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Handbuch
der
mathematischen und technischen
Chronologie.
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Aus den Quellen bearbeitet
von
D* • Ludwig Ideler ,
Röniglicbmi Astronomen, ordcntliebcm Professor an der ÜniTersitit xn Berlin,
Mitglied« der Köoigl. PreaCiiscben Akademie der Wissenschafiea
nnd Correspondefeten der Göttiager Societät.
Erster Band»
»e«C »)P'^- ^' >»>»
Berlin , bei August Rücker.
1826.
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JHAr.y>j7D jCCLLCSf iMtUm
muscu coui
Vorrede.
D.
^ie Nachsicht^ mit der die vor neunzehn Jahren
Ton mir ans Licht gestellten historischen Unter-
suchungen über die astronomischen Beobachtim«?
gen der Alten aufgenommen worden sind^ hat
mich aufgemuntert , meinen Fleifs Torzugsweise
auf chronologische Forschungen zu richten.
Bei näherer Bekanntschaft mit diesem Zweige
der Litteratur überzeugte ich mich, dafs, abge-
sehen yon einigen nicht unyerdienstlichen Com^
pendien, es noch an einem ausführlicheren Werke
fehle, aus dem der Geschichtforscher^ der Philo-
log; der Astronom, kurz jeder wissenschaftlich
gebildete Mann , ohne die tiefgelehrten und nur
zu oft einander widersprechenden Werke der
Scaliger, Petavius und anderer Heroen des Fachs
mühsam yergleichen , oder gar in den Quellen selbst
forschen zu dürfen, sich eine klare Uebersicht über
die Zeitrechnung älterer und neuerer Völker zu
IV Vorrede.
verschaffen im Stande sei. Ein solches liefern zu
können, ist seit Jahren mein unahlässiges Studium
gewesen. Nachdem ich einzelne Theile der Zeit-
kunde in akademischen Abhandlungen bearbeitet/
und über die gesammteWissenschaft "wiederhohlte
Vorlesungen bei der hiesigen Universität gehalten
habe, trete ich nun mit dem ersten Bande eines
Handbuchs der mathematischen und tech-
nischen Chronologie hervor, dem in Jahresfrist
ein zweiter folgen soll.
Es kam zunächst darauf an, die mathema-
tisch« Chronologie, die in den Lehrbii ehern
der Sternkunde nur gelegentlich und fragmenta-
risch abgehandelt zu werden pflegt, als ein wissen-
schaftlich begründetes Ganze darzustellen , das in
dem Labyrinth der historischen Chronologie als
Faden dienen könne.
' Aus der letztem, wenn sie, ihrem eigentlichen
Wesen nach, als eine Hülfswissenschaft der Ge-
schichte, und nicht als ein gestaltloser Theil der-
selben erscheinen sollte, mufsle alles abgesondert
werden, was nicht unmittelbar auf die bei den ver-
schiedenen Völkern gebräuchliche Zählungsweise
der Tage, Monate und Jahre Bezug hat. Um an-
zudeuten, dafs ich mir diese Absonderung zum Ge-
setz gemacht habe , gebe ich ihr den Namen der
technischen Chronologie. Man suche also in
meinem Buche nur Forschungen über diejenigen
Vorrede. v
Epochen der Weltgeschichte^ ah die sich Jahr*
Rechnungen gereiht hahen.
Nach einer Einleitung , ^welche die allgemei-
nen Begriffe überZeiteintheilung enthält, gehe ich
die einzelnen Völker durch , deren Zeitrechnung
sich auf eine eigenthümliche Weise gestaltet hat.
Dem Entwickelungsgange der Wissenschaft ge-
mäfs mache *ich mit den Aegyptern den Anfang,
auf dieichdie Babylonier, Griechen, Mace-
donier, Syrer und Hebräer folgen lasse. Die
letztem, von meinen Vorgängern gewöhnlich oben-
an gestellt, spielen in meinemWerk eine etwas un-
tergeordnete Rolle. Man tadle mich defshalh nicht
eher; als bis man meine Darstellung ihrer Zeitrech-
nung gelesen hat. Was in derselben wissenschaft-
lich ist, hat sich erst spät ausgebildet.
Im zweiten Bande wird von den Zeitrechnungen
der Römer, Christen, Araber, Perser und
Türken gehandelt werden. Die ost- asiatischen
Völker, die Hindus und Chinesen, sehe ich mich
leider genöthigt von meinem Plan auszuschliefsen.
Ich habe öfters versucht, mich in ihre Zeitrech-
nung hineinzuarbeiten ; es hat mir aber nie gelin-
gen wollen, vermuthlich weil die Quellen, aus de-
nen ich bei meinem Mangel an Bekanntschaft mit
ihren Sprachen allein schöpfen konnte, zu dürftig
flössen . Tüchtige Kenner des Sanskrit und des Chi-
nesischen, die zugleich Astronomen genug sind,
Ti Vorrede.
werden uns einst über die Jahrf ormen und Jahr-
rechnungen dieser Völker belehren und hoffentlich
darthim, dafs es ihnen nicht an einer festen Theo-
rie mangele.
Eine Reihe Zusätze, die zu lang waren, um
als Anmerkungen unter dem Text Platz £nden zu
können, und ein Tollstandiges Register werden
das Ganze beschliefsen.
Mein Buch wird yermuthlich das Schicksal ha-
ben, dafs es einige Leser, besonders solche, die mit
einzelnen von mir behandelten Gegenständen ver-
traut sind, zu leicht und andere zu schwerfällig
gearbeitet finden werden. Dafs sich manche Ge-
genstände erschöpfender hätten vortragen lassen,
räume ich gern ein; allein ich wollte eine Ueber-
sicht geben, die leicht durch eine tiefer greifende
Erörterung des Einzelnen hätte verdunkelt werden
können, zugleich aber auch die Ergebnisse der bis-
herigen chronologischen Untersuchungen überall
gehörig begründen , was nur dadurch geschehen
konnte, dafs ich die Beweisstellen sorgfältig und
zuweilen in der Ursprache anführte. Die griechi-
schen Citate sind, wo nicht schon der Zusammen-
hang ihren Sinn deutlich zu erkennen gab, über-
setzt worden.
Den Gelehrten, die mir über Einzelnes Winke,
Ideen und Notizen mitgetheilt haben, statte ich
meinen tiefempfundenen Dank ab. Besonders
Vorrede. TU
fühle ich mich m dieser Hinsicht meinen CoUeg^i
HerrenBessel^ Böckh cmdButtmann yer^
pflichtet. Die beiden letztem hab^i sich aufser-
dem noch kein geringesYerdienst nm meine Arbeit
durch Uebernahme einer ^Revision der Driiclübou
gen erworben. Mit ihrer Beihülfe wird es mir
gelungen sein^ bedeutende Druckfehler 2u yer^
meiden, die in einem so sehr mit Citaten angefüH-
ten Buche doppelt lästig sein würden. An dem
Aeufsem des Drucks wird man schwerlich etwas
zu tadehi finden. Es gereicht unserer neuen aka-
demischen Officin sehr zur Empfehlung.
"VVenn meine Bearbeitung der hebräischen Zeit-
rechnung in den Augen der Kenner einiges Ver-
dienst haben sollte^ so yerdanke ich dies grofsen-
theils Hrn. Baruch Auerbach. Dieser junge
hiesige Gelehrte, der sich eben so sehr durch ein
gründliches Wissen auszeichnet, wie durch sein
schon öffentlich anerkanntes Bestreben, ächte Re-
ligiosität unter seinen Glaubensgenossen zu yer-
breiten, hat die Stellen aus dem Thalmud und an-
dern jüdischen Büchern, die nächst den biblischen
die Grundlage meiner Untersuchung ausmachen,
zusammengetragen und mir über yiele Punkte des
jüdischen Ceremonialgesetzes willkommene Auf-
schlüsse gegeben. Möge der Werth dieses beschei-
denen Mannes bald alle die Anerkennung finden,
dieeryerdient! Dafs ich mich auch Hm. Bendayid
vm Vorrede.
yerbnndea finde y hiabe ich zu bekennen im Buche
selbst Gelegenheit genommen.
Noch mufs ich erwähnen, däfs mein verewigter
Lehrer Friedrich August Wolf meine Hand-
schrift^ so weit sie ^vollendet war, durchgesehen
lind manche feine. Bemerkung an den Rand ge-
schrieben hat. Das Andenken an diesen grofsen
Alterthumsforscher y der zuerst den Funken des
Bessern in mir angefacht hat, wird mir stets hei-
lig bleiben«
Berlin den 4.Apnl 1825.
£• Ideler.
Handbuch
der
mathematischen und technischen
Chronologie.
Erster Band.
[1]
C/um de popuU ei civitaiis aiicuius civäibus annis ac tempori^
bus agitur, non illud, opinor, verum est, quod ingeniöse quis-
que Qc sübtiliter ejffinxerit, sed quod expressis auctoritaiibus
aut non dubiis argumentis receptum apud illos atque usitatum
Jiiisse comprobarii. Sexceniis enim modis conformari perio^
dus aliqua polest, si ingenio obsequi, et quod quisque cogi-
tando consequi potuerit, id veteribus assignare iiceat,
Pbtavius.
Vorwort.
W>
ir seilen die Sonne am Morgen aufgebea, m
Mittage ihren höchsten Stand erreichen und amAhend
sich wieder unseren Blicken entziehen. Während dessen
gehen in und um una vielerlei Dinge yor, die eben so
wie die verschiedenen Stände der Sonne auf einander
folgen. Aus allen diesen Dingen bilden wir in unse-
rer YorsteUung eine zusammenhängende Reihe , in der
jedes seine bestimmte Stelle hat.
Diese Reihe wird Zeitfolge, jede einzelne Stelle
derselben Zeitpunkt, Moment, Augenblick, und,
was auf einerlei Zeitpunkt trifft, gleichzeitig genannt.
Der Abstand zweier Zeitpunkte heifst ein Zeitraum,
und die ganze Vorstellung der Reihe die Zeit.
Die Zeit ist also nichts objektives oder ausser
uns vorhandenes, sondern etwas subjektives, nämlich
die Vorstellungsart oder Denkform , nach der wir die
auf einander folgenden Dinge ordnen , so wie wir mit
dem Worte Raum die Vorstellung von dem Nebenein-
andersein der Körper und ihrer Theile bezeichnen.
In der Zeitfolge liegen einzelne Punkte näher oder
weiter von einander entfernt. So ist der Zeitraum vom
Au%ange der Sonne bis zu ihrem Untei^nge doppelt
4 Vorwort.
so grols, als der von ihrem Aufgange bis zum Hittage,
und die Woche siebenmal länger als der Tag. Man
sieht, wie sich ein Zeitraum mit dem andern vergleichen
und durch ihn bestimmen , mit Einem Wort , messen
läfst ; denn messen heilst nichts anders als unter-
suchen, wie oft eine bekannte Gro(se, die Einheit, in
einer unbekannten von derselben Art enthalten ist.
Bei allem Messen ist als Einheit oder Maafs eine
Gro&e zu wählen, von der jedermann eine deutliche
Yorstellmig hat. Um eine solche zur Ausmessung der
Zeit zu einhalten, müssen wir auf den Begriff der
gleichförmigen Bewegung zurückgehen, das ist,
derjenigen Bewegung, bei der ein Körper in gleichen
Zeiträumen gleiche Wege zurücklegt. ^ Sehen wir eine
solche vor sich gehen, so schlieisen wir von dem zu-
rückgelegten Wege auf die dazu erforderliche Zeit, und
können nun die Zeit, die zu irgend einem bestimm-
ten W^ gehölt, als das Maais für alle übrigen Zeiten
gebrauchen.
Die Kunst verschafll uns Werkzeuge, die eine
gleichförmige .Bewegung unterhalten und zugleich die
Räume angeben, durch welche dieselbe von einem
Zeitpunkte zum andern fortschreitet. Solche Werkzeuge
heifsen Uhren. Ein gewisser vom Zeiger bezeichneter
Zeitraum wird eine Stunde genannt, imd diese Stimde
kann als . Zeitmaais dienen.
Allein nicht zu gedenken, dafs auch die besten
Uhren keinen vollkommen gleichförmigen Gang haben
und daher einer stäten Kontrole bedürfen , ist ihr Ge-
brauch viel zu eingeschränkt, als dafs sie ein allge-
mein gültiges Zeitmaals abgeben könnten. Ein solches
kann uns nur der Himmel gewähren.
Vorwort. 5
Wir sehen nämlicb am Himmel Bewegungen voiv
gehen, die entweder ganz oder beinahe gleichförmig
sind, und sich, wenn sie ein gewisses Ziel erreicht
haben, unaufhörlich erneuen. Vollkommen gleichföjv
mig ist der durch den täglichen Umschwung der Erde
bewirkte scheinbare Umlauf der Sterne. Der Zeitraum,
in welchem derselbe erfolgt, wird ein Sterntag ge-
nannt, und an solchem würden wir ein unwandelbares
Zeitmaafs haben, wenn wir im bürgerlichen Leben 6e^
brauch davon machen wcdlten.
Wir ziehen aber die auffallenden, wenn gleich
nicht ganz gleichförmigen Bewegungen der Sonne und
des Mondes vor, der beiden Körper, die einen so ent-
schiedenen Einflufs auf unser ganzes. Sein und Thun
haben. Ihre Umläufe sind es , wodurch die Zeiträume
bestimmt werden, die wir Tag, Monat und Jahr nen-
nen, und zur Ausmessung aller übrigen gebrauchen.
Die Wissenschaft , welche die eben genannten Zeit-
einheiten einzeln und in ihren Verhältnissen zu einan-
der betrachtet und untersucht, wie sie von den ver-
schiedenen Völkern zur Messung der Zeit angewendet
worden sind, wird Chronologie oder Zeitkunde
genannt.
Sie zerfällt in den theoretischen und angewandten
Theil, oder in die mathematische und historische
Chronologie. Die erste stellt alles das zusammen, was
die Sternkunde von den Bewegungen der Himmelskör-
per lehrt, in so fem es auf die Bestimmung und Ver-
gleichung der Zeiteinheiten Bezug hat. Die andere
zeigt, wie die Anordner des bürgerlichen Lebens die
Zeit von jeher eingetheilt haben, und wie hiemach
die Begebenheiten der Völker in ein richtiges Zeit-Ver-
6 V o r .w o r t.
halmÜB zu bringen sind. Letztere wollen wir die tech-
nische nennen^ indem wir von ihr alles das ahson«
dem und in die Geschichte verweisen, was nicht un-
mittelbar die Zählung der Tage, Monate und Jahre
betrifft.
Dafs ohne die mathematische Chronologie keine
gründliche Einsicht in die technische möglich sei, ist
dben so einleuditend , als dafs die letztere dem Ge-
schichtforsdier unentbehrlich ist. Jene wird gewöhn-
lich in den Lehi*büchem der Sternkunde , und diese
unter den Hülfswissenschaften der Geschichte kurz ab-
gehandelt. Hier sollen beide zu einem selbständigen
Ganzen mit einander verbunden werden.
Erster Theil.
Mathematische Chronologie.
n/wwyww*/%
B.
lei der ersten Betrachtung des Weltgiebäudes fehlt es
uns an allen Gründen zur Bestimmung der Entfernun-
gen, Grofsen und wahren Bewegungen der Weltkörper.
Wir können zwar die scheinbare Entfernung zweier
Sterne oder den Winkel messen , den die zu ihnen ge-
zogenen Gesichtslinien einschliefsen : allein iiber die
Länge derselben sagt uns unser Auge nichts, daher
wir uns geneigt finden, alle Gesichtslinien, die wir
nach dem Weltraum hinaus ziehen, fiir gleich lang zu
halten, und uns die Himmelskörper au einer uns um-
gebenden Kugel gleichsam angeheftet vorzustellen.
Diese Kugel findet zwar nur in unserer Einbil-
dung Statt ; sie kann jedoch , wenn, wie in der Chro-
nologie, blois von den scheinbaren Bewegungen der
Weltkörper die Rede ist, den richtigen Begriflen un«
beschadet, als wirklich gedadbt weiden. Ihrem Umfange
werden eben so, wie jedem andern Kreise, dreihundert
und sechzig Grade gegeben, und die Bogen desselben
zum Maafs der scheinbaren Entfernungen, Grössen und
Bewegungen gebraucht.
8 Mathematische Chronologie.
Wenn wir uns in einem flachen Lande oder auf.
dem oflenen Meere von einem der Erdoberfläche nahen
Standpunkte nach allen Seiten hin frei umsehen kön-
nen, so hat es den Anschein , als ob wir uns in der
Mitte einer kreisförmigen Ebene befänden, auf welcher
der Himmel in Gestalt eines Gewölbes ruht. Der Um-
fang dieser Ebene, oder der Kreis, in welchem sie
den Himmel zu berühren scheint, wird Horizont oder
Gesichtskreis genannt. Die Hinpnelskugel wird da-
durch in die sichtbare und unsichtbare ; oder in
die obere und untere Hälfte getheilt. Die Him-
melskörper gehen auf oder unter, wenn sie aus der
einen Halbkugel in die andere übertreten.
Eine gerade Linie, die in unserm Standpunkte
senkrecht auf der Ebene des Horizonts steht, geht auf-
wärts zum höchsten Punkt der sichtbaren Halbkugel,
und unterwärts zum tiefsten der unsichtbaren. Jener
heiist Zenit oder Scheitelpunkt, dieser Nadir
oder Fufspunkt. Die gerade Linie selbst wird Ver-
tikal- oder Scheitellinie .genannt. Sie trifll mit
der Richtung des freien Falls der Körper zusammen,
und wird durch ein Bleiloth sinnlich dargestellt. Jede
gerade Linie oder Ebene, auf der sie senkrecht steht,
heilst eine horizontale. Die Oberfläche stillstehen-
der Gewässer gibt zunächst an unserm Standpunkte
ein Bild der horizontalen Lage. Kreise., nach jeder
beliebigen Richtung durch Scheitel - und Fufspunkt
gelegt, werden Vertikal- oder Scheitelkreise ge-
nannt. Sie dienen zur Bestimmung der Höhe der
Himmelskörper, das ist ihres Abstandes vom Horizont
in Graden der Himmelskugel. Ein Stern hat keine
Höhe, wenn er auf- oder untergeht, und seine gröist-
Matliematisclie Chronologie. 9
mögliche Höhe von neunzig Graden, wenn er im Schei-
telpunkte steht.
Der Horizont und die Yertikalkreise sind gröfste
Kreise der HimmelskugeL So nennt man die Kreise
einer Kugelfläche, deren Ebene durch den Mittelpunkt
der Kugel geht. Alle andere Kreise werden kleinere
genannt.
In einer heitern Nacht nehmen wir am Himmel
eine Menge glänzender Punkte wahr, die in Fixsterne
und Planeten unterschieden werden. Jene ändern
ihren Ort an der Himmelskugel dem Anschein nach
nicht, so dafs sie immer gleiche Gruppen bilden.
Diese rücken auf eine leicht bemerkliche Weise allmä-
lig von einem Fixstern zum andern fort. Der Planeten
sind, so viel wir bis jetzt wissen, nur zehn, von de«
nen das blofse Auge fiinf bis sechs unterscheidet. Hiezu
kommen noch die Trabanten oder Nebenplane-
ten, von denen sich durch Femröhre einige der Haupt-
planeten begleitet zeigen, und die Kometen, die in
auffallenden Gestalten immer nur auf eine kurze Zeit
erscheinen. Die Sternkunde lehrt, dafs die Sonne zu
den Fixsternen, die Erde zu den Planeten und der
Mond zu den Trabanten gehört«
Wenn wir den Himmel in einer heitern Nacht
au&nerksam beobachten, so machen wir bald die Be-
merkung, dafs die (Tcstime in Yergleichung mit irdi-
schen Gegenständen ihren Ort verändern. Hier kom-
men Sterne zum Vorschein, die kurz vorher nicht
sichtbar waren ; dort verlieren sich andere, die so eben
noch hell glänzten. Hier stehen einige hoch, die erst
niedrig, dort andere niedrig, die erst hoch standen,
und alles dies ohne Aenderung ihrer gegenseitigen
10 MathenuUische Chronologie.
Slellung. Nach etwa vier und swanzig Stunden leigt
sich der Himmel wieder in derselben Lage, wie er uns
zuerst erschien. Es hat also das Ansehen, ab ob sich
die ganze Himmelskugel mit allem, was daran glänzt,
in vier und zwanzig Stunden um unsere Erde drehe.
Diese Bewegung wird die gemeine (gemeinschaftliche),
erste oder tägliche genannt.
Die beiden Punkte der Himmekkugel, deren Stelle
hiebet ung«andert bleibt, heiisen die Weltpole, der
eine, imd zwar der in unsem Gegenden sichtbare,
der Nordpol, der gegenüber liegende der Südpol.
Die gerade Linie, die beide verbindet, wird dieWelt-
axe, und der grö&te Kreis, dessen Ebene die Axe
senkrecht durchschneidet, der Aequator genannt. Dio
ser überall um neiuizig Grad von beiden Polen entfernte
Kreis theilt die Kugel in die nördliche imd süd-
liche Hälfte. Jeder Stern beschreibt zufolge der täg-
lichen Bewegung entweder den Aequator oder einen
kleinem ihm parallel liegenden Kreis. Diese Kreise
werden Parallelen oder Tageskreise genannt. Sie
verjüngen sich nach den Polen hin, daher die tägliche
Bewegung um so langsamer erscheint, je näher der
Stern dem Pol ist. Im Aequator, dem git>(sten aller
Tageskreise, ist sie am schnellsten.
Der Yertikalkreis , der durch die beiden Weltpole
geht, wird der Meridian oder Mittagskreis ge-
nannt, weil ihn die Sonne bei der täglichen Bewegung
des Mittags erreicht. Die nach seiner Richtung lie*
gende Horizontallinie heiist die Mittagslinie. Sic
wird durch den Sdiatten , den ein Bleiloth im Augen-
Uidie des Mittags wirft, sinnlich dargestellt. Die
Punkte, in denen sie den Horizont schneidet, werden
Mathematisclie Chronologie. 11
Nord- und Südpunkt genannt; jener li^t iur uns
senkrecht unter dem Nordpol, dieser senkrecht unter
dem Stande der Sonne zu Mittage. In der Mitte swi«
sehen beiden befinden sich der Ost- und Westpunkt,
fiir unser gegen Süden gerichtetes Auge jener links,
dieser rechts. In ihnen durchschneidet der Aequator
den Horizont. Der Meridian theilt die Himmelskugel
in die östliche und westliche Hälfte. In jener
gehen die Weltkörper auf, in dieser unter.
Der Bogen des Meridians zwischen dem Nordpol
und dem Nordpunkt, oder der Winkel, unter welchem
dieWeltaxe gegen den Horizont gerichtet ist, wird die
Polhöhe, und der Bogen des Meridians zwischen dem
Aequator und dem Südpunkt, oder der Winkel, unter
welchem sich die Ebenen des Aequators und des Ho-*
rizonts schneiden, die Aequatorhöhe genannt. Beide
Höhen erganzen einander zu neunzig Grad. Jener be-
trägt für Berlin zwei und fünfzig und einen halben,
dieser sieben und dreiisig und einen halben Grad.
Aus den bisher erklärten Begriffen ei^eben siiJi
leicht folgende Erscheinungen der täglichen Bewegung.
Sämmdiche Sterne durchschneiden den Horizont unter
einem der Aequatorhöhe gleichen Winkel. Die Gegend,
in der sie auf- oder untergehen, ist eben so verschie-
den, als die Dauer ihrer Sichtbarkeit. Die Entfemui^g
des aufgehenden Sterns vom Ostpunkt wird seine Mor-
gen weite, und die Entfernung des untei^henden
vom Westpunkt seine Abendweite genannt. Die
Morgen- und Abendweite, die bei jedem Fixstern von
gleicher Gröfse sind, werden um so gröfser, je ent-
fernter er vom Aequator ist. Ein Stern im! Aequator
selbst hat keine Moi*gen- und Abendweite. Der über
12 Matiiematische Chronologie.
dem Horizont liegende Theil eines Tageskreües hei&t
der Tagbogen, der unter ihm liegende der Nacht-
bogen. Bei den nördlichen Sternen ist fiir uns der
Tagbogen, mithin die Dauer ihrer Sichtbarkeit, grö&er
als der Nachtbogen und die Dauer ihrer Unsichtbarkeit.
Bei den südlichen findet das Gegentheil Statt* Die Ver-
schiedenheit des Tag- und Nachtbogens, also auch der
Dauer der Sicht«- und Unsichtbarkeit, nimmt mit der
Entfernung der Sterne vom Aequator zu. Wenn, vrie
bei uns, der Nordpol in ansehnlicher Höhe über dem
Horizont liegt, so mufs ein groiser Theil der nörd-
lichen Sterne seine Tageskreise ganz über dem Horizont
beschreiben. Man sieht, dals dies bei allen den Ster-
nen der Fall sein wird, deren Abstand vom Pol gerin-
ger als die Polhöhe ist. Alle Tag - und Nachtbogen
Mrerden vom Meridian halbirt; ein jeder Fixstern ist
also auf der Mitte seines Weges vom Auf* bis zum
Untergange oder umgekehrt, wenn er durch die über
oder unter dem Horizont liegende Hälfte des Meridians,
oder, wie man sich ausdrückt, durch den obern oder
untern Meridian geht. Im obern erreicht er seine
größte Höhe, die sogenannte Mittagshöhe. Man
sagt dann, dais er culminire. Die Mittagshöhe ist
entweder der Aequatorhöhe gleich, oder gröfcer, oder
kleiner, je nachdem der Stern entweder im Aequator,
oder nord- oder südwärts von demselben steht. Jeder
nie untergehende Stern durchschneidet b^i seinem Um-
lauf den obern Meridian zweimal , einmal über , ein-
mal unter dem Pol. Im letztern Falle sagt man, dafs
er im nördlichen Meridian stehe.
Die Astronomie beweiset, dais die tägliche Um-
drehung der Himmelskugel von Osten gegen Westen
Mathematisclie Chronologie. 13
nur scheinbar, nämlich eine blofse Folge des in entge-.
gengeseteter Richtung mit vollkommener Gleichförmig«
keit von Statten gehenden Umschwungs der kugelartig
gestalteten Erde ist. Letztere hat hierbei, eben so wie
die Himmelskugel, ihre Axe, ihre Pole, ihren Aequator
und ihi« nördliche und südliche Halbkugel.
Bei dem geringsten Nachdenken über Ursache und
Wirkung sieht man, dais die Himmelsaxe die verlän-
gerte Erdaxe ist, dafs die Hinunelspole senkrecht über
den Erdpolen liegen, und der Himmelsäquator durch
die erweiterte Ebene des Erdäquators bestimmt wird,
so da& man also in einem der Erdpole einen Himmels*
pol im Zenit, und den Himmelsäquator im Horizont,
hingegen im Erdäquator den Himmelsäquator im Zenit
und die Hinunelspole im Horizont haben müsse. Die
erste dieser beiden Stellungen der Himmelskugel wird
die parallele, die zweite die gerade oder senk-
rechte genannt, weil in jener sich alle Sterne paral«
lel mit dem Horizont, in dieser senkrecht gegen den-
selben bewegen. An jedem andern Ort der Eirdober-
fläche sieht man die Himmelskugel schief, d. i. alles
in schräger Richtung auf- und absteigen. Auch be*
greift man leicht, dais die jedesmalige Lage der Him*
melskugel durch unsere Stellung auf der Erdoberfläche
dergestalt bedingt wird, dais die Polhöhe immer un-
serm Abstände vom Aequator gleich ist. Zwei Erdbe-
wohner, die sich in den beiden Enden von einerlei
Durchmesser, also in entgegengesetzter Richtung befin-
den, und daher Antipoden oder Gegenfüfser
genannt werden, haben einerlei Horizont und einerlei
Lage der Himmelskugel , aber entg^ngesetzte Erschei-
14 Mathematische Chron(Jogie.
nungen der täglichen Bew^ung. Eigentlich sind ihre
Horizonte um den Durchmesser der Erde von einander
entfernt. Allein die Erdkugel ist in Vergleichnng mit
der Himmelskugel, an der die unermelslich entfernten
Fixsterne glänzen, ein blofser Punkt, so dafs wir uns
überall auf der Erdoberfläche als im Mittelpunkt der
Himmelskugel befindlich betrachte können. Ob übri-
gens die Erde eine Tollkommene Kugel sei, oder ihre
Gestalt sich nur der einer Kugel nähere, ist eine Frage,
auf deren Beantwortung hier nicht eingegangen wer-
den kann.
Der Zeitraum , in welchem sich die Himmelskugel
einmal ganz umschwingt, wird ein Stern tag genannt.
Um ihn genau abzumessen, stellen die Astronomen ein
Fernrohr dergestalt auf, dafs ein in der Mitte seines
Gesichtsfeldes vertikal ausgespannter Faden allemal den
üferidian bezeichnet, in welche Neigung gegen den Ho-
rizont man es auch bringen mag. Bei dieser Einrich-
tung wird dasselbe ein Mittagsfernrohr genannt.
Wird nun eine Pendeluhr, deren Gang sich durch Er-
höhung oder Vertiefung der Linse beschleunigen oder
verzögern läist, so gestellt, dafs sie ihre vier und
zwanzig Stunden aDemal zu zählen anfimgt, wenn ir-
gend ein ausgezeichneter Stern culminirt, so gibt sie
Sternzeit an. Während der vier und zwanzig Stun-
de oder des Stemtages schieben sich alle dreihundert
und sechzig Grad des Aequators durch den Meridian,
während einer Stunde funfeehn Grad, während einer
Zeitminute fünfzehn Bogenmiuuten. Eine solche Stem-
uhr eilt einer nach Sonnenzeit eingerichteten Pendeluhr
täglich um beinahe vier Minuten, monatlich um zwei
Mathematische Chronologie. 15
Standen und jährlich um einen ganzen Tag vor. Die
Ursache hiervon liegt in der jährlichen Bewegung
der Sonne.
Dals die Sonne kein fester Punkt der Himmekku*
gel sei, lä&t sich nicht so uamittelhar , wie bei den
andern Weltkörpem , die sich in gleichem Falle befin«>
deUf dem Monde und den Planeten, wahrnehmen, da
sie uns bei ihrer Anwesenheit über dem Horizont durch
ihren überströmenden Glanz den Anblick aller Sterne
entzieht. Indessen überzeugt sich der aufmerksame Be-
obachter der himmlischen Erscheinungen leicht, da&
sie, während sie der täglichen, allen Himmdskörpem
gemeinschaftlichen, Bew^ung von Morgen gegen Abend
folgt, eine eigene weit langsamere in entgegengesetzter
Richtung haben müsse« Sie geht um Mittemacht durch
den untern Meridian. Es müssen ihr also die Sterne,
die um Mittemacht culminiren , gegenüberstehen , und
man darf nur fortgesetzt auf dieselben achten, um zu
sehen, wie sie allmälig am Himmel fortrückt. Aber
nicht blofs die Erscheinung dieser Sterne, sondern das
stets wechselnde Schauspiel des ganzen gestirnten Hin»»
mels gibt die eigenthüqdiche , gegen Osten gerichtete
Bewegung der Sonne zu erkennen. Die Sterne, die
nach ihrem Untergange am Abendhimmd stehen, sin-
ken nüt jedem Tage tiefer zu ihr hinab, und verlieren
sich endlich ganz in der Dämmerung« Dagegen ent-
fernen sich von ihr diejenigen, die vor ihrem Aufgange
am Morgenhimmel glänzen. Hier zeigen sich immer
andere Sterne, die man bei einiger Anfiaerksamkeit
leicht für diejenigen eriiennt, die zuvor in Westen un-
sichtbar geworden sind. Nach etwa einem halben Jahre
stehen diejenigen Sterne, die sich zuvor in der Nähe
16 Mathematische Chronologie.
der Sonne gezeigt hatten, ihr gegenüber, untei^hend
bei ihrem Aufgange, aufgehend bei ihrem Untei^nge,
und nach einem Jahre kehrt der ganze Sternhimmel
zu ihr in sein an&ngliches Yerhältniis zurück.
Alle diese Erscheinungen erklären sich ungezwungen,
wenn man annimmt, dalsdie Sonne in dem Zeitraum
eines Jahrs von Westen gegen Osten um den Himmel
läuft* Dafs dies nicht nach der Richtung des Aequa-
tors oder eines seiner Parallelen geschehen könne , er-
hellet daraus , dais ihre Mittagshöhe , so wie ihre Mor-
gen- und Abendweite, einem stäten Wechsel unter-
worfen ist." Am ersten Frühlingstage geht sie im Ost—
punkt auf, in der Höhe des Aequators durch den Me-
ridian und im Westpunkt unter. Sie mufs dann im
Aequator stehen* Hierauf wird ihre Morgen- und
Abendweite nördlich und ihre Mittagshöhe gröfser als
die Aequatorhöhe, woraus erhellet, dafs sie in die nörd*
liehe Halbkugel übergetreten ist. Mit dem Anfange des
Sommers erlangt aie ein Maximum von Morgen- und
Abendweite, und zugleich von Mittagshöhe, jenes für
unsere G^nd von ein und vierzig, dieses von ein und
sechzig Grad, worauf sie zum Aequator zurückkehrt,
den sie im An&nge des Herbstes au& neue erreicht.
Ihre Morgen - und Abendweite werden dann südlich,
und ihre Mittagshöhe kleiner als die Aequatorhöhe,
zum Beweise, daß sie sich in der südlichen Halbkugel
befindet. In dieser verweilt sie eben so ein halbes
Jahr, wie zuvor in der nördlichen, indem sie in der
Mitte desselben, im Anfänge des Winters, wieder ein
gleiches Maximum von Morgen- und Abehdweite, und
dabei ein Minimum von Mittagshöhe, för uns von
vierzehn Grad, erreicht.
Mathematische Chronologie. 17
Die genaue Beobachtung des Wechsels aller dieser
Umstände muiste die Menschen frühzeitig auf die Ent-
deckung leiten, dals sich die Sonne in einem gröfsten
Kreise bewege, der den Aequator in zwei um den hal-
ben Umfang des Himmels von einander entfernt lie-
genden Punkten (alle gröfste Kreise halbiren einander)
unter einem Winkel von drei bis yier und zwanzig
Grad durchschneidet. Diese jährliche Bahn der Sonne
wird die Ekliptik, und der Winkel, imter welchem
sie gegen den Aequator gerichtet ist, die Schiefe der
Ekliptik genannt. Es sind darin besonders die um
neunzig Grad von einander entfernt liegenden Aequi«
noctial- imd Solstitialpunkte zu merken* Jene
sind die Dtirchschnittspunkte des Aequators und der
Ekliptik. Erreicht sie die Sonne, so ist der Aequator
ihr Tageskreb , und es herrscht auf der ganzen Erde
Tag- imd Nachlgleiche. In dem einen befindet sie
sich im Anfange unsers Frühlings, in dem andern
im Anfiemge unsers Herbstes; jener heifst daher auch
der Frühlings- dieser der Herbstpunkt. Die bei-
den Solstitialpimkte sind um die Schiefe der Ekliptik
vom Ae^quator entfernt, der eine in der nördlichen,
der andere in der südlichen Halbkugel. Zu jenem ge-
langt die Sonne im Anfange unsers Sommers, zu die-
sem im Anfange unsers Winters, daher man sie auch
den Sommer- und Winter.punkt nennt. Solstitial-
punkte heilsen sie, weil die Sonne in ihnen die Grenze
ihrer Entfernung vom Aequator erreicht. Die Zeiten,
wo sie zu diesen yier Hauptpunkten ihrer Bahn ge^
langt, werden die Aequinoctien und Solstitien,
oder Nachtgleichen imd Sonnenwenden genannt.
In der Sprache der Chronologen werden sie mit dem
I. [2]
18 MathematiscJte Chronologie.
gemeinsciiaftliGhen Namen der Jabrpunkte be-
zeicbnet.
Man theilt die Ekliptik in zwölf Bogen zu ]e
dreiisig Graden. Diese Zwölftel heifsen die himmli-
schen Zeichen. Ihre von benachbarten Sternbildern
entlehnten Namen und bei den Astronomen gebräuch-
lichen Charaktere sind folgende :
Widder T Wage )£^
Stier
V
Skorpion
ni
Zwillinge
»
Schütze
•i^
KkI»
S
Steinbock
^
Löwe
n
Wassermann
a$
Jungfrau
np
. Fiscbe
X
Die drei ersten, Widder, Stier, Zwillinge, werden
Frühlingszeichen genannt, weil sie, zwischen dem
Frühlings- und Sommerpunkt liegend, von der Sonne
in unserm Frühling durchlaufen werden« Ganz analog
heißen die drei folgenden Sommerzeichen, die drei
folgenden Herbstzeichen, und die drei letzten Win-
terzeichen. Da die vier Hauptpunkte der l^iptik
den Anfängen des Widders, Krebses, der Wage und
des Steinbocks entsprechen, so pfi^n die Astronomen
sie auch den Widder- Krebs- Wage- und Stein-
bockspunkt zu nennen. Die sechs ersten Zeichen
hei{sen die nördlichen, die sechs letztem die süd-
Hchen. Eine andere sehr gebräuchliche Eintheilung
ist die in auf- und niedersteigende. Zu dien er-
stem gehören Steinbock, Wassermann, Fische, Widder
Stier und Zwillinge, durch welche die Sonne zu un-
serm Scheitelpunkt emporsteigt, zu den letztem die
Mathematische Chronologie. 19
Da die Sonne, wie jeder andere Punkt dar schein-
baren Himmelskugel, der täglichen Bewegung folgt, und
zugleich alle Jahr einmal schief gegen den Aequator
um den Himmel läuft, so begreift man leicht, dafs der
Weg, den sie zufolge dieser zusammengesetzten Bewe-
gung beschreibt, eine Schraubenlinie von einhundert
zwei bis drei und achtzig Gängen sein müsse, in der
sie sich zwischen dem Winter- und Sommerpunkt ab-
wechselnd unserm Scheitel nähert und von demselben
entfernt. Die Schraubengänge liegen indessen einander so
nahe, dafs man sich jeden einzelnen als einen Parallel
des Aequators denken, also hier anwenden kann, was
oben (12) von dem Tag- und Nachtbogen der Tages-
kreise gesagt worden ist. Im Frühlingsviertel der Eklip-
tik entfernt sich die Sonne nordwärts vom Aequator.
Ihre Tagbogen sind för uns gröfser als die Nachtbogen,
mithin die Tage länger als die Nächte. Die Ungleich-
heit nimmt zu« bis sie den Sommerpunkt erreicht, wo
sie den längsten Tag und die kürzeste Nacht bringt,
für Berlin von 16 1 und 1\ Stunden. Sie nähert sich
hierauf im Sommerviertel wieder dem Aequator, wobei
die Tage eben so abnehmen, wie sie zuvor zugenom-
men haben. Im Herbstviertel werden umgekehrt die
Nächte länger als die Tage und die Ungleichheit nimmt
zu, bis sie zum Winterpunkt gelangt, wo sie den kür-
scesten Tag und die längste Nacht gibt, für uns von
1\ und 16|- Stunden. Sie kehrt dann im Wintervier-
tel mit allmälig zunehmender Tageslange atrfs neue zum
Aequator zurück.
Die beiden durch die Himmelspole und zugleich
durch die Aequinoctial - und Solstitialpunkte gehenden
groisten Kreise werden Koluren oder Jahrszeit-
[2*1
20 Mathematische Chronologie.
kreise genannt, der eine der Aequinoctial- der
andere der Solstitialkolur. Die Bogen, um welche
im kutem die Solstitialpunkte yom Aequator abweichen,
sind der Schiefe der Ekliptik gleich. Eben so grols
sind die Bogen , um welche die Pole der Ekliptik von
den Himmelspolen entfernt sind« Die Parallelen des
Aeqoators, welche durch die beiden Solstitialpunkte
gehen, werden die Wendekreise genannt, der eine
der nördliche oder der Wendekreis des Krebses,
der andere der südliche, oder der Wendekreis des
Steinbocks. Sie sind als die Tagedueise zu betrach-
ten, welche die Sonne am längsten und kürzesten Tage
beschreibt, und schliefiien die sieben und vieizig Grad
breite Zone ein, in der sie ihre jährlicben Schrauben-
gänge macht* Die Parallelen, welche die Pole der
Ekliptik bei der täglichen Umdrehung der Himmelsku-
gel durchlaufen, hei6en die Polarkreise, der eine
der nördliche, der andere der südliche.
Ganz ähnlich liegende Kreise, wie diese Wende-
und Polarkreise, finden auch auf der Erde Statt, wo
sie die fünf Zonen bestimmen, die heifse, die
beiden gemäfsigten und die beiden kalten. Die
heifse Zone zwischen den beiden Wendekreisen schlie&t
alle die Länder em, in deren Scheitelpunkt die Sonne
kommen kann. Die beiden kalten innerhalb der beiden
Polarkreise bereifen alle die Länder, in denen die Sonne
einen Theil des Jahrs yon vier und zwanzig Stunden
bis sechs Monat ununterbrochen über und unter dem
Horizont bleibt. Die beiden gemäfsigten zwischen den
Wende- und Polarkreisen umfassen alle die Länder, de-
ren Scheitelpunkt die Sonne nie erreicht, und deren läng-
ster Tag kürzer als yier und zwanzig Stunden ist.
Mathematische Chronologie. 21
Eine andere Eintheilang der Erdol)erfläche ist die
in Klimate, d* i. in Zonen, welche durch die Dauer
des längsten Tages bestimmt werden. Sie war besondert
bei den Alten gebräuchlich« So nimmt Ptolemäus
in seinem grofsen astronomischen Werke ^) vier und
zwanzig Klimate für viertelstündige Zunahmen der Ta-
geslängen von zwölf bis achtzehn Stunden , dann vier
für halbstündige Zunahmen bis zwanzig Stunden, femer
vier für die Tageslängen von ein und zwanzig, zwei
und zwanzig, drei und zwanzig und vier und zwanzig
Stunden, endlich sechs für die Tageslängen von einem
bis sechs Monate an. Hiemach liegt Berlin, wo der
längste Tag sechszehn Stunden sechs und dreifsig Mi-'
nuten dauert , im neunzehnten Klima.
Der Aequator durchschneidet den Horizont eines
Orts beständig unter einerlei Winkel und in einerlei
Punkten; auch liegt sein culminirender Punkt bestän-
dig um neunzig Grad von dem auf- und imtergehen-
den entfernt. Bei der Ekliptik ist dies alles sehr ver-
änderlich* Gulminirt der Sommerpunkt , so bildet sie
mit dem Horizont den möglich gröfisten, und culminirt
der Winterpunkt, den mö^ich kleinsten Winkel. Jener
ist um die Schiefe der Ekliptik gri^r, dieser um eben
so viel kleiner, als die Aequatorhöhe. In jeder andern
Lage hat der Auf- und Untei^ngswinkel irgend einen
mittlem Werth. Eben so veränderlich sind die Punkte,
in denen die Ekliptik den Horizont schneidet, indem
die nördlichen Zeichen eine nördliche, die südlichen
eine südliche Morg^- und Abendweite haben. Bei
einer nördlichen Morgenweite des aufgehenden Punkts
') Almagest II, 6.
22 Mathemalische Chronologie.
liegt der gröfste Theil der Ekliptik und zugleich ihr
köchster Punkt am Morgenliinimel, bei einer südlichen
am Abendhimmel. Auch die Zeit, in der sich die ein-
lelnen Zeichen durch den Horizont schieben, ist sehr
yerschieden, und zwar um so gröiser, je steiler das
jedesmalige Zeichen gegen den Horizont gerichtet ist.
Nur so viel bt bei diesem Wechsel oonstant, dais in
jedem Augenblick sechs Zeichen über dem Horizont
liegen.
Die Lage eines Sterns an der Himmelskugel ist
bestimmt, wenn man den senkrechten Bogen kennt,
um welchen er von irgend einem gröfsten Kreise ab-
steht, und zugleich weifs, wie weit der Pxmkt dieses
Kreises, dem er senkrecht entspricht, von iigend einem
in ihm angenommenen festen Punkt entfernt ist. Auf
diese Weise bezieht man den Ort eines Sterns auf den
Aequator und auf die Ekliptik. Sein Abstand vom
Aequator wird Declination oder Abweichung,
sein Abstand von der Ekliptik Breite genannt. Beide
sind entweder nördlich oder südlich, und werden
von Null bis neunzig Grad gezählt, die Abweichung
in einem Abweichungskreise d.i. in einem gröfsten
Kreise, der durch die beiden Weltpole geht, die Breite
in einem Breitenkreise, den man sich durch die
Pole der Ekliptik gelegt vorzustellen hat. Der vom
Frühlingspunkt ostwärts bis zum Abweichungskreise des
Sterns gerechnete Bogen des Aequators heiist seine Rect-
a^cension oder gerade Aufsteigung, und der
von demselben Punkt in derselben Richtung bis zum
Breitenkreise gehende Bogen der Ekliptik seine Länge.
Die Grade der geraden Aufsteigung werden von Null
bis dreihundert und sechzig rings um den Himmel
Maüiematische Chronologie. 23
gezählt, die Grade der Ekliptik dagegen in den swolf
AJbeätzen zu dreifing Graden, wekhe Zeichen genannt
werden. Die Längen und Kreiten lassen sich allemal
aus den geraden Aufsteigungen und Abweichungen durch
Rechnung herleiten* Es kommt also nur darauf an, die
geraden Aufsteigungen und Abweichungen durch Beob*
achtung zu bestimmen. Begreiflicherweise fällt im Au-
genblick der'Guhnination eines Sterns sein Abweichungs-
kreis mit dem Meridian zusammen. Dann bestimmt
seine Mittagshöhe verglichen mit der AequatorhÖhe seine
Abweichung, und der colminirende Piudit des Aequae
tors seine gerade Aufsteigung. Stellt man eine Stem-
uhr so, dafs sie ihre vier und zwanzig Stunden in dem
Augenblick zu zählen anfangt, wenn der Frühlings-
punkt culminirt, so geben ihre Zeiten, nach dem Ver-
hältnifs von fun£Eehn Grad auf eine Stunde in Bogen
verwandelt, die geraden Aufsteigungen der nach einan-
der culminirenden Sterne an. Da aber der Frühling»-
punkt kein sichtbarer Punkt der Himinelskugel ist, so
kann man der Uhr diese Stellung erst dann geben,
wenn man die gerade Aufsteigung irgend eines Sterns
kennt. Ist z. B. die gerade Aufsteigung eines Sterns
sechs und siebzig Grad, so hat man fünf Stunden und
vier Minuten als die Zeit, welche die Uhr bei seiner
Culmination zeigen mufs, wenn sie bei der des Früh-
lingspunkts ihren Stundenkreis zu durchlaufen ange&n-
gen hat. Wie man aber die gerade Aufsteigung irgend
eines Sterns durch unmittelbare Beobachtung finde,
kann hier nicht gelehrt werden.
Was am Hiiümel gerade Aufisteigung und Ab-
weichung heifst, wird auf der Erde Länge und Breite
genannt. Der gröfste Kreis der Erdkugel^ der durch
24 Mathematische Chronologie*
beide Pole und irgend eipea Punkt ihrer Oberfläche
gebt, wird der Meridian desselben genannt« weil
seine Ebene in dem Augenblick, wo es daselbst Mittag
ist, mit der des Meiidians am Himmel zusammentriflt.
Da sich im Erdäquator nicht eben so, wie im Him-
melsäquator, ein Yon der Natur selbst gegebener An-
fangspunkt findet, so ist die Wahl desselben willkühr-
lich. Gewöhnlich nimmt man den Meridian, welcher
zwanzig Grad westwärts von der Pariser Sternwarte
liegt, als den ersten oder denjenigen an, von welchem
man die Grade des Aequators entweder blois in öst-
licher Richtung von Null bis dreihundert und sech-
zig, oder in östlicher und westlicher von Null bis ein-
hundert und achtzig fortzählt. Im ersten Falle spricht
man von einer Länge schlechthin, im letztern von
einer östlichen und westlichen. Bafs die Breite
eines Orts allemal der PoUiöhe gleich sei, ist schon
oben bemerkt worden (13).
Durch die Höhe, welche die Sonne im Meridian
erreicht, oder durch die Zeit, die sie über dem Hori-
zont verweilt, wird hauptsächlich die jedesmalige Tem-
peratur eines Orts bedingt. Die Bewohner des gemälsig-
ten Erdstrichs haben von jeher das Jahr nach den ver-
schi^enen Wirkungen, welche die Sonne auf unser
Gefühl, auf die Witterung und auf die Vegetation äus-
sert, in vier Zeitabschnitte oder Jahrszeiten getheilt,
eine Eintheilung, .die sich allenfalls auch auf die kalten
Zonen, aber nicht auf die heifse anwenden läist.
Statt der physischen Jahrszeiten, die keiner allgemei-
nen Bestimmung fähig sind und für jedes Land an-
ders ausfisdlen, hat man die astronomischen einge-
führt, die durch die grölste, mittlere und kleinste Ent-
Mathematische Chronologe. 25
femimg Yom Scheitelpunkt, wddie die Sonne im Me-
ridian erreicht, bestimmt werden. An den vier Tagen,
wo diese Entfernungen eintreten, d. i* an den Tagen,
wo sie den Steinbocks- Widder- Krebs- und Wage-
punkt erreicht, sagt man, dais Winter, Frühling,
Sommer und Herbst an&ngen«
Die Veränderung der Tageslangen und Mittag8h&-
hen der Sonne, kurz der Jahrszeiten, hangt von der
Schiefe der Ekliptik ab, einem der wichtigsten
Elemente der Sternkunde, das die Astronomen seit
dritthalbtausend Jahren mit Genauigkeit zu bestimmen
gesucht haben. Sie wird, wie schon bemerkt worden,
durch die zwischen den Solstitialpunkten und dem
Aequator liegenden Bogen des Solstitialkolurs gemessen,
und ist an den Tagen der Sonnenwenden dem Unter-
schiede der Mittagshöhe der Sonne und der Aequator-
hohe gleich* Im strengsten Sinne findet dies freilich
nur Statt, wenn sich die Sonnenwende gerade am Mit-
tage ereignet; da sich indessen in der Nähe der Sol-
stitialpunkte die Abweichung der Sonne in einem Tage
nur wenig ändert, so wird man ohne bedeutenden
Fehler auch ihre Höhe am vorhergehenden oder nach-
folgenden Mittage in Rechnung bringen können. Dafs
die Hälfte des Unterschiedes der grölsten und kleinsten
Mittagshöhe, welche die Sonne im Verlauf eines Jahrs
erreicht, ebenfalls die Schiefe gebe, sieht man leicht.
Von der Correction , die wegen der Strahlenbrechung
bei den beobachteten Höhen angebracht werden mufs,
kann hier nicht die Rede sein.
Die Mittagshöhen zu messen, bedienen sich die
Astronomen des Mauerquadranten, d. i. eines an
einer Mauer in der Mittagsebene befestigten groisen
26 Mathematisclie Chivnolögie.
Quadranten, um dessen Hiltelpunkt sich eine Regel
mit einem darauf angebrachten Femrohr bewegt* In
der Mitte des . Gesichtsfeldes dieses Femrohrs durch-
kreuzen sich ein horizontaler und ein vertikaler Fa-
den, und wenn man nun dem Femrohr eine solche
Richtung gibt, dafs der Stern längs dem horizontalen
Faden hinlauft, so schneidet die durch den Mittelpunkt
des Quadranten gehende Schärfe der Regel , mit der
die Axe des Fernrohrs parallel läuft, den Bogen ab, der
die Mittagshöhe bestimmt. Zugleich gibt der Durch-
gang des Sterns durch den vertikalen Faden den Au-
genblick der Culmination. Will man daf Femrohr auf
die Sonne richten, so kann man nur die Höhe ihres
untern oder obem Randes messen, aus der man dann
durch Addition oder Subtraction ihres etwa einen Yier-
telgrad betragenden scheinbaren Halbmessers die Höhe
des Mittelpunkts herleitet.
Der Mauerquadrant ist aber ei*st in neuem Zeiten
durch Tycho de Brahe eingeführt worden. Vorher
bediente man sich zur Messung der Mittagshöhen der
Sonne, mithin auch der Schiefe der Ekliptik, des Gno-
mons. So nannten die Alten einen über der Mittags-
linie vertikal errichteten Stift, Stab oder Obelisk, des-
sen genau bestimmte Höhe sie mit der jedesmaligen
Länge des Mittagsschattens verglichen, um daraus den
Winkel, welchen der den Schatten begrenzende Strahl
mit der Horizontalebene bildet, d. i. die Mittagshöhe
der Sonne, zu berechnen.
Mit Hülfe dieser einfachen Vorrichtung fand Era-
tosthenes gegen zweihundert und fünfzig Jahr vor
Chr. Geb., dafs der zwischen den Wendekreisen lie-
gende Bogen des Meridians •—- seines Umfangs halte,
Mailhematische Chronologie. 27
welches für die Schiefe 23*^ 51' 20" gibt. Hipparch,
unter den alten Astronomen der feinste Beobachter,
prüfte dies Resultat hundert Jahr später und bestätigte
es ^)« Seitdem haben alle Beobachtungen eine fortwäh-
rende Abnahme der Schiefe gegeben. Der im zehnten
Jahrhundert lebende arabische Astronom Albattani
setzte sie auf 23** 36', Tycho vor etwa zweihundert
Jahren auf 23^ 30'. Die neusten Beobachtungen geben
nahe 23** 28' und eme Säcularabnahme von etwa 40".
Man würde aber irren, wenn man hieraus schlielsen
wollte, dafs die Schiefe immerfort abnehmen und einst
Null werden dürfte. Man weifs jetzt, dafs aHe Aende-
rangen derselben nur periodische Schwankungen inner-
halb gewisser Grenzen sind. Uebrigens sind es bei die-
ser Aenderung die Pole der Ekliptik, die sich im Sol-
stitialkolur den Weltpolen nähern, indem sich hierbei
blofs die Breiten, nicht die Abweichimgen der Sterne
ändern.
• Noch eine ändere sehr langsame Bewegung muis
hier erklärt' werden. Hipparch entdeckte durch Ver-
gleichung seiner Beobachtungen mit den einhundert und
sechzig Jahr altem des Timocharis und Aristjllus,
dafs die Länge aller Sterne um zwei Grad zugenommen
habet -Pt^lemäus fand dies östliche Rücken der Sterne
bestätigt und setzte es in hundert Jahren auf einen
Grad ^). Schon frühere Völker mufsten es, wenn auch
nicht den Umständen nach so genau kennen, doch we-
nigstens ahnen. Sie sahen, dafs die erste Erscheinung
\^ines Sterns in der Morgendämmerung, wenn sie am
*) A 1 m a g c s l I, 10, S. 49 des Halmaschen Textes.
') Eb. Vn, 2 und 3.
28 Maüiemailsche Chronologie.
Tage einer Nachtgleicbe oder Sonnenwende erfolgt war,
nach einer Reihe von Jahren erst einen oder mehrere
Tage nachher eintraf, woraus sie natürlich den Schlufs
zogen, dais die Sonne eher zu dem Punkt der Nacht-
gleiche oder Sonnenwende, als zu dem Stern zurück-
kehre, dais folglich die Aecpiinoctialpunkte gegen
Westen oder der Stern gegen Osten gerückt wäre,
und in beiden Fidlen die Länge des Sterns zugenom-
men hätte« Die Alten erklärten diese Ei^scheinung
durch eine Bewegung der Sterne; die neuere Astrono-
mie lehrt aber, dafs es die Aequinoctialpunkte sind,
welche sich westlich von den Sternen entfernen und
der Sonne entgegenrücken* Die Bewegung erfolgt längs
der Ekliptik, nicht längs dem Aequator, so dafs hier-
bei die Breiten der Sterne ungeändert bleiben. Mau
nennt dies die Präcession oder Yorrückung der
Nachtgleichen« Sie betragt jährlich 50^,2 oder in
hundert Jahren 1^ 23' 40^^, gibt also in etwa sechs
und zwanzig tausend Jahren einen ganzen Umlauf. Ei-
gentlich besteht sie in einer rückgängigen Bewegung
der Weltpole, vermöge welcher sie um die festen Pole
der Ekliptik einen Kreis beschreiben, dessen Halbmes-
ser die Schiefe der Ekliptik ist. Eine Folge dieser Be-
wegung ist, dais die Sternbilder, welche den Zeichen
der Ekliptik ihre Namen gegeben haben, denselben
jetzt nicht mehr entsprechen, sondern um ein ganzes
Zeichen von der Stelle ostwärts gerückt sind , wo sie
sich vor zwei tausend Jahren befanden. So steht nun
das Sternbild der Fische im Zeichen des Widders, das
Sternbild des Widders im Zeichen des Stiers u. s. w*
Die Astronomie beweiset, dais auch die jährlidie
Bewegung der Sonne nur scheinbar ist. Sie ist die Folge
Mathematisclie Chronologie. 29
einer Bewegung unserer Eide, vermöge welcher sie bin-
nen einem Jabr dergestalt um die Sonne lauft, dais
die Axe, um welche sie sich inzwischen täglich von
Westen gegen Osten um sich selbst dreht, mit der
Ebene ihrer Bahn einen Winkel von 66|- Graden bil-
det und bis auf die sehr langsame Aenderung, deren
so eben gedacht worden ist, sich selbst parallel oder
gegen einerlei Punkt der Himmelskugel gerichtet bleibt.
Es mufs also der Erdäquator gegen jene Ebene imter
einem Winkel von 23-^ Graden gerichtet sein, welchen
mithin auch der HimmeMquator und die bis an die
Himmelskugel erweiterte ESbene der Erdbahn, die Eklip-
tik, mit einander bilden« Hier, wo es nur auf die Er-
scheinungen der taglichen und jährlichen Bewqpmg,
nicht auf ihre Gründe, ankommt, betrachten wir beide
als wirklich am Hinmiel yoi^hend, und untersuchen
nun ihre Perioden genauer.
Das Wort Tag wird in einem zwiefachen Sinne
gebraucht. Einmal bezeichnet es die Zeit der Anwesen-
heit der Sonne über dem Horizont, welche durch ih-
ren jedesmaligen Tagbogen bestimmt wird , im Gegen-
satz der Nacht; dann wird darunter ein ganzer täg-
licher Umlauf der Sonne oder die Zeit verstanden, in
der sie zum Meridian, sei es zum obern oder untern,
zurückkehrt. Der Zusammenhang der Rede gibt ge-
wöhnlich zu erkennen, wie wir das Wort gebraucht
wissen wollen. Um uns ganz bestimmt auszudrücken,
können wir den ersten Tag den natürlichen, den
anderp den bürgerlichen nennen, weil jenen das
auffallendste aller Naturereignisse, der Wechsel von
Licht und Finstemils, bestimmt, und wir nach die-
sem unsere bürgerliche Zeit eintheilen öder datiren.
30 Mathematische Chronologie,
Im bürgerlichen Tage *) unterscheiden wir die vier
Tagszeiten Morgen, Mittag, Abend und Mitter-
nacht, welche von den Durchgängen der Sonne durch
den Horizont und Meridian bestimmt weiden.
Im gemeinen Leben, wenigstens in der europäischen
Welt, fangt man den bürgerb'chen Tag mit dem un-
sichtbaren Durchgange der Sonne durch den untern
Meridian, der Mittemacht, an, und theilt ihn in vier
und zwanzig Stunden, die man in zwei Absätzen zu je
zwölf Stunden zählt, ein Yeriahren, wodurch es noth-
wendig wird, bei jeder Stunde zu bemerken, ob sie
dem Vor- oder Nachmittage angehört, wenn es nicht
schon der Zusammenhang der Rede gibt. Die Astrono-
men beginnen, nach dem Vorgänge des Ptolemäus '),
ihre Tage gewöhnlich mit dem Durchgange der Sonne
durch den obem Mmdian, dem Mittage, weil sich
diese Epoche durch eine unmittelbare Beobachtung eben
so sicher als bequem bestimmen läfst, und zählen die
Stunden von einem Mittage bis zum andern hinter-
einander fort, was die Folge hat, da(s die astrono-
mischen Tage und Stunden blois von Mittag bis Mit-
temacht mit den bip^rlichen übereinstimmen, von
Mittemacht bis Mittag aber im gemeinen Leben ein
Tag mehr und zwölf Stunden weniger gezählt werden.
Neuerdings hat man in Frankreich angefangen, nach
dem Beispiel des Hipparch und Gopernicus den
astronomischen Tag, wie den bürgerlichen, von der Mit-
^ f^i M\ l> *
*) Einige Sprachen haben für den bürgerlichen Tag eine
besondere Benennung, z. B. die griechisdie vvx^V'P®^> ^^^ P^'^'
sische ja^yL«^ schebanruz, die schwedische d^gn.
} Almagesi ln,8, S.208.
'.UV.
Mathematische Chronologie. 31
ternaclit an zu rechnen. Die 1806 von dem Bureau
des Longitud^s herausgegebenen Sannen- und Mond-
tafeln der Herren Delambre und Bürg sind dem
gemäls eingerichtet. Es ist aber kaum zu erwarten, dais
die Astronomen von dem Gebranch des Ptolemäus
abgehen werden, fiir den wichtige Gründe sprechen.
Da sich die Erde in vier und zwanzig Stunden
von Westen gegen Ost^i um ihre Axe dreht, und in*
zwischen sämmdiche Meridiane vor der Sonne yorübep-
geföhrt weiden , so begreift man leicht , dals alle Ta-
gesstunden zugleich auf der Erde yorhanden sein müs-
sen. In jedem Augenblick geht die Ebene ii^end eines
Meridians durch die Sonne. Dann ist in der obem
Hälfte desselben von Pol zu Pol Mittag, in der untern
Mittemacht , und in den Orten , welche von der obem
ostwärts zur untern liegen, Nachmittag, in den übri-
gen Vormittag. Ein Langenunterschied oder Bogen des
Aequators von fünfzehn Grad gibt einen Zeitunterschied
von einer Stunde, ui\d nach diesem Terhältniis läfst
sich jeder Bogen leicht in Zeit und umgekehrt ver-
wandeln. Ereignet sich irgend eine himmlische Erschei-
nung für alle Erdbewohner in gleichem Augenblick,
z. B. die Yerfinsierung eines Jupiterstrabanten, so kann
sie dazu dienen, den Zeitunterschied zweier Orte, mit-
hin auch den Längenunterschied zu bestimmen; denix
wird sie z. B. zu Paris gerade um Mittemacht, zu Ber-
lin hingegen um 11 Uhr 44' 10^ Morgens, mithin 44'
10^ später gesehn, so liegt dieser Ort 11° V 30" öst-
licher, als jener, mithin unter 31** 2 '30" Länge (24).
Da die Bestimmung der Länge besonders für den
Seefahrer ein Gegenstand von der grofsten Wichtigkeit
ist, weil ihm seine Seekarten von keinem Nutzen sind.
32 Mathematische Chronologie.
wenn er nicht den Meridian so wie die Polhöhe dei-
nes j^smaligen Orts kennt, so hat man sich bemüht,
Uhren zu yerfertigen, auf deren Gang weder die Schwan-
kungen des Schiffs, nodi die Aenderungen der Tempe-
ratur einen störenden Einfluis haben, so dajs sie, nach
der Zeit eines Orts geteilt, dieselbe überall, wohin
man sie auch bringen mag, genau angeben, oder doch
mit einem Fehler, den man aus ihrem bekannten Gange
berechnen kann. Man hat es auch wirklich in der Ver-
fertigung solcher Werkzeuge, die man Chronometer
nennt, sehr weit gebracht. Der Schiffer, der sich ih-
rer bedient, darf nur die Zeit seines Orts bestimmen,
wozu sich ihm mehrere Mittel darbieten, diese Zeit
mit der des Chronometers vergleichen, und den Unter-
schied beider Zeiten nach obigem Yerhältnifs in Grade
verwandeln, um aus der ihm bekannten Länge des
Orts, dessen Zeit die Uhr angibt, die seines Meridians
herzuleiten« Macht er die Reise um die Erde, so wird
er bei seiner Rückkehr einen Tag mehr oder weniger
als die Zurückgebliebenen zahlen, je nachdem er seine
Richtung östlich oder westlich genommen hat, eine Er-
fahrung, die leicht zu erklären ist, aber nichts desto
weniger die ersten Weltums^ler sehr überraschte.
Die Zeit, in der die Sonne zu dem Punkt des
Himmels, von welchem sie ausgegangen ist, zurück-
kehrt, wird ein Jahr genannt, und zwar ein side-
risches oder Sternjahr, wenn von ihrer Rückkehr
zu demselben Stern, und ein tropisches, wenn von
ihrer Rückkehr zu demselben Punkt der Ekliptik, z. 6.
zu einem der Wendepunkte— rgoirou —die Rede ist.
Jenes, mit dem sie ihren Umlauf eigentlich erst vollen-
det hat , ist wegen der Yorrückung der IVachtgleichen
Mathematische Chronologie. 33
etwas länger, als dieses, welches den Wechsel der Jahrs-
zeiten und Tageslangen bedingt, und daher im bür-
gerlichen Leben allein gebraucht werden kann.
Die tropischen Jahre sind nicht durchgängig ein*
ander gleich, wegen der störenden Einwirkung, welche
die anziehenden Kräfte der Planeten auf die Bewegung
der Erde äufsem. Die Unterschiede können auf meh-
rere Minuten gehen, ^m nun einen mittleren Werth
zu erhalten und zugleich den Einflufs der Beobach-
tungsfehler möglichst zu schwächen, muis man Nacht-
gleichen oder Sonnenwenden vergleichen, die um eine
grolse Reihe von Jahren von einander entfernt sind,
und das in Tagen und kleineren Zeittheilen ausgedrückte
Intervall durch die Zahl der Jahre dividiren.
Zuerst beobachteten die Alten blofs die Solstitien,
und zwar mit Hülfe der vorhingedachten Gnomonen,
die aber wenig Genauigkeit gewähren, zumal in diesem
Falle, wo sich die Abweichung der Sonne sehr langsam
ändert, also der Augenblick des Maximum, selbst mit
feinen Mefsinstrumenten, schwer auszumitteln ist. Da-
gegen ändert sie sich um die Zeit der Nachtgleichen
am schnelbten , in einem Tage um vier und zwanzig
Minuten. Hipparch zog daher die Beobachtung die-
ser Epochen vor, und bediente sich dazu einer Ar-
mille, oder eines grolsen scheibenartigen metallnen
Ringes, der, in der Ebene des Aequators aufgestellt,
dadurch , dafs sich die hintere Hälfte von der vordem
ganz beschattet zeigte, den Augenblick zu erkennen gab,
wo sich der Mittelpunkt der Sonne im Aequator be-
fand. Diese Art von Beobachtung gewährte weit mehr
Genauigkeit als jene, ob sie gleich wegen Yemachläs-
sigung der Strahlenbrechung, deren Gesetze die alten
I. [3]
34 Mathematische Chronologie.
Astronomen nicht kannten, ebenfalls mehr oder weniger
trägen mufste.
Ptolemäns hat neun solche von Hipparch an-
gestellte Beobachtungen aufbewahrt, die uns bei der
Untersuchung der D&uer des tropischen Jahrs vortreff-
lich zu Statten kommen. So fimd dieser Astronom/) dafs
sich die Frnhlingsnachtgleiche des zwei und dreiisigsten
Jahrs der dritten kallippischen Periode, *d. u des Jahrs
146 V. Chr. 9 am 27. Mechir des ägyptischen oder am
24. Harz des julianischen Kalenders eine Stunde vor
Eintritt des Mittags zu Alexandrien ereignete. Wir wol-
len hiermit die Frühlingsnachtgleiche des Jahrs 1755
vergleichen, wie sie Jakob Gassini zu Paris beobach-
tet hat. ') Sie trat am 21. März neuen oder 10. Man
alten Stils um 2 U. 20' 40^ Morgens ein. Der ZeitüA-
ters^hied zwischen Paris und Alexandrien beträgt 1 St.
Sr 16\ "fy war also an letzterem Orte 4U. IT 56'
Morgens, ab Gassini seine Beobachtung machte, und
es kommt nun darauf an, das Zeitintervall zwischen
beiden AequinocUen richtig zu bestimmen. Es betragt
1880 julianische Jahre zu 365<^ Tagen, weniger 14 T.
6 St. 48' 4% oder 686655 Tage 17 St. 11' 56", und
wenn man diesen Zeitraum durch die in ihm enthal-
tenen 1880 tropischen Jahre dividirt, so erhält man
für das einzelne Jahr 365 T. 5 St. 49' Z\'\
Bei dieser Zusammenstellung so entfernter Nacht-
gleichen muls noch die Verschiedenheit der Lage der
Sonnenbahn zur Zeit beider Beobachtungen in Betracht
gezogen werden, wodurch eine Gorrection nöthig wird,
*) Almagest lU, 2, S. 154.
') S. seine Eldmens ^Astronomie S. 215.
MathemaUscIiß Chronologie. 35
die hier nicht nähec erklärt werden kann. Auch darf
man sich der möglichen Beobachtungsfehler wegen nicht
mit Einer solchen Yergleichung begnügen, sondern hat
aus mehreren Beobachtungen ein mittleres Resultat zu
ziehen. Auf diesem Wege sind nun die Astronomen zu
einer genauen Kenntniis des tropischen Jahrs gelangt,
indem sie sich dahin vereinigt haben , es auf 365 T.
5 St. 48' 48" zu setzen').
Während des tropischen Jahrs hat die Lange der
Fixsterne um 50'^2 zugenommen. Die Sonne hat also am
Ende desselben in Ansehung der Fixsterne noch Leinen
yollkommenen Umlauf gemacht, sondern erst 360 ^-* 50", 2
zurückgelegt. ATan findet demnach die Zeit eines ganzen
Umlaufs durch die 'Proportion : Z^O^ — 50", 2 : ZßO^ »
ZeS T. 5 St. 48' 48" : Sternjahr, wo sich für die
Dauer desselben 365 T. 6 St. 9' 10" eichen.
Mit der vorhin augedeuteten Aenderung der Lage
der Sonnenbahn hat es folgende Bewandnils. Diese
Bahn ist, wie die Astronomie lehrt, eine Ellipse, in
deren einem Brennpunkt sich die Erde befindet, Ton
der die Sonne in den beiden Endpunkten der grofsen
Axe (den Absiden) ihre kleinste und gröfste Entfer-
nung hat. Der eine dei^selben heifst Perihelium oder
Sonnennähe, der andere Aphelium oder Sonnen-
ferne. ^) Nach den Gesetzen der allgemeinen Schwere
bewegt sie sich im Aphelium am langsamsten, täglich
*) S. Lalande^s Mdmoire sur la durie de Pannee solaire
in den Abhandlungen der pariser Akademie vom Jahr 1782.
^) Es ist hier^ wie schon bemerkt worden, nur von Schein-
bewegungen die Rede. In d^ Wii-küchkeit yerhält sich die
Sache ' anders ; denn die Erde ist es , die sich in einer Ellipse
bewegt,, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht. .
[3']
36 Mathematische Chronologie.
etwa 57 \ im Perihelium am schnellsteii , taglich etwa
6V. Diese Punkte sind einer Bewqping unterworfen.
Zu Hipparch's Zeiten lag das Aphelium im fünften
Grade der Zwillinge ; jetzt ist cß bis zum zehnten des
Krebses vorgerückt.
Die wahre Bewegung der Sonne ist also ungleich-
förmig. Ihre mittlere Bewegung wird diejenige ge-
nannt, vermöge welcher sie in 365 T. 5 St. 48' 48",
der Dauer des tropischen Jahrs, 360 Grad durchläuft.
Hieraus ergibt sich fiir ihre mittlere tägliche Be-
wegung ein Bogen von 59' S-l-". Der Ort der Eklip-
tik, wo sie sich in jedem Augenblick befinden würde,
wenn sie von ihrem Durchgange durch das Aphelium
an beständig mit gleichförmiger Bewegung fortginge,
bestimmt ihre mittlere Länge, ihre wahre Länge
' hingegen der Ort, den sie vermöge ihrer ungleichförmi-
gen Bewegung in jedem Augenblick wirklich einnimmt.
Der Unterschied beider heifst ihre Mittelpunkts-
gleichung, aequatio orhitae.
Die wahren Sonnentage oder die Zeiten,
welche zwischen zwei auf einander folgenden Gulmi-
nationen der Sonne verfiiefsen, sind von ungleicher
Dauer, nicht blois wegen der ungleichförmigen Bewe-
gung der Sonne, sondern auch weil die Ekliptik schief
gegen den Aequator gerichtet ist, also gleiche Bogen
derselben nicht in gleichen Zeiten durch den Meridian
gehen. Eine Uhr, die mit dieser Ungleichheit der Sonne
gleichen Schritt hält, mithin allemal im Augenblick
der Gulmination der Sonne oder des wahren Mittags
zwölf zeigt, gibt wahre Zeit an. Dies gilt von allen
richtig entworfenen und aufgestellten Sonnenuhren. Die
Taschen- und Pendeluhren dagegen können als mecha-
Mathematiscfie Chronologie. 37
oische Werkzeugie dieser Un^eichbeit nicht ohne eine
besondere sehr künstliche Einrichtung folgen; sie sind
viehnehr um so vollkonunener ^ je gleichförmiger ihr
Gang ist.
Man hat daher die mittlere Sonnenzeit ein-
geführt, um nach ihr die mechanischen Uhren su re-
guliren. Man stellt sich nämlich einen Körper yor, der
in einem tropischen Jahre mit gleichförmiger Geschwin-
digkeit den Aequator dergestalt durchläuft, dals seine
jedesmalige gerade Aui^ieigung der mittleren Länge der
Sonne gleich ist. Wenn dieser Körper culminirt, so
sagt man, dais der mittlere Mittag eintrete, und
eine Uhr, die dann allemal zwölf zeigt, gibt mittlere
Sonnenzeit an« Die Tage dieser mittleren Zeit sind durch-
gehends von gleicher Länge. Der Unterschied zwischen
der mittleren und wahren Sonnenzeit, oder der Zeit-
raum, um welchen der eingebildete Körper früher oder
später culminirt, als die Sonne, wird die Zeit-
gleichung, aequado iemporis, genannt, und gefun-
den, wenn man die mittlere Länge der Sonne yon ih-
rem auf den Aequator reducirten Ort oder yon ihrer
wahren geraden Aufsteigung abzieht, und den Unter-
schied in Zeit yerwandeh. Ist dieser Unterschied po-
sitiv, so eilt der mittlere Mittag dem wahren yor; ist
er negativ, so trifft der mittlere Mittag später als der
wahre ein. Wenn man z. B. sagt, dafs die Zeitgleichung
am i. Januar 1825 -f- 3' 56^, und am 1. October
— 10' 17" sei, so heifet dies, dafs man im ersten Fall
3' 56" zur wahren Zeit addiren, und im letztem 10'
17" yon ihr subtrahiren müsse, um die mittlere Zeit
zu erhalten. Man sieht, wie man mit Hülfe eines Mit-
tagsfemrohrs und der Zeitgleichung täglich untersuchen
38 Mathenmtische Chronologie.
könne, ob eine Uhr nach mittlerer Sonnenzeit richtig
gehe oder nicht. Viermal jährlich , nämlich um die
Mitte des Aprils und Junius, *und am Ende des Au-
gusts und Deoembers, ist die Zeitgleichung Null. Ih-
ren gröfsten Werth von fünfzehn bis sechzehn Minu-
ten hat sie um die Mitte des Februars, wo sie positiv,
und im Anfänge desi' Novembers , wo sie negativ ist.
Die Verschiedenheit von einem Jahr zum andern be-
trägt nur wenige Sekunden. * .
In einem mittleren Sonnentage schieben sich aufser
den 560 Graden Aßs Aequators noch die 59' 8-5-" der
mitderen täglichen Bewegiing der Sonne durch den Me-
ridian, in einem Stemtage hingegen gerade 360 Grad«
ICeraus folgt, dals der Stemtag in mittlerer Sonnen-
zeit 23 St. 56' 4", und der mittlere Sonnentag in
Stemzeit 24 St. 3' 56 ''jS halte. Der Gang einer nach
mittlerer Sonnenzeit eingerichteten Pendeluhr kann also
auch so geprüft werden, da(s man untersucht, ob die
Culmination eines und eben desselben Sterns nach ihr
taglich um 3' 56" früher erfolgt.
Nächst der Sonne zieht unter allen Himmelskör-
pern der Mond am meisten unsere Aufmerksamkeit
auf sich. Die auflallende und regelmäfsige Abwechslung
seiner Lichtgestalt bot den Völkern ein bequemes Mit-
tel dar, auch ohne Kalender oder Rechnung die Zeiten
ihrer gottesdienstlichen Handlungen und Versammlim-
gen zu bestimmen.
Wenn wir ihn einige Tage hindurch nicht wahr-
genommen haben, so erblicken wir ihn in der Abend-
dämmerung als einen schmalen , sichelförmigen Licht-
streifen, welcher allnlälig, so wie er sich nach Osten
hin von der Sonne entfernt, anwächst, fünf bis sechs
MathematiscJie Chronologie. 39
Tage darauf zum Halbcirkel wird, und in dieser Ge^
stall beim Untergange der Sonne, neunzig Grad yon
ihr entfernt, Abend« in Süden siebt. Dies nennt man
sein erstes Viertel. Er wäcbst hierauf in den
nächsten sieben Tagen zur vollen Scheibe an , mit der
er die glänze Nacht hindurch leuchtet, indem er beim
Untergange der Sonne aufgeht, um Mittemacht culmi*
nirt und beim Aufgange der Sonne untei^ht. Dies ist
der Vollmond oder die Opposition. Dem vollen
Monde folgt mit gleichen Lichtwechseln der abneh-
mende , nur da£s der erleuchtete Theil an der linken
oder Östlichen Seite liegt, da er bei dem zunehmenden
rechts oder westlich sich zeigte, nsgnlich immer der
Sonne zugekehrt. Zugleich nähert sich der Mond der
Sonne au6 neue, bis er sieben Tage nach dem vollen
Lichte als Halbkreis beim Aufgange der Sonne, neunzig
Grad von ihr westwärts entfernt, in Süden steht. Dies
nennt man sein letztes Viertel, worauf er der Sonne
immer näher rückt, immer spater aufgeht, und immer
schwächer erleuchtet erscheint , bis er fünf oder sechs
Tage nachher als ein schmaler Lichtstreifen in der Mor-
gendämmerung verschwindet. Er kommt alsdann zur
Sonne, imd diese Stellung heiikt Neumond oder Gon-
junction. Das erste und letzte Viertel werden auch
die Quadraturen, der neue und volle Mond die
Syzygien genannt.
Diese periodisdien Lichtabwechslungen odor Pha«
sen rühren daher, dafs der Mond sich um unsere Erde
bewegt und zugleich von der aufserhalb seiner Bahn
Befindlichen Sonne erleuchtet wird. VTenn eine Kugel,
die man in einem Kreise u«l sich her bewegen laist,
von einem aufserhalb desselben stehenden Lichte be-
40 Mathematische Chronologie.
schienen wird , so stellt sie ähnliche Lichtwechsel dar.
Der Mond wird in jeder Stellung zur Hälfte von der
Sonne erleuchtet, kann uns indessen nur dann, wenn
er in dem der Sonne e\itgegengesetzten Punkt seiner
Bahn steht, seine ganze helle Seite zuwenden. Da auch
die Erde ihr Licht von der Sonne empfiuigt, so nauis
sie dem Monde, wenn er uns neu ist, in vollem Lichte
erscheinen, wo dann das von ihr zurückgeworfene Licht
stark genug ist, seinen dunkeln Theil schwach zu er-
leuchten, wenn er sich als Sichel am Abend- oder
Morgenhimmel zeigt.
Der Mond wird zuweilen von einer Schattenscheihe,
die sich von Osten her über ihn verbreitet, entweder
ganz oder zum Theil verdunkelt. Da sich eine solche
Mondfinsternifs immer nur zur Zeit des Vollmon-
des ereignet, so muis es der Eidschatten sein, in den
der Mond alsdann tritt. Man nennt die Finstemils to*
tal, wenn er sich ganz, partial, wenn er sich nur
zum Theil in den Schatten senkt. Die Axe des kegel-
förmigen Erdschattens fällt in die Ebene der Ekliptik
und trifll den der Sonne gegenüberliegenden Punkt der-
selben. Wir würden daher bei jedem Vollmonde eine
totale Mondfinsternifs haben, wenn die Mondbahn mit '
der Sonnenbahn zusammenfiele. Beide sind aber um ei-
nige Grade gegen einander geneigt, und so können
sich die Finsternisse nur dann ereignen, wenn der
Mond in oder nahe bei einem der Durchschnittspunkte
der beiden Bahnen steht ^). Fällt einer dieser Punkte
*) Dieser Umstand hat die Benennung Ekliptik vcranlafst,
welche so viel als Bahn der Finsternisse bedeutet. Sie findet
flieh erst bei späteren lateinischen Grammatikern. Die griechischen
Mathematische Chronologie. 41
im Augenblick der Opposition in die Mitte des Eid-
schattens, so ist die Finstemüs central und von mög-
lich längster Dauer , welche auf beinahe vier Stunden
gehen kann. In den totalen Finsternissen wird der
Mond selten ganz unsichtbar, sondern behält noch ein
schmutziges kupferfarbiges Licht, welches von denjefni-
gen Strahlen der Sonne herrührt, die in unserer At-
mosphäre nach dem Monde hin gebrochen werden.
Zur Zeit des Neumondes ti*itt zuweilen eine Son-
ne nf ins ternifs ein, wovon offenbar der Mond, der
sich dann , zwischen uns und der Sonne befindet, die
Ursache ist. Letztere wird aber nicht eigentlich ver;-
finstert, sondern nur bedeckt, so dafs die Sonnenfin-
sternisse richtiger Erdfinsternisse heiisen sollten.
Da der Mond, kleiner als die Erde und ihr viel naher
ist, als die Sonne, so ist begreiflich, dafs er die letz-
tere immer nur für' einen verhältnifsmäisig kleinen
Theil der Erdoberfläche bedecken könne, und dafs
Anfang, Mittel, Ende und Grofse der Finstemifs für
jeden Ort anders ausfallen. Bei einer totalen Sonnen-
finstemifs kann der Streifen der Erdoberfläche, in
welchem sie beobachtet wird, höchstens dreifsig Mei-
len breit sein, daher sich die Sonnenfinsternisse für
einen bestimmten Ort seltener als die Mondfinstemisse
ereignen^ wenn gleich die Sonne im Ganzen häufiger
als der Mond verfinstert wird. Dafs nicht jede Con-
junction eine Sonnenfinstemifs mit sich bringt ^ ist
wieder eine Folge der Neigung der Mondbahn. Tref-
Astronomen sagten umschreibend: o ^m jliso-wv twv ^Mtav, der
Kreis durch die Mitte der Zeichen.
42 Mathematische Chronologie.
fen die Mittelpunkte der Scmnen- and Mondscheibe
fiir einen Ort zusammen, so heiist die Finsternis
central. Es kann dann der scheinbare Durchmesser
des Mondes entweder gröjser, oder eben so grofs,
oder kleiner als der der Sonne sein. Im ersten Falle
entsteht eine totale Sonnenfinsternifs von Dauer,
die aber höchstens auf fiinf Minuten gehen kann ; im
zweiten eine totale Finstemifs von keiner Dauer,
im dritten eine ringförmige, bei der, wenn der
Mond ganz vor die Sonne getreten ist, noch ein Ring
von dieser unbedeckt bleibt. Die totalen, so wie die
ringförmigen Sonnenfinsternisse sind für einen bestimm-
ten Ort sehr seltene Erscheinungen.
Der Mond rückt täglich um etwa dreizehn Grad
von Abend gegen Morgen am Himmel fort, und ist
nach etwas mehr als sieben und zwanzig Tagen wieder
bei demselben Stern. Diesen Zeitraum nennt man ei-
nen periodischen Monat. Inzwischen ist die Sonne
um etwa sieben und zwanzig Grad fortgerückt, und es
verfliefst noch einige Zeit, ehe sie der Mond wieder
einliohlt. Darum ist die Zeit von einem Neumonde zum
andern, der sy Modische Monat, gröiser als der pe-
riodische. So gebraucht der Minutenzeiger der Uhr,
wenn er um 12 mit dem Stundenzeiger in G>njunction
gewesen ist, i^^ Stunde, um den Stundenzeiger einzu-
hohlen, aber nur eine Stunde, um wieder an dieselbe
Stelle des Zifferblatts zu kommen.
Die Dauer des synodischen Monats er&hrt man
am bequemsten und sichersten, wenn man die Zeit,
die zwischen zwei Mondfinsternissen verfliefst, dui'ch
die in ihr enthaltene Anzahl der synodischen Monate
dividirt. Zuerst wählt man zwei nicht weit von ein-
Mathematische Chronologie. 43
ander entfernte FinBternisse, um sich in der Zahl der
Monate nicht zu in.'en. Kennt man nun die Dauer
des Monats beinahe, so nimmt man zwei sehr weit
von einander entfernte Finsternisse, diyidirt die Zeit
zwischen beiden durch die vorläufig bestimmte Dauer
eines Monats, imi die Zahl der Monate zu erhalten,
und diyidirt mit dieser Zahl aufs neue die Zeit, um
die Dauer des Monats genauer zu finden. Wir woUen
z. B. die totale Mondfinstemifs , welche die Ghaldäer
im 27sten Jahr der nabonassarischen Aere am 29. Thoth
oder im 3ahr 721 v. Chr. den 19. März Abends beob-^
achtet haben ^), mit der IlnsternUs vergleichen, welche
im Jahr iS20 den 29. März neuen oder 17. März alten
Stils zu Berlin des Abends eingetreten ist. Das Mittel
jener ist nach babylonischer Zeit um 9 U. 30', nadi
berlinischer um 7 U. 27', und das Mittel dieser um
7 U. 30' beobachtet worden. Der Zeitraum zwischen
beiden betragt 927733 Tage 0 St. 3'. Dividiren wir
ihn durch die vorläufig bestimmte Dauer des synodi-
schen Monats von 29 Tagen 12 St. 44', so finden wir,
dais er 31416 synodische Monate halt, und dividiren
wir nun das Intervall aufs neue durch 31416, so er-
gibt sich die Dauer des synodischen Monats rieh*
tig zu 29 T. 12 St. 44' 3".
Hieraus findet sich die Dauer des periodischen
Monats mit Hülfe einer einfachen Proportion. Es sei
nämlich a der Bogen der Ekliptik, den die Sonne in
einem synodischen Monat zurücklegt. Offenbar verhält
sich, wenn von den mittleren Bewegungen die Rede
ist, die Zeit, in welcher die Sonne 360 -f- a Grad
') Almagcst IV, 5, S. 244.
44 Maüiematische Chronologie.
beschreibt, zu der Zeit, in der sie 360 Grad zurück-
legt, wie die Zeit, in welcher der Mond 360 + a Grad
durchläuft, zu der Zeit, in der er 360 Grad macht,
welches die Proportion gibt: wie die Summe des Son-
nenjahrs und des synodischen Monats zum Sonnenjahr,
so der synodische Monat zum periodischen, wo sich
{iir die Dauer des periodischen Monats 27 Tage
7 St. 43' S** finden. ^) Der Mond rückt täglich um
13° 10' 35" am Himmel fort, entfernt sich täglich
um 12° 11' 27" von der Sonne, und vollendet seinen
täglichen scheinbaren Umlauf in 24 St. 50' 28".
Alle diese Angaben sind von der mittleren Dauer
zu verstehen. Die Bewegung des Mondes ist sehr un-
gleichförmig und hat von jeher den Astronomen viel
zu schaffen gemacht. MuMformi luna ambage torsit
ingenia contemplantium et proximum sidus ignorari
maxime indignanUwn y sagt Plinius treffend. ') Die
synodischen Monate sind zuweilen um sechs bis sieben
Stunden länger oder kürzer als die mittleren. Auch die
Zeit des täglichen Umlaufs ist zuweilen um zwölf Mi-
nuten grösser oder kleiner, als die mittlere. Zu der
letztem Ungleichheit trägt auch die jedesmalige Lage
der Mondbahn gegen den Meridian etwas bei.
^) Wollte man, wie oben unter dem tropischen und siderischen
labile, eben so hier .unter dem periodischen und einem siderischen
Mondmonat unterscheiden , indem man unter jenem die Zeit sei-
ner Rückkehl* zu demselben Punkt der Ekliptik, und unter diesem
die Zeit seiner Rückkehr zu demselben Stern yerstände, so würden
sich bei der Kürze dieser Umlaufszeit nur sechs bis sieben Sekun-
den Unterschied ergeben, die zu obiger Dauer des periodischen
Monats hinzukommen müfsten.
») H. N. n. sect. 9.
MatJiematische Chronologie. 45
Die alten Astronomen b^meiiiten die Ungleichhei-
ten des Mondlaufs besonders daran, dals sie die Zeiten
von einer Mondfinstemifs zur andern mit den Zeiten der
mittleren Bew^^ung verglichen. Zur Zeit der Mond-
finstemifs steht der Mond der Sonne gerade gegenüber ;
sie konnten also vermittelst des Orts der Sonne, dessen
Bestimmung wenig Schwierigkeit hat, den Ort des
Mondes angeben, den sie nun mit demjenigen, den
er der mittleren Bewegung nach einnehmen sollte, sel-
ten übereinstimmend fenden.
Der Mond hat nicht immer gleiche Entfernung
von der Erde. Die Alten setzten seine grÖfste Entfei^
nung ganz richtig dahin, wo et, sich am langsamsten
bewegt, die kleinste, wo er am geschwindesten ist. In
jener Zeit ist sein scheinbarer Durchmesser 29' 22'',
in dieser 33' 31''. Der scheinbare Durchmesser der
Sonne dagegen ist nur von 31' 31" bis 32' 36" verän-
derlich. Die Stelle der gröfsten Entfemimg und lang-
samsten Bewegung des Mondes heilst Apogeum oder
Erdferne, die der kleinsten Entfernung und geschwin-
desten Bewegung Perigeum oder Erdnähe. Diese
Stellen sind nicht fest. Sie rücken von Abend gegen
Morgen fort, und vollenden in 3232 Tagen 11 St. 12'
einen ganzen Umlauf am Himmel mit Bezug auf die Fix-
sterne. Die Zeit, in welcher der Mond zu einem von
ihnen zurückkehrt, wird ein anomalistischer Mo-
nat genannt. Derselbe betragt 27 T. 13 St. 19'.
Der Mond steht zuweilen im Meridian sehr hoch,
zuweilen sehr niedrig, indem seine Bahn nicht allein
gegen den Aequator, sondern auch gegen die Ekliptik
geneigt ist. Zweimal in jedem Monat befindet er sich
in der Ekliptik. Die Punkte, in denen seine Bahn
46 Mathematische Chronologie.
dieselbe durchsclmeidet , nennt man seine Knoten.
In dem aufsteigenden ((2) geht er über die Eklip-
tik nach Norden, in dem nieder steigenden (^)
unter dieselbe nach Süden, Man lernt diese Punkte
kennen, wenn man zu der Zeit, wo der Mond nahe bei
der Ekliptik ist, seinen Weg neben bekannten Sternen
verfolgt. Man muls freilich wissen, wie viel der Ort
des Mondes dadurch geändert wird, dafs der Beobachter
auf der Oberfläche der Erde und nicht in* ihrem Mittel-
punkt steht. Diese Aenderung, die man die Parallaxe
nennt, ist wegen der Nähe des Mondes beträchtlich.
Die Mondfinstemisse, die sich nur in der Nähe der
Knoten ereignen, sind hierzu vorzüglich brauchbar, die
centralen am meisten, die jedoch sehr selten sind.
Auch die Knoten sind keine unveränderliche Punkte
am Himmel, sondern sie rücken gegen die Ordnung der
Zeichen vom Morgen gegen Abend fortr Man kann
sich hiervon vermittelst des Augenscheins versichern;
d^nn wenn der Mond auf seinem Wege einen der
Ekliptik sehr nahe stehenden Stern bedeckt, so wird
er denselben nach einiger Zeit bedeutend nord- oder
südwärts lassen. Durch die Yergleichung von Finstei"-
nissen hat man gefunden, dafs die Knoten in 6793 Ta-
gen 7 St. 13' einen ganzen Umlauf mit Bezug auf die
Fixsterne machen. Die Zeit, in welcher der Mond zu
einem von ihnen zurückkehrt, heifst ein drakoni ti-
sch er Monat, well man ehemals den aufsteigenden
Knoten Drachenkopf , den niedersleigenden Drachen-
schwanz nannte. Die Dauer dieses Monats ist 27 T.
5 St. 7'.
Die Neigung der Mondbahn gegen die Ekliptik
ist im Mittel 5^8' 49". Sie kann sich etwa um neun
Mathematische Chronologie. 47
Minuten ändern. Die Mondfinsternisse dienen auch dazu,
die alsdann Statt findende Neigung der Bahn zu herech-
nen. Auch wird sie durch die grofste Breite, die der
Mond hei jedem halhen Umlauf erhält , gemessen*
Da hei der Bewegung des Mondes alles so groisen
Aenderungen unterworfen ist, so hq;reift man, wie
schwer es sein müsse, die Gesetze derselhen zu ent-
decken und Tafeln zu verfertigen, vermittelst deren
man seinen Ort fiir jede gegebene Zeit berechnen kann.
Die krumme Linie, in der er sich bewegt, ist so unre-
gelmäfsig, dafs man nach den von Mason verbesserten
May er sehen Mondtafeln vier beträchtliche tmd acht-
zehn kleinere Correctionen (Aequationen) anzubringen
hat, wenn man hlob seine Länge bestimmen will.
Da 223 synodische Monate, welche einen Zeitraum
von 6585 Tagen 7 St. 43' oder 18 Jahren zu 365^ Ta-
gen und etwa ii Tage umfisissen, nahe 239 anomalisti-
sche und 242 drakonitische Monate geben, und da die
Ungleichheiten des Mondes hauptsächlich durch sein
Yerhältnils zu den Absiden und Knoten bedingt wer^
den, so müssen sich nach Ablauf dieser Zeit die Un^
gleichheiten sehr nahe in derselben Ordnung erneuen.
Schon die Chaldäer haben diese Periode mit Hülfe der
Mondfinstemisse entdeckt, indem sie fanden, dafs- die-
selben nach 223 Mondwechseln in gleicher Grofse und
Ordnung wiederkehrten. Man nennt sie daher ge-
wöhnlich die chaldäische Periode oder die der
Finsternisse. /
Eine andere merkwürdige Mondperiode ist die von
235 synodischen Monaten oder 6939 Tagen 16 St. 31'
45", die nur um 2 St. 4' 33" länger als 19 tropische
Jahre sind, so Aa& sich nach Verlauf derselben die
48 Mathematische ChrO¥U)lagie.
Neumonde wieder an denselben Tagen des Sonnenjahrs
ereignen. Sie ist von den Völkern gebraucht worden,
die sich bei der Eintheilung der Zeit zugleich nach
Sonne und Mond gerichtet haben, z. B. von den Athe-
nern, unter denen sie Meton eingeführt, vielleicht
zuerst wahi^nommen hat, daher man sie auch die
metonsche nennt.
Auch die Bahnen der Planeten sind mehr oder
minder gegen die Ekliptik geneigt, so dafs sie gewöhn-
lich aufser derselben nord- oder südwärts von ihr sich
zeigen. Unter den seit Alters her bekannten Körpern
dieser Art erhält Yenus die stärkste Breite, die sich zu
Zeiten auf beinahe 9^ erstrecken kann. Man dachte
sich daher ehemals einen Streifen oder Gürtel von
18 bis 20^ Breite längs der mitten durch ihn hinlau-
fenden Ekliptik, um die Gegend zu bezeichnen, in der
der Mond und die Planeten beständig verweilen. Dies
ist der sogenannte Zodiacus oder Thierkreis. Die
in unseren Tagen entdeckten Planeten gehen aber zum
Theil weit über diesen Gürtel hinaus, so dals nun von
ihm nicht weiter die Rede sein kann.
Die Planeten sind in chronologischer Hinsicht von
keiner Wichtigkeit, da nicht mit Sicherheit bekannt
^ist, dafs ein Volk den Umlauf eines derselben bei sei-
ner Zeilrechnung berücksichtigt hätte.
Die Kometen würden, da sie sich in den Anna-
len der Völker häufig erwähnt finden, der historischen
Zeitrechnung die wichtigsten Dienste leisten, wenn ihre
Zahl beschränkt und ihre Umlaufszeiten bekannt wären.
Man hat bereits über hundert beobachtet, die alle grofse
Verschiedenheiten in ihrem Laufe gezeigt haben, und
es vergeht &st kein Jahr, wo die Astronomen nicht
Mathematische Chronologie. 49
neue, von den vorigen verschiedene, entdecken sollten.
Die Umlanfszeit ist bis jetzt nur von zweien mit Sicher-
heit bekannt, nämlich von dem des Jahrs 1759, der
nun schon siebenmal in Zwischenräumen von fiinfund-
siebzig bis sechsundsiebzig Jahren gesehn worden ist,
und von einem kleinen Kometen, der seinen Umlauf
in etwa 1S07 Tagen beendigt, und schon funfinal
(1786, 1795, 1805, 1819 und 1822) beobachtet wor-
d,en ist.
Die Fixsterne sind dem Chronologen nur wegen
des Gebrauchs wichtig, den die alten Yölker von ihren
Auf-, imd Untergängen zur Bestimmung der Haupt-
epochen des Jahrs gemacht haben. Natürlich hat man
dazu die hellsten gewählt, die sogenannten Sterne
erster Gröfse; denn man theilt die Fixsterne nach
ihrer Lichtstärke in Klassen von der ersten bis zur
sechsten Gröfse, so dafs die letztere diejenigen begreift,
die ein scharfes Auge nur eben noch auf dem dunkeln
Grunde des Himmels dämmern sieht. Um sich gehö*
rig am Himmel orientiren zu können, hat man die
Sterne seit den ältesten Zeiten in Gruppen oder Bilder
gebracht, deren von den Griechen fünfzig auf uns ge-
kommen sind. Zwölf davon stehen im Thierkreise,
nämlich eben die , von denen die Zeichen der Eklip-
tik ihre Namen erhalten haben. Man nennt sie die
Zodiacalbilder. .An den nördlichen Himmel haben
die Alten dreiundzwanzig, an den südlichen fünfzehn
Bilder gesetzt. Die neuem Astronomen haben die Zahl
der Sternbilder bis über hundert vermehrt.
Das periodische Erscheinen und Verschwinden der
Sterne in der Morgen- und Abenddämmerung, dessen
schon oben S. 15 kurz gedacht worden, ist eine noth-
I. [4]
50 Malhematische Chronologie.
weiMÜge Folge der scheinbaren Bewqping der Sonne In
der Ekliptik* Da diese Phänomene von den Jahrsiei^
ten abhängen I so dienen sie zugleich, dieselben zu be-
zeichnen* Sie waren daher für die Völker des Altern
thums, besonders fiir diejenigen, die kein festes Son-
nenjahr hatten, ein Gegenstand aufmerksamer Beobach-
tung,, und dienten ihnen als ein Kalender zur Anord-
nung der Geschäfte des Landbaus und der Schiflfahrt.
Wegen der häufigen Anspielungen, die sich bei den
alten Diditem auf sie gemacht finden, werden sie ge-
wöhnlich die poetischen Auf- und Untergänge
der Sterne genannt. Schicklicher sagt man die jähr-
lichen* Wir wollen das Wesen dieser Erscheinungen
näher kennen lernen.
Ueberall auf der Erde aulserhalb des Aequators
ist eine Anzahl Sterne beständig sichtbar, eine andere
beständig unsichtbar. Die übrigen gehen, wie die Sonne,
täglich auf und unter, nur wegen der veränderlichen
Lage der Erde im Weltraum in inuner anderen Tags-
zeiten. Von diesem täglichen Auf- und Untergange
ist hier nicht die Bede.
Bei der Bewegung, wodurch die Sonne binnen
einem Jahr yon Westen gegen Osten um den Himmel
gefuhrt zu werden scheint, hönnen diejenigen Gestirne,
die sich jedesmal in ihrer Nähe befinden, für uns nicht
sichtbar sein, indem sie zugleich mit ihr auf- und
untergehen, mithin am Tage über dem Horizont stehen«
So wie sie ostwärts fortrückt, treten immer andere
Sterne in den Kreis der Unsichtbarkeit, und verlassen
denselben immer andere westwärts. Die ihr am Himmel
gq^nüber stehenden Sterne gehen auf, wenn sie unter-
geht, uater, wenn sie aufgeht, und sind. also während
MathenuUische Clironologie. 61
der Nacht über dem Horizont. B^eiflicfaerwelae mu6
es hiernach für jeden auf- und untergehenden Stern
einen Tag im Jahr gehen, wo er in den Sonnenstrah-
len verschwindet, einen andern, wo er aus densel^
hen hervortritt, imd noch andere, wo er zugleich mit
der Sonne, sei es ihr nahe oder gegenüber, im Hori-
zont steht.
Um die Erscheinungen und Wechsel dieser jähr-
lichen Auf- und Untergänge näher kennen zu lernen,
wollen wir unsere Aufmerksamkeit auf den Regulus,
den hellsten etwa einen halben Grad nordwärts von
der Sonnenbahn stehenden Stern des Löwen richten.
Unser Standort sei Berlin.
Dieser Stern zeigt sich um die Zeit des längsten
Tages des Abends am Westhimmel. Mit jedem Tage
erscheint er beim Anbruch - der Nacht tiefer in der
Dämmerung, und mit jedem Tage geht er früher un-
ter, bis er endlich bei Annäherung der Sonne völlig
unsichtbar wird. Es ist der 5. Julius, wo er zum
letztenmal in der Abenddämmerung untergehend ge«
sehen wird. Dieses Yerschwinden in den Sonnenstrah-
len nennt man seinen heliakischen Untergang.
Hierauf geht die Sonne vor ihm vorüber, und es ist,
wie sich durch Ansicht einer künstlichen Himmelskugel
oder sicherer durch Rechnung ergibt, der 22. August,
wo er zugleich mit ihr untergeht. Bereits zwei Tage
früher ist er zugleich mit ihr aufgegangen. Beides
würde an einerlei Tage geschehen müssen, wenn er
sich genau in der Ekliptik befände. Erst am 3. Sep-
tember hat sich die Sonne so weit ostwärts von ihm
entfernt, dais er während der Morgendämmerung auf
einige Augenblicke im Horizont sichtbar werden oder
[4*]
62 Mathematische Chronologie.
heliakisch aufgehen kann. Nach dieser Wiederer-
scheinung in Osten zeigt er sich mit jedem Tage frü-
her im Horizont und länger in der Nacht. Am 4. No-
yemher geht er bereits um Mitternacht, und späterhin
in den Abendstunden auf. Am 7. Februar ist sein
Aufgang zum letztenmal sichtbar. Er geht dann, wie
die Griechen sagten, akronychisch , d. i. bei an-
brechender Nacht, auf. Während er sich so von der
Sonne entfernt« rückt er mit jedem Morgen dem West-
horizont näher, den er endlich am 17. März zum ersten-
mal sichtbar erreicht, kosmisch oder beim Anbruch des
Tages untergehend. Zwischen dem akronychisdien Auf-
und kosmischen Untergange geht er am 15. Februar
beim Untergange der Sonne auf und am 17. Februar
beim Aufgange der Sonne unter, dem unbewaffneten
Auge nicht bemerkbar.
Ganz ähnliche Erscheinungen stellen alle übrige
auf- und untergehende Sterne dar, nur dafs nach
Verschiedenheit ihres Orts an der scheinbaren Himmels-
kugel, besonders ihrer Entfernung von der Sonnenbahn,
die Tage, Wechsel und Zwischenräume ihrer jährlichen
Auf- und Untergänge verschieden ausfallen. So gehen
die in beträchtlicher nördlichen Entfernung von der
Ekliptik stehenden Sterne , z. B. Arktur , bei uns frü-
her im Jahr heliakisch auf als unter, daher sie sich
nie auf eine ganze Nacht den Blicken des Beobachters
entziehen können.
Man sieht, es sind überhaupt acht Auf- und Un-
tergänge, welche durch die jährliche Bewegung der
Sonne bestimmt werden und mit derselben periodisch
wiederkehren. Nur vier davon sind Gegenstände der
Beobachtung, und weiden daher die scheinbaren
Mathematische Chronologie. 53
genannt, zum Unterschiede der übrigen, welche die
wahren heifsen.
Die griechischen Astronomen nannten den heliaki-
schen Untergang h\Kn9 lm9^ia, den heliakischen
Aufgang l^riroAi) iwa, den akronychischen Auf-
gang IfTiroX)} sTTTsgla^ und den kosmischen Unter-
gang 8va-t9 ttvu^ und wenn wir nach dieser Analogie
Spätuntergang., Frühaufgang , Spätaufgang
und Frühuntergang sagen, so haben wir KunstauA-
drücke, die das Wesen der Erscheinungen, die sie be-
seichnen sollen, bestimmt zu erkennen geben. Stehen
sie ohne weitem Zusatz, so können sie auf die schein-
baren Auf- und Untergänge gehen ^).
*) Die Ausdrücke heliakisch und kosmisch scheinen zuerst
beim Servius Torzukommen. Jd Firg, Georg. I, 218. Von
dem akronychischen Aufgange ist schon beim Theophrast
die Rede. De sign, pluv. p. 416 ed. Heins. Die gewöhnliche Ter-
minologie bei den Alten war eine andere. Geminus sagt (c. ii),
ai^aroXi} heifse der tägliche, lirtroXi] der iährliche Aufgang;
liaiq sei das CoiTelat yon avaroXiJ, x^i^iq yon iirtroXi]. Lidessen
gebraucht er ^-oviq auch als Synonym yon xpvi(>ic. Die Römer
hatten keine besondere Wörter, die jährlichen Auf- und Unter-
gänge zu bezeichnen. Wenn es beim Plinius heifst (H. N.
XYin, 58) : Aut adventu solis occuUantur steüae et conspici
desinunt, aut eiusdem abscessu proferunt se, Emersum hoc
melius quam exortum consuetudo dixisset, et illud occulta'-
tionem potius quam occasum, so sieht man, dafs die passenden
Wörter emersus und occultatio den Sprachgd^rauch der Römer
nicht füi* sich hatten. Sie bedienten sich blofs der yom täglichen
Auf- und .Untergange entlehnten Wörter ortus und occasus.
Kunstausdrücke zur Unterscheidung des zwiefachen Auf- und
Unterganges hatten sie uiciit, und bedurften auch ihrer eben
nicht, da sich bei jedem ausgezeichneten Stern der Sprachge-
brauch auf eine allen yerstandÜche Weise ausgebildet hatte. So
dachte gleich jeder Leser des Horaz bei dem saevus Arctuti
64 Mathematische Chronologie.
Bliebe das Yerlrältnifs der FizBteme sa den Punk-
ten der Nachtgleichen unveränderlich, so würden sie
durch diese ihre jährlichen Auf- und Untergänge un-
ter jeder Polhöhe unwandelbare Merkmale der Jahrs-
Eeiten abgeben ^ die dem aufmerksamen Beobachter des
Himmels die Stelle eines nach dem Laufe der Sonne
ungerichteten Kalenders vertreten könnten. So aber
geben sie wegen der Yorrückung der Nachtgleichen all-
malig an immer späteren Tagen des Sonnenjahrs auf
und unter. So verlor sich der hellste Stem im Stier,
Aldebaran, dessen SpLtuntei^ng unter der Polhöhe
Roms gegenwärtig auf den 9. Mai tinfft, zu Gasars Zei-
ten bereits am 20. April in den Strahlen der Abend-
sonne. Indessen ersieht man schon aus der Yergleichung
dieser beiden Data, dafs die Tage der jährlichen Auf-
und Untergänge der Gestirne auf mehrere Menschen-
alter als unveränderlich gelten können.
Um diese Tage zu bestimmen, mufs man den Sc-
hungsbogen — arcus 'Disionis — d. i. die senkrechte
Tiefe der Sonne unter dem Horizont, kennen, bei der
ein Stem auf- oder untergehend zuerst oder zuletzt
wahrgenommen werden kann. Dieser Bogen wii*d durch
die Lichtstärke des Sterns, durch sein Yerhältnifs zur
auf- oder untergehenden .Sonne, durch die Sehkraft
cadentis Impetus an den unter der Polhöhe des Dichters am
7. Novembei' erfolgenden Spätuntergang dieses Sterns, dahingegen
der Frähnntergang am 10. Junius, in der schönsten Jahrszeit,
eintraf. Das allgemeine Woit für sämmtliche Auf- und Unter-
gänge dei* Fixsterne war bei den Giiechen 4>eJ<ric. Werden <Ke
Wörter «^ae-cc und xpin|>i( zusammengestellt^ wie im Almagest
(Vin, 6; Xin, 7), so bezeichnet jenes den FrUhaufgang , die-
ses den Spätuntergang.
Matheniatisclie Chronologie. 66
des Beobachters und durch die jedesmalige Beschaf-
fenheit der Atmosphäre bedingt. Die beiden letztem
Umstände können hier nicht beriicksichtigt werden, wo
nur die Frage ist , wie grofs bei gehöriger Sehkraft und
Klarheit der Luft der jedesmalige Sehungsbogen sei.
In vielen astronomischen Büchern wird gesagt,
Ptolemäus habe den Sehungsbogen der Sterne erster
Gröfse auf zwölf, den der zweiten auf dreizehn > den
der dritten auf vierzehn, den der vierten auf fünfzehn,
den der fünften auf sechzehn , und den der kleinsten,
die nur beim ganzlichen Mangel der IKLmmerung wahr-
genommen werden können , auf achtzehn Grad gesetzt.
Schwer möchte sich angeben lassen , worauf sich diese
Angabe gründet; aber mit Sicherheit läfst sich behaup-
- ten , dafs sich in seinen bis jetzt gedruckten Werken
nichts dergleichen findet. In der Einleitung zu seiner
Schrift dortig atrXavüov äs4gtüv, Erscheinungen der
Fixsterne, sägt er, er habe in einer eigenen Ab-
handlung gezeigt, wie tief bei dem ersten Auf- oder
Uatergange eines Sterns in der Dämmerung die Sonne
sowohl in einem Vertikal als in der Ekliptik unter dem
Horizont stehen müsse. Diese Abhandlung sdieint ver-
loren gegangen zu sein.
Es ist mir immer unwahrscheinlich vorgekommen,
dafs er den Sehungsbogien eines Sterns erster Gröfse
durchgehends zu zwölf Grad angenommen haben sollte,
es mag der Stein mit der Sonne an einerlei Seite des
Horizonts, oder ihr gegenüber stehen. Von dem Un-
grunde dieser Yoraussetzung habe ich nun die vollstän-
digste Ueberzeugnng erhalten, und zugleich die Gröise
dieses bei Berechnung der von den Alten erwähnten
Auf* und Untei^^ge der Sterne so wesentlichen Ele^
56 Matlwmatische Chronologie.
menta mit einer Sicherheit ausgemittelt , die nichts zu
wünschen übrig läfst. .
In der eben gedachten Schrift hat Ptolemäus
fiir fünf verschiedene Parallelen die Auf- und Unter-
gänge von dreißig Sternen erster und zweiler Gröfse
nicht nach Beobachtungen, sondern nach seinen eigenen
Berechnungen angegeben. Aus dieser groisen Menge
einzelner Bestimmungen lieis sich der von ihm zum
Grunde gelegte Sehungsbogen ausmitteln, wie ich in
einer akadei^i^chen Vorlesung gezeigt habe. ^) Es Bat
sich ergeben, dais ihn Ptolemäus bei Sternen erster
Gröfse zu li und 7, bei denen der zweiten zu 14 und
Sy Giad angenommen hat. Die Zahlen 11 und 14
gelten für den FaU, dais der Stern mit der Sonne an
derselben Seite des Horizonts, die Zahlen 7 und 8-^- für
den Fall, dais er ihr gegenüber auf- oder untergeht.
Sie stimmen ganz gut mit den mir bekannten Wahrneh-
mungeii der Ft^uem überein. Lambert hat in seiner
Photometrie^) für die Grenze der gemeinen Däm-
merung ^}, d* i. für d^n Zeitpunkt, wo die Sterne
erster Gröfse an der der Sonne entgegengesetzten Seite
des Horizonts Morgens unsichtbar und Abends sieht«
bar zu werden an&iigen, einen Sehungsbogen von 6^
93' gefunden. Hr. Wurm bestimmt den Sebungs-
h^xk für Sterne p^ter Gröfse von mittlerer Helligkeit
zu 6-^,. für Sterne zweiter zu 9, für Steme dritter
*) üeber den Kalender des Ptolemäus, in, den Schrif-
tm der Berliner Akademie aus den Jahren 1816 und 1817.
') B..V. k. 3i.
^ ) Im Gegensatz der astronomischen, welche anfangt und
aufhört, wenn die Sonne eine Tiefe von 18 ' en-eicht , bei der ihr
Licht in der Atmosphäre bcmerklicfa wird oder zu sein aufhört.
Mathematische Chronologie. 57 .
zu IJ, und für Sterne vierter Groise zu 15 Grad ')•
Diese Zahlen kommen mit dem, was Lambert gefun-
den, ziemlich gut für den Fall üherein, dafs sich Sonne
und Stern an entgegenge^tzten Seiten des Horizonts
befinden; setzen wir aber beide an den Morgen- oder
Abendhimmel einander möglichst nahe, so muis der
Sehungsbogen bedeutend gröfser auslallen«
Wie man die Ta^ der jährlichen Auf- und Un-
tei^nge durch Rechnung! finde, wird imten in den
Erläuterungen und Zusätzen an einem Beispiel
gezeigt werden* Komimt es auf keine besondere Ge-
nauigkeit an, so kann man sich zu diesem Behuf einer
künstlichen Himmelskugel auf folgende yfeise bedienen :
man erhebe sie auf die Polhöhe des Orts, bringe den
Stern an den Ost- oder Westhorizont imd sehe, welcher
Grad der Ekliptik an demselben oder an der entgegen-
gesetzten Seite um den jedesmaligen Sehungsbogen ver-
tieft liegt. Da es Schwierigkeit hat, diesen Grad unter
dem Horizont zu erkennen, so kann man dafiir denje-
nigen Ikehmen , der gegenüber eben so hoch über dem
Horizont liegt, und 180** addiren oder subtrahiren.
Gewöhnlich ist ein in seine Grade eingetheilter Qua-
drant vorhanden, der, im höchsten Punkt des Meri-
dians angeschraubt, bei jeder Stellung der Himmelsku-
gel die Höhe der Sterne zu erkennen gibt. Sucht man
nun den gefundenen Punkt der Ekliptik in dem auf
dem Horizont angebrachten Kalender auf, so ergibt sich
der Tag des Jahrs, auf den der verlangte Auf- oder
Untergang trifft. Will man bis in die Vorwelt zurück-
gehen , z. B. bis auf die Einführung des julianischen
') Astronomisches Jahrbuch 1805> S. 161 ff.
68 Mathematische Chronologie.
Kalenders, so mufs man nictit blofs auf die Yorriickung
der Nacktgleichen und auf die Yeranderung der Schiefe
der Ekliptik, sondern auch auf die Verschiebung der
Tage der Nachtgleichen und Sonnenwenden im. julia-
nischen Kalender Rücksicht nehmen. So ereignete sich
die Frühlingsnachtgleiche im Jahr 800 v. Chr. (zu
Hesiodus Zeit) den 29. März tmi i Uhr Nachmittags,
im Jahr 432 v.Chr. (zu Meton's Zeit) den 26. März
um 2 Uhr Nachmittags, im Jahr 44 v. Chr. (zuCäsars
Zeit) den 25. März um 11 Uhr Vormittags, und im
gegenwärtigen Jahr 1825 den 8. März alten oder 20. März
neuen Stils um 10 Uhr Abends Berliner Zeit.
Zweiler Tlieil.
Technische Chronologie.
/V%/l/WVWW«^
Einleitung.
E,
dins der' ersten Bedürfnisse der sich bildenden Ge-
sellschaft ist die Eintheilung der' Zeit. Als die natür-
lichste Einheit zur Ausmessung derselben bietet sich
den Menschen der Zeitraum von einem Auf- oder Un-
tergänge der Sonne zum andern, der bürgerliche
Tag (29), dar, der ihnen genügt, so lange sie, auf
einer niedrigen Stufe der Entwickeliing stehend, blofs
in der Gegenwart leben. Wenn sie aber bei wachsen-*
der Cuitur auch für Yei^ngenheit und Zukunft Inter-
esse zu gewinnen anfangen, so werden ihnen die gi*ofsen
Zahlen, die ein so Meiner Maafsstab gibt, unbequem,
und sie sehen sich nach grö(sem Einheiten um, die
ihnen nun die Wechsel der Mondgestalten und der
Jahrszeiten an die Hand geben.
Nach Goguet's Meinung *) ist nächst dem Tage
die Woche das erste Zeitmaafs gewesen. Sie ist aber
offenbar nur ein Theil einer giöüsem Einheit. Bailly
*) De torigine des Lois, Tom. I. pag. 2!7.
60 Technische Chronologie.
glaubt *), dafs man bei ibrer Bestimmung vom perio-
dischen Monate (42) ausgegangen sei; es finden sich
aber nirgends Spuren von einem chronologischen Ge-
brauche desselben, an den schon seiner innem Unwahr-
scheinlichkeit wegen nicht zu denken ist. Die Woche
ist ohne Zweifel eine Unterabtheilung des synodischen
Monats; denn statt 7^- Tagen, welche die Mondviertel
im Durchschnitt halten, nahm man die am nächsten
liegende ganze Zahl von 7 Tagen, und ob man gleich
bald finden mufste, dafs dieser Zeitraum kein genau-
messender Theil des Monats sei, so blieb man doch bei
dieser Zahl, an die sich frühzeitig mystische Ideen ge-
knüpft haben mögen.
Die monatlich in gleicher Ordnung wiederkehren-
den so auffallenden Lichtgestalten des Mondes haben
fast ohne Ausnahme die Völker veranla&t, nach ihnen
ihren Gottesdienst zu ordnen und ihre Versammlungen
zu bestimmen. Man fand bald, auch ohne gerade Mond-
finstemisse zu Hülfe zu nehmen, dafs der Zeitraum,
dach welchem sich die Phasen erneuen , nahe neun-
undzwanzig und einen halben Tag, also der doppelte
Zeitraum neunundfunfzig Tage halte. Diese neunund-
funfzig Tage, auf welche vielleicht der von Censor in ')
den ältesten Aegyptem beigelegte annus bimestris hin-
deutet, theil tc man in zwei Abschnitte von einer gan-
zen Anzahl Tage, und erhielt so Monate abwechselnd
von dreifsig und neunundzwanzig Tagen. Da man
wahrnahm, dafs zwölf solcher Mondmonate, zusammen
554 Tage, die Jahrszeiten wenigstens im Groben zurück-
*) Mist, de r Astronomie ancienne p. 32 und 295.
') De die not. c. 19.
« Einleitung. 61
führen, so bildetse man daraus eine neue Zeiteinheit,
das Mondjahr. Ein solches Jahr behauptete sich so
lange bei den Yölkem, als sie noch keine genaue Kennt-
niis von dem Laufe der Himmelskörper eingesammelt
hatten, und entsprach hinreichend den Bedürfnissen
derer, die sich, nvie die Beduinen j vom Fleisch und
von der Milch der Thiere ernähren.
Im ersten Beginnen der Gesellschaft waren alle
Menschen Jäger und Hirten. Als sie zahlreicher wur-
den, sahen sie sich zu dem mühsamem Beirieb des
Ackerbaues genöthigt. Nim kam es auf die Kenntnils
der Wiederkehr der Jahrszeiten an, indem man be-
merkte, dafs die Vegetation durch das längere oder kür-
zere Verweilen der Sonne über dem Horizont bedingt
wird. Man nahm bald wahr, dals im Kreislaufe der
Jahrszeiten täglich neue Sterne in der Abenddämmerung
verschwinden und in der Morgendänmierung erscheine^,
und wählte nun die hellsten derselben als Signale der
periodisch sich erneuenden Feldarbeiten. So wurden
die ersten Landbebauer gewissermafsen Astronomen. Das
frühste Resultat ihrer Beobachtungen war die Dauer des
Sonnenjahrs, die man in dem Lande, dessen physi-
scher Zustand ganz von den Jahrszeiten abhängt, und
in welchem aller Wahrscheinlichkeit nach der Ackerbau
zuerst methodisch beti*ieben worden ist, in Aegypten,
gewifs frühzeitig innerhalb der Grenzen eines Viertelta-
ges ausgemittelt haben wiid. Die genaue Bestimmung
derselben, so wie die der Nachtgleichen und Sonnen-
wenden, konnte erst die Frucht wissenschaftlicher Un-
tersuchungen sein, auf welche die sich allmälig ausbil-
dende bürgerliche Gesellschaft zuletzt unter jedem Volke
leitet. Aber auch ohne alle feinere Beobachtung gab
62 Technisclie Chronologie.
der auffallende Wechsel der Mittagsliöhen und der Mor-
gen- und Abendweiten der Sonne Gelegenheit, die vier
Jahrpunkte und ihre Zwischenräume wenigstens Im Gro-
.ben zu erkennen, und hieraus entstand die Eintheilung
des Sonnenjahrs nach den vier Jahrszeiten, auf der
das dreimonatliche Jahr der Arkadier und das sechsmo-
natliche der Akamaner und Karer beruhen, von denen
Gensprin ^); Macrobius ') und andere reden.
Auch als schon das Sonnenjahr eingeführt war,
behielten manche Yölker noch immer den so natür-
lichen Zeitabschnitt des Mondmonats bei, obgleich
derselbe kein genaumessender Theil des Sonnenjahrs
ist. So theilen die Otaheiter ihre Zeit nach dem
Wachsen der Brotfrucht und zugleich nach den Mond-
wechseln ein« Ihr Jahr ist der Zeitraum , während
dessen der Brotfruchtbaum seine Früchte bringt mit
Einschlufs der Zeit, wo er keine hat. Es fangt in
unserm März an, und zerfällt nach dem Mondlauf in
'zwölf oder dreizehn Theile. ^)
Es kam nun darauf an, einen Zeitraum zu finden,
der zugleich eine volle Zahl von Umläufen der Sonne
und des Mondes enthält, an dessen Schluise sich also die
beide Umläufe begleitenden Erscheinungen in gleicher
Ordnung erneuen. Um einen solchen zu entdecken,
ging man entweder den Weg der Beobachtung oder den
der Theorie. Jener war langwierig und mühsam, die-
ser, so lange man die Umlaufszeiten der Sonne und des
Mondes noch wenig erforscht hatte, unsicher. Daher
') A.a.O.
') Saturn. I, 12.
^) S. Planlos Handbuch einer vollständigen Erdbe-
schreibung und-Geachichte Polynesiens TL n. p. 363.
Einleitung. 63
die grofse Menge Perioden, die man zu diesem Behufe
anfgestelU bat. . .
Andere Völker yerliefsen ganz die Mondei-scheinuii-
gen und hielten sich blofa an das Sonnenjahr. Statt
der Mondmonate von neunundzwanzig und dreüslg
Tagen kamen nun Sonnenmonate yon dreifsig und
einunddreifsig. in Gebrauch , deren Entstehung aich
allein daraus erklären lä&t, da(s man die alte Gewohn-
heit, das Jahr in zwölf Abschnitte zu theilen, nicht
verlassen ; wollte. Zu dem Charakter des Sonnenjahrs
gehört die Zahl von zwölf Monaten nicht wesentlich,
daher sie von den Völkern, welche die Mondphasen,
bei der Eintheilung ihrer Zeit nicht berücksichtigten,
leicht mit jeder andern conyentionellen vertauscht wer-
den konn,te. So finden wir bei den ältesten Römern
ein zehnmonatliches und bei den alten Mexikanern ein
achtzehnmonatliches Jahr.
Die Zeitrechnung eines Volks, ' wenn sie nicht von
auswärts her entlehnt ist, pfl^t ursprünglich eben so
roh zu sein, wie das Volk selbst. Sie vervollkommnet
sich allmalig, so wie dasselbe in der wissenschaftlichen
Entwickelimg fortschreitet, und gelangt erst nach vieler
jährigen Beobachtungen des Laufs der Himmelskörper
zur Sicherheit und Festigkeit. So bei den Griechen
und Römern. Vielleicht hat sich die Zeitrechnung kei-
nes andern Volks weiter selbständig imd ohne fi:emden
Einfluß ausgebildet^ als die der Aegypter. Von diesen
haben die früheren Griecheut chronologische Grundsätze
entlehnt, so wie die Römer zuerst von den Griechen
und nachmals von den Aegyptem, die neuem Juden
von den Griechen und die ganze Christenheit von den
spätem Römern.
64 Technische Chronologie.
Es wäre interessant, die Geschichte irgend einer
Zeitrechnung von den ersten rohen Keimen durcli alle
Mittelstufen hindurch bis zu ihrer völligen Ausbildung
verfolgen zu können. Gewöhnlich kennen wir aber
die Zeitrechnung eines Volks nur in der vollkommensten
Gestalt, die sie bei demselben erreicht hat, und in die-
ser oft nicht einmal genau, wie z. B« die der Griechen,
deren chronologische Principien nicht vollständig' zu
unserer Kenntnils gelangt sind. Ja es gibtYölker, wie
die Phönizier und Karthager, deren Chronologie mit
allen ihren Annalen rein von der Erde verschwun-
den ist.
Mit Ausnahme der Aegypter, die ihren gatiz eigen-
thümlichen, von aller feinem astronomischen Beobach-
tung unabhängigen, Gang genommen haben, finden wir
bis auf Julius Cäsar nirgends eine ganz fest geord-
nete, nie schwankende Zeitrechnimg. Wie konnte auch
eine solche zu einer Zeit entstehen, wo man nicht ein-
mal die Dauer des tropischen Jahrs kannte ! Der gröfste
Astronom des Alter thums, Hipparch, nahm dieselbe
um 6' 24" zu lang an, indem er sie auf 365 T. 5 St.
55' 12" setzte ^). Es sind kaum dritthalb Jahrhundert
verflossen, da(s wir selbst erst mit unserer Zeitrechnung
aufs Reine gekommen sind.
Im Alterthume gab es fast eben so viele besondere
Zeitrechnungen, als der Abstammung nach verschiedene
Völker. Wir haben Kenntnils von einer ägyptischen,
hebräischen, griechischen und römischen Zeitrechnung,
und vermuthen mit Grund, dals die Chaldäer eben&lls
ihre eigenthümliche Zeitrechnung gehabt haben. Im
') Almagest m, 2, S. 165.
Einleitung. 65
Jahr 45 y. Chr. yerbesserte Julius Cäsar den bis da-
hin höchst verworrenen römischen Kalender. Er führte
eine ein&che Zeitrechnung ein, die sich über das ge-
sammle römische Reich, und mit der christlichen Beligion
über die ganze Eide verbreitet hat. Bei den christlichen
Yölkem Europas ist jetzt einerlei Jahrform, einerlei
Acre, und, mit Ausnahme der Russen und Tteugriechen,
auch einerlei Jahranfang und Schaltmethode gebräuch-
lich, ein grofser Vortheil für das bürgerliche Verkehr
der verschiedenen Ttationen. Die Franzosen setzten in
der Hitze der Revolution aus Egoismus und Verachtung
der christlichen Religion an die Stelle der julianischen
Zeitrechnung eine ganz neue, die weder den Vortheil
einer richtigem Schaltmethode, noch eine einfachere
arithmetische Ordnung für sich hatte. INachdem sie
sich dreizehn Jahre damit gequält hallen, fühllen sie
endlich das Bedürfnils, sich der übrigen europäischen
Welt durch Zurücknahme der chrisllichen Zeitrechnung
wieder anzuschliefsen. Bei den griechischen Christen
ist noch immer der unveränderte juliänische Kalender
im Gebrauch , der jetzt zwölf Tage weniger zählt , al^
unser verbesserter, uad sich gegen diesen allmälig im-
mer weiter verschieben wird. Die orientalischen Christen
bedienen sich gleichfalls der julianischen Jahrform, nur
mit Beibehaltung ihrer iu*sprünglichen Monate und Jahr-
epochen. Die Kopten fangen das Jahr am 29. August,
und die Nestorianer und Jakobiten am 1. Oktober des
julianischen Kalenders an. Auch die über einen grofsen
Theil der Erde verbreitete muhammedanische Religion
gebraucht ihre eigenthümliche Zeitrechnung, die ur-
sprünglich mit ihr von Arabien ausgegangen ist. Zu
diesen beiden ganz -verschiedenen Zeitrechnungen, der
I. [5] '
66 Technische Chronologie.
christlichen und muhammedanischen, kommt noch die
der neuem Juden, der Hindus und Chinesen« Ganz
erloschen ist die altgriechische, wenn wir nicht in An«
schlag bringen wollen, dafs der metonsche Zeitkreis noch
immer in der christlichen und jüdischen FestrechnuDg
fortlebt; femer die vor Cäsar gebräuchliche römische,
die auf das bewegliche Sonnenjahr von 365 Tagen ge-
gründete altagyptische , und die ihr ganz analoge alt-
persische.'
So mannigfach auch die Zeitrechnungen der ver-
schiedenen altem und neuem Yölker sein mögen, so
lassen sie sich doch wesentlich auf drei Formen zurück-
führen, die man das freie Mondjahr, das freie
Sonnen jähr und das gebundene Mondjahr nennt.
Zuvörderst mufs aber der Begriff des Einschaltens
erklärt werden.
Das astronomische Mondjahr zu zwölf syno-
dxschen Monaten hält 354 T. 8 St. 48' 38'', und das
tropische Jahr (35) 365 T. 5 St. 48' 48". Einschal-
ten heilst nun die Stunden, Minuten und Sekunden,
um welche das eine oder das andere dieser Jahre die
nächst niedrige volle Zahl von Tagen übertrifft, dann
in Rechnung bringen, wenn daraus ein ganzer Tag oder
eine Summe von ganzen Tagen erwachsen ist. Ein
eingeschalteter Tag oder Monat heifst ein Schalttag
oder Schaltmonat, und ein Jahr, worin eingeschaltet
wird, ein Schaltjahr. Wenn man z. B. das Sonnen-
jahr in der Regel zu 365 Tagen rechnet, aber alle vier
Jahre einen Tag einschiebt, um den Ueberschufs des tro-
pischen über 365 Tage einzubringen, so nennt man ein
solches 366tägiges Jahr ein Schaltjahr, im G^nsatz
des 565lägigen^ welches ein Gemeinjahr heilst.
•Einleitung. 67
Das freie, vom Sonnenlauf ganz unabhängige,
Mondjahr besteht ans zwölf Mondmonalen , die zu-
sammengenommen in der Regel 354, und nur dann
355 Tage halten, wenn sich der Ueberschufs des astix)^
nomischen Mondjahrs über 354 Tage, nämlich 8 St.
48' 38", z\\ einem Tage angehäuft hat. Die 354tägi-
gen Jahre werden Gemeinjahre, die 355tägigen
Schaltjahre genannt. Der Anfang dieses fireien Mond-
jahrs eilt dem des Sonnenjahrs jährlich um zehn bis
elf Tage vor. Es ist bei allen zum Islam sich beken-
nenden Yölkem im Gebrauch; die alte Welt kannte
es nicht.
Das freie, vom Mondlauf unabhängige^ Son«
nenjahr ist entweder ein festes oder ein beweg-*
liebes. Ein festes Jahr glaubte Julius Cäsar den
Römern zu geben, wenn er den Ueberschufs des tropi»
sehen über 365 Tage auf 6 Stunden setzte , und dem
gemäfs alle vier Jahre einen Tag einschaltete. Er irrte
sich ; sein Jahr weicht nach 128maliger Wiederhohlung
vom Himmel um einen Tag ab, um welchen sich die
Nachtgleichen und Sonnenwenden dem Anfange dessel-
ben nähern, weil der Ueberschufs um 11' 12" kürzer
ist, als er ihn «annahm. Durch die gregorianische Ka-
lenderverbesserung ist dieses Jahr fester geworden , ob
es gleich noch immer nicht ganz fest genannt werden
kann. Ein minder einfaches Sonnenjahr war bei den
frühem Römern und bei den alten Mexikanern im Ge-
brauch. Jene hatten ein Jahr von 355 Tagen, welches
sie dadurch, dafs sie ein Jahr« ums andere einen Monat
abwechselnd von zweiundzwanzig und dreiundzwanzig
Tagen einschalteten und alle vierundzwanzig Jahr eben
so viele Tage ausmerzten, mit der Sonne ausglichen.
[5*1
68 Technische Chronologie.
Man sieht leicht, dafs dies seiner mittkren Dauer nach
das julianische Jahr war, nur in einer ganz verschie-
denen Form. Auch die Mexikaner hatten wesentlich das
julianische Jahr, indem sie ihrem Jahr in der Regel
365 Tage gahen, und nach Ablauf Ton zweiundfunfzig
Jahren dreizehn Tage einschalteten. Man kann ein
solches ■ Sonnenjahr, das sich erst nach bedeutenden
Zwischenräumen mit dem Himmel ausgleicht, ein cy-
klisches nennen* Unter dem beweglichen oder
wandernden Sonnenjahr fimnus vagusj verstehen
die Chronologen vorzugsweise das Jahr von 365 Tagen,
bei welchem der Ueberschufs des tropischen ganz ver-
nachlässigt wird. Der Anfang desselben durchläuft in
etwa anderthalbtausend Jahren den ganzen Kreis der
Jahrszeiten. Ein solches Jahr war bei den alten Ae-
gjptem im Gebrauch.
Das gebundene Mondjahr 9 bei welchem Son-
nen- und Mondlauf zugleich berücksichtigt werden, tref-
fen wir bei den Völkern &n, zu deren Gultus es gehört,
dafs sie die sich auf. denselben beziehenden Feste nicht
nur bei einerlei Lichtgestalt des Mondes, sondern auch
in einerlei Jahrszeit zu feiern haben. Die Griechen und
Juden waren ehemals in diesem Falle, und die letztem
sind es noch jetzt. Zu den zwölf Mondmonaten, die
das Jahr in der Regel hält, wird von Zeit zu Zeit ein
dreizehnter gezählt, und das Jahr, worin dies geschieht,
heÜst ein Schaltjahr. Die Griechen rechneten ihre
Monate meistens abwechselnd zu drei&ig und neunund-
zwanzig Tagen, und schalteten, verschiedene früher ge-
bräuchliche Ausgleichungen mit dem Sonnenlaufe nicht
zu erwähnen, im Verlaufe entweder von acht Jahren
drei, oder von neunzehn Jahren sieben Monate ein,
Einleitung. 69
um den Anfang des Jalirs in einerlei Jahrsceit zn be-
festigen. Die letztere von Meton erfundene Einschal-
tungsweise ist noch jetzt bei den Juden im Gebrauch,
nur mit rabbinischen Grübeleien überladen. Auch die
Christen bedienen sich ihrer bei Bestimmung ihres Oster-
festes, das durch die Frühlingsnachtgleiche und durch
den zunächst nach derselben eintreffenden Yollmond,
also durch Sonne und Mond zugleich, bedingt wird.
Dies sind die verschiedenen Jahrformen^ die uns
die Geschichte mit Sicherheit nachweiset. Als Hypo-
these sind noch mehrere andere aufgestellt worden,
von denen ich hier nur die eine erwähnen will, durch
die Des-Yignoles verschiedene die älteste jüdische,
ägyptische und griechische Zeitrechnung betreffende dun-
kele Nachrichten zu erklären und in Zusammenhang zu
bringen gesucht hat ')• Im frühsten Weltalter, sagt er,
gab es inVorderasien undAegypten ein aus zwölf drei&ig-
tägigen Monaten oder 360 Tagen ohne alle Einschaltung
bestehendes Jahr, dessen Dauer zwischen der des Mond-
und Sonnenjahrs fast die Mitte hält und mit welchem
übereinstimmig man auch die Sonnenbahn in 360 Grad
getheilt hat. Es entstand aus der Wahrnehmung, dafs
der Mondmonat nahe dreilsig Tage und das Sonnenjahr
nahe zwölf Mondmonate hält, und behauptete sich sei-
ner Einfachheit wegen im Gebrauch, ungeachtet man
bald finden mufste, dafs weder die Monate mit dem
Monde, noch die Jahre mit der Sonne übereinkamen«
Da es in Ansehung der letztem imi 5-^ Tage zu kurz
war, so durchwanderte sein Anfang in neunundsechzig
bis siebzig Jahren den ganzen Kreislauf der Jahrszeiten«
*) Chronologie de F Bisloire Sainte 1. VI. c. 1.
70 Technische Chronologie.
Ein solches Jahr nun findet er zuerst in der mosaischen
Geschichte der Sündfluth. Es heiik nämlich, die Fluth
hahe am siebzehnten Tage des zweiten Monats begonnen,
an welchem Noah mit seiner Familie in die Arche ge-
gangen sei; die Gewässer hätten 150 Tage lang die Eitle
bedeckt, und dann angefangen zu sinken, und am sieb-
zehnten Tage des siebenten Monats habe sich die Arche
auf dem Gebirge Ararat niedergelassen. Die 150 Tage,
sagt er, sind zwischen den gedachten Monatstagen ge-
zählt, und so kommen auf den Monat drei&ig Tage.
Das Wasser begann aber erst nach 150 Tagen abzuneh-
meii> ^), und da es fünfzehn Ellen über alle hohe Berge
unter dem Himmel gegangen sein soll '), so mulste es
nach der Meinung des Berichterstatters wol erst einige
Tage gesunken sein, ehe sich die Arche auf dem Ararat
niederlassen konnte; das zweite Datum mufs also um
mehr als 150 Tage später als das erste angenommen
werden. Ich werde unten auf dieses hin und wieder ^)
mit Beifall hervorgehobene 560tägige Jahr zurückkom-
men, nehme aber keinen Anstand gleich hier zu erklä-
ren, dafs mir die Existenz einer solchen Zeitrechnung,
die, ohne Rücksicht auf den Lauf des Mondes und der
Sonne, lediglich einfachen Zahlen zu Gefallen, gebraucht
sein soll, höchst zweifelhaft erscheint.
In der gleichförmig fortfliefsenden Zeit können wir
die Theile derselben nicht anders unterscheiden , als
durch Begebenheiten, die in ihnen voi^hen, und die
*) i. Mos. vn, 24. vm, 3.
•) Eb. vn, 19, 20.
^) Z. B. in der Einleitung des Werks Art de vSrißer les
dates avant Vere Chr^tienne, Tom. I. p. 266 ff.
Einleitung. 71
man daher chronologische Charaktere oder Zei^
merkmale nennt. Dies sind entweder Natur- oder
menschliche Begehenheiten. Zur ersten Art gehören
die Mondviertel, die Jahrpunkte und die Finsternisse,
welche astronomische Charaktere genannt werden«
Die der zweiten heifsen künstliche Charaktere oder
Epochen. Diese Epochen sind wieder von zwie&cher
Art, entweder bürgerliche oder historische» Un-
ter einer bürgerlichen Epoche versteht man einen
durch irgend ein bedeutsames Ereignifs bezeichneten
Zeitpunkt, von welchem ein Yolk seine Jahre zahlt,
z. B. Muhamoned's Flucht yon Mekka nach Medina bei
den Bekennem des Islams. Historische dagegen wer*
den von den Geschichtschreibem nach Tf illkühr gewählt,
um nach ihnen zu leichterer Uebersicht die Facta zu
ordnen.
Die Reihenfolge der von irgend einer bürgerlichen
Epoche gezählten Jahre nennt man Acre ^) oder Jahz^
rechnung, auch, wiewohl nicht ganz schicklich, Zeit-
rechnung, z. B. wenn man von Jahren der christ-
lichen Zeitrechnung spricht. Einige Chronologen yer-
wechseln, was nicht zu billigen ist, Epoche und Acre
als gleichgültige Benennungen.
Eine wiederkehrende Reihe von Jahren, nach deren
Ablauf gewisse Zeitverhältnisse oder Erscheinungen sieb
erneuen, wird ein Cyklus, Cirkel, Zeitkreis ge-
nannt. Zwei oder mehrere Cykel zusammen bilden
eine Periode. So spricht man gewÖhnlidbi vom me-
*) Von dem Ursprünge dieser Benennung wird unten bei der
spanischen Aere, die Torzugsweise diesen Namen geführt hat, die
Rede sein.
72 Technische Chronologie.
tonschen Gyklus und von der kallippischen Pe-
riode, von denen die letztere um einen Tag kürzer
ist als der viermal genommene erste« Nicht selten wer-
den jedocli auch beide Benennungen mit einander ver-
wechselt.
Bei den Chronologen ist besonders häufig von drei
Zeitkreisen die Rede, von denen hier eine vorläufige
Erklärung gegeben werden muls, bis umständlicher von
ihnen gehandelt werden kann, nämlich dem Sonnen-
cirkel, dem Mondcirkel und dem Indictions-
cirkel. Der erste ist eine Reihe von achtundzwanzig
Jahren , nach deren Ablauf wieder gleiche Wochentage
mit gleichen Monatstagen zusammentreffen* Man findet
' das jedesmalige Jahr desselben , welches man kurz den
Sonne ncirkel nennt, wenn man zu imserer JahrzaU
neun addirt und die Summe durch achtundzwanzig di-
vidirt. Bleibt ein Rest, so gibt dieser den Sonnencir-
kel zu erkennen, und bleibt kein Rest, so ist der Son-
nencirkel acht)indzwanzig. Diese Regel gründet sich
darauf, dafs unter andern ein solcher Gykd im neun*
ten Jahr v. Chr. Geb. angefangen hat. Der Mond-
cirkel ist der neunzehnjährige Zeitraum, dessen oben
(47) gedacht worden ist. Das jedesmalige Jahr des-
selben wird die güldene Zahl genannt. Man findet
sie, wenn man unsere um eins vermehrte Jahrzahl durch
neunzehn dividirt. Bleibt ein Rest, so bezeichnet die-
ser die güldene Zahl ; bleibt kein Rest, so ist sie neun-
zehn. Diese beiden Zeitkreise werden bei der Bestim-
mung unsers Osterfestes gebraucht, wie unten gezeigt
werden wird. Der Indictionscirkel ist ein unter
den spätem römischen Kaisem zum Behuf gewisser
Schätzungen eingeführter und in die Zeitrechnung über-
Einleitung. 73
gegangener fünfzehnjähriger Zeitraum. Das jedesmalige
Jahr desselben, die sogenannte Römer -Zinszahl,
wird gefunden, wenn man zu unserer Jahrzahl drei
addirt und die Summe durch, fünfzehn diyidirt. Das
gegenwärtige Jahr 1825 hat zum Sonnencirkel 14, zur
güldenen Zahl 2 und zur. Zinszahl 15.
Unter Kalender oder Almanach yersteht man
ein Yerzeichnifs der nach Wochen und Monaten ein-
getheilten Tage eines Jahrs, nebst Bemerkung der Tage,
die von den Gesetzgebern zu Feiertagen angeordnet sind,
der astronomischen Charaktere (71) und der Haupt-
umstände des Sonnen-, Mond- imd Planet^nlaufs, wozu
noch mancherlei den Cultus und das büi^gerliche Ver-
kehr betreffende Notizen zu kommen pflegen. Die Rd<
mer nannten Calendarium ein Yerzeichnifs der Zinsen,
weil diese jedesmal an den Galendis oder am ersten Mo-
natstage gezahlt wurden ^). Erst spät ist das Wort in
seiner jetzigen Bedeutung gebraucht worden; firüher
sagte man Fasti. Almanach ist yermuthlich aus dem
arabischen JL^UJt almenha, Geschenk, entstanden,
weil, wie Golius sagt '), die Astronomen des Orients
ihre Kalender am Neujahrstage als Geschenk auszuthei-
len pflegen. Das eigentliche arabische Wort für £a-
') Divitem illum putas, heifst es beim Seneca (ep. 87), quia
magnus Calendarii liber volviiur. Das gleichbedeutende griechi-
sche i^iupl^tq, Ephemeriden, das auch von einem historischea
Tagebuche gebraucht wurde, dient jetzt gewöhnlich zur Bezeich-
nung eines astronomischen Kalenders oder einer Nachweisung der
täglichen Oerter der Sonne, des Mondes, der Planeten, und der
sie begleitenden ^Erscheinungen.
') Noten zum Alfergani S. 22.
74 Technische Chronologie.
lender ist |^>^' takmm, welches im Allgemeinen
jede Tafel bedenlet.
Die christlichen Völker unterscheiden unter dem
alten und neuen Stil oder Kalender. Der alte
Stil ist der von Julius Cäsar eingeführte, nach
welchem auf je drei Gemeinjahre von 365 Tagen un-
abänderlich ein Schaltjahr von 366 Tagen folgt, das
Jahr also im Durchschnitt zu 365-f Tagen gerechnet
wird. Ein solches nennt man ein julianisches. Im
Schaltjahr erhält der Februar, der in der Regd acht-
undzwanzig Tage hat, einen Tag mehr. Der neue
Stil ist vom Papst Gregor XIII im Jahr 1582 an die
Stelle des alten gesetzt worden. Bei demselben ist zwar
ebendieselbe Jahrform und Anordnung der Monate ge-
bräuchlich; aber im Verlaufe von vierhundert Jahien
werden drei Schalttage weggelassen. Dafs der alte Ka-
lender jetzt zwölf Tage weniger zählt, als der neue, ist
schon (65) bemerkt worden.
Die Chronologen rechnen gewöhnlich nach dem
alten Kalender, weil die demselben zum Grunde lie-
gende Jahrform und Schaltregel wegen ihrer Einfach-
heit und, Gleichförmigkeit ein bequemes Zeitmaafs ge-
währen. Sie setzen ihn, über die Zeit seiner Einfuh-
rung im Jahr 45 v. Chr. hinaus, so tief in die Vor-
welt fort, als sie es nöthig finden. Die Geburt Christi
wird auf den 25. December, also ganz an den Schluis,
desjenigen Jahrs gesetzt, das unmittelbar vor dem ersten
der christlichen Aere hergeht und das erste vor Christi
Geburt genannt wird, so dais das erste vor und das
erste nach dieser Epoche unmittelbar auf einander fol-
gen. Schaltjahre sind n. Chr. diejenigen, die sich durch
Einleitung. 75
yier ohne Rest theilen lassen , und t. Chr. die , welche
durch vier diyidirt den Rest eins geben. Die Astronomen
rechnen y. Chr. ein Jahr weniger als die Chronologen ^),
weil sie ziu* einfachem Anordnung ihrer Tafeln das Ge-
burtsjahr gleich Null setzen, n^odurch gleiche Jahre vor
und nach Chr. Schaltjahre werden, und die Summe der
Jahre vor und nach dieser Epoche allemal das Zeitinteivall
in Jahren ausdrückt. Diese Zählungsweise ist von Jakob
Gassini vorgeschlagen und zuerst gebraucht worden *).
So bequem sie auch beim astronomischen Galcul ist,
so mufs man sich doch zur Yermeidiing möglicher Yeiv
wirrung hüten, sie in die Chronologie überzutragen,
jedoch nicht vergessen, dafs man bei der gewöhnlichen
Art zu zählen allemal die Summe der Jahre vor und
nach Chr. um eine Einheit zu vermindern hat, wenn
man die Zahl der zwischen beiden Grenzen Hegenden
Jahre sucht. Z. B. da die Olympiadenrechnung mit
dem Jahr 776 vor, und die arabische Acre mit dem
Jahr 622 nach Chr. beginnt, so sind beide Epochen
um 776 + 622 — i = 1397 Jahre von einander ent-
fernt. WiH man ein solches Intervall genauer bestim*
men, so mufs man erwägen, dafs sowohl die Jahre vor
als nach der christlichen Epoche laufende, nicht
vollgezählte, sind. Soll z.B. der Zeitraum berech-
net werden, der zwischen den Epochen der seleucidi-
schen und arabischen Acre liegt, von denen jene mit
') Statt der Bezeichnung Yor und nach Chr. gebrauchen sie
gewöhnlich die ihnen gelaufigen Zeichen — und +. So z. B. sagen
sie, dais Julius Cäsar den römischen Kalender im Jahr — 44
verbessert habe.
^) S. die Einleitung zu seinen Tables astronomiques (die den
zweiten Theil seiner ^Umens <i Astronomie ausmachen) S. 5.
76 Technische Chronologie.
dem 1. October 312 vor, diese mit dem 15. Julias 622
nach Chr. anfangt, so hat man vor dieser Epoche
311 volle Jahre und 3 Monat, nach derselben 621 Jahre
%\ Monate, mithin zusammen 932 Jahre und 9^ Monate.
Um das Intervall in Tagen zu erhalten, mufs man die
gefundenen 932 Jahre mit 365 multipliciren , und zu
dem Produkt sowohl die zwischen beiden Epochen lie-
genden 233 Schalttage, als die auf die drei letzten Mo-
nate des Jahrs 312 vor, und die auf die sechs ersten
Monate des Jahrs 622 n. Chr. gehenden Tage nebst
noch vierzehn im Julius des letztem addiren. Auf
diese Weise ei^ben sich 340700 Tage.
Bei Yex^leichungen solcher Art war eine Jahrrech-
nung wünschenswerth , welche die ganze uns bekannte
Geschichte in sich schliefst. Da unter den zahlreichen
Acren von Erschaffung der Welt, die von den Chro-
nologen aufgestellt worden sind, keine den Vorzug zu
verdienen schien, so hat Joseph Scaliger durch Mul-
tiplication der di*ei.cyklischeniSahlen 28, 19 und 13 (72)
eine Periode von 7980 Jahren gebildet ^), die alle an
eine solche Grundäre zu machende Ansprüche befriedigt.
Er nennt sie die julianische, weil sie nach juliani-
schen Jahren zählt. Sie nimmt zugleich mit dem Son-
nen-, Mond- und Indictionscirkel ihren Anfang, und
erneuet sich nicht eher, als bis alle drei Zeitkreise
zugleich abgelaufen sind. Es wird daher jedes Jahr
durch seine eigenthümlichen cyklischen Zahlen charak-
terisirt, die sich in den Resten der Division des jedes-
maligen Jahrs der Periode durch jene drei Zahlen er-
geben. So findet sich, dafs das Jahr 6538 zum Sonnen-
*) Emend. temporum 1. Y. p. 359. der Ausg. Ton 1629.
Einleitung. 77
cirkel 14, zur giMenen Zahl 2 und zur Zinszahl 15 hat.
Bleiben keine Reste, so vertreten die Divisoren die Stelle
derselben. Es kommt darauf an, die Periode richtig an
die christliche Aere zu knüpfen. Im ersten Jahre n. Chr.
war der Sonnencirkel 10 , die güldene Zahl 2 und die
Zinszahl 4, und hieraus ist nun dag entsprechende Jahr
der Periode herzuleiten. Dies ist eine Aufgabe der un-
bestimmten Analytik 9 deren Auflösung unten in den
Erläuterungen und Zusätzen gegeben werden
wird. Es findet sich, dafs das Jahr 4713 das erste vor,
und 4714 das erste nach Chr. ist. Um also Jahre der
julianischen Periode auf die christliche Zeitrechnung zu
bringen, mufs man sie von 4714 abziehen, wenn sie klei-
ner, oder 4715 von ihnen abziehen, wenn sie grofser sind,
wo man dann im ersten Fall Jahre vor, und im letztem
Jahre nach Chr. erhält. Sollen dagegen Jahre vor oder
nach Chr. auf die julianische Periode reducirt werden,
so mufs man die erstem von 4714 abziehen und zu den
letztem 4715 addiren. So ergibt sich, dafs das vorge-
dachte 6538ste Jahr der Periode imser gegenwärtiges
Jahr 1825 ist. Sie wird ihrer Nützlichkeit wegen von
den Chronologen durchgängig gebraucht, selbst von'
Petavius, der sonst nicht gern etwas von ihrem Ur-
heber annimmt ^). Man kann mit Recht sagen, dafs
erst seit ihrer Einführung Licht 'und Ordnung in die
Chronologie gekommen ist ').
Da das julianischq Jahr um 11' 12^ länger ist, als
das tropische, so weichen, wie schon oben (67) bemerkt
*) Man sehe, was er zu ihrem Lobe sagt. Doctn temp. YU, 8.
') Von der griechisch-römischen Periode, die Pagi
statt der julianischen rorgeschlagen hat, wird unten in der christ*
liehen Zeitrechnung die Rede sein.
78 Technische Chronologie.
worden ist, die Jahipunkte alle 128 Jahre um einen Tag
xurücL. Hier sind ans den Delambreschen Sonnen*
tafeln die Data derselben fiir drei in chronologischer Hin-
sicht wichtige Epochen , fiir die Zeiten der Einfiihrung
des julianischen ELalenders, der nicänischen Kirchenyer-
samxnlung und der gregorianischen Kalenderverbesse-
rung, Zur Yergleichung fiige ich noch die des jetzigen
Jahrs nach dem alten Kalender gerechnet hinzu« Die
beigesetzten Stunden gelten fiir die Meridiane Berlins
und Roms.
Frühlings- Nachtgleiche.
45 vor Chr. Geb. den 25. Mäi*z um 5 Uhr Morg.
325 nach - - - 20 - - 2 - Ab.
1582 - . - . 11 - - 1 . Morg.
1825 - - - - 8 - - 10 - Ab.
Sommer- Sonnenwende.
45 vor Chr. Geb. den 25. Junius um 6 Uhr Morg.
325 nach ---22- -9-
1382 ----12- -2-
1825 -- - - 9 - -8- Ab.
Herbst- Nacht gleiche.
45 vor Chr. Geb. den 25. September um 3 U. Ab.
325 nach - - - 23 - - 2 U. Morg.
1582 .... 13 - - 2Ü.Ab.
1825 . - ... 11 . . 10 U. Morg.
Winter- Sonnenwende.
45 vor Chr. Geb. den 23. December um 7 Uhr Morg.
325 nach - - - 20 - - 10 - Ab.
1582 ..-.12 - -3- Morg.
1825 -.-.10 - -3-
Einleitung. 79
Man sieht, die Fröhlings-Nachtgleiche ist seit der
nicänischen Kirchenyersanunlaiig yom SOsten bis aum
8. März zimicLgewichen. Sie war von den damaligen
Berechnern des Osterfestes auf den 21. März gesetzt wor*
den. Sie dahin zurückzuführen und daselbst zu befesti*
gen, war der Haüpta^eck der 1582 zu Stande gekomme-»
nen Ealenderyerbesserung, nach welcher dieses Jahr um -
zehn Tage verkürzt und eine einfiiche Schalipegel auf-»
gestellt wurde, der zufolge seitdem noch zwei Tage weg-
gefallen sind.
Ehe wir die Zeitrechnung der vornehmsten filtern
und neuem Völker durchgehen^ wird es nöthig sein, über
den Gebrauch , der sich von den verschiedenen Zeitein-
heiten gemacht findet und über die dabei vorkommende
Terminologie zuvor noch Einiges im Allgemeinen zu be^
merken. Wir fangen mit dem Tage an.
Der auffidlendste Zeitabschnitt, den uns die Natur
bildet, ist der Tag. Es ist schon oben (29) bemerkt wor-
den, dafsder natürliche und der bürgerliche unter-
schieden werden. £Kes geschieht bereit? von Censorin.
Naturalis dies, sagt er ^), esttempus ab Oriente sale
ad soUs occasuni : cuius contiuriuni tempus est nox, ab
occasu sotis usque ad exortum. Civilis autent dies
vocatur tempus, quodfit uno coeli circumactu^ quo dies
verus et nox eontinetur, ut cum dicimus aliquem dies tri-'
ginta tantum vixisse; reUnquitur enim etiam rioctes intel-
hgere. Dieser Sprachgebrauch wird jetzt von allen Chro-
nologen beobachtet. Einige ältere, wie Sacrobosco ^),
;) c. 23.
^) In seinem ehemak häufig gedmckten und jetzt mit Recht
Tergessenen Buche de Sphaera,
80 Teclmische Chronologie.
nennen den bürgerlichen Tag den natürlichen, den
natürlichen dagegen den künstlichen.
Gensorin f^hrt fort: Huiusmodi dies ab astrologis
et civitatibus quatuor modis definitun Babjrlonii quz--
dem a solis exorta ad exortum eiusdem astri diem sta--
tuenmt, At in Umhria plerique a meridie ad meridiem^
Athenienses autem ab occasu solis ad occasum, Caete--
nun Romani a media nocte ad mediam noctem diem esse
existimavenmt. Aus diesen Worten ^) lernen wir vier
verschiedene Anfänge des bürgerlichen Tages kennen.
-Die Athener und vermuthlich alle Griechen begannen
ihn, wie noch jetzt die Juden und Muhammedaner, mit
dem Untergange der Sonne , weil sie ih|^e Zeit zunächst
nach dem Monde eintheilten, dessen Sichel zuerst in der
Abenddämmerung wahrgenommen wird. Mit dem Auf-
gange der Sonne pflegen nur solche. Völker den Tag an-
zu&ngen, welche sich bei der Einthellung ihrer Zeit
blofs nach der Sonne richten. Beide Zeitpunkte eignen
sich deis£dls nicht bequem zu Epochen des bürgerlichen
Tages , weil di^ Dauer desselben zugleich mit der des
natürlichen Tages einem steten Wechsel unterworfen
ist. Die Römer fingen den bürgerlichen Tag um Mit-
ternacht an. Es war dies ein ganz imastronomischer
Gebrauch, da die Natur kein Merkmal darbietet, woran
die Mitte der Nacht erkannt werden kann. Um sie zu
bestimmen, mulsten erst künstliche Mittel, Uhren, die
auch zur Nachtzeit die Stimden angeben, erfunden wer-
den. Jetzt stellt sich die Sache anders, und wir behalten
') Mit denen Plinius H,N. 11,79, G eWi n b Noct. AU.
m, 2, Macrobitts Sat. I, 3, und Isidorus Etym. Y, 30
zu yergleichen smd.
Einleitung. 81
nun diese Epoche mit Recht bei , da sie auf die Mitte
des Stillstands &st aller bürgerlichen Geschäfte triflt.
Dafs die Astronomen den Tag mit dem Mittage zu be-
ginnen pflegen, ist bereits oben (30) bemerkt worden.
Stobäus berichtet auf die Autorität des Nicolaus
von Damaskus, dafs die libyschen Nomaden (Numidier)
ihre Zeit nach Nächten zählten ^). Die alten Gallier
und Germanen haben dasselbe gethan. Yon den erstem
sagt Cäsar ^) : Galli se omnes ab Dite patre progna-
tos praedicanty idque ah Druidihus proditum dicunt.
Ob eam caussam spatia omnis temporis non numero
dierum, sed noctiwn finiunt; et dies natales et men-
sium et annorum initia sie observant, ut noctem dies
subsequatur. Von den letztem Tacitus ^} : coeunt,
nisi quid fortuituni et subitum inciderit, certis diebus,
cum aut inchoatur luna aut impletur:» nam ageridis
rebus hoc quspicatissimum initium credunt. Nee die^
nun numerum, ut nosy sed noctium computant. Sic
constituunt y sie condicunt; nox ducere dient videtur»
Offenbar haben diese Yölker ihre Zeit nach dem Mond-
lauf getheilt. Von den Galliern wissen wir es aus dem
Plinius bestimmt '*): Luna principia mensium anno^
rumque Jus facit. Nichts ist in den salischen Ge-
setzen gewöhnlicher, als die Zeitbestimmung nach
Nächten *). Und dafs dieser Gebrauch auch lange bei
*) Serm, XLH p. 293 ed. 1609, fol.
') De hello GalL VI, 18.
^) De mor. Germ. c. 11.
^) H, N, XVI cxlr.
^) Man sehe unter andern Ut 40, 48, 50.
I- 16]
82 Technisclie Chronologie.
den Deutschen geherrscht hat, sagt Eccard in seinen
Anmerkungen xu den ebengedaditen Gesetzen ^). Die
Griedben nannten den bürgerlichen Tag yv^i^Yf^B^ov,
nicht Yi^^owKTiov, zuni Zeichen, dafs im Datiren bei
ihnen die Nacht vor dem Tage herging. Eben dies
ist der Fall bei den Arabern, welche beim Datiren an-
zugeben pflegen, wie viel PT ächte eines Monats ver-
flossen oder noch rückständig sind.
Die christlichen Völker Europas theilen jetzt aUge-
snrin den Tag in yierundzwanzig gleiche Theile oder
Standen und die Stunde in sechzig Minuten. Die
Ghnmologen reden auch von Tagesmrnuten, indem
sie darunter den sechzigsten Theil des bürgerlichen Ta-
ges verstehen, und Gatter er gibt in seiner Chrono-
logie eine durch Beiq>iele erläuterte Anweisung, Tages-
minuten in Stundenminuten und umgekehit zu ver-
wandeln. Der ganze Begiiff ist aber von keiner Erheb-
lichkeit. Die alten Astronomen, namentlich die -arabi-
schen, hatten eine solche Sexagesimaltheilung , welche
längst aufier Gebrauch gekommen ist. Die Juden thei-
len, wenn auch nicht im gemeinen Leben, doch bei
ihrer Festrechnung, die Stunden, die sie mit uns
gemein haben, in tausend und achtzig Helakim,
*) S. 74. Vergl. Sachsenspiegel I, 67. Noch jetzt sagen
die Engländer sevennight und Jbrlnight für acht Tage und
vierzehn Tage, ein Ueberrest der Sprache der alten Sachsen.
Ganz analog war bei den Germanen der Gebrauch des Worts Win-
ter für Jahr. So heifst es beim Evangelisten Lucas 11, 42 nach
der gothischen und angelsächsischen üebcrsetzung : ' da Jesus zwölf
Winter alt war. Man rergleiche Adami Uenrici Lackmanni de
compütatione annorum per hiemes priscis Hyperhoreis usüata
disputcUio chronologico^historica. Kilonii 1744, A,
Einleitung. 83
von denen achtzehn auf jede unserer Minuten gehen.
Man nennt diese Zeittheile jüdische Minuten. Die
Tüi'ken zerfallen den Tag, wie wir, in yierundzwanzig
Stiuden, fangen aber diese Stunden vom Untergange
der Sonne zu zählen an, so da£s es eine Stunde nach
demselben eins ist. Die Stunden werden, wie bei uns,
in zwei Absätzen zu je zwölf gezählt. Diese Einthei*
lung hat die groise Unbequemlichkeit, dafs weder die
Sonnen- noch die mechanischen Uhren mit ihr gleichen
Schritt hallen können. Letztere müssen täglich gestellt
werden, wenn sie der Sonne folgen sollen. Eine ähn-
liche Stundenrechnung war sonst auch (und ist yiel*
leicht noch hin und wieder) in Italien gebräuchlich,
nur dafs daselbst die Stunden vom Anbruche der Nacht
an hinter einander fort bis vierundzwanzig gezählt
wurden. Eine halbe Stunde nach Sonnen -Untergang
schlug es vierundzwanzig. Begreiflicherweise muiste
der Mittag bei zunehmender Tageslänge auf immer
frühere , bei abnehmender auf immer spätere Stunden
treffen. Geht z. B. die Sonne, wie am 1. Januar, zu
Yenedig nach europäischer Zeit um 4 Uhr 21' unter,
so wurden die italiänischen Stunden von 4 Uhr 51' an
gezählt, und der Mitlag trat nach italiänischer Rech-
nung um 19 Uhr 9' ein. Eine Tafel hierüber gibt
Lalande in der Vorrede zu seiner Reise nach Ita-
lien ^). Er vertheidigt diese Stunden aus dem Grunde,
weil sie allemal zu erkennen geben, wie viel noch vom
Tage übrig ist. Dafür mufs man aber immer erst in
den ELalender sehen, wenn man wissen will, wann es
*) yoyage d*wi Fran^ois en lialie fait dans les ann^es
1765 et 1766.
[6*1
84 Technische Chronologie.
Mittag ist. Die Italiäner Cagnoli und Piazzi haben
förmlich gegen diese unbequeme Stundeneintheilung ge-
schrieben ^).
Eine ganz anders Bewandtnifs, wie mit den heuti-
gen Stunden, batte es mit denen der alten Völker.
So 6ehr auch die Babylonier, Aegypter, Griechen und
Römer in der Epoche des bürgerlichen Tages von ein-
ander abweichen mochten^ so übereinstimmig war ihre
Stundenrechnung. Sie legten nämlich das ganze Jahr
hindurch dem natüi*lichen Tage sowohl als der Nacht
zwölf Stunden bei, die sie vom Aufgange der Sonne
bis zu ihrem Untergänge , und vom Untergange bis zu
ihrem Aufgange fortzählten, so dafs der Mittag auf den
Anfang der siebenten Tages- und die Mitternacht auf
den Anfang der siebenten Nachtstunde traf. In horas
duodecim divisum esse diem, noctemque in totidem,
9>ulgo notum est, sagt Censorin ')• Die Sonnenuhren
der Alten waren dem gemäfs eingerichtet. Omnium fi-
gurarum, heifst es beim Yitruyius ^), descriptionunv-
que earum effectus unus, uti dies aequinoctialis , bru-
malisque, item solstitialis in duodecim partes aequaU-
ter Sit divisus. Unsere Sonnenuhren , die uns durch-
gängig gleiche Stunden zumessen^ haben eine ganz an-
dere Construction als die der Alten.
Diese gewifs uralte Eintheilung des natüi'lichen Ta-
ges und der Nacht schreibt sich aus dem Morgenlande
her. Die Griechen erhielten sie nach Herodot's Ver-
*) S. Delambie's Astronomie, Tom. III. p,688.
») c. 23.
») De Jrchit. IX, 8.
Einleitung. 85
Sicherung yon den Babyloniem ^). Einige Ausleger hä*
ben irrig geglaubt, dafs er unter den zwölf Theilen des
Tages die des bürgerlichen , nicht die des natürlichen,
verstehe, und durch diesen Milsgri£f sind die sogenann-
ten babylonischen Stunden, deren eine jede zwei
der unsrigen gehalten haben soll, in die chronologi«-
sehen Bücher gekommen ')•
Warum der Tag, so wie die Nacht, gerade in
zwölf Stunden getheilt wurde? Diese Frage hat meh-
rere Alle beschäftigt^). Am natürlichsten und gewils
richtig beantwortet sie Galenus, wenn er sagt ^), dafs
man diese Zahl darum gewählt habe, weil die im fe*
meinen Leben am häufigsten Torkommenden Theile der
Einheit sich durch sie in ganzen Zahlen ausdrücken las-
sen. Auch wird man sich deishalb um so lieber für
BaßvXtavitav t/xa^oir ol "EXkrivg. 11, 109.
') Z.B. in Des-Yignoles Chronologie de l'hist. Saintey
Tom. n. p.689, und in Gattcrei's Abrifs der Chronolo-
gie, S.4. Solche Stunden zu 12 auf den burgei-lichen Tag, oder
zu 6 auf den natürlichen und eben so yiele auf die Nacht, kom«
men nur bei den Chinesen und Japanern Tor. S. Du Halde
Description de la Chine, Tom. m. p. 345 und Kampfer Hist.
du Japon, Tom. I. p.i35, Tom. 11. p. 188 (beide Werke nach
den Haager Ausgaben). Andere rerslehen unter babylonischen
Stunden solche, die vom Aufgange der Sonne gerechnet wer-
den (80), im Gegensatz der italiänischen (83). S. Delam-
bre a. a. O.
') S. Marius Yictorinus in I. Rhet. Cic. c. 75. (Rhe-
tores ex BibL Pithoei.J, Horapollo /fier. I^ 16. Damascius
bei Photius cod.242. p. 1047 ed. 1611.
*) De cuiusque animi peccatorum dignotione^ Tom. VL
p. 545 (Opp. Bippocratis et Galeni 1679, fol.^.
86 Technisctie Chronologie.
sie entschieden haben , weil sie die Eintheilung des Ta-
ges der des Jahrs analog machte.
Die Dauer der veränderlichen Tag- und Nacht-
stunden hängt von der jedesmaligen Yerweilung der
Sonne über und unter dem Horizont ab, und mufs
für jede Polhöhe und für jeden Tag des Jahrs beson-*
ders berechnet werden. Ihre Ungleichheit wächst für
einerlei Tag des Jahrs mit der Polhöhe, und fiir ei-
nerlei Polhöhe mit der Entfernung von der Nachtgleiche.
Sie wurden den Alten durch ihre Sonnen- und Was-
seruhren zugemessen, und erhielten sich daher so lange
im Gebrauch , als man noch keine Uhren weiter hatte.
Erst mit Erfindung der Räderuhren gegen das zwölfte
Jahrhundert n. Chr. sind sie der jetzt gewöhnlichen
Stundenrechnung gewichen ^).
Man würde aber irren, wenn man glaubte, dals
unsere gleichförmigen Stunden zu -^ des bürgerlichen
Tages erst damals aufgekommen seien. Sie wai'en den
Alten allerdings bekannt, jedoch blois als Hülfsmittel
beim astronomischen Calcul, welcher der gleichförmigen
Zeiteintheilung nicht entbehi^n kann. Sie hiefsen bei
ihnen w^a« Ity.ixs^ivou , home aeqiunoctiales, Aequinocti-
al stunden, weil sie um die Zeit der Nachtgleichen
den bürgerlichen Tag- und Nachtstunden gleich sind.
Ptolemäus bedient sich ihrer durchgängig, und re-
ducirt auf sie auch die nach bürgerlichen Stunden an-
gegebenen Beobachtungen seiner Vorgänger, um sie mit
den astronomischen Tafeln vergleichen und für die Theo-
*). Dafs sie bis dahin noch immer gebräuchlich waren, ersieht
man aus Beckmann's Geschichte der Erfindungen Th. L
S. 166.
Einleitung. 87
rie verarb^ten^ können. £r zahlt 3ie von einem Milr*
tage zum andern hinter einander fort. Au&er den Sdirif*
ten der Astronomen kommen sie hei den. Alten sehen
vor. Sie finden sich nur ein paarmal von PJinins
erwähnt ^), und von Galenus an einer Stelle ^), wo
er die Dauer des halben Jahrs auf 163 Tage und nahe
15 Aequinoctialstunden setzt. Zum Unterschiede heifsen
hei den griechischen Astroiy>nien Gepiinus, Ptole-
mäns, Theon, die im gemeinen Leben allein voi^>
kommenden veränderlichen Standen w^i hcu^ou, hortm
temporales^ was so viel als Standen heifen soll, die
von Zeit und Umständen , hier von der Länge des Ta-
ges und der Nacht , abhängen. Der Name Planeten-^»
stunden, den sie in unsern altem chronologischen
Büchern führen, ist mit der Astrologie, zu deren tau«
sehenden Berechnungen sie dienten, zu Grabe gegangen.
Von dem verschiedenen Gebrauch , den die Alten von
den Zeit- und Aequinoctialstunden gemacht haben,
kann man die erstem am schicklichsten die bürg er*
liehen, die letztem die astronomischen, nennen*
T h e o n unterscheidet auch die Tage in Hcuguan
und iTy\fxs§wcu ^). Jene sind die natürlichen, die uns
die Sonne durch ihrYerweilen über dem Horizont zu«
mifst, diese die der Kaehtgleichen. Die Zeitstunde ist
^ von jenen, die Aequinoctialstunde -^ von diesen.
Die Eintheilung der Zeit nach siebentägigen
Wochen treffen wir in den verschiedensten Gegenden
*) H. N. II, 99. VI, 39. XVra, 59.
') De septimestri partu^ Tom. V. p. 348.
^) Commentar zum Almagest, 1. II. p. 86.
88 Technische Chronologie.
der Erde an, z.B. bei den Chinesen und den alten
Peruanern *); sie mufs daher in der Natur selbst
gegründet sein. Von ihrer Entstehung ist bereits oben
(60) die Rede gewesen. .
Sie ist von hohem Alter; denn schon im zweiten
Kapitel der Genesis wird ihrer gedacht. Doch scheint
sie den Hebräern nicht eigenthümlich , sondern allen
semitischen Yölkem gemein gewesen zu sein. Bei den
Arabern wenigstens war sie schon vor Huhammed im
Gebrauch. Vom Orient hat sie sich mit der christ*
liehen Religion allmälig über den Oocident verbreitet.
Bei den Griechen , und bis auf die Zeiten der
Cäsam auch bei den Römern findet sich keine Spur
einer siebentägigen Woche und deiner Feier des sie-
benten Tages. Bei jenen, wenigstens bei den Athenern,
treffen wir dagegen eine zehntägige und bei diesen
eine achttägige an. Mehrere haben die siebentägige
in einem Verse des Hesiodus ^) finden wollen; allein
der Dichter spricht nicht von einem siebenten Wochen-
sondem von einem siebenten Monatstage, der ihm, so
wie der erste, vierte und noch einige andere, fiir ei-
nen glücklichen galt; denn dies soll sein heiliger
Tag — U^ovr^pM^ — sein. An diesem siebenten Mo-
natstage, iv roRg kßSofjuug, wie Lucian ^), oder Ac6-
domadibus lurnie, wie Gellius sagt *), versammelte
') S.. Du Halde a. a. O. Garcilaso de la Yega Comen-
tarios reales de los Jncas, Tom. I. 1. 2. c. 23.
') Op. et dies 770.
') Pseudologista c. 16. Von der den Athenern heiligen iß-
»ofii) s. Corsini's Fasti Attici Xm, 38.
*) N. A, XV, 2.
Einleitung. 89
sieb die griechische Jugend zu Spielen nnd Gastmalem«
Der Tag war nämlich dem Apollo geweiht, der am sie-
benten des attischen Thargelion geboren sein soll ^),
Eben so wenig ist der Ausdruck hebdomas, dessen sich
die lateinischen Schriftsteller bei Zeitbestimmungen nicht
selten bedienen, ein Beweis von einer bei den Römern
gebräuchlichen siebentägigen Woche. Die Zahl sieben
— sßSofjLu^y hehdomas — war den Griechen und Römern
von greiser Bedeutsamkeit« Gewöhnlich sind darunter,
wenn von Zeiten die Rede ist, Tage, zuweilen aber
auch Jahre zu verstehen. Gell ins gibt ') einen Aus-
zug aus den Hehdopiades des Yarro, einem Buche,
welches von dieser Zahl handelte. Der Schriftsteller
hatte darin bemerkt, se iam duodecimam amiorum kein
domadam ingressum esse, et ad eiun diem septuaginta
hebdomadas librorum conscripsisse. Von Tagen ge*
brauchte Yarro /iei^mof^ wenn er sagte: septimafere
hebdomade, id est nono et quadragesimo die totus homo
in utero absohitur. Der Ausdruck quarta hebdomas,
dessen sich Cicero in einem Briefe an den kranken
Tiro bedient ^), bezeichnet entweder, nach unserer Art
zu reden, die vierte Woche, welche bei Krankheiten
fiir kritisch gehalten wurde, oder den vierten kritischen
siebenten Tag. Als in der Folge die siebentägige Woche
un römischen Reich eingeführt wurde, fixirte sich das
Wort hebdomas auf sie.
So wie die Sonne das Jahr macht, so bestimmt
der Mond den Monat. Daher bezeichnen auch die
*) Man vergleiche Meursii Graecia/eriala t. ipSo/iij.
') N. A. m, 10.
•) Epist. adfamil XYI, 9.
90 Technische Chronologie.
Hebräer, Perser, Tataren und mehrere andere Völker
den Mond und den Monat mit einerlei Wort, z.B.
die Perser mit vU mab. Auch lehrt der Zusammen-
hang der TViörter Mond und Monat in allen germa-
nischen Sprachen eben so sicher, wie die oben (81)
aus dem 'Tacitus beigebrachte Notiz, dafs die alten
Deutschen ihre Zeit nach dem Monde geordnet haben.
Die Monate sind bei den Ycäkem, die noch auf
einer niedrigen Stufe der Cultur stehen, gewöhnlich von
schwankender, durch die jedesmaligen Erscheinungen
des Mondes gegebenen Dauer. Erst mit dem Fortgange
der Cultur, wenn das Bedürfni(s des Daürens fühlbar
wird , werden sie nach ganzen Tagen genau bestimmt,
entweder unabhängig von der Sonne , oder mit Berück-
sichtigung des Lau£i derselben. Wir haben hiemach
iweierlei Monate, Mondmonate und Sonnenmonate,
die wir in bürgerliche und astronomische unter-
scheiden. Der astronomische Mondmonat ist entwe-
der synodisch oder periodisch. Die Dauer beider
ist bereits oben ( 45, 44) angegeben worden. Der bürger-
liehe Mondmonat kann den Bedürfnissen des gemei-
nen Lebens gemäis nur' aus ganzen Tagen bestehen, und
hftlt bei den meisten Völkern, die sich seiner bedienen,
abwechselnd 50 und 29 Tage, da der ihn bestimmende
synodische Monat 29 1- Tage lang ist. Wenn die Chro-
nologen von einem Erleuchtungsmonat (mensis il-
haninationis) reden, so verstehen sie darunter die Zeit,
die zwischen zwei auf einander folgenden Erscheinungen
der Mondsichel in der Abenddämmerung verfliefst. Die-
ser Zeitraum ist aber von keiner bestimmten Dauer,
da sich die Mondsichel nach der jedesmaligen Lage der
Ekliptik gegen den Horizont bald früher, bald spater
Einleitung. 91
nach der G>n)uncüon in der Abenddämmerung zeigt*
Die mittlere Dauer ist der synodische Monat. Der ganze
Begriff ist von keinem Nutzen.
Der astronomische Sonnenmonat ist die Zeit^
welche die Sonne in jedem Zeichen der Ekliptik ver-
weilt, im Mittel 30 Tage 10 St. 29' 4". Für jedes ein-
zelne Zeichen ist die Dauer in Tagen tmd Stunden für
unsere Zeit folgende:
X 30 Tage 13 Stunden.
V 31 - 1 -
Xr 31 - 9 -
59 3r - 11
n 31 - 6 • «
irp 30 - 21
Bei der Bewegung des Apheliums (36) sind diese
astronomischen Sonnenmonate einer allmäligen Verände-
rung unterworfen. Zu Hipparch's Zeiten und nach
seiner Theorie des Sonnenlaufs betrug in ganzen Tageu
der Zeitraum
des -y 31 Tage. der ^ 30 Tage,
des ^ 32 - des n\. 30 -
der XE 32 - des ^ 29 -
des 59 31 - des ^ 29 -
des f\ 31 - des » 30 -
der np 30 - der X 30 -
und so gibt sie Geminus an ^). Die bürgerlichen
Sonnenmonate bestehen aus einer Anzahl ganzer Tage,
i£a 30 Tage
8 Stunden,
in. 23 -
20
* 29 -
12 -
^ 29 -
10 -
« 29 -
15 -
X 30 -
0 -
' ) Isagoge in Arati phaen, c. 16.
92 Technische Chronologie.
die bei jeder Nation durch Gesetze und Institute be-
stimmt ist.
Was endlich das Jahr betrifft, so mag hier zu
dem, was oben über die Dauer und die yerschiedenen
Formen desselben gesagt worden ist, nur noch die Be-
merkung hinzu kommen, dais das diesen Begriff be-
zeichnende Wort in fast allen Sprachen einen Kreis-
lauf, eine Wiederkehr in sich selbst bezeichnet,
z.B. ivi€tirro9y annus (aunulusj , Jahr ^). Es leidet
daher keinen Zweifel, dais diese und andere Wörter
gleichen Gehalts ursprünglich das Sonnenjahr be-
zeichnen sollen, da beim Mondjahre keine Art von
Kreislauf Statt findet.
Nach diesen Yorerinnerungen wollen wir nun zu
den einzelnen Völkern und Vereinen von Völkern fort-
gehen, deren Zeitrechnung sich auf eine eigenthümlicbe
Weise ausgebildet hat.
'} S. unten die Erläuterungen und Zusätze.
Erster Abschnitt.
Zeitrechnung der Aegypter.
«■«vwww^wiAr
T>,
'ie Aegypter, die ersten Pfleger von Wiasenscbaft
und Kunst, sind nach allen Nachrichten dasjenige Volk,
von "i^elchem die.Kenntnifs des Sonnenjahrs zu 565-^
Tagen ausgegangen ist. Mit Recht machen wir also
mit ihnen hier den Anfang.
Nach Eudozus beim Proklus, Yar'ro beim
Lactantius, Diodor, Plinius und Plutarch *)
hat das älteste Jahr der Aegypter aus einem, nacb
Gensorinus') aus zwei Monaten bestanden. Diese
Nachricht scheint aber auf keiner Ueberlieferung , son«
dem auf einer bloisen Hypothese zu beruhen, die man
ersann, um die hohe Lebensdauer der Götter imd äl-
testen Menschen, von der die ägyptische Ui^schichte
sprach, zu erklären. Haben die Aegypter wirklich solche
kurze Jahre gebraucht, so heifst das, sie haben ihre
Zeit ursprünglich nach Mondmonaten getheilt. In
diesem Falle werden sie aber an die Stelle des Mond-
•) Proklus in Timaeum Plat. LI. p. 31. Lactant. Inst,
n, 13. Diodor 1. I. c.26. Plin. H. N. VH, 49. Plüt.
i;i7. Numae c. 18.
^) c. 19.
94 Technische Chronologie.
Jahrs gewifs frühzeitig ein Sonnenjahr gesetzt haben,
da die periodischen Veränderungen, denen der natür-
liche Zustand ihres Landes unterworfen ist, blois durch
die Jahrszeiten bedingt werden.
Nach Plutarch und Gensorinus ist an die
Stelle des ein- oder zweimonatlichen Jahrs späterhin
ein viermonatliches getreten, dessen Solin us und
Augustinus als des ursprünglichen allein gedenken ^).
Auch diesem Jahr kann eine blofse Hypothese zum
Grunde liegen, durch die man die allmälige angebliche
Abnahme der Lebensdauer der Menschen zu erklären
suchte« Es ist aber auch sehr wohl möglich, dais die
Aegypter bei Einführung des Sonnenjahrs zuerst nach
viermonatlichen- Abschnitten rechneten, da die Matur
selbst ihr Jahr in drei Zeiträume von dieser Dauer
theilc, in die Periode der Ueberschwemmung , in die
der blühenden Flur, und in die der trockenen und
ungesunden Hitze.
Dem sei wie ihm wolle, genug die Aegypter ge-
brauchten sehr früh das bewegliche Sonnenjahr
(68) , das sie in zwölf 30tägige Monate mit fünf Er-
gänzungstagen theiltcn. Glaubten sie vielleicht anfangs,
dafs es ein festes sei, so mufsten sie bei einiger Auf-
merksamkeit auf den Himmel und auf die Wechsel
ihres Flusses sehr bald von ihrem In*thum zurückkom-
men; und wirklich fehlt es, wie unten erhellen wird,
nicht an Beweisen, dafs sie den vernachlässigten Vier-
teltag frühzeitig gekannt haben. Sutt ihn aber düix;h
eine Einschaltung nach unserer Weise einzubringen,
machten sie die Wandelbarkeit ihres Jahr^ zu einer
*) Pofyh, c. i. De civit. dci XII, 10.
A E G Y P T B R. 95
Religionsallgelegenheit, wie man aus folgender Stelle
des 6e minus ersieht: ,,Die Aegypier sind ganz an-
,, derer Meinung und Absicht gewesen als die Griechen;
,,denn sie rechnen weder ihre Jahre nach der Sonne,
,,noch ihre Tage und Monate nach dem Monde, son-
„dem ver&hren nach gewissen ihnen eigenthümlichen
,, Grundsätzen. Sie wollen nämlich, dafs die Opfer den
,, Göttern nicht immer zu derselben Zeit des Jahrs dar*
,, gebracht werden, sondern alle Jahrszeiten durchwan-
,,dem sollen, so dafs das Fest des Sommers ein Fest
,,de8 Herbstes, Winters und Frühlings werde. Zu die-
,,sem Ende haben sie ein Jahr von 365 Tagen, od^
,,Von zwölf 50tägigen Monaten und fünf überzähligen
,, Tagen; den Yierteltag schalten sie aus dem gedachten
,, Grunde nicht ein, nämlich damit die Feste ihre Stelle
,, ändern mögen ^),'* In dem alten lateinischen, yer*-
muthlich aus griechischen Scholien geflossenen Com-
mentar zu des Germanicus Uebersetzung der Phae-
nomena des Aratus heilst es '), die ägyptischen Könige
naeri Totc ^EXXi^riv. oSt« yap rovQ iviaturovc ayovin wtf ^Xtopy ovre
TOu( firivag tutl toq ^ixipag xarcr njv v»Kf[vrff, dXX' lii^ rivl uiro^aVtt
}isy^prifjLB90i B^O'l. BovXovrat ydp rag ^c-utg Totg Btotg ^i{ XAra tov
avTov xaipov tov hiavrov yii/so-^at, akXoi ^ict irftcwi/ rwv rov iviawov
tapSv ^uXÖiZv xal ylvs^Bai rr^v Bspivi^v lopnjv wd ;^8ijui8ptin]v , xal
^&ct^ofruptin]v, kblI iaptvifv. ^Ayova-i ydp tov iviavrov ijjmspui/ rptoxo-
e'l'j>v i^TjxovTa «riyrc. AJ^sxa yctp firivag ayouo'i TpiaKOvBY\fJikp»vg , xtd
ickvTB ijjüispa^ h^dyovvi, To ^\ ^' ovx lirctyouo'i ^id njv irpo8tpv]fi£vY]v
alTtaVy Iva wvoXq dvaiso^i^favTOLi at ko^eU. Jsogoge in Arati
phaen. c. 6.
^) Beim Steinbock. Die Woi*te sindr Deducitur autem ä
sacerdote Jsidis in tocum qui nominatur a^vToq, et saera*
mento adigitur^ neque diem, neque mensem intercalandum.
96 Technische Chronologie*
wäien bei ihrer Einweihung yon den Priestern zu Mem-
phis in das Heiligthum der Isis geführt worden, wo
sie hatten schwören müssen , den alten Gebrauch des
Jahrs yon 365 Tagen, aufrecht zu erhalten und keine
Einschaltung zu gestatten.
Mit der eben angeführten Stelle des in allen seinen
Angaben sehr bestimmten Geminus wollen wir so-
gleich noch folgende des Herodot verbinden, uni zu-
vörderst das Factum ausser Zweifel zu setzen , da(s die
Aegypter wirklich ein Jahr von gedachter Form und
Dauer gehabt haben : ,,Sie" (die Priester von Heliopolis)
,, versicherten mich einstimmig, die Aegypter hätten
,, unter allen Menschen zuerst das Jahr erfunden und
„es in zwölf Abschnitte getheilt. Sie sagten, da£s sie
,,zu dieser Kenntnils durch die Sterne" (d.i. durch Be-
obachtung ihrer Erscheinungen in der Morgen- und
Abenddämmerung) „gelangt wären. Meines Erachtens
,, verfahren sie hiebei einsichtsvoller als die Griechen,
„welche ein Jahr ums andere der Jahrszeiten w^en
„einen Monat einschalten. Die Aegypter dagegen
„fügen zu ihren zwölf 30tägigen Monaten jähr-
„lich noch fünf überzählige Tage hinzu, und
„so kehren ihnen die Jahrszeiten im Kreislauf
„zurück *)." Herodot stand, wie aus der letztem
Aeufserung erhellet, in dem Wahn, dafe das ägyptische
Jahr ein festes Sonnenjahr sei; dies benimmt aber
der Glaubwürdigkeit seiner Nachricht nichts.
you« wfä, icwß troff irivri ^'fxipoff iraptg tov apidfAou, nai fffi o w-
kXoc Twr iipiw If twutJ mpiü» iropay/ysTct». II, 4.
Aegypter« . 97
Was uns hier das ausdrückliche Zeuguifs zweier
zuverlässigen Schriftsteller gelehrt hat, würden wir auch
aus dem Gehrauch folgern können, den Ptplemäus
in seinem Almagest von den ägyptischen Monaten
macht. Theils wegen ihrer einfachen Form, theils dem
Beispiel des Hipparch und anderer folgend, bedient
er sich ihrer durchgängig, nicht blofs um seine eigenen
astronomischen Beobachtungen nach ihnen zu datiren,
sondern auch die seiner Vorgänger auf sie zu reduciren.
Durch sorgfältige Yergleichung aller bei ihm vorkom-
menden Data hat der Florentiner Averani ihre 'Reihen«
folge auszumitteln gesucht *). £i* hätte sich diese Mühe
sparen können; denn sie finden sich unter andern in
des Ptolemäus Schrift von den Erscheinungen
der Fixsterne und in einem Epigramm der Antho-
logie ') der Reihe nach genannt. Hier sind ihre Na-
men, wie sie uns die Griechen überliefert haben, mit
Bemerkung der Zahl der Tage, die am Ende eines je-
den verflossen sind.
1) Oij^^ Thoth 30
2) ^aa>4>2 Phaophi 60
3) 'Ä2rvp Athyr 90
4) Xoidx^) Choiak 120
5) Tvßl Tybi 150
6) Msxlp Mechir 180
*) In der kleinen Schrift: Dissertatio de memibus Jegyptio^
mm, curante Ant. Francisco Gorio nunc primum edita. Flo-
renz 1737, 4. '
^) Yol. II, p. 510 der brunkschen Ausgabe.
') Die zu Berlin befindlichen Papyrusrollen mit griechischer
Schrift lesen durchgehends Xoiux»
. I. [7]
98 Techmscfte Chronologie.
7) ^afuvwä^ Phamenoth 210
8) <^apiwväi Pharmuthl 240
9) Uaxdy Pachon 270
10) nawi Payni 300
11) TE^roJ)! Epiphi 330
12) Mitropi Mesori 360
Fünf ErgänzungsUge *)• '
Ptolemäus bedurfte aber auch einer festen Aere,
um das jedesmalige Jahr einer Beobachtung genau be-
zeichnen zu können« Er wählte dazu die nabonas-
sarische, die mit dem Regierungsantritt des babylo-
nischen Königs Nabonassar anfangt , und yon den
astronomischen Beobachtungen der Chaldäer unaerlrenn-
lich war. Dui*ch diese hat sie eine Gewilsheit erhal-
ten, wie sich deren keine andei« Jahn*echnung der Al-
ten rühmen kann. Ihre Epoche oder der l.Thoth des
ersten nabonassarischen Jahrs wird von den Chronolo-
gen einstimmig auf den 26. Februar des Jahrs 3967 der
julianischen Periode oder 747 v. Chr. gesetzt. Um diese
Bestimmung zu prüfen, bedarf es nur der Berechnung
irgend einer im Almagest vorkommenden Beobach-
tung. Wenn sich z. B. im ersten Jahre des babylo-
nischen Königs Mardokempad, im 27sten seit Na-
bonassar, am Abend des 29. Thoth eine totale Mondfin-
Sterniis ereignet haben soll, deren Mittel zu Babylon
zwei und eine halbe Stunde vor Mittemacht eingetre*
*) Von den Griechen und griechisch redenden Aegyptem
hcayonivai, die hinzugefügten, eingeschalteten genannt.
S. Diodor I, 13. Almagest m, 2, S. 453. Plutarch de
Js. et Osir, c. 42. "Eirayuv ist das eigentliche Wort für ein-
schalten.
Aegtptbr. 99
ten ^)) so entflicht dieses Datum, wenn es mit dem ge-
dachten Epochentage seine Richtigkeit hat, dem 19. März
721 v.Chr., und wirklich hat am Abend dieses Tages
eine totale Mondfinslemifs Statt gefunden, deren Mit-
tel iur Babylon unsere Tafeln nur 6' früher geben, als
es Ptolemäus ansetzt^). Auch berechnet er für den
Mittag des ersten Tages der Aere, nämlich für den Mit-
tag seines Beobachtungsorts Alexandria, die mittleren
Längen der Sonne, des Mondes und der Planeten, und
allen diesen Längen kann nur Ein Tag genügen. So
z. B. setzt er den Längenunterschied der Sonne und
des Mondes für den gedachten Zeltpuxikt zu 2 Z. 10^
37' an ^}. Unsere Tafeln geben zwar .über 53' mehr;
da sich aber dieser Unterschied von einem Tage zum
andern um mehr als 12^ ändert, so sieht man, dafs
wir in der Bestimmung der Epoche nicht um einen
Tag ungewifs sind *).
Da ihm der Mittag des 1. Tbotl) des ersten
nabonassarischen Jahrs und der Anfang der Re-
gierung Nabonassar's gleichbedeutende Ausdrücke
sind *), so erhellet, dafs er die Epoche der Aere auf
•) B. IV, 5, S.244.
^) S. meine Abhandlung über die Sternkunde der Chal-
däer in den Schriften der Berliner Akademie aus den
Jahren 1814-15.
^) B. IV, 7, S. 264.
*) Zugleich erhellet hieraus, dafs sich Hr. Halma irrt, wemi
er die nabonassarische Aere mit einem Neumonde anfangen
läfst. S. den eisten Band der Zugabe zu seiner Uebersetsung
des Almagest. Diso, prdun. p. XXXHI.
*) Vergl. Almag. in, 6, 5.202 und 204.
[7*1
100 Technische Chronologie.
eleu Mittag setzt. Es fragt sich, ober hierin dem
büi^erlicheii Gebrauche gefolgt ist.
Pliuius sagt ^) : Ipsum diem alii aliter obsen^a-
yere. Bäbylonii inter duos solis exortus: Athenienses
inter duos occasus: Umbri a meridie in meridiem: 'vul^
gus' omne a luce ad tenebras: sacerdotes Romani et
qui diem definiere civilem, item Aegyptii et Hipparchus,
a media nocte in medium. Dagegen heifst es beim
Isidor '}: Dies secundum Aegyptios inchoat ab occ€isu
solis y womit Seryius und Lydus übereinstimmen ^).
Die letztere Angabe verdient jedoch wenig Berücksich-
tigung, da nur die Völker, die ihre Zeitrechnung auf
die Ei*scheinungen des Mondes gründen (die Ägypter
be&nden sich in diesem Falle nicht) , ihren bürger-
lichen Tag mit dem Untergange der Sonne anzufangen
pflegen. Was aber die Notiz beim PI in ins betrüR,
so begreift man freilich nicht, wie Hipparch als
Grieche und Astronom dazu gekommen sein sollte, den
Tag mit der Mitternacht anzu&ngen, wenn er sich
dabei nicht nach dem Gebrauche der Aegypler gerich-
tet hätte. Es ist nur audallend, dals Ptolemaus, .
der gleichfidls in Alezandria beobachtete und schrieb,
an einer Stelle seines Almagest den büi^riichen Tag
deutlich mit dem Morgen beginnt. Er sagt nämlich
Ton der Sommerwende, die Meton und Euktemon
am 27« Junius 432 y. Chr. beobachtet haben, sie sei
am 21. Phamenoth des Morgens — Trpwtag — und
•) H.N.U, 79.
») Eijm. V, 30.
') Jener ad Firg. Jen. V, 738, dieser de Mensibus p. 13.
Aegyptea. , 101
einige Zeilen nadJier, sie sei um den Anfang — nspi
Tr)v a/3x*]V — dieses Tages eingeübten '), wo er nicht
etwa den büi*gerlicheh Tag dei' Athener gemeint haben
kann, der mit Sonnenuntergang anfing. Auch bestä-
tigt sich diese Tagsepoche bei ihm nicht undeutlich aus
dem Umstände, dafs er bei fast allen in der Nacht,
besonders nach Mittemacht, aber nie bei den am Tage,
sei es auch unmittelbar nach Aufgang der Sonne, an-
gestellten Beobachtungen ein doppeltes Datum angibt.
So sagt er *) von einer Sommerwende, sie sei einge-
. treten am 1 1 . Mesori zwei Stunden nach der Mitter-
nacht zum 12ten. Hingegen bei einer von Hipparch
im 6205ten Jahr Nabonassar's km*z nach Aufgang der
Sonne angestellten Mondbeobachtung ist blofs vom 16.
Epiphi die Rede ^). Diesen Umstand kann man sich
nicht wohl anders, als damus erklären, dafs er die
Griechen, die den Tag mit Sonnenuntergang, und die
Römer, die ihn um Mitternacht anfingen, auf seine
abweichende Datirungsweise stets aufmerksam erhalten,
und sie über die von ihm gemeinte Tracht in keiner
Ungewifshelt lassen wollte.
Wenn wir also auch die Notiz von einem Tages-
anfange der Aegypler mit dem Abend vei*wcrfen wol-
len (die Schriftsteller, die sie uns geben, haben sehr spät
gelebt), so bleiben doch Immer noch z^vei ganz ab-
weichende Bestimmungen übrig, die sich nur durch
die Voraussetzung vereinigen lassen werden, dafs der
Gebrauch der Aegypler in diesem Punkt nach Zeit und
') in, 2. S. 162, 163.
^) Ebendaselbst.
') V, 3, S.295.
102 Technische Chronologie.
Ort verschieden irvar« Der Mittag aber, auf den
Ptolemäus den Anlkng der nabonassarisclicn Aere
setzt, und mit dem er bei seinen Rechnungen den
Tag beginnt , beruht offenbar blofs auf astronomischen
Gründen (30).
Da wir nun die Epoche dieser Aerc und die Be-
schaffenheit der Jahre, nach denen sie zählt, kennen,
so werden wir im Stande sein, ein jedes an sie ge-
knüpfte Datum auf die julianische Zeilrechnung zu
bringen.
Die Regeln, die zu diesem Ende von den Chronolo-
gen, ja von berühmten Mathematikern, z.B. Lambert ^),
gegeben werden, sind so unvollständig und schwankend,
dafs man bei ihrer Anwendung auf keine Sicherheit
rechnen kann '}. Hier ist eine völlig sichere und ein-
fache Reductionsmethode.
Die Epoche der nabonassarischen Aere ist der 26.
Februar des Jahrs 3967 der julianischen Periode. Es wa-
ren also, wie eine leichte Rechnung gibt, 1448658 Tage
dieser Periode verflossen, als die Aere ihren Anfang
nahm. Diese Zahl wollen wir die Absolutzahl nen-
nen. Soll nun irgend ein mit der Aei^ Nabonassar's
verbundenes ägyptisches Datum auf unsere Zeitrechnung
geblecht werden, so multiplicire man die Zahl der ver-
flossenen Jahre mit 365 und addire zum Produkt so-
wohl die Zahl der in den verflossenen Monaten des lau-
fenden Jahrs enthaltenen Tage, welche die Monatsta-
') Berliner Sammlung astronomischer Tafeln, B. I.
S. 80.
^) Man sehe nur, wie sich Lalande hierüber äussert. Mt"
moires de l^Acad, des Sciences 1766, S. 463.
Aegypter. 103
fd (97) gibt, als die Tage des laufenden Monats. Die
Sunune ist die Zahl sfimmdicher von der Epoche der
nabonassarischen Aei« bis zu dem gegebenen Datum ver-
flossenen Tage, und addirt man hierzu die Absolutzahl,
so erhält man zur Summe die Zahl sSmmtlicher Tage
der julianischen Periode von ihrer Epoche bis einschliefs-
lich zu dem gegebenen Datum. Diese Summe mufs nun
gehörig auf Jahre und Monate vertheilt weisen. Zu
dem Ende ist zu bemerken , dafs je vier auf einander
folgende Jahre der julianischen Periode 1461 Tage halr
ten. Man dividire also die einzuthetlende Summe -durch
1461*. Der Quotient gibt die Zahl der in jener Tag-
summe ^nthalitenen yierjährigen Schaltperioden, die also
durch Multiplication mit 4 in Jahre zu verwandeln
sind. Der Rest der Division kann noch 1 , 2 oder 3
volle Jahre enthalten. Da nun das erste Jahc der ju*
lianischen Periode ein Schaltjahr ist, so ist es zugleich
jedes erste Jahr einer jeden vierjährigen Schaltperiode.
Man ziehe demnach von dem Rest, wenn es angeht, erst
366 und dann ein- oder zweimahl 365 Bb, bis er erschöpft
ist, und i'echne für jeden Abzug noch ein Jahr mehr.
Auf diese Weise findet man die Zahl sämmtlicher ab-
gelaufenen Jahre der julianischen Periode und noch ei-
nen Uebcrschufs von Tagen des laufenden Jahrs, welche
sich dann leicht nach folgender Tafel, worin die am Ende
eines jeden Monats verflossenen Tage angegeben sind, auf
den julianischen Kalender bringen lassen werden :
Januar 31 April 120 Julius 212 Oktober 304
Februar 59 Mai 151 August 243 November 334
März 90 Junius 181 September 273 December 365 ,
Im Schaltjahr müssen die Zahlen vom Februar an
um eine Einheil vermehrt werden, und dieser Fall
104 Technische Chronologie.
wird dann eintreten, wenn in dem Rest der Division
kein volles Jahr mehr enthalten ist. Zuletzt hat man
noch nach der ohen (77) gegebenen R^el das Jahr der
julianischen Periode auf die christliche Zeitrechnung,
und wenn man bis über die Zeit der gregorianischen
Kalenderverbessei*ung hinaus gehen will, das gefundene
Datum, das allemal ein julianisches bt, auf den gre*
gorianischen Kalender zu reduciren, indem man vom
5. Oktober 1582 bis Ende Febiniars 1700 zehn, von
da bis Ende Februars l&OO elf und weiterhin zwölf Tage
addirt* Ein paar Beispiele mögen diese Anweisung er-
läutern. Es sei der oben (98) gedachte 29. Thoth des
'27sten Jahrs seit Nabonassar zu reduciren.
26 X 365 « 9490
Tage im Thoth 29
Absolutzahl 1448638
Summe 1458157
Wird diese Zahl durch 1461 dividirt, so erhält
man zum Quotienten 998 und zum Rest 79. Jener
mit 4 multipliciit gibt 3992. Das gegebene Datum
entspricht also dem 79stenTage d. i. dem 19. März des
3993 sten Jahrs der julianischeu Periode oder des Jahrs
721 V. Chr. Auf welchen Tag unserer Zeitrechnung
trifft der 9. Athyr 887, an welchem Ptolemäus die
Herbstnachtgleiche beobachtet zu haben versichert * ) ?
886 X 365 = 323390
2 ägyptische Monate 60
Tage im Athyr 9
Absolutzahl 1448638
Summe 1772097
•) Alinagesl HI, 2, S. 161.
AeGYPT£R. lOÖ
Diese Zabl durch 1461 diyidirt gibt zum Quoilen-
tea 1212 und zum Rest 1365. Jeuer mit 4 multipll-
cirt bringt 4848, und von diesem laftt sich 366 und
noch zweimal 365 abziehen, wobei ein Rest yon 269
Tagen bleibt. Man hat mithin 4851 verflossene Jahre
der juUanlschen Periode, und noch 269 Tage Im lau-
fenden 4852 sten. Der 269sle Tag des Gemeinjahrs ist
der 26. September. Die Beobachtung Ist mithin am
26. September des Jahrs 4852 der jullanischen Perlode
oder des Jahrs 139 n.Chr. angestellt worden ^).
Diese Regel gewährt den Yortheil, dafs man sich
ihrer Gründe während der Anwendung beständig be-
wufst Ist, was weniger von einer andern übrigens eben
so zuverlässigen gilt, die ich in meinen Untersuchun-
gen über die astronomischen Beobachtungen
der Alten S.28. ff. gegeben habe.
In den Fall, ein Datum unserer Zeltrechnung auf
die ägyptische bringen zu sollen, wird man nicht leicht
bei einer chronologischen Untersuchung kommen. Ver-
langte man Indessen auch dafür eine Regel, so würde
man die eben gegebene leicht umkehren können. Es
sei z. B. das ägyptische Datum zu finden , dem die
Epoche der christlichen Zeltrechnung oder der 1. Ja-
nuar 4714 der julianischen Periode entspricht. Man
dividire 4713 durch 4, so erhält man zum Quotienten
*) Riccioli (Almag, Nov. V.l. l.m. p. i34J bnngl den
25. September heraus. Diese falsche Reduction fühlte, wie lir.
y. Zach bemerkt (Mona iL Corresp. B. XV. S. 271), Euler
und Cas&ini iiTe, und H. W. Glemm schrieb sogar ein ei-
genes Buch darüber (Examen temporum mediomm secundum
principia asironomica et chronologica instUutum, Berl, 1752, 8J,
worin ganz falsche chlx>nologische Sätze aufgestellt sind.
106 Technische Chronologte.
1178 und zum Best 1. Jener seigt die abgelaufenen
Schaltcykel an, muis also mit 1461 mulüpllcirt wer-
den; dieser gibt noeb ein Jahr von 366 Tagen* Es
sind also an dem gedachten 1. Jannar 1178x1461 + 366
-ff- 1 aar 1721425 Tage der jolianischen Periode verflos-
sen, und subtrahirt man davon die Absolutsahl 1448638,
so hat man 272787 Tage oder 747 ägyptische Jahi« und
132 Tage. Der 1. Januar des ersten Jahrs unserer Zeit-
rechnung trifft mithin auf den 12. Tybi des 74dsten
der nabonassarischen Aere.
Um dem Astronomen, der die alten im Almagest
enthaltenen Beobachtungen benutsen will, die Reduction
der ägypüschen an die nabonassarische Aere geknüpf-
ten Data auf unsere Zeitrechnung möglichst bequem zu
machen, habe ich in dem erwähnten Werke S. 33 eine
Tafel des Anfangs aller der nabonassarischen Jahre ge-
liefert, aus denen astronomische Beobachtungen auf uns
gekommen sind.
Aufser dieser Aere finden sich im Almagest auch,
wiewohl seltener^ Jahre seit Alexander's Tode — aVo
1^5 'AXf^avd/sou rthmfi^ — in Verbindung mit ägyjitiscfaen
Monaten gebraucht, bescmders wenn von Beobachtungen
des Hipparch die Rede ist. Die Chronologen nennen
diese Jahrreihe nach Censorinus Vorgange die Aere
des Philippus, nämlich des Philippus Aridäus, des
Stiefbruders und sogenannten Nachfolgers des Alexan-
der ^). Sie ftngt, wie wir aus den Reductionen des
*) ♦iXimrew tou |x«t* 'AXigav^pov tov m^v^ wie Ptolemäus
in der Einleitung zu seinen Hand tafeln und Theon in sei-
nem Commenlar über dieselben sagen. Man sieht also, dafs
sich Scaliger irrt, wenn er glaubt (Emend,tempA,y, p.423;.
ÄEGTPTERt 107
Ptolemäns erselien, gerade 424 ägyptiscbe Jahre später
als die nabonassarische an, von der sie eine blofse Fort-
setzung ist. Ihre Epoche ist also der l.Thoih des
42Ssten Jahrs seit Nabonassar oder der 12. November
324 y. Chr. Die Reduction eines mit ihr verbundenen
ägyptischen Datums hat gar keine Schwierigkeit; denn
man hat nur zu ihren Jahren 424 zu addiren, und
dann eben so wie bei der nabonassarischen zu verfah-
ren. Wenn z.B. eine Beobachtung des Mondes von
Hipparch im 197sten Jahre seit Alexander's Tode am
17« Payni Kachmittags angestellt worden ist ') , so fin-
det man, wenn man dafür das 621ste seit Nabonassar
schreibt, nach obiger Regel den 7 •Julius des Jahrs
127 v.Chr.
Es fragt sich, ob die nabonassarische und phi-
lippische Acre bei den Aegyptem im bürgerlichen
Gebrauch gewesen sind. Man könnte sagen, dafs ihnen
jene durch Cambyses, diese durch die Ptolemäer zuge-
führt worden sei, näd dies ist auch wirklich Gatter er 'a
Meinung '), die jedoch keinesweges als begründet anzu-
sehen ist. Der einzige nicht astronomische Schriftsteller
des Alterthums, der sie erwähnt^ ist Gensorinus. Es
geschieht mit den Worten ^) : üt a nostris, ita ab
dafs die philippische Aei*e ihren Namen von dem Vater Alexan-
der's erhalten habe. Die Benennung v.rlgy\q^ Stifter, Grün-
der, wiixir übrigen^ dem Alexander mit Bezug auf die Erbauung
Alexandiias beigelegt, wo er als Heros und Schutzgotl vei^hrt
wurde.
«) AlmagestV, 5, S. 304.
') Abrifs der Chronologie S.223.
') c. 2i.
i08 Technisclie Chronologie.
AegyptüSf quidam anni in litteras relati sunt, ut quos
Nabonnazaru nominanty quod a primo imperü eius
anno consurgunt, quorum hie DGGCCLXXXVI; iienM,
Philippiy qui ab excessu Alexandri Älagni numerantur,
et ad lumc usque perducti annos DLXII consummant.
Diese Zahlen sind ganz richtig; dean das 986 ste nabo-
nassarische oder 562 ste philippische Jahr nahm unter
dem Consulat des Ulpius nnd Pontianus^ wo Censorinus
geschrieben zu haben yersicheit *), d.i. im Jahr 23S
n.Chr., am 25. Julius seinen Anfang. Man sieht aber,
dafs aus seinen Worten über den bürgerlichen Gebrauch
beider Acren nichts folgt ; vielmehr scheint das in lä-
teras relati sunt nur den wissenschaftlichen anzu-
deuten, den Ptolemäus und andere Astronomen da-
von gemacht haben. Meiner Ueberzeugung nach haben
weder die Chaldäer noch die Aegypter im bürgerlicben
Leben nach Jahren der nabonassarischen und philip-
pischen Acre gerechnet. Die ei*ste veixlankt ihre Ent-
stehung blols dem von den Sternkundigen frühzeitig
gefühlten Bedürfnifs einer fortlaufenden Jahrreihe, ohne
welche keine Yergleichung von Beobachtungen möglich
ist. Ptolemäus ist der erste, der sie erwähnt, ob
sich gleich wol nicht zweifeln lafst, dafs sie schon von
seinen Vorgängern im Museum gebraucht worden ist.
Sie kommt eben so wenig wie xlie philippische bei ir-
gend einem Geschlchtschi-eiber voi*. Hätten die griechi-
schen Astix>nomen nicht die allen chaldäischen Beobach-
tungen benutzt y so würden wir schwerlich etwas von
einer nabonassarischen Aei'e wissen.
*) Hie annits, ciiius veiut index et Ütulus quidam est VI-
pii et Pontiani eonsulatus. Ib.
Aegypter. loy
Ganz au5 der Luft gegriffen ist die pharaonische
Aere, welche die Aegypter nach Gatterer vor der persi-
schen Oberherrschaft gehabt haben sollen. Auch weifs
er nichts von ihr zu berichten.
Wie sie ihre Jahre im bürgerlichen Leben gezählt
haben, -wird uns nirgends ausdrücklich gesagt. Man
ersieht aber aus der Inschrift von Rosette und den
unter den Gasam in Aegypten gepragten Münzen, dafs
man daselbst von der im ganzen* Allerthum gebräuch-
lichen Weise, nach Regenten) ahren zu zählen, nicht
abgewichen ist. Auch Ptolemäus bedient sich dieser
Bezeichnungsart der Jahre überall in Yei'bindung mit
den beiden obgedachten Aeren, indem er eine Zeittafel
yor Augen hatte, woraus sich mit einem Blick ergab,
wie die Regentenjahre mit beiden zusammenhingen.
Diese auch für die Geschichte wichtige Tafel ist noch
vorhanden.
Sie führt den Titel Kctycüv ßaaiK&JDv oder ßcortXsicuy,
Kanon der Regenten oder Regierungen, und ist
eigentlich eine Hülfstafel, welche die griechischen Astro-
nomen bei ihren Rechnungen zur Hand hatten , daher
sie auch Syncellus bald den mathematischen,
bald den astronomischen Kanon nennt. Sie macht
einen Bestandtheil der üpox^t/ooi xoLyovEg oder Hand-
tafeln des Ptolemäus aus '), findet sich aber auch
ausser denselben in mehreren alten Handschriften. Aus-
*) Diese Tafebi, die bisher ungedruckt lagen, stellt jetzt Hr.
Halma aus einigen Handschriften der pariser Bibliothek ans Licht.
Der erste Band, der die Vorrede des Ptolemäus und den Com-
raentar des Theon enthält^ die auch für die Zeitrechnung wich-
tig sind , ist unter dem Titd erschienen : Commentaire de Thion
110 Technische Chronologie.
fiihrlich handeln von ihr Dodwell im Anhange zu
seinen Dissertationes CjrprUuiicae; Des-Vignoles im
fünften Buche seiner Chronologie de l'histoire sainte;
Yan der Hagen in den Observationes in Tlieonis
fastos Gixtecos priores *); Semler im dritten Bande
der Sammlung von Erläuterungsschriften und
Zusätzen zur allgemeinen Welthistorie, und
Freret in seinen Remarques sur le Canon astrono-
mique *).
Der Kanon zerfallt in vier Abtheilungen — Ba-
frCktss9 'Äü-ffvpuM xtti Mif*w, Usfxrwv^ 'EKh^vwv und'Pwjiiaiwv —
auf denen die nun langst verschollenen vier Monarchien
unserer ältesten Universalhistoriker beruhen. Hier sind
sie, und zwar die Namen so, wie sie Hr. Halma vor
seiner Ausgabe und Uebersetzung des A Image st und
iFJlexandrie sur les tables manuelles astronomiques de Ptolemtfe
fusqt/ ä präsent inddites, traduites pourlapremi^rcjbis du Grec
en Frangoh sur les Manuscrüs de la Biblioth^que du Rot. Pre^
mi^re parlie, Paris 1822, 4. Der zweite und di-iile Band mit den
eigentlichen Tafeln sind unter der Presse.
*) Der vollständige Titel dieses gi^ündlichen Werks ist : Obser-
i^ationes in Theonis Jastos graecos priores ( es wird eine Gonsu-
lartafcl gemeint, yon der unten) et in eiusdem Jragmentum in
Expedilos canones, Jccedit de Canone regum astronomico eius"
que aucloribus, editionibus, MSStis et quae eo periinent, dis*
sertatio, in qua duplex canoF^jvgum nunc primum editur ex
MSto Lugduno^Batavo, et eiusdem quoque codicis ampla no^
titia exhibetur, Amsterdam 1735, 4. Yon demselben Yei*fasser,
den Saxe in seinem Onomasticon zuerst mit Sicherheit nach-
gewiesen, hat man noch Tier andei-e eben so giündliche, aber auch
eben so weitschweifige, chronologische Werke, Ton denen unten.
^) Mem. de VAcad. des Inscriptions Tome XXYH. Auch
im dreizehnten Bande seiner Oeuvres compUtes.
ASOTPTEA. 111
im ersten Theil seiner .Ausgabe und Uebersetzung der
Hand tafeln des Ptolemäus ^) nach der Handschrift
2399 der königlichen Bibliothek zu Paris gegeben hat.
L Assyrische und medische Regenten.
Jahre. Summe.
Nabonassar 14 14
Nadius 2 16
Cbinzer und Porus 5 21
nuläus 5 26
Maidokempad 12 38
Arkean 5 . • « . • . 43
Erstes Interregnum 2 45
Bulbus 3 48
Aparanadius 6 54
Regebel , 1 55
Mesesimordak 4...... 59
Zweites Interregnum .... 8 67
Asaradin 13 80
Saosduchin 20 100
Kiniladan -.. 22 122
Nabopollassar 21 143
Nabokolassar «) 43 186
nioarudam 2 188
Nerikasolassar 4 192
Nabonadius 17 209
•) S. 139 ff.
') Dies ist, wie man aus allen Umstanden ersieht, der baby-
lonische Könige der in den hebräischen Geschichtbiichem Nebu-
cadnezar, bei den LXX und beim Josephus Nabuchodo-
nosor heifst.
112 Technische Chronologie.
II. Persische Regenten.
Jahre. Summe.
Cyrus 9 218
Cambyses 8 226
Darlus 1 36 262
Xerxes 21 ...... 283
Artaxer^es I • . • 41 324
Daiius II 19 343
ArUJLcrxes U 46 389
Ochus 21 410
Arogus 2 412
Darios in 4 416
III. Griechische Regenten.
Jahre. Summe.
Alexander der Mazedonier 8 424
P^lippus Ai*idäus 7 7
Alexander II. ') 12 19
Ptolemäus Lagi 20 39
') Philippus Aridäus, der blödsinnige Stiefbruder Alex-
ander's, wurde nach dessen Tode unter der Vonnundschaft des
Perdiccas zum Könige eraannt und Ol. 115,4 Ton der Olympias
aus dem Wege geschafil. Schon bei seinen Lebzeiten war ihm
der bald nach Alesumder's Tode yon dessen Gemalinn Roxane
geborne Alexander, hier der zweite genannt, zur Seite ge-
setzt, welcher aber Ol. 117,2 Ton Cassander ermordet wurde.
Der junge Alexander überlebte also seinen Mitregenten nur um
sechs Jahr ; da er indessen in den nächsten sechs Jahren nach
seinem Tode keinen eigentlichen Nachfolger hatte, so legt ihm
der Kanon auch diese noch bei, statt ein sechsjähriges Inter-
regnum einzufuhi-en. Unmittelbar an ihn schliefsen sich die
Lagiden an.
Aegypter, H3
Jahre. Summe.
Philadelphus 38 ..... . 77
Euergetes 1 25 102
PhUopator 17 119
Epiphanes 24 143
Philometor 35 178
Euergetes U 29 ..... . 207
Soter 36 243
Dionysius 29 272
Cleopatra 22 294
IV. Römische Regenten.
Jahre. Summe.
Augustus 43 337
Tiberius 22 359
Caius 4 363
Claudius 14 377
Nero 14 391
Yespasianus 10 401
Titus 3 404
Domitianus 15 419
Nerva 1 420
Traianus 19 439
Hadrianus 21 460
Aelius Antoninus 23 483 '
Marcus und Commodus .. . 32 515
Severus 25 540
Antoninus 4 544
Alexander 13 557
Maximinus 3 560
Gordianus 6 566
[8]
114 Technische Chronologie.
Jahre. Summe.
PhJHppus 6 572
Decios 1 573
GaUus 3 576
Gallienus 15 591
Claudius 1 592
Aurelianus 6 598
Probus 7 605
Caras 2 607
Diocleüanus 20 627
Hier fängt der Kangn an unzuverlässig eu werden.
Ich breche daher ab , zuinal da der Verfolg fiir die ge-
genwärligen Untei-suchungen von keinem Interesse ist.
Die Zeit, bis zu welcher er sich in den Handschriften
fortgesetzt findet , bezeichnet gewöhnlich das Aller der-
selben.
Von den beiden Zahhx^ihen gibt die erste die Dauer
der einzelnen R^ierungen , und die zweite die summir-
len Regierungsjahre an. So bedeuten die Zahlen 8
und 424 neben Alexander von Macedonien, dals er
acht Jahi« regiert hat, und zwar von 417 bis 424 seit
Nabonassar ^).
Die neue Jahrreihe, die mit Philippus Aridäus
beginnt, gibt die Jahre seit Alexander's Tode oder
die der philippischen Aere (106). Der Grund die-
*) Der Kanon iat in Aegypten entstanden oder doch fortge-
setzt worden. Es werden daher dem Alexander nur die acht
Jahre beigelegt, die von Ei*oberung Aegyptens- und Eihauung
Alexandiia's im Spätsommer Ol. 112, 1 bis zu seinem Ol.
114, 1 erfolgten Tode verflossen sind. In Macedonien haUe
seine Regierung schon Ol. 111, 1 angefangen.
Ae g t pt e r. 115
ser Aenderung liegt darin , dafs der Kanon, Viie schon
(109) bemerkt ivoi'den, zu den Handtafeln des Pto-
lemäus gehört, worin die mittleren Oerter *) der
Sonne, des Mondes und der Planeten eben so fiir den
Anfang der philippischen Acre angesetzt sind '), wie
im Almagest für den Anfang der nabonassavischen (99).
Die Jahre werden durchgängig voll gerechnet. Die
Ycrgleichung des Kanons mit dem Almagest zeigt, da&
es eben die beweglichen ägyptischen sind, nach denen
die nabonassarische Acre zählt, und dals der Anfang
eines ]eden Regenten jahrs, mithin auch jeder Regierung,
auf den 1. Thoth gesetzt wird. Ptolemäus zählt näm-
lich bei der ersten Angabe der Beobachtungen gewöhn-
lich nach Regentenjahren, um die Zeit, wo sie ge-
macht worden, auf eine dem grofsen Publikum Ter-
ständliche und geläufige Art auszudrücken. Diese Jahre .
reducirt er dann bei der Bei'echnung der Beobachtun-
gen auf die nabonassarische Acre, weil die astix>nomi-
sehen Tafeln im Almagest so eingerichtet sind, dafs die
Zeit durch ägyptische Monate und durch Jahre Nabo-
nassars gegeben sein mufs. So z.B. sagt er, dais die drei
ältesten chaldäischen Beobachtungen im ersten und
zweiten Jahr des Mardokempad angestellt worden sind,
') '£ico;^al nach dem, noch jetzt gewöhnliclien, Sprachgebrauche
der griechischen Astronomen. Unter Epoche verstehen sie näm-
lich nicht blofs einen Zeitanfang, sondern zugleich den Ort,
den ein Himmelskörper alsdann zufolge seiner mittleren Bewe-
gung einnimmt.
^) Ptolemäus sagt dies selbst S. 2 der Einleitung mit den
Worten: 'Swtg-d^crav ai hco)^aX ncitntav hvrav^a tU t>)V Iv 'AXb-
jgav^patf TiJ npog AiyvKTOv fitayi^ß^iavy T^f xar AiyvKxiovg 0w^ yip-
liviviag rov npdrov hovg ^ikiwtov tou fWT* ^AXi^av^pop xov migynii*
[8']
116 Technisclie Chronologie.
und das rweite dieser Jabre nennt er im weitem Ver-
folge ganz übereinstimmig mit dem Kanon das acht-
undzwanzigste seit Nabonassar ^).
Hiemach war es also wesenllicb einerlei, ob er eine
Beobachtung an ein Regentenjahr, oder an ein Jahr seit
Nabonassar, oder an ein Jahr seit Alexander's Tode
i^eihte. Alle diese Jahre sind ägyptische, nur auf ver-
schiedene Weise gezählt. Man sieht daher leicht, wie
man ein von ihm mit einem Regeütenjahr verbünde*
nes Datum zu reduciren hat. Wenn er z. B. sagt,
dafs er im siebzehnten Jahr Hadrian^s in der Nacht vom
20. 2um 21. Payni vor Mittemacht eine Mondfinsler-
nifs beobachtet hat ^), so addirt man zu den bis auf
Trajan's Tod verflossenen 439 Jahren 17, und erhält
so das 456sle der philijifiischen oder 880ste der nabo-
aassarischen Aere. Die Beobachtung ist also am 6. Mai
133 n.Chr. angestellt worden. Die Herbstnachtgleiche,
die er in demselben Jahr Hadi*ian*s am 7. Athyr zwei
astronomische Stunden nach Mittag beobachtet zu ha-
ben versichert, reducirt ei* selbst mit folgenden Wor-
ten auf die nabonassarische Aere ^)i „von der Regie-
,,rung Nabonassar^s bis auf Alexander 's Tod verfliefsen
,,424 ägyptische Jahre; von Alexander'« Tode bis auf
„ August's Regiemng 294 \ von dem Mittage des 1 . Thoth
,,im ersten Jahr August 's bis zum i7ten des Hadrian zwei
„astronomische Stunden nach dem Mittage des 7« Athyr
„161 Jahre 66 Tage und zwei astronomische Stunden;
„folglich vom MitUge des 1. Thoth im ersten Jahr
') Almagest IV, 5, S. 244, 245; 6, S. 264.
') Eb. IV, 5, S. 254.
') Eb. m, 6, S. 204.
Aegypter. 117
,,Naboiiassar's bis zu der in Rede stehenden Nacfatgleicbe
,,879 ägyptische Jahre 66 Tage und zwei astronomische
,, Stunden. " Man sieht, wie genau sich der Kanon an
diese Reductionen anschliefst. Ptolemäus hatte ihn
also vor Augen, wenn er ihn gleich im Almagest
nirgends erwähnt.
Es firagt sich aber, ob der Kanon auch eben so
gut mit der Geschichte übereinstimmt. Mehrere
Chronologen, in deren System er sich nicht fügen
wollte, haben hieran gezweifelt; allein Des-Vignoles
und Semler widerlegen sehr bündig alle Einwendun-
gen , welche gegen seine Zuverlässigkeit besonders von
denen gemacht worden sind, die den ersten die baby-
lonischen Regenten betretenden Abschnitt mit den he-
bräischen Urkunden in Widerspruch gefunden haben.
Die einsichtsvollem Chronologen sind jetzt über seinen
Werth einverstanden , nur mufs man ihn gehörig zu
gebrauchen wissen.
Da der Anfang einer jeden Regierung auf den
1 . Thoth des ägyptischen Jahrs gesetzt wird, so fragt es
sich, welcher 1. Thoth gemeint ist, der vor dem Re-
gierungsantritt hergehende, oder der ihm folgende?
In den Abhandlungen der Akademie der In^
Schriften zeigt De la Bastie *), was Noris, Pagi
und andere schon früher vermuthet hatten, dafs die
Aegypter die Jahre der römischen Kaiser nicht von
dem Tage, an welchem sie zur Regiening gekommen
sind, sondern von dem ihrer Proclamation zunächst
^) Man sehe: Eclaircissement sur la durtfe de rempire de
Probus, Carus, Carinus ei Numärien, ä Voccasion de quel-
ques mddailles de Probus, Tora. XIII. p. 437 AT.
118 Technische Chronologie.
vorangegangenen 1. Thoth gezählt haben, sollte sie
auch erst gegen Ende des ägyptischen Jahrs erfolgt
aein, und dafs hierin der Schlüssel zur Chronologie der
ägyptischen Kaisermünzen liege. Der gelehrte Numis-
matiker Eckhel bestätigt dies ^) mit den Worten:
Haec doctrina adeo ^era est, adeo solidis argumentis
et exempUs stabilita, ut iam a nemine in dubium
vocetur. War dies also der ägyptische Gebrauch, so
ist mit vielem Grunde zu vermutlien, da(s er auch im
Rcgentcnkanon befolgt ist, und wirklich läfst die
Vcrgleichung der Todestage der römischen Kaiser mit
den ihnen im Kanon beigelegten Jahren nicht daran
zweifeln. So wird das 402te Jahr der philippischen
Aere, welches den 4. August 7S n. Chr. anfängt, als
das erste des Titus, und das 405te, dessen l.Tholh
auf den 3. August 81 tiüfft, als das erste des Domitian
aufgeführt, weil Vespasian im Verlauf des ersten am
23. Junius 79, und Titus während des zweiten am
13. September 81 gestorben ist*). Ungeachtet also letz-
tei*er noch nicht volle zwei Jahre und drei Monate re-
giert hat, werden ihm im Kanon nach dem einmal an-
genommenen Princip drei Jahre gegeben. Selbst die
wenigen Falle, die eine Ausnahme zu machen schei-
nen, lassen sich bei näherer Ansicht dem Princip un-
terordnen. Es sind folgende. August starb am 19ten
des nach ihm benannten Monats^) im vierzehnten Jahr
n* Chr., am letzten Tage des 3376ten der philip-
pischen Acre. Dies Jahr gehört also bis auf wenige
*) Doctrina numorum veierum Vol. IV. p. 42.
^ ) Die Data findeu sich beim S u e t o n , Vespas . c. 24 . TiL c. 1 1 .
^) Suelon Aug, c. 100.
Abgypter. 119
Stunden noch ganz ihm an, und wird ihm daher auch
vom Kanon beigelegt, Nero ermordete sich in der
ersten Hälfte des Junius des Jahrs 68 n. Chr. « also
im Verlauf des 391sten der philippischen Aere, das ihm
der Kanon noch zuschreibt, weil er die km*zclauemden
Regierungen von Galba, Otho und Yitellius unerwähnt
läfst. Der erste starb den 15. JanHar, der zweite den
16. April und der dritte den 20.Deccmber 69 n.Chr.* ).
Yespasian war bereits am 1. Julius eben dieses Jahrs
prodamirt worden, also im Jahr 392 der philippischen
Aere, das sich erst am S. August 69 endigte, und
daher vom Kanon sein erstes genannt wii*d, obgleich
Yitellius noch über vier Monate ins Jahr 393 hiuein-
lebte. Trajan starb den 10. August 117 n.Chr. ^},
im Verlauf des 44lsten der pbilippischen Aere, welches
den 25. Julius zuvor angefangen hatte. Dies Jahr sollte
das erste des Hadrian sein; der Kanon legt ihm aber
schon das vorhergehende bei. Man mufs daher anneh-
men, dafs der letzlere schon seit 440 als der Mitregent
des* erstem angesehen worden ist, und wirklich geht
aus Inschriften hervor, dafs sich seine tribunüia po^
testas vom Jahr 116 n. Chr. datirt ^). Dafs die Zeit
der gemeinschaftlichen Regierung im Kanon dem spä*
tern Regenten zugeschrieben wird, ist in der Regel.
So werden dem Ptolemäus Philadelphus die Jahre an-
gerechnet, die ihm zugleich mit seinem Vater ange-
höi-en.
*) S. ]\ oris Annas et Epockae Syromacedonum diss. I. c. 3.
') S. Sparlian"'s Adrian, c. 4 und die Ausleger daselbst.
' ^) Die Belege hierzu gibt Dodwcll. Pro/egg, in Append.
ad dissert, Cyprian. S. XLIIIfF. Auch vergleiche man seine
neuiizchnte Vorlesung über den Spartian.
120 Technische Chronologie.
*
Da sich also das gedachte Princip vom August an
als richtig bewährt, so ist der Schluis wol sehr na-
türlich, dafs es auch dem Theil des Kanons zum Gründe
liege, der in die Zeit vor der julianischen Kalender-
verbesserung gehört, aus der es uns fast ganz an genau
bestimmten Datis der Todestage der Regenten gebricht.
Mir wenigstens scheint die Sache so ausgemacht, dals
ich, selbst in Ermangelung anderweitiger Beweise, den
Tod Alexander's des Grofsen ohne Bedenken in das
Jahr 425 der nabonassarischen Acre setzen wüi^, weil
der Kanon dasselbe zum ersten des Philippus Aridäus
macht. Es fängt den 12. November 324 v.Chr. an,
so dafs der König, dessen Tod im Sommer erfolgt ist,
nicht in diesem Jahr, wie viele Chronologen glauben,
sondern erst im folgenden gestorben sein mufs. Um
ein so wichtiges Argument zu entkräften, sucht Freret
zu beweisen, dafs jenes Princip erst vom Tiber ins
an gelte, und dafs die Todesjahre der frühem Regen-
ten ihnen selbst, nicht ihren Nachfolgern beigelegt
werden. Man begreift nicht wohl, was den Fortsetzern
des Kanons zu einer Aenderung der Methode Anla&
gegeben haben könnte. Auch halten Freret's Be-
weisgründe bei näherer Ansicht nicht Stich. "Sie sind
hauptsächlich von den persischen Königen Artaxerxes I.
(Longimanus) und DariusIT. (Nothus) entlehnt. Jener
starb in den ersten Monaten des Jahrs 424 v.Chr. im
Verlauf des 324sten der nabonassarischen Acre, wie
Freret richtig zeigt. Ihm folgte sein ältester Sohn
Xerxes II. , der bald von seinem Bruder Sogdian aus
dem Wege geräumt wurde. Auch dieser regierte nur
einige Monate, worauf Darius 11. , der dritte Sohn des
Artaxerxes, den Thron bestieg. Der Kanon, welcher
Aegypter. 121
nur ganze Regierungsjahre in Rechnung bringt, er-
wähntf wie wir schon an dem Beispiel von Galba, Olho
und Yitellius gesehen haben, diejenigen Regenten nicht,
die Lein volles Jahr geherrscht haben. Er rechnet also
die Regierungszeit des Xerxes II. und Sogdian dem Ar-
taxerxes an. Nach Ctesias hat dieselbe acht, nach
andern neun Monate oder noch länger gedauert ^). Bei
dieser Ungewifsheit hindert uns nichts anzunehmen,
dals Darius n. erst nach dem 7.December 424 v.Chr.,
also na^ch dem l.Thoth des Jahrs 325 der nabonassa-
rischen Acre, welches im Kanon zu seinem ersten ge-
macht wird, zur Regierung gekommen ist. Dann bleibt
alles in Ordnung und wir sind nicht genöthigt, zu
Freret's Hypothese zu greifen, für welche dieser Fall
nur dann beweisend sein würde, wenn es ausgemacht
wäre, dals Darius II. vor dem gedachten 7.December
den persischen Thron bestiegen habe. Wäre dies aber
auch wirklich geschehen, so trifft doch immer der Früh-
ling des Jahrs 411 vor unserer Zeitrechnung auf sein
dreizehntes Regierungsjahr, und man begreift nicht,
wie Fr er et dieses Zusammentreffen als einen Beweis
für seine Hypothese ansehen kann, gegen welche übri-
gens der Tod eben dieses Königs das stärkste Argument
darbietet. Diodör sagt ^) , derselbe sei kurz nach
dem Frieden, der den peloponnesischen Krieg geen-
digt, erfolgt. Der Friedensvertrag datirt sich aber vom
attischen Monat Munychion Ol. 93, 4, oder vom Früh-
ling des Jahrs 404 v.Chr. Darius starb also während
des Jahrs 344 der nabonassarischen Acre, welches
'} DiodorXII, 71 und daselbst Wesseling's Aniueikuug.
') Xm, 408.
122 Technische Chronologie.
am 2.December 405 v.Chr. angefangea hat. Da nun.
im Kanon das Jahr 544 schon seinem Nachfolger
Artaxerxes II. beigelegt wird, so sieht man, dafs dieser
Fall geradezu gegen Fr er et zeugt. Er fühlt dies
selbst, und lyählt den Ausw^, dafs er die Autorität
des Diodor zu entkräften sucht, dessen Werk er eine
in chronologischer Hinsicht sehr fehlerhafte Compilation
nennt. Bei einer solchen Art zu argumentiren läist
sich aber alles e^eisen.
Die einzige entschiedene Ausnahme von seinem Prin-
cip erlaubt sich der astronomische Kanon bei Alezander
dem Grofsen. Darlus wurde im Hekatombäon Olymp.
112, 3 ^), im Verlauf des 4l8ten Jahrs der nabo-
nassarischen Acre, ermordet. Dies sollte also, mit Be-
zug auf Persien, das erste Jahr Alexanders sein. Der
Kanon legt Ihm aber schon das vorhergehende bei,
offenbar weil er, mit Rücksicht auf Aegypten *), seine
lleglerimg von der Erbauung Alexandria's im ersten
Jahr der 112ten Olympiade an rechnet. Man sieht übri-
gens, dafs diese Yer^letzung des Princips, wenn man
sie so nennen will, der Hypothese Freret's gar nicht
günstig ist; denn nach dieser sollte Alexander seine
Regierung erßt mit dem 4l9ten Jahr jener Aere äuge-
listen haben.
Da wir nun diese Zeittafel zu gebrauchen wissen
und ihre Uebereinstimmung mit der Geschichte keinem
nur irgend begründeten Zweifel unterliegt, so weixlca
wir uns ihrer bedienen können, um ägyptische mit
Regentenjahren verbundene Data, die aufser den Schrif-
*) Arrian de Exped, Alex, HI, 22.
*) Man vergleiche die Anmerkung zu S. 114.
Aegtpteb. 123
ien der Astronomen vorkommen , auf unsere Zeitrech-
nung zu bringen. Einen Fall 'dieser Art bietet die
Inschrift von Rosette dar. Dies ist ein Decret
der Priester von Memphis zu Ehren des Ptolemäus
Epiphanes, datirt vom Tage seiner Inauguration am
18. Mechir des neunten Jahrs seiner Regierung (bis
dahin hatte er unter Vormundschaft gestanden). Nach
dem Kaiion ist dies das 128ste Jahr der philippischen
Aere, mithin das Datum der Inschrift der 27. März
196 V. Chr. Einen zweiten Fall haben wir in einer
griechischen Beischrift auf einem ägyptischen Papyrus,
welche Hr. Buttmann in den Abhandlungen der
Berliner Akademie erläutert hat *). E!s ist darin
vom 9. Choiak und 5. Tybi des 36$ten Jahrs die Rede.
Der König, auf den sich diese Zahl bezieht, ist, wie
nach Hm. Spohn's Yersicherung aus der darüber be-
findlichen ägyptischen Schrift hervorgeht, Euergetes 11.
(Physkon). Dieser hat zwar nach dem Kanon nur 29
Jahre regiert; da er aber schon als Knabe während
der Gefangenschaft seines Bruders Philometor zum Kö-
nige ausgerufen wordeu war und seitdem 24 Jahr ab-
wechselnd bald mit demselben zugleich über Aegypten,
bald allein in Cyrene geherrscht hatte, so befahl er
bei seiner Thronbesteigung, diese Jahre der gemeinschaft-
lichen Regierung mitzuzählen, also statt des ersten Jahrs
das fünf und zwanzigste zu sagen ^). Sein sechs und
*) Historisc-Ii-philologische Klasse Tom Jahr 1824.
*) MeTaK>.»j3eis Ix Kup^k»]? o EuspysTTjf xal ßaciksv-; avayopsu^fiic,
Ttt irri auTOu dvaypa(^u cu^' ov nf>Ckov ßaa-iXtv^ tvo^iV^v; . . . To yup
rpiaxo^ov iktov 4»tXofjirjTopoc, ^io9 itpoa-ayoptviO'B^tu t^c toutou ßuct-
Xuag irpwTOi/, avrog bIxq^ov wßfjwrroj; npociru^t ypac^6or^«t. Porphj-
riu8 ap. Eusebiuin, T/ies. temp, (ed. 1658) p. 60.
124 Technisclie Chivnologie.
dreiisigstesRegierungsjalir ist mithin eigentlich sein zwölf-
tes, nach dem Kanon das 190ste der philippisclien Aere,
dessen 9. Choiak und S.Tybi dem 2. und 23. Januar
134 V. Chr. entsprechen ^}. Einen dritten Fall bietet
der Kaufcontract des Nechutes dar. Diese merk-
würdige von Hm. Böckh in den gedachten Abhand-
lungen') erklärte Urkunde datirt sich vom 29.Tybi
des zwölften Jahrs der filtern Cleopatra, der Mitregen-
tin ihres im Kanon allein genannten Sohns Soter, der
im 208ten Jahr der philippischen Acre die Regierung
antrat; sein zwölftes Jahr ist also das 219te dieser Acre,
das julianische Datum der Urkunde mithin der 14. Febr.
105 v.Chr. ^).
Nach den bisherigen Untersuchungen über die An-
ordnung, den Gebrauch und die Reduction des beweg-
lichen Jahrs der Aegypter gehe ich nun zu der damit
in Verbindung stehenden Hundssternperiode fort.
Das beste, was über diesen Zeitkreis^ von dem die Al-
ten wenig, die Neuem desto mehr reden, geschrieben
worden, ist noch immer das kleine seltene Weik Ca--
nicularia von Bainbridge und Greaves ^].
') In einer giiechischen ganz ähnlich lautenden Bcischiift
eines später aufgerollten Papyrus der hiesigen Königl. Sammlung
wird das 52ste Jahr genannt, ohne Zweifel.desselbenPtoleroäers;
denn kein anderer hat so lange i-cgiert. Sein 52stes Jahr ist
eigentlich sein 28stes, oder das ,206le der philippischen Acre,
welches den 22. Sept. 119 ▼.Chr. angefangen hat.
') Historisch - philologische Klasse aus den Jahren
1820 und 21.
^) Nicht der 13. Februar 104, wie Hr. Böckh, durch Hrn.
Champöllion Figeac*s Annales des Lagides iiTe geleitet,
auf den Titel seiner Abhandlung gesetzt hat.
. *) Joh. BainbridgiiCanicularia, Uria cum demonstratione
Abgypter. 125
Das periodische Steigen des Nüs ist fiir die Aegyp-
ter ein höchst wichtiges EreignifSf da von demselhen
die ganze Fruchtbarkeit ihres selten vom Regen be-
netzten Landes abhängt. Es fängt bei ihnen ge-
wöhnlich unmittelbar nach der Sommerwende an ^),
imd traf daher vor einigen tausend Jahren mit dem
Frühaufgange des hellsten aller Fixsterne, des Sirius,
zusammen. Aufmerksam, wie die allen Aegypter auf
dergleichen Erscheinungen überhaupt waren, machten
sie insbesondere diese, wodurch ihnen die Wohlthat
der Ueberschwemmung verkündigt und gleichsam von
Neuem zugesichert wurde, zu einem G^nstande sorg-
fältiger Beobachtung, zumal da sie aus der Farbe und
Lichtstärke des Sterns bei seiner ersten Erscheinung in
der Dänmierung auf die Stärke der Ueberschwemmung,
mithin auf die Fruchtbarkeit des Jahrs schliefsen zu
können wähnten ') , daher sie ihn auch der Isis, der
personificirten fruchtbaren Natur, geweiht hatten ^}.
orius Sirii keliaci pro parallelo inferioHs Aegy-pti, Auetore
Johanne Gravio, Oxford 1648, 8. Bainbridge hatte das Werk
unToUendet hinterlassen. Greaves fügte noch die Berechnung
des heliacischen Aufganges des Sirius hinzu und gab die Arbeit
seines Fi-eundes, die nur bis S. 37 geht, hei*aus.
*) Man vergleiche, was hierüber aus Alten und Neuern in
Nordmeyer *s Calendarium Aegjrpti oeconomicum (Gptlingen
i792, 4.) gesammelt ist. Eine Fülle hieher gehöriger Notizen
liefern auch die Admiranda Nili des Marc. Fr id. Wendel in.
Frankfurt 1623, 8. Cantabrigiae 1648, 4.
^} S. das Fragment aus Hephästion 9r«p2 ImoTjjuaa-tui/ t^C 'roi>
xovoq htvto\i\(; bei Bainbridge (Canic. p.27J und bei Salmasius
(in SoL p.303 ed. ültraj.)^ auch Horapollo, Hieroglyph. I, 3.
^) Diod. I, 27. Plut. de Js. et Osir. c. 22. Horapollo
1. c. Schollen zum Aratus v. 152.
126 Technische Chivnologie.
Es ist daher sehr wahrscheinlich, dafs sie bei der
Einführung einer festen Zeiti^echnung ihr Jahr mit dem
ihnen so bedeutungsvollen Frühaufgau ge des Sirius an-
gefangen haben. Die Wahrscheinlichkeit wird noch
durch den Umstand vermehrt, dafs der erste Monat ih-
res Jahrs mit diesem Stern gleichen Namen führte.
Mchrcrc Alle versichern nämlich ^), der Hundsstern
habe bei den Aegyptem Xw^ig, Sothis, geheifsen.
Vettius Valens, von Marsham citirt '), nennt ihn
^tJS-, Seth. Unstreitig sind aber Thoth, Seth und
Sothis ein und eben dasselbe, nur verschieden aus-
gesprochene, Wort.
Nachdem Gensorinus von den Mondcykeln der
Giiechen gesprochen hat, fährt er folgendermaisen fort ^) :
Ad Aegyptiorum vero annum magnum luna non per-
tinet, quem GraeceKwucoy, latinc canicularem vo-
camus, propterea quod initium illius sumitur, cum primo
die eius mensis , quem vocant Aegyptii Thoth, cani-
culae sidus exotitur. Nam eorum annus civilis solos
habet dies CCCLXF, sine ullo iniercalari. Itaque
*) Vlui. de Js. et Osir. c. 21 und de soleriia anim. c. 21.
Porphyrius de anü'O Nymphar, c. 24 p. 22 ed. van Goens.
Ghalcidius in Timaeum Piatonis p. 324 ed. Fabr. C^pp. S,
Hippol. Tom. n. )
*) Canon Chron. p. 8 ed. Lips. Vettius Valens 'ist Ver-
fasser eines asti-ologischen Werks in acht Büchern unter dem Ti*
tel *AvÄoXoyia, woiin er den Stei-ndeutern die Rechnungen, die
ihre Afterkunst erforderte, zu erleichtern sucht. Er mufs unter
Maix;us Aurelius gelebt haben; wenigstens gehören die neusten
Exempel von Horoskopen, die er gibt, in die letzten Jahre des
Antoninus Pius. Es sind mehrei-e Handschriften von diesem
Werke vorhanden, dessen Druck zu wünschen wäix;.
') c. 18.
Aegyptbr. 127
quadriennium apud eos imo circiter die minus est, quam
naturale quadriennium: eoque ßt, ut anno MCCCCLXI
ad idem reyolyatur principium. Hie annus etiam ijXto-
Kog a quibusdam dicitur, et ab aliis 6 S'bov iviavrog.
Aus dieser Stelle lernen wir das Wesen des merkwür-
digen Zeitkreises der Hundsstern oeriode kennen.
Das bürgerliche Jahr der Aegypter hielt, wie wir auch
aus ihr ersehen, 36S Tage ohne Einschaltung. Tier
solcher Jahre waren mithin um. einen Tag kürzer, als
vier julianische , welchen Zeitraum Gensorinus hier nan
^ turale quadriennium nennt, weil die julianischen Jahre,
wie er anderswo sagt ^), sali ad annum naturae aptati
sunt, welchen Irrthiun die Urheber der Periode ver-
muthlich mit ihm theilten. Es mufste also der beweg-
liche 1. Thoth mit dem 1461sten ägyptischen Jahr zu
demselben Tage des julianischen zurückkehren, von wel-
chem er ursprünglich ausgegangen war ^), so dafs 1461
ägyptische Jahi*e 1460 julianische gaben. Diesen Zeit-
raum nennt er annus canicularis, weil derselbe seinen
Anfang nahm, wenn der Hundsstern am ersten
Tage des Monats Thoth in der Morgendäm-
merung erschien.
Wann ist aber dieser Fall eingetreten? Auch diese
Frage beantwortet er mit seiner gewöhnlichen Bestimmt-
heit in folgenden Worten ^) : Sed komm (annorum
Nabonnazaru et Philippi) initia semper a primo die
mensis eius surnuntur, cui apud Aegyptios nomen est
') c. 20.
^) Zu demselben Tage des Utopischen Jahrs dagegen erst nach
1508 Jahren.
') c. 21.
128 Technische Chronologie. .
Thoth, quique hoc anno fidt ante diem VII. Cal,
lul.y cum ablunc annos centum, Imperatore Antonina
Pia II. et BruUio Praesente Coss. , idem dies fiierit
ante diem XII. CaL August., quo tempore solet ca-
nicula in Aegypto facere exortum. Quare scire etiam
licet, anni illius magni, gui, ut supra dictum est, et
solaris et canicularis et Dei annus ^vocatur ^),
nunc agi vertentem annum centesimum. Er schrieb,
wie bereits (108) bemerkt worden, im Jahr 238 n.Chr.,
wo der 1 . Thoth des ägyptischen Jahrs richtig ante diem
VII. CaL lul. oder am 25. Junius eintraf. Unter
dem Consnlat des Antoninus Pias und Bruttius Praesens,
139 n. Ghr.f fing das ägyptische Jahr mit dem 20. Ju-
lius an. Es mufs daher ante diem XIII. statt €inle
diem XII, CaL August, gelesen werden, wie schon
Petavius ^) und Bainbridge ^) bemerkt haben. In
diesem Jahr 139 hat sich also die Hundsstemperiode
erneuet. Es fragt sich nun aber, ob Sirius wirklich
damals am 20. Julius des julianischen Jahrs aufging,
und ob dieser Tag der seines gewöhnlichen Aufganges
in Aegypten ist, wie der Schriftsteller sagt? Ich habe
hierüber anderswo ^) eine genaue Rechnung geführt,
von der ich hier die Ergebnisse hersetzen will ^).
*} Noch andere Benennungen sind Sa)0iciKii mplo^og und xuvuo;
kukXo;. Jene kommt beim Clemens Alexandrinus, diese beim
Synccllus Tor, an unten anzuzeigenden Stellen.
*) rar. diss. 1. V. C.6.
') Canicularia p. 35.
*) Historische Untersuchungen über die astrono-
mischen Beobachtungen der Alten S. 76fr.
^) Hr. B i o t gibt in seinen Recherches sur plusieurs
points de P Astronomie Egjrptienne appliqudes aux monumens
Aeoyptea. 129
Für das Jahr 139 n. Chr. findet sich unter dem
Parallel von 30 Grad, welcher der tiralten Stadt Helio-
polis, dem Hauptsitz der ägyptischen Priester, nahe vor-
beistreicht, die Länge der Sonne beim Frühaufgange
des Sirius b&3Z. 24^ 46', und diese erreichte sie unter
dem dortigen. Meridian am 20. Julius um 7U. Morgens,
so dafs der Aufgang des Sirius wirklich an diesem Tage
erfolgt ist. Der Sehungsbogen des Sterns ist hierbei we-
gen seines vorzüglich lebhaften Glanzes zu 10° angenom-
men worden, ob man ihn gleich mit Ptolemäus bei
den Sternen erster Grölse, wie oben (5^) bemerkt wor-
den, eigentlich auf 11° zu setzen hat. Niemand wird
dies Willkühr nennen ; denn es ist hier nur die Frage,
ob unter wahrscheinlicher Voraussetzung des Beobach-
tungsoits und des Sehungsbogens die Ang&be des Auf-
gangstages des Sirius beim Censorinus gerechtfertigt
werden könne.
Wenn 139 n. Chr. der l.Thoth auf den 20. Ju-
lius traf, so mufste er 1460 Jahre oder eine Hundsstern-
periode früher, nämlich im Jahr 1322 v.Chr., mit
demselben luliauischen Datum übereinstimmen. Auch
damals ging Sirius bei 10° Sehungsbogen am 20. Julius
in der Moi^ndämmerung auf, indem die Junge dei*
Sonne bei dieser Erscheinung 3Z. 12° 43' sein mufste,
welche sie zu Heliopolis am 19. Julius um 6U. Abends
erreichte.
astronomiques trouväs en £gypte (Paris 1823, 8.) S. 296, eine
Methode, die Sternpositionen für entfernte Zeiten der YorweU zu
finden, die etwas genauer als die meinige ist. Er hat hiernach
meine Rechnung wiederhöhlt, versichert aber (S. 173), dafs die
Verschiedenheit unserer Resultate sehr unbedeutend sei.
[9]
<30 Technisclie Chronologie.
Gehen yfit noch eine Periode iveiter bis mm Jahr
2782 V. Chr. zurück, so erhalten wir noch einmal den
20. Julius als Aufgangstag des Sirius ; denn die Sohik:
hatte damals bei seiner Ei*scheinung in der Moi^en-
dammerung eine Länge von 3Z. 1^ 37', welche sie an
diesem Tage des Morgens erreichte. Censorinus hat
also vollkommen Recht, wenn er vom 20. Julius sa^:
quo tempore solet canicula in Aegypto facei'e exortunt.
Der Stern mufe wegen der Vorrückung der Nachtgleicfaen
allmälig immer später im Sonnen jähr aufgehen, während
der Anfang des um 11' 12'' zu langen julianischen Jahrs
gleichfalls immer tiefer ins Sonnenjahr hineini-ückt.
Dafs aber beide Verschiebungen so parallel mit einan-
der vor sich gegangen sind , dafs der Stern 3000 Jahre
lang in Aegypten immer an demselben Tage des julia-
nischen Jahrs in der Moi^ndammerung hat erscheinen
müssen, ist eine Folge seiner zufälligen Stellung gegen
die Langen - und Breitenkreise, welchen Umstand schon
Petavius merkwürdig gefunden hat ^). Wenn er be-
merkt , dafs ein solches Zusammentreffen nicht immer
Statt finden werde, so hat er Recht. Es ergibt sich
nämlich für das Jahr 1599 unserer Zeitrechnung, wo
wieder eine Periode begann, dafs die Sonne beim Früh-
aufgange des Sirius eine Länge von 4Z. 7^ 54' hatte,
welche sie am 21. Julius a. St. um 10 U. Abends er-
reichte, so dafs der Stern erst am 22. Julius in der
Moi^ndämmerung sichtbar werden konnte.
Es ist oben (126) wahrscheinlich genannt worden,
dafs die Einfuhrung des beweglichen ägyptischen Jahrs
*) AdmirabilUer contigii, sagt er. A. a. O. (428).
Abotpter. 131
in eine Zeit zn setzen sei^ wo der l.Thoth mit dem
Frühau^ange des Sirius zusammentraf. Dies war nun^
wie wir so eben gesehen baben, in den Jahren 2782
und 1322 vor und 139 nach Chr. der Fall. Freret *)
und Bailly^) sind der Meinung, dafs man bis zum
erstgenannten Jahr zuiiickgeben müsse, wo der l.Thoth
nicht blofs mit dem Frübaufgauge des Sirius, sondern
zugleich auch mit dem Anfange der Ueberscbwemmung
zusammenu*af. Gegen diese Hypothese möchten sich
aber wol zu viele Stimmen erheben. Wir wollen also
das Jahr 1322 als das der Einführung des figyp tischen
Jahrs ansehen, und wer die Spuren fi*üher Cultur, die
wir überall in Aegypten wahrnehmen , zu einem Ge*
genstande ernster Beti'achtung macht, kann es unmög-
lich unwahrscheinlich finden, dafs die Aegypter schon
dreizehn Jahrhunderte v. Chr. eine geordnete Zeitrech»
nung gehabt haben, zumal da sie ohne alle tiefere Ein-
sicht, die wir ihnen beizulegen wenig berechtigt sind,
zu derselben gelangen konnten. Sie fingen ihr Jahr,
das ein reines Sonnen jähr werden sollte, mit dem ih-
nen so bedeutungsvollen Frühaufgange des Sirius an,
imd legten ihm die 365 Tage bei, die sie von einer
solchen Erscheinung zur andern zählten. Vielleicht
glaubten sie anfangs, dafs der l.Thoth immer zu der-
selben zurückkehren werde. Hierin sahen sie sich nun
zwar sehr bald getäuscht, indem sie den Stern nach
*) Nouvelles observations sur la Chronologie de Newton.
Tom. X. p. 100 der Oeuvres compUtes.
*) HisL de V Astronomie ancienne 1. VI. S-VIII. Eclair-
cissemens 1. V. S« X,
[9']
132 Technische Chmnologie.
vier Jahren am 2.Thotb, nvieder nach vlei* am dritten,
und so von vier zu vier Jahren immer um einen Tag
spater in der Morgendämmerung erscheinen sahn; sie
behielten indessen die einmal angenommene Jahrlftnge
bei, theils wegen der Einfachheit der Jahrform, theils
weil sich mit der Zeit religiöse Ideen an dieselbe
knüpfen mochten.
Dafs aber, wie Freret und Baillj meinen, die
Hundsstemperiode von gleichem Alter mit dem ägypti-
schen Jahr sei, ist minder wahrscheinlich. Sie grün-
det sich auf die Yergleichung des festen Jahrs von
365— Tagen mit dem beweglichen von 365, konnte also
nur das Resultat fortgesetzter Beobachtungen des Früh-
aufganges des Sii*ius sein. Da nun überdies das Bedürf-
nüs einer festen bürgerlichen Acre gerade nicht auf sie
geleitet zu haben scheint, so ist sie wol erst späterhin
von irgend einem sinnenden Kopfe gebildet worden,
als man die Urgeschichte des Volks zu bearbeiten an-
fing, wobei man einer weitzurückgehenden Acre oder
eines grofsen Zeitkxeises nicht entbehren konnte. Ihre
Dauer ergab sich von selbst, so bald einmal die Beob-
achtung gemacht war, dafs der Hundsstern alle vier
Jahre um einen Tag spater im ägyptischen Kalender
aufging. Der Anfang wurde natürlich auf den Zeit-
punkt gesetzt, wo der Aufgang des Sirius mit dem
l.Thoth zusammentraf. Nichts war aber leichter, als
die Zahl der seitdem verflossenen Jahre zu berechnen;
denn man durfte nui* dureh unmittelbare Beobachtung
das Datum des Frühaufganges ermitteln, und die Zahl
der bis dahin vom Anfange des Jahrs an verflossenen
Tage mit 4 multipliciren.
Aeotpter. 133
IKe Herren Dapuy^), Lalande ') und Pfaff^}
finden die Handsstemperiode um 36 Jahi*e zu lang. Sie
sagen nämlich , dieser Zeitkreis habe durch den Stde-
ralumlauf der Sonne bestimmt werden müssen. Wenn
man nun 6 St. 9' 11", den Ueberschuls des Stemjahrs
über das ägyptische , in 365 Tage dividire , so ergebe
sich zürn Quotienten 1424; die Sonne komme also
schon nach 1424 Jahren an demselben Tage des ägyp-
tischen Jahrs wieder mit dem Sirius in Conjunction.
Dies hat seine Richtigkeit. Allein das Wesen der Pe^
riode ist hierbei falsch aufge&fst. Sie beruhte auf kei-
ner genauen Bestimmung des Sonnenlaufs, sondern
auf der einfachen Wahrnehmung,- dafs der Sirius mit
jedem vierten Jahr um eineii Tag später im ägypti-
schen Kalender aufging.
Die Hundssternperiode scheint im Alterthum
sehr berühmt gewesen zu sein, obgleich aufser Aegyp-
ten nur wenige ihre Entstehung und Beschaffenheit
kennen mochten. Die Zahl der ihr zum Grunde lie-
genden Jahre erwähnen Geminus, Tacitus, Dio
Cassius und lulius Firmicus. Der erste bemerkt *),
das Fest der Isis durchwandere in 1460 Jahren den
ganzen Kreislauf der Jahrszeiten. Tacitus sagt*),
einige legten dem Phönix ein Alter von 1461 Jahren
bei, eine Aeufserung, auf die wir unten zurückkommen
») Acad. des Inscriptions Tom. XXIX., Hi«t. p. 116 ff.
') In dem oben (35) gedachten Mdmoire p.231 und in der
Astronomie arl. 1605.
^) De ortibus et occasibus sidei^rn p. 71.
") Isagoge c. 6.
•) JiinaL VI, 28.
134 Technische Chronologe.
werden. Dio Cassius behauptet ^), man schalte nach
GLsars Vorschrift alle 1461 Jahre einen Tag zu wenig
ein. Dies ist ein Irrthum, auf den das unrichtig auf-
gefaiste Wesen der Hundsstemperiode geleitet hat. Eben
dies gilt von der Angabe des Firmicus, nach der das
groIseJahr, das die sieben Planeten zu ihren ursprüng-
lichen Stellen zurückführen soll, 1461 Jahre halt ')•
Eine ausdrückliche Erwähnung der Hundsstempe-
riode findet sich nur bei Censorinus, Ghalcidius,
Syncellus und Clemens Alexandrinus. Der erste
belehrt uns über die Beschaflenheit, Dauer und Epoche
dieses Zeitkreises, von dem wir ohne ihn wenig Be--
stimmtes wissen würden. Chalcidius gedenkt an
einer bereits oben (126) citirten Stelle des annus Kwtxog
nur ganz kurz bei der Notiz, dafs der Hundsstern bei
den Aegyptem Sothis geheifsen habe. Syncellus be-
merkt ^) , dafs im fünften Jahr des alten, sonst nii*-
gends weiter erwähnten, ägyptischen Königs Goncharis
700 Jahre rov xvvtKov 'keyoulvov wxXou TfdpaL rw MavcS-i^,
cjcli apud Manetlionem dicti cpiici, verflossen waren.
Hieraus scheint hervorzugehen, dafs sich Manethon
oder Manethos, ein ägyptischer Priester unter Pto-
lemäus Philadelphus, in seiner gi*iechiscfa geschriebenen
") Hist, Rom, l.XLra, c.26. p. 360 cd. Reim.
') Praef, in Astronomica, Was dies nach der Meinung der
ägyptischen Astrologen für Stellen T?ai*eQ, kann man aus Ma-
crob. in Somn. Scipionis 1,21, und noch bestimmter aus Fir-
micus 111,1 ersehen. Man Tcrgleiche Barthölemy's Abhand-
lung Remarques sur quelques Medailles de VEmpereur Anto-
nin,frappees en jigjrpie^ im 41sten Bande der Mem, de VAc.
des Inscriptions ,
•*) Cki-onographia p. 103 etl. Goar (in der pariser Samm-
lung der Script, hist. Bjz^).
Aegyptea, 135
vaterläadiscben Geschichte, aus der sich Fragmente bei
Joseph US, Synce]]us und anderswo finden, der
HundssteiTiperiode hedient hatte. Es ist sehr zu be-^
dauern, dafs sein Buch vom Hundsstern — ßi-
ßXog Trjg Tw2r$wg — dessen Syncellus gedenkt ^), ver-
loren gegangen ist. Wir würden darin yeimuthlich
Nachrichten von der Entstehung und dem Gebrauch
der Hundsstemperiode gefunden haben. Clemens
endlich nennt die Xw^uücrf TFspiodog nur einmal ganz ge-
legentlich, aber auf eine Weise, die uns bestätigt, was
wir aus Censorinus von ihrer Epoche wissen. Er sagt
nämlich '), die Israeliten wären 34f> Jahr vor dieser
Periode aus Aegjplen gezogen. Von dem Auszuge,
den er unter Inachus setzt, bis auf die deukalionische
FJuth gibt er 40 Menschenalter, 3 zu 100 Jahren, also
über 1300 Jahre an, offenbar bei weitem zu viel. Wir
wollen mit dem lateinischen Uebersetzer und mit Des-
Vignoles ^) ricra-ap^ für no-o-apdMVTOL, 4 für 40 lesen,
um diese Stelle mit dem, was wir anderswo von der
Urgeschichte der Griechen aufgezeichnet finden, in
Uebercinstimmung zu bringen. So haben wir also bis
zur deukalioniscfaen Fluth 133 -f Jahre. Von da bis
auf den Raub der Helena zählt Clemens femer 320
Jahre, und von der Zerstöi*ung Trojas bis auf die erste
Olympiade 417* Das Intervall vom Haube der Helena
bis auf die Zerstörung Trojas bestimmt er nicht. Ei^
ganzen wir es durch zwei Verse der Iliade ^), die der
Helena in den Mund gelegt sind und ohne Zweifel die
*) Eb. S. 40.
') Strom. 1. 1. p. 145 ed. Sylb.
•') Chronol. de Vhist. Sainte Vol. I. p.591.
') «, 765.
136 Technische Chronologie.
Tradition der Griechen ausdrücken, so haben wir toiu
Auszuge der Israeliten bis auf die erste Olympiade
133 ^ ^. 320 -f. 20 -f. 417 = 890 |- Jahre. . Wir wollen
die volle Zahl 891 setzen. Da nun diese Olympiade
ins Jahr 776 v. Chr. gehört , so ist der Auszug nach
Clemens ins Jahr 1667 v.Chr. zu setzen, und zieht
man hiervon 345 ab, so erhält man das Jahr 1322 als
Anfang der Hundssteraperiode *). Die Uebcreinslim-
mung dieses Resultats mit dem, welches aus Censori-
nus folgt, ist zu vollkommen, als da(s sie ein ZufaU sein
könnte. Bainbridge, der die Sache etwas anders,
aber im Wesentlichen eben so, darstellt ') , sagt tref-
fend: nihil referty num exitus ex Aegypto et subse--
quentiwn intervallorum tempora rede deßnita liicfue-^
*) Dasselbe Jahr ergibt sich auch noch aus einem Frag-
ment des Theon, das Hr. Biot in seinem vorhin (128) ge-
dachten Werke (S. 303 ff.) aus der Handschrift 2390 der paiiser
Bibliothek millheilt und scharfsinnig commentirt. Es heifst darin,
dafs ano Mivo^piuc lw( rf; Xtigiu; kvyoig-oM 1605 Jahre vei'flossen
wären. Der ganze Zusammenhang, in den diese Worte gebracht
sind und den ich hier, ohne allzu weitläufig zu weitJen, nicht
entwickeln kann, zeigt, dafs die Epoche des Menophres keine
andere ist, ab die, wo der bewegliche 1 . Thoth mit dem Früh-
aufgange des Sirius zusammen ti*af, also der Anfang einer Hunds*
stemperiode. Unter dem Ende — Xvfgi; — des August Icann,
wie der Zusammenhang gleichfalls lehrt, nur das Ende der
Aere des August odei' der Anfang der Acre des Dio-
de tian Terstandcn werden. Bis auf diesen- Zeilpunkt sind,
wie wir unten sehen wei'den, 283 volle Jahre von unserer christ-
lichen Aere verflossen. Ziehen wir diese von 1605 ab, so erhal-
ten wir für die Epoche des Menophres das Jahr 1322 v.Chr.
Auch diesen alten ägyptischen König finden wir sonst nirgends
weiter genannt.
'*) Canic, p. 35.
Aegtpter. 137
rinty ^el non; satis est, ut id Uqueat, Clementem ean^
dem periodum Sothiaoam, eandemque eius epocham
constituisse, quam Censorinus proposuerat.
Wenn es befremdet, dafs Herodot, der uns die
erste Nachricht vom beweglichen Jahr der Aegypter
gibt, nicht zugleich der damit in so enger Verbindung
stehenden Hundssternperiode gedenkt, so wird man
daraus nichts weiter schllefsen wollen, als da{s dieselbe
damals aufser den Zellen der Priester noch wenig be-
kannt sein mufsle. Denn wenn Dupuy *) aus dem
Stillschweigen der beiden ältesten griechischen Schrift-
steller, die mit den ägyptischen Priestern in Berüh-
rung kamen, des Herodot und Plato, folgern zu
müssen glaubt, dafs die Aegypter bis zum yierten Jahr*
hundert vor unserer Zeitrechnung den Unterschied
zwisdien ihrem beweglichen und dem festen Sonnen-
jahr, oder den Vierleltag, worauf das Wesen dieser Pe-
riode beruht, noch nicht gekannt hätten, so ist das ein
Gedanke, der nicht widerlegt zu werden verdient *).
Wie aber, wenn es wirklich im Herodot eine
Stelle gäbe', die auf die Hundssternperiode an-
spielt? Er bemerkt^], dafs nach der Versicherung der
ägyptischen Priester vpn Menes ' bis auf Sethon 341
') A. a. O. S. ii4.
') Nach Larcher ist der Viertellag gar erst unter Plolc-
mäus Philadelphus yon den alexandrinischen Astronomen
entdeckt ivoi^den! Man sehe sein schwaches Memoire sur le
Phoenix ou Recherches sur les päriodes astronomiques et chro-
nologiques des igjrptietu. S. 220 des ersten Bandes der Hist.
ei M4m, de V Institut Royal de France, Classe d'Hisl. et de
litt. anc.
') II, 142.
138 Technisclie Clironologie.
Menschenalter yerflossen sind. Da nun, sagt er, drei
Menschenalter 100 Jahie gehen, so halten 341 Men-
schenalter 11340 Jahre. In dieser Zahl ist ein kleiner
Fehler; denn die genaue Redinung giht 26-3- Jahre
mehr. Dana fährt er fort : Iv roivw tovt^ r^ XP^^ '^-
rpcuu^ tksyov i^ i^Sriwv tov ^Xwv ayanZXw cvS-a rs vvv xara^
ivrrou, iy^iVT€¥ di$ hFOyrukeu* xeä evS-ev viJy ovaWXXci, ly-
^avra 6\^ HaTouMyau „In dieser Zeit, behaupteten sie,
,,ist die Sonne viermal an dem gewöhnlichen Ort ^}
„aufgegangen, zweimal aufgegangen, wo sie jetzt un-
„tergeht, zweimal untergegangen, wo sie jetzt auf-
„geht.'^ Man hat diese dunkeln Worte buchstäblich
genommen und eine astronqmische Wahrheit darin ge-
sucht, die durchaus nicht darin liegt. Meiner Mei-
nung nach sind sie nichts weiter, als ein mystischer
Yon Herodot falsch aufgeia(ster Ausdruck för: in
diesem langen Zeitraum hat sich die Hunds-
sternperiode achtmal erneuet. Achtmal 1461
Jahre geben 11688, ein paar Jahrhunderte mehr, als
die Rcduction der 341 Menschenalter, ein Uebei-schufs,
der bei einem so gix>isen Zeilmaafsstabe als unbedeu-
tend yei^schwindet. Yermuthlich hatten nun die Prie-
ster in ihrer geheimnifsyoUen Sprache sagen wollen:
in diesem Zeitraum sind die Sommer- und Winter-
wende achtmal an den gewöhnlichen, d.i. an eben
den Tagen des ägyptischen Jahrs eingeti*ofl*en , wo sie
sich jetzt eragnen ; achtmal hingegen die Sommerwende
an dem Tage, auf den jetzt die Winterwende, und die
Winterwende an dem Tage, auf den jetzt die Som-
*) *£g rj^i'jiv nehme ich hier in dem von Suidas durch ix
Tup cüVT^^wv lo-nw erklärten Sinn.
Aegtptbr. 139
merwende trifft. Die Sommerwende Lezeicbneten
sie durch Untergang oder eigentlich Hinabgang der
Sonne yom ScheitelpuiJLt , die Winterwende durch
Aufgang oder Hinaufsteigen zum Scheitelpunkt. Es
war wol sehr natürlich, dafs Herodot, der nicht in
den dunkeln Sinn ihrer Rede eindrang, dies irrig yon
einem wirklichen Auf- und Untei^^ge nahm, und dafs
er, wenn er die Worte etwa erst nach später Rückerin-
ncrung aufzeichnete, die Zahl acht auf die Weise ein-
theilte, wie .er es gethan hat. Ich hoffe, dafs man
diese Erklärung wenigstens befriedigender finden werde,
als irgend eine von denen, die im 295ten Bande der
Abhandlungen der Akademie der Inschrif-
ten ^) zusammengestellt sind« Der einzige, meines
Wissens, der an die Hundssternperiode gedacht
hat, ist Scaliger. Er sagt '), nachdem er die 11340
Jahre des Herodot und seine dunkeln Worte erwähnt
hat : quod quarm^is prinia fronte fahulpsum *videtur,
habet tarnen implicitam speciem ofen. Natn in una
magna periodo sol mutat sedem semel in mensibus
Aegyptiacisy ut qid principio in Thoth solstitium in-
grederetur, post 730 annos in brumam incideret in
aliqua parte eius mensis. Er läfst aber diesen Gedan-
ken gleich wieder fallen, indem er hinzusetzt: sed hoc
non fuerit occasum et orienteni miOare, Missa igitur
illa mendacia et somnia Acgyptiorunh facianms^ und
auf seine Autorität wirft dann Wesseling in seiner
AnmeriLung zu dieser Stelle des Herodot mit nugis et
JäbeUis Aegyptiacis um sich.
«) Bist. S.76iF.
') Emend. temp, 1. lU. p. 197.
140 Technisclie Chronologie.
So viel vom beweglichen Jahr und der Hundsstern^
periode der Aegypter« Letztere setzte nothwendig <lie
Kenntni(s des Yierteltages voraus, der bei dem erstem
vernachlässigt wurde, und es Ittfit sich daher gar nicht
bezweifeln, dafs diese Keüntnifs in Aegypten von ho-
hem Alter war. Sie • ist als ein natürliches und ein-
faches Ergebniis der fortgesetzten Beobachtung des Früh-
aufganges des Sirius zu betrachten. Von den Aegyp-
tem ging sie zu den Griechen und späterhin zu den
Römern über. Von lulius Cäsar, der sich lange in
Aegypten aufgehalten, sagt Macrobius ^): siderum
motus, de guibus non indoctos Uhros reliquit, ab Aegyp^
tiis discipUnis hausiU Ueberdies bediente er sich bei
seiner Kalenderverbesserung der Einsichten des Peii-
patetikers Sosigenes, eines gebomen Alexandriners.
Im Auslande zuerst praktisch geworden, wurde die
Kenntnüs des Yierteltages endlich auch in Aegypten
selbst zur Eintheiiung der bürgerlichen Zeit benutzt.
Wir finden nämlich daselbst seit dem ersten Jahr-
hundert n. Chr. eine der julianischen analoge Zeit-
rechnung, die man zum Unterschiede der allem ägyp-
tischen die alexandrinische nennt, weil sie, unter
den Griechen in Alexandrien entstanden, sich von dort
zugleich mit der christlichen Religion über das ganze
Land verbreitet hat. Das Wesentliche dieser im Orient
viel und lange gebrauchten Zeitrechnung, an die der
Cultus der koptischen und abessinischen Christen bis
auf diesen Tag geknüpft ist, besteht in folgenden drei
Punkten: 1) Form und Namen der Monate sind die
^gyp^^l^^^» ^) 2^ äcn ^^^ Ei^nzungstagen kommt
*) Saturn. I, 16.
Aegtfteb. 141
alle -vier Jalire ein sedisler; 3) die Epoche des Jahrs
oder der l.ThoCh ist der 29. August des julianischen
Kalenders. Letzteres wird ganz bestimmt gesagt in ei-
nem der Fragmente des Kaisers Heraclius bei Dod-
well *)j wo es heifst: ^^wenn wir den 29. August
„haben, zahlen die Alexandriner den l.Thoth oder
„September; und wenn wir den I.September haben,
„zählen die Alexandriner schon den vierten." Man
sieht, der alexandrinische Thoth wird hier • geradezu
September genannt, nur mit der Erinnerung, dais
der eigentliche September drei Tage spater anfange.
Es scheint dies der förmliche Gebrauch der Alexandri-
ner gewesen zu sein. Ptolemäus fiihrt in seiner
Schrift von den Fixsternerscheinungen, in der er
sich der alexandrinischen Jahrform bedient, Thoth und
September, Phaophi und Oktober u. s. w. als gleichbe-
deutende Benennungen auf. Auch der Seh o Hast de$
Ära tu s vergleicht durchgängig die alexandrinischen
Monate mit den römischen, als wenn sie ganz paral-
lel liefen *). .
Aber auch ohne die ausdrückliche Angabe des
Heraclius, zu der leicht noch andere aus späteren
Zeiten hinzugefügt werden könnten, z.B. die des Al-
fergani, der den Meujahrstag der Kopten mit dem
29. Abb, dem ^syrischen Namen des August, vergleicht ^),
würden wir die Richtigkeit dieses Datums erkennen
können zuvörderst aus den Berechnungen des Oster-
') Appendix ad Dissert. typrianicas p. 432.
*) Z.B. zu T. 286, wo er Tom Tybi sagt, dafs er bei den
Römern Januar heifse.
') Eiern, Astron. p. 6 ed. Golii.
142 Technische Chronologie.
festes bei den griechischen Kirchenscribenten. Wetin
z.B. der 21. März, der Tag der Frühlingsnachtgleicfae,
als der 25. Phamenoth bezeichnet wird> so erhält man
durch Zurückrechnen zum l.Thoth den 29. Aug:a5t.
Dann aus der Yergleichung ägyptischer und alexandri-
nischer Data beim Theon. Dieser berechnet in sei-
nem Commentar zum Almagest ^) eine yon ihm
beobachtete Mondfinstemiis, und sagt, dieselbe sei nach
den Aegyptern im 1112ten Jahr der nabonassari-
sehen Aere am 6. Phamenoth, nach den Alexan-
drinern am 29. Athyr eingetreten« Der 6. Phame-
nolh des gedachten Jahrs triflt auf den 25. November
364 n. Chr. , und eben dies Datum gibt der 29. Athyr,
wenn der l.Thoth dem 29. August entspricht. In dem-
selben Jahr, aber früher, beobachtete Theon eine
Sonnenfinslemiis zu Alexandrien '). Sie erfolgte im
1112ten Jahr seit Nabonassar am 24sten des ägypti-
schen Thoth oder am 22sten des alexandrinischen Payni
Nachmittags. Beide Data entsprechen dem 16. Junins.
Endlich aus den astronomischen Beobachtungen der Ara-
ber, die gewöhnlich das Datum ihrer eigenen Zeitrech-
nung mit dem koptischen, syrischen und persischen
zusammenstell en .
Auch den Sitz des Schalttages und sein Verhält-
nifs zu dem römischen lernen wir aus dem Fragment
des Kaisers Heraclius kennen. ,,Die Alexandriner,
,, heilst es in demselben^), schalten jedesmal in dem
,,Jahr ein, das vor dem römischen Schaltjahr
') 1. VI. p. 284, 85.
') S. 332.
') S. 135.
Aegypter. 143
,, hergeht — h rtp Ttpo rov iia-i^rov hiavn^ — wo
,,sle ihr Jahr nicht drei, sondern ewei Tage vor dem
,, September (d.i. nicht am 29sten, sondern am 30.
,, August) anfangen." Dieser Fall findet hei den Jah-
ren 3, 7, 11, 15 n. Chr. Statt, welche durch 4 divi-
dirt den Rest 3 gehen. Aus den Zeiten vor dieser
Epoche kommt bis jetzt kein alexandrinisches Datum
vor. Sollte sich -einmal ein solches in einer Inschrift
oder Papyrusrolle finden, so darf man , nachdem das
zugehörige Jahr v.Chr. ausgemittelt worden, nur un-
tersuchen, ob dasselbe, durch 4 dividirt, den Rest 2
gibt, in welchem Fall der 1 . Thoth dem 30. August
entspricht.
Hiemach wird es nun leicht sein, jedes alexandri-
nische Datum auf das julianjsche und umgekehrt zu
reducii*en , so bald nur unsere Jahrzahl bekannt ist.
Zur Erleichterung der Rechnung dienen folgende zwei
Tafeln, wovon die erste die Anfange der alexandrini-
sehen Monate im julianischen Kalender, die andere die
An&nge der julianischen Monate im alexandrinischen
Kalender gibt.
Tafel I.
1. Thoth 29. August
•1. Phaophi 28. September
1. Athp 28. Oktober
1. Choiak 27. November
1. Tybi 27. December
1 . Mechir 26. Januar
1. Phamenoth 25. Februar
1. Pharmuthi 27. Mäi-z
1. Pachon . . ." 26. April
l.Payni 26. Mai
144 Technische Clironologie.
1 . Epipbi • • 25. Junius
1 . Mesori • • • • « 25. Julius
1. Ergänzungstag 24. August
Tafel n.
1. September 4. Thoth
1. Oktober 4. Phaophi
1 .November 5. Athyr
1 • Deoember . • • • 5. Choiak
1. Januar 6. Tybi
1. Februar 7. Mecbir
1 . März 5. Phamenotb
1. April 6. Pharmutbi
1 . Mai 6. Pacbon
1 . Junius • • • • • 7* Payni
1. Julius 7. Epipbi
1 . August • • •* 8. Mesori.
Bei ihrem Gebrauch ist zu bemerken, dafs, vvenn
der 1. Thoth auf den 30. August trifft,, die Data der
ersten Tafel um eine Einheit zu vermehren, und die
der andern um eine Einheit zu vermindern sind, und
zwar bis zum 4. Phamenoth einschlielslich , der dann
mit dem 29. Februar übereinstimmt. Vom 5. Phame-
noth oder 1 . März au gelten beide Tafeln unbedingt.
Die erste Spur eines alexandrinischen Datums glaubt
Hr. Letronne^) in einer griechischen Inschrift wahr-
zunehmen, die sich über einem grofsen isolirt siehen-
den Thor unter den Trümmern von Tentyris, dem
*) In seinem gehallvollen Wei*ke: Recherches pour servir
ä Fhistoire de VJägjrpte pendant la domination des Grecs et
des Romains, tMes des Inscriptions Greeques et Latines /v-
laiives d la Chronologie etc. (Paris 1823) p. 155 ff.
Abctyptbr. 146
jetzigen Dendei*ab, findet. So scharfsinnig und wahr-
scheinlich indessen seine G)mbinationen auch sein mö-
gen, so ist es doch nicht vollkommen sicher, dafs das
Datum hovg hl Kaurctpo^» ä^wv^ atßofri *) den 26sten
festen Tholh des 31sten Jahrs des August, oder den
23. September des ersten unserer Zeitrechnung bezeich-
nen soll. Eben so könnte man bezweifeln wollen, dafs
der 7.Mechir des neunten Jahrs des Claudius, welches
Datum in einer von Hm. Cailliaud zu £1-Charjeh
in der thebäischen Oase entdeckten Inschrift genannt
ist, auf den alexandrinischen Kalender geht, wie Hr.
Let rönne glaubt'). Desto sicherer gilt dies von der
zweiten eben daselbst gefundenen Inschrift. In der-
selben macht lulius Demetrius, der dortige Befehlsha-
ber , ein vom 1 . Phaophf des zweiten Jahrs des Galba
datirtes Decret des Tiberlus lulius Alexander, Präfecten
von Aegypten , bekannt , worin auf eine frühere Ver-
ordnung eben dieses Präfecten Bezug genommen wuxU
Das Datum der letztem scheint auf den ersten Blick
zu sein: trovg TrpwTov Aovkiov Asißiou ^ovkTraciQV Teikßa
Ktturapo; «ßaorotl airoxparopo^ 'E7ri(f)2 ß' ,,im ersten Jahr
*) ®(avd o-eßarfi, 'lov>ia nßag^ und dergleichen Ausdrücke
mehr, die sich auf ägyptischen Monumenten bei Zeitbestimmun-
gen finden, deuten, wie Hr. Letronue S. 166fr. seiner Reche r^
ches befiiedigend auseinandersetzt, an, dafs die Aegjpter^ T\'e-
nigstens unter der Herrschaft der Römer, besondere IXamen für
die einzelnen Monatstage gehabt haben müssen. Man vergleiche
eine Anmerkung von Hm. Böckh zu der oben (123) angeführ-
ten Abhandlung des Hin. Butt mann, S. 105. Bei den alten
Persem fand sich etwas ähnliches.
') Deux Inscriptions Grecques gravees sur le Pj-lone eCun
iemple igyptien dans la gründe Oasis , däcouvertes par M.
Cailliaud, restituees et iraduites par M. Letrontie (Paris 1822).
I. [10]
146 TechniscJie Chronologie.
,,de8 Casav Augiutus Imperator LucIub Liyius Sulpiciiis
,,GaIba am 2.Epiphi." Es kann aber auch der 12.Epi-
phi gelesen werden, wenn das i vor dem ß' zum Da-
tum gezogen wird. Der Todestag des Nero ist nicht
ganz sicher bekannt; doch hat Pagi's Meinung *},
dafs es der 9.Junius 68 n.Chr. gewesen, yiel für sich.
Die Nachricht von der Erhebung Galba's kann also
schwerlich vor Anfang des Julius nach Aegyplen gekom-
men sein. Es ist daher ohne Zweifel der 12. Epiphi
zu lesen, welcher im festen Jalir dem 6. Julius ent-
spricht. Das erste Jahr des Kaisers wird nach ägypti-
scher Weise vom vorhergehenden l.Thoth oder 30. Au-
gust 67 berechnet. Auf keinen Fall kann hier an das
bewegliche Jahr gedacht weixlen, dessen l.Thoth Im
Jahr 68 dem festen um 23 Tage voreilte ^ so dais der
12. Epiphi dem 13. Junlus entsprochen haben würde, wo
zu Alexandria noch keine Verordnung vom ersten Jahr
der Regierung Galba's datirt sein konnte.
Bei dieser Gelegenheit ist zu bemerken, dafs Eckhel
die oben (117) über die in Aegjpten gebrauchliche Zäh-
lungsweise der Kaiserjahre aufgestellte Regel also aus-
drückt: ,,als erstes Jahr eines «jeden Kaisers wird die
„Zeit gerechnet^ die von seinem Regierungsantritt bis
„zum nächsten l.Thoth vei-fliefst, soUte dieselbe auch
,,nur aus weoigen Tagen bestehen.'' Es kommen näm-
lich nicht selten Münzen aus einem und eben demsel-
ben alexandrinischen Jahre vor, das hier als das letzte
eines Kaisers, und dort als das erste seines Nachfolgers
aufgeführt wlixl. So erscheint das elfte des Vespa-
sian zugleich als das erste des Titus, das sechzehnte des
^) CrUica in Annales Baronii ad axm. 68.
Abgypteb* 147
Domitian zugleich als das erste des Nerya, das zweite
des Nerya zugleich als das erste des Traian, das zwan-
zigste des Traian zugleich als das erste des Hadrian, das
zweiundzwanzigste des Hadrian zugleich als das erste des
Antoninus, das vierundzwanzigste des Antoninus zugleich
als das ei-sle des Marcus Aurelius ^) u.s.w. Der Kanon
Ic^t dem Vespasian nur zehn, dem Domitian nur fünf-
zehn, dem Nerva nur ein, dem Traian nur neiinzehn,
dem Hadrian nur einundzwanzig, dem Antoninus nur
dreiundzwauzig Jahre hei. Er schliefst die Regierung
eines jeden Kaisers mit dem beweglichen l.Tholh,
der zunächst yor dem Tode desselben hergeht, ab; die
Münzen dagegen sind allemal so lange nach dem £e-
sten l.Thoth, der dem Tode- eines Kaisei^ vorange-
gangen, unter seinem Namen forlgeprägt worden, bis
die Nachricht von der Proclamation seines Nachfolgers
zu Alexandria anlangte, wo dann dasselbe zugleich als
das erste des neuen Kaisers gestempelt wurde.
Zum Behuf der bequemern Vergleichung der be-»
weglichen Jahre des Kanons mit den festen alexandri-
nischen, welche auf den Münzen erscheinen, stehe hier
nochmals der Theil desselben ^ der die römischen Ln-
pcratoi'en enthält, mit fünf Zahlenreihen, von denen
die erste das Jahr der philippischen Aere, das der Ka-
non als das erste eines jeden aufführt, die zweite das
julianische Datum des beweglichen l.Thoth, die dritte
das des festen l.Thoth, die vierte das Jahr der Stadt
Rom und die fünfte das unserer Zeitrechnung, auf
welches sich diese Data beziehen, angibt.
*) Man sehe den' Abschnitt de numis Jugustorum vulgo
Alexandrinis im vierten Bande dei- Doctrina numorum p. 260*.
[10']
148
Technische Chronologie^
AugUBtUS
Tiberias
Caiiu
Claudius
Nero
Yespasianus
Titu»
Domitianus
Nerva
Traianus
HadriaQus
Aelius Antoninus ....
Bfarcus und Goramodus
Severus . \
Antoninus
Alexander
Maximinus
Gordianus
Philippas
Decius
Gallus
Gallienns
Glaudius
Aurelianus
Probus
Ganis
Diocletianus
295
n.
34. Aug.
338 20. Aug.
14. Aug.
13. Aug.
10. Aug.
6. Aug,
4.Aug,
3. Aug.
30.Jul.
30.Jul.
25.Jul.
20.Jul.
H.Jul.
6.Jul.
30.Jun.
29.Jun.
26.JUII.
25. Jan.
24.Jun.
22.Jun.
22.Jun.
21.Jun.
17.Jun.
17. Jan.
16. Jun.
14. Jun.
13. Jun.
360
364
378
392
402
405
420
421
440
461
484
516
541
545
558
561
567
573
574
577
592
593
599
606
608
m.
30. Aug.
29. Aug.
29. Aug.
29. Aug,
29. Aug.
29. Aug.
29. Aug.
29. Aug.
29. Aug.
29. Aug.
29. Aug.
29. Aug.
29. Aug.
29. Aug.
29. Aug,
29. Aug.
29. Aug.
29. Aug.
30. Aug.
29. Aug.
29. Aug.
29. Aug.
29. Aug.
29. Aug.
30. Aug.
29. Aug.
29. Aug.
IV.
724
767
789
793
807
821
831
834
849
850
869
890
913
945
970
974
987
990
V.
30v.Gbr.
14n.Cbr.
36
40
.54
68
78
81
96
97
116
137
160
192
217
221
234
237
996 243
1002249
1003*250
10061253
1021 J268
IO22I269
1028
1035
1037
275
282
284
Die Todestage der JCalser, so weil sie bekannt sind,
findet man bei Eckhel gesammelt.
Aegypter. 149
In einer zn Rom gefundenen Inschrift wird der
6. Mai ganJE richtig mit dem ll.Pachon der Alexandri-
ner vei^Iichen *), Sie gehört in das Gonsulat des Sex-
tus Erucius ClarusII. und Cn* Claudius Severus, oder
in das Jahr 146 n. Qir.
Unter den Schriftstelleim sind die im zweiten Jahr-
hundert lebenden Ptolem aus und PI utarch die ersten,
die Yom festen Jahr reden. Jener gehraucht in seiner
Schrift Yon den Fixsternerscheinungen das feste
Jahr der Alexandriner, in seinem Almagest das beweg-
liche der Aegypter, beides aus guten Giünden. ,, Ich habe
,, mich, sagt er in der Einleitung zum ersten Werke *), der
,,bei uns Alexandrinern gewöhnlichen Zeiteintheilung be-
,, dient, weil wegen des alle vier Jahre eingeschalteten
,, Tages die Erscheinungen der Fixsterne auf lange Zeit
„an dieselben Tage geknüpft werden könnend ^}. " Dafs
er dagegen in seinem Almagest nach dem beweglichen
Jahr datirt, geschieht de£shalb, weil er die ihm yon
Hipparch und andern seiner Vorgänger überlieferten
astronomischen Beobachtungen mit demselben verbun-
den &nd. Da es zu seiner Zeit in Aegypten noch sehr
gebräuchlich sein mufste, so wäre es eine undankbai*e
Mühe gewesen, wenn er die Beobachtungen auf eine
*) Grut. Thes. InscripU p. 314 no. 2.
') S. Fahricii Bihl. Gr. Tom. HI. p. 429 d. a. A. und den
ersten Band ?on Hrn. Halma^s Zugabe zu seiner Ucbersetzufig
des Almagest S. 18. In Petavii Üranologium fehlt die
Einleitung.
^) Die Stelle lautet, von Hrn. Buttraann emendirt, also:
vr^g inl noXvv ^povov ^vvooSm ruq avxcig ^oo-it^ xatg Sfiutw^oLq rifii'
pai( u( M nSv ixXajAßuvto'Bat.
160 Techniscfie Chronologie.
später eingeführte Jahrfonn hätte reducireii wollen. Auch
würde es ihm an einer Aere gefehlt hahen, an die er sie
nach der Reduetion hätte reihen können. Durch das
xar' Aiyiwrrwug, nach den Aegyptern, das er immer
vor den Monatsnamen setzt, will gc zu erkennen ge-
ben, dafs er das. bewegliche Jahr der Aegypter, nicht
das feste der Alexandriner meint. Theon unterschei-
det beide in den oben (142) citirten Stellen durch xar'
AiyvTnrCovg und kolt' 'AX^^avip(ag.
Plutarch führt in seineni Werk die Iside et Osi^
ride die ägyptischen Monate öfters imd ganz unzwei-
deutig als Monate eines festen Jahrs auf, z. B. c. 13,
wo er vom Athyr sagt,' dafs die Sonne in ihm den
Skorpion dm-chlaufe. Er begeht aber dabei einen dop-
pelten Fehler; einmal den, dafs er die ägyptischen Feste
und Mythen an die festen Monate der Alexandriner
knüpft, mit denen sie nichts gemein haben (man ver-
gleiche die oben S. ^5 angeführte Stelle des Geminns) ;
dann den, dafs er diese Monate zu Mondenmonaten
stempelt, und eben so, wie bei den griechischen, von
einer TputKog des Epiphi spricht, an welcher Sonne und
Mond in G)njunction kommen sollen (c. 52.). Seal ige r
tadelt ihn defshalb mit Recht ^). Auch in dem oben
(97) erwähnten Epigramm der Anthologie sind die
Monate des festen Jahrs gemeint, wie am deutlichsten
aus dem letzten Verse erhellet:
Kai M£a'opl HbCKoio ^ipu il>va'S^ooy v&wpy
,,und der Mesori bringt das belebende Wasser des Nil. "
Zu Gensorinus Zeit (in der ersten Hälfte des
dritten Jahrhunderts) scheint das bewegliche Jahr, we-
*) Emend. temp. L IV. p. 237.
Aegypte.r. 151
nigslens aufser Alcxandrien, noch in Aegypten voi^e-
herrscht zu haben; denn, ohne das feste zu erwöhnen,
sagt er von den Aegyptern *): eonim annus civilis so^
los Itabet dies CCCLXV sine ullo intercalari. Das be*
wegliche mufste sich in der That so lange behaupten,
als sich die christliche Religion noch nicht über das
ganze Land verbreitet hatte, weil es auf das innigste
mit dem alten Cultus verknüpft wai\ Daher konnte
auch das feste anfangs nur in dem von Griechen be-
wolinten Alexandrien Wurzel fassen. . Doch leidet es
keinen Zweifel, dafs es gleich bei der römischen Be-
sitznahme des Landes in Gebrauch gekommen, auch
sehr bald das gesetzliche, in den Akten der Regieiiing
und auf Münzen allein übliche gewoi'den ist. Natüi--
lieh gewann es daduix;h allmählig Spielraum. Nach*
drücklicher indessen, als die Verwaltung^ des Landes,
mufste die christliche Religion, die sich begreiflicher*
weise nicht mit dem beweglichen Jahr vertrug, auf die
Verbreitung des festen einwirken. Schon seit dem drit-
ten Jahrhundert wird dasselbe von Clemens Alexan-
drin us und andern in Aegypten lebenden Kirchen-
scribenten häufig erwähnt. Epiphanius, der in der
letztern Hälfte des vierten zu Salamis in Cypern schrieb,
bezeichnet die alexandfinischen Data, die er anführt,
blofs mit einem xar' AtyuTn-ibug, nach ägyptischer
Rechnung ^), zum Zeichen, d^is zu seiner Zeit von
einer Verwechslung derselben mit den altägypüschen
nicht mehr die Rede sein konnte. Mit dem Anfange
des fünften Jahrhunderts endlich scheint das bewegliche
*) c. 18.
*) Haeres. LI. c.24. p. 446, 47 ed.PeUiv.
152 Technische Chronologe.
Jahr völlig In Aegypten erloschen zu sein; wenigstens
kennt der damals lebende Macrobius schon kein an-
deres mehr, als das feste *).
De la Nauze will schon beim Plinius alexandri-
nische Data finden *). Dieser sagt, wo er von der
Schiffahrt zwischen Aegypten und Indien redet ') :
Ex India renavigant mense Aegyptio Tjhi incipiente,
npsfro Decembri, out utique Mecluris Aegyptü intra
diem sextum, quod fit intra Idus lanuarias nostras.
Hier meint nun der französische Gelehrte müsse von
festen Monaten die Rede sein , und um den 6. Mechir
mit dem 13. Januar zusammenzubringen, stellt er die
sonst durch nichts begründete Hypothese auf, die
Alexandriner hätten ihr Jahr bis auf die Zeit des
Plinius mit dem 11. August angefangen, und den
l.Thoth nachmals um 18 Tage weiter hinausgeschoben.
Es ist aber natürlicher anzunehmen, da(s Plinius von
beweglichen Monaten spricht und den 6. Mechir der
damaligen Stellung des 1 . Thoth gemäfs mit den Idus
des Januars vei^lichen hat, vielleicht ohne zu wissen,
dafs der Anfang des ägyptischen Jahrs im römischen
seine Stelle ändert. Ist diese Voraussetzung richtig, so
muis er, oder derjenige, von dem er die ganze Notiz
entlehnt hat, in einem der Jahre 48, 49, 50 oder 51
n.Chr. geschrieben haben, wo der l.Thoth mit dem
11. August zusammentraf.
Ob aber gleich beim Plinius noch keine alexan-
drinische Data vorkommen , so leidet es doch keinen
*) Saturn. I, 12 TerglicKcn mit 14,
') Mdmoires de VAcad. des InscripL Tom. XVI. p. 179 ff.
') H. N. Vi, 26.
Aegtpteb. 163
Zweifel, da£i diese ZeitrechnuDg schon viel frülier im
Gebrauch war. Wir können selbst durch G)nibination
das Jahr und die Umstände ihrer Einführung ausmit-
teln, wenn uns auch kein Schriftsteller ausdrücklich
darüber belehrt.
Augustus, noch Octayianus genannt, siegte
über Antonius und Cleopatra bei Actium am 2. Sep-
tember a. ü. 723 oder 31 v.Chr. ^), und folgte hier-
auf den Besiegten nach Alexandrien. Am I.August,
oder, wie der Monat damals noch hiefs, Sextilis, des
folgenden Jahrs wollte ihm Antonius unter den Mau-
ern dieser Stadt eine Schlacht liefern ') ; allein seine
Flotte ^verliefs ihn und er tudtete sich. Es ist wabx^
scheinlich, dafs die Stadt noch ^ demselben Tage über-
ging, und wirklich liest man auf einem alten Marmor
aus der Zeit des Claudius (im CcJendariiun AnUor-
tinumj : K* (Kalendis) Aug Aug. Alexandr, rece-
pit ^). Aegypten ward nun noch im Verlauf des Au-
gusts eine römische Provinz, wie aus dem uns von
Macrobius ^) aufbewahrten Senatusconsult hervor-
geht , wodurch verordnet wird , dafs der Sextilis hin-
fort nach dem August benannt werden soll, unter an-
dern quia Aegyptus in potestatem populi Romani hoc
mense redacta.
') Dio Cassius 1. LI. im Anfange.
') Orosius, Hist. VI, 19.
^) S. Camera ed inscrizioni sepulcrali de^liberii, servi ed
ufficiaU della casa di Jugusto, con annolazhni di Franc.
Bianchini (Rom. { 726, fol.) auf der Kupfertafel am Schlufs. Auch
S. 112 der Ton Foggiai veranstalteten Sammlung: Fastonim
anni Romani a Ferrio Flacco ordinatorum reliquiae (Rom
1779, foL). .
*) Saturn. 1,12.
154 Technische Chronologie.
In einem andern von Dio Cassius erwäbnten
Senatusconsult wird festgesetzt , dafs der Tag, an wel-
chem Alexandrlen eingenommen worden, ein heiliger
sein und den Einwohnern ins künftige zur Epoche ih-
rer Jahrrechnung dienen soll *)• Diese Verordnung
wurde von den Alexandrinern dahin befolgt, dafs sie
zwar den Tag, an welchem ihre Stadt übergegangen,
gefeiert, den Anfang ihres Jahrs aber auf das römische
Datum verlegt haben, mit welchem der nächste l.Thoth
der Aegypter zusammentraf. Hier sind die Beläge.
Alten von Scaliger *) citirten Martyrologien
zufolge hat Eudoxia, Gemahlin Theodosius des jun-
gem , Petri Kettenfeier auf den 1 .August angeordnet,
um die Alexandriner von dem heidnischen Pomp ab-
zubringen, womit sie jährlich an diesem Tage den
von August über Antonius imd Cleopatra erhaltenen
Sieg feierten. Es kann nur der zwj^ite Sieg gemeint
sein, den August an dem ersten des von ihm benann-
ten Monats unter den Mauern Alexandriens gewann,
und die Nachricht ist defshalb nicht mit Scaliger zu
verwerfen, weil die Schlacht bei Actium nicht am 1 . Au-
gust Statt gefunden hat. In so weit thaten also die
Alexandriner , was ihnen obiges Senatusconsult gebot ;
aber sie machten nicht den I.August des Jahrs 30 v*
Chr., scmdern erst den folgenden l.Tholh zum An-
fange ihrer neuen Jahrrechnung.
Wir finden nämlich bei Ptolemäus und Gen-
sorinus Jahre August's erwähnt, die mit dem
*) 1. LI. c. 19, p.650. Die Woi-te lauten ako: Tijy ij^apaw
4y ij i5 'AXigav^ptitt kdXta^ aya^v Tt tXvai *al ig to hnira Jnj ap-
') Emeitd. temp. 1. V. p. 495.
Aegtpter. 166
l.Thotb des Jahrs 30 v.Chr. heginnen. Die hieher
gehörige Stelle des erstem Ist hereits ohen (116) ange-
führt worden. Wie man daraus ersieht, macht er den
l.Thoth des 719ten Jahrs seit Nabonassar, der dem
31. August des gedachten Jahrs v.Chr. entsprach, zur
Epoche des ersten Regierungsjahrs des August. Er ver-
bindet diese Jahrrechnung mit beweglichen ägyptischen
Jahren, so wie auch der RegentenLanon , der die
Intervalle zwischen Nabonassar, Philipp und August
ganz übereinstimmig mit ihm angibt^ Gensorlnus
redet ^) von zweierlei Jahren des August. Die anni
Augustorwn der Römer nahmen, wie er sagt, mit dem-
jenigen Jahr ihren Anfang, wo Octavianus den Namen
Augustus erhielt , se VII et M» Vipsanio Jgrippa III
Coss. , d. i. 27 V. Chr. Das Jahr 238, wo er schrieb,
war seiner richtigen Angabe nach das 265ste dieser rö-
mischen Aere. ScdAegyptii, fährt er fort, quod bien-
nio ante in potestatem diiionemgue popuH Romaru *ve-
nerunt, habent hunc Augustonun annum CCLXVII*
Das 268ste Jahr der alexandrinischen Aere Au-
gust's mufste 238 n.Chr. entweder mit dem bewegli-
chen l.Thoth am 2S.Junius, oder mit dem festen am
29. August anfangen, je nachdem es beweglich oder fest
war. Da nun Censorinus im 986sten Jahr Nabo-
nassars, welches mit dem 25. Junius begann, also nach
diesem Datum geschrieben zu haben versichert, und
doch erst das 267ste ögyptlsche oder vielmehr alexan-
di*lnlsche Jahr August's zählt , so sieht man , dafs dies
ein festes sein mufste, und zugleich, dafs er obige Worte
zwischen dem^ 25. Junius und 29. August geschrieben
*) c- 2i.
156 Technische Chronoiog/e.
hat. Mit dem biennio mufii man es übrigens nicht
ganz genau nehmen« Vom 1. August 30 y. Chr. , wo
Alexandrien an die Römer überging, bis zum 1 . Januar
27, wo die römische Acre der Jahre August 's ihren An-
fang/nahm, sind fast dritthidb Jahre verflossen.
Dies sind bis auf den Araber Abu MhassanKusch-
jar, dessen Worte unten in der arabischen Zeitrech-
nung beigebracht und erläutert werden sollen, die ein-
zigen Autoren, die der alexandr inisehen Aere
Augustes gedenken. Sie scheint nicht im büi^erlichen
Leben, sondern, einer bald zu citirenden Stelle des
Theon zufolge, blols von den Chronologen bei Yer-
gleichung alexandrinischer und ägyptischer Data ge-
braucht zu sein. Scaliger *) legt ihr den Namen
der ak tischen bei ; die Benennung ist aber nicht schick-
lidi gewählt, da sie erst ein Jahr nach der Schlacht
bei Actium ihren Anfang genommen hat. Für uns ist
sie in so fem yon Wichtigkeit, als sie zeigt, dafs die
Alexandriner nicht, wie ihnen geboten war, ihre Jahre
vom 1 . August 30 v. Chr. , sondern erst vom Anfange
des nächstfolgenden Thoth gerechnet haben.
Da aber Aegypten, wie wir gesehen, noch im Ver-
lauf des Augusts eine römische Provinz ward, so schei-
nen die Alexandriner hier von der obgedachten in Aegyp-
ten sonst gebräuchlichen Weise, die Jahre der Regen-
ten von dem ihrem Regierungsantritt zunächst voran-
gegangenen 1. Thoth zuzählen, abgewichen • zu sein.
Es ist indessen nicht nöthig, eine solche Anomalie vor-
auszusetzen, wenn wir nur annehmen, dafs Cleopatia
den Antonius noch um einen ganzen Monat überlebt
*) Emend. temp. 1, V. p. 454, 455.
Abgtptbb. 157
hat, was in der That sehr wahrscheinlich ist. Sie ord-
nete ihm ein prachtvolles Leichenb^jängnifs an; sie
wurde von einem Fieber befallen, während dessen sie
sich durch Hunger zu tÖdten suchte; sie buhlte um
die Gunst August's, der ihr einen Besuch abstatlele,
und tödtete sich nicht eher, als bis sie erfuhr, dals er
sich zur Abreise nach Rom anschicke und sie mit sich
füihreii wolle, um durch sie seinen Triumph zu ver-
herrlichen. Hierüber kann füglich der l.Thoth her-
angekommen sein, und ist dies der Fall, so gehörte
nach dem bei den Aegyplem und im Regentenkanon
befolgten Princip der August ihr an.
Es fragt sich, warum die Alexandi-iner ihre festen
Jahre nicht mit dem 31. August, auf den der l.Thoth
ihres ersten Jahrs traf, sondern zwei Tage früher mit
dem 29. August angefangen haben? Man hat gesagt,
sie haben ihre nach der römischen gemodelte Jahrform
nicht gleich im ersten Jahr des August, sondern erst
fiinf Jahre nachher angenommen, als der l.Thoth auf
den 29. August überging, so da& die ersten fünf Jahre
ihrer neuen Acre beweglich waren, und erst das sechste
ein festes wurde. Diese Hypothese, die Des-Vigno-
les ^) und andere Chronologen für eine ausgemachte
Wahrheit nehmen, scheint sich durch folgende Stelle
aus dem Commentar des Theon über die Hand-
tafeln des Ptolemäus zu bestätigen, wo es heilst '} :
*) ChronoL de FhisU sainte Tom. 11. p. 706.
^) S. 30jßf. der oben (109) gedachten Ausgabe. Diese für die
Ghi-onologie wichtige Stelle hatte schon früher D od well im
Anhange zu seinen Dissertationes Cjjfrianicae p. 106 ff. nach ei-
ner Oxfordei* Handschi-ift mitgetheilt.
168 Technische Clironologie.
„Da das Jahr der Griechen oder Alexandriner 365-^ Tage
,,hält, das der Aegypter aber blofe 365, so eilt letzte-
„res dem erstem alle vier Jahre um einen Tag und in
„ 1460 Jahren um 365 Tage, d. i. um ein ganzes ägyp-
,,tisches Jahr, yor. Dann fangen die Alexandriner und
,, Aegypter ihr Jahr wieder zngleich an.— Diese Rückkehr
^^ — cj7roxaTaVao-t$ — des beweglichen Thoth zum festen
„fand aber im fünften Regierungsjahr August's Sutt,
,,so dafs von dieser Zeit an die Aegypter wieder jähr-
„lieh einen Viertel tag antipicirt haben *)." Er grün«-
det hierauf eine einfache Regel zur Verwandlung des
festen alci:andrinischen Datums in das bewegliche ägyp-
tische, die er durch folgendes Beispiel erläutert. Es
sei der 22ste alexandi*inische Thoth des 77sten Jahrs
der diokletianischen Acre auf die ägyptische Zeitrech-
nung zu reducircn. Das Intervall zwischen August und
Diokletian ist 313 Jahre; das 77ste diokletianische ist
folglich das 390ste seit August. Zieht man hiervon
ans obigem Grande 5 ab und dividirt den Rest durch
4, so erhält man den Quotienten 96, welcher zu er-
kennen gibt, dafs seit dem fünften Jahr August's der
bewegliche 1 . Thoth dem festen um 96 Tage voi^ecilt
ist. Man muls also vom 22. Thoth der* Alexandriner
^) Aus diesen Worten, besondei-s aus dem anoiundg-aa'iQ und
itiXiVf scheint zu folgen, dafs Theon dem festen Jahi* der
Alexandriner ein Lobes Alter beilegt. Aber nicht zu gedenken,
dafs er hieiin mit aller Geschichte im Widerspruch stehen würde,
liegt wol in seinen Worten weiter nichts, ^s dafs ihm der 29. Au-
gust, der Neujahrstag der Alexandriner, fiir einen festen Punkt
gilt, wohin der bewegliche 1. Thoth alle 1460 Jahre zurückkehrt,
und wo er sich schon 1460 Jahre Tor August befand, so wenig
auch die Epoche damals schon eine bürgerliche wai*.
Aegtptbr. 169
96 Tage oder 3 Monate 6 Tage weiter zählen und' gelangt
so zum 28.Choiak der Aegypter» Um diese Rechnung
seinen Lesern ganz zu ersparen, gibt er ein schätzbaix»
Yerzelchnlis der römischen Consuln von 461 bis 696
der philippischen Acre ^), oder von 138 bis 372 n. Chr.^j,
das er mit vier Zahlencolumnen begleitet. In der er-
sten steht das Jahr seit Phillppus und In der zweiten
das seit August, In dessen Verlauf die beigesetzten Con-
suln ihr Amt angetreten haben. Die dritte mit der
Ueberschrift Epakten — Izraitrai tjtol ^jmßoXijuioA — ent-
hält die Quotienten obiger Division , z. B. 96 neben
dem Jahr 390 des August, und die vierte, vierjäh-
rige Perioden — rerpatnjpC&sg — überschrieben, die
mit den Quotienten zusammengehörigen Reste oder die
Yierteltage, um welche ausser den ganzen Tagen In der
dritten Golumne der Anfang des ägyptischen Jahrs vor-
gerückt ist.
Aus dieser ganzen Anweisung zur Reduction der
alexandrinischen Data auf ägyptische folgt nun aber wei-
*) Dod^ell hat dasselbe a". a. O. S.98ff. abdrucken lassen.
Auch findet es sich in Theodor lanson's Fastis Romanorum
consularihus unter dem Titel Fasti Graeci ex cod, maauscr,
bibliothecae Mediceae p. 521 ff. der zweiten Ausgabe.
^) Man kann fragen, warum er gerade mit den Consuln des
Jahrs 891 der Stadt, i38 n.Chr., angefangen habe. In diesem
Jahr kam Antoninus zur Regierung, und im folgenden cmeucte'
sich die Hundsstei-nperiode (128J, welche Epoche den Aegyptern
Ton besonderer Bedeutung gewesen sein mufs. Man vergleiche
Barth^lemy^s Abhandlung über die astrologischen unter An-
tonin in Aegypten geschlagenen Medaillen. Mffm. de VAcad, des
Inscr. Tom. XLI. Yielleicht gab es auch eine ähnliche Tafel
von dem damab lebenden Ptolemäus, an welche sich die von
Theon anschlois.
160 Technische Chronologie.
ter nichts, als ynA wir ohnehin schon wissen, dafs der
bewegliche l.Thoth der Aegypter erst nach dem fünf-
ten Jahr AuguBt's, nämlich im sechsten bis neunten,
mit dem l.Thoth des festen alexandrinischen , dem
29. August, übereingestimmt hat. Wie der feste l.Thoth
zu dieser Stellung gekommen ist, bleibt immer diie
Frage, die sich sehr natürlich durch folgende Hypothese
beantworten läfst.
Solinus uudMacrobius haben uns die Notiz auf-
bewahrt ^), da(s die unwissenden Pontifices, denen nach
Cäsar^s Tode das Geschäft der Einschalttmg nach wie
vor überlassen blieb, das Bissextum (den Schalttag)
schon im dritten Jahr, statt im vierten, einführten,
und auf diese Weise, von niemand controlirt, 36 Jahre
fortfuhren , wo endlich August daran dachte , das Yer-
sehen wieder gut zu machen. Es wurden nun zwölf
Jahi^ hintereinander ohne Einschaltung gei^echnet, wo-
durch die drei überschüssigen Tage ausgemerzt und der
richtige jtdianische Kalender wieder hergestellt wurde.
Das Jahr der Kalenderverbesserung Cäsars, 45 v.Chr.,
war ein Schaltjahr. Es hätten also die Jahre 41 , 37,
33 , 39 . ^ Schaltjahre werden sollen ; die Pontifices
machten aber die Jahre 42 , 39 , 36 , 33 , 30 . . dazu.
Hieraus folgt, dafs nach dem Bissextum des Jahrs 30
die Abweichung bereits zwei Tage betrug, indem da-
mals zum sechstenmal eingeschaltet wurde, statt dafs
erst im folgenden Jahr zum fönftenmal hätte einge-
schaltet werden sollen *). Aus .dem 31. August des
*) Pofyh, c.l. Salurn. 1,14.
') Unten in der römischen Zeitrechnung werden wir auf die-
sen Gegenstand noch einmal zurückkommen.
ASGTPTER. 161.
richtigen jtilianischen Kalenders wurde mithin der 29ste
im verschobenen, und der l.Thoth der Aegypter, der
eigentlich dem 31. August entsprach, rückte um swei
Tage vor. Da also die Römer, die sich zu Alexan-^
drien befanden , am 1 . Thoth der Aegypter erst den
29. August zahlten, so machten die Alexandriner diesen
Tag zur Epoche der Acre August's und zum Neujahrs^
tage ihres festen nach dem julianischen gemodelten Jahrs,
indem sie, als August den julianischen Kalender recü-
ficirte, ihr Schaltwesen so ordneten, dafs der l.Thoth
mit dem 29. August verbunden blieb, so wie sie den
I.August, ab den Tag, an welchem ihre Stadt an die
Römer. übergegangen war, festlich begingen, ungeach-
tet der richtige Kalender schon den dritten zählte.
Auf diese Weise lassen sich alle Schwierigkeiten, die
man hierbei gefunden hat, ganz einfach beseitigen.
Zugleich liegt in dieser ganzen Darstellung der Beweis,
dafs die alexandrinische Zeitrechnung schoi^ im Jahr
30 v.Chr. eingeführt sein müsse.
Es ist schon (1S6) bemerkt worden, dais die Acre
August's von den Aegyptern nicht gebraucht zu sein
scheine. Sie behalfen sich im bürgerlichen £eben un«
ter den römischen Imperatoren, so wie früherhin un-
ter den Ptolemäem, mit den Regentenjahren, die sie
auf den Landesmünzen angegeben fanden. Erst spät
fühlten sie das Bedürfnifs einer festen Jahrrechnung,
die sie nun, man weifs nicht genau bei welcher Ver-
anlassung, in der diokletianischen erhielten.
Eutröpius sagt ^) : Diocletianus obsessum Jle&pan"
driae AchiUeum octavo fere mense superavit^ eumque
*) Breviar. hist, Rom. DC,23 (nach andern Ausgaben 15).
i. [11]
162 ' Technische Chronologie.
inierfecit: vidoria aoerbe usus est, totam Aegjrptum
grmnbus proscriptionibus caedibusque Jbeda^^it. Ea
tarnen occcisione ordinavit pixmde muka et disposuit,
quae ad nostram aetatem manent. Man ersieht hier-
aus, dafs sich Diocletian Yerdiensle um die Aegypter
erwarb, die sie leicht veranlassen konnten, ihre Jahre
auch über seinen Tod hinaus nach seinem Regierungs-
antritt zu zählen, wozu sie um so geneigter sein mufs-
ten, da die seit dem dritten Jahrhundert n.Chr. so
häufigen Regierungswechsel das Rechnen nach Regen-
tenjahren sehr unbequem machten, und da mit sei-
nem fünfzehnten Regierungsjahr, so viel bis jetzt be-
kannt ist, die Reihe der alezandrinischen Kaisermün-
aen mit griechischer Schrift ,• wodurch ihnen die Jahre
gewissermafsen zugezählt wurden, gänzlich erloschen
ist ^). Das Meiste haben aber ohne Zweifel zur Ein-
führung der nach ihm benannten Acre die Christen
beigetragen. Bekanntlich verhängte er eine furchtbare
Verfolgung über sie, deren Anfang Eusebius an sein
neunzehntes Regierungsjahr knüpft '). Um das An-
denken derselben zu erhalten, scheinen nun die ägyp-
tischen Christen, die nicht lange nachher durch den
Uebertritt Gonstantin's zu ihrer Religion die herrschende
Partei im Lande wurden, ihre Märtjreräre gebildet
zu haben; denn dies Ist der Name, den die diodetia-
nische Jahrrechnung bei den Kopten und im ganzen
Orient führt. Abu 'Ifaradsch sagt ganz richtig ^):
«) Eckhel Voctr. Num. Vol. IV. p.97.
») Hist. eccL Vin,2. Vergl. Orosius Hist, VH. 25, wo
die Dauer seiner Regierung auf 20 Jahr und das Endei derselben
in das zweite der Verfolgung gesetzt wird. .
^) HisL Dynast, p. 133 des arab. Textes.
Abgtpter. 163
„Mit dem ersten Jahr' Diocietian's fängt die Aere ain,
,,xiach der die Kopten datiren, die sie die Märtyrer-
,,äre nennen." Wenn er aber hinzusetzt, der Name
sei Ton denen entlehnt , die in diesem Jahr den Miir*
tyrertod starben, so irrt er. Einen andern Fehler be»
geht Ignatius, Patriarch von Antiodiien, ¥Fenn er in
einem ai^abischen Schreiben an Sca liger ^) sagt, dieAese
habe mit dem neunzehnten Jahr Diocietian's, wo die
Yerfblgung ausgebrochen, ihren Anfang genommen.
I^ach dem Princip, das die Aegypter bei der Zäb*
lung dör Jahre ihrer Regenten beobachteten (1 17), kommt
es, um die Epoche der Aere Diocietian's zu erbaltm^
niii* darauf an, das Datum seines Begieningsantritts
auszumitteln. Hierüber belehrt uHs das Chronicon Pär
schale^ das beim Consulat des GarinusII. und Nume^
rianos, d. i. beim Jahr. 284 unserer Zeitrechimng, sagli
,,Diocletian, am 17« September zu Chalcedön prodamirt,
,,zog am 27sten deä^lben Monats init dem Purpur in
,, Nicomedia ein, und wurde am I.Januar Gonsol ^}."
Die Epoche der nach ihm benannten Aere ist also ent-r
weder der 13. Junins oder der 29. August des Jahrs
284 n. Chr., je nachdem wir sie mit beweglichen oder
festen Jahren, in Yerbindung bringen. Zu Tbeon's
Zeiten, um die Mitte des vierten Jahrhunderts, scheint
noch beides in Aegypten 'geschehn zu sein, wie aus der
ersten der beiden oben (142) angeführten BeobadiUiiH'
gen erhellet^ welche vollständig, also datirt ist: ,,Sie
*) Emend. temp. LV. p*496.
nop^pl^off xal KaXeiv^aii 'lavovaplcuQ itpoip^^tv Snaro;. P. 274 der
Ausgabe in der pariser Ssmnilung da* Script. Hist, Bjrzantinae.
[11*1
164 Technische Chronologie.
„ ist angestellt worden nach den Alexandrinern im Slstea
„Jahr Diodetians am 29.Ath7r, nach den Aegyptem
,,in demselben Slsten Jahr oder im 1112ten der
,,nabona8sari8chen Aere am 6. Phamenoth. " Dies ist
aber auch die einzige Spur einer Zusammenstellung der
diodetianischen Aere mit beweglichen Jahren. Es ward
in Aegypten' gewüs bald allgemein gebräuchlich, nur
von festen Jahren dieser Aere zu sprechen, und so
haben wir zur Epoche der diodetianischen Aere
den 29. August 284 n.Chr.
Soll nun ein an dieselbe geknüpftes Datum auf
unsere Zeitrechnung gebracht werden, so hat man,
wenn man zur Jahrzahl 283 addirt, zuvörderst das
Jahr unserer Zeitrechnung, auf welches der Anfang des
diodetianischen trifil. Dann dividire man entweder
die diodetianisdie Jahrzahl oder die unsrige durch 4,
und sehe, ob im ersten Fall der Rest der Division 0
und im letztem 3 ist. Beides gibt den 30. August (lir
den l.Thoth, der bei einem andern Rest dem 29sten
entspricht. Endlich wende man die erste der beiden oben
{143 und 144) mitgetheilten Reductionstafeln an, und
nehme, wenn das ägyptische Datum über den S.Tybi
hinausgeht, das folgende Jahr unserer Aere. Kommt
man über die gregorianische Kalenderverbessemng hin-
aus, so muis man noch die Verschiedenheit des alten
und neuen Suis berücksichtigen. Hier sind einige Bei-
spiele zur Erläuterung dieser Regel.
In dem Briefe des Ambro sius an die Bischöfe der
Provinz Aemilia ^) wird die bekannte Osterregel: Si
quarta decimä luna (der OsteryoUrnond) in Dominicain
^) ^PP) '^<xaL* n. p. 880 nach der Ausgabe det* Benedictiner.
Aegypter. 166
inciderity in aheram hebdomadam celebritas paschae
est differenday durch einige von seiner Zeit entlehnte
Fälle als wirklich befolgt dai^stellt. Es heifst: Octo--
gesimo et nono anno ex die imperii Diocletiani, cum
quarta decima luna esset nono Kalendas Aprilisy nos
celebmuimus pascha pndie Kalendas ApriUs, Atexanr-
drini quoquß et AegypiUy ut ipsi scmpserunt, cum in^
cidisset quarta decima luna ^igesimo et octavo die
Phamenoth mensis, celebnn^runt pascha quinto die
PharmutJu mensis , quae eßt priäie Kalendas Aprilis,
et sie conyenere nobiscum. Diese Data sind alle rich-
tig. Das 89ste Jahr Diodetian's fing 372 n. Chr. am
29. August an. Der Osteryollmond . traf im Jahr 373
auf den 24. März, dem der 28. Phamenoth entsprach,
und da dies ein Sonntag war, so wurde die Oslerfeier
nach obiger Regel am 31. März oder 5.Pharmuthi be^
gangen. Weiterhin heilst es : Septuagesimo sexio anno
ex die imperii Diocletiani ofigesimo octavo die Phar^
mutlU mensis, qui est nono Kalendas Maii, domimr-
com paschae celebnwimus sine ulla dubitatione maio-
nun. Das 76ste diocletianische Jahr fing 359 n.Chr.
am 30. August an, und der 23. April 360 stimmt rich-
tig mit dem 28.Pharmuthi überein. Dies ist übrigens
das frühste Jahr der diocletianischen Aere, das sich ir-
gendwo erwähnt findet.
Paulus Alexandrinus lehrt in seiner Einlei-
tung in die Astrologie — a^rorcXEo-juarixif — wie man
erkennen könne, welchem Gott jeder Monatstag ange-
hört, d. i. welcher Wochentag jedem Monatstage ent-
spricht; und hier sagt er ^), der Tag, an welchem er
*) Auf dem 288ten Blatt der Ausgabe Wittenberg 1588, 4.
166 Technische Chronologie.
dieses schreibe, ein Mittwoch , sei der 20.Mediir des
94steii Jahrs der diocletiani sehen Acre — irro
^umk-rirmdo. Es findet sich der 14. Februar 378 n.C3ur.,
welcher wirklich ein Mittwoch war.
Von den sieben Beobachtungen, die ein gewisser
Theios ums Jahr 500 unserer Zeitrechnung zu Athen
angestellt, und Bullialdus aus einer Handschrift der
pariser Bibliothek in seiner Astronomia Philolaioa mit*
getheilt hat, lautet eine also^): „Ich sah die Planeten
,,Mars und Jupiter einander berühren in der Nacht
„vom 6. sum T.Pachon des 2l4tea Jahrs der diocle-
„tianischen Aere eine Stunde nach Sonnenuntergang."
Die Reduction gibt den Abend des 1 . Mais im Jahr
498 n.Chr.
Wollte man ein Datum unserer Zeitrechnung auf
die alexandrinische bringen, so ziehe man yon unserer
Jahrzahl 283 oder 284 ab, je nachdem das gegebene
Julian Ische Datum entweder den vier letzten oder den
acht ersten Monaten des Jahrs angehört« Der Rest
gibt das dlodetianlsche Jahr, das entweder am 29sten
oder 30. August anfängt. Hat man dann untersucht,
welches yon beiden Datis gilt (164), so bedient man
sich der zweiten obigen Yerglelchungstafel (144). So ent-
spricht der 17. Oktober neuen oder S.Oktober allen Stils
1824 dem 8. Phaophi 1541 der dlocletlanischen Aere.
Verschiedene Gelehrte haben die Meinung aufge-
stellt, dafs das feste Jahr bei den alexandrinischen Grie-
chen schon seit Ihrer ersten Niederlassung in Aegjpten
im Gebrauch gewesen sei. Besonders hat sich de laNauze
in der zweiten Abtheilung seiner Histoire du Cakndrier
•) 1. Vni. p. 326.
Aegypter« 167
£gyptien *) bemübt, diese Hypothese bu begrünclen und
über jeden Zweifel zu erbeben. Seine Hauptgewähr»*
manner sind Dio Gassius und Macrobius. Der
erste drückt sieb *) über lulius Cäsar's Kalenderre*
form also ans: ,ySie war eine Frucht seines Aufent*
f^halts in Alexandrien, nur dafs man dort jedem Monat
,,30 Tage beilegt und dann zum ganzen Jahr fünf Tage
,, hinzurechnet, dahingegen Cäsar sowohl diese Tage,
,,als auch die beiden» die er dem einen Monat (Februat)
„abnahm, auf die Monate yertheilte. Den Tag aberi
,,der durch die yier Viertel gebildet wird»
„schaltete er alle vier Jahre gleichfalls ein" —
njy fdnoi fiCa» tijV Ix tSv TtrapTVjiicpw» ovfurkripovfjArpf
duoL rtu-Q-dpwf xal avrog iH&f hn^ysy. Beim Macrobius
beiist es von lulius Cäsar ^): Imitaius ytegyptios,
solos diyinanun rerum omnium conscios, ad rmmenun
soUs, qui eUebuf singulis trecentis sexaginta quingue
et quadrante ci^sum conficü, tmnum dingere contendiU
Hier hält nun de la Nauze das hoI avrog ifftfyayvf und
das iniäatus AegyjHios für seine Meinung entscheidend.
Es ist aber dagegen zu erinnern: 1) beide Schriftstd«
1er sind von dem Gegenstande, wovon sie sprechen,
wenig unterrichtet« Der erste schliefst mit der schon
oben (134) berührten Bemerkung, dals man nach Cäsar
alle 1461 Jahr einen Tag zu wenig einschalte, da doch
in diesem Zeitraum 1 1-|- Tage zu viel eingeschaltet wer-
den. Der andere kennt das bewegliche Jahr der Aegyp-
') M^m. de VAcad. des Inscript. Tom. XVI. p. 172 ff. Die
61*916 AbtheiluDg steht im 14t6n Bande.
') HUi. XLm, 26, p. 360.
') Saturn. I, 14.
168 Technische Chronologie.
ler gar nicht. Anni certus modus apud solos sempcr
Aegyptios ßdty sagt er ^) ; atiarum gentium dispari nu-
mero, pari errore nutabat. Was dies für ein certus
modus sei, sagt er an einer andern Stelle mit folgen-
den Worten ') : Aegyptii menses tricenum dierum onmes
habaU, eoque expUcitis duodecim mensibus, id est tre-
centis sexaginta diebus exactisy Urne inter ^ugustum
atque Septembrem reliquos quinque dies anno suo red--
dunt, adnecientes quarto quoque anno ea;acto interca-
laremy qui ex quadranUbus conßt. Auch das inier
Augustuni atque Septembrem ist nicht ganz richtig aus-
gedrückt'). 2) Beide konnten leicht zu der irrigen
Vorstellung yeranlaist werden, dals Cäsar das alexan-
drinische Jahr kopirt habe. Er hatte sich in Aegypten
aufgehalten, wo man seit langer Zeit mit dem Yier-
teltage bekannt war, und bei seiner Verbesserung des
römischen Jahrs den alezandrinischen Mathematiker
Sosi genes zu Rath gezogen. Die Alexandriner ge-
brauchten mit einigen Aenderungen die von ihm einge-
führte Jahrform. Alle diese Umstände konnten bei Dio
Cassius, der fast 300 Jahr nach der Kalenderrefonn
schrieb, leicht den gedachten Wahn erzeugen, ohne dals
•) Ib. 1, 12.
«) Ib. I, 15.
') Wie Jackson (Chronologische Alterthümer Uber^
setzt von Windheim, S. 355) diese Woi-te als Beweis für seine
Behauptung dtiren köiine, dafs die Aegypter ihr Jahr ui:spriing-
lieh mit der Herbst nachtgleiche angefangen haben, ist un-
begi'eiflich. Es ist überhaupt ein mifsliches Unteniehmen , die
ganze alte Zeitrechnung an die biblische knüpfen und daraus er-
klaren zu wollen. Ohne Vorurtheile und Mifsgii£fe kann es da-
bei nicht abgehen.
Abgtfter. 169
wir gerade mit einigen Gelehrten anzonehmen nöthig ha*
ben, dais er seine Leser, aus einer gewissen Neigong, die
Yerdienste der Römer in den Schatten zu stellen und
die seiner Landsleute, der Griechen, zu heben, einer
Neigung, deren man ihn sonst vielleicht nicht ganz mit
Unrecht beschuldigt, absichtlich habe täuschen wollen.
Macrobius setzt, wie wir sehen, voraus, dals die alexan-
drinische Jahrform bei den Aegyptem von jeher im
Gebrauch gewesen sei. Aus diesem Irrthum mufste
natürlich der fiiefsen, dals Cäsar bei seiner Yerbesses
rung des römischen Jahrs das ägyptische zum Muster
genommen habe. 3) Finden wir bei den Alexandri-
nern vor lulius Cäsar Leine Spur vom julianischen
Jahr, wenn wir nicht etwa mit Golius und de la Nauze
eine gdegentliche Aeuiserung des arabischen Astrono-
men Ebn- Junis beachten wollen, nach der die Ein-
schaltung in Aegypten schon mit dem dritten Jahr des
Philippus Aridäus angefangen haben soll. Diese
Notiz eines um das Jahr 1000 unserer Zeitrechnung
lebenden Arabers kann höchstens in Verbindung mit
andern glaubwürdigeren Nachrichten einiges Gewicht
haben, steht aber, so isolirt wie hier, ganz gehaltlos
da, zumal daEbn-Junis, wie Freret zeigt^), unge-
achtet er in Aegypten lebte und beobachtete, von den
mit dem ägyptischen Jahr vorgegangenen Yeränderun-
gen sehr schlecht unterrichtet war. Soll hier einmal
*) hx seiner gegen de la Nauze gerichteten Abhandlung:
RdflexioTis sur Vopinion dans laguelle on prdtend gue Jules
Cäsar n'a /äit autre chose qi^adopter la forme de Vannie
qui iioit emplojrde il y a 280 €ms dans Pusage civil par les
Grecs d^Jlexandrie. Mäm, de FJcad.des Inscript, TomeXVI.
Oeuvres complites Tom. XI. S. 278 ff«
170 Technische Chronologie.
ein arabischer Astronom genannt werden, so wollen wir
uns lieber an die Aussage des Alfergani halten , der
an der oben (141) ciürten Stelle die Bemerkung macht:
, ,£hemak entsprachen die Anfknge der ägyptischen Mo-
finale denen der persischen , so dafs der l.Thoth mit
„dem l.Dei-mah zusammentraf* Jetzt hingegen yer-
•„langem die Aegypter nach dem Beispiel der Rö-
„mer und Syrer das Jahr um einen Yierteltag, und
„beginnen dasselbe mit dem 29t. Ahb." Wttre die be-
^eme alezandrinische Jahrform schon zu den Zeiten
der Ptolemäer vorhanden gewesen, so würden sich die
Astronomen des Museums ihrer gewifs bedient haben.
So aber ersehen wir aus dem Almagest, da(s sich
Timocharis, Hipparch und andei« theils der grie-
chischen Monate und der kailippischen Periode, theils
einer unbecpiemen yon Dionysius erfundenen Zeit-
rechnung, theils des beweglichen ägyptischen Jahrs be-
dient haben, ohne je yon einem dem julianischen ana-
logfen festen Jahr Gebrauch zu machen. 4) Reden alle
übrigen Schriftsteller,, welche die Kalenderyerbessemiig
berühren, Plinius, Sueton, Plutarch, Censori-
nus, yon der julianischen Jahrform und Schaltmethode
als yon einer neuen durch Cäsar veranstalteten Ein-
richtung. Endlich 5) lie(se sich nicht bequem erUä-
ren, wie die Alexandriner dazu gekommen sein sollten,
den Anfang ihres Jahrs gerade auf den 29. August zu
fixiien, wenn sie diese Form schon früher gebraucht
hätten, was hingegen ganz natürlich erscheint, wenn
wir die Einführung derselben ins Jahr 30 v.Chr. setzen.
Aus, allen diesen Gründen können wir uns vollkom-
men überzeugt halten, da(s lulLus Cäsar bei den
Alexandrinern kein solches Jahr im bürgerlichen
Aegtpter. 171
Gebrauch vorgeAmden bat, wie er den Röm^nt gab«
und dafs vielmehr die Üexandriner. das ihrige erst ];iach
dem seinigexi gemodelt haben.
De la ITauze geht noch einen Schritt weiter ^)«
£r ist der auch yon Bainbridge '), Freret ^) und .
neuerdings yon Hrn. Fourier ^) angenommenen Mei-
nung, dafs bei den Aegyptem yon jeher zweierlei Jahre
im Gebrauch gewesen sind, das bewegliche bürger-
liche, an welches *die Feste geknüpft waren, und ein
festes oder natürliches, das mit dem Frühaufgange
des Sirius angefangen und die Geschäfte und Abga-
ben des Landmanns regulirt haben soll. Sie berufen
fiich auf folgende Zeugnisse. Der oben (126) erwähnte
Yettius Valens sagt in einem yon Bainbridge mit-
getheilten Fragment : m^^^^ J^'^SJP^^ fangen ihr (bür-
,,gei4iches) Jahr mit dem l.Thoth, ihr .natürliches
„mit dem Frühaufgange — ^ ImroXif — des Hunds-
,, Sterns an." Beim Porphyrius heifst es ^): ,,Die
,,Aegypter beginnen ihr Jahr «nicht, wie die Römer,
,,mit dem Wassermann, sondern mit dem Krebs; denn
,, neben dem Krebs befindet sich der Stern Sothis, den
„die Griechen Hundsstern nennen. Der Aufgang des
') In der ersten Abtheilung seiner Geschichte des ägyp-
tischen Kalenders (167) p. 351.
') Canicularia p. 26.
') In der oben (131) genannten Abhandlung p. 86 ff.
*) In seinen Recherches sur les sciences et le gouverne^
ment de V£gjrpte, welche einen Bestandtheil des grofsen fran-
zösischen Werks über Aegypten ausmachen sollen. Bis jetzt ist
blofs erst der Prospectus davon gedinickt worden, der sich ziem-
lich ausfuhrhch über das Chronologische ausläfst.
') An der ebendaselbst citirtea Stelle.
172 Technische Chronologie.
,,Sothi8 ist ihnen aber das Neujahr." Im Text sieht
das Wort yovfj»7via, das eigentlich den Anfang des Mond-
monats bezeichnet, aber auch yon andern Zeitanfiln-
gen gebraucht vorkommt^). Wie schwankend und un-
genau übrigens die Worte lauten, sieht ein jeder, dem
die Stellung des julianischen Neujahrs im Sonnenjahr
und des^ Sirius an der Himmekkugel nicht ganz unbe-
kannt sind. Der Scboliast des Aratus äufsert
sich folgendermaisen •) : „Das ganze Gestirn (cles Ld-
,,wen) hat man der Sonne geweiht; denn alsdann
,,(wenn die Sonne in dasselbe tritt) steigt der Nil, und
,,der Hundsstern geht um die elfte (Nacht-) Stunde
,,auf (eine Stunde vor Sonnenuntergang). Mit diesem
,, Zeitpunkt- (kngt man das Jahr an, und man betrach-
,,tet den Hundsstern und seinen Aufgang als der Isis
„geweiht." Horapollo endlich sagt^): „Wenn sie
,,(die Hierophanten) das Jahr nennen wollen, so ge-
„brauchen sie das Wort rhoLprov^ Viertel; denn sie
,, sagen, es komme yon dem einen Aufgange des Sterns
,,Sotliis bb zum andern (zu 365 Tagen) ein Yierteltag
,, hinzu, so dafs das Jahr Gottes aus 365 und einem
,, Viertel tage bestehe, weishalb auch die Aegypter alle
„vier Jahre den überschüssigen Tag in Rechnung brin-
„gen ; denn vier Viertel machen einen vollen Tag aus."
Alle diese Zeugnisse ^) sind schon defshalb von keinem
^) So beim Ptolemäus tob dem ersten der fünf Epagome-
neu des ägyptischen Jahrs. Almag. 1. m. c. 2, S. 153.
>) S. oben S. 125.
') Hierogl. I, 5.
*y Fröret beruft sich noch auf das astrologische Werk — T«.
vpaßtßXog onivrogic — des Ptolemäus, wo gesagt werden soll.
Aegyptbr. 173
besondem Gewicht, da sie yon ziemlich spät lebeuden
SchriftsteUem entlehnt sind, zu deren Zeit das beweg*
liehe Jahr der Aegypter gröfstentheils bereits durch
das feste .verdrängt worden war. Was sie aber vollends
verdächtig macht, ist das Stillschweigen, das Herodot,
Geminus und Censorinus, die mit so vieler Be»
stimmtheit vom bürgerlichen Jahr der Aegypter ,reden
(95, 96 und 126], über ein solches Siriusjahr beobach-
ten. Es scheinen sich in die Aussagen jener Autoren
falsche Begriffe von der Hundssternperiode eingemischt
zu haben. Das einzige, was man, ohne sich in leere
Hypothesen zu verlieren, zugeben kann« ist, dais der
den Aegyptem in mehrfacher Beziehung bedeutungsvolle
Tag des Frühaufgangs des Sirius (nach Porphyrius
knüpften ihre Hierophanten selbst die Erschaffung der
Welt an denselben) von ihnen festlich begangen wurde,
und dais die Geschäfte und Abgaben des ägyptischen
Landmanns, eben so wie die des griechischen und rö-
mischen, von Alters her durch die Auf- und Unter-
gänge ausgezeichneter Sterne, besonders durch den
Frühaufgang des Hundssterns, geregelt wurden.
Aus der Beobachtung dieser Erscheinungen ergab
sich ganz von selbst -das Jahr von 365^ Tagen, dessen
frühzeitige Kenntnils kein Unbefangener den Aegyptem
das Sommersolstitium bestimme bei den Aegyptem den Anfang
des Jahrs. Allein es werden an der angezogenen Stelle (1. U.
€.10) blofs die Ansprüche ei*wäfant, die ein jeder der vier Haupt-
punkte der Ekliptik auf das Yon^ecfat machen kann, zur Epoche
des Jahi*s zu dienen. Von der Sommerwende insbesondere heifst
es: ,,Sie eignet sich defshalb zum Jahranfang, weü sie den läng-
„sten Tag herbeiführt und den Aegyptem das Steigen des Nüs
„und den Aufgang des Hundssterns anzeigt."
174 Technische Chronologie.
streitig machen wird; nur läfst sicli aus äen beigeblach*
ten Zeugnissen eines Vettius Valens, Porphyrius
und HorapoUo nicht mit Sicherheit folgern, dals
schon vor August ein Jahr von 365 Tagen 6 Stunden
mit einer regelmäfsigen Einschaltung bei den
Aegyptem im bürgerlichen Gebrauch gewesen sei *).
Zu denen, die ein solches festes Jahr annehmen,
gehört auch Gatterer, der in seiner Abhandlung de
theogonia Acgyptiorum ^) einen dreifachen ersten Thoth
unterschieden wissen will, den beweglichen bürgerlichen,
den festen actischen (alexandrinischen) und den festen
astronomischen. Letzterer, sagt er, entsprach allemal
dem Neumonde, der dem Frühaufgange des
Sirius am nächsten kam ^). Allein nicht zu ge-
denken, dafs er keine einzige Stelle beibringt, die das
Dasein eines so fixirten 1. Thoth bewiese, stimmt die
ganze Hypothese schlecht zu der Annahme, dafs dieses
') Dinges war langst geschi4eben, als ich las, was Hr. Biot
über dexiselben Gegenstand gesagt hat. Er unterwii'ft ihn S. 201 ff.
seinei* Reche rches sur plusieurs points de r Astronomie ^gyjp'
tienne (128) einer ausführlichen, sehr scharfsinnigen Erörterung,
die ihn wesentlich auf dasselbe Resultat leitet. Die Worte des
Vettius Valens theilt er im Original mit, wie sie ihm Hr. Hase
aus einer Handschrift dci* pariser Bibliothek exceipirt hat. Sie
scheinen noch der Vergleichung andei-er Handschriften zu bedür-
fen; aber auf keinen Fall, wenn sie auch bestimmt sagten, was
Bainbridge nach obiger Uebersetzung darin finden will, wei"-
d^ sie, als eine blois gelegentlich zu einem asti'ologischen Behuf
hingeworfene Aeufserung eines spät lebenden obscuren Autors
Air den wohlunterrichteten Getchichtfbrscher ein nur irgend er-
hebliches Gewicht haben,
^) S. die CommenUUiones dtt* Göttinger Soeietat aus den Jah-
ren 1784 und 85.
') S. 46.
Abotptbr. 175
Jahr aus 365-^ Tagen bestand; denn da es immer mit
einem Neomonde angefangen baben soll, so hätte es bald
354 oder 355 , b«dd 383 oder 384 Tage halten müssen«
Weit natüriieher und den Stellen des Yettius Valens,
Porphyrius und der Scholien zum Aratus an*
gemessener wäre yrol die Voraussetzung, dals die Aegyp»
ier den Anfang des festen Jahrs auf den Frühaufgang
des Sirius setzten ; das Verhältnifs des festen Jahrs zum
beweglichen hätte sich dann ganz von selbst geordnet,
indem der Anfang des ersten sich alle vier Jahre um
einen Tag im letztem vorwärts schob. «
Die Gelehrten, deren Meinung ich hier vorgetn««
gen habe, lassen neben dem festen Jahr, dessen Dasein
sie behaupten , doch wenigstens das bewegliche als das
bürgerliche und beim Cultus gebiüuchliehe bestehen*
Nicht so Hr. Rhode, der in seinem Versuch über
das Alter des Thierkreises ^) die Hypothese auf-
stellt, dafs das bewegliche Jahr der Aegypter sehr früh
durch das feste verdrängt worden sei, und dais man
)enes nur bei astronomischen Beobachtungen und in
den Archiven der Nationalgeschichte beibehalten, die^
ses hingegen im bürgerlichen Leben und beim Cnitus
gebraucht habe. Er sucht die vollwichtigen Zeugnisse
des Geminus und Censorinus (95, 126) zu entkrttf«-
ten, benutzt die Stelle des Herodot (96), die so deut-
lich vom beweglichen Jahr spricht, für sich, und po*
lemisirt von Anfang bis zu Ende gegen meine Histo-
rischen Untersuchungen, aus denen er übrigens
mit wörtlich beibehaltener Uebersetzung alle die Stel-
len entlehnt, die er für seine Meinung anführt. Es
') Breslau 1809, 4.
176 Technisclte Chronologie.
sind dies aufker den bereits erwähnten des Di o Cassius^
Macrobius, Yettius Valens, Porphyrius, Hora-
pollo und der Scholien nocb folgende. Diodor sagt ^),
die Thebäer, die bei Beobachtung der Auf- und Untere
gänge der Gestirne durch ihr Klima besonders begünstigt
würden, ordneten ihre Monate und Jahre auf eine
jeigenthümliche Weise — idica$ — an. Sie nihlten
nlimlich die Tage nicht nach dem Monde (wie die
Griechen), sondern nach der Sonne, indem sie jedem
Monate di'eiisig Tage beilegten, und zu den zwölf Mo-
naten fiinf und einen Yierteltag hinzufugten , um die
Jahrszeiten zur Stelle zurückzufuhren. Was hier von
den Bewohnern Thebens überhaupt yersichert wird, be-
hauptet Strabo ') blofs von ihren Priestern. Seine
Worte sind: 9,Die Priester zu Theben, die vorzüglich
„ihrer astronomischen und philosophischen Kentnisse
91 wegen berühmt sind, zählen ihre Tage nicht nach
„dem Monde, sondern nach der Sonne, indem sie zu
„den zwölf Monaten von dreilsig Tagen jährlich fünf
,,Tage reehnen; und da zur Ergänzung des Jahrs ein
,, gewisser Theil des Tages überschüssig ist, so bilden
„sie eine Periode aus ganzen Tagen und aus so vielen
„ganzen Jahren, als von den überschüssigen Theilen
,,zu einem ganzen Tage erforderlich sind." Diese
beiden Stellen reden blols von einer den Thebliem,
oder gar nur ihren Priestern 'eigenthümlichen Anord-
nung, beweisen also, wie man bei unbefangener Prü-
fung sieht, für den ägyptischen Yolkskalender nichts«
Eben so wenig noch eine andere des letztgedachten
*) 1. L c. 50.
') 1. Xyn. p. 816 ed. Gasaub.
Abo TP TB IL. 177
Schriftstellers^), welche, also flautet: ,,l(aa xei^tft uns
,,z.ii Heliopolis die Beihatisung&n der Prie$ter,. wo PlatQ
,9 und Eudoxus gewohnt hatten, wie,eltiige versicheiU
„dreizehn Jahre lang. Sie verkehrten hjer mit den
„Priestern, von denän'sie die Theile des Tages und
,,der Nacht kenneix lernten, die zur Ergänzujtg • des
„Jahrs noch zu den 365 Tagen hinzugefügt werden
„müssen." Strabo scheint hier nicht von dem Yier-
tdtage, sondern von einem genauer hesümmlQn lieber-
schuls des tropischen, Jahrs über dM bewegliche der
Aegypter reden zu Wollen; denui er Setzt hinzu: ,>Den
„Griechen war das Jahr, so wie vieles andere, so
„lange unbekannt, bis sie die Kunde davon aus; den
,,in die griechische Sprache übersetzten Schriften der
,, ägyptischen Priester zu schöpfen Gelegenheit hatten.''
Will man aber auch wirklich seine Worte schlechthin
von dem Yierteltage nehmen, so ist doch klar, dais
derselbe zu Plato's und Eudoxus' Zeit bei den
Aegyptem noch nicht im bürgerlichen Gebrauch sein
konnte; denn sonst durften ihn ja diese Philosophen^
die sich so lange in Aegypten . aufgehalten haben, nicht
erst durch ihre Unterhaltung mit den Gelehrten des
Landes kennen lernen. Offenbar haben ihnen die$e
nach Strabo 's Meinung ein Arcanum mitgetheilt '),
das sie höchstens in ihrep Schriften und im gegensei-
tigen Yerkehr zur Anwendung geln^acht haben können.
*) Ebend. S. 806.
') Thaies dagegen lernte 150 Jahr finiher von den Priestern
blofs das bewegliche Jahr kennen. Er theilte, sagt Diogenes
Laertius 1,27, das Jahr in 365 Tage, worin er keinen Vor-
gänger weiter hatte, als dafs er ^ sich in Aegypten aufhaltend,
mit den dortigen Priestern Umgang pflog.
I. [12]
i7& TechiUsolie Chronologie.
Hr. Rhode ist freilicli andeter Bfelnung, auf deren
Wideri^tfiig eintug^hen fedoch naeh Allem, Mra« icb
bisher über die iigjptische Zeitrechnung gesagt habe,
ganc unnölhig scheint.
Zum Schlüsse mu(s noch einiger Zeitkreise gedacht
werden, von denen sich nieht mit Bestimmtheit ausmit-
fein läfst, welche Rolle sie in der bürgerlichen Zeitrech-
nung der Aegypter gespielt haben. Dahin gehört
1) Die siebentägige Woche. Dais ihnen
diese sehr firühzeitig bekannt gewesen sei, leidet wol
keinen Zweifel, sei es nun, dafs sie dieselbe yon den
benachbarten semitischen Yölkem entlehnt,, oder selbst
gebildet haben; es ist nur auffallend, da(s erst der
im dritten Jahrhundert n.Chr. lebende Dio Cassius
yon einem siebentägigen Zeitkreise bei den Aegyptem
spricht, und zwar auf eine Weise, die blofs den astro-
logischen Gebrauch desselben vorausseuen la(st. Er
bemerkt nämlich*), dafs die Juden den Tag des Sa-
turn (den Sonnabend) feierten, und dies gibt ihm
Gelegenheit, zwei Principien aufzustellen, von denen
man seiner Meinung nach bei der Benennung der ein-
zelnen Tage dieses Zeitkreises ausgegangen ist. Das
eine ist harmonischer, das andere astrologischer
Art. „Wenn man," sagt er, ,, das musikalische Intervall,
„welches ivi, rtatrdpmy die Quarte, genannt wird, auf
„die sieben Planeten nach ihren Umlaufszeiten anwendet,
,,und dem Saturn, dem äufsersten yon allen, die erste
,, Stelle anweiset, so trifll man zunächst auf den yier-
„ten (die Sonne), dann auf den siebenten (den Mond},
„und erhält so die Planeten in der Ordnung, wie sie
') 1. xxxvn. c. i7.
. Aeotptbä. 179
, , als Namen der Wochentage aufeinäneier folgen * ) • Oder
,,wenn man die Standen des Tages und der Nacht von
,,der ersten (Tagesstunde) zu zählen anfkngt, diese dem
,,SattLm, die folgende -dem Jnptter, die dritte dem
,,MarS) die vierte der Sonne , die fünfte der Yenns,
,,die sechste dem MeriLur, die siebente dem Monde
f^beil^t, nach der Ordnung, welche die Aegypter den
>^ Planeten anweisen, und immer wieder yon Tom an-
,,filngt, 80 wird man, wenn man alle 24 Standen dnrch-
,y gegangen ist, finden, dals die erste des folgenden Tages
,,auf die Sonne, die erste des dritten auf den Mond,
,,kürz die erste eines jeden Tages auf den Planeten
,,trifll, nach welchem der Tag benannt wird."
Von diesen beiden Principien hat ohne Zweifel
das zweite die Benennung der Wochentage bestimmt;
denn es ist factisch, dafs die Astrologen die Tage und
Stunden auf die Weise tmter den Einfluis der Plaae-^
ten gestellt haben, wie f)io Cassins sagt. Wir ersehen
dies aus des Paulus Alexandrinus Einleitung in
die Astrologie (165), wo es heilst*) : „Am Tage des
,, Saturn (Sonnabend) steht die erste Stimde unter dem
^,Einflafs dieses Planeten, welcher der Äu/9105, Regent,
,,des ganzen Tages ist. Die zweite gehört unter dem
,, Regiment des Saturn dem Jupiter an ^). Die dritte
,, Stunde femer kommt dem Mars zu" u. s. w. So tritt
<) NämUch Saturn (t?)r Sonne (O), Mond (d), Man (cf),
Merkur (5), Jupiter (4), Venus ($).
*) Auf dem Slsten Blatt in dem *Kapitel : mpl tou iveWovr^c
^) Naeh astrologischem Sprachgebrauch : n)y ß' «Spov tt «oWt»
[12']
480 Technisfihfi . Qhroßplogie.
nun die erste St^ga^« des folgenden. Tages unter das
Regiment der Sonfiey ganz wie es Die Cassius dar-
stellt. Kennt der Astrolog, heifi|t. es weiter, den Re-
genten des jedesmaligen Tages», iiach welchem derselbe
benannt wird, so T^eifs er auch, unter wessen JSm-
fiufs jede Stunde st^t. Es kommt also da]:auf an, den
Eegenten jedes Monatstages oder :den entsprechenden
Wochentag zu finden. Dazu gibt er eine Anweisung,
die auf ^e alexandrini$chen Monate und die diodetia-
nische Aeie paist. ...
Aus seiner ganzen Darstellung . geht hervor, wie
wichtig den Astrologen seiner Zeit die Theorie von dem
Regiment der Planeten war, und da die trügerische
Kimst dieser Menschen in den ersten Jahrhunderlen
unserer Zeitrechnung in hohem Ansehn stand, so darf
man sich nicht wundem, dafs die Planetennamen der
Tage zu Dio Cassius Zeit schon so bekannt waren,
wie er versichert. Er sagt nümHch *) : „Der Gebrauch,
,,die Tage nach den sieben Planeten zu benennen, ist
„bei den Aegyptem angekommen, und hat sich seit
„noch nicht gar langer Zeit von ihnen zu allen übri-
„gen Völkern verbreitet, * namentlich zu den Römern,
,,bei denen er nun schon ganz einheimisch geworden
„ist^ die filtern Griechen kannten ihn meines Wissens
„nicht." Man merke wohl, dais hier blols von der
durch die Astrologie eingeführten Benennung der Tage
nach den sieben Planeten die Rede ist, nicht von ei-
nem Gebrauch der Woche im büigerllchen Lehen. Es
gibt durchaus keine sichere Spur, dafs ein solcher be-
reits vor Erhebung des Ghristenthums zur Suiatsreligion
*) A. a. O. c. 18.
Aeg'yptbr. 181
nntel* Cfonstantm irgendwo auiser Judäa im rdmischen
Reiche bestanden hat.
* • Die Theorie von dem Regiment der Planeten findet
sieh noch nicht in dem Tetrabiblos des Ptolemäus;
Man könnte daner glanben, dafs sie erst nach ihm ent-
standen sei. Allein eine Stelle des Herodot lälst ver-
mathen, dafs sie sehr alt ist. Er sagt nämlich: „Un-
,,ter andern haben die Ägypter auch erfunden, unter
,, welchem Gott ^eder Monat und Tag steht *).'* Sie
müssen also auch die -Monate unter den Schutz der
Gölter gestellt haben; ob unter den der sieben plane-i
tarischen, oder, wie Gatterer in seiner Abhandlung
aher 4ie Theogonie der Aegypter (174) glaubt,
unter den von zwölf eigenen Gottheiten, wissen wir
nieht mit Sicherheit.'
Aus der Damellüng des Paulus läfst sich noch
dreierlei folgern. Einmal leidet* es nun keinen Zweifel
weiter, dafs das, was oben (100) über die Epoche des
bürgerlichen Tages aus dem Almägest geschlossen ist,
wenigstens von den Alexandrinerii gilt ;- denn Paulus,
eben so wie Ptolemäus ein Alexandriner > stellt die
erste Stunde des natürlichen Tages zi]^ei<ch als die etstie
des bürgerlichen dar. Zweitens erhellet, dafs die A^gjp-*
ter , • gleich den Griechen und Römern , * den bürger-
liehen Tag in 24 Sttmden getheilt haben, so zuversicht-
lich dies auch Des-Vignoles leugnen mag ^); und
drittens, dafs es die Zeitstunden waren, die von den
Astrologen gebraucht wurden, wefshalb sie auch, .wie
') Kai toe^ aXka AiyvTtrioia-l i$-i i^tvpyiiiiva,* fuig tt ttal i^fiipn
kioig-ri ^iSi» OT«ü M. n, 82.
*) ChronoL de VhisU sainie U. p. 689.
182 Technische Clirondogie.
achon oben (67) bemerkt ist, Flanetenstandfii
nannt worden sind.
2) Der Apiskreis. Der heilige Stiert das le-
bendige Bild des Osiris, wurde, wenn er funfundswan-
xig Jahre lang zu Memphis göttliche Ehre genossen,
getödtet, um einem andeAi Plats zu machen ^). Man
wild leicht erachten, dafs diese Zahl nicht etwa bloCs
in der Natur des Rindes begründet war, das man Ukl-
tete, ehe es der Altersschwäche erlfig; sie hatte olm^
Zweifel eine tiefere Bedeutung. Unter den Hand ta-
feln des Ptolemäus (109) findet sich eine Tafel der
mitderen Anomalie der Sonne von 25 zu 2S JahKn
der philippischen Aere, nämlich für den !• ThQth der
Jahre. 1, 26, 51, 76 u* s. w. bis 1:476^ also eine ganze
Hundsstemperiode hindurch. Sie.^izt den Gebrauch
eines G^dus von 23 Jahren bei den ägyptischen Astro-
nomen auJber Zweifel. Es fragt sich, nur, wodip^li
di^rselbe bq[niadet wurde? Im sechsten Buch des Aliua-
gestt stehen Tafeln zur Berechnung der mittleren Neu-
und: YcJlmonde,: worii^. die Jahre gleichfalls nach In-
tervallen von ß5, woß'PctvtiUTi/ipid^ genai^t, fortschrei-
ten '). Wanuia, gerade hier solche Cyk^l gewählt wor-
den, ist klar \ 309 mittlere synodische Monate sind nur
um 1 St. 8' 33"" kürzer als 25 ägyptische Jahre, so dafs
nach Ablauf derselben auf mehrere Jahrhunderte hin-
aus die Mondphasen wieder an denselben Tagen des
ägyptischen Jahrs eintreffen. Diese Bemerkung ist in
Ägypten gewifs sehr früh gemacht worden, da die
•) S. Jablonski Pantheon Aegyptiacum IV, 2, iO. Die
HauptsteUe über die Zahl ist Plutarch <^« /#. e< Osir. c. 56.
») Tom. I. p. 378ff.
ASGTPTKB. 183
Ktinile der mitdeieQ Bewegungen des Monde« enUcUe-
deu' yom hohem Alter bt* Sollte also nicht, wenn
anch nicht der ginae Dienst des Apis, doch wenigstens
seine Lebensdauer , durch diese astronomische Wahiv
nehmung bedingt worden sein? Die Worte, deren sich
JPlinius ^} bei der Beschreibiing desselben bedient:
Insigne ei in dextro totere candicans macula, cond-
bus lunoe cresfiere inpipientisj scheinen in dieser Hin-
sicht entscheidend. Wenn auch die Aegypter, wie aus
der bisherigen Darstellung erhellet, bei ihrer Zeitrech-
nung keine Rücksicht auf die Mondwechsel genommen
haben '), so leidet es doch keinen Zweifel, dafs ihnen
die Phasen des durdi die Isis personificirten Gestirns
von hoher Bedeutsamkeit gewesen sind, und somit er-
schiene der Apiscyclus astronomisch gerechtfertigt*
J) Die Phönixperiode. Diesem Zeitkreise legt
man gewöhnlich eine Dauer von fünfhundert Jahren
bei, weil Qerodot, bei dem sich die «rste iNotiz yon
dem .Wundervogel findet, das Intervall zwischen )e
zwei Erscheinungen desselben auf so viele Jahre setzt ^),
und auchTacitus sagt ^) : De numero annorum varia
traduntur; maxime vulgatum quingeniorum spatium.
Wenn man den Bericht des Herodot mit dem dar
spätem Schriftsteller Plinius, Solinus, Horapollo
») Ä. N. Vm, 71-
') Zu den oben (176) citirten Stellen des Diodor und
Strabo, die dies bezeugen, kann auch noch folgende des Iu}ian
gefügt werden: ,,Alle andere Yölkei* zählen ihre Monate nach
,,dem Monde; wir (Römer) allein und die Aegvpter messen die
,,Tage jedes Jahrs nach der Sonne." Orot, lY* p. 155* ed. Lips.
^) Ai' Iriwify J$ 'HVioviroXfroi Vsj^vrC) mytokoatwy* 0f 73.
♦) Ann. VI, 28.
184 Technische Chronologie.
und anderer vergleicht, so sieht man, dais sich derr
Mythus, wenigstens aufser Aegypten, im Verlauf der
Zeit verschieden gestaltet hat; doch darin stimmen alle
iiberein, dalk der Phönix nach langen Zwischenräumen
von Osten her, nach einigen aus Arabien, nach andern
aus Indien, nach Heliopolis komme, tun in dem Hei-
ligthnm des dortigen uralten Sonnentempels sein 6ral>
und zugleich ein neues Dasein zu finden. Zu welchen
Yergleichungen und Deutungen auch* dieser Mythus den
Dichtern und Kirchenscribenten Anlafs gegeben haben
mag; unmöglich kann es einem Zweifel unterliegen,
dafs er ein Symbol eines gro&en Zeitkreises sein soll,
der mit dem Lauf der Sonne fn irgend einem Zusam-
menhange stand. Schon Plinius' und Solinus ma-
chen diese Bemerkung. Jener sagt ^): Cum huius alias
'vita magni comersionem anni fieri proJUdit JUanilius,
iterumque significatiönes tempestatufn et siderum eas-
'dem re\ferti; und dieser *) : Cum Iwius (avis) mta ma-
gni annifieri conuersionefn, rata fides est inter aucto-
res. Auch kann der Name Phönix kaum etwas an-
ders sein als Pi-Enech oder Fenech, cdm^ saeculum ').
Allein was war es fiir ein astronomisch bestimm-
ter Zeitkreis, den man durch den Phönix' symbolisch
'darstellen wollte? Eine fiinfhundertj ährige Ausglei-
chung des Sonnen- und Mondlaufs, oder des bürger-
lichen und astronomischen Jahrs, oder sonst ein auflal-
lender Wechsel von ähnlicher Art und gleicher Dauer
, findet nicht Statt* Wenn wir also nicht etwa anneh-
*) H. N. X, 2.
') Pöljrh. c. 33.
') S. Scholz Lexicon Aegjrptiacum S. t6.
A-BGTP'il^BR. ' 186
men wollen,dafe die Phönixperibäe'dcn Aegyptem niclits
'ändert war, dar das Zwanzigfacbe des Api^kreises, an
das sich keine astronomische Ideen -weiter knüpften;
eine Voraussetmngi die dem Geiste dieses symbölisiren'^
deri Volks wenig langemessen ist , so scheint nichts an-^
ders übrig zu bleiben, ah Vondeii 'fiinftxundert 'Jah-
ren zu abstrahiien und in delhThönix ein Emblem
der grofsen Hundssternperiode zu sehen, von wel-
cher Ansicht auch schon Spuren' im Alterthum voikom-
inen; denn Tacitu^ fugt zu den ieben angeluhrtfeii
•Worten hinzu: Sunt qm adseycrerit rniUe quadringen-
tos sexaginta unttm' interiici. Wie aus Allem erhellet,
war die Erneuerung dieser Periode oder die Rückkehr
des l.Thoth zum Frühaufgange des Sirius ftir die Aegyp-
ter ein sehr bedeutungsvolles Ereignifs, das sie'* ohne
Zip^eifel durch' ein Symbol dargestellt haben wetdA;
und wdches konnte passender sein, als das des- nach
langen Zwischenräumen erscheinenden , im -Heiligthuni
des Sdnneiltempels zu Heliopolis sterbenden und aus
seiner Asche wieder aufstehenden Thönix?
Herodot versichert diesen Vogel, den er für ei-
nen wirkliche^ hält, zwar nicht selbst, aber doch ge*
malt gesehn zu haben, und zwar in der Gestalt und
Gröfse eines Adlers. Es leidet also keinen Zweifel, dafs
sich derselbe auf dön ägyptischen Denkmälern abgebil^
det finden werde, und wirklich haben ihn die fran%5^
sischen Gelehrten an den Tempeln von Philä,* Esne^
Edfii, Theben und Denderah häufig wahrgenommen^}'.
Sie haben ihn besonders an dem Mei'kmal erkannt, das
*) S. denerl«! Theil der zu der Abtheilung Antiquitds des
grofsen französischen Werks gehörigen Kupfer, PI. 60 fig. 22,
PI. 78 ^^Aß, P1.80 flg. 17 und anderswo.
186 Technische Clitxmologie.
PUl^ius und Solinus mit den Worten: capul j>Iem. —
weo apice cohonestante und capite honorato in comum.
phimis extanäbus, beseiclmen.^ Gewöhnli^ kommt die
Figur in Verbindung uiit einem groDsen Stern vor»
der TermutUich den Sirius vorstellen soU. Auch ye]>-
dient bem^kt su werden, dafs sie b»t immer übeir
eiuer Trink3c)mlc, dem Emblem der Ueberschweitt*-
mung., steht.
Allein Herodot spricht ausdrüddich von fünf-
hundert Jahren, und diese Angabe, die er aus dem
Munde der Heliopplitaner selbst geschöpft zu haben
yersidiert, verdient woiigstens den Versuch einer Er-
klärung.
Sieht man die fünfhundert Jahre als das in run-
der Zahl ausgedrückte Drittel der Hundsslemperiode
an, das eigentlich nur 487 hielt, so möchte vielkicht
fi^gende Hypothese nicht ganz verwerflich sein. Das
witürliche Jahr der Aegypter serfsdlt, wie oben (94)
bemerkt worden, in drei Perioden von iast gleicher
Dauer. Es ist daher gar wohl möglich, dafii sie, wie
auchSolinus undAugustinus versichern! ui'sprüng-
lieh nach viermonatlichen Perioden oder Jahren gerech-
net haben. Vielleicht haben sie nun auch den Zeit-
XaiMn, in welchem sieh der bewegliche l.Thoth um
vier Monat des festen Jahrs verschiebt, als einen eige-
nen Oyclus in ihre Zeitrechnung eingeführt, wo man
dann annehmen mülste, dafs nur diese kleinere Phö-
nixperiode zur Kenntnüs des Herodot gelangt wäre.
, Einen andern GedAnken hat Des-Vlgooles. Di&-
^r Gelehrte unterscheidet eine ältere Hundsslemperiode,
der er die eben erwähnte Dauer von 487 Jahren beilq[t^
von der längern, seiner Meinung nach später entstan-
AsGYPtsn; 187
d^xitn^ Er behtiuptei; nämlich, d»& da» Jahr tön
360 Tagen (69) bei den Aegypient. früher al$ dtd von
36$ im Qebfitilch gewesen ael, wie sd^m der grieohi*
8cb? Nazne .c7r<t><($|iu)idA der fünf 2a den orspriuiglk^en
360 hinzugekommenen Tage lehre* Auch nenne uns
Synqellus den König A$eth aU denjenigen, der die
Bpfigom^nen eingeführt habe '). So lange nnn,.]Miaitit
ar> diese ursprüngliche Jahrform beibd^alten wnxde« wiar
jedes bürgerliche Jahjr um 5-^ Tage küner^als das ju<^
lianis^be, .80 dafs 68 juliani^e Jahre bis auf einen
Unterschied yon dr6i Tagen 69 bürgerliche gaben. Bie^
a» Utttersehied glich sich nach etvra siebenmaliger
Wiederhohlnng vollkommen ans» dergestalt daft 4S0
julianische Jahne 487 büiigerlichen ^ich wurden» Un^
iecdessen kehrte der l.Thoth siebenmal xum frühr
aufgange des Sirius curüdk, und dies, ist ihm die klel«-
nere Handsstemperiode. Die gjolsere von 1461 Jahren
kam, wie er glaubt, erst zu^eich mit den Epagomene»
in den Gang, deren Einführung er in das vier^hnta
Jahrhundert v. Chr. setzt. ^ -
Ich kann mich aber durchaus nicht von dem bür-
gerlichen Gebrauch eines Jahrs von 360 Tagen über«
zeugen. Schuf auch irgendwo die Unwissenheit ein
solches, so mufste es die Erfahrung schon nach einigen
Jahren wieder verwerfen« J*ai peine ä concetwr, sagt
Lalande '), guon ait eti long-^temps h se tromper
de cinq jow^ sur la duree de l'annie, aussüot 4/uon
eut ohseive les levers heliaques des diffsretOes itoües»
*) Chronologie de Pkist. sainte Tom. 11. p. 651 ff.
') Chronogr. p. 123.
'} S. sein oben (35) citiites Mimoire p. 231.
188 Technüch& Chronologie.
Oder Sollte man, '*bb£i bequemen, EaMen feu GeüH^m^^
JakrlMinderie lang ein Jf&hr beib^lu^ten; haben, das yr^^-^
der Hond- nock Sonnenjahr wa^-? • ' EHife Bensennun^g^
bccßffifuvtu beweiset nichts weiter^ als ^a6 tu den zwölf
dveilsigtägigen Monaten noch fiinf Tage Trdpe^ rcß dpiB^^
Ibiov,« aufser der Zahl, wie Herodof sagt (96), hm—
fcnkamen; Han hat daher auch dea Cilioiem genide
naoht dejbhalb ein Jahr von döOlTagen ciuufichreibeB,
weiil eben dieser - Sdmftsteller von ihnen bemerkt ^)^
sie* hätten dem Darius Hystaspis einen Tribut von 360
wcUsen Pfexden entrichtet, für jeden Tag eins; sie
konoleBi jaeiü Jahr mit ganz ähnlichen Epagomenen
wie die Aegypter haben, und diese auch als iiberztthlig
betrachten. Ueberdies seheint hier die Jahrform des
herrschenden Volks den Ausschlag geben zu müssen ; die
Betser- hatten aber dieselbe Jahrform, wie die Aegypter ^
liur mit dem Unterschiede, dafs sie alle 120 Jahr ei*
neu Monat von 30 Tagen einschaltieteni, - wodurch sich
ihr. Jahr mit dem julianischen ausglich.
Widersinnig ist es, wenn Des-Yignoles und
andese Vertheidiger des d60tägigen Jahrs sich auf die
Eintheilung der Ekliptik in 360 Grad berufen. Bäumt
man auch ein, dafs diese Eintheilung yon hohem Al-
ter ist, so wird mau sie doch nicht för einen Beweis
eines Jahr» yon- gleicher Tagzahl gelten lassen können.
'Di^ 360 Grad erschöpfen den jährlichen Umlauf der
Sonne, die 360 Tage nicht. Wie konnte man daran
denken w<Jlen, die Bahn der Sonne einzuthcilen, als
man noch so unwissend war, sich lun mehr als fünf
Tage in ihrer Umlaufszeit zu irren?
*) m, 90.
A.EGYPTBB. 189
AVenn Diodor! bericlitet.^}, .an cler Grense. Aegyp-
tens und Aetkiopiens nahe hei Plulärli^ eine laael,
auf der sidi das Giab des Osiri» befinde, mit 360 ELan^
nen, welche die damit beauftragten Priester täglich mit
Milch zu fiillen hätten; und. wenn er anderswo sagt'),
in der Stadt der Akanther, 120 Stadien yon Memphis
an der libyschen Seite des Nils, sehe man ein durch-
löchertes Fafs, in welches 360 Priester täglich Wasser
aus dem Nil schöpfen müfsten,.60 kann mkn bei. dieses
Zahl, die allerdings nicht ohne Bedeutung gemhlt sein
mag, eben so gut an die Eintheilung der Ekliptik, oder
an eine Eintheilung des Tages als an eine Eintheilung
des Jahrs denken«
Auf die blofs bei dem sehr spät lebenden, unkri-^
tisch compilirenden Syncellus vorkommende Notic
von der Einführung der Epagomenen durch Aseth^)
ist wenig zu geben, schon weil sie mit einem von
Plutarch*) erzählten Mythus der Aegyj^ter im Wi-
derspruch steht. Die Sonne, heiist es, verfluchte die
Khea, die heimlichen Umgang mit dem Kronos gepflo4
gen, dais sie weder in einem Monat, noch in einem
Jahr niederkommen solle. Hierauf habe Merkur, mit
Luna im Brett spielend, rwy ^wrw» hcd^ou ro ißdo/AiiP'
') 1,22.
') 1,97.
^) Sie findet sich zwai* auch im Thesaurus temporum des
EusebiuB (S.23de8 griechischen Textes), scheint aber yon
Scaliger nur aus dem Syncellus entlehnt zu sein. In der
armenischen üebenctzung des ursprünglichen chronölogbchen
Werks kommt sie nicht ror.
*) J>e Is. et Osir, c. 12,
1§0 Technische Chronologie.
KOfiv, von jed^m T^gt den siebzigsten Tfaeil,
geirotmeii, danus die fünf Tage gebildet;» welche die
Aegypter Epsgomencn n^nten^ imd diese den 360
beigefügt, wo dann die GÖUinn am ersten den Oairis,
ain zweiten den Horus, am dritten den Typbon, am
vierten die Isis, am fünften die Nepbthys geboren habe.
Aueh Diodor ^) macht die Epagomenen zu Geburtsta«
gen dieser iiinf Gottheiten. Wer kann abev hiernach
iwofeln^ dafs*die Ei^nznngstage vor aller historischen
Zeit eingefttjirt worden sind, zu einer Zeit, von der
si<^ nur eine dunkle Tradition auf 'die Nachwelt fortge*
pflanzt hat? Scaliger schiebt ivirepw hinter ijB^ojLu^
Kog-oy ein '}. Allerdings ist 5 der 72st6, nicht der 70ste
Ilieil von 360. Da aber die Zeittheile der Luna ab-
gewonnen worden sind, so kann mit Bezug auf die
Pauer des Mondjahrs, das die Aegypter vieUeidit ur-
sprünglich gehabt haben, die einstimmige Lesart ißio»
furfKög-ov der Handschriften vertheidigt werden.
Auch auf die grofse Klarheit und Ordnung , die
Des-Yignoles dorch die Hypothese des 360tiigi*
gen Jahrs und der kleinem Hundssiemperiode in die
Nachrichten zu bringen hofft, die uns Syncellus aus
Manethon tuid andern von den ägyptischen Dynastien
aufbewahrt, hat, ist nicht viel Gewicht zu legen. Die
Urgeschichte Aegyptens ist ein Labyrinth, zu welchem
die Chronologie den Faden verloren hat. Man vergleiche
nur die erste unter Ferd. Wilh. Beer's Abhand-
lungen zur Erläuterung der alten Zeitrech-
nung und Geschichte, um mit Miistrauen gegen
') 1.13.
^) Emend. Temp. 1. m. p. 195.
Aegtptsr. 191
das ditonolog^scihe System jenes Gelehrten erfiillt m.
werden, wenn man gleich auch bei seinem Gejgnev
nicht wenig Blöfsen wahmehmen wird*
Noeh einen andern Gedanken über die Phönixpe-
riode stellt Gatterer in seiner Abhandlang über di«
Theogonie der Aegypter auf'). Nach 25 ägypti-
schen Jahren (einem Apidureise) kehren die Itfondpha-*
sen wieder zu denselben Tagen des ägyptischen Jahrs
zurück (182). Der Unterschied zwischen 309 synodi-
schen Monaten nnd 25 beweglichen Jahren bt so ge«
ring, dafs er sich erst in 525 Jahren zu einem Tage
anhäuft. Nehmen wir nun an, dais die Aegypter den
synodischen Monat nur um -f- einer Sekunde kleiner
setzten, als ihn unsere Tafeln geben, so wächst der
Unterschied gerade in 500 Jahren zu einem Tage an,
um welchen die Mondphasen früher als zuvor im ägyp-
tischen Kalepder eintreffen. Schwerlich hat aber diese
Wahrnehmung, wenn man sie auch wiiklich den Aegyp-
tem zutrauen woUte, für sie ein so grolses Interesse
gehabt, als es der Phönixniythus yermuthen läfst»
4) Die Hundssternperiode, von der schon
das Nöthige beigebracht worden ist.
5) Die Periode von 36525 Jahren beim
Syncellus '), nach welchem eine alte ägyptische Chro-
nik von der Regierung der Sonne bis auf Alexander*
von Macedonien dreiisig Dynastien in einem so Unge-
heuern Zeitraum gerechnet haben soll. Dieser Zahl
liegen höchst wahrscheinlich astronomische Ideen zum
Grunde. Auf den ersten Blick drängt sich der Gedanke
«) S. 53.
') Chronogr. p. 5i, 52.
X9i Technische Chrmölogie.
aof , dafs die Zall 36525 mit der D«iier des juliani*
scben. Jahrs i:u 365,2S;Tageq in irgend einem Zuflam.—
menhang stehe, imd m^n pflichtet gefii dem Syncellus
bei, der sie aus' der, 25 maligen. Wiederbohlung der
Hundsstemperiöde od;er aus der Multiplication derselben
mit der Dauer des . Apiskreises entstehen läfsU Wenn
er aber hinzusetzt, sie bezeichne den Zeitraum, in wel-
chem die Nachtgleichen einen Umlauf yoljenden (denn
so ist der Ausdruck OTroxaTttf oo-i^ rov l^wimKcß zu ver-
stehen), so stiebt er yermuthlich den Aegyptem grie-
chische Ideen unter. Ptolemäus setzte die Präces&ion
in hundert Jahren a|if einen Grad (27) oder auf ^ des
Umkreises, wofür Syncellus hier -55^^ schreibt, sei
es durch einen Miisgrifl!, oder weil er irgendwo eine
solbhe Bestimmung gefunden haben mochte *). Die
Aegypter. konnten allerdings durch die fortgesetzte Beob-
achtung des Frühaufganges des Sirius auf die Yorrük-
kung der Nachtgleichen kommen, indem sie diesen Stern
allmalig immer später im Sonnenjahr aufgehen sahen,
wovon der Grund nur in einer Bewegung des Sterns
oder in einer Verschiebung der Nachtgleichen liegen
konnte. Da aber kein vollgültiges Zeugnifs ') för sie
^) Da sie auch in dei* lateinischen Ton Yalla rei'anstalteten
üebersetzung ^er Hyjjotyposis des Proklus Torkommt, so könnte
man geneigt sein, sie diesem Gnechen beizulegen. Allein in dem
sehr seltenen griechischen Original dieses Werks (Basel 1540^4)
findet sich nichts davon, eben so wenig wie in den beiden paii*
ser Handschrifiten, nach denen Hr. Halma seine Ausgabe und
französische üebersetzung yeranstaltet hat.
^) Ab ein solches kann unmöglich das des Arabers Albatani
gelten, bei welchem es heifst (de Scientia stellarum c. 27.^, die
alten Aegypter hätten die Dauer des Sideraljahi's auf 365 T. 6St.
11' gesetzt. Er scheint ziemlich späte Aegypter zu meinen.
AEaTPTER. 193
spricht, so ist kein hinlänglicher Grund vorhanden, die
Versicherung des Ptolemäus, dafi diese Entdeckung
dem Hipparch angehöre, in Zweifel .zu ziehen ^)«
Was nun aber die ägyptischen Astronomen veranlafiit
haben mag, die Hundsstemperiode mit dem Apiskreise
auf die gedachte Weise zu verbinden, ist schwer zu
errathen»
Bailly hat einen Gedanken '), der Beachtung ver^
dient. Die mittleren Neumonde kehren nach 25 ägyp-
tischen Jahren oder einem Apbkreise zu denselben Mo-
natstagen zurück (182) . Um nun die Erscheinungen
des Mondes auch mit dem wahren Sonnenjahr in Ver-
bindung zu bringen, combinirten die Aegypter den
Apiskreis mit dem Hundsstemcyclus , und erhielten so
eine Periode von 36525 Jahren, nach deren Ablauf, wie
sie geglaubt haben mögen, die Neumonde zu denselben
Tagen nicht blois des beweglichen, sondern auch des
festen Jahrs zurückkehrten.
Annehmlicher noch scheint folgende Hypothese.
Es war eine im Alter thum sehr verbreitete, vermuth-
lieh im Timäus des Plato zuerst angeregte Meinung,
dafs es ein groises Jahr gebe, welches den Anfang und
das Ende aller Dinge in sich begreife ^) . Nach der
') Ich pflichte hierin ganz Hin. Letronne bei. Observa^
tioni sur Fobjet des repräsentations zodiacales qui nous re-
Stent de VantiquiU (Paris 1824) p. 62ff.
') Eist, de Gastronomie ancienne 1. YI. S. 9.
^) Man sehe die zahlreichen in einer Anmerkung Linden-
hrog's zum achtzehnten Kapitel des Gensorinus, wo Yon die-
sem Gegenstande die Rede ist, citirten Stellen, besonders Cic. de
nat. deor. ü, 20.
I. [13]
194 TecJmische Chronologie»
fast fJlgememen Annalmie gebt clasielhe lu Ende,* Tronii
Sonne,' Mond und die fiinf Planeten zu den St^en
xurückkelireny wo sie bei Erscbaflung der Welt stan-
den ^). lieber seine Dauer filiden sick, wie man. leickt
eracbten wird, sehr yerschiedene Angaben, und so ist
es gar wohl mögh'ch, dafs ii|;end ein ägyptischer Mysti-
ker den groCsen Kreiskuf aller Dinge unter, saidem
durch einen Cydus von 36525 Jahxen su bestimmen
den Gedanken gdiabt hat.
*) Man Tfl-gleicbe die oben (134) dtirte Stelle des Firmicus.
<.^».>,>
Zweiter Abschnitt.
Zeitrechnung der Babjlonier.
%«MM^V^MMMi%V
JCtolemäus hat uns in seinem astronomischen Lehr-
gebäude^ dem Almagest, dreizehn in den Jahren 7^1,
720, 621, 523, 502, 491, 383, 382, 245, 237 und 229
y.Clir. von den Chaldäern zu Babylon angestellte
Beobachtungen aufbewahrt. Die zehn ersten betreffen
Mondfinsternisse, die drei letzten Zusammenkünfte von
Planeten und Fixsternen* Sie sind sämmtlich an die
nabonassarische Aere und die beweglichen ägyptischen
Monate , und aufserdem noch die achte , neunte und
zehnte aus den Jahren 383 und 382 an attische Monate
und Archontenjahre , und die drei letzten aus den
Jahren 245 , 237 und 229 an macedouische Monate
und eine eigenthümliche chaldäische Aere geknüpft.
Ehe diese Zeitbestimmungen näher erwogen werden kön-
nen, wird es nöthig sein, einiges yon den Beobachtern
und ihrer Sternwarte zu sagen.
Die Griechen stellen uns durchgängig die Chaldäer
nicht als ein besonderes Volk, sondern als die Priester
des babylonischen Nationalgottes Belus und als den
gelehrten Stand zu Babylon dar. So Herodot ^}, der
') 1,181.
[13*]
196 Technische Chronologie.
sie Iph^ Aio$ BifXou, Priester des Gottes Belus,
nennt; so Strabo, bei dem sie die Landesphiloso-
pben — hcLytipuoi if>ikS<ro^oi — belfsen *); so Diodor,
der sieb über sie folgendermafsen äufsert'): ,,Die
,,Ghaldäer, die zu den ältesten Babyloniern geboren,
,, bilden im Staat einen Körper von äbtaJicber Beschaf-
,,fenheit, wie die Priester bei den Aegyptern. Zum
„Dienst der Götter besteUt« verwenden sie ihr ganzes
,, Leben auf die Philosophie und machen sich beson-
,,ders einen grofsen Namen in der Astrologie. Auch
fliegen sie sich eifrig auf die Wahrsagerei. Dies alles
,, erlernen und treiben sie nicht, wie die Griechen, die
,,sich ähnlichen Beschäftigungen widmen; denn bei
,, ihnen pflanzt sich die Philosophie in der Familie fort;
,,der Sohn empfängt sie von seinem Vater und ist da-
„bei von allen weitern Staatsdiensten frei." Man er-
kennt hier die Kastenverfassung dieses Priester-
Vereins. Von jeher haben im Moi^enlande gewisse
Staatsdienste, Studien und mechanische Arbeiten be-
sondem Yolksklassen angehört. In Babylon war, wie
man sieht, die Sternkunde ein Eigenthum der Priester-
kaste, wie sie es noch jetzt unter den Hindus ist.
Die Astronomie artete unter den Chaldäem
bald in Astrologie ans, oder vielmehr die letztere
war die Mutter und Pflegerin der ersten; denn die
Astronomie verdankt ohne Zweifel ihre fi*ühste Ent-
wickelung grofstentheils dem Bestreben der Menschen,
die Zukunft aus dem Stande der Gestirne zu errathen.
Ohne diese trügerische, jetzt fast gänzlich aufser Credit
*) 1. XVI, p. 739.
?) n, 29.
B ABTLONiBRr 197
gekommene, Kunst, der alleYcSker. des Ahertliums, selbst
übre gröfsten Sternkundigen, gehuldi^ badben, wüxde
ihr schwerlich ein nun fast dreitausendjähriges unun:-.
terbrochenes Studium gewidmet worden sein. Strabo
spricht von verschiedenen Secten der- Ghaldäer, von
denen sich einige von der Stemdeuterei rein gehaltefi
haben sollen« Dem sei. wie ihm wolle; gewils ist es,
dais dieselbe querst zu Babylon in ein System gebracht
worden ist. . Dies lehrt schon der Ifame Gbaldaei, den
die Griechen und Römer der ganzen. Zunft 4er Astro*
logen beigelegt haben.
Nachdem Gyrus das babylonische Reich zerstört hatte,
verlor die Kaste der Ghaldäer allmälig ihren Glanz. Um
diese Zeit scheint der Occident zuerst mit der AstixJogje
des Orients bekannt geworden zu sein. Aus Gicero ^)
ersehen wir, dafs sie schon zu Eudoxus' Zeit (g€^;!en
400 Jahr v. Gbr.) bei den Griechen in Ansehn stanj^* :
Nach Alexander, der Babylon wieder au£ kurze
Zeit zum Hauptsitz eines grofsen Reichs machte, ge«
rieth diese Stadt ^nzlich in Verfall, besonders .seit-
dem Seleiiicia am Tigris in ihrer. Nähe erbaut und zum
Mittelpunkt der spisch-macedonischen Monarchie erho-r
ben worden war. Die Priesterkaste scheint sich, nun
gänzlich aufgelöset zu haben. Es begann eine gegenseir
tige Mittheilung und Mischung der chaldais<^hen und
griechischen Gelehrsamkeit ^ zu welcher der Babylonier
Berosus durch ein griechisches Werk über ^e Alterr:
thümer seines Volks die erste Anregung. gegeben zu ha-
ben scheint. Er lebte unter Antiochus Soter, dein
zweiten Seleuciden.
*) De divin. ü, 42.
198 Technische Chronologie.
Die GhaldSer müssen ihre Beobachtungeii ooUegia-
lisch angestellt haben; denn Ptolemäus, der sonst
die Beobachter immer nennt, gd>raucht denGesammt*
namen XciXdaxbi. Ueberhaupt erahnt die Geschichte
keinen Ghaldäer, der den Namen eines Astronomen
verdiente. Der Osthanes, der nach Plinius^) den
Xerxes nach Gnechenland begleitet und die Liebe zur
Sternkunde oder Tielmehr Stemdeuterei daselbst zuerst
gieweckt haben soll, ist durch keine astronomische Beob-
achtung oder Lehre bekannt geworden. Yon dem eben
erwähnten Berosus fuhren die Alten verschiedene
Meinungen an, die seinen astronomischen Einsichten
zu keiner sonderlichen Ehre gereichen. Baillj und
ändere sind daduh^ veranlafst vrorden, zwei Chaldäer
dieses Namens zu unterteheiden und den einen in die
Kindheit der Astronomie zurückzusetien , aber ohne
hnklangliche Gründe.
Die öfters aufgeworfene und hier nicht unwichtige
Frage, ob die Astronomie ihren Ursprung den Aegyp-
tCTn oder den Ghaldäern verdanke, hängt mit der
Untersuchung über die Abstammung dÄr letztem zu-
sammen. Nach der Versicherung der Ägypter beim
Diodor") waren die Chaldäer eine Colonie ihrer Prie-
ster, die B^ltU 'an den Euphrat verpflanzt und nach
dem Vorbilde der Hütterkaste organisirt hatte, wo sie
fottfuhr, die aus der Heimath mitgebrachte Sternkunde
zu treiben. Es ist hier nicht der Ort, die Richtigkeit
dieser Sage zu prüfen; ich bemerke blofi, dais sie
mir durch das, was wir von der Sprache und Schrift
•) H. N. XXX, 2.
') I, 28 und 81.
Babtlonibi^. 199
der BsJ^ylonier wisaen, wenig gerechtferligt m weiden
scheint. Auch yrax sie im Alterthum keinesweges die
allgemein angenommene; denn nach losephus'} und
andern hatte die Astrqtiomie ihren Weg nach Griechen-r
land von Babylon ai|s über Aq^pten genommen. Es
ver9teht sich^ da& hier nur von einer sdbon einiger^
ma&en entwickelten Stenikunde die Rede sein kann;
denn ein roher Anfang derselben ist fest in jedem Lande
einheimisch, da sie eine der ersten Wissenschaften der
Yölker SU sein pflegt. Diese entwidtelte Sternkunde
bt aber ofl*enbar früher bei den Chaldäem als bei den
Aegyptam zu suchen; dam Ptole maus, der doch un-
ter den ktctem lebte, gedenkt ihrer als Astronomen
nirgends.
Ganz abweichend ypn der Idee, die wir uns nach
den Alten von den Chaldäem zu machen haben, sind
die Ansichten der neuem Forscher, eines Ifichaeli^i
Schlözer, Forster, Adelung und anderer. . In deu
hebräischen Urkunden wird häufig ein raubsüchtiges
und kriegerisches, von Norden en>berod .nach Bal^lon
gekommenes Yolk unter dem Namen D^Wd Casdim er-
wähnt. Diese Casdim hält man für identi^ mit d^
Chaldäem der Profanscribenten, und fragt nun, welches
vor ihrem Zuge gegen Süden, den man ins siebente
Jahrhundert y. Chr. setzt, ihr Wohnsitz war. ISinige
lassen sie im nördlichen Mesopotamien an den Grenzen
Armeniens, andere in Kurdistan, noch andere am kas-
pischen Meer wohnen; ja einige leiten sie von deii
Chalybem, Skythen oder Slaven ab, wegen der 'geglaub-
ten barbarischen Beschaffenheit einiger babylonisdiien
») Antiq. lud. I, 8.
200 Teelxiische Chronologie.
Regentetinameh, die sich nicht bequem aus hebräischen
Wurzeln ableiten lassen wollen ^]. Sämmüiche Mei-
nungen hat Adelung zusammengestellt '). Ist es denn
aber so ganz entschieden, dais die Gasdim der Hebräer
die Ghaldfier der Griechen und Römer sind? Ist es
Beweises genug, dafs im Propheten Daniel die Weisen
Babylons, die dem Nebukadnezar seinen Traum ausle-
gen sollen, und die freilich den Chaldaem sehr ähnlich
sehen, Casdim genannt werden? Ich enthalte mich al-
ler weitem Bemerkungen hieiaiber, und erinnere nur,
was jenen Forschem entgangen ist, dais unsPtolemäus
schon aus dem achten Jahrhundert v.Chr. drei Beob-
achtungen von den Ghaldäem anfuhrt , die unmöglich
die ersten von ihnen angestellten sein können.
Der Nationalgott Babylons, Belus, hatte mitten in
der Stadt einen Tempel aus Backsteinen, von welchem
die Alten mit Bewunderung reden. Nach Herodot,
der ihn als Augenzeuge beschreibt'), bildete er ein
Quadrat, dessen Seite zwei Stadien hielt. In der Mitte
dieses heiligen Bezirks stand ein Thurm von acht Ab-
sätzen oder einzelnen Thürmen, der nach Herodot und
St^abo ^) ,unten ein Stadium lang und breit, und nach
. *) Das Gelungenste, Was in etymologischer Hinsicht über die
Namen der im Regentenkanon genannten babylonischen Könige
gesagt worden ist, findet sich in Simonis Ononuisticon veteris
Testamenii, Man überzeugt sich wenigstens daraus, dafs diese
barbarisch hrateoden Namen wirklich semitisch sind oder doch
sein, können.
'} Hithridatei TL I. S. 314 tt.
') A.a.O.
*) 1. XYI. p. 738. ...
Babtlonier. 20t
letzterem zugleicli ein Stadium hoch war,^ nnd an «de«^'
sen Aussenseite eine Treppe rings um das Gebäude bis
zum Gipfel lief* Im obersten Stockwerk fand sich noch
ein besonderer Tempel des Gottes mit einer goldenen
Bildsäule, die Xerxes hatte wegnehmen lassen; Sonst
scheint Herodot noch alles unversehrt gefunden zu
haben. Zu Alexander's Zeit , etwa hundert Jahre spa-
ter, lag aber der Thurm nach Strabo's 'Yersicherung
bereits in Ruinen. Der König woUte ihn wiederher^
stellen lassen, kam aber nicht damit zu Stande ; Uols
die Wegräumung des Schutts beschäftigte zehntausend
Menschen zwei Monate lang. Diodor gedenkt sei-
ner mit folgenden Worten *): „Die Schriftsteller wei-
,,chen in ihren Berichten über dieses Gebäude von
,, einander ab, und da es schon verfallen ist, so läfsl
,,sich nichts zuverlässiges darüber sagen. Darin stim-
,,men aber aUe überein, dafs es von ungeheurer Höhe
„war, und dafs die Ghaldaer auf demselben ihre Beob-
.,,achtungen, besonders über die Auf- und Untergänge
,,der Gestirne, die sie von oben genau wahrnehmen
„konnten, angestellt haben." Diese Ttachricht hat viel
Wahrscheinliches ; denn da die Ghaldaer aus astrdogi-
schen Gründen ihre Aufmerksamkeit besonder auf die
Auf -und Untergänge der Sterne richteten, so bedurf-*
ten sie eines sehr hohen Gebäudes, um aus der Mitte
der Stadt den Horizont frei übersehen zu können. Merk-
vnirdig ist es, dafs die Ruine Mukelibe an der Ost-
seite des Euphrats, die Pietro dellaValle beschrie-
ben hat, und Beauchamp und Rennell mit ihm
für ein Ueberbleibsel dieses alten Tempels und Obser-
*) n, 9.
202 Technische Chronologie.
yalori«malMJteD.k glekh imaeni Stänvfvärten nacfa den
Tkr Weligeganden orieatirt ist. Hr. Rieb, der neu-
erdings die Trünuner Babylons sehr, genau nntersuclit
hat^), besUUigt dies, ist aber geneigter, in dem an
der Westseite des Flusses gelegenen Birs Nimrud
eine Ruine des alten, Thunns zu «eben. Zwar wissen
wir niobt mit völliger Bestinuntbeit, an welcher Seite
des Eupbrats derselbe lag. Wollte maik aber der Mei-
nung dieses gelehrten Engländers beitreten, so mfiiste
man annehmen, daiii der Fluls sein Bette sehr yeriin«
dert habe; denn der Birs ITimrud liegt an sechs eng-
lische Meilen TOi^ seinem Ufer entfernt*
Nach dieser Abschweifung komme ioh auf die im
Eingange erwähnten chaldäischen Beobaebtnngen beim
Ptolemäus zurück. Sie geben, wie ich in einer 1815
der berliner Akademie vorgelegten Abhandlung über
die Sternkunde der Ghaldäer gezeigt habe, zu
versdiiedenen für die astronomischen Kenntnisse der-
selben nicht ungunstigen Schlüssen Anlais, worunter
der am nächsten liegt, dais sie eine festgeordnete
Zeitrechnung haben mufsten; denn wie hätten sonst
die griechischen Astronomen, die sich ihrer Beobach-
tungen zur :Begrundung der Mondstheorie bedienten,
die Data denselben mit so vieler Zuverlässigkeit ange-
ben können? Von welcher Beschaffenheit war aber
diese ' Zeitrechnung ?
Wir finden nirgends eigenthümliche chaldäische Mo-
nate genannt, imd bei keinem Geschichtschreiber die
Jahre nach einer chakläischen Acre gezählt. Selbst der
') S. seine beiden Memoirs of Babylon, London 1816 und
1818, 8.
B iL B T L O If I ER, 203
Charaktör der chaldäisdien Jalire und Monate ist uns
unbekannt. Wir weiden also jene Frage nur nciuth-*
mafslicli beantfforten können«
Ptolemäus pflegt bei. den Beobachtungen, die er
anftiiirty ungeachtet er sie sämmtlich auf die ägyptische
Zeitrechnung reducirt, zugleich die eigenthümliohai
Zeitbestimmungen der Astronomen, die sie gemacht
haben, anzugeben. Da er nun die sieben ältesten chat
däischen Beobachtungen Uo£i nacb ägyptischen , Mona-
ten datirt, so ist die Voraussetzung, da(s die Ghaldfter
und Aegypter einerlei Jahr£onn und Jahranfang, höch-
stens verschiedene Monatsnamen gehabt haben, diejenige,
welche sich am natürlichsten darbietet, zumal da auch
die nabonassarische Aere, die, wie schon der Name lehrt^
babylonischen Ursprungs ist, nach ägyptisdien Jahren
zählt. Wirklich nehmen auch fast all^ Chronologen
die Identität der chaldäischen und ägyptischen Zei^^
reohnung an, und streiten nur über die Erage, ob das
bewegliche Jahr in Babylon oder in Aegypten einhei-
misch war.
De la Nause sagt in seiner Geschichte de« ägyp^.
tischen Kalenders^), dies Jahr sei lange vor der
Epoehe der nabonassarischen Acre, seit welcher nach
Syncellus die chaldäischen Astronomen erst ange&n*
g^ 'Fällen, die Zeiten ihrer Belichtungen genau an^
zugeben'), in Aegypten vorhanden gewesen; die Ba*
byToiiTer müfsten es also von den Aegj^tem entlehnt
haben, und dies sei um so wahrscheinlicher, da ja.
*) MAn, de PJcad. des InscripL Tom. XlV, p. 338.
iaZoi rptpißioü-av. Chronogr, p. 207. '
204 Technische Chronologie.
wie Diodor yersidiere (eigentlicli die Aegypter beim
Diodor), die. babylonische Priesterkaste eine Colanie
der ägyptiscben und ganz nach ihr gemodelt sei.
Dodwell ist entgegengesetzter Meinung. I>ie
ägyptischen Jahre, sagt er^), werden von der "Efoche
Nabonassar's gezählt, weil die Aegypter, als sie von den
Persem unterjocht wurden, durch sie die babylonische
Jahrform und Aere empfingen*
. Des-Yignoles ') lä&t es zwar unentschieden, wo-
her das bewegliche Jahr stammt, nimmt aber ebenfalls
als ausgemacht an, dafs es den Babyloniern und Aegyp-
tem gemein war. Jene, sagt er, müssen es gehabt ha-
ben, weil Diodor versichert^), dafs, nach dem Bericht
Gliiarch's und anderer Begleiter Alezander's, Semiramis
der babylonischen Hauer eben so viele Stadien gegeben
habe, als das Jahr Tage zählt, nämlich 365* Auf diese
leicht hingeworfene Notiz ist indessen um so weniger
iXL bauen, da die Lange der babylohischen Mauer von
Asa alten Schriftstellern sehr verschieden angegeben
wird. Noch weniger beweiset es, wenn Gurtius bei
der Beschreibung des persischen Heerszuges sagt^), dals
den Magiern 365 Jünglinge gefolgt wären, diebus todus
änni pares numero; quippe Penis in totidem dies de-
scriptus est annus. Die Perser hatten allerdings ein dem
^gyp^^^^^ %^^^ analoges Jahr. Daraus folgt. ßb^ ifür
die Zeitrechnung der Babylonier sehr wenig. ^ iv-^-^jj:i
*) De vetenbus Graecorum Romanorumgue CycUs U, 6.
*) Chronol, de Vkist, sainte Tome 11, p. 336.
') n,7:
•) ni,3.
Babtlonisa« 205
• • -Der einzige , Gelehite, memes Wissens, dar die
Identität der chaldäischeB und ägyptischen Zeitrechnung
in Zweifel zieht, ist Freret^). Nach seiner Iteinung
haben die Babylonier ihre Zeit nach Mondperioden
geordnet, also Mondmonate gebraucht. Was für
diese Ansicht ^richt, ist folgendes:. 1} alle übrigen se*
nitisehen Völker, Hebräer, Syrer, Araber, haben nach
Mondmonaten gerechnet; warum soUteii die Babyloi-
nier allein eine Ausnahme gemacht haben? 2) sagt
AbenEzra, einer der gelehrtesten Talmudisten, dafs
die Juden ihre ]etzigen Monatsnamen während ihrer
Gefangenschaft von. den Babyloniem . angenommen
haben ') ; und in der That kommen, dieselben erst
in den nach der Deportation abge&fsten biblischen
Schriften, Zacharias, Esra, Nehemia und Esther
vor. Da nun die jüdischen Monate nach dem Monde
geregelt sind, so ist mit Grund zu vermuthen, dali
sie bei den Babyloniem ein gleiches Gepräge hatten;
denn sonst würden die Juden die firühem Benennun-
gen ihrer Mondmonate, von denen sich im sechsten
und achten Kapitel des ersten Buchs der Könige
eine Andeutung findet, schwerlich mit den babyloni-
schen vertauscht haben. 3) beweisen drei Btobachtun*
gen der Chaldäer beim Ptolemäus ^) und die Frag-
•) Observations sur ies annees employdes ä Babjrlone avant
et depuis la conqudte de cttte vilie par Alexandre, Mim, de
VAcad. des InscripL Tom. XYI, p. 205 ff. Oeuvres compUtes
Tom. Xn.
*) Petav. Var. DisseH. ü, 13.
») Almagest l.IX, c. 7. p.l70, 171; l.XI, c.7. p.288.
206 Technische Chronologie.
naeiite des Berösus *), daik die Babjloiuer un%er den
Selencideii nach Mondmontten mit maoedonischesa Be-
nennungen datirt haben. Htttten aie nun friikerhin
gleich den Aegyptem und Persern ein Sonnenjahr ge-
habt, so würden aie wahrscheinlich eben so wenig ge-
neigt gewesen sein,, dasselbe unler ihren maoedoniscfaen
Regenten üeihren zu lassen, wie diese beiden YöUber. So
aber paisten sie ihrer alten Zeitrechnung blofs die naaoe-
donische Terminologie an, und auch dies wol nur im Ver-
ioehr mit den Griechen. 4) haben die Ghaldüer yer-
schiedene Mondperioden gdLannt, )mter andern die merk-
würdige von 223 Mondwedisdn (47)* Ptolemäus he
teiohnet im An&nge des vierten Bocha seines Almagest
die Urheber derselben durch das Prttdikat irdkaui /xo*
S^jbiarwoi, alte Mathematiker* Er sagt, sie enthalte
in 6S65 Tagen 8 St. nahe 223 synodische, 239 anoma*
listische und 242 drakonitische Monate, während de-
ren d^r Mond seine Bahn 241 mal und aufseidem
noch 10^ 40' mrücklege* Um ganze Tage zu er-
halten, setzt er hinzu, haben sie diese Periode drei-
&ch genommen und sie in dieser Form egeXtyfio^ ge*
nannt, welcher ans der Taktik entlehnte Ausdruck so
viel als ganze Schwenkung bedeutet. Geminus,
der sie in derselben F<»m und unter derselben Benen-
nung auffuhrt *), bemerkt, die Chaldäer hätten dar-
aus die mittlere tägliche Bewegung des Mondes za%
13 ° 10' 35" gefolgert, was yoUkonmien mit unsem Ta-
') S. die Sammluiig derselben in Fabricii BibL Graeca a. A.
Tom. XIV, p. 180 and 207.
•) Isagoge c. 15.
BABTLOiriBJi. 207
fein iifceieiiiiftunmt. Man . sieht abo« ifiem sie eigent-
lich angehört« wciahalb sie auch, die chaldäische ge-
nannt wird*. Suidas ^), der ihr irng 222 Mcmdweck-
sei heilegt, gibt ihr den Namen Saras, der offenbar
so viel als. Mondpei'iode, bedsntet; denn Hr\m «&V
ham heilst im Chaldäischeft der Mond ').
Man muis erstaunen, ^vennman bei näherer Er-
wägung obiger Zahlen sieht, wie gensm die Chaldäer
die mitüeie Bewegung des Mondes und die Perioden
der Rückkehr seiner Ungleichheit ausgemittelt hatten»
So fanden sie den mittlerjen synodischen Monat,
oder die Zeit seiner Wiedeikehr zur Sonne, nur um
4-|- Sekunden, und den periodischen, oder die Zeit
seiner Wiederkehr m demselben Punkt der Sonnenbahn,
nur um eine Sekunde zu grofs. Auch kannten sie
bereits die Dauer des tropisdien Jahrs zu 365 Tagen
6 Stunden* Denn erfolgt nach 6585 Tagen und- 8 Stun-
den die Zusammenkunft des Mondes mit der Sonne um
10^ 40' weiter .östlich, so muis die Sonne, indessen
n mal 360 ^ und noch 10 ^ 40' zurückgelegt haben*
Dafs n as 18 sei,' £uid man leidit. Man durfte also nur
scUiefcen: 18x3600 + 10^ 40' in 65854- Tagen,^ in wie
Tiel Zeit 360^ ? und erhielt so 36S-|> Tage. Sei es nun,
dafi sie die 10^ 40' durch dme unmittelbare Beobacbr
tung gefunden, oder, was wahrscheinlicher ist, sie vez^
mittelst der ihnen aus andern Gründen bekannten Dauer
des Sonnenjahrs zu 365^ Tagen hergeleitet hatten, ge-
nug, diese Dauer muiste ihnen bekannt sein.
') Das Wort kommt in der chaldaischen Bibelübersetzung ror,
z. B, i. Mos. XXXVn, 9. Das arabische j^ schehr, Mo-
nat, hängt damit yermutUidi siitaBuaen.
208 Technische Chronologe.
Da also der Mond nach 223 Wecksdn oder 6585
Tagen 8 Stunden beinahe zu desidbenr Stellung in An-
sehung seiner Erdfeme und seiner Knoten zurückkehrt,
so müssen sich nach diesem Zeitraum die Finsternisse
in fiist gleicher Ordnung und Größe erneuen. Dies
sagt bereits Pllnius mit den Worten: D^fectus dur-
centis viginti tribus mensibus, redire in suos orbes cer-^
tum est*). Ob die jetzt gebräuchliche Methode, Fin-
sternisse zu berechnen, iivelche der Hauptsache nach
schon im Almagest yorkommt, vor Hipparch be-
kannt gewesen ist, steht sehr zu bezweifeln. Die Chal-
däer, die auf die Mondfinstemisse, welche sie beobach-
teten, vorbereitet sein müistei^, können also ihre Aus-
kunft nur mit Hülfe der nach ihnen benannten Periode
vorausgesehen haben, indem sie vermittelst derselben
von einer Mondfinstemifs zur andern fortrechneten«
Auf die Sonnenfinsternisse konnten sie dieselbe wegen
der Parallaxe nicht unmittelbar anwenden. Diodor
^gt ') : „In Betreff der Sonnenfinsternisse sind ihre Er-
^^kUirungen von der schwächsten Art, und sie wagen
,,es nicht, solche zu verkündigen und ihre Zeiten ge-
,,nau zu bestimmen." Bailly glaubt daher ^), dais
sie diese Erscheinungen ganz aufgegeben hätten. Hat
aber Thaies den JonierU' wirklich die große Sonnen-
*) H. N. n, 10. Vor Harduin*8 zweiter Ausgabe las man
ducentis viginti duobus, wie beim Suidas, aufweichen Fehler
schon Halle j C^hil, Transact, 1691 no. 194, p.535J aufmerk-
sam gemacht hat. Harduin hat 223 gesetzt^ einigen Hand-
schriflen und Ausgaben des fünfzehnten Jahrhunderts zufolge.
') n, 31.
') Hist, de l'astroH. ancietme 1. ü, p. 54.
Babylonibr. 209
finstemiüi yorher yerkündigt, die dem Kampf der Me-
der undLyder amHalys ein schleuniges Ende machte ^),
so kann er dabei nur von der in Rede stehenden Mond-
periode ausgegangen sein, die er mit einiger Kenntnilk
der Parallaxe auf die Sonnenfinsternisse anzuwenden
wufste; und warum sollten die Ghaldäer die Wirkung
derselben, wenigstens im Groben, nicht auch bereits
gekannt haben?
Die Finsterniis, deren ich hier so eben gedacht
habe, Ast fiir die Zeitrechnung zu wichtig geworden,
als dals ich nicht diese Gelegenheit benutzen sollte,
das Ergebnifs der neusten Untersuchungen über sie mei-
nen Lesern mitzutheilen. Es gibt kaum eine in Klein-
asien sichtbar gewesene Sonnenfinsternis aus dem
Zeitraum yon 626 bis 581 y. Chr. , die man nicht für
die des Thaies angesehen hätte. Keine andere weiter
kann aber dafür genommen werden, als die yom 30. Sep-
tember 610, wie Hr. Oltmanns durch eine sorgfältige
nach den neusten asti^onomischen Tafeln geführte Rech-
nung gefunden hat^). Die Finsterniis war zwar am
Halys nicht total, wie Herodot zu yerstehen gibt, aber
sehr stark; denn för einen Punkt yon 36° Länge tmd
40° nördlicher Breite, den Hr. Oltmanns für den
Kampfplatz nimmt, betrug der noch leuchtende Theil der
Sonne nur ^ ihi'er Scheibe, so dafs die daher rührende
Abnahme des Lichts allerdin^ stark genug war, um
*) Herodot 1,74 und andere Alle Tersichei'n dies. S.
Wesseling's Note.
^) S. die Scbriften der berliner Akademie aus den Jahren
1812 und 13 und Hrn. Bodens astronomisches Jahrbuch
1823, S. 197 ff.
L . [14]
210 Technische Chronologie.
Schrecken einflöüsen zu können. Auch war die Finster^
nifi ihi«r ganzen Daner nach sichtbar. Zwei Grad öst-
licher und einen Grad südlicher ^ in der Gegend von
Erzeram, wo Hr. Yolney das Schlachtfeld sucht, war
sie total« Bei den loniern betrug sie elf und einen hal-
ben Zoll. Des-Yignoles, der von der Finstemils des
Thaies ausfährlich* handelt ^), setzt sie auf den 28. Mai
585 y. Chr. , und die meisten neuem Chronologen sind
ihm beigetreten. Allein nach Hrn. Oltmanns ist
anter 36® Länge und 40® Breite die gröfste Verfinste-
rung eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang eingetroffen
nnd nur von sieben und einem halben Zoll gewesen.
Des-Yignoles gibt nach den frühem unrichtigen Ta*
fein ganz andere Resultate, die ihn freilich bei^echügten,
sich für diese Finstemifs zu erklttren, von der nun
aber nicht weiter die Rede sein kann. Noch weniger
läfst sich mit Hrn. Yolney an die vom 3. Februar 626
V.Chr. denken; denn diese war beim Aufgange der
Sonne bereits zu E^de. Durch Hrn. Oltmanns ver^
dienstliche Rechnung sinken nun so manche auf jene
Finstemils gegründete chronologische Spteme in ihr
Nichts zusammen.
Aufser der Periode von 223 Mondwechseln legt man
den Chaldäem • gewöhnlich noch zwei andei*e bei , die
für die Zeitrechnung wichtige neunzehnjährige oder
metonsche (47) und eine sechshundertjährige.
Jene, welche nach 235 Mondwechseln die Phasen zu
demselben Tage, ja &st zu derselben Stunde des Son-
nenjahrs zurückfuhrt, müssen sie allerdings gekannt ha-
ben, wenn sie ein gebundenes Mondjahr von fester An-
•) Chronologie de Phist, sainte Vol. 11. p. 245 ff-
BABTLOiri£R. 311
ardnung liatten. Von dieser findet sich eine Anzeige in
einer Stelle des losephus'), wo es heifst, Gott habe
den Erzyätem defshalb ein so hohes Alter yerliehen,
damit sie Zeit hätten, die Astronomie und Geometi*ie
zu vervollkommnen ; dies würden sie aber nicht gekonnt
haben, wenn sie nicht 600 Jahre gelebt hätten; denn
erst nach 600 Jahren gehe das grofse Jahr zu
Ende. Auf diese Worte haben Dominic Cassini,
Mairan, Goguet, leGentil und Bailiy ganze S]|^
Sterne von Schlüssen und Hypothesen gegründet, de*
ren Erörterung und Prüfung uns hier zu weit führen
würde ^).
Aus den angeführten Gründen ist nun Freret's
Hypothese, dals die Chaldaer im büi^rlichen L^ben
Mondmonate gebraucht haben , allerdings wahr-
scheinlich. Hatten sie aber ein reines oder ein gebau"
denes Mondjahr? Nach Freret keins von beiden. E9
heifst nämlich bei Eusebius^) und Syncellus*):
,,Berosus hat in seiner Geschichte nach Saren, Ne*
,,ren und Sossen gerechnet. Der Saros — Tdpo^ —
,, bezeichnet einen Zeitraum von 3600, der Nero«
,, — NiJ^o; — von 600, und der Sossos — ^Äcro-o;— von
,,60 Jahren." Dies sind nach Freret die Namen
der Mondperioden, deren sich die Chaldaer zur Einthei-
lung ihrer Zeit bedient haben ; nur gibt er ihnen ganz
*) Jntiq. lud. I, 3, 9.
^) Man yergleiche Lal anders Astron. Tom. 11. art. 1570.
^) Chronica I, S. 11 des aus dem Armenischen übersetzten
Werks nach der venezianiscfaea Ausgabe.
*) Chronogr, p. 17.
[14']
212 Technische Chronologie.
andere Werthe, jedoch mit Beibelialtung derselben Yer-
liältnisse« Yoraussetzend, dafs unter Saros die chal-
däische Periode zu verstehen sei, und von der irrigen
Notiz beim Suidas und falschen Lesart beim Plinius,
wonach dieselbe 222 Mondwechsel gehallen haben. soll,
ausgehend, macht er sich von dem Gehalt jener Perio^
den folgende Vorstellung: „Die Ghaldäer hatten einen
,, doppelten Saros, einen astronomischen von 223^),
„und einen bürgerlichen von 222 Mondwechseln.
„Den letztern theilten sie in 6Neren zu 37 synodischen,
„und den Neros wieder in 10 Sossen zu 4 periodischen
„Moimten, indem 37 synodische Monate nahe 40perio-
„dische geben." Hiemach hätte der bürgerliche Saros
65S5 Tage und etwa 19 Stunden, der Neros 1092 Tage
und 15 Stunden und der Sossos 109 Tage und 6 Stun-
den gehalten. £s ist aber gar nicht denkbar, dafs man
zur Anordnung der bürgerlichen Zeit Perioden gebraucht
haben sollte, welche aus Brüchen von Tagen bestanden,
zumal den periodischen Monat, der sich nur durch
astronomische Beobachtung bestimmen läfst. Auch kann
man nicht begreifen, warum man für den Saros gerade
eine Periode von 222 synodischen Monaten gewählt ha-
ben sollte, die weder selbst, noch in ihren Vielfachen
oder aliquoten Theilen der Dauer des Sonnenjahrs com-
*) Eine Spur dieses astronomischen Saros findet Fröret
in den 18jährigen Interrallen, nach denen Ptolemäus die Tafel
der mittleren Bewegungen der Sonne im Almagest ordnet.
B. m. S. 167 ff. Er jiimmt daher Gelegenheit zu der Yermu-
thung, dafs die erste Anlage der astronomischen Tafeln den Chal-
daem angehöre, worin ihm jedoch wenige beipflichten werden,
da höchst wahi-scheinlich Hipparch ihr erster Urheber ist.
Babylonibr. 213
mensurabel ist, auch sonst gar keine merkwürdige Ei-
genschaft hat.
Das Mondjahr der Chaldäer kann unmöglich eine
so unnatürliche Einrichtung gehabt haben. Es war
entweder ein reines, wie das der Araber, oder ein ge«
bundenes, wie das der übrigen semitischen YÖlker,
der Hebräer und Syrer. Letzteres ist das wahrschein«
lichsle, besonders defshalb, weil die Macedonier, deren
Monatsnamen sie unter den Seleuciden ihren Monaten
anpafslen, gleich allen übrigen griechischen . Yölkem
ein gebundenes Mondjahr hatten.
Von den Zeittheüen Saros, Neros und Sossos
kennen wir die Yerhältnisse und selbst die Namen der
beiden letztem nur aus Eusebius und Syncellus.
Den Saros erwähnt auiser Suidas noch Hesychius,
jedoch blofs mit der ungenügenden Erklärung: iptSriAos
tu; "fFopat Baßvhjovioigy eine gewisse Zahl bei den
Babyloniern. Dafs der Saros die chaldäische Pe-
riode sei, wie Halley glaubt, folgt mit Sicherheit we-
der aus der Etymologie, die nur auf den allgemeinen
Begriff Mondperiode leitet, noch aus der offenbar un-
richtigen Erklärung beim Suidas. Auch erlaubt das
Yerhältnifs , das zwischen den drei Zeiteinheiten Saros,
Neros und Sossos bestanden haben soll, nicht, beim Sa-
ros an die chaldäische Periode zu denken, da sonst für
den Neros und Sossos Zeiträume entstehen würden, die
weder ganze Tage, noch ganze Monate enthalten, auch
in gar keiner himmlischen Bewegung oder Erscheinung
gegründet sind. Freret's gezwungen^ Hypothese Bat
nirgends Beifall gefimden. Sie hat zu yielem Streit
über das Wesen des Saros, Neros und Sossos Anlaä
gegeben, wovon man die Aktenstücke im Journal des
214 Technische Chronologie.
Savans Dachsehen kann^). Die Sache ist dadurch we-
nig aufgeklärt worden^ und wird sich auch in Erman-
gelung historischer Data durch blofse Yermuthungen
schwerlich je aufs Reine bringen lassen.
Goguet ') hält den Neros för die vorhin (210)
erwähnte 600 jährige Periode. Dann hätte der Saros,
wie es auch Eusebius und Syncellus wollen, 3600
Jahr gehalten, und so würden die 120 Saren, die
Berosus nach eben diesen Schriftstellern dem Zeit-
raum vor der Ueberschwemmung des Xisuthrus (des
Noah der Chaldäer} beigelegt haben soll , 452000 Jahre
geben. Man könnte nun zwar sagen, da(s diese gro(se
Zahl von Jahren eine Uebertreibung sei, die eine hohe
Idee von dem Alter der Chaldäer erwecken sollte,
wie dergleichen Pralereien den Babyloniem auch von
Diodor ') und Cicero*) zur Last gelegt werden.
Contemnamas Babjrlonios, sagt der letztere, et eosy f ui
e Caucaso caeli signa servantes, nunieris steUanun cur-
sus et motus persequuntur: condemnemus, inquam, hos
aut stukitiae^ aut vanitatis, out imprudentiae , qui
CCCCLXX millia annorum, ut ipsi dicunty monumen-
tis comprehensa continent^ et mentiri iudicemuSy nee
saeculonun reliquorum iudicium, qvod de ipsis fiourum
Sit, pertimescere. Es ist aber viel wahrscheinlicher,
dafs die Jahre , die bei diesen Ungeheuern Zahlen zum
Grunde liegen, ein Ausdruck für weit kürzere Zeitdn-
*) September 1760, Januar 1761.
) In seiner Dissertation sur les piriodes astronomiques
des Chaldtfens am ScLlufs seines oben (59) citirten Werks.
•) n, 31.
*) De divin, I, 19. Vergl. n, 46. Lactant. InstU, VH, 14.
BABTLOiriER. 215
heiten aeln sollen, wie schon Eusebins yeimudiet').
Annianus und Panodorus, zwei im Anfange des
fünften Jahrhunderts n.Chr. lebende ägyptische Mönche,
sahen darin blofse Tage'), und dieser Meinung sind
in neuem Zeiten Des-Y ignoles und Bailly beigetre-
ten. Der erste reducirt ^) die 3600, 600 und 60 Jahre,
die der Saros, Neros und Sossos gehalten haben sollen,
in dieser Voraussetzung auf seine 360tägigen Jahre (69),
und findet 'so für den Saros 10 Jahre oder 120 Monate,
für den Neros 20 Monate und für den Sossos 2 Monate.
Er sagt, das hebräische BT« jom werde nicht blofs vom
Tage, sondern auch vom Jahr gebraucht^). Velmulh-
Jich habe es bei den Babyloniem ein ähnliches doppel-
sinniges Wort gegeben, das die Ghaldäer benutzt hätten,
um sich in den Augen der Griechen ein hohes Alter
beizulegen.
Bailly ^) gebraucht die Hypothese der ägyptischen
Mönche, um eine Notiz beim Simplicius, die man
sonst wenig glaubwürdig gefunden hat, durch eine an-
dere beim Plinius zu rechtfertigen. Die Sache ist
folgende.
Plinius *)• handelt vom Alter der Buchstaben-
schrift, litterasy sagt er, semper arbiträr Assjrriasßdsse.
•) Chron, I, p. 27.
^) Syncelli Chronographia p. 17 und 32, und Goar's Note
zu p. 33.
») Chronol. de Phist. sainte 11. p. 627 ff.
♦) So deutlich 2.Chron. XXI, 19.
•) Hist. de r Östron, ahcienne. ^clairciss. l.IY. S. XEtff.
•) H. N. vn, 57.
216 Technische Chronologie.
Perizonius *) lieset jissjrrüs, und erklärt es richtig
durch Bqbyloniis. Assur oder Assyrien nämlich be-
griff bei den Orientalem nicht blofe die Provinzen des al-
len assyrischen Reichs am Tigris, sondern alle die Länder
Vorderasiens 9 mit Ausnahme Arabiens , wo die semi-
tische Sprache in ihren verschiedenen Mundarten ge-
sprochen wurde. Die Griechen kürzten diesen Kamen
ab, und sagten dafür Syrien*), In spätem Zeiten
wurde das Wort Syrien blois auf das Land zwischen
dem mittelländischen Meer und dem Euphrat, oder auch
dem Tigris, beschränkt. PI in ins bemerkt nun femer,
die Griechen wären schon vor dem trojanischen Kriege
mit den Buchstaben bekannt gewesen, und die Aegypter
sollten sie gar schon vor dem uralten griechischen Ko-
nige Phoroneus gehabt haben. Dann heifist es weiter:
E diyerso Epigenes apud Babylonios DCCXX annonan
observationes siderum coctilibus laterculis inscriptas do^
cetg gravis auctor inprimis: qui nünimum, Berosus et
Critodemus, CCCCLXXX^) annorum. Ex quo appa-
ret aetemum Utteranan usum. Berosus lebte, me
schon bemerkt worden (197)i unter Antiochus Soter, der
um das Jahr 263 v. Chr. starb , und so würde nach
ihm der Gebrauch der Buchstaben zu Babylon nur bis
zur Mitte des achten Jahrhunderts v* Chr. oder bb zum
Anfange der nabonassarischen Acre zurückgehen. TVie
unlogisch erscheinen aber dann die Worte des Plinius,'
das Utteras semper arbiträr Assyriis ßdsse im An-
fange, und das ex quo apparet aetemum litterarum
*) Origg. Babyl. c. 1,
») Uerod. Vn, 63.
') Nach einer andern Lesart CGGCLXXXX.
Babtloivibr. 217
usum am Ende, verglichen mit den 480 Jahren vor
BerosusI Perizonius hat daher ohne Zweifel Recht,
wenn er, wie schon vor ihm Harduin, der Heraus-
geber des Flinius, glaubt, dafs das Zeichen für tau-
send aus dem Text gefallen sei, und da(s man 720
und 480 in 720000 und 480000 zu verwandeln habe *).
Die Meinung des Plinius ist dann: „Das ungeheure
„Alter, das Epigenes, Berosus imd Gritodemus
,,den auf Backsteinen verzeichneten Buchstaben beile-
,,gen, beweiset, dafs die Buchstaben bei den Baby-
,,loniem seit undenklichen Zeiten gebräuchlich gewe-
,,sen sind." Bailly nun, welcher der Meinung des
Perizonius beitritt, nimmt die gro&en Jahrsummen
für Tage, setzt den Epigenes unter Ptolemäus Phi-
ladelphus, und bringt so durch Zurückrechnen von
720000 Tagen oder 1971 jülianischen Jahren das Alter von
1903 Jahren vor Alexander heraus, welches Porphyr ius
beim Simplicius^) den astronomischen Beobachtun-
gen beilegt, die Gallisthenes seinem Lehr^ Aristoteles
aus Babylon geschickt haben soll. Die Zweifel, die man
gegen die Richtigkeit dieser Ifachricht erregt, werden
genügend von Bailly gehoben. Er hätte noch bemer-
ken können, dais die Chaldäer, welche die mittlei*en
Bewegungen des Mondes so genau kannten, sehr früh
angefangen haben müssen, den Himmel zu beobachten,
zumal da die Wissenschaft bei ihnen kein Gemeingut,
•) Er schiebt hinter DCCXX und CCCCLXXX ein M ein.
Es ist aber noch einfacher anzunehmen , dafs sich über diesen
Zahlen ursprünglich ein Querstrich befand, der bekanntlich in
den Handschriften tausend bedeutet.
') CommerU. in Aristot, de Caelo 1. 11, p. 123, a.
218 Technische Chronologie.
sondern das Erblheil einer Kaste war « unter der Suie
Fortschritte immer langsam sind« Auch darf man ge-
rade keinen Fehler in der Zahl 1903 argwöhnen; denn
an einem andern Ort sagt Simplicius ^): 9, Ich habe
,, gehört, da(s sich bei den Aegyptem astronomische
„Beobachtungen von nicht weniger als 2000 Jahren
„aufgezeichnet finden, und bei den Babyloniem nocb
„ältere." Wenn man einwendet, dafs sich keine Spur
von diesen aus Babylon gekommenen Beobaditungen
beim Aristoteles erhalten hahe, so irrt man; denn
gerade an der Stelle des zweiten Buchs de Caelo, die
Simplicius commentirt '), heifst es bei Erwähnung
einer Bedeckung des Mars vom Monde: ,,£ben der-
,, gleichen yielj ährige an den übrigen Sternen (Planeten)
„gemachte Beobachtungen haben die Aegypter und Ba-
„ bylonier angestellt , von denen viele zu unserer Kunde
„gelangt sind." Sollte auch Epigenes gerade nicht
unter Ptolemaus Philadelphus gehören^), so hat er
doch höchst wahrscheinlich vor unserer Zeitrechnung
gelebt, und so gehen die 1971 Jahre, die er nadi
Bailly's Hypothese dem Gebrauch der Buchstaben bei
den Babyloniem und ihren astronomischen Beobach-
tungen beilegt, immer noch weit genug zurück, um
der Notiz beim Simplicius zur Bestätigung zu dienen.
") P. 27, a.
») €.12.
') Sein Zeitaltei* läfst sich weder aus obiger Stelle des Plinias,
noch aus Scneca, der ihn. Quaest. nai, YII, 3 cilirt, noch aus
Plutarch de plac, phil. III, 2, noch endlich aus Gens or in us,
der ihn c. 7 und 17 erwähnt , ihn zu den Astix>logis zählt und
einen Byzantier nennt, mit Sicherheit abnehmen.
Babtlohibr. 219
Hipparch hat das Alter der chaldäischen Be*
obachtimgen beträchtlich geringer angenommen. Nach
lamblichus beim Proklus ^) hatte er irgendwo in
seinen Schriften gesagt , die Assyrier (Ghaldäer) hätten
den Himmel 270000 Jahre lang beobachtet. Diese (lir
Tage genommen, erhalten wir nahe 740 Jahre. Sonach
gingen die Beobachtungen der Ghaldäer nur 870 bis
880 Jahre vor unserer Zeitrechnung zurück. Man kann
diese Angabe mit der beim Simplicius vereinigen,
wenn man sagt, dafs die Beobachtungen, die Hipparch
tauglich fand, höchstens ein Alter von 880 Jahren v. Chr.
hatten.
So wahrscheinh'ch es aber auch sein mag, dais die
Babylonier im bürgerlichen Leben ein gebundenes Mond-
jahr gehabt haben, so lälst sich doch unmöglich anneh*
men, dafs ihre astronomischen Beobachtungen Ursprünge
lieh an ein solches geknüpft waren, und dals die ägyp-
tischen Data, womit sie im Almagest bezeichnet vor-
kommen, so wie die jetzige Form der beiden ersten
Abtheilungen des astronomischen Kanons, das Resultat
einer von den Alexandrinern veranstalteten Reduction
sind, wie sich Fr er et überredet. Eine solche würde
mit grofsen Schwierigkeilen verknüpft gewesen sein,
selbst wenn die Ghaldäer, was doch schwer zu Rauben
ist , schon seit Nabonassar ein nach richtigen Principien
geordnetes Mondjahr gehabt und dasselbe Jahrhunderte
lang unverändert beibehalten hätten. Ich bin daher
geneigt zu der Hypothese, dafs sie sich als eines Hülfs-
mittels bei ihren astronomischen Beobachtungen und
Rechnungen des dazu sehr bequemen ägyptischen Jahrs
*) In Timaeum . Piaton. 1. 1, p. 3i.
220 Technische Chronologie.
bedient Laben, sei es nun, dais sie ein solches von
den Aegyptem oder von den Persem entlehnt, oder es
selbst erfunden hatten. Es ist gerade nicht nöthig az^
zunehmen, da(s ihre Jahrepoche vollkommen mit der
ägyptischen übereinkam; eine Verschiedenheit beider
würde der Leichtigkeit der Reduction ihrer Data auf
die ägyptische Zeitrechndng keinen Eintrag gethan ha-
ben. Nachdem sie, denke ich mir, lange beobachtet
hatten, fanden sie, dafs ihnen ihre bürgerliche Jahr-
form keine bequeme Yei^leichung der Beobachtungen
und keine sichere Zeitbestimmung erlaubte. Sie sahen
sich also nach einer Form um, die ihnen beide Yor-
theile gewährte, und hier bot sich ihnen die ägyptische
als die bequemste unter allen dar« Yielleicht war es
ihr König Nabonassar, dem sie* die Einftihning die-
ser Zeitrechnung verdankten, und der sich dadurch ein
ähnliches Yerdietist tun sie, wie lulius Cäsar um
die Römer erwarb.
Man betraphtet gewöhnlich diesen Regenten als den
Stifter einer neuen Dynastie, indem man von der Vor-
stellung ausgeht, dafs der von ihm benannten Aere ir-
gend eine Staatsveränderung -zur Epoche gedient habe.
Was berechtigt aber zu dieser Ansicht? Diodor erzählt ^ ),
dafs sich die Babylonier, nachdem sie lange das assy-
rische Joch getragen hatten, in Vereinigung mit den Me-
dem frei machten ; allein er bemerkt nicht, ob und welche
Rolle Nabonassar dabei gespielt hat. Ptolemäus,
Censorinus, Eusebius, Theon und Syncellus
sind die einzigen, die diesen babylonischen König nen-
nen ; aber, keiner fuhrt ihn als den Urheber einer po-
*) n, 24.
Ba.btlonisr. 221
litisclien Revolution auf. Hatte er sich wirklich jenes
Verdienst um die chaldäischen Astronomen erworben,
so konnte ihnen dies Veranlassung geben, seinen Re-
gierungsantritt, oder vielmehr den nächstvorhergehen-
den Jahranfang zur Epoche einer Acre zu machen, an
die üe nun ihre Beobachtungen knüpften. Diese Hypo-
these, der die oben (203) erwähnte Notiz beim Syncellus
zur Bestätigung dient, scheint ungleich annehmlicher,
als die zugleich von diesem Chronographen gegebene
Nachricht , Nabonassar habe der Versicherung des
Alexander Polyhistor und Berosus zufolge sämmt-
liehe seine Vor^nger betreffende historische Denkmäler
vertilgt, damit ins künftige die Reihe der babylonischen
Regenten mit ihm b^onnen werde. Hätten diese Ge-
schichtschreiber Recht gehabt , auf welchem Wege wä-
ren sie denn, fi'agt Dodwell ^}, zur Kenntnifs der
frühem Geschichte Babylons gelangt, von der sie so viel
zu eriählen wufsten?
PI in ins spricht an der vorhin (216) angezogenen
Stelle von uralten babylonischen Beobachtungen , die
auf gebrannten Backsteinen — coctiUbus latercu-
Us — aufgezeichnet waren. Dafs dieses Material wirk«
lieh dazu benutzt wurde, ist in der That sehr glaub-
lich, da man an der Stelle des alten Babylons noch
jetzt Backsteine mit Schriftzügen (der bis jetzt noch
nicht entzifferten Keilschrift) in Menge findet. Wie
aber auch die Chaldäer ihre Beobachtungen aufbewahrt
haben mögen, immer ist es wahrscheinlich, dafs
sie dieselben in Annalen niederlegten, von denen
sich Auszüge zu den Griechen fortgepflanzt haben.
*) Prolegg. in append. ad dissert. Cjrprian. S. 23.
222 Teclmische Chronologie.
Wurden darin zugleich die wichtigsten Staatsereignisse
bemerkt, so ergab sich jenes nackte R^jentenverzeich-*
nifs, das in der Folge unter dem Namen des Hegen-
tenkanons von den Griechen fortgeführt worden ist,
gewissermafsen von selbst.
Dodwell und Des-Yignoles sehen den Berosus
als den Urheber des Kanons an. Der letztere beruft sich
auf ein von losephus ^) citirtes und von Eusebius ')
wiederholtes Fragment dieses Schriftstellers, das in An-
sehung der Regierungsdauer der fünf nächsten Vorgan«-
gei; des Cyrus ganz mit dem Kanon übereinstimmt, aber
gewifs nichts weiter beweiset, als da(s auch die erste
Abtheilung desselben alles Zutrauen verdient. Von ei-
nem Urheber und Fortsetzer kann bei den Chaldaern
wol eben so wenig, als bei den Griechen, die Bede sein.
Die Astronomen haben diese Tafel von Zeit zu Zeit
erweitert, um ihre Brauchbarkeit zu erhalten.
In den Annalen der Chaldäer war neben dem ägyp-
tischen oder astronomischen Datum einer jeden Beob-
achtung vermuthlich auch das landesübliche bemerkt.
Der Astronom also, der di*ei vor Alexander zu Babjloa
beobachtete, an attische Monate geknüpfte Mondfinster-
nisse ^) aus den chaldäischen Archiven den Griechen
mittheilte', durfte statt der babylonischen Mondmonate
nur die entsprechenden attischen setzen. Die hinzu-
gefügten ägyptischen Data machten die Angabe der at-
tischen überflüssig, die daher audi nicht angeführt
sind. So z. B. heifst es , die erste sei unter dem Ar-
*) Antiq. lud. X, 11. In Apion. LI. c. 19, 20.
*) Praep. Ev. IX, 40.
') Almagest 1.IV, clO, S.275, 76, 78.
Babtlonxbr, 223
ehon iPhanostratus im Monat Poieideon beobachtet, nach
den Aegyptern in der Macht vom 26 zum 27* Thoth
des Jahrs 366 seit Nabonassar. Die attischen Data
waren auch ganz überflüssig, da die Athener ohnehin
wufsten, dafs die Mondfinsteraisse um die Mitte ihrer
Monate eintrafen , wenn diese andei's , was in der Regel
gewifs- der Fall war, mit dem Himmel übereinstimmlen.
Wir werden in der griechischen Zeitrechnung auf diese
drei Beobachtungen zurückkommen.
Die drei ).üngsten unter den dreizehn auf uns
gekommenen chaldsischen Beobachtungen finden wir«
aufser den ägyptischen Datis> zugleich mit den mace-
doni sehen bezeichnet (205). Die maoedonischen Mo-
nate halten sich durch Alezander's Heei*szug über ganz
Yoixlerasien bis Babylon hin verbreitet. Es ist gerade
nicht nöthig, dafs die babylonischen Monate durch die
macedonischen verdrängt wuixien. Beide Arten von
Monaten konnten als lunarische sehr wohl neben ein-
ander bestehen, und wir haben uns nur vorzustellen,
dafs der griechische Astronom, der diese Beobachtungen
seinen Landsleuten mitlheilte, die ihnen geläufigeren
mAoedonischen Namen gesetzt hat.
Sie sind zugleich an eine eigenthümlicbe Aere ge-
knüpft. Es heifst nämlich von der ersten, dais sie im
67sten Jahr der Ghaldaer am 5. Apelläus, von der
zweiten, dafs sie im 75sten Jahr der Chaldäer am
14. Dius, und von der dritten, dafs sie im 82sten Jahr
der Chaldäer am 5. Xanthicus angestellt sei. Die bei-
gesetzten ägyptischen Data und nabonassarischen Jahr-
zahlen geben den 19. November 245, 30. Oktober 237
und I.März 229 v.Chr. Die Epoche dieser chaldäi-
schen Aere trifft also auf den Herbat des Jahrs 311
224 Technische Chronologie.
y. Chr. , ob auf den An&ng des Dias , mit welchem die
eigentlichen Maoedonier, oder auf den des vorhergehen-
den Hyperberetäus, mit welchem die spätem Syromace-
donier ihr Jahr begannen, lälst sich nicht mit Sicher-
heit ermittehi. Die seleucidische Aere dagi^en,
nach der man in Syrien rechnete, nahm im Herbst
312 ihren Anfang, und zwar, wie man allgemein
glaubt, von der Schlacht bei Gaza, durch die Seleucos
!Nicator den Grund zu seiner Macht legte , und von
seiner bald nachher erfolgten Besitznahme Babylons.
Woher diese Verschiedenheit von einem Jahr rührte,
ist schwer zu sagen. Vielleicht datirt sich^die spätere
Acre von der Ermordung des jungem Alexander (112),
wodurch Alezander's des Grolsen Thron erst völlig er-
ledigt ward.
Dafs die Babylonier ihren bürgerlichen Tag
mit dem Aufgange der Sonne angefiingen haben, sa-
gen uns die Alten ganz übereinstimmig. Jpsum diem
ata aUter ohseryavere ; Babylonii inter duos solis exor-
tus, heifst es beim PI in ins '). Dieser Umstand scheint
freilich zu beweisen, dafs sie ihre Zeit nicht nach Mond-
wechseln geordnet haben (80). Allein es ist gar wohl
denkbar, dafs ein Volk, welches seine Zeit nach dem
Monde eintheilt, seinen bürgerlichen Tag erst mit dem
Morgen anfiangen könne , der auf die erste Erscheinimg
der Mondsichel in der Abenddämmerung folgt.
Dafs die Ghaldäer bereits die Stundeneinthei-
lung des Tages gekannt und gebraucht haben, lehren
die von ihnen gemachten, uns von Ptolemäus übep-
•) H.N.U, 79. Vergl. Censorin. c. 23. Gelliu« iV. ^.
in, 2. Macrob. iS^. I, 3. Uid. Etym.Y,30.
Babtlonier. 226
lieferten Beobachtungen. Auch sagt Herodot aus-
drücklich (S5), dafs die zwölf Theile des Tages von
den Babyloniem zu den Griechen gekommen sind. Selbst
den Unterschied unter bürgerlichen und astrono-
mischen Stunden (87) müssen sie sdion .gekannt ha-
ben* Beide Arten von Stunden kommen bei ihren Be-
obachtungen vor, die ersten bei allen , die letztem nur
bei einigen. Bei der Bestimmung derselben haben sie
schwerlich eine künstliche Wasseruhr von der Art ge-
braucht, wie sie erst spät von Gtesibius erfunden
worden ist. Sie verfuhren dabei vermuthlich sehr ein-
fach, indem sie sich eines mit einem Hahn versehenen
Gefafses bedienten, aus dem, weil es durch Züfiuis
aus einem Wasserbehälter beständig gefüllt blieb, in
gleichen Zeiten gleich viel Wasser flofs , einer auch
von den griechischen Astronomen gebrauchten Vorrich-
tung, deren Gleomedes, Sextus Empiricus,
Theon, Pappus, Proclus und Macrobius ge-
denken *). Wollten sie z. B. eine Sternbedeckung be-
obachten, so öffneten sie den Hahn mit dem Unter-
gange der Sonne und sammelten die Wassermengen,
die bis zur Beobachtung und von dieser bis zum Auf-
*) Cleom. Cjrclom. 1. ü, p. 75 cd. Balf. Sextus adversus
Jstrologos 1. Y, p.342 ed. Fabr. Theon in Almag. LI, p.6.
1. n, p. 82. 1. IV, p. 196. Pappus in dem gröfstentheils ihm
angehörigen Commentar zum fünften Buch des Almagest p. 261.
Proklus Hjrpotyp, p. 107 der Halmaschen Ausgabe. Macrob.
in Somn. Scip. I, 21. Nach Proklus hatte der Mechaniker
H e r o n eine eigene Schrift unter dem Titel mpi v^pMv »po^xo-
mi^v geschrieben. Yermuthlich nannte man diese Yon'ichtung
eigentlich v^piov vpoffxonov. Yermittelst derselben bestimmte man
I. [15]
226 Technische Chronologie.
gBDge der Sonne ausfloMen. Beide Mengea yerglichen
sie ent¥^er durch Abmessen oder Abwägen, worauf
sie ganz einfiM^h schlössen: wie sich die Summe beider
zur ersten Terhält, so die 12 Stunden der Nacht zu
der Anzahl Stunden, die bis auf die Beobachtung ver-
flossen sind. Auf diese Weise wurde der gesuchte Au-
genblick in bürgerlichen Stunden gefunden, die sich
dann der Polhöhe und der Jahrszeit gemäls leicht in
astronomische verwandeln liefsen. Sie konnten aber
auch die letztem unmittelbar dadurch bestimmen, dals
sie die beiden Wassermassen , die zwischen dem vorbei^
gehenden Mittage, der Beobachtung und dem nächstfol-
genden Mittage ausflössen, mit einander verglichen.
Von dem mko^ und yvvijiüoy^ welche die Griechen
naeh Herodot zugleich mit den zwölf Theilen des
Tages von den Babyloniem erhalten haben, wird im
folgenden Abschnitt die Bede sein.
den Bcheinbaren DurchmeMer der Sonne, indem man die Zeit
' ihres Durchgangs durch den Horizont mafs. Dies hiefs den
Durchmesser h' v^po^rrptcair oder ^i* v^poXoylotp suchen^ wie Cleo-
medes und Pappus sagen. Nach Sextus Empiricus hat
diese Vorrichtung den Chaldäem auch zur Eintheilung des Thier^
kreises in seine zwölf Zeichen gedient. Die Genauigkeit kann
nicht grois gewesen sein, da sich von der Ekliptik in gleichen
Zeiten gleiche Theile weder durch den Horizont, noch durch
den Meridian schieben.
Dritter Abschnitt.
Zeitrechnung der Griechen überhaupt
und der Athener insbesondere.
%/*/WVWi^tfV*/*^
B
'ie Griechen haben ursprünglich, wie alle auf einer
niedrigen Stufe der Cultur stehende Völker,' vermnthlich
blofs Tag und Nacht unterschieden^ die durch die
auflallenden Erscheinungen des Auf- und Untergangs
der Sonne bedingt werden« Mit der Zeit, so wie die
Geschäfte des bürgerlichen Lebens sich vervielfältigten
und theilten, kamen Mittag, Mitternacht, Tages-
anbruch und andere Zeitbestimmungen mehr hinzu;
Beim Homer finden wir in dieser Beziehung schon eine
grofse Mannigfaltigkeit* Besonders häufig erwähnt er
den Eintritt der Morgendämmerung, den Auf- und Un-
tergang der Sonne und den Anbruch der Nacht, min-
der oft den Mittag.
Ueber den Ausdruck yvxrog aixoky^i den er Öfters
gebraucht, sind die Ausleger verschiedener Meinung.
Einige erklären ihn vom Morgen und Abend oder
der Zeit xaJd-' oy a/x^/oua-i, wo man melkt, andere
von der dunkeln, tiefen Nacht, noa: üuempesta,
xo^-' ov fjLvj dijLikyov<ni wo man nicht melkt. Letztere
Erklärung ist wol die richtigste; denn wenn es von
dem Gestirn des Hundes heiist, dals es mit vielen Ster-
[15']
228 Technische Chronologie.
nen funkele yükt^ inokrf"), so ist klar, dafs die Uefe
Nacht gemeint sein müsse. Noch klarer ist dies, wenn
das Epithel pXaiyijs» der schwarzen, dabei sieht *).
Es fragt sich nur, wie man diese Bedeutung etymolo-
gisch rechtfertigen solle? Dafs man ursprünglich /lÄyciy
sutt i}jAyti» gesagt habe, macht das lateinische mulgere
und das deutsche melken wahrscheinlich, und so
könnte der Ausdruck zu einer Zeit enUUnden sein, wo
l^iKytv» noch nicht durch dfjlkyiiv verdrängt war. Viel-
leicht steht aber auch apoX/o^ mit dem Begi-iff melken
in gar keiner Verbindung ').
Es würde uns zu weit fuhren, wenn wir hier die
nJilreichen, zum Theil, wie ayopa^ ttXijS'pujij;, ßwkvro^ *),
*) //. 0, 324. Man vergleiche hier den Eusttthius.
') Friedr. Aug. Wolf hat hier am Rande meines Manu-
BcriptB angemerkt: „Die Ei'klärung xo^* tv jxiq a^iiXyovn ist kaum
„erwähnungsweitfa. So entstehen schwerlich Wörter: denn wie
„Tiele Zeiten gibt es nicht, wo man eben nicht melkt. Mir
„schien dies aUerschwierigste homerische Wort immer zu dem
„alten sichera a|x£Xyw für fiiXyw zu gehören, nämlich als die
„letzte noch dunkle Nachtzeit, zwischen Mitternacht und Son-
„nenaufgang, wo man vermutldich vor dem Austreiben des Viehs
„molk. So pafst überall der Sinn der homerischen Stellen. Wei-
„ter läfst sich hier nicht gehen, als auf schwache Wahi-schein-
„lichkeit. Immer täuscht der Ausdruck hiehin, dorthin." Der
nächstens erscheinende zweite Theil von Hm. Buttmann'sLexi-
logus wii'd, wie Wolf hinzusetzt, vermuthlich die Sache aufs
Klare bringen.
*) *Ayop5ff «XnjSouoTjc bezeichnet die Zeit von Morgen bis Mit-
tag, wo die uyopety der Yersammlungsplatz des Volks, mit
Menschen gefüllt wai\ 'Bovkvrog heifst die Abendzeit, wo
man die Ochsen ausspannt. //. ir, 779. Od,i, 58. Aratus
sagt dafür v. iil8 ßouXvVio; Spa, die stierabspannende
Stunde, wie es unser Vofs gibt.
Gaieghen. 229
von YerrichtUDgen des büi^;erlicben Lebens entlebnien
Ausdrücke, womit die griechiscbe Spracbe die verschieb
denen Tfaeile des Tages und der Nacht bezeichnet, sam-
meln wollten. Die yomehmsten findet man beim Pollux
zusammengestellt ^).
Die Zeiten der Nacht konnten die Griechen lange
nur aus dem Stande der Gestirne gegen den Horizont
abnehmen, so wie sie bis zur Einfuhrung einer festen
Zeitrechnung die Jahrszeiten nur vermittelst der Er*
scheinung und Yerschwindung der ausgezeichnetsten
Gestirne in der Morgen* und Abenddämmerung zu
erkennen vermochten. Es war daher die Kenntnis
des gestirnten Himmels unter ihnen weit allgemeiner
verbreitet , als unter uns. Xenophon berichtet ') ,
Socrates habe der Jugend empfohlen, sich der Stern-
kunde zu befleifsigen, um auf Reisen zu Lande und zu
Wasser und in Lägern die Zeiten der Nacht, des Mo-
nats und des Jahrs zu erkennen. Um die Zeiten der
erstem mit einiger Bestimmtheit selbst bei bewölktem
Himmel ermitteln zu können, merkte man sich, welche
Gestirne im Ost- und Westhorizont standen, wenn der
Krebs, der Löwe, kurz die einzelnen Zeichen des Thier«
k^ises aufgingen. Sah man nun irgend ein Gestirn,
auch nur durch Wolkenöffnungen, im Horizont, so
wufste man, welches Zeichen aufging, woraus man
dann, wenn man die Jahrszeit oder das Zeichen kannte,
worin sich die Sonne gerade befand, die Zeit der Nacht
*) Onom. I, 7, 68-72.
») Memor. IV, 7.
230 Technische Chronologie.
^venigstens im Groben abnehinen konnte. Aratus wid-
met diesem Gegenstande, den awetvaroXai^, einen betrSIcbt-
lichen Tfaeil seines astronomischen liehrgedichts ^).
Mit Ausnahme der Clepsydnte, die jedoch den
Namen der Uhren eben so wenig verdienen, wie un-
sere Sanduhren, fehlte es den Griechen lange an
einem künstlichen Hülfsmittel zur Bestimmung der
Eeiten der Nacht. Ein solches eriand erst der unter
Ptolemäus Euergetes II (Physcon) etwa 140 Jahre y. Chr.
lebende Mechaniker Gtesibius aus AlexaQdria. Es
war ein auf dem Fall des Wassei^ benihendes Uhrwerk,
welches das ganze Jahr hindurch die bürgerlichen Stun-
den angab, aber nach dem veränderlichen Stande der
Sonne in der Ekliptik und der davon abhängigen Länge
der Tag- und Nachtstunden von Zeit zu Zeit gestellt
werden mu&te und schon delsfaalb wenig Genauigkeit
gewähren konnte, daher wir auch von dieser Wasseiv
uhr — wpoXffyiov vipavkmoy — bei den Griechen keinen
sonderlichen Gebrauch gemacht finden, selbst nicht ein-
mahl, wie man doch glauben möchte, von ihren Astro-
nomen; denn nirgends ist von ihr beim Ptolemäas
oder einem seiner Commentatoren die Rede ').
Die KX£i//udpai werden zuerst von Aristophanes
erwähnt^). Es waren bronzene Gefäise, die, bis zu
*) T. 558 ff.
*) Die Beschreibung, die Vitrurius (IX, 9) unter dem Na-
men horologium ex aqua von ihr gibt, gewährt keine ganz klai^
Ansicht Ton ihrer Einrichtung, die künstlich genug gewesen zu
sein scheint.
') Acham, 693. Vesp. 93 , und die Schohen daselbst.
Griechen. 231
einer gewissen Hölie mit Wasser gefüllt, sich allraalig
durch kleine im Soden angelnraclite Oeffnungen ausleep-
ten, und besonders vor Gericht gebraucht wurden, um
die Sachwalter zur Zusammendrängung ihrer Reden zu
nöthigen ^)* Auch bediente man sich ihrer zur Abmes-
sung der Wachen — i^Xaxaä, — , deren die Griechen,
eben so wie die Römer, vier auf die Nacht rechneten ' )•
Wie sie zu diesem Behuf eingerichtet waren, ersehen
wir aus dem Taktiker Aeneas ^). Man gab ihnen eine
solche Weite, dafs sie den vierten Theil der längsten
Itacht zumafsen, und verengte sie dann allmälig durch
Anklebung einer bestimmten Quantität Wachs, so wie
die Nächte kürzer wurden. Dafs man sich bei heiterm
Himmel in 4len Lagern auch nach dem Stande der 6e*
stime gerichtet habe, lehrt die aus Xenophon ange-
führte Stelle (229).
Die hydraulisdie Uhr des Ktesibius kommt bei
den Griechen nirgends unter der Benennung kKE\pvipcL
vor. Wenn also Suidas von diesem Worte aufser der
gewöhnlidien Erklärung auch noch folgende g:ibt: t,Ein
,, astronomisches Werkzeug, womit man die Stunden
,,mifst," so meint er vermuthlich die oben (225) er-
wähnten vdpiA wpocrxoTra, welche die alten Astronomen
zu ihren Zeitbestimmungen, besonders bei nächtlichen
Beobachtungen, gebrauchten. Diese müssen mithin
auch jikExfjv^pcu genannt .worden sein , und wirklich sagt
Martianus Capeila in einem Kapitel des achten
*) Wir werden unten in der romischen Zeitrechnung auf
diesen Gebrauch zurückkommen.
^) Suidas T. icpofuXtfxq.
^) c. 22.
232 Technische Chronologie*
Boclis, das also an&ngt : Luna minor est orbe suo seop-
oendes ^), da(s man dies yermittelst derClepsydrae ge-
funden habe. Nach Athen aus soll sich Plato eine
Nachtuhr -^wpokiytov ywcrtpvm — » der hydraulischen
ähnlich, yerfertigt haben, wie eine groise xXnpv^pa ge-
staltet '). Yermuthlich ist damit eine der eigentlichen
Clepsydra ähnliche Vorrichtung gemeint , wodurch sich
der Philosoph eine bestimmte Zeit des Schla& lumafs.
Der Ausdruck wpokoytoy scheint irrigerweise yon einem
spätem Schriftsteller auf dieses Werkzeug angewendet
worden zu sein*
Am Tage schlols man- anCsings die Zeit aus der
Stellung der Sonne gegen irdische Gegenstände und
aus der Lange und Richtung des Schattens. Man be-
merkte bald, da£s der Schatten zu Mittage am kürzesten
sei und immer einerlei Richtung habe. Um demnach
diesen wichtigen Zeitpunkt des Tages genau und die
Vor- und Nachmittagsstunden wenigstens im Groben
zu erkennen , wird man frühzeitig auf den Gebrauch
des Gnomons (26) gefallen sein. Yon dieser einfachen
Vorrichtung (das Wesentliche derselben bestand in
einer auf einem horizontalen Boden gezogenen Mittags-
linie und einem senkrecht darüber errichteten Stift,
Stab oder Obelisk) sind allmälig die Sonnenuhren
-T-WjOoXoyta 'qKietxat oder OTcio^ripixct — bei den Griechen
^) Soll heifsen : der schieinbare Durchmesser des Mondes (45)
ist 600 mal kleiner als dei* Umfang seiner scheinbaren Bahn, also
Ideinci- als J^ Grad oder 36 Minuten,
') JDeipn, 1. IV, p. 174 ed. Gasaub. An einer andern Stelle
(1.XIII, p.567) ist Ton einer ka/pa die Rede, die den Namen
i(X^rv>pa erhielt 9 hnt^i^ npiq xTa^ii^pav ovrouc^iy, Ug n$¥v^.
Gbtbchen« 233
ausgegangen; denn bei denselben stand der Scbatten-
zeiger — yvwiiwif — in der Regel vertikal, da er bei un-
sem Sonnenuhren, die nicht die veränderlichen Stun-
den, sondern eine gleichförmige S^eiteintheilung geben,
in der Richtung der Weltaxe li^. Unsere Gnomonik
ist daher eine ganz andere, als die der Alten ^).
Herodot sagt in den oben (85.) angeführten Worten,
dals die Griechen zugleich mit der Stundeneintheilung
des Tages auch die Sonnenuhren von den Babyloniem
entlehnt haben« Scaliger hat nämlich den vermuth->
lieh treffenden Gedanken, dafs 7c6ko^ die frühere Benen-
nung für wpokoyiov bei den Griechen gewesen sei *).
Zu dem von ihm aus Pollux angeführten Fragment
des Aristophanes, das nicht ganz klar ist, wollen
wir eine Stelle aus dem Lexiphanes des Lucian fü-
gen, einem Dialog, worin diejenigen verspottet werden,
die veraltete Ausdrücke in ihre Rede mischen. Es heifst
daselbst^): „wir werden bald nachfolgen, denn schon
„beschattet der Gnomon die Mitte des Polos ^).'* Selbst
in spätem Zeiten noch, wo das Wort wpokoyiov längst
^) Gute historisclie Nachrichten von der letztem gibt Mar-
tiiii*8 Abhandlung von den Sonnenuhren der Alten
(Leipzig 1777, 8), und tiefgreifende Untersuchungen über die
Gonstruction dieser Uhren van Beck Galkoen^s Disseriatio
mathemalico " antiquaria de horologiis veterum sciothericis,
cui accedit theoria solariorum, horam, azimuthum et aliitU"
dinem solis una exhibentium (Amsterdam 1797, 8J.
») Ad ManiL 1. m, p. 254 ed. 1599, 4.
') C.4. Opp. Tom.V, p.l82 ed. Bipont.
*) ... ]ikTr\¥ Tijy iroXov. Hiernach war das Wort in dieser Be-
deutung weiblich.
234 Technische Chronologie.
im Gebiauch war, mufs eine der fielen Arten von Son*
nenuhien der Alten roXo$ geheiiaen haben; denn beim
Pollux ^) ist yon einem runden Becken die Rede mit
dem Beisatz: „Es glich dem Polos, der die Stunden
„zeigt." Es war auch ganz passeml, die Sonnenuhr
mljo^ zu nennen ; denn das Wort hängt mit icokiwj tto^
Xet^, drehen, wenden, zusammen, und Lann eben
so gut Ton einem Instrument gebraucht werden, das
durdi den sich drehenden Sdiatten eines vertikalen
Stifts die Stunden angibt, als von den Wendepunkten
der Himmels- und Erdkugel.
Wenn nun aber mXo^ beim Herodot die Son*
nenuhr heilst, warum fiigt er noch yvuifxwv hinzu, da
dies ein wesentlicher Theil der Sonnenuhr, nämlich
der Schattenstift, ist? So fragt Larcher. Ihm
seheint es natürlich, dais Herodot bei Gelegenheit
der Sonnenuhr (diese ist seiner Meinung nadi durch
ymfim angedeutet) des Weltpols gedenke, weil der-
jenige, der eine Sonnenuhr constmjren wolle, die Pol-
höhe kennen mässe, ,,um den Gnomon der Weltaxe
„parallel zu richten." Man sieht, er hatte keine Idee
von den Sonnenuhren der Alten. Herodot konnte
eben so gut ttoXo; und yvvofiuw zusammenstellen, wie
Suidas (ipokoyiov und yrnfM/Dy, wenn er die Einnihrang
beider dem Anaximander beilegt*); denn der'Gno-
mon wurde, auch ohne Verbindung mit der Sonnen-
uhr, gebraucht, nicht blofi zu dem vorhin (232) an-
gedeuteten Behuf, sondern auch, um aus der Länge
des Mittagschattens die Jahrszeiten , besonders die vier
*) VI, 49. 4!0.
Griechen. 235
HanptabBchmUi^ des Jahn» die SonnenweiKlen und
Nachtgl^chen, zu erkennen.
Es ist in. der That sehr wahrscheinlicli, da& es der
etwa hundert Jahr vor Herodot ld)ende Anaximander
war, der zuerst seine Landsleute mit dieser Erfindung
des Orients bekannt machte; denn nach Plinius ^)
war er der erste Grieche, der die Schiefe der Eklip-
tik wahrnahm, oder vielmehr mafs , wozu sich ihm
kein anderes Mittel darbot, als die Beobachtung des
Mittagsschattens am Gnomon. Ob er,^ wie Suidas und
Diogenes Laertius^) versichern, auch schon eine
Sonnenuhr aufgestellt hat, oder ob es, wie Plinius
sagt ^), sein Schüler Anaximenes war, der das erste
horohgium scioihericon errichtete, steht dahin. Auf
jeden Fall mufs man sich abei^ diese ersten Versuche
noch sehr roh denken. Es gingen ein paar Jahrhun*
derte hin, ehe die Gnomonik die YoUkommeaheit ei>
reichte, zu der sie bei den Alten gelangt ist. Es ge^
schah dies nicht vor Errichtung des alexandrinischen
Museums, wo die sich entwickelnde praktische Astro-
nomie das Bedürfnifs einer genauen Zeitmessung zuerst
recht fühlbar machte.
Noch zur Zeit des Aristophanes- scheint man
sich zu Athen mit einem bloisen Gnomon ohne Stun-
denabtheilung beholfen zu haben \ denn er spricht ein-
mahl ^) von einer «zehnfüfsigen Schattenlänge
— g-oix'^iov iBxiTTovy — , bei der jemand zum Essen gela-
*) //. iV. n,6.
•) Ve vil. Phil n, 1,3.
') Jf. N. n, 78. i
♦) EccL 648. Vagi, daselbst das SchoHon. *
/ r
. I
236 Technische Chronologie.
V
den sei, woraus hervorgeht, dafs man, in Ermangelung
genauerer Bezeichnungsmitlel, die Zeit eines Gastmahls
nach der Lange des Schattens bestimmte. Selbst noch
späterhin, wo man schon Sonnenuhren hatte, pflegte
dies zu geschehen, wie aus Plutarch ^) erhellet* Auch
sechs- sieben- zwölf- und zwanzigfüfsige
Schattenlängen fiinden sich in gleicher Beziehung er-
wähnt ').
Das Wort $-oix«5bv> das in dergleichen Fällen ge-
braucht wird, soll offenbar nichts weiter als die Länge
des Schattens bezeichnen, was auch PoUux aus-
drücklich sagt^). Es war ganz schicklich gewählt, da
diese Länge das Element der ganzen Zeitbestimmung
war. Sollte sie aber wirklich dafür gelten, so muisten
Ort (Polhöhe) , Jahrszeit und Höhe des Gnomons ge-
geben sein. Man kann sich vorstellen, dafs irgendwo
zu Athen auf einem mit Quadern belegten Boden ein
Gnqmon stand, der, mit concentrischen Kreisen von
bestimmten in Fufsen ausgedrückten Halbmessern um-
geben, zum allgemeinen Regulator diente. Yielleicht
hatte es aber, auch mit dieser Zeitbestimmung eine noch
viel einfachere Bewandtnifs.
Beim Hesjchius heilst es*): ,,Man mafs die
,, Schatten mit denFüisen, um die Stunden zu erken-
*) De adul. et amici discrim. c.5.
^ ) Die- Stellen sind von Gasaubonus gesammelt. Comment.
in Athenaeum 1. YI, c. 10.
wä ^oix}toif iwiXow. YI, 8, 44.
Griechen« 237
,,nen;^' und anderswo ^) : ,,An dem Schatten des Kör-
,,pers nahm man die Stunden wahr/' Was sich hier-
aus schon mit ziemlicher Sicherheit schliefsen läfst,
sagt eine von Salmasius') beigebrachte Stelle eines
spätem Griechen mit aller Bestimmtheit* Sie lautet
also: ,,Du mufst die Stunden aus deinem Schatten ab*
,, nehmen, indem du die Länge desselben mit deinen
,,Fü£5en ausmissest, einen vor den andern hinsetzend
„bis zu der Stelle, wohin bei vertikaler Richtung dei-
,,nes Körpers der Schatten deines Scheitels trifft^)."
Hatte man nun eine Tafel zur Hand , welche unter ei-
ner bestimmten Polhöhe und fiir bestimmte Jahrszeiten
die Schattenläuge eines Gnomons von fiinf Fuis von
Stunde zu Stunde angab, so durfte man nur auf die
hier angedeutete höchst einfache Weise die Länge sei-
nes Schattens messen, um die Stunde wenigstens im
Groben zu erkennen ; denn da bei jedem nicht ganz
unproportionirt gewachsenen Menschen die Länge^ des
Fufses in einem ziemlich constanten Verhältnisse zur
Höhe des Körpers steht, so kann letzterer, er sei so
gro& oder klein er wolle, die Stelle des gedachten
Gnomons vertreten.
Es läfst sich wol nicht bezweifeln, dais man im
Alterthum bei Ermangelung von Sonnen- und Was-
') Exerc, Plin, in Solin, p. 455.
^) Alf et Totyapoui/ OTjjbifiouo-dat refc wpaj ^rrpovvra Tijy o*i«vtow
o-xcav Totc l^loiq -noa-lv li/ ti} jUTUTi^ivat tva icaf tva fpo^a, ?ui( tou
tonov IvBa hv^t t3 axpov ti^c M^aXrig orov iv tu} Ig-av^al o-t ipB^v
xtnavTYia-av hei v^g amaq* Theodorus in epistola ad Theo»
philum.
238 Techniscfie Chronologie.
seniliren, deren Gebrauch unmer sehr beschränkt ge-
blieben sein mufs^ auf diese Weise die Stunden be-
stimmt habe. Aber schon vor Einführung der eigent-
lichen Stundenmesser hatte man hieran ein Mittel, .ir-
gend eine Zeit, z.B. die eines Gastmahls, cu belieh-
nen, das wenigstens beim Sonnenschein für einen dürf-
tigen Sldlvertreler unserer Uhren gelten konnte.
Da, wie wir gesehen haben, die Sonnenuhren Bei
den Griechen erst spät zu einiger Yollkommenheit und
die Wasseruhren noch ^ter in Gebrauch kamen, so
muiste die Stundeneintheilung des Tages, die sie
schon vor Herodot aus dem Orient entlehnt hatten,
ein paar Jahrhunderte bei ihnen &st ganz unbenutzt
bleiben. Es dauerte selbst lange, ehe das Wort äpa
far Stunde m Umlauf kam. Herodot kennt es in
dieser Bedeutung noch nicht ; sonst würde er nicht Ton
den zwölf Theilen — fjIpBO, ^ des Tages gesprochen
haben. Beim Xenophon ist an der angezogenen
Stelle von der wpa der Tracht, des Monats und des
Jahrs die Rede, die uns die Astronomie kennen lehren
soll. Das Wort bezeichnete also ursprünglich die Zeit
im Allgemeinen, besonders die Tages- und Jahrszei*
ten. Es steht bei den frühem Schriftstellern öfters
so, dafs man es auf den ersten Blick fiir Stunde zu
nehmen geneigt ist und es auch so übersetzen kann,
z. B. wenn es beim Xenophon an einer andern Stefie *)
heilst, dais man die wpa; bei Tage mit Hülfe der Sonne,
und bei Nacht vermittelst der Sterne erkenne. Es ist
hier aber gewils noch an keine eigentlichen Stunden
zu denken. Dies ist auch Hindenburg's Meinung,
*) Memor. IV, 3.
Grieghbn. 239
der in seinen AnmeriLongen zu Xenophon's Memo-
räbilien *) gründliche Untersuchungen über diesen Ge-
genstand anstellt. Erst als zu Alezandria die Scmnen*
uhren yervollLommnet und vervielfacht ¥nirdenf ging
die lange unfinchtbar gebliebene Stundeneintbeilung des
Tages ins Leben über, und nun ward das Bedürfnifs
eines eigenen Worts für Stunde gefühlt. Man wählte
dazu wpou Der Uebergang von der altem schwanken*
den Bedeutung zu der spätem bestimmten scheint fol-
gender gewesen zu sein: man nannte die Sonnen- und
späterhin die Wasseruhien wpokoyta oder dpoffxoTrui, weil
sie die Zeiten — wpa; — des Tages zumafsen, und diese
Benennung gab dann Anlafs, die bestimmten Zeittheile,
die jene Uhren angaben, selbst tSpag zu nennen. Wie
es scheint, sind es die Astronomen gewesen, die das
Wort zuerst in dieser Bedeutung gestempelt haben;
wenigstens hat Hipparch, etwa 140 Jahre v.Chr.,
schon häufig tSpa für Stunde gebraucht, wie wir aus
dem Almagest ersehen. Mit den Sonnenuhren ging
das Wort zu den Römern über.
Leo Allatius behauptet'), dals die Eintheilung
des Tages in zwölf Theile nicht blols zu Plato's und
Aristoteles Zeiten, sondern selbst noch firüher, zu-
gleich mit der Benennung wpa, den Griechen schon
ganz geläufig gewesen sei. Zum Beweise citirt er eine
Stelle des erstem^), wo es von gewissen Weibern heilst,
dafs sie sich täglich im Tempel der Bith jia versammeln
sollen bis zum dritten Theil einer Hora — läxpt
*) S. 470 ff.
') De mensura temporum (Cölnl645, 8} c.IV, p.34.
') I>e legg. 1. VI, p. 784 ed. Steph.
240 Technische Chronologie.
rplrw läpovg wpa;. Der ganze Ziuammenhang lehrt aber,
dafs an einen Zeitraum von 20 unserer Minuten nicht
zu denken ist , wenn gleich das Wort wpa als Bezeich*
nung eines abgeschlossenen Zeitraums hier auf eine etwas
ungewöhnliche Weise gebraucht wird. Es scheint dar-
imter die den Geschäften gewidmete Zeit des Tages ver-
standen zu werden; denn wpa heifst auch die rechte
Zeit, die Zeit der Reife, der Thtttigkeit, der Kraft.
Yom Jahr gebraucht ist es der Sommer, vom Tage
die Zeit der Geschäfte, vom Leben die Jugend.
So wie die Griechen ursprünglich die Zeiten des
Tages nur vermittelst der Richtung und Lange des
Schattens,' und die der Nacht nur durch Beobachtung
des gestirnten Himmels zu unterscheiden vermochten,
bis sie endlich die gedachten Zeitmesser erhielten, die
jedoch nur wenig verbreitet gewesen sein können, so
gebrach es ihnen auch lange an jedem ändern Hülfs-
mittel zur Erkennung der Jahrszeiten .als solchen,
die ihnen die Natur selbst darbot. Dahin gehörte das
Konmien und Gehen der Zugvögel. Beim Aristophanes
läfst sich der Chor der Yögel im Wesentlichen also
vernehmen *): ,,Wir verkündigen die Zeiten des Früh-
,,lings, Sommers und Winters; die des Säens und der
„aufhörenden Schiflahrt, wenn der schreiende Kranich
,,nach Libyen entweicht* Die ankommende Weibe
„zeigt an, wann den Schafen die Frühlings wolle zu neh-
,,men, und die Schwalbe, wann das warme Winterkleid
,,mit dem leichten Sommergewande zu vertauschen ist."
Schon dem Hesiodus gilt das Geschrei des fortziehen-
den Kranichs als ein Vorbote des herannahenden
•) Aves, 710 ff.
Gaikch&n. 241
Winters *), Aucb nahineii späterhin die Astronomien
dergleichen natüiliche Merkmale in ihre Kalender auf ,
wie wir aus dem Geminus ersehen '), in dessen Pa-
rapegma Angaben wie x^^^^ ^loiyETai, ücmog <f^aiy£TflU,
die Schwalbe, die Weihe läfst sich sehen, den
Fizstemerscheinungen beigemischt sind.
Besonders aber waren es die Auf- und Untergänge
der Sterne in der Morgen- und Abenddämmerung (50),
die man in Ermangelung eines festen Sonnenjahi'S und
unserer Kalender als Signale der Jahrszeiten beob-
achtete.
Ursprünglich scheint man das Jfibr nur in Som-
mer und Winter getheilt zu haben. Als Merkmale
dieser beiden Hauptabschnitte diente den Griechen und
Römern der Frühauf- und Untergang der Ple-
jaden. Beim Aratus heifst es ^): ,,In geringer Zahl
,,und mit mattem Schimmer, aber allgemein bekannt,
,, kreisen sie früh und spät auf Jupiters Geheifs, der
,, ihnen den beginnenden Sommer und Winter, und
,,die herannahende Saatzeit zu verkündigen geboten."
Plinius sagt ^) : f^ergiliaram exortu aestas incipit, ac-
casu hiemSy semestri spatio intra se messes "vindemiaS"
que et ommuni maturitatem complexae. Hesiodus ge-
*) Opp. et d. 448.
*) Isag, c. 46.
) AI itlv 9ttw9 oX/yai iMct d^ryyUs% oAX* ai/a/i|i|fdnV .
^H^i *ta< tmi^tatf Zius ^' atrtoSf ilkhrroirrcu,
"O9 Tt^tn tut* &*^us Hai x''*t***^*9 <i^x°f^^*^
X^F^alvetv iniXtuntf, im^%9iuv9it r'a^oroio. *
*) H. N. XVra, 69.
[16]
242 Technische Chronologie.
denkt beider Ersclieinüngen in gleichem Sinn, nur dais
er statt des beginnenden Sommers und Winters die
Zeilen des ajuitjToj und 0/50x05, der Ernte und des Pflü-
ge n s setzt ^ ) . Die Ernte fing also im Klima von Griechen-
land ungleich finiher an, als bei uns; denn der Früh-
aufgang des Siebengestims erfolgte zu Hesiodus Zeit
(etwa 800 Jahre v.Chr.) und unter dem Paralld von
3d Grad, der mitten durch Griechenland hinstreicht,
am 19. Mai des julianischen Kalenders, welches Datum
damals mit Bezug auf die Nachtgleichen die Stellung
unsers Uten gregorianischen Mais hatte. Unter opo-
To$ versteht der Dichter die Zeit der Wintersaat,
die mit dem beginnenden x^^M^^» ^«^^ ^^^ nassen und
stürmischen Jahrszeit (einen Winter nach unserer
Art kennt Griechenland nicht) eintrat. Als Merkmal
dieser Zeit diente der Frühuntergang der Plejaden,
welcher für ihn am 3ten julianischen November er-
folgte , der unserm 26. Oktober analog ist. Die Dau
beider Erscheinungen liegen, wie man sieht, £ist um
ein halbes Jahr auseinander. Die Alten nahmen gerade
ein halbes Jahr an, wie wir aus Theophrast*) und
aus obigen Worten des Plinius ersehen.
So wie maix bei fortschreitender Cultur die beiden
Haupttheile des wx^fJiepoy, Tag und Nacht, in mehrere
kleinere zerfällte, um die Tageszeit näher bezeichnen
zu können, so wird man auch bald den Klimaten und
bürgerlichen Geschäften gemäfs mehrere Zeiten im Jahr
unterschieden haben. Natürlich theilte man zunächst
den langen Winter in zwei Abschnitte, in die Zeiten
»} C^p, et d, 383.
^) De signis pluviarum p. 417.
G RIECHER. 243
der ruhenden und erwachenden Natur. So hatte man
einen beschränktem X'^^'F^^ ^^^ einen Frühling — liotpw
Den Sommer theilte man in einen Früh- und einen
Spätsommer — 3ipog und oWpa — ohne jedoch Leide
so scharf zu unterscheiden , wie den Winter und Früh-
ling. Einen Herbst in unserem Sinne des Worts,
als Uebergangsperiode vom Sommer zum Winter, schei-
nen die altern Griechen eben so wenig gekannt zu
haben, wie die alten Deutschen, von denen Tacitus
sagt: jiutumni perinde nomen ac bona ignorüntur ^)«
Als Beleg hiezu dienen folgende Stellen der beiden tfl<-
testen Dichter.
Homer unterscheidet sehr bestimmt Winter,
Frühling und S am m e r. Die lürmend einherzieten-
den Troer mit den Kranichen vergleichend, sagt er,
dafs diese, den x^^j^^' ^^id unsäglichen Regen meidend,
mit Geschrei ^avon fliegen *), wo unter x^ipJy offenbar
eine unserm Winter analoge Jahrszeit verstanden
wird. Die Nachtigal singt, „wenn sich der Frühling
,, — top — erneuet^)." Den Sommer im Gegensatz
des Winters nennt er ^ipog. So sagt er, dais es dem
Garten des Alcinous nie an Früchten mangele, weder
im X«^l** ^^^ *°^ ^^P05 *)• Ein paarmahl stellt er ä4^
pog und oTTwpa zusammen, z.B. in folgendem Verse: '
AvT«rp Imjy Ü^at Bipog^ r^aXvta t* «rwpij.
Od. X, 191/
*) De mor, Germ. c.26. Diese Behauptung ist um so auf-
fallender, da harvest^ Herbst^ gewils ein uraltes gennanisches
Wort ist.
^) Od. T, 5i9.
*) Od. n, 118.
[16^
244 Technische Chronologie.
Man übersetzt hier oTrwpa gewöhnlich , aber irrig ,
durch Herbst; denn wenn gleich die orcdpa bei dem
Dichter, wie unser Herbst, zwischen ^Ipog und x^^M^*'
li^, so nahm sie doch yiei früher im Jahr ihren An-
fing, indem sie zugleich die heifse Jahrszeit in sich be-
griff. Wir ersehen dies aus einer Stelle der Iliade '},
wo es von dem Hundsstern heifst, dafs er in der oTruipa
aufgehe, we&halb ihn auch der Dichter an einer an-
dern ') dfvjp oTFwptvog nennt. Dieser Stera ging aber
zu seiner Zeit und. in seinem Klima gegen Ende des
Julius in der Morgendämmerung auf, yon welcher Er-
scheinung allein die Rede sein kann. Aristoteles')
und Theophrast^) setzen gar den Frühaufgang des
Orion, der noch einen halben Monat eher erfolgte, in
den Anfang der onfipeu Man sieht also, dafs die Jahrs-
aeit oTTwpa yon einem weit grÖ&ern Umfange war, als
unser Herbst; sie nahm mit dem heifsesten Sommer
um' den Frühaufgang des Sirius ihren Anfang, und
dauerte bis zum Frühuntergange der Plejaden, wo sie
sich an den stürmischen x^^M^v anschlofs. Es ist die
Zeit, wo die Baumfrüchte reifen, daher auch das Obst
selbst oWpa genannt wird. Da sich also die oTriipa. bis
rom.xeiMw»' erstreckte, so konnte Hesiodus, wenn er
den Schiffer warnen will, mit der Heimreise nicht allzu
lange zu zögern *], füglich dem Regen, mit demi sich
*) -,5.
') Problem, XXVI, 14.
*) De ventis p. 4H.
•) Opp. ei d. 674.
Griechen. 245
der x^^f^y ankündigt, das Beiwort oTPwpwog befl^n,
das hier durch herbstlich übersetzt werden kann*
Als sich der Begriff unsers Herbstes unter der Be-
nennung ixBTOTTwpov oder <f>^Lv67rwpov , d.i. der nach der
ojrdpa folgenden, sie beschliefsenden Zeit, gebildet hatte,
beschränkte man oTrwpcL auf die spätere und heiiseste
Periode des Sommers. So erklärt sie Eustathius *).
Endlich machte man oTrdpoi ganz zu dem, was wir
Hundstage nennen, nämlich zu der Zeit, welche die
Sonne im Zeichen des Löwen zubringt. ,,Der Sommer
,,(3'lpo5), sagt Olympiodor*), wird eingetheilt in J9'£po$,
,,wo sich die Sonne im ELrebs und in der Jungfrau be-
,, findet,' und in oWpo, wo sie im Löwen ist." Hiernach
zerfiel, wie. man sieht, der Sommer iii drei Perioden
von ziemlich gleicher Dauer, wovon die erste und dritte
^ipog und die zweite oTTuopa. genannt wurde.
Den eigentlichen Herbst kennt Homer noch
nicht. Beim Hesiodus findet sich zuerst eine Spur
davon, indem er das Adjectiv fjLBTOTFwpkvog als Synonym
von oT^pivo^ in obiger Bedeutung gebraucht^). Auch
er erwähnt die drei JahrszeiUen x^^M^^» ^^9 ^^^ ^^P^
nicht selten , z. B. bei Gelegenheit der dreifachen Pflü-
*) *OirJpa wpa fAiTogO xstfxiyvi dtpou; wd rov ficT aunjir juiT0«Jpov.
Zu //. •, 5. Auf diese Woi-te beruft sich ein Arcbäolog im Neuen
teutschen Merkur (1799, 5 St. 8.58), wenn er behauptet, die
altern Griechen hätten nur eine wpa, den reifenden Sommer,
gekannt, und das, was uns Herb*st sei, Nachsommer, emip«,
und unsern Winter Nachnachsommer, fUTomäpoty genannt.
Die Sache ist ganz gut ausgedacht, allein Eustathius sagt so
etwas nicht.
*) Comment, in libr. L Meteor, Arist, p. 20, a.
^) Opp. et d, 415.
246 Technische ChroruJogie.
gezeit *). Seinen Frühsommer — S-^o;— läfst er fünf-
zig Tage nach der Sonmierwen<le , d. i. am 20. August,
zu Ende gehen '); denn die Sommerwende traf zu sei-
ner Zeit auf den 1* Julius. Wenn er dann, wie nicht
zu zweifeln ist, die i/TcJ^poL folgen lieis , so setzt er ihren
Anfang bedeutend später an, als Homer (244). Seinen
X^ip^y beginnt er mit der Wintersaatzeit ^), und da er
diese nach einer bereits oben (242) citirten Stelle an den
Fruhuntergang der Plejaden, und nach einer andern ^)
zugleich an den der Hyaden und des Orion knüpft,
so haben wir die Epoche seines Winters. Es ist die
erste Hälfte des Novembers , entweder der dritte , oder
der siebente, oder der fünfzehnte, )e nachdem sie durch
den Frühuntergang der Plejaden , oder der Hyaden,
oder des Orion bestimmt wird.
Den Frühling fängt er mit dem Spätaufgange des
Arktur an *). Diese Erscheinung ereignete sich zu sei-
ner 2!eit und in seinem Klima am 24. Februar des ju-
lianischen Kalenders, also 57 Tage nach der Winter-
wende, die sich zu seiner Zeit am 29. December ergab.
Er setzt dafür die runde Zahl von 60 Tagen, vermuth-
Hch den begangenen Fehler von drei Tagen nicht ah-
nend; denn es mangelte seiner Zeit'gewifs noch an al-
•)
448 ff.
*)
€63.
')
450.
*)
614.
*) 564. Der Spätaufgang des Arktur ist der letzte, nicht,
wie der Dichter sagt , der erste sichtbare Aufgang des Sterns in
der Abenddämmerung. Solche YerwechsluDgen kommen auch
anderwäiis vor.
Gbiechen. 247
len Mitteln , die Soniienweiiden und Nachtgleichen mit
einiger Genauigkeit zu beobachten ')• Dafs er die £rn~
tezeit, welche die Griechen in den Anfang des Som-
mers setzten» an den Frühaufgang der Plejaden knüpfte«
ist bereits bemerkt worden (242). Um den griechischen
Landmann in den Stand zu setzen, diesen ihm wich-
tigen Aufgang aus dem beobachteten Spätuntergange zu
finden, im Fall da& trübe Witterung denselben zu sehen
hinderte, gibt er das Intervall zwischen beiden Erschei-
nungen zu 40 Tagen an '). Bei dem Sehungsbogen yon
16 Grad, der für dieses Gestirn anzunehmen ist, fkllt
es einige Tage länger aus; denn der Spätuntergang er-
folgt der Rechnung nach am 4. April, und der Früh-
aufgang am 19. Mai. Noch verdient bemerkt zu wer-
den, dafs er zum Signal der Dreschzeit den Früh-
aufgang des Orion ^), und zu dem der Weinlese den
Frühaufgang des Arktur macht ^). Die erste Erschei-
nung erfolgte um den 9. Julius, und die zweite am
18. September des julianischen Kalenders.
^) Ei-st Thaies soll hieiniber Untei*suchungen angestellt ha-
ben, die ihn jedoch nicht ^eit geführt haben können, da der
Gnomon, der sich zunächst dazu darbot, erst durch Anaxim an«
der, seinen Schüler, den Griechen bekannt gewoj*den ist (235).
Nach Diogenes Laertius hat er (I, 23) mpl rpom^g xal Zcti/üii-
plag geschrieben, und (I, 24) zuerst tI^v dn^ vponrig M Tpomiv ircC-
po^ov gefunden^ was nichts andei*8 heifsen kann, als dafs er die
Dauer des tropischen Jahrs beslimmt hat. £r tbeille aber
Yermuthlich nur seinen Landsleuten mit, was er in dieser Be-
ziehung von den ägyptischen Priestern gelernt hatte (177).
») Opp. et d. 385.
') 597.
*) 609.
248 Technische Chronologie.
Es fragt sich, ob wir bei Homer und Hesiodas
drei Jahrszeiten anzunehmen haben, oder yier? £i-
nen Herbst offenbar nicht. Sollten wir aber ihren
Früh- und Spätsommer — ^ipo^ und oVw/» — nicht
för zwei yerscbiedene Jahrszeiten ansehen müssen? Ich
zweifele, besonders aus zwei Gründen, 1 ) weil einige ältere
griechische Dichter, die alle Jahrszeiten zu nennen un-
verkennbar die Absicht haben, nur jene drei anfuh-
ren, den Sommer entweder ^ipo^ oder oniipa, nennend.
So ist beim Aeschylus ^) yon x^^P^^ > ^^P> ^po^%
beim Aristophanes') und in einem orphischen Frag-
ment ^) von x^^V^^i ^^P ^^^ oTFtipa die Rede. 2) weil
die ältere griechische Dicht- und bildende Kunst nur
drei Hören kannte. Hesiodus sagt^), Jupiter
habe mit der Themis die Hören gezeugt, die Eunomia,
DIke und Eirene. Pausanias führt verschiedene alte
Kunstwerke an, auf denen nur drei Hören abgebildet
waren.
Sind denn aber die Hören so ausgemacht Symbole
der Jahrszeiten? So fragt Zoega, der ausführliche Un-
tersuchungen über diese mythischen Wesen ansteUt ^).
Dafs sie in spätem Zeiten, wo pian ihrer vier annahm,
für solche galten, leidet auch ihm keinen Zweifel. Er
leugnet aber, dafs dies schon in den frühern der Fall
gewesen sei. Sie waren, sagt er, ursprünglich nichts wei-
. *) Prometh. t. 453.
^) In der oben (240) cilirten Stelle.
0 No.3, p.363 ed. Gesner.
♦) Theog. 90i.
') Li Bassirilievi antichi di Roma (Rom 1808, fol.) Tom.II,
p.2i8 ff.
G RIECH BN. 249
ter als Gottheiten, die den Kreislauf der Dinge leiteten
und daher yon den Dichtern Kwckd^eg genannt und von
den Künstlern tanzend dargestellt wurden. Ihre obge-
dachten Namen beim Hesiodus deuten dahin , so wie
auch ihre Abkunft von der Themis, dem obersten Ge-
setz, und vom Jupiter, dem Lenker des Weltalls. Mit
Rücksicht auf Anfang, Mittel und Ende, oder auf Kei-
men, Blühen und Verwelken, nahm man ihrer drei an.
Sie hatten, fährt er fort, bei den ältesten Dichtem
und Künstlern einen allgemeinen mythischen Charakter,
nichts, was sie ausschliefsli^h zu Symbolen der Jahrs-
zeiten machte. Das Wort äpa bezeichnet jeden be-
grenzten Zeitraum des Jahrs, so wie des Tages und des
Menschenalters, besonders diejenigen, welche Reife und
YoUkommenheit herbeiführen ^).
Die ursprüngliche Zahl der Hören löset also, meint
Z o e g a , die Frage nicht , ob die altern Griechen
drei oder vier Jahrszeiten angenommen haben. Ihm
scheint es überhaupt kein so ausgemachtes Factum, als
es Winkelmann und andere voraussetzen, dals man
ursprünglich nur drei Jahrszeiten gekannt habe, wie
dies z.B. Diodor') von den ältesten Aegyptem und
Tacitus von den Deutschen behauptet (243). Ver-
muthlich würde er aber anderer Meinung gewesen sein,
wenn er die Begriffe OTCwpA und fUTOTrwpov nicht, wie
dies so häufig geschieht, verwechselt hätte. Es ist aus^
*) Dahei* auch nach Pausanias (Boeot. c.35) in den älte-
sten Zeilen, wenigstens yon den Athenern, gar nur zwei Hören
angenommen wurden, die Thallo und Karpo, deren ?famen
auf die Blüthe und Reife der Früchte gehen.
') I, li, 16, 26.
250 Technische Chronologie.
gemacbt, dafe die altern Griechen unsem Herbst nicht
hatten t und dafc sie den Sommer^ seiner unyerhält-
nifsmäisigen Länge vregsn.^ «war in zwei Unterabthei-
lungen brachten, ihn aber zugleich als ein Ganzes be-
trachteten, das sie mit dem Namen einer dieser Ab-
theilungen bald äipcs» bald oWpa nannten. Da nun
mit dieser Ansicht die ursprüngliche Zahl der Hören
übereinkommt, da diese Wesen, wie Zoega selbst an-
erkennt, späterhin wirklich für Symbole der Jahrsseiten
galten , und eine nähere Beziehung auf dieselben auch
iux den ihnen von den frühem Dichtem und Künstlern
beigelegten Attributen nicht zu verkennen ist, so ist
wol nicht zu bezweifeln, dafs man sich im homerischen
Zeitalter und selbst noch lange nachher nur drei Jahrs-
zeiten als wirklich verschieden gedacht hat.
Einen eigentlichen Herbst finden wir zuerst beim
Hippocrates und den altem medlcinischen Schrift-
stellern der Griechen. In der Schrift de Diaeta ^ die,
wenn audi nicht diesem groisen Arzt, doch einem sei-
ner Zeitgenossen angehört, heiist es^): „Man theilt
,, gemeiniglich das Jahr in vier Theile, den Winter,
„Frühling, Sommer und Herbst — X"J*">'j ^*Pj
„:^£po5, ^5rm7twpov. Der Winter geht vom Frühunter-
„ gange der Plejaden bis zur Frühlingsnachtgleidie, der
„Frühling bis zum Frühaufgange der Plejaden, der
„Sommer bis zum Frühaufgange des Arktur, und der
„Herbst bis wieder zum Frühuntergange der Plejaden."
Eben diese vier Jahrszeiten werden in dem Buche de
aere, locis et {u/uis, das entschieden den Hippocrates
zum Verfasser hat, genannt, nur dais [j^TOT^pw statt
') l.m, p.366 ed. Foesü (Francof. 1621, fol.j.
Griechen. 261
^^ tffSrivoTrwpov steht *)• Die Art ihrer Begrenzung ist eben
' die, welche bei den Griechen und Römern im bürger-
^' liehen Leben durchgängig gewöhnlich war. Hesiodus
- hatte den Anfang des Frühlings an den Spätaufgang
des ArLtur geknüpft (246). Späterhin schob man ihn
yiei* bis fiinf Wochen tiefer ins Jahr, weil man den
^ Eintritt der Sonne in die nördliche Halbkugel für eine
' passendere Epoche halten mufste. Es fehlte nun aber
zur Bezeichnung yon Frühlingsanfang an einem in die
Augen fallenden Signal ; man muiste sich daher begnü-
gen, schlechtweg die Nachtgleiche zu nennen, ob sie
sich gleich nur auf astronomischem Wege mit Sicher-
heit bestimmen liefs.
Dadurch, dafs man den Frühling erst mit der
Nachtgleiche begann, erhielt der x-^M*^^ ^'^^ unver-
hältnifsmäfsige Länge. Dies gab Veranlassung, ihn« in
drei Perioden zu theilen, in den anopr^og oder aporogy
dl« Saatzeit, in den eigentlichen x^^P^^ ^^^ in die
Zeit der Baumpflanzung, (f>tiTaXia, welche drei
Perloden man mit dem Frühuntergange der Ple jaden,
der Wintersonnenwende und dem Spätaufgange des Ark-
tur anfangen liefs. Den Sommer, der in Vergleichung
mit dem Frühling und Herbst gleich&lls eine bedeu-
tende Länge hatte, schied man nach wie yor in ^ipog
und ondpa^ indem man beim Frühaufgange des Sirius
einen Einschnitt machte* So entstanden sieben Jahrs-
zeiten, und diese soll Hippocrates nach Galenus
Versicherung *) in dem yerloren ge^genen Werke ^Ktpi
ißdofjdiwv unterschieden und auf die gedachte Weise
*) p.287.
') Comment, in Ubt\ I Epidem. Tom. IX, p.7.
262 Technische Chronologie.
bestunmt haben. Sie nahmen in seinem Klima ams
Jahr 430 v.Chr. ihren Anfiing: die Saatzeit am 5.No-
vembeFf der Winter am 26. Deoember, die Baumpflan-
zongszeit am 27 •Februar, der Frühling am 26. März^
der Frühsommer am 21 .Mai, der Spätsommer am 28. Ju-
lius und der Herbst am 21 . September.
Ob diese £intheilung des Jahrs in sieben Zeiten
in die Volkssprache übergegangen ist , steht sehr zu be-
zweifeln. Gewifs ist es, dafs man späterhin in Griechen-
land, so wie in Rom, nur yier Jahrszeiten unterschie-
den hat. Die Dichter, Mythographen und Künstler {übis
ten nun yier Hören ein, und so viel sieht man ge-
wöhnlich auf alten Denkmälern , besonders römischen,
abgebildet. Sie erscheinen als liebliche Jungfrauen, yon
denen jede etwas dem Menschen erfreuliches bringt, die
Gaben der Jagd, Blumen, Aehren, Trauben. Noch
später, als man mit dem Worte Zpai auch die zwölf
Stunden des Tages bezeichnete, stellte man diese gleich-
£Jls unter den Schutz yon Hören. Diese Stunden-
horen, die beim N o n n u s ^) mit dvx^sxa xvxXadE;
wpeu angedeutet und be^m Hyginus') sehr incon'ect
yerzeichnet stehen, haben keinen Eingang in die Werk-
stätten der Künstler gefunden.
Uebrigens scheint es in der Volkssprache der Griechen
immer gebräuchlich geblieben zu sein, den Anfang des
Sommers , Herbstes und Winters durch Fixstemer-
scheinungcn, und nur den des Frählings nach jetziger
Weise durch den Eintritt der Sonne in den Widder zu
bestinmien. Ihre wissenschaftlichen Schriftsteller dage-
*) Dionj-s. Xn, 17.
') Fab, 183.
Griechen. 253
gen setzten ancb die Anfange jener drei Jahrszeiten auf
die Eintritte der Sonne in die Zeichen, an die sie noch
jetzt geknüpft werden« Wir ersehen dies deutlich aus
dem Gern in US, der bei Gelegenheit der astrologischen
Vierecke sagt^): ,,Das erste fängt mit dem Widder
,,an, iind in ihm binnen die vier Jahrszeiten Früh-
„ling, Sommer, Herbst und Winter."
Es war also die Beobachtung einiger ausgezeichne-
ten Sterne und Stemgruppen, die den Griechen die
Zeiten der Saat, der Ernte, des Dreschens, der Wein-
lese, kurz die Hauptepochen des Landbaus und der
Schiffahrt, angab; denn der Frühauf- und Unteiv
gang der Plejaden bezeichnete zugleich die Grenzen,
welche die fm*chtsame Küstenfahrt der Alten nicht zu
überschreiten wagte '). Aber nicht zu gedenken, dafs
die Witterung dergleichen Beobachtungen leicht verei-
teln konnte, und dafs überhaupt nicht jedermann sie
anzustellen Lust und Gelegenheit haben mochte, waren
sie bei steigender Kultur und bei Yervielfältigung und
Trennung der Verhältnisse und Geschäfte des bürger-
lichen Lebens zur Ausmessung und Bezeichnung der
Zeiten bei weitem nicht hinlänglich. Es kam nun dar-
auf an, dem Jahre eine feste Form zu geben, und,
da es zu lang ist, als dafs sich seine Tage bequem
hintereinander fortzählen liefsen, kleinere Abschnitte
von bestimmter Dauer und Benennung, die Monate,
*) Isag. c. 1.
*} Auch soll selbst der Name irXsca; oder «Xiiahc dieses Ge-
stirns damit zusammenhängen. Denn die Allen leiten ihn unter
andern M tov frXtty, rom Schiffen,* ab. Man sehe die Scho-
llen zu y. 254 des Aratus.
264 TeclmiscJie Chronologie.
Eur Unterscheidung der einzelnen Tage und Datinuig
derselbcfki festzusetzen.
Zuerst müssen wir den allgemeinen Charakter der
Jahre und Monate der Griechen kennen lernen.
Auf den ersten Blick sollte man es nicht für mög-
lich halten, da(s üher einen so wesentlichen Punkt die
neuem Chronologen verschiedener Meinung sein könn-
ten, und doch ist es der Fall. Scaliger'), dem
Petitus') gefolgt ist, bildet sich vom griechischen
Jahr eine Theorie, nach der es weder ein Sonnen- noch
ein Mondjahr war. Das Wesentliche davon ist:
1) Die bürgerlichen Monate .der Griechen waren
dreifsigtägig.
2) Sie hatten eine Tetraeteris oder viei'jährige
Periode von 1447 Tagen oder gerade 49 sjnodischen
Monaten , so dafs sie allemahl mit dem neuen Lichte
ihren Anfang nahm. Diese Tage waren auf 48 bürgeiv
liehe Monate vertheilt, worunter einer i^aipiainog oder
um einen Tag verkürzt war. Dazu kamen in jedem
Jahr noch zwei überzählige Tage, i^jxlpcu ayapxoi oder
dpxfupiO'uu^ welche der Wahl der Magistratspersonen ge-
widmet waren. Drei Jahre hielten demnach 362, das
vierte 361 Tage. Die einzelnen Monate stimmten na-
türlich nicht mit den Mondphasen überein.
3) Am Schlufs der zweiten Tetraeteris oder nach
Ablauf einer Octaeteris wurde ein ganzer Monat ein-
geschaltet, um den An&ng der dritten Tetraeteris nicht
blofs zum neuen Lichte, sondern zugleich zu demselben
*J Emend, temp, l.I, p.22 ff. Canon. Isag, LI, p. 60
(ed. 1658) und die Erläuteiningen dazu im dritteo Buch.
') Eclogae chronologicae (Paiisl631» 4).
Griechen. 255
Punkt des Sonnenjalirs , mit welchem die erste begon-
nen hatte, zoriickzufiihren. Die Octa^teris hielt daher
97 bürgerliche oder 99 synodische Monate, und die olym-
pischen Spiele, die nach Ablauf einer jeden Tetraeterife
mit dem zunächst auf die Sommerwende folgenden Yoli-
monde gefeiert wurden, fanden abwechselnd nach 49
und 50 synodischen Monaten Statt.
Mit diesen Zwischenräumen hat es allerdings seine
Richtigkeit; aber die dreifsigtägigen, mit den Pha^
sen des Mondes nicht übereinstimmigen Monate lassen
sich durchaus nicht rechtfertigen, ohne zahlreichen Stel-
len , nach denen die einzelnen griechischen Monate
nach den Mondersch&inungen abgemessen waren, Ge-
walt anzuthun. Diese Stellen haben Petayius *) und
Leo Allati US *) am vollständigsten gesammelt. Wenn
sie gleich nicht alle so bestimmt und entscheidend sind,
wie folgende des Aratus ^) : ,, Siehst du nicht, wie der
,,Mond, wenn er sich mit schmalgehömter Sichel am
,, Abendhimmel zeigt, den beginnenden Monat yerkün-
,,det? Hat er so viel Licht gewonnen, dafs er einen
,^ Schatten werfen kann, so geht er dem vierten Tage
,, entgegen. Der achte ists, wenn er mit halbem Antlitz,
,,und die Mitte des Monats, wenn er mit vollem lench-
*) Doctr. temp. 1. 1, c. 4 und 5. f^ariae disseri, l.IV, c. iO.
*) De mensura temp, c. XL
'KTire^.^iv ^oiVtjrai, at^ttivoia ^i^qitku
Mtjvof ort ir^wTi) dironl^vaTeu ctvrcStv «^y*?»
Ovrov iniVMiativ, iiri rii^arw ^uxt^ IoOtw
Aiei d' a}Xo^tv ä>Xa mt^aukivQVTa /Uruira
' ' "" PhMen. V. 733.
266 Technisclie Chronologie.
„tet. Seine stets Tvechselnden Gestalten geben den je-
,,desmaligen Tag des Monats zu erkennen;" so ge-
währen sie doch zusammengenommen die unwidersteh-
liche Ueberzeugung, dals die Monate der Griechen wirk-
liche Mondmonate waren ^), und dais sie« durch die
Phasen stets controlirt, höchstens um ein paar Tage von
denselben abgewichen sein können, was auch Cicero
mit folgenden Worten bestätigt ') : Est consuetudo Si-
culonun, cetemrumgue Graecorum, quod suos dies
mensesque congruere "vobmt cum sölis lunaeque indone,
ut nonnunquam, si quid discrepet, eocimant unum ali-
quem diem out, summum, biduum ex mense, quos illi
l^eup£aifiovg dies nomirumt: item nonnunquam uno die
longiorem mensem faciant €UU biduo.
Die Griechen hatten also ein Mondjahr und
zwar ein gebundenes (68), wie aus den eben ange-
führten Worten und noch bestimmter aus (olgenden
des Geminus hervorgeht, welche das der griechischen
Zeitrechnung zum Grunde liegende Princip deutlich aus-
sprechen: ,,Pie Griechen waren durch Gesetze undOra-
),kel angewiesen, nach Tagen, Monaten und Jahren zu
,, opfern" (d.i. gleiche Feste bei gkichen Mondgestal-
ten und in gleichen Jahrszeiten zu feiern). ,,Zu dem
,,Ende zKhIten sie von Alters her die Tage und Monate
,,nach dem Monde, die Jahre nach der Sonne ^).''
') Was auch schon die üebereinstimmung der Wörtei- jiijr
und \iy\in\ lehrt, Ton denen letzteres, als ein altes Synonym Ton
nXi^wj, ein paarmahl im Homer Torkommt. //. t, 374. +, 455.
(89 und 90).
*) Actio II in ^errem 1. ü, c. 52.
^) Diese wichtige Stelle, deren Sinn hier nur frei ausgedrückt
ist, lautet im Original also: üpoJ^o-ic \)i xtXi dpx.'^otf^ touc pW
Griechen. 257
Es finden sich nun aber mehrere Andeutungen,
die für Scaliger 's dreifsigtägige Monate zu
sprechen scheinen. Dahin gehört:
l)Die Darstellung des Monats beim
Hesiodus. Dieser Dichter handelt am Schlüsse sei-
nes Land haus von den glücklichen und unglücklichen
Tagen, von denen er die durch den Volkswahn beson-
ders ausgezeichneten hervorhebt. Er theilt die Tage
des Monats in di^i Dekaden, indem er z.B. den
vierten, vierzehnten und vier und zwanzigsten dujrch
TfiTpttg 7tpJky\^ T£Tpa$ ikiarri und Trrpfli$ ^^Ivovro^ unter*
scheidet. Dabei nennt er unter andern die rpignidg ^j,
die nach dem Zusammenhange nicht der 27ste, sondern
der 29ste Monatslag sein mufs (denn er hat unmittelbar
vorher der ersten und mittlem iivd^ gedacht, mit der er
die rpt^EUfdg zusanmienstellt) ^ und die rptaxctg oder den
Urivag ayitv xarei a-tXr^vr^v^ touc ^k iviavrovg xo^'^Xiov* t^ ycip vn^
Tww vofxwv xaX Twv )(jpria'nSv napayytWon»vov y to Bvuv xarot Tpia ijyouif
Tci narpta, ^TJvac, ijjuispac, Ivcavroi;;, touto ^isXaßov ctnavriQ ol EX-
>.»jv8C T$ tovq \ik^ iviavTQvg ovfi^Jvuic aytiv t$ i{XiV> ''^5 ^^ ']j««P«?
xcd ToO^ firivag rj} a-tikrivri, Isag. .c,S. Ein Plus hier und eid Mi-
nus dort Ton ein paar Tagen konnte allerdings bei zw^i griechi*«
sehen Yöikem solche Verschiedenheiten des Datums hervorbrin-
gen , wie sie folgende Worte des Aristoxenus zu erkennten
geben: „Den Harmonikem geht es. mit den Tönen, wi)d den Völ-
,,kern mit den Monatstagen; wenn die Gonnther z. BL den zehn-
„ten des Monats haben, w zählen die Athener wol erst den
„fünften und andere den achten." (Harm, Elem. 11, p.30 ed.
Meurs.^ Abei' eine Abweichung Tom Monde um fünf Tage
halte ich bei keinem griechischen Volke für möglich.
*; Y.8i4.
[17]
268 TechniscJie Chronologie.
30sten *)• Sein Monat scheint mitbin durcbgeliends
drelfsig Tage gehabt eu haben.
2) Das bekannte ßäthsel des Gleobulus,
welches beim Diogenes La^'rtius also lautet'):
Tlttt^cC lacri Tpci]xevT av^t;^a tI^o$ l;^ou^at*
,,£in Yater hat zwölf Söhne und von diesen jeder
,,dreifsig Töchter von zwicfiaicher Gesult; auf der ei-
,,nen Seite sind sie weiCs, auf der andern schwarz. Oh-
„ gleich unsterblich, sterben sie doch alle/' Stobäus
lieset im zweiten Verse wyoptu i^ipcovra ^) ; dann mufs aber
im dritten oil für ^ gesetzt werden. Beide Lesarten,
die frühzeitig neben einander bestehen mochten, geben
dem Monate eine Dauer von dreifsig Tagen.
3) Die alte Eintheilung der attischen Bür-
ger in vier Stämme, zwölf Phratrien und
dreihundert und sechzig Geschlechter. Suidas
sagt ") auf die Autorität des Philochorus, der eine
Geschichte Athens geschrieben: ,,Der Stämme -—<|w-
,,Xal — machte man vier, nach dem Vorbilde der Jahrs-
,, Zeiten; der Phratrien — ipparpCou oder rpirrvg —
') 766. Man sieht also, dafs diese Benennung nicht erst
Thaies ausbracht hat, wie Diogenes La'ertius behauptet
I, 24.
') I, 9i.
^) EcLphj-s, LI, p,240 ed. Heeren.
*) y. ytvwfteU, VergL Harpocration unter demselben Worte,
und Poliux ni, 4, 52; Vm, 9, iii.
Gribchbn. 259
,, zwölf, nach der Zahl der Monate; der Geschlechter
„— yivri — in jeder Phratria dreifsig, nach der Tag-
,, summe 360 *) des Jahrs."
4) Die öfters yorkommende Andeutung eines drei->
hundertsechzigtägigen Jahrs. So berechnet
Hippocrates in seinem Werke de morbis vulgaris
hus *) 9 Monat zu 270 Tagen, und in der Schrift de
camihus ^) 9 Monat 10 Tage zu 280'. Aristoteles
sagt ^ ) , einige Hunde würfen nach Verlauf des Fünftels
eines Jahrs , oder nach 72 Tagen , und der lakonische
Hund nach dem Sechstel oder nach 60 Tagen. Plinius
erzählt ^), die Athener hätten dem Demetrius Phalereus
(der Ol. 117,4 Archonwar) 360 Statuen errichtet, wo/i-
dum anno hunc numerum dierum excedente. Das Fac-
tum ohne diese Erklärung fuhrt auch Diogenes
Laertius an ^). Damals fand zwar ein 360tägiges
Jahr zu Athen nicht Statt; es muüs doch aber, kann
man sagen, die Notiz von einer solchen ehemals bei
den Griechen gebrauchlichen Jahrform dem Plinius
zugekommen sein , die er unrichtig anbringt.
Wie wird man sich nun diese Andeutungen der
aOtägigen Monate und des 3'60lägigeii Jah^s zu erklä-
ren haben? Ganz einiacb, sagt Des-Yignoles; siebe-
*) Im Text steht offenbar iirig rgl für rg'.
«) l.n, p.1031.
^) p.254.
*) Bist. An. VI, 20.
») H. N. XXXIV, 12.
*) V.75. Cornelius ^Jlf/ft. c.6^ und Plutarch (de rei--
puhlicae gerendae praeceptis c. 21) sprechen nur Ton 300Statuen.
[17*]
260 Technische CJironologie.
weisen das Dasein einer Jahrform, die wir überall In Yor-
derasien antreffen (69), auch für Griechenland, und zwar
bis auf die Zeiten des Aristoteles und Demetrius
Phalereus herab. — Dafs die Griechen nach Alezander's
Zeiten noch dreifsigtägige Monate und Jahre von je
zwölf solcher Monate ohne Einschaltung gebraucht ha-
ben, kann unmöglich jetzt noch jemand behaupten wol-
len; auch scheint Des-Yignoles Meinung nur dahin
zu gehen , dafs sich von der frühem , auf dergleichen
Monate und Jahre gegründeten Zeitrechnung in der
Volkssprache noch sehr spät Spuren wahrnehmen lassen.
Aber auch in den idtem Zeiten kann ein Jahr, dessen
Anfang schon während eines Menschenlebens durch alle
Jahrszeiten kreiset, nirgends in Griechenland gebräuch-
lich gewesen sein.
Homer's Jahr war entschieden ein tropisches.
Dies lehren die Beiwörter mpiTpoTriow, ?repmXXojJi£»o$, ttb-
piTCkofiBvogy die er von seinem Jahr gebraucht *), und
überhaupt die ganze Weise, wie er vom Kreislauf
der Jahrszeiten zu sprechen pflegt, z.B. in den
Versen : ,
'AXX' «Tt ^if p* ivutvrJc tf)yy mpi ^'IrpcHrov wpoi
Od. X, 469.
'AXX' m ^ |ij|vlc Tt Kol ^iikpai IgmXsuyro,
*Aji|r «tpmXXofiiirou Irioc, xal lirq'X.v^oy Spai.
Od.X, 293. I, 293.
*AXk* OTS rirpaTOir ijXStif Jrof, xal fcnjXu^ov Spat
Mijywir «piifoWwif, mpl yiipuna »oXX* iriXio-aij.
Od.r, 152. «. 141.
*) //.ß, 295; », 404 und 418; +, 833.
Griechen. 261
Also von einem 360tagigen Jahr kann bei ihm nicht
die Rede sein.
Sollte aber der Dichter, der sich nirgends über die
Form seiner Monate ausspricht, nicht vielleicht ein
wahres Sonnenjahr mit 30lägigen Monaten gehabt ha*
ben? Können nicht durch die Aegypter Cecrops und
Danaus, die sich in Griechenland niederliefsen , die
ägyptischen Monate dahin verpflanzt worden sein?
Theodorus Gaza, ein sehr spät lebender Grieche,
der aber noch aus Quellen schöpfen mochte, die jetzt
nicht mehr vorhanden sind, sagt in seiner Schrift über
die Monate^), die Griechen hätten ein zwiefaches
Jahr gehabt, ein 360tägiges, dem sie fünf, zuweilen
sechs hrayofxsvai beigefugt hätten, und ein Mondjahr
VOü 354 Tagen, zu welchen ab und zu ein Schaltmo-
nat gekommen sei. Dafe zwei so verschiedene Jahrfor-
men fieben einander bestanden haben, wird niemand
annehmen wollen; aber sie könnten vielleicht nach
einander im Gebrauch gewesen sein, zuerst jene, spä-
terhin diese. Auch scheint eine Stelle des Censorinus
dahin zu deuten, die den altern Griechen eine Te-
traeteris ganz von der Form der vierjährigen jiüia-
nischen Schaltperiode beilegt '). Zwar können sie auf
solche nicht erst, wie er meint, gekommen sein, als
sie eine Ausgleichung des Sonnen- und Mondjahrs such-
ten; sollte sich aber in dieser Notiz nicht eine Spur
der ältesten griechischen Jahrform zeigen? Schwerlich.
Hätten die Griechen schon frühzeitig eine so einfache,
*) c. 9. S. das Uranologium' des Petayius.
*) c. 18. Wir weiden weiter unten auf diese Telraeteris zu-
i'Uckkommen.
262 Technische Chronologie.
dem Sonnenlauf ao susagende Jahrfonn gehabt , so
wüiden sie an die Stelle derselben späterbin wol nicht
eine ganz andere gesetzt haben, die sie erst nach lang-
^merigen Versuchen zu einiger Uebereinstimmung mit
dem Himmel brachten. Kein Volk hat je bei der An-
ordnung seiner Zeitrechnung einen so verkehrten, na-
turwidrigen Gang genommen«
Nach Erwägung aller Umstände haben wir uns yon
der frühem griechischen Zeitrechnung folgende Yorstel-
lung zu machen« «
Die Griechen hatten von Alters her wahre Mond-
monate, die sie nicht, wie späterhin nach Cykeln, son-
dern unmittelbar nach den Mondphasen ordneten, da-
her auch die Monate der einzelnen Yölkerschaften , so
Yei*schieden ihre Namen sein mochten, parallel neben-
einander fortliefen. Zum ersten Monatstage -— voupi^yiiDt —
machten sie denjenigen, an welchem sie die Mondsichel
in der Abenddämmerung erblickten« Yon hier an zähl-
ten sie die Tage fort, nicht etwa um Briefe und Gon-
tracte zu datireu (es ist von Zeiten die Rede, wie die
homerischen, wo es dergleichen noch nicht zu daüren
gab), sondern um die Tage, die der Wahn frühzeitig
als gute oder böse gestempelt hatte, zu unterscheiden,
und um bei bewölktem Himmel die Festtage nicht zu
verfehlen ; denn die meisten griechischen Feste wurden
bei bestimmten Mondphasen gefeiert, z.B. die Eleusi-
nien und Thesmophorien der Athener, und die
Bout den Spielen verbundenen Olympien sämmtlicher
Griechen um die Zeit des Yollmondes, der allemahl auf
die Mitte — dtxo/xt)v«a— des Monats traf. So zählten
sie nun die Monatstage fort, bis sie die Mondsichel des
Abends von Neuem wahrnahmen. Da der synodische
Griechen« 263
Monat 29 Tage und etwa 13 Stunden bäh, iso mnfsten
sie im Zahlen bald bis 29, bald, und etwas häufiger,
bis 30 kommen. Ungeachtet sie also aus Erfahrung
recht gut wufsten, dafs der Monat nicht durchgehends
30 Tage hielt, legten sie ihm dennoch, wenn isie ein-
mahl in den Fall kamen, seine Dauer angeben zu müs-
sen, diese runde Zahl yon Tagen bei. So spricht
Hesiodus von einem neun und zwanzigsten
und dreifsigsten — rpi^iwotg und rptaxat^ -— seines
Monats (257), ohne die fiir seine Zeitgenossen gewiis
ganz überflüssige Bemerkung hinzuzufügen, dafs der Mo-
nat öfters nur 29 Tage habe. Doch scheint er dies auch
nicht undeutlich zu verstehen geben zu wollen, wenn er,
die rpuiKcl^ einen gedeihlichen Tag nennehd, hinzufugt:
,,wenn ihn die Leute nach der Wahrheit bestimmt
,, haben,'' was nichts anders heifsen kann als: falls
es wirklich der dreifsigste ist, nicht etwa der neun und
zwanzigste, der, wenn es keinen dreifsigsten gab , ver-
muthlich diesen Namen schon damals führte. Es ist
dies auch die Meinung der Scholiasten. Die Erklärung,
die Scaliger seiiier Theorie des griechischen Jahrs ge-
mäfs von diesem Yerse gibt, ist höchst gezwungen.
Die Feste soUten aber nach väterlicher Sitte zu-
gleich in einerlei Jahrszeit gefeiert werden (256)'. Man
fand nun bald, dafs zwölf Mondmonate beinahe zu dem-
selben Punkt des So'nnenjahrs zurückführen, und legte
demnach dem Jahr zwölf Monate bei. Allein schon
nach Ablauf weniger solcher Jahre mufste man währ*
nehmen^ dafs man damit zu früh zu Ende kam, indem
der Tag des kürzesten oder längsten Schattens rasch ins
Jahr hineinrückte,, nach drei Jahren bereits um mehr
264 Technische Chronologie.
als einen Monat. Es mufste mithin zu den zwölf Mo-
naten ab und zu noch ein dreizehnter kommen. Das
Institut des Schaltmonats — jliyjv E/ißoXijuo^ — ist hei
den Griechen gewils uralt, wenn sich gleich beim
Homer und Hesiodus noch Leine Andeutung davon
findet. Die Frage, ob die altem griechischen Völker
immer in einerlei Jahr eingeschaltet haben, läCst sich
nicht litit Sicherheit beantworten. Seit Einführung der
olympischen S|»iele kann man annehmen, dais sie über
einen Punkt, der auf den gegenseitigen Verkehr einen
so wesentlichen Einflufs hatte, gemeinschaftliche Verab-
redungen trauen. Eine feste Regel fär die Einschaltung
konnte sich aber erst bilden, als man anfing die Monate
<^klisch zu ordnen, was nirgends vor dem solonischen
Zeitalter geschehen zu sein scheint.
Wahrend man auf diese Weise der zu feiernden
Feste und Nationalspiele wegen die Monate nach dem
Monde und die Jahre nach der Sonne abmais, richtete
man sich bei den Geschäften des Acker- und Wein-
baus, der Viehzucht und der Schiffahrt, die Wahl der
guten und bösen Tage ausgenommen, blois nach den
Jahrszeiten, für welche die Erscheinungen einiger aus-
gezeichneten Gestirne zu Signalen dienten.
Diese Erscheinungen nahm man aber nach dem
Zustande der Atmosphäre und der Sehkraft bald frü-
her, bald später im Jahr wahr. Das Jahr blieb also
lange eben so schwankend, wie der Monat. Um nun
doch eine bestimmte Zahl von Tagen für dasselbe an-
geben zu können, nahm man die runde Zahl 360^ als
die zwölfmahlige runde Zahl der Tage des Monats, und
so hildete sich ein Sprachgebrauch, den man selbst spä-
terhin noch beizubehalten bequem '£uid, als die sich
Griechen. 265
entwickelnde Sternkunde an die Stelle der runden Zah-
len gebrochene zu setzen gebot. In diesem Sinne kann
man sich Des-Vignoles' 30tägige Monate und 360tä-
gige Jahre gefallen lassen.
Bei der grofsen Einfachheit der bürgerlichen Yer-
hältnisse der altem Griechen dauerte es lange, ehe ih-
nen das Bedürfnifs zu datiren fühlbar wurde, zumal da
die Schreibekunst, die ihnen schon Gadmus zugeführt
haben * soll , mehrere Jahrhunderte lang bei ihnen so
gut wie unbenutzt blieb. Als aber dies Bedürfnifs bei
wachsender bürgerlicher und wissenschaftlicher Gultur
einmahl rege geworden war, mufsten sie die schwan-
kenden Monate und Jahre, die ihnen die Mondphasen
unmittelbar zumafsen, ungenügend, ja lästig finden.
Sie sehnten sich also nach einem Kalender, der ihnen,
unabhängig von der durch die Witterung häufig yer«
eitelten Beobachtung, die Dauer der Monate und Jahre
nachwies. Da das Princip, nach welchem die Feste
von Alters her gefeiert wurden, aufrecht erhalten wer-
den sollte, so war die Aufgabe, die man sich nun
stellte, folgende: die Umlaufszeiten der Sonne und des
Mondes dergestalt auszugleichen , dafs beide als genau-
messende Theile von einerlei Zeiti*aum erschienen, mit
andern Worten, einen' Cyclus von ganzen nach der
Sonne abgemessenen Jahren zu finden, der zugleich eine
ganze Zahl synodischer Monate enthielt. Dies Pix)blem
konnte nur eine schon bedeutend entwickelte Stern-
kunde genügend lösen, und so wird man leicht erach-
ten, dais die Griechen erst nach mancherlei Versuchen
und Fehlgriffen ihre Zeitrechnung so weit vervollkomm-
neten, als es geschehen ist.
266 Techm'söhä Chronologie.
Es wSre interessant, ihr allmaliges Fortscliieiten
com Bessern durch alle Mittelstufen verfolgen zu kön-
nen« Wir sind aber davon leider nur auf eine Weise
unterrichtet, die der Yermuthung einen weiten Spiel-
raum gibt, indem die meisten jener Versuche in eine
Zeit gehören, wo noch wenig geschrieben wurde. Unsere
fast einzigen Führer Geminus *) und Censorinus ')
scheinen über diesen Punkt nicht viel Befriedigendes
aufgezeichnet gefunden zu haben.
Der erste Schritt, den man zu einer geregel-*
ten Zeitrechnung that, war unstreitig der, dais man
den Wechsel der 30 und- 29tagigen Monate, von den
Griechen [ivin^ nh^pst^ und xotXoc, volle und hohle,
genannt , einfahrte. Es läfst sich wol nicht bezweifeln,
dafs es Solon war, dem die Griechen, und zunächst
die Athener, diese wesentliche Anordnung verdankten,
wenn es gleich kein Alter ausdrücklich sagt. Seine
Gesetzgebung gehört in Ol. 46,3, v.Chr. 594, wo er
Archon war.
Nach Diogenes Laertius ') hiefs er die Athener
ihre Tage nach dem Monde abmessen —rolg ifjx^.
pa$ xoLTi a-eki^vriv a/Eiv, was nichts anders sagen kann, als
dafis er statt der altem schwankenden Rechnung eine
genauere, auf die Dauer des synodischen Monats ge-
gründete, zu seUen gebot. Proclus versichert*), ihm
*) Isag. C.6.
') c.i8.
') 1,59.
*) In Timaeum Plat. I, p.25.
Griecheit, 267
gehöre die Wahmelmiung an, dafis der Mondmonat nicht
dreifaig Tage halte, we&halh er die Benennung ivri Hcd
via eingeführt. Dafs der Mondmonat kürzer als dreifsig
Tage sei, wulste man gewifs längst; nur dais, wenn man
ihn mit der Conjunction anfangen läfst, die nächste Zu-
sammenkunft des Mondes mit der Sonne um die Mitte
der rptaxotg erfolge, mit andern Worten, dals er 29 und
einen halben Tag halte, war yermuthlich eine von
ihm zuerst gemachte, oder doch wenigstens för die Zeit-
rechnung zuerst benutzte Wahrnehmung. Er nannte
diesen Tag, wie auch Plutarch *) und Diogenes
Laertius ^) sagen, Ivri oder inj koI via, den alten
und neuen, als denjenigen, der dem' alten und neuen
Monate zugleich angehört. Plutarch drückt sich hier-
über etwas unbeholfen also aus: ,,Da Solon die Un-
,,gleichfaeit des Mondes bemerkte und sah, dafs seine
„Bewegung weder mit der untergehenden noch mit
,,der aufgehenden Sonne vollkommen übereinstimmt,
„sondern dafs 'er oft an demselben Tage die Sonne er-
„reicht und vor ihr voiHibergeht , so verordnete er,
„dals dieser Tag Ivtj xcä via. genannt werde, indem er
„meinte, der Theil desselben vor der G)njunction ge-
„höre dem zu Ende gehenden Monate, das Uebrige be-
,,reits dem beginnenden an ^)." Man sieht hieraus, dais
•) Vita SoL 'c. 25.
») 1,57. ' •
noXKoMQ T^c avTiJc ^V^P^$ '^ xtnaXttfjißcufova'av xaX irapspx^H^'^*' ''^^
fiivy ffpeoijxtfir i^yoviuvog. L c.
268 Technische Chronologie.
die Benennung von Ibm defshalb ftir die rptaxA; oder
den Tag der Gonjunction gewählt wurde, quod ea die
potest n)ideri extrema et prima lima, wie Varro sagt ^),
mit welchen Worten man es jedoch nicht seht genau
nehmen mufs, da es unmöglich ist, den abnehmenden
und zunehmenden Mond an Einem Tage zu sehen.
Die Benennung cvi; für die rpiaxot; kommt übrigens
schon beim Hesiodus yor '). Solon fügte aber zu-
erst xcä via hinzu. Auch soll er nach Plutarch den
Tag, an welchem die Mondsichel gewöhnlich in der
Abenddämmerung erscheint, vovjuifjvia genannt haben,
nicht dafs er diese Benennung zuerst gebrauchte , son-
dern weil er zuerst von der alten Gewohnheit abwich,
gerade den Tag, an welchem der Mond aus den Sti^h-
len der Sonne hervortritt, mit diesem Namen zu bele-
gen. Ihm war die vou/xtjvia allemahl der Tag zunächst
nach demjenigen, auf welchen er.die Gonjunction setzte,
der Mond mochte sich an ihm zeigen oder nicht. Hier
hätten wir also die erste Spur eines cyklisöh bestimm-
ten Monats. Endlich soll er nach Plutarch und dem
Scholiaslen des Aristophanes ^) die Mönatstage nach •
dem 20sten —roig an thaiio^ — zuerst in rückgängiger
Ordnimg mit dem Beiwort 4>3'tyoyT05 (fwjvtJ^), des zu
*) De ling. lai. p.54 ed. Bip. Veigl. R. R. I, 37.
') Opp. et d, 770. Scaliger will darunter den ersten Mo-
natstag verstanden wissen (s. Heinsius Ausgabe) ; allein die ei-
gentliche Bedeutung des Worts \v^ odei- lvt\ ist dagegen. S. Sleph.
Lex, in append, col. 872. Selbst der Zusammenhang , in den
Hesiodus dies Wort bringt, gibt nicht undeutlich zu erkennen,
dais er die kurz zuyor genannte vpicExa; damit meint.
*) Ad Nub. 1129.
Geiechbn. 269
Ende gehenden Monats gezählt liaben, wie sich
ersteier ausdiücLt ,, nicht addirend, sondern snbtrahi-
,,rend, so wie er das Licht des Mondes schwinden sah."
Auch hieraus geht hervor, da(s er dem Monat zuerst
einen cyklischen Charakter gegeben haben müsse ; denn
hei der alten Art die Monatstage zu zahlen, konnte
man, wenn man bis zum 21sten gekommen, natür-
lich nicht wissen, ob es der zehnte oder neunte vom
Ende war.
Aus allen diesen Andeutungen läfst sich wol mit
Bestimmtheit folgern, dafs es Solon war, der den er-
sten Gi*und zur cyklischen Monatstheorie gel^t, und
namentlich den Wechsel der vollen und hohlen Monate
eingefühlt hat. Hierzu bedurfte es gerade keiner be-
sondern astronomischen Kenntnisse, und es ist daher
leicht möglich, dais er, wie Plutarch sagt *), in der
Physik a;rXov$ Xuty xed dpxoM9 9 sehr einfach und
alterthümlich, 'war.
Durch diesen Wechsel bildete sich nun ein Jahr
von 354 Tagen, das mit den Erscheinungen des Mondes
bis auf etwa neun Stunden übereinstimmte« Es sollte
aber auch mit der Sonne ausgeglichen werden oder
immer in gleicher Jahrszeit anfangen. Diesen Zweck
glaubte man anfimgs dadurch zu erreichen, dafs man
ein Jahr ums andere einen ßOtägigen Monat einschaltete«
So entstand die Trieteris oder der zweijährige
Schaltcykel, über den sich Gensorinus also äus-
sert : freieres in Graecia cmtates cum animadi^rterent,
dum sol annuo cursu orbem suum circuit, bmam in--
terdum ter decies exoriri, idque saepe akemis ßeri,
') 1.0.3.
270 Technische Chronologie.
arbärati sunt, bmares XII menses et dimidiatum ad
annum naturalem com^enire* Itaque annos cii^iles sie
statuenmt, ut intercalando facerent altemos XII rnen^
siwn, akemos XIII, utrumque annum separatim o^er-
tentem, iunctos ambas annum magnum ^vocantes. Id^
qua tempus rpuTTipi^a appeUabant, quod terdo quoque
anno intercalabatur, quamvis biennii circuitus et resfera
duTTfpi^ esset» Zur Erläuterong dieser Worte ist zu be-
merken, dafs die Alten unter annus magnus einen Cj-
clus von ganzen Jahren verstanden, der Sonne und
Mond (viele fiigten auch die Planeten hinzu) zu dersel-
ben Stelle zurückführt r von der sie ausgegangen, jin-
nus /vertens ist eigentlich, wie Censorinus anderswo
sagt^), der Zeitraum, ditm sol percurrens duodecim
Signa eodem, unde profectus est^ redä, also das tro-
pische Jahr. Hier nimmt er aber den Ausdruck, in
einem minder scharf begrenzten Sinn, fiir das Son-
nenjahr im Allgemeinen. Tertio quoque anno heißt
nach römischem Sprachgebrauch ein Jahr ums an-
dere. Die Griechen sagten eben so: dui rphov hoog.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dals es Solon war,
der die Trieteris, von der hier die Rede ist, in seine
Gesetzgebung aufnahm. Sie kam ganz gut mit dem
Monde überein. In Yei^Ieichung mit der Sonne war
sie zwar sieben und einen halben Tag zu lang, so da(s
man von Zeit zu Zeit einen Schaltmonat weglassen
mufste; sie konnte indessen doch einigemahl wiederhohlt
werden, ehe ihre Abweichung vom Himmel sehr merk-
lich wurde.
«) C.19.
Gaieghen. 271
Es ist nun aber nicht wenig auflaUend, cla(s Her odot
diesen Gesetzgeber in seiner Unterredung mit dem Crösus
Yon einer Trieteris sprechen läfst, die auf blofsen
dreiisigtägigen Monaten beiiiht und doch mit dem Hirn«
mel übereingestimmt haben soll. Seine Worte , die ein
vrahres Kreuz für die Chronologen sind» lauten also ^):
, f Ich stecke das Ziel des menschlichen Lebens auf 70 Jahr.
,, Diese 70 Jahr geben 25200 Tage, wenn man den
,, Schaltmonat nicht in Rechnung bringt. Will man
,,aber ein Jahr ums andere um einen Monat yerlängem,
,, damit die Jahrszeiten zur Stelle zurückkehi'en, so kom*
,,men auf 70 Jahr 35 Schaltmonate, welche 1050 Tage
,, halten. Unter allen dann auf 70 Jahr gehenden
,,26250 Tagen fuhrt jeder seine eigenthümlichen Er-
,,eignis8e herbei." Man kann sagen, die Lyder und
andere kleinasiatische Yölker zählten zu Solon's Zei-
ten nach dreiisigtägigen Monaten; auch läfst eine an*
dere schon oben (96) oitirte St^e Herodot's nicht
bezweifeln, dais es damals noch griechische Yölkerschaf«
ten gab, die ein Jahr ums andere (in der Regel we-
nigsten^) einen Monat einschalteten. Die di^ifsigtägigen
Monate und die Trieteris einzeln genonunen haben also
nichts Befremdendes. ITur die Art, wie sie hier cchqqh
binirt werden, lä&t sich durch keine Astronomie recht«
fertigen. Ein Jahr yon 360 Tagen ohne Einschaltung
ist um &-{ Tage tu kui*e, und ein Jahr Ton 360 Tagen,
zu denen ein Jahr ums andei^ ein Schaltmonat yon
30 Tagen kommt, tun 9*1 Tage zu lang ; das erste 3t]mmt
mithin besser mit dem Himmel überein, als das zweite.
*) 1,32.
272 Technische Chronologie.
Wie kann also Hevodot yon einer Einschaltung reden
zu dem. Zweck: Xvol irj cd ipat (njfißaiyuxrL TcapoLyiyoiJLiwu ig
ro diov — ,, damit die Jahrszeiten zur Stelle zurück^
,, kehren?" Es sind nur zwei Fälle denkbar: entweder
ist die ganze Stelle verdorben auf uns gekommen, oder
Herodot hat aus tiefer Unkunde der Asti*ononiie ei-
nen groben Fehler begangen. Wyttenbach *) nimmt
das erste an, und ändert die Stelle des Geschieht-
Schreibers so gewaltsam, dafs ein ägyptisches Jahr yon
365 Tagen zum Vorschein kommt, und Larcher hat
diese durch keine Handschrift, ich will nicht sagen
gerechtfertigte, sondern nur von fem angedeutete
Aenderung in die zweite Ausgabe seiner Uebersetzung
aufgenommen. Wyttenbach setzt voraus, da& das
griechische Jahr noch zu Selon 's Zeiten aus 360 Ta-
gen bestanden habe, und dafs von sechs zu sechs Jah-
ren ein Monat von 30 Tagen eingeschaltet worden sei,
wodurch sich im Durchschnitt genommen eine Tagzahl
von 365 ei^ibt. Allein von einer solchen sechsjährigen
Schaltperiode findet sich weder bei den Griechen, noch
bei' sonst einem alten Volke irgend eine Spur. Dagegen
wird eine zweijährige nicht blofs von Geminus und
Censorinus, sondern, wie vorhin bemerkt worden,
von Herodot selbst erwähnt. Es ist «daher an seinen
Worten schwerlich etwas arti ändeiti. Uebei' seinen Mifs-
griff wollen wir uns um so weniger wundern, da sich
dessen auch der sonst so einsichtsvolle Gemi^us schuldig
gemacht hat. Denn nachdem er das Wesen eines Mond-
jahrs bündig erklärt und bemerkt hat, dafs die Griechen,
einer väterlichen Sitte zufolge, nach Tagen, Monaten
*) Selecta principum kistoricorum p.348 ff.
GüTEGHEir* 273
und Jahien opferten, setzt er hinzu: „Die Alten leg-
,,ten den Monaten 30 Tage bei und schalteten ein Jahr
,,uni5 andere einen Monat ein *)." Eine solche zwei-
jähi*ige Schaltperiode, nach der das Jahr abwechselnd
aus 360 und 390 Tagen bestand, weicht nicht weniger
als 11-^ Tage vom Monde und 191- Tage von der Sonne
ab. Unmöglich läfst sich annehmen, dafs eine solche
Periode je bei einem Volke im Gebrauch war, welches
die Absicht hatte, die Monate nach dem Monde und die
Jahre nach der Sonne abzumessen. Auch die tie&te
Unwissenheit erklärt ein solches Ungeheuer von Schalt-
periode nicht»
Censorinus fkhrt, nachdem er vin dem zwei-
jährigen Cjclus gesprochen hat, also fort: Postea, co--
gmto errore, hoc tempus dupUcanintj et rsrpcuTYißiia
fecenmU Sed eam, quod quinto quoque anno redibatj
jKVTasrripiict nominabant. Qui annus magnus ex qua"
driennio commodior 'visus est, yt annus solis constaret
ex diebus CCCLXF et diei parte circüer quarta^ quae
unum in quadriennio diem conficeret, Quare agon et
in Elide lovi Olympio et Romae CapitoUno quinto
quoque anno redeunte celebratur. Hoc quoque tempus,
quod ad solis modo cursum, nee ad lunae, congruere
^idebatur, duplicatum est,etc* Diese Tetraeteris, die
schon oben (261) angedeutet worden ist, soll mit der
Sonne übereingestinunt , also aus 365-|x4ss 1461 Ta-
ßoXtfjiovc irap' Iviavro'y. Die beiden letzten Wörter sagen so viel
als ^li TpiTov rrovc. So kommt irap' ijfiipay in der Bedeutung ei-
nen Tag um den andern yor. Der lateinische Ueberselzer
schreibt irrig propler annum solis. Offisnbar will Geminus
angeben, wie od man eingeschaltet habe.
I. [18]
374 Technische Chronologie.
gen besUnden haben. Wie sollen aber diese in Mo-
nate vertheQt gewesen sein? Dodweli meint ^), man
habe den Monaten abwechselnd 30 und 29 Tage gegeben,
und am Ende des zweiten Jahrs einen Monat von 22,
am Ende des vierten einen von 23 Tagen eingeschaltet.
So kommen freilich 1461 Tage heraus. Allein bei die-
ser Anordnung wurden so wenig die ganze Periode,
wie die einzelnen Monate, mit dem Monde übereinge-
stimmt haben; auch hätten alle vier Jahre zwei Monate
eine von der der übrigen ganz verschiedene Form gehabt,
die wir zwar in dem Schaltmonat der altem Römer,
aber nirgends bei den Griechen antreffen* Bei diesen
war allerdings in 9o fem eine Tetraeteris oder Pen-
tax teris im Gebrauch, als sie die olympischen und
andere Nationalspiele in vierjährigen Zwischenräumen
leierten; aber die Annahme des Gensprinus, dafs
ihnen der vierjährige Cydiis zur Anordnung ihrer bür-
gerlichen Zeitrechnung gedient und den Uebergang von
der Trieteris zu der Octae'teris gebildet habe, be-
ruht höchst wahrscheinlich auf einem Irrthum.
Geminus gedenkt der Tetraeteris gar nicht,
daher sie nur um so zweifelhafter erscheint« Er geht
von dem zweijährigen Cydus sogleich zum achtjährigen
über. Ehe indessen von den fernem Verbesserungen
der griechischen Zeitrechnung, oder vielmehr der at-
tischen (denn von dieser allein sind wir näher unter-
richtet) gehandelt werden kann , müssen wir uns mit
den Monaten der Athener und der Epoche ihres Jahrs
bekannt machen*
*) De veieribus Graecorum Romanorumque tyclis disser»
UUiones decem (Oxford 1701, 4). Diss. m, sect. 26.
GaiBGHBicf. 276
Die Namen ihrer Monate sind:
'ExarojußoiwF Hekatombftoü*
Msrocyutvujüv Metageitnion*
BoridpoiJuwv Boedromion.
Uvavui/uSv Pyanepsion.
MauiJMxrripujoY Mämakterion.
Iloa-Bidswiß Poseideon.
rafjt)]XuJy Gamelion*
'AvB-cpjpctoy Anthesterion«
'EXfiu^ßoXtwy Elaphebolion.
Movwx'^ Munjchion.
&afyyri\iwy Thargelion.
XxipoipopyüSy Skiropborion ^).
Im Scbahjahr wurden 2wei Poseideone gezählt«
Dies erhellet theils aus dem Ptolemäus, der bei GAe-
genheit einer Mondfinsternifs des erstem Poseideon
—Uoo'HiiSyog rcni Tcporlpov — gedenkt '), theils und noch
deutlicher aus einer Inschrift bei Corsini^), wo in
der Reihe der attischen Monate vor dem Gamelion ein
Iloo-sidecuv a' und ß', ein erster und zweiter Pose!«
deon, stehen.
Die Ordnung, in der hier die Monate aufgeführt
sind, ist die, welche Sca liger für die richtige halt.
Petavius setzt den Mämakterion vor den Pyanepsion.
Wer Recht habe, untersuchen die Herren Var thelemy *)
^) Dei* letzte Name findet sich auch mit einem doppelten p
geschrieben, jedoch, wie ich bemei'kt zu haben glaube, nicht
auf Denkmälern.
'} Almagest 1. lY, p.278. Hi\ Halma übenetzt irng: le
Premier jbur du mois Posidäon.
*) F. A. XI, 21. Tom.n, p.i7i.
'} Mim. de l'Jcßd. des Inscr. Tom.XLVni, p.395 ff.
[18*]
276 Technische Chronologie.
und Butt.mann , letzterer in einer meinen histo-
rischen Untersuchangen über die astronomi-
schen Beobachtungen der Alten angehängten Abi
handlung.
Sca liger hat (iir sich 1) die aus einem allen
handschriftlichen Lexicon entlehnte Tafel der attischen
Monate bei Henricus Stephanus *). 2) Eine ähn-
liche Tafel von Prideaux ') aus einem alten Codex
des Ptolemäus genommen. 3) Das Zeugniis des
Harpocration , eines Grammatikers von anerkannter
Autorität, der in seinem Lexicon über die atti-
schen Redner* den Mämakterion den fünften Mo-
nat der Athener nennt, dem Lysimachides folgend,
der ein eigenes Werk von den attischen Monaten ge-
schrieben hatte« Photius stimmt ihm in so fern bei,
als er in seinem Lexicon den Pyanepsion zum vierten
Monat macht. 4) Zwei von Spon aufgefundene In-
schriften aus späterer Zeit, in denen hintereinander Boe-
dromion, Pyanopsion und Mämakterion genannt wer-
den ^)« 5) Eine hiermit übereinstimmende Inschrift
in der neuem Ausgabe der Marmora Oxpnien-
sia ^). 6) Endlich eine Inschrift aus früherer Zeit bei
Chandler '). In derselben wird die Dauer eines Frie-
densstandes {(TKcvicäy indadae) zwischen den Athenern
') Anhang zum Thesaurus Graecae linguae col. 225.
*) Marm. Oxon. (Oxford 1676, fol.) p.239.
') F. A. a. a. O. uifd S. 183. üuai^eil^iiiy ist die Schreibart der
Steinschriflen.
•) (Oxford 1763, fol.) P.H, p.l5.
•) Inscript.aniiquae (Oxford i774, fol) pM. Hr. Böckh,
der sie Ton neuem mitgelheiit und erläutert hat (Inscript. Graecae
Vol. I, P. II, no. 7i^, seut sie in Ol. 82-83.
Griechen* 277
und einem Feinde, vermuthlich den Laoedämoniem, für
alle an den eleusinisclien Mysterien, sowohl den grölsem
im Boedromion als den kleinem im Anthesterion, Theil
nehmende vom Anfange des Melageilnion durch den
Boedromion bis zum 10. Pyanepsion, und vom Anfange
des Gamelion durch den Anthesterion bis zum 10. Ela-
phebolion festgesetzt und verpönt.
Gegen diese Zeugnisse können die meisten der Ton
Petavius^) beigebrachten Gioinde nicht aufkonmien.
Was noch am deutlichsten (ur ihn spricht, sind ein paar
astronomische Beobachtungen, die Timocharis in zwei
auf einander folgenden callippisch - attischen Jahren zu
Alexandria gemacht hat, die erste am 8. Anthesterion
yom Anfange, die zweite am 6. Pjanepsion vom Ende ').
Die beigesetzten ägyptischen Data und Jahre der nabo-
nassarischen Acre lassen nicht bezweifeln, dals die erste
am 29. Januar und die andere am 9. November des
Jahrs 283 v<Chr. angestellt ist. Beide Data sind unji
283 Tage von einander entfernt. Der Pyanepsion muis
also der fünfte Monat des attischen Jahrs gewesen
sein , weil der Zwischenraum sonst um neunundzwan-
zig bis dreifsig Tage zu grofs ausfallen würde. . — Veiv
muthlich blofs um dieses wichtige Argument zu ent-
kräften, nimmt Scaliger an ^j ^ Callippus habe bei
seiner Verbesserung des metonschen Cyclus den Schalt-
monat aus der Mitte des attischen Jahrs ans Ende des^-
selben versetzt, und die erste jener Beobachtungen sei in
einem Schaltjahr angestellt worden, wodurch das Datujpi
*) Doctr. temp. 1. 1, c. 10.
*) Almagest l.YII, p.2i und 24.
') Emend. temp, l.II, p.87.
'2^8 Technische Chronologie.
der f weiten am einen ganzen Monat Im attiBchen Ka-
lender verschoben sei. Allein diese Hypothese inrlrd
durch die einsige Bemerkung des Geminus widerlegt,
dafs Callippus bei der Verbesserung des gedachten
Cyclus in der Anordnung der Schalunonate nichts ge-
Xndert habe ^). Auch sagt Hr. Buttmann treflTend,
Lein Kalender -Yerbesserer sei je in irgend etwas, das
nicht eine astronomische Nothwendigkeit in sich trage,
Ton der Gewohnheit eines Volks abgewichen, am we-
nigsten in einer so fühlbaren Sache, wie die Einschal-
tung eines ganxen Monats sei* Eben so wenig wird man
hier mit Barth^lemy das Urtheil des Hipparch'),
dafs es den Beobachtungen jenes allen Astronomen an
Glaubwürdigkeit fehle, geltend machen wollen; denn
es bezieht sich blofs auf den Mangel an Sdiärfe, mit
dem sie angestellt waren, wie das ihnen beigelegte Prä-
dikat TToyo o\cffX^pö5^ tikrjiiiiiycu lehrt. Soll nun aber
der Pyanepsion dennoch der vierte Monat des attischen
Jahrs sein, welche Stelle ihm nach obigen Zeugnis-
sen kein unbefangener Alterthumsforscber weiter strei^-
tig machen wird ^), so bleibt nichts übrig, als anzu-
nehmen, dafs, s^i es durch die Schuld des Ptolemäus
*) Almagest 1. VH, p.i5.
. ') Zu diesen üobefangenen kann Qr. CbampoUion-Figeac
nicht gezahlt werden. In einem Supplement zu seinen jFuiales
des Lagides (Paris f 820, 8), das die Yertheidigung seiner chro-
nologischen Pnncipien gegen Hin. Saint-Martin enthält, be-
harrt er noch immer bei der Hypothese des Petavius, ohne sie
durah irgend ein neues Argument zu unterstützen. Die chand-
lersche Inschrift fertigt er ganz kura mit dem Ürtheil ab, dafs
ihre Epoche sehr ungewifs sei , und dafs ^sie daher für das Zeit-
GRlECHBlf. 279
odEsr seiner AlMchreiber, in seinem Text die Namen
Mämakterion und Pyanepsion mit einander yer-
iveohselt worden sind.
- Der attische Monat wurde in drei Dekaden
getheilt* Der erste Tag hiefs vovfxvjvtay Neumond^),
weil er in der Regel mit der ersten Erscheinung der
Mondsichel in der Abenddämmerung seinen Anfang
nahm ';• Die Monate wurden nämlich durch die forlr
gesetzte Verbesserung der cyklischen Theorie allmälig
so gestellt und abgemessen, dafs ihr An&ng in der
Hegel dem ersten Tage nach der Conjunction entsprach,
wo sich das Mcmdlicht zuerst zu zeigen pflegt, ob es
gleich nach der jedesmaligen Lage der Ekliptik auch
wol erst am zweiten oder dritten Tage nach der Con«»
junction sichtbar werden kann, wie Geminus richtig
bemerkt ^). Man sieht also, dafs Neumond bei den
Griechen etwas anders war, als bei ims. Wir verstehen
alter Alexander's nichts beweise. Offenbar hat er sie nicht an-
gesehen, wenigstens nicht mit Kenneraugen. Hätte PetaTius
die 80 entscheidenden Steinschriften gekannt, gewifs er würde
trotz seines Hasses gegen Sca liger, der ihn fast alles verwerfen
läfst , . was dieser Gelehrte über die griechische Zeitrechnung ge>
schrieben hat, seine Augen gegen die Wahrheit nicht verachlos-
sen haben. Er war ein zu gründlicher Foi'scher, als dafs er das
Gewicht solcher Beweisgründe nicht gehörig hätte würdigen sollen.
*) In obgcdachter Inschrift bei Chandler steht af^oya^vla^
was sonst nicht weiter Torkommt, statt vcM^v^loß.
') Man wird sieh ans den oben (80 und 100) beigebrachten
Zeugnissen des Censorinus und Plinius erinnern, dafs. die
Athenei* ihren bürgerlichen Tag mit dem Untergange der Sonne
anfingen.
') 0.7.
280 Technische Chronologie.
darunter die Gonjunction ^), die Griechen hingegen das
emeuete Licht nadi der G>njuncUon oder auch, un-
abhängig von demselben, den ersten Tag dea Monats.
Wenn Thucydides die Bemerkung macht '), da& sich
die Sonnenfinsternisse nur an der youjuttjvuf xara a^X-f^vriß
ereignen, so gibt er durch das nach dem Monde
zu erkennen, dais er das Wort in unserm, nicht in
dem gewöhnlichen griechischen Sinne genommen wis-
sen will.
Die folgenden Tage des Monats wurden der Ord-
nung nach bis zum zehnten fortgezäblt, mit dem Bei-
satz Ig-a^vovy des angehenden Monats. Eben so
die Tage der zweiten Dekade, mit dem Beisatz im dlxa
zu oder über zehn. Der zwanzigste hicfs wca^, und
nach ihm die übrigen tuid^Bg ^). Vom 21sten an sagte
man nach Pollux *) Trpwrriy itüripa u.s.w. ItA iucd&u
Gewöhnlicher aber wurden die Tage der leUlen Dekade
dem schwindenden Lichte des Mondes gemäb rückwäru
gezählt, wie die Tage vor den Calendis bei den Bö-
mern, mit dem Zusatz <f>3'ivoyTo$, des zu Ende ge-
henden Monats, um sogleich durch das Datiren be-
merklich zu machen, wie lange das Mondlicht noch
^) Bei den Griechen ^vo^oc, bei den Römern coitus» Die
{etztarn sagten auch inteHunium oder silens luna. Wir ersehen
dies aus Plin. Ä. iV. XVI, 74, woraus zugleich erhellet, dafs in-
terlunium nicht die ganze Zeit um den Neumond hiefs, wo der
Mond nicht sichtbar ist (so nehmen es die neuem Chronologen),
sondern blofs der Tag der Conjunetion. Blan yergleiche auch
H. N, XVm, 75.
*) n, 28.
») Aristoph. Nub. 17.
*) Gnom. I, 7, 63.
Griecheh. 281
vorhalten weide. So hieis der vorletzte Tag ievripa
4>2r(yorrogy der dritte vom Ende rpirrj ^d'uovrc^, und der
21ste Monatstag entweder dWri] oder ewc^nj ^^{yovrogy
je nachdem der Monat dreifsig oder neun und iwanzig
Tage hatte ^).
Seim Aristaphanes ') zahlt ein Schuldner, der
dem Ende des Monats, wo die Zinsen gezahlt wurden,
mit Schlucken entgegensieht,
wobei ein Scholiast die Bemerkung macht, die Athener
hätten nach dem 20sten, der jedesmaligen Länge des
Monats gemäis, den elften, oder zehnten, oder neunten,
oder achten ^^ivono^ geragt. Von einem elften und
achten zunächst nach dem 208ten findet sich aber
hei den griechischen Schriftstellern nirgends eine Spur.
Corsini glaubt daher ^), dais diese Notiz »auf das spät
nach Griechenland verpflanzte julianische Jahr gehe,
unter dessen Monaten 31üigige und ein 28tägiger vor-
kommen. Dafs die spätem Griechen dem julianischen
Kalender, den sie zugleich mit der christlichen Keli-
*) Der hier bemerkte Spracb gebrauch ist der gewöbnlichiQ.
Für l^a\uvov findet sich auch ^p;^ofAivov, für hei ^ixa auch /m.
0'ovvToc und fiir ^/vovtoc auch irauopfvov, Xyfyonoq und «niov^og.
Homer scheint, nach O^. g, 1Ö2 zu schliefsen, seinen Monat
blofs in zwei Perioden, in die des ab- uiid zunehmenden Lichts,
getheilt zu haben . . . tov fiv ^ivomg ^ayiv^q tou ^' Ig-afiivoio^ Auch
zu Hesiodus Zeit mufs das l^raidvov noch nicht genau auf seine
spätere Bedeutung beschränkt gewesen sein; denn er redet ein-
roahl (Opp, etd. ISOJ Ton der rpigtuuhxdTyi ig-afx$vovy ob er gleich
bald nachher (v. 798) Igxmivov gerade so gebraucht, wie die Spä-
tem, im Gegensatz der zweiten und dritten Dekade.
') Nubes v.il29.
*) F. A. n,i5. Töni.I, p.81.
282 Technische Chronologie.
gion annalimen, ilire alte Datirongswetse ängepa&t lia->
ben, gibt des Theodorus Gaza kleine Schrift über
die Monate deutlich zu erkennen ^); es konnte aber
auch schon beim Gebrauch des alten Mondjahrs ein
elfter und achter ^^hoYTtx; vorkommen, wenn ein veiv
schobener cyklischer Monat wieder mit dem Himmel in
Uebereinstimmung gebracht werden sollte, was nur
durch Einschiebung oder Ausmenung eines oder zweier
Tage geschehen konnte. Man vergleiche die oben (256)
angeführte Stelle des Cicero. Dieser Fall mdsle selbst
bei den Athenern nicht ganz ungewöhnlich sein, ge*
achweige bei den übrigen griechischen Völkern, die
schwerlich gleiche Genauigkeit in ihre Zeitrechnung
gebracht haben.
Die hier nach Theodorus Gaza ') und Peta-
vius ') beantwortete Frage , wie die Athener die Tage
in den hohlen Monaten geztthlt haben, mit andern
Worten, welches in' diesen Monaten der ausgemerzte
Tag — iloipfo-t/io;, exemptiUs— gewesen sei, gehört zu
den bestrittensten in der Chronologie. Scaliger, der
neben dem Yolksjahr der Athener, welches seiner Mei-
nung liach durchgängig aus 30 tagigen Monaten be-
staad (2S4), noch ein Mondjahr zu 354 Tagen annimmt,
wovon man jedoch nur bei der Amtsführung der Pxy-
tauen Gebrauch gemacht haben soll ^), glaubt, dafs in
*) 0.(2, yerglichen mit c. f5.
') De mensibus c. 18.
') Doctr. temp. LI, c.5.
*) Das Mondjahr bei den Griechen ganz wegzalaugnen , war
ihm unmöglich, da es überall so klar herrortritt. Er stellt also
die höchst unwahrscheinliche Hypothese auf, dafs die Magistrats-
GlIlBCHBK, 283
den hohlen Monaten dieses Pryianenjahrs. allemahl der
z^weite Tag weggelassen worden sei, so da(s man nach
der vovfitiyüi sogleich die rpirrj Iftiixivov gezählt habe ^)«
Es ist wahr, Plutarch sagt'): „Man lä&t im Boe-
,,dromion immer den zweiten Tag weg, weil man an-
„nimmt, dafs an demselben Neptun und Minerva um
„Attica gestritten haben." Allein hiermit Ififst sich
nicht wohl eine andere Stelle dieses Autors vereinigen,
wo es heifst^): ,,Die Griechen, die an dem ersten
„Monatstage die Götter verehren, haben den swei*
„ten den Heroen und Pämonen geweiht«" Auch wird
auf der Rückseite des choiseulschen Mannors ausdräckr
lieh der 2. Boedromion erwähnt, so dafs diese Nor
tie wenigstens nicht auf alle Zeiten gehen kann.
Hr. Böckh glaubt in seiner gelehrten von dem eben
gedachten Marmor gegebenen Erklärung *) , dais der
Schriftsteller das, was er von der itmipa i^ä^itono^ auf-
gezeichnet gefunden, irrig auf die devr^pct Ig-anivov über-
getragen habe«
Demosthenes gedenkt in seiner Rede de fcdsa
legatione ') der itKorri ^^tvovro^ des Skirophorion als des
personen zu Alben ein ganz andei^es Jabr als das Volk gd>raudht,
und beide Jahre ungefähr so nebeneinander bestanden haben, wie
bei uns das Mondjahr, nach welchem wir das Osterfest bestim-
men, neben dem Sonnenjahr.
') Emend* temp. l.II, p.63.
') De fratemo amore c. 18. Sjrmpos.IKy6. •
') Quaest, Rom. 25.
*) Inscript, Graecae Vol.I, p.226/
•) Orot. Graeci y oll, p,Z59.
284 Technische Chronologie.
Tages, der aaf den zwanzigsten fcdgte. Hierbei macht
Ulpian die Anmerkung: ,,Die Athener zählen die
,,Tage nach dem zi/iranzigsten in umgekehrter Ordnung,
,, indem sie den ein und zwanzigsten den zehnten ^^{^
,,yoyro$9 den zwei und zwanzigsten den neunten, und so
„bis zur rpuücdg hin nennen." Hiervon geht Dodwell
aus, wenn er annimmt ^), die Athener hätten in den
hohlen Monaten die devripa 4^^{yovro^y den vorletzten
Tag, weggelassen. In dieser Meinung bestärkt ihn
eine Aeusserung des- Proclus, der in einem Scholion
zum Hesiodus sagt ') : ,,Der Dichter macht mit der
,,rpi6exa$, dem Tage der wahren Conjunction, den An-
,,fang, welches bald der wirkliche di<eifsigste , bald
,,aber der neun und zwanzigste Monatstag ist, wenn
,,der Tag vor dem dreifsigsten weggelassen wird." Al-
lein diese Stellen sind nioht beweisend genug. Ulpian
-wollte nur seinen Text erklären und hatte, nicht nöthig
zu bemerken, wie es mit den hohlen Monaten gehalten
wurde, was ihm, dem unwissendsten aller Scholiasten,
auch ganz entgangen sein mag. Proclus scheint nur
sagen zu wollen, da(s rputaatg die allgemeine Ben^nung
des letzten Monatstages war, selbst in den hohlen Mo-
naten , wo man , wenn die Tage nach dem zwanzigsten
in fortlaufender Ordnung gezählt wurden, was nach
einer oben (280] citirten Stelle des Pol lux auch zu-
weilen geschehen sein mufs, vom acht und zwanzigsten
gleich zur rptaxdg überging. Aber auch «abgesehen von
diesen Erklärungen gibt es bei dem eben gedachten
*) De Cyclis IH, 24. Yergl. I, 38.
•') Zu Opp. etd. T.766.
Grieghbn. 285
Scbriftsteller eine Notiz ^), die DodwelTs Hypothese
geradehin widerlegt , nämlich die , dals die Richter des
Areopagus ihr Amt in jedem Monat drei Tage hin-
tereinander verwaltet haben, an dem vierten, dritten
und zweiten (p^ivoyro^.
Alles wohl erwogen bleibt Petavius Meinung,
dafs die Athener der jedesmaligen Länge des Monats
gemäfs nach dem zwanzigsten bald isKorriy bald Iwarn]
^SrtvovTo^ gesagt haben, noch immer die 'wahrschein-
lichste, weil sie sich so natürlich, darbietet und alle
übrige Hypothesen nicht Stich halten. Auch scheint
das Beispiel der Kömer, die bei der Reform ihres Ka-
lenderwesens unter den Decemvim offenbar das attische
l)erücksichtigt haben, hier nicht ohne Gewicht zu sein«
Sie zählten die Tage der letzten ^theilung ihrer Mo-
nate in rückgängiger Ordnung bekanntlich allemahl so,
wie es die jedesmalige Länge derselben mit sich brachte.
Das büi*gerliche Jahr der Athener, das immer von
dem ersten ihrer Archonlen, so wie das der Römer von
den Consuln, seinen unterscheidenden Charakter erhielt,
und daher nicht, wie Scaliger wähnte, von dem Jahr
ihrer 'Magistratspersonen verschieden sein konnte , fing
mit dem Hekatombaon im Sommer an. Um von den
vielen directen und indirecten Zeugnissen glaubwürdiger
Schriftsteller, auf denen diese Tfaatsache beruht, nur
eins der tleutlichsten anzuführen , so sagt D i o n y s i u s
von Halicarnafs: ,,IIion wurde nach attischer Zeit-
,,rechnung siebzehn Tage vor der Sommerwende am
„8. Thargelion vom Ende eingenommen. Zur VoUen-
,,dung des Jahrs fehlten noch zwanzig Tage nach dem
') Onom. Vm, 10, 117.
286 Technische Chronciogie.
„Solstitium *)." Welcbea Wertli auch del» Geschidit-
forscher auf diese Notiz und Berechnung legen mag,
sie lehrt wenigstens, dafs das attische Jahr die you/jn^via
des Hekatombxon zur Epoche, und dieser Monat seine
Stelle in der Gegend der Sommei'wende haben muiste.
Scaliger, Petayius, Dodwell und Corsini,
denen wir die gründlichsten Untersuchungen über die
griechische Zeiti^echnung verdanken, sind der einstim-
migen Meinung, dafs man das Jahr ursprünglich mit
dem Gamelion um die Winterwende begonnen habe.
Die Stellung des Schaltmonats (275) macht die Sache
allerdings wahrscheinlich ^ wenn es gleich defsfalls an
einem ausdrücklichen Zeugnisse mangelt. Nur über
die Zeit der Verlegung der Jahrepoche sind sie ver-
schiedener Meinung. Scaliger und Petayius schwan-
ken ; Dodwell") und Corsini') dagegen erklären
sich zuversichtlich für Ol. 87,1, das erste Jahr des er-
sten metonsdien Cyclus. Dafs die Archonten damals
wirklich mit dem HekatombäOA ins Amt getreten sind,
leidet keinen Zweifel; denn Thucydides bezeich-
net *) die Zeit des - Angriffs der Thebaner auf PlaU«,
rpomiiy oy^ov^ ^^Ivoirtog fjujv^c OapyriXiCivog y u( ol *Ä^vatoi tov$
^povou; oyovo-i. Jltpirral ^l ^cav al tiv iwiavrOK Ixttvov ixirlijpovccu
litri r^v rpoir^y tlMO-i i^iiipai. 'Ei» ^ latg irre! xed Tpiitowra, raXf
ana t^c akua-ttag hiaytvofiivati elc. Antiq, Rom. I, 63. In der
parischen Marmorchronik (Epoche 39) ist von der Iß^opi
^tVoifTo; die Rede. Die Tradition scheint zwischen beiden Datis
geschwankt zu haben. Man vergleiche Casaubonus Annaer-
kung zu obiger Stelle des Dionysius.
») De Cjclisl, 4; m, 35.
') F. A- n, 22.
*) n, 2.
Grieche«. 287
iin>iiiit der peloponnesiache Krieg begann, nnter Andern
80, da(a er ihn auf den Anfang des Frühlings
setzt, zwei Monate vor dem Abgange des Archon
Pytbodorus — Uo^oiwpaü in dvo juiifva^ apxoTFog 'A3^*-
valoi; ajLia ripi dpxoi'^* Pytbodorus war aber OL 87 ,1
Eponymus. Und dais der Wechsel des Jahranlangs ge-
rade unter ihm erfolgt sein müsse, schlieisen beide Ge-
lehrte aus folgenden Versen des Festus Ayienus ^): .
Nam qui solem hibema novem putat aeihere volvi,
Ut lunae spatium redeat^ Detus Harpalus, ipsam
Ocius in sedes momentaque prisca reducit,
Illius ad numeros prolixa decennia rursum
Adiecisse Meton Cecropia dicitur arte;
inseditque animis , tenuit rem Graecia sollers,
ProUnus, et longos iiwentum misit in annos.
Sed primaeva Meton exordia sumpsit ab anno,
Torreret rutilo cum Phoebus sidere cancrum.
Hier soll das Wort Iiibema und der durch setl
angedeutete Gegensatz beweisen, dafs, als. der 19)ährige
Cydus des Meton an die Stelle der alten Octaeleris
des Harpalus trat '), der Anfang des Jahrs vom
Winter auf den Sommer verlegt worden sei. Allein
nicht zu gedenken, da(s hibema wol nur geradehin fiir
anni stehen könne, wie hiemes bei den Dichtem öf-
ters ^) , und dafs man es überhaupt mit den einzelnen
Ausdrücken dieses breiten und nachlässigen Paraphrasten
nicht sehr genau nehmen dürfe, scheint die Sache aua
*) Aratea progn, t.41.
') Harpalus war nach Gensorinus nur einei* der Verbes-
serer der Octaeteris. Man nannte diese Periode auch Enneaete*
ris , weil sie nono quoque anno ablief. Daher der Mifsgriff no^
i^em für octo,
') Z.B. beim Horaz, Od. I, 11, 3; I, 15, 35.
288 Technische Chronologie.
folgendem Gninde zweifelhaft zu sein. Ist der An&ng
des archontischen Jahrs unter Pythodoros vom Game-
lion auf den Hekatombaon verlegt worden, so mufs sein
Vorgänger Apseudes entweder sechs oder achtzehn Mo-
nate im Amt gewesen sein. Für sechs Monate ei^Järt
sich Dodwell, für achtzehn aus triftigem Gründen
Corsini. Es bleibt aber immer bedenklich, dals die
griechischen Schriftsteller , z.B. D i o d o r , der die
archontischen und Oljmpiadenjahre vor so wie nach
01.87,1 ganz parallel fortlaufen läfst, nicht irgendwo
die für die Geschichte der Athener so meikwürdige
Verlängerung oder Verkürzung des archontischen Jahrs
bemerkt haben sollten. Dei* Wechsel des Jahranlangs
mufs daher, wie auch Scaliger annimmt, viel früher,
und zwar zu einer Zeit Statt gefunden haben, wo noch
wenig geschrieben wurde, und wo der Einfluls Athens
auf die übrigen Staaten Griechenlands noch minder be-
deutend war. Auch zeigt wirklich Hr. Böckh durch
eine scharfsinnige Combination ^), dafs das attische Jahr
schon Ol. 72,3 mit dem Hekatombaon angefangen ha-
ben müsse. Um aber die Bündigkeit derselben gehörig
würdigen zu können, werden wir uns zuvörderst mit
der Anoixlnung und Dauer der Prytanien bekannt
machen müssen, einem für die Zeitrechnung der Athe-
ner wichtigen Gegenstande; denn nach Dodwell's rich-
tiger Bemerkung ^) wird sich die Form ihres bürgerlichen
Jahrs von ihren Prytanien am sichersten abnehmen lassen.
^) In einer von seinen eines gröfsem Pablikums wiirdigen
Einleitungen zu den LectionsTerzeichnissen der berliner Unirer-
sitat. Ostein 1816.
») De Crclisi,9,
Gribgher. 289^
Seit Clistlienes (OL 67,1) war die Zahl der at-
tischen Stämme — <{>t)Xai — zehn. Jährlich wurden
je fünfzig Männer, die sogenannten Pry tan en — tt/tu-
rdvELg — aus ihnen gewählt, welche zusammen den
Rath der Fünfhundert bildeten. Die Besorgung
der laufenden Staatsgeschäfte und der Vorsitz in den
Yolksyersammlungen lag allemahl den Prytanen der
einzelnen Stämme in einer durch das Loos bestimmten
Ordnung ob , so dafs jeder Stamm 35 oder 36 Tage
am Ruder blieb. Diese Zeit hiels TTpurctysiix, und nach
solchen Prytanien datirte man in den öffentlichen
Acten , indem man angab , an welchem Tage der ersten
bis zehnten Frytanie etwas verhandelt war. Photius ^)
und Suidas') legen den vier ersten Prytanien 36^
den übrigen 35, allen zusammen also 354 Tage bei, als
so viel das Mondjahr *der Athener in der Regel hielt.
Dies mag von einer gewissen Zeit richtig sein. Allein
aus einer unter den Archen Glaucippus d.i. in Ol. 92,3
gehörenden Inschrift aus der Sammlung des Grafen
Choiseul^) erhellet, da(s damals die letzten Pryta*
nien 36 Tage hatten. Es werden in derselben alle zehn
*) Lexicon t. npuraviio.
*) Unter demselben Worte.
') Diese für das Finanzwesen der Athener wichtige Urkunde
ist Ton den Herren Barth^lemy (Mäm, de VAc. des Tnscr,
Tom.XLYin, p.337 ffj und Böckh (Staatshaushaltung
der Athener Th. II, S. 161 ff.) ausführlich, und von letz-
tei^em kürzer in seinem unter der Pre^e befindlichen Werke
Inscriptiones Graecae (Vol. I, P. 11^ no. 107), erläutert worden.
Die franzosischen Gelehrten nennen den Mar/nor, auf welchem
sie sich befindet, vorzugsweise den choiseulschen. S. Visconti
in der Description des Jnüques du Mus^e Royal p.233 ff«
I. [19]
290 Technische Chronologie.
Stämme in folgender Ordnung aufgefil)irt : Aeantis,
Aegeis, Oeneis, Acamantls, Cecropis, Leoniia,
Antiochis, Hippotbo^tis , Erechtheis und
Paudionis« und die Summen hergerecbnet, die unter
einer jeden Prytanie aus -dem Schatze gexahlt wurden.
Dabei ist nach Tagen der Pryunien datirt^), und bei
den drei letzten der sechs und di'eifsigste Tag genannt :
JicTfj xax rpiOHO^ rjjs Tr^Tavtta^ ' EKkrivoTa^tuu; iio^ u. s. w.
Die entsprechenden Monatstage sind nicht erwfibnt. Um
sie ergänzen zu können, muls die Dauer der einzelnen
Honate des gedachten Jahrs bekannt sein. Wir wer*
den unten hierauf zurückkommen.
Nach Ulpian') sollen die zehn Stamme lusam-
men nur 350 Tage in Function gewesen und die vier
übrigen Tage des Jahrs, von ihm ipxBupiO'uu genannt,
der Wahl der Magistratspersonen gewidmet gewesen
sein. Allein dieser unwissende und leichtsinnige Scho-
liast, der überall Facta erdichtet, verdient keinen Glau-
ben. Harpocration nennt, sich auf Aristoteles
über die Republik der Athener berufend, gani
ttbereinstimmig mit unserer Inschrift Prytanien von 35
und 36 Tagen, ohne die dpxaupso'ta^ zu erwähnen^).
Dals übrigens das Jahr der Prytanen eben so wie das
wpvravtiaq. So lautet« die Zahlen abgerecbpet, in solchen JFallen
immei* die Foi-mel.
*) Jrgum, in Demosth, Oral, contra Androtionem.
') T. «pvcain/ac. Man sieht, in welchem In*thum Scaliger
befangen ist, wenn er gkubt (Entend. temp. 1. 11, p.62J, daft
heute der eine Stamm, morgen der andei« prasidirte, nnd dais alle
zehn in oben so vielen Tagen an die Reihe kamen tmd die Reihe
dann immer wieder von Tom anfing. Schon folgende Stelle dei
Gribghsn. 291
der Archonten mit dem HekttombXon angefangen habe,
beweiset Gorsini^) darch SteUen des Antiphon
und Demosthenes. Auch geht es deutlich aus xwei
Inschriften hervor, welche unten beigebracht werden
sollen«
Hm. BÖckh's Beweis, nun, dafs das Jahr der Athe-
ner .schon Ol. 72^3 mit dem Hekalomb&on begonnen
habe, liegt in einer Erörlerung, durch die er darzuthun
sucht, dafs die Schlacht bei Mai'athon nicht, wie man
gewöhnlich nach Plutarch annimmt, im Boälromion,
sondern schon um die Mitte des Melageitnion Statt ge*
fanden Habe. Zu swei Granden für diese Behauptung,
deren sich schon Fr er et ^} zu gleichem Zweck bedient
hatte, fügt er nooh einen dritten, wovon ich in der
Kurze vortragen will, was hieher gehört. AeschylnSi
der bei Marathon mitfocht, sagK beim Plutarch ^)^
dafs im Heer der Athener der Stamm Aeantis den
rechten Flügel eingenommen habe, und Herodot be-
merkt ^), dafs sämmtliche Stämme in der Ordnung auf
einander gefolgt wären, cJg dpi^ixiovro, wie sie gerade
damals gezahlt wurden. Ohne Zweifel behauptete der
Stamm Aeantis darum den Ehrenposten, weil die aus
ihm gewählten Prytanen in der dm'ch das Loos be*
Ammonius {de adfinium vocabulorum differentta r.n^avttaj
hätte ihn eines Bessein beleliren können: „Das Jahr der Athener
„zerfiel in zehn Pi-ytanien, als so viel es Slämire gab, und jeder
„Stamm präsidirle jährlich einmahl** — tud htpvravwv liulfi^ ^Xi|
xttT hvittvrov ana^.
*) F. A. n, 26.
') Mdm. de V Acad. des Inscript. Tom.XYIII, p.l84 ff.
') Sxmp.l.iO.
*) VI, iii.
[19*1
292 Technische Chronologie.
stimmten Oidniing in diesem Jabr zuisrst an der Reihe
waxen. Es i^ar aber das }^<^\xfi\ urodurch das Heer
gegen die Perser aufzubrechen beordert wurde , unter
dem Vorsitz der Aeanüs — kiuniüo^ cfiuXi]; 7rpuTttvnJow7)$ —
gegebeii worden, wie Plutarch zugleicb berichtet.
Hätte nun das Jahr noch mit dem Gamelion begon-
nen, so wäre, was nicht denkbar ist, noch über ein
halbes Jahr bis zur Schlacht yerstrichen. Fing' es da*
gegen schon mit dem HekatombSon an , so ist alles in
Ordnung. Die erste Frytanie reicblie bis zum fünften oder
sechsten Tage des MeUgeitnion, und die Schlacht iRriirde
bald darauf um die Mitte des Monats (Herodot redet
ausdrücklich vom Vollmonde ^) geliefert. Plutarch,
der sie bis zum 6. Boedromion Vei^hiebt ') , verwech-
selt höchst wahrscheinlich das Datum der Siegesfeier mit
dem des Sieges selbst.
Da die attischen Monate an die Mondwechsel ge-
knüpft waren, so muiste ihr Anfang in» einem Zeit-
raum von einigen unserer Wochen umherschwanken,
daher sie sich auch nicht genau mit unsern Monaten
vei^leichen lassen. Nur so vi^l ist gewils, daCs der
Anfang des Hekatombäon auf die Gegend der Sommer-
wende traf. So stehen beim Aristoteles ^) 'jnpi tcv
'Exarojüißaiwya und 7np\ rpona^ y und beim T h e o.p h r a s t ^)
Toü ^Kippoif)öpLdSyo^ xal ^£xaro|üißauuyo$ und npo rponwv fju-
Hfoy rj vTTo TpoTFoig als gleichbedeutende Zeitbestimmungen
neben einander. Gewöhnlich entsprach der Hekatom-
•J VI, 106. 120.
*) Fäa CamiUi c. 19.
') Hist. anim. V, 11.
♦) Hist. plant. TV, 12.
Gribghen. 293
bfion unserm JuKus. Daher vergleicht Plinias ^) die
Monate Munychion, Thargelion und Skirophorion , in
denen nach Aristoteles') die meisten Fische erzeugt
werden, mit dem Aprilis, Mäius und lunius. Die Som-
mei*wende traf in der bliihendsten Periode der attischen
Republik auf die letzten Tage des Junius; mithin ge-
hören die drei ersten Monate dem Sommer, die drei
folgenden dem Herbst u. s. w. an. Scaliger ist der
Meinung ^) , dafs von den idtesten Zeiten her allemahl
der erste Neumond nach der Sommerwende die vovjutj-
noL des Hekatombäon bestimmt habe. In Plato's
Büchern von den Gesetzen ^) ist auch wirklich
vom Eintritte des Jahrs nach der Sommerwende
— fjLcrd rotg ^epivdg TpoTrdg — die Rede ; allein es folgt
daraus schwerlich mehr, als dals das Jahr in der Re-
gel nach diesem Zeitpunkt begonnen hat, und es wird
nicht nöthig sein, mit Corsini^) zu der Auskunft zu
greifen , dafe es der Philosoph in jenem Werke nicht
sowohl mit den zu Athen bestehenden Formen, als
mit den Von ihm neugeschaffenen zu thun habe.
Dafs wenigstens in der callippischen Periode das
Jahr zuweilen vor der Sommerwende angefangen habe,
geht klar aus einer an sie geknüpften astronomischen
Beobachtung des Timocharis hervor, deren schon
oben (277) gedacht worden ist. Nach derselben hat der
Anthesterion damals am 22. Januar ange&ngen , und
*) //. N. IX, 74.
^) . Hist. anim. a. a. 0.
3) Canon. Isag, III, p.235. '
•) 1.VI, p.767.
•) F. A. n, 24.
294 Technische Chronologie.
da er der achte Monat des attischen Jahrs ^rar, so
siebt man, welche Dauer man ihm und den folgenden
Monaten auch beilegen mag, dafs der nächste Jahran-
fang vor der Soramerwende, die auf den 26. Junius
traf, Statt gefunden haben müsse.
Wir kehren nun zu der (274) abgebrochenen Er-
örterung der attischen Schaltcykel surück.
Kächdem Geminus der Trieteris kur» gedacht
hat, sagt er weiter: „Da sich die Griechen bald durch
„die Erscheinungen der Sonne und des Mondes über-
^,acugten, dafs bei dieser Pei*iode weder die Tage und
„Monate mit dem Monde, noch die Jahre mit der
„Sonne übereinstimmten, so suchten sie eine andere,
„die, aus Tagen, Monaten und Jahren bestehend,
,, diese Eigenschaft hätte» Zuerst bildeten sie die
,,0€taeteris — icpSrov Vk ffw«pfö-arro n^v itipiatctf r?;
,,o)cracTi}pi'dog— welclie 2922 Tage in 99 Monaten, un-
„ter denen drei eingeschaltete» und 8 Jahre häli» und
„ folgende Einrichtung hat. Da auf das Sonnenjahr 365f
,,und auf das Mondjahr 354 Tage gehen, so beträgt der
„Ueberschufs des erstem über das letztere 11^ Tage.
^,Wenn wir also das Jahr hindurch die Monate nach
„dem Monde abmessen, so weichen wir um 11 f Tage
9 «von der Sonne ab. Sie untersuclitea demnach, wie
Moft diese Tage zu nehmen wären, um ganze Tage
f,ttnd Monate zu erhallen, und fanden, da(s dies acht-
,,mahl geschehen müsse,* wo sich 90 Tage und 3Mo-
„nate ergeben. Es ist mithin klar, dafs wir in 8 Jah-
,,ren um 90 Tage von der Sonne abweichen werden,
,, welche 3 Monate ausmachen. Aus diesem Grunde
^werden in jeder Octaeteris drei Schaltmo-
tiUate gerechnet — di' »jy alrla» xaär' huL^rpf oxrogTriptda
Griechen. 295
i^rpag cfyoyreu fci^veg l)üißaXi|uioi — damit das, ^fas in je^
federn Jahr vernachlässigt worden, Wieder eingebracht
^, werde, und die Feste und Opfer nach Ablauf der
,, ganzen Periode zu denselben JahrSzeiten zuinickkehren
,,m(%en. Die Schahmonate ordnete man so viel mög*
^,Iich in gleichen Zwischenräumen an; denn man mufs
„weder warten, bis man un^ ^inen Monat zurück-*
,, bleibt, noch der Sonne einen ganzen Monat voreilen«
,,Defshalb wies man den Schaltmonaten ihre
,, Stellen im dritten, fünften und achten Jahr
,,an — ^t* ^y ahtcty red; ifxßoKlfjLcx)^ H^vä$ eragav iyiü-^at
,,|y T«J) rptn^ mi xcä nifiTrTt^ xcd oydot^. Hierbei wird das
,, Mondjahr zu 354 Tagen genommen, und der Monat
,,zu 29 1-, der zweimonatliche Zeitraum zu 59 Tagen
,, gerechnet. Daher läfst man die hohlen und
,, vollen Monate mit einander abwechseln, so
,,dafs sechs volle und sechs hohle Monate auf
,,das Jahr gehen" — o^'cv kcTKcv hoA ^rXifpr) pijya irapi
y^fxipog ayavcriv — yivcvrcu cw h rt^ ivLAvr(§ Sg nh^ptig xal
„l| xorxoi."
„Wenn wir die Zeitrechnung blofs mit der Sonne
,,in Einklang bringen wollten, so würden wir diesen
„Zweck durch die eben beschriebene Periode erreichen.
,,D!a aber nicht Moüs die Jahre mit der Sonne, s<^ndem
,,auch die Monate uiüd Tage mit dem Monde überein*
,, stimmen sollen, so überlegte man, wie dies zu be»
,,werkstelligen sei. Die genau genommene Dauer des
,, Monats beträgt 29-^ und ^ Tage ^). Es sind aber,
') Geminas hat scjireihen wollen: ,,Die genauer genom-
„mene.** £r selbst gibt die Dauer des synodischen Monats nach-
her noch genauer an.
296 Technische Chronologie.
„mit Einjchluifl der eingeschalteten, 99 Monate in der
,,Octaeteris; man nahm also diese Monatsdauer 99 mahl,
„und erhielt so 29234 Tage. Acht Sonnenjahre zu
„365-1 Tagen halten aber nur 2922 Tage. Es ist also
„klar, dafs ^ir alle acht Jahre um anderthalb oder alle
„sechzehn Jahre um drei Tage vom Monde abweichen
„werden. Man schaltete daher in jeder sechzehn-
„jährigenPeriode — Locaid6xa£T*ipt$— zur Ausgleichung
„mit dem Monde drei Tage ein ^). Hierbei ergibt
„sich indessen ein neuer Fehler. Es werden nfimlich
,,rücksichüich auf die Sonne in sechzehn Jahren drei,
„also in 160 Jahren 30 Tage oder ein ganzer Monat
„zu viel gerechnet. Aus diesem Grunde läfst man alle
„160 Jahre einen Schaltmonat w^, indem man statt
„der drei Schal tmonale , die auf die (letzte) Octaeteris
„ gehen, nur zwei rechnet, so da(s nun wieder die Mo-
„uale und Tage mit dem Monde, und die Jahre mit
„der Sonne übereinstimmen ')."
Geminus zeigt hierauf, dals auch bei dieser Ver-
besserung die Zeitrechnung noch nicht vollkommen mit
dem Himmel ausgeglichen werde. Man habe nämlich
die mittlere Dauer des synodischen Monats nicht genau
genommen. Sie betrage 29 Tag^ und in Seiagesimal-
theilen des Tages 31 der ersten, 50 der zweiten, 8 der
dritten und^ 20 der vierten Oixlnung. In der ersten
Ausgabe^) stehen die Zahlen 31, 40, 50 und 24.
•) Diese Periode hielt 5847 Tage auf 498 Monate yertheilt.
') Die 160jährige Periode hielt hiernach 58440 Tage in 4979
Monaten. Da^ (ropische Jahr wird zu d65f Tagen gerechnet, und
auf den Monat gehen 29 Tage 42 St. 43' 48*.
*) Altorf 4590, 8.
Gaiechen. 297-
Petayius hat sie nach einer Handschrift und nach
dem Almagest^) yerhessert. Es ist nämlich die hip-
parchische BesUmmmig, welche in unsem Zeittheilen
29 T. 12 St. 44' 3^" gibt, dahbgegen die bei der 16
und 160jährigen Periode zum Grunde liegenden 29^
und ^Tage 25" weniger betragen. Man wird daher,
sagt Ge minus ^ zuweilen in 160 Jahren statt der drei
Tage yier einschalten müssen. Die Bemerkung ist rieh*
tig; denn die 25" häufen sich nach zehnmaliger Wie-
derhohlung der sechzehnjährigen Periode zu mehr als
13 Stunden an, und da dann zur Ausgleichung mit der
Sonne 30 Tage, also etwa 11 Stunden mehr als ein
synodischer Monat, weglassen weixlen, so wird die
160jährige Periode in Ansehung des Mondes um einen
Tag zu kurz sein, so wie sie mit Bezug auf die Sonne
um mehr als einen Tag zu lang ist.
£s müssen aber die Verbesserungen der ursprüng-
lichen Octaeteris, die 16 und 160jährige Periode, bei
den Griechen erst spät, wenn anders je, ins bür-
gerliche Leben übergegangen sein. Denn nachdem.
Geminus noch einmahl die Unrichtigkeit der achtjäh-
rigen Periode von einer andern Seite gezeigt hat, fährt er
also fort: ,,Da demnach die Octaeteris in allen
,, Stücken fehlerhaft war, so haben die Astro-
,,nomen Euctemon, Philippus und Gallippus
,,eine andere Periode, die neunzehnjährige,
,, aufgestellt" — iwTczp htitiri 6viinJiapTy\\dvr[v max avyißoMt
-njv OKTCurripida Karoi mvra, iripav itBpioiov avvBgiqa'ayro njy
' t{]$ IwBOMou^BKCurripidog ol TFspl £vKTi]|üioya xal ^Ckithtov xcd
KoXXiTnroy dg-pqkoyou Das Heui Trdna^ in allen Stük-*
*) l.IV,.c.2, p.2i7.
298 Technische Chronologie.
ken« 18t offenbar ra stark; denn die atbtjähnge Pe-
riode war in Ansehung der Sonne wirklich genauer,
als die 19jäbrige. Sonderbar ist es übrigens, dafs hier
Meton, der sonst überall als Haupt* ja einziger Urheber
des 19jährigen Cyclus genannt wird*), nicht erwähnt
ist. Euctemon war sein Zeilgenosse, und, wie wir aus
dem A Image st ersehen*), sein Gefaülfe, und der hun*
dert Jahre später lebende Callippus derVerbesserer der
■eunzehnjährigen Periode, wie Geminus im weitern
Verfolge selbst bemerkt. Den Namen Philippus fin-
den wir in Verbindung n^it ihr sonst nirgends erwähnt.
Es leidet daher keinen Zweifel, dais der Name Meton
ans dem Text gefallen ist*
,,Sie beobachteten nämlich, heifst es weiter, dais
,,in 19 Jahren 6940 Tage, und, mit Einschluis von
,, sieben eingeschalteten, 235 Monate enthalten sind.
„Ihnen sufolge hält also das Jahr 365^ Tage. Yon
„den. 235 Monaten nahmen sie HO hohl und 12.5 voll
,,an, so dais nicht immer ein voller Monat ,mit einem
,, hohlen wechselte, sondern zuweilen zwei volle Monate
„auf einander folgten. Dies ist den Erscheinungen
„des Mondes gemäfe und war in der Octaeteris nicht
„der Fall. Unter den 235 Monaten nahmen sie aus
„folgendem Grunde 110 hohl. Sind alle Monate vcrfl,
„so gibt dies für die ganze Peiiode 7050 Tage. Sie
„soll aber nur 6940 halten; es müssen mithin llOMo-
„nate hohl gectthlt werden, damit während der 235 Mo-
*) Theophr. </tf j;g7i. ;7/i/«/. p. 416; DiodorXII, 36;
Aelian F. H. X, 7; Ccnsor. c.48. Sekol. ad ArisL A\^€s
V.998.
») l.ra, C.2, p.460.
Griechen« 299
i,näte die 6940 Tage der Periode berauskommen. Und
,, damit die. auszumerzenden Tage möglichst gleichföimig
,,vertbeilt werden, diyidirten sie 6d40duix;h 110. Dies
,,gibt den Quotienten 63. Es mufs mitbin in dieser
,, Periode zwischen je 63 Tagen einer weggelassen wer-
,9 den, nicht die jedesmalige rptoxog."
Hiernach scheint es, als wenn man vor Einfüh-
rung des neunzehnjährigen Cyclus ili dem allen acht-
jährigen immer die rptaxdi; weggelassen habe. Dies
geschah aber zuverlässig nicht, weil rpuexo^ oder ivfi
Kai via, bei den Athenern eine durchgängige Benennung
des letzten Monatstages war (284). Geminus will nur.
sagen, Meton habe in seiner Periode immer nach
63 Ta^n einen i^aipia-ifiog angenommen , und nicht al«?
lemahl den 60stfen dazu gemacht , wie dies bei der (Xv
taeteris geschah, wo ein Monat um den andern hohl
gezählt wurde, ohne damit gerade zu meinen, dafs in
den hohlen Monaten die rpuixdii selbst weggelassen
wurde.
„In dieser Periode , hei&t es Weiter, seheinen die
„Monate sehr gut bestimmt und den Erscheinungen
,,gemäfs geordnet zu sein. Nur die zum Grunde ge-«
„ legte Dauer des Jahrs stimmt nicht mit dem Himmel
,, überein. Denn das Jahr hält dabei im Durchschnitt
„365j^ Tage, also in Yergleichung mit den 365^ Tagen,
(welche Geminus für die richtige Dauer des Son-^
nenjahrs hält) «,-^ Tag zu viel. Diesen Ueberschnf«
^von ^Tag hat Callippiüs ausgemerzt, indem er
,,eine aus vier neunzehnjährigen Perioden bestehende
,, sechs und siebzigjährige — IxxotfßdojuiTjxoy-
j^roLBTTiplg — von 940 Monaten, worunter 28 eingeschalt
„tete, und yon 27759 Tagen aufgestellt hat* Die
30.0 Technische Chronologie.
„Ordnung der Schaltmonate behielt er bei
^j — r^ TflfgttTÄy iiißoKifxwv ofxoiuyg ixfyqcAro. Diese Pe-
„riode scheint unter allen am genausten mit
,, dem Himmel übereinzukommen — xol &oksi fxa^
Dies ist das Wesentlichste, was wir beim Geminus
über die Zeitkreise der Griechen aufgezeichnet finden.
Gensorinus, nachdem er der problematischen Tetra-
eteris gedacht hat, fährt folgendcrmalsen fort: Ifoc
quoquß tempus , quod ad solis modo cursum, nee ad
bmae, congruere videbatur, dupUcatum est, et oxTomQpi;
facta, quae tunc lyncurripl^ vocitata, quia primus eius
annus nono quoque anno redibat. Nunc circuitum
verum annum magnum esse, pleruquß Graecia existi^
matfit, quod ex annis vcrtentibus solidis constaret, ut
proprio in anno magno fieri par est. Nam dies sunt
solidi CIDCIJDCCCCXXII, menses uno minus centum,
annique vertentes solidi octo ^). ffanc cKTOLtrrjpida vulgo
creditum est ab Eudoxo Cnidio institutam. Sed hone
Cleostratum Tenedium primum Jerunt composuisse , et
postea alios aliter, qui mensibus varie intercalandis
suas oxrasTripidag protukrunt, ut Jecit Harpalus^ Naute»
les, Mnesistrntus, item alii, in quis Dositheus , cuius
maxime oTcrasTyipC; Eudoxi inscribitur. Ob hoc mubae
in Graecia religiones hoc intenfaUo temporis summa
caeremonia coiuntur. Delphis quoque ludi, qui vocan-
tur Pjthia, post octainun annum olim conficiebantur.
Proxima est hone magnitudinem , quae vocatur dcudfxfu»
') Ich lese diese Stelle mit Lindenbrog^s Yerbesserung.
In den altem Ausgaben fehlt die mit römischen Zifiei-n ge-
•ehnebene Zahl , und das dai^uf folgende Wort menses.
Griechen« 301
erripkt ex anms ^ertentibus daodeeim. Buic anno Chol'
daiconomen est,, quem genethliaci nqn ad soUs. brnoß-
4jua cursus, sed ad observationes alias liabent acconv-
modatam: quod in eo dicunt tempestates, frugamque
proi^cntus, sterilitates item, morbosque circumire. Prae^
terea sunt anni.mägni coniplures.: ut Metonicus, quem
Meton Atheniensis ex annis undei^iginti constituit, eo-
que iyyea^ixcurrjpl^ appellatur,- et intercalatur septies, in
eoque anno sunt dicrwn sex- millia et DCCCCXL*
Est et Philolai . Pythagorici annus qx annis LIX,, in
quo sunt menses intercalares 'viginti et unus. Item
CaiUppi Cjrziceni, ex annis LXXVI, ita ut menses
duodetriginta intercalentur; et Democriti, ex .annis
LXXXIIy cum intercalares sint perinde viginti acta.
Sed et Hipparchi, ex annis CCCIV , in quo interca-^
Jatur centies decies bis, Haec annoruni. magnitudo eo
discrepat, quod inter astrologos non com^enit, quanto
^el sol plus quam trecentos sexaginta quinque dies
in anno cof}ficiat, vel bma minus quam triginta in
mense*
Aus dieser Stelle erhellet, claüs sich in Griechen«
land mehrere Astronomen und physische Philosophen
mit Vergleichung des Sonnen* und Mondlaufs und
Entwerfung darauf zu gründender Schaltperioden oder
grofsen Jahre beschäftigt haben. Ausser der acht- neun-
^hn und sechs und siebzigjährigen Periode, die al-
lein ins bürgerliche Leben übergegangen sein können,
wird noch einer zwölf- neun und fünfzig- und
zwei und achtzigjährigen gedacht. Die Dodeca-
eteris oder chaldäische Periode, welche au& zwölf
tropischen Jahren bestand, war, wie man sieht, nicht
zur Ausgleichung des Sonnen- unfl Mondlaufs erson-
S02 Tedhmsche Chronologe.
-nen, sondem yonemer blofs astrologisohen Bedeutung*
Es. sckeint, wie Scaligcr bemerkt ^) , derselbe zwölf*
jährige Cyclus za sein, nach welchem die Völker des
mittlem und östlichen Asiens bis auf diese Stunde
rechnen.
Der neun und fünfzigjährigen Periode wird
auch Von Plutarch, Stobäus und Aelianus ge-
dacht. Der erste sagt'}: ^,Das grofse Jahr setzen ei-
,,nige h rff OKtaxrvipi^i^ andere h rfi iyv^axBUiäsMiUTtjpt&ty
,,nooh andere iv rcXg i^ijxovra bog d^ivriy." Stobäus ^^i
der diese Worte wiederhohlt, setzt hinler JmcuttudExcu
tnjp/i^i hinzu: ol i\ ivroZ; TrrpaTrXao-ioig grcfftf, andere
in viermahl so vielen Jahren, und so mufs
auch Plutarch geschrieben haben , da er die be-
rühmte callippische Periode unmöglich unerwähnt las-
sen konnte. Dagegen fehlen beim Stobäus die Wöi^
ter bog dicvd-ivy weniger einen. Aelian nennt
nicht, wie Censorinus, den Philolaus, sondern
den. Oenopides, einen py thagorisirendeu Philosophen
und Zeitgenossen des Anaxagoras, als Urheber der 59)ah-
rigcn Periode. Seine Worte sind*): „Oenopides
„aus Chios, der Astronom, errichtete zu Olympia eine
„eherne Tafel — x^^^tt» ypufijiaruoy -- auf die er die
„astioQomische Kunde der 59jährigen Periode getragen
„hatte, welche er das grofse Jahr nannte." Dodwell
glaubt*), dafs dies bald nach 01.75 geschehen sei.
•)
Emend, temp. 1. 11, p. iOO.
')
De plac. phil. II, 32.
')
JScLphjrs.I, 9, 42, p. 264.
*)
rar. hisL X, 7.
•)
De Cyclis V, 13.
G ribghsn; 303
Philo laus, der später blühte « hat yermutblich die
Erfindung des Oenopides nach pythagoriscben Ideen
abgeändert; d^nii tiadi Gensorinus ^) se&te er das
tropische Jahr, dessen Dauer Oenopides xu 365 T4^
gen und nahe 9* Stunden angenommen halten auf 3^4 T.
12 St. Die Periode soll 2X Scfaaltmonale , also uasam^
men 72d Monate/ gehalten habeti. Dividlrt man da*-
mit die 21649^ Tage,' welche auf 69 julianische Jahre
gehcQ, so erhält man 29T. 13St. 37' für den syno^
dischen Monat, 43' zu viel. Nimmt man dagegen die
iast unglaubliche Ndtis, dafs Philo laus dem Sonnen«-
jähre nur 364^ Tage gegeben habe, als richtig an, so
finden sich für den synodischen Monat gerade 29*7 Tage^
44' cu wenig« Man sieht, wie unrichtig auf j^cäiPaU
die 59jährige Periode war. Sie scheint überhaupt mehr
in mystischen als astronomischeu Principien begründet
gewesen zu sein; denn, wie Hr.Böckh treffend he*-
merkt'), 729, die Zahl ihrer Monate, ist das Quadrat
der den Pythagoreem heiligen 27«
Noch unrichtiger war die zwei und achtzig-
jährige Periode des Democritus, wenn sie nur
28 Schaltmonate, nicht mehr als die 76jährige des
Gallippus, enthalten hat. Seute er das tropische
Jahr auf 36S-f Tage, was sich jedoch nicht verbürgen
läfst , so mufs er den synodischen Monat zu 29 Tagen
14 Stunden angenommen haben ^). Auf die 304jähT
. *) c. 19.
') Philolao8 des Pythagoreers Lehren S. 135.
^) Nach Diogenes Laiirtius (IX, 48) hat er unter andem
ein Buch des Titels iiiyoQ humof ^ 'AgyovofiCri gesphrieben.
304 Technische Chronologie.
rige Periode des Hipparcb werden wir unten znriick-
kommen.
Das Geschichtlidie des achtjährigen Cyclus,
der, wie besonders aus dem pleraque Graecia beini
Censorinus erhellet, in Griechenland sehr yerbreitet
gewesen sein mufs, liegt im Dunkeln. So viel ist in-
dessen aus der Darstellung des Geminus und aus den
oben (287) angeführtiBn Versen des Festus Avienns
klar, dafs er aller als der neunzehnjährige war. Da
nun dieser von Meton 01.87,1 oder 432 v.Chr. auf-
gestellt worden ist, wovon die Belege bald beigebraclit
werden sollen, so sehen wir, dafs wir mit der Octae-
teris weiter zurückzugehen haben; wie nahe aber dem
solonischen Zeitalter, wird sich nicht mit Sicherheit
ausraitieln lassen, obgleich nicht zu bezweifeln ist,
dafs sie der Trieteris, der ältesten Schaltperiode der
Griechen (269) sehr bald gefolgt sein müsse, weil diese
zu unvoUkommen war, als dais sie sich lange im Ge-
brauch erhalten konnte.
Nach Censorinus war die im Alterthum gang-
barste Meinung die , da(s der Urheber des achtjährigen
Cydus Eudoxus sei« Es leidet auch keinen Zweifel,
dafs dieser Grieche, der sich mit Plato lange in
Aegypten aufhielt und daselbst manoigfaltige wissen-
schaftliche Kenntnisse eingesammelt haben mufs, sich mit
der Octaeteris beschäftigt hat. Diogenes Laertius*)
und Suidas') versichern es. Er kann aber, da er
^) ym^ 87. Der lateinische Uebersetzer hat Octaeteris
luuichiig durch octo annorum historia gegeben.
GniEGHEN. 306
ein halbes Jahrhundert später als Meton lebte, nur
einer ihrer Yerbesserer gewesen sein. Dasselbe gilt von
dem noch später lebenden Eratosthenes, der nach
G.e: minus *) ebenÜEÜls über die Octaeteris geschrien
ben hat.
Nach einer yön Censorinus selbst für richtiger
gehaltenen Nachricht war dieser Cyelus eine Schöpfung
des Gleostratus aus Tenedos , dessen Zeitalter wir
leider ilicht kennen. Theoph rast und Flinius sind
die einzigen, die ihn noch erwähnen. Jener sagt^),
dafs er, eben so wie Matricetas aus Methymha und
Phaeinus aus Athen, meteorologische Beobachtungen
angestellt habe* Waren diese drei Physiker, was frei-
lich aus seinen Worten nicht ganz klar h^-vorgeht, Zeit-
genossen, so müssen sie vor 01.87 gelebt haben; denn
Phaeinus war, wie an demselben Ort bemerkt wii-d,
Meton 's Lehrer. Plinius gedenkt des Gleostratus
in folgender Stelle^): Obliquitatem eius (signiferi) in-
tellexisse, hoc est, reruni fores aperuisse, ^naxima/V'
der Milesius traditur primus, Olympiade qidnquagesima
octava, Signa de in de in eo Gleostratus, et prima
arietis et sagittarii. Hiernach lebte er nach der 58sten
Olympiade. Wir haben also für sein Zeitalter einen
Spielraum von mehr als hundert Jahren, und sehen,
wie unsicher Dodwell's auf keine weitere Autorität
sich gründende Annahme ist, dafs die Einführung des
achtjährigen Gyclus in die 59ste Olympiade gehört ^).
*) Jsag. C.6.
*) De sign, pluviarumpAiö.
') H, N, n, 6.
*) De Cyclis HI, 33.
I. [20]
306 Technische Chronologie.
Welche Verdienste sich aulser Cleostratns noch
Harpalus, Nanteles, Mnesistratus, DositheiLs,
Eudoxtts und Eratosthenes nm die Octaeteris cr-
^Yorben haben, wissen wir nicht einmahl muthmafslich.
Ihre Einrichtung kennen wir mit ziemlicher Be-
stimmtheit. Sie hielt 8 Jahr von je 12 Monaten ab-
wechselnd lu 30 und 29 Tagen ^) und aufserdem noch
lur Ausgleichung mit der Sonne 90 eingeschaltete Tage.
Solinus und Macrobius versichern , dafs man aus
denselben drei Monate zu 30 Tagen gebildet und diese
'dem jedesmaligen achten Jahr angehängt habe. Ihre
Worte verdienen hier angeführt zu werden. Der erste
sagt ') : Graeci singuUs annis XI dies et quadrantem
detmhebant, eosquß octies mubipUcatos in annum no-
num reservabant, ut contractus nonagenarius numerus
in tres menses per tncenos dies scinderetur, qui anno
nono restitud efficiehant dies quadringentos quadraginia
quatuor, quos 2/ißoXijuou$ vel vTnpßetKKovTog nominabant.
Beim Macrobius heifst es^)-: Graeci cum animad^er-
terent fernere se trecentis quinquaginta quatuor diebus
ordinasse annum, quoniam appareret de solis cursu,
qui trecentis sexaginta quinque diebus et quadrante
zodiacum conficit, deesse anno suo undecim dies et
quadrantem, intercalares stata ratione commenti sunt^
^) Es iflt wahrscheinlich, dafs der Tolle Monat dem hohlen
vorangegangen ist , dafs also die ungeraden Monate roll , die ge^
raden hohl wai^en , ob es gleich defsfaUs an einem ausdrücklichen
Zeugnisse mangelt.
») Pofyh,cA.
') Sai. I, 13.
GüIECHEN. , 307
ita ut octa^fo quoque anno *) nonaginta dies, ex qui-*
hus tres menses tricenum dierum compösuerunt , inter^
' calarent, Jd Graeci fecerunt , quoniam erat operoswh
ac difficile omrähus camis undecim dies et quadrantem
intercalare. Itaque maluerunt hunc numerum octies
multiplicare et nonaginta dies, qiä nascuntur, si qua*'
drans cum diebus undecim octies componatur, inserer^
in tres menses, ut diximus, distribuendos, Hqs dies
wrgpßaiyovra;, menses *vero eixßdkCixov^ appellitabant. Hi^iv
nach hätten also in der Octaeteris sieben auf einander
folgende Jahre aus 354 , und das achte aus 444 Tagen
bestanden. Es ist aber, nicht wahrsdieinlicfa « iah sie
bei irgend einem griechischen Volke eine so unbequem^
Einrichtung gehabt hat« nach der man mit der ^Ein-*
Schaltung wartete, bis die Abweichung des Jahranfangs
von der Sonne ein Vierteljahr betrug. Geminus?
Zeugniis verdient unstreitig den Vorzug, dafs man die
drei Monate, auf die man die überschüssigen Tage
vertheilte,'nach dem dritten,^ fünften und, achten Jahr
eingeschaltet habe.
Ungeachtet wir nun also das Wesen der Octaeteri$
kennen, so fehlt doch viel, dafs wir ein an sie ge-
knüpftes attisches Datum mit Sicherheit auf die Julia»
nische Zeitrechnung bringen könnten. Es ist zwar
sehr wahrscheinlich, dafs ihr erstes Jahr immer zu*
gleich das Anfangsjahr einer Olympiade war; allein
wir wissen nicht von welcher, ob von einer geraden
oder einer ungeraden, so dais $ich nicht ausmitteln
*) Nach römiscLein Sprachgebrauch richtiger nono quoque
anno. Eben so müfste es beim Solinus richtiger statt anno
nono heifsen.
[20*]
308 Technische Chronologie.
Ittist, welcheii Otympiadenjahrea die drei Scbaltjahre
etttsprachen. W.ä*en wir aber auch liiei*yon umLer-
richlet, so würden wir doch immer nicht den Epochen-
tag ihres ersten Jahrs angeben können, zumahl da sie
fai Vergleichung' mit dem Monde um anderthalb Tage
zu kurz war, mithin yon Zeit zu Zeit durch Einschie-
bung gänzer Tage mit demselben ausgeglichen werden
mufste, was gewifs so lange willkührlich geschah, bis
die sechzehnjährige Perlode darüber eine Regel /est-
setzte. Wir wissen aber nicht mit Sicherheit, wann
diese Verbesserung des achtj&brigen Cjclus ins Leben
getreten isU Dodwell, der sie dem Harpalus bei-
legt, nimmt an, dafs sie zu Athen bereits um die 71ste
Olympiade eingeführt woixlen sei ^) ; allein seine Gründe
zeