  über 
welchen  Halbsäulchen  als  Gurtträger  mit  besonderer  Basis  aufsetzen.    Im 


1)  SensbuTg,  £.,  die  Kirobe  zu  Lautenbach,  mit  Abbild.   1830. 

2)  (Book,  Fb.),  die  ehemal.  CistorzieBBeiv Abteikirche  Marienstadt  [Nassau],  im 
Oxgan  für  chrisü.  Kunst.  1860.  No.  19  u.  20  nebst  2  Taf. 


500  Gothische  Kiruhen 

Chor  und  im  südl.  Kreuzarme  ein  triforienartiger  Umgang  mit  gebrochenen 
Rundbögen.    Aeusserlich  schwere  einfache  Strebebögen. 

Iftyei.  Die  einfach  spätgoth.  Pfarrkirche^  Hallenbau  mit  Rund- 
pfeilern, aus  denen  die  Profilirungen  der  Wölbung  hervorwachsen. 

lekenheiM  in  Hessen-Hombuig.  Evangelische  Kirche,  ^)  ein  spätgoth. 
Hallonbau  mit  einschiffigem  Chor  und  ins  Achteck  umspringendem  vier- 
eckigem Thurm  vor  der  Westseite,  angeblich  erst  1479  begonnen.  Die 
Dienste  der  Rundpfeiler  gehen  in  die  Gewölberippen  über.  Strebepfeiler 
mit  Giebelbedachungen. 

letl.  Der  Dom,  ^j  basilikaler  Prachtbau  in  der  Grundform  des  Kreuzes 
mit  Chorumgang  und  Kapellenkran z  und  zwei  Thürmen  über  der  Mitte  der 
Seitenschiffe,  welcher  schon  im  XIII.  Jahrh.  begonnen,  dann  nach  langer 
Unterbrechung  um  1327  weiter  geführt  und  in  der  spätgoth.  Ostpartie 
(i486 — 1520)  erst  1522  vollendet  und  1546  geweiht  wurde,  jedoch  auch 
in  den  späteren  Theilen  im  Sinne  der  älteren  ausgeführt  ist.  Rundpfeiler 
mit  Laubcapitälen,  theils  mit  vier,  theils  mit  acht  Diensten  besetzt,  auch 
nackt.  Seit  1830  restaurirt.  —  St.  Eucharius,  roh  spätgoth.  Umbau 
einer  Basilika  der  Uebergangsperiode.  —  St.  Martin,  basilikale  Kreuz- 
kirche, deren  Kreuzarme  jedoch  nicht  vorspringen.  Rundpfeiler  mit  Laub- 
capitälen, über  welchen  die  Bündeldienste  erst  beginnen.  Der  westl.  Theil 
mit  einer  grossen  Empore  noch  im  Uebergangsstil.  —  Das  Langhaus  der 
aus  der  Uebergangszeit  datirenden  Kirche  St.  Maxim  in,  spätgothisch  mit 
Rundpfeilem.  —  St.  Segolene,  einfach  frühgothisch  mit  zwei  Neben- 
chören und  zwei  Ostthürmen.  —  St.  Vincens,  edel  goth.  Basilikenbau 
in  Kreuzform  mit  zwei  Thürmen  in  den  Ecken  zwischen  dem  Quer-  und 
Altarhause .  an  welche  erstere  sich  polygone  Apsiden  schliessen.  Rund- 
pfeiler, mit  16  stUrkeren  und  schwächeren  Gurtträgern  und  Laubcapitälen. 
—  Vergl.  Lotz  2,  281  f. 

■iinster  bei  Bingen.  Einschiffige  spätgoth.  Kirche  mit  zierlichem  Netz- 
gewölbe. 

■iluteniiayfeld  unweit  Coblenz.  Schiff  und  Querschiff  der  Martins- 
kirche, frühgothisch.  Rundpfeiler  mit  Bflndcldicnsten.  Schwere  Strebe- 
bögen. 

NtMeiiy  bei  Andernach.  Die  Klosterkirche,  zweischiffiger  Hallenbau 
mit  achteckigen  Pfeilern  und  etwas  schmälerem  Chor^  vollendet  im  zweiten 
Jahrzehnt  des  XVI.  Jahrb.  (Ungewitter,  Lehrbuch.  Taf.  21  Fig.  568.) 

KcttSttdt  a.  d.  Haardt.  Die  Hauptkirche,  basilikal  dreischifiig  mit 
Rundpfeilern ,  denen  in  Landau  ähnlich ;  der  Chor  um  1 394  ;  die  beiden 
einfach  viereckigen  Westthürme  erst  seit  1487.  (Sighart,  Bayer.  Kunst- 
geschichte. S.  387  No.  151.)  j^ 

Neder-Litziogea.   Einschiffige  spätgoth.  Kirche. 

MernfDdig  bei  Mayen.  Spätgothischc  Kirche  mit  drei  fast  gleich  hohen 
Schiffen  ,  achteckigen  Pfeilern  und  sehr  zierlichen  Nitzgewölben.  Keine 
Streben. 


I)  Vergl.  Gubitz,  F.  W.,  Jahrb.  des  Nützlichen  etc.  1S42.  S.  1 72  f.  mit  Abbild. 
*i)  Bägin,  £.  A.,  Uistoire  et  description  pittoresque  de  la  cath^drale  de  Metz. 
2.  Voll.   1&43. 


in  den  Rheinlanden.  501 

fberwesel.  Ruine  der  Franciscanerkirclie,  eines  spätgoth.  Hallen- 
baues mit  nur  einem  (sQdl.)  Seitenschiff  und  übereck  stehenden  viereckigen 
Pfeilern.  —  Die  Stiftskirche  u.  1.  Fr.  mit  basilikalem  Langhaus,  ein- 
schiffigem Chor  und  unten  viereckigem,  oben  achteckigem  Thurm,  geweiht 
1331.  Sechseckige  Pfeiler  mit  rechteckiger  Vorlage  an  der  Front.  Strebe- 
pfeiler nach  innen  gezogen,  im  Chor  für  einen  Mauerumgang  durchbrochen, 
(Quaglio,  Merkwürd.  Gebäude.  II.  1.  Taf.  3.)  —  St.  Martin,  spät- 
gothisch ,  mit  hur  einem  niedrigeren  Seitenschiffe  auf  der  Nordseite  und . 
achteckigen  Pfeilern ;  über  dem  Westende  ein  Thurm. 

Mf  rwintfr  bei  Unkel.  Kleine  spätgoth.  Kirche,  in  dem  mit  Holzdecke 
versehenen  Langhause  mit  nur  einer  (nördl.)  Abseite,  im  Chor  mit  nach 
innen  gezogenen  Strebepfeilern  und  Netzgewölben.    Vergl.  Lotzl,   485. 

fppenhelM.  Die  Katharinenkirche:^]  das  mit  zwei  niedrigen  sich 
in  den  Hauptchor  und  in  die  Kreuzarme  Öffnenden  Nebenchören  versehene 
Altarhaus,  angeblich  begonnen  1262,  in  einfachen  frühgoth.  Formen;  der 
Prachtbau  des  basilikalen  Langhauses  im  ausgebildeten  Stil  mit  reich  ge- 
gliederten, im  Kern  Obereck  stehend  viereckigen  Pfeilern  und  in  den  Fenstern 
der  Seitenschiffe  schon  mit  bloss  decorativem,  aber  glänzendem  Maasswerk. 
Zwischen  den  Strebepfeilern  der  Seitenschiffe  sind  unterhalb  der  breiten 
Fenster  niedrige  Kapellen  angebracht,  die  sich  nach  innen  in  Spitzarkaden 
öffnen  und  einen  Umgang  tragen,  während  ein  äusserer  Umgang  die  Strebe- 
pfeiler durchbricht ;  die  .ehemal.  Sti^bebÖgen  sind  zerstört.  Ueber  dem 
Kreuze  erhebt  sich  ein  achteckiger  Thurm  mit  hässlichem  Zopfdach.  Das 
schöne  Westportal  zwischen  den  beiden  (älteren)  Thürmen  wird  durch  den 
erst  1439  geweihten,  jetzt  in  Trümmern  liegenden  Anbau  des  gleichfalls 
brillanten  Westchores  verdeckt;  die  übrige  Kirche  ist  restaurirt.  (Moller, 
Denkm.  I.  Taf.  31—37.  —  Kallenbach,  Atlas.  Taf.  46.  —Förster, 
Denkm.  6,  23—26  u^d  2  Taf.)  Ueber  den  Karner  auf  dem  Kirchhofe  s. 
oben  S.  262. 

Pfalzel  bei  Trier.  Kleine  edel  goth.  Kapelle,  deren  Schluss  so  aus  vier 
Seiten  eines  Achtecks  gebildet  ist,  dass  die  Axe  in  eine  Ecke  fällt.  (Kug- 
1er,  Kl.  Sehr.  2,  225.) 

Ihetabftch  bei  Bonn.  Einfache  spätgoth.  Hallenkirche  mit  achteckigen 
Pfeilern,  die  unmittelbar  in  die  Wölbung  übergehen. 

Mehfeb  bei  St.  Goar.    Kuine  der  1315  gegr.  Schlosskapelle. 

lUkeskyll  unweit  Adenau.  Die  der  Hospitalkirche  in  Cues  ähnliche 
Kirche  aus  der  Zeit  zwischen  1511  und  1535. 

lUseithftl  bei  Eisenberg.  Spätgothische  Ruine  der  Cisterzienser-Non- 
nenkirche:  ein  gestrecktes  Langschiff  mit  einer  Empore,  die  bis  zum  Altar- 
raum reichte ;  am  Giebel  ein  ausgeklagtes  Thürmchen. 

ftMeiweiler  bei  Rosheim.  Chor  und  Thurm  der  Pfarrkirche  aus  dem 
XIV.  Jahrb. 

Rüffftch.   Die  reich  ausgestattete  Westseite  der  Kirche. 

SaiurweHea.  Der  Chor  der  Kirche,  der  mittelst  eines  Emporganges 
mit  dem  ehemal.  grätlichen  Schloss  verbunden  war. 


1)  Maller,  Fs.  Hub.,  die  St.  Katharinenkirche  zu  Oppenheim.   1824.  (Pracbt- 
werk  mit  40,  s.  Th.  colorirten  Kupfern.  3.  Auag.  1853.) 


502  OothUche  Kirchen 

SftlMMMttWeUef  am  Bodensee.  Cisterzienserkirche  in  der  Grundform 
de»  Kreuzes  mit  Kapellen  längs  der  niedrigen  Seitenschiffe  und  gerade 
schliessendem  Chor,  dessen  Ostwand  mit  grosser  Fensterrose  beleuchtet 
ist;  erbaut  1282  —  131 1 ,  aber  erst  um  1430  vollendet.   Vergl.  Lotz  2,  429. 

Sl.  Amal.  Die  Stiftskirche  mit  frühgoth.  Chor  and  Querschiff  und 
Strebemauem  unter  den  Dächern  der  halb  so  hohen  Seitenschiffe  des  1315 
begonnenen,  über  der  Westseite  mit  einem  Thurm  versehenen  Langhauses. 
Gegliederte  Pfeikr  von  kreuzförmigem  Kern.  (Schmidt,  Baudenkm.  in 
Trier.  Lief.  3.  Taf.  6-.  —  Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  223.) 

8t«  fi«ar.  Die  Stiftskirche,  Hallenbau  mit  Mhgoth.  Chor  und  spätgoth. 
Langhausc  nebst  Westthurm,  1441 — 1469.  Achteckige  Pfeiler  mit  je  zwei 
Halbsäulen;  Emporen  über  den  Seitenschiffen;  Netzgewölbe. 

St.  Lftnprecht  bei  Neustadt  a.  d.  H.  Dominicaner- Nonnenkirche  aus 
dem  Xiy.  Jahrh.,  ein  edel  goth.  einschiffiger  Bau,  dessen  westlichen  Theil 
eine  Nonnenempore  mit  schöner  Brüstung  einnahm. 

St.  Weidel.  Hallenkirche  (geweiht  1360)  mit  einschifiigem  Chor  und 
westlichem  Thurm ;  glatte  Rundpfeiler  als  Stützen  der  einfachen  Netzge- 
wölbe. ^)    (Schmidt,  Baudenkm.  in  Trier.  Lief.  3  Taf.  10.) 

Sftya«  Der  Chorschluss  der  Klosterkirche,  sechsseitig  aus  dem  übereck 
gestellten  Achteek. 

Sdllettstailt.  St.  G^org,  basilikale  edel  goth*.  Anlage  von  Kreuzform 
mit  gerade  geschlossenem  etwas  älterem  Chor,  hohem  Westthurm  und  acht- 
eckigem Thurm  über  der  Vierung.  Rundpfeiler  mit  vier  Diensten  und 
Laubcapitälen.  Am  Schiff  Strebebögen.  Reiches  Portal  an  der  Südseite. 
(Statz  und  Ungewitter,  Musterbuch.  Taf.  179  Fig.  3  f.)  Vergl. 
Lotz  2,  457. 

SchwaieaUrdie  ^  bei  Carden.  Thurmlose  Hallenkirche  mit  einschiffigem 
Chor,  um  1473.  Nackte  Rundpfeiler  mit  achteckigen  Basen  und  Capitälen 
als  Stützen  der  Netzgewölbe.    Restaurirt.    (Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  245.) 

SiMnera  unweit  Bingen.  Spätgothische  Hallenkirche  mit  rohen  acht- 
eckigen Pfeilern  und  Sterngewölben;  der  durch  eine  Mauer  abgetrennte 
Chor  im  Verfall. 

S^benhetai  unweit  Bingen.  Spätgothische  Hallenkirche  von  etwas  ge- 
drücktem Verhältniss  mit  kleinem  und  niedrigem  Chor.  Achteckige  Pfeiler ; 
zierlich  decorirtes  Nordportal.  Thurm  vor  der  Westfront  mit  steinerner 
Spitze. 

Speler.  Der  sehr  entstellte  Chor  der  Augustinerkirche,  angeb- 
lich von  1265.  —  Der  einfache  Chor  der  Dominicaner-  (Seminarkirche), 
geweiht  1308;  restaurirt  1827. 

Straeiea  unweit  Wesel.  Die  Pfarrkirche,  ein  spätgoth.  Ziegelbau  mit 
roman.  Resten  aus  Tuffstem. 


1 )  Bemerkungen  über  die  Zeit«  in  welcher  die  St.  Wendeler  Pfarrkirche  erbaut 
worden  ist,  in  Kugler's  Kl.  Sehr.  2,  226—231. 

2)  Reichen s per ger,  A.,  die  Schwanenkirche  bei  Font  auf  dem  Haifelde,  in 
Venu.  Sehr.  S.  111—12]  u.  Taf.  6  f. 


in  den  Rheinlanden.  503 

Stranbtrg.  ]>a8  Münster^)  zeigt  die  Entmckelung  der  goth.  Bau- 
weise seit  der  Zeit  des  Romanismns  von  ihren  strengen  Anfängen  bis  zu 
ihrer  edelsten  Ausbildung  und  ebenso  in  ihrer  Abnahme  und  volligen  Aus- 
artung durch  alle  Stufen.  Das  Langhaus  mit  seinen  in  16  Säulchen  geglie- 
derten Pfeilern  hat  noch  einigermassen  schwere  Formen  ;  es  wurde  bis  1275 
vollendet  und  gleicht  dem  Münster  von  Freiburg,  das  es  jedoch  an  Durch- 
bildung des  Stils  übertrifft;.  Die  weltberühmte  Fa9ade,  gegründet  1277, 
25.  Mai,  befolgt  zwar  in  den  angebrachten  trennenden  Horizontalgalcrien 
den  französischen  Kathedralenstil,  bildet  denselben  jedoch  selbständig  und 
dem  Princip  der  Qothik  gemäss  in  edelster  Weise  aus  und  um ;  sie  zerfällt 
in  drei  Etagen,  deren  untere  die  drei  Portale,  die  mittlere  ein  grosses  Rad- 
fenster, und  die  obere,  von  dem  ursprünglichen  Entwürfe  abweichende, 
drei  hohe  Spitzfenster  enthält.  Von  reizender  Wirkung  ist  besonders  die 
Anwendung  des  in  einiger  Entfernung  vor  der  Vorderwand  angebrachten 
leichten,  vielfach  durchbrochenen  und  reich  gegliederten  Stab-  und  Maass- 
werkes, welches  sich  gleichsam  wie  ein  frei  schwebender  Steinkranz  um 
die  grosse  Fensterrose  legt.  Die  Farade  war  zwar  im  Wesentlichen  im 
Jahre  1339  vollendet,  die  Plattform  ist  indess  erst  1365  ganz  zu  Stande 
gekommen.  Von  den  projectirten  beiden  Thürmen  ist  nur  der  nOrdliche 
fertig  geworden :  derselbe  befolgt  nur  bis  zu  den  Fenstern  des  Gloeken- 
hauses  den  ursprünglichen  Plan  und  ist  in  seinem  Oberbau  in  zwar  will- 
kürliehen,  aber  von  technischer  Meisterschaft  zeugenden,  spätgoth.  Formen 
erst  1439  vollendet  worden.  (Schreiber,  Denkm.  am  Oberrhein.  Lief.  3. 
—  Chapuy,  Cathedrales.  Lm.  10 — 12.  —  Details  bei  Statz  und  Un- 
gewittter,  Musterbuch  auf  Taf .  S8  f .  und  93^.  —  Ungewitter,  Lehr- 
buch. S.  387  und  auf  Taf .  1.  13—15  und  27.) 

Alt-St.  Peter,  ^)  mit  schönem  spätgoth.  Chor  von  etwa  1450;  das 
Uebrige  von  1428  und  1381.  —  Die  1260  geweihte  einfach  frühgoth.  Do- 
minicanerkirche, ^)  ursprünglich  von  basilikaler  Anlage,  aber  mit  später 
erhöhtem  südl.  Seitenschiff.  Die  ursprünglichen  Pfeiler  rund  mit  schlichten 
Capitälen,  die  späteren  concav  achteckig  ohne  Capitäle.  Der  jetzt  als  Bi- 
bliothek dienende  abgetrennte^ Chor  1308  — 1345   in  schlanken  Formen. 


1)  Schadaeus,  Ca.,  Summum  Argent.  templiun:  d.  i. :  Ausfflhxlicke  v. 
Eigendtliche  Beschreib,  etc.  (Mansterbachlein).  1617.  —  (Bohr),  Strassburger 
Münster-  u.  Thurn- Büchlein.  (1732).  4.  Aufl.  1773.  —  (Boehm),  Description 
nouvelle  de  la  cath^drale  de  Strasbourg  et  de  sa  fameuee  tour.  1743.  —  (Göthe), 
Von  deutscher  Baukunst..  D.  M.  Erwini  a  Steinback.  1173^  in:  Von  deutscher  Art 
u.  Kunst.  Hamburg  1773.  S.  119 — 136. —  Grandidier,  Essais  bist,  et  topogr. 
Bur  VögUse  catb^rale  de  Strasbourg.  17S2.  —  Schuler,  Th. ,  das  Strassburger 
Münster.  1817.  —  De  Wette,  W.  M.  L.,  das  Strassburger  Münster,  in  Zschocke, 
Erheiterungen.  1822.  Heft  2.  S.  141  ff.  —  Schneegans,  L. ,  Essai  bist,  sur  la 
cathädrale  de  Strasbourg.  1836.  (Uebers.  von  Ti sehender f,  in  Ilgen,  Zeitschr. 
fOf  die  hiator.  Theol.  VIU.  (II.)  4,  90—14:2.  —  Friedrich,  A.,  la  cath^drile  de 
Strasbottig  et  se&  ddtails.  lg;^9>-1841.  —  Strobel,  Ad.  Walth.,  da»  Münater  in 
Strassburg.  1844.  —  Straab,  A.,  le  s3rinbolisme  de  la  cathedrale  de  Strasbourg. 
Discours  etc.  )8&&.  —  Piton,  F.,  la  cathedrale  de  Strasbourg.  1862.—  Lübke, 
W.,  Zwei  deutsche  Münster,  in  Westermann's  Monatoheften.  1862. 

2)  Strobel,  A.  W.,  Gesch.  der  Kirche  sum  alten  St.  Peter.  1824. 

3)  Edel,  die  Neue  Kirche  in  Strassburg.  Nachrichten  von  ihrer  Entstehung, 
ihren  Schicksalen  etc.   1 825. 


504  Gothiflche  Kirchen 

Vergl.  Lotz  2,  49t.  —  Die  Johanniskirche,  sehr  einfach  spftt^thisch, 
begonnen  1477.  —  Jung  SU  Peter,  eine  ffinfschiffig  basilikale  Anlage 
aus  dem  XIV.  Jahrh. ;  der  einschiffige  Chor  von  1290.  (Ungewitter, 
Lehrbuch.  Taf.  20  Fig.  548.)  Vergl.  Lotz  a.  a.  O.  —  Die  sehr  einfache 
Magdalenenkirche  ^)  mit  schönem  Chor,  geweiht  1480. —  Die  Ni- 
colaikirche, ^)  deren  Ältester  Theil  der  Thurm  ist,  an  dessen  Ostseite 
1371  — 1378  ein  Langhaus  gebaut  wurde,  welches  1454— -1455  mitHinzu- 
ffigung  von  Kapellen  zu  den  Seiten  des  Thurmes  und  eines  neuen  Lang- 
hauses an  der  Westseite  des  letzteren  zum  Chor  und  in  der  Zopfzeit  zur 
Vorhalle  umgestaltet  wurde.  —  Die  Thomaskirche,  •*)  ein  fünfschiffiger 
Hallenbau  (angeblich  1313 — 1330) ;  das  äussere  Schiff  der  Nordseite,  durch 
tief  einwärts  tretende  Streben  oder  Quermauern  in  Kapellen  getheilt.  Kund- 
pfeiler mit  vier  alten  und  vier  jungen  Diensten.  Ueber  der  Vierung  des 
frOhgoth.  Querschiffes  ein  1348 — 1367  erbauter  achteckiger  Thurm.  Der 
einschiffige Chor^  schlicht frühgothisch,  begonnen  1270.  (Schweighaeuser 
et  Oolbery.  IL  PI.  20.  —  Details  in  Statz  und  Ungewitter,  Muster- 
buch. Taf.  15  Fig.  6  —  8  und  9—11.)  —  Die  Wilhelmskirche,  ^) 
Ziegelbau  mit  Hausteindetails.  1 300  ;  das  Schiff  mit  Holzdecke ;  der  Chor 
schmäler. 

Thaui.  Die  Kirche  von  basilikaler  Anlage  mit  einschiffigem  Chor  (be- 
gonnen 1351),  an  dessen  Nordseite  sich  ein  schöner  hoher  Thurm  (1430 
bis  1516}  mit  durchbrochenem  Steinhelm  erhebt.  Am  Langbause  Strebe- 
bögen. Reiche  Portale.  Am  Westgiebel  ist  ein  viereckiges  Thürmchen 
übereck  ausgekragt.  (Schweighaeuser  et  Golb^ry.  I.  PI.  29 — 32.  — 
de  Laborde,  monuments.  IL  PI.  190.  —  de  Caumont,  Abecedaire 
A\  ed.  1,  585.) 

Th^ley  bei  St.  Wendel.  Einfache  frühgoth.  Benedictinerkirche ,  ein 
basilikaler  Langbau  mit  drei  Polygonschlflssen  in  Osten.  Rundpfeiler  mit 
vier  Halbsäulen  und  meist  schlichten  Capitälen.  Die  einfachen  Fenster, 
zum  Theil  noch  ohne  Maasswerk  und  selbst  rundbogig.  Strebemauem 
unter  den  Dächern  der  Seitenschiffe.  (Schmidt,  Baudenkm.  in  Trier. 
Lief.  3  Taf.  4.) 

Traheaa.  d.  Mosel.  Spätgothische  zweiscTiiffige  Kirche  mit  einem  runden 
Mittel pfeiler  im  Schiff,  ähnlich  wie  Cues.    Westthurm  mit  spitzem  Helm. 

Treis  unweit  Coblenz.  Alte  Kirche ,  ein  spätgoth.  Hallenbau  mit 
Rundpfeilern. 

Trier.  Clarissenkirche,  spätgotbisch  mit  zweiseitigem  Schluss  und 
halb  isolirtem  Thurm.  Vergl.  Lotz  1,  591.  —  Gangolfskirche,  ein- 
schiffig mit  geradem  Schluss  und  einem  nördlich  später  hinzugefügten 
niedrigen  Seitenschiff.     Der  hohe  spätgoth.  Westthurm  mit  ausgekragten 


1)  Vergl.  Straub,  A.,  notice  sur  les  verridres  de  TögUse  de  Ste.  Marie-Made- 
leine 4  Strasbourg,  im  Bulletin  de  la  sociötö  etc.  d'Alsace.  1S57.  1,  110 — 116. 

2)  Fries,  l'^lise  de  St.  Nicolas  k  Strasbourg,  a.  a.  O.  IV.  2,  174—177. 

3)  Heitz,  F.  C,  die  St.  Thomaskirche  in  Strassburg.  1841.  —  Schneegans, 
L.,  r^glise  de  8t.  Thomas  a  Strasbouig  et  ses  monuments.  1842.  —  Schmidt,  Ch., 
Histoire  du  chapitre  de  St.  Thomas  ä  Strasbourg,  suivie  d*un  recueil  decfaartes.  1860. 

4)  Hub  er,  über  die  Kirchen  St.  Wilhelm  u.  St.  Stephan  in  Strassburg.  Mit 
Abbild. 


in  den  Bheinlanden«  505 

Eckthürmclien  und  spitsem  Helm.  —  Gervasiuskirche,  spätgothisch, 
mit  nur  einem  niedrigen  Seitenschiff  auf  der  Nordseite  und  neben  stehendem 
Thurm.  —  Jesuitenkircbe,  einfach  goth.  Hallenbau  mit  einschiffigem 
Chor.  Rundpfeiler  mit  vier  Halbsäulen.  Schönes  Westportal.  (Schmidt, 
Baudenkm.  in  Trier.  Lief.  3  Taf.  5.)  —  Die  Liebfrauenkirche  (1227 
bis  1244),  das  älteste  deutsche  Gebäude  entschieden  goth.  Stils,  von  höchst 
eigenthümlicher  Grundform  in  der  Weise  der  altchristl.  Centralbauten :  ein 
gleicharmiges  Kreuz  mit  verlängertem,  fünfseitig  geschlossenem  Chor  und 
je  dreiseitig  geschlossenen  niedrigen  Kapellen  zwischen  den  ebenfalls  drei- 
seitig geschlossenen  Kreuzarmen,  so  dass  das  Ganze  sich  als  ein  mit  Halb- 
polygonen umkränztes  Zwölf  eck  gestaltet,  über  welchem  sich  ein  einfacher 
viereckiger  Mittelthurm  erhebt.  Die  zwölf  schlanken  Rundpfeiler  des  Innern 
haben  attisirende  Basen,  Schaftringe  und  runde  Laubcapitäle ;  nur  die  der 
Vierung  sind  mit  je  vier  Halbsäulen  besetzt,  lieber  das  Vorbild  des  Grund- 
planes s.  oben  S.  471.  (Schmidt  a.  a.  O.  Lief.  1.  — ^  Gailhabaud, 
Denkm.  Bd.  3  No.  1.  —  Förster,  Denkm.  1,  27  und  1  Taf.) 

IJeherlingei  ^)  am  Bodensee.  Das  Münster  aus  dem  XIV.  bis  XVI. 
Jahrb.,  fünfschifilg  und  ausserdem  noch  mit  Kapelleneinbauten  zwischen 
den  einwärts  Quermauern  bildenden  Strebepfeilern  der  I^ngseiten.  Der 
einschi£fige  Chor,  nur  von  der  Höhe  der  inneren  Seitenschiffe  (begonnen 
13SÜ),  mit  Seitenräumen,  welche  den  Unterbau  zweier  Thürme  bilden,  von 
denen  nur  der  südliche  vollendet  ist.  Sämmtliche  Pfeiler  sind  rund  und  im 
Mittelschiffe  meist  mit  je  acht  Diensten  besetzt.  Die  Seitenschiffe  über- 
steigen einander  stufenweise  und  sind  jetzt  beiderseits  durch  ein  breites 
Pultdach  bedeckt.  —  Die  Jodocuskirche  (1424  — 1462),  die  Leon- 
hardskapelle  (1437)  und  die  Luciuskapelle  (geweiht  1486),  sämmt- 
lich  spätgothisch. 

Üelnea  unweit  Cochem .  Kleine  spätgoth .  zweischiffige  Kirche  ,  deren 
Kreuzgewölbe  von  1538  auf  einem  runden  Mittel pfeiler  ruhen;  der  sehmä- 
lere  Chor  ist  gerade  geschlossen. 

Vakel  bei  Bonn.  Späfgothische  Hallenkirche  mit  einschiffigem  früh- 
gothischem,  aber  spätgothisch  eingewölbtem  Chor  und  Westthurm.  Die 
Rundpfeiler  im  Langhause  an  der  Front  mit  einem  Gurtträger.  Jedes  Schiff 
hat  sein  besonderes  Dach. 

Waaderath  bei  Adenau.  Zweischiffige  Hallenkirche  mit  zwei  Rund- 
pfeilern und  später  angebauten  Seitenschiffen. 

WeiMenhnrg  im  Elsass.  Das  Münster,  ^)  elegant  streng  gothisch  (der 
Hochaltar  geweiht  1284)  ,  von  basilikaler  Anlage  in  der  Grundform  des 
Kreuzes  mit  einem  in  die  Diagonale  gestellten  polygonen  Anbau  im  Winkel 
zwischen  dem  kurzen  Chor  und  dem  nördlichen  Kreuzarm  und  einem  süd- 
lich hinzugefügten  äusseren  Seitenschiff,  dessen  westlicher  Theil  sich  in  drei 
quadratischen  Jochen  als  hohe  prächtige  Vorhalle  nach  aussen  öffnet,  und 
welchem  östlich  von  dem  weit  ausladenden  Querschiff  ein  polygon  geschlos- 
sener Nebenchor  entspricht.  Die  Pfeiler  sind  rund  mit  je  vier  Diensten. 
Ueber  dem  Kuppelgewölbe  der  Vierung  ein  Thurm  mit  Zopfaufsatz ;  vor 


1)  Staiger,  X.,  die  Stadt  Ueberlingen.  1859. 

2)  Ohley  er ,  die  Kirche  zu  St.  Peter  u.  Paul  zu  Weissenburg.   1863. 


506  GotlitfelM 

dem  Wertende  des  inneren  «fidlidien  Seitensdiiffes  ein  alter  nranan.  Tknm. 
An  die  Nordteile  der  Kirche  sUtetit  ein  com  Theil  lerstörter  i^ichaeitiger 
Krenigang.  (Lfibke,  Geech.  der  Architektur.  3.  Aufl.  S.  561  F^.  456). 
—  Veigl.  Lot»  2,  549. 

W^nm.  Die  Liebfranenkirche  von  1467,  mit  älteren  Theilen:  bsBÜi- 
kale  Anlage  in  der  Grundform  des  Kreuzes  mit  Chommgang  und  zwei 
Weattbarmen.  Die  LanghauapfeUer  kreuzförmig  mit  ahgeacfanittenen  Ecken 
und  je  zwei  runden  Gurttifigem ;  die  Chorpfeiler  reicher  gefedert.  Strebe- 
bdgen unter  den  Dächern  der  Seitenschiffe.   VeTgl.  Lotz  2,  587. 

Xaalen.  Die  Collegiatkirche ,  ')  grossartig  fOnfschUng,  jedcxrh  ohne 
Querhaus,  in  reicher,  indess  späterer  Ausbildung;  die  Seitenschiffe  jedes 
mit  einem  diagonal  gestellten  Polygonscfaluss ;  die  Pfeiler  des  Langhauses 
von  rundem  Kern  mit  12  und  S  Gurttrfigem  besetzt.  Zeitbestimmungen : 
die  romanischen  Thflrrae  1213,  der  Chor  1263  b^onnen,  die  Sacristei 
1356^  die  östlichen  Theile  der  nördlichen  Seitenschiffe  136S,  Restauration 
der  Tharmeetc.,  Beginn  der  Gewölbe  1417,  Strebepfeiler  und  Bögen  1437 ; 
Stillstand  des  Baues  bis  1483,  Vollendung  der  Fenster  des  Mittelscbiffes 
1487;  Ausbau  der  Sfldseite  1492,  Gewölbe  der  sfldlichen  Seitensdiüie 
1500,  die  Strebepfeiler  1508;  das  grosse  Fenster  zwischen  den  Thfirmen 
1519,  Ausbau  des  nördlichen  Thurmes  1525.  —  Jetzt  restaurirt.  (Schim- 
mel, Westf.  Denkm.  in  Lief.  2—7.) 

leWi^en  a.  d.  Mosel.  Kleine  zweischiffige  Kirche,  der  zu  Cuea 
ahnlich. 

lag.  Die  spätgoth.  Oswaldkirche  von  basilikaler  Anlage;  der  ein- 
'schiffige  C*hor  1478—1480;  der  Westgiebel  des  Schiffes  vollendet   1545. 

liricb«  Das  spAtgoth.  Schiff  des  Frauenmansters,  und  ein  llieil 
der  Klostergebäude  (1484  — 1507).  —  Die  Gewölbe  des  Grossmünsters, 
theilweise  fröhgothisch ;  der  Oberbau  der  Westthflrme  1480 — 1490.  —  Der 
profanirte  Chor  der  Predigerkirche.  —  Die  Wasserkirche  (jetzt  Stadt- 
bibliothek}, einfacher  Bau  mit  Netzgewölben,  1479 — 1486. 

Xweifcricken«  Die  Alexanderkirche,  ^  seit  1496,  ein  dreischiffiger 
Hallenbau  mit  einschiffigem  Chor  und  zierlichen  Emporen  im  jetzt  flach 
gedeckten  Langhause.  Der  Chor  hat  ein  mit  Fischblasenmustem  bunt  de- 
oorirtes  Gewölbe  und  herabhängende  durchbrochene  Verzierungen ;  zu  den 
Seiten  desselben  zwei  Thtlrme  mit  durchbrochenen  Helmen.  Sdiönes  Nord- 
portal. 


1)  Die  3t.  Victorskirche  zu  Xanten.  Geschichtliches  u.  Beschreibendes.  1S5I.^ 
Schölten,  H.  C,  Auszüge  aus  den  Banrechnungen  der  Vietorskirche  zu  Xanten. 
]952.  —  Zehe,  B.,  Beschreib,  des  Doms  zu  Xanten.  1852. 

2)  Heints,  Ph.  Cas.,  die  Alexandersk.  zu  Zweibracken.  1817. —  Krause, 
Gesch.  der  Stiftftk.  in  Zweibrflcken.  (?) 


Fif.  227.  Hftniter  za  Ulm  (nach  Uaacb). 

II.  In  Bayern  nnd  Schwaben. 

Literatur:  Vergl.  die  oben  S.  345  angefahrten  Schriften  u.  Kupfer- 
werke. —  Auf  die  goth.  Baukunst  beziehen  sich  in  den  daselbst  angefahrten 
Abhandlungen  von  Merz  (Uebersicht  etc.)  im  Kunstbl.  von  1S45  No.  84. 
87—91  u.  von  v.  Quast  (Reihenfolge  etc.)  im  D.  Kunstbl.  von  1852  No.  23 
bis  26;  in  Sighart's  Bayer.  Kunstgesch.  S  299—319.  347-375.  4I8--470. 
—  Grueber,  Beruh,,  Deutsche  Bauverzierungen  von  Gebäuden  aus  dem 
XIII.  u.  JCIV.  Jahrh.  in  Bayern.  183G. 

Yorbemerknng. 

103.    In  Schwaben  und  Bayern  sind  die  Dome  von  Ulm  und 
Regensburg  die  bedeutendsten  gothischen  Bauwerke,  die  sich  jedoch 


508  GothiBche  Kirchen 

mit  den  berühmten  rheinischen  Denkmalen  dieses  Stiles  nicht  messen 
können.  Die  Anlage  des  Münsters  von  Ulm,  einer  der  raumlich  gros- 
sesten deutschen  Kirchen,  fallt  bedeutend  spät,  und  die  Ausführung 
ist  nicht  aus  einem  Gusse ;  dagegen  besitzt  Bayern  zwar  in  dem  Dome 
von  Regensburg,  einem  der  schönsten  unseres  Vaterlandes,  allerdings 
das  erste  grössere  Gebäude  in  Süddeutschland  ^  welches  von  Grund 
aus  neu  im  gothischen  Stile  ausgeführt  wurde,  allein  schon  der  Grund- 
plan ist  hier  ein  beschrankter :  die  Seitenschiffe  bilden  keinen  Umgang 
um  den  Chor,  der  Kapellenkranz  fehlt,  und  das  Querschiff  tritt  nicht 
über  die  Breite  des  Langhauses  hervor.  Ausserdem  geht  durch  das 
ganze  Gebäude  ein  Gemisch  alterthümlich  roher  und  edler  Formen, 
und  letztere  finden  sich  wiederum  theils  in  überreicher  Entwickelung, 
theils  geradezu  ausgeartet,  und  alles  dieses  aus  derselben  Zeit  und  oft 
sogar  an  einem  und  demselben  Bautheile:  wie  sich  Aehnliches  bereits 
an  einigen  älteren  frühgothischen  Kirchen  derselben  Stadt  bemerklich 
macht,  wo  neben  den  noch  nicht  völlig  überwundenen  romanischen 
Reminiscenzen  schon  die  Keime  zum  Verderben  des  Gothischen  gleich- 
zeitig ersichtlich  sind.  Ueberhaupt  repräsentiren  die  wenigen  ^  von 
den  Bettelorden  ausgegangenen  frühgothischen  Denkmale  in  diesen 
süddeutschen  Gegenden  lediglich  den  reducirten  Stil  (oben  S.  .481), 
und  in  den  meisten  spätgothischen  Kirchen  findet  sich  die  immerhin 
nüchterne  Anwendung  gleich  hoher  Schiffe :  in  Schwaben  mit  Aus- 
bildung eigenthümlicher  Motive  besonders  in  der  Formation  der  Schiff- 
pfeiler und  verbunden  mit  dem  Streben  nach  reich  decorativer  Ent- 
faltung, während  in  Bayern  zwar  die  inneren  Räumlichkeiten  durch 
Kühnheit  der  Verhältnisse  und  machtvolle  Disposition  imponiren, 
aber  im  Einzelnen  trocken  und  starr  erscheinen.  Die  kleineren  schwä- 
bischen Kirchen  begnügen  sich  zuweilen  mit  dem  geradlinigen  Chor- 
schluss  und  im  Schiffe  mit  einer  Holzdecke.  Sporadisch  erscheint  in 
Schwaben  und  Bayern  der  Backsteinbau;  vergl.  oben  S.  27  und  490. 

Vergl.  Schnaase,  Kunstgesch.  5,  580— 5S9  ;/>,  295—30«.  —  Kugle r, 
GeBch.  der  Baukunst  3,  293—303;  33«^— 345;  347—361.  —  Lübke,  Gesch. 
der  Architektur.  S.  548  ff. 

Ah^Mherg  unweit  Regensburg.  Karmeliterkirche ,  basilikal ,  nach 
1398;  verdorben.  Die  alte  Kapelle  an  der  Nordseite  des  Chores  mit 
schmalem  Fenstern. 

Adlersherg  bei  Regensburg.  Einschiffige  flach  gedeckte  Kirche  mit 
schmälerem  gewölbten  Chor;  frühgothisch. 

Alpinhaeh  bei  Freuden^tadt.  Spätgothischer  Kreuzgang  und  Capitel- 
haus  um  1460 — 1482;  andere  Klostergebäude  aus  dem  XVI.  Jahrhundert. 


in  Bayern  und  Soh-waben.  50d 

AltheiM  bei  Riedlingen.  Einfache,  1486  neu  geweihte  Kirche  mit  äl- 
terem Ziegelthurm. 

AithgeB  bei  Herrenberg.  Die  Magnuskirche,  einfach.  Den  Chor  bildet 
ein  ehemaliger  Wartthurm  mit  hölzernem  Obergeschoss. 

Altorf  bei  Landshut.    Verzopfte  Hallenkirche. 

Aititting  in  Niederbayem.  Die  Stiftskirche,  begonnen  1489,  niedrige 
Hallenkirche  mit  Chorumgang,  achteckigen  Pfeilern  und^  Netzgewölben. 
Zwei  schlanke  Westthürme. 

Askerg  in  der  Oberpfalz.  Die  Frauenkirche,  Hallenbau  mit  Hund- 
pfeilern, 1312.  — .  Die  Georgskirche,  ganz  verunstalteter  dreischiffiger 
Ziegelbau  mit  gleich  hohen  Schiffen,  Hundpfeilem  und  drei  unvollendeten 
Thürmen  in  Westen;  1359.  —  Die  Levinische  Kapelle,  einschifilg mit 
erkerartigem  Chörlein  und  zierlichen  Details;  XIV.  Jahrh.  (Sighart, 
Bayer.  Kunstgesch.  S.  363  No.  138.)  —  Die  Martinskirche,  Hallenbau 
mit  Chorumgang,  nach  innen  gezogenen  Streben  und  einem  Westthurm, 
1421—1534.  (Sighart  a.  a.  O.  S.  452  No.  163.)  —  Die  Spitalkirche, 
.die  Katharinenkapelle  von  1415,  die  Gottesackerkapelle  von  1514  ; 
alle  einschiffig. 

Aserdial  bei  Amberg.  Zwei  spätgoth.  Kirchen  mit  schönen  Gewölben 
und  Streben. 

Algskirg.^)  Der  Chor  der  Annakirche  von  1510  ;  dasUebrige  älter, 
aber  innerlich  verunstaltet.  —  Der  Dom  wurde  1321  in  einen  Gewölbebau 
verwandelt,  die  Seitenschiffe  verdoppelt  und  das  Uebrige  gothisirt ;  der  Ost- 
chor mit  Umgang,  Kapellenkranz  und  zwei  Prachtportalen  1356 — 1431  ; 
abermalige  Veränderung  der  alten  Theile,  vollendet  1484.  (Sighart,  Bayer. 
Kunstgesch.  S.  371  No.  146.)  Die  Ueberspannung  des  alten  Kreuzganges 
mit  seltsamen  Sterngurtenge  wölben,  etwa  1500 — 1510.  —  Die  zweischiffige 
Dominicanerkirche  mit  niedrigen  Kapellen  an  den  Langseiten;  das 
Innere  gänzlich  umgestaltet.  —  Die  Georgskirche,  basilikaler  Ziegelbau 
1490 — 1505;  verunstaltet.  —  Die  spätgoth.  Moritzkirche.  —  Die  Ul- 
richskirche, ^j  basilikal  und  in  Kreuzform  1467 — 1594  ;  achteckige,  an 
der  Front  mit  gegliederten  Gurtträgern  besetzte  Pfeiler  und  reiche  Netzge- 
wölbe. Renaissance thürme.  (v.  Wiebeking,  Baukunde.  Taf.  61. — Kal- 
lenbach,  Atlas.  Taf.  78.  —  Sighart  ä.  a.  O.  S.  462  f.  No.  169—171. 
—  Vergl.  oben  S.  488  Fig.  224.) 

Bekeahaisea  bei  Tübingen;  Das  zierliche  Mittelthürmchen  der  Kloster- 
kirche 1407—1409  (Heideloff,  die  Kunst  des  M.-A.  in  Schwaben.  II. 
Suppl.  Taf.  2  und  4—6);  der  Kreuzgang  1460—1496  (Graf,  Beben- 
hausen. Taf.  3.  4)  ;  der  sog.  Sommerchor,  angeblich  von  1335,  mit  Stein- 
thürmchen  von  1410  (ebd.  Taf.  6.  7.  —  Leibnitz,  Organisation  der  Ge- 
wölbe. S.  48  f.  Fig.  66—69)  ;  das  Winterrefectorium  mit  reicher  Holz- 
decke 1471  u.  1516  (Graf  a.  a.  O.  Taf.  8) ;  die  Zellenräume  1513—1516 
(Kallenbach,  Atlas.  Taf.  77) ;  das  einfache  Herrenhaus  1532. 


1)  Stetten,  P.  v. ,  Kunst-,  Gewerbs-  u.  Handwerksgesch.  der  Reichsstadt 
Augsburg.  2Thle.   1779  u.  17S8. 

2)  Witt  wer,  Catalogus  Abbatum  monast.  S.  Udalrici,  inSteichele,  Archiv 
far  die  Gesch.  des  Bisth.  Augsburg.  3,  243  ff. 

Ott«,  KuiMt-Arcbiologfe .  33 


51 0  Oothiflcbe  Kirchen 


I  bei  Waiblingen.    Kirche  Ton  1450  ;  der  Chor  1454. 

Berchlesga^M«  Die  zweischiffige  Franciscanerkirche,  e.  1500.  — 
Oothisimng  der  Stiftskirche  und  der  das  Schiff  weit  Oberragende  Chor, 
vielleicht  schon  vor  1400. 

leilgkeiM  unweit  Stuttgart.  Der  Chor  der  Pfarrkirche  geweiht  1383  ; 
das  Schiff  modern  verändert. 

Nukcven  bei  Ulm.  J o h an  n  i sk i  rch e ,  in  einschiffiger  Kreuzform 
mit  Mittelthurm  und  Kapellen  zwischen  den  Strebepfeilern,  reich  verzierter, 
grOsstentheils  profanirter  Ziegelbau  1467 — 1499.  Der  Kreuzgang  und  die 
Klostergebftade,  gleichzeitig.  —  Spätgoth.  Stadtkirche. 

BilteilMrg  bei  München.  Einschiffige  Schlosskapelle  mit  reichen 
Fenstern  und  vorspringendem  Portalbau,  1488;  restaurirt  1856. 

KMlBgea  bei  Stuttgart.  Der  Chor  der  Pfarrkirche  aus  dem  XIV. 
Jahrb.;  das  Uebrige  aus  späterer  Zeit.  —  Die  verwüstete  Gottesacker- 
kirche 1529—1587. 

■•gcvberg  bei  Bogen  in  Niederbayem.  Die  Frauenkirche,  Hallenbau 
um  1463  ;  reich  gegliederte  Pfeiler. 

lirghMSMl  bei  Neuötting.  Zwei  einschiffige  spätgoth.  Scfalosskapellen 
von  1490;  restaurirt. 

■«rgkIrcheB  bei  AltAtting.  Zweischiffiger  spätgoth.  Prachtbau  mit  einem 
Mittelpfeiler;  auch  Chor  und  Thurm  werden  gerühmt. 

Canstadt  bei  Stuttgart.  Spätgothische  Hallenkirche,  im  Langhause  mit 
Holzdecken,  im  einschiffigen  Chor  mit  NetzwOlbung.    Restaurirt. 

Chaamaster  in  der  Oberpfalz.  Der  Chor  der  Marienkirche  1470; 
gleichzeitig  die  Oothisimng  des  Uebrigen. 

Seggeii^rf  in  Niederbayem.  Die  Onadenkirche,  ein  1337  begonnenes 
massenhaftes  Bauwerk  von  basilikaler  Anlage  mit  achteckigen  Pfeilern  und 
einschiffigem  Chor. 

lhg«lflg  in  Niederbayem.  Hallenkirche  mit  Rundj^eilem  und  Chor- 
umgang, begonnen  1467;  verzopft. 

•iakeisbiU/  Die  Oeor^kirche,  1444 — 1499  :  ein  Bau  von  einfSEu^em 
Aeussern;  das  Innere  mit  den  um  den  Oior. laufenden,  mit  dem  Mittel- 
schiffe gleich  hohen  Abseiten,  wird  von  24  mit  je  vier  starken  Runddiensten 
besetzten  achteckigen  Pfeilern  ohne  Capitäle  gestützt  und  ist  mit  seinen  reich 
gemusterten  Wölbungen  von  überraschend  schOner  Wirkung,  (v.  Wiebe- 
king, Baukunde.  Taf.  61.) 

MtliBgea  (O.-A.  Leonberg].  Die  Speiererkirche  vor  dem  Dorfe, 
fast  Ruine,  aus  guter  goth.  Zeit.  —  Die  Pfarrkirche,  spätgothisch. 

itnawirtk.  Derb  stattliche  Pfarrkirche,  ^)  basilikal,  doch  mit  Blenden 
statt  der  Oberlichter  1444—1473;  achteckige  Pfeiler.  (Sighart,  Bayer. 
Kunstgesch.  S.  465  No.  172.) 

Eggeafeliei  in  Niederbayem.  Spätgothische  Hallenkirche  von  harmo- 
nischen Verhältnissen  mit  Kapellenumgang  und  aufstrebendem  Spitzthurm ; 
Rundpfeiler.    Restauration  seit  1861. 


I)  (Grimm),  die  Pfarrkirche  St.  Ulrich  u.  Maria  Himmelfahrt  in  Donau wArth, 
in  der  Beilage  zur  Aiig«b.  Postztg.   1S57.  No.  73. 


in  Bayern  Und  Schwaben.  511 

lUagei«  Die  Marienkirche ,  einschiffiger  Ziegelbau  mit  Holzdecke ; 
der  schmälere  Chor  ursprünglich  gewölbt.    Vergl.  oben  S.  31. 

EhaiBgea  bei  Böblingen.  Einschiffige  Pfarrkirche  mit  Holzdecke  (1400) 
und  gewölbtem  Chor  von  1416. 

Ellwaagei«  Die  Wolfgangskapelle  vor  der  Stadt,  einschiffig  mit  schma- 
lerem  Chor  und  schönem  Fenstermaasswerk ,  1476.  (Laib  und  Schwarz, 
Formenlehre.  Taf.  10  f.) 

Iltilgei  bei  Leonberg.  Einschiffige  Kirche  von  1487  mit  schönem 
Rundfenster  über  dem  Westportal. 

Eitrhgei  boi  Herrenberg.  Spätgothische  1452  gegründete  Kirche  mit 
schönen  Netzgewölben  im  Chor  und  einem  schlanken  Thurm. 

Erdlhg  unweit  München.  Pfarrkirche  von  etwa  1430  mit  niedrigen 
Seitenschiffen  und  einschiffigem  Chor. 

Esckeikadi  in  der  Oberpfalz.  Pfarrkirche,  ein  zierlicher  Hallenbau  mit 
drei  fast  gleich  hohen  Schiffen  und  mächtigem  Thurm,  gegr.  1435. 

Ssslhgea.  *]  Das  flach  gedeckte  basilikale  Langhaus  der  Dionysius- 
kirche,  mit  Spitzarkaden  und  achteckigen  Pfeilern,  stark  romanisirend, 
aber  in  den  westlichsten  Jochen,  im  Fenstermaasswerk  und  in  den  Strebe* 
pfeilern  der  Seitenschiffe  bereits  frühgothisch ;  der  Chor  etwa  um  1400. 
(Baudenkm.  aus  Schwaben.  I.  Taf.  5  f.)  —  Die  Frauenkirche,  ^)  deren 
schon  1321  beschlossener  Bau  etwa  voii  1406  an  eifriger  betrieben  wurde, 
von  oblonger  Grundform  mit  drei  gleich  hohen  Schiffen ;  die  unregelmässig 
sechseckigen,  mit  je  zwei  gegliederten  Diensten  besetzten  Pfeiler  haben  keine 
Capitäle  und  führen  ihre  Gliederung  unmittelbar  in  die  Gewölbegurte  über. 
Der  sich  über  d^m  Westende  erhebende,  erst  1440  begonnene  und  um 
1528  vollendete  Thurm  ^)  gehört  zu  den  schönsten  in  Deutschland.  (Ebd. 
Taf.  1—6.  —  Heideloff,  Kunst  des  M.-A.  in  Schwaben.  Taf.  12.  13.) 
—  Von  der  Georgenkirche  des  1237  entstandenen  Franciscanerklosters, 
einer  schlichten  flach  gedeckten  frühgoth.  Basilikenanlage  mit  Kundpfeilern, 
steht  nur  noch  der  schlanke  überwölbte  Chor  mit  zweitheiligen  Fenstern 
und  Strebepfeilern,  die  Giebelbedachung  haben.  (Ebd.  Taf.  6  Fig.  4.)  — 
Die  Nicolaikapelle  auf  der  Brücke,  einschiffig,  einfach  mit  einem  Thürm- 
chen  über  dem  Westgiebel.  (Heideloff  a.  a.  O.  1,  62.)  —  Die  Pauls- 
kirche des  1219  gestifteten  Dom inicanerklostcrs,  ein  basilikaler  einfach 
frühgothischer  Bau  mit  einschiffigem  Chor  1233 — 1268.  Niedrige  Rund- 
pfeiler mit  achteckigen  Sockeln  und  schlichten  Capitälen.  (Ebd.  Taf.  16.  — 
Baudenkm.  aus  Schwaben.  I.  Taf.  6.) 

lUal  *)  in  Oberbayern.  Wallfahrtskirche,  ein  zwölfeckiger  Centralbau 
1330 — 1370,  ursprünglich  mit  einem  runden  Mittelpfeiler  und  zweistöcki- 
gem Umgang  mit  Empore;  später  wurde  östlich  ein  Chor  angebaut  und 
1744  das  Ganze  gründlich  verzopft.  (Sighart.  Bayer.  Kunstgesch.  S.  358 
No.  134.) 


1)  Vergl.  Lübke,  W.,  im  D.  Kun«tbl.  1855.  No.  47. 

2)  Pf  äff,  C,  Qesch.  der  Frauenk.  in  Esslingen  u.  ihrer  Restauration.  1863. 
Vergl.  Kemmingcr,  M.  J.  D.  G.,  Würtemb.  Jahrbücher.   ISaft.  2,  177. 

3)  Ein  grosser  Aufriss  auf  2  Bl.  in  den  Jahresheften  des  Wirtenb.  Altertliums- 
vereins.  1868.  VIII. 

4)  Holland,  II.,  Kaiser  Ludwig  der  Bayer  u.  sein  Stift  zn  Ettal.   1860. 

33* 


51 2  OothUcbe  Kirchen  • 

fraieakerg  bei  Landshut.  Kleine  spätgoth.  Kirche  der  Landshuter 
Bauhütte. 

f reUag«  Die  Benedictskirche,  ein  hochstrebender  basilikaler  Bau 
1347 ;  im  Innern  verzopft.  —  Die  dreischifiige  Vorhalle  des  Domes  1314; 
das  nördliche  Portal  mit  seinem  Vorbau,  die  Ueberwölbung  des  Schiffes  und 
andere  Veränderungen  um  14 SO.  —  Die  einschifiige  Gottesackerkirche 
1545,  niedriger  Ziegelbau  mit  gedrückten  Netzgewölben .  —  Die  Johannis- 
kirche,  vollendet  1319,  mit  sehr  niedrigen  Seitenschiffen  und  schmal  auf- 
steigendem Hochbau  ;  quadratische  Pfeiler  mit  polygonen  Diensten  und 
Laubcapitfilen ;  an  den  Oewölbeschlusssteinen  ausser  Heiligengestalten 
Pflanzen-  und  ßestienverzierungen.  Ziegelbau  mit  Sandsteindetails.  (Sig- 
hart,  Bayer.  Kunstgesch.  S.  360  No.  135—137.  —  Derselbe,  die 
mittelalterl.  Kunst  in  der  Diöces  Freising.  Taf.  3.) 

freiieBsttdl.  Die  Kirche,  von  1601 — 1608  in  einer  Art  von  goth. 
Zopfstil  erbaut :  sie  besteht  aus  zwei  einen  rechten  Winkel  bildenden  Flü- 
geln mit  je  zwei  Thürmen  an  den  Enden. 

PNBtoBhaMsea  in  Niederbayem.  Spatgothische  Hallenkirche  von  be- 
deutenden Dimensionen. 

hlbach  (O.-A.  Canstatt).  Die  Kirche,  von  Wassergraben  und  Ring- 
mauer mit  Schiessscharten  umgeben;  der  Chor  und  Thurm  aus  der  goth. 
Periode;  letzterer  mit  Satteldach  und  abgetreppten  Giebeln,  auf  deren 
Stufen  sich  Fialen  erheben. 

dailikrf.    Einschirige  Stadtkirche  mit  Westthurm  1518—1521. 

IhltaenheiM  bei  Ingolstadt.  Der  Chor  der  modern  gothischen ,  mit 
einem  befestigten  Friedhofe  umgebenen  Kirche  von  1488. 

fiärtrilgea  bei  Herrenberg.  Einschiffige  frühgothische^  spätgoth isch 
veränderte  Kirche  mit  nach  innen  gezogenen  Strebepfeilern  und  hohem 
Thurm. 

deiseahMMB  bei  Landshut.  Hallenkirche  mit  hohem  Thurm ,  voll- 
endet 1477. 

diadleBkerg  bei  Neumarkt.  Malerische  Kirchenruine  des  Brigittiner- 
Doppelklosters ,  ^)  um  1474:  dreischiffige  Halle  mit  Nonnenempore  im 
Nordschiffe  und  gerade  geschlossenem  Chor.  (Chlingensperg,  das  Kö- 
nigreich Bayern  2,  43.) 

firiBflkarh  unweit  Memmingen.  Schlanke  spätgoth.  Hallenkirche  ohne 
Streben. 

lahukaek  bei  Amberg.    Hallenkirche  aus  dem  XIV..  und  XV.  Jahrh. 

lall  in  Schwaben.  Die  Hauptkirche,  *^)  deren  Langhaus  mit  drei  fast 
gleich  hohen  Schiffen  und  schlanken  Rundpfeilem  ohne  Capitäle  1427  bis 
1492  erbaut  wurde;  der  schief  angesetzte  Chor  1495  —  1525.  —  Die  ein- 
schiffige, 1404  geweihte  Johann iterkirche  mit  zierlichem  Thurm  ander 
Seite.  —  Der  Chor  der  Katharinenkirche,  geweiht  1343. 


1)  Sigh  art,  J.,  die  Kirchenruine  des  Klosters  Gnadenberg  in  der  Obeipfalz,  im 
MQnchcner  Sonntagsbl.  1S65.  No.  51.  -- Vergl.  Fuchs,  in  den  Verhandl.  des  histor. 
Vereins  far  den  Regenkreis.   M,  104. 

2)  Jäger,  C. ,  die  St.  Michaelisk.  zu  Hall  in  Schwaben,  im  Kunstbl.  1S29. 
No.  91;  1834.  S.  3GI  ff. 


in  Bayern  und  Schwaben.  5 1 3 

le^rkerg  bei  Gaildorf.  Einschiffige,  flachgedeckte  Kreuzkirche  mit 
Thunn  über  dem  nördlichen  Kreuzarm.  (in.  Veröffentlichung  des  Vereins 
für  Kunst  etc.  in  Ulm,  Umschlag.) 

lellkrtttB.  Die  Kilianskirche  ^) ,  ursprünglich  wohl  ein  frühgothischer, 
später  umgewandelter  Basilikidbau,  von  welchem  noch  die  beiden  sich  über 
dem  Ostende  der  Seitenschiffe  erhebenden  Thürme  herrühren ;  der  aus  drei 
gleich  hohen  Schiffen  bestehende  Chor  wurde  1480  beendet,  der  Westthurm 
im  XV.  Jahrh.  begonnen  und  1510—29  beendet.  Das  1578—80  mit 
Stuckverzierungen  bereicherte  Schiff  hatte  ursprünglich  Kundpfeiler  mit 
schlichten  Capitälen  und  flache  Decke ;  im  Chor  sind  reich  gegliederte,  im 
Kern  achteckige  Pfeiler.  (Kallenbach,  Atlas,  Taf.  71.  —  Heideloff , 
Ornamentik.    Lief.  5.  Taf.  7.  Fig.  e.) 

leiligkreuthaP)  bei  Hicdingen  in  Oberschwaben.  Klosterkirche, 
gerade  geschlossener  Basilikalbau  von  1319,  renovirt  1532  und  1699.  In 
der  Ost  wand  ein  grossartiges  Fenster. 

lerreakerg.  Die  Stiftskirche,  1336  erbaut  und  seit  1440  erweitert; 
der  Chor  aus  ersterer  Periode,  der  Hallenbau  des  Langhauses  mit  etwas  er- 
höhtem Mittelschiff  aus  letzterer  Zeit.  Die  Pfeiler  von  eckigem  Kern,  mit 
starken  Diensten  und  Einkehlungen  ,  ohne  CapiUlle.  (Heideloff,  die 
Kunst  des  M.  A.  in  Schwaben.    Heft  1.  Taf.  1.) 

linduiM.  Die  Marienkapelle  1508  —  1516. — Der  spätgothische  Kreuz- 
gang nebeti  der  vormaligen  Petri-Paulikirche,  Ruine. 

Jeak^fea  bei  Landshut.  Kleine  drcischifflge  Kirche  mit  schönem  Hip- 
penwerk, um  1447. 

lBg«btMll.  Die  Franciscanerkirche:  in  dem  seit  1275  erbauten 
basilikalen  Langhause  Rundpfeiler,  im  Hauptschiffe  eine  flache  Decke, 
Lanzettfenster  und  keine  Streben ;  an  dem  erst  dem  XIV.  Jahrh.  angehö- 
rigen  sehr  langen  Chor  Strebepfeiler  mit  Pultdächern.  —  Die  Frauen- 
kirche''), Ziegelbau  mit  Sandsteindetails,  gegründet  1425;  der  Chor  ge- 
weiht 1439;  fortgesetzt  1495 — 1525;  grossartige  Hallenkirche  unter 
Einem  Dache,  doch  ist  das  Mittelschiff  beträchtlich  höher  als  die  einen 
Chorumgang  bildenden  Seitenschiffe,  zwischen  deren  nach  innen  gezogenen 
Strebepfeilern  spätestgothische  Kapellen  mit  herabhängendem  Rippenwerk 
angeordnet  sind.  Die  Netzgewölbe  ruhen  auf  je  zwei  Diensten  mit  Laub- 
capitälen,  mit  welchen  die  capitälloscn  Rundpfeiler  besetzt  sind.  Die  bei- 
den viereckigen,  von  unten  auf  übereck  stehenden  Westthürme  «nd  un- 
vollendet. Restauration  1848 — 1851.  (v.  Wiebeking,  Baukunde.  Taf.  57. 
—  Sighart,  Bayrische  Kunstgesch.  S.  421  Nr.  156.)  —  Die  Spital- 
kirche von  1460,  dreischiffiger  Hallenbau  mit  Rundpfeilern  über  abge- 
kantetem Sockel. 

Maisheia  bei  Donauwörth.  Cisterzienscrkirche ,  basilikal  in  der 
Grundform    des  Kreuzes,    begonnen    1352,    geweiht    1387.    Im  Lang- 


1)  Titot,  H.,   Ausfahrt.   Beschreib,  u.  Gesch.  der   evangel.  Hauptkirche  zu 
Heilbionn.   Mit  Abbild.  1833. 

2)  (Rothv.)S(chrecken8tein),  Heiligkreu2thal,  ehemal.  Cistercienser-Non- 
nenkl.,  constanzer  äprengels,  im  Organ  für  christl.  Kunst.  1856.  S.  28 — 31. 

3)  Gerstner,  Beschreib,  der  Stadt-Pfarrk.  zu  u.  1.  schönen  Fr.  in  Ingolstadt. 
1840.  —  Becker,  C.^  die  Frauenk.  su  Ingoist.,  im  D.  Kunstbl.  1853.  Nr.  46  f. 


514  Gothische  Kirchen 

hause  ^^quadratfOrmige''  Pfeiler  und  Bcsticnconsolen ;  um  den  polygon 
geschlossenen  Chor  mit  gegliederten  dreieckigen  Pfeilern  ein  halbkreisför- 
miger Umgang,  der  durch  Rundpfeiler  in  zwei  Schiffe  von  ungleicher  Breite 
getheilt  wird.  Die  Strebepfeiler  am  Chorumgangc  mit  Giebeldächern. 
Ueber  dem  Kreuz  ein  achteckiger  Mittelthurm  mit  Zopfaufsatz.  Die  West- 
seite zopfig  erneut.  (Sighart,  Bayr.  Kunstgesch.  S.  372 — 374.  Nr.  147 
bis  150.) 

Kft«fbeieni.  Die  Blasiuskirche,  Hallenbau,  in  dem  um  1420 
vollendeten  Langhause  mit  Sechseckpfeilem ;  der  einschiffige,  minder  hohe 
Chor  1435 — 1444.  —  Die  Martinskirche,  dreischiffig  basilikaler  Zie- 
gelbau mit  profilirten  Pfeilern  und  Arkaden  und  flach  gedecktem  Mittel- 
schiff: der  anscheinend  ältere  Kern  seit  1438  gothisirt  und  ein  neuer  Chor 
erbaut;  der  Thurm  1404  erhöht. 

Melheta  bei  Regensburg.  Der  1463  an  das  ältere,  flach  gedeckte  Schiff 
der  Franciscanerkirche  angebaute  Prachtchor.  Profanirt.  —  Die 
Pfarrkirche,  dreischiffig  basilikal,  mit  einschiffigem  Chor  um  1468. 

MeM|plei*  Die  Magnikirche,  ein  massiger  Ziegelbau,  im  Langhause  mit 
flachen  Decken  und  achteckigen  Pfeilern  ohne  Streben:  der  Chor  von  1427; 
1428  Verlängerung  der  Kirche ;  noch  später  Anbau  eines  vierten  Seiten- 
schiffes. 

Kirehkerg  in  Kronlng  in  Niederbayem.  Spätgothische  Hallenkirche 
mit  nur  einem  (nördlichen)  Seitenschiff. 

Kirchdorf  bei  Haag  in  Oberbayem.  Zweistöckige  Gottesackerkirche 
aus  dem  XIV.  Jahrh. 

Kirchheia  im  Ries.  ^)  Die  sehr  ausgedehnten,  grösstentheils  noch  er- 
haltenen Räume  des  Cisterziensernonnenklosters ;  die  einschiffige  Kirche 
mit  Nonnenempore  und  einem  achtseitigen  Steinthürmchen  mit  Spitzhelm 
über  dem  Westgiebel,  wohl  aus  dem  Ende  des  XIV.  Jahrh.  und  einige 
Kapellen. 

Laadskerg  in  Oberbayern.  Basilikale  Pfarrkirche  mit  einschiffigem 
Chor  und  Thurm  an  der  Nordseite  1458 — 1488. 

iMdshll.  Die  Heil.  Geist  (Spital-)Kirche,  dreischiffiger  Hallenbau 
mit  Chor  Umgang  und  einem  Thurm  mit  Staffelgiebeln  an  der  Nordseite, 
1407—1461.  Rundpfeiler,  aus  denen  die  Rippen  der  Sterngewölbe  heraus* 
wachsen.  (Grueber,  Vergl.  Samml.  II.  Taf.  35.)  —  Der  basilikale  Zie- 
gelbau der  Jodocuskirche  mit  Hausteindctails ,  begonnen  1 338  ;  abge- 
stuft profilirte  Pfeiler  mit  Wulstkämpfern;  1407  Erbauung  eines  neuen 
Chores,  Erweiterung  der  Seitenschiffe  und  Hochbau  des  Spitzthurmes.  — • 
Die  Martinskirche^,  ebenfalls  aus  Ziegeln  mit  Hausteindetails,  doch 
mit  drei  gleich  hohen  Schiffen,  begonnen  um  1392,  vollendet  etwa  1478. 
Höchst  schlanke,  achteckige  Pfeiler  von  nur  3  F.  D.  mit  geringem  Kämpfer- 


1)  Vergl.  Motz  ,  H.,  Mittheilungen  aber  alte  Kunstwerke  im  Ries,  im  Kunstbl. 
1817.  S.  14  f. 

2)  Spörl,  J.,  der  Bau  u.  die  Erbauer  des  Chores  zu  St.  Martin  in  Landshut, 
in  den  Verhandl.  des  histor.  Vereins  für  Niederb.  V.  :)  u.  4,  I  - 136.  —  Werner, 
Gesch.  der  Pfarrei  St.  Martin  in  Landsh.,  ebd.  V,  265 — 279.  —  Auracher,  F.,  zur 
Gesch.  von  St.  Martin  in  Landsh.,  ebd.  X.  4.  —  Die  St.  Martinsk.  zu  Landshut,  im 
Organ  fflr  christL  Kunst.  1853.  S.  135  f. 


in  Bayern  und  Schwaben.  515 

Vorsätze  tragen  das  Stemgewölbe.  Zwischen  den  nach  innen  fortgesetzten 
Strebepfeilern  ein  niedriges  Kapellenschiff  unter  Pultbedachung ;  vor  der 
Westfront,  den  Haupteingang  und  die  Vorhalle  der  Kirche  bildend,  ein 
massenhaft  behandelter,  aber  mächtig  und  kühn  emporsteigender,  in  eine 
zierliche  Spitze  auslaufender  Thurm  ;  ganz  vollendet  erst  1580.  (Quaglio, 
Merkwürd.  Gebäude  I.  Taf.  11.  —  v.  Wiebeking,  Baukunde.  Taf.  5. 
Fig.  1  und  2.  —  Sighart,  Bayrische  Kunstgeschichte.  S.  434.) 

LMlfea  am  Neckar.  Der  Chor  der  1227  gegründeten  Regiswindis- 
kircbe,  einfach  frühgothisch ;  das  Uebrige  spätgothischer  Umbau  einer 
ursprünglich  basilikalen  Anlage  in  Hallenform.  —  Die  Kapelle  gl.  N. 
frühgothisch,  mit  spätgothischem  Chor. 

LtlilgeB  an  der  Donau.  Die  Stadtkirche,  dreischiffiger  Hallenbau  mit 
einfachen  Kundpfeilem,   1518 — 1576. 

iMlklrck  bei  Memmingen.  Die  katholische  Kirche  basilikal  mit  acht 
Rundpfeilern  und  Netzgewölben ,  1514  — 1519. 

Liebnuell  bei  Pforzheim.    Der  Chor  der  Pfarrkirche. 

lagstadlt  bei  Böblingen.  Einschiffige  Kirche  mit  Netzgewölben  im 
Chor,  1511;  befestigter  Kirchhof. 

laria  lata  bei  Füssen.    Spätgothische  Kirche  mit  niedrigen  Abseiten. 

larklk^fea  bei  Frontenhausen .  Spätgothische  dreischiffige  Hallenkirche . 

iMlkMIB.  Gothisirung  der  Klosterkirche  1424;  der  grösste  Theil  des 
Kreuzganges  (seit  1303)  mit  der  spätgothischen  Brunnenkapelle,  der  Capi- 
telsaal  aus  dem  XIV.  Jahrb.,  das  Herrenhaus  um  1384 — 1402. 

■emBtagea.  Der  Chor  der  Martinskirche^)  1496— 1509  ;  reiches 
Fenstermaasswerk  und  mit  Fialen  gekrönte  Strebepfeiler.  Die  westlichen 
Theile  der  aus  Haustein  erbauten  Kirche  sind  im  Kern  älter;  das  Schiff 
wurde  1419  verlängert,  1489  und  1491  verändert;  die  niedrigen  Seiten- 
schiffe wurden  1457  angesetzt  und  zwischen  den  nach  innen  gezogenen 
Strebepfeilern  Kapellen  angeordnet.  Die  Gewölbe  des  Schiffes  sind  1655 
gefallen.  —  Andere  spätgothische  Gebäude :  die  katholische  Kirche 
der  Elisabethinerinnen,  ein  verzopfter  dreischossiger  Hallenbau  mit  Rund- 
pfeilern, dieehemalige  Deutschherrenkirche,  eine  zweischiffige  Halle 
(ebenfalls  verzopft) ,  der  Chor  der  Frauenkirche  und  die  Antonierka- 
pelle  auf  dem  Kirchhofe . 

■•■helM  bei  Donauwörth.  Niedere  dreischiffige  Hallenkirche  mit 
Krenzschiff  und  Rundpfeilern,  um  1450.  Der  Chor  ist  verzopft.  Der 
Thurm  und  der  halbe  Kreuzgang ,  mit  gekuppelten  Würfelsäulen ,  sind 
romanisch. 

iMskirg.  Die  1353  gothisch  erneuerte  Johann iskirche  mit  flach  ge- 
decktem Hauptschiff,  während  die  niedrigen  Seitenschiffe  und  der  Chor  mit 
einfachen  Kreuzgewölben  überspannt  sind.  Der  Westthurm  ist  mit  Blen- 
den und  vier  Eckthürmchen  geschmückt. 

lihlhMueB  am  Neckar.  Die  einschiffige  Veitskirche  mit  alter  getäfel- 
ter Decke  und  westlichem  Thurm,  1380 — 1383,    erbaut  von  einem  Prager 


]}  V.  Ehrbardt,  dio  geachichtl.  Beschreib.  derMartinsk.  in  Memmingen.  (An- 
geführt von  Sighart,  Bayr.  Kunstgesch.  S.  465.) 


51 6  Gothische  Kirchen 

Bürger  und  in  der  breit  birnfOrmigen  Profilirung  der  Wanddienste  des  ge- 
wölbten Chores  dem  Charakter  der  Profile  des  Domes  vpn  Prag  nahe  ver- 
wandt. (Heideloff^  die  Kirnst  des  M.  A.  in  Schwaben.  I,  35  f.  und 
Taf.  4.  Fig.  4-7.) 

luchei.  Die  Frauenkirche^),  grossartiger  dreischiffiger  Hallenbau 
aus  Ziegeln  mit  Chorumgang  und  zwei  mächtigen  Westtharmen^  1468  bis 
1488,  geweiht  1494.  Achteckige  Pfeiler  ohne  Capitftle,  an  welchen  die 
reichen  Netzgewölbe  auf  kurzen  vorgekragten  Diensten  ruhen ;  zwischen 
den  einwärts  gezogenen  Strebepfeilern  schmale  Kapellen  unter  hoher  Pult- 
bedachung. Das  Aeussere  fast  ganz  schlicht ;  die  Thürme,  oben  achteckig, 
mit  flachen  Zw  iebelhauben .  Restaurirt  1858  — 1861. 2)  (v.  Wiebeking, 
Baukunde.  Taf.  5.  Fig.  4  f.)  —  Die  übrigen  gothischen  Kirchen  sind  nur 
unbedeutend  und  meist  verzopft. 

Nabbirg  in  der  Oberpfalz.  Die  Pfarrkirche  von  basilikaler  doppel- 
chöriger  Anlage  und  in  der  Grundform  des  Kreuzes,  doch  ohne  Vorlagen 
der  Arme  mit  zwei  einfachen  Westthürmen  in  gleicher  Flucht  und  inner- 
lich in  Verbindung  mit  den  Seitenschiffen,  doch  ist  nur  der  südliche  Thurm 
vollendet.  Der  in  die  zweite  Hälfte  des  XIV.  Jahrh.  fallende  edle  Bau  von 
c.  160  F.  Länge  scheint  um  1402  im  Wesentlichen  beendigt  gewesen  zu 
sein  und  hat  viel  Verwandtes  mit  dem  Dome  zu  Regensburg.  Die  geglie- 
derten Pfeiler  sind  im  Kern  viereckig  mit  Gurtträgem  auf  den  Ecken  und 
in  der  Mitte  der  vier  Seiten.  Die  Streben  haben  Giebelbedachungen  und 
mit  Ausnahme  des  Ostchores  Fialenktönungen ;  am  Langhause  massive 
Strebebögen.  Der  apsidenartige  Ostchor  ist  niedriger  als  das  Schiff  und 
unter  besonderem  Dach  ;  im  Westchor  ist  eine  gothische  Orgelbühne  einge- 
baut.   (Sighart,  Bayr.  Kunstgesch.  S.  363—68  und  Nr.  139—145.) 

Nagold  bei  Calw.  Der  Clior  der  Stadtkirche,  begonnen  1401 ;  zum 
Theil  verdorben. 

NeiMarkl  in  der  Oberpfalz.  Die  Pfarrkirche,  ein  spätgothischer  drei- 
schiffiger Hallenbau  mit  Chorumgang ;  der  Chor  1404  — 1434.  Der  stattliche 
ins  Achteck  übergebende  Westthurm  mit  freiem  Pfostenwerk  vor  den 
Fenstern.  (Sighart,  Ba}^-.  Kunstgesch.  S.  453.  Nr.  164  —  167.)  —  Die 
Hofkirche  von  1487,  im  Hauptschiff  mit  flacher  Decke,  im  Chor  mit 
Netzgewölben ;  etwas  entstellt. 

Neiikirg  vor  dem  Walde  (Oberpfalz) .  Der  Chor  der  P  f  a  r  rk  i  r  c  h  e , 
geweiht  1443;  das  anscheinend  ältere  Schiff  wurde  1478  erweitert,  1482 
die  Südseite  und  dann  die  Nordseite  gebaut  und  das  (später  verzopfte) 
Ganze  1491  geweiht.  — Die  Jacobs-  und  die  Spitalkirche  sind  kleine 
spätgothische  Gebäude. 

PieiöttiMg  in  Oberbayem.  Die  Pfarrkirche,  deren  Chor  mit  dem 
auf  der  Nordscite  stellenden  kühnen  und  zierlichen  Thurm  1410  begonnen 
wurde,  das  Langhaus  mit  Rundpfeilem  und  zwei  eleganten  Portalen  1485. 


1)  (Gsell),  Die  Metropolitan-  u.  Stadt-Pfank.  zu  u.  1.  Frau  in  München. 
1839.  Mit  Abbild.  —  Sighart,  J.,  Gesch.  u.  Schilderung  der  Frauenk.  in  Mün- 
chen. 1853.  Mit  Abbild.  —  Holland,  H.,  Gesch.  der  Münchener  Frauenk.  1859. 

2)  Vergl.  Abendbl.  der  N.  Mflnchener  Ztg.  1861.  Nr.  5-7.  ^  Neueste  Mün- 
chencr  Nachr.  1862.  Nr.  24. 


in  Bayern  und  Schwaben.  517 

—  Etwa  gleichzeitig  ist  die  Spitalkirche  mit  herrlicher  Empore  und  die 
Annakirche  mit  Sterngewölben,  cinschifiPig  mit  schmälerem  Chor  (1511). 
Newtadit  an  der  Donau.    Dreischiffigc  Hallenkirche  mit  Rundpfeilern 
und  zierlichen  Streben,  wohl  vom  Ende  des  XIV.  Jahrh. 

NMÜBgea. ')  Die  Hauptkirche,  1428  — 1505,  deren  Aeusseres 
ausser  dem  vor  der  Westfront  angeordneten  hohen,  oben  achteckigen  Thurm 
nichts  Ausgezeichnetes  hat,  ist  ein  dreischiffiger  Hallenbau  mit  drei- 
schiifigem,  aber  schmälerem  Chor.  Die  reichen  Netzgewölbe  ruhen  auf  ca- 
pitällosen  Rundpfeilem,  die  vorn  mit  je  zwei  Runddiensten  besetzt  sind. 
In  den  Seitenschiffen  und  am  Westende  Emporen  mit  schönen  Steinbrüstun- 
gen.  (v.  Wiebeking,  Baukunde  Taf.  51  und  61.)  —Der  Chor  der  Sal- 
vatorkirche  1381  — 1407;  das  flach  gedeckte  Schiff  in  der  Neuzeit  er- 
weitert und  Yßrändert. 

•ekklgeB  unweit  HcHbronn.  Die  Stiftskirche^,  dreischiffiger  Hallen- 
bau in  der  Grundform  des  Kreuzes  mit  einschiffigem  Chor  und  mit  Kapel- 
len längs  der  Seitenschiffe,  welche  mit  den  Querhausfronten  Flucht  halten, 
c.  1450 — 1500.  Viereckige  Pfeiler  mit  abgeschnittenen  Ecken  als  Träger 
der  meist  sternartigen  rundbogigen  Netzgewölbe,  deren  Anfänge  ausRelief- 
brustbildem  bestehen.  Zwei  fast  gleich  hohe  ThÜrme :  der  eine  vor  der 
Westfront  über  romanischem  Unterbau,  der  andere  östlich  am  südlichen 
Kreuzarm.    Unter  dem  Chore  eine  Gruft. 

Paipipeakerg  in  der  Oberpfalz.  Spätgothische  Kirche  von  trefflicher 
Ausführung. 

Pusu.  An  dem  nach  einem  Brande  von  1662  im  Barockstil  neu  er- 
bauten Dom  rühren  noch  der  Chor,  das  Querschiff  und  die  Kuppel  über 
der  Vierung  (freilich  entstellt)  von  dem  1407  begonnenen  spätgothischen 
Prachtbau  her.  —  Die  Sal  vatorkirche  a.  d.  Hz,  1479 — 1484  ander 
Stelle  einer  Juden-Synagoge  erbaut  und  dicht  an  einen  Felsen  gelehnt:  ein 
einschiffiges  Gebäude,  mehr  hoch  als  lang,  dessen  Erdgeschoss  mit  um- 
laufenden Steinbänken  noch  dem  jüdischen  Bau  entstammen  soll.  Eine 
hohe  Treppe  führt  in  die  eigentliche  Kirche,  zwischen  deren  nach  innen 
gezogenen  Streben  unten  Kapellen  und  oben  Emporen  angeordnet  sind,  zu 
denen  man  auf  zwei  Seitentreppen  gelangt.  Jetzt  reich  restaurirt. 
(Chlingensperg,  das  Königr.  Bayern  2,  405.)  —  Die  Spitalkirchen 
zum  heiligen  Geist  (1512,  elegant  zweischifflg  mit  schmälerem  Chor) 
und  zu  St.  Johann  (Haupt-  und  ein  Nebenschiff).  —  Der  Chor  der 
Ilzpfarrkirche  1476. 

Percha  bei  Starnberg.   Spätgothische  Kirche  von  1525. 

PfaffeiWea  in  Oberbayern.  Spätgothische  Pfarrkirche  (verzopft)  mit 
kunstvollem  Thurmbau  aus  Ziegeln. 

PijppiBg  bei  München.  Die  einschiffige  Hofkirche  mit  Holzdecke  und 
gewölbtem  schmälerem  Chor,  1478 — 1480. 

Pdttaies  in  Oberbayern.    Zopfig  entstellte  Pfarrkirche  mit  achteckigen 


1)  BeyBchlag,  D.-E.,  Beiträge  zur  Kunstgesch.   der  Reichsstadt  Nördlin- 
gen.  1798. 

2)  Alb  recht,  Jos.,  die  Stiftsk.  su  Oehringen,  1837. 


518  G  ethische  Kirchen 

Pfeilern  und  spätgothischen  Seitenschiffen,  die  viel  niedriger  sind  als  das 
flach  gedeckte  Hauptschiff;  allein  am  Chore  sind  Strebepfeiler. 

Prill  bei  Regensburg.  Chor  der  Karthänserkirche  1498 — 1513. 
(Chlingensperg,  das  Königreich  Bayern  2,  91.) 

lUst  bei  Freising.    Spätgothische  Kirche  mit  zwei  Schiffen. 

Rfgeiskirg^)  Der  Dom^),  grossartige  dreischiffig  basilikale  Anlage  in 
der  Grundform  des  Kreuzes  mit  zwei  unvollendeten  Ostthürmen  über  dem 
Westende  der  Seitenschiffe,  die  sich  östlich  jenseits  der  nicht  über  deren 
Fluchtlinie  vortretenden  Kreuzarme  als  kurze  Nebenchöre  neben  dem  Lang- 
chore fortsetzen  und  wie  dieser  im  halben  Achteck  schliessen.  Eigenthümlich 
ist  die  Zerlegung  des  Chores  in  zwei  Geschosse  mit  Ober-  und  in  Nischen 
eingebauten  Unterfenstern,  zwischen  denen  im  Innern  noch  ein  Triforium 
angeordnet  ist,  welches  sich  auch  im  Langhause  vorfindet  und  zwar  deige- 
stalt,  dass  das  Pfostenwerk  der  Oberlichter  sich  vor  demselben  fortsetzt. 
Die  Arkadenpfeiler  bilden  im  Kern  ein  übereck  gestelltes  Viereck  und  sind 
mit  je  vier  durch  Hohlkehlen  verbundenen  Bündeldiensten  besetzt.  Am 
Aeusseren  mit  Fialen  gekrönte  Strebepfeiler  und  Strebebögen,  welche  letz- 
tere an  der  Chorpartie  jedoch  meist  nur  decoratlven  Charakter  haben.  Die 
Westfront,  ausgezeichnet  durch  eine  vor  dem  Prachtportal  in  zwei  Seiten 
des  Sechsecks  vortretende  offene  Halle,  zeigt  nach  oben  reiche,  aber  bereits 
entartete  Bildungen.  Mehr  als  das  besonders  nur  durch  die  Masse  imponi- 
rende  Aeussere  wirken  die  weit  und  hoch  gespannten  Hallen  des  Inneren. 
Gegründet  wurde  der  Dom  1275,  der  Chor  bis  1280  vollendet,  das  Lang- 
haus seit  1381  —  1436,  diespätgothi8cheWestfa9ade  vollendet  1482— 1486  ; 
der  1524  liegen  gebliebene  Bau  der  Thürme  ist  seit  1859  wiederaufge- 
nommen. Der  Kreuzgang  datirt  theils  aus  der  Zeit  von  1410  — 1421,  theils 
aus  dem  XVI.  Jahrhundert.  (Popp  und  Bülau  Lief.  1,  3.  5.  8  — 10.  — 
Förster,  Denkm.  3,  16 — 28  und  6  Taf.  —  Chlingensperg,  das 
Königreich  Bayern  1,  333  und  351.  —  Sighart,  Bayerische  Kunstgesch. 
S.  299—306  und  Nr.  102—104.  S.  347  —  355  und  Nr.  120—133.  S, 
440—448  und  Nr.  458.  S.  768  und  Nr.  198.) 

Die  äusserlich  verbaute  Aegidiuskirche  um  1377,  mit  drei  fast 
gleich  hohen  und  polygonisch  schliessenden  Schiffen.  Rechteckige  mit 
Diensten  besetzte  Pfeiler  und  schöne  Capitäle.  Westempore  über  reich  ge- 
gliederten Bögen.  —  Die  Alte  Pfarr(kirche)  ,  ein  rings  herum  mit 
Emporen  umgebenes  Rechteck,  frühgothisch  und  mit  vielen  noch  romani- 
schen Details ;  letztere  an  dem  Blattwerk  der  Capitäle  in  mannichfaltiger 
und  edelster  Bildung;  nach  v.  Quast  nicht  vor  1250 — 1263.  Der  Mittel- 

1)  Popp,  Just.,  u.  Bülau,  Th.,  die  Architektur  des  M.  A.  in  Regensb.  1834 
bis  1839.  —  Orueber,  Bernh.,  Regensburg  u.  seine  Umgebungen.  1843  ff.  — 
Schuegraf,  J,  R.,  Regensburgs  Naturschönheiten,  Kunstdenkm.  u.  Kunstscbfltze, 
in  den  Beilagen  der  N.  Münchener  Ztg.  1 858.  Ko.  86—88 ;  vergl.  das  Regensb.  Un- 
terhaltungsbl.  1861.  No.  8  ff.  —  S.  auch  oben  S.  357.  Nota  1. 

2)  Der  Dom  zu  Regensb.  Eine  gedrängte  Schilderung  etc.  1843.  —  Orueber, 
Bernh.,  der  Dom  zu  Regensb.  1813.  —  Schuegraf,  J.  R.,  Gesch.  des  Domes  von 
Regensb.  1847.  2  Bde.  Vergl.  Desselben  Nachtrage  zur  Gesch.  etc.  in  den  Ver- 
handl.  des  hbtor.  Vereins  für  den  Eegenkreis.  Bd.  16  u.  drei  Rechnungen  über  den 
Regensb.  Dombau.  1487—1489,  ebd.  18,  135—204.—  Vergl.  auch  N.  MOnchener 
Ztg.  1856.  No.  98  u.  115.  —  Regensb.  Morgenbl.  1861.  No.  259  f. 


in  Bayern  und  Schwaben.  519 

räum  ist  flach  gedeckt,  die  Arkadenpfeiler  unter  den  Emporen  sind  acht- 
eckig. Veränderungen  an  der  Ostseite  1440.  (Popp  und  Bülau  Lief. 
4.  —  Grueber,  Vergleichende  Sammlungen  IT.  Bl.  16  und  18.  —  Sig- 
hart  a.  a.  O.  S.  220.  Nr.  54.)  —  Die  Dominicanerkirche*),  ein- 
fach, edel,  frühgothisch  :  die  rechtwinkelig  geschlossenen  niedrigen  Seiten- 
schiffe reichen  nur  bis  an  den  Chorschluss ;  die  Fensterfüllungen  des  Cho- 
res bestehen  aus  Steinplatten,  die  von  einem  Dreipass  durchbrochen  sind; 
die  Fensterstöcke  ohne  Capitäle;  die  Arkadenpfeiler  achteckig  mit  vier 
Halbsäulen;  nachv.  Quast  1274 — 1277.  —  (Grueber  a.  a.  O.  Bl.  31. 
—  Kallenbach,  Chronologie,  I.  Taf.  13.)  — Die  profanirte  Minori- 
tenkirche  mit  einfachem basilikalem  Schiff  und  schlankem  edelgothischem 
Chor.  —  Die  Neu-Pfarrkirche ,  1519 — 1521,  in  einem  Gemisch  von 
gothischen  und  Kenaissance-Formen. 

ReiÜhgea.  Die  Marienkirche  ^) ,  in  der  Grundform  des  Kreuzes  und 
mit  niedrigen  Seitenschiffen,  begonnen  1247  mit  dem  noch  romanisirenden 
gerade  schliessenden  Chor  und  erst  im  XIV.  Jahrh.  bis  1343  in  edelgothi- 
schem  Stil  wesentlich  vollendet.  Das  Querschiff  hat  nur  die  Breite  des 
Langhauses ,  die  Stelle  der  Vorlagen  vertreten  aber  zwei  niedrige  Tliürme, 
die  sich  nach  dem  Innern  der  Kirche  Offnen.  Die  Schiffpfeiler  sind  acht- 
eckig und  scheinen  nach  einem  Brande  von  1726  an  den  Capitälen  verän- 
dert zu  sein.  Auch  gelten  nur  die  Chorgewölbe  für  alt,  und  die  Seiten- 
schiffe sind  mit  Holzwölbungen  gedeckt.  Die  mit  Fialen  gekrönten  Strebe- 
pfeiler entsenden  mit  Blumen  besetzte  Strebebögen  gegen  den  Hochbau. 
Ueber  der  mit  drei  Portalen  versehenen  Westfront  steigt  ein  hoher  vier- 
giebcliger  Thurm  auf  mit  massivem  achteckigem  Helm.  (Laib  und 
Schwarz,  Formenlehre  Taf.  7  f.) 

Riedel  bei  Schwäbisch  Hall .  Ansehnliche  schmuckvolle  Kirche  von  1436. 

SiedIhgeB  unweit  Sigmaringen.  Dreischiffige  Kirche  mit  Stemgewöl- 
ben  und  gerade  schliessendem  Chor. 

R^tteakirg  am  Neckar.  Die  bischöfliche  Kirche,  1421  aus  einer  ro- 
manischen Pfeilerbasilika  umgebaut ;  am  südlichen  Kreuzarm  ein  einfacher 
gothischer  Thurm  mit  achteckigem  Steinhelm. 

R«ttweil.  •)  Die  Heil.  Kreuzkirche,  ausser  einigen  älteren  Thei- 
len  aus  dem  XII.  und  XIII.  Jahrh.  von  1364 — 1473.  Die  achteckigen  mit 
Halbsäulen  besetzten  Pfeiler  des  dreischiffigen  Langhauses  sind  ohne  Capi- 
täle, die  Streben  nach  innen  gezogen.  —  Der  imposante  Thurm  der  Ka- 
pellenkirche  wird  schon  1364  erwähnt. 

8t  RlwU  bei  Landshut.  Dreischiffige  Hallenkirche  mit  eingezogenem 
Chor,  1450—1470. 

Sailgai  unweit  Sigmaringen.  Dreischiffige  flachgedeckte  Kirche  mit 
niedrigen  Seitenschiffen  und  viereckigen  Pfeilern;  an  der  Nordseite  des 
einschiffigen  gewölbten  Chores  ein  schlanker  viergiebeliger  Thurm  mit  acht- 


1)  Niedermayer,  Andr.,  die  Dominicanerk.  in  Regensb.,  in  den  Verhandl. 
des  histor.  Vereins  far  den  Regenkreis  IS,  I — 74. 

2)  Hassler,  C.  D.,  über  die  Marienk.  in  Reutlingen,  im  Correspondenzbl.  des 
Oeaammtvereins  etc.  10,  94 — 98. 

3)Rhoiiiwald,C.  F.,  RottweU  u.  seine  Sehenswürdigkeiten.  1S61. 


520  Oothitfohe  Kirchen 

eckigem  Helm;  vor  dem  Westportal  eine  nach  drei  Seiten  offene  Vorhalle. 
(Laib  und  Schwarz,  Formenlehre.  Taf .  12.) 

Schejeni    in    Oberbayern.     Die  Prälatenkapelle   von   1565,  ein' 
Quadrat  mit  erkerartiger  Apsis;  das  Gewölbe  mit  decorativen  Thonrippen, 
welche  Sechsecke  bilden.  —  Der  Capitelsaal  mit  einem  Mittelpfeiler. 

8cli«nidl«rf  unweit  Stuttgart.  Die  Marienkirche,  ein  dreischifflger  Hal- 
lenbau, von  welchem  nach  einem  Brande  von  1 634  nur  die  Mauern  des 
jetzt  flach  gedeckten  Langhauses  stehen  blieben  und  der  1477  erbaute  ein- 
schiffige Chor  von  meisterhafter  Steinmetzarbeit.  (Kallenbach,  Chrono- 
logie. L  Taf.  21.) 

SchMkeahaiseB  unweit  Ingolstadt.  Hallenkirche  aus  Ziegeln  mit  Chor- 
umgang und  südwestl.  Thurm,  1440 — 1480.  Aus  den  capitäUosen  Rund- 
pfeilern entspringen  die  Rippen  der  Rautengewölbe ;  die  nach  innen  gezoge- 
nen Strebepfeiler  sind  hier  gegliedert  und  durch  Spitzbögen  verbunden. 

Schwakbeh-fiMBil.  Die  Heil.  Kreuzkirche  1351—1510:  drei  gleich 
hohe  Schiffe,  welche  durch  schlanke  Rundpfeiler  mit  Laubcapitälen  getrennt 
werden  und  einen  breiten  Chorumgang  bilden.  Am  Chor  treten  die  mit 
Fialen  gekrönten  Strebepfeiler  zugleich  nach  innen  und  schliessen  Kapel- 
len zwischen  sich  ein,  über  denen  ein  ausgekragter  Laufgang  angebracht 
ist.  Die  beiden,  die  Stelle  der  Kreuzvorlagen  einnehmenden  Thürme  sind 
nach  dem  Einstürze  von  1492  schmuckvoll  wieder  gebaut.  (Laib  und 
Schwarz,  Formenlehre.  Taf.  9.) 

8«ttM  bei  Straubing.  Der  Chor  der  Marienkirche  1350-^1352,  mit 
fünfmal  abgestuften  Streben  und  schönem  Fensterwerk ;  das  Schiff  ein- 
fadier  gehalten.  (Chlingensperg,  das  Königr.  Bayern  2,  309.) 

StftdtkcHBatll  in  der  Oberpfalz.  Einfach  spätgothische  dreisdiiffige 
Kirche. 

StraiUlg  in  Niederbay.ern.  Die  Jakobskirche,  grossartiger  Hal- 
lenbau mit  Chorumgang  und  niedrigen  Kapellen  zwischen  den  Strebepfei- 
lern. Kühne  Rundpfeiler  tragen  das  1 780  eingestürzte,  aber  wieder  er- 
neuerte Gewölbe.  Ziegelbau  mit  Hausteindetails,  erbaut  im  XV.  Jahrb., 
geweiht  1512.  Der  stattliche  aus  dem  Viereck  ins  Achteck  umsetzende 
Westthurm  ist  erst  20  Jahr  später  vollendet.  —  Die  minder  grosse,  aber 
ebenso  leicht  und  schlank  erscheinende  Karm eliter kir che  ,  ein  drei- 
schiffiger  Hallenbau  mit  Rundpfeilem  aus  gleichem  Material,  geweiht  1430  ; 
der  einschiffige  Chor  scheint  bereits  um  1397  vollendet  gewesen  zu  sein. 
Auf  dem  Kirchhofe  die  zierliche  Bernauerkapelle  von  1436  und  die 
zweischiffige  Tod ten k a pel  1  e  mit  Gruft.  —  Die  Residenzkapelle, 
geweiht  1373,  mit  zierlichem  Erkerchor. 

Staltgart ^)  Die  Stiftskirche,  1436—1490,  mit  drei  fast  gleich 
breiten  und  hohen  Schiffen  und  einschiffigem  Chor.  Die  Pfeiler  von  vier- 
eckigem Kern  mit  starken  Diensten  und  Einkehlungen  tragen  reiche  Netz- 
und  Sterngewölbe,  welche  im  Chor  in  Holz  erneuert  sind»  Am  Langhause 
treten  die  Strebepfeiler  nach  innen  und  schliessen  Kapellen  zwischen  sich 
ein.  Das  »Apostelthqr«  an  der  Südseite  der  Kirche,  ein  Prachtportal  mit 
zwei  Reihen  von  Bilderhäusern,    1494.     Aus  der  Westfront  tritt  ein  oben 


1}  VergL  Heideloff,  Kunst  des  M.  A.  in  Schwaben.  I,  14—34  u.  Taf.  4—10. 


in  Bauern  und  Schwaben.  64l 

acbteckiger  Thurm  hervor,  der  nach  innen  auf  gegliederten  Pleilern  ruht- 
ein  zweiter  Thunn  an  der  »adlichen  C'hormte  iftt  im  Unterbau  noch  Toma- 
nisch.  —  Die  Leon  hard«kirch  e  (I  170 — 1474}  und  die  Spi  talklrchc 
(1471  —  ]4^%]  sind  einfache Ilallenbautcn  mit  gegliederten  achteckigen  Pfei- 
lern  und  einschifllgcm  Chor;  in  dem  nördlichen  SeitenftchifTe  der  Spital- 
kirche eine  reichgeschmtlckte  Empore  von  1479,  und  daneben  ein  1505 
vollendeter  Kreus^gang  mit  in  neuerer  Zeit  zerstörten  Gewölben. 

Sili  bei  Wiklberg.  Kirche  von  I4&fl  mit  älterem  roman.,  gothisch 
verändertem  Thurm. 

Sii]tbacli  bei  Amberg.  Kirche  mit  niedrigen  Seitenschiffen  und  eini- 
gen Kajiellen  in  Verbindung  mit  letzteren;  anscheinend  aus  dem  XIV.  und 
XV.  J a b  r li . ,  a ber  d u rch gre i t en d  v eründer t . 

Tinifhf Rreit  unweit  Eger.  CTlior  der  Kirche  mit  schönen  NeUgewöl- 
ben  von   I4b2. 

TiUinoiiJiig  in  Oberbayern.    Öpätgothische  Hallenkirche. 

Tilil  in  Oberba^'ern,  Hallenkirche  mit  polygoni sehen  Pfeilern  und 
einschitfigem  Chor,  nach  14  53;  innen  modern  verändert.  Der  Westtburm 
nnvollendet. 

Troftlberg  in  Oherbaycrn.    Hallenkirehe  von  M9S, 

Tubin^f^ll.  Die  Georgenkirche,  1470—1529;  der  filteiife  Theil 
kt  der  sieli  allein  durch  schöne  Verhältnisse  anszeiehnende  Chor;  die 
Schifte  ohne  Wöllning.  Einige  Fenster  zeigen  an  Stelle  des  Maass werke« 
figdrlicbe  Sculpturen.  —  Der  Chor  der  Spilalkirche  mit  schönem  Ge- 
wölbe, 1504  ;  das  Schiff  ist  älter, 

M«.*]  Das  Manater'^j,  von  weiträumiger  Anlage  in  oblonger  Grund- 
form ;  im  basilikalen  Langhause  (wahrscheiiUich  erst  in  Folge  späterer  An- 
ordnung) fünfschiffig,  im  iiiedrigeren  Alrarhause,  mit  unvollendeten  Ser- 
tenth firmen,  nur  einschiffig.  Die  Mittelpfeüer  von  viereckigem  Kern  sind 
an  den  Innen Heit<?n  schlicht  imd  nur  vorn  und  hinten  mit  aufsteigenden 
G u rtt rage r bündeln  versehen,  wodurch  sie  sechseckig  ersclieinen,  Ihre  Stel- 
lung ist  sü  eng,  dass  die  Arkadenbügen  sehr  steil  lanzetttßrmig  gehalten 
werden  mussten.  Die  hoben  bis  ku  den  vcrhältnissmässig  kleinen  Ober* 
lichtem  gan»  kahlen  Sargmauern  und  die  mit  wenigen  Hijipen  versehenen 
Stich  kappenge  wölbe  machen  einen  ntSchterncn  Kindruck  ;  der  Kweitherlige 
Hallenbau  der  Seitenschiffe  dagegen  mit  je  einer  Reihe  von  schlanken 
Rund  [»feilern  und  zierlichen  Sterngewölben  ist  voll  T/cbcn  und  Anmuth. 
Der  Körper  des  ausser  lieh  fast  nirgend  ganz  vollendeten  Gebäudes  ist  Back- 
stein,   mit  Hausteindetailsi.     Gan/^  von  Haustein  ist  der  leider  unvollendet 


1)  GrüneiBen,  C^  u.  Mauch,  Ed.,  Ulnxs  Kunstleben  im  M.  A.  lS4ft, — 
Hasäler,  C  D^,  lIlmR  KuastgcJ^ch.  im  M.  A.  1804.  —  Mauch,  Ed**  die Baugesch. 
der  Stadt  Ulm  und  ihres  Münsters.  l*^l)t, 

2)  Fr  ick.  E,,  Ausfahrh  Ecachreib«  d<.>3  Münster- Gebäudes  ku  Ulm.  Mit  Kpfrn. 
^Ulm  o.  J,)  1760;  in  erpfttereu  AuR^abeu  von  Ci,  Haffner,  — Thifin,  O,  C+  Ferd,, 
da«  Mtln^tor  in  Ulm,  iHhl.  —  HaRater,  C,  D.,  zur  Gesch.  der  Itirchh  UaiUtunftt  im 
M*  A.,  mit  bes,  Be/jehnng  auf  dan  Ulmer  MftUF^tcr,  Ein  Vortrag,  1*^57,  —  Deraelhe, 
der  Ulmer  Man&tcr,  im  Christi.  Kun^tbl.  1^511.  No.  9  f.  —  MiUclaltcrU  Bau  den  km, 
nUH  Schwaben  HL  Ilft.  U  iVcUüU  aus  dem  M finster.)  —  Vergl,  die  Verhandlungen^ 
Kunstblätter  u.  Veröflentlichungen  de»  VerHns  ftlr  Kun»t  u,  Alterth,  in  Ulm  u* 
O bc rut h w abt' n .  iSA'deic. 


522  Gothiflche  Kirchen 

gebliebene  gewaltige  und  glänzend  decorirte  Thurm^)  in  der  Mitte  der 
Westfront,  mit  prachtvoller  dreitheiliger  Vorhalle  zwischen  den  geglieder- 
ten Vorsprängen  der  Streben  desselben.  —  Die  Erbauungszeit  von  1377 
ununterbrochen,  aber  mit  mehrfachen  Aenderungen  des  ursprünglichen 
Planes,  bis  ,1494,  die  jetzige  Anordnung  im  Innern  der  Seitenschiffe  an- 
geblicherst  1502—1507.  Restauration  seit  1843.^  (Quaglio  ,  MerkwOrd. 
Gebäude.  I.  Bl.  6  u.  17.  —  v.  Wiebeking,  Baukunde  Taf.  2;  5  Fig. 
3  u.  9,7  Fig.  2.  —  Förster,  Denkm.  7,  37—46  u.  1  Doppeltafel.  — 
Vergl.  oben  S.  507  Fig.  227.) 

VeMei  in  Oberbayern.  Hallenkirche  mit  einschifiigem  Chor  und  aus- 
gezeichnetem Westthurm,  etwa  1450. 

VikUbwg  bei  Landshut.  Spätgothische  Hallenkirche  von  grossartigen 
Verhältnissen  mit  einschiffigem  Chor  und  hohem  Westthurm.  Abgekan- 
tete achteckige  Pfeiler  mit  wulstförmigen  Kämpfern  tragen  die  Netzge- 
wölbe. —  Die  kleine  Spitalkirche  von  1460. 

WaiUiBgCM  bei  StuUgart.  Die  äussere  Kirche,  1459 — 1489,  mit 
niedrigen  Seitenschiffen,  aber  nur  einem  Dach.  Der  Westthurm,  oben  ins 
Achteck  übertretend,  mit  spitzem  Zeltdach.  Daneben  eine  Kirchhofs- 
kap eile  mit  Gruft,  1496.  —  Die  einschiffige  Nicola ikirche,  1488. 

Wasserbirg ^)  in  Oberbayern .  Die  Frauenkirche,  1386,  eine  ba- 
silikale  Anlage^  deren  durch  den  2k)pf  entstellte  Schiffe  jetzt  unter  ein 
Dach  gebracht  sind.  Der  sich  über  die  Westfront  erhebende  Thurm  mit 
vier  EckthÜrmchen  am  Helm .  —  Die  Pfarrkirche,  begonnen  1410  als 
basilikaler  Ziegelbau  mit  nach  innen  gezogenen  Strebepfeilern ;  der  Chor 
mit  Umgang  und  der  unvollendete  Thurm  aus  Haustein,  seit  1445.  Das 
Innere  ist  1635  entstellt.  —  Die  profanirte  Michaeliskirche  mit  Gruft, 
vollendet  1508. 

Weil  der  SUii  unweit  Stuttgart.  Die  Städtkirche,  mit  Beibehaltung 
der  romanischen  Chorthürme  eines  älteren  Baues,  begonnen  1492  und  im 
Chor  1519  vollendet.  Das  jetzt  flach  gedeckte  dreischifHge  Langhaus  hat 
gewundene  Pfeiler  und  nach  innen  gezogene  Streben.  Der  mit  Eckfialen 
geschmückte,  oben  achteckige  Westthurm  bildet  unten  die  Vorhalle. 

Wfilheta  unweit  Stuttgart.  Die  Benedictinerkirche ,  1489 — 1495, 
Hallenbau  mit  achteckigen  Pfeilern,  aus  denen  die  Kippen  der  Netzgewölbe 
hervorwachsen. 

Weag  uuweit  Freising.  Zierliche  einschifilge  Gewölbekirche  mit  schmä- 
lerem Chor  und  spitzem  Westthurm,  XV.  Jahrh. 

Wisipfei  Mü  Berge.  Die  Stadtkirche,  an  deren  von  zwei  schmucklosen 
Thürmen  flankirtes  einfach  frühgothisches  Altarhaus  seit  1492  ein  aus  drei 
gleich  hohen  Schiffen  bestehendes  Langhaus  mit  Rundpfeilem  und  schweren 
Netzgewölben  angebaut  wurde. 


1)  Der  Originalplan,  herausgegeb.  von  Schmidt;  s.  oben  S.  28  Nota  L  Vergl. 
auch  bei  Moller,  Denkm.  L  Taf.  57  f.  n,  Kallenbach,  Atlas  Taf.  70. 

2)  Die  Restaurationsarbeiten  haben  im  Laufe  der  Jahre  zu  lebhafter  Polemik  ge- 
führt; veigl.  Aber  den  gegenwärtigen  Stand  derselben  das  Organ  fürchristl.  Kunst. 
1866.  S.  42  f.  106  f. 

3)  Heiserer,  Gesch.  der  Stadt  Wasserburg,  im  Oberbaier.  Archiv  für  vater- 
Und.  Gesch.  19,  251—314. 


in  Bayern  und  Schwaben.  523 

WlMipfeB  Im  TlaL  Die  Augustinerstiftskirche,  zwischen  1262  und  1278, 
basilikale  Anlage  in  der  Grundform  des  Kreuzes,  begonnen  mit  dem  von 
zwei  Nebenchören  und  zwei  unvollendeten  Thürmen  begleiteten  Altarhause 
und  im  Anschluss  an  das  System  der  französischen  Gothik  (oben  S.  471] 
fortgeführt :  die  Bundpfeiler  sind  mit  vier  alten  und  vier  jungen  Diensten 
besetzt  und  haben  Capitälkränze  von  feinem  und  leichtem  Blattwerk.  Die 
Arkadenbögen  sind  lebendig  gegliedert,  die  Wandfläche  über  ihnen  und  un- 
ter den  schmalen  zweitheiligen  .Säulenfenstern  mit  regelrechtem  Maasswerk 
im  Bogenfelde  ist  leer  und  nur  durch  ein  Gurtgesims  getheilt.  Am  ein- 
fachen Aeussem  Strebepfeiler  mit  Kreuzbedachung  und  schlichte  Strebe- 
bögen ;  allein  die  Front  des  südlichen  Kreuzarmes  ist  reicher  ausgestattet. 
Noch  ungeheuerliche  Wasserspeier.  —  Der  Kreuzgang  mit  Holzdecke, 
meist  in  strenggoth.  Formen. 


Fig.  22S.    St.  Stephan  zu  Wien  (vor  der  Ilestauration). 


Ilt.  In  den  deutsch-österreichischen  Ländern. 

Literatur:  Vgl.  die  oben  S.  363  angefahrten  Schriften  und  Kupferwerke. 
—  Schmidt,  F.,  über  Baukunst  u.  Bauwerke  in  Niederösterreich.  Ein  Vor- 
trag etc.  im  Kölner  Dombl.  von  1865.  No.  250.  —  Atz,  C,  Oberzweischiffige 
Kirchen  in  Tirol,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Comm.  (1S65).  10, 
XLVf. 


^HithiMhe  KirL'hijii  In  dtd  deuü:n:li-6hti!iTL''iL'liiM  h^ii  handerii,  525 

Vorbemerkung. 

Uli.  Da  tiir  Misrlisiil  drr  It  lj(^rgaiin:8[RrinrlM  \n  tlrii  (l{MilMch- 
ü?^t  e  i  t  iUi- li  i  sf  li  r  ü  1-jnnlfni  S.  MlUi  seilt'  hiu^ri-  ht  rnsrlu  nd  l>liolu 
SM  h  hlin  H(  i^ipiili!  tlcr  rciiH  n  imd  strengen  FriiligiJtljik  ^hii/Iil^Ii,  iiml 
für  i^^utliisriio  Vorm  tritt  in  inriir  ntU  r  weniger  bclndifii]!  (Vinlra^t  L^f- 
gt?ii  ilic  rmiiaiiUrliLii  MUclihaiihui  la.st  nur  in  ihr<:r  rrducirtni  lUi- 
<iiiiiy;>\veise  idit'.  Die  verliähiiisMiiässi^;  st.ltiTiieu  Driikiiulln  tlrs 
\IV.  Ja]iiLurL(U  its  liabrn  tlir  J  lalit  nf<3rjn,  iiiid  die  iiuisrei^ilh-^lrii 
unter  ilmtai  giui^eu  von  den  ( 'Uteri^ienserii  aus:  der  nach  dein  \  ni- 
bilde  der  Abl<nkirelie  \ou  l\>ntigny  in  NertM^nrgiind  ;r(.|d:Lnte  (  hoi 
der  Klosterklielie  i^uZvtell  in  Xiedenisicin'ieh  und  die  vaw  derrisiii 
sslensür-Abtei  Kiin  abbäiigige  Widllalirtäkirelie  zu  Slrassen^tl  in  Steicr- 
uiurk;  leti^tere  nur  in  tferin^erer  tiiiii^se  und  naeli  di-ni  altbrr^^elirai  li- 
ten  .süddenUelien  (irLindscliema  dreier  fa^t  ^^ieieh  lainreu  in  Ah^n- 
uisrhen  seid iesson den  Schilfe.  Der  anderwärts,  bestnidei:;  in  Nixden, 
SU  seirr  liäufig  Norkainniende  rnn^ang  der  SeitinselnifL^  njn  dt^n  ( 'imr- 
Kcbhis^  ist  in  diesen  südlielM'n  (iegend^Mi  äll:i>er^,l  selten;  die  nn^^lm 
Kirchen  hel'ulgen  ini  (üimdiis^e  dlt  \\  eisr  <lir  lleUciordeiu  indem 
sicli  der  Tlnn',  ein^ehitiig  luul  ^on  der  Breite  des  ^littvlsc  liilles,  iani,^ 
gestreckt  und  nnter  liesendeieju  Daelie  dein  i^eradliniu^  ireseble^se- 
nen  L;in^bause  an^ebliesst.  Uelieraus  zabh'eieh  nnd  in  i^daii/einhn 
Beispielen  i>t  die  (inthik  des  \\\  .labihnndert&  vertieten,  ;ds  deren 
j  [an[ilrt^|nHsenlsnit  der  Ste]>lninsdNtn  /u  Wien  mit  seinem  riesigen 
l*rachttburm  an  t^rstei' Stelle  zu  nenjien  ist.  Hr.annkensvvei  th  er><'lLeJnl . 
dn^ii  in  Jel/ler  Sjfatzuit.  ber^euders  Ini  kleineren  Kire]ien>  die  b  ülier 
fast  ^anz  vernaehbissi^te  basiHkale  Anbii^^e  mit  nitabnen  Sriten^ebiften 
und u  lach  an^etrofien  wird.  Naeb  \  erludtniss  biutfi^  kmmnt  aueb  iVir 
zweisebiifif*e  Ilallenlo]  in  \or,  die  sicli  zum  Theil  nnr  auf  dns  l*an^lnm*^ 
l>e^(^hrankt,  zum  Tbeil  aber  aueb  dureb  tbts  t^anze  (iebfunb^  las  zu  di m 
/weit'aelien  (liorselilnssc  erstreckt:  das  am  cünset[iR*ntesfen  durebge- 
Jubrlc  Heispiel  dieser  Gattung  ist  die  vierscbinii^e  IM'arrkiiehe  zn 
♦Sebwaz  in  'rirnl,  eine  zweien  Patrenen  gewidmete  vull^ländi^L^e  Faial 
lebDüpitelkireliü ,  deren  eine  Jlidfte  der  3Kiri;er^eliaU,  die  andere  dij- 
Bergknappscbalt  zustand,  Unter  den  s^aldreieh  Vt»i  iiandenen  ein- 
sebifflLren  Kirebcn  zciebnen  sieh  mehreie  Kartliänsii  hauten  de?^ 
XIW  Jahrhunderts  Ganiin^^  mnl  A^gsbaeli  in  Niederusl<'ri(i<  li.  St  il^ 
in  Steieiinaik  ete.  dnreh  edlc^  liebaHdhlni^^\v  ei^e,  zum  I'Ik  il  aneli 
dui'eb  lihei  nlJL^^i^e  llidie  nnd  /ierbebe 'l'hiirmrlHai  aus:  einr>  \erilieii- 
ten  Knies  erlreut  sich  be^t)nderä  die  eiiiäeldtlige  Kirebe  Maria  *Sli(  gi*ri 


52l6  OothiBche  Kirchett 

in  Wien.  —  Eine  Ausnahmestellung  in  der  Entfaltung  der  gothischen 
Baukunst  nimmt  unter  den  übrigen   deutschen  Kronländern  das  sla- 
vische  Königreich  Böhmen  ein,  wo  die  Architektur  keine  eigentliche 
Entwicklung  durchgemacht  hatte.    An  den  wenigen  Bauwerken,  die 
mit  ziemlicher  Sicherheit  dem  XIII.  Jahrhunderte  zugeschrieben  wer- 
den dürfen^  (wie  an  der  kleinen  einschiffigen  Clarissenkirche  St.  Agnes 
zu  Prag,  an  der  Ostpartie  des  Cisterzienserklosters  Hohenfurth)  erschei- 
nen neben  romanisirenden  frühgothische  Elemente;   von  dem  gross- 
artigen Cisterzienserbau  zu  Hradisch  haben  sich  nur  geringe  Reste  im 
gothisirenden  Uebergangsstil  erhalten,   darunter  ein  elegantes  Spitz- 
bogenportal, welches  zwar  in  der  Pflanzendamascirung  der  abgetrepp- 
ten   Gewände    an    das    Prachtportal    von    Tisclmowitz    in    Mähren 
(oben  S.   380)  erinnert,  aber  in  den  Details  der  zweimal  fünf  schlan- 
ken, in  der  Mitte  durch  scheibenförmig  abgeschärfte  Ringe  getheilten 
Säulchen  mit  polygonen  Basen  und  Laubcapitälen  bereits  entschiede- 
ner gothisch  erscheint.    Es  bleibt  jedoch  fraglich,  ob  diese  Ordens- 
bauten einheimischen  oder  fremden  Künstlern   ihren  Ursprung  ver- 
danken, da  der  Prager  Bischof  Johann  von  Draschitz  (1301 — 1343), 
welcher  in  seiner  Jugend  lange  am  päpstlichen  Hofe  zu  Avignon  ge- 
lebt hatte,    von  daher  zum  Bau  einer  Eibbrücke   in  Raudnitz  1333 
einen  Baumeister  kommen  liess,  der  mit  seinen  Gehilfen  zwei  Pfeiler 
und  einen  Bogen  errichtete,  dann  aber  nach  Frankreich  zurückkehrte, 
während  einheimische  Werkleute,  die  von  anderen  Fremdlingen  {ab 
aliis  advenis)  vollständig  unterwiesen  waren,  das  Werk  vollendeten. 
Diese  aUi  advenae  können  wohl  nur  Deutsche  gewesen  sein  und  er- 
scheinen als  die  eigentlichen  Lehrmeister   der  Böhmen:   wenigstens 
deuten  die  unter  demselben  kunstliebenden  Bischöfe   entstandenen 
Kirchenbauten  (die  1330  beendete  Augustinerkirche  in  Raudnitz  nebst 
Kreuzgang)  nur  auf  deutsche  Schule  hin.    Das   frühgothische  Lang- 
haus der  Bartholomäikirche  in  Kolin  hat  die  specifisch  deutsche  Hal- 
lenform, der  1292  gegründete  Chor  der  Erzdechanteikirche  zu  Pilsen 
ist  unter  dem  Einflüsse  des  deutschen  Ordens  entstanden  und  die  De- 
chanteikirche  zu  Nim  bürg,  gegründet  1282,  sowie  der  Dom  zu  König- 
grätz,  gegründet  1302,  bekunden  schon  durch  das  Material  (Ziegel  mit 
Hausteindetails)  ihre  Verwandtschaft  mit  süddeutscher  Weise.    In  der 
zweiten  Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts  gab  Kaiser  Karl  IV.  (1346  bis 
1378]  durch  Herbeiziehung  französischer  und  süddeutscher  Baumeister 
zu  dem  Prager  Dombau  der  Gothik  in  Böhmen  einen  glänzenden  Auf- 
schwung und  eine  bestimmte  Richtung   (die  Neigung  zu  überraschen- 
den Wirkungen  durch  ungewöhnliche  Bildungen  bei  einer  besonde- 


in  den  deutsch-Östeireichischen  Lflndern.  ^2^ 

ren  Magerkeit  der  Details),  welche  die  nunmehr  hervortretende  na- 

üuiial-böh mische  Schule  mit  cliLiraktens tisch  eigener  Behandlung  ver- 
folgte. 

VergL  Schnaase.  Kunat^escb.  6,  3fJ7— 32^.  —  Kugler,  GeBeli.  der 
^  Baukunst    :) »    274— 2  Tu;    M^—'S'll.  —    Lübku,    GeÄCh,    d^t  Archit(!ktur, 

3;  Aufl.  S-  h\S  ff,  —  Urueber,  in  den  MittheiL  der  k»  k.  Central-Comnüs- 
,     Äion  etc.  (»S5li;.  I,  IVÄ-lTli  241— 2 4H, 

.iggübicb  uinveit  Melk  (Kr.  üb  dem  W.  W.).  Einschiffige  Kirche  der 
l.'^SO  gcsttifteten  Kartliause.  Die  GurUrägcr  sind  im  VorderHchiff  voTge- 
kiagt,  im  Chor  herablaufend;  die  Fenstt;r  xvveilheilfg  mit  einfachem  MaasN- 
wcrk. 

Aller  Heiligen  Kapelle  an  der  Mnr,  sohrägilber  von  Brück,  in  der 
Grundform  eines  ^leith.'^jeitif^ren  Dreiecks*  dessen  Ecken  Jibij^eschniften  ninU  ; 
1497.  Im  Innern  bildet  sich  durch  Anordnung  von  drei  breileii  Spilzhögeii 
ein  Sechseck,  welches  mit  einem  Hterngewölbe  bedeckt  ist.  Die  in  den 
Winkeln  de*^  Dreieck k  bofindlifhen  trnpcztörmij^en  Küume  Nind  hHlbkup- 
pelartig  überwOlbt  nnd  dienttm  mir  Aufnahme  von  Altüren*  Das  Kirchlein 
ist  seit  lange  Wirthi^haus.  [Petschnig,  in  den  Miltheil.  etc.  10^  MM  f. 
Fig.   1-3.1 

Anihach  unweit  St.  Polten  (Kr,  ob  dem  W.  W.]-  Kirche  von  ba^ilika- 
ler  Anlage  mit  acht  eck  igen  Preüern  und  Netr.ge  wölben  von  14  IM  ;  die  drei 
Schiffe  liegen  unter  einem  «ehr  hohen  und  ätoiien  Dache.  Der  t'hor  er^ 
Hcheint  etwas  älter.  Ostwärts  von  der  Kirche  eine  einschiffige  S|jäfgolhi8che 
Gnibkapcllc  mit  Gruft, 

Ar4la|;;|fT  (Kr.  ob  d.W.).  Der  Chor  der  Collegiatkirche  mit  übereck 
stehenden  Strebepfeilern  und  rohen  Strcbebdgen^  etwa  aus  dem  XIV.  Jahr- 
hundert.   Kreu/gang  um  14  10, 

iriiiiJDrfj  gegenüber  Spitz  a.  d.  Donau.  Kirche  aus  dem  XIV.  oder 
XV.  Jahrh*  mit  niedrigeren  Seitenschiffen,  viereckigem  Wentthurm  und 
zopfigem  Chor ;  restaurirt  IS 59, 

AlÄSee')  bei  Hallstadt  in  Steiermark.  Grosse  f^patgothiscbc  Pfarr- 
kirche mit  nur  einem  niedrigeren  Scilensthiff.  .  An  den  Mtarkei^  vicreiki- 
gcn  Pfeilern  der  breiten  Arkadcnbögen  runde  Dienste  ohne  Capitflle,  al.«* 
Trager  der  Netzgewölbe.  —  Spätgolhisth  sind  auch  die  einsehiffigc  S^ii' 
t  a  1  k  i  r  c  [i  e  und  die  F  i  j  I  a  1  k  i  r  c  h  e . 

Baden  unweit  Wien,  Pfarrkirche  aus  dem  X V.  Jahrh . ,  mit  etwas 
höherem  MlttekchifT.  Die  Pfeiler  unten  vier-,  oben  achteckig;  die  Fenwler 
mit  schönem  Maasswerk.  —  Der  Kreu/.gang  des  A ugus t  inerklost er?i, 
XV.  Jahrh ,  — -  Die  M a g  d a l e  n  e  n  k  a  p e  1 1  e  ,  spHtgothisch , 

Bärnerk  im  Murthale,  unweit Eruck,  Die  Frauenkirche'-^),  ein  Hallen- 
hau von    14ij|    mit  achteckigen  Pfeilern  und  einem  flach  rechteckigen ,  mit 


1)  Sacken,  Ed.  v.,  Bnudenkm.  in  Au^ee,  in  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central 
Commusioa  (Isfjüj  1,  <i:j  f. 

2)  Seheiget ,  J,,  di^ä  K.  zu  Bürneck  In  SteicTm,,  a,  a.  ü,  (l^i5T)  2,  l(il  f.  U.  Taf*  Öp 

34* 


528  Gothische  Kirchen 

vier  Walmen  gedeckten  Thurm  vor  der  Mitte  der  Westseite,  dessen  Unter- 
bau die  Vorhalle  büdet  vor  dem  reich  geschmückten  Portal. 

Beneschai  (Kr.  Tabor).  Die  Decanatkirche,  deren  Chor  der 
zweiten  Hälfte  des  XIII.  Jahrh.  zugeschrieben  wird;  das  höchst  einfache 
dreischiffige  Langhaus  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XVI.  Jahrh.  —  Geringe 
Keste  der  1420  zerstörten  Minoritenkirche. 

BerchtoMsdvrf  bei  Mödling  in  Niederösterreich.  Die  spätgothische 
Pfarrkirche,  Hallenbau  mit  gegliederten  achteckigen  Pfeilern,  Emporen  in 
den  Seitenschiffen  und  Sterngewölben ;  der  ältere  und  niedrigere  Chor  ist 
dreifach  polygon  geschlossen  und  hat  einfache  Kreuzgewölbe.  Schönes 
Fenstermaasswerk.    Der  Thurm  steht  isolirt. 

Blatna  unweit  Pisek  (Kr.  Prachin).  Das  Langhaus  der  Dechantei- 
kirche,  ein  spätestgothischer,  grösstentheils  erst  dem  XVIL  Jahrh.  ange- 
höriger  zweischiffiger  Hallenbau  aus  Granit  mit  drei  Rundpfeilern  und 
einer  Art  von  Zellengewölbe ;  der  viel  schmälere  einschiffige  Chor  mit 
Rautengewölben  um  1530.  (Grueber,  in  den  Mittheil.  etc.  1,  244  und 
Fig.  44—46.) 

Bockstall  (Kr.  ob  dem  Manhartsb.) .  Die  Pfarrkirche,  ein  in  zwei 
Schiffe  getheiltes  Quadrat  mit  reich  gegliederten  Pfeilern,  westlichem  Orgel - 
chor  und  Thurm  an  der  Südseite;  XV.  Jahrh.  —  Ruine  der  ausserhalb 
des  Fleckens  belegenen  spätgothischen  Annakirche:  ein  dreischiffiger 
Hallenbau  mit  zwei  Chören ,  von  denen  der  Hauptchor  sich  gegen  das 
nördliche  Seitenschiff  und  das  Mittelschiff  Öffnet,  der  Nebenchor  nur  gegen 
das  südliche  Seitenschiff. 

Bitten.  *)  Die  vielfach  entstellte  und  als  Magazin  benutzte  Dominica- 
nerkirche, ein  (wegen  localer  Bedingnisse)  von  Norden  nach  Süden  ge- 
richteter ,  spätgothischer ,  dreischififiger  Hallenbau  mit  achteckigen  Back- 
steinpfeilern und  Netzgewölben;  im  Mittelfenster  des  einschiffigen  Chores 
noch  schönes  Maasswerk  (Messmer,  in  den  Mittheil.  etc.  2,  97  Fig.  3). 
Ein  einfacher  Kreuzgang.  — Die  Franciscanerkirche,  ebenfalls  ein 
spätgothischer  Hallenbau  mit  schmalen  Seitenschiffen,  schlanken  acht- 
eckigen Pfeilern  und  Netzgewölben;  der  ältere  einschiffige  Chor,  geweiht 
1348.  Am  Kreuzgange  etc.  mehrere  Kapellen  aus  dem  XIV.  Jahrh.  — 
Ueber  die  Pfarrkirche  u.  1.  Fr.  s.  oben  S.  368. 

Brauiai  am  Inn.  Die  Stephanskirche ^),  dreischiflfiger  Hallenbau 
aus  Ziegeln  mit  Hausteindetails,  gegr.  1441,  geweiht  1466;  das  etwas 
höhere  Schiff  nach  einem  Einsturz  von  1485  im  folgenden  Jahre  hergestellt. 
Die  nach  innen  gezogenen  Strebepfeiler  des  I^anghauses  bilden  Kapellen- 
reihen. Im  nördlichen  Winkel  zwischen  dem  Abschluss  des  Seitenschiffes 
und  dem  einschiffigen  Chore  erhebt  sich  ein  stattlicher ,  in  der  oberen 
Hälfte  achteckiger  Thurm.  Die  Pfeiler  sind  an  den  Capitälen  mit  Ausschluss 
beinahe  jeglichen  Laubwerkes  mit  Apostel-  und  Heiligenbildern  geschmückt. 
—  Die  Spitalkirche  von  1417. 


1)  Vergl.  oben  8.  367  Nota  1 ;  368  Nota  1  u.  2. 

2)  Die  Stephansk.  zu  Braunau,  in  den  Mittheil,  der  Central-Commission  (1S63)S, 
81  f. 


in  den  deutsch- österreichischen  Ländern.  529 

Breitenil  bei  Brück  a.  d.  Mur.  Die  einschiffige  Erhardskirche 
von  guten  Verhältnissen.  —  Der  spätgoth.  Chor  der  zopfigen  Jacobi- 
kirche.  —  Vergl.  auch  die  nahegelegene  Kap.  Aller  Heiligen,  oben 
8.  527. 

Bl^nherg  bei  Thernberg  in  Niederöst.  Der  schön  gewölbte  Chor  der 
Kirche,  XV.  Jahrh. 

Irvek  a.  d.  Mur.  Ausser  der  1301  gegründeten  einschiffigen  Mino- 
ritenkirche  noch  einige  andere  dem  XV.  Jahrh.  angehörige,  ebenfalls 
nur  einschiffige  Kirchen:  Die  Pfarrkirche  am  hohen  Markt  1464 
(Kunstdenkm.  des  Österreich.  Kaiserstaates  l,  148  u.  150),  die  Spital- 
kirche,  die  Qeorgkirche  am  Pöglhof .  —  Die  Ruprechtskirche 
( an  der  Strasse  nach  Leoben )  rührt  aus  verschiedenen  Zeiten  her :  das 
Langhaus  besteht  aus  zwei  durch  eine  mittlere  Reihe  achteckiger  Pfeiler 
getrennten,  mit  Kreuzgewölben  überspannten,  gleich  hohen  Schiffen,  von 
denen  das  nördliche  polygonisch  schliesst,  während  das  südliche  auf  einen 
quadratischen  roman.  Thurm  stösst,  der  den  Durchgang  bildet  nach  dem 
einschiffigen,  sternartig  eingewölbten  spätgothischen  Chor.  Südlich  an  dem 
Thurme  und  am  Östlichsten  Joche  des  Südschiffcs  sind  noch  zwei  quadrati- 
sche Kapellen,  die  äusserlich  gleiche  Flucht  halten  und,  wie  das  ganze 
Langhaus,  der  Strebepfeiler  entbehren.  (A.  a.  O.  S.  149.  —  Petsch- 
n ig,  in  den  Mittheil.  etc.  10,  193.  Fig.  4.) 

Bram  bei  W.  Neustadt.  Kirche  von  1519  mit  niedrigen  Abseiten  und 
zusammengesetzten  Kreuzgewölben.  Der  oben  achteckige  Thurm  am  Ende 
des  Schiffes  ruht  auf  vier  Pfeilern.    Schöne  Eingangshalle  an  der  Südseite. 

BrUBll.  Die  Augustiner-  (ursprünglich  Cist er zienser-)  Kir- 
che^), Ziegelbau  mit  Sandsteindetails,  begonnen  1323,  nach  dem  Hussi- 
tenbrande  von  1466  stark  restaurirt  und  später  im  Innern  vielfach  entstellt. 
An  das  nur  an  der  Südseite  mit  einem  niedrigen  (vermauerten)  Seiten- 
schiffe versehene  Langhaus  schliesst  sich  ein  weit  ausladendes  Querhaus, 
jenseits  dessen  sich  das  Langhaus  in  einem  dreischiffigen  Joche  fortsetzt. 
Hierauf  folgt  ein  zweites  schmäleres,  minder  weit  ausladendes  und  niedri- 
geres Querhaus,  das  nach  Nord  und  Süd  polygonisch  abgeschlossen  ist, 
und  dessen  rechteckige  Vierung  in  einen  kurzen  Langchor  mit  gleichfalls 
polygonem  Schluss  überführt.  Die  Schiffpfeiler  sind  in  rechtwinkeligen  Ab- 
sätzen mit  Eckkehlen  gebildet  und  pflanzen  diese  Gliederung  an  den  Arka- 
denbögen  fort.  Die  einfachen  Kreuzgewölbe  ruhen  überall  nur  auf  Conso- 
len^  Die  grossen  Fenster  der  Ostpartie  sind  mit  reichem  Maasswerk  aus- 
gestattet. An  die  Nordseite  des  Schiffes  stösst  ein  gänzlich  verbauter  Kreuz- 
gang. —  Die  Jacob ikir che,  Hallenbau  mit  Chorumgang,  begonnen 
1314;  das  nördl.  Seitenschiff  1502.  Schlanke  Bündelpfeiler  mit  schlich- 
ten Capitälen  ;  ein  hoher  Thurm.  —  Die  Pe  tri  kirche  ,  Hallcnbau  mit 
niedrigem  Thurm  an  der  nördl.  Langseite;  Brandschäden  im  XVII.  Jahrh. 

Broi  unweit  Saatz.  Die  Dechante  ikir  che  ,  Hallenbau  mit  Chor- 
umgang, 1522 — 1594;  Gemisch  von  gothischen  und  Renaissence-Formen. 


1)  Essenwein,  A.,  die  K.  der  P.  P.  Augustiner  in  Brunn.    (Das  Königinskl. 
in  Altbrünn),  a.  s.  O.  (1862)  7,  11—21  u.  Taf.  1. 


530  Gothische  Kirchen 

Die  Rippen  der  labyrinthischen  Gewölbe  entwickeln  sicji  aus  den  polygo- 
nen  Pfeilern.  Zwischen  den  nach  innen  gezogenen  Strebepfeilern  niedrige 
Kapellen  und  darüber  Emporen.  —  Die  Spital kir che  zum  h.  Geist, 
XIV.  Jahrh. 

Bviiweis.  Die  Piaristenkirche,  Hallenbau  aus  dem  XV .  Jahrh . 
mit  einschiffigem  Chor ;  doch  ist  nur  letzterer  in  ursprünglicher  Weise  er- 
halten und  an  den  Wandpfeilem  besonders  schöne  Capitäle.  Das  Lang- 
haus (von  gleicher  Anordnung  und  Grösse  mit  der  Kirche  zu  Krumau)  ist 
im  obern  Theil  im  Renaissancestil  umgebaut. 

Chriilill  in  Böhmen.  Die  doppelthürmige  Dechanteikirche  aus 
dem  XIV.  Jahrh.  —  Die  Katharinen^irche  mit  ihren  malerischen 
drei  Thurmspitzen  wurde  1850  durch  Brand  zerstört  und  wird  jetzt  re- 
staurirt.  , 

Cilli  in  Steierm.  Die  Stadtkirche  von  spfttgothischer  basilikaler 
Anlage  mit  einschiffigem  Chor ;  im  Schiff  später  verändert.  An  der  Ost- 
seite des  nördlichen  Seitenschiffes  ist  die  einschiffige,  dreiseitig  geschlos- 
sene MuttergotteskapelLe  angebaut,  deren  Gewölberippen  über  zier- 
lichen Bildhäusern  mit  reichen  Baldachinen  aufsetzen ;  ausserdem  sind  im 
Altarraume  zwei  höchst  schmuckreich  behandelte  Wandnischen  angebracht. 
(Haas,  im  Jahrbuche  der  Central-Commiss.  2,  223.  —  Petschnig, 
in  den  Mittheil.  etc.  10,  202.)  —  Die  Übrigen  Kirchen  sind  durch  Reno- 
virungen  entstellt. 

CiasUl  bei  Kuttenberg.  Spätgoth.  Dechanteikirche  mit  dem  angeb- 
lich höchsten  Thurme  in  Böhmen. 

lestseb-Altenlllirg.  Vergl.  oben  S.  368.  Der  Chor  der  Johanniskirche 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  XIV.  Jahrh.,  ein  edler  Bau  mit  reichen  Strebe- 
pfeilern, deren  Fialenkrönungen  verstümmelt  sind.  Der  Thurm  voi:  der 
Westseite  hat  einen  achteckigen  Oberbau  mit  einfachem,  von  Giebeln  um- 
gebenem Steinhelm. 

lietMamis  bei  Weitra  (Kr.  ob  d.  Manhartsb.).  Spätgoth.  zweischiffige 
Kirche  mit  zwei  Pfeilern  und  Netzgewölben. 

•roseHli^rf  (Kr.  ob  d.  Manhartsb.).  Die  spätgoth.  basilikalc  Obere 
Pfarrkirche  mit  einfach  viereckigen  Pfeilern.  Die  Gewölbe  werden  von 
Consolen  getragen.  Durch  Brand  1846  beschädigt  und  stark  erneuert. 
Noch  mehr  renovirt  ist  die  ebenfalls  dreischiffige  Altstädter  Kirche. 

lomsteiH  (Kr.  ob  d.  Manhartsb.).  Ruine  der  1289  gestifteten  Cla- 
rissenkirche  :  ein  sehr  schlanker  dreischiffiger  frühgoth.  Hallenbau  jnit 
einschiffigem  und  niedrigem  Chor. ') 

Eillitz  bei  Glocknitz  in  Niederöst.  Zweischifilge  spätgoth.  Kirche  mit 
einem  achteckigen  Mittelpfeiler ;  der  oben  achteckige  Thurm  steht  an  der 
Nordseite  des  schmäleren  Chores. 

Egcr.  Dechanteikirche^:  der  frühgothische  Chor,  nach  einem 
Brande  von   1270;   das  spätgoth.  Langhaus,   ein  dreischiffiger  Hallenbau 


1}  Biölsky,  W.,  in  den  Berichten  und  Mittheil,  des  Alterth  ums  vereine«  zu 
Wien  3,  163  ff. 

2)  Grueber,  Bemh.,  in  den  Mittheil.  der  Central-Commission  (1857)  2,  193. 


in  den  deutoch-dsterreichischen  Ländern.  53 1 

mit  Rundpfeilern  und  ohne  äussere  Streben,  vollendet  14.50.  (Convers.- 
Lex.  für  bild.  Kunst  3,  359.) 

EggenbvgJ)  DieFranciscanerkirche  1460—1466,  —Die  Ste- 
phanskirche, Hallenbau  von  1485  mit  einschiffigem  Chor,  dessen  Fen- 
ster sehr  reiches  Maasswerk  zeigen. 

Eiseseri  unweit  Leoben  in  Steierm.  Die  einschiffige,  von  Thürmeif 
umgebene  Oswaldskirche  mit  Westthurm  und  befestigtem  Zugang,  1506. 

Ennemlvrf  bei  Melk.  Spätgoth.  Kirdie  mit  niedrigen  Seitenschiffen 
und  achteckigen  Pfeilern  :   der  Chor  viel  höher. 

VeMkirch  in  Vorarlb.  Zweischiffige  Pfarrkirche  (nach  1478),  an  deren 
durch  fünf  Rundpfeiler  getheilte  Doppelhalle  nördlich  noch  eine  Abseite 
mit  dem  Glockenthurme  am  Ostende,  östlich  ein  rechteckiges  Altarhaus 
mit  niedrigen  Seitenschiffen  sich  in  gleicher  Breite  anschliesst ;  sämmtliche 
Räume  mit  zierlichen  Rautengewölben.  (Atz,  in  den  Mittheil.  etc.  10, 
XLVL  Fig.  2.) 

Nkisd^rf  bei  Judenburg.  Niedrige  einfache  Pfarrkirche  mit  schmale- 
rem Chor  und  dem  zwischen  Schiff  und  Chor  den  Durchgang  bildenden 
Thurm ;  im  ersleren  ruhen  die  Gewölberippen  auf  Wanddiensten,  im  letz- 
teren auf  Consolen.  Renovirt. 

VrtlieBlierg  bei  Kapfenberg  in  Steierm.  Spätgoth.  Wallfahrtskirche, 
Hallenbau  mit  gegliederten  Pfeilern:  der  Chor  mit  eingezogenen  Streben. 

Pnmeilivrf  bei  Unzmarkt  in  Steierm.  Die  einschiffige  Jacobikirche 
von  1434  ;  an  das  in  der  Tonne  Überwölbte  Schiff  schliesst  sich  ein  quer- 
hausartiger Raum,  und  an  diesen  der  mit  einer  Gruft  versehene  Chor. 

Vriedberg  in  Steierm.  Zweischiffige  spätgoth.  Pfarrkirche  mit  drei  Pfei- 
lern ;  der  einschiffige  Chor  mit  Rautengewölben. 

Vriesack. '^)  Der  gestreckte  Chor  der  Dominicanerkirche  in  früh- 
goth.  Formen,  etwa  gegen  1300.  Die  aus  Halbsäulcn  mit  schlichten  Rund- 
capitälen  bestehende  Dieustgliederung  reicht  im  Polygonschluss  bis  zum 
Fussboden  und  wird  an  den  Langwänden  von  Bestienconsolen  getragen; 
die  Fenster  sind  dort  zweitheilig,  hier  ohne  Maasswerk.  An  der  Nordseite 
liegt  die  wenig  jüngere  Sacristei,  in  Form  einer  einschiffigen  Kapelle  mit 
schmälerem  Chor.  Die  an  den  modernen  Kreuzgang  stossende  Wand  des 
Capitelsaales  mit  zwei  dreitheiligen  Säulenfenstern,  romanisirend  friihgo- 
thisch.  (Essenwein  in  den  Mittheil.  etc.  8,  198—203  u.  Fig.  29—38. 
—  Herrinann  a.  a,  O.  S,  27  f.  u.  Taf.  8.)  —  Der  Chor  der  Pfarr- 
kirche, dessen  Wanddienste  in  Consolen  enden,  XIV.  Jahrb.;  das  alte 
basilikale  Langhaus  wurde  im  XV.  Jahrh.  in  einen  Gewölbebau  verwan- 
delt und  später  entstellt.  (Essenwein  a.  a.  O.  S.  190 — 194  u.Fig.  15— 
20.)  —  Die  östliche  Hälfte  der  einschiffigen  Seminarkirche,  sehr  ein- 
fach, aus  dem  XIV.  Jahrh.  (Ebend.  S.  194—196  u.Fig.  24.)—  Die  Chor- 
ruine der  Virgiliuskirche  mit  Gurtträgem,  die  auf  Bestienconsolen 
ruhen;   XIV.  Jahrh.  (Ebend.  S.  196  f.  u.  Fig.  26—28.  —   Herrmann 


1)  Sacken,  Ed.  v.,  die  Kunstdenkm.  des  M.  A.  zu  Maria- Laach  u.  Bggen- 
burg  in  Unteröst.,  in  Quellen  und  Forsch,  zur  vaterländ.  Gesch.  1849.  S.  2S3— 312. 

2)  Vergl.  oben  8.  369  Nota  2.  —  Herrmann,  IL,  Friesach  in  Kftrnthen,  in 
Oesterr.  Kiiehl.  Kunstdenkm.,  herausgegeben  von  Springer  u.  v.  Waldheim. 
Lief.  3—6. 


532  Gothische  Kirchen 

a.  a.  O.  Beiblatt  2.)  —  Die  dreischifFige  Deutsch ordenskirche  aus 
dem  XIV.  Jahrb.,  verzopft. 

Üairach  bei  Lichtenwald  in  Untcrstcierm.  Die  einachiffige  Kirche  der 
1208  gegr.  Karthause«  urspranglich  romanisch,  aber  später  gothisch  ge- 
wölbt mit  unprofilirtcn  Kippen ,  bemerkcnswerth  durch  den  achteckigen 
Dachthurm  in  edel  gothischen  Formen.  (Petschnig^  in  den  Mittheil, 
etc.  10,  199  Fig.  13.) 

fiaishvni  bei  Rottenmann  in  Steicrm.  Die  zweischifHge  Dreiialtigkeits- 
kirche  mit  zwei  verschieden  gebildeten  Pfeilern  und  mit  StemgewOlben. 
Der  Westthurm  ist  oben  achteckig.  —  Die  einschiffige  spätgoth.  Virgi- 
liuskirche. 

fianing  (Kr.  ob  d.  Walde).  Ruine  der  Dreifaltigkeitskirche 
1451.  —  Einschiffige  Kart h aus erki r che  von  1342,  übermftssig  hoch 
(100'  bei  29'  Breite)  und  deshalb  mit  zwei  Reihen  (verzopfter)  Fenster; 
die  auf  gegliederten  Diensten  ruhenden  Gewölbe  ebenfalls  verzopft.  Ein 
zierliches  Dachthürmchen  von  Stein,  ähnlich  wie  in  Gairach.  An  jeder  Seite 
der  profanirten  Kirche  eine  zweistöckige  polygon  schliessende  Kapelle.  Der 
Kreuzgang,  vollendet  1358,  nur  in  Ueberresten  erhalten,  (v.  Sacken,  im 
Jahrbuch  der  Central-Comm.  1857.  S.  140—142).  —  Die  Pfarrkirche, 
geweiht  1510. 

fiang  bei  Kuttenberg.  Die  einschiffige  Laurentiuskirche  mit  flach  ge- 
decktem ,  sehr  breitem  Langhause,  schmälerem  überwölbtem  Chor  unli 
Westthurm;  aus  verschiedenen  Zeiten.  (Grueber,  in  den  Mittheil.  etc. 
6,  313.) 

toja«  bei  Krumau.  Zierliche  zweischiffige  Marienkirche. 

CdldeBkr^n  bei  Krumau.  Die  jetzige  Pfarrkirche  (ursprünglich  Kirche 
des  1260  gestifteten Cisterzienserkl.),  basilikal  und  in  Kreuzform,  anschei- 
nend frühgothisch,  aber  besonders  in  dem  aus  dem  Zwölfeck  geschlossenen 
Chore  gründlich  verzopft.  Im  Langhause  »einfach  gegliederte«  Pfeiler,  em- 
porsteigende Halbsäulendienste  und  paarweise  gestellte  schmale.  Ober- 
lichter;  Reste  des  Kreuzganges,  Capitelsaal  und  Abtszimmer. 

Msg  bei  Leoben  in  Steierm.  Dreischiffige  Benedictinernonnenkirche 
aus  dem  XYL  Jahrb.  mit  älterem  einschiffigem  Chor.  Im  Langhause  (mit 
Nonnenchor)  sind  die  Pfeiler  des  verschlungenen  Netzgewölbes  zum  Theil 
spiralförmig  gewunden. 

döttwcih  (Kr.  ob  d.  Walde).  Chor  und  Krypta  der  Klosterkirche  um 
1420.  Die  zweischiffigc  Krypta  mit  achteckigen  Marmorsäulen  und  Netz- 
gewölben. 

Crafeniidrf  bei  St.  Polten  (Kr.  ob  d.  Walde).  Spätgoth.  Kirche  mit 
niederen  Seitenschiffen.  Viereckige  abgekantete  Pfeiler.  Netzgewölbe  über 
Consolen. 

firatl.  Der  basilikale  Dom  mit  schmälerem  Chor  1450.  Reiche  Netz- 
gewölbe. —  Die  Franciscanerkirche,  einfach  spätgoth .  Uallenbau 
mit  etwas  höherem  Mittelschiff,  in  welchem  achteckige  Pfeiler  die  Rauten- 
wölbitng  tragen ;  der  Chor  ist  älter.  —  Die  Leechkirche*)  der  Deutsch- 


1}  Sc^(eiger},  die  goth.  Leechkirche  in  Gratz,   in  den  Mittheil,  der  k.  k. 
Centr.-Comin.  ( l«59)  4,  1S2  -185.  218-220. 


in  den  deutsch-österreichischen  Ländern.  533 

ordens-Commende ,  angeblich  von  1 283  ,  einschifFig  mit  zwei  einfachen 
Westthürmchen,  die  ein  tiefeingehendes  schlankes  Portal  zwischen  sich  ein- 
schliessen,  welches  mit  einem  steilen  Gesimsgiebel  eingerahmt  ist.  Die 
birnförmigen  QewOlbegurte  nihen  auf  gegliederten  Wandpfeil6m  hiit  Laub- 
capitälen;  die  Fenster  haben  edeles  Maasswerk.  —  Die  Pfarrkirche 
um  1466,  mit  niederen  Seitenschiffen  und  achteckigen  Pfeilern,  die,  mit 
zierlichen  Capitälen  versehen,  die  Netzgewölbe  tragen.  —  Die  einschifiige 
spätgoth.  Spitalkirche. 

firesten  unweit  Ips  (Kr.  ob  d.  Walde).  Die  basilikale  Nicolaikirche 
von  1 482  mit  achteckigen  Pfeilern  und  Netzgewölben. 

fir^Vth  bei  Neumarkt  in  Steierm.  Einschiiiige  spätgoth.  Martinskirche, 
mit  Thurm  zwischen  Chor  und  Schiff. 

firiet  bei  Botzen.  Einschiffige  Pfarrkirche:  im  Chore  von  1411  Gurt- 
träger mit  Laubcapitälen,  schöne  Baldachine  und  Consolen;  das  gleich  breite 
Schiff  ist  später  und  hat  runde  capitällose  Dienste.  Dem  Chore  ist  südlich 
die  reich  ausgestattete  Muttergotteskapelle  (mit  Gruft)  1529  angebaut  und 
1539  die  offene  Halle  vor  dem  Portal  der  Südseite.  Ein  Thurm  mit  hohem 
Steinhelm,  Übel  restaurirt  1848. 

firMS  l«biiiHg  bei  Knittelfeld.  Die  mit  Ausnahme  des  »im  Dreieck« 
geschlossenen  Chores  stark  renovirte  Kirche  zeigt  dünne  gekuppelte  Wand- 
säulen als  Dienste  der  birnförmigen  Rippen  des  Sterngewölbes  und  ein- 
faches Fenstermaasswerk ;  das  Langhaus  hat  noch  eine  durch  zwei  Pfeiler- 
arkaden getrennte  nördliche  Nebenhalle  mit  besonderem  Chorschluss.  Der 
Thurm  steht  an  einer  Langseite. 

Cress  Pechlan  (Kr.  ob  d.  Walde).  Die  nach  einem  Brande  von  1766, 
besonders  im  Langhause  zopfig  erneuerte  Kirche  von  1496;  der  jetzt 
dieselbe  nicht  übersteigende  ältere  Thurm  steht  über  dem  Ostende  des 
nördlichen  Seitenschiffes.  —  Grabkapelle  S.  Joh.  Bapt.,  polygon  ge- 
schlossen, vom  Anfang  des  XV.  Jahrh. 

Mabwg  unweit  Völkermarkt.  Zweistöckige,  dreiseitig  geschlossene 
Burgkapelle.*)    Vergl.  oben  S.  20. 

lalbladt  in  OberÖst.  Spätgoth.  zweischiffige  Kirche  mit  nackten  Rund- 
säulen und  Sterngewölben.  Der  Nordseite  schliesst  sich  eine  rechteckige 
Kapelle  an,  die  sich  in  zwei  Spitzbögen  nach  dem  Innern  öffnet.  Durch 
den  an  der  Südseite  stehenden  Thurm  führt  ein  Portal  aus  rothem  Marmor 
von  1519. 

leiligflkltt  bei  Weiten  (Kr.  ob  d.  Manhartsb.}.  Hallenkirche  von 
1494 ;  die  Rippen  der  Netzgewölbe  entspringen  aus  den  schlanken  sechs- 
eckigen Pfeilern. 

■•Iieilfiiltll  bei  Rosenberg.  Cisterzienserkirche ,  geweiht  1259;  ein 
kreuzförmiger  Hallenbau  aus  Granit  mit  flachem,  im  halben  Achteck  ge- 
schlossenem Chor  und  je  zwei  quadratischen  Kapellen  an  der  Ostseite  des 
Querschiffes,  von  denen  die  beiden  inneren  gerade,  die  beiden  äusseren  in 
einem  spitzen  Winkel  schliessen :  in  diesen  östlichen  Theilen  ruhen  die 


1)  Moxo,  Max  V.,  die  Dopp«lcapelle  und  der  Thurm  auf  der  Ruine  Orünburg 
in  Kämthen,  a.  a.  O.  ( 1S57.}  2,  327  f. 


534  Gothische  Kirchen 

einfachen  Kreuzgewölbe  meist  auf  Laubconsolen  und  die  breiten  GurtbOgen 
auf  Halbsäulen  oder  Bündeldiensten :  die  hohen  zweitheiligen  Fenster  zei- 
gen frühgothisches  Maasswerk  und  erinnern  an  die  der  Ste.  Chapelle  in  Pa- 
ris, doch  fehlen  den  Rundstäben  die  Capitälchen.  Das  entschieden  jüngere 
Langhaus  hat  achteckige  Pfeiler,  die  in  ihrem  oberen  Theile  die  Kreuzform 
annehmen,  und  die  Westfront  schmückt  ein  sechstheiliges  Prachtfenster. 
Die  südlich  neben  dem  Chor  befindliche,  im  halben  Achteck  schliessende 
Sacristei  ist  ebenfalls  frühgothisch,  mit  romanisirenden  Elementen  an  der 
in  die  Kirche  führenden  Thür  ( £ckblattbasen  und  Knospencapitäle ) ,  und 
der  südlich  anstossende  quadratische  Capitelsaal  zeig^  in  der  Mitte  eine 
achtfache  Bündelsäule  mit  frühgothischem  Laubcapitäl ,  von  welchem  die 
Rippen  des  eigen thümlich  muldenförmigen  Gewölbes  ausgehen,  um  an  den 
Wänden  von  Bestienconsolen  aufgenommen  zu  werden.  Die  Ostwand  hat 
eine  achttheilige  Fensterrose.  Der  Kreuzgang  lässt  nur  noch  im  nördlichen 
Flügel  die  ursprünglichen  Formen  aus  dem  XIV.  Jahrh.  erkennen.  Re- 
staurirt  1858.*) 

■•liera  bei  Gr.  Pechlam  (Kr.  ob  d.  W.) .  Die  Nicolaikapelle,  angeblich 
nur  der  dem  XV.  Jahrh.  angehörige  Chor  einer  beabsichtigten,  aber  nicht 
zur  Ausführung  gekommenen  Kreuzkirche ;  statt  derselben  scfaliessen  sich 
nur  zwei  fiachgedeckte  Anbauten  aus  neuerer  Zeit  an.  ^) 

Idraibchjdwiti  unweit  Nepomuk.  Die  gegen  Fiude  des  XIII.  Jahrh. 
gegründete  Dechanteikirche,  deren  Chor  dieser  Zeit  angehört :  die 
Gewölbegurte  werden  von  runden  Diensten  getragen ,  die  Fensterbögen- 
füUung  besteht  aus  Steinplatten  mit  Vierpass-Durchbrechungen ;  die  For- 
men des  basilikalen  Langhauses  deuten  auf  spätere  Umbauten  hin.  —  Die 
Minoritenkirche  von  1 504  liegt  bis  auf  den  neuerlich  abgeschlosse- 
nen Chor  gänzlich  wüst.  Der  kleine  Kreuzgang,  der  Capitelsaal  und  an- 
dere Klosterräume  mit  schönen  spätgothischen  Zellengewölben. 

Inbaeh  bei  Krems  (Kr.  ob  d.  Manhartsb.).  Die  Kirche  des  1269  ge- 
stifteten Dominicanernonnenklosters,  ein  zweischüHger  spätgothischer  Hal- 
lenbau mit  achteckigen  Pfeilern ;  der  einschiffige  Chor  enthält  noch  Theile 
eines  älteren  Baues.  An  der  Nordseite  liegt  die  brillant  gothische  ein- 
schiffige Katharinenkapelle ,  deren  Wände  sich  in  die  Gliederungen  der 
Gurtträger  und  der  paarweise  gestellten  maasswerklosen  Fenster  völlig  auf- 
lösen. An  der  Westfront  eine  reiche  Fensterrose.  Die  Strebepfeiler  der 
freiliegenden  Südseite  bilden  Durchgänge,  (v.  Sacken,  in  den  Berich- 
ten und  Mittheilungen  des  Alterthums Vereins  zu  Wien  5,  93 — 98.) 

Iradisck  bei  Münchengrätz  a.  d.  Iser.  Geringe  Veberreste  der  seit 
den  Hussitenkriegen  zerstörten  grossartigen  Cisterzienserkirche  ^)  im  roma- 
nisirend  frühgothisch en  Stil^  unter  denen  sich  ein  noch  ziemlich  erhaltenes 

1)  Grueber,  Bemh.,  Kloster  Hohenfurth  in  Böhmen,  a.  a.  O.  (1S61)  6,  14~ 
21  und  Taf.  I.  —  Vergl. :  Millauer,  Mas.,  der  Ursprung  des  Cistenienserstiltes 
Hohenfurth.  1S14.  ~  Prosko,  Fz.  Isid.,  das  Cisterzienser- Stift  Hohenfurth  in 
Böhmen.    1859. 

2)  Keiblinger,  Ign.  Fz.,  die  Filialk.  St.  Nikolaus  zu  Hölzern  in  der  Pfarre 
Grosspechlarn,  in  den  Mittheil,  der  Central-Commis.  (1S63)  ^,  292—295. 

3^  Wocel,  J.  £.,  die  Baureste  der  Cisterzienserk.  Uradischt,  a.  a.  O.  (1864). 
9,  129—146  und  Taf.  8—10. 


in  den  deutsch-österreichischen  Ländern.  535 

Portal  des  nördlichen  Seitenschiffes  durch  geschmackvollen  Reichthum  aus- 
zeichnet. Die  Kirche  war  östlich  mit  einem  rechteckigen  Umgange  geschlos- 
sen und  scheint  im  Grundrisse  mit  Lilienfeld  (ohen  S.  373)  übereinstim- 
mend gewesen  zu  sein. 

Ipg  (Kr.  ob  d.  Walde).  Spätgoth.  Hallenkirche  mit  achteckigen  Pfei- 
lern und  Rautengewölben ;  die  Seitenschiffe  schliessen  polygonisch ,  der 
Chor  geradlinig.     Unter  letzterem  ein  Durchgang. 

Kadai^  a.  d.  Eger.  Dreischiffige  Franciscanerkirche  mit  langem  Chor : 
letzterer  geweiht  1480  ;   das  Langhaus  aus  dem  XVII.  Jahrh. 

Kifemarkt  bei  Freistadt  in  Oberöst.  Dreischiffige  Kirche,  geweiht 
1472,  mit  einem  spitzbogigen  Tonnengewölbe  überspannt,  dessen  Reihun- 
gen aus  Zierrippen  bestehen. 

HaMMem  unterhalb  Mauteru  in  Steierm.  Spätgoth.  zweischiffigc  Hal- 
lenkirche mit  achteckigen  Pfeilern,  aus  denen  die  Rippen  der  Netzgewölbe 
hervorwachsen ;  nur  der  einschiffige ,  entsprechend  überwölbte  Chor  hat 
Strebepfeiler.  Der  Thurm  ist  eine  Vorlage  vor  der  Mitte  der  Westfront. 
(Petschnig,  in  den  Mittheil.  etc.  10,  193  Fig.  7.) 

Karktein  bei  Prag.^)  Auf  diesem  von  K.  Karl  IV.  seit  1348  erbauten 
Bergschlosse  befindet  sich  im  dritten  Stock  eines  thurm  artigen  Gebäudes 
die  Maria-Himmelfahrtskirche,  geweiht  1357,  jetzt  ein  einfacher 
Raum  mit  Holzdecke ,  und  in  der  Mauerstärke  derselben  die  durch  ihre 
Decoration  mit  böhmischen  Steinen  und  Vergoldungen  bemerkenswerthe 
Katharinenkapelle  (BockTaf.  5.).  Im  dritten  Stock  des  gewalti- 
gen rechteckigen  Bergfrieds  ist  die  ähnlich  ausgestattete  Heil.  Kreuz- 
kapelle  (ebend.  Taf.  4.).  Die  im  zweiten  Stock  des  Palas  belegene  flach 
gedeckte  Ritterkapelle  ist  im  Innern  zopflg  ausgestattet. 

HaAal  bei  Judenburg.  Katharinenkirche.  einschiffig  mit  Netzgewöl- 
ben;  Chor  1446,  Schiff  1507. 

Kathreia  bei  Brück  a.  d.  Mur,  Die  durchgehend  zweischiffge  spätgoth. 
Alexiuskirche.  —  Die  spätgoth.  Pfarrkirche,  einschiffig  mit  Netz- 
gewölben. 

Kfttielsddrf  b..  W.  Neustadt.  Kirche  des  1462  gestifteten  Francisca- 
nerklosters,  sehr  lang  und  schmal;  daneben  eine  ältere  (profanirte)  Ka- 
pelle. 

Hirchberg  am  Wechsel  (Kr.  unter  d.  Walde).  Die  Wolfgangskirche 2) 
(ausserhalb  des  Dorfes),  deren  zweischiffiges,  von  zwei  achteckigen,  auf 
den  Ecken  mit  Diensten  besetzten  Pfeilern  in  sechs  quadratische  Joche  ge- 
theiltes  Langhaus  zwischen  1394  —  1404  föUt;  nördlich  steht  mit  demsel- 
ben durch  drei  Spitzbögen  ein  Seitenschiff  von  fast  gleicher  Höhe  in  Ver- 


1)  Schottky,  J.  M.,  die  Burg  Carlstein  nebst  ihren  Umgeh.  1828.  —  Jit- 
Bchinsky,  Ferd.,  Beschreibung  der  Burg  Karlstein.  3.  Aufl.  IS-ll.  —  Bock,  Fz., 
Schloss  Karlstein  in  Böhmen,  in  den  Mittheil,  der  Centr.-Comm.  (1862)  7«  69—78. 
90—99  u.  Taf.  3  — 5.  —  Ambros,  A.  W.,  die  Burg  Karlstein  und  ihre  Restauri- 
rung,  ebend.  (1865)  10,  41—56.  —  Vergl.  ebend.  1,  89;  2,  56.  164.  278  f.;  3, 
275. 

2)  Die  goth.  K.  des  h.  Wolfgang  zu  Kirchberg  a.  W.,  mit  Zeichn.  Von  W.  R Ol- 
li g,  a.  a.  O.  (1862)  7,  f 59  — 163. 


536  Gothische  Kirchen 

bindung,  welches  mit  SterngewOlben  bedeckt  ist  und  polygonisch  scbliesst. 
Die  Westseite  aller  drei  Schiffe  nimmt  eine  unterwOlbte,  von  aussen  durch 
zwei  polygone  Treppengehäuse  zugängliche  Empore  ein.  Der  einschiffige 
Chor  bestand  schon  am  Schluss  des  XIV.  Jahrh.  Die  Restauration  des  in 
Ruinen  liegenden  Gebäudes  stand  1862  in  Aussicht. 

Urchschllg  (Kr.  unter  d.  Walde) .  Schöne  Hallenkirche  aus  dem  XV. 
Jahrh.  mit  achteckigen  Pfeilern,  an  welchen  die  mit  Laubcapitälen  gekrön- 
ten Dienste  hinauflaufen  ;  reiche  Fenster. 

Klein  PecUara  bei  Gr.  Pechlam  (Kr.  ob  d.  Manhartsb.).  Hallen- 
kirche von  1517  mit  concavachteckigen  Pfeilern  und  Netzgewölben.  Der 
oben  achteckige  Thurm  steht  an  der  SQdwestseite  des  Chores. 

Knittelfelli  a.  d.  Mur.  Spätgoth.  Hallenkirche  mit  einschifiigem  Chor 
und  Westthurm  von  1454. 

Ilelfai«  Die  Bartholomäikirche  ^)  besteht  aus  zwei  heterogenen,  nur 
roh  ( interimistisch )  verbundenen  Theilen ,  von  denen  das  f rflhgothische 
Langhaus  (ein  dreischiffiger  Hallenbau)  und  das  noch  rundbogig  einge- 
wölbte Querschiff  ( ohne  Vorlagen )  der  älteste  ist.  Ueber  dem  Westende 
der  Seitenschiffe  erheben  sich,  innerlich  auf  Pfeilern  ruhend,  zwei  Thflrme, 
welche  beim  Beginne  der  Dachlinie  ins  Achteck  umsetzen  und  eine  über 
die  ganze  Breite  der  Kirche  gehende  Empore  mit  aufnehmen.  Die  Pfeiler 
sind  quadratisch  mit  eingelassenen  Ecksäulchen  und  vier  fast  freien  Säu- 
len auf  den  Seiten,  deren  Capitäle  die  reichste  Mannichfaltigkeit  von  Laub- 
werkschmuck zeigen ;  die  einfachen  Fenster  sind  hoch  und  sehr  schmal 
(26'  :  2');  die  Strebepfeiler  enthalten  Durchgänge.  (Grueber,  in  den 
Mittheil.  etc.  1,  214  f.  Fig.  16—22.)  An  die  Stelle  des  zu  diesem  älte- 
ren Bau  gehörigen  Altarhauses  trat  in  Folge  eines  Brandes  der  jetzige  1360 — 
1 378  errichtete,  mit  einem  Umgange  von  der  Höhe  der  alten  Seitenschiffe 
und  einem  Kapellenringe  versehene  übermässig  hohe  Prachtchor  im  glän- 
zenden französ.  Kathedralenstil  mit  Fialenstreben  und  Strebebögen.  Das 
Chorhaupt  scbliesst  vierseitig,  der  Umgang  innerlich  fünfseitig;  die  fünf 
trapezförmigen  Kapellen  liegen  zwischen  den  Strebepfeilern  und  bilden 
von  aussen,  wo  sich  der  Schluss  des  Untergeschosses  neunseitig  gestaltet, 
einen  umlaufenden  Ring.  (Ebend.  S.  221  Fig.  35  f.)  Die  Absicht,  auch 
den  Schiffbau  dem  colossalen  Chor  entsprechend  umzugestalten,  kam  später 
nicht  zur  Ausführung. 

HtMttoil  unweit  Saatz .  Die  Dechanteikirche,  spätgoth .  Hallen- 
bau mit  einschiffigem  Chor  und  Netzgewölben.  —  Die  als  Spritzenhaus 
etc.  dienende  Deutschordenskirche,  einschiffig ,  frühgothisch ,  mit 
zweitheiligen  Säulenfenstem  und  nach  innen  gezogenen  Streben. 

Ktaiggrati  a.  d.  Elbe.  Die  Heil.  Geistkirche  (jetzt  Dom),  ein  drei- 
schiiiiger,  1302  gegründeter  Ziegelbau  und  von  allen  grösseren  Kirchen 
Böhmens  die  schmälste,  indem  das  Mittelschiff  nicht  ganz  20  F.  breit  ist ; 
dennoch  macht  die  verständige  Anordnung  und  vorzügliche  Gliederung  des 
mit  einer  Empore  versehenen  Innern  einen  nicht  bloss  anmuthigen,  son- 


1)  Grueber»  Beruh.,  die  K.  des  heil.  Bartholom.  in  Kolin,  a.  a.  O.  (1861) 
6,  22S— 232.  -^  Veigl.  Zapp,  C.  V.,  in  Pamatky  archaeologick«.  1860.  S.  174  ff. 


in  den  deutach-öaterreichttchen  Ländern.  537 

dem  auch  erhabenen  Eindruck.  (Grueber  in  den  Mittheil.  etc.  1,  218. 
Fig.  28.  ~  Zapp,   in  Pamitky  archaeologick^.   1859  mit  2  Taf.) 

beMS  a.  d.  Donau.  Die  Piaristenkirche,  Hallenbau  um  1477 
mit  älterem  ein8chi£figem  Chor  und  einem  im  Untcrtheil  noch  roman. 
Thurm.  Das  sehr  reiche  Langhaus  ist  dem  Schiflfbau  von  St.  Stephan  zu 
Wien  ähnlich.  —  Die  einschiffige  rechteckige  Spitalkirche  von  1470, 
Nachahmung  der  Deutschordenskirche  zu  Wien,  mit  fast  ganz  nach  innen 
gezogenen  reich  geschmückten  Strebepfeilern  und  NetzgewOlben* 

bilMUl  unweit  Budweis.  Die  Erzdechanteikirche,  ein  schlanker  und 
schinuekvoller  dreischiffiger  Hallenbau  mit  einschiffigem  Chor,  Anfang  des 
XY.  Jahrh.  Im  Langhause  wechseln  in  Absätzen  aufsteigende  achteckige 
und  aus  vier  Halbsäulen  zusammengesetzte  Pfeiler. 

Ulb  bei  St.  P5lten.  Spätgoth.  Pfarrkirche  mit  niedrigen  Seitenschif- 
fen, welche  wie  das  Mittelschiff  polygonisch  schliessen.  Die  achteckigen 
Pfeiler  steigen  mit  drei  Polygonseiten  zum  Obergaden  empor,  filn  Träger 
des  RautengewOlbes. 

iltteiberg.  ^)  Die  Barbarakirche  befolgt  in  dem  um  1380  begon- 
nenen Chore  den  Typus  der  Bartholomäikirche  von  Kolin  ( s.  d.) ;  doch 
schliesst  das  Chorhaupt  hier  fünfseitig  und  der  niedere  Umgang  achtseitig, 
nimmt  aber  durch  die  zwischen  den  keilförmig  gebildeten  und  geradlinig 
\*erbundenen  Strebepfeilern  angeordneten  Kapellen  äusserlich  eine  der  Kreis- 
linie nahe  funfzehnseitige  Formation  an.  Bis  1419  war  nur  der  Chorum- 
gang vollendet,  und  als  der  Bau  1483  wieder  aufgenommen  wurde,  scheint 
man  die  zuerst  beabsichtigte  Kreuzform  bereits  aufgegeben,  aber  doch  am 
Langhause  nach  dem  ursprünglichen  Basilikenplane  fortgearbeitet  zu  haben, 
aber  nur  bis  etwa  1489,  wo  unter  veränderter  Leitung  zunächst  der  Hoch- 
bau des  mit  einer  Triforiengalerie  versehenen  Chores  bis  1506  gefSrdert 
wurde.  Hierauf  legte  der  nun  eintretende  neue  Bauleiter  über  den  Seiten- 
schiffen des  Langhauses  hoch  geöffnete  Emporen  und  ausserdem  noch  zwei 
niedrige  äussere  Abseiten  an  ;  als  aber  1548  die  Mittel  versiegten^  musste 
der  nur  bis  zur  Hälfte  der  beabsichtigten  Länge  vollendete  Bau  eingestellt 
und  durch  eine  Nothmauer  im  Westen  geschlossen  werden.  Die  Ausfüh- 
rung in  den  schlanksten  Verhältnissen  ist  sehr  prachtvoll,  der  langen  Dauer 
des  Baues  gemäss  in  verschieden  modificirten  Decorativformen,  äusserlich 
mit  thurmartigen  Strebepfeilern  und  doppelten  Strebebögen.  (Wocel,  in 
den  Mittelalterl.  Kunstdenkm.  des  österr.  Kaiserstaates  1,  171 — 194  und 
Taf.  28—32.  —  Schnaase,  Kunstgeschichte  6,  317.)  —  Die  Erzde- 
chanteikirche, dreischiffiger  Hallenbau  mit  einschiffigem  Chor,  1310 
— 1358.  Keichgegliederte  Pfeiler,  übereck  gestellt  von  quadratischer  Grund- 
form. Von  den  beiden  Westthürmen  ist  nur  der  nördliche  vollendet. 
(Gruebera.  a.  O.  S.  255— 258.  Fig.  14—21.)  —  Die  Maria-Him- 
melfahrtskirche, dreischiffiger  Hallenbau  mit  einschiffigem  Chor  und 
mächtigem  Westthurm,  begonnen  im  XIV.  Jahrb.,  aber  im  Langhause  erst 
1480 — 1512.    Sehr  schlanke  gegliederte  Pfeiler.    Im  Chor  ältere  Kreuz-, 


1)  Grueber,  Bemh.,  die  Baudenkm.  der  Stadt  Kuttenb.  in  Böhmen,  in  den 
Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commis.  (1861)  6,  254—267;  284—295;  313-325. 


538  Gothische  Kircbea 

im  Langhause  Netzgewölbe.  (Ebend.  S.  261—263.  Fig.  28—32.)  —  Die 
bei  der  Stadt  belegene  kleine  Dreifaltigkeitskirche,  ein  schlanker 
dreischifiger  Hallenbau  mit  einschiffigem  Chor  und  viereckigem  Westthurm, 
1488—1504.  Vier  monolithe,  1 V2  F.  dicke  und  27  F.  hohe  Rundpfeiler 
theilen,  als  Träger  der  einfachen  Kreuzgewölbe,  das  fast  quadratische  Lang- 
haus in  neun  eben  solche  Joche.    (Ebend.  S.  314  f.  Fig.  65  f.) 

LtM  bei  Meran.  Einschiffige  Kirche  mit  nach  innen  gezogenen  Stre- 
bepfeilern, 1483. 

Laaged^ls  bei  Krems.  Spätgoth.  Kirche,  zwar  mit  niedrigeren  Seiten- 
schiffen, aber  ohne  Oberlichter.    Das  Aeussere  entstellt. 

Lanfen  a.  d.  Salzach.  Spätgoth.  Stiftskirche  mit  drei  gleich  hohen 
Schiffen  ;  die  achteckigen  Pfeiler  mit  Ecksäulchen  und  zierlichen  Capitälen. 

Lam  bei  Saatz.  Die  Nicolaikirche  1520 — 1528,  ein  grossartiger  Hal- 
lenbau in  ernstem  Stil. 

Ldbfl  bei  Weiteneck  (Kr.  ob  d.  Manhartsb.).  Spätgoth.  zweischiffige 
Hallenkirche  mit  zwei  Polygonschlüssen. 

LeigeafeM  bei  Krems.  Dreischiffige  spätgoth.  Kirche;  das  etwas  hö- 
here Mittelschiff  ohne  Oberlichter. 

Lichtenwirdl  b.  W.  Neustadt.  Ruine  einer  Kreuzkirche  mit  niederen 
Seitenschiffen  und  achteckigen  Pfeilern. 

laibea  bei  Dürnstein  (Kr.  ob  d.  Manhartsb.].  Zweischiffige  spätgoth. 
Kirche  von  1492. 

Lini  bei  Gaming  (Kr.  ob  d.  Walde) .  Zweiscliiffige  spätgoth.  Hallen- 
kirche mit  achteckigen  Pfeilern  und  zwei  Polygonschlüssen. 

■aak  bei  Melk.  Dreischiffige  Kirche  mit  höherem  Mittelschiff,  schlan- 
ken achteckigen  Pfeilern,  die  halbpolygonisch  an  den  Scheidewänden  auf- 
steigen, und  einschiffigem  Chor.  Der  modernisirte  Thurm  steht  am  Ende 
des  nördl.  Seitenschiffes. 

■ariabveh  bei  Judenburg.  Hallenkirche  mit  einschiffigem  Chor,  be- 
gonnen 1455;  der  grosse,  unten  eine  zierlich  gewölbte  Halle  enthaltende 
Westthurm  1508.  Achteckige  mit  vier  Rundstäben  umgebene  reich  profi- 
lirte  Pfeiler  tragen  die  Netzgewölbe. 

■arialaack  (Kr.  ob  d.  Manhartsb.).  Spätgoth.  Kirche  mit  etwas  er- 
höhtem Mittelschiff,  achteckigen  Pfeilern,  Netzgewölben,  einschiffigem 
Chor  und  Sattelthurm  vor  der  Westseite. 

laria-Nemtift  bei  Pettau.  Hallenkirche  aus  dem  XiV.  Jahrh.  mit  drei 
Polygonschlüssen.  Sechseckige  mit  je  vier  Diensten  besetzte  Pfeiler.  Reich 
verzierte  Strebepfeiler  und  schönes  Fenstermaasswerk. 

lariaxell.  Der  sehr  hohe,  oben  ins  Achteck  umsetzende  und  einen 
Spitzhclm  tragende  Thurm  der  Wallfahrtskirche  mit  schönem  Portal, 
1363.  (Illustr.  Zeit.  1857.  S.  89.)  —  Unweit  des  Ortes  auf  einem  Wald- 
hügel die  einschiffige  Sigmundskapelle  ohne  Strebepfeiler,  vom  An- 
fang das  XIV.  Jahrhunderts. ') 

larlilg  bei  Meran.  Die  zweischiffige  Anlage  der  Pfarrkirche  mit  einer 
Reihe  von  Rundpfeilern,  als  goth.  Umbau  eines  älteren  Gebäudes. 


J)  Lind,  C,  die  St.  Siegmundscap.  in  Steierm.,  a.  a.  O.  (1859)  4,  2S2. 


in  den  deutsch*58terreichi0clien  Ländern.  539 

lelk.  Die  Pfarrkirche  von  1481  mit  niedrigen  Seitenschiffen,  doch 
ohne  Oberlichter.    Achteckige  Pfeiler  und  Netzgewölbe. 

lerai.  Die  Pfarrkirche,  theils  um  1310—1335,  theils  später  er- 
baut, Hallenbau  mit  polygonisch  schliessenden  Seitenschiffen  und  niedri- 
gerem Chor.  Schlanke  Rundpfeiler  und  Netzgewölbe.  Der  Thurm  (Eg- 
gers,  im  D.  Kunstbl.  9,  98)  neben  der  Südseite  ist  unten  nach  allen 
vier  Seiten  offen  und  geht  oben  ins  Achteck  über.  Die  Westseite  der  Kir- 
che ist  Ziegelbau .  Auf  dem  Kirchhofe  die  achteckige  Barbarakapelle 
{ebend.  S.  102)  1450,  mit  einer  in  den  lebendigen  Felsen  gebrochenen 
Gruft.  —  Die  Spitalkirche,  begonnen  1483,  Hallenbau  mit  Chomm- 
gang  und  schlanken  Rundpfeilern.    (Ebend.  S.  lOl  f.) 

IMling  bei  Wien.  Die  Pfarrkirche,  begonnen  1454,  in  Kreuzform 
und  durchgängig  mit  drei  gleich  hohen  Schiffen.  Achteckige  Pfeiler  mit 
Rundstäben  auf  den  Ecken  und  moderne  Gewölbe. 

lohlhMSeil  (Kr.  Tabor).^)  Die  Aegidiuskirche  aus  dem  XIV. 
Jahrh.  mit  älterem  Thurmbau,  im  einschiffigen  Langhause  jetzt  mit  flacher 
Decke,  im  schmäleren  Chor  mit  Netzgewölben.  (Wocel,  in  den  Mittheil, 
etc.  8,  40 — 45.) —  Die  Bartholoraäuskirche.  ein  roher  spätgoth., 
^  nur  im  Chor  gewölbter  Nothbau,  mit  Schi  essscharten  in  dem  über  dem  Kir- 
chenschiffe belegenen  Oberraum  ;   neuerdings  umgebaut. 

■■ni  in  Steierm.  Die  Hauptpfarrkirche  in  Kreuzform  und  mit 
niedrigen  Seitenschiffen.  Kurze  achteckige  Pfeiler  und  Gewölbe  ohne 
Kreuzgurte;  über  der  Vierung  ein  einfacher,  unten  vier-,  oben  achtecki- 
ger Thurm;  am  Schiff  schlichte  Strebebögen.  (Details  bei  Haas,  im 
Jahrb.  der  Centr.-Comm.  2,  222  f.)  —  Die  Annakapelle  auf  dem 
Kirchhofe  und  die  Leonhardskirche,  beide  einschiffig  und  mit  einem 
Rosettenfenster. 

Neptüvk  unweit  Pilsen.  Die  Jacobikirche  mit  dreischiffigem  spät- 
goth. Langhause  und  älterem  Chor;   restaurirt. 

Netkerg^)  bei  Schott wien.  Die  Cisterzienserkirche,  ein  dreischiffiger 
gerade  schliessender  Hallenbau  aus  dem  XV.  Jahrb.,  in  dessen,  mit  ein- 
fachen Kreuzgewölben  versehenem  Innern  ein  Querschiff  durch  weitläu- 
figere Stellung  und  stärkere  Bildung  der  reich  gegliederten  Pfeiler  ange- 
deutet ist.  lieber  dem  Westportal  eine  reiche  Fensterrose.  (A.  a.  O. 
Taf.  1.)  Bemerkenswerth  ist  der  aus  ^em  XIV.  Jahrh.  stammende  Kreuz- 
gang (nebst  dreischiffigem  Capitelsaale  und  sechseckigem  Brunnenhause) 
wegen  seiner  Bilderconsolen.  (Ebend.  S.  5  —  7.)  —  Die  einschiffige 
Pfarrkirche   1513  —  1522. 

.  Neihaas  bei  Bechin  in  Böhmen.  Die  Pfarrkirche,  ein  hoher 
dreischiffiger  Bau  aus  dem  XV.  Jahrh.,  mit  etwas  erhöhtem  Mittelschiff.  — 
Die  Spitalkirche,  Hallenbau,  dessen  nördl.  Seitenschiff  später  zum 
anliegenden  Kreuzgang  gezogen  worden  ist ;  über  derselben  ein  schlanker 
Polygonthurm  mit  Steinhelm  ;   XIV.  Jahrh. 


1)  Vergl.  oben  S.  374  Nota  2. 

2)  Hei  der,  Gast.,  die  symbol.  DarAtellungen  in  der  Klosterk.  zu  Neuberg  in 
Steyerm.,  in  den  Mittheil,  der  Centn-Comm.  (1856)  1,3  —  8  und  Taf.  1. 


540  Gothi«ohe  Kirchen 

Ntebarg  a.  d.  Elbe,  ^j  Die  Decbanteikirche,  Ziegelbau  mit  Haustein- 
details 1282  —  1305;  von  den  beiden  reich  verzierten  Thünnen  ist  der 
eine  1846  eingerissen.  ( £in  Laubcapital  beiOrueber,  in  den  Mittheil, 
etc.  1,  217.  Fig.  27.) 

N«88il«rf  (Kr.  ob  d.  W.  W.).  Die  spätgoth.  Pfarrkirche  mit  nur  einem 
(n6rdl.)  polygen  geschlossenen  Seitenschiff,  achteckigen  Pfeilern  und  NeUs- 
ge wölben.    Der  niedrigere  Chor  ist  eingestürzt. 

IbemaMen  im  Thal  Virgen  in  Tirol.  Einschiffige  Wallfahrtskirche 
von  1456  mit  schmälerem  Chor.  Nur  die  Südseite  hat  Fenster  und  über 
dem  reich  gegliederten  Westportal  befindet  sich  ein  Rundfenster ,  dessen 
Füllung  aus  einem  Quodlibet  von  sechs  gothischen  Nasenfenstem  besteht. 
Die  stemartigen  Gewölbe  werden  von  Wanddiensten  mit  CapitAlen  getra- 
gen. Der  nördlich  neben  dem  Ostende  des  Schiffes  stehende  Thurm  ist 
älter.  (Tinkhauser,  in  den  Mittheil.  etc.  2,  176  f.  u.  auf  Taf.  7  Fig. 
C  — E.)^ 

Mliotl.  Das  einfach  schöne,  aber  nur  kleine  Schiff  des  Domes,  früh- 
goth.  —  Die  Moritzkirche,  zierlicher  Hallenbau  mit  schönem  Thurm, 
1412. 

PettM  unweit  Marburg  in  Steierm.  Die  Pfarrkirche  mit  niede- 
ren Seitenschiffen  und  einschiffigem  Chor,  XIV.  Jahrh.  Das  Mittelschiff  mit 
einfachen  Kreuzgewölben,  die  von  runden  Diensten  mit  gegliederten  Capi- 
tälen  getragen  werden ,  hat  kleine  runde  Oberlichter.  —  Der  Kreuzgang 
des  ehemaligen  Dominicanerklosters  mit  zierlichen  Maasswerkfen- 
stern.  —  Der  durch  die  Sacristei  verstellte  Chor  der  Minoritenkirche, 
frühgothisch  mit  Säulenfenstern,  um  1286;  das  jüngere  Schiff  vielfach 
verändert.  —  Die  kleine  vorstädtische  Oswaldskirche,  spätgoth .  mit 
Netzgewölben. 

P^tienUrckeM  bei  Wieselburg  (Kr.  ob  d.  W.  W.).  Zweischiffige  spät- 
goth. Hallenkirche  mit  zwei  gegliederten  viereckigen  Pfeilern,  Westthurm 
und  niedrigerem  Chor  am  Südschiff. 

Piken  in  Böhmen.  Die  Erzdechanteikirche,^]  dreischiffiger 
Hallenbau  mit  schmälerem  und  niedrigerem  frühgoth.  Chor  (1292),  dessen 
schmale  Fenster  streng  gebildetes  Maasswerk  zeigen.  Im  spätgoth.  Lang- 
hause entspringen  die  stemartigen  Gewölbe  aus  mächtigen  Kundpfeilem. 
Von  den  beiden  nach  innen  auf  gegliederten  Pfeilern  ruhenden  hohen  West- 
thürmen  existirt  nur  noch  der  nördliche.  Vor  den  an  den  Langseiten  der 
Kirche  befindlichen  Nebenportalen  sind  im  Winkel  vortretende  Hallen  an- 
gebracht. —  Die  (modern  verlängerte)  Franciscanerkirche^)  mit  nie- 
deren Seitenschiffen  und  langem  eiuRchifiigem  Chor.  Rundpfeiler  und 
strenggegliedertes  Fenstermaasswerk.  Der  an  dem  einfachen  Kreuzgange 
belegene  Capitelsaal  mit  späteren  Sterngewölben  und  kräftigem  romanisi- 
rendem  Bündelpfeiler  in  der  Mitte.  —  Die  vorstädtische  Nicolaikirche 
1406.  —  Ausserhalb  der  Stadt  die  einschiffige  Allerheiligenkirche, 
gewölbt  1590. 


1)  Vergl.  Zapp,  in  den  Pam&tky  arehaeol.  1S59.   Mit  I  Taf. 

2)  A.  a.  O.  1854  S.  31  f. 

3)  Kbend.  S.  21  f. 


in  den  deutsch-österreichitfchen  Ländern.  541 

Pleterjack  (Bezirk.  Landstrass).  Die  profanirte  einschifilge  ehemal. 
Kloßterkirclie  *)  mit  schmälerem  Chor,  edelgothisch  aus  dem  XIV.  Jahrh. 
Die  Gewölbegurte  ruhen  auf  den  Laubcapitälen  gegliederter  Wanddienste. 
Die  Fenster  zweitheilig,  auf  der  Nordseite  rund  ( wegen  des  ehemals  hier 
anstossenden  Kreuzganges) . 

PtUaiberg  bei  Hartberg  in  Steierm.  Die  Liebfrauenkirche  am  Berge, 
angeblich  aus  dem  XI V^.  Jalirh.  :  an  das  zweischiffige  Langhaus  schliesst 
sich  in  gleicher  Breite  östlich  der  dreischiffige  (^hor  (mit  Umgang),'  west- 
lich eine  Vorhalle.  Schlanke,  im  Chor  etwas  schwächere  Pfeiler.  Reich 
decorirte  Fensterfront. 

P«tteilll«rf  bei  Ebenfurth  (Kr.  unter  d.  W.  W.) .  Dreischiffige  Schloss- 
capelle  mit  capitällosen  Pfeilern,  1474  ;   der  Thurm  älter. 

Prtchatiti  am  Böhmerwald.  Die  Dechanteikirche  mit  drei  gleich  ho- 
hen Schiffen  und  einschiffigem  (-hör  stellt  sich  als  spätgothi scher  Umbau 
(1507)  eines  älteren  basilikalen  Gebäudes  dar.  Polygonalpfeiler  und  Stern- 
gewölbe. Von  den  beiden  mächtigen  Westthürmen  ist  nur  der  südliche 
vollendet. 

Prtg.^)  Der  Dom^)  auf  dem  Hradschin  besteht  nur  aus  dem  1343 
gegnlndeten  und  1385  geweihten  fünfschiffigen  (*hor,  welcher,  fünfseitig 
aus  dem  Neuneck  schlicssend,  nach  dem  Muster  des  französischen  Kathe- 
dralenstils mit  Umgang  und  Kapellenkranz  und  Triforiengalerie  ausge- 
stattet, von  einem  flandrischen  Meister  begonnen,  von  einem  süddeutschen 
zum  Theil  in  veränderter  Geschmacksrichtung  fortgeführt  und  durch  Ein- 
ziehung von  Netzgewölben  im  Hochbau  später  störend  vollendet  worden 
ist.  Ausserdem  ist  nur  ein  Bruchstück  des  südl.  Kreuzarmes  vorhanden 
und  ein  an  der  Westseite  desselben  aufsteigender  mächtiger  Thurm.  Zum 
lianghause  wurden  1392  nur  die  Fundamente  gelegt  und  seitdem  blieb  der 
später  durch  eine  Nothmauer  abgeschlossene  Bau  aufgegeben.  Unter  den 
Kapellen,  in  welche  die  äusseren  Seitenschiffe  getheilt  sind,  zeichnet  sich 
die  nördlich  belegene  Sacristei  durch  die  malerische  Wirkung  ihres  mit 
herabhangenden  Schlussteinen  geschmückten  Gewölbnetzes  aus ;  interes- 
sant ist  auch  die  schon  1347  — 1367  errichtete  planwidrig  in  den  für  den 
südlichen  Kreuzflügel  bestimmten  Raum  eingreifende  Wenzelskapelle, 
deren  Wände  (ähnlich  wie  die  Kapellen  auf  Karlstein)  musivisch  mit  böh- 
mischen Edelsteinen  ausgelegt  sind.  Das  Aeussere^  schon  durch  die  colos- 
sale  Masse  imposant,  macht  mit  den  vielen  Strebethürmen,  den  doppelten 


1)  Leinmüller,  Jos.,  die  Kirchen  zu  Pleterjach  und  St.  Ruprecht  in  Xrain, 
in  den  Mittheil.  der  Centr.-Coramiss.  (1S62.)  7,  1S7— 190. 

2)  Vergl.  oben  S.  375  Nota  1.  —  Bock,  Fz.,  Prag'ß  hervorragendste  kirchl. 
Bauwerke  aus  der  Zeit  Karl's  IV.  in  ihrer  heutigen  Gestalt,  im  Organ  für  christl. 
Kunst.   1857.  Nr.  17  f.  nebst  1  Taf. 

3)  Senff,  C.  J.,  die  Domk.  zu  St.  Veit  in  Prag.  Mit  10  Taf.  1831.  —  Ilon- 
satko,  Ant.  F.  M.»  die  Metropolitank.  xu  St.  Veit  ob  dem  Prager  Schloss.  1833.  — 
Welleba,  W.  F.,  der  Führer  und  Erklarer  der  Merkwilrdigk.  der  Domk.  in  Prag. 
Mit  Abbild.  1842.  —  Legis- Glückselig,  der  Prager  Dom  zu  St.  Veit,  ge- 
schieht!, und  archäol.  dargestellt.  Mit  1  1  Taf.  l^fii).  —  Ambros,  A.,  der  St.  Veits- 
Dora  zu  Prag.  Mit  12  Stahlst.  1*^5*^.  —  Derselbe,  der  Führer  durch  den  Dom  zu 
Prag.  Mit  Abbild.   lS5b. 

0 1 1  p ,  Kuntt-Archftologip.  35 


542  Gothische  Kirchen 

StrebebögeUj  den  manniclifaltigsten  Bogenconstructionen,  den  reichen  und 
bunten  Maasswerken  etc.  einen  theatralischen  Effect,  (y.  Wiebeking, 
Baukunde.  Taf.  57.  —  Grueber,  in  den  Mittheil.  etc.  1,  217—221. 
Fig.  29 — 34.  —  Bock  a.  a.  O.).  Der  Dom  wird  restaurirt.  —  Die 
Karlshofer  Kirche  auf  der  Neustadt,  ein  höchst  kühner  achteckiger, 
mit  einem  Sterngewölbe  gedeckter  Kuppelbau  von  78  F.  in  der  Diagonale  mit 
östlich  angehängtem  Chor,  begonnen  1377  und  im  XVII.  u.  XVIII.  Jahrh. 
zum  Theil  entstellend  restaurirt.  (v.  Wiebeking  a.  a.  O.  —  Grueber 
a.a.  O.  S.  221.  Fig.  37.  —  Bock  a.  a.  O.j  —  Die  Teynkirche^)  auf 
der  Altstadt  1407 — 1460,  vierseitig  schliessend,  mit  niederen,  dreiseitig 
schliessenden  Seitenschiffen.  Die  reiche  Gliederung  der  Pfeiler  setzt  sich 
wie  im  Dom  an  den  ArkadenbÖgen  unmittelbar  fort ;  der  Oberbau  ist  eine 
Erneuerung  von  1714.  An  der  Nordseite  ein  reich  ausgestattetes  Portal 
mit  zierlicher  Vorhalle.  Die  Westfront  zeigt  auf  den  Seiten  eines  schlan- 
ken ,  geschmückten  Giebelbaues  zwei  erst  um  1511  vollendete  kräftige 
Thürme,  deren  schOne  achtseitige  Helme  mit  einem  doppelten  Kranze  klei- 
ner vorgekragten  Thürmchen  umgeben  sind.  (Details  bei  Wocel,  Grund- 
zflge  etc.  Taf.  8  Fig.  3  und  bei  Grueber  a.  a.  O.  S.  243  f.  Fig.  39  — 
43.)  —  Minder  bedeutend  sind  die  übrigen  goth.  Kirchen  :  die  Kirche  des 
ehemal.  St.  Agnesklosters  (romanisirend  frühgothisch ;  profanirt.  Vcrgl. 
Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  494;  Grueber  a.  a.  O.  S.  214.  Fig.  13—15.), 
die  Kirche  zu  Maria  Schnee  auf  der  Neustadt  1347  — 1397  (nach 
mehrmaliger  Verwüstung  verzopft),  die  Apollinariskirche  auf  der 
Neustadt,  XIV.  Jahrb.,  die  Clemenskirche  am  Poritz,  XIV.  Jahrb., 
die  Laurentiuskirche  (streng  gothisch) ,  die  Franciscanerkirche 
beim  Rossmarkt  1513  (sehr  schlank  und  hoch;  profanirt),  sämmtlich  ein- 
schiffig. Die  dreischifiige  Hallenkirche  des  E  m  a  u  s  klosters  mit  achtecki- 
gen Pfeilern  und  dreifachem  Polygonschluss,  nebst  grossartigem  Kreuzgang 
u.  a.  m. 

PvrgstaU  im  Kr.  ob  d.  Walde.  Hallenkirche  mit  Netzgewölben;  Chor 
modern.  Die  Kapelle  auf  Schloss  Auersperg  1493,  mit  zierlichen  Dien- 
sten und  Laubcapitälen. 

Rabeuteiii  im  Kr.  ob  d.  Walde.  Einfache  Pfarrkirche  von  1490,  mit 
niedrigeren,  östlich  im  Winkel  geschlossenen  Seitenschiffen.  Achteckige 
Pfeiler  und  Hautenge  wölbe.    Der  Sattelthurm  steht  auf  der  Südseite. 

Radkersbirg  in  Steierm.  Spätgoth.  Pfarrkirche  mit  niederen  Seiten- 
schiffen ;  achteckige,  mit  runden  Diensten  besetzte  Pfeiler.  Die  Oberlich- 
ter sind  vermauert. 

Raailllitl  a.  d.  Elbe.  Die  1330  vollendete  Augustinerkirche  mit  nie- 
deren Seitenschiffen  und  langem  Chor.  Der  spätgoth.  Kreuzgang  mit 
Maasswerkfenstern  (Grueber,  in  den  Mittheil.  etc.  1,  217.  Fig.  26.) 
ruinös. 

ItMeiberg  im  Kr.  Bechin  in  Böhmen.  Spätgoth.  Hallenkirche  mit 
einschiffigem  Chor.    SchOne  Netz-  und  Sterngewölbe  ohne  Rippen. 


1)  Zapp  a.  a.  O.  S.  9.  52  und  101  ;   vergl.  Mittheil,  der  Centr.  Comm.  (1857) 
50  und  79, 


in  den  deutAch-österreichischen  Ländern.  543 

lUtteBaau  in  Steierm.  Dreischiffige  Ffarrkirclie  mit  verunstaltetem 
Chor. 

Stkbvrg.^)  Die  Nunnbergerkirche,  erneut  um  1464  —  1475, 
basilikal  mit  dreifach  polygonem  Schluss.  Achteckige  übereck  gestellte  und 
reich  gegliederte  Pfeiler  mit  je  vier  Diensten ;  Netzgewölbe.  Unter  dem 
Chor  eine  siebenschifiige  Säulenkrypta  mit  Netzgewölben.  In  Westen  eine 
durch  die  Orgel  verdeckte  Nonnenempore,  eine  Empore  auch  im  nördl. 
Seitenschiff  mit  Benutzung  roman.  Keste.  (Hei der,  im  Jahrbuch  der 
Centr.-Comm.  2,  26 — 31.  —  Detail  bei  Essen  wein,  in  den  Mittheil, 
etc.  6,  64.  Fig.  30.)  —  Der  dreischiffige  Chor  der  Pfarrkirche  1470, 
im  spitzen  Winkel  schliessend ,  aber  mit  gleich  hohem  fünfseitigem  Um- 
gang und  einem  Kranze  von  Kapellen  zwischen  den  nach  innen  gezogenen, 
mit  Durchgängen  versehenen  Streben ;  überaus  schlanke  Rundpfeiler,  von 
denen  das  luftige  Geäste  des  Netzgewölbes  ausgeht.  (Heider  a.  a.  O.  S. 
37  —  43. —  Pezolt,  Salzb.  Taf.  27  f.)  —  Die  einschiffige  Mar  gare - 
thenkapelle  auf  dem  Peterskirchhofe  (1485 — 1492);  die  Felder  des 
Kautengewölbes  mit  Maasswerk  belegt.  (Heider  a.  a.  O.  8.  54  f.  — 
Pezolt  a.  a.  O.  Taf.  20.) 

St.  Alilri  in  Lavant.  Die  Leonhardskirche  vor  der  Stadt  mit  niederen 
Seitenschiffen. 

St.  Oetrgeii  bei  Murau  in  Steierm.    Hallenkirche  von  1477. 

St.  Laabreckt  unweit  Judenburg.  Die  grossartige  Benedictinerkirche, 
Hallenbau  mit  Chorumgang,  XIV — XV.  Jahrh.  Viereckige  an  den  Ecken 
ausgekehlte  Pfeiler  mit  runden  Gurtträgem  der  einfachen  Kreuzgewölbe. 
(Haas,  im  Jahrb.  etc.  2,  221.)  —  Zwei  Kapellen  aus  dem  XV.  Jahrh.  : 
die  eine  im  Stift  ( profanirt) ,  die  andere  als  Ueberrest  der  alten  Herzogs- 
burg. 

St.  Letlharil  im  Lavantthale.  Die  Laurentiuskirche^),  dreischiffig  ba- 
silikal, Umbau  einer  romanischen  Kirche  aus  dem  XIV.  —  XV.  Jahrh.  und 
daher  unregelmässig  im  Grundplane.  Im  Langhause,  dessen  Oberlichter 
aus  Rosetten  bestehen,  wechseln  polygone  mit  runden  Pfeilern.  Das  nörd- 
liche Seitenschiff  schliesst  polygonisch ,  und  an  die  Südwand  des  Chores 
lehnt  sich  eine  ältere  Kapelle.  Der  Thurm  tritt  aus  der  Westfront  hervor 
und  ruht  innerlich  auf  einem  Pfeilerpaar. 

St.  larein  bei  Prank.  Zweischiffige  Kirche^)  von  1445  mit  einschif- 
figem Chor,  bei  dessen  Anfang  das  breite  Langhaus  in  Schräglinien  endet. 
Die  Pfeiler,  welche  die  schön  bemalten  Netzgewölbe  *)  tragen,  sind  un^en 
quadratisch,  weiter  oben  achteckig  mit  runden  Diensten ,  und  unter  dem 
Gewölbeanfange  cylindrisch.  Der  einfache  Thurm  erhebt  sich  in  der  Nord- 
westecke. 


1)  Vergl.  oben  8.  376  Nota  3. 

2)  Weiss,  C,  die  goth.  Kirche  des  h.  Laur.  zu  St.  Leonhard  in  Kärnthen, 
in  den  Mittheil,  der  Centr.-Comm.  (18(53).  8,  279— 2S7  und  Taf.  10. 

3)  Gradt,  J.,  St.  Marein  bei  Prank  in  Steierm.,  a.  a.  O.  8.  265—271. 

4)  Deckengewölbe  der  K.  St.  Marein  bei  S«ckau,  a.  a.  O.  (tS65).  10,  204  und 
1  Doppeltaf. 

35  ♦ 


544  Gothische  Kirchen 

St»  laaritieM  bei  Frohnleiten  in  Steierm.  Spätgothischer  sechseckiger 
Kamer;  das  Fächergewölbe  der  Gruft  wird  von  einem  Mittelpfeiler  ge- 
tragen. 

St.  lichael  bei  Dümstein  (Kr.  ob  d.  Manhartsb.) .  Hallenkirche  mit 
etwas  erhöhtem  Mittelschiff,  1523. 

St«  iswaM  bei  Oberzeyring  in  Steierm.  Zweischiffige  Hallenkirche  1469 
— 1476;  achteckige  Pfeiler  und  Sterngewölbe.  Viergiebeliger  Westthurm 
mit  schlankem  Helm. 

St.  PaitaleM  bei  Enns  (Kr.  ob  d.  W.).  Spätgothische  Hallenkirche 
mit  drei  achteckigen  Pfeilern  (von  denen  auf  einer  Seite  zwei,  auf  der  an- 
dern nur  einer  steht)  und  Netzgewölben.  Der  Chor  ist  wenig  schmäler, 
aber  viel  höher.  Westlich  der  Thurm  und  eine  roh  roman.  Kapelle  mit 
dreischifPiger  Säulenkrypta  (v.  Sacken,  im  Jahrbuch  etc.  2,  123.). 

St«  Paals  bei  Botzen.  Hallenkirche  mit  Chorumgang.  Rundpfeiler  im 
Schiff  mit  Kreuz ,  im  jüngeren  Chor  mit  Netzgewölben.  Der  gewaltige 
Thurm  auf  der  Sadwestecke,  1510 — 1556,  verstümmelt. 

St.  lUiprecIlt  bei  Strassenfuss.^)  Hallenkirche,  aus  drei  schmalen, 
von  schlanken  Pfeilern  getrennten,  mit  Netzgew^ölben  überspannten  Schiffen 
bestehend,  mit  einspringendem  langem  einschiffigem  Chor  und  massigem 
Thurm  an  dessen  Nordseite,  der  unten  die  Sacristei  enthält  und  oben  ins 
Achteck  umsetzt ;  1497.  (Leinmüller,  in  den  Mittheil.  etc.  7,  ISS  — 
190.) 

St*  Stepkai  bei  Ligist  in  Steierm.  Spätgothische  Hallenkirche  mit 
achteckigen  Pfeilern  und  einschiffigem  Chor. 

St«  Wtlfgang  am  See  in  Salzburg.  Hallenkirohe  mit  nur  einem  nördl. 
Seitenschiff,  geweiht  1460.  Die  Strebepfeiler  nach  innen  gezogen;  drei 
Portale  aus  rothem  Marmor. 

St.  W«lfgang  bei  Weitra  (Kr.  ob  d.  Manhartsb.).  Hallenkirche  mit 
dreifachem  Polygonschluss,  1407.  Die  Gewölberippen  wachsen  aus  den 
achteckigen  Pfeilern  und  Wanddiensten. 

Schdbs  bei  Gaming  (Kr.  ob  d.  W.).  Spätgothische  Hallenkirche,  de- 
ren drei  Schiffe  von  gleicher  Breite  und  Länge  sind. 

SchlailMtalg  bei  Radstadt  in  Steierm.  Hallenkirche  mit  Chorumgang, 
1522 — 1532.    Rundpfeiler  mit  runden  Diensten. 

SckMer  bei  Ranten  in  Steierm.  Spätgothische  Hallenkirche  mit  nur 
einem  (südl.)  Seitenschiff. 

Schonbach  bei  Rapotenstein  (Kr.  ob  d.  Manhartsb.).  Modemisirte 
Hallenkirche  mit  achteckigen  Pfeilern,  um  1470. 

Schottwiea  (Kr.  unter  d.  W.).  Spätgothische  Kirche  mit  niederen 
Seitenschiffen  und  achteckigem  Thurm. 

Schwaz.  Vierschiffige  Hallenkirche 2)  um  1460—1465;  s.  oben  S.  5u. 
52.  Der  Thurm  steht  nördlich  im  W^inkel  zwischen  lianghaus  und  Chor. 

Schweigen  bei  Zwetl.  Die  Pfarrkirche,  ein  spätgothischer  Hallenbau 
(c.  1500)  mit  beibehaltenem  romanischem  Ostthurm,  der  zwischen  Schiff 


1)  Vergl.  oben  S.  .54  t  Nota  I. 

2)  S  chöpf ,  Bertr.,  die  goth.  Pfarrkirche  zu  Schwa«  in  Tirol,  in  den  Mittheil. 
der  Central-Comm.  (18(53).  8,308  —  313. 


in  den  deutsch-österreichischen  Ländern.  545 

und  Chor  einen  schmalen  Durchgang  bildet.  Achteckige  Pfeiler  und  ein- 
fache Kreuzgewölbe. 

Sebensteii  (Kr.  unter  d.  W.).*)  Die  Pfarrkirche,  ein  1525  erneuter 
Hallenbau  mit  achteckigen  Pfeilern  und  NetzgewOlben ;  der  einschiffige, 
wahrscheinlich' ältere  Chor  hat  neue  Kreuzgewölbe. 

Sedleti  bei.  Kuttenberg.  Die  aus  der  Zeit  zwischen  1280  und  1320 
stammende,  1421  niedergebrannte  und  1673  — 1707  zopfig  gothisch  re- 
staurirte  grossartige  Cisterzienserkirche  ^) ,  fünfschiflßg  basilikal  mit  ausla- 
dendem dreischiffigem  Querhaus,  doppeltem  Umgang  um  den  dreiseitig 
schliessenden  Chor  und  einem  aus  sieben  Apsidiolen  bestehenden  Kapel- 
lenkranz. Renovirt  1854.  (Qrueber,  in  den  Mittheil.  etc.  6,  225  f.  u. 
Fig.  1.) —  Die  kleine,  schon  1318  vorhandene,  aber  verzopfte  Allerh. 
Kapelle  auf  dem  Friedhofe,  einschiffig  quadratisch  mit  viel  schmälerem 
rechteckigem  Chor.  Die  Westseite  flankiren  zwei  vorspringende  sechseckige 
Thürmchen  (ursprünglich  zu  Todtenleuchten  dienend ) ,  und  das  Ganze  er- 
hebt sich  auf  einem  nicht  mehr  ursprünglichen ,  ein  Beinhaus  enthalten- 
den weitläufigen  Terrassenbau.  (Grueber  ebend.  S.  227.  Fig.  2  f.) 

SeefeM  unweit  Innsbruck.  Hallenkirche'')  (seit  1431 )  mit  einschiffi- 
gem Chor  und  Thurm  auf  der  Südseite  des  Langhauses.  Letzteres  mit  et- 
was niedrigeren  Seitenschiffen  hat  gegliederte  sechseckige  Pfeiler,  verwirrte, 
mit  Maasswerk  belegte  Netzgewölbe  und  ist  im  XVI.  Jahrh.  nach  Westen 
hin  verlängert  worden.  Die  im  Aeusseren  reicher  gehaltene  Südseite  ist 
durch  ein  Prachtportal  mit  Scul[)turenschmuck  ausgezeichnet. 

Selil  bei  Cilli.  Schöne  einschiffige  Karthäuserkirche  aus  dem  XIV. 
Jahrh.,  Ruine  inmitten  der  ausgedehnten  Trümmern  des  befestigten  Klo- 
sters, zu  denen  auch  eine  ziemlich  wohl  erhaltene  kleine  achteckige  Gruft- 
kirche (XV.  Jahrh.)  gehört. 

Seltsehan  unweit  Wotic  in  Böhmen.  Die  einschiffige  Dcchanteikirche 
mit  schmälerem  Chor  und  Westempore,  roh  frühgothisch. 

Sievering  bei  Wien.  Innerlich  modernisirte  Hallenkirche,  einfach  und 
mit  zwei  hübschen  Eingängen ;  der  sehr  massige  Thurm  steht  an  der  Nord- 
seite. 

Skltseh  (Kr.  Chrudim)  in  Böhmen.  Die  einschiffige  Decanats- 
kirche  mit  niedrigcrem  Chor  und  Westthurm ,  angeblich  aus  dem  XIII. 
—  XIV.  Jahrh.  —  Die  ebenfalls  einschiffige  kleine  Spitalkirche  von 
1391  mit  schmälerem  Chor,  nach  einem  Brande  von  1861  restaurirt.'*) 

Skpp  in  Mähren.  Kirche  von  1360  mit  zwei  Schiffen  von  gleicher 
Breite  und  Höhe. 

Stbteslai  bei  Tabor.     Zwei  zweischiffige  Hallenkirchen:    die  gerade 


1)  Vergl.  Berichte  u.  Mitthcil.  des  Alterthumsvercines  zu  Wien  I,  159 — 227 
mit  Abbild. 

2)  Die  Kirche  zu  Sedletz  in  Böhmen,  in  den  Mittheil,  der  Central-Comm.  (1856) 
»,  25  f. 

3)  Hutter,  Th.,  die  goth.  Oswaldskirche  zu  Seefeld  in  Tirol,  a.  a«  O.  (1862) 
7,  30«  — 310. 

4)  Benesch ,  Fz.,  die  Restauration  der  Ffrändner-Spitalcap.  in  der  Stadt  Skuc, 
a.  a.  O.  (1865).  10,  LXXIV  f. 


546  Gothische  Kirchen 

geschlossene  Dechanteikirche  um  1493  und  die  dreiseitig  geschlossene,  zu 
einem  Wohnhause  eingerichtete  Veitskirche;   beide  mit  zwei  Pfeilern. 

Sill  bei  Tramin  in  Tirol.  Die  aus  zwei  ziemlich  grossen  Schüfen  mit 
eigenen  Chorabschlüssen  bestehende  Moritzkirche. 

Spitz  im  Kr.  ob  d.  Manhartsb.  Spätgothische  Hallenkirche  mit  ein- 
schilfigem  Chor.  Achteckige  Pfeiler ,  aus  denen  die  Rippen  der  Netzge- 
wölbe hervorwachsen.  Unter  dem  Chor  eine  Gruft.  In  Westen  ein  mäch- 
tiger Sattel  thurm. 

Steh  bei  Krems  (Kr.  ob  d.  Manhartsb.).  Der  Chor  und  der  südlich 
daneben  angeordnete  Thurm  der  profanirten  Minoritenkirche  von 
1444;  das  basilikalo  Langhaus  1224  — 1264  im  Ucbcrgangsstil  mit  qua- 
dratischen Pfeilern  und  Spitzarkaden.  Das  Mittelschiff  hat  sechstheilige 
Rippengewölbe.  —  In  der  modernisirten  Pfarrkirche  von  1464  ist  das 
Mittelschiff  um  ein  Drittel  höher  und  breiter  als  die  Seitenschiffe,  und  der 
Westthurm  bildet  unten  eine  an  drei  Seiten  offene  Halle. 

Steil  bei  Laibach.  Zweischiffige  Wallfahrtskirche  von  1472  mit  drei 
Rundpfeilem. 

Steier  in  Oberösterreich.  Die  Stadtpfarrkirche*),  begönnen  1443,  be- 
steht aus  drei  Schiffen  von  gleicher  Höhe  und  Länge ;  das  Mittelschiff  mit 
drei,  die  Seitenschiffe  mit  zwei  Seiten  des  Achtecks  geschlossen.  Die  im 
Kerne  viereckigen  Pfeiler  sind  denen  der  Stephanskirche  in  Wien  nahe 
verwandt.  Vor  dem  nördlichen  und  westlichen  Portale  Vorhallen ;  der 
starke  sechseckige  Thurm  erhebt  sich  in  der  Mitte  der  Nordseite.  Die  Ge- 
wölbe der  Kirche  sind  erst  nach  einem  Brande,  von  welchem  das  noch  nicht 
ganz  vollendete  Gebäude  im  J.  1522  betroffen  wurde,  1628  — 1630  einge- 
zogen, wobei  man  manche  (durch  die  Restauration  von  1857  meist  wieder 
beseitigte)  Veränderungen  vornahm. 

StelvaliirckeM  im  Kr.  ob  d.  W.  Die  spätgoth.  Pfarrkirche  St.  Michael 
von  sehr  eigenthümlicher  Anlage  :  ein  weiter,  dreiseitig  schliesscnder  Raum, 
in  welchem  rings  umher  im  Abstände  von  5'  von  den  Wänden  vierzehn 
starke  viereckige  und  mit  vier  Halbsäulen  besetzt«  Pfeiler  aufgestellt  sind, 
die  üachbogige  Emporen  tragen,  während  die  obere  Decke  aus  einem  rei- 
chen Sternge wölbe  besteht. 

Strassengel  bei  Gratz.  Die  edelgothische  Marienkirche^),  begonnen 
1346  und  geweiht  1355,  besteht  aus  drei  fast  gleich  hohen  und  polygo- 
nisch schliessenden  Schiffen  mit  etwas  längerem  Mittelschiff.  Die  Pfeiler 
sind  quadratisch,  mit  vier  Halbsäulen  besetzt,  auf  den  Ecken  ausgekehlt 
und  mit  zum  Theil  vorzüglich  gediegenen  Capitälzierden  geschmückt.  Die 
Gurte  der  in  quadratische  Joche  getheilten  einfachen  Kreuzgewölbe  zeigen 
ein  schlank  birnförmiges  Profil.  Die  schlanken  zwei-  und  dreitheiligen 
Fenster  haben  rein  geometrisches  Maasswerk;  über  dem  Westportale  ist 
eine  Fensterrose  von  besonderer  Zierlichkeit  angebracht,  lieber  dem  nördl. 


1)  Vergl.  V.  Sacken,  in  den  Mittheil,  der  Central-Commiss.  (1856)  1,  43  und 
Stifter,  ebend.  {I85«i)  3,  194. 

2)  Weiss,  C,  die  goth.  Kirche  zu  Strassengel  in  Steierm.,  a.  a.  O.  8. 95—101 ; 
118-123;  149 -159  nebst  Taf.  4. 


in  den  deutsch-österreichischen  Ländern.  547 

Chorschluss  erhebt  sich  ein  achteckiger  Thurm  (Weiss  a.  a.  O.  die  drei- 
fache  Tafel  4 )  mit  durchbrochenem  Steinhelm.  An  das  Westende  der 
Nordseite  schliesst  sich  eine  1455  erbaute  zweistöckige  Kapelle,  als  Unter- 
bau eines  oben  zopfigen  Thurmes.  —  Restauration  seit  1858. 

Tabor  in  Böhmen.  Die  Dechanteikirche  hatte  ursprünglich  niedere 
Seitenschiffe,  wurde  aber  in  Folge  von  Bränden  um  1500  zur  Hallenkirche 
mit  einschiffigem  Chor  umgebaut.  Das  fast  quadratische  Langhaus  hat 
polygone  Pfeiler  und  im  Mittelschiffe  Netzge wölbe. 

Terlai  bei  Meran.  Alterthümliche  Kirche  (um  1380 — 1400)  mit  nur 
einem  niederen  Seitenschiffe  an  der  Nordseite,  dessen  Abschluss  ein  nie> 
driger  viereckiger  roman.  Thurm  bildet ;  südwestlich  steht  noch  ein  mas- 
senhafter spätgoth.  Thurm  isolirt. 

Tdllenhei«  bei  Zwetl  (Kr.  ob  d.  Manhartsb.).  Spätgoth.  Hallen- 
kirche mit  etwas  niedrigeren  Seitenschiffen  und  höherem  einschiffigem 
Chor.  Achteckige  Pfeiler  und  Netzgewölbe;  im  Chor  einfache  Kreuzge- 
wölbe, deren  Kippen  auf  Consolen  ruhen  die  mit  Halbfiguren  von  Aposteln 
etc.  decorirt  sind.  In  Westen  ein  Satteldachthurm.  —  Die  im  Walde  be- 
legene Kuine  einer  einschifiigen  Wallfahrtskirche  aus  Granit,  1405 
—  1450. 

Tifer  bei  Cilli.  Einschiffige  spätgoth.  Kirche  mit  romanischem  Thurm, 
dessen  Unterraum  (Detail  bei  Petschn ig,  in  den  Mittheil.  etc.  10,  199 
Fig.  15.)  den  Durchgang  aus  dem  Schiffe  in  den  Chor  bildet. 

llnserfrMM  bei  Weitra  (Kr.  ob  d.  Manhartsb.).  Spätgoth.  Hallen- 
kirche. 

IlMtemab  bei  Meran.  Die  1440  erneuerte  Pfarrkirche  mit  drei  gleich 
hohen  von  viereckigen  Pfeilern  geschiedenen  Schiffen  und  Sterngewölben. 
Ein  einfacher  Sattelthurm. 

Vtoeh  bei  Brück  a.  d.  Mur.  Die  kleine  spätgoth.  Ulrichskirche  mit 
nur  einem  (nördl.)  Seitenschiff  und  unten  durchbrochenen,  Durchgänge 
bildenden  Strebepfeilern. 

Villach  in  Kärnten.  Die  Stadtkirclie,  spätgothisch  mit  drei  gleich  ho- 
hen, von  Rundpfeilern  getrennten  Schiffen  und  einschiffigem  Chor ,  erbaut 
im  XV.  und  XVI.  Jahrh. 

Vtlteberg  unweit  Gratz.  Spätgoth.  Hallenkirche  mit  einschiffigem 
Chor ;  im  Schiff  achteckige  Pfeiler  und  Netzgewölbe.  Das  einfache  West^ 
portal  ist  Ueberrest  eines  roman.  Baues. 

Völkemarkt  unweit  Klagenfurt.  Spätgoth.  Stadtpfarrkirche  mit  nie- 
deren Seitenschiffen,  von  denen  das  südliche  neben  dem  einschifiigen  Lang- 
chore polygonisch  schliesst,  während  das  nördliche  neben  dem  Chorschlusse 
in  einer  quadratischen  Kapelle  endet.  Achteckige  Pfeiler  und  Netzgewölbe. 
Den  westlichen  Abschluss  bildet  als  Ueberrest  eines  älteren  roman.  Baues 
ein  schmales,  von  zwei  starken  viereckigen  Thürmen  flankirtes,  wagerecht 
endendes  Zwischenhaus  mit  Empore  und  Säulenportal.  Der  südl.  Thurm 
ist  bei  einem  Erdbeben  1G90  bis  auf  das  Erdgeschoss  eingestürzt;  1830 
wurde  die  Fa9ade  verputzt,  (v.  Ankershofen,  in  den  Mittheil.  etc. 
l,  144  Fig.  3.) 

Waidk^fen  a.  d.  Ips  (Kr.  ob  d.  Walde).  Hallenkirche  mit  drei  fast 
gleich  breiten  Schiffen,  die  sich  jenseits  des  schmalen  und  wenig  vortre- 


548  Gothische  Kirchen 

tenden  QucrschiffcH  fortsetzen  und  polygonisch  schliessen.  Achteckige 
Pfeiler  mit  je  vier  Diensten  und  einfache  Kreuzgewölbe. 

WebseBkircheii  im  Kr.  ob  d.  Manhartsb.  Die  1736  erneuerte  Ifarr- 
kirche  enthu.lt  von  dem  gothischen  Bau  noch  den  Chor  mit  reichen  dreithei- 
ligen  Fenstern,  den  östlichen  Theil  des  niederen  nördlichen  Seitenschiffes, 
eine  südlich  mit  dem  Schiffe  verbundene  Kapelle  und  den  Sattelthurm  am 
Westende. 

Weite!  im  Kr.  ob  d.  Manhartsb.  Spätgoth.  Hallenkirche  mit  einschif- 
figem älterem  Chor;   achteckige  IMcikr,  Gewölbe  von  1727. 

Wie» .')  St.  Stephan.*-^)  Dieses  grossartige  Gebäude  ])esteht,  abge- 
sehen von  dem  roman.  Unter-  und  Thurmbau  der  Westfront  (oben  8.  382) 
aus  mehreren  nicht  denselben  Plan  verfolgenden  Theilen,  unter  denen  das 
gothische  Obcrgeschoss  des  Zwischenbaues  und  die  beiden  rechts  und  links 
den  Thilrmen  1326  hinzugefügten  Kapellen  zwar  die  ältesten  sind,  aber 
spätere  Veränderungen  erfahren  haben.  Hierauf  folgt  der  Zeit  nach  der 
aus  drei  im  halben  Achteck  geschlossenen,  gleich  hohen  und  gleich  breiten 
Schiffen  bestehende,  einfach  überwölbte,  1340  geweihte  Chor  mit  dem  am 
Westende  desselben  südlich  vorgelegten.  1359  gegründeten  Hauptthurm, 
welcher,  scheinbar  gleich  von  unten  pyramidal isch  aufsteigend  und  unge- 
mein reich  behandelt,  im  J.  1404  bis  zu  zwei  Drittel  seiner  Höhe  vorge- 
schritten und  1434  vollendet  war.  Der  jüngste  Theil  ist  das  Langhaus, 
dessen  Mittelschiff  zwar  höher  hinausgeführt  ist^  als  die  gleich  breiten  Ab- 
seiten, aber  nicht  so  hoch,  dass  eine  besondere  Fensterreihe  für  dasselbe 
möglich  war.  Das  Gewölbe  bildet  hier  ein  Rautenmuster,  und  die  reich 
gegliederten  Pfeiler  setzen  ihre  Profilirung  unmittelbar  in  den  ArkadenbÖ- 
gen  fort,  während  die  Dienste  für  die  Gewölbegurte  mit  Capitälen  versehen 
sind ;  die  Füllungen  der  hohen  viertheiligen  Fenster,  deren  auf  jedes  Joch 
des  Langhauses  zwei  fallen,  sind  mehr  decorativ  als  statisch  behandelt.  Ein 
bei  der  Gründung  des  südlichen  gleichmässig  auf  der  Nordseite  des  Chores 
beabsichtigter  zweiter  Prachtthurm  wurde  zwar  1450  begonnen,  aber  im 
Jahre  1519  unvollendet  wieder  aufgegeben:  die  Anlage  beider  Thürme 
vertritt  die  Stelle  der  Kreuzvorlagen.  Die  unschöne  gewaltige  Höhe  des 
Langhausdaches  wird  wesentlich  gemildert  durch  die  über  jedem  Joche  der 
Seitenschiffe  angelegten  reichen  Prachtgiebel,  von  denen  jedoch  nur  einer 
der  Südseite  (Kugler,  Gesch.  der  Baukunst  3,  323.)  den  ihm  zugehöri- 
gen Schmuck  erhalten  hatte,  während  die  Decoration  der  übrigen  bei  der 
seit  IS 5 5  ausgeführten  Restauration ''^)  hinzugefügt  wurde .  (Lichnowsky, 


\)  Tschischka,  Fz.,  Gesch.  der  Stadt  Wien.    1847. 

2)  Derselbe,  der  St.  Stephanadom  in  Wien  und  seine  alten  Denkm.  der 
Kunst,  mit  15  Kupfern  in  Folio.  1832.  —  Derselbe,  die  Metropolitank.  zu  St. 
Stephan  in  Wien,  (1824.)  2  umgearb.  Aufl.  IS43.  (Vergl.  Feil,  in  Schmidrs 
Oestcrreich.  Blattern  für  Literatur  u.  Kunst.  1^44.  2.  Quartal  No.  IS  — 24  u.  3. 
Quartal  No.  30—34.)  —  Perger,  A.  R.  v.,  der  Dom  zu  St.  Stephan  in  Wien.  1854. 

3)  Heider,  G.,  die  Kcstauration  des  St.  Stephansdomes  in  Wien,  in  den  Mit- 
thcil.  der  Central- ('onim.  (1^57.;  2,  1  —  7.  —  Der  St.  Stephansdom  in  Wien  und 
seine  llestauration,  in  der  lllustrirten  Zeitg.  1*^07.  No.  721.  (28,  343).  —  Die  Ilöhe 
des  Thurmcs  mit  der  IS64  vollendeten  neuen  Steinspitze  (oben  S.  57)  wird  jetzt  auf 
441,15'  angegeben. 


in  deu  deutsch-österreichischen  Iiftadern.  549 

Denkm.  Taf.  2.  —  Gailbabaud,  Denkm.  Bd.  3.  No.  6.  Taf.  i— 4  mit 
Text  von  Lohde.  —  Förster,  Denkm.  6,  43—50  u.  3  Taf .  —  Vergl. 
oben  S.  524  Fig.  228. j 

Die  August  ine  rkir  che  (seit  1330)  mit  drei  Schiffen  von  gleicher 
Höhe  und  langem  einschüHgem  sicbenscitig  geschlossenem  Chor  .^)  Acht- 
eckige Pfeiler  mit  runden  Eckdiensten.  Die  südlich  neben  dem  Chor  be- 
legene 1341  geweihte  Chorkapelle  besteht  aus  zwei  gleichen  Schiffen,  die 
jedes  im  halben  Achteck  schliessen.  Der  Thurm  ist  1848  erneuert.  — 
Die  1386  begonnene  Karmeliterkirche,  gleichfalls  ein  schlanker 
llallenbau  mit  gestrecktem  einschiffigem  Chor,  ist  von  den  Jesuiten  gründ- 
lich modernisirt.  —  Die  einschiffige  Kirche  Maria-Stiegen^)  besteht  aus 
zwei  ganz  verschiedenen  und  nicht  in  derselben  Axe  liegenden  Thcilen, 
dem  um  1340  vollendeten  zierlichen,  an  den  Wänden  ganz  mit  leichtem 
Stabwerk  bekleideten  Chor  und  dem  1394  gegründeten  und  um  1427  voll- 
endeten, mit  Netzgewölben  überspannten  spätgoth.  Schiffe,  dessen  West- 
front und  Südseite  mit  Portalen  versehen  sind,  über  denen  sich  ein  schwe-' 
bend  überhangender  Baldachin  in  geschweifter  Kuppclform  erhebt.  Der 
zierliche  siebenseitige  Thurm,  in  einer  aus  Maasswerk  gebildeten  durch- 
brochenen Kuppel  endend ,  steht  südlich  in  der  Ecke  zwischen  Chor  und 
Schiff  und  gehört ,  wie  die  Portalhallen,  dem  Endo  des  XV.  Jahrh.  an. 
Restauration  1817 — 1820.  (Lichnowsky,  Denkm.  —  Springerund 
Waldheim,  Baudenkm.  Lief.  1.)  —  Die  Minoritenkirche^)  aus 
der  zweiten  Hälfte  des  XIV.  Jahrh.  mit  drei  Schiffen  von  fast  gleicher 
Breite  und  Höhe.  Reich  mit  Diensten  besetzte  Rundpfeiler  und  edel  pro- 
filirte  Gewölbegurtc.  Im  Westen  drei  reiche  Doppelportale  und  in  den 
westlichen  Jochen  der  Seitenschiffe  schöne  Fensterrosen .  (Lichnowsky 
a.  a.  O.  Taf.  10  f.)  —  Die  Rathskapelle  "*)  besteht  aus  zwei  durch 
einen  Bogen  verbundenen,  neben  einander  liegenden  Räumen,  von  denen 
der  südliche  (geweiht  1361)  der  ältere,  der  nördliche  erst  1452 — 1457  er- 
richtet ist  und  spätere  Veränderungen  erfahren  hat. 

Wiener-Neutadt.  Die  einschiffige  Kapuzinerkirche  aus  dem  XIV. 
Jahrb., aber  im  Innern  modernisirt.  —  Chor  und  Querschiff  der  Marien- 
kirche aus  dem  XIV.  Jahrh.  mit  Zusätzen  und  Anbauten  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  XV.  Jahrh. ;  ver^.  oben  S.  383.  —  Der  einfache  dreischiffige 
Hallenbau  derNeuklosterkirche  mit  achteckigen  Pfeilern  1453.  —  Die 
einschiffige  Peterskirche^)  (1450—1474)  mit  etwas  schmälerem  Chor ; 
das  Schiff  durch  eine  Nonnenempore  in  zwei  Stockwerke  getheilt.  Westlich 


1}  Vcrgl.  C.  Lind,  in  den  Berichten  und  Mittheil,  des  Alterthumsvereines  zu 
Wien,  5,  157— MiS. 

2)  Böükh,  F.  H.,  Gesch.  der  Kirche  Maria-Stiegen  in  Wien.  (1821)  2.  Aufl. 
|H29.  —  Piiraisger,  Aloys,  über  die  K.Maria- Stiegen,  in  v.  Hormayr's  Archiv. 
IS2I.  No.  It.  —  Weiss,  C,  die  goth.  Kirche  Maria  am  Gestade,  in  den  Mittheil. 
der  Central-Comm.  (1856).  1,  149—152;  174 —  177  nebst  Taf.  9  f.  —  Feil,  Jos., 
zur  Baugesch.  der  Kirche  Maria  am  Gestade  in  Wien,  ebend.  (1857).  2,  10—17;  29 
__3ö;  «S  — 79. 

3)  Lind  a.  a.  O.  S.  129—156  u.  Taf.  1  f. 

4)  A.  a.  O.  2,  1S9  — 227;  vergl.  Feila.  a.  O.  (1861).  6,  168-171. 

5)  Lind  a.  a.  O.  2,  228^233. 


550  Gothische  Kirchen  in  den  deutsch-Asterreich.  Landern. 

das  Kloster  mit  zwei  KreuKgängen  über  einander.  —  Der  über  dem  Haupt- 
thorc  des  Schlosses  belegene  dreischifiige  Hallenbau  der  Schlosskapelle 
1449 — 1460..  Rundpfeiler  ohne  Capitäle;  um  den  ganzen  Raum  zieht  sich 
eine  auf  Kragsteinen  ruhende  Empore.    Restaurirt  1851. 

Wieselbarg  im  Kr.  ob  d.  W.  Das  roh  spätgoth.  zweischiffige  Lang- 
haus der  Kirche  mit  neucrem  Chor. 

Wilkeliisbarg  im  Kr.  ob  d.  W.  Die  roh  spätgoth.  Kirche,  deren  fen- 
sterloses Mittelschiff  um  ein  Drittel  hoher  ist  als  die  Nebenschiffe. 

Wllillscll-Clratf  in  Steierm.  Die  Pfarrkirche  und  die  Spitalkirche, 
beide  einschiffig;  erstere  mit  nach  innen  gezogenen  Streben,  letztere  von 
1494.  -—  Unfern  der  Stadt  auf  einem  Hügel  eine  quadratische  Kirche  mit 
einer  Marmorsäule  in  der  Mitte  nebst  einem  isolirt  stehenden  Thurme, 
als  Ueberreste  einer  Burg.  (Petschnig,  in  den  Mittheil.  etc.  10,  200  f. 
und  Fig.  16—18.) 

Wlttlnga«  bei  Budweis.  Die  zweischiffige  Decanatskirche  mit  schmä- 
lerem Chor,  aus  dem  XIV.  Jahrb.;  vier  Rundpfeiler  trennen  die  Schiffe. 
Der  daneben  befindliche  Kreuzgang  aus  der  Blüthenperiode  des  gothischen 
Stiles  mit  prächtigem  Maasswerk  in  den  BogenOfi^ungen. 

Ilftili  in  Mähren.  Die  dreischiffige  Pfarrkirche  mit  schlanken  Rund- 
pfeilern 13 58  und  später.  Die  daneben  belegene  zweistöckige  Wenzels- 
kapelle, deren  Gewölberippen  im  Obergeschosse  auf  Brustbildern  von  Pro- 
pheten etc.  ruhen ,  mit  einem  ebenfalls  von  einem  Brustbilde  getragenen 
Ziegelthürmchen  am  Westgiebel ;  die  Strebepfeiler  werden  von  einer  um- 
laufenden Galerie  durchbrochen. 

IwetI  im  Kr.  ob  d.  Manhartsb.^)  Der  Chor  der  Cisterzienserkirche 
in  dreischiffiger  Hallenform  mit  Umgang  und  niederem  Kapellenkranz  zwi- 
schen den  Strebepfeilern,  1343  — 1348  an  der  Stelle  einer  älteren  roman. 
Kirche  im  edelsten  Stile  neu  erbaut.  Das  Mittelschiff  schliesst  fflnfseitig, 
der  Umgang  neunseitig  und  der  am  Querschiffe  beginnende  Kapellenkranz 
besteht  aus  13,  am  Polygonschlusse  trapezförmigen  Abtheilungen.  Die  aus 
dem  übereck  stehenden  Viereck  oonstruirten,  mit  je  acht  Rundstäben  von 
dreierlei  Stärke  zwischen  Hohlkehlen  gegliederten,  einen  Laubkranz  tra- 
genden Bündelpfeiler  sind  denen  des  Domes  von  Cöln  verwandt.  Das. 
klare  Fenstermaasswerk  besteht  meist  aus  rein  geometrischen  Elementen. 
Das  Aeussere  zeigt  einfache  Fialehstreben  und  schlichte  Strebebögen.  Das 
nicht  vortretende  Querschiff  und  die  beiden  östlichsten  Langhausjochc  ge- 
hören noch  der  Bauperiode  des  Chores  an,  die  Fortsetzung  ist  spätgoth. 
vom  Ende  des  XV.  Jahrb.  und  der  Westbau  zopfig  1722—1727.  Vcrgl. 
oben  S.  3S3. 


t/  Sacken,  Ed.  v.,  die  Cisterzienserabtei  Zwetl  in  Niederöst.,  in  den  Mittel- 
alter!. Kunstdenkm.  etc.  herausgegeb.  von  G.  Hei  der  etc.  2,  37 — 57  u.  Taf.  7—11. 


Fig.  229.     Elitabethkirche  in  Marburg  (nach  Mottet ). 


IV.  In  Pranken  und  Hessen. 

liitcratnr:   Vergl.  die  oben  S.  387  angefahrten  Schriften  und  Kupfer- 
werlie. 


552  Gothuche  Kirchen 

Vorbemerkung. 

105.  Das  in  der  gothischen  Architektur  von  Hessen  von  ihrem 
frühzeitigen  Beginn  im  XIII.  Jahrhundert  ab  vorherrschende  System 
ist,  vielleicht  im  Zusammenhange  mit  der  Uebergangsbaukunst  West- 
falens (oben  S.  427),  das  des  Hallenbaues  gleich  hoher  Schiffe  mit  ein- 
schiffiger Choranlage,  wodurch  im  Vergleich  mit  der  französisch-rhein- 
ländischen  Gothik,  ungeachtet  der  beibehaltenen  mit  Halbsäulen  be- 
setzten Rundpfeiler,  die  Kirchen  einen  durchaus  eigenthümlichen 
und  specifisch  deutschen  Charakter  annahmen,  und  auch  die  Details 
eine  wesentlich  verschiedene  Bedeutung  erhielten.  Als  Hauptvertre- 
tung dieser  strengen  und  keuschen  Richtung  erscheint  der  1235  be- 
gonnene und  wesentlich  in  einem  Gusse  durchgeführte  edle  Bau  von 
St.  Elisabeth  in  Marburg,  dessen  Vorbild  in  den  Stiftskirchen  von 
Haina  und  Wetter,  in  der  zerstörten  Kirche  von  Grünberg ,  in  den 
Marienkirchen  zu  Frankenberg,  Homberg,  Volkmarsen  und  Marburg 
befolgt  ist.  Die  äussere  Erscheinung  ist  (bei  dem  Wegfall  der  Strebe- 
bögen) einfach,  das  Innere  bei  massiger  Höhe  weiträumig  und  hell 
beleuchtet.  In  der  Stiftskirche  von  Wetzlar  begegnet  sich  während 
der  längeren  Bauzeit  derselben  die  hessische  mit  der  rheinischen  Go- 
thik. —  In  Franken  bietet  fast  nur  Nürnberg  hervorragendere  go- 
thische  Bauwerke  dar,  deren  eigenthünilicher,  zum  Theil  an  Profanar- 
chitekturen erinnernder  Charakter  sich  indess  erst  seit  dem  lebendi- 
geren Aufschwünge  der  Baukunst  unter  der  Regierung  Kaiser  Karl's 
IV.  bekundet,  also  nur  die  Spätzeit ^lmfasst. 

Vergl.  Schnaase,  Kunstgesch.  5,  487  —  493;  5,  577  —  580;  6,  2S9  — 
295.  -  Kugl er,  Gesch.  der  Baukunst  3,  23a— 244;  27(5— 2bü  ;  327  —  337; 
3S2  f.  —  Lübke,  Gesch.  der  Architektur.  3.  Aufl.  S.  54S  ff. 

AbfeM  in  Oberhessen.  Die  Augustinerkirche,  spätgoth .  Hallen - 
bau  mit  nur  einem  (nördl.)  Seitenschiff,  schlanken  achteckigen  Pfeilern 
ohne  Capitälo  und  einfachen  Kreuzgewölben;  der  einschiffig  vorgelegte 
Chor  ist  älter  und  hat  zum  Theil  friihgoth.  Fenstermaasswerk  und  Strebe- 
])feileT  mit  Giebeldächern.  Unter  den  dachlosen  Klostergebäuden  mit 
schmalen  viereckigen  gekuppelten  Fenstern  zeichnet  sich  die  streng  goth. 
(•apitclstube  aus,  die  östlich  mit  drei  pyramidal  gruppirten  Lanzettenfen- 
stern versehen  ist.  —  Die  Hauptkirche  ist  in  ihrem  Langhause  aus 
einer  frühgoth.  Basilikalanlage  später  zur  Hallenkirche  umgeformt:  die 
colossal  dicken  und  kurzen,  mit  vier  Halbsäulen  besetzten  Rundpfeiler  des 
ursprünglichen  Baues  sind  mit  viereckigen  abgekanteten  Pfeilern  Übersetzt, 
die  mit  rohen  viereckigen  Diensten  für  die  Gewölbegurte  versehen  sind. 
Der  1393  begonnene  schlanke  und  viel  höhere  Chor  ist  einfach;  ebenso 
der  1394  begonnene,  oben  in  ein  spätgoth.  Achteck  umsetzende  Thurm 
vor  der  Westfront.    (Vergl.  Lot z  1,  39.) 


in  Franken  und  Hessen.  553 

Ittkach.  Der  1523  vollendete  Chor  (Ritterkapellej  und  die  im  lieber- 
gang  zur  Kenaissance  ausgeführte  mit  drei  oben  achteckigen ,  in  spitze 
durchbrochene  Steinhelme  ausgehenden  Thürmen  gekrönte  Westseite  der 
im  Uebrigen  1735  neu  erbauten  Gumpertikirche,  die  Seitenthürme 
von  1483  und  1493,  der  Mittelthurm  1594  —  1597.  (Eine  Ansicht  des 
Chores  bei  v.  Stillfried,  Schwanenorden  S.  18,  n.  65  und  bei  Sig- 
hart^  Bayer.  Kunstgesch.  S.  475,  der  Westfront  bei  Kallenbach,  Chro- 
nologie U.  Taf.  23.)  —  Die  grossartige  Johann iskir che  ,  deren  reich 
mit  Filialstreben  ausgestatteter  und  von  zwei  Thürmen  flankirter  Chor 
(über  einer  angeblich  frühgoth.  Gruft)  1441  begonnen  wurde;  das  ältere 
Ijanghaus,  im  höheren  Mittelschiff  mit  spateren  Netzgewölben,  hat  mit  den 
niedrigeren  Seitenschiffen  nur  eine  Bedachung. 

iMübergt  Die  obere  Pfarrkirche  u.  1.  Fr.  von  basilikaler  Anlage 
mit  Chorumgang  und  Kapellen  zwischen  den  reich  decorirten  Strebepfei- 
lern und  mit  flachen  Strebebögen  zur  Stütze  des  Hochbaues^  1327 — 1387. 
Das  Innere  ist  verzopft,  das  Langhaus  vöUig  erneuert.  (Chlingensperg, 
das  Königreich  Bayern  2,  107.) 

lajreith.  Die  1438  begonnene  Hauptkirche  mit  niederen  Seitenschif- 
fen, einschiffigem  Chor  und  zwei  Westthürmen,  deren  Oberbau  nach  einem 
Brande  von  1695  zopfig  ergänzt  ist.  Rundpfeiler  mit  Diensten  ohne  Ca- 
pital und  Netzgewölbe.  In  den  Seitenschiffen  eine  durchlaufende  Galerie 
mit  verzierter  Brüstung.  Elegante  Strebepfeiler  und  schlichte  Strebebögen. 

leneck  bei  Bayreuth.    Burgkapelle  von  1480,  Ruine. 

Ireisback  bei  Michelstadt.  Hallenkirche  mit  kräftigen  Pfeilern  und 
einem  1503  erhöhten  Thurm. 

Casgel.  Die  im  XIV.  Jahrh.  erbaute,  im  XVI.  Jahrh.  in  Westen  ver- 
kürzte Brüderkirche,  ein  schlanker  Hallenbau  mit  nur  einem  (nördl.) 
Seitenschiff  und  einschiffigem  Chor,  über  welchem  sich  ein  sechseckiges 
Dachthürmchen  erhebt ;  achteckige  Pfeiler  mit  einfachen  Kopfgesimsen ; 
die  Gewölbegurte  werden  von  Consolen  getragen ,  welche  zum  Theil  aus 
Brustbildern  bestehen .  —  Die  Martinskirche,  Hallenbau  von  1 34 3 — 
1367  mit  einschiffigem  1434  vollendetem  Chor.  Schlanke  mit  Säulenbün- 
deln reich  und  geschmackvoll  gegliederte  Pfeiler  mit  Laubcapitälen ;  ein- 
fache Kreuz-  und  Netzgewölbe.  Zwei  Westtliürme ;  schlichtes  Aeussere. 
(Landau,  Ansichten  S.  1.  —  Details  bei  Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  157f.) 

Creglingei  bei  Rothenburg  a.  d.  T.  Die  zierliche  Herrgottskirche, 
einschiffig  mit  Holzdecke  und  schmälerem  gewölbtem  Chor,  1384  —  1389. 
(Wirtenb.  Franken  HI.  2,  88  und  5,  304.) 

•araMÜlilt.  Der  Chor  der  modern  goth.  Stadtkirche,  vollendet  1500; 
der  unbedeutende  Westthurm  1529.   (Lotz  2,  89.) 

Bettelbach  bei  Kitzingen.  Der  sich  in  grossartigen  Verhältnissen  er- 
hebende, 1489  begonnene  Chor  der  Pfarrkirche,  durch  ^inen  Neubau  völ- 
lig verändert.    Der  nördlich  eingebaute  Thurm  mit  rundem  Treppenhaus. 

Ebnch  unweit  Bamberg.  Die  Westfront  der  Klosterkirche  (oben  S. 
391 )  mit  schöner  Fensterrose  in  entwickelt  goth.  Stil. 

Eichstiiilt«  Der  Hallenbau  des  Langhauses  und  der  niedere  Ostchor 
des  Domes  (oben  S.  391)  mit  Kapellen  zwischen  den  nach  innen  gezogenen 
Strebepfeilern  1365 — 1396.    Die  nördl.  Sacristei,  deren  Sterngewölbe  mit 


554  Gothische  Kirchen 

herabhängendem  Schlusssteine  von  einer  Mittelsftule  ausgeht,  um  1450. 
Der  spätgoth.  Theil  des  Kreuzganges  und  die  brillante  zweischifiige  Se~ 
pultur  der  Domherren  1489  — 1497.  (Sighart,  Bayer.  Kunstgesch.  S. 
477  Fig.  174.) 

Sschwege  a.  d.  Werra.  Die  Marktkirche,  Hallenbau  mit  einschif- 
figem Chor,  begonnen  1450.  Rundpfeiler,  an  denen  sich  die  Rippen  der 
Sterngewölbe  auskragen.  Der  Thurmbau  angeblich  älter.  —  Die  Neu- 
städter Kirche,  der  vorstehenden  ähnlich ,  1378 — 1521.  Rundpfeiler 
mit  vier  Diensten  und  Laubcapitälen ;  reiche  NetzgewOlbe.  Der  einfache 
Westthurm  m it  modernem  Obertheil .    (Lotz  1,  203.) 

VraBkeBberg  a.  d.  Eder.  Die  Pfarrkirche  in  der  Orundform  des 
Kreuzes  mit  polygonisch  schliessenden  Kreuzarmen  und  gleich  hohen  Schif- 
fen 1 286 — 1353.  Niedrige  Rundpfeiler  mit  vier  Diensten  und  schönen  Laub- 
capitälen. Die  Fenster  im  Langhause  zwei-,  im  jüngeren  Chore  dreitheilig 
mit  edlem  Maasswerk.  An  der  Südseite  ein  schönes  Doppelportal ,  über 
der  Westfront  ein  einfach  edler  viergiebliger  Thurm  mit  modernem  Dach. 
(Landau,  Ansichten  S.  25.  —  Details  bei  Ungewitter,  Lehrbuch 
[auf  dem  Umschlage  der  Grundriss]  17  Fig.  461  f.,  18  Fig.  493.  — 
Statz  und  Ungewitter,  Musterbuch  auf  Taf.  146.)  Zwischen  zwei 
Strebepfeilern  des  südlichen  Kreuzarmes  ist  im  un  regelmässigen  Siebeneck 
die  Liebfrauenkapelle ^),  ein  kleines  schlankes  Prachtwerk  mit  rei- 
chem Detail,  wahrscheinlich  bald  nach  Vollendung  des  Hauptbaues^  einge- 
baut,  (v.  Wiebeking,  Baukunde.  Taf.  61.)  Vergl.  Lotz  1,  209. 

VnuikAirl  a.  1.  Der  Dom^),  Hallenkirche,  deren  Chor  (1315  — 
1338)  und  Querschiff  (1346  —  1353)  das  ältere  einfacbe  mit  spätgo- 
thischen  Kapellenanbauten  besetzte  Langhaus  überragen.  Die  vierecki- 
gen, abgekanteten  Pfeiler  mit  vier  Diensten,  ©er  westl.  Prachtthurm ') , 
gegründet  1415,  fortgebaut  bis  1512,  aber  unvollendet  geblieben.  Re- 
stauration seit  1855.  (Moller,  Denkm.  I.  Taf.  59. —  Kallenbach, 
Atlas.  Taf.  52  u.  68.  —  Ungewitter,  Lehrbuch.  Taf.  13.  Fig.  322.) 
—  Die  profanirte  Dominicanerkirche,  einfach  späthgoth.  Hallenbau 
mit  einigen  frühgoth.  Resten.  Rundpfeiler  mit  schlichten  Capitälen.  — 
Die  profanirte  Karmeliterkirche,  spätgothisch,  mit  einer  Kreuzvor- 
lage an  der  Südseite.  —  Die  Leonhardskirche,  ein  fünfschiffiger 
Hallenbau  mit  Emporen  in  den  äusseren  Seitenschiffen,  vollendet  um  1507. 
Achteckige  Pfeiler,  in  den  äusseren  Reihen  mit  Bündeldiensten.  Der  ein- 
schiffige Chor  1434.  —  Die  Liebfrauenkirche,  spätgoth.  HaUenbau 
mit  einschiffigem  Chor.  CapitäUose  viereckige  Pfeiler  mit  abgeschnittenen 
Ecken.  Zwei  schöne  Portale  an  der  Südseite.  —  Die  Nicolaikirche, 
frühgoth.  Hallenbau  mit  nur  einem  (nördl.)   Seitenschiff  und  achteckigen 


1}  Hundeshtfgen,  Bemh.,  der  alten  goth.  Kapelle  zu  Frankenberg  Grund- 
riss, Aufriss  und  Durchschnitt  etc.  1808. 

2)  Römer-Büchner,  B.  J.,  die  Wahl-  und  Krönungskirche  der  deutschen 
Kaiser  zu  St.  Barthol.  in  Frankf.  a.  M.  2  Abth.  1857.  —  Vergl.  Archiv  für  Frankf. 
Gesch.  u.  Kunst.   Neue  Folge.  Bd.  I.  1860. 

3)  Passavant,  J.  D.,  das  Geschichtliche  des  Pfarrthurm-Baues ,  im  Archiv 
für  Frankf.  etc.  I.  3,  2S— 66.  ->  Hessemer,F.  M.,  über  den  hiesigen Pfkrrthurm, 
ebend.  8.  67—74  nebst  2  Taf. 


in  Franken  und  Hessen.  555 

Pfeilern.  Der  Tburm  neben  dem  einspringenden  einschiffigen  Chor  geht 
aus  dem  Viereck  ins  Achteck  über,  mit  modem-goth.  Aufsatz  und  guss- 
eisernem Helm.  —  Die  einschiffige  Peterskirche  mit  schmälerem 
Chor,  geweiht  1452.  —  Die  einschiffige  Weissfrauenkirche^),  nach 
1442,  mit  nach  innen  gezogenen  Streben  und  Sterngewölben;  1856  re- 
staurirt.  —  In  Sachsenhausen :  Die  einpchiffige  Deutschordens- 
kirche ^)  aus  dem  XIV.  Jahrh.  mit  zwei  nOrdlich  angebauten  Kapellen 
von  14S5.  —  Die  Dreikönigskirche,  roh  spätgothisch  mit  nur  einem 
(nördl.)  wenig  niedrigeren  Seitenschiff.  —  Vergl.  Lotz  1,  210  ff. 

MedlNsrg  in  der  Wetterau.')  Die  Stadtkirche,  begonnen  um  1290, 
ein  kreuzförmiger  Hallenbau  mit  theils  runden,  theils  achteckigen  Pfeilern, 
die  mit  je  acht  Diensten  besetzt  sind ,  welche  als  schlanke  Säulchen  vor 
dem  Pfeilerkem  vortreten  und  reiche  Laubcapitäle  tragen.  Eine  durch- 
brochene Dachgalerie;  an  den  Westecken  der  abgewalmten  Kreuzarme 
reich  geschmückte  polygone  Treppenthürmchen ;  die  massenhafte  Westfa- 
cade  mit  zwei  Thürmen,  die  unterwärts  eine  mit  Kreuzgewölben  über- 
spannte offene  Durchfahrt  bilden .  Restauration  1S42  —  1847  (Moller 
I.  Taf.  26  f.  —  Deteils  bei  Statz  und  Unge witter  Taf.  147  Fig.  5  f. ; 
Ungewitter,  Lehrbuch  Taf.  13  Fig.  324  f.)  Vergl.  Lotz,  1,  221. 

hitilar.  Die  Minoritenkirche  mit  nur  einem  (südl . )  Seitenschiffe 
und  einem  einschiffigen  Chor.  Schlanke  runde ,  abwechselnd  achteckige 
Pfeiler  mit  Laubcapitälen ;  erste  Hälfte  des  XIV.  Jahrh.  (Ungewitter, 
Lehrbuch  Taf.  12  Fig,  306;  Taf.  21  Fig.  566.)  —  Der  Kreuzgang  bei 
der  Stiftskirche  und  die  Bonifaciuskapelle  am  nördl.  Kreuzarme  der- 
selben aus  der  2.  Hälfte  des  XIV.  Jahrb.  (a.  a.  O.  Taf.  12  Fig.  303  a; 
Taf.  17  Fig.  442  u.  464.  —  Statz  u.  Ungewitter  Taf.  85  Fig.  10 
—  13.)  Vergl.  Lotz  1,  223  f. 

Cenudei  a.  M.  Einschiffige  Kirche  von  1488;  der  1468  erbaute 
Thurm  mit  von  vier  Eckthürmchen  umgebenem  Helm  zwischen  Chor  und 
Schiff. 

Crekeisteh  unweit  Cassel.  Spätgoth.  Hallenkirche  von  niedrigen  Ver- 
hältnissen mit  einschiffigem  Chor.  Achteckige  Pfeiler  mit  einfachen  Capi- 
tälen  und  Kreuzgewölben.  Die  etwas  niedrigeren  Seitenschiffe  unter  Gie- 
beldächern; vor  der  Westseite  ein  jüngerer  Thurm.    Lotz  1,256. 

firfinherg  bei  Giessen.  FrÜhgoth.  Hallenkirche  von  1 272  in  der  Grund- 
form des  Kreuzes  mit  nicht  vortretendem  Querschiff,  über  dessen  Vierung 
sich  der  viereckige  (1816  eingestürzte)  Hauptthurm  erhob.  Im  Langhause 
jederseits  5  Pfeiler :  die  mittleren  schlicht  rund ,  die  übrigen  mit  je  vier 
Halbsäulen  besetzt.  Einfache  Kreuzgewölbe,  zweitheilige  Fenster.  Zwei 
nicht  ausgebaute  Westthürme.  (Moller  I.  Taf.  29  f.)  Nach  1841  voll- 
ständig abgerissen.  Lotz  1,  261. 

Cr«ts  Stollhein  bei  Hanau.  Kirche  von  1504  mit  etwas  älterem 
Thurm. 


1)  Reife HBtein,  Th.,  die  Weiasfrauenk.  in  Frankf.,  im  Frankf.  Museum. 
1856.  No.  40. 

2)  Gwinner,  die  Deutschordenak.  u.  daa  Deutschherrenhaua  in  Sachsenhau- 
aena.  a.  O.  1861.  No.  195. 

3)  Dieffenbach,  Ph.,  über  AlterthflmeT  in  u.  um  Friedberg.  1829. 


556  Oothische  Kirchen 

laiM  bei  Frankenberg.  Die  Kirche  des  1 196  entstandenen  Cisterzien- 
serklosters  in  Kreuzform,  mit  gerade  geschlossenem  Chor  und  ehemals  mit 
niederen  Abseiten  an  der  Ostseite  der  Kreuzflügel ,  im  romanischen  Stil 
begonnen  und  um  1228  frühgothisch  fortgesetzt  oder  wahrscheinlicher  in 
der  Ostpartie  umgebaut.  Das  Langhaus ,  eine  dreischifiige  Halle  von  9 
Jochen,  ist  frühgothisch  aus  der  2.  Hälfte  des  XIII.  Jahrb.,  die  vier  west- 
lichen Joche  jedoch  aus  der  ersten  Hälfte  des  XIV.  Rundpfeiler  mit  je 
vier  Halbsäulen,  von  denen  indess  die  dem  Mittelschiffe  zugekehrten  nicht 
bis  zum  Fussboden  hinabreichen.  Die  Fenster  sind  zweitheilig ,  die  älte- 
ren mit  Säulchen  besetzt ;  in  der  Ostwand  des  Chores  und  in  der  N'ord- 
wand  des  Querhauses  viertheilige  und  in  der  Westfront  über  dem  schönen 
Portal  ein  sechstheiliges  Prachtfenster ;  in  den  fünf  östlichen  Jochen  der 
Nordseite  zwei  Fensterreihen.  Das  Aeussere  ist  einfach ;  die  schlichten 
Streben  entwickeln  sich  erst  am  Kaffsims  aus  den  unten  zum  Theil  über  G' 
dicken  Bruchsteinmauern.  (Statz,  und  Ungewitter  Taf.  157.  159  — 
166.  Details  auf  Taf.  85.  90.  93  144  f.  und  bei  Ungewitter,  Lehr- 
buch auf  Taf .  1.  3.  5.  15  und  17.)  Der  Kreuzgang  mit  zerstörter  Brun- 
nenkapelle und  die  übrigen  Klostergebäude  grösstentheils  aus  dem  XIII. — 
XIV.  Jahrh.  (Statz  und  Ungewitter  Taf.  157  f.  162  f.  165  f.  und 
171;  Details  bei  Ungewitter,  Lehrbuch  auf  Taf.  4.  10  u.  15.)  Vergl. 
Lotz  1,  265  —  267. 

lalbUldt  bei  Bamberg.  Spätgoth.  Kirche  mit  schönem  Chor  und  Thurm- 
bau,  im  Innern  verunstaltet. 

lassflirt  am  Main.  Die  1 390  gegrtlndete  Pfarrkirche  mit  niederen 
Seitenschiffen,  achteckigen  capitällosen  Pfeilern  und  zwei  Thürmen  zu  den 
Seiten  des  Chores.  —  Die  Ritterkapelle^)  ist  ein  durch  Heideloff 
seit  1856  hergestellter  dreischiffiger  modern  goth.  Neubau;  nur  der  1466 
vollendete  Chor,  an  dessen  Zinnenkranz  230  Wappen  einer  Adelsbrüder- 
schaft auf  Schilden  in  drei  Reihen  angebracht  sind ,  und  der  Westgiebel 
sind  noch  alt. 

lassiech  in  Unterfr.  Die  Marciiskapellc  mit  schönem  Fensterwerk 
1373  —  1407. 

leilsbrMB.  Die  gothischcn  Theile  der  Münsterkirche  (oben  S.  394)  : 
der  spätgoth.  Schluss  des  Hauptchores,  das  verdoppelte  südl.  Seitenschiff 
um  1430,  das  sechseckige  Chorthürmchen  mit  durchbrochenem  Helm  um 
1470,  die  Ritterkapelle  vor  der  Westseite  des  Mittelschiffes. 

leriegeB-.iirach  unweit  Nürnberg.    Spätgoth.  Kreuzgang. 

linnelkrM  bei  Kulmbach.  Die  Kirche  des  1280  gegründeten  Cister- 
ziensernonnenklosters,  einschiffig  frühgothisch  mit  engen  Lanzettenfenstern 
ohne  Maasswerk ;  zopfig  restaurirt.  —  Ein  Flügel  des  1473  begonnenen, 
unvollendeten  (oder  zerstörten)  Kreuzganges,  prachtvoll  spätgoth.  (v.  Still- 
fried, Alterth.  des  Hauses  Hohenzollern.   Heft  2  der  neuen  Folge.) 


1)  Keininger,  N.,  die  Marien-  oder  Ritterkapelle  zu  HansfuTt,  im  Archiv  des 
histor.  Vereins  von  Unterfranken.  XV.  1,  1  —42  nebst  Nachträgen  in  Heft  2  u.  3, 
260  —  294. 


^  in  Franken  und  Hessen.  557 

ItaliebpferteB  bei  Warzburg.  Einschrffige  gerade  geschlossene,  1251 
begonnene  frühgotb.  Cisterziensernonnenkirche  und  spätgotb.  Kreuzgang. 

lefj^elsnar  unweit  Cassel.  Die  Marienkirche  in  der  Neustadt,  drei- 
schiffiger  Hallenbau  mit  dicken  Rundpfeilem  ;  der  einschiffige  Chor  begon- 
nen 1414,  der  Westthurm  1341,' im  Obertheil  1460.    Lotz  1,  305. 

lenberg  bei  Fritzlar.  Edel  gothische  Hallenkirche  mit  einschiffigem 
Chor.  Die  schlanken  Rundpfeiler  sind  mit  je  vier  Halbsäulen  besetzt.  Das 
südliche  Seitenschift'  ist  um  mehr  denn  die  Hälfte  breiler  als  das  nördliche, 
welches  auch  viel  kleinere  Fenster  hat.  Der  aus  der  Westfront  hervortre- 
tende 1374  begonnene  Thurm  enthält  ein  sehr  reiches  Doppelportal  (St atz 
und  Ungewitter  Taf.  155  f.)  und  bildet  die  Vorhalle  der  Kirche.  Lotz 
l,  307. 

IniieBhaaseB  bei  Cassel.  Hallenkirche  mit  achteckigen  Pfeilern ,  be- 
gonnen 1409,  der  unsymmetrisch  angesetzte  einschiffige  Chor  1443.  (Un- 
gewitter.. Lehrbuch  Taf.  9  Fig.  242  f.,  13  Fig.  333,  15  Fig.  389,  20 
Fig.  563.)    Vergl.  Lotz  1,  314. 

IpWen  in  Mittelfranken.  Spätgothische  Hauptkirche  1495  — 1524; 
Gewölbe  1581. 

Kitliagen  unweit  Würzburg.  Die  dreischiffige  Pfarrkirche  mit  capitäl- 
losen  achteckigen  Pfeilern  und  Netzgewölben.  Der  einschiffige  Chor  von 
1400.  Die  brillante  Empore  auf  der  Südseite  des  Langhauses  1487.  Schöne 
Portale.    Sacristei  von  1522. 

Kilnback.  Die  Petrikirche,  dreischiffige  Halle  mit  einschiffigem,  1439 
begonnenem  Chor ;  die  Gewölbe  durch  Brand  zerstört. 

LMgenstelil  bei  Marburg.  Der  spätgoth.  Chor  der  modernen  Kirche, 
mit  einem  Netzgewölbe  überspannt ,  dicht  unter  welchem  noch  ein  zweites 
Maschen  werk  schwebend  angebracht  ist.  (Ungewitter,  Lehrbuch  S.  148 
und  Taf.  11  Fig.  280.) 

Langeuenn  unweit  Nürnberg.  Klosterkirche  aus  dem  XIV.  und  XV. 
Jahrhundert  mit  Netzgewölben  und  schönen  Bildconsolen  und  Schluss- 
steinen. Kreuzgang  (1407)  und  Klostergebäude  aus  gleicher  Bauzeit. 
(Eberlein,  Rangaualbum  Bl.  7.) 

Laideobaeh  bei  Weikersheim  im  würtemb.  Franken.  Die  stattliche, 
1412  begonnene  Bergkirche  mit  zwei  Thürmen  zu  den  Seiten  des  Chores. 

LelienfeM  in  Mittelfranken.    Dreischiffige  Kirche  1446 — 1468. 

Llditeiai  unweit  Cassel.  Spätgothische  Hallenkirche  mit  nur  einem 
(nördlichen)  SeitenschiflT,  einschiffigem  Chor  und  rohem  Westthurm.  Acht- 
eckige, an  den  beiden  Frontseiten  mit  Halbsäulen  besetzte  Pfeiler  und  ein- 
lachen (j etzt  hölzernen)  Kreuzgewölben .    Lotz  1,378. 

Lichtenfels  in  Oberfranken.  Flach  gedeckte  spätgothische  Hallenkirche 
mit  einschiffigem  Chor  und  niedrigem  Thurm  a^  der  Südseite,  dessen  Helm 
mit  vier  Holzthürmchen  umgeben  ist. 

Lehr  in  Unterfranken.  Der  Chor  der  Kirche  (oben  S.  395)  aus  dem 
XV.  Jahrhundert,  der  hohe  Thurm  mit  der  Jahreszahl  1496. 

■arbirg.    Die  Deutschordenskirche  St.  Elisabeth^)  in  der  Grund- 


1)  (Lange ^  J.  F.)  die  Kirche  der  h.  Elisabeth  zu  Marburg,  im  KunBtbl.  1847 
206  ff.  Vergl.  D.  Kunstbl.  1854  S.  348;  Frankf.  Museum.  185S.  No.  34. 

0 1 1  e ,  Kunst- ArcliAoIngie.  96 


558  Gothische  Kirchen 

form  des  Kreuzes  und  mit  zwei  hochschlanken  Westthürmen,  begonnen 
1235,  geweiht  1283,  aber  1314  noch  nicht  vollendet*)  :  klassisches  Bei- 
spiel des  früh  -  und  strenggothischen  Stils ,  wohl  das  erste  gothische  Kir- 
chengebäude mit  Schiffen  von  gleicher  Höhe ;  die  Frontseiten  der  Kreuz- 
flügel, wie  der  Chor  selbst,  fünfseitig  geschlossen ;  die  Schiffe  durch  Rund- 
pfeiler getrennt ,  welche  mit  je  vier  Halbsäulen  besetzt  sind;  die  Pfeiler 
der  Vierung  mit  1 6  Diensten  von  dreifach  verschiedener  Stärke ;  die  zwei- 
theiligen Säulenfenster ,  im  Bogenfelde  meist  nur  mit  einem  Steinringe  ge- 
füllt, stehen  in  zwei  Reihen  übereinander.  Aeusserlich  führen  zwei  von 
den  weit  ausladenden  Kaffsimsen  gebildete  unbewährte  Umgänge  um  das 
Gebäude  und  durchbrechen  die  einfachen,  am  Kranzgesimse  wagerecht  en- 
denden Strebepfeiler,  welche  über  den  Oberfenstern  durch  Blendbögen 
verbunden  sind.  Die  den  reicheren  ,  mit  einem  Prachtportale  geschmück- 
ten Zwischenbau  flankirenden  Thürme  ruhen  innerlich  auf  mächtigen,  nur 
sparsam  mit  Diensten  besetzten  Rundpfeilern.  Die  Kirche  ist  von  Lange 
vortrefilich  restaurirt.  (Moller  11.  Taf.  1 — 18.  —  Förster,  Denkm.  2, 
19—24  u.  3  Taf.  —  Vergl.  oben  S.  482  Fig.  201  u.  S.  551  Fig.  229.) 

Die  Dominicanerkirche,  Hallenbau  mit  nxir  einem  (nördlichen) 
Seitenschiff,  Rundpfeilern  mit  schlichten  Capitälen  und  Holzdecke;  der 
Chor  ist  höher  und  gewölbt;  XIV.  Jahrh.  —  Die  Kugelkirche,  ein  zier- 
licher einschiffiger  Bau  mit  zwei  niedrigeren  rechteckigen  Seitenkapellen, 
1477.  Die  mehrstöckigen  Propsteigebäude  von  1491.  —  Die  Marien- 
kirche^), deren  frühgothischer  Chor  1297  geweiht  ist;  die  dreischiffige 
Halle  des  Langhauses  nach  dem  Schema  der  Elisabethkirche,  aber  mit  ge- 
ringerer Pfeilerhöhe  bei  grösserer  Jochbreite,  XIV.  Jahrh. ;  die  unvollen- 
dete Westseite  mit  dem  Thurm  1452  im  Bau  begriffen.  Der  Chor  scheint 
ursprünglich  für  sich  bestanden  zu  haben  mit  westlichem  Polygonschluss. 
(Detail  bei  Ungewitter,  Lehrb.  Taf.  27  Fig.  639.)  —  Die  Michaelis- 
kapelle  (westlich  von  St.  Elisabeth),  einschiffig  im  frühgothischcn  Stil.  — 
Die  einschiffige  Schlosskapelle ^),  östlich  und  westlich  polygonisch  ge- 
schlossen ,  mit  kleinen  zum  Theil  ausgekragten  dreiseitigen  Ausbauten  zu 
den  Seiten,  in  edel  gothischem  Stil,  geweiht  1288.  (Details  bei  Statz  und 
Ungewitter  Taf.  29—31.)  —  Vergl.  über  Marburg  Lotz  1,  422  ff. 

lekugea  a.  d.  Fulda.  Schlichte  Hallenkirche  mit  einschiffigem  Chor, 
1415  —  25*  Rundpfeiler  mit  Kopfgesimsen  und  einfache  Kreuzgewölbe. 
Lotz  1,  438. 

■IchebUlilt  bei  Erbach.  Einfache  spätgoth.  Hallenkirche  mit  einem 
Thurm  an  der  Seite. 

lorschen  (Alt-)  bei  Melsungen.  Einschiffige  Cisterziensernonnenkirche 
mit  dreiseitigem  Schluss,  Lanze ttfenstem  und  Westempore  über  einer  zwci- 
-schiffigen  Halle.    Der  Kreuzgang  aus  dem  XVI.  Jahrhundert.   Lotz  1,  46. 

NeikirclieB  unweit  Hersfeld.   Hallenkirche  mit  einschiffigem  Chor  und 


1)  Vergl.  Strehlke,  in  der  Zeitschr.  für  Archäol.  u.  Kunst  2,  181. 

2)  (Creuzer,  F.)  Beitrag  zu  einer  Gesch.  u.  Beschreib,  der  luther.  Pfarrkirche 
in  Marburg.   1827. 

3)  Dehn-Rotfelser,  H.y.,  die  Schlosskapelle  und  der  Rittersaal  des  Schlos- 
ses zu  Marburg,  als  Lief.  1  der  mittclalterl.  Baudenkm.  in  Kurhessen.   1SK2. 


in  Franken  und  Hessen.  559 

später  angebauten  Kreuzarmen,  llundpfeiler  mit  vier  Diensten  ohne  Capi- 
täle.    Lotz  l,  467. 

Niest«  bei  Cassel.  Einschiffige  spätgoth.  Kirche  mit  Holzdecke  und 
gewölbtem  quadratischen  Chor.    (Ungewitter,  Lehrb.  Taf.  19  Fig.  543.) 

Fiürilberg. ')  Die  Lorenzkirche,  ^]  deren  Langhaus  mit  niedrigen 
Abseiten  von  reich  gegliederten  Pfeilern  getragen  1403  erweitert  wurde, 
ist  an  der  in  französischer  Weise  durch  Horizontallinien  getrennten,  von 
zwei  massigen  Thürmen  flankirten  Westfront  (1274  —  80)  mit  einem  herr- 
lichen Rundfenster,  einem  Prachtportal  und  mit  Sculpturen  reich  geschmückt. 
Der  Chor,  um  welchen  sich  zwei  gleich  hohe  Seitenschiffe  ziehen  1439 — 77. 
(Gailhabaud,  Denkm.  Bd.  3  No.  5.  —  Kallenbach,  Chronologie  11. 
Bl.  10  f.  —  Wolff,  Gedenkb.  Taf.  1—5.  —  Heideloff ,  Baudenkm. 
Hit.  l  Taf.  4—6.  —  Förster,  Denkm.  3,  47  f.  u.  2  Taf.)  Der  in  sei- 
nem oberen  Theile  vor  einigen  Jahren  durch  den  Blitz  eingeäscherte  nörd- 
liche Thurm  ist  seitdem  wesentlich  nach  dem  alten  Muster  wieder  herge- 
stellt.—  Der  reiche  Ostchor  der  Sebaldskirch  e'*)  (1361 — 77)  mit  drei 
Schiffen  von  gleicher  Höhe  und  Breite  wird  von  schlanken  Pfeilern  getra- 
gen, deren  Gliederungen  sich  unmittelbar  in  die  Gewölberippen  fortführen  ; 
von  den  Thürmen  ist  der  südliche  im  J.  1300^  der  nördliche  1345  ange- 
fangen worden.  (Heideloff  a.  a.  O.  Taf.  1 — 3.  —  Kallenbach  a.  a.  O. 
L  Bl.  18  u.  II.  Bl.  14.  —  Wolff  a.  a.  O.  Taf.  21.  36—40.  —  Förster 
a.  a.  O.  4,  25  —  30  u.  4  Taf.)  Vergl.  oben  S.  30  Fig.  6  u.  S.  397.  — 
Die  Frauenkirche  (»U.  1.  Fr.  Saal,«  gestiftet  von  K.  Karl  IV.)  1355— 
1361  mit  höchst  malerischer  und  eigenthümlicher,  von  dem  üblichen  Kir- 
chenstil abweichender  Westfront ;  das  Innere  zerfällt  in  ein  dreischiffiges, 
von  je  zwei  schlichten  Rundpfeilern  getragenes  Langhaus  und  den  im  hal- 
ben Achteck  geschlossenen  Chor  von  der  Breite  des  Mittelschiffes.  (Hei- 
deloff a.a.O.  I.  Taf.  9  f.  —  Kallenbach  a.a.O.  I.  Bl.  17.  —Wolff 
a.  a.  O.  Taf.  16  —  20.)  —  Von  den  übrigen,  früher  viel  zahlreicheren, 
minder  bedeutenden  kirchlichen  Gebäuden  sind  zu  nennen :  zwei  Kapellen 
bei  der  1711 — 18  neu  erbauten  Aegidienkirche  aus  dem  XIV.  und 
XV.  Jahrb.,  die  aus  einem  romanischen  Bau  1428  gothisch  erneuerte  Cla- 
rissenkirche  (Wolff  a.a.  O.  Taf.  48),  die  Karthäuserkirche  1382 
—  83  mit  den  Kreuzgängen  etc.  (Ebd.  Taf.  8.  Vergl.  oben  S.  92),  die 
Kirche  auf  dem  Johanniskirchhofe  mit  zierlichem  Chor  von  1427,  die 


1)  Hilpert,  J.  Wolfg.,  Nürnbergs  Merkwürdigkeiten  u.  Kunstschätze.  1S31  f. 
—  Heideloff,  C,  Nürnberger  Baudenkmale  der  Vorzeit.  I83S.  —  Rettberg, 
R.  V  ,  Nürnberger  Briefe.  1S46.  —  Wolff,  J.  G.,  Nürnbergs  Gedenkbuch.  Eine 
vollständ.  Samml.  aller  Baudenkmule  etc.  1843  etc.  —  Dasselbe,  Kupfererklärung 
von  F.  Mayer.  1847.  —  Mayer,  F.,  die  interessantesten  Chörlein  an  Nürnbergs 
mittelalterl.  Gebäuden.  1847.  —  Wagner,  Fr.,  Nürnberger  Bildhauerwerke  des 
M.  A.  1847  etc.  —  Rettberg,  R.  v.,  Nürnbergs  Kunstleben  in  seinen  Denkm.  dar- 
gestellt. 1854.—  Baader,  J.,  Beitrage  zur  Kunstgesch.  Nürnbergs.  2  Hfte.  1S60 
u.  62.  —  Mayer,  F.,  Nürnberg  u.  seine  Merkwürdigkeiten.  .'<.  Aufl.  von  G.  W.  C. 
Lochner.   IBöl. 

2)  Hilpert,  J.  Wolfg.,  die  K.  des  h.  Laurentius  (llft.  I  der  Merkwürdigkeiten 
etc.)  1831.  —  Vergl.  Augsb.  Postztg.  ISö8.  No.  109. 

3)  Mayer,  M.  M.,  die  K.  des  h.  Sebaldus  (Hft.  2  der  Merkwürdigkeiten  etc.) 
1832,  —  Vergl.  Augsb.  Postztg.  1S5S.  No.  123  f. 

36* 


560  GothiBche  Kirchen 

heil.  Kreuzkapelle  1390,  die  Moritzkapelle  (Bildergalerie)  1354,*) 
dieNicolaikapelle  14S2,  die  Rochuskapelle  1519,  die  heil.  Grab- 
kapelle im  Spital  1459  —  sämmtlich  einschiffig;  dreischiffig  mit  niede- 
ren Seitenschiffen  die  Katharinenkirche  aus  dem  XIV.  Jahrh.  und  die 
1487  erweiterte  Spitalkirche.  Von  dem  alten 'Bau  der  1283  gegründe- 
ten, 1824  und  25  erneuerten  Jacobikirche^)  Iflast  sich  mit  Bestimmtheit 
nichts  mehr  ermitteln. 

VcksenAirt  unweit  Würzburg.  Die  Pfarrkirche,  dreischiffiger  Hal- 
lenbau mit  einschiffigem  Chor ,  angeblich  edel  -  gothisch  ;  einige  Kapellen 
spätestgoth.  verändert.  Die  einschiffige  Michelskirche  auf  dem  Kirch- 
hofe (mit  Gruft),  ein  zierlicher  Bau  mit  schöner  Empore  und  mit  Netz- 
gewölben, begonnen  1440.  —  Die  Spitalkirche  von  1499,  einschiffig 
mit  Holzdecke ;  der  Chor  mit  Rautengewölbe.    Ein  schönes  Portal. 

Raiisdieiiberg  unweit  Marburg.  Kirche  von  1508  mit  nur  einem 
(nördlicben)  Seitenschiff  und  einschiffigem  Chor.  Viereckige  Pfeiler.  Lotz 
1,  513. 

Eeth  am  Sand  (Mittelfranken).  Massenhafte  Hallenkirche  mit  Thurm 
1511,  im  Innern  entstellt. 

Rotenbug  a.  d.  Fulda.  Die  Altstädter  Pfarrkirche,  spätgoöi. 
Hallenkirche  mit  nur  einem  (nördl.)  Seitenschiff  und  einschiffigem  Chor. 
Achteckige  Pfeiler ;  Thurm  an  der  Nordseite ,  und  südlich  polygonisch  ge- 
schlossene Sacristei  an  der  Südseite  des  Chores.  —  Die  Stiftskirche 
(1370  —  1511)  mit  zwei  Westthürmen,  im  Innern  grässlich  entstellt.  Vergl. 
Lotz  1,  526. 

Rotkabirg  a .  d .  Tauber .  ^)  Die  doppelchörige  Jacobikirche^j  1373 
— 1453;  der  älteste  Theil  ist  der  reich  geschmückte  Ostchor  (früher  mit 
Strebebögen)  mit  zwei  Thürmen  zu  Anfang  desselben ;  das  Langhaus  hat 
niedrige  Seitenschiffe  und  wird  von  je  sechs  reichgegliederten  Pfeilern  ge- 
tragen,  von  denen  die  Gewölberippen  palmenartig  ausgehen ;  der  späteste 
Theil  ist  der  Westchor,  welcher,  da  unter  demselben  eine  Strasse  hindurch- 
führt, um  38  Stufen  höher  liegt  als  der  übrige  Fussboden.  Restaurirt. 
(v.  Wiebeking,  Baukunde.  Taf.  61.)  —  Die  (profanirte)  Francisca- 
nerkirche  und  die  spätgothische  Wallfahrtskapelle,  beide  mit  aus- 
gekragten Thürmchen.    (Letztere  bei  Kallenbach,  Atlas.  Taf.  27.) 

Scliaalkaldeil.  Die  Stadtkirche,  mit  Ausnahme  des  älteren  west- 
lichen Unterbaues  1413  —  1509 ,  Hallenkirche  mit  einschiffigem  Chor  und 
zwei  Westthürmen.  Die  achteckigen  Pfeiler  des  Langhauses  sind  an  der 
Vorderseite  mit  runden  Diensten  besetzt.  Reiche  Netz-  und  Sterngewölbe. 
—  Von  der  Spitalkirche  existirt  nur  noch  der  spätgoth.  Chor  und  die 
Sacristei.  —  Lotz  1,  541  f. 

Sdiwabach  unweit  Nürnberg.  Die  Stadtkirche  (1469 — 95)  mit  niede- 
ren Seitenschiffen ,  aber  ohne  Oberlichter  und  unter  einem  Dach.  Rund- 
pfeiler mit  ausgekragten  Diensten.    Einschiffiger  Chor ;  Westthurm. 


1)  Bei  k.  Bildersaal  in  der  Moritokap.  zu  Kümberg.  Mit  Abbild.  (1829)  5.  Aufl. 
1841. 

2)  L  ö  s c  h ,  J.  Ch.  E. ,  Gesch.  u.  Beschreib,  der  K.  zu  St.  Jakob  in NOmberg.  1 825. 

3)  Bansen,  Kurze  Beschreib,  u.  Gesch.  der  Stadt  Rothenburg  ob  d.  T.   1856.  | 
4}  Die  Pfarrk.  St.  Jacob  in  Rothenburg,  in  der  N.  Münchener  Ztg.  1857.  No.  134.' 


in  Franken  und  Hessen.  5g{ 

SchweiBfirt  Die  gothischen  Theile  der  Pfarrkirche  (oben  S.  398): 
der  1411  geweihte  Chor  und  das  basilikale  Langhaus  mit  achteckigen  Pfei- 
lern und  grosser  Westempore  1520. 

Schweiuberg  bei  Marburg.  Spätgoth.  Hallenkirche  mit  einschiffigem 
Chor  und  rundem  Treppenthurm  an  dessen  Nordwestecke.  Achteckige 
Pfeiler  mit  Diensten  an  der  Vorderseite  und  Netz-,  zum  Theil  Stemgewölbe. 
Lotz  1,  549. 

SMtra  in  Niederhessen.  Die  Georgskirche  mit  nur  einem  (südlichen) 
Seitenschiff,  welches  von  dem  gleich  hohen  Mittelschiffe  durch  schlichte 
Rundpfeiler  getrennt  wird,  1483 — 93.    Lotz   1,  562. 

SpaBgeaberg  unweit  Cassel.  Die  spätgoth.  Stadtkirche,  ein  niedri- 
ger dreischiffiger  Hallen  bau;  dem  höheren  Chore  jedoch  fehlt  das  nördl. 
Seitenschiff.  Die  Pfeiler  sind  auf  der  Nordseite  achteckig,  auf  der  Südseite 
rund.  Der  viergiebelige  Westthurm  mit  spitzem  Helm ;  neben  demselben 
eine  mit  dem  nörälichen  Seitenschiffe  verbundene  Kapelle  von  1421.  — 
Die  (profanirte  und  innerlich  verbaute)  Karmeliterkirche,  eine  schlichte 
Hallenkirche  von  1486  mit  nur  einem  nördlichen  Seitenschiff  und  einschif- 
figem Chor.  Pfeiler  achteckig.  —  Die  einschiffige  Spitalkirche,  spät- 
gothisch.    Lotz   1,  563. 

Stalfeb^eiB  in  Oberfranken.  Spätgoth.  Kirche,  deren  »hochzierlicher« 
Thurm  vier  Eckthürmchen  hat. 

Stansebaeli  bei  Marburg.  Thurmlose  spätgothische  Hallenkirche  mit 
einschiffigem  Chor  und  sehr  schmalen  Seitenschiffen.  Dicke  Kundpfeiler. 
Lotz   1,  567. 

Taiberbischofshein  unweit  Wertheim.  Die  1474  begonnene  Sebastians- 
kapelle (mit  Gruft) ,  auf  deren  Strebepfeilern  Figuren  sitzen. 

Trejsa  in  der  Grafschaft  Ziegenhain .  Die  spätgoth .  Dominicaner- 
kirche mit  nur  einem  (südl.)  Seitenschiff,  welches  von  dem  gleich  hohen 
Hauptschiff  abwechselnd  durch  runde  und  achteckige  Pfeiler  getrennt  wird. 
Der  Chor  ist  einschiffig.  —  Der  edel -gothische  Chor  der  Stiftskirche 
(oben  S.  399)  mit  schön  gegliederten  schmalen  Fenstern.  (Details  in  ün- 
gewitter,  Lehrbuch  Fig.  383  und  bei  St  atz  u.  Ungewitter  auf  Taf.  89 
u.  115.  —  Die  einschiffige  Spitalkirche  von  1401,  mit  einem  vorge- 
kragten  zierlichen  Polygonthürmchen  am  Westgiebel.    Lotz  1,590. 

Tickelhtueil  bei  Ochsenfurt.  Die  einschiffige  Karthäuserkirche  in 
Kreuzform. 

V^lkach  in  Unterfranken .  Die  Pfarrkirche,  Hallen  bau  von  1472; 
der  CTxor  mit  Netzgewölben  1413;  der  hohe  Thurm  an  der  Nordseite  des 
letzteren ,  begonnen  1512.  Die  T  o  d  t  e  n^k  a  p  e  1 1  e ,  zierlich  spätgoth .  mit 
zopfigem  Chor.  —  Die  Kapelle  auf  dem  Kirchberg  mit  schönen  Portalen. 
Der  Chor  mit  Netzgewölben  ,  das  Schiff  mit  Holzdecke ;  die  Empore  von 
1492. 

Velknarsen  unweit  Cassel.  Die  frühgoth.  Marienkirche,  dreischiffiger 
Hallenbau  von  niedrigen  Verhältnissen  mit  einschiffigem  quadratischem 
Chor.  Starke  Rundpfeiler  mit  reichen  Laubcapitälen  an  den  acht  Diensten, 
von  denen  die  vier  schwächeren  nicht  bis  unten  hinabreichen.  Zwei  reiche 
und  zierliche  Portale.  Der  unten  mit  der  Kirche  verbundene  mächtige 
Westthurm  hat  ein  frühgoth.  Obergeschoss.     (Details  in  Ungewitter, 


562  Gothische  Kirchen 

Lehrbuch  auf  Taf.  1.12.  14—17  und  bei  Statss  u.  Unge  wi  tter  Taf.  143 
u.  153.)   Restaurirt  1857.  Vcrgl.  Lotz  1,  607. 

Wehrshausen  bei  Marburg.  Einschiffige,  dreiseitig  geschlossene  Kirche, 
gestiftet  1339;  auf  dem  nach  allen  Seiten  abgewalmtcn  steilen  Dach  ein 
übereckstehendes  Thü r mchen .    Vergl .  Lotz  1,  616. 

Weilbnrg  a.  d.  Lahn.  Die  ausserhalb  der  Stadt  belegene  Heil.  Grab- 
kapelle, *)  ein  äusserlich  achteckiger ,  innen  runder  Centralbau  mit  einer 
Empore  über  dem  Umgange,  und  dieser,  wie  jene,  mit  halbem  Tonnen- 
gewölbe gedeckt.  Die  Details  in  nüchternen  Spätformen  entsprechen  der 
über  dem  Eingange  angebrachten  Jahreszahl  1505  und  weisen  auf  Umbau 
oder  Nachahmung  einer  alten  romanischen  Anlage  hin. 

Weiseheafeld  unweit  Bayreuth.  Die  Johanniskirche ,  deren  Chor  von 
1550  ein  Beispiel  spätester  Gothik  ist. 

Weisseiibvg  unweit  Eichstädt.  Die  Stadtkirche  St.  Andreas,  eine  spät- 
gothische  Hallenkirche  mit  Thurm  neben  dem  Chor,  enthält  noch  interes- 
sante Theile  eines  frühgothischen  ,  1327  geweihten  Baues ,  besonders  das 
südliche  Portal. 

Verthein.  Der  gothische  Umbau  des  Langhauses  der  Pfarrkirche  (oben 
S.  399)  seit  1384  ;  der  Chor  mit  reichem  Fenstermaasswerk  begonnen  1388. 

Wetter.  Die  einfach  edel  frühgoth.  Kirche^)  des  Jungfrauenstiftes,  ein 
dreischiffiger  Hallenbau  in  der  Grundform  des  Kreuzes  mit  einschiffigem, 
im  halben  Zehneck  geschlossenem  Chor.  Rxindpfeiler  mit  vier  Halbsäulen 
und  Knospenstengelcapitälen ;  die  Strebepfeiler  sind  halb  nach  innen  ge- 
zogen und  hier  durch  Tonnenwölbungen  mit  einander  verbunden.  Die  zwei- 
theiligen Fenster  mit  einem  grossen  Dreipass  im  Bogenfelde.  Der  hohe 
Thurm  vor  der  Westseite,  begonnen  1506.  (Statz  und  Ungewitter 
Taf.  172 — 175:  viele  Details  bei  Ungewitter,  Lehrbuch  auf  den  Taf.  4, 
9-_ll,  17,  19,  22,  25  u.  28.)    Restaurirt. 

Vetlltr.  Die  Stiftskirche,  ^)  ein  origineller  dreischiffiger  Hallenbau  in 
der  Grundform  des  Kreuzes  mit  einschiffigem  Chor.  Letzterer  besteht  aus 
zwei  Hälften  von  ungleicher  Breite,  aber  mit  ganz  gleichmässig  behandelten 
frühgoth.,  zum  Theil  noch  romani sirenden  Details:  über  den  zweitheiligen 
Fenstern  zw^ischen  den  Strebepfeilern  ein  Consolengesims  und  spitze  Giebel 
mit  dreitheiligen  romanisirend  tlbergangsartigen  Arkade nöfinungen .  Etwas 
jünger  ist  der  südliche  Kreuzarm  mit  viereckigen  Thürmchen  auf  den  Ecken, 
aber  ebenfalls  noch  mit  Uebergangselementen ;  dann  folgt  das  südl.  Seiten- 
schifiT,  dessen  Rundpfeiler  mit  vier  Halbsäulen  für  die  Hauptgurte  und 
zwischen  diesen  mit  Consolen-getragenen  Dienstansätzen  für  die  Kreuzgurte 
versehen  sind :  ein  Portal  dieser  Seite  zeigt  dagegen  noch  den  romanisiren- 
den  Rundbogen.  Der  nördliche  Kreuzarm  und  der  Ansatz  des  Schiff*es  die- 
ser Seite  zeigt  eine  reich  entwickelte  rheinländische  Gothik.  xind  das  Uebrige 
ist  in  den  jüngeren  Formen  der  Spätzeit  des  XIV.  Jahrh.  ausgeführt.  Von 
den  beiden .   innerlich  auf  reich  gegliederten  Pfeilern  ruhenden  Westthür- 


1)  Görz,  K.,  die  Heiliggrabkap.  zu  Weilburg,  in  L.  Försters  AUgem.  Bauztg. 
1845.  S.  2S4— 291  nebst  2  Taf. ;  vergl.  Denkm.  aus  Nassau.  Hft.  1.  Taf.  5. 

2)  Döpping,  F.,  die  Kirche  zu  Wetter  in  Oberhessen.   1*^R0. 

3)  Vergl.  Wigand,  Paul,  Wetzlarsche  Beitr.  für  Gesch.  etc.  1,  303—336. 


in  Franken  und  Hessen.  563 

men  (1336 — 1423)  ist  der  nördliche  nur  im  Unterbau  vorhanden.  Hinter 
denselben  befindet  sich  der  oben  S.  399  erwähnte  Westbau  einer  viel  klei- 
neren älteren  Kirche  im  Innern  der  jetzigen.    (Kugler,  Kl.  Sehr.  2,  165 

—  177.  —  Ungewitter,  Lehrbuch,  auf  Taf.  14,  17,  25  f.) 

Witienhtliseil  unweit  Cassel.  Die  Stadtkirche  (angeblich  1404)  mit 
gegliederten  quadratischen  Pfeilern  und  Laubsimsen  scheint  ein  überhöhtes 
Mittelschiff  ohne  Oberlichter  gehabt  zu  haben,  ist  aber  jetzt  mit  einer  Holz- 
decke versehen;  der  sehr  hohe  Chor  ist  mit  einfachen  Kreuzgewölben  über- 
spannt. —  Die  einschiffige,  flachgedeckte,  schmucklos  spätgothische  Hos- 
pitalkapelle mit  zierlichem  Westthürmchen ;  seit  1859  restaurirt.  (Zeit- 
schr.  des  Vereins  für  hess.  Gesch.  4,  118.)   Vergl.  Lotz  1,  636. 

Wolfbageil  unweit  Cassel.  Frühgoth.  Hallenkirche  von  sehr  niedrigen 
Verhältnissen  mit  einschiffigem  Chor  von  1420  und  Westthurm  von  1303. 
Rundpfeiler  mit  vier  rechtwinkeligen  Vorlagen  von  sehr  alterthümlicher 
Erscheinung,  theilweise  mit  attischen  Basen  und  Capitälen  mit  mannich- 
faltigem  Blattwerk.  Zierliche  Säulenportale  an  den  Seitenschiffen  und  am 
Thurm  (Statz  und  U  ngewitter  auf  Taf,  150  u.  152).  —  Die  zierliche 
heil.  Leichnamskapelle  vor  der  Stadt,  geweiht  1337,  jetzt  Scheuer. 

—  Vergl.  Lotz  l,  638. 

WttBsiedel  in  Oberfranken.  Es  steht  noch  der  Chor  der  Stadtkirche 
von  1476,  die  zierliche  Spitalkirche  von  1451,  die  einschiffige  Got- 
tesackerkirche von  1477  und  von  der  Katharinenkirche  auf  dem 
Berge  der  rohe  Thurm  von  1462  und  das  Mauerwerk  von  1457. 

Wunbnrg.  (Vergl.  oben  S.  399.)  Chor  und  Querschiff  der  Burchar- 
dikirche  1194 — 97.  —  Die  Deutschhauskirche,  einschiffiger  edler 
Bau  mit  Westempore ,  um  1288.  —  Die  Gewölbe  des  Domes  1498  — 
1502,  der  Kreuzgang  1424 — 59,  das  Capitelhaus  um  1490.  —  Die  Lieb- 
frauenkirche,*) ein  schlanker  dreischiffiger  Hallenbau  (vollendet  1441) 
mit  einschiffigem  Chor  (1377-^92)  und  1479  vollendetem  Thurm  nördl. 
neben  der  Westseite.  Sehr  hohe  achteckige  Pfeiler  mit  je  vier  Baldachinen 
und  zwei  Diensten  l'ür  die  Stdrnge wölbe.  Der  ganze  Bau  von  grosser  An- 
muth  und  Zierlichkeit.  (Kallenbach,  Atlas.  Taf.  72.)  —  Die  um  1257 
erbaute  Minoritenkirche,  eine  früh gothi seh e  ,  erst  1680  überwölbte 
Hallenkirche  mit  einschiffigem  gerade  geschlossenem  Chor.  Rundpfeilcr 
mit  Kelch  capitälen  und  schweren  achteckigen  Deckgesimsen.  Die  Fenster 
zum  Theil  verunstaltet.  Vom  Kreuzgange  sind  zwei  Flügel  frühgothisch 
mit  dreitheiligen  StichbogenÖffnungen ;  der  Nordflügel  aus  dem  XIV.,  der 
Südflagel  aus  dem  XV.  Jahrhundert.    Lotz  2,  595. 

Ziereaberg  bei  Cassel.  Hallenkirche  von  1436  mit  einschiffigem  Chor 
und  Thurm  vor  der  Westseite.  Rundpfeiler  mit  schlichten  Capitälen  und 
einfache  Krexizgewölbe.    Lotz   1,649. 

1)   Himmelsteiu,  Fz.  X.,  Gesch.  der  Marienkap.  in  Wttrzburg. 


Vig.  230.     Dom  zu  Magdeburg. 


V.  In  Thüringen  und  Sachsen. 

Literatur:   Vergl.  die  oben  S.  401  angeführten  Schriften  und  Kupfer- 
werke. 

Vorbemerkung. 

106.  Auch  in  der  Entwickelung  der  gothischen  Bauweise  be- 
hauptet Sachsen  denselben  ehrenvollen  Rang,  welcher  diesem  Lande 
in  der  Ausbildung  des  ßomanismus  anzuweisen  war;  es  besitzt  in  den 
Domen  von  Magdeburg,  Halberstadt  und  Meissen  frühzeitige  und 
Srossartigc  Denkmale  in  den  reinsten  und  edelsten  Verhältnissen, 
wenngleich  es  allerdings  Beispiele  jenes   reichen  Sculpturstiles   und 


GothUche  Kirchen  in  Thüringen  und  Sachsen.  565 

namentlich  jener  kühnen  Thurtnbauten^  wodurch  sich  die  Rheinlande 
vor  allen  auszeichnen ,  nicht  aufzuweisen  vermag.  Von  den  drei  ge- 
nannten Kathedralen^)  bietet  unter  allen  sächsischen  Kirchen  allein 
Magdeburg  den  Versuch  einer  Uebertragung  des  französischen  Kapel- 
lenkranzes dar,  während  Halberstadt  von  der  französischen  Weise  nur 
den  Umgang  der  Seitenschiffe  um  den  Chorschluss,  sowie  im  Aufbau 
die  in  Magdeburg  ganz  fehlenden  Strebebögen  angenommen  hat  und 
Meissen,  dessen  Langhaus,  wenn  auch  erst  nach  Verlassen  des  ur- 
sprünglich basilikalen  Plans,  die  deutsche  Hallenform  befolgt,  sich  mit 
dem  einfachen  Polygonschlusse  des  ungewöhnlich  langen  Altarhauses 
begnügt :  in  der  harmonischen  Erscheinung  der  Gesammtverhältnisse 
behauptet  der  Dom  zu  Halberstadt  unzweifelhaft  den  Vorrang;  Mag- 
deburg mit  seinen  ernsten  Formen  imponirt  vornehmlich  durch  die 
Masse  und  Meissen  reizt  durch  die  malerische  Lage  auf  hoch  anstei- 
gendem Hügel  am  Eibufer.  Die  Pfeilerbildung  ist  in  Magdeburg 
(Fig.  202  S.  482)  viereckig  und  noch  romanisirend  gegliedert,  zeigt  in 
Meissen  ebenfalls  einen  viereckigen  (schmal  rechteckigen),  sich  aber 
in  der  oberen  Hälfte  leise  verjüngenden  und  an  beiden  Frontseiten 
reich  mit  Säulen  und  Einkehlungen  besetzten  Kern  und  beruht  allein 
in  Halberstadt  (Fig.  203  S.  482)  auf  den  Regeln  der  französischen  Go- 
thik:  Rundschafte  mit  Säulendiensten,  die  zum  Theil  an  den  Kern 
nur  anlehnen.  Bei  allen  drei  Domen  dehnte  sich  der  Bau  bis  ins  XV., 
selbst  XVI.  Jahrh.  aus,  jedoch  im  Innern  ohne  Störung  des  einheit- 
lichen Charakters.  —  Eine  schöne  Nachbildung  von  St.  Elisabeth  zu 
Marburg  erscheint  in  dem  nach  1280  begonnenen  Hallenbau  des  Lang- 
hauses der  Benedictinerkirche  zu  Nienburg  a.  d.  S.  mit  seinen  von 
Säulen  umgebenen  Rundpfeilern  (Fig.  200  S.  481);  als  andere  früh- 
und  edelgothische  Hallenbauten  sind  zu  nennen  die  1278  begonnene 
Aegidienkirche  zu  Braunschweig ,  die  Marienkirche  zu  Heiligenstadt 
und  besonders  die  grossartig  fünfschiffige  Marienkirche  zu  Mühlhau- 
sen. —  Eine  ganze  Gruppe  von  Kirchen  (Marienkirche  in  Zwickau  etc.), 
in  denen  die  an  sich  nüchternen  und  flachen  Fonnen  der  spätesten 
Gothik  namentlich  im  Innern  der  Gebäude  zu  einer  glücklichen  har- 
monischen Wirkung  benutzt  sind,  bietet  das  sächsische  Erzgebirge  dar. 

Vergl.  Schnaase,  Kunstgesch.  5,  468—471;  496;  561—577.  -  Kuglet, 
Gesch.  der  Baukunst  3,  255—274  j  390  —  404.  —  Lübke,  Gesch.  der  Archi- 
tektur. 3.  Aufl.  S.  5 IS  ff. 


1)  Eine  geistvoU  durchgeführte  Vergleichung  der  Dome  von  Magdeburg  und 
Halberstadt  hat  v.  Quast  in  der  Zeitschr.  für  christl.  Archtlol.  und  Kunst  I,  216  f. 
gegeben. 


566  Gothische  Kirchen 

Alteabirg.  Vergl.  oben  S.  405.  —  Die  Bartholomäikirche,  Hal- 
lenbau aus  dem  XIV.  und  XV.  Jahrh.  —  Die  Franciscanerkirche , 
deren  viereckiger  Chor  und  der  Kreuzgang  zum  Theil  vom  Ende  des  XIII. 
Jahrh.  datirt;  das  rohe  Schiff  mit  Holzdecke  1501.  —  Die  Schloss- 
kirche, gegründet  1413,  Hallenbau  mit  nur  einem  (nördlichen)  Seiten- 
schiff, nackten  achteckigen  Pfeilern,  fünfseitig  aus  dem  Zehneck  geschlos«- 
senem  einschiffigem  Chor  und  überreichen  Netzgewölben.  Das  Aeussere 
des  Chores  reich,  des  Langhausee  ganz  schlicht.  (Put trieb  ,  Denkm.  I. 
Serie  Altenburg.   Bl.  2.  4  u.  5.) 

Annakerg  im  Erzgebirge.  Die  Annakirchc  (1199  —  1525),  Hallenbau 
in  Kreuzform  mit  polygon  geschlossenen  Kreuzarmen  und  dreifachem  Poly- 
gonschluss  in  Osten.  Achteckige  Pfeiler  mit  concaven  Seitenflächen  als 
Träger  der  auf  Consolen  rulienden  Netzgewölbe;  an  den  Wänden  Emporen. 

Arnstadt.  Das  Querschiff  und  der  in  der  vollen  Breite  desselben  drei- 
schiffig  angelegte  und  in  drei  Polygonschlüssen  endende  Chor  der  liieb- 
frauenkirche  mit  gegliederten  Rundpfeilevn  aus  dem  XIII  —  XIV.  Jahrh. 
Aeusserlich  durchbricht  ein  ausgekragter  Laufgang  die  Strebepfeiler.  (Details 
bei  Puttrich,  Systematische  Darstellung,  auf  Bl.  8  —  10.)  Vergl.  oben 
S.  405. 

BtntxeD.  Der  Dom,  Hallenkirche  mit  Chorumgang  der  Seitenschiffe 
1441  —  1497.  Leichte  achteckige  Pfeiler  und  Netzgewölbe.  An  der  Süd- 
seite noch  ein  kürzeres  Seitenschiff;  die  Mauern  und  Pfcilerreihen  sind 
krumm  ,  und  die  Kirche  ist  westlich  breiter  als  östlich.  Die  beiden  West- 
thürme  1502  vollendet.  (Puttrich,  Denkm.  I.  Serie  Reuss.  Bl.  13.  s.) 
—  Die  Maria-Marthakirche,  geweiht  1458.  —  Die  Michaelis- 
kirche 1429. 

Bernborg.  Die  Marienkirche,  dreischiffiger  spätgoth.  Hallenbau 
mit  reich  ausgestattetem  einschiffigem  Chor,  verwandt  mit  der  Moritzkirche 
zu  Halle  und  mit  der  Nicolaikirche  in  Zerbst.  (Puttrich,  Denkm.  I. 
Serie  Anhalt.  Bl.  15  f.)  —  Ruine  der  Augustinerkirche  aus  dem 
XIV.  Jahrh.;  etwas  später  ist  die  einfache  Nicolaikircbe. 

Berne  (s.  oben  S.  405).  Das  aus  drei  gleich  hohen  Schiffen  beste- 
hende Langhaus  der  Kirche  hat  Rundpfeiler,  die  mit  acht  alten  und  jungen 
Diensten  besetzt  sind  und  romanisirende  Blättercapitäle  tragen.  Von  den 
beiden,  oben  achteckigen  Westthürmen  ist  nur  der  südliche  vollendet. 

Branschweig.  Die  Aegidienkirche^)  des  ehemaligen  Benedicti- 
nerklosters :  Unsymmetrische  Kreuzform ,  das  Langhaus  mit  drei  gleich 
hohen  Schiffen ;  die  Seitenschiffe  setzen  sich  als  niedriger  Umgang  um  den 
dreiseitig  geschlossenen  Chor  fort ;  im  letzteren  sind  die  Strebepfeiler  nach 
innen  gezogen .  wodurch  sich  aus  dem  Chorumgange  sieben  kleine  recht- 
eckige Kapellen  abtrennen  ;  Rundpfeiler  ,  im  Chor  mit  mehreren  vorgeleg- 
ten Halbsäulen,  im  Langhaus  mit  gegliederten  Diensten.  Gegründet  ist  die 
Kirche  im  J.  1278  ;  zahlreiche  Unregelmässigkeiten  deuten  auf  einen  spä- 
teren Umbau ,  für  den  auch  die  inschriftliche  Jahreszahl  1434  an  einem 
westlichen  Pfeiler  des  Langhauses  spricht.    (Schiller,  Architektur  Braun- 


1)  Mir  US,  die  Egidienk.  nebst  Kloster  in  Braunschweig,  im  Braunschw.  Maga- 
zin.  1827.   Stück  48  f. 


in  Thüringen  und  Sachsen.  567 

schweigs.  Taf.  7.  —  Kallenbach,  Chronologie  II.  Taf- 8.  —  Kallen- 
bach  und  Schmidt  Taf.  41  Fig.  13.)  —  Die  Paulinerkirche  (Zeug- 
haus], geweiht  1343,  mit  drei  beinahe  gleich  hohen  Schiffen  und  achtecki- 
gen Pfeilern  auf  quadratischen  ,  an  die  attische  Base  erinnernden  Sockeln ; 
die  Capitälc  sind  mit  einem  Laubkranze  geschmückt.  —  Die  Barfüsser- 
(B  rüdern)  kirche^)  (der  Chor  geweiht  1345,  das  Schiff  1375),  der  Pau- 
linerkirche ähnlich ,  doch  haben  die  einfachen  achteckigen  Pfeiler  nur  ein 
schlichtes  Band  statt  des  Capitäles.  Der  Kreuzgang  aus  dem  XV.  Jahrb., 
das  sogenannte  Refectorium  1473.  (Schiller,  Architektur  etc.  Taf.  8 .)  — 
Wegen  der  an  den  romanischen  Kirchen  der  Stadt  vorkommenden  gothi- 
schen  Theile  s.  oben  S.  406. 

Calbe  a.  d.  S.    Die  Stephanskirche  1400 — 1492. 

Cheanitz.  Die  Schlosskitche  des  ehemaligen  Benedictinerklosters, 
dreischiffiger  Hallenbau  mit  achteckigen ,  denen  der  Annakirche  zu  Anna- 
berg ähnlichen  Pfeilern,  1514 — 1525.  Ein  reich  mit  Statuen  geschmück- 
tes ,  rundbogig  aus  dürrem  Astwerk  in  mehreren  Etagen  componirtes  Sei- 
tenportal von  1525  (Stieglitz,  Beitr.  zur  Gesch.  der  Ausbild,  der  Bau- 
kunst 2,  74  u.  Fig.  42.  —  Kallenbach,  Atlas.  Taf.  84).  —Die  1746 
zum  Theil  erniedrigte  Stadtkirche  mit  achteckigen  Pfeilern  und  gleich 
hohen  Schiffen  aus  dem  XV.  Jahrb.;  der  Chor  ist  älter,  von  den  beiden 
\Vestthürmen  nur  einer  ausgeführt. 

Cobirg.  Spätestgoth.  Stadtkirche,  ein  dreischiffiger  Hallenbau  mit  ein- 
schiffigem,  1420  begonnenem  Chor.  Von  den  1450  begonnenen  beiden 
Wcstthürmen  ist  nur  der  oben  ins  Achteck  umsetzende  nördliche  vollendet. 
(Put  trieb,  Denkm.   Serie  Coburg -Gotha.) 

CSthea.  Die  spätgoth.  reformirte  Kathedralkirche,  in  der  Restauration 
begriffen. 

IrMdea.  Die  Sophienkirche,  Hallenbau  mit  nur  einem  (südlichen) 
Seitenschiff,  angeblich  entstanden  aus  einer  Kapelle  an  der  Südseite  von 
c.  1260,  welcher  1347—1351  das  eine  und  1401  das  andere  Langschiff 
angebaut  worden  sein  soll.    Restaurirt. 

Blderstadt.  Die  Oberkirche  St.  Cyriacus  mit  frühgoth.,  aus  zwei 
über  dem  wagerecht  schliessenden  Unterbau  aufsteigenden  (1S52  durch 
Brand  beschädigten)  achteckigen  Thürmen  bestehender  Westfa^ade ,  deren 
Mitte  ein  schönes  Doppelportal  (Statz  xind  Ungewitter  Taf.  148  f.) 
einnimmt.  Das  Langhaus  ist  ein  dreischiffiger  Hallenbau  mit  gegliederten 
achteckigen  Pfeilern  und  Netzgewölben  von  1490.  Der  Chor  mit  zwei  nie- 
deren Abseiten,  dreifach  polygon  geschlossen,  1394 — 1396.  —  Die  Un- 
tere Kirche  St.  Servatius,  spätgoth.  Hallenbau  mit  achteckigen  Pfeilern, 
Netzgewölben  und  einschiffigem  Chor ;  der  Thurm  an  der  Westseite  mit 
reich  ausgestattetem  Portal.  • —  Die  Ursulinerkirche,  im  Schiff  mit 
Holzdecke,  im  spätgoth.  Chor  gewölbt.  —  Vergl.  Lotz   1,  186. 

Ebendoif  bei  Chemnitz.    Die  Stiftskirche,  ein  zweischiffiger  spätgoth. 
Hallenbau  mit  achteckigen  capitällosen  Pfeilern  :   von  den  beiden  Thürmen  - 
nur  einer  vollendet. 


I)  Schiller,  C,  die  Brüdernk.  zu  Braunschw.,  ebd.  1849.  Stück  21—23. 


568  Gothische  Kirchen 

EbfeM  unweit  Coburg.  Die  jetzt  flach  gedeckte  Stadtkirche ;  der  Thurm 
begonnen  1488,  der  gerade  schliessende  Chor  1505. 

Hslebea.  Die  Andreaskirche  (etwas  älter  als  der  1462  errichtete, 
nordöstlich  stehende  Thurm) ,  Hallenbau  mit  achteckigen  Pfeilern ,  drei- 
fachem Polygonschluss  und  zwei  oben  achteckigen Thürmen.  —  Die  Anna- 
kirche ,  dreischiffiger  Hallenbau ,  grösstentheils  1514 — 1516;  der  Thurm 
an  der  Südwestecke  ist  älter.  —  Die  Nicolaikirche  1426 — 1462.  — 
DerThurm  der  Petrikirche  1447—  1474.  —  Vergl.  Puttrich,  Denkm. 
IL   Serie  Eisleben.  Bl.  1—3. 

EcAirt ')  Der  D  o  m  ,  ^  ein  imposanter  Bau,  aus  verschiedenen  Zeiten 
herrührend  und  aus  verschiedenartigen  Th eilen  bestehend :  der  Thurmbau 
macht  die  Mitte  des  Gebäudes,  westlich  reiht  sich  daran  der  unregelmässige 
dreischiffige  Hallenbau  des  1456  begonnenen  Langhauses,  östlich  der  ma- 
jestätische, beinahe  eben  so  lange,  einschiffige  Chor  von  1349,  dessen  fünf- 
seitiger Schluss  auf  mächtigen  Substructionen  (der  sog.  Cavate)  ruht ,  da 
der  Bergabhang,  auf  dem  der  Dom  steht,  nicht  hinreichenden  Raum  ge- 
währte. Sehr  schön  ist  der  nordöstliche  Haupteingang  zur  Kirche.  Restau- 
rirt.5)  (Puttrich,  Denkm.  II.  Serie  Erfurt.  Bl.  1—8.  —  Förster, 
Denkm.  4,  35  —  40  u.  3  Taf.)  —  Axisserdem  besitzt  die  Stadt  noch  meh- 
rere einfach  schöne  Gotteshäuser:  die  Predigerkirche ^),  basilikal  mit 
einschiffigem  Chor  und  zwei  zierlichen  Thürmen  zu  den  Seiten  desselben, 
nach  Mertens  um  1380—90  (Puttrich  Bl.  11);  die  Barfüsserkirche*), 
ebenfalls  mit  niedrigen  Seitenschiffen  im  edlen  streng  gothischen  Stil  des 
Xin.  Jahrh. ;  aus  der  Dachschräge  einer  Langseite  steigt  ein  schlanker 
achtseitiger  Thurm  auf  (Puttrich  Bl.  10  u.  12);  die  fünfschiffige  Severi- 
kirche,  ein  spätgothischer  Hallenbau  (1473),  der,  auf  der  Nordseite  des 
Domes  belegen,  den  Prospect  durch  einen  (östlichen)  dreispitzigen  Thurm- 
bau (1273),  dem  sich  der  einschiffige  frühgoth.  Chor  vorlegt,  verschönert 
(Puttrich  Bl.  2)  ;  die  Augustinerkirche  mit  schlichtem  basilikalem 
Langhaus  von  1432,  gerade  geschlossenem  frühgoth.  Chor  und  ähnlichem 
Seitenthurm  wie  die  Barfüsserkirche,  (Puttrich  Bl.  12.  —  K  allen - 
bach,  Atlas.  Taf.  34.1 

Freiberg.  Der  Dom ,  Hallenkirche  mit  sehr  schlanken  capitällosen 
achteckigen  Pfeilern  und  ins  Innere  gezogenen,  Kapellen  zwischen  sich  ein- 
schliessenden  Strebepfeilern  1484  —  1500,  als  spätgothischer  Umbau  einer 
kreuzförmigen  Pfeilerbasilika  spätromanischen  Stils ;  der  Chor  wurde  gegen 
Ende  des  XVI.  Jahrhunderts  im  Renaissancestil  zur  Fürstengruft  umgebaut. 
Vergl.  oben  S.  408.  —  Die  übrigen  durch  viele  Feuersbrünste  und  Restau- 
rationen entstellten  Kirchen  (St.  Petri,  St.  Nicolai  und  St.  Jacobi) 
enthalten  noch  romanische  und  gothische  Ueberreste.  •) 

1)  Erhard,  H.  A.,  Erfurt  u.  seine  Umgehungen.  1829.  —  Vergl.  oben  S.  4()S. 

2)  Schmerbauch,  M.,  Gesch.  u.  Beschreibung  des  Domes  zu  Erfurt.  1829. 
—  Eine  Perle  deutscher  Architektur,  in  der  Gartenlaube.   I86J.  No.  15. 

3)  Ueber  die  Restauration  der  Thflrme  yergl.  in  Romberg 's  Zeitschr.  für  prakt. 
Baukunst.   1847.  S.  407  u.  Taf.  45—17. 

4)  Qu e h  1,  G.,  die  Predigerk.  zu  Erfurt.  1829. 

5)  Möller,  J.  F.,  Beiträge  zur  Gesch.  der  Barfüsserk.  zu  Erfurt.  1832. 

IV]  Vergl.  Heuchler,  Ed.,  in  den  Mittheil,  des  Freiberger  Altcrthumsvereins 
auf  das  J.  ISOI.  S.  192  f.  u.  Taf.  I. 


in  Thüringen  und  Sachsen.  5g9 

freitarg  a.  d.  U.  Der  Umbau  des  Langhauses  der  Stadtkirche  zur 
Hallenform  mit  achteckigen  Pfeilern  und  Netzgewölben,  sowie  der  zierliche 
Chor  derselben  1491  —  1499.    Vergl.  oben  S.  408. 

Mrliti.^)  Die  fünfschiffige  Hallenkirche  St.  Petri-Pauli  (1423— 
1497).^  Die  inneren  Seitenschiffe  enden  neben  dem  dreiseitigen  Schlüsse 
des  Mittelschiffes  mit  zwei  Polygonseiten ,  einen  grossartigen  freien  Altar- 
raum bildend.  Die  etwas  niedrigeren  äusseren  Seitenschiffe  schliessen  ge- 
radlinig. Aus  den  schlanken  gegliederten  Pfeilern  entspringen  frei  die  Kip- 
pen des  Netzgewölbes.  (S.  die  Ansicht  S.  487  Fig.  219.)  Die  Krypta  von 
1417 — 1432  ist  ein  unklarer  dreischiffiger  Bau.  (Puttrich,  Denkm.  II. 
Serie  Lausitz.  Bl.  2.  4  u.  11.)  —  Die  einschiffige  Annenkirche  1508 
— 1512.-^)  —  Die  Franciscanerkirche  mit  nur  einem  und  zwar  nie- 
deren (nördl.)  Seitenschiff,  vergrössert  1371.  —  Die  Frauenkirche, 
dreischiffige  Halle  mit  achteckigen  Pfeilern,  1458  —  1473.  —  Die  Heil. 
Kreuzkapelle^  viereckig  und  aus  zwei  Stockwerken  bestehend ,  1481  — 
1498.  (Puttrich  a.a.O.  B1.5.)  In  einiger  Entfernung  das  Heil.  Grab, 
eine  Art  von  Copie  des  Kuppelbaues  in  Jerusalem,  1465.  (Puttrich 
B1.-8.)*) 

CtsUr.  Vergl.  oben  S.  411.  — An  der  Frankenbergerkirche  ist 
die  Apsis  gothisch  verändert  und  die  südliche  Kreuzvorläge  östlich  erwei- 
tert; an  der  Nordseite  des  Langhauses  eine  Kapelle  von  1506.  —  An  der 
Jacobikirche  (mit  frühgoth.  Chor)  erscheint  das  Langhaus  äusserlich 
spätgothisch  und  dem  Westende  desselben  ist  südlich  eine  Vorhalle  in  rei- 
chem spätestgoth.  Geschmack  hinzugefügt.  —  An  der  Marktkirch e*  (mit 
frühgoth isch  geschlossenem  und  eingewölbtem  Chor)  datiren  die  äusseren 
Seitenschiffe  aus  spätestgoth.  Zeit. 

(löUlDgei.  Die  Johann is-  ,  Jacob i-  ,  Nicolai-  ,  Albani- ,  Marien-  und 
Paulinerkirche  (Uni vers. -Bibliothek)  sind  sämmtlich  Hallenkirchen  mit 
achteckigen  Pfeilern  und  einschiffigem  Chor  aus  dem  XIV — XVI.  Jahrh. 
und  mehr  oder  weniger  entstellt :  die  Jacobikirche  verdient  Beachtung.  ^) 
Lotz  1,  251  ff. 

lalberstedt.  Vergl.  oben  S.  412.  —  Der  Dom, »)  im  edelsten  Stil  und 
in  den  schönsten  Verhältnissen,  wenngleich  aus  dem  XIII  —  XVL  Jahrb., 
so  doch  in  Harmonie  und  wesentlich  in  gleichem  Geiste  durchgeführt 
(S.  565).  Die  an  den  romanischen  Westbau  stossenden  drei  Joche,  ent- 
standen zwischen  1263  und  1276,  zeigen  bereits  entwickelten  frühgoth. 
Stil.    Der  Fortbau  wurde  sodann  erst  seit  1341  wieder  aufgenommen,  und 


1)  Bflstfhing,  J.  Gust.  G.,  die  Alterth.  der  Stadt  Görlitz.  1825. 

2)  Dorat,  Bernh.,  die  Petri-Paulik.  in  Görlitz.  1944.  —  Haupt,  L.,  Gesch. 
der  evangel.  Haupt-  u.  Pfarrk.  zu  St.  Peter  u.  Paul  in  Görlitz.  1857. 

3)  Die  St.  Annenk.  zu  Görlitz.  1845. 

4)  Beschreib,  des  Heil.  Grabes  zu  Görlitz.  (1726)  1823.   Mit  Abbild. 

5)  Unger,  F.  W.,  Göttingen  u.  die  Georgia  Augusta.  1861.  Vergl.  8.  47  f. 

6)  Haber,  Conr.  Matth.,  Nachricht  von  der  hohen  Stiffts-Kirchen  oder  so  gen. 
Dom -Kirchen  zu  Halberstadt.  Mit  2  Kpfrn.  (1728).  2.  Aufl.  1739.  —  Lucanus, 
F.,  der  Dom  zu  Halberstadt.  1837.  —  Derselbe,  der  Dom  zu  Halberstadt,  in 
Bechstein's  Kunstdenkm.  in  Deutschland  I.  2,  17.  —  Elis,  C,  der  Dom  zu  Halber- 
stadt. Mit  2  Abbild.  1857.  —  Vergl.  v.  Quast,  in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen. 
1S52.  Sp.  115  und  im  Correspondenzbl.  1S66.  S.  15. 


570  Gothische  Kirchen 

zwar  im  Schiff,  anscheinend  gleichzeitig  von  Osten  und  Westen  her;  der 
Chor  mit  der  dem  Schlüsse  hinzugefügten  niederen  Marienkapelle  war  erst 
kurz  vor  1362  vollendet;  14S6  wurden  die  Gewölbe  eingezogen.  Die  Ein- 
weihung fand  1491  statt,  aber  der  reiche  Lettner  (Bischofsstuhl),  der  süd- 
liche Kreuzarm  mit  seinem  übergrossen  Fenster  und  der  Capitelsaal.  sowie 
die  Neustädter  Kapelle  des  Kreuzganges  fallen  noch  später.  (Vergl.  S.  39 
Fig.  11,  S.474Fig.l91,  S.476Fig.l92,  S.  479  Fig.193,  S.  4S2Fig.  203, 
S.  485  Fig.  214.)  —  Die  Andreas-  (Franciscaner-)  und  die  Kathari- 
nen-  (Dominicaner-)  Kirche  sind  beides  Hallenkirchen  im  Stil  des  XIV. 
Jahrb.,  mit  achteckigen  Pfeilern  und  einschiffigem  Chor.  Auch  die  Martin  i- 
kirche  hat  die  Hallenform  ,  ist  aber  mit  einem  Querschiffe  und  zu  den 
Seiten  des  Chores  mit  niedrigen  rechteckigen  Nebenräumen  versehen.  Die 
Schiffpfeiler  sind  rund  und  mit  je  vier  Halbsäulendiensten  besetzt.  Der 
Westbau  geht  nach  oben  in  einen  von  zwei  Thürmen  flank irten  spätgothi- 
schen  Giebel  aus. 

Halle  a.  d.  S.  ^)  besitzt  mehrere  im  Baustile  übereinstimmende  spät- 
goth.  Hallenkirchen  (Puttrich,  Denkm.  II.  Serie  Halle.  Bl.  2— 4  u.5  b) 
mit  schlichten  achteckigen  Pfeilern  und  aus  denselben  entspringenden  Netz- 
gewölben ,  zum  Theil  mit  zapfenartig  herabhängenden  Schlussteinen  :  die 
rechteckige  Marktkirche  u.  1.  Fr.  (1530  —  1554)  mit  vorspringenden 
Emporen  und  an  den  Flächen  concaven  Pfeilern.  Die  vier  älteren  Thürrae 
rühren  von  zwei  früheren  Pfarrkirchen  auf  dieser  Stelle  her  (v.  Wiebe- 
king,  Baukunde  Bl.  104  u.  107.  —  v.  Dreyhaupt  Taf.  IX);  der  ehe- 
mals als  Glocken thurm  zu  dieser  Kirche  bestimmte,  isolirt  auf  dem  Markte 
stehende  rothe  Thurm,  gegründet  1418;  die  obere  Hälfte  1446  —  1470; 
vollendet  1506.  (Ebd.  Taf.  Vm.)  Die  Moritzkirche, 2)  deren  Um- 
fangsmauem  zum  Theil  älter  sind ,  als  der  mit  dem  Neubau  der  von  zwei 
Nebenchören  begleiteten  Ostpartie  1388  begonnene  innere  Ausbau,  welcher 
erst  1511  vollendet  war.  (Ebd.  Taf.  XI.)  Die  Ulrichskirche  des  ehe- 
maligen 1339  errichteten  Servitenklosters ,  mit  nur  einem  (nördl.)  Seiten- 
schiff, vollendet  1516.  (Ebd.  Taf.  X.)  —  Der  Dom,  dessen  Chor  früh- 
gothische  Formen  zeigt  und  im  Schiff  aus  dem  XIV.  Jahrb.  zu  stammen 
scheint,  hat  durch  eine  1520 — 1523  vorgenommene  Kestauration  besonders 
äusserlich  ein  sehr  verdorbenes  Ansehen  erhalten.  (Lotz  1,  275.  — 
V.  Dreyhaupt  a.  a.  O.  Taf.  VII  und  eine  Abbild,  des  Innern  in  Küm- 
mel's  Volkskalender  auf  das  J.  1830  Taf.  5).  —  Die  Kapelle  auf  der  Mo- 
ritzburg, einschiffig  mit  Emporen,  geweiht  1514. 

lani^Ter. ^)  DieAegidienkirche.  aus  einer  dreischiffigen  Hallen- 
kirche einschiffig  zurecht  gemacht ;  der  Chor  begonnen  1347.  .  Die  einzel- 
nen Joche  äusserlich  mit  Giebeln.  (Mithoff  a.  a.  O.  Taf.  7.)  —  Die 
Heil.  Kreuzkirche,  spätgoth.  Hallenkirche  (zum  Theil  aus  Ziegeln) 
mit  nur  einem  (nördl.)  Seitenschiff  und  dicken  Rundpfeilem.    Der  Chor  ist 

1)  Dreyhaupt,  J.  Chrstph.  v.,  Beschreib,  des  Saal •  Creyses.    Mit  vielen  Ab- 
bild. 2Thle.   1755. 

2)  Dähne  und  Wolf,  Gedenkschr.  an  das  TOOjUhr.  Jubelfest  der  St.  MoriU- 
kirche  in  Halle.  Mit  1  Kpfr.   1S5H. 

3)  Mithoff,  H.  W.  H.,  Archiv  für  Niedersachscns  Kunstgesch.  Abth.  I:  Mit- 
telalter!. Kunstwerke  in  Hannover.  1S52. 


in  Thüringen  und  Sachsen.  571 

einschiffig,  der  Westthurm  oben  achteckig.  —  Die  Marktkirche,  ein 
Backsteinbau  (zum  Theil  mit  Haustcindetails)  mit  gegliederten  Rundpfei- 
lern und  drei  gleich  hohen  Schiffen ,  deren  jedes  östlich  polygonisch ,  das 
Hauptschiff  siebenseitig  aus  dem  Zehneck  schliesst.  Der  1350  gegrflndete 
hohe  Westthurm  mit  Kreuzdach  und  Dachreiter  ist  mit  einer  neuen  Vor- 
halle aus  Haustein  versehen.  (Ebd.  Taf.  1 — 4.  —  Thurm  und  Details  bei 
Essenwein,  Backsteinbau  auf  Taf.  10  u.  30.) 

Heiligeistadt.  Die  frühgoth.  Aegidienkirche  mit  niederen  Seiten- 
schiffen, aber  ohne  Oberlichter  und  unter  einem  Dach.  Die  Pfeiler  sind 
kreuzförmig  mit  ausgekehlten  Ecken  und  setzen  diese  Gliederung  an  den 
Arkadenbögen  ohne  Zwischenglied  fort.  Der  einschiffige  Chor  ist  gerade 
geschlossen  (oben  S.  483  Fig.  211),  und  von  den  beiden  1370  begonnenen 
Westthürmen  nur  einer  vollendet.  (Puttrich,  Denkm.  II.  Serie  Mühl- 
hausen. Bl.  13.)  —  Die  Marienkirche,  ein  grossartiger  früh-  und  edel- 
gothischer  Hallenbau.  Die  Seitenschiffe  sind  breiter  als  das  Mittelschiff, 
die  Pfeiler  achteckig  (übereck  gestellt)  mit  vier  alten  und  vier  jungen  Dien- 
sten auf  den  Ecken  und  mitCapitälen,  deren  Laubwerk  mit  Bestien  gemischt 
ist.  Der  Chor  ist  einschiffig ;  die  beiden  achteckigen  Westthürme  steigen 
aus  einem  massiven  Unterbau  auf  und  ruhen  innerlich  auf  gegliederten 
Pfeilern.  (Ebd.  Bl.  13  — 15.)  Neben  der  Kirche  die  achteckige  Anna- 
kapelle, im  Innern  einfach ,  äusserlich  schmuckvoll  und  mit  einer  hohen 
Pyramide  gekrönt.  (Ebd.  Bl.  14.)  —  Die  Stifts-  (evangel.)  Kirche 
(1276  im  Bau),  frühgothisch  mit  niederen  Seitenschiffen  und  zwei  Thürmen 
an  der  Stelle  der  Kreuzarme,  von  denen  nur  der  südliche  vollendet  ist.  Die 
kreuzförmigen ,  mit  vier  kräftigen  Halbsäulen  an  den  Flächen  und  vier 
leichteren  Halbsäulchen  in  den  Ecken  besetzten  Arkadenpfeiler  zeigen  an 
den  Capitälen  (ebd.  Bl.  13  Fig.  k.  L)  zum  Theil  figürliches  Bildwerk.  Dicv 
Gewölbe  und  der  einschiffige  Chor  datiren  nach  einem  Brande  von  1333, 
der  spätgoth.  Westbau  von  1485. 

lildesheta.  Vergl.  oben  S.  414.  —  Die  Andreaskirche  mit  schma- 
len niederen  Seitenschiffen,  .die  um  den  im  halben  Zehneck  geschlossenen 
Chor  einen  Umgang  bilden,  der  mit  flachen  dreiseitig  schliessenden  Kapel- 
len besetzt  ist.  Die  Pfeiler  im  Schiff,  rund  mit  acht  kräftigen  Diensten  und 
Laubcapitälen ,  erscheinen  älter  als  der  1404 — 1415  ausgeführte  übrige 
Aufbau ;  im  Chor  von  1389  haben  die  Pfeiler  des  Umganges  keine  Dienste. 
Aeusserlich  Fialenstreben  und  Strebebögen.  Der  von  1504 — 1515  datirende 
Westbau  ist  unvollendet.  —  Ausserdem  die  Hallenkirchen  St.  Lambert 
(begonnen  1473),  St.  Magdalena  (gründlichst  verzopft) ,  St,  Martin  (mit 
geradem  Schluss  und  nur  einem  Seitenschiff),  sämmtlich,  wie  auch  die  pro- 
fanirte  Paulinerkircbe  mit  achteckigen  Pfeilern.  Einschiffig  sind  die 
1321  gegründete  Annenkapelle  im  Kreuzgange  des  Domes  und  die  ein- 
fache, gerade  schliessende  Jacobikircbe  von  1504.  Vergl.  Lotz  1, 
295  —  302. 

Jena.  Die  Stadtkirche  (1472 — 1486),  deren  fast  gleich  hohe,  unter 
einem  Dache  liegende  Schiffe  von  scblanken  capitällosen  achteckigen  Pfei- 
lern geschieden  werden.  Der  (ziemlich  hohe)  Chor  ruht  im  Untergeschosse 
auf  einem  Bogengänge,  welcher,  auf  beiden  Seiten  nach  der  Strasse  zu  offen, 
einen  Verbindungsgang  bildet.    An  der  Südseite  ein  reiches  Portal  unter 


572  Gothische  Kirchen 

erkerartigem  Vorbau  (Pütt rieh,  Denkm.  I.  Serie  Weimar.  Bl.  7  5).  — 
Die  Paulinerkirche,  erneuert  1557  und  1594,  hat  nur  ein  niederes 
Seitenschiff,  schwere  viereckige  Pfeiler  und  ein  hölzernes  Kreuzgewölbe. 

LaubftD  unweit  Görlitz.  Spätgoth.  Ruine  der  alten  katholischen  Kirche, 
bemerkenswerth  durch  den  leichten  achteckigen  Thurm  von  noch  irühgoth. 
Gepräge. 

Leipiig.  Die  Nicolai-,  Thomas-  und  Paulinerkirche  sind 
mehr  oder  weniger  entstellte  spätgoth.  Hallenbauten  mit  achteckigen  Pfei- 
lern ;  die  letztere  überdies  des  Chores  beraubt  und  äusserlich  sehr  verbaut. 
Die  daneben  belegenen  Kreuzgänge  und  ein  zweischiffiger  Saal  mit  kurzen 
achteckigen  Pfeilern  und  Sterngewölben  gehören  dem  Ende  des  XV.  Jahr- 
hunderts an. 

lag debwg. ^)  Der  Dom^)  (vergl.  oben  S.  417  u.  471),  gegrQndet 
1208  ;  Chor  und  Querschiff  wenigstens  bis  zu  einer  Höhe,  welche  eine  in- 
terimistische Bedachung  zuliess,  anscheinend  um  1234  vollendet;  bis  1274 
langsames  Vorschreiten  de»  Baues,  etwa  bis  zu  zwei  Drittel  der  iJlnge  des 
Schiffes;  das  Langhaus  angeblich  1327  vollendet;  doch  fand  die  wegen 
ihrer  Kostspieligkeit  aufgeschobene  Weihe  erst  1363  statt.  An  den  west- 
lichen Thürmen  wurde  bis  1520  fortgebaut:  der  Giebel  des  Zwischenbaues 
fällt  zwischen  1500  und  1520,  und  letztere  Jahreszahl  steht  über  der  Thür 
auf  der  obersten  Galerie  des  nördlichen  Thurmes ;  die  Bekrönung  des  süd- 
lichen Thurmes  ist  unvollendet  geblieben.  Die  Grundform  des  Domes  ist 
das  lateinische  Kreuz ;  nimmt  man  die  Vierung  als  Einheit ,  so  fallen  eine 
Einheit  auf  den  Chor  und  fünf  Einheiten  auf  das  Langhaus.  Die  niederen 
Seitenschiffe  sind  rings  um  den  Chor  fortgeführt ;  im  Chore  ist  ihr  Verhält- 
niss  zur  Breite  des  Mittelraumes  das  gewöhnliche  (1:2),  im  Langhause 
dagegen  fast  wie  3:4  in  noth wendiger  Abweichung  von  dem  ursprünglichen 
Plane ,  da  man  im  Verlaufe  des  Baues  über  die  ursprünglich  beabsichtigte 
Höhe  hinausging.  Der  Chor  ist  fünfseitig  aus  dem  Achteck  geschlossen, 
und  jeder  Polygonseite  legt  sich  eine  Kapelle  vor ,  welche  innerlich  rund, 
äusserlich  mit  drei  Seiten  eines  unregelmässigen  Sechseckes  schliesst.  An 
die  Ostseite  der  Kreuzflügel,  mit  denselben  in  einer  Front,  schliessen  sich 
zwei  quadratische  Thürme.  Der  Chor  mit  seiner ,  sonst  nur  in  einigen 
französischen  Kathedralen  so  vorkommenden  breiten  Empore  (dem  sog. 
Bischofsgang)  und  dem  Kapellenkranz ,  sowie  die  Östlichen  Thürme  und 
ein  Theil  des  Querschiffes  zeigen  eine  höchst  eigenthümliche ,  zwischen 
Komanisch  und  Gothisch  wählerische ,  in  dieser  Art  nirgend  anderswo  zur 
Anwendung  gekommene  Bauweise,  deren  Eindruck  durch  die  aus  dem  alten 


i)  Hoffmann,  F.  W.,  Gesch.  der  Stadt  Magdeburg.  3  Bde.  1841—18^5. 
Mit  Ahbild.  —  Vergl.  v.  Quast,  in  der  Zeitschr.  är  christl.  Archäol.  u.  Kunst  1, 
1H5— 180;  213—229;  250—260  nebst  Taf.  13  u.  16. 

2)  Eigentliche  Beschreib,  der  Dom -Kirche- zu  Magdeburg.  1671.  (1677.  169S. 
1709.  1730.)  —  Koch,  J.  P.  W.,  der  Dom  zu  Magdeburg.  1815.  —  Oostenohle, 
J.  C,  der  Dom  zu  Magdeburg.  In  3  Kpfrn.  1S20.  —  (Clemens,  Meli  in,]  Kosen - 
thal,  C.  A.,  der  Dom  zu  Magdeburg.  30  Taf.  in  5  Lief.  1831  —  1852.  —  Wiggert, 
F.,  der  Dom  zu  Magdeburg,  kurz  beschrieben.  (1845.)  —  Brandt,  C.  L.,  der  Dom 
zu  Magdeburg.  18(»3.  —  Beiträge  zur  Gesch.  des  Magdeb.  Doms,  in  den  Dioskuren. 
1865.  No.25.  —  Vergl.  v.  Quast  a.a.O.  1,  216—229  u.  Taf.  13  und  im  Correspon- 
denzbl.  etc.  1866.  S  13  f.,  S.  17  f. 


in  Tharliigen  und  Sachsen.  573 

abgebrannten  Dome  Otto's  des  Grossen  geretteten,  verschiedenartigen  anti- 
ken Marmor-,  Granit-  und  Porphyrsäulen  noch  fremdartiger,  aber  in  lich- 
ter Weite  und  durch  das  unübertroffene  Detail  auf  das  würdigste  wirkt. 
Das  Langhaus  ist  zwar  im  entschieden  gothischen  Stil  gebaut,  doch  hat  man 
mit  richtigem  Gefühl  in  den  weit  gestellten,  massig  viereckigen,  mit  Halb- 
sftulen  besetzten  Pfeilern  (oben  S.  482  Fig.  202)  und  in  der  Gewölbeanord- 
nung mit  paarweisen  Jochen  über  jedem  der  schweren  und  niedrigen  Arka- 
denbögen  ein  dem  Romanismus  verwandtes  System  befolgt.  Am  Aeusseren, 
dessen  freie  Nordseite  reicher  geschmückt  ist,  als  die  mehr  verbaute  Süd- 
seite ,  sind  die  decorativen  Theile  grösstentheils  im  spätgothischen 
Geschmack.  Die  westlichen  Thürme  steigen  in  vier  fast  quadratischen 
und  einem  Kuppel  -  gedeckten  achteckigen  Geschosse  auf  und  imponiren 
durch  ihre  Masse.  Der  Dom  ist  sehr  gut  restaurirt.  *)  (Förster,  Denkm. 
5,  33  —  50  u.  7  Taf.  —  Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  120.  —  Kallenbach, 
Atlas  Taf.  24  u.  37.  ~  Vergl.  oben  S.  564  Fig.  230.) 

Die  sechs  Pfarrkirchen  der  Stadt  (St.  Johann,  St.  Ulrich.  St.  Peter, 
St.  Jacobi ,  St.  Katharina  und  zum  Heil.  Geist)  sind  sämmtlich  nüchterne 
Hallenkirchen  mit  kurzem  einschiffigem  Chor ,  im  Wesentlichen  von  der- 
selben Hauptanlage  und  übereinstimmender  Physiognomie :  der  mit  Doppel- 
thürmen  ausgestattete  Westbau  und  das  Altarhaus  gehören  meist  einer  äl- 
teren Periode  an,  das  Langhaus  deutet  in  den  spätgoth.  Fensterformen  auf 
eine  spätere  Erneuerung  und  der  Innenbau  ist  Kestauration  nach  der  Zer- 
störung des  3  Oj  ährigen  Krieges.  Die  Peterskirche  ist  auf  der  Südseite 
mit  einer  sehr  zierlichen  Backstein vorhalle  (Zeitschr.  für  Archäol.  u.  Kunst 
1,  257  Fig.  34)  ausgestattet.  —  Die  (profanirte)  Stiftskirche  St.  Sebastian 
(oben  S.417)  hat  in  dem,  aus  dem  XIV.  Jahrh.  stammenden,  nördlich  mit 
einer  Abseite  versehenen  Altarhause  über  steinernen  Anfängen  aufsetzende 
hölzerne  Kreuzgewölbe.  Der  spätgoth.  Hallcnbau  des  Langhauses  zeigt 
phantastisch  reiche  Forrabildungen :  die  runden,  vier-  oder  achteckigen 
Pfeiler,  letztere  mit  concavcn  Seitenflächen ,  sind  mit  zierlich  profilirten, 
zum  Theil  schraubenförmig  gebildeten  Stäben  versehen,  welche,  an  densel- 
ben senkrecht  oder  in  Windungen  emporsteigend ,  theils  an  den  einfachen 
Kämpfern  enden,  theils  die  Arkadenbögen  umziehen.  (Ebd.  Taf.  16  Fig.  6 
—  8).  —  Die  Stiftskirche  St.  Nicolai  (jetzt  Zeughaus)  war  eine  Hallen- 
kirche des  XIV.  Jahrb.,  hat  aber  fast  ihre  ganze  kirchliche  Eigenthümlich- 
keit  eingebüsst.  —  Die  Augustiner-  (Wallonen-)  K  ir che,  geweiht  1366, 
deren  sehr  hohes  Langhaus,  ohne  Strebepfeiler  und  Gewölbe,  ebenfalls  aus 
drei  gleich  hohen  Schiffen  (mit  Pfeilern  erst  aus  dem  XVII.  Jahrh.)  besteht.' 
Der  lang  gestreckte  einschiffige  Chor  ist  gewölbt.  Ein  im  Obergeschosse 
durchbrochener  Trepj)enthurm  an  der  Südostecke  des  Langhauses.  —  Von 
dem  ehemaligen  Franciscanerkloster  ist  nur  das  künstlich  gewölbte 
Refectorium  und  der  Rest  eines  zierlichen  Treppenthurmes  (der  sogen. 
Schulthurm)  übrig.  —  Unter  den  Kapellen  zeichnet  sich  die  des  1315  ge- 
stifteten Hospitals  St.  Gertraud  durch  ihre  malerische  Ostseite  aus  und 
die  ehemalige  erzbischötliche  Hauskapelle  St.  Gangolf  (jetzt  Registratur 
der  Regierung)  durch  ihr  kunstvolles  spätgoth.  Gewölbe. 

1)  Burchhardt,  J.  H.  B.,  Momente  zur  Gesch.  des  Dororeparaturbaues  in 
Magdeburg  IS2fi  — 34.   1S35. 

O  1 1  ?  ,  Kuntt-Archiologie.  37 


574  Oothische  Kirchen 

Helsseii.  Der  Dom^),  in  der  Grundform  des  Kreuzes  mit  zwei  Thür- 
men  an  der  Ostseite  der  Kreuzarme  und  zwei  anderen  in  Westen :  vergl. 
oben  S.  565.  Der  einschiffige  dreiseitig  geschlossene  Chor  ist  äusserlich 
von  einem  schmalen  Gange  umgeben,  dessen  von  starken  Strebepfeilern 
ausgehende  Deckbögen  die  Widerlagen  des  Chorschlusses  bilden,  und  gleicht 
im  Innern  dem  Naumburger  Westchor;  die  Erbauungszeit  fällt  um  1274. 
Das  Langhaus  mit  viereckigen  gegliederten  Pfeilern  hat  drei  gleich  hohe 
Schiffe  und  rührt  aus  der  Zeit  von  1312 — 42  ;  die  Portale  und  einige  An- 
baue gehören  ins  XV.  Jahrh.  —  Ausgezeichnet  ist  der  südliche  Chorthurm 
(sog.  höckerige  Thurm)  als  der  einzige  mit  durchbrochener  Spitze  in  Ober- 
sachsen ;  eine  Inschrift  an  demselben  weist  auf  das  J.  1357.  Die  spätgoth. 
fürstliche  Begräbnisskapelle  vor  dem  reichen  Westportal  1423  —  25;  die 
Sacristei  an  der  Nordseite  des  Chores  1504.  Ueber  die  Johanneskapelle  s. 
oben  S.  22  Anmerk.  III.  —  Restauration  seit  1856.  (Puttrich,  Denkm.  I. 
Serie  Meissen.  Bl.  2 — 15  u.  19  a.  —  Förster,  Denkm.  1,  37  —  44  u. 
2  Taf.)  —  Von  der  Afrakirche^)  (1295  —  1329)  hat  sich  nur  das  ein- 
fache Aeussere  des  gerade  geschlossenen  Altarhauses  in  wesentlich  ursprüng- 
licher Weise  erhalten.    (Puttrich  a.  a.  O.  Bl.  16  a.) 

■enebirg.  Das  hallenförmige  Langhaus  des  Domes  mit  achteckigen 
Pfeilern  und  Netzgewölben ,  geweiht  1517;  der  Ausbau  der  westlichen 
Vorhalle  um  1540;  das  Portal  des  nördl.  Kreuzarmes  um  1500.  Vergl. 
oben  S.  418.  —  Die  Stadtkirche,  dem  Langhause  des  Domes  ent- 
sprechend, 1432  —  1501.  —  Die  Ruine  der  Sixtikirche  aus  dem  XIV. 
und  XVII.  Jahrb.,  der  Westthurm  ist  älter.  (Puttrich,  Denkm.  11.  Serie 
Merseburg.   Titelvignette.) 

■ittwelda  unweit  Chemnitz.  Grossartige,  zum  Theil  modernisirte  Hal- 
lenkirche mit  sehr  schlanken  Pfeilern  und  hohem  massigem  Thurm. 

■ihÜMiaMD.^)  Die  Blasiuskirche  (s.  oben  S.  419)  in  der  Grund- 
form des  Kreuzes  mit  frühgoth.  Chor  und  Querschiff;  das  Langhaus  besteht 
aus  drei  Schiffen  von  gleicher  Höhe,  die  von  Rundpfeilern  mit  je  vier  Gurt- 
trägem und  Laubcapitälen  geschieden  werden,  und  ist  etwas  jünger  als  der 
Chor ,  neben  welchem  sich  die  Seitenschiffe  ,  geradlinig  schliessend ,  fort- 
setzen. Das  Aeussere  ist  durch  die  zwischen  den  Fialenstreben  eingespann- 
ten schmuckvollen  Dachgiebel  ausgezeich  net .  (Puttrich,  Denkm .  11 .  Serie 
Mühlhausen.  Bl.  7 — 9  u.  11.  —  Details  bei  Statz  und  Ungewitter  auf 
Taf.  86  und  in  Ungewitter,  Lehrbuch,  auf  Taf.  2.  12.  15  u.  22.  — 
Vergl.  oben  S.  483  Fig.  210.)  —  Die  einschiffige  Jacobikirche  aus  dem 
XIV.  Jahrh.  mit  schmälerem,  gerade  schliessendem  frühgoth.  Chor,  zwei 
achteckigen  Westthürmen  und  schönen  Portalen.  (Puttrich  a.  a.  O.  Bl.  9 
u.  11.  —  Statz  und  Ungewitter  Taf.  86  Fig.  14  —  16.)  —  Die  Ma- 
rienkirche, edel-gothischer  Prachtbau  (ohne  Zweifel  auf  den  Fündamen- 


1)  Ursinus,  J.  F.,  Gesch.  der  Bomkircbe  zu  Meissen  und  ihrer  Grabmähler. 
1782.  —  Seh  wechten,  F.  W.,  der  Dom  «u  Meissen.  Mit  22  rad.  Bl.  (1826.)  1847. 
—  Ebert,  F.  Ad.,  der  Dom  zu  Meissen.   Mit  24  Lith.    1835. 

2)  Oertel,  F.,  das  Münster  der  Augustiner  Chorherren  zu  St.  Afra  in  Meissen. 
(1858.) 

3)  Altenburg,  Ch.  G.,  Beschreib,  der  Stadt  Mahlhausen  in  Thüringen.  Mit 
Tielen  Abbild.   1S24. 


in  Thüringen  und  Sachsen*  575 

ten  einer  roman.  Basilika)  in  der  Grundform  des  Kreuzes ,  doch  tritt  das 
Querschiff  über  den  fünfschiffigeü  Hallenbau  des  Langhauses  nicht  vor. 
Der  Chor  von  der  Breite  des  Mittelschiffes ,  sowie  die  jenseits  des.  Quer- 
hauses in  zwei  Nebenchöre  auslaufenden  inneren  Seitenschiffe  schliessen 
im  halben  Achteck.  Die  Pfeiler  haben  eine  im  Grundschema  achteckige 
Form  mit  vier  starken  Halbsäulen  ,  entsprechenden  tiefen  Einkehlungen 
und  feineren  Zwischengliedern  ;  die  Capitäle  bilden  leichte  Laubkränze,  und 
die  Gewölbe  haben  herabhängende  Schlusssteine.  Die  schlanken  Fenster 
zeigen  regelrecht  klares  Maasswerk.  Charakteristisch  für  das  Aeussere  sind 
die  abgestuften  Giebel  der  Seitenschiffdächcr  des  Langhauses ,  die  hinter 
einer  von  Fialen  unterbrochenen  Galerie  aufsteigen  und  sich  an  der  Chor- 
partie in  ähnlicher  Weise  als  blosse  Decoration  fortsetzen.  Der  Giebel  des 
südlichen  Kreuzarmes  ist  durch  einen  Altan  über  dem  schmuckvollen  Por- 
tale ausgezeichnet.  Zwischen  den  beiden  älteren  Westthürmen  (oben  S.  4 19) 
erhebt  sich  der  oben  zopfig  verunstaltete  spätgoth.  Hauptthurm.  (Put trieb 
a.  a.  O.  Bl.  2—6.  —  Details  bei  Statz  und  Ungewitter  auf  Taf.  49, 
53,  90  u.  96,  auch  in  Ungewitter,  Lehrbuch  auf  Taf .  11 — 13  u.  15.) 
—  Neben  der  einfachen  Georgskirche  eine  kleine  polygonische  Kapelle 
im  Stil  des  XIV.  Jahrb.  (Put trieb  a.  a.  O.  Bl.  10.  —  Statz  und  Un- 
gewitter auf  Taf.  146.)  —  Ueber  die  hölzertie  Jodocuscapelle')  s.  oben 
S.  26. 

linehriileD  bei  Coburg.  Spätgoth.  Klosterbaulichkeiten  in  der  dem 
Profanbau  eigenen  Beb andlnngs weise .  (H  e  i  d  e  1  o  f f ,  Ornamentik .  Hft .  1 6 
Taf.  3.) 

Naambnrg  a.  d.  S.  Der  frühgoth.  Westebor  des  Domes,  einschiffig, 
mit  Gurtträgern  in  den  Ecken ,  an  den  unteren  Theilen  mit  Blendbögen 
verziert,  im  Triforium  ein  Verbindungsgang  in  der  Mauer;  1249.  Dei 
Ostchor  schliesst  vierseitig  aus  dem  Zwölfeck ,  so.  dass  die  Längenaxe  des 
Baues  in  eine  Ecke  f&llt ;  er  gehört  in  das  XIV.  Jahrb.  (Put.tr ich ,  Denkm. 
IL  Serie  Naumburg.  Bl.  2  —  4:  9.  13.  15  u.  23.  —  Vergl.  oben  S.  419 
u.  483  Fig.  208.)  —  Die  Wenzelskirche  (östlich  und  westlich  poly- 
gonisch geschlossen)  im  Innern  verzopfter  Hallenbau,  nach  1473 ;  die  Mo- 
ritzklosterkirche 1502  —  12^),  einschiffig  mit  Holzdecke  und  zwei 
dünnen  älteren  Westthürmen. 

NiMlaisberg.  Vergl.  oben  S.  419.  Der  Chorschluss ,  der  Hallenbau 
des  Langhauses  mit  achteckigen  Pfeilern ,  der  Thurm  und  die  Sacristei  der 
Klo^erkirche,  einfach  spätgothisch. 

Nienbirg  a.  d.  S.  Der  Chor  mit  Apsidenschluss  im  halben  Zehneck 
und  das  Querschiff  der  Kloster-  (Schloss-)  Kirche^),  romanisirend 
frühgothisch  nach  einem  Brande  von  1242,  der  dem  Typus  von  St.  Elisabeth 
in  Marburg  entsprechende  Hallenbau  des  Langhauses  nach  einem  aber- 
maligen Brande  von  1280.    Der  einfache  Westthurm  1520.    Mehreres  Alte 


1)  Tilesius  v.  Tilenau,  Ad.,  die  hölzerne  Kap.  des  h.  Jodocus  zu  Mühl- 
hausen  i.  Th.    Mit  :j  Taf.  in  Farbendr.   1850. 

2}  Lepsin s,  C.  P.,  Uistor.  Nachricht  vom  Augustinerkl.  S.  Moritz  zu  Naum- 
burg.   Mit  .">  Lithogr.    IS34. 

3)   Bergholz,  Ed.,  die  Schlosskirehe  zu  Nienburg  ü.  d.  S.  1853. 

31» 


576  Gothische  Kirchen 

bei  der  Restauration  1840 — 1853  verändert.  (Puttrich,  Denkm.  I.  Serie 
Anhalt.  Bl.  13  f.  —  Vergl.  oben  S.  481  Fig.  199  f.) 

N^nlhatsen.  ^)  DieBlasiuskirche^in  der  Grundform  des  Kreuzes ; 
das  aus  drei  gleich  hohen  Schiffen  bestehende  kurze  Langhaus  hat  abge- 
kantet viereckige  Pfeiler  mit  einfachen  Kämpfern  und  Kreuzgewölben  von 
1489.  Die  beiden  nahe  neben  einander  über  gemeinsamem  Unterbau  auf- 
steigenden abgekantet  viereckigen  Westthürme  sind  älter.  —  Das  spätgoth. 
Langhaus  des  Domes  mit  fast  gleich  hohen  Schiffen  und  achteckigen  Pfei- 
lern ,  deren  Hauptseiten  je  drei ,  dicht  neben  einander  angebrachte  Dienste 
bedecken ,  die  über  Laubcapitälen  die  Gurte  der  reichen  Netzgewölbe  auf- 
nehmeu.  —  Die  Marktkirche  von  1360,  im  Schiff  mit  abgekantet  vier- 
eckigen Pfeilern  und  einfachen  Kämpfern :  der  Chor  von  der  Breite  des 
Mittelschiffes.    Vergl.  Lotz  1,  475  f. 

•yUn.^)  Ruine  der  1369  — 1384  erbauten  Cölestinerkirche,  einschiffig 
mit  zurücktretendem  langem  Chor  und  gleichzeitigem  Kreuzgang.  (Put- 
trich, Denkm.  L  Serie  Reuss.  Bl.  5.  11  u.  13.) 

Pferta  bei  Naumburg.  Die  Cisterzienserkirche,  angelegt  als  romanische 
Pfeilerbasilika  mit  je  zwei  Kapellen  an  der  Ostseite  des  Querschiffes ,  aber 
im  gothischen  Stil  des  XIII.  und  XIV.  Jahrhunderts  ausgebaut:  die  Kreuz- 
arme  inschriftlich  1251  ;  der  dem  Westchore  des  benachbarten  Naumburg 
nahe  verwandte  frühgoth.  Chor,  geweiht  1268  ;  die  Westfront  des  gestreck- 
ten Langhauses  aus  dem  XIV.  Jahrh.  Restaurirt.  (Puttrich,  Denkm.  IL 
Serie  Pforta.  —  Vergl.  oben  S.  483  Fig.  206  u.  208.) 

Pirna«    Hallenkirche  mit  dreifachem  Polygonschluss,  1502 —  1546. 

tuedllnbirg.  Die  Aegidienkirche,.  unbedeutende  spätgoth .  gerade 
geschlossene  Hallenkirche  mit  Holzdecke.  —  Die  Marktkirche,  spät- 
goth ische,  nur  im  einschiffigen  Chor  überwölbte  Hallenkirche  mit  achtecki- 
gen Pfeilern  und  zwei  Westthürmen.  —  Die  Schäferkirche,  spätgoth. 
Hallenkirche  mit  gegliederten  viereckigen  Pfeilern  und  einschiffigem ,  von 
Holzgewölben  Überspanntem  Chor.  Der  mit  zwei  einfachen  Thürmen  ver- 
sehene Westbau  romanisirend  frühgoth isch .  —  Der  Chor  der  Schloss- 
kirche 1320.  —  Vergl.  Lotz   1,  506. 

lUcUltz.  Die  Kunigundenkirche  ^) ,  spätgoth.  Hallenbau  mit  achtecki- 
gen Pfeilern  und  reichem  Südportal ,  1417  —  1499.  Das  Innere  und  der 
Thurmbau  1681. 

lUda  (Stadt-)  bei  Jena.  Ruine  der  ursprünglich  mit  einem  niederen 
(nördl.)  Seitenschiffe  versehen  gewesenen,  rechteckigen,  flach  gedeckten 
Cisterziensernonnenkirche  ^)  mit  westlicher  Nonnenempore,  im  romanisirend 
frühgoth.  Stil.    (Puttrich .  Denkm.  I.   Serie  Altenburg.  Bl.  15  — 17.) 

1)  Förstemann,  E.  G. ,  Urkundl.  Gesch.  der  Stadt  Nordhausen.  1840.  — 
L  e  s  s  e  r  '8  histor.  Nachricht  von  der  Stadt  Nordhausen,  fortgesetzt  von  E.  G.  F  ö  r  s  t  e- 
mann.   1860. 

2)  Eachke.Ed.,  derOybin  u.  seine  Rainen.  MitAbbildd.  H32.— Pescbeck, 
Ch,  A.,  der  Oybin  bei  Zittau,  dargestellt  in  12  Kpfrn.  1835.  —  Derselbe,  Kleine 
Chronik  des  Oybin.  3.  Aufl.   1S54. 

3}  Stieglitz,  Ch.  L.,  die  Kirche  der  h.  Kunigunde  zu  Rochlitz,  im  Berichte 
der  deutschen  Gesellach.  zu  Leipzig.   1829.  S.  67  ff.  u.  Anhang. 

4)  Sprenger,  F.,  Baudenkm.  im  Altenburgisohen  (Klosterk.  in  Roda\  in  der 
Zeitschr.  für  Bauwesen.   1800.  Sp.  521—524  u.  Bl.  57. 


in  ThOringen  and  Sachsen.  577 

KtaktM  unweit  Hildburghausen.  Die  Ostlich  und  westlich  polygonisch 
schliessende  Stadtkirche  1450 —  1470. 

SaalfeM.  Die  Münzkirche,  flach  gedeckt ,  mit  gerade  geschlosse- 
nem Chor  und  Fenstern  in  pyramidalen  Gruppen,  deren  FtlUungen  auf  das 
XrV^.  Jahrh.  deuten.  (Pütt rieh,  Systemat.  Darstellung.  BL  IX.  55.)  — 
Die  grossartige  Stadtkirche  1456,  dreischiffiger  Hallenbau  mit  einschif- 
figem Chor,  im  reichen  Stil  jener  Zeit.  (Derselbe,  Denkm.  I.  Serie 
Meiningen.  Bl.  5  u.  8.)  —  Vergl.  Lotz  1.  529  f. 

Saigerkavsen.  Die  Jacobikirche,  im  Chor  mit  NetzgewOlben,  im  drei- 
schiffigen  Langhause  mit  Holzdecken;  neu  erbaut  1494. 

Sckieekerg.  Die  Pfarrkirche  1516— 1540.  Pfeiler  und  Emporen  ahn- 
lich wie  in  Annaberg. 

Stadt -Hm.  Die  moderne  Kirche  hat  hinter  den  roman. ,  oben  goth. 
Frontalthürmen  (oben  S.  425)  noch  zwei  goth.  Portalhallen.  (Puttrich, 
Denkm.  I.  Serie  Schwarzburg.  Bl.  15  f.)  —  Unter  dem  Schloss  eine  goth. 
Krypta,  als  Rest  des  ehemal.  Klosters.  Vergl.  E.  Guhl,  in  den  N.  Mit- 
theil, des  Thüring. -Sachs.  Vereins.  VII.  4,  63—77. 

Stolberg.  Die  Muttergotteskapelle  bei  der  Martinikirche  1477; 
die  Gottesackerkapelle,  barbarisirt  und  deshalb  von  wunderlich  un- 
regelmässiger Grundform^  fast  der  Figur  eines  B  gleichend.  (Puttrich, 
Denkm.  II.   Serie  Stolberg.  Bl.  10.) 

Torgaa.    Die  Marienkirche  1484. 

Weissenfels.  Die  Claraklosterkirche  (Magazin),  ein  einfacher, 
im  XVI.  Jahrh.  veränderter  Hallenbau  mit  gegliederten  Pfeilern.  —  Die 
Stadtkirche,  Hallenbau  mit  achteckigen  Pfeilern  und  einschiffigem  Chor, 
begonnen  1415. 

Weyiia«  Die  Wiedenkirche,  einschiffige,  nur  im  Chor  gewölbte  Ruine, 
frühgothisch  mit  roman.  Reminiscenzcn .  (Puttrich,  Denkm.  I.  Serie 
Weimar.  Bl.  16.) 

WIttoiberg* ^)  Die  Stadtkirche  besteht  aus  zwei  heterogenen ,  un- 
symmetrisch verbundenen  Theilen.  Die  in  Ziegelbau  ausgeführte ,  gerade 
geschlossene  und  ursprünglich  nur  mit  einem  (südlichen)  Seitenschifie  ver- 
sehene ,  schon  um  1 300  vorhanden  gewesene  (späier  mehrfach  veränderte) 
Ostpartie  mit  Viereckpfeilern ,  und  der  um  1412  hinzugefügte  Hallenbau 
des  Langhauses  (aus  Granit  und  Ziegeln  mit  Hausteindetails)  mit  Achteck- 
pfeilern und  zwei  Westthürmen.  (Schadow  a.  a.  O.  Taf.  l.  3  u.  4.  — 
Puttrich,  Denkm.  II.  Serie  Wittenberg.  Bl.  3  u.  8.)  —  Die  Schloss- 
kirch e^,  eine  östlich  dreiseitig  geschlossene  einschiffige,  mit  einer  Em- 
pore und  zwei  Fensterreihen  versehene ,  im  Innern  verzopfte  Halle  (Ziegel 
und  Sandstein)  1493—1499.  (Schadow  a.a.O.  Taf.  1  a.)  —  Die  (Heil. 
Leichnams-)  Kapelle  neben  der  Stadtkirche,  ein  kleiner  einschiffiger  Zie- 
gelrohbau mit  Sandsteindetail,  um  1377. 


1)  Schadow,  J.  Gttfr.,  Wittenberg'«  Denkmäler  der  Bildnerei ,  Baukunst  u. 
Malerei.  1825.  —  Stier,  GH.,  Wittenberg  im  Mittelalter.  1855. 

2)  Faher,  Mtth.,  Histor.  Nachricht  von  der  Schloss-  u.  Stiffts  Kirche  zu  Aller- 
Heiligen  in  Wittenberg.  (1717.)  2.  Aufl.  1730.  —  Stier,  Uli.,  die  Schlosskirche  zu 
Wittenberg.   Mit  5  Hokschn.  u.  7  Kpfm.  1860. 


578  Gothische  Kirchen  In  Tbaringen  und  Sachsen. 

Zettl  Die  Oberpfarrkirche  St.  Michaelis,  die  (Franciscaner-)  K 1  o - 
sterkiv.che  und  die  Stiftskirche  (Seh losskirche) ,  letztere  wesentlich 
von  1433,  jedoch  wurde  der  westliche  Theil  derselben  um  1670  abge- 
tragen; A'ergl.  oben  8.  424. 

Zerbst.  Die.  Nicolaikirche  ^),  aus  Ziegeln  und  Haustein,  in  Hallen- 
form  und  mit  einem  ein  halbes  Achtzehneck  bildenden  Umgang  der  Seiten- 
schiffe um  den  fünfseitig  schliessenden  Chor;  letzterer  vollendet  1446,  das 
Schiff  1488  und.  L494  eingewölbt.  Die  Pfeiler  sind  achteckig  mit  Eckglie- 
derungen. Auf  der  Westseite  über  dem  älteren. Thurmbau  ein  Aufsatz  von 
drei  pyramidal  aufsteigenden  Helmspitzen  vom  J.  1530.  Kestaurirt.  (Put- 
trich,  Denkm.  I.  Serie  Anhalt.  Bl.  2 — 6.)  —  Die  Ruine  der  Barfüsser- 
kirch  e  ,  frühgothisch,  und  in  der  Ostwand  mit  drei  pyramidal  gruppirten 
Fenstern.   (Pütt rieh  a.  a.  O.,  Vignette  auf  S.  15.) 

Zwifkaa.  Die  Marienkirche'-'),  durchgängig  dreischiffiger  Hallen- 
bau mit  concav  achteckigen  Pfeilern  und  Netzgewölben;  der  Chor  1453 
—'1470,  das  Schiff  1506 — 1536  ;  letzteres  äusserlich  sehr  reich  mit  Bau m- 
geästen  etc.  decorirt.  (Puttrich,  Denkm.  I.  Serie  Reuss.  Bl.  16  f.)  — 
Die  Katharinenkirche,  im  einschiffigen  Chor  vollendet  1465  ;  das 
hallenförmige  Langhaus  mit  unsymmetrisch  gestellten  Pfeilern  und  reichen 
Netzgewölben  aus  dem  XIV  — XVI.  Jahrh.  (Puttrich  a.  a.  O.  Taf.  5, 
s  u.  t.) 


1)  Schubert,  W.,  über  die  ErbauungHzeit  der  K.  St. Nicolai  in  Zerbst,  in  den 
N.  Mittheil,  des  Thüring.  -  Sachs.  Vereins.  III.  4,  123. 

2)  Herne  Witz,  G.  v.,  die  Marienk.  za  Zwickau.  2  Hfte.  18.39  f. 


Fig.  231.    Wietenkirche  in  BoMt. 


VI.   In  Westfalen. 

Literatur :   Vergl.  die  oben  S.  426  angefahrten  Schriften,  besonders  die 
Werke  von  Schimmel  und  L ü b k e. 


Yorbemerknng. 

107.  In  Westfalen,  wo  sich  der  spätromanische  Gewölbebau 
sehr  weit  hinauszog  (oben  S.  427),  finden  sich  zwar  anscheinend  noch 
aus  dem  XIII.  Jahrhundert,  und  offenbar  unter  hessischem  Einfluss, 
einige  wenige  Beispiele  des  edeln  strenggothischen  Stils  (Nicolaikapelle 
in  Obermarsberg,  Chor  der  Petrikirche  zu  Soest,  Schiff  des  Doms  von 
Minden) ,  indess  die  allgemeine  Anwendung  der  Gothik  beginnt  erst 
mit  dem  XIV.  Jahrhundert  und  zwar  überwiegend  in  einem  nüchter- 
nen, beinahe  eintönigen  Charakter  der  fast  durchaus  schmucklosen 
Bauten.  Schon  der  Grundriss  beschränkt  sich  auf  das  Nothwendigste ; 
Kreuzvorlagen,  damals  freilich  bereits  überall  nicht  mehr  beliebt,  feh- 
len; Chorumgänge  kommen  nur  ausnahmsweise  vor  (Katharinenkirche 
zu  Unna,  Marienkirche  zu  Lippstadt;  Marienkirche  zu  Osnabrück,  mit 


580  Gothiflohe  Kirchen 

niedrigen  Abseiten) ;  der  Cborschluss  ist  insgemein  dreiseitig  aus  dem 
Achteck',  zuweilen  rechteckig,  selten  in  reicherer  Polygonform.  Die 
gleichhohen  Schiffe  der  fast  ohne  Ausnahme  beibehaltenen  Hallenform 
ruhen  unter  einem  schwerfallig  lastenden  Dache ,  und  nur  ein  massig 
viereckiger  Thurra  von  der  Breite  des  Mittelschiffes  ist  der  Westseite 
in  Harmonie  mit  dem  übrigen  Gebäude  vorgelegt.  Das  Innere  zeigt 
Arkadenpfeiler  von  runder  Grundform,  die  sich  mit  vier,  seltener  mit 
acht  Dreiviertelstäben  als  Diensten  für  die  Gewölbrippen  auf  runder 
Basis  erheben.  Die  Gewölbjoche  sind  breit,  fast  quadratisch  gestellt, 
und  zierlichere  zusammengesetzte  Gc  wölb  Formationen  kommen,  wie  in 
den  andern  deutschen  Ländern,  in  denen  der  Steinbau  herrscht,  so 
auch  in  Westfalen,  erst  im  XV.  und  XVI.  Jahrhundert  vor,  oft  mit 
nackten  Rundpfeilern,  aus  deren  rundem  Kämpfergesims,  in  späterer 
Zeit  auch  geradezu  aus  dem  Schaft,  die  Gewölbrippen  in  willkürlicher 
Zahl  her  vor  wachsen.  Die  wegen  ihrer  kühnen  Pfeilerconstruction  be- 
rühmte Marienkirche  zur  Wiese  in  Soest  (gegründet  1313,  aber  mehr 
dem  Ende  wie  dem  Beginn  des  XIV.  Jahrhunderts,  zum  Theil  noch 
dem  XV.  Jahrhundert  angehörig)  ist  wegen  der  von  dem  Baumeister 
derselben  offenbar  beabsichtigten  und  auf  das  glücklichste  erreichten 
Leichtigkeit  in  dieser  Beziehung  in  der  That  bewundernswerth.  *)  — 
Uebrigens  haben  die  gothischen  Kirchen  Westfalens  sämmtlich  nur 
geringere  Räumlichkeit,  und  die  beiden  grossesten  unter  ihnen  (Lieb- 
frauenkirche zu  Münster  und  die  Kirche  zu  Bocholt)  sind  kaum  Ge- 
bäude zweiten  Ranges.  ^) 

Vergl.  Schnaase,  Kunstgesch.  5,  493—495;  556—561 ;  6,  274--2S2.  — 
Kugler,  Gesch.  der  Baukunst  3,  244—254;  383—390.  -^  Lttbke,  Gesch. 
der  Architektur.  3.  Auil.  S.  548  ff. 

Ahais«  Spätgoth.  Kirche  mit  Rundpfeilern;  der  Thurm  bildet  eine 
sich  gegen  das  Mittelschiff  öffnende  Halle ;  der  jüngere  Chor  ist  gerade 
geschlossen. 

AUei  bei  Hamm.  Die  spätgoth.  Barthol omäikirche  mit  Rund- 
pfeilem.    Aehnlich  ist  das  Langhaus  der  Marienkirche,  das  jedoch  nur 


t)  Diese  schöne  Kirche  und  die  Martinikirche  zu  Bielefeld  sind  die  einzigen  go- 
thischen  in  Westfalen,  -welche  auf  eine  schmuckvolle  doppelthannige  Westfacade 
berechnet  waren.  Beide  sind  indess  unvollendet  geblieben,  doch  werden  die  Thflrme 
der  Wiesenkirche  in  Soest  gegenwärtig  der  Vollendung  entgegengefahrt,  und  dem 
vorstehenden  Holzschnitte  Fig.  23 1  liegt  eine  Photographic  des  nach  dem  Entwürfe 
angefertigten  Modells  (oben  S.  272)  zu  Grunde ,  deren  Benutzung  wir  der  Güte  des 
Herrn  v.  Quast  zu  verdanken  haben. 

2)  Die  nachstehend  aufgcfahrten  -westHllischcn  Kirchen  sind,  insofern  nichts  an- 
deres bemerkt  ist,  sämmtlicH  drcischiffige  Hallenkirchen  mit  cinschiffi- 
gem  Chor. 


in  Westfalen.  5g  1 

mit  einem  (südl  )  Seitenschiffe  versehen  und  schief  an  den  kurzen,  der  frü- 
heren Gothik  angehörenden  Chor  angesetzt  ist. 

Anachten  bei  Münster.  Der  Thurm  der  einfachen  einschiffigen  Kirche 
mit  abgetreppten  Giebeln  und  Satteldach. 

Alt-Luoen  a.  d.  Lippe.  Kleine  zierliche  Kirche  mit  schmalen  Seiten- 
schiffen. Die  runden  Pfeiler  sind  mit  vier  starken  und  vier  schwächeren 
Diensten  besetzt ,  welche  letztere  auf  Consolen  basirt  sind ;  die  Capitäle 
theils  schlicht,  theils  mit  Laubwerk.  Der  Chor  gehört  frühgothischer  Zeit 
an  und  der  Triumphbogen  ist  noch  romanisch. 

ArDslier^.  Die  (Prämonstratenser-,  jetzt)  Pfarrkirche  zeigt  im  Chor 
und  in  dem  mit  achteckigen  Pfeilern  versehenen  Osttheile  des  Langhauses 
noch  rippenlose  Gewölbe  und  frühgoth.  Lanzettfenster,  auch  ein  grosses 
aus  Rundstäben  componirtes  Radfenster  (Lübke  Taf.  17  Fig.  4).  In  dem 
späteren  westlichen  Theile  sind  die  kräftigen  Pfeiler  rund  und  die  Fenster 
mit  ausgebildet  gothischem  Maass werk  gefüllt.  —  Die  Schlosskapelle 
von  engen  Verhältnissen  mit  Lanzettfenstern  und  schlichten  Rundpfeilern. 

Aschebfrg  bei  Lüdinghausen.  Die  Kirche  von  1524,  der  zu  Lüding- 
hausen  ähnlich ,  nur  in  kleineren  Verhältnissen.  Rundpfeiler  mit  geglie- 
derten Sockeln  und  Capitälen.  Der  quadratisch  vorgebaute  Chor ,  roh  mit 
Rundbogenfenstem,  gehört  späterer  Zeit  an. 

Atteidorn  (Kr.  Olpe) .  Die  grosse,  durchaus  schmucklose  kreuzförmige 
Kirche,  deren  fast  gleichbreite  Schiffe  durch  hohe,  nicht  in  gleicher  Flucht 
stehende  Rundpfeiler  mit  rohen  Kämpfern  geschieden  werden.  Die  Fenster 
zeigen  Avohl  gefügtes  Maasswerk  des  XIV.  Jahrhunderts.   Vergl.  auch  S.  443. 

leckiH.  Einfache  Kirche  in  Kreuzform  mit  langem  Chor,  in  der  Ost- 
partie wohl  aus  dem  Anfang  des  XIV.  Jahrhunderts,  in  dem  nüchternen  mit 
schlichten  kräftigen  Rundpfeilern  versehenen  Langhause  spätgothiscb . 

lenDinghaMsei  bei  Lippstadt.  Einschiffige,  zierlich  in  schlanken  Ver- 
hältnissen ausgeführte  spStgoth.  Kirche.    Vergl.  S.  443. 

Bielefeld.  Die  Martinikirche  in  der  Grundform  des  Kreuzes  mit 
langem  gerade  geschlossenem  Chor  und  zwei  unvollendeten  Westthürroen. 
Die  Pfeiler  schlicht  rund ,  nur  die  Eckpfeiler  der  Vierung  mit  acht  Halb- 
säulen als  Diensten.  —  Die  Nicolaikirche  mit  gleich  breiten,  von 
schlichten  Rundpfeilern  getrennten  Schiffen,  einfach  und  von  gedrungenen 
Verhältnissen.  Beide,  wesentlich  aus  dem  XIV.  Jahrb.  stammende  Kirchen 
sind  gut  restaurirt. 

MeHkerg  bei  Detmold.  Die  Augustinerkirche,  gegründet  1460,  mit 
dicken,  sehr  weit  gestellten  Rundpfeilem.    Die  Streben  enden  in  Fialen. 

iechelt«  Kirche  in  Kreuzform  mit  etwas  niedrigeren  Seitenschiffen 
und  von  eleganter  Ausführung.  *)  Der  Chor  begonnen  1430.  Im  Lang- 
hause Rundpfeiler  mit  rechteckigen  Vorlagen  für  die  Scheidbögen.  Der 
1472  angelegte  Thurm  ruht  nach  innen  auf  zwei  mächtigen,  lebendig  ge- 
gliederten Pfeilern  und  ist  in  der  Axe  der  Seitenschiffe  mit  zwei  Neben- 
räumen versehen.    (Schimmel,  in  Lief.  8.  —  Lübke  Taf.  19.) 


1}    B.  Z;ehe),    die  Kirche  zu  Bochold,  im  Organ  far  christl.  Kunst.    1S52. 
S5  — ST. 


582  Gotbische  Kirchen 

■•cbip  bei  Dortmund.  Die  Kathol.  Kirche,  spätgothisch  mit  gedrun- 
genen Rundpfeilern  und  Netzgewölben  ;  der  niedrigere  und  kurze  Chor  ist 
älter. 

l^rkei  bei  Bocholt.  Die  Pfarrkirche^  im  spätgoth.  Langhause  mit 
kräitigen  Rundpfeilem  in  weiten  Abständen ,  im  älteren  Chor  mit  regel- 
rechter MaasswerkfQllung  der  Fenster.  Am  unten  noch  romanischen  Thurm 
mischen  sich  Ziegel  unter  den  Bruchstein ,  und  südwestlich  befindet  sich 
ein  kapellenartiger  Ziegelanbau  von  1517.  —  Die  Kirche  des  1401  ge- 
gründeten Augustinerklosters  ist  ein  einschiffiger  Bau  aus  Ziegeln,  in 
der  dem  Material  gemässen  Weise  mit  Blenden,  Friesen  und  bunt  glasirten 
Steinen  künstlerisch  durchgeführt. 

IreekerfeM  (Kr.  Hagen) .  Die  Pfarrkirche,  in  Kreuzform  und  von  ge- 
ringen Dimensionen,  giebt  sich  als  Umbau  einer  basilikalen  Anlage  aus  der 
Uebergangsperiode  zu  erkennen.  ^) 

larU  bei  Bocholt.  Die  ehemalige  Klosterkirche,  einschiffig  mit  früh- 
goth.  Chor. 

Clarh^k  bei  Belen.  Die  Nonnenstiftskirche,  im  Langhause  mit  Rund- 
pfeilem, im  Querschiffe  noch  romanisch,  im  Chore  mit  Wandsäulohen  für 
die  Gewölbgurte. 

C^rkach.  Die  Kilianskirche. '^]  In  dem  1420 — 1450  erbauten  quadra- 
tischen ,  aus  drei  gleich  breiten  Schiffen  bestehenden  Langhause  zwei  Paar 
schlichte  mit  leichten  Laubcapitälen  gekrönte  Rundpfeiler.  Der  Chor,  be- 
gonnen 1335,  der  ursprünglich  über  300'  hohe  Thurm  vollendet  1302. 
Die  Kirche  ist  1836  durch  Mol  1er  restaurirt.  —  Die  Franciscaner- 
kirche^  gegründet  1487.  —  Die  Nicolaikirche,  deren  Chor  1454,  der 
Thurm  1359  begonnen  wurde. 

iatlelD  unweit  Dortmund.  Kirche  von  1528  mit  niedrigen  Rundpfei- 
lern und  nur  einem  (nördl.)  Seitenschiff. 

iellwig  a.  d.Ruhr.  Kleine  einschiffige  Kirche  (oben  S.  443)  mit  Chor 
von  1510. 

■•rtaiud.  Die  Dominicaner-  (Kathol.  Pfarr-)  Kirche,  in  ausser- 
ordentlich schlanken  und  kühnen  Verhältnissen;  der  gestreckte  Chor  1353 
beendet,  das  jüngere  Langhaus  hat  nördlich  mit  vier  Diensten  besetzte 
Rundpfeiler  in  weiten  Abständen,  südlich  statt  des  Seitenschiffes  einen 
schmalen,  durch  schwere,  mit  je  zwei  Diensten  besetzte  Yiereckpfeiler  ge- 
trennten und  in  der  Tonne  überwölbten  Gang.  Das  Mittelschiff  ist  mit 
Sterngewölben  überspannt.  Die  Kirche  ist  mehrfach  verunstaltet,  noch 
ärger  aber  der  schöne  gleichzeitige  Kreuzgang.  (Lübke  Taf.  18  u.  Taf.  24 
Fig.  8  f.)  —  Die  1319—1353  erbaute  Petrikirche  mit  achteckigen  Pfei- 
lern und  rippenlosen  Kreuzgewölben  ist  mit  Renaissance-Details  erneuert; 
der  1396  begonnene  (ursprünglich  angeblich  370'  hohe)  Thurm  hat  durch 
Blitz  seine  sehr  hohe  Spitze  eingebüsst.  —  Der  Chor  der  Reinoldikirche, 
prachtvoll  mit  Sterngewölben,   1421 — 1450.    Grosse  viertheilige,  zweimal 


1)  Labke,  W.,  die  Pfarrkirche  zu  Breckerfeld,  im  Anzeiger  des  german.  Mu- 
seums. 1858.  Sp.  144  f. 

2)  Curtze,  L.,  u.  Rheins,  F.  V.,  Oesch.  u.  Beschreib,  der  Kirche  St.  Kilian 
zu  Corbach.  1843.  —  Orth,  A.,  die  Kilianskirche  in  Corbach,  in  der  Zeitschr.  far 
Bauwesen.   Ib5ü,  Sp.  4Uö  u  Bl.  60. 


in  Westfalen.  5g3 

durch    quer  gezogenes  Maasswerk  abgetheilte  Fenster;    reich    behandelte 
Strebepfeiler. 

MDgfnlierg  unweit  Paderborn.  Die  kleine,  aus  einem  älteren  Gebäude 
spätgothisch  umgebaute  Kirche.  Das  n6rdl.  Seitenschiff  ist  niedriger,  das 
südliche  ebenso  hoch  wie  das  Hauptschiff;  die  ursprünglich  viereckigen 
Pfeiler  sind  durch  Abkantung  achteckig  gemacht. 

Nteen  unweit  Münster.  Die  Pfarrkirche  besteht  aus  drei  Schiffen 
von  gleicher  Länge  und  mit  gleichem  dreiseitigem  Schlüsse ;  die  Seitenschiffe 
sind  niedriger  als  das  Mittelschiff.  Die  höheren  östlichen  Theile,  mit  Rund- 
pfeilem,  sind  jünger,  als  die  westlichen  mit  Viereckpfeilern. 

Enger.  Das  spätgoth.  Langhaus  der  Stiftskirche  (oben  S.  431)  mit  zwei 
achteckigen  Pfeilern. 

EfenwiDkel  bei  Münster.  Die  1489  erbaute  Kirche  mit  zwei  Paar  weit 
gestellten  Rundpfeilern  und  kurz  vorgelegtem  Chor ;  die  Verhältnisse  sind 
für  die  Breite  viel  zu  kurz.  Die  Decoration  mit  Maasswerk  etc.  erscheint 
glanzvoll. 

Valkeihagen  im  Dctmoldischen.  Elegante  einschiffige  Kreuzritterkirche 
spätgoth.  Stils. 

CirkhaiseB  bei  Schmallenberg.  Zweischiffige ,  in  zwei  Chöre  ausge- 
hende frühgoth.  Hallenkirche  mit  Rundpfeilern.  Der  westliche  Theil  er- 
scheint als  Ueberrest  eines  älteren  Baues,  welcher  bis  an  den  jetzt  ziemlich 
entfernt  isolirt  stehenden  roman.  Thurm  reichte.   (Lübke  Taf.  20  Fig.  9.) 

CtttertUh.  Das  Langhaus  der  Kirche ,  spätgothisch  mit  achteckigen 
Pfeilern;  daß  gerade  schliessende  Altarhaus  noch  aus.  roman.  Zeit. 

laltorn  bei  Recklinghausen.  Roh  spätgoth.  Kirche  mit  Rundpfeilern 
und  Giebeldächern  über  den  Seitenschiffen.  Der  Thurm  füllt  ohne  Verbin- 
dung mit  dem  Mittelschiffe  das  westlichste  Joch  des  letzteren  aus. 

Iahh.  Die  Pfarrkirche  in  der  Grundform  des  Kreuzes,  in  der  Ost- 
partie frühgothisch  mit  fünfseitigem  Schluss  aus  dem  Zwölfeck.  Das  dem 
XIV.  Jahrh.  entstammende  Langhaus  hat  eng  gestellte  schwere  Rundpfei- 
ler; der  mächtige  Westthurm,  innen  auf  zwei  starken  Rundpfeilern  ruhend, 
tritt  zur  Hälfte  aus  der  Front  hervor.  (Lübke  Taf.  20  u.  24.)  —  Die  Ka- 
thol.  (Observanten-)  Kirche  mit  nur  einem  (südl.)  Seitenschiff,  sehr  lang 
und  schmal,  mit  Rundpfeilern,  1510—1512.    (Ebd.  Taf.  20  u.  24  Fig.  19.) 

lafilkeek  bei  Münster.  Kleine  Kirche  mit  Rundpfeilern  und  kurzem 
Chor,  XIV.  Jahrh.    Der  Thurm  ist  romanisch. 

lerftri.  Die  Stiftskirche  St.  Johann  mit  gleich  breiten  Schiffen  und 
Rundpfeilern ,  deren  Kämpfer  reich  mit  zierlichem  Laubwerk  geschmückt 
sind,  XIV.  Jahrh.  Der  Thurm  hat  eine  ungewöhnlich  hohe  Spitze.  —  Die 
Stiftskirche  St.  Marien  (Bergerkirche),  angeblich  gegründet  1325,  eben- 
falls mit  Schiffen  von  gleicher  Breite  und  mit  schlanken  Rundpfeilern; 
letztere  sind  mit  vier  stärkeren  und  vier  schwächeren  Halbsäulen  besetzt, 
deren  Capitäle  meist  zierliches  Laubwerk  zeigen.  Der  in  ziemlicher  Länge 
vorgelegte  Chor  ist  gerade  geschlossen,  mit  elegant  ausgestattetem  Giebel. 
(Schimmel,  in  Lief.  5.)  Die  Seitenschiffe  haben  Giebeldächer,  und  die 
Fenster  der  mittleren  Joche  sind  als  mächtige  Rosen  gestaltet.  Vor  dem 
quadratischen  Langhause  eine  Vorhalle  mit  Thurm.  —  Die  Radewigis- 
kirche,  ebenso  mit  gleich  breiten  Schiffen,  deren  Rundpfeiler  in  der  südl. 


584  Gothiache  Kirchen 

Reihe  schlicht  gehalten,  in  der  nördlichen  mit  vier  Halbsäulen  besetzt  sind. 
Das  Aeussere  ist  schmucklos ;  die  Seitenschiffe  mit  Giebeldächern. 

lertebrtck  bei  Gütersloh.  Einschiffige  spätgoth.  Nonnenklosterkirche 
mit  Westthurm. 

lenfeM  a.  d.  Lippe.  Die  einschiffige  Nonnenklos tcrkirche,  spätgoth. 
Umbau  eines  romanischen  Gebäudes. 

liril«  bei  Dortmund.  Die  Kathol.  Kirche,  gegründet  1340  für  ein 
Nonnenstift,  einschiffig  mit  Nonnenempore  im  Westen. 

Uxter.  Die  Minoritenkirche ,  edel  -  gothisch ,  mit  nur  einem  niederen 
(südl.)  Seitenschiff,  doch  ohne  Oberlichter  und  unter  einem  Dache.  Die 
schlanken  Rundpfeiler  sind  mit  vier  Diensten  besetzt ,  deren  schmucklose 
Capitäle  schlanke  Glockenform  haben.  An  den  durch  eine  niedere  Mauer 
vom  Schiffe  getrennten ,  lang  vorgelegten  Chor  lehnen  sich  zwei  kapellen- 
artige Einbauten.    (Lübke  Taf.  20  Fig.  4.) 

Ibirg  bei  Osnabrück.  Die  Abteikirche,  spätgoth.  Umbau  einer  roman. 
Anlage,  welcher  die  Chormauern  und  das  Querschiff  angehören.  Das  Innere 
ist  verzopft. 

Iseilf  kl.  Die  Obere  Stadtkirche ,  roh  spätgothischer  Umbau  einer 
kreuzförmigen  romanischen  Anlage,  1519.  In  dem  nur  mit  einem  (nördl.) 
Seitenschiff  versehenen  Langhause  achteckige  Pfeiler.  Der  Thurm,  der  sich 
oben  in  zwei  dicht  verbundene  Massen  mit  selbständigen  Spitzen  löst,  schiebt 
sich  weit  in  das  Schiff  vor. 

■[•esfelil.  Der  goth.  Umbau  der  Lampertikirche  (oben  S.  434)  datirt 
von  1483.  Der  dreifache  Polygonschluss  des  Chores  und  die  beiden  öst- 
lichen auf  Rundpfeilern  ruhenden  Gewölbjoche  sind  ein  Zusatz  dieser  Zeit. 

Leagd.  Der  Chor  und  die  Seitenschiffe  der  Nicolaikirche  sind  früh- 
goth.  Zusatz  zu  dem  älteren  Gebäude;  vergl.  oben  S.  435.  —  Die  Stifts- 
kirche mit  Rundpfeilern ,  welche,  mit  acht  Diensten  versehen ,  an  ihrem 
unteren  Theile  mit  Maasswerk  bedeckt  und  oben  mit  Laubcapitälen  gekrönt 
sind.    Die  Profile  deuten  auf  die  frühgoth.  Periode. 

Liesk^ni  bei  Lippstadt.  Die  ganz  verunstaltete  Benedictinerkirche  in 
der  Grundform  des  Kreuzes  1306 — 1465,  jetzt  ohne  Seitenschiffe,  ehemals 
mit  einem  (südl.)  Seitenschiffe.  Der  Thurm  ist  Rest  einer  roman.  Anlage. 
(Lübke  Taf.  20  u.  24  Fig.  16  —  18.) 

Li|ipBtailt.  Yergl.  S.  435.  Die  Seitenschiffe  der  Grossen  Marien- 
kirche bilden  um  den  1478  — 1506  erbauten  brillanten  Chor  einen  von 
Rundpfeilern  getrennten  Umgang,  der  mit  fünfrippigen  Kreuzgewölben  ge- 
deckt ist,  während  der  Mittelraum  ein  Netzgewölbe  zeigt.  (Lübke  Taf.  24  f. ) 
—  Die  Jacobikirche,  ein  frühgothischer  Bau ,  dessen  von  cantonnirten 
Rundpfeilern  getrennte  Schiffe  in  drei  Polygonschlüssen  enden.  —  Die 
Kapelle,  in  Hallenform  mit  nur  einem  (südl.)  Seitenschiffe  und  gerade 
schliessendem  einschiffigem  Chor,  XIV.  Jahrhundert.    (Lotz  1,  383.) 

LUhgkaisei.  Die  1507  begonnene  Kirche,  deren  von  schlichten  Rund- 
pfeilern getrennte  Schiffe  in  drei  Polygonschlüssen  enden.  Der  in  das  Mit- 
telschiff gezogene  Thurm,  vollendet  1558,  mit  grossem  sechstheiligen  Fenster 
über  dem  Portal.    (Lübke  Taf.  23.) 

LlUiei  bei  Dortmund.  Roh  spätgoth.  Kirche  mit  Rundpfeilem ,  aus 
Bruchsteinen  und  Ziegeln. 


in  Westfalen.  5g5 

liieni  bei  Unna.  Einschiffige,  spätgothiseh  umgebaute,  ursprünglich 
romanische  Kirche. 

Meillei  bei  Iserlohn .  Die  Kirche  mit  quadratisch  gestellten  Rundpfeilern , 
welche  mit  vier  Halbsäulen  besetzt  sind;  im  Chor  ältere  frühgoth.  Formen. 

Meigeriigkaisei  bei  Corbach.  Kirche  mit  cantonnirten  Kundpfeilern . 
Die  Gewölbe  sind  von  1423,  der  Chor  ist  1559  erneuert.    (Lotz  1,  440.) 

lililei.  Das  Langhaus  des  Domes^  edel  frühgoth isch  in  schönen 
freien  Verhältnissen.  Die  weit  gestellten,  mit  acht  Diensten  besetzten 
Rundpfeiler  tragen  Laubkränze.  Der  Chorschluss  datirt  1377  — 1379. 
Die  Seitenschiffe  haben  prächtige  Fenster  und  auf  den  Flanken  der  Giebel- 
dächer Strebepfeiler  mit  Bilderhäusem.  (Schimmel,  in  Lief.  lü.  — 
Lübke  Taf.  18  u.  24.)  —  Die  Marien-  und  die  Martinikirche  sind 
beide  ursprünglich  von  basilikaler  romanischer  Anlage,  aber  nach  dem 
Muster  des  Domes  später  in  gothischer  Hallenform  einfach  umgebaut. 

Holleiheck.  Vergl.  S.  436.  Das  nach  einem  Brande  von  1492  bis 
1505  vollendete  Langhaus  hat  achteckige  Pfeiler  mit  stark  ausladenden 
Kämpfergesimsen  und  Scheidbögen  von  breiter  Leibung.  Der  Kreuzgang 
und  ein  ganzer  Complex  von  Klostergebäuden  (Lübke  Taf.  20  Fig.  m) 
meist  aus  guter  gothischer  Zeit. 

liuter.  Die  Lambertikirche,  begonnen  angeblich  1335  oder  1375, 
der  prachtvollste  spätgoth.  Bau  Westfalens.  Die  Anlage  ist  unsymmetrisch, 
da  die  Seitenschiffe  von  ungleicher  Länge  sind,  und  nur  das  südliche  neben 
dem  im  halben  Zehneck  geschlossenen  Hauptchore  in  einem  über  die  Flucht 
der  Abschlussmauer  vortretenden  Folygonabschnitte  endet.  Im  Winkel 
zwischen  beiden  Polygonschlüssen  führt  eine  Wendelstiege  in  einem  reiz- 
voll durchbrochenen  Thürmchen  auf  die  Dachgalerie  des  Chores.  Die  mit 
Netz-  und  Sterngewölben  gedeckten  Langhausschiffe  werden  von  schlanken 
wechselnd  gebildeten ,  meist  von  vier  Halbsäulen  umgebenen  Pfeilern  mit 
Laubcapitälen  getrennt,  deren  Abstände  nach  Osten  hin  abnehmen.  Die 
Fenster  haben  reiche  stemartige  Maasswerkfüllung,  und  das  Aeussere  ist, 
wiewohl  in  verdorbenem  Geschmack,  glänzend  behandelt.  (Schimmel, 
in  Lief.  2  u.  3.  —  Lübke  Taf.  23  f.)  —  Die  stattliche  Liebfrauenkirche 
(in  Ueberwasser) ,  begonnen  1340,  mit  gedrängter  Stellung  der  schmucklose 
Capitäle  tragenden,  mit  vier  Diensten  besetzten  Pfeiler.  Der  Thurm  ist  der 
reichste  und  schönste  des  Landes,  aber  nicht  vollendet.  (Lübke  Taf.  24  f. 
—  Schimmel,  in  Lief.  2  u.  7.  —  Grueber,  Vergleichende  Samml.  IL 
Taf.  31.)  —  Die  Martinikirche,  mit  schlichten  Rundpfeilem  und  drei- 
theiligen  Fenstern  (Lübke  Taf.  24)  mit  gutem  Maasswerk.  —  Die  (Evan- 
gelische, ehemals)  Minoritenkirche,  deren  ziemlich  niedrige  Rundpfei- 
ler mit  schlichten  Capitälen  in  der  nördlichen  Reihe  glatt  sind,  in  der  süd- 
lichen mit  vier  Diensten  besetzt.    Der  Chor  ist  gestreckt. 

NiekeiM  im  Paderbomischen.  Die  anscheinend  aus  einem  roman.  Bau 
zu  verschiedenen  Zeiten  entstandene  Kirche.  Das  östlichste  Joch  des  Mit- 
telschiffes mit  einem  Paar  cantonnirter  Rundpfeiler  und  die  Polygonschlüsse 
der  Seitenschiffe  sind  frühgothisch ,  der  schief  angesetzte  Chor  ist  spät- 
gothiseh. Das  viereckige  westlichste  Pfeilerpaar  und  ein  Portal  deuten  auf 
spätromanische  Zeit,  und  die  beiden  übrigen  Pfeilerpaare  sind  nackt  rund. 
Die  Gewölbe  des  Mittelschiffes  haben  gewundene  Zwischenrippen. 


&86  Oothische  Kirchen 

N«ltlh  bei  Koesfeld.  ^  Die  1489  begonnene  Kirche  mit  enggestellten 
Rundpfeilem ,  die  auf  achteckigen  Sockeln  ruhen  und  zum  Theil  laub- 
geschmückte Rundcapitäle  tragen.  Netz-  und  Sterngewölbe.  Der  Unterbau 
des  Thurmes  im  Uebergangsstil.    (Lübke  Taf.  23.) 

0her« Marsberg  unweit  Paderborn.  Die  Nicolai kapelle  in  quadratischer 
Hallenform  mit  gerade  schliessendem  Ostchor  und  Wandapsiden  am  Ende 
der  Seitenschiife.  Das  Mittelschiff  hat  einen  westlichen  Polygonschluss, 
über  dem  sich  ein  achteckiger  Thurm  erhebt.  Die  gediegenen  Details  sind 
am  östlichen  und  westlichen  Ende  der  Uebergangsperiode  entsprechend,  im 
Schiff,  dessen  vier  Rundsäulen  mit  vier  alten  und  vier  vorgekragten  jungen 
Diensten  besetzt  sind,  frühgothisch  mit  romanischen  Nachklängen.  (Ltlbke 
Taf.  15  —  17.) 

Merikirekei  bei  Rinteln.  Die  gerade  geschlossene  Kirche  mit  acht- 
eckigen Pfeilern,  1396  im  Bau  begriffen ;  die  westlichen  Theile ,  die  Vor- 
halle und  die  beiden  dicht  an  einander  gerückten  Thürme  im  Uebergangsstil. 

telllgkaHseii  bei  Arnsberg.  Die  einschiffige  Prämonstratensernonnen- 
kirche  mit  westlicher  Nonnenempore,  im  Stil  des  XIV.  Jahrb.,  jedoch  spä- 
ter im  Osten  verlängert. 

Mileiilorf  (Hessisch-)  bei  Hameln.  Die  gerade  geschlossene  spätgoth. 
Kirche  mit  niedrigen  Achteckpfeilern  zwischen  den  Schiffen  und  viereckigem 
Westthurm. 

•fliialiraek.  Die  Katharinenkirche,  erbaut  um  1340.  Der  Chor- 
schluss  lehnt  sich  unmittelbar  an  das  Mittelschiff,  welches  durch  eng  ge- 
stellte Rundpfeiler  von  den  halb  so  breiten  Seitenschiffen  getrennt  wird. 
Die  Pfeiler  haben  acht  durch  Hohlkehlen  verbundene  Dienste.  Der  einfach 
viereckige  Westthurm  bildet  eine  Vorhalle  von  der  Höhe  des  Mittelschiffes. 
—  Die  Marienkirche*)  hat  in  dem  1318  geweihten  Langhause  Rund- 
pfeiler mit  acht  alten  und  jungen  Diensten.  Die  Seitenschiffe  bilden  um 
den  1406  —  1424  erbauten  fünfseitig  geschlossenen,  äusserlich  reich  aus- 
gestatteten Chor  einen  Umgang.  Die  Seitenschiffe  haben  Giebeldächer. 
(Lübke  Taf.  19.) 

Pailerb#ni.  Ueber  den  Dom  s.  oben  S.  439.  —  Das  spätgoth.  Lang- 
haus der  Stiftskirche  Bustorf  (s.  ebd.)  hat  achteckige  Pfeiler. 

EaHSd^rf  bei  Borken.  Spätgoth.  Kirche  mit  etwas  niedrigeren  Seiten- 
schiffen, Rundpfeilern  und  einem  stattlichen  Westportal.  Ziegelbau  mit 
Hausteindetails. 

RecUilgkaMei.  Die  östl.  Theile  der  Pfarrkirche  (S.  439)  von  1520 
mit  Sterngewölben. 

Rheine  unweit  Münster.  Die  Pfarrkirche  mit  schlanken  Rundpfeilern 
und  reichen  Laubverzierungen  an  den  Kämpfern  derselben.  Das  nördliche 
Seitenschiff  ist  etwas  niedriger  als  das  jüngere  Südschiff,  welches  mit  dem 
Mittelschiffe  gleiche  Höhe  hat.  Der  stattliche  Westthurm  von  1494  ist 
durch  grosse  Fenster  belebt,  das  Südportal  durch  Statuenschmuck  undMaass- 
werkgegitter  vor  dem  darüber  befindlichen  Fenster  bemerkenswerth. 


1)  Abeken,  W.,  die  St.  Marienkirche  zu  Osnabrück.   1S42.    Vergl.  Kunstbl. 
1S43.  No.  17  f. 


in  Westfaleta.  5g7 

Uetberg  bei  Gütersloh.  Die  unbedeutende  Kirche  ist  aus  einer  kreuz- 
förmigen roman.  Anlage  spätgothisqh  umgebaut,  wobei  die  viereckigen. Pfei- 
ler durch  Abkantung  in  achteckige  verwandelt  wurden. 

kiel  bei  Münster.  Kleine  einschiffige  Kirche  aus  dem  XIV.  Jahrb. 
mit  roman.  Westthurm. 

ScUldescke  -  bei  Bielefeld.  Einschiffige  Nonnenkirche  in  Kreuzform 
und  mit  gerade  geschlossenem,  äusserlich  mit  Fialen  geschmflcktem  Chor ; 
XIV.  Jahrhundert. 

Sckwerte  bei  Dortmund.  Die  Kirche,  vielfach  verändert,  enthält  im 
Kern  einen  roman.  Gewölbebau  in  Kreuzform ;  der  Chor  mit  zierlichem 
Sterngewölbe  um  1500. 

Seidel  bei  Lüdinghausen.  Die  spätgoth.  Kirche  mit  Rundpfeilern  und 
etwas  niedrigeren  Seitenschiffen.    Der  Thurm  ist  romanisch. 

S«e8t.  Vergl.  oben  S.  440.  Die  Kirche  Maria  zur  Wiese'),  ge- 
gründet 1313  und  bis  1369  fortgeführt;  dann  wurde  der  Bau  unterbrochen 
und  erst  im  XV.  Jahrb.  wieder  aufgenommen  :  der  Thurmbau  1429  begon- 
nen. Das  Mittelschiff  schliesst  mit  sieben  Seiten  des  Zehnecks,  doch  lehnen 
sich  die  fünfseitigen  Schlüsse  der  breiten  Seitenschiffe  an  die  beiden  einge- 
henden Seiten  des  Hauptschlusses,  wodurch  eine  ungemein  schöne  Wirkung 
erreicht  ist.  Die  fast  übermässig  schlanken  in  quadratischen  Abständen 
errichteten  vier  Pfeiler  (aus  dem  übereck  stehenden  Quadrat  entworfen)  sind 
mit  je  acht  Diensten  besetzt,  welche  unmittelbar  in  die  Gewölberippen  über- 
gehen.  Die  hohen  viertheiligen  Fenster,  in  der  Mitte  durch  Maasswerk 
quer  getheilt ,  zeigen  zum  Theil  reine ,  zum  Theil  schon  ausgeartete  Coii- 
figurationen  der  BogenfüUung.  Die  unvollendeten  Westthürme  ruhen  nach 
innen  auf  zwei  starken,  reich  gegliederten  Pfeilern,  und  die  unteren  Räume 
bilden  die  Verlängerung  der  ohne  diese  zu  kurzen  Schiffe.  Das  Aeussere 
ist  durch  Fialenstreben  und  prächtige  Doppelportale  ausgezeichnet.  Die 
Kirche  wird  seit  1851  restaurirt  und  ausgebaut.  (Lübke  Taf.  21 .  22  u.  24. 
—  Förster,  Denkjn.  8,  33  — 36u.2Taf.  —  Details  bei  Grueber, 
Vergleichende  Samml.  I.  Taf.  9  —  11,  St  atz  und  Ungewitter  Taf.  25 
u.  32,  Ungewitter,  Lehrbuch,  Taf.  13  Fig.  329.  —  Vergl.  oben  S.  579 
Fig.  231  u.  S.  580.)  —  Die  Minori  tenkirche,  einfach  edelgothisch, 
nüt  lang  vorgelegtem  Chor  und  im  Langhause  mit  weit  gestellten  Rund- 
pfeilem,  die  mit  vier  Diensten  besetzt  sind.  Prachtvolle  drei-  und  vier- 
theilige Fenster,  doch  ist  die  Südseite  fensterlos.  (Lübke  Taf.  21.)  — 
Der  Minoritenkbche  verwandt  ist  die  Paulskirche,  doch  datirt  hier  der 
Chor  erst  aus  spätgoth.  Zeit.  Das  Untergeschoss  des  Westthurms  steht  mit 
dem  ßchiffe  durch  zwei  von  einem  Mittelschaft  getragene  Bögen  in  Ver- 
bindung und  ist  Übei  einem  achteckigen  Mittelpfeiler  mit  einem  achttheili- 
gen  Rippengewölbe  gedeckt.    (Lübke  Taf.  21.) 

Stadtldha  bei  Vreden.  Unbedeutende  spätgoth.  Kirche  mit  Rundpfei- 
lern. Das  nördliche  Seitenschiff  ist  niedriger  und  liegt  unter  besonderem 
Dache.    Ziegelbau  mit  Hausteindetails. 

Str^Mherg  im  Münsterland.  Die  Kreuzkirche  mit  schmalen  Seiten- 
schiffen unter  Giebeldächern,  XIV.  Jahrb.   Die  runden  Pfeiler  sind  mit  vier 


1)  Vergl.  J.  D.  Passavant,  im  Kunatbl.   1841.  No.  11. 


588  Oothische  Kirchen  in  Westfalen. 

kräftigen  Halbsäulen  besetzt  und  mit  zierlichen  Kämpfersimsen  gekrönt. 
Etwas  älter  erscheint  der  kurze  Chor  in  reicherer  und  zierlicherer  Durch- 
bildung. Die  Gurtträger  zeigen  saubere  Laubcapitäle ,  die  Fenster  Einfas- 
sungen mit  Säulchcn  und  Kundstäben .  sowie  prachtvolles  Maasswerk.  — 
Die  Pfarrkirche  trägt  im  viereckigen  Chor  noch  Merkmale  der  üeber- 
gangsperiode  an  sich ,  das  kurze  Langhaus  hat  zwei  Paar  schlichte  Rund- 
pfeiler und  in  den  Fenstern  frahgothische  Formen. 

ÜMa.  Die  Kirche^  deren  mit  dem  Hauptschiffe  fast  gleich  breite  Neben- 
schiffe einen  Umgang  um  den  1389  — 1396  erbauten  Chor  bilden.  Im  Lang- 
hause ,  welches  durch  zwei  kreuzförmige ,  in  den  Ecken  mit  Gurlträgern 
versehene  Pfeiler  von  dem  Chore  getrennt  wird ,  sind  die  meist  in  quadra- 
tischen Abständen  aufgestellten  Pfeiler  schlicht  rund  mit  runden  Sockeln 
und  rohen  glockenförmigen  Kämpfern.  Die  Rundpfeiler  des  Chores  sind 
schlanker  gehalten  und  mit  vier  Halbsäulen  besetzt.  Der  1407  — 1467  er- 
richtete viereckige  Westthurm  ruht  innerlich  auf  zwei  gewaltigen  Rund- 
pfeilern, die  mit  den  Schiffpfeilern  nicht  Flucht  halten.  Die  Kirche  ist 
restaurirt  und  mit  neuem  Fenstermaasswerk  versehen.  (Lübke  Taf.  19 
u.  24.) 

Vreäeil.  Die  Pfarrkirche  mit  schlanken  Rundpfeilern,  die  im  östlichen 
Theile  des  Langhauses  enger  gestellt  sind,  als  in  dem  1478  erbauten  und 
mit  Sterngewölben  gedeckten  westlichen  Theile.  Der  Chor  ist  kura  vor- 
gelegt. Der  Thurm  und  das  schmuck  volle  Portal  der  Nordseite  sind  Ueber- 
reste  eines  romanischen  Baues. 

Waltr«p  bei  Lünen.  Die  kleine  spätgoth.  Kirche  mit  schmalen  Seiten- 
schiffen und  eng  gestellten  Rundpfeilern.  Der  Chor  ist  gerade  geschlossen. 
(Details  bei  Lübke  auf  Taf.  19.) 

Warbwg.  Die  bald  nach  1284  geweihte  Untere  Stadtkirche,  deren 
Seitenschiffe  neben  dem  kurzen  Chore ,  diesem  entsprechend  ,  polygonisch 
enden.  Die  Pfeiler  sind  rund  und  mit  je  acht  Halbsäulen  besetzt ,  von 
denen  die  vier  schwächeren  auf  Consolen  basirt  sind  und  deren  Capitäle 
Eichenlaubschmuck  zeigen.    Die  Strebepfeiler  sind  mit  Fialen  gekrönt. 

Wareml^rf  unweit  Münster.  Die  Kirche  mit  schlichten  Rundpfeilern 
und  Giebeldächern  über  den  Seitenschiffen,  XV.  Jahrhundert. 

WeMereB  bei  Dülmen.  Die  Kirche  des  1477  gegründeten  Karthäuser- 
klosters, einschiffig  aus  Ziegeln  mit  modernem  Dachthurm. 

Werl  bei  Soest.  Spätgoth.  Pfarrkirche  mit  schmalen  Seitenschiffen. 
Die  schlanken  Rundpfeiler  haben  vier  Dienste  mit  polygonen  Sockeln  und 
schlichten  Capitälen.  In  den  Seitenschiffen  setzen  sich  die  Dienste  über 
den  Capitälen  weiter  fort  und  tragen  die  Gewölbegurte  erst  über  finem 
zweiten  Capital.  An  das  nördliche  Seitenschiff  schliesst  sich  nach  Art  eines 
Kreuzarmes  ein  Raum,  dessen  Gewölbe  auf  einem  Mittelpfeiler  ruhen.  Die 
Wände  der  Kirche  sind  unterhalb  der  Fenster  mit  Maasswerk  belegt. 

Wietteibrück.  Das  spätgoth.  Langhaus  der  Kirche  (oben  S.  412,  mit 
achteckigen  Pfeilern.    Der  Westthurm  ist  neu. 

Welbeck  bei  Münster.  Kleine  edelgothische  Kirche  mit  schmalen  Seiten- 
schiffen und  kurzem  Chor.   Kräftige  mit  vier  Halbsäulen  besetzte  Pfeiler. 

Wtrneh  bei  Warburg.  Einschiffige  Nonnenkirche  mit  geradem  Chor- 
Bchluss  und  Westempore,  XIV.  Jahrhundert. 


fig.  232.    Marienkirclie  in  Prenzlau  (nach  Kallvnbarh). 


VII.  Im  norddeutschen  Tietlande. 

Literafiir:  Die  oben  S.  445  angefahrten  Schriften.  —  Quast,  Ferd.  v., 
Denkmale  der  Baukunst  in  Freussen,  nach  Froyinzen  geordnet.  Erste  Abtheil. 
Provinz  Freussen.  Lief.  1—4. 1852 — (1864).  Ueber  die  Ziegelbauten  in  Nieder- 
sachsen westlich  von  der  Elbe  vgl.  den  Bericht  über  einen  Vortrag  v.  Qu  as  t's 
in  der  Beilage  zu  No.  60  des  Frcuss.  Staatsanzeigers  vom  J.  1850;  Aber  die 
Ziegelarchitektur  des  Küstenlandes  zwischen  Oder  und  Elbe  den  Bericht  Über 
«inen  Vortrag  Stüler*s,  ebd.  Beilage  zu  No.  37  vom  J.  1849.  —  Lübke, 
W.,  eine  Reise  in  Meklenburg,  in  No.  35  —  39  des  Deutschen  Kunstbl.  von 
1852.  —  Derselbe,  Acht  Tage  in  Freussen,  a.  a.  O.  1856.  No.  10—13.  16 
u.  18.  —  Reiseskizzen  der  Berliner  Architekten  auf  ihren  Studienfahrten  nach 
Freussen  im  Sommer  1858.  (Nicht  im  Buchhandel.)  —  Bergau,  R.,  Charak- 
teristik der  kleineren  Ffarrkirchen  in  FommercUen,  im  Organ  f.  christl.  Kunst. 
1%5.  No.  10  f. 

Vorbemerkung. 

108.    Dem  Charakter  der  norddeutschen  Länder  und  Völker  ent- 

«prechend  erscheinen  die  schlichten,  einfachen,  ruhigen  Massen  der 


0 1 1 e ,  Kunst- Archäologie. 


38 


590  Oothische  Kirchen 

Kirchen  in  der  grossen  Ebene  des  norddeutschen  Tieflandes, 
zuiü  Theil  und  namentlich  in  den  decorativen  Theilen  allerdings  ab- 
hängig von  dem  Material  der  nur  in  kleinen  Massen  za  gewinnenden 
Backsteine.  Freistehende ,  noch  mehr  frei  durchbrochene  Detailif  in 
den  leichten  Formen  des  Hausteinbaues  vermochte  sich  der  Ziegelbau 
schwerlich  anzueignen;  man  begnügte  sich  daher  in  den  meisten  Fäl- 
len mit  blendenartig  .auf  den  Wandflächen  aufliegenden  stilgemässen 
Decorationen,  wodurch  der  hochstrebende  Charakter  der  gothischen 
Baukunst  indess  ebenso  beeinträchtigt  werden  musste,  als  durch  die 
eigenthümliche  Anwendung  von  verschiedenfarbigen  Wechselateinen, 
welche'  die  aufsteigenden  Gliederungen  in  wagerechten  Schichten 
durchschneiden.  (Vergl.  oben  S.  266.)  Die  Blüthezeit  des  Ziegelbaues 
fallt  in  die  erste  Hälfte  bis  zur  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts;  in  der 
zweiten  Hälfte  desselben  erschlafft  der  Stil,  nimmt  iüdess  im  XV.  Jahr- 
hundert, namentlich  in  den  brandenburgischen  Marken  (Katharinen- 
kirche  in  Brandenburg,  Dom  zu  Stendal,  Wallfahrtskirche  zu  Wils- 
nack),  einen  erneuten  Aufschwung.  —  Die  reichste  und  bedeutendste 
Gruppe  von  Backsteinkirchen  findet  sich  in  dem  Küstenlande  zwischen 
Elbe  und  Oder,  wo  die  grossartige,  in  ihrer  Anlage  den  französischen 
Kathedralenstil  mit  Chorumgang  und  Kapellenkranz  befolgende  Ma- 
rienkirche zu  Lübeck,  ein  Gebäude  ersten  Hanges,-  das  Vorbild  für  die 
ausgezeichneten  Kirchen  von  Doberan,  Schwerin,  Wismar,  Rostock 
und  Stralsund  geworden  ist.  Das  Mittelschiff  in.  mehreren  dieser  Ge- 
bäude, welche  gewisser massen  als  Uebersetzungen  des  Steinbaues  an- 
zusehen sind,  steigt  mit  einer  den  Cölner  Dom  fast  übertreffenden 
Kühnheit  empor;  selten  jedoch  steht  die  Breite  und  Länge  der  Kirchen 
zu  ihrer  ausserordentlichen  Höhe  im  richtigen  Verhältniss;  sie  sind 
nackt  an  Details  und  zeigen  wenige  der  den  Ziegelbau  charakterisiren- 
den  Formbildungen.  Dazu  kommt  die  bedeutende  Breite  und  Höhe 
der  Seitenschiffe ,  welche  für  das  Hauptschiff  entweder  nur  sehr  nie- 
drige, innerlich  an  der  Scheidmauer  als  Blenden  nach  unten  verlän- 
gerte ,  Fenster  gestattete  —  oder  diese  Blenden  mussten  die  Fenster 
völlig  ersetzen. .  Die  Arkadenpfeiler  sind  entweder 
viereckig  mit  Vorlagen  an  den  vier  Seiten  und  pro- 
filirten  Ecken  (Lübeck,  Schwerin,  Doberan;  Fig. 
233)^  oder  achteckig,  früher  mit  Gurtträgern  an 
den  Seitenflächen  und  Gliederungen  auf -den  Ecken, 
später  (im  XV.  Jahrh.)  insgemein  nackt.  Rund- 
pfeiler kommen  selten  vor.  Die  Fenster,  obgleich 
Fif.  233.  wie  die  Portale ,  an  den  Gewänden  oft  sehr  reich 


im  norddeutschen  Tieflande. 


5^1 


Fig.  2;u. 


und  geschmackvoll  in  Formsteinen  gegliedert ,  haben  in  der  Regel 
keine  decorative  Füllung;  die  Rundpfosten  kreuzen  sich  im  Bogen- 
felde  in  einfachen  Linien  (Fig.  234),  oder  stossen 
gar,  die  verticale  Aufsteigung  beibehaltend,  an  den 
Deckbogen  an.  Als  sehr  unschön  ist  die  an  der  im 
XV.  Jahrhundert  erbauten  Marienkirche  zu  Sttal* 
sund  und  an  dem  Mittelschiff  des  Doms  zu  Schwe- 
rin vorkommende  Weise  zu  bezeichnen;  wo  die 
Fenster  des  Hauptschiffes  mit  flachen  Sg^tzbögen 
gedeckt  sind^  deren  Schenkel  mit  der  Seitenwan- 
dung einen  Winkel  bilden.  Die  Strebepfeiler  fin- 
den sich  häufig  nach  innen  gezogen ,  oder  es  sind 
kleine,  niedrige,  rechteckige  Kapellen  zwischen 
hineingebaut ;  Strebebogen ,  in  Deutschland  über- 
haupt schon  selten,  sind  es  noch  mehr  im  Gebiete  des  Ziegelbaues; 
sie  kommen  nur  bei  obigen  hanseatischen  Kirchen  .(an  der  M-arien- 
kirche  zu  Lübeck,  am  Dom  in  Schwerin,  an  der  Nicolaikirche  in  Stral- 
sund, Marienkirche,  Nicolaikirche  und  Georgskirche  in  Wismar) ,  so- 
wie mehrfach  in  Schlesien  vor,  können  aber  in  mehreren  Fallen  eine 
plumpe  Massenhaftigkeit  nicht  verläugnen.  Das  Aeussere  der  Back- 
steinkirche, des  bildnerischen  Schmuckes  fast  gänzlich  ermangelnd, 
ist  um  so  schlichter,  als  in  der  Mehi*zahl  der  Fälle  Schiffe  von  gleicher 
Höhe  von  einem  gemeinsamen  hohen  Dache  bedeckt  sind  (doch  herrscht 
in  den  Hansestädten  an  der  Ostsee  das  hohe  Mittelschiff  mit  niederen 
Seitenschiffen  vor,  welche  Anordnung  auch  anderwärts  theilweise  wie- 
derkehrt). Und  ein  Fries  (aus  gebrochenen  Spitzbögen,  Rauten,  Roset- 
ten etc.),  unter  dem  Kranzgesims  hinlaufend,  bildet  oft  die  einige 
Zierde;  dagegen  erscheinen  die  Giebel  und  Thurmwände  häufig  mit 
Blenden  und  aufliegendem  Maasswerk  in  eigenthümlicher  Weise  ge- 
schmückt. Gemeiniglich  ist  nur  ein  Westthurm,  dessen  Viereck  selten 
in  das  Achteck  umsetzt,  angeordnet:  er  imponirt  höchsten^  durch  seine 
Masse  und  zahlreiche  Blendenreihen  bilden  die  in  der  Ferne  verschwin- 
dende, nüchterne  Decoration.  Doch  finden  sich  in  der  Mark  und  in 
Meklenbnrg  an  den  Marieukirphen  von  Prenzlau  (oben  Fig.  232),  Neu- 
Brandenburg  und  Königsberg  i.  d.  N.  und  an  der  Katharinenkirche  von 
Brandenburg  Beispiele  für  die  glücklichste  Nachbildung  der  sofst  nur 
dem  Hausteinbau  eigenen  Formbildungen  zur  reichsten  Ausschmückung 
des  Aeusseren ,  welchen  sich  in  Pommern  die  Marienkirche  zu  Star^ 
gard,  in  Preussen  etwa  die  Neustädter  Jacobikirche  von  Thorn  in 
ebenfalls  gelungener  Weise  anschliessen.  —  Im  Ordensland  Preussen, 

38* 


592  Gothiflche  Kirchen 

WO  der  Schlossbau  der  deutschen  Ritter  Ton  angebend  auch  für  den 
Kirchenbau  war,  haben  die  Kirchen  regelmässig  Schiffe  von  gleicher 
Höhe>  die  häufig  mit  kriegerischen  Zinnen  gekrönt  und  mit  Wehr- 
gängen  in  der  Dicke  der  Umfassungsmauern  versehen  sind :  der  Chor 
schliesst  hier  fast  ausnahmslos  (selbst  an  der  grossartigen  Marienkirche 
von  Danzig)  mit  einer  geraden  Wand  einigermassen  ärmlich  ab,  wo- 
durch sich  indess,  zumal  bei  dem  Fehlen  des  Querschiffes,  Gelegenheit 
zur  reichen  Ausschmückung  des  entstehenden  grossen  östlichen  Gie- 
bels in  erwünschter  Weise  darbot.  Bemerkenswerth  ist  das  frühzeitige 
Vorkommen  runder,  namentlich  flachrunder  Bögen  und  Gewölbdecken, 
welche  letztere  in  der  Kegel  zu  künstlichen  Stern  -,  Netz-  und  Zellen- 
figurationen  ausgebildet  und  in  bewundernswerther  Meisterschaft  aus- 
geführt sind,  ^j  —  In  Schlesien  bleibt  die  S.  450  bemerkte  Mischung 
von  Back-  und  Hausteinen  üblich,  und  das  Material  der  Ziegel  wirkte 
nur  auf  die  Gesammtform  der  Bauten,  weniger  auf  die  Detaüs  bestim- 
mend ein.  Unter  den  zahlreichen  Kirchen  von  Breslau  hat  die  Mehr- 
zahl die  basilikale  Anlage  mit  niederen  Seitenschiffen.  Die  Pfeiler, 
meist  rechteckig  gestaltet  und  nur  an  den  Zwischenseiten  mit  einem 
Rundstabe  besetzt  oder  gegliedert,  sind  in  quadratischen  Entfernungen 
aufgestellt,  und  in  den  hierdurch  bedingten  oblongen,  in  der  Ueber- 
wölbung  als  Doppeljoche  behandelten  Feldern  der  schmalen  Seiten- 
schiffe sind  zwei  schlanke  Fenster  neben  einander  angeordnet^  wodurch 
eine  sehr  starke,  aber  günstig  wirkende  Beleuchtung  entstand.  Die 
Gewölbegurte  gehen  insgemein  nur  von  Consolen  aus,  und  die  Detaü- 
bildung  erscheint  überhaupt  oft  bis  zur  Rohheit  einfach. 

Die  eigentliche  architektonische  Bedeutung  der  Kirchen  aus  ge- 
branntem Stein  beruht  in  den  schönen,  klaren  und  majestätischen  Ver- 
hältnissen der  inneren  Räume,  zu  deren  Wirkung  eine  reiche  Ausbil- 
dung der  Kreuzgewölbe  nicht  unwesentlich  beitragt. 

Vergl.  Schnaase,  Kunstgesch.  5,  591—614;  6,  329—366.  —  Kugler, 
Gesch.  der  Baukunst  3,  435  —  406.  —  Ldbke,  Gesch.  der  Architektur. 
3.  Aufl.  S.  585  —  595. 

AUeisteiil  in  Ermland.  Die  rechteckige  Jacobikirche  in  Hallenform 
mit  achteckigen  Pfeilern,  ZellengewOlben  und  stattlichem  Westthurm,  neben 
dem  sich  die  Seitenschiffe  als  niedrige  Kapellen  unter  besonderen  Pult- 
dächern fortsetzen.    Die  Kirche  ist  fast  ganz  von  Süd  nach  Nord  orientirt. 


1)  In  den  grossen  Landparochien  der  Weichselgegenden,  in  Samland  und  £rm- 
land,  finden  sich,  im  Gegensatze  zu  den  insgemein  minder  bedeutenden  Stadtkirchen, 
Tiele  ansehnliche  Dorfkirchen  ^on  bedeutsamer  Durchbildung ,  meist  aus  dem 
XIV.  und  XV.  Jahrb.,  deren  mehrere  in  der  unten  folgenden  alphabetischen  Zusam- 
menstellung einzeln  aufgeführt  sind. 


im  norddeutschen  Tieflande.  593 

(v.  Quast,  Denkm.  Heft  4  Taf.  22  Fig.  1—5.)  —  Die  einschiffige  recht- 
eckige Schlosskapelle,  spätgothisch  mit  Netzgewölben. 

Altkrias^W  bei  Pritzwalk.  Schöne  einschiffig  rechteckige  Kirche  mit 
Sterngewölben  und  decorirten  Giebeln,  vollendet  1520. 

AicIem«  Die  Marienkirche  mit  drei  Schiffen  von  gleicher  Höhe; 
der  östliche  Theil ,  mit  Ausnahme  der  abgeschrftgten  Seitenschiffe  und  der 
geraden  Schlusswand  des  Mittelschiffes,  Umbau  einer  filteren  Kirche  streng- 
gothischen  Stils ;  die  westliche  Hälfte  mit  achteckigen  Arkadenpfeilem  ist 
jünger.  (Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  698  Fig.  60— 62.)  Von  den  beabsichtigten 
beiden  Thürmen  ist  nur  der  südliche  (Essenwein,  Backsteinbau  Taf.  1 0 
Fig*  6)  vorhanden,  die  Stelle  des  nördlichen  nehmen  zwei  Kapellen  aus 
dem  XVI.  Jahrhundert  ein.  —  Die  Nicolaikirche  hat  drei  gleich  hohe 
Schiffe :  das  Hauptschiff  schliesst  dreiseitig ,  die  Abseiten  diagonal  gestellt 
vierseitig  über  die  Seiten  wände  vortretend;  die  Arkadenpfeiler  sind  einfach 
achteckig.  Der  Westthurm  mit  reichem  Portal  steht  über  einer  dreifachen 
Vorhalle.  (Kallenbach,  Atlas.  Taf.  61.  —  Kuglera.  a.  O.  S.  723  f. 
Fig.  115—120;  Essenwein  a.  a.  O.  auf  Taf .  10.  16  u.  24.) 

Algemtalle.  Die  Marienkirche  mit  gleich  hohen  Schiffen,  XIV.  und 
XV.  Jahrh.  —  Die  Franciscanerkirche  (Magazin)  mit  zerstörtem 
Gewölbe,  XV.  Jahrhundert. 

Ansherg  bei  Wormditt.  Dorfkirche  mit  einem  Aufbau  für  die  Signal- 
glocke am  Ostgiebel  und  mit  westlich  vorgelegtem  Thurm ,  dessen  Spitze 
aus  dem  Viereck  ins  Achteck  übergeht,  (v.  Quast,  Denkm.  Heft  4  Taf.  23 
Fig.  5.) 

Answalde  in  der  Neumark.  Dreischiffige  Hallenkirche  mit  drei  Paar 
achteckigen  Pfeilern  und  sehr  langem  einschiffigem,  dreiseitig  geschlossenem 
Chor.  Der  Thurm  vor  der  Westfront  enthält  die  Vorhalle,  liegt  aber  nicht 
in  der  Axe  der  (restaurirten)  Kirche. 

Barth  unweit  Stralsund.  Hallenkirche  mit  achteckigen  Pfeilern  und 
einschiffigem,  gerade  schliesscndem  Chor.  Der  viergiebelige  Westthurm 
Über  einer  dreifachen  Vorhalle. 

Banith  unweit  Jüterbog.  Die  1376  geweihte,  thurmlose  (anscheinend 
nur  interimistisch  vollendete  und  jetzt  der  Gewölbe  entbehrende)  Marien- 
kirche, in  Hallenform  mit  schlichten  achteckigen  Pfeilern.  Die  schräg  ab- 
geschnittenen Seitenschiffe  bilden  mit  der  geraden  Ostwand  des  Mittelschif- 
fes einen  dreiseitigen  Schluss. 

Beeskaw  a.  d.  Spree.  Die  Marienkirche  ^) ,  Hallenbau  mit  achteckigen 
Pfeilern,  die  in  dem  mit  siebenseitigem  Umgange  schliessenden  Chor  eng, 
im  Langhause  weitläufig  gestellt  sind.  An  die  Südseite  des  letzteren  schliesst 
sich  noch  ein  zweites,  niedrigeres  Seitenschiff,  welches  jedoch  jetzt  mit  un- 
ter dem  gemeinsamen  Dache  liegt,  so  dass  die  (jetzt  vermauerten)  kleinen 
und  hochgestellten  Oberlichter  auf  dem  Dachboden  befindlich  sind.  Das 
Mittelschiff  hat  Sterngewölbe,  die  übrigen  Schiffe  einfache  Kreuzgewölbe, 
und  die  Kippen  sind  aus  gewöhnlichen  Mauerziegeln  construirt.    Westlich 


1)  Ziethe,  W.,  die  Liebfrauenk.  zu  Beeskow  u.  ihre  Gesch.  1S53.  —  Zeich- 
nung von *der  Kirche  und  demThurme  zu  Beeskow,  aufgenommen  vonW.Emmich. 
Ein  lithogr.  Blatt  o.  J. 


594  Grothiflche  Kirchen 

steigt  der  von  unten  auf  rechteckige  Thurm  mit  Zinnenkranz  und  Pyrami- 
denspitze achteckig  über  der  mit  Blenden  decorirten  Giebelfront  aus  dem 
Dache  der  Kirche  aut\  die  ihre  gegenwärtige  Gestalt  erst  nach  Brftnden  von 
1512  und  1513  erhielt.  NOrdlicb  schliesst  sich  an  das  Ostende  des  Lang- 
hauses eine  kreuzarmartige  Vorhalle  und  an  den  Chor  ein  zweistöckiger 
Kapellenanbau . 

Belgknl  bei  COrlin^  Die  Marienkirche  mit  niederen  Seitenschiffen  und 
einschiffigem  Chor;  Achteckige  Pfeiler  mit  Rundstäben  in  den  abgestuften 
Ecken  und  einer  Halbsäule  an  der  Vorderseite.  Die  ehemaligen  Stern- 
gewOlbe  sind  im  liänghause  nicht  mehr  vorhanden.  Der  Westthurm. bildet 
unten  eine  hohe  mit  dem  Schiffe  verbundene  Halle.  [Kugler,  Kl.  Sehr. 
1,  733  Fig.  131.) 

Berlta.*)  Die  (Franciscaner-)  Klosterkirche*-'),  gegründet  1271, 
aber  wohl  erst  1290  begonnen  in  dem  mit  niedrigen  Seitenschiffen  verse- 
henen Ijanghause,  dessen  theils  von  vier-,  theils  von  achteckigen,  mit  Halb- 
säulen besetzten  kurzen  Pfeilern  getragene  Arkaden  noch  an  romanische 
Motive  erinnern.  Der  einschiffige  Chor  schliesst  mit  sieben  Seiten  desZehn- 
ecks,  und  die  Nische  tritt  deshalb  über  die  Flucht  der  Seitenwände  hinaus : 
die  mit  schönem  Ziegelmaasswerk  geschmückten  Fenster  zeigen  einen  be- 
reits fortgeschrittenen  Stil  des  XIV.  Jahrhunderts.  Die  Kirche  ist  poly- 
chromatisch restaurirt,  und  die  beiden  Westthürmchen  sind  modern. 
(Adler,  Backsteinbauwerke.  II.  Bl.  71  u.  72  Fig.  5 — 10.  —  Details  bei 
Kugle  r,  Kl.  Sehr!  1,  104  ff.  u.  Essen  wein ,  Backsteinbau  Taf.  15  Fig.  5. 
—  Das  Innere,  im  Atlas  zu  Ku  gl  er 's  Kunstgesch.  Taf.  56  No.  7.)  Der 
Capitelsaal  des  Klosters  1471—1474,  der  Conventsaal  1516—1518.  — 
Die  beiden  mittelalterlichen  Pfarrkirchen  der  Residenz  waren  ursprünglich 
Granitgebäude,  wie  einzelne  Ueberreste  beweisen,  die  noch  aus  der  Zeit 
vor  den  grossen  Stadtbränden  von  1377  und  1380  herrühren:  die  Nico- 
laikirche (oben  S.  451),  die  ihre  gegenwärtige  CJestalt  erst  1460  —  1487 
erhielt,  hat  die  HuUenform,  und  die  Seitenschiffe  bilden  einen  siebensei- 
tigen Umgang  um  den  dreiseitigen  Chorschluss.  Zwischen  den  zur  Hälfte 
nach  innen  gezogenen  und  oberwSrts  von  einem  Mauerumgange  durch- 
brochenen Strebepfeilern  sind  unten  niedrige  Kapellen  eingebaut.  Am 
Westende  der  Südseite  wurde  1452  die  zweistöckige  Marienkapelle  mit  zier- 
lichem Giebel'*)  angebaut.  (Essenwein  a.  a.  O.  Taf.  30  Fig.  7  u.  Taf.  32 
Fig.  2 — 4.)  Die  Marienkirche"*),  in  Hallenform  mit  einschiffigem  Chor, 
soll  schon  1383  wieder  hergestellt  gewesen  sein.  Die  westliche  Vorhalle, 
an  der  Sandsteindetails  vorkommen,  mit  dem  (oben  zopfigen)  Thurm  datirt 


1)  Nicolai,  F.,  Beschreib,  von  Berlin  u.  Potsdam.  :\  Thle.  nS6.  —  Seidel, 
C,  die  schönen- Künste  zu  Berlin.  1$2S.  —  WcBsely,  A.  F.,  Berlin  von  der  älte- 
sten bis  auf  die  neueste  Zeit»  1855.  —  Fidicin ,  die  Hauptmomente  aus  der  Gesch. 
Berlins.  1858.  —  Adler,  F.,  die  Baugesch.  von  Berlin.  1S6I.'—  Schasler,  Max, 
Beitrage  zur  älteren  Kunstgesch.  Berlins,  in  den  Dioskuren.  1861.  S.  371  ff. 

2)  Bellermann,  J.  Joach.,  das  graue  Kloster  in  Berlin.  3  Progranune  1823 
—  1825. 

3}  Abbild,  in  Repton,  Observations  upon  some  buildings  in  Prussia,  in  Bd.  21 
der  Archaeologia,  publ.  by  the  society  of  antiquaries  of  X^oadon.  f  S27. 

4)  Ein  Grundriss  bei  Lühke,  der  Todtentanz  in  der  Maricnk.  zu  Berlin.  1861. 


im  norddeutlichen  Tieflande.  595 

erst  aus  dem  XV.  Jahrb.  Der  an  der  Südseite  angebrachte  Vorbau  zeigt 
an  dem  Giebel  aufsteigende  Spitzpfeiler  (Essen  wein  a.  a.  O.  Taf.  32  Fig.  1) . 
Beide  Kirchen  haben  achteckige,  an  den  Flächen  mit  sehr  starken  Diensten 
besetzte  Pfeiler.  —  Die  angeblich  1313  erbaute  Heil.  Geist-  (Hospital-) 
Kirche,  ein  einschiffiges  Hecht  eck  mit  Sterngewölben  von  1476  und 
schinuckvollem  Ostgiebel;  restaurirt.    (Adler  a.  a.  O.  Bl.  72  Fig.  1  —  4.) 

BeiMUl  unweit  Berlin.  Die  grossartige  Marienkirche^)  (anscheinend 
aus  einer  ursprünglich  basilikalen  Anlage  umgebaut)  mit  vier  Schiffen  von 
gleicher  Hohe  (auf  der  Nordseite  zwei  Seitenschiffe)  und  Rundsäulen  mit 
je  drei  oder  vier  Diensten  im  Chor ;  zwischen  den  Schiffen  sind  die  Pfeiler 
meist  achteckig  mit  acht  Gurtträgern ;  die  bunten  Netz-  und  ZellengewOlbe 
vollendet  1519.  Die  Sacristei,  deren  Gewölbe  auf  einer  gewundenen  Mit- 
telsäule ruht,  besonders  zierlich.    (Detail  bei  Ku  gl  er,  Kl.  Sehr.  1,  115.) 

Biudeibwg  a.  d.  Havel.  Der  goth.  Umbau  des  Domes  (oben  S.  451) 
Ällt  in  das  XIV.  (1307.  1377)  und  XV.  Jahrhundert  (1426—1435).  Der 
Kreuzgang  (Detail  bei  Essen  wein,  Backsteinbau  Taf .  28  Fig.  1  f.)  gehört 
ebenfalls  dem  XIV.  Jahrb.  an.  —  Die  Franciscaner-  (jetzt  reformlrte) 
Kirche,  ein  gegen  1300- entstandener,  ursprünglich  einschiffiger  Bau,  dem 
gegen  1420  ein  neuer,  siebenseitig  aus  dem  Zehneck  schliessender  Chor 
und  auf  der  Nordseite  ein  Stück  niederes  Seitenschiff,  sowie  südlich  am 
Chor  ein  schlanker  achteckiger  Thurm  hinzugefügt  wurde.  Restaurirt  mit 
Ersatz  der  Ziegelgewölbe  durch  hölzerne.  (Adler  I,  27  —  29  und  auf 
Bl.  19  f.)  —  Die  Godehardskirche  (oben  S.  452),  ein  dreischiffiger 
Hallenbau  (um  1350)  mit  etwas  überhöhtem  Mittelschiff,  halbsechseckig 
geschlossenem  Chore  und  fünfseitig  herumgeführten  Seitenschiffen,  Die 
Pfeiler  sind  rund  und  mit  vier  zierlichen  Diensten  besetzt.  Die  zwischen 
den  Chorstrebepfeilern  angebauten  Kapellen  datiren  zwischen  1428 — 1470; 
Der  Ziegelaufsatz  des  zwischen  den  beiden  alten  Westthürmen  in  vierecki- 
ger Masse  aufsteigenden  Mittelthurmes  zeigt  unten  ältere,  durch  später  ein- 
gesetzte goth.  Fenster  zerstörte  Detailreste.  (A.a.O.  S.  23—27  u.  Bl.  18.). 
—  Die  Katharinenkirche^,  dreischiffiger  im  halben  Sechseck  geschlos- 
sener Hallenbau  mit  fünfseitigem  Chorumgang  der  Seitenschiffe.  Die  Pfei- 
ler sind  achteckig  mit  Rundstäbchen  an  den  abgeschrägten  Ecken  und  je 
zwei  Bündeldiensten  für  die  theils  einfachen  Kreuz  -  ,  theils  zusammen- 
gesetzten Stern-  und  Netzgewölbe.  Die  nach  innen  gezogenen  Streben  sind 
mit.spitzbogigen  Durchbrechungen  versehen  und  unter  den  Fenstern  durch 
Flachbögen  mit  einander  verbunden.  Die  Strebepfeiler  zeigen  äusserlich 
reichen  Schmuck  mit  Maasswerk  aus  schwarz  glasirten  Ziegeln  und  (meist 
verschwundenen)  Thonstatuen  in  dreifacher  Reihe  unter  Wimbergen.  Die 
Erbauungszeit  des  Langhauses  (mit  Ausnahme  der  älteren  Südwestecke  aus 
Granit)  lUllt  1381—1401,  des  Chores  etwa  1407—1411,  des  Thurmes  der 
Westfront  1583 —  15S5.  Den  glänzendsten  Schmuck  zeigt  die  der  Nord- 
seite des  Schiffes  verbundene  Fronleichnamskapelle  mit  Fialenstreben,  Gie- 
beldurchbrechungen und  Galerien  in  buntfarbigen  Wechselschichten.   (A.a. 

1]  Vergl.  Manger,  in  Romberg's  Zeitschr.  Jahrg.  1864. 
2)  Heffter,  M.  W.,  Qeschichtl.  u.  artistische  Beschreib,  der  St.  Katharinen- 
u.  Amalbergenkirche  in  Brandenburg.  1842. 


596  Gk)t]iiBche  Kirohea 

O.  S.  17—21  u.  Bl.  11—14.  —V.  Minutoli,  Denkm.  Hit.  2.  —  För- 
ster, Denkm.  2,  43  —  46  u.  1  Taf.  —  Kallenbach,  Atlas.  Taf.  63.) 
—  Die  Paulskirche  des  1287  gegründeten  Dominicanerklosters,  drei- 
schiffiger  Hallenbau  mit  schmalen  Seitenschiffen  und  schlicht  achteckigen 
Pfeilern.  Der  lang  gestreckte  einschiffige  Chor  erscheint  etwas  jünger,  aber 
ebenfalls  noch  im  strengen  Stil.  Die  Fenster  haben  edeles  Maasswerk  aus 
Ziegeln.  Neben  dem  Chore,  südlich,  wo  sich  der  einfach  schöne  Kreusgang 
anschliesst,  erhebt  sich  ein  schlanker,  oben  achteckiger  Thurm.  (Adler 
a.  a.  O.  S.  29  f.  u.  Bl.  19  f.  —  Details  bei  Essenwein  a.  a.  O.  Taf.  20 
Fig.  4—8  u.  28  Fig.  1  f.)  —  Die  Hospitalkapelle  St.  Jacob,  einschiffig 
rechteckig,  im  frühgoth.  Stil,  mit  Holzdecke.  Interessant  ist  das  achteckige 
Westthürmchen ,  welches  sich  unten  in  einer  sehr  tiefen  Spitzbogenblende 
öffnet.  (Adler  a.  a.  O.  S.  15  u.  Bl.  8.)  —  Die  Petrikapelle  (oben 
S.  452),  im  zweischiffigen  Ausbau  mit  sechseckigen  Pfeilern  und  Zellen- 
gewölben um  1521.  Der  Ziegeloberbau  der  Umfassungswände  und  die 
Eckstreben  sind  frühgothtsch  von  1312.    (A.  a.  O.  S.  10  f.  u.  Bl.  5.) 

Bnittberg  im  Ermland.  Die  Katharinenkirche  (1367 — 1381), 
ein  rechteckiger,  an  den  östlichen  Ecken  etwas  abgeschrägter,  dreischiffiger 
Hallenbau  mit  achteckigen  Pfeilern  ,  an  dessen  Ostgiebel  sich  apsidenartig 
ein  polygones  Altarhaus  anschliesst.  Die  Fenster  mit  Zi^gelmaasswerk. 
Die  Sterngewölbe  und  der  Westthurm  datiren  erst  aus  dem  XV.  Jahrb. 
Neuerlich  ist  die  Kirche  verändert  worden,  (v.  Quast,  Denkm.  Hft.  4. 
Taf.  19  f.)  —  DieTrinitatiskirche,  einschiffig  mit  dreiseitigem  Schluss 
und  Holzdecke,  unbedeutend.   (Ebd.  Taf.  20  Fig.  11.) 

Brenei.  Vergl.  oben  S.  406.  —  Der  einfache  Kreuzgang  am  Dom 
mit  sechsrippigen  Gewölben  und  älteren  roman.  Theilungssäulchen  in  den 
Arkadenbögen ;  östlich  grenzt  eine  dreischiffige  Halle  mit  kurzen  achtecki- 
gen Pfeilern  an.  —  Die  Johanniskirche  und  die  Katharinenkirche 
sind  einfache  dreischiffige  Hallenbauten  mit  einschiffigem  Chor ;  erstere  hat 
kreuzförmige,  mit  acht  Diensten  besetzte  Pfeiler,  letztere  (mit  Rundpfeilern) 
ist  profanirt  und  der  Gewölbe  beraubt.    Lotz  1,  110. 

Bresfaui. *)  Die  Corpus  Christi  Kirche,  dreischiffig  basilikal  mit 
kurzem  einschiffigem  Chor:  vollendet  1447.  Viereckige  Pfeiler  mit  Rund- 
stäben an  den  abgeschrägten  Ecken.  Kein  Thurm,  aber  ein  schmuckvoller 
Giebel.  (Details  bei  Luchs,  Stilproben.  Taf.  2  Fig.  27  f.)  —  Der  Dom^), 
ein  basilikaler  Hausteinbau  (mit  Andeutung  eines  Querschiffes  durch  ein 
zwischen  Chor  und  Schiff  angeordnetes  quadratisches  Joch) ,  wesentlich  aus 
zwei  verschiedenen  Zeiten  herrührend:  der  frühgoth.  gerade  geschlossene 
dreischiffige  Chor  mit  herumgeführten  Seitenschiffen,  um  1250.  Die  Pfei- 
ler sind  reich  gegliedert  und  die  Ueberwölbung  ist  in  Doppeljochen  mit 
sechs  Rippen  ausgeführt.    Jünger  (um  1333)  ist  das  viel  kürzere  Langhaus 


1)  Luchs,  Herrn.,  Breslau,  ein  Führer  durch  die  Stadt.  (1857.)  2.  Aufl.  1858. 
—  Lübke,  W.,  Mittelalterl.  Kunstwerke  in  Breslau,  in  der  Zeitschr.  für  Bauwe- 
sen. 1860.  Sp.  54—83. 

2)  Die  Domkirche  zu  Breslau.  Ihre  Merkwürdigkeiten  u.  Denkmfller.  Mit  Ab- 
bild. 1843,  —  Erdmann,  Beschreib,  der  Kathedralkirche  ad  S.  Joh.  u.  der  Kirche 
des  h.  Kreuzes.    Breslau  1^50. 


im  norddeutichen  TiefUnde.  597 

mit  schlichten  viereckigen  Pfeilern  und  Triforiengalerie.  Die  Gewölbe  sind 
im  Mittelschiffe  zopfig.  Von  den  vier  Thünnen  ruhen  die  beiden  westlichen 
im  Innern  auf  kräi'tigen  Pfeilern,  die  unbedeutenden  östlichen  sind  unvoll- 
endet. Aeusserlich  hat  der  Chor  schwere,  das  Schiff  leichtere  Strebebögen. 
An  beide  Seiten  der  Kirche  lehnen  sich  zierliche  spätgoth.  Kapellen,  östlich 
an  den  Chor  die  1354  —  1361  erbaute  viereckige  PogarellenkapeUe.  Vor 
dem  Westportal  eine  nach  allen  Seiten  geöfhete  rechteckige  Vorhalle  von 
1465—1468.  —  Der  Dom  ist  restaurirt.  (Lübke  a.  a.  O.  Sp.  57.  — 
Details  bei  Luchs  a.  a.  O.  Fig.  2.  4—8  o.  21—23  a.)  —  Die  Domini- 
ca nerkir  che  St.  Adalbert,  einschiffig  in  Kreuzform  mit  etwas  jüngerem 
lang  gestrecktem  Chor  und  südwestlich  daneben  stehendem  zierlichem 
Thurm.  lieber  den  Seitenkapellen  des  Chores  schwere  Strebebögen.  (Details 
ebd.  Fig.  1  f.  3.  24  f.]  —  Die  Dorotheenkirche  des  1351  gestifteten 
Augustinerklosters,  aus  drei  fast  gleichlangen  Schiffen  bestehend,  in  Hal- 
lenform mit  fünfseitigem  Schluss  des  Mittelschiffes.  Die  viereckigen  Pfeiler 
nehmen  durch  vielfache  Auseckungen  fast  achteckige  Hauptform  an.  In 
jedem  Seitenschifijoche  zwei  Fenster  neben  einander,  zwischen  denen,  auf 
einer  Cönsole  basirt ,  das  Gewölbe  in  halber  Stemform  gegen  die  Pfeiler 
ausgeht.  —  Die  Elisabethkirche  ^),  grossartig  basilikal,  mit  drei  gleich 
langen  Schiffen,  deren  jedes  im  halben  Achteck  geschlossen  ist.  Die  recht- 
eckigen Pfeiler  (Lübke  a.  a.  O.  Sp.  73)  sind  an  den  Ecken  gegliedert  und 
an  den  beiden  Fronten  mit  polygonalen  Vorlagen  versehen.  Zwischen  den 
kurzen  Oberlichtem  und  den  niedrigen  Arkaden  ist  die  grosse  Fläche  der 
Scheidmauem  kahl  gelassen.  Das  Fenstermaasswerk  ist  spätgothisch  ,  und 
die  hohen  Fenster  des  Chorhauptes  sind  in  der  Mitte  quer  getheüt.  —  Das 
Langhaus ,  dessen  Östlichstes  Joch  durch  quadratische  Stellung  und  zum 
Theil  grössere  Masse  der  Pfeiler  das  fehlende  Querhaus  markirt,  ist  schief 
an  den  anscheinend  älteren  Chor  angesetzt  und  schliesst  in  Westen  auffal- 
lend schief  winkelig.  Neben  dem  Westende  des  südlichen  Seitenschiffes 
steht  der  1452 — 1458  gebaute  colossale  Thurm.  Die  Kirche  (restaurirt 
lg57  —  1859)  ist  an  beiden  Seiten  zwischen  den  Strebepfeilern  mit  späte- 
ren Kapellen  besetzt,  und  die  Strebebögen  liegen  unter  der  Bedachung.  — 
Die  heil.  Kreuzkirche^,  als  Obergeschoss  der  zu  ebener  Erde  darun- 
ter belegenen  Bartholomäikirche,  dreischiffiger  Hallenbau  in  der 
Grundform  des  Kreuzes  mit  langem,  dreiseitig  schliessendem  Chor  und 
ebenso  geschlossenen,  stark  ausladenden  Kreuzarmen.  Die  Unterkirche  hat 
im  Langhause  eng  gestellte,  die  Oberkirche  weit  gestellte  Joche  und  mit  je 
zwei  Fenstern.  Die  Pfeiler  beider  Geschosse  sind  viereckig  mit  abgekan- 
teten Ecken,  die  der  Oberkirche  gegliedert;  unten  sind  rippenlose  Kreuz-, 
oben  Stemge wölbe.  Das  Maasswerk  der  Fenster  zeigt  zum  Theil  späte, 
geschweifte  Formen.  Eine  Weihung  der  1288  gegründeten  Kirche  fand 
1295  statt,  die  Vollendung  des  Baues  aber  wohl  erst  im  XV.  Jahrhundert. 
Von  den  beiden  Westthürmen  ist  nur  der  südliche  vollendet.     (Förster, 


1)  Kunisch,  J.  O.,  die  St.  Elisabethk.  zu  Breslau  u.  ihre  Denkm.  1841.  - 
Schmeidler,  J.  C.  Herrn.,  die  evangel.  Haupt-  u.  Pfarrk.  su  St.  EUsabet.  Mit 
4AbbUd.  1857. 

2)  Vergl.  S.  596  Nota  2. 


598  Oothische  Kirchen 

Denkm.  6,  27-- 30  u.  l  Taf.)  —  Die  Magdalenealcirche^),  recht- 
eckig basilikal ,  mit  spätgoth.  Kapellen  besetzt.  Die  stämmigen  kreuzför- 
migen ausgpeeckten  und  an  den  Fronten  mit  abgekanteten  Vorlagen  verse- 
lienen  Pfeiler  (Lübke  a.  a.  O.  Sp.  7t)  stehen  im  Schiff  enger  als  im  Chor; 
wo  die  Joche  zwei  Fenster  haben.  Das  Maasswerk  zeigt  die  spielenden 
Formen  der  Zeit*  gegen  1400.  Am'  Aeusseren  schwere  Strebebögen  und 
zum  Theil  Fialenstreben.  Von  den  beiden  innerlich  auf  starken  Pfeilern 
•ruhenden  mächtigen  Westthflrmen  wurde  dereine  1481  vollendet.  Vergl. 
auch  oben  S.  452.  —  Die  Sandkirche  u.  1.  Fr.,  1330 — 1372,  edeler 
Hallenbau  mit  dreifachem  Polygonalschlu'sse  der  drei  gleich  langen  Schiffe 
und  mit  mehreren  späteren  Kapellenanbauten.  Die  rechteckigen  ausgeeck- 
ten Pfeiler  stehen  in  fast  quadratischen  Abständen,  und  die  Fensterstellung 
und  Qe Wölbeanordnung  in  den  Seitenschiffen  entspridit  der  Dorotheen- 
kirche.  Das  Mittelschiff  hat  Stemge wölbe.  Das  Fenstermaasswerk,  in  den 
westlichen  Theilen  bereits  entartet ,  zeigt  in  den  östlichen  noch  klare  For- 
men. Von  den  beiden,  innerlich  von  Pfeilern  getragenen  Westthdrmen 
wurde  der  eine  1430  erhöht.  (Lübke  a.  a.  O.  Sp.  66  f.)  —  Von  den 
minder  bedeutenden  übrigen  Kirchen  nennen  wir  :  St.  B  e r  na r  d i n ,  mit 
sehr  niedrigen  Seitenschiffen  und  einschiffigem  Chor  1464,  nach  Einsturz 
der  Gewölbe  wiederhergestellt  1502;  St.  Vincenz,  der  vorgenannten 
ganz  ähnlich,  nach  einem  Brande  von  1444;  St.  Matthias  in  einschiffiger 
Kreuzform,  Chor  und  Kreuzarme  polygonisch  geschlossen ;  etc.  Vergl. 
Lotz  1,  112  ff. 

Bickew  bei  Rathenow.  Einschiffige  rechteckige  und  flacbgedeckte  Dorf- 
kirche edelgoth.  Stils  (erbaut  um  1340)  mit  einem  Sattelthurm,  der  aus  der 
Mitte  der  mit  Spitzpfeilem  geschmückten  Westfront  aufsteigt.  Bemerkens- 
werth  ist  die  Fensteranordnung,  paarweise  in  Flachbogenblenden.  (Adler, 
Bauwerke  II.  Bl.  80.) 

Bitiew  bei  Güstrow;  Hallenkirche  frühgoth.  Stils  mit  Umgang  der 
Seitenschiffe  um  den  1375  vollendeten  dreiseitig  geschlossenen  Chor,  der 
sich  zu  drei  geräumigen  Kapellen  erweitert.  Schiffpfeiler  rhombisch ,  zum 
Theil  mit  Weinlaubcapitälen ,  Chorpfeiler  polygonisch.  Schönes  Portal. 
(Essenwein,  Backsteinbau  Taf.  6  Fig.  9  f.  u.  Taf^  31.)  Vergl.  Lotz 
1,  133. 

Brieg  in  Schlesien .  Die  Nicolaikirche  mit  niederen  Seitenschiffen 
1370—1418.  —  Die  Schlosskirche  St.  Hedwig,  zum  Theil  1368. 

CäMMil.  Das  basilikale  Langhaus  des  Domes  (oben  S.  452),  als  Fort- 
setzung der  roman.  Ostpartie,  romanisirend  frühgothisch  in  Doppeljochen 
überwölbt :  die  stärkeren  rechteckigen  Hauptpfeiler ,  an  den  Ecken  geglie- 
dert, steigen  in  halber  Stärke  an  den  Scheidmauern  empor  und  wölben  sich 
oben  zur  breiten  Blende,  zusammen ,  während  an  ihrer  Vorderseite  eine 
kräftige  Halbsäule  als  GurttrSger  angebracht  ist.  Die  schwächeren  Zwischen- 
pfeiler  sind  einfach  achteckig.  Die  spätgoth.  Giebelreihe  über  dem  mit 
Sterngewölben  gedeckten  südl.  Seitenschiff  ist  durch  glänzende  Nachbil- 


P  Schmeidler,  J.  C  IXcrm.,  Urkundl.  Beiträge  zur  Uesch.  der  Hauptpfarrk. 
9t.  Maria-Magd,  zu  Breslau.    ISa^i. 


im  norddeütflchan  Tleflande.  (99 

dnng  der  durchbrochenen  Details  de»  gothischen  Freibaues  ausgezeichnet. 
(y.  Minutoli,  Dom  zu  Drontheim.  Taf.  10  Fig.  51.) 

Ck«rii  bei  Neustadt- Ebers walde.  Huine  der  wohl  1272  begonneneit 
grossartigen  Cisterzienserkirche ^)  in  der  Grundform  des  Kreuzes,  theils 
noch  romanisirend ,  theils  frühgothisch ;  dem  Qesammteindrucke  nach  in- 
dess  im  ausgebildet  gothischen  8til  nnd  schwerlich  vor  1350  vollendet.  Der 
Chor  ist  siebenseitig  aus  dem  Zw6lfeck  geschlossen;  die  Pfeiler  des*  aus 
11  Bogenstellungen  bestehenden  Langhauses  sind  theils  viereckig  mit  Ein* 
kehlungen  auf  den  Ecken/  theils  von  viereckigem  Kern  mit  starken  Halb- 
säulen, die  durch  Rundstäbchen  verbunden  sind,  auf  den  vier  Seiten,  theils 
endlich  von  achteckigem  Kern  und  mit  acht  Halbsäulen  besetzt,  die  auf  den 
Ecken  des  Achtecks  durch  Rundstäbchen  verbunden  sind.  Die  Fenster  mit 
constructivem  Ziegelmaasswerk  im  edelsten  Stil.  Strebepfeiler  theils  feh- 
lend, theils  unausge bildet.  Am  Westgiebel  zwei  Treppenthürmchen.  Reste 
der  gleichzeitigen  Klostergebäude.    (Adler,  Bauwerke  II.  Bl.  67  —  69.) 

Mberg.  Die  Marienkirche^)  mit'  fünf  an  HOhe  wenig  verschiedenen 
Schiffen  unter  einem  Dache;  in  dem  dreiseitig  geschlossenen,  sich  dem  .Mit- 
telschiffe anschliessenden  Chor  treten  die  Streben  nach  innen  und  sind  für 
eine  umlaufende  Galerie  mit  Durchgängen  versehen ;  die  achtedsigcn  Arka- 
denpfeiler mit  Halbsäulenbflndeln  an  den  vier  Hauptseiten ;  ein  dreispitziger 
Thurmbau  mit  hoher  Halle  vor  der  Mitte  der  Westfront.  Die  Kirche  war 
im  J.  1316  im  Bau  begriffen,  das.  südlichste  Seitenschiff  schon  1379  vor- 
handen, das  nördlichste  ist  erst  im  J.  1410  vollendet.  (Kugler,  Kl.  Sehr« 
1,  709  — 12.  Fig.  85  —  88.) 

CirUl  unweit  Colberg.  Die  dreischiffige  Michaeliskirche  von  1510, 
niedrig  und  klein,  mit  breiten  StemgewOlben  überspannt. 

Usita.  Die  Marienkirche  mit  niedrigen  Abseiten  und  achteckigen ,  an 
den  Hauptseiten  mit  Halbsäulenbündelchen  besetzten  Arkadenpfailem ;  der 
Chor  von  der  Breite  des  Mittelschiffes  schliesst  dreiseitig ;  die  Strebepfeiler 
sind  mit  einfachen  Thürmchen  bekrOnt.  (Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  734 
Fig.  132—135.) 

totlblS*  Die  dreischiffige  Pfarr-  (Ober-)  Kirche  um  oder  nach  1400; 
der  die  Westfront  bildende  mit  Blenden  verzierte ,  aus  mehreren  sich  stark 
verjüngenden  Stockwerken  bestehende  Thurm  ist  im  Obergeschoss  acht- 
eckig.   (Puttrich,  Denkm.  11.  Serie  Lausitz.  Bl.  8.) 

Mh.  Die  Franciscanerkirche  1350,  die  Dominicanerkirche 
gegen  1400.  —  Die  Pfarrkirche^)  (Dom),  dreischiffigev  Hallenbau  mit 
gerade  geschlossenem  Chor  von  der  Breite  des  Mittelschiffes.  Achteckige 
Pfeüer  mit  Eckrundstäben.  Zwischen  den  Fialenstreben  Giebeldächer  über 
den  Seitenschiffen.  XIV  —  XV.  Jahrh.  Von  den  beiden  Westthürmen  nur 
einer  vollendet,  aber  verstümmelt. 

CvlBsee  unweit  Thom.  Der  Dom,  nach  Mertens  um  1360 — 1370 
(mit  zwei  älteren  Ostthürmen  im  Uebergangsstil) ,  niedrige  Hallenkirche  mit 


1}    Brecht,  P«  R.»   Kloster -Chorin ,  aus  der  Zeitachr.  für  Bauwesen.    1854. 
Sp.  65  — 76  u.  Bl.  U— 17. 

2)  Maass,  O.  W.,  Gesch.  u.  Beschreib,  der  Marien-Domk.  zu  Colbexg.  1837. 
—  Ghrund-  u.  Aufrime  der  Kirche  in  Wachs»  J.  F.,  Gesch.  der  Altstadt  Colberg. 

3)  Seemann,  J.,  die  Culmer  Pfarrkirche.    1856. 


$00  Gothische  Kirohen 

gegliederten  kurzen  Pfeilern  und  gerade  schliessendem  Chor  mit  zierlichem 
GKehel.  Von  den  beiden  Westthürmen  nur  einer  vollendet.  —  Die  evangel. 
Pfarrkirche,  kleiner  flachgedeckter  dreischiffiger  Hallenbau  mit  einschif- 
figem rechteckigem  Chor.    Viergiebeliger  Westthurm.    XIV.  Jahrh. 

laber  bei  Naugardt.    Unbedeutende  spfttgoth.  Hallenkirche. 

laaH  bei  Stettin.    Unbedeutende  spEtgoth.  Hallenkirche. 

tauig.  ^)  Die  zahlreichen  Kirchen  sind  mit  wenigen  Ausnahmen  ge- 
rade geschlossene  Hallenbauten  mit  nur  einem  Westthurm.  Die  Pfeiler  sind 
achteckig  mit  einfachem  Sockel  und  Gesimse.  Die  Fenster  ohne  Maass- 
werk,  die  Streben  meist  nach  innen  gezogen.  Vorherrschend  Stern-  und 
NetzgewOlbe.  Die  Schiffe  haben  gewöhnlich  Paralleldächer  und  schliessen 
in  West  und  Ost  mit  schmuck  vollen  Giebeln.  Vergl.  Lübke,  im  Kunstbl. 
1856  S.  92. 

Die  Barbarakirche,  nach  Brand  von  1 499 .  —  Die  einschiffige 
Bartholomäikirche  (nach  1499)  mit  Kapellen  zwischen  den  Streben. 
Holzdecke.  Mächtiger  Westthurm.  (Greth  a.  a.  O.  Hft.  10.  —  Seh  ultz 
a.  a.  O.  2.  Folge  Lief.  1.)  —  Die  1513  gegründete  Brigittenkirche 
mit  einschiffigem  nach  Westen  gerichtetem  Chor.  (Schultz  a.a.O.  Lief.  2 . ) 
—  Die  Dominicanerkirche  mit  einschiffigem  Chor^  schlank  und  fein 
ausgeführt.  Oestlich  am  südlichen  Seitenschiff  ein  oben  achteckiger  Thurm. 
XIV.  XV.  Jahrhundert.  —  Die  stattliche  Johanniskirche  (1460—1465] 
durchgängig  dreischiffig  und  mit  Querschiff.  Sämmtliche  Giebel  reich  de- 
corirt.  Die  Strebepfeiler  nicht  nach  innen  gezogen.  —  Der  Chor  der  Kar- 
meliterkirche, begonnen  1467,  mit  zwei  zierlichen  Treppenthürmchen 
am  Giebel.  —  Die  Katharinenkirche  mit  reichem  Giebel  an  der  Haupt- 
front ,  aus  welcher  sich  über  einer  mächtigen  Halle  der  stattliche  Thurm 
erhebt;  XV.  Jahrh.  (Schultz  a.  a.  O.  Lief.  1.3  u.  2.  Folge.  —  Greth 
a.  a.  O.  Hft.  9.)  —  Die  grossartige  Marienkirche^)  (g^^ündet  1343, 
nach  einem  vergrüsserten  Umbau  vollendet  1400 — 1502)  in  nicht  ganz 
regelmässiger  Kreuzform.  Das  Querschiff  ist  im  südlichen  Flügel  drei- 
schiffig, während  auf  der  Nordseite  das  Ostl.  Nebenschiff  fehlt.  Zwischen 
den  überall  nach  innen  gezogenen  Strebepfeilern  sind  mit  einfachen  Kreuz- 
gewölben bedeckte  Kapellen  eingerichtet.  Ein  mächtiger  Thurm  vor  der 
Mitte  der  Westfront ;  schlanke  achteckige  Thürmchen  mit  hohen  Spitzhel- 
men auf  den  Ecken  des  Gebäudes.  Das  schlichte  Aeussere  mit  einer  Zin- 
nengalerie. Die  Querschiffgiebel  mit  Spitzthürmchen.  (Schultz  a.  a.  O. 
Lief,  l — 3.  —  Detail  bei  Essenwein  ,  Backsteinbau.  Taf.  16  Fig.  7.)  — 
Die  Petri-Paulikirche,  über  älteren  Grundmauern  1424 — 1515  neu 
erbaut y  mit  einschiffigem  Chor  und  dreith eiliger  Vorhalle  in  Westen,  über 


1)  Ranisch,  Bartol.,  Grund-RUse  u.  Auff-Züge  alter  Kirchengebäude  in  der 
Stadt  Dantzig.  1695.  —  Schultz,  J.  C,  Danzig  u.  seine  Bauwerke  in  Original- 
radirungen, mit  geometr.  Details  u.  Text.  1816—1855.  2.  Folge  1S56  etc.  —  Pas- 
savant, J.  D.,  Nachrichten  üb.  Danzigs  Kunstwerke,  im  Kunstbl.  1847.  No.  32 — 34. 
—  Greth ,  Jul.,  Danzigs  alterthüml.  Bauwerke,  in  Zeichnungen  mit  Text  von  Rud. 
Genee.  1855 — 1858.  —  Viersehn  Ansichten  von  Danzig,  gestochen  1617,  jetzt  pho- 
togr«  vervielfUtigt.   (Vergl.  Altpreuss.  Monatsschr.  1865.  II.  2,  1*^0  f.) 

2)  Hirsch,  T)i.,  die  Oberpfarrk.  von  8t.  Marien  in  Danzig.  2  Bde.  1^43.  1847. 
Mit  Abbild. 


im  norddeutschen  Tieflande.  50  t 

welcher  der  mit  Stufengiebeln  geBchmflckte  Sattelthurm  aufsteigt.  Die 
Strebepfeiler  treten  nicht  nach  innen  vor.  —  Die  OraumOnchenkirche  St. 
Trinitatis^),  gegründet  1431,  mit  langem  einschiifigem  1481 — 1495 
errichtetem  Chor ;  die  Nordaeite  des  Langhauses  nach  einem  Einsturz  im 
J.  1503  wiederhergestellt  1514.  Am  Schiff  sind  die  Streben  einwärts  ge- 
sogen,  am  Chor  treten  sie  nach  aussen ;  hier  steht  westlich  an  der  Südseite 
ein  oben  achteckiger  Thurm  von  1495.  Drei  schOne  Westgiebel  und  am 
Ostgiebel  zwei  Eckthürmchen.  Die  prachtvollen  Kreuzgänge,  das  Refecto- 
rium  (nach  1522),  die  beiden  Remter  mit  herrlichen  Palmen-  und  Strahlen- 
gewOlben.  Die  einschiffige  Annakapelle  an  der  Südwestecke  der  Kirche 
1490.    (Schultz  a.  a.  O.  Lief.  1  u.  3.  —  Greth  a.  a.  O.  Heft  12.) 

Bargwi.  Das  Querschiff  und  der  Chor  der  Kirche,  dreischiffig  mit  acht- 
eckigen Pfeilern,  Umgang  der  Seitenschiffe  und  drei  Kapellen  1464 — 1479. 
Vergl.  oben  S.  453. 

leMMil.  Die  Bartholomäikirche ,  ein  Hallenbau,  dessen  drei  Schiffe 
polygonisch  schliessen  und  von  leichten  achteckigen  Pfeilern  getrezmt  wer- 
den, welche  die  wohlgegliederten,  etwas  überhöhten  Scheidbögen  tragen. 
Hohe  Thurmhalle  in  der  Gesammtbreite  der  Westfront.  (Kugler,  KL 
Sehr.  1,  720  Fig.  100  —  105.) 

Biewittei  bei  Allenstein.  Landkirche  mit  vorgelegtem  viereckigem 
Westthurm,  dessen  verschiedene  Geschosse,  über  einander  zurücktretend, 
durch  schräge  Abdachungen  verbunden  werden.  Das  Dach  wie  in  Amsdorf; 
8.  d.   (v.  Quast,  Denkm.  Hft.  4.  Bl.  23  Fig.  6.) 

BiTSCkM*  Die  spätgoth .  Pfarrkirche,  deren  drei  gleich  hohe  Schiffe 
von  plumpen  achteckigen  Pfeilern  getrennt  werden.  Der  einschiffige,  gleich 
lange  Chor,  dreiseitig  geschlossen.  Spätere  Kapellenanbauten  auf  beiden 
Seiten  des  Schiffes.  —  Die  einschiffige  Dominicanerkirche  hat  nur 
an  dem  dreiseitig  schliessenden  Chore  Strebepfeiler. 

B^bberftiH  bei  Gk>ldberg  in  Meklenburg.  Cisterziensemonnenkirche, 
deren  niedere  Seitenschiffe  abgebrochen  und  in  den,  von  starken  reichgeglie- 
derten Pfeilern  getragenen  Spitzarkaden  vermauert  sind.  Der  Obergaden  und 
der  dreiseitig  geschlossene  Chor  XIV.  Jahrh. —  In  Westen  über  einer  zwei- 
schiffigen  von  kurzen  Granitpfeilern  getragenen  Halle  eine  Nonnenempore. 
Die  Kirche  ist  äusserlich  reich  gothisch  modernisirt  und  innerlich  1S57  re- 
staurirt.    Der  Kreuzgang,  theils  rund-,  theils  spitzbogig  gewölbt. 

Baberai.  Die  grossartige  Cisterzienserkirche  ^)  (vollendet  1368,  mit 
alteren  und  jüngeren  Theilen)  in  der  Grundform  des  Kreuzes  mit  niedrige- 
ren, das  Querschiff  durchschneidenden  und  die  Kreuzvorlagen  abtrennenden 
Seitenschiffen,  welche  sich  auch  im  Chore  fortsetzen  und  um  das  im  halben 
Achteck  geschlossene  Chorhaupt  einen  Kranz  von  fünf  halbsechseckigen 
Kapellen  bilden.    Die  Arkadenpfeiler  sind  viereckig,  an  den  Ecken  mit 


1)  StTehlke,E.,  Kirche  u.  Kloster  sur  h.  Dreifaltigkeit  in  Banzig,  im  Organ 
für  chrisü.  Kunst  1855.  No.  12--]  4.    Mit  2  Taf . 

2)  Lisch,  O.  C.  F.,  Blätter  zur  Gesch.  der  K.  zu  Doberan,  in  den  Meklenb. 
Jahrbachero  9,  408  ff.  Vergl.  13,  418;  14,  35) ;  19,  342.  —  Nipperdey,  Qothische 
Rosetten  aus  der  K.  zu  Doberan,  nebst  deren  Ansicht  und  geschichtl.  Beschreibung. 
(1936.)  1839. 


602  OothUehe  Kinehen 

Rundstäben  und  «n  den  Flächen  mit  SäulenbUndeln  gegliedert;  die  Oewdlbe* 
trfiger  des  Hauptschiffes  ruhen  auf  Consolen ,  welche  wie  die  Capitäle 
der  Säulenbündel  in  Laubwerk  aus  Stuck  gebildet  sind.  Die  östlich  mit 
einer  niederen  Abseite  versehenen  Kreuzarme  werden  durch  einen  schlän» 
ken  achteckigen  Mittelpfeiler  in  zwei  Hallenschiffe  getheilt.  Die  ganze 
Kirche  hat  äusserlich  einen  Fries,  welcher  aus  Kleeblattb<}gen  von  "schwarz- 
gUsirten  Formsteinen  besteht,  die  sich  von  dem  verputzten  Grunde  lebhaft 
abheben.  (Schnaase.  Kunstgesch.  6,  343.  —  Lübke,  im  Organ  für 
christl^Kunst  1853.  Taf.zuNo.  5.  ^  £ssenwein.  Backsteinbau.  Taf.  2  f.) 

BraMbwg  in  Pommern.  Spätgoth.  Hallenkirche  mit  einschiffigem, 
fünfseitig  geschlossenem  Chor.  Entartete,  zum  Theil  rohe  Formen.  (Küg- 
1er,  Kl.  Sehr.  1,  762  Fig.  171.) 

Mflteldeif.  St.  I^ambert,  spätgoth.  Hallenkirche  (seit  1394).  mit  Chor- 
umgang. Die  Pfeiler  sind  rechteckig ,  abgekantet  und  an  den  Frontseiten 
-mit  zwei  Dietisten  versehen.    Details  aus  Haustein. 

llUlg.  Die  (Marien-)  Dominicanerkirche*),  dreischiffiger  Hal- 
lenbau mit  gerade  geschlossenem  Chor,  aus  drei  Bauperioden  im  XIII.; 
XIV.  u.  XVI.  Jahrh.  Die  nördlichen  Arkaden  des  Schiffes  und  die  west- 
lichen (später  erhöhten)  Gurtträger  im  Chor ,  zum  Theil  mit  edelen  I^ub- 
capitälen,  von  dem  1284  vollendeten  Bau  (oben  S.  454);  Verlängerung  des 
Chores  mit  dem  reichen  Ostfenster ,  das  nördliche  Seitenschiff  und  die  Sa- 
cristei  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XIV.  Jahrh. ;  das  südliche  Nebenschiff 
mit  einfach  achteckigen  Pfeilern ,  die  NetzgewOlbe ,  die  Schiffgiebel  etc. 
nach  einem  Brande  von  1504.  —  Die  Hauptkirche  St.  Nicolai,  XIV. 
Jahrh.  —  Die  heil.  Leichnamskirche,  vollendet  1405. 

VfaMterwalde  (Kr.  Luckau).  Goth.  Kirche  mit  Tonnengewölbe,  erbaut 
1585. 

Vraikfiffl  a.  d.  O.  Die  Majien-  (Ober)  kirche^)  besteht  aus  ver- 
schiedenartigen Theilen :  das  Langhaus  hat  fünf  Schiffe,  von  denen  die  bei- 
den äusseren  mit  Pultdächern  gedeckt  sind,  deren  Schrägen  nach  innen  ab- 
fallen, während  die  senkrechte  mit  Stabwerk  gegliederte  Mauer  die  äussere 
Front  bildet;  die  inneren  Seitenschiffe  bilden  einen  Umgang  um  den  «ieben- 
seitig  geschlossenen  Chor ;  letzterer  ist  regelmässig  und  aus  einem  Gusse 
gebaut;  vor  demselben  ist  eine  Art  Querschiff  angeordnet,  dessen  schöner 
Nordgiebei  durch  eine  später  vorgelegte  polygonische  Nische  verdeckt  wird, 
und  hierauf  folgt  daß  Langhaus  mit  quadratischen  Gewölbejochen ;  die  Ar- 
kadenpfeiler sind  gegliedert  und  von  verschiedener ,  im  Schiff  (mit  runden 
Diensten)  von  kreuzförmiger,  im  Chor  von  achteckiger  Grundform.  Von 
den  beiden  westlichen  Thürmen  ist  der  südliche  1826  zusammengestürzt. 
Die  Erbauungszeit  fiQlt  im  Wesentlichen  um  die  Mitte  des  XIV.  Jahrhun- 
derts; eine  Weihe  fand  1494  statt.  (Details  bei  Adler,  Bauwerke.  II. 
Bl.  78  Fig.  2.  3.  5  u.  7;  Essen  wein.  Backsteinbau,  auf  Taf .  16  u.  27  ; 
Källenbach,  Atlas,  auf  Taf.  59  u.  71.  —  Eine  Ansicht  als  Titelbild  zu 
Em  mich 's  Uebersicht  der  Bauwerke  der  Vorzeit.   1843.)  —  Die  Ni  co- 


li Vergl.  V.  Quast,  in  den  N.  Preuns.  Prov.  Bl.  9,  26  —  29. 
2>  Spieker»  Chr.  W.,  Beschreib,  u.  Gesch.  der  Marien-  oder  Oberkirche  zu 
Frankf.  a.  O.  1835.  Mit  Abbild. 


im  norddeutsobe«  Tieflande.  ßOS 

laikirche,  ein  dxeischiffiger  Hallenbau  aus  zwei  verschiedenen  Zeiten. 
Das  romanisirend  frühgoth.  Langhaus  ist  im  Mittelschiffe  mndbogig  über- 
wölbt ,  in  den  Seitenschiffen  schlank  spitzbogig.  Die  Pfeiler  sind  tibereck 
gestellt  viereckig,  an  den  Seiten  g:egliedert  und  an  den  Ecken  mit  Halbsftu- 
len  besetzt,  auf  deren  Würfelcapitälen  schwere  roman.  Xflmpfergesimse 
lagern.  Der  mit  StemgewOlben  gedeckte  Chor  ist  spAtgothisch ,  mit  adit'*- 
seitigen ,  an  den  Ecken  mit  Stäben  besetzten  Pfeilern  und  einem  unregel^ 
mftssig  fünfseitigen  Umgang  um  den  geradlinigen  Schluss.  Ein  Westthurm 
vor  dem  nOrdl.  Seitenschiff.  (A(\ler  a.  a.  O.  Fig.  1.  4.  6  u.  8.)  —  Die 
(Franciscaner-)  Unterkirche,  dreischiffig  in  Hallenform,  mit  einschiffi- 
gem gerade  geschlossenem  Chor,  1517 — 1525. 

fiaieMbirg.  Der  Dom'),  ein  ausgezeichneter  dreischiffiger  Hallenbau 
mit  einschiffigem  rechteckigem  Chor ;  letzterer  (geweiht  1 342)  ist  durch 
viel  gegliederte  Wandpfeiler  mit  Laubcapitälen  und  durch  gutes  Stuckwerk 
der  Fenster  ausgezeichnet.  Das  Schiff  (vollendet  1388)  hat  einfach  acht- 
eckige Pfeiler  und ,  wie  die  ganze  Kirche  ,  Stemge wölbe.  Y.or  dem  reich 
aus  Kalkstein  gearbeiteten  Westportal  ist  in  der  Breite  des  Mittelschiffes 
eine  niedrige  rechteckige  Vorhalle  angeordnet,  deren  Pultdach  in  der  Front 
von  einer  mehrfachen  Oiebelarchitektur  überstiegen  wird,  welcher  sich  seit- 
wärts ähnlich  gebildete  Halbgiebel  anschliessen.  Ein  entsprechend  reich 
geschmücktes  Spitzbogenportal  führt  in  d^  Innere  der  Halle,  deren  Wände 
in  den  OewOlbeschilden  mit  einem  kleinen,  aus  Formsteinen  gebildeten 
goth.  Muster  teppichartig  ganz  bedeckt  sind.  -Den  Ecken  des  Hochbaues 
sind  zierliche  schlanke  Thürmchen  von  achteckigem  Grundriss  aufgesetzt, 
welche  den  an  den  Schenkeln  mit  Blumen  besetzten  westlichen  Hauptgiebel 
flankiren.  Aehnliche  Thürmchen  befinden  sich  am  Ostende  der  Seitenschiffe 
neben  dem  nach  einem  Brande  von  1551  hergestellten  Mittelgiebel.  Der 
Ostgiebel  des  Chores  ist  nur  einfadi  gehalten,  (v.  Quast,  Denkm.  Heft  3. 
Bl.  13  u.  15— 18.  —  Reiseskizzen  der  Berliner  Architekten.  1858.  Bl.  18 
—  21 .)  —  Die  einfach  rechteckige  5  Joche  lange  Pfarrkirch  e.  (v.  Quast, 
Bl.  13.) 

VreieiwaUe  in  Pommern.  Die  Marienkirche  mit  drei  gleich  hohen, 
durch  achteckige  Pfeiler  gesonderten  Schiffen,  Chor  von  der  Breite  des 
Hauptschiffes  und  mit  zierlichen  Blenden  versehenen  Strebepfeilern ;  der 
Thurm  tritt  vor  dem  Westende  des  Mittelschiffes  frei  hervor  und  bildet 
unten  eine  nördlich  und  südlich  offene  Halle.  (Kugler^  Kl.  Sehr.  1,  759 
Fig.  167  f.) 

firstenwalde  a.  d.  Spree.  Der  Dom,  Hallenkirche  mit  schlichten  acht- 
eckigen Pfeilern  (jetzt  ohne  Gewölbe)  1446—1470. 

fiardelegen  in  der  Altmark.  Die  Marienkirche  erscheint  in  der 
Hallenform  ihres  fünfschiffigen  Langhauses  als  streng  gothischer  Umbau 
einer  roman.  Gewölbebasilika  in  der  Grundform  des  Kreuzes  (oben  S.  454). 
Der  breitere  und  höhere  Chor  aus  dem  XIY.  u.  XV.  Jahrh.  Anderes  und 
die  angebauten  Kapellen  erst  1509 — 1513.  —  Das  den  alten  roman.  West- 
thurm von  12*22  umfassende  Langhaus  der  Nicolaikirche  (ob^n  S.  454), 


1)  Bergau,  R.,  XJeber  den  Dom  su  Frauenburg  in  Ostpreußen ,  in  den  Dioe- 
kuren.   1860;  8.  319  f.  343—346.  371  f. 


604  Gothiaehe  Kirchen 

dessen  drei  Schiffe  von  mit  Gurttragern  besetsten  Rundpfeilern  getrennt 
werden,  datirt  um  1470.  Etwas  sp&ter  erscheint  der  lange  einschiffige  po- 
lygonisch  schliessende  Chor,  dem  an  seinen  drei  westlichen  Jochen  t522 
beiderseits  zweistöckige  mit  Emporen  versehene  Abseiten  angebaut  wurden. 

ten  a.  d.  O.  Die  Stephanskirche  mit  drei  gleich  hohen,  durch  acht- 
eckige Pfeiler  gesonderten  Schiffen  und  Sterngewölben  in  quadratischen 
Jochen ;  der  fünfseitig  geschlossene  Chor  von  der  Breite  des  Hauptschiffes ; 
die  Strebepfeiler  nach  innen  hervortretend.  (Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  760 
Fig.  169  f.) 

Ulmgii  auf  der  Insel  Rügen.  Spatgothische  dreischiffige  Kirche  mit 
Fenstern,  deren  Deckbügen  eckig  aufsetzen. 

ttelwtts  in  Oberschlesien.    Pfarrkirche  von  1504. 

Mdberg  bei  Liegnitz.  Streng  goth.  Hauptkirche,  Quaderbau  mit 
drei  Thürmen ,  deren  höchster  vor  dem  polygonen  Chorschlusse  steht.  — 
Die  rechteckige  Bergkirche  mit  reich  verziertem  Portal  strengen  Stils. 
Vergl.  Lotz  1,  243. 

^•lb«W  in  Pommern.    Unbedeutende  spätgoth.  Hallenkirche. 

tellip  unweit  Thom .  Die  flachgedeckte  Stadtkirche  mit  schma- 
lerem gewülbtem  dreiseitig  schliessendem  Chor;  XIV.  Jahrh.  —  Die  zier- 
liche Schlosskapelle  aus  dem  XIV.  Jahrh. 

finuu^w  in  der  Ukermark.  Ueberrest  eines  westl.  Polygonbaues  von 
der  ehemaligen  Prämonstratenserkirche,  XIV.  Jahrhundert. 

firaisee  in  der  Mark.  Die  Marienkirche,  ein  Hallenbau  aus  dem  XIV. 
Jahrh.,  dessen  drei  Schiffe  von  achteckigen  Pfeilern  geschieden  werden,  die 
auf  den  Ecken  mit  Halbsäulchen  besetzt  sind,  welche  statt  der  Capitale 
Köpfe  tragen.  Die  Kirche  endet  Ostlich  mit  einem  hohen  schmuckreichen 
Giebel,  an  den  sich,  den  Schiffen  entsprechend,  drei  niedrige  Apsiden 
schliessen :  die  mittlere  dreiseitig,  die  beiden  zur  Seite  zweiseitig  im  stum- 
pfen Winkel.  (Adler,  Bauwerke  II.  Bl.  76  f.)  —  Ueberreste  der  1604 
abgebrannten  (Grauen)  Klosterkirche;  im  Innern  schlanke  GurttrSger 
mit  schlichten  Kelchcapitälen.  (Ebd.  Bl.  77  Fig.  14.)  Der  Conventsaal 
und  das  Refectorium  (die  Ueberwölbung  beider  von  einem  Mittelpfeiler  ge- 
tragen),  sowie  Theile  des  ehemal.  Kreuzganges  dienen  jetzt  Schulzwecken. 

ttrtideu«  Hallenkirche  mit  achteckigen  Pfeilern  und  einschiffigem 
Chor. 

ttreiffrabeii;  in  Pommern.  Die  Marienkirche  mit  drei  gleich  hohen 
Schiffen,  gerade  schliessendem  Chorraum  von  der  Breite  des  Mittelschiffes 
und  achteckigen  Arkadenpfeilern,  welche  an  den  vier  Hauptseiten  mit  stab- 
artigen Gurttrfigcrn  versehen  sind.  Die  Detailbildungen  zeigen  abwechselnd 
frühe  und  ziemlich  spftte  Formen.    (K  ugler ,  Kl.  Sehr.  1,713  Fig.  92—94.) 

Sreiffeikagei  unweit  Stettin.  Die  einschiffige  edel  goth.  Heil.  Geist- 
kirche, früher  mit  fünfseitigem  Thürmchen  vor  der  Westseite.  Restaurirt 
1857. 

tecilnrald.  Die  Jacobikirche  mit  drei  Schiffen  von  gleicher  Höhe, 
deren  mittleres  sich  als  Chor  fortsetzt;  die  Arkadenpfeiler  von  runder 
Grundform  sind  mit  einfachen  Deckgesimsen  versehen;  die  Details  der 
Gurttrager  entsprechen  der  ersten  Ausbildung  des  gothischen  Stils ;  spatere 
Stemgewölbe.  (Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  700  Fig.  63— 66.)  —Die  Marien- 


im  norddeutschen  Tieflande.  ß05 

kirche  mit  drei  gleich  hohen  und  gleich  langen,  östlich  geradlinig  ge- 
schlossenen Schiffen ;  die  Pfeiler  paarweise  von  verschiedener  Bildung  ; 
Details  im  strengen  Stil;  spätere  Gewölbe:  einige  sp&tgothische  Anbauten, 
unter  denen  sich  eine  dem  Hauptportal  der  Südseite  vorgebaute  zierliche 
Kapelle  (mit  zwei  neben  einander  gestellten  fünfseitigen  Altamischen  in 
Osten)  auszeichnet.  (Ebd.  S.  702  Fig.  67  —  75.)  —  Die  Nicolaikirche*) 
mit  niedrigen  Seitenschiffen  ,  die  östlich  mit  einer  schrSgen  Wand  schlies- 
sen,  während  das  Hauptschiff  von  einer  geraden  Wand  begrenzt  wird,  wo- 
durch das  Ganze  als  dreiseitiger  Schluss  erscheint;  die  Vollendung  des 
Baues  soll  in  das  Jahr  1326  fallen;  der  (jüngere)  viereckige  Thurmbau  hat 
über  den  Ecken  zwei  rohe  Kundthürmchen,  die  durch  einen  in  drei  Stock- 
werken über  einander  zurücktretenden,  mit  Blenden  geschmückten  und  mit 
Zinnen  gekrönten  Zwischenbau  verbunden  sind,  über  dem  sich  ein  schlanker 
achteckiger  Aufsatz  erhebt.  Die  Kirche  ist  restaurirt.  (Ebd.  S.  730  Fig.  126 
—  128.  —  Essenwein,  Backsteinbau.  Taf.  10  Fig.  5.) 

SriHHe  unweit  Greifswald.  Die  Kirche  mit  drei  Schiffen  von  gleicher 
Höhe;  die  Abseiten  bilden  einen  Umgang  um  den  dreiseitigen  Chorschluss ; 
achteckige  Arkadenpfeiler ;  ältere  Ueberreste  am  östlichen  und  am  west- 
lichen Ende  der  Seitenschiffe. 

(iMSS-SaliÜ  bei  Gadebusch.  Zierliche  Kirche  mit  niederen  Seitenschif- 
fen und  dreiseitig  geschlossenem  Chor.  Zweitheilige  Oberlichter  mit  gutem 
Kalksteinmaasswerk. 

Cilbei  in  der  Niederlausitz.  Einfache  frühgothische  (Cisterzienserin- 
nen-)  Klosterkirche,  mit  grossem  Fenster  im  geraden  Chorschluss  und  ehe- 
mals mit  unterwölbter  westlicher  Nonnenempore.  ^) 

fittlileMteni  vor  Mühlberg  a.  d.  Elbe.  Die  um  1230.  geweihte  (Cister- 
zienserinnen-)  Klosterkirche  in  einschiffiger  Kreuzform  mit  drei  (polygonen) 
Apsiden  am  Chor  und  Querschiff  zeigt  die  erste  Aufnahme  des  noch  stark 
romanisirenden  goth.  Stils.  Die  Doppelreihe  der  Fenster  am  Schiff  deutet 
auf  eine  ursprünglich  vorhanden  gewesene  Nonnenempore.  Kreuzgewölbe 
über  Halbsäulen  mit  Knospencapitälen.  Der  abgetreppte  durchbrochene 
Westgiebel ,  mit  achteckigem  Thürmchen  und  Fialen  versehen ,  ist  spät- 
gothisch.  (Puttrich,  Denkm.  II.  Serie  Wittenberg.  Bl.  6 — 8.  —  Adler, 
Bauwerke  11.  Bl.  65  f.)  Spätgoth.  Klostergebäude.  (Ebd.  auf  Bl.  8.  — 
Essenwein,  Backsteinbau.  Taf.  8  Fig.  8.) 

CSutr^w.  Der  schöne,  mit  dem  Mittelschiffe  verbundene  Westthurm, 
die  Gewölbe  und  Oberlichter  des  ersteren,  die  Seitenschiffe  mit  den  Kapel- 
lenanbauten, der  polygone  Chorschluss  etc.  des  Domes  (oben  S.  456)  aus 
dem  XIV  —  XV.  Jahrhundert.  —  Die  Plarrkirche,  ursprünglich  mit 
niederen  Seitenschiffen,  aber  1503—1508  wurde  das  nördliche  Nebenschiff 
auf  die  Höhe  des  Mittelschiffes  gebracht  und  mit  diesem  neu  gewölbt;  gleich- 
zeitig fand  auch  der  Anbau  zweier  äusseren  Seitenschiffe  statt.  Alle  fünf 
Schiffe  haben  besondere  Parallel  dach  er  mit  Giebeln  in  Osten  und  Westen. 

filtstodt  unweit  Heilsbcrg.    Die  bis   1396  vollendete  Collegiatkirche 


I)  BiederBtedt,  Gesch.  der  Nicolaikirche  in  Greifswald. 

*i)  Vergl.  Sausse,  Beiträge  zur  Gesch.  der  Stadt  Guben.  (Programm)  1860. 

Ott«,  Runot- Archilologie.  39 


906  Gothische  Kirchen 

(Dom)  ,  ein  rechteckiger  Hallenbau  mit  achteckigen  Pfeilern ,  reichen  Ge- 
wölben, Stufengiebeln  und  Weetthurm. 

lanbirg«  Die  aus  •  drei  gleich  hohen  und  gleich  längen  polygonisch 
Rchliessenden  Schiffen  bestehende  Jacobikirche,  deren  dicke  Rundpfei- 
ler mit  vier  ausgekragten  Gurtträgern  besetzt  sind.  An  der  Südseite  ist 
noch  ein  wenig  niedrigeres  äusseres  Seitenschiff  in  spätgoth.  Zeit  angebaut. 
—  Die  1426  gewölbte  Katharinenkirche,  basilikal  mit  drei  gleich 
breiten  und  gleich  langen  Schiffen,  von  denen  das  mittlere  gerade,  die  bei- 
den äusseren  dreiseitig  schliessen.  Die  ähnlich  wie  in  der  Jacobikirche  ge- 
bildeten Pfeiler  steigen  mit  einem  Bruch theile  ihrer  Dicke  an  den  hohen, 
statt  def  Oberlichter  nur  mit  Blenden  versehenen  Scheidmauern  als  Gurt- 
träger  empor.  Die  Schiffe  liegen  unter  einem  Dache.  Das  Maasswerk  der 
Chorfenster  ist  neu..  —  Die  neuerlich  hergestellte  Petrikirche  ist  ein 
Hallenbau  mit  einem  nördlichen  und  zwei  südlichen  Seitenschiffen,  welche 
letztere  von  viereckigen  mit  je  vier  Halbsäulen  besetzten  Pfeilern  getrennt 
werden ,  während  die  übrigen  Pfeiler  rund  und  ebenfalls  mit  Halbsäulen 
versehen  sind.  —  Vergl.  Lotz  t,  277  f. 

üafelberg.  Der  Dom  erscheint  in  seinem  dreischiffigen  basilikalen 
Langhause  mit  den  in  zweistöckigen  quadratischen  Zwillingskapellen  schlies- 
senden  Seitenschiffen  als  streng  gothischer  Umbau  der  ursprünglichen  ro- 
manischen Anlage  (S.  456).  Die  alten  kreuzförmigen  Pfeiler  wurden  mit 
Vorlagen  versehen,  die,  an  den  grösstentheils  aus  Ziegeln  neu  aufgeführten 
Scheidmauern  aufsteigend,  sich  über  den  Arkade nbögen  Behufs  Gewinnung 
eines  Laufganges  im  kaum  merklich  gebrochenen  Rundbogen,  und  über  den 
Oberlichtern  als  Schildbögen  der  Gewölbe  abermals  spitzbogig  zuaammen- 
wölben.  Das  Chorpolygon  und  die  Gewölbe  der  Seitenschiffe  datiren  von 
1386 — 1411.  Auch  der  Kreuzgang  und  die  Stiftsgebäude  repräsentiren  die 
angegebenen  drei  Bau perioden  der  (1841  unbefriedigend  restaurirten)  Kirche. 
(Adler,  Bauwerke  II,  1  —  6  u.  Bl.  51  f.)  —  Die  dreischiffige  Lorenz- 
kirche in  Hallenform  mit  einschiffigem  Chor  und  Westthurm.  Pfeiler 
theils  rund,  theils  kreuzförmig.  (Ebd.  S.  9.)  —  Die  ungewölbte  achteckige 
Annakapelle,  spätgothisch.  —  Die  oblonge  einschiffige  Heil.  Geist- 
kapelle, ein  zierlicher,  nach  1450  erneuerter  Bau. 

Heiligen  -  Cirabe  bei  Wittstock.  Die  stattliche  anscheinend  vom  Ende 
des  Xni.  Jahrh.  stammende,  oblonge  einschiffige  (Cisterzienserinnen-"  Klo- 
sterkirche ,  ehemals  mit  Nonnenempore,  aus  Granit  mit  Backsteindetails ; 
der  Aufbau  der  Westfront ,  die  Kreuzgewölbe  und  das  Chorpolygon  um 
1450.  Der  Kreuzgang  aus  dem  XIV.  und  XV.  Jahrh.  —  Die  spätgoth. 
Heil.  Grabes-Kapelle,  ein  mit  Sterngewölben  gedecktes  einschiffiges  Recht- 
eck. Die  Strebepfeiler  nach  innen  gezogen;  zwei  decorirte  Giebel;  grosser 
Formenreichthum  im  Innern  und  am  Aeusseren.    (Adler  11,  7  f.  u.  Bl.  55.) 

üeilsberg  im  Ermlande.  Die  dreischiffige  Stadtkirche  in  oblonger 
Hallenform.  Vor  der  Mitte  der  Westfront  ein  zwischen  zwei  mit  schmuck- 
vollen Halbgiebeln  versehenen  niedrigen  Abseiten  schlank  aufsteigender 
Thurm;  zweite  Hälfte  des  XIV.  Jahrh.  —  Im  (als  Krankenhaus  restaurir- 
ten) bischöfl.  Sc  bloss  eine  grössere  und  eine  kleinere  Kapelle,  letztere  im 
Hauptthurme  belegen,    (v.  Quast,  Denkm.  Hft.  l  Bl.  5  f.) 


im  norddeutschen  Tieflande.  •  607 

lenberg  a.  d.  Elster.  Hallenkirche,  deren  drei  Schiffe,  von  gleicher 
Länge,  jedes  dreiseitig  schlieasen.  Schlicht  achteckige  Pfeiler  mit  einfachen 
bandartigen  Kämpfern  durch  breitleibige  Spitzbögen  verbunden ;  Netz- 
gewölbe. Die  schlanken  Fenster  im  Innern  je  zwischen  zwei  Blenden. 
XIV.  Jahrhundert. 

Jiterb^g.  Die  Nicolaikirche  inHallenform  mit  Chorumgang  der  Sei- 
tenschiffe. Rohe  achteckige  Pfeiler;  aus  denen  die  Gliederungen  der  Scheid- 
bögen und  die  Rippen  der  einfachen  Kreuzgewölbe  wie  aus  einer  UmhtU- 
sung  aufsteigen.  Der  älteste  Theil  ist  das  Langhaus ,  mit  Ausnahme  des 
westlichsten  Joches,  der  beiden,  innerlich  auf  schlichten  Pfeilern  ruhenden 
quadratischen  Qranitthürme  und  des  eine  Vorhalle  bildenden  Zwischenhau- 
ses mit  schönem  Sandsteinportal  (oben  S.  486  Fig.  218)  und  decorirtem 
Ziegelgiebel.  Die  Seitenschiffe  endeten  ursprünglich  geradlinig;  das  Chor- 
polygon nebst  Umgang  und  der  kreuzarmartige  zweigeschossige  Vorbau 
(die  jetzige  Sacristei)  auf  der  Nordseite  .sind  Zusätze  von  1475  —  1488. 
Südlich  ist  ein  ähnlicher  Vorbau  (die  alte  Sacristei]  von  1447;  beide  mit 
decorirten  Giebeln.  (P\ittrich,  Denkm.  II.  Serie  Jüterbog.  Bl.  7.)  — 
Die  (Barfüsser)  Mönchenkirche,  ebenfalls  in  Hallenform  und  mit  acht- 
eckigen Pfeilern  ,  aber  mit  einschiffigem  dreiseitig  geschlossenem  Chor  und 
fensterloser  Nordwand;  um  1500.  —  Die  Heil.  Geistkapelle,  •  ein 
oblonger  einschiffiger  Granitbau  (jetzt  Schuppen)  mit  blenden  -  geschmück- 
tem-Spitzgiebel.  (A.  a.  O.  auf  Bl.  3  5.)  —  Das  Klostergebäude  bei  der 
Dammkirche  (ebd.  Bl.  5),  der  Polygonschluss  der  letzteren  und  der 
Abtshof  aus  dem  XV.  Jahrh. 

Ken  bei  Barth.  Die  Kirche,  einschiffig  und  im  halben  Zehneck  ge- 
schlossen.   Zierlicher  Westthurm.   XIV.  Jahrh. 

Kiel.  Die  Klosterkirche  mit  grösstentheils  zerstörtem  Chor,  nie- 
deren Seitenschiffen  und  rechteckigen  Pfeilern ;  letztere  haben  vorn  eine 
rechteckige  Vorlage  und  zu  deren  Seite  zwei  Dienste  mit  Kelchcapitälen. 
Die  Gberlichter  fehlen.  —  Die  Nicolaikirche  von  niedrigen  Verhältnis- 
sen in  Hallenform  mit  einschitfigem  Chor  und  viereckigem  Westthurm. 
Uebereckstehende  Ach teckpi eiler  mit  Gurtträgern  auf  den  Ecken. 

Kienittei  bei  Heilsberg.  Ansehnliche  oblonge  einschifilge  flach  ge- 
deckte Landkirche  aus  dem  XIV.  Jahrh. ,  mit  decorirtem  Ostgiebel  und 
schönem  Giebel thurm  in  Westen :  das  Ganze  mit  dem  Anbau  der  Sacristei 
von  malerischer  Wirkung,    (v.  Quast,  Denkm.  Heft  4  Bl.  24.) 

Königsberg  i.  d.N.  Die  (Augustiner)  Klosterkirche  aus  dem  XIV. 
Jahrh.  —  Die  1407  geweihte  Marienkirche,  in  Hallenform  mit  schlan- 
ken Pfeilern ,  Beispiel  der  reichsten  Anwendung  des  buntfarbigen  Ziegel- 
ornaments auf  durchbrochene  Flächen.  An  der  südlichen  Langseite  eine 
kellerartige  oblonge  Kapelle.    Thurm  von  1855. 

KoDigsberg  i.  Pr.  Der  Dom  ,  *)  gegründet  1333.  mit  der  in  Preussen 
seltenen  Anlage  zweier  Westthürme ;  dem  dreischiffigen  Langhause  schliesst 
sich  der  fast  gleich  lange  einschiffige  C-hor  an.  Die  achteckigen  Arkaden- 
pfeiler sind  nur  an  den  schrägen  Seiten  gegliedert ;  die  Gurte  der  Stern- 
gewölbe ruhen  auf  Diensten,  welche  nicht  bis  zum  Fussboden  hinabreichen. 


I)  Oebser,  A.  R.,  u.  Hagen,  £.  A.,  der  Dom  zu  Königsborg  i.  Pr.   1^35. 

39* 


608  GothUche  Kirchen 

MrakM.')  Der  Dom,^)  ein  verzopfter  Quaderbau  (geweiht  1359)  mit 
niederen  Seitenschiffen,  die  sich  jenseits  des  etwa  in  der  Mitte  der  Qe- 
sammtlänge  angeordneten,  kaum  ausladenden  und  schiefen  Querschiffes 
fortsetzen  und  einen  Umgang  um  den  gerade  geschlossenen  Chor  bilden. 
Die  rings  bunt  gegliederten  Pfeiler  von  oblongem  Kern  sind  an  der  Vorder- 
seite mit  einem  Dienstbündel ,  an  der  Rückseite  mit  einem  strebepfeiler- 
artigen Ansatz  versehen.  Die  Fenster  des  Obergadens  setzen  sich  als  Blen- 
den bis  auf  den  Arkadensims  fort  und  stehen  zwischen  zwei  schlanken  mit 
Stab-  und  Maasswerk  decorirten  niedrigeren  Blendfenstern  in  pyramidaler 
Oruppirung.  Unter  den  vielen  Anbauten ,  mit  denen  der  Dom  besetzt  ist, 
zeichnen  sich  aus  :  die  KOnigskapelle,  quadratisch  mit  umlaufender  Empore 
und  Strahlengewölbe,  östlich,  und  die  heil.  Kreuzkapelle ^)  von  1471, 
westlich  belegen.  —  Ziegelbauten  mit  Hausteindetails :  Die  Dominicaner- 
kirche ^)  war  eine  basilikale  Anlage  mit  sehr  langem  einschiffigem,  gerade 
geschlossenem  Chor  und  datirte ,  abgesehen  von  geringen  Resten  aus  der 
Zeit  um  1223,  aus  dem  XV  — XVI.  Jahrh.  Nach  einem  Brande  von  1850 
und  der  darauf  erfolgten  Herstellung  stürzte  der  Bau  1855  zusammen.  — 
Die  Corpus-Christi-  und  die  Katharinenkirche  schliessen  sich  in 
der  basilikalen  Anlage  und  insofern  dem  System  des  Domes  an,  als  die 
Pfeiler  ebenfalls  an  der  Rückseite  mit  einer  strebepfeilerartigen  Verstärkung 
versehen  sind.  —  Die  Marienkirche  (XIV.  u.  XV.  Jahrb.,  aber  ver- 
zopft) besteht  aus  dem  basilikalen  Langhause  (mit  Pfeilern  nach  dem  System 
des  Doms  und  mit  Kapellen  zwischen  den  Strebepfeilern)  und  dem  langen 
einschiffigen,  mit  Sterngewölben  gedeckten  und  dreiseitig  geschlossenen 
Chor.  Von  den  beiden  oben  achteckigen  Westthürmen  ist  der  nördliche 
nach  altem  Muster  mit  einem  schlanken,  von  acht  vorgekragten  Spitzthürm- 
chen  umkränzten  Helm  neu  versehen ,  der  südliche  mit  einer  Zwiebel  ge- 
krönt. (Essen wein,  im  Organ  a.a.  O.  Taf.  1  Fig.  2  u.  Taf.  2  Fig.  1.)  — 
Die  kleine  spätgoth.  Kirche  zum  heil.  Kreuz  mit  einem  Thurm  an  der 
Westseite  des  quadratischen  Schiffes ,  dessen  Sterngewölbe  von  einem  run- 
den Mittelpfeiler  getragen  wird,  und  dem  sich  östlich  ein  rechteckiger  Chor 
anschliesst.   (Ebd.  Taf.  2  Fig.  4.) 

Mreizbirg  (Kr.  Preuss.  Eylau) .  Einschiffige  rechteckige  Kreuzkirche 
mit  künstlichem  Holzgewölbe,  decorirtem  Ostgiebel.  Der  Thurm  vor  der 
Westfront  ist  oben  achteckig. 

Lalkai  bei  Czerwinsk.  Flach  gedeckte,  1409  geweihte  Landkirche  ^) 
aus  quadratischem  Westthurm,   rechteckigem  Langhaus  und  gerade  schlies- 


1)  Essenwein,  A.,  Aus  Krakau,  im  Organ  fOr  christl.  Kunst.  1858.  No.  1  f. 
u.  2  Taf.  —  Derselbe,  die  mittelalterl.  Kunstdenkmale  der  Stadt  Krakau.  (Selbst- 
verlag des  Verf.)  1866.—  Wurzbach,  Const.,  die  Kirchen  der  Stadt  Krakau.  1853. 

2)  Essen  wein,  die  Dorakirche  zu  Krakau,  in  den  Mittheil,  der  k.k.  Central- 
Commission  etc.  (1865)  10,  57—90  u.  2  Taf. 

3)  Lepkowski,  Jos.  v.,  die  Heiligengeist-  u.  heil.  Kreuz  -  Capelle  der  Kra- 
kauer Domkirche,  ebd.  (1860)  5,  294— -300. 

4)  Sehen  kl,  die  Dreifaltigkeitsk.  der  Dominicaner  in  Krakau,  ebd.  (1857)  2, 
17—21. 

5)  Bergau,  R.,  die  Kirche  zu  Lalkau,  inderDanzigerZtg.  1864  No.  2682  u.  84. 


im  norddeutecben  Tieflande.  609 

Sendern  Chor  mit  Fialen  -  geschmücktem  Ostgiebel  bestehend,  nach  dem 
Brande  von  1862  wiederhergestellt. 

LMeiblTg  in  Pommern.  Die  Jacobikirche  mit  drei  Schiffen  von  glei- 
cher Höhe ;  das  Innere  in  wüster  Weise  entstellt ;  am  Aeussem  fällt  über 
den  Seitenfenstem  eine  Reihe  spitzbogiger  Fensterblenden  mit  kleineren 
Oeffnungen  innerhalb  derselben  auf. 

Leuei  unweit  Perleberg.  Die  in  Folge  vieler  Brände  ganz  entstellte 
Katharinenkirche  in  der  Grundform  des  Kreuzes.  Dasljanghaus  mit  kreuz- 
förmigen Pfeilern  ist  älter  als  der  im  halben  Achteck  geschlossene  einschif- 
fige spätgoth.  Chor.   (Adler  II,  17  f.) 

Liegiitl.  Die  Marienkirche  (nach  einem  Brande  von  1822  wesent- 
lich erneuert)  und  die  Petri-Paulikirche  (1313 — 1386)  sind  namhafte 
Gebäude ;  letztere  mit  schOnem  Radfenster  im  Zwischenbau  der  beiden 
Westthürme . 

LMhstailt  bei  Pillau.  Rechteckige  Schlosskapelle,  doch  ist  im  Innern 
ein  polygoner  Schluss  durch  die  Gewölbebildung  angedeutet.  Reiches  Portal. 

L«ekai  bei  Seeburg.  Ansehnliche  rechteckige  Landkirche  (begonnen 
1402)  mit  decorirten  Giebeln,  einigen  malerischen  Anbauten  und  Holz- 
thurm  in  Westen,    (v.  Quast,  Denkm.  Heft  4.  Bl.  23  Fig.  8  — 12.) 

Loweiberg  in  Schlesien.  Die  kathol.  Pfarrkirche,  aus  dem  XV.  Jahrb., 
deren  drei  gleich  hohe  Schiffe  östlich  jedes  für  sich  polygonisch  endeten, 
mit  schlanken  Arkaden  und  zwei  kleineren  Westthürmen ,  ist  aus  völlig 
barbarisirtem  Zustande  neuerlich  hergestellt. 

Lübeck.')  Die  Aegidienkirche,  dreischiffiger  Hallenbau.  Das  Mit- 
telschiff schliesst  dreiseitig,  die  Seitenschiffe  gerade.  Viereckige  Pfeiler  mit 
rechteckigen  Vorlagen .  Hoher  Thurm  über  der  Westseite .  (Schlössern. 
Tischbein  Taf.  16.)  —  Ruine  der  1502—1510  erbauten  Clarissenkirche 
St.  Anna,  eines  thurmlosen  Hallenbaues  mit  dreiseitig  geschlossenem 
einschiffigem  Chor  und  achteckigen  Pfeilern.  Kreuzgang  und  Refectorium 
mit  Hausteindetails.  (Milde,  ABC.)  —  Der  dreiseitig  geschlossene  Chor 
des  Dom  es  ^  mit  Umgang  und  Kapellenkranz;  vergl.  oben  S.  459.  — 
Ueberreste  der  Dominicanerkirche.  Der  Kreuzgang,  an  den  westlich 
ein  zweischiffiger  Saal  mit  achteckigen  Pfeilern  stOsst.  nördlich  das  ebenfalls 
zweischiffige  Refectorium  mit  Säulen  und  Pfeilern  im  Uebergangsstil.  — 
Die  Jacobikirche,  deren  gleich  hohe  Schiffe  von  viereckigen,  an  den 
abgekanteten  Ecken  mit  Runddiensten  besetzten  Pfeilern  getrennt  werden 
und  jedes  polygonisch  schliessen.  Thurm  über  der  Westseite.  (Schlös- 
ser und  Tischbein  Taf.  15  u.  19.)  —  Die  (Franciscaner)  Katharinen- 
kirche von  1335,  mit  schmalen  niedrigen  Seitenschiffen,  die  sich  jenseits 
des  (durch  mit  vier  Diensten  besetzte  Rundpfeiler  in  zwei  Schiffe  getheil- 
ten)  nicht  ausladenden  Querhauses  fortsetzen  und  neben  dem  dreiseitig  ge- 
schlossenen Chor  schräg  hinaustretend  polygonisch  enden.    Die  Pfeiler  der 


1)  Schlösser,  H.,  u.  Tischbein,  A.,  Denkmale  altdeutscher  Baukunst  in 
Iiübeck.  3  Hfte.  (isao.)  -  Deecke,  L.  H.  E.,  die  freie  und  Hansestadt  Lübeck. 
Mit  Abbild.  2.  Aufl.   I^H.  —  Milde,  C.  J.,  Lübecker  ABC.   1856. 

T,  (Heller,  L.,}  die  MerkwOrdigkeiten  der  Domkirche  in  Lübeck.  Neue  Aufl. 
]8t5. 


ß  \  i)  GothUühe  Kirchen 

Langschiife  sind  achteckig,  und  der  Chor  besteht  innerlich  aus  zwei  Stock- 
werken ,  deren  Zwischenwölbung  von  zwei  Reihen  romanisirender  S&ulen 
getragen  wird.  Das  Aeussere  zeigt  schwere  Strebebögen.  Die  anstossen- 
den  ausgedehnten  Klostergebäude  sind  für  Schulzwecke  umgebaut.  (A.  a.  O. 
Tat'.  1 2  f.)  —  Die  grpssartige  MarienkircbeM»  begonnen  nach  einem 
Brande  von  1276,  in  der  Grundform  des  Kreuzes  mit  zwei  hohen  viereckigen 
Westthürmen  und  einem  Dachreiter  über  dem  Chor ,  mit  niedrigen  Seiten- 
schiöen,  welche  sich  durch  das  zweischifiige  Querhaus  fortsetzen  und  einen 
Umgang  mit  drei  vortretenden  Kapellen  um  den  im  halben  Achteck  geschlos- 
senen Chor  bilden.  Das  Hauptschiff  ist  noch  einmal  so  hoch  als  die  Abseiten, 
und  die  einfachen  Kreuzgewölbe  desselben  werden  durch  schlichte  Strebe- 
bögen,  welche  sich  von  den  ebenso  einfachen  Strebepfeilern  hinüberlegen, 
in  der  Spannung  erhalten.  Die  Arkadenpfeiler  von  viereckigem  Kern  sind 
an  den  beiden  Stirnseiten  mit  drei  Halbsäulen  als  Gurtträgern  versehen, 
für  die  Arkaden  dagegen  mit  einer  schlichten  Pilaster vorläge,  die  sich  band- 
artig unmittelbar  um  den  Bogen  herumzieht ,  während  die  Halbsäulen  mit 
Blättercapitälen  geschmückt  sind.  Die  Fenster ,  durch  zwei  senkrechte 
Pfosten  dreigctheilt,  erscheinen  im  Langhause  in  drei  Reihen  über  einander, 
indem  zwischen  den  Strebepfeilern  noch  niedrige  (Begräbniss-)  Kapellen 
eingebaut  sind.  Unter  den  verschiedenen  Anbauten  an  diese  Kirche  zeich- 
net sich  aus  die  1310  erbaute  Briefkapelle,  deren  hohes  SterngewöJbe 
von  zwei  schlanken  achteckigen  Granitsäulen  getragen  wird.  (A.  a.  O. 
Taf.  1  —  4.  12.  19  u.  22.)  —  Die  Petrikirche,  ein  aus  fünf  polygonisch 
schliessenden  Schiffen  bestehender  Hallenbau  aus  dem  XIY.  u.  XV.  Jahrh. 
mit  Thurm  über  der  Westseite.  Die  übereck  stehenden  Achteckpfeiler  mit 
Kckdiensten  und  Laubcapitälen .  (A.  a.  O.  Taf.  14  u.  21.)  —  Die  als  Ka- 
pelle dienende  Vorhalle  des  Heil.  Geist-Hospitals,  durch  einen  Lett- 
nerbau von  dem  Krankensaale  geschieden ,  an  der  symmetrisch  getheilten 
Front  mit  drei  Portalen  und  schlanken  achteckigen  Thürmchen.  (Verdi er 
et  Cattois,  Architecture  civile  2,  149;  vergl.  oben  S.  94  Fig.  3S.)  — 
Vergl.  Lotz  1,  390  ff. 

Lickai.  Die  Stadtkirche  mit  zwei  massiven  viereckigen  Thürmen  und 
wagerecht  abschliessendem  Zwischenbau ,  hinter  dem  sich  ein  sehr  hoher 
Giebel  erhebt,  wohl  nach  dem  Brande  von  1890.  (Puttrich.  Denkm.  U. 
Serie  Lausitz.  Bl.  10.) 

LlDekirg,^)  Die  Johanniskirche  aus  dem  XIV.  Jahrb.,  mit  Spu- 
ren eines  älteren  Baues.  Fünf,  sämmtlich  polygonisch  geschlossene  Schiffe 
unter  einem  Dach  und  Kapellen ,  die  zwischen  den  Strebepfeilern  heraus- 
gebaut sind.  Im  Hauptschiffe  Rundpfeiler  mit  vier  nicht  bis  zum  Fuss- 
boden  reichenden  Gurtträgern,  zwischen  den  Seitenschiffen  gegliederte  recht- 
eckige Pfeiler.  Einfache  Kreuzgewölbe,  in  den  äusseren  Seitenschiffen  mit 
einer  fünften,  zwischen  dem  Fensterpaar  des  betreffenden  Joches  ausgekrag- 
ten Rippe.   Der  kräftige  Westthurm  ruht  innen  aiif  zwei  Pfeilern .    (Essen- 


1)  Die  Merkwürdigkeiten  der  Marienkirche  zu  Lübeck.   IS*23. 

2)  Die  Altcrth.  der  Stadt  Lüneburg  u.  des  Kl.  Lüne,  herausgegeb.  vom  Alter- 
thumsverein  in  Lüneburg.  Lief,  l — 4.  1852— 1S5S.  —  (Bode,)  Lüneburg»  Kirchen, 
in  der  N.  Hannov.  Ztg.  1S«0,  No.  123  ff. 


im  norddeutschen  Tieflande.  g  1| 

wein,  Backsteinbau  Tat".  10  Fig.  4,  Taf.  30  Fig.  9.)  —  Die  Lambert i- 
kirche  mit  drei  gleich  hohen,  polygonisch  schliessenden  Schiffen,  drei 
Paar  viereckigen  und  drei  Paar  achteckigen  Pfeilern.  —  Die  Michaelis* 
kirche*)  1313 — 1418,  mit  drei  gleich  hohen,  ursprünglich  mit  besonde- 
ren Dächern  versehenen,  polygonisch  schliessenden  Schiffen.  Dicke  Hund- 
pfeiler  mit  vier  dünnen  Diensten.  Fünfrippige  Gewölbe  über  den,  wie  in 
der  Johanniskirche  mit  je  zwei  Fenstern  versehenen  Jochen  der  Seiten- 
schiffe. (Alterth.  der  Stadt  Lüneburg  etc.  Lief.  2  Bl.  3.)  —  Die  1406  be- 
gonnene Nicolaikirche  mit  niederen  Seitenschiffen  und  im  halben  Sechs- 
eck geschlossenem  Chor ,  dessen  Umgang  von  fünf  polygonischen  Kapellen 
umkränzt  wird.  Achteckige  Pfeiler  mit  concaven  Seiten  und  je  drei  Stäb- 
chen auf  den  Ecken.  Sterngewölbe.  Kapellen  zwischen  den  Strebepfeilern. 
Keine  Strebebögen.  —  Vergl.  Lotz  1,  406  ff. 

larieibwg.^  Die  Schlosskirche  St.  Maria,  im  Nordflügel  des 
Hochschlosses  belegen,  einschiffig  mit  vier  quadratischen  Doppeljochen, 
dreiseitigem  Schluss  und  einfachen  Sterngewölben ,  die  von  polygonen 
Wandpfeilern  getragen  werden.  Letztere  enden  als  Baldachine  über  auf 
Consokn  stehenden  Heiligenstatuen.  Die  bis  zu  diesen  Consolen  hinab- 
reichenden Fenster  haben  Maasswerkfüllungen  aus  Stuck.  Die  Umfassungs- 
mauern sind  bis  zu  den  Fensterbänken  mit  Spitzbogenblendcn  decorirt  und 
gehören  in  den  beiden  westlichsten  Jochen  noch  dem  ältesten  Schlossbau 
von  12S0  an;  das  übrige  datirt  von  einem  1335 — 1341  erfolgten  vollstän- 
digen Umbau,  bei  welcher  Oelegenheit  auch  unter  dem  damals  neu  ent- 
standenen Osttheile  im  Erdgeschosse  die  Annakapelle  als  Hochmeister- 
gruft eiiigerichtet  wurde.  Von  ausgezeichneter  Pracht  fst  die  goldene 
Pforte  (Essenwein,  Backsteinbau.  Taf.  18),  der  am  westlichen  Ende  der 
Südwand  neben  dem  hohen  Schlossthurme  belegene  Eingang  zur  Kirche. 
Am  Westende  derselben  ist  eine  Empore  mit  dem  vorspringenden  auf  zwei 
schlanken  Säulen  ruhenden  Hochmeisterstuhle  eingebaut.  —  Die  Stadt- 
kirche  St.  Johannis  ist  ein  dreischifiiger  spätgoth.  Hallenbau  mit  acht- 
eckigen Pfeilern,  Netzgewölben  und  gerade  schliessendem  Chor. 

larieitknr  in  der  Ukermark.  Frühgoth.  Klosterkirche  mit  geradem 
Schluss,  dessen  Fenster  bis  in  den  Giebel  hinaufreichen;  Mitte  des  XIU. 
Jahrhunderts. 

Harieiwenler.    Der  Dom  ^)  mit  niedrigeren  Seitenschiffen ;   doch  statt 


])Gebhardi,L.  A.,  Kurse  Gesch.  des  Klosters  St.  Mich,  in  Lüneburg. 

2)  Frlck,  £.,  das  Schloss  Marienburg  inPreussen,  dargestellt  in  19  Tafeln. 
1799 — 1803,  nebst:  Histör.  u.  architekton. Erläuterungen  der  Prospecte  etc.  1S()2.  — 
Bflsching,  J.  Gust.  Gli.,  das  Schloss  der  deutschen  Ritter  zu  Marienburg.  1823. 
^  Eichendorff,  Jos.t.»  die  Wiederherstellung  des  Schlosses  zu  Marienburg.  1844. 
—  Voigt,  J.,  Sendschreiben  an  Herrn  ▼.  Quast  über  die  Zeit  des  Aufbaues  des 
Mittelschlosses  zu  Marienburg,  in  den  N.  Preuss.  Provinzialbl.  9,  97  — 106.  — 
Quast,  Perd.  v.,  Marienburg,  ebd.  11  in  Heft  1  —  3.  — Witt,  A.,  Marienburg  in 
dem  ehemal.  u.  gegenwftrt.  Zustande.  1854.  —  Illustrirte  Ztg.  (1854)  Bd.  21  No.  593 
S.  316,  mit  Unterbrechungen  fortgesetzt  in  Bd.  22  —  25u.  27.  —  Rosenheyn, 
Max,  die  Marienburg.  IS^S.  —  Vergl.  t.  Wiebeking,  Baukunde.  Taf.  73  u.  76.  — 
Knllenbach,  Atlas.  Taf.  13—15.  —  Förster,  Denkm.  6,  5-— 14  u.  5  Taf. 

3)  Berg  au,  R.,  Schloss  u.  Dom  zu  Marienwerder.  1865.  AusFoss,  Zeit- 
schr.  für  preuss.  Gesell,  u.  I^ndeskunde.  1865  Heft  10.)  Vergl.  Danziger  Ztg.  1863. 
No.  2185  u.  87  ;  Organ  für  christl.  Kunst.   1864.  No.  9. 


6 !  2  Gothische  Kirchen 

der  Oberlichter  nur  Blenden  mit  kleinen  Stich bogenöffnangen  und  unter 
einem  Dach.  Begonnen  wurde  der  Bau  nach  1343  mit  dem,  17  F.  über 
der  zu  ebener  Erde  belegenen  Bischofsgruft  ^)  errichteten,  einschiffigen  im 
halben  Achteck  geschlossenen  Chor.  Das  jüngere  (trapezförmige)  colossale 
Langhaus  hat  starke  achteckige  an  den  Ecken  gegliederte  Pfeiler  und  wie 
die  ganze  (in  Folge  von  Kriegsschäden  um  1500  hergestellte)  Kirche  Stern- 
ge wölbe.  Die  südliche  spätestgoth.  von  15S6  datirende  Hausteinvorhalle 
hat  bei  der  1862 — 64  ausgeführten  Restauration  des  Domes  eine  neue  Krö- 
nung erhalten.    Der  südwestlich  belegene  Thurm  gehört  zum  Schlossbau. 

Hdwitz  bei  Brieg.  Weiträumige  Dorfkirche,  im  Schiff  mit  spätgoth. 
bemalter  Holzdecke ;  der  Chor  besteht  aus  zwei  quadratischen  Kreuzgew^öl- 
ben  eines  noch  strengen  Stils.    Restaurirt. 

■iiickeberg  bei  Fürsten walde.  Die  Kirche^),  vergrösserter  spätgoth. 
Umbau  eines  älteren  Oranitbaues ,  besteht  aus  dem  durch  zwei  Achteck- 
})feiler  in  eine  zweischiffige  Halle  verwandelten  Langhause  und  dem  schief 
angesetzten  ,  ebenso  langen ,  aber  schmäleren  siebenseitig  geschlossenen 
Chor.  Sterngewölbe.  Der  Thurm  sammt  der  ihn  mit  der  Kirche  verbin- 
denden sonderbaren  Brücke  von  1826.    (Adler,  Bauwerke.  IL  BL  75.) 

Naigardt  in  Pommern.  Spätgoth.  Kirche  mit  niederen  Seitenschiffen  und 
Westthurm. 

Neiase.  Die  e  van  gel.  Kirche  aus  dem  XIV.  Jahrh.  und  zopfig.  — 
Die  kathol.  Kirche  St.  Jacobi,  eine  bedeutende  spätgoth.  hallenförmige 
Anlage.    Der  isolirte  Sandsteinthurm  von  1424.  —  Lotz  1,  464. 

Neu-Braailenbirg  im  Lande  Stargard.  Die  1299  geweihte  Kloster- 
kirche. —  Die  etwas  jüngere  Marienkirche,  mit  elegant  verziertem 
Giebel  über  der  Östlichen  Schlusswand. 

Neaeabarg  bei  Marienwerder.  Die  Klosterkirche  aus  dem  XIV. 
Jahrh.  mit  einer  durch  das  abfallende  Terrain  bedingten  Gruftkapelle  unter 
dem  Chore.  —  Die  kathol.  Pfarrkirche,  XIV.  Jahrh. 

Neaeadarf  bei  Gardelegen.  Die  frühgoth.  Kirche  des  1228  gestifteten 
Cisterziensernonnenklosters ,  einfach  rechteckig  mit  Holzdecke  und  einer 
westlichen  Empore  über  einer  zweischifHgen,  von  fünf  kurzen  Rundpfeilern 
getragenen  Halle.  Die  drei  östlichen  Fenster  reichen  bis  in  den  Giebel 
hinauf.    (Adler  I,  53  f.  u.  Bl.  31.) 

Kea-Rappia.  Die  (Dominicaner)  Klosterkirche,  in  dreischiffiger 
Hallenform  mit  langem  einschiffigem  siebenseitig  geschlossenem  Chor.  Mit 
Ausnahme  eines  älteren  Theils  der  südl.  Chorwand  (oben  S.  46t)  ein  bei 
aller  Einfachheit  vollendet  edelgoth.  Gebäude.  Die  mit  vier  Halbsäulen 
besetzten  Rundpfeiler  tragen  fiache  karniesförmige  Capitäle,  die  am  Pfeiler- 
kerne schlicht,  an  den  Diensten  mit  romanisirenden  Blättern  geschmückt 
sind.  Die  Hauptgurte  sind  im  halben  Achteck  ,  die  Kreuzgurte  birnförmig 
profilirt.  Die  zweitheiligen  Fenster  haben  einen  Vierpass  im  Bogenfelde. 
(Adler  II.  Bl.  74.)  —  Die  Siechenhauskapelle  von  1490,  einschiffig 
mit  dreiseitigem  Schluss.  Die  Gurtträger  der  Netzgewölbe  sind  gewundene 
Säulchen,  zum  Theil  mit  Zwischencapitälen.    (A.  a.  O.  Bl.  75.) 

1)  Bergau,  R.,  die  Dorotheenkap.  im  Dom  zu  Marien werder,  im  Kathol.  Kir- 
chenbl.  für  Culm  u.  Ermland.   1865.  No.  11. 

2)  Vergl.  oben  S.  454  Note  2. 


im  norddeutschen  Tieflande.  613 

Newtadt  a.  d.  Ostsee.  Edelgotb.  Kirche  mit  niederen  Seitenschiffen, 
aber  unter  einem  Dache.  Die  mit  vielen  Abstufungen  gegliederten  Pfeiler 
sind  an  beiden  Fronten  mit  Bündeldiensten  besetzt.  Der  sebr  niedrige 
gerade  geschlossene  Chor  zeigt  noch  einen  Rundbogenfries.  Niedriger 
Thurm  vor  der  Westseite.    Lotz  1,  469. 

Reistadt  -  ElienwaMe.  Die  Pfarrkirche,  frühgothisch  mit  roman. 
Reminiscenzen ;  nach  Hertens  (Tafeln)  1333,  mit  Veränderungen  nach 
einem  Brande  von  1499.  Vier  Paar  Pfeiler.  —  Die  kleine  Georgen  (Hospi- 
tal-) Kapelle  vor  dem  Unterthor,  einschiffig  mit  zwei  Jochen  und  schief 
dreiseitigem  Schluss.  Die  bimförmigen  Gewölbegurte  ruhen  auf  Spitzcon- 
solen.  Unter  den  Kleebogenfenstern  ein  c.  2  F.  breiter  aus  Vierpässen 
zusammengesetzter  Fries;  der  untere  Theil  der  Wände  mit  Rund-  und 
Stichbogenblenden.  An  der  Westseite  ein  schmaler  rechteckiger  Vorbau, 
über  dem  sich  ein  vierstöckiger ,  mit  oblongen  Blenden  decorirter  und  mit 
Pyramidendach  gedeckter  Thurm  erhebt.    (Adler  11.  Bl.  80.) 

Neiteick  in  Preussen.    Kirche  mit  niederen  Seitenschiffen. 

tlifa.  Der  Chor  der  Klosterkirche  (S.  461)  mit  dem  Umgange  und 
andern  Veränderungen  nach  einem  Brande  von  1350;  die  Gewölbe  des 
Quer-  und  Mittelschiffes  erst  1582.  Das  Gewölbe  des  von  zwei  achteckigen 
Granitpfeilem  getragenen  Capitelsaals  ist  1866  eingestürzt. 

tsterbirg.  Das  alte  Langhaus  der  Nicolaikirche  (S.  461)  wurde  gegen 
Ende  des  XIV.  zur  Hallenform  umgebaut  und  erst  gegen  Ende  des  folgen- 
den Jahrh.  scheint  der  merkwürdig  unregelmässige,  flach  dreiseitig  geschlos- 
sene Chor  entstanden  zu  sein,  dessen  Seitenschiffe  in  zwei  diagonal  gestell- 
ten Polygonschlüssen  enden. 

Parstein  (auf  der  Ziegeninsel  im  Mariensee)  im  Lande  Barnim.  Geringe 
Ueberreste  eines  dreischifiigen  Gewölbebaues :  Strebepfeiler  und  romanisches 
Detail.    Um  1233. 

Pasewalk  in  Pommern.  Die  Marienkirche  (1306),  deren  gleich  hohe 
Schiffe  jedes  für  sich  polygonisch  schliessen ,  so  dass  die  Nischen  der  Ab- 
seiten über  die  Seitenwände  hinaustreten :  die  Arkadenpfeiler  von  acht- 
eckiger Grundform  mit  gedoppelten  Halbsäulchen  auf  den  Ecken  und  Drei- 
viertelsäulchen  an  den  Hauptseiten ;  die  Gurtträger  im  Chor  in  gewisser 
Höhe  durch  einen  Ring  umfasst;  die  Details  in  edler,  klarer  Bildung; 
Ueberwölbung  modern.  Restaurirt.  (Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  704  ff.  Fig.  76 
—  84.) 

Pelplil  bei  Danzig.  Die  Cisterzienserkircbe  (Dom)  mit  niederen  Sei- 
tenschiffen ,  kurzen  Oberlichtem  und  dreischiffigem  gerade  schliessendem 
Chor ,  in  der  Mitte  der  Gesammtlänge  von  einem  zweischiffigen  Querhause 
durchschnitten,  geweiht  1472.  Achteckige  Pfeiler,  zur  Hälfte  ihrer  Stärke 
als  Gurtträger  der  Sterngewölbe  aufsteigend.  Decorirte  Giebel.  Kreuzgang, 
Refectorium  undCapitelsaal. —  Lotz  1,  498. —  Die  kleine  Pfarrkirche 
1418. 

Perleberg.  Die  Jacob ikirche  mit  einschiffigem,  im  halben  Zehneck 
schliessendem,  1361  begonnenem  Chor,  hallenförmigem ,  höchst  unregel- 
mässigem spätgoth .  Langhause  mit  rohen  Rundpfeilem  ,  zwei  reichen  Por- 
talen aus  glasirtcn  Omamentziegeln  an  der  Südseite  und  altem  (oben  mo- 


6 1 4  Gothisehe  Kirchen 

dern  gothischem)  Rechteckthurme  in  Westen.  Restaurirt.  [Adler  IT,  12 
u.  Taf.  53  f.) 

Nastwich  (Kr.  Braunsberg) .  Ansehnliche  einschiffige  flach  gedeckte 
Landkirche,  mit  schmälerem,  gerade  geschlossenem  und  Qberwölbtem  Chor. 
Der  stattliche  Thurm  mit  hohen  Blenden  und  an  den  beiden  Giebeln  mit 
Spitzpfeilern  geschmückt,   (v.  Quast,  Denkm.  Heft  4.  Bl.  23.) 

Phie  a.  d.  Havel.  Spätgothisch  ausgebaute  zweischifligc  Hallenkirche 
mit  achteckigen  Pfeilern  und  schmälerem  einschifiigem .  gerade  schliessen- 
dem  Chor.    (Adler  II.  Bl.  75.) 

PMeii.  Die  Marienkirche ,  ein  Chorbau  mit  drei  gleich  hohen  Schiffen 
und  theils  acht-,  theils  sechseckigen,  an  den  Ecken  gegliederten  Pfeilern. 

Praast  Dreischiflfige  Dorikirche  ^)  mit  niederen  Abseiten,  rechteckigen 
abgekanteten  Pfeilern,  Oberlichtern,  einschiffigem  rechteckigem  Chor  und 
niedrigem  Westthurm.  Sterngewölbe.  Eine  Vorhalle  südlich  am  Schiff, 
die  Sacristei  nördlich  am  Chor.    Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts. 

Prenilaa.  Die  Marienkirche,  deren  drei  gleich  hoho  und  gleich 
lange  Schiffe,  von  reichgegliederten  Viereckpfeilern  getrennt,  östlich  in 
flachen  Polygonabschnitten  schliessen.  Zwischen  den  Strebepfeilern  des 
Schlusses  ist  durch  Verbindungsbögen  eine  gerade  Flucht  hergestellt  als 
Grundlage  des  in  höchst  kühner  und  vollendeter  Anwendung  des  durch- 
brochenen Ziegelmaass Werkes  reich  geschmückten  Ostgiebels.  Zwei  West- 
thürme.  (Kallenbach,  Atlas.  Taf.  58.  59  u.  61.  —  Essen  wein.  Back- 
steinbau, auf  Taf.  2.  6.  15.  16  u.  24.  —  Vergl.  oben  S.  589  Fig.  232.) 
Die  Schwarze  Klosterkirche,  geweiht  1343.  (Detail  bei  v.  Minutoli, 
Dom  zu  Drontheim.  Taf.  10  Fig.  56.) 

Preassisch  -  Eyka.  Rechteckige  einschifl[ige  Kirche  mit  decorirtem  Ost- 
giebel und  viereckigem  Westthurm. 

Preassisch - Stargard.  Dreischiflige  thurmlose  Kirche^  mit  niederen 
Seilenschiffen,  Oberlichtern,  abgekantet  rechteckigen  Pfeilern  und  einschif- 
figem gerade  schliessendem  Chor.  Nur  die  Seitenschiffe  haben  Sterngewölbe, 
das  Uebrige  Holzdecken.  Sehr  eleganter  Westgiebel.  Strebebögen  unter 
den  Seitenschiffdächem.  (Strehlke ,  in  den  N.  Preuss.  Prov.-Bl.  3.  Folge. 
3,  329.) 

Pritswalk  in  der  Priegnitz.  Die  Kirche,  welche  ihre  noch  jetzige  Ge- 
staltung im  Wesentlichen  durch  einen  Restaurationsbau  von  1501  erhielt, 
ist  ein  dreischiffiger  Hallenbau  mit  Chorumgang,  verbunden  mit  drei  zwei- 
stöckigen Seitenkapellen  ,  deren  Oberetagen  sich  emporenartig  nach  innen 
Öffnen.  Die  Sterngewölbc  ruhen  auf  glatten  basenlosen  Rundpfeilem.  Der 
oblonge  Westthurm  und  Theile  der  Nordmauer  aus  Granitquadern  scheinen 
aus  dem  XIII.  Jahrb.  herzurühren,  der  Chor  in  Mauern  und  die  nördlich 
an  demselben  belegene  Doppelkapelle  von  1451  ;  alles  Uebrige  spftter. 
(Adler  IL  16.) 


1)  Gebauer,  die  Kirche  in  Praust  bei  Danxig,  in  den  N.  PreuM.  Prov.-Bl. 
(1855)  2.Folge.  7,  139—143.  —  Strehlke,  E.,  die  Kirche  in  Praust,  ebd.  3. Folge. 
3,  324  —  331  nebst  4  Abbild. 

2)  Berg  au,  R.,  die  Kirche  zu  Pr.-Stargard,  im  CorreBpondenK-Bl.  lNt)5.  S.  32  ; 
vergl.  Dansiger  Dampf boot  lSt>5.  No.  43. 


im  norddeutschen  Tieflande.  gl  5 

Fyriti  in  Pommern.  Die  im  XV.  Jahrh.  bedeutend  veränderte  Moritz- 
kirche mit  niedrigen  Seitenschiffen,  achteckigen  Pfeilern  und  dreiseitig 
geschlossenem  (später  mit  Umgang  versehenem)  Chor.  Statt  der  Oberlich-* 
ter  in  den  Schildbogenfeldem  je  fünf  pyramidal  gruppirte  kleine  Spitzbogea- 
blenden.  i'Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  737  Fig.  143  — 14S.)  —  Die  einfache 
Klosterkirche,  einschiffig  mit  einem  edel  gegliederten  Portal  (ebd. 8.139 
Fig.  149). 

RaÜieMW  unweit  Brandenburg.  Die  Pfarrkirche  erscheint  in  ihrem 
Langhause  als  spätgoth.  Umbau  einer  roman.  Basilika,  deren  Ostende  mit 
zwei  Apsiden  am  Schlüsse  der  Seitenschiffe  und  einem  Säulenportal  an  der 
Nordseite  noch  erhalten  ist. .  Aelterer  Zeit  als  der  gedachte  Umbau  (mit 
Kundpfeilern  und  bunt  decorirten  Gewölben)  gehOrt  der  mit  achteckigen 
Pfeilern  ausgestattete  Chor  an ,  um  dessen  dreiseitigen  Schluss  die  gleich 
hohen  Seitenschiffe  einen  siebenseitigen  Umgang  bilden.  Am  Westende 
des  Chores  ist  südlich  die  polygonische  Andreaskapelle  unter  hohem  f*}'ra- 
midendach,  nördlich  die  einschiffige,  gegen  Norden  halbrund  geschlossene 
Marienkapelle  angebaut.  Der  Thurm  vor  der  Westfront  der  Kirche  ist  der 
jüngste  Theil  des  Gebäudes.   (Adler  IL  Bl.  73.) 

Ratib^r.  Die  rechteckige  Schlosskapelle  ^)  im  reinsten  und  edelen  Stil 
mit  schönen  Blättercapitälen  und  reichem  Fenstermaasswerk ;  das  Aeussere 
unbedeutend. 

Rössel  im  Ermlande.  Spätgoth.  rechteckige  Hallenkirche  mit  acht- 
eckigen Pfeilern  und  reichen  Sterngewölben.  Schmale  ungetheilte  Fenster; 
decorirter  Ostgiebel;  viereckiger  Thurm  vor  der  Westseite,  (v.  Quast, 
Denkm.  Heft  2  Bl.  9.) 

Rust^ck.  Unter  den  vier  grossen  Hauptkirchen  der  Stadt  ist  die  wich- 
tigste die  in  der  Anlage  dem  Dom  von  Schwerin  entsprechende  Marien- 
kirche, doch  ist  hier  der  nördliche  Kreuzarm  polygonisch  geschlossen; 
achteckige  Arkadenpfeiler,  nur  die  viereckigen  Chorpfeiler  (Essen wein, 
Backsteinbau.  Taf.  6  Fig.  14)  indess  sind  profilirt;  ebenso  die  Chorfenster, 
während  die  übrigen  undetaillirte  Leibungen  haben ;  im  Mittelschiff  Stern- 
gewölbe. Der  Bau  datirt  mit  Ausnahme  des  westlichen  Thurmes  von  1398 
— 1472.  —  Die  dreischiffige  Petrikirche,  deren  dreiseitig  geschlossenes 
Hauptschiff  sich  nur  unbeträchtlich  über  die  geradlinig  geschlossenen  brei- 
ten Abseiten  erhebt  und  deshalb  nur  kurze  Fenster  hat,  deren  Stabwerk 
jedoch  an  der  Wand  des  Triforiums  nach  unten  fortgesetzt  ist ;  die  schlan- 
ken achteckigen  Arkadenpfeiler  sind  an  den  vier  Hauptseiten  mit  Bündel- 
säulchen  versehen  ;  die  nach  innen  gezogenen  Strebepfeiler  haben  Durch- 
gänge für  die  angebrachten  Wandgalerien.  —  Die  Jacobikirche,  der  vo- 
rigen verwandt ,  aber  reicher  und  zierlicher  in  den  Profilirungen ;  auch  ist 
das  Mittelschiff  geradlinig  und  die  Abseiten  polygonisch  geschlossen.  — 
Die  Nicolaikirche  mit  drei  Schiffen  von  gleicher  Höhe ,  Pfeilern  von 
runder  Grundform  und  niedrigerem,  gerade  geschlossenem  Chor. 

Rigeiwtide  in  Pommern.  Die  Marienkirche  mit  niedrigen  Seiten- 
schiffen, achteckigen  Pfeilern  und  dreiseitig  geschlossenem  Chor  von  der 


1)  Cuno,  Bemerkungen  zu  der  Skizze  (Bl.  13)  der  Ratiborer  Schlos«- Kapelle, 
in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen.   1852.  Sp.  210  —  212, 


616  Qothische  Kirchen 

Brette  des  Mittelschiffes ,  dessen  Oberwand  nördlich  vollständige  Fenster 
hat,  südlich  nur  Blenden,  deren  DeckbOgen  indess  offen  sind.  (Kugler, 
Kl.  Sehr.  1,  736  Fig.  139  — 142.)  —  Die  Gertrudskirche,  ein  sechs- 
eckiger Central  bau  mit  niedrigerem ,  ein  ZwOlfeck  bildendem  Umgange. 
(Ebd.  S.  741  Fig.  151.) 

Sabwedel.  Die  Katharinenkirche  (oben  S.  463)  erhielt  zu  Anfang 
des  XV.  Jahrh.  an  den  Langfa^aden  je  drei  hohe  reich  ausgestattete  Stufen- 
giebel, sodann  wurden  die  Seitenschiffe  Ostlich  um  zwei  Joche  mit  acht- 
eckigem Pfeilerpaare  verlängert,  ein  neuer  einschiffiger,  fünfseitig  geschlos- 
sener Chor ,  mit  der  zweistöckigen  Marienkapelle  auf  seiner  Südseite ,  an- 
gebaut, neue  Gewölbe  im  Langhause  eingezogen,  und  endlich  (1490 — 1500) 
vor  der  Westseite  die  dreischifßge  (durch  Hineinziehung  der  durchbroche- 
nen Strebepfeiler  mit  oberem  Umgange  fünfschiffige)  Fronleichnamskapelle 
mit  Rundpfeilern  (Strack  und  Meyerheim,  Denkm.  No.  4  u.l3)  errichtet. 
—  Die  Marienkirche  (oben  S.  463)  wurde,  nachdem  schon  im  XIV. 
Jahrh.  der  Obergaden  des  Schiffes  erneuert  war,  um  1450 — 1468,  zu  einer 
fünfschiffigen  Anlage  (mit  Rundpfeilem  zwischen  den  Seitenschiffen)  ver- 
breitert und  mit  einem  polygonischen  Chorschlusse  versehen,  wobei  man 
sämmtliche  Umfassungsmauern  erhöhte  und  neue  Gewölbe  einzog.  Später 
noch  fällt  die  den  alten  Rundthurm  umfassende  Anlage  der  stattlichen  West- 
kapelle. —  Die  Franciscanerkirche,  mit  nur  einem  südlichen  Seiten- 
schiffe und  dem  einschiffigen  siebenseitig  geschlossenen  Chor  gehört  we- 
sentlich dem  XV.  Jahrh.  an:  der  Chor  1435 — 1453;  das  Langhaus,  dessen 
Rundpfeiler  mit  je  vier  Dienstbündeln  besetzt  sind,  seit  1493.  —  Von  der 
ehemaligen  Klosterkirche  St.  Spiritus  existirt  nur  noch  der  Chor  aus 
dem  XV.  Jahrh.  (Adler,  Bauwerke  I,  88  f.)  —  Die  Hospitalkapellen 
St.  Georg  und  St.  Gertrud  sind  beide  einschiffig;  erstere  mit  halbrun- 
der Apsis  aus  dem  XIII.,  letztere  aus  dem  XV.  Jahrh.    (Ebd.  S.  89.) 

St  Albr«cht  bei  Danzig.  Einschiffige  Dorfkirche  mit  schmälerem  drei- 
seitig geschlossenem  Chor  und  Thurm  vor  der  Westseite.  (Strehlke,  in 
den  N.  Preuss.  Prov.-Bl.  3.  Folge  3,  328.) 

SMtoppeil  bei  Rössel.  Rechteckige  flachgedeckte  Landkirche  mit  vor- 
gelegtem Thurm  in  Westen :  die  Giebel  des  letzteren ,  der  Ostgiebel  der 
Kirche  und  der  Giebel  der  nördlich  angebauten  Sacristei  sehr  schön  und 
malerisch,    (v.  Quast,  Denkm.  Heft  4.  Bl.  23.) 

Sehlawe  in  Pommern.  Die  Marienkirche  mit  niedrigen  Seitenschiffen, 
achteckigen  Pfeilern ,  auf  deren  Ecken  sich  aus  tiefen  Einkehlungen  feine 
Halbsäulchen  entwickeln,  und  dreiseitig  geschlossenem  Chor  von  der  Breite 
des  Hauptschiffes.    (Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  734  Fig.  135.) 

Schleswig,  Der  Dom  (oben  S.  464)  ist,  abgesehen  von  dem  roman. 
Querhause  und  einem  Säulenportal  aus  Granit  an  der  Südseite ,  wesentlich 
aus  spätgoth.  Zeit.  Das  Schiff  hat  viereckige  Pfeiler  und  nach  innen  gezo- 
gene Streben :  im  polygon  geschlossenen  Chor  sind  letztere  fflr  einen  Um- 
gang in  der  Höhe  der  Fenster  durchbrochen. 

Schtaeck  unweit  Danzig.  Dreischiffige  Hallenkirche  mit  einschiffigem, 
dreiseitig  schliessendem  Chor.  Jetzt  ohne  Gewölbe.  Der  aus  der  Westseite 
hervortretende  Thurm  tritt  in  das  Schiff  hinein.  (Strehlke,  in  den  N. 
Preuss.  Prov.-Bl.  3.  Folge.  3,  328.) 


im  norddeutschen  Tieflande.  S17 

Schvlei  bei  Bischofstein.  Rechteckige  Dorfkirche,  im  unteren  Theile 
aus  Granit ,  im  oberen  mit  zwei  decorirten  Giebeln  ausgestatteten  Theile 
aus  Ziegeln.  Vor  der  Westseite  ein  oben  achteckiger  Holzthurm.  (v.  Quast^ 
Denkm.  Heft  4.  Bl.  23.) 

Schweidaitl.  Grossartige  kathol.  Kirche  aus  Haustein,  spätgothisch, 
aber  Yerzopft.  Von  den  beiden  Westthürmen  ist  nur  einer  vollendet  und 
mächtig  hoch.    Lotz  1,  549. 

Schweril«  Der  Dom^)  in  seiner  grossartigen  Vollendung  um  1350 
—  1375;  das  Schiff  1412 —  1430.  Grundform  des  Kreuzes ;  das  dreischif- 
fige  Querschiff  durchschneidet  das  Langhaus  in  der  Mitte ;  die  niedrigen 
Seitenschiffe  setzen  sich ,  das  Querschiff  durchschneidend ,  im  Chore  fort, 
um  dessen  dreiseitiges  Haupt  fünf  sechseckige  Kapellen  bildend ;  massige 
Strebebogen ;  die  Fenster  des  Hauptschiffes  im  flachen  Spitzbogen  gedeckt. 
Die  Arkadenpfeiler  sind  viereckig  mit  Halbsäulchen  auf  den  ausgerundeten 
Ecken  und  je  vier  starken ,  theils  mit  angelehnten  Rundstäben ,  theils  in 
ausgebildet  gothischen  Formen  gegliederten  Gurtträgem ;  ein  älterer  Thurm 
in  der  Mitte  der  Westfront.  Die  Gewölbe  des  Domes  sind  einfach ;  nur 
das  Querschiff  und  die  Thurmhalle  haben  Stemgewölbe.  (Organ  für  christl. 
Kunst.  1853.  Taf.  zu  No.  5.) 

Sekweti  bei  Culm.  Pfarrkirche,  provisorisch  nur  aus  dem  1378  vollen- 
deten Chor  bestehend ,  bis  das  Langhaus  viel  später  und  nach  völlig  ver- 
ändertem Plane  hinzugefügt  wurde. 

Sckwiebis  unweit  ZüUichau.  Der  Dom ,  grossartig  fünfschiffige  Hal- 
lenkirche. 

Seekurg  im  Ermlande.  Rechteckige ,  durch  achteckige  Pfeiler  in  drei 
Schiffe  getheilte  Hallenkirche  mit  NetzgewOlben ;  gegen  1400.  Vor  der 
Mitte  der  Westfront  eine  schmale,  die  Stelle  des  Thurms  vertretende  Vor- 
lage. Etwas  nüchterner  Schmuck  von  Fialen  und  Blenden  an  den  Treppen- 
giebeln,   (v.  Quast,  Denkm.  Heft  4.  Bl.  22  Fig.  6  —  10.) 

Seektiaei.  Die  Pfarrkirche  (oben  S.  464)  hat  in  ihrem  spätgoth.  Um- 
bau dreischiffige  Hallenform  mit  Rundpfeilem.  Der  gleichfalls  dreischiffige 
Chor  mit  achteckigen  Pfeilern  (vollendet  1481)  ist  sehr  niedrig  und  schliesst 
im  Hauptschiffe  fünfseitig,  in  den  Nebenschiffen  gerade.  Die  westlich  in 
der  vollen  Breite  der  Kirche  vorgelegte  Kapelle  vor  1497. 

Spaadai.  Die  Nicolaikirche,  ein  edel  durchgebildeter  dreischiffiger 
Hallenbau  massiger  GrOsse  mit  einem  Westthurm. 

Sttrgari.  Die  Johanniskirche  mit  Seitenschiffen  von  der  Höhe 
des  Hauptschiffes ,  welche  einen  Umgang  um  den  dreiseitig  geschlossenen 
Chor  bilden;  die  Arkadenpfeiler  theils  vierseitig  mit  abgeschnittenen  Ecken, 
theils  achteckig:  letztere,  sowie  die  Stemgewölbe  einem  Neubau  von  1408 
angehörig.  (Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  751  Fig.  160.)  —  Die  Marienkirche 
hat  niedrige  Seitenschiffe,  die  sich  um  den  dreiseitigen  Chorschluss  ziehen, 
und  die  Anlage  zweier  Thürme  an  der  Westseite;  in  dem  älteren,  im 
XV.  Jahrb.  überhöhten  Schiffe  sind  die  Pfeiler  achteckig  mit  Gurtträgern 
auf  den  Hauptseiten ;   der  Chor  ist  jünger  und  hat  schlanke  achteckige  auf 


1)  Lisch,  G.  C.  P.,  Oetch.  der  h.  Blutskapelle  und  des  Domes,  zu  Schwerin. 
1848.  Vergl.  Jahrbücher  des  Vereins  für  meklenb.  Gesch.  13,  143  u.  19,  398. 


ß]g  Oothische  Kirchen 

den  Ecken  gegliederte  Pfeiler  ohne  Gurttrftger.  Das  Gebäude  von  colossa- 
ler  Masse  und  edlen  Verhältnissen ;  das  Aeussere  in  reicher  und  zierlicher 
Decoration.  An  der  Nordseite  des  Chores  eine  achteckige  Kapelle  mit  Bchö- 
nem  Sterngewölbe.  (A.  a.  0.  S.  753  fF.  Fig.  161 — 166.  —  Essen  wein, 
Backsteinbau  S.  24.  36.  Taf.  6  Fig.  11.) 

SteffeBshagei'  bei  Doberan.  Kirche  mit  niederen  und  sehr  schmalen 
Seitenschiffen ,  achteckigen  Pfeilern  und  viereckigem  Chor.  An  der  Süd- 
seite hinter  einer  Vorhalle  ein  geschmücktes  Säulenportal. 

SteiMi  unweit  Liegnitz.  Der  schlichte  Hallenbau  der  evangel.  Pfarr- 
kirche. 

Stendal.^)  Der  Dom 2)  (oben  S.  465)  in  der  Grundform  des  Kreuzes; 
das  Langhaus  mit  drei  fast  gleich  hohen  Schiffen  und  zwischen  die  Strebe- 
pfeiler eingebauten  Kapellen :  das  Querschiff  mit  Abseiten  auf  der  Ostseite  ; 
die  schlanken  Arkaden pf eiler  von  runder  Grundform  mit  vier  Gurtträgern  ; 
der  siebenseitig  geschlossene  Chor  in  den  schönsten  Verhältnissen,  wie 
überhaupt  die  ganze  Kirche,  deren  Inneres  stets  von  Tünche  frei  blieb,  zu 
den  schönsten  Denkmalen  des  Ziegelbaues  aus  dem  XV.  Jahrh.  gehört. 
(Strack  und  Meyerheim  No.  7.  8  u.  15.  —  Adler,  Bauwerke.  Bl,  32 

—  35.  —  Essen  wein,  Backsteinbau  Taf.  17.)  Das  Refectorium  an  dem 
spätgoth.  veränderten  und  überbauten  Kreuzgange  (Strack  und  Meyer - 
heim  No.  24.  —  Adler  I,  57  u.  Bl.  35)  von  1461  mit  einer  Reihe  nie- 
driger Rundpfeiler.  —  Die  Jacob  ikirche,  in  dreischiffiger  Hallenform 
von  1311  und  mit  1460  —  1469  erbautem,  dreiseitig  geschlossenem  Chor, 
hat  achteckige  Pfeiler  und  enthält  einige  Ueberreste  aus  roman.  Zeit.  — 

—  Die  grossartige  Marienkirche  mit  drei  fast  gleich  hohen  Schiffen ; 
die  Seitenschiffe  bilden  einen  Umgang  um  den  Chor:  die  Arkadenpfeiler 
wie  im  Dom;  die  Gewölbe  beendet  1447.  (Strack  und  Meyer  heim 
No.  3.  —  Adler  I,  61  u.  Bl.  41.  —  Essenwein  Taf.  4  u.  6.)  —  Die 
Petrikirche  in  Hallenform  mit  achteckigen  Pfeilern  und  einschiffigem 
polygonisch  geschlossenem  Chor  aus  dem  XIV.  Jahrb. ;  über  der  Westseite 
ein  Thurm  von  1582.  (Adler  I,  62.)  —  Die  einschiffigen  Nonnenkirchen 
St.  Anna  und  St.  Katharina,  spätgothisch,  beide  fünfseitig  geschlossen  : 
erstere  mit  unterwölbter  Nonnenempore  in  Westen  und  Holzdecke,  letztere 
(Adler  Taf.  41.  —  Strack  u.  Meyerheim  No.  23)  geweiht  1469. 

Stepttitt  bei  Pritzwalk.  Die  einschiffige  altgoth.  Kirche  des  1230  ge- 
stifteten Cisterziensernonnenklosters  Marienfliess  mit  flacher  Decke  und 
schmälerem  überwölbtem  Chor ,  dessen  östlicher  Theil  mit  fünfseitigem 
Schluss  späterer  Zeit  angehört,  als  der  Übrige  Bau.  Auf  der  Südseite  hat 
die  Kirche  zwei  Reihen  Fenster,  woraus  auf  eine  ehemalige  (hölzerne)  Non- 
nenempore im  westl.  Theile  zu  schliessen  ist.  (Adler  II,  6  u.  Bl.  53 
Fig.  1-4.) 

Stettil.    Die  Johanniskirche  mit  drei  gleich  hohen  Schiffen  und 


1}  Backstein -Architektur  aus  Stendal,  in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen.  ]S59. 
Sp.  201  —  204  nebst  Bl.  36  —  38  im  Jahrgange  IS57  u.  Bl.  25  -  2^»  im  Jahrgange 
1859. 

2)  Quast,  Ferd.  ▼.,  Beschreib,  des  Domes  zu  Stendal  u.  Bestimmung  der  Er- 
bauungsseit  des  gegen  wärt.  OebAudes,  in  den  MArk.  Forschungen  3,  132  —  I5f . 


im  norddeutschen  Tieflande.  *    619 

mit  siebenseitig  aus  dem  Zeh  neck  geschlossenem  Chor ;  achteckige  Arka- 
denpfeiler;  kleine  niedrige  Kapellen  zwischen  den  Strebepfeilern:  Stern- 
ge wölbe ;  kein  Thurm.  Der  Kreuzgang  neben  der  Kirche  älter  als  diese. 
(Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  715  Fig.  95  —  97.)  —  Die  Jacobikirche ,  ein 
colossales  Gebäude  und,  wie  vorhandene  Ueberreste  beweisen,  Umbau  einer 
älteren  Kirche  mit  niedrigen  Seitenscbiffen  und  zwei  Westthürmen ;  jetzt 
sind  die  Schiffe  von  gleicher  Höhe ,  die  Abseiten  bilden  einen  Umgang  um 
den  filnfseitigen  Chorschluss  und  es  ist  nur  ein,  im  J.  1504  vollendeter 
Thurm  vorhanden ;  achteckige,  im  Chor  viereckige  Pfeiler ;  moderne  Ueber- 
wölbung.  (Ebd.  S.  71C  Fig.  98.)  —  Die  als  Arsenal  benutzte,  verbaute 
Kirche  des  Mariennonnenklosters  von  1336.  —  Die  einschiffige 
fünfseitig  geschlossene  Petrikirche  mit  nach  innen  gezogenen  Strebe- 
pfeilern aus  dem  XV.  Jahrhundert. 

Stolp«  Die  Marienkirche  mit  niedrigen  Seitenschiffen ,  dreiseitig 
geschlossenem  Chor  von  der  Breite  des  Mittelschiffes  und  achteckigen  Ar> 
kadenpfeilem ;  der  Thurmbau  nimmt  die  ganze  Westseite  ein,  und  die  un- 
tere Halle  von  der  Höhe  des  Mittelschiffes  bildet  gewissermassen  ein  west- 
liches Querschiff.  (Kugler,  Kl.  Sehr.  1,  735  Fig.  136  —  138.)  —  Die 
einschiffige,  rechtwinkelig  geschlossene  Schlosskirche  mit  rohen  Stem- 
gewölben  überdeckt.  —  Die  kleine  Nicolaiklosterkirche  (Armen- 
schule) mit  eigenthümlicher  Anlage  des  Thürmchens  vor  der  Westfront, 
auf  dessen  Ecken  Strebepfeiler  schräg  heraustreten.  —  Die  achteckige  Ka- 
pelle des  Georgenhospitals  mit  kreisrunden  Fenstern.  (A.a.  O.S.742 
Fig.  153.) 

StralMüd.  Die  1311  begonnene  Nicolaikirche  mit  niedrigen,  einen 
in  der  Hauptform  fünfseitigen  Umgang  um  den  dreiseitigen  Chorschluss 
bildenden  Abseiten ;  an  den  fünf  Seiten  des  Umganges  treten  indess  wie- 
derum kleinere  polygonische  Vorlagen  heraus ;  die  Arkadenpfeiler  des  Lang- 
hauses achtseitig  mit  feinen  Halbsäulchen  in  den  Ecken,  die  Chorpfeiler  in 
strenggothischen  Formen  auf  das  lebhafteste  gegliedert ;  die  Strebepfeiler 
der  Seitenschiffe ,  unterhalb  nach  innen  gezogen  und  kleine  Kapellen  zwi- 
schen sich  einschliessend ,  übersteigen  das  Dach  der  Abseiten  und  tragen 
starke  Strebebögen ,  welche  sich  nach  den  Wänden  des  Hauptschiffes  hin- 
überwölben ;  zwei  Thürme  mit  dreifacher  Halle  vor  der  Westfront.  (Kug- 
ler, Kl.  Sehr.  1,  727  Fig.  121  —  124.  —  Essenwein,  Backsteinbau. 
Titelbild.)  —  Die  Jacobikirche  mit  drei  Schiffen  von  ungleicher  Höhe, 
aber  von  gleicher  Länge  und  an  der  Ostseite  durch  eine  gerade  Wand  ab- 
geschlossen ;  achteckige  Arkadenpfeiler ;  ein  schlanker,  im  Obergeschosse 
achteckiger  Thurm  mit  reicher  Decoration  über  der  Westfront.  (Kugler 
a.  a.  O.  S.  729  Fig.  125.  —  Essenwein  a.  a.  O.  Taf.  10  Fig.  8.)  — 
Die  Katharinenklosterkirche,  vollendet  1317,  jetzt  Arsenal,  mit 
gleich  hohen  Schiffen  und  Chorraum  von  der  Breite  des  Mittelschiffes ;  die 
Arkadenpfeiler  theils  rund  ,  theils  achteckig ;  Blättercapitäle  an  den  Gurt- 
trägem  im  Chor.  —  Die  Marienkirche^)  in  colossalen  Massen,  im 
Wesentlichen  vollendet  im  J.  1460;  Grundform  des  Kreuzes ;   niedrigere 


1)  Zober,  E.,  die  St.  Marienkirche  su  Stralsund',  in  d^r  Zeitschr.  Sundine. 
1836.  No.  55.  S.  129  ff. 


620   '  Gothische  Kitchen 

Seitenschiffe  neben  dem  riesig  hohen  Mittelschiffe ,  die  sich  auch  neben 
dem  Querschiffe  ausdehnen  und  den  Chor  in  dreiseitigem  Umgange  um- 
ziehen ;  schlichte  achteckige  Arkadenpfeiler ;  die  Fenster  des  Hauptschiffes 
mit  eckig  aufsetzenden  DeckbOgen ;  über  der  breiten ,  mit  dem  Langhause 
gleich  hohen  westlichen  Halle  erhebt  sich  in  der  Mitte  der  in  den  beiden 
Obergeschossen  achteckige  Thurm.     (Kugler  a.  a.  O.  S.  747  Fig.  154 

-  -  159.  —  Essenwein  a.  a.  O.  Taf.  10  Fig.  9.)  —  Die  daneben  bele- 
legene  achteckige  Apollonienkapelle  mit  achtseitigem  Kuppelgewölbe. 
(Kugler  a.  a.  O.  8.  742  Fig.  152.)  —  Die  einschiffige  Johannisklo- 
sterkirche,  die  dreischiffige  Heiligegeistkirche :  erstere  aus  dem 
XIV.,  letztere  aus  dem  XV.  Jahrhundert. 

Ttlgemuide.  Die  Stephanskirche  (oben  S.  465)  erscheint  in 
ihrem  goth.  Umbau  als  eine  dreischifiige  Hallenkirche  mit  zweithürmiger 
Westfront  und  einem  halbachteckig  geschlossenen  Chor,  um  den  die  Sei- 
tenschiffe als  Umgang  herumgehen.  Mit  den  westlichen  C'horjochen  sind 
kreuzflügelartige  Anbauten  mit  angelehnten  zweistöckigen  Zwillingskapellen 
verbunden.  Die  Bauzeiten  der  goth.  Theile  folgen  nach  Adler  so  aufein- 
ander :  die  Nordmauer  und  Westmauer ,  sowie  der  untere  Theil  der  Süd- 
mauer um  1310 — 1320;  die  gegliederten  Achteckpfeiler  im  Schiff,  die 
Arkaden,  Gewölbe  und  der  Obertheil  der  Südmauer  1376 — 1398;  der 
Unterbau  der  Thürme  1440 — 1460;  der  Chor,  dessen  Rundpfeiler  mit  vier 
Qurttrftgem  besetzt  sind ,  das  Querschiff  mit  reichen  Doppelportalen  und 
die  östl.  Nebenkapellen  1470 — 1485;  der  Nordgiebel,  die  nur  zum  Theil 
erhaltenen  Obertheile  der  Thürme  und  die  westlich  am  südl.  Kreuzarme 
belegene  Kapelle  um  1500.  [Strack  und  Meyerheim,  Denkm.  No.  2. 
10  u.  16.,  —  Adler,  Bauwerke  I,  69  u.  Bl.  37—  39.  —  Essenwein, 
Backsteinbau.  Taf.  21.  31  u.  34.)  —  Ruine  der  (Pauliner)  Getrauds- 
kirche  1438 — 1442,  in  dreischifiiger  Hallenform  mit  einschiffigem  polygo- 
nisch geschlossenem  Chor.  Die  mit  Spiralbändern  umwundenen  Rundpfei- 
ler haben  vier  Dienste.  Klostergebäude,  zum  Theil  aus  derselben  Zeit. 
(Strack  und  Meyerheim  No.  18.  —  Adler  a.  a.  O.  S.  71  u.  Bl.  42.) 

—  Die  einschiffige,  einfach  spätgoth.  Elisabeth  (Spital-)  Kapelle,  im 
halben  Zehneck  geschlossen ,  mit  niedrigen  Kapellen  zwischen  den  Strebe- 
pfeilern.   (Adler  a.  a.  O.  S.  72  u.  Bl.  42.) 

Tin^W  bei  Bützow.  Rechteckige ,  von  niedrigen  Achteckpfeilem  in 
zwei  gleich  hohe  Schiffe  getheilte  Kirche. 

Tkni.  Die  Jacobikirche  ^)  auf  der  Neustadt ,  im  eleganten  Stil ,  ge- 
gründet 1309,  mit  niedrigen  Seitenschiffen  und  einzelnen  Strebebögen;  die 
Strebepfeiler  mit  Spitzthürmchen  gekrönt ;  die  geradlinige  Schlusswand  des 
in  besonders  hochstrebenden  Verhältnissen  gehaltenen  Chores  von  der  Breite 
des  Hauptschiffes  läuft  in  einen  auf  das  zierlichste  geschmückten  Oiebel 
aus.  Bemerkenswerth  ist,  dass  ungeachtet  des  rechtwinkeligen  Chorschlus- 
ses die  Ueberwölbung  des  Inneren  polygonartig  angeordnet  ist.  Der  vier- 
eckige   in    schweren  Formen   errichtete  Westthurm    nach   1455.    —    Die 


])  Quast,  Ferd.  v.,  die  St.  Jacobsk.  in  der  Neustadt  Thom ,  in  der  Zeitschr. 
für  Bauwesen.  1851.  Sp.  153— 160  und  Bl.  IS. 


im  norddeutschen  Tieflande.  62 1 

Marienkirche^),  in  dreischiffiger  Hallenform  und  mit  einschüfigem, 
gerade  schliessendem  Chor.  Achteckige  Pfeiler  mit  vier  Bündeldiensten  i 
der  östl.  Giebel  mit  zwei  Eck-  und  einem  höheren  achteckigen  Mittelthurm. 

TrebUl  in  der  Mark.    Die  Todtenkapelle,  um  1B40. 

Treptow  a.  d.  R.  Die  Marienkirche,  1303 — 1370;  drei  Schiffe  von 
gleicher  Höhe ;  fünfseitig  geschlossener  Chorraum  von  der  Breite  des  Mit- 
telschiffes; schlichte  achteckige  Pfeiler;  Sterngewölbe;  ein  im  Obergeschosse 
achteckiger  Thurm,  mit  hoher  Halle  darunter,  über  der  Mitte  der  Westfront. 
(Kugle r,  Kl.  Sehr,  i,  712  Fig.  S9  f.) 

Treptow  a.  d.  T.  Die  Petrikirche  mit  Schiffen  von  gleicher  Höhe  ;  die 
Seitenschiffe  umziehen  den  dreiseitigen  Chorschluss ;  schlicht  achteckige 
Pfeiler;  im  Chor  Sterngewölbe;  ein  Thurm  vor  der  Mitte  der  Westfront. 
(A.  a.  O.  S.  721  Fig.  106  —  114.) 

Triebsees.    Die  spätgoth.  Kirche  mit  drei  Schiffen  von  gleicher  Höhe. 

IJsed«H,  Einschilfige  flach  gedeckte  Kirche  mit  schmälerem,  dreiseitig 
schliessendem  Chor. 

Verdei.  Der  Dom'-^)  (oben  S.  466),  eine  kreuzförmige  Hallenkirche 
mit  unregelmässig  fünfseitigem  Chorumgang  der  Seitenschiffe.  Querschiff 
und  Chor  (letzterer  geweiht  1390)  sind  aus  Haustein;  das  Schiff  14  73 
—  1490.  Rundpfeiler  mit  je  vier  Halbsäulen  tragen  die  einfachen  Kreuz- 
gewölbe. 

Wartenblirg  im  Ermlande.  Die  rechteckige  Pfarrkirche  mit  westlich 
vorgelegtem  massigem  Thurm,  die  (Minoriten-) Klosterkirche,  ebenfalls 
einschiffig  mit  schmälerem  gerade  geschlossenem  Chor,  beide  aus  der  zwei- 
ten Hälfte  des  XIV.  Jahrh. ;  letztere  mit  theils  verstümmeltem,  theils  ver- 
zopftem Schmuck  der  Giebel,  (v.  Quast,  Denkm.  Heft  4  Bl.  23  Fig.  1  f.) 
In  der  Nähe  grossartige  Gewölbe ,  wohl  zu  den  früheren  Nebengebäuden 
des  Klosters  gehörig.  '^) 

WtttHannshageK  bei  Güstrow.  Das  einschiffige  Langhaus  der  Kirche, 
streng  gothisch ;  der  zum  Innern  gezogene  Westthurm  mit  schönem  Portal 
und  Fensterrose. 

Werben  in  der  Altmark.  Die  Johanniskirche  mit  drei  gleich  hohen 
und  gleich  langen,  neben  einander  in  drei  Polygonabschnitt^n  schliessenden 
Schiffen.  Der  westlich  vorgelegte  rechteckige,  im  Unterbau  noch  roman. 
Thurm  ist  der  älteste  Theil :  die  unteren  Theile  der  Seitenschiffmauern  mit 
zwei  vermauerten  Portalresten  scheinen  dem  Anfange  des  XIV.  Jahrh.  zu 
entstammen;  der  westl.  Theil  des  Langhauses  mit  den  reichgestabten  Acht- 
eckspfeilern wohl  von  1412,  der  Chor,  mit  übereinstimmender,  aber  ver- 
nüchterter  Pfeilerbildung  1466.  (Adler  I,  78  u.  Bl.  43  f.)  ~  Die  ein- 
schiffige, im  halben  Sechseck  geschlossene  Heil.  Geist-Kapelle  mit 
niedrigen  Nebenkapellen  zwischen  den,  durch  Flachbögen  verbundenen, 
weit  vortretenden  Strebepfeilern.    (Ebd.  Bl.  42  Fig.  6.) 

Wesel.  Die  Matenakirche,  begonnen  1429,  hat  niedere  Seiten- 
schiffe ,  unregelmässig  achteckige  mit  je  zwei  Diensten  besetzte  Arkaden- 

1)  Derselbe,  S.  Marien  in  Thorn,  ebd.  Sp.  323  -  326  u.  Bl.  Xi,  —  MarkuU, 
C.  G.,  der  Bau  der  altstädter  evangel.  Kirche  in  Thorn.    Mit  2  Abbild. 

2)  Bergmann,  Leo,  der  Dom  zu  Verden.   1 833. 
a)  Vergl.  N.  Preu88.  Prov.-Bl.  :*.  Folge.  I,  'MVA. 

Otte,  KunBt-Arrhäologif».  40 


622  Gothische  Kirchen 

pfeiler  und  kleine  kreis-  oder  halbkreisförmige  Oberlichter.  Details  aus 
Sandstein.  Ausser  dieser  noch  drei  andere  (profanirte)  Backsteinkirchen. 
Die  Kirchen  St.  Martin  und  St.  Willibrord  sind  aus  Haustein,  letztere 
fünfschiffigbasilikal  und  mit  nicht  ausladendem  Querschiff,  aber  unvollendet. 

WIeahaisei  bei  Celle.  Die  rechteckige  einschiffige  Cisterzienser-Non- 
nenkirche ,  mit  schlichter ,  von  der  Kirche  durch  einen  breiten  Gurtbogen 
abgetheilter  Nonnenempore,  1307  —  1309.  (Mithoff,  Archiv.  Abth.  ü. 
Taf.  1  —  3.) 

Wllsnack  bei  Perleberg.  Die  Nicolai- (Wallfahrts-)  Kirche,  Hal- 
lenbau in  der  Grundform  des  Kreuzes  mit  zweistöckigen  Abseiten  an  der 
Ostseite  der  Kreuzarme  und  einschiffigem  fünfseitig  schliessendem  Chor, 
nach  dem  Muster  des  Domes  von  Stendal,  aber  grösser:  1447 — 1525. 
Aeusserlich  ein  zwischen  den  Chorstreben  eingespannter,  nach  aussen  geöff- 
neter überwölbter  Umgang  und  am  nördlichen  Kreuzflügel  mit  einer  von 
brückenartigen  Qögen  getragenen,  bedeckten  Verbindungsgalerie  nach  dem 
ehemaligen  Prälatenhause.  Der  Thurmrest  im  Westen  des  Mittelschiffes 
datirt  von  einem  früheren  Bau.    (Adler  IT,  13  —  16  u.  Bl.  46  f.) 

Wismar.  Die  in  ihrer  Anlage  dem  Dome  von  Schwerin  entsprechende 
Marienkirche  mit  gegliederten  achteckigen  Pfeilern  und  zwei  Nebenbal- 
len zu  den  Seiten  des  westlichen  Thurmes ;  den  vier  Kreuzgewölben  der 
Kreuzflügel  dient  ein  achteckiger  Mittelpfeiler  als  Stütze;  der  Chor  1339 
—  1354,  das  Schiff  später.  — .  Die  Georgenkirche  mit  rechtwinkelig  ge- 
schlossenem ,  niedrigerem  Chor ,  um  den  sich  die  Seitenschiffe ,  das  Quer- 
schiff durchschneidend ,  fortsetzen ;  die  Arkadenpfeiler  sind  achteckig  mit 
eingekerbten  Ecken  ,  Sterngewölbe  im  Mittelschiff  und  in  der  von  vier  brei- 
ten Gurtbögen  begrenzten  Vierung ;  XIV.  und  XV.  Jahrhundert.  —  Die 
Nicolaikirche  nach  dem  Muster  der  Marienkirche,  doch  ist  nur  derChor- 
schluss  überwölbt;  der  Chor  1381 — 86,  der  südliche  Kreuzarm  und  die 
Abseiten  1437;  die  Kirche  geweiht  1460.  —  An  allen  diesen  in  den  Ver- 
hältnissen übertrieben  hohen ,  in  der  Ausbildung  rohen ,  nur  durch  die 
Grösse  imponirenden  Kirchen  herrscht  das  System  der  Strebebögen  vor. 

WittsUck  in  der  Priegnitz .  Die  Marienkirche,  ein  dreischiflfiger 
rechteckiger  Hallenbau ,  dessen  kreuzförmige  ausgeeckte  Pfeiler  mit  je  vier 
starken  Halbsäulen  besetzt  und  an  den  Capitälen  mit  aufgelegten  Blättern 
verziert  sind ,  datirt  in  der  westlichen ,  durch  zwei  schöne  Portale  ausge- 
zeichneten, edclgoth.  Hälfte  vom  Ende  des  XIII.  Jahrb.,  in  der  östlichen 
von  1451.  Von  den  angebauten  beiden  zweistöckigen  Kapellen  wurde  die 
nördliche  1484.  die  südliche  1498  errichtet.  Der  an  der  Westseite  bele- 
gene oblonge,  oben  quadratische  Thurm  gehört  im  Erdgeschosse  zum  Theil 
dem  ältesten  Bau  der  Kirche  an ,  im  Obertheil  dem  XVI.  Jahrhundert. 
(Adler  II,  10  f.  u.  Bl.  53  f.)  —  Die  einschiffige  spätgoth.  Heil.  Geist- 
kapelle, jetzt  ohne  Gewölbe,  mit  quadratem  Westtbürmchen. 

W^lgast  in  Pommern.  Die  Petrikirche  mit  niedrigen  Seitenschiffen, 
welche  um  den  dreiseitigen  Chorschluss  einen  fünfseitigen  Umgang  bilden; 
achteckige  Pfeiler,  an  deren  beiden  Stirnseiten  flache  Bänder  mit  Halbs&ul- 
chen  auf  den  Ecken  als  Gurtträger  hervortreten;  im  Mittelschiff  Stem- 
gewölbe.     (Kugler,  Kl.  Sehr.  1,   732  Fig.  129  f.)    —   Die  Gertruds- 


im  norddeutschen  Tieflande.  623 

kirche  von  zwOlfeckiger  Gestalt:  in  der  Mitte  ein  starker  Rundpfeiler  als 
Träger  des  zierlichen  Sterngewölbes.   (Ebd.  S.  741  Fig.  150.) 

W«IUli.  Die  Nicolai  kirche ,  ein  dreischiffiges,  jetzt  ein  buntes  Ge- 
misch verschiedenartiger  Theile  darbietendes  Gebäude ;  die  besser  erhaltene 
Georgenkirche  ist  nur  einschiffig;  beide  gehören  erst  dem  XV.  Jahr- 
hundert an. 

W«lHin(Jldt  bei  Magdeburg.  Die  elegant  spätgoth.  Schlosskapelle  von 
1480,  rechteckig  mit  nach  innen  gezogenen  Streben,  die,  unter  den  Fen- 
stern mit  Durchgängen  versehen,  eine  Empore  zwischen  sich  haben,  (v. 
Quast,  in  der  Zeitschr.  für  Archäol.  u.  Kunst  1,  261  u.  Taf.  17.) 

W^mditt  unweit  Heilsberg.  Rechteckige  spätgoth.  Kirche  (geweiht 
1379)  mit  niederen  Seitenschiffen  und  dicken  achteckigen,  in  der  Hälfte 
ihrer  Stärke  an  den  Scheidmauern  aufsteigenden  und  oben  durch  gegliederte 
Schildbögen  verbundenen  Arkadenpfeilern.  Reiche  Sterngewölbe  (auch  in 
den  Kapellen ,  mit  denen  die  Abseiten  besetzt  sind) ,  wahrscheinlich  erst 
von  1494,  wo  eine  abermalige  Kirch  weihe  stattfand.  Ein  viereckiger  West- 
thurm  mit  hohen  Spitzbogenblenden,  (v.  Qu  a  s  t ,  Denkm.  Heft  2.  Bl.  1 1  f.) 

Wüsterhaisen  a.  d.  Dosse.    Kirche,  inschriftlich  1474. 

Zan«witf  in  Westpreussen.  Einschiffige  Cisterziensernonnenkirchc  mit 
reichen  Sterngewölben. 

Zehdenik  in  der  Ukermark.  Der  nördliche  Klosterflügel  mit  dem  über 
Rundpfeilern  eingewölbten  Refectorium,  etwa  um  1300.  Vergl.  oben  S.  466. 

Ziesar  unweit  Brandenburg.  Die  Schlosskapelle  von  1472,  Vorbild 
der  Kapelle  von  Wolmirstädt;  s.  diese.   (Adler  II.  Bl.  79.) 

Ziiu  bei  Jüterbog.  Die  beiden  Abteigebäude:  das  eine  mit  schönem, 
frei  durchbrochenem  Giebel  aus  dem  XIV.,  das  andere  grössere  aus  dem 
XV.  Jahrh.  (Put trieb,  Denkm.  Serie  Jüterbog.  Bl.  14  f.  —  Adler, 
Bauwerke  U.  Bl.  61.) 


40* 


Anhang 

über  die  Bauhütten. 


Fig.  235.    Consolc  za  Neumarkt  in  der  Oberpfah  (nach  Sighart). 

Literatur:  Stieglitz,  Ch.  L.,  die  Kirche  der  h.  Kunigunde  zu  Roch- 
litz,  im  Berichte  der  Deutschen  Gesellschaft  zu  Leipzig  vom  J.  1S29.  —  Des- 
selben Beitrüge  zur  Gesch.  der  Ausbildung  der  Baukunst.  ThI.  2.  S.83 — 136. 
--  Rumobr,  H.  F.  v.,  über  den  gemeinschaftlichen  Ursprung  der  Bauschulen 
des  M.  A.  1835.  —  Heidcloff,  C,  die  Bauhütte  des  M.  A.  in  Deutechland. 
IS44.—  Kreuser,  J.,  Kölner  Dombriefe.  S.  2S9— 343.  —  Kugler,  Fz., 
Handbuch  der  Kunstgesch.  S.  550  -552.  —  Schnaase,  C,  Gesch.  der  bil- 
denden Künste  IV.  I,  298—334.  —  Brandt,  C,  über  die  allmfthlige  Ausbil- 
dung der  Steinmetzzeichen  an  Baudenkmalen  des  M.  A.,  in  den  N.  Mittheil, 
des  ITiüring.  -  Sachs.  Vereins.  VIII.  3  u.  4.  S.  1—45.  —  Reichensperger, 
A.,  Vermischte  Schriften  S.  156—167.  —  Vergl.  Guilielmo  della  Valle,  Sto- 
ria  del  duomo  di  Orvicto.  Roma  1791,  angeführt  von  Kreuser,  Kirchenbau 
1,  526  ff. 

109.  Unter  Bauhütten  versteht  man  die  mittelalterlichen  Stein- 
metzverbrüderungen, deren  Geschichte  noch  manches  Dunkele  hat 
und  kritisch  zu  sondern  ist  von  der  zum  Theil  apokryphen  Geschichte 
des  Freimaurerordens. 

Die  »Bauhütte«  ist  das  Brettgebäude,  in  welchem  die  Steinmetz- 
brüderschaft ihre  Geschäfts  versammhingen  hielt;    auch  wird  darunter 


Anhang  über  die  Bauhütten.'  625 

der  abgegrenzte  Raum  verstanden,  in  welchem  die  Werkstücke  bear- 
beitet wurden.  —  Die  freimaurerische  Auffassung  sieht  in  den  mit- 
telalterlichen Bau  Verbindungen  eine  geheime  Gesellschaft,  deren  An- 
fänge, wenn  nicht  unter  den  Noachiden  oder  Pharaonen,  so  doch  in 
den  römischen  collegiis  fabrorum  zu  suchen  seien.  (Vgl.  Krause, 
die  drei  ältesten  Kunsturkunden  der  Freimaurerbrüderschaft.  1810 
—  1813.  —  Heldmann,  die  drei  ältesten  geschieh tl.  Denkmale 
der  deutschen  Freimaurerbrüderschaft.  1820.  —  Kloss,  G.,  die 
Freimaurerei  in  ihrer  wahren  Bedeutung  aus  den  alten  und  ächten 
Urkunden  der  Steinmetzen.  1846.  —  Winzer,  J.,  die  deutschen 
Bruderschaften  des  M.  A.,  insbesondere  der  Bund  der  deutschen 
Steinmetzen  und  dessen  XTmwandelung  zum  Freimaurerbund.  1859.) 

Anmerkung.  Steinmetzen  [lapiddae]  scheinen  überhaupt  vor  dem 
XIII.  Jahrh'.  kaum  vorzukommen;  wenigstens  ist  dies  in  den  im  XII.  Jahrb. 
beginnenden  Schreins  -  Urkunden  (Grundacten)  der  Stadt  Cöln  nicht  der 
Fall :  die  ältere  Zeit  kennt  nur  caemmtarii  (Maurer)  und  carpentarü  (Zim- 
merleutc),  seit  der  Mitte  des  XIII.  Jahrh.  aber  bricht  die  Reihe  der  nament- 
lich erwähnten  Steinmetzen  nicht  mehr  ab.  In  der  kurzen  Zeit  von  1248 
—  1270  treten  als  städtische  Grundbesitzer  zehn  Steinmetzen  auf,  darunter 
zwei  mit  dem  Ehrentitel  »moffisiera  (unmittelbar  vor  dem  Namen),  der  in 
damaliger  Zeit  keinen  blossen  Handwerksmeister  bezeichnete,  sondern  etwa 
dem  heutigen  Baumeister^)  entsprochen  zu  haben  scheint.  Solche  Ma- 
gister -  Steinmetzen ,  deren  später  in  den  Cölner  Schreinsbüchern  gegen  70 
eingezeichnet  sind,  müssen  eine  höhere  allgemeine  Bildung  besessen  haben, 
als  die  einfachen  lapiddae,  wenn  man  sie  nicht  geradezu  für  magistri  artium 
liberalium  der  Universität  Paris  erklären  will.  ^)  Der  Picarde  Wilars  aus 
Honnecourt  a.  d.  Scheide,  ein  Baukünstler  um  die  Mitte  des  XIII.  Jahrh., 
der  seine  Kunstreisen  bis  nach  Ungarn  ausdehnte ,  hatte  ,  wie  aus  seinem 
merkwürdigen  Skizzenbuche'*)  hervorgeht,  sein  Trivium  und  Quadrivium 
absolvirt ,  besass  Kenntnisse  in  der  Mathematik,  Mechanik  und  Physik, 
machte  Studien  nach  der  Natur  und  beachtete  sogar  die  Antike.  —  Die 


1 )  Dieselbe  Bewandtniss  wird  es  haben ,  wenn  in  einer  deutschen  Urkunde  von 
1397  der  Baumeister  des  Domes  zu  Frauenburg  als  »her  Liward«  titulirt  wird,  mit 
einem  sonst  nur  dem  ritterlichen  (oder  geistlichen)  Stande  zustehenden  Pradicate. 
Die  bevorzugte  Lebensstellung  der  Baumeister  geht  auch  aus  den  Titulaturen  ihrer 
Ehefrauen  hervor,  wenn  z.  B.  die  Gattin  des  Strassburger  Meisters  Erwin  von  Stein- 
bach in  ihrer  Grabschrift  von  1316  »Domxna  Husa  uxor  magistri  Erwini«,  und  die 
Witwe  des  Kegensburger  Meisters  Ludwig  in  einem  Kaufbriefe  von  1306  »Discreta 
domina  Anna,  relicta  quondam  magistri  Ludowici  operis  st.  Petrio  genannt  wird.  — 
Vergl.  Jäger,  C,  über  die  Würde  des  Steinmetz meisters  im  M.  A.,  im  Kunstbl. 
1S33.  S.  109. 

2)  Vergl.  Mertens  u.  Lohde,  in  der  Zeitschr.  für  Bauwesen.  Ib62.  Sp.  173 
u.  192. 

3)  Album  de  Villard  de  Honnecourt ,  architecte  du  XIII.  »iecle ,  manuscrit  pu- 
blik en  fac-simile  par  Lassus  et  Darcel.  Paris  1S5S.  (Original  in  der  kaiserl. 
Bibliothek  daselbst.)  Vergl.  v.  Eitelberg  er  in  den  MittheiL  der  k.  k.  Central- 
Commission  etc.  (1859)  4,  145. —  Schnaase,  Kunstgesch.  5,  152—157.  —  Vorzüge 
besitzt  die  englische  Ausgabe :  Facsimile  of  the  sketchbook  of  Willars  de  Honecort, 
by  Robert  Willis.  London  1S59. 


620  Allhang 

l^rosscn  Baumeister  jener  Zeit  waren  zwar  praktisch  tQchtig  durchgebildete 
Männer,  aber  nichts  weniger  als  gewöhnliche  Handwerker. 

110.  Die  Steinmetzverbrüderungen  waren  in  der  Hauptsache 
nichts  anderes  als  zunftinässige  Verbindungen  von  Bau  band  werkern 
und  entstanden  nach  den  Kreuzzügen  unter  denselben  Bedingungen 
wie  alle  übrigen  Innungen  und  Zünfte ,  blühten  und  sanken  aus  den- 
selben Ursachen  wie  diese,  gingen  auch  zugleich  mit  ihnen  erst  in 
neuerer  Zeit  vollends  zu  Grunde. 

Soweit  sichere  Kunde  reicht,  kommt  eine  Zunft  der  Bauhand- 
werker zuerst  in  Paris  im  J.  1258  vor  (Reglements  sur  les  arts  et 
metiers  de  Paris  au  XIII.  siecle,  herausgegeben  von  Depping  in 
der  Collection  de  documents  inedits  sur  Thistoire  de  France;  ange- 
führt von  Sehn  aase  IV.  1,  300)  :  die  Maurer  scheinen  hier  den 
Vorrang  gehabt  zu  haben  vor  den  ebenfalls  zur  Zunft  gehörigen  Stein- 
metzen, Gyps-  und  Mörtelbereitern,  und  das  Verhältniss  dieser  ver- 
schiedenen Bauhandwerker  zu  einander  ist  nicht  völlig  kjar ;  in  einer 
(gleichfalls  a.  a.  O.  abgedruckten)  Steuerrolle  von  1292  finden  sich 
neben  104  Maurermeistern  nur  12  Steinmetzen,  8  morteUiers  und 
36  plasiriers.  Die  Statuten  dieser  Zunft  enthalten  nichts  Ungewöhn- 
liches ,  und  die  den  Mitgliedern  aufgelegten  religiösen  Verpflichtun- 
gen ,  welche  sich  dem  kirchlichen  Sinne  des  Mittelalters  gemäss  auch 
bei  andern  Gewerken  vorfinden ,  charakterisiren  diese  Verbindung 
vor  andern  Zünften  noch  keineswegs  (wie  Kreuser  meint,  Dombri'efe 
S.  294)  als  eine  den  Klöstern  entstammende,  vorzugsweise  religiöse 
Brüderschaft.  Es  scheint  sogar ,  als  hätten  die  Bauhütten  sich  viel- 
mehr den  Klöstern  gegenüber  zu  selbstfindigen  Vereinigungen  ver- 
bunden ;  wenigstens  steht  es  fest ,  dass  ausser  den  zünftigen  ,  selbst 
noch  in  der  mittelalterlichen  Spfitzeit,  auch  klösterliche  Bauleute  exi- 
•  stirten.  (Vergl.  oben  S.  288  Note.)  ^)  So  führt  Nagle r,  Künstler- 
lexicon  17,  274  aus  Wimpfeling,  Cis  Rhenum  Germania  (Argent. 
1649)  p.  44  an,  dass  die  Bettelmönche  in  Strassburg  eine  grosse 
Bauschule  hatten,  und  in  Italien,  besonders  in  Florenz,  pflegten  die 
Dominicaner  in  ähnlicher  Weise  die  Baukunst.  (Vergl.  Marchese , 
Memorie  dei  piü  insigni  pittori,  scultori  et  architetti  Domenicani. 
Firenze.  1845.)  An  einem  Gewölbträger  in  der  Dominicanerkirche 
zu  Regensburg  ist  der  Baumeister  als  tonsurirter  Mönch  mit  dem 
Zirkel  in  der  Hand  dargestellt.  (Sighart,  Bayer.  Kunstgesch.  S.  311 
Fig.  110.)  Auch  bei  den  Cisterziensern  währte  die  Bauthätigkeit  der 
Laienbrüder  fort:  in  Bebenhausen  erbaut  1407  der  Laienbruder 
Georg  aus  dem  Kloster  Salmanns weiler  die  durchbrochenen  Dach- 
thürme  der  Kirche  und  des  Refectoriums ;   in  Maulbronn  errichten 

I)  Eine  sehr  anschauliche  Darstellung  von  dem  Baubetriebe  durch  Cistenienser« 
Luieiibrüder  mit  der  Unterschrift:  Constrvxere  domum  Conversi  Sbhönamensem 
;Schönau  bei  Heidelberg]  qvoa  pivs  tndvxit  religionis  amor,  ist  nach  einer  Handzeich- 
nung aus  dem  Anfange  des  XVI.  Jahrh.  mitgetheilt  im  Anzeiger  des  german.  Mu- 
seums von  ISOl  zu  No.  11. 


über  die  Bauhatten.  627 

die  Laienbrüder  Conrad  (Coneeraus  de  Schmye)  1493  und  Augustinus 
i5l<7  zierliche  Wendelstiegen.  Ein  Beispiel  aus  dem  Benedictiner- 
Orden  ist  der  Conventsbruder  Heidlberg  von  Nieder  -  Altaich ,  der 
1331  die  Kirche  zu  Frauenau  bei  Regen  erbaut.  Bei  den  Karthäu- 
sern in  Cöln  kommt  1398  der  verheirathete  Steinmetz  Gobelinus  als 
conversus  noßter  vor.  —  Als  interessantes  Beispiel  eines  unzünftigen 
Architekten  ist  der  Prager  Baccalaureus  Matthias ,  ein  » ziemlich  ge- 
lehrter« Schulmeister  zu  nennen,  welcher,  obwohl  er  die  Kunst  des 
Steinwerkes  von  niemand  erlernt  hatte,  im  J.  14  76  mit  Beifall  als 
Steinmetz  und  Baumeister  auftrat.  Als  der  Rath  zu  Kuttenberg  ihm 
1489  den  Fortbau  der  dortigen  Barbarakirche  anvertraut  hatte,  ent- 
standen dadurch  Streitigkeiten  zwischen  der  Steinmetzenzunft  in 
Kuttenberg  und  den  beiden  Bauhütten  in  der  Altstadt  und  auf  der 
Burg  zu  Prag.  Matthias  erhielt  den  Beinamen  Raysek,  weil  er 
überaus  schön  zeichnen  (böhm.  =  raysowati)  konnte.  Vergl.  Wocel 
in  den  Kunstdenkm.  des  Österreich.  Kaiserstaates  1,  181  und  in  den 
Mittheil,  der  k.  k.  Central  -  Comraission  etc.  (1861)  6,  107. 

1 1 1 .  In  Deutschland  finden  wir  um  die  Mitte  des  XV.  Jahrhun- 
derts die  ersten  urkundlichen  Zeugnisse  von  einer  dem  Drange  der 
damaligen  Zeit  entsprechenden  Vereinigung  mehrerer  Bauhütten  mit 
einander,  welche  sich  durch  ein  gemeinsames  Statut  den  vier  Haupt- 
hütten von  Strassburg,  Cöln,  Wien  und  Bern  (später  Zürich)  unter- 
ordneten und  dem  Werkmeister  des  Strassburger  Münsters  Vorsitz 
und  Oberrichteramt  übertrugen. 

Als  Motiv  der  Vereinigung  wird  in  der  ältesten  vorhandenen 
Urkunde  (Ordnung  der  Steinmetzen  zu  Regensburg  vom  J.  1459  und 
in  der  Bestätigung  dieses  Statuts  durch  König  Maximilian  vom  J.  1498  ; 
abgedruckt  bei  Heideloff  a.  a.  O.  S.  34  u.  57,  wo  S.  34—94  drei- 
zehn bis.  zum  J.  1697  reichende  Urkunden  über  Stein metzordnung 
mitgetheilt  sind)  angegeben,  »dass  rechte  Freundschaft,  Einhelligkeit 
imd  Gehorsamkeit  ein  Fundament  alles  Guten  ist«,  und  um  zu  Nutz 
und  Frommen  der  Bauherren  wie  des  ganzen  Handwerks  »künftige 
Zwieträchten,  Misshelligkeiten,  Kummer,  Kosten  und  Schaden«  ab- 
zuwenden. —  Man  hat  einen  specifischen  Unterschied  zwischen  den 
Steinmetz  Verbrüderungen  und  anderen  Zünften  darin  finden  wollen, 
dass  Erstere  in  ganz  Deutschland  durch  eine  gemeinsame  Ordnung 
gebunden  und  dagegen  von  städtischen  Localstatuten  seien  eximirt 
gewesen,  während  Letztere,  eines  gemeinsamen  Bundes  entbehrend, 
lediglich  unter  den  Localordnungen  ihrer  Wohnorte  gestanden  hätten  ; 
allein  auch  die  Bauhütten  hatten  nach  der  Zeit  und  des  Landes  Noth- 
dürft  noch  besondere  Localordnungen  (man  vergl.  z.  B.  die  von  Rei- 
chensperger  a.  a.  O.  S.  164  — 167  mitgetheilte  Trierer  Stein- 
metzen-Zunftordnung von  1397),  und  ebenso  fanden  bei  andern 
Handwerken  Verbindungen  der  einzelnen  Zünfte  in  weiteren  Kreisen 
statt :  so  traten  sogar  die  Schneiderzünfte  von  1 4  rheinischen  Städten 
im  J..  1520  zu  einem  gemeinsamen  Bündnisse  zusammen,  »weil  sie 


628  Anhang 

vermerkt  hatten,  wie  Billigkeit,  Friede,  Freundschaft  und  Gehorsam 
eine  Mutter  und  Gebärerin  alles  Guten  sei.«  Vgl.  Mone's  Anzeiger 
1839  Sp.  285  ff. 

112.  Aus  diesen  Urkunden  geht  die  ganze  Organisation  der  Bau- 
hütte hervor,  deren  Mitglieder  (Meister,  Parlirer,  Gesellen  und  Lehr- 
linge) sich  eines  frommen  und  ehrbaren  Lebens  zu  befleissigen  hatten ; 
von  besonderen  Mysterien  findet  sich  keine  Spur. 

Der  Meister  ist  das  Oberhaupt  der  Hütte  und  wird  für  einen 
Neubau  vom  Bauherrn  erwählt ;  bei  dem  ersten  Bau ,  den  er  unter- 
nimmt ,  muss  er  das  Zeugniss  mindestens  zweier  bewährten  Meister 
für  sich  haben,  dass  er  des  Werkes  gewachsen  sei ;  er  muss  den  Bau 
genau  nach  der  Visirung  ausführen  und  darf  daran  nichts  abbrechen ; 
es  ist  ihm  gestattet  zum  Steine  hauen  und  mauern  Maurer  anzuneh- 
men, die  jedoch  wider  ihren  Willen  der  Steinmetzordnung  nicht  un- 
terworfen sind;  gegen  seine  Untergebenen  soll  er  gerecht  sein,  sie  zu 
einem  frommen  und  ehrbaren  Leben  anhalten ,  keinen  Streit  unter 
ihnen  dulden  und  vorgebrachte  Klagen,  in  wichtigen  Sachen  unter 
Zuziehung  von  zwei  Nebenmeistern  ,  unparteiisch  entscheiden.  Als 
besonders  titulirt  werden  Werkmeister,  Stadtmeister  und  Baumeister 
unterschieden.  —  Der  Pariire r  (d.  i.  Sprecher,  jetzt  Polier),  von 
dem  Meister  im  Beisein  anderer  Meister  und  Parlirer  aus  denjenigen 
Gesellen  gewählt ,  welche  bereit«  wenigstens  ein  Jahr  auf  der  Wan- 
derschaft gewesen  waren ,  eine  wichtige  Person  in  der  Hütte ,  ist  der 
nächste  Vorgesetzte  der  Gesellen  und  Lehrlinge ,  der  eigentliche 
Werkführer  und  in  Abwesenheit  des  Meisters  dessen  unumschränk- 
ter Stellvertreter.  —  Die  Gesellen  sind  berechtigt  mit  den  Meistern 
in  der  Hütte  capitelsweise  zu  Berathungen  zusammenzutreten  und 
dürfen  unter  Umständen  einen  Bau  selbständig  führen ;  wenn  ein 
Gesell  den  Winter  über  bei  einem  Meister  Arbeit  gehabt  hat,  so  muss 
er  auch  den  folgenden  Sommer  bis  zum  Johannistage  bei  diesem  Mei- 
ster bleiben  ;  die  Statuten  enthalten  besondere  und  genaue  Discipli- 
narvorschriften  auch  für  die  wandernden  Gesellen.  —  Die  Lehr- 
linge (Diener)  müssen  fünf  Jahr  lernen,  wenn  sie  aus  dem  Rohen 
aufgenommen  werden  ;  sind  sie  dagegen  früher  schon  Maurer  gewe- 
sen, so  reichen  drei  Lehrjahre  hin.  Jeder  Meister  darf  höchstens 
fünf  Lehrlinge,  auf  Einem  Bau  nur  zwei  halten.  Bei  der  Lossprechung 
wurde  der  junge  Gesell  —  wie  dies  bei  allen  Zünften  zu  geschehen 
pflegte  —  mit  den  Innungsgeheimnissen  (dem  Gruss  und  der 
Schenk)  bekannt  gemacht,  um  sich  auf  der  nun  anzutretenden  Wan- 
derschaft, die  mindestens  ein  Jahr  dauern  musste,  auf  der  Hütte  Ic- 
gitimiren  zu  können ;  zugleich  empfing  er  auch  ein  Zeichen,  welches 
er  auf  jedem  von  ihm  bearbeiteten  Stein  anzubringen  berechtigt  war, 
sobald  der  Meister  oder  Parlirer  die  Arbeit  besichtigt  unJ  für  gut 
befunden  hatte. 
Anmerkung  1.  Die  Behauptung,  dass  die  Bauhütten  ein  sorgföltig 
bewahrtes  und  mit  ihnen  untergegangenes  künstlerisches  oder  symbolisches 


übtr  die  Bauhütten.  629 

Qeheimniss  gehabt  hätten,  ist  von  Schnaasea.  a.  O.  S.  313 — 329  gründ- 
lich widerlegt :  es  bleibt  davon  nichts  übrig  als  handwerksmässige  Hilfs- 
mittel der  Steinmetzen  zur  Ausführung  schwieriger  Formen  und  Gliede- 
rungen in  praktischer  Weise  ohne  geometrische  Kenntnisse.  Dass  derglei- 
chen Hilfsmittel  von  den  Eingeweihten  gegen  Lehrlinge  und  Gesellen  geheim 
gehalten  wurden  ,  liegt  im  Geiste  des  Zunftwesens  :  die  Statuten  verbieten 
die  Mittheilung  solcher  Künste  für  Geld  und  gestatten  dieselbe  nur  durch 
wechselseitigen  Austausch.  Vgl.  Heideloff,  die  Bauhütte  S.  36  unter  p. 
Anmerkung  2.  Schon  seit  dem  Schlüsse  des  XII.  Jahrh.  findet  man 
bei  den  Steinmetzen  die  Sitte,  sich  auf  einzelnen  Steinen  durch  Einmeissein 
von  Buchstaben  (vielleicht  den  Anfangsbuchstaben  ihrer  Taufnamen)  zu 
verewigen.  Einzelne  (die  etwa  nicht  schreiben  konnten  oder  geheimniss- 
volle Zeichen  liebten)  wählten  Abbildungen  von  Handwerkszeug  (Hammer) , 
verschiedenartige  Kreuze,  Planetenzeichen,  den  Drudenfuss,  den  Drei-  oder 
Vierpass  ,  auch  geometrische  Figuren  und  Zeichen  ,  die  beabsichtigte  oder 
zufällige  Uebereinstimmung  mit  Buchstaben  aus  den  Runenalphabeten  haben. 

3YJ;ATPXSI 

Fig.  236. 

Dergleichen  Zeichen  finden  sich  vereinzelt  an  den  älteren  Theilen  des 
Domes  von  Magdeburg,  von  denen  wir  Fig.  236  einige  nach  Brandt 
(a.  a.  O.  Taf.  l)  als  Probe  mittheilen;  ähnliche  kommen  an  den  älteren 
Theilen  des  Domkreuzganges  und  Langhauses  von  Halberstadt ,  auch  an 
der  spätroman.  Dortkirche  zu  Ober -Böblingen  bei  Eisleben  vor.  In  Süd- 
deutschland ist  dieselbe  Wahrnehmung  zu  machen,  und  Zeichen  der  betref- 
fenden Art  sind  an  den  noch  romanischen  Bauten  der  Schottenkirche  zu 


\ 


IT  ^ 


iff 


l/6'V 


Fig.  237. 


Regensburg  (vergl.  die  Proben  bei  Schuegraf,  Gesch.  des  Domes  von 
Regensburg  2,  84),  am  Dome  zu  Gurk  (Heider,  in  den  Kunstdenkm.  des 
Osterreich.  Kaiserstaates  2,  148,.  woher  wir  die  Probe  Fig.  237  entlehnt 
haben;,  am  Kreuzbau  des  Freiburger  Münsters  etc.  nachgewiesen.  Stein- 
metzxeichen*]  im  engeren  Sinne  dagegen  (vergl.  Fig.  238),  von  wesent- 


1)  Mit  denselben  sind  nicht  su  verwechseln  solche  Merkzeichen ,  welche  zum 
richtigen  Zusammensetzen  der  bearbeiteten  Steine  auf  denselben  angebracht  wurden 


630 


Anhang 


lieh  anderem  Charakter,  2  bis  3  Zoll  grosse,  meist  aus  geraden  Linien,  die 
in  allerlei  Winkeln  an  einander  geschoben  sind  oder  sich  kreuzen ,  später 


A 


s/ 


y 


\X'^ 


A 


Figf.  238. 


auch  complicirtere,  mit  krummen  Linien  untermischte  Formen  zeigen,  aber 
stets  eine  gewisse  Familienähnlichkeit  mit  einander  haben ,  kommen  erst 
seit  dem  Ende  des  XIV.  Jahrb.,  im  XV.  und  XVL  Jahrh.  regelmässig  auf 
allen  Werkstücken  vor  und  sind  in  sofern  bemerkenswerth ,  als  man  (ab- 
gesehen von  zufälligem  Wechsel  der  Gesellen)  aus  der  Wiederkehr  der 
nämlichen  Zeichen  an  verschiedenen  Gebäudeth eilen  schliessen  kann,  dass 
der  Bau  hinter  einander  fort  und  von  denselben  Arbeitern  gefördert  wurde ; 
aus  dem  Vorkommen  verschiedener  Zeichen  aber  im  Allgemeinen  das  Gegen- 
theil.  Als  ein  beachtenswerthes  Ergebniss  aus  der  vergleichenden  Betrach- 
tung der  Steinmetzzeichen  ist  anzuführen,  dass  das  Zeichen  des  Regens- 
burger Dombaumeisters  Conrad  Roritzer  (1430  —  1465)  nebst  mehreren 
anderen  im  Dome  von  Regensburg  vorkommenden  Zeichen  sich  auch  am 
Lettner  des  Domes  von  Magdeburg  (1445)  vorfindet.  ^)  —  An  einem  Pfeiler 
des  Domes  von  Regensburg  sind  auf  einigen  grossen  Ecksteinen  viele  Stein- 
metzzeichen neben  einander  angebracht,  von  denen  Schuegraf  a.  a.  O. 
auf  zwei  Tafeln  91  mittheilt,  und  es  scheint,  dass  die  Steinmetzen,  welche 
an  dem  grossen  Bau  des  Domes  nach  und  nach  Theil  nahmen,  sich  hier 
wie  auf  einer  Gedenktafel  durch  das  Einhauen  ihrer  Zeichen  verewigt  haben. 
Gleiche  Bedeutung  hat  auch  die  Steinmetzentafel  im  Chore  der  1434  voll- 
endeten Pfarrkirche  zu  Neumarkt  (oben  S.  624  Fig.  235),  wobei  zu  bemer- 
ken ist,  dass,  wie  öfter  vorkommt,  das  Zeichen  des  Meisters  wappenschild- 
artig umzogen  erscheint,  um  dasselbe  dadurch  Vor  den  Zeichen  der  Gesellen 
auszuzeichnen.  —  Im  Laufe  des  XVI.  und  XVII.  Jahrh.  kommen  neben 
und  ausser  den  eigentlichen  Steinmetzeeichen  auch  Monogramme  mit  den 
Anfangsbuchstaben  der  Namen  vor. 

Ueber  die  auf  Ziegeln  gebräuchlichen  Fabrikzeichen  vergl.  oben  S.  34 
Fig.  8. 

Eine  reichhaltige,  nicht  in  den  Buchhandel  gekommene  Sammlung  von 
Steinmetzzeichen  (mit  einem  Vorworte)  hat  Dr.  Back  in  Altenburg  heraus- 
gegeben; vergl.  Anzeiger  des  german.  Museums.  1863  Sp.  11-9.  —  Ueber 
Steinmetzzeichen  in  Breslau  vergl.  Alw.  Schultz,  in  den  Mittheil,  der  k.k. 
Central  -  Commission  (1862)  7,  52,  über  dergl.  in  Böhmen  Fz.  Jos.  Be- 
nesch,  ebd.  (1864)  9,  XLI  u.  Taf.  XI  f.  und  in  Bayern  Sighart,  Bayer. 
Kunstgesch.  S.  293  Fig.  101. 


und  z.B.  amWestportalbau  des  Domes  von  Rheixns  ( — ob  auch  irgendwo  in  Deutach- 
land ?  — )  förmlich  in  ein  System  gebracht  in  der  Gestalt  des  T ,  von  Halbmonden, 
Pfeilen,  Schuhsohlen  etc.  vorkommen.    Vgl.  Didron,  Annales  archäol.  3,  31. 

I)  Nach  der  Entdeckung  des  Herrn  Domcustos  Brandt  in  Magdeburg.  Vgl.  N. 
Mittheil,  des  Thüring.  -  Sttchs.  Vereins  VIII.  3  u.  4.  S.  168. 


über  die  BauhOtten.  631 

In  neuerer  Zeit  hat  besonders  Homeyer  (in  Wolfs  Zeitschr.  für 
deutsche  Mythologie  1,  183)  die  Aufmerksamkeit  auf  die  Haus-  und  Hof- 
marken  gelenkt,  die  offenbar  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  den  Stein- 
roetzzeichen  haben. 

Anmerkung  3.  Ueber  die  äusseren  Bedingungen,  unter  welchen 
sich  die  Baukunst  im  M.  A.  entwickelte  und  wirkte,  giebt  Auskunft,  eine 
Abhandlung  von  Mone  »über  die  Domfabrik  zu  Speier  (1220 — 1524)« 
in  Desselben  Anzeiger  für  Kunde  der  deut.  Vorzeit  V.  Sp.  92  ff.  und  24 1  ff. 
(Vgl.  VII.  Sp.  183  ff.).  Sehr  schätzbare  Aufschlüsse  über  den  ganzen  mit- 
telalterlichen Baubetrieb  liefern  in  reicher  Fülle  die  den  Zeitraum  von  1356 

—  1555  umfassenden  »Auszüge  aus  den  Baurechnungen  der  St.  Victors- 
kirche zu  Xanten,  herausgegeben  von  Dr.  H.  C.  Schölten.  1852«,  aus 
denen  die  bedeutende  Kostspieligkeit  einer  grossen  Bauausführung  auch  in 
damaliger  Zeit  hervorgeht.  Vergl.  auch  Luchs,  Herm. ,  Baurechnungen 
des  ehemal.  Dominikaner- Convents  zu  St.  Adalbert  in  Breslau,  aus  der 
Zeitschr.  des  Vereins  für  Gesch.  u.  Alterth.  Schlesiens  II.  2,   1  ff.  (1858). 

—  Jede  Stiftskirche  hatte  ihre  besondere  Baukasse  (fahrica  ecclenae)^  wel- 
cher ein  Geistlicher  (in  Xanten  unter  dem  Namen  eines  »mattster /ahrtcaev) 
vorstand.  Die  Einkünfte  derselben  waren  theils  regelmässige  (Renten  etc.), 
theils  zufällige  (die  Erträgnisse  von  Ablassertheilungen ,  CoUecten  durch 
ausgesendete  Sammler  [petitores  structur<ie) ,  Vermächtnissen ,  Geschenken 
an  Geld- und  Naturalien,  Kleidungsstücken,  Waffen,  allerlei  Geräthen  etc., 
welche  Gegenstände  zum  Besten  der  Baukasse  verkauft  und  in  Rechnung 
gestellt  wurden) .  Wenn  die  Mittel  reichlich  flössen ,  vermehrte  man  die 
Bauthätigkeit  und  schränkte  sie  wiederum  ein ,  wenn  es  gerade  an  Geld 
fehlte ;  konnte  man  dagegen  über  feste  und  hinreichende  Einnahmen  ver- 
fügen, so  pflegte  man  (mindestens  seit  der  zweiten  Hälfte  des  XV.  Jahrh.) 
gleich  den  ganzen' Bau  einem  bestimmten  Baumeister  in  Verding  zu  geben. 
Belehrend  über  die  ganze  Art  und  Weise,  wie  Bauten  im  späteren  M.  A. 
verdungen  und  die  Arbeitzeiten  und  Löhne  festgesetzt  wurden,  ist  der  Ver- 
trag des  Rathes  zu  Freiburg  i.  B.  mit  Hans  Riesenberger  von  Grätz  aus 
dem  J.  1471  (abgedruckt  in  H.  Schrei ber's  Münster  zu  Freiburg.  Bei- 
lagen S.  15  f.),  auch  der  Contract  wegen  Fortbau  des  Domthurmes  zu 
Frankfurt  a.  M.  mit  Hans  von  Ingelheim  vom  J.  1483  und  mit  Niclas 
Quecke  vom  J.  1494  (vgl.  Archiv  für  Frankfurts  Gesch.  und  Kunst  I.  3, 
40  ff.). 


Yerzeichniss  deutscher  Baumeister, 

nach  alphabetischer  Reihenfolge  der  Ortschaften  geordnet. 


Fig.  239.    Bonensack,  Baumeüter  des  Doms  in  Magdeburg.  *) 


Aachen.  Ritter  Gerard,  genannt  Chorus  {j  1369),  beginnt  den  Chor 
des  Münsters  und  das  Ratlihaus,  welches  seit  1370  Magister  Peter  von  der 
Kapellen  fortsetzt. 

Altenberg  bei  Cöln.  Reinold  von  Hochheim ,  in  seiner  Grabschrift 
super  omnes  rex  hptctdas  genannt,  verfertigt  1398  das  grosse  Prachtfenster 
an  der  Westfront  der  Klosterkirche. 

Annaberg.  Erasmus  Jacob  von  Schweinfurt  bringt  1520  das  Gewölbe 
der  Annakirche  zusammen. 

Angsbnrg.  Burkhard  Engelberger  (y  1512)  baut  um  1500  den  Chor 
der  Kirche  St.  Ulrich  und  Afra  (s.  Botzen,  Heilbronn  und  Ulm).  Das  Por- 
trät des  Meisters  von  H.  Holbein  befindet  sich  in  Kopenhagen. 


1)  Nach  einer  gdtigj^t  von  Herrn  Dotncustos  Brandt  mitgetheilten  Zeichnung. 


Verzeichnlss  deutscher  Baumeister.  633 

Basel.  Ein  Meister  Johann  wird  als  Erbauer  der  Klosterkirche  Klin- 
genthal genannt.  —  Am  Münsterbau  sind  thätig :  Johannes  von  Gmünde 
1357  ;  Conrad  von  Lindau  1400  ;  ein  Meister  aus  Strassburg  1414  ;  Meister 
Köfferlin  1422;  Meister  Hans  1437;  Hans  der  Steinmetz  1438;  Peter 
Knebel  von  Basel  um  1468;  Hans  von  Nussdorf  1472 — 1503  (welcher 
auch  die  Leonhardskirche  erbaut)  ;  Hartmann  von  Hallwyl  und  Conrat 
Hügelin  legen  1489  den  ersten  Stein  am  neuen  Schnecken  des  Thurms; 
Ruman  Väsch  1503  und  sein  Sohn  Paul  Parlier.  *) 

Bebeibansei  s.  oben  S.  626. 

Berlia.^)  Meister  Bernhard  vollendet  1474  den  Capitelsaal  des  Grauen 
Klosters.  —  Meister  Peter  Ottner  setzt  1514  die  Spitze  auf  den  Nicolai- 
thurm. 

Ben.  Baumeister  des  Münsters  :  Matthias  Heinz  von  Strassburg  1421 
Matthäus  Ensinger  (s.  Ulm)  1430;  später  dessen  Brudersohn  Matthias 
Stephan  Pfuttrer  1453;  der  westfälische  Meister  Erhard  Küng  seit  1469 
Peter  von  Biel  1520.  —  Vergl.  auch  Haslach.  «;■• 

BerMH.  Johannes  Möller,  ein  von  Lüchow  gebürtiger  Slave,  vollendet 
1519  die  Gewölbe  der  Kirche,  hatte  auch  1514  den  ehemaligen  Dachreiter 
der  Franciscanerkirche  in  Salzwedel  erbaut. 

Bellen.  Das  Westportal  der  Pfarrkirche,  erneuert  1498  von  den  Mei- 
stern Antoni,  Christoffl  und  Pemhard,  und  der  nördl.  Thurm  in  Folge  des 
Brandes  von   1499  nach  Burkhard  Engelbergers   (s.  Augsburg)  Plan  1501 

—  1519  von  Hans  Lutz  von  Schussenried. 

BnifleMbarg.  Am  Dom  als  maxister  struchtrae  1307  Hinricus  von  Gar- 
deleve. —  Heinrich  Brunsbergh  von  Stettin  erbaut  1401  die  Katharinen- 
kirche.  —  Martinus  Nicolaus  Graft  von  Stettin  erbaut  den  Thurm  am  Mohl- 
thore  1411.  —  Henrik  Reinstorp  erbaut  die  Trinitatiskapelle  der  Godt- 
hardskirche  1456.  —  Meister  Paul  erneuert  den  Dachreiter  der  Katharinen- 
kirche  1484,  erbaute  auch  1488  den  Thurm  der  Klosterkirche  zu  Neuruppin. 
Vergl.  Spandau. 

Binnaa  im  Innviertel.  Stephan  Kromawer  (Krumenauer;  s.  Wien) 
■{•  1461,  ein  Meister  des  Baues  der  Kirche,  in  welcher  sein  Grabstein  ist. 

BraiMchweig«  Werkmeister  des  altstädter  Kathhauses:  Berndt  der  Zim- 
mermann «  Hans  der  Steinhauer  um  1 394  ;  später  Hans  Hesse  und  Hans 
Müller,  Bildhauer;  1455  —  1468  Hinrick  Stenhorst.  —  Barward  Tafel- 
maker  erbaut  1518  den  oberen  Theil  des  südl.  Andreasthurmes. 

Brechtea  bei  Dortmund.  Inschrift  im  Chor  der  Kirche :  Henricus  de 
Essende  paravit  me. 

BreMea«    Restaurationsarbeiten  am  Dom  durch  Cord  Poppelken  1522. 

Bresla«.'^)    Die  Magistri  lapicidae  Martin  und  Alberich  erhalten  1299 

—  1302  Zahlungen  für  das  Olauer  Thor  und  das  Rathhaus.  —  Der  Stein- 
metz Jodocus  Tawchen  verfertigt  1455  das  Sacramenthaus  in  der  Elisabeth- 


1)  Vergl.  Fechter,  D.  A.,  das  Münster  zu  Basel.  1850. 

2)  Nicolai,  F.,  Nachricht  von  den  Baumeistern,  Bildhauern  etc.,  welche  vom 
XIII.  Jahrh.  bis  jetzt  in  und  um  Berlin  sich  aufgehalten  haben.   178G. 

3)  Schultz,  Alw.,  die  Architekten  u.  Bildhauer  Breslaus  vor  der  Reformation, 
n  den  Mittheil,  der  k.  k.  Central-Commiss.  etc.  (IS63)  8,  136—  Nl. 


034  Veneichnifls  deutscher  Baumeister. 

kirche,  nachdem  er  sich  bereits  durch  ein  solches  für  die  Sandkirche  em- 
pfohlen hatte,  und  übernimmt  1463  die  Vollendung  des  hohen  Chores  die- 
ser Kirche.  — -.  Der  Maurer  Hans  Bertolt  und  Franz  Brewer  »als  Steyn- 
metcze  mewrera  repariren  1465  Thurm  und  Kirche  St.  Barbara  und  con- 
trahiren  in  demselben  Jahre  wegen  Erbauung  der  Domvorhalle.  —  Franzke 
Frobel,  der  Zimmermann,  errichtet  1482  die  hohe  Spitze  des  Elisabeth- 
thurmes. 

irachsal.  Meister  Lorenz  erbaut  1444  die  Stiftskirche,  Hensel  Frosch 
1472  die  Michelskirche. 

Brüll*  Meister  Anton  Pilgram  baut  1502  die  Nordseite  der  Jacobs- 
kirche; s.  Wien. 

toUeai.  Den  Chor  der  Frauenkirche  erbaut  seit  1404  Meister  Johann 
von  Spey,  +  1420. 

CiilMar.  Wilhelm  von  Marburg  (-J-  1363  zu  Strassburg),  Werkmeister 
am  Chor  des  Münsters ;  an  dem  reichen  Portal  des  südlichen  Kreuzarmes 
steht  der  Name  Humbertus ;  femer  werden  genannt :  Heinrich  Arnolt, 
Rathswerkmeister  1378,  Meister  Vincenz  um  1460,  Meister  Lux  (vergl. 
Constanz)  1499  ;  Meister  Lorenz  von  Ueberlingen  (s.  dieses  undConstanz) 
erbaut  1505  den  mittleren  Thurm. 

Cib«^)  Ueber  die  Apostelkirche  s.  oben  S.  288.  —  Der  Bau  der  Cu- 
nibertskirche ,  begonnen  und  weitergeführt  consilio  et  magisterio  des  Sub- 
diaconus  Vogelo ,  der  die  Vollendung  1247  nicht  erlebte.  —  Baumeister 
des  Domes  :^)  Magister  Gerhard  von  Rile  (auch  von  Kettwig  genannt), 
ein  Steinmetz,  der  Sohn  eines  Cölnischen  Brauherrn,  1248 — 1295;  Ma- 
gister Arnold  1295—1301;  dessen  Sohn  Magister  Johannes  1301  —  1330, 
mithin  Vollender  des  Chores;  Magister  Rütger  1330 — 1332.  Aus  späterer 
Zeit :  Michael  1368  ;  Andreas  von  E verdinge  vor  1412  ;  Claiws  von  Buere 
1424  (i  1445);  Conrad  Koene  (Kuyn)  1452—1469;  Johann  von  Fran- 
kenberg 1469;  Meister  Heinrich  1478  —  1509  Parlier.  In  neuester  Zeit: 
Bauinspector  Ahlert  f  1833;  Ernst  Zwirner  (f  1861)  mit  den  Werkmei- 
stern Vincenz  Statz  und  F.  Schmidt;  Voigtel.  —  Baumeister  des  Karmeli- 
terklosters  :  Conrad  1 3 1 6 . 

C««stoM.  Werkmeister  am  Dom:  Heinrich  Arnolt  seit  1378,  Vin- 
ceneie  1450,  Lux  Böblinger  (vergl.  Colmar  und  Esslingen)  um  1492  — 
1499  ;  Lorenz  aus  Ueberlingen  (s.  d.  und  Colmär)  seit  1505. 

Baaiig.  Am  Bau  der  Marienkirche  sind  thätig :  Hinrich  Ungeradin 
1379  ;  Claus  Sweder  1425—1429  ;  Steffens  um  1444  und  1446;  Michael 
1484;  Hans  Brand  1485;  seit  1498 — 1502  bringt  der  Stodtmaurer  Hen- 
rich Hezel  die  Gewölbe  zu  Stande.  —  Hans  Glothau ,  Münzmeister  der 
Stadt,  erbaut  1487  — 1494  die  Schiessgartenhalle.  —  Das  Rathhaus  wird 
1379 — 1384  von  Meister  Heinrich  erweitert. 

iiesil«rf.  Der  ehrwürdige  Bruder  Iso,  Erbauer  der  1161  vollendeten 
Klosterkirche. 


1)  Merlo,  J.  J.,  Kachrichten  von  dem  Leben  und  den  Werken  Cölnischer 
Künstler.  1850. 

2)  Fahne,  Ant.,  Diplomat. Beitrage  zur  Gesch.  der  Baumeister  des  Cölner  Do- 
mes.  (1843)  2.  Aufl.   1S49.    Vergl.  Dombl.  IS50.  No.  61. 


Veneichniss  deutecher  Banmeister.  £35 

*  Btakebbttl.  Nicolaus  Eseller,  Vater  und  Sohn,  arbeiten  um  1450  an 
der  Georgskirche  ;  s.  Nördlingen. 

B^beraa.  Die  Sage  bezeichnet  den  Ljlbecker  Bürger  Peter  Wine  [Sapiens) 
7  1338  als  Baumeister  der  Klosterkirche;  er  war  indess  wohl  nur  Wohl- 
thäter  des  Klosters. 

i«rtaM<l.   Der  Chor  der  Reinoldikirche,  beendet  1450  Ton  Rozien. 

fcflenüult.  Meister  Wilhelm  Knoke  gründet  1394  den  Chor  der  Ober- 
kirche. 

EggeafeMm.  Die  Erbauung  der  Kirche,  unter  Einfiuss  des  Hans  Stein- 
metz; s.  Landshut. 

EhniageH.    Der  Chor  der  Kirche,  erbaut  1416  von  Hans  Ott. 

ElMbecL  Der  mittlere  Theil  der  Stiftskirche,  1404—1416  erbaut  von 
Hans  Molderan.  •* 

EMheabach  in  der  OberpfiEilz.  Meister  Hans  zu  Auerbach  gründet  1435 
die  Kirche. 

EasUagea.  Den  Bau  der  Frauenkirche  begann  nach  1421  Ulrich  von 
Ensingen;  sein  Sohn  Matth&us  leitete  denselben  von  Bern  (s.  d.)  aus  unter 
den  Ballieren  Meister  Hans  Hälin  (f  1436)  und  Matthias  von  Ensingen 
(t  1438);  den  Thurm  vollendete  Hans  von  Böblingen  1440—  1471  und 
starb  1482;  Hans  Gugelin  1462;  Marx  von  Böblingen  i  1492;  Stephan 
Waid  1492—1496;  Matthäus  von  Böblingen  (s.  Frankfurt  a.  M.,  Ulm, 
Memmingen  und  Ueberlingen)  1496  — 1505;  Dionysius  von  Böblingen 
1513;  Marx,  Steinmetz  von  Stuttgard,  seit  1516. —  Die  Katharinenkirche, 
1485  gegründet  von  Matthäus  von  Böblingen. 

Felchtea  bei  Trostberg  in  Oberbayem.  Die  Kirche  erbaut  1502—1513 
Qeoig  Steinbrecher. 

FeMUrcb  in  Vorarlberg.  Hans  Sturm  erneut  die  Kirche  nach  einem 
Brande  von  1478. 

Fiakeasteia  bei  Villach.  Meister  Jerg  Steinmzer  in  Clagenfurt  erbaut 
1472  die  Kirche. 

Fraakftirt  a.  M.  ^)  Friedrich  Königshofen  baut  1405—1408  den  Rö- 
mer, wozu  Jacob  von  Cöln  1415  Rath  ertheilt.  —  Werkmeister  des  Dom- 
thurmes  :  den  Grund  legt  1415  Madern  Gertener;  ihm  folgt  1432  Jleister 
Leonhard;  1434  Meister  Michel ;  1437  Wigand;  1440— 1464  Jost;  1468 
Bartholomeo;  1470.Jorgen;  1480—1491  Hans  von  Ingelheim ;  1483  giebt 
Matthäus  Böblinger  (.s.  Esslingen)  Rath  wegen  des  Fortbaues ;  1 494  Niclas 
Quecke  von  Mainz;  1503 — 1512,  wo  der  Bau  liegen  blieb,  Jacob  von  Ett- 
lingen. —  Den  Chor  der  Leonhardskirche  erbaut  Meister  Hencfain  1434. 

Fraataaa  s.  oben  S.  627  zu  §  HO. 

Fnaeabarg  s.  oben  S.  625  Nota  1. 

Frtibarg  in  B.  Baumeister  am  Münster  :  Meister  Peter  von  Basel  und 
Meister  Heinrich  der  Leittrer  1332  :  Johann  von  Gmünd  1359 ;  Hana  Rie- 
senberger  von  Grätz  (gebürtig  aus  Prag]  erbaut  1471  —  1513  den  Chor. 
Spätere  Werkmeister:  Johannes  Dixmenni  1520,  Hermann  Neuhäuser  von 


1)  YergU  Owinner,  Ph.  F.,  Kunst  und  Künstler  in  Frankfurt  a.  M.  1862. 
471  «. 


636  Verzeichniss  deutscher  Battmeister. 

Münster  f  1524,  Leonhard  Müller  bis  1533,  Hans  Mentzinger  von  Basel 
und  Wolf  Koch  von  Ruffach  bis  1554. 

Prelbirg  a.  d.  U.  Meister  Peter  von  Weissenfeis  baut  1499  Pfeiler 
und  Gewölbe  der  Stadtkirche. 

freisittg.  An  der  Deckplatte  eines  Säulencapitäls  in  der  Krypta  (um 
1200)  steht  der  Name  Liutprecht  eingegraben. 

Fre«<len8ta<lt    Heinrich  Schikkard  erbaut  1601 — 1608  die  Kirche. 

Meilai  bei  Pettau.    Jacob  Zekel  erbaut  1495  das  Franciscanerkl oster. 

CainersheiM.  Bauleute  an  der  14S8  gegründeten  Kirche:  HansKoppt, 
Cunz  Maurer ,  Jeronymus  Mair ,  Cunz  Paintner ;  1516  waren  Baumeister 
Hans  Mayer  und  Peter  Haberrein. 

fiehhaasfl.  Heinrich  Vingerhut  gilt  als  Erbauer  der  Marienkirche, 
um  1250. 

(ie«rgfMtluil.   Um  1246  war  der  Mönch  Wigand  Baumeister. 

toODil.  Heinrich  Parier^),  Vater  des  später  in  Böhmen  thätigen  Peter 
Parier  (s.  Prag,  Kolin  und  Skutsch),  beginnt  1351  die  Kreuzkirche. 

toMlenberg  bei  Neumarkt  in  der  Oberpfalz.  Hans  Frommüllner  1474 
Werkmeister  der  Kirche. 

Mrliti.    Meister  Conrad  und  sein  Gehilfe  Urban  Laubanisch  vollenden 

1497  die  Wölbungen  der  Petri- Paulikirche.  —  Blasius  Bohrer  vollendet 

1498  die  Kirche  zum  heil.  Kreuz.  —  Albrecht  Stieglitzer  erbaut  1508  die 
Annenkirche. 

({•slar.  An  einer  reich  verzierten  Säule  der  spätroman.  Domvorhalle 
(oben  S.  411)  nennt  sich  Hartman us  als  Verfertiger. 

Cirk«    Den  Anfang  des  Dombaues  machte  ein  »exul  Wido.v 

lall  in  Schwaben.  Meister  Conrad  vollendet  1525  die  Michaeliskirche. 

lalle  a.  d.  S.^)  Conrad  von  Eimbeck  wird  als  Erbauer  der  1388  ge- 
gründeten Moritzkirche  genannt.  —  Johann  Rod  ist  1470  am  Bau  des  ro- 
then  Thurmes  thätig.  —  Carl  DrachstÄdt  beginnt  1493  den  Thurm  der 
Moritzkirche,  deren  Chor  1511  von  Georg  Ihener  von  Orlamünde  vollendet 
wird.  —  Nicolaus  Hoffmann  vollendet  1554  die  Marktkirche  und  erneuert 
1557  die  Gewölbe  im  Schiff  der  Moritzkirche. 

lankug.  Heinrich  Berends  von  Hannover  erbaut  1514  — 1516  den 
oberen  Theil  des  Petrithurmes 

laMM.    Die  Klosterkirche,  erbaut  von  Rotger  Brecht  1510—1512. 

laBierer.  Die  Aegidienkirche  wird  1347  durch  die  Meister  genannt 
von  Witmeiers  begonnen. 

laslack.  Winhing,  ein  Sohn  Erwins  von  Steinbach  (s.  Strassburg) 
\  1330,  Erbauer  der  Collegiatkirche.  Von  ihm  soll  auch  der  Terrassenbau 
herrühren,  auf  dem  sich  das  Münster  zu  Bern  erhebt. 

leMelberg.    Hans  Marx,  seit  1423  Werkmeister  der  heil.  Geistkirche. 

lellbrana«  Burkhard  Engelberger  (s.  Augsburg)  vollendet  seit  1480 
den  Chor  der  Kilianskirche ,  an  welchem  vorher  Hans  von  Mingolsheim 


1)  So,  und  nicht  Arier,  kommt  der  Name  in  einer  Urkunde  von  1.387  vor.  Vergl. 
Mittheil,  der  k.  k^  Central-Commiss.  (1S65)  10,  LXXIV. 

2)  Im  Anhange  su  C.  £.  Förfltemann'a  Gratulationsschrift:  Händeis  Stamm- 
baum IS44.  Notizen  über  Bildhauer,  Maler  etc.  de«  XVI.  u,  XVII.  Jahrhunderts. 


Verzeichni«s  deutscher  Baumeister.  637 

thÄtig  gewesen  sein  soll.  (Letzterer,  aus  der  Gegend  von  Bruchsal  gebürtig, 
baute  viel  in  Schwaben ,  namentlich  die  Kirche  zu  Laufen  am  Neckar ,  und 
unterschrieb  die Strassburger  Steinmetzenordnung  von  1464  zu  Speier  1494.) 
Den  Thurm  der  Kilianskirche  bringt  Hans  Schweiner  von  Weinsberg  1507 
—  1529  zu  Stande. 

leiligenbllt  in  Tirol.  Werkmeister  der  Kirche  1483  Hans  Huber  zu 
Sigmundskron  bei  Botzen. 

leiligenstailt  im  Eichsfelde.  Johann  Thene  und  Peter  Armknecht  er- 
neuern nach  1333  die  Stiftskirche,  deren  Gewölbe  Johann  Wirauch  1485 
verfertigt. 

lerrenalb.  Im  Paradies  der  Klosterkirche  befindet  sich  der  Grabstein 
des  Burchart  Steinmetz  f  1300  . 

Hildriihaisen.  Jacob  Halltmayer  erbaut  1515  den  Chor  der  Kirche. 

Hirschhorn  bei  Heidelberg.  Die  Brüder  Georg  Philipps  und  Engelhard 
von  Hirshorn  erbauen  1517  die  Erschheimer  Kirche  am  linken  Ufer  des 
Neckar. 

Hamherg.  Vierter  Werkmeister  der  Kirche  war  1374  Heinrich  von 
Hessen  rode. 

Ilbeistadt  Die  goth.  Kreuzgewölbe  der  Kirche,  von  einem  Meister 
aus  Assenheim. 

Ingolstadt.  Die  Frauenkirche  erbauen  1425  — 1439  Conrad  Glätzel  und 
Heinrich  Schnellmüller  (f  1431);  von  1510  — 1514  Erhard  Heidenreich 
und  als  Parlier  sein  Bruder  Ulrich ;  s.  Regensburg. 

Karlstein.  Matthias  von  Arras  (s.  Prag)  beginnt  1348  den  Bau  der 
Burg. 

Mirchberg  am  Wechsel.  Werkmeister  der  Wolfgangskirche  um  1400 
war  Michael  Weinwurm  von  Wiener-Neustadt,  der  auch  das  Herzogsschloss 
in  Laxenburg  erbaute  und  vor  1418  starb. 

MIattan  unweit  Pilsen.  Das  Rathhaus  erbaut  Anton  Salpellyn  1548 
^1555. 

Mtflin.  Peter  von  Gmünd  (s.d.)  beginnt  1360  den  Chor  der  Bartholo- 
mäikirche.    Vgl.  Merlo,  im  Organ  f.  christl.  Kunst  1865  No.  4. 

Moniggräü.  Matthias  Raisek  verfertigt  1492  das  reiche  26  F.  hohe 
Sacraraenthaus  der  Heil.  Geistkirche  zu  Königgrätz ;  s.  Kuttenberg. 

Kornwestheini  bei  I^udwigsburg.  Meister  Hans  von  Ulm  erbaut  1516 
die  Kirche. 

Knunan.  Werkmeister  der  Erzdechanteikirche  war  seit  1407  Johann 
Stanko. 

Mnttenberg.  Der  Bau  der  Barbarakirche  soll  von  Peter  Parier  begonnen 
worden  sein.  Seit  1483  waren  dabei  thätig  Jan  Hanusch,  1489 — 1499 
Matthias  Raisek  (s.  oben  S.  627  zu  §  110),  1510  Benedict  von  Laun  (s. 
Prag  und  Laun)  und  Meister  Niclas  bis  1548. 

Landshut.  Werkmeister  der  1407  begonnenen  heil.  Geist-  und  der 
Martinskirche  war  Hans  Steinmetz  (vollständig  Hans  Stettheimer  von  Burk- 
bausen)  f  1432.  Von  ihm  sind  ausserdem  der  Chor  der  Kirche  in  Neu- 
Oetting,  das  Schiff  der  Pfarrkirche  in  Wasserburg,  der  Chor  der  Francis- 
canerkirche  in  Salzburg  und  die  Kavmeliterkirche  in   Straubing.     In   der 

OttCf  Kunst-Arnhüologie.  4} 


638  Verzeichniss  deutscher  Baumeister. 

Bauführung  der  Martinskirche  folgte  ihm  sein  gleichnamiger  Sohn,  welcher 
bis  1459  erwähnt  wird. 

Laifei  a.  N.  s.  Heilbronn. 

Lam«  Der  hieselbst  1451  geborene  Meister  Benedict  (Benesch)  führte 
1520 — 1528  den  Bau  der  Stadtkirche  und  starb  1531;   s.  Kuttenberg. 

Laxeabirg  s.  Kirchberg. 

Leisnig,  Ulrich  Halbbutter  vollendet  1484  die  Gewölbe  der  Matthias- 
kirche. 

LiegnltS.  Werkmeister  der  Petri-Paulikirche :  Wilandl323;  Conrad 
1378;  Claus  Parlirer,  Heinrich  Beringer  und  Nicolaus  Becker  1386. 

L«ceM.   Baumeister  Bado  beginnt  1240  die  Klosterkirche. 

L&beck.  Werkmeister  der  Annenkirche  war  Synsing^s  Hesse  aus 
Braunschweig  1502—1510. 

lagflebarg.  An  einem  der  südlichen  Pfeiler  im  Dome  steht  unter  der 
Bildnissfigur  eines  Mannes  (s.  den  Holzschnitt  S.  632  Fig.  239)  der  Name 
Bonensack,  welches  der  Baumeister  des  im  J.  1208  gegründeten  Domes  ge- 
wesen sein  soll.  Am  Hauptportal  der  Kirche  befindet  sich  ebenfalls  die 
Statue  eines  Baumeisters  (oben  S.  287  Fig.  123)  und  zwar  anscheinend  im 
geistlichen  Kleide ,  einen  Baustein  auf  der  Schulter  tragend.  Urkundlich 
kommt  1379  Künzel  Vrankenword  als  ein  am  Dombau  thätiger  Werkmeister 
vor.  Im  Jahre  1493  verhandelt  das  Domcapitel  mit  dem  Steinmetzen  Hein- 
rich Bethen  über  den  Fortbau  der  Domthürme.  —  Hans  Irxleben  macht 
1453  die  Zeichnung  zu  dem  Thurm  der  Johanniskirche. 

laim.  Im  J.  1459  kommt  Niclas  Eiser  aus  Nördlingen  (s.  d.)  als 
Dombaumeister  in  Mainz  vor.  —  Im  Kreuzgange  des  Domes  eine  Grab- 
schrift aus  dem  XV.  Jahrhundert:  Hie  est  sepultura  magistri  Joannis 
Weckerlin  ac  uxoris  et  parentum,  nee  non  omnium  progenitorum  suorum, 
lapicidarum  hujus  ecclesiae. 

larbnrg.  Werkmeister  der  Marienkirche  war  um  1452  Meister  Werner. 

lanlbroM  s.  oben  S.  626  f.  zu  §  110. 

leiten  s.  Zug. 

lelssen.  Meister  Arnold  Bestürling  aus  Westfalen  baut  1471  —  1483 
die  Albrechtsburg. 

leMHingei.  Matthäus  Böblinger  |  1505,  Werkmeister  der  Kirche; 
s.  Esslingen. 

■ersebnrg.  Hans  MOstel,  Burgemeister  daselbst,  baut  um  15 4  0  die 
Vorhalle  des  Domes  aus  -j-  1558. 

InncbMi.  Jörg  Gangkofer  von  Haslbach  bei  Moosburg  |  1488,  Erbauer 
der  Frauenkirche,  wozu  er  1470  eine  Studienreise  nach  Ulm  und  Augsburg 
auf  Kosten  der  Stadt  München  machte.  Zimmermeister  des  Dachstuhlea 
war  Heinrich  von  Straubing ,  der  auch  die  Uferbauten  in  seiner  Vaterstadt 
ausführte . 

■iinster«  Meister  Cornelius  soll  1375  den  Plan  zur  Lambertikirche 
entworfen  haben. 

Neihaasei  bei  Worms.  Peter  Bischoff  von  Algesheim  war  um  1468 
Baumeister  der  Kirche  und  wurde  1473  städtischer  Werkmeister  in  Strass- 
burg. 

Ken-tettilg  s.  Landshut. 


Verseichniss  deutscher  Baumeister.  ß39 

Nei-lippil  s.  Brandenburg.  —  Meister  Claus  Nickel  von  Berlin  erbaut 
1521  die  westl.  Theile  der  abgebrannten  Marienkirche. 

Neass  s.  oben  S.  288  zu  §  65. 

Neistailt  a.  d.  Haardt.    Marcus,  Werkmeister  der  Stiftskirche  1394. 

Neutailt  bei  Marburg.  Hans  von  DOmberg  erbaut  um  1462  den 
SchloBSthurm . 

KlMa.  Peter  Gulert  beginnt  1491  den  Thurm  der  abgebrochenen  Jo- 
hann iterkirche. 

Nardhaiseil.    Risle  Tilo,  Baumeister  des  Petrithurmes  1377. 

NariltiHgea.  Baumeister  an  der  Georgskirche  :  Meister  Hans  von  Ulm  *) 
1427 — 1435  (s.  Komwestheim  und  Waiblingen),  Conrad  Heinzelmann 
1429  (später  thätig  in  Waiblingen,  Landau  und  an  der  Lorenzkirche  in 
Nürnberg),  sämmtlich  von  Ulm;  Nicolaus  Eseller ^)  von  Alzei  und  dessen 
Sohn  gl.  N.  1454  —  1459  (auch  in  Mainz,  Augsburg,  Rothenburg  und 
Dinkelsbühl  thätig) ;  Hanitz  seit  1455  (i  1480)  ;  Claus  Höflich  und  Hans 
von  Salzdorf  um  1457 ;  Wilhelm  Kreglinger  von  Würzburg  1464  —  1480  ; 
Heinrich  Kugler  1490  und  Stephan  Weyrer  f  1528;  letzterer  verfertigt 
1495  —  1505  die  Gewölbe. 

Nürnberg,  Die  Brüder  Georg  und  Fritz  Ruprecht  und  der  Bildbauer 
Sebald  Schonhofer  erbauen  1354 — 1361  die  Frauenkirche. —  Meister  Hein- 
rich (Beheim)  der  Balier  erbaut  1385 — 1396  den  schönen  Brunnen.  — 
Werkmeister  an  der  Lorenzkirche:  Herman  Kessler  1380;  Martin  Haller 
und  Albrecht  Ebner  seit  1403  ,  Heinrich  Ammon  und  Rudolf  Gundelfinger 
1418;  Conrad  Heinzelmann  aus  Ulm  (beginnt  nach  dem  Plane  Conrad  Ro- 
ritzers  fs.  Regensburg]  den  Chor)  1445 — 1448;  Conrad  Roritzer  nach 
1448;  Hans  Bauer  aus  Ochsenl'urt  seit  1458;  seit  1462  der  Ballier  Matthias 
Roritzer,  der  1463  Meister  wurde;  seit  1466  Jacob  Grimm,  welcher  früher 
schon  die  »steinerne  Brdcke«  gebaut  hatte.  —  Das  Augustinerkloster  erbaut 
Hans  Beer  1485  —  1488. 

tber-Bingalisg.  Matthäus  von  Maessing  erbaut  um  1484  den  Chor 
der  Kirche. 

tber-JeslBgea  bei  Herrenberg.   Heinrich  Murer  erbaut  1 5 1 8  die  Kirche. 

tehriDge«.  Am  Bau  der  Stiftskirche  sind  1491  Meister  Hans  von  Au- 
rach und  sein  Mitgesell  Meister  Bernhard  thätig. 

Mira.  Meister  Bartholomäus  Piper  erbaut  1582 — 1593  die  Netzgewölbe 
des  Mittelschiffes  der  Kirche  und  das  Refectorium :  letzteres  im  Jesuitenstil. 

ippenhein.  Um  1280  ist  Werner  (aus  einer  Cölner  Steinmetzenfamilie) 
an  der  Katharinenkirche  thätig. 

Passan.  Hans  der  Krumenauer  (wahrscheinlich  Vater  Stephan  Krumer 
nauers;  s.  Braunau)  begann  1407  den  Dombau,  an  dem  später  als  Bauführe- 
vorkommen :  Georg  Bundelich  f  1-466  und  Hans  Lindorfer  1498  ;  als  Stein- 
metzen :  Stephan  Huber  y  1  17!  und  Stephan  Herrer  y  1490. 

Petershaasen  bei  Constanz.  Wezilo  von  Constanz.  »«r  clerico  opifexny 
Erbauer  der  1 162  begonnenen  Klosterkirche. 

1)  Ein  »Hans  von  Ulm«  kommt  zwischen  1404—1516  verschiedentlich  vor,  offen- 
bar als  Bezeichnung  mehr  als  eines  Meisters  dieses  Namens;  vergl.  Anzeiger  des  ger- 
man.  Museums.    IS5S.  Sp.  292.   1859.  Sp   443  u.  1860.  Sp.  193. 

2)  Dieser  Name  ist  schwankend;  es  findet  sich:  Elser,  Geiser,  Oeller,  Eseler. 

41* 


540  VerzeichniBs  deutscher  })uumeii«ter. 

frag,  Matthias  von  Anas  (f  1352)  gnlndet  1344  den  Dom,  dessen 
Bau  unter  Peter  Parier  von  Gmünd  (s.  d.)  1385  ins  Stocken  gerieth. 
Letzterer  begann  auch  1357  die  Moldaubrücke.    Vergl.  Karlstein. 

Predel  bei  Zeitz,    Hans  Bainer  erbaut  1407  die  Dorfkirche. 

Regeisbirg.  Baumeister  des  Domes:  Magister  Ludovicus,  magister 
operis  "i"  vor  1306;  zwischen  1312  und  1340:  Meister  Albrecht  (unter  ihm 
waren  thätig  der  Steinmetz  Meister  Luch,  der  Zimmermeister  Heinrich, 
Berthold  der  Steinmetz ,  Wirnhart  der  Steinmaissel ,  Jacob  der  Aistetter 
1328  und  die  Steinmetzen  Hermann  der  Hetzenbeck,  Conrad  der  Pelitz, 
Heinrich  im  Grase  und  Berthold  der  Kranwitsvogel,  sämmtlich  Büi^er  der 
Stadt)  ;  femer  seit  1351  :  Heinrich  der  Zehentner  und  Marquard  der  Zim- 
mermeister; Ulrich  der  Symbel  (1351  — 1392),  Dietrich  der  Steinmaissel, 
Berchtold  der  Steinprech ,  Meister  Wolfbart  1355,  die  Steinmetzen  Frie- 
drich und  Matthias;  Liebhart  der  Mynner  und  unter  ihm  thätig  Heinrich 
der  Dirnstetter  (1399),  beide  aus  den  angesehensten  Bürgerfamilien  der 
Stadt;  im  XV.  Jahrb.:  Meister  Wenzel;  Andreas  Egl  (1436—1450)  und 
neben  dem  Werkiührer  Friedrich  Spys  1451  zuerst  als  Werkführer,  dann 
als  Baumeister  Conrad  Roritzer  aus  einer  Patricierfamilie  der  Stadt  (s.  Nürn- 
berg) ;  seit  etwa  1480  des  letzteren  Sohn  Mathes  (vergl.  oben  S.  29),  dann 
1495  dessen  jüngerer  Bruder  Wolfgang  f  1514,  hierauf  Erhard  Heyden- 
reich  f  1524  (s.  Ingolstadt). 

leinackera  bei  Maurmünster.  Die  Kirche,  erbaut  1410  von  Lude- 
mann. 

Romhild.  Meister  Albert  erbaut  zwischen  1450  und  1470  die  Stifts- 
kirche. 

Salmannswef ler.    Marx  Werkmeister  1 5 1 S . 

Saliwedel.  Der  Chor  der  Franciscanerkirche,  1435  — 1453  erbaut  von 
Meister  Heinrich  Reppenstorf ,  das  Schiff  1493  von  Simon  Breslaw  »Mur- 
man«.   Vergl.  auch  Bernau. 

St  Mathariia  in  Steiermark.  Sigmund  ,  Werkmeister  zu  Judenburg, 
erbaut  die  Kirche  1507. 

8t  Lambrecht  bei  Neustadt  a.  d.  H.  An  der  Dominicaner- Nonnen- 
kirche und  am  Chor  derselben  arbeitete  der  Bruder  Rudolfus  Currificus  um 
Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts. 

St.  larell  bei  Sekkau.  Nicolaus  von  Admont  erbaut  um  Mitte  des 
XV.  Jahrb.  die  Kirche. 

8t.  Yelt  bei  Baden  inOesterreich.  Johannes  von  Wien  war  1377  Werk- 
meister der  Kirche. 

8t.  Valfgang  s.  Zug. 

ScUefdeil  in  der  Eifel.  Jacob  Kyllwald  erneuert  1518  —  1525  die 
Kirche. 

ScbmalkaMen«  Jörg  Meiher  aus  Erfurt  baut  1437  den  Chor  der  Stadt- 
kirche. 

Schneeberg.  Meister  Hans  und  Meister  Fabian  Lobwasser  erbauen 
1516—  1540  die  Pfarrkirche. 

Schwaigen  bei  Heilbronn.  Bernhard  Sporer  baut  1513 — 1515  die 
Kirche  um. 


Verselchniss  deutscher  Baumeister.  54 1 

Sf  hwai.  Werkmeister  der  angeblich  von  Lucas  Hirschvogel  von  Nürn- 
berg (f  1475)  erbauten  Kirche  soll  Caspar  Rosenthaler  gewesen  sein. 

Skitsch.  Die  Pfründener-SpitÄlkapelle,  erbaut  von  Peter  Parier  (Alt- 
böhmisch =  Pessco  parleris)  1387;  s.  Gmünd. 

Soest.  An  einer  spätroman.  Säule  in  der  Peterskirche  steht:  Heren- 
fridus  mefecit.  —  Die  Wiesenkirche,  begonnen  1340  durch  Meister  Johan- 
nes Schendeler. 

Spanilu.  Meister  Paul  (Rathstock?)  erbaut  1467  den  Chorthurm  der 
Nicolaikirche;  s.  Brandenburg. 

Steler.  Die  Stadtkirche,  begonnen  1443  von  Hans  Buchsbaum,  später 
waren  beschäftigt  Martin  Kronschacher  nach  1454,  Wolfgang  Denk  \  1515, 
Martin  Schwedcharer  1522. 

Strtssbnrg.  Baumeister  des  Münsters:  Magister  Erwin  von  Stein- 
bach, ffubemator  /ahrtcae ,  1277  f  1318;  sein  Sohn  Magister  Johannes 
-[  1339  (vergl.  Haslach)  ;  auch  seine  Tochter  Sabina  verfertigte  Statuen  für 
das  Münster;  Claus  von  Lohre  vor  1400  ;  Ulrich  von  Ensingen  (s.  Ulm) ; 
zwei  Junker  von  Prag*)  ;  Johann  Hültz  von  Cöln,  Vollbringer  des  hohen 
Thurms  f  1449  ;  Jost  Dotzinger  von  Worms,  Erbauer  des  Chors  der  Kirche 
Alt  St.  Peter,  1452—1472  ;  auf  ihn  folgt  sein  früherer  Ballier  Conrad  Vogt 
bis  1484;  Hans  Meyer  1485;  Jacob  von  Landshut  1495  — 1509;  Han« 
Hammerer  1510  — 1520;  Bernhard  Nunnenmacher  1538;  Bernhard  von 
Heidelberg  1539  — 1551  u.  s.  w. 

Stranbing  s.  Landshut. 

Stuttgart.  Meister  Walther  der  Steinmetz  erbaut  um  1330  den  Chor 
der  Stiftskirche,  bei  welcher  Meister  Eberlin  um  1451  — 1467  Werkmei- 
ster war. 

Tangermiiiide.  Minhart  von  Wolderode  1398  Baumeister  der  Stephans- 
kirche. 

Taifers.  Die  Pfarrkirche,  vollendet  durch  Valtin  Winkhler,  Steinmetz 
zu  Pfalzen,  1527. 

Tegernse«.    Georg  Feuermüller  erbaut  die  Abteikirche  1471  — 1478. 

Thaon*    Remigius  Walch  vollendet  den  Kirchthurm  1516. 

Tirschfnreilth.   Jacob  Mair  erbaut  1482  den  Chor  der  Kirche. 

Trebnitl.  y>Magüter  Jacohus  laptctda«  wird  in  der  Stiftungsurkunde  des 
Klosters  von  1208  mit  einer  Strecke  Landes  beschenkt. 

Trier.  Jodocus  von  Wittlich  erbaut  1513  die  Netzgewölbe  der  Kloster- 
kirche von  St.  Matthias. 

Ucberlliigen,  Werkmeister  am  Münster :  Eberhard  Ilaben  aus  Franken 
um  1400;  Matthäus  Böblinger  s.  Esslingen;  Meister  Lorenz  bis  1505,  s. 
C'Onstanz  ;   Meister  Conrad  1518. 

Ulm.^)    Am  Münster:   die  Meister  Heinrich  und  Michel  1378,   Ulrich 

1)  Die  »Jungkhem  von  Prag«  führt  der  Kegensburger  Dombaumeister  Mathes 
Koritzer  in  der  Dedication  seines  1-1  Sß  verfassten  Buches  »von  der  Fialen  Qerechtig- 
keit«  (oben  S.  29}  an  als  i»der  kunsie  wissende«  unter  den  Alten.  Sighart  (Bayersch. 
Kunstgesch.  S.  .'HO  und  in  den  Mitthcil.  der  k.  k.  ('entral  -  Commission  (1S65)  10, 
LXXXIV)  giebt  ohne  Anführung  der  Quelle  ihre  Zahl  auf  drei  an,  und  ihre  Namen : 
Janec,  Wenzel  u.  Peter.    Vergl.  auch  Bernh.  Grueber,  ebd.  (186«)  II.  Heft  2. 

2)  Jäger,  C,  über  die  Steinmetzen,  Bildschnitzer  und  Maler  Ulms,  im  Kunstbl. 
1833  No.  100  ff. 


642 


Verzeichniss  deutsoher  Baumeister. 


Ensinger  aus  Bern  1390  (s.  Esslingen)  f  1429,  seine  Söhne  Caspar  und 
Matthäus  (letzterer  1465 — 1480)  und  dessen  Sohn  Moritz ;  nachher  Mat- 
thäus Böblinger  von  Esslingen  (s.  d.)  1474 — 1492,  welcher  von  Ulm  flie- 
hen musste,  da  der  Grund  des  Thurmes  wich;  er  war  auch  in  Esslingen 
und  Frankfurt  a.  M.  thätig.  In  Ulm  folgten  auf  ihn:  Hans  Gugelin  1492, 
Stephan  Waid  1496  — 1505,  Dionysius  Böblinger  1503,  Marx  Steinmetz 
(1516)  ,  auch  der  als  Kirchenbaumeister  zu  Augsburg  und  Heilbronn  be- 
kannte Burkhard  Engelberger  von  Homberg  (f  1512)  von  1494 — 1502; 
femer  Licnhard  Aeltlin  von  Kellheim,  Bernhard  Winkler  von  Kosenhain, 
Hans  von  Frankfurt,  Jerg  von  Hall,  Lienhard  von  Amberg,  Michael  Mader 
von  Berlin  u.  A.  m. 

WaibUlgei.    Hans  von  Ulm  (f   1480),  Erbauer  der  äusseren  Kirche 
1459;   s.  Nördlingen. 

Vaikenrieil.    Die  Klosterbrüder  Jordan  und  Berthold  entwerfen  1207 
den  Plan  des  Klosters.    Der  Abt  Heinrich  (1223  —  1225)  ist  Architekt. 

Vassprbarg.   Den  Chor  und  das  Yorhaus  der  Jacobikirche  erbaut  Mei- 
ster Stephan  Maurermeister  1445. 

Wfll  <lfr  Stallt.    Heinrich  von  Heimheim  und  sein  Sohn  gründen  den 
Westthurm  der  Stadtkirche  um  1500. 

Weissenfeis.     Meister  Johann  Reinhard  von  Meissen  baut  1415  die 
St«dtkirche. 

Wenigemde.    Das  Hathhaus  vollendet  1498  Thomas  Hilleborch. 
"  Wesel.    Meister  Gelisz  erbaut  1390 — 1396  das  Rathhaus. 

WIci.    Werkmeister  an  St.  Stephan ^)  :   Herzog  Rudolf  IV.  (1356  — 
1365)  berief  einen  Meister  aus  Klostemeuburg ,  der  mit  einem  1404  noch 


Fig.  240.    Hans  Pachfbaum  (nach  Fendi). 


\)  In  Folge  der  unkritischen  Quellen  scheint  aber  die  Baumeistern  amen  dieser 
Kirche  eine  kaum  lösliche  Verwirrung  zu  herrschen.   K,  Weiss  versetst  in  den  Mit- 


1 


Verzeichniss  deutscher  Baumeister.  643 

lebenden  Meister  Wenzel  für  identisch  gehalten  wird.  Gleichzeitig  werden 
erwähnt  Ulrich  Helbling ,  Heinrich  Kumpf  und  Christoph  Hom ;  den  be- 
rühmten Thurm  vollendete  Hans  von  Brachadicz  1433.  Ausser  diesen 
werden  noch  viele  andere  genannt:  Stephan  Kromawrer  1427  — 1430  (s. 
Braunau  und  Passau),  Hans  Puchsbaum  f  1454,  Anton -Pilgram  von  Brunn 
um  1511,  Gregor  Hauser  1519,  Michael  Fröschel  von  Trier  um  1524'.  — 
Werkmeister  der  Karmeliterkirche :  Lucas  Seh  wendler  von  Magdeburg, 
Matthes  der  Helbling,  Simon  der  Steinmetz  1419.  —  Das  Schiff  der  Kirche 
Maria  Stiegen  gründet  Meister  Michel  Weinwurm  1394. 

Wieier-NensUdt.  Zusätze  und  Anbauten  an  der  Marienkirche  unter 
Leitung  Niclas  Ottenthalers  um  1450  —  1486.  —  Werkmeister  der  1450 
begonnenen  Petrikirche  war  der  kaiserliche  Steinmetz ,  Meister  Peter  von 
Pusica. 

WinpfeB  !■  Thal  s.  oben  S.  471. 

VisMar.  Johannes  Groote  erbaut  den  Chor  der  Marienkirche  1339  — 
1354.  Heinrich  von  Bremen,  Rathsmaurermeister ,  übernimmt  1381  den 
Bau  des  Chores  der  Nicolaikirche,  an  welcher  Meister  Heine  Münster  1437 
beschäftigt  ist. 

Wittstack.    Christoph  von  Lüneburg  erbaut  1512  den  Kirththurm. 

Vüribirg.  Werkmeister  am  Dome  :  s.  oben  S.  288 ;  Heinrich  Heckris 
1331;  Arnold,  Gottfried  1393;  Wolfram  von  Königsberg  in  Franken  um 
1424;  Ortolf  Grosse  1482;  Konz  Kol  1499;  Meister  Peter  1500.  —  Werk- 
meister an  der  Liebfrauenkapelle:  Weltz  der  Steinmetz  1434  — 1441 ;  Eber- 
hard Friedberger  von  Frankfurt  1441  — 1460;  Linhart  Strohmaier  1460 
bis  1470;  Hans  von  Königshofen,  Brückenbaumeister,  seit  1470. 

Xaaten.  Baumeister  an  der  Victorskirche  zu  Xanten  :  Jacob  von  Mainz 
1356 — 60,  wo  er  nach  Preussen  geht,  aber  1361  zurückkehrt  und  den  Bau 
bis  an  seinen  Tod  1374  fortführt;  während  seiner  Abwesenheit  vertritt  ihn 
sein  Bruder  Heinrich.  Dann  folgt  1374  anscheinend  nur  auf  kurze  Zeit 
Meister  Wilhelm,  welcher,  da  er  sich  den  Fuss  verletzte,  schon  1375  von 
Meister  Conrad  (von  Cleve?)  ersetzt  wird.  Dieser  ist  bis  1380  thätig,  und 
für  ihn  tritt  1408  — 1437  Meister  Gisbert  (von  Cranenburg?)  ein;  ferner 
um  1455  Meister  Theodorich  Moer ,  genannt  y^arckilapicida^^  Heinrich 
Blankenbyl  aus  Wesel  1470  —  1474;  Gerhard  von  Lohmar  aus  Cöln  1483 
— 1487,  welcher  sich  mit  dem  Vorgenannten,  dem  Cölner  Dom  Werkmeister 
Johannes  und  dem  Steinmetzen  Meister  Adam  von  Cöln  Über  den  Bau  des 
Mittelschiffes  berathet:  Meister  Wilhelm  Barkenwerd  aus  Utrecht,  1488 — 
1490  wiederholt  herbeigerufen;  Meister  Johannes  von  Langenberg  aus  Cöln 
1492 — 1522.  An  der  Sacristei  und  dem  Capitelhause  arbeitet  1528  Meister 
Gerwin  aus  Wesel,  später  1534  Heinrich  Maess  am  Capitelhause  und  an 
den  Kreuzgängen,  die  er  1550  vollendet. 

Zerbst«  Hans  Kümelke  und  sein  Sohn  Matthies  aus  Dresden  erbauen 
1446  — 1486  die  Nicolaikirche,  Hans  Schmidt  um  1480  das  Rathhaus. 

Zag.   Hans  Felder,  Baumeister  des  1478  gegründeten  Chores  der  Os- 


theil, der  k.k.  Central- Commission  (1856)  1,  177  z.  B.  den  Meister  Hauser  zwischen 
1359—1400,  und  den  Meister  Pilgram  zwischen  HOT  und  1433,  und  nennt  dieselben 
als  o  bekanntlich  die  hervorragendsten  Förderer  des  Stephansdomes«. 


644  Verzeichiüss  deutscher  Baumeister. 

waldskirche,  erbaute  auch  die  Kirche  in  dem  nahe  gelegenen  St.  Wolfgang 
und  den  Chor  der  1493  — 1495  erneuerten  Kirche  zu  Meilen;  s.  Zürich. 

Zürich.  Werkmeister  am  Grossmünster  war  1489  Stephan  Rützenstor- 
ier.  Derselbe  wird  mit  Hans  Felder  (s.  Zug)  auch  als  Werkmeister  der 
1486  vollendeten  Wasserkirche  genannt. 

Zwetll.  Der  Chor  der  Klosterkirche,  begonnen  1343  von  Meister 
Johannes. 

Deutsche  Baumeister  finden  sich  frühzeitig  auch  im  Auslande 
thätig,  besonders  in  Italien,  zuweilen  unter  unkenntlich  verdrehten  Na- 
men (Kreuser,  Kirchenbau  1,  499  ff.);  die  Bekanntesten  sind :  Wil- 
helm von  Innsbruck;  der  Erbauer  des  schiefen  Thurmes  von  Pisa  1 174  ; 
Meister  Jacob  erbaut  1218  — 1230  die  Franciscuskirche  inAssisi,  an- 
geblich auch  den  Dom  von  Arezzo ,  und  soll  unter  dem  Namen  dt  Lapo 
1221  nach  Florenz  berufen  worden" sein;  am  Dombau  zu  Orvieto  war 
im  J.  1402  Meister  Pietro  di  Giovanni,  von  Freiburg  gebürtig,  Oberhaupt 
der  Hütte  und  neben  ihm  ein  anderer  Freiburger ,  Christofano  thätig ; 
auch  am  Mailänder  Dombau  werden  deutsche  Meister  genannt:  Hein- 
rich von  Gmünd  (s.d.,S.  636)  1386,  Johann  Fernach  von  Freiburg  1 391 , 
Ulrich  von  Frissingen  aus  Ulm  1394  u.  A.  m.  —  Johann  und  Simon, 
zwei  Cölner  Baumeister,  folgten  dem  Bischof  Alfons  von  Burgos  auf  einer 
Heise  durch  Deutschland  im  J.  1442  nach  Spanien,  wo  sie  bei  dem  Baue 
der  Dome  zu  Burgos  und  Barcelona  und  des  Klosters  Mirafiores  thätig 
gewesen  sein  sollen.  —  Mit  alleiniger  Ausnahme  des  Mailänder  Domes 
aber  ist  an  allen  genannten  italienischen  und  spanischen  Kirchen  Einfluss 
deutscher  Bauschulen  nicht  nachweislich. 

Vergl.  L  o  t  z ,  Kunst-Topographie  Deutschlands  unter  den  betr.  Ortsnamen, 
F.  Müller,  die  Künstler  aller  Zeiten  und  Völker,  unter  den  betr.  Künstler- 
namen. Viele  Namen  deutscher  Baumeister  findet  man  auch  als  Unterschriften 
der  Stein metzenordiiungen  in  Heideloff's  Bauhütte  S.  41 — 46  und  im  Bau- 
meisterarchive  zu  Wien  ein  auf  zwei  grosse  Holztafeln  geschriebenes,  mit  dem 
J.  713  (I)  beginnendes  Verzeichniss  aller  Bau-  und  Steinmetzmeister  von  Wien 
mit  ihren  Monogrammen,  welches  indess  höchstens  nur  für  das  spätere  Mittel- 
alter geschichtlichen Werth  hat;  vergl.  Tschischka,  die  MetropoUtankirche 
zu  St.  Stephan  in  Wien  S.  1  f.  —  Ueberhaupt  gehört  die  übergrosse  Mehrzahl 
der  durch  Inschriften ,  Urkunden  und  Chroniken  auf  uns  gekommenen  Bau- 
meisternamen erst  dem  XV.  und  XVI.  Jahrh.  an ;  es  sind  in  dem  vorstehen- 
den Verzeichnisse  nur  bei  folgenden  Ortschaften  Baumeisternamen  enthalten : 

Aus  dem  XIII.  Jahrh. 
inBrechten,  Breslau,  Cöln,  Gelnhausen,  Georgenthal,  Goslar,  Herrenalb, 
Loceum ,  Neuss ,  Oppenheim ,  Regensburg ,  Soest,  Strassburg,  Trebnitz  und 
W^lkenried;  im  Auslande  zu  Assisi  und  Florenz. 

Aus  dem  XIV.  Jahrh. 
in  Aachen,  Altenberg,  Brandenburg,  Braunschweig,  Colmar,  Cöln,  Danzig, 
Doberan,  Duderstadt,  Frauenau,  Frauenburg,  Freiburg  i.  B.,  Gmünd,  Halle 
a.  d.  S.,  Hannover,  Haslach,  Heiligenstadt,  Homberg,  Karlstein,  Kolin, 
Kuttenberg,  Liegnitz,  Magdeburg,  Münster,  Neustadt  a.  d.  H.,  Nordhausen, 
Nürnberg,  Prag,  Regensburg,  St.  Lambrecht,  St.  Veit,  Schliersee,  Skutsch, 
Soest,  Stras»burg,  Stuttgart,  Tangermünde,  Ulm,  Wesel,  Wien,  Wismar, 
Würzburg,  Xanten  und  Zwettl;  im  Auslande  zu  Mailand. 


^ 


.  ;  ia 


aiG37171D17 


III 


b89037971017« 


1 


-M 


■\    ■ 


0^037^71017 


:i^  •» 


:>!-' 


»***"'*  "V 


^%in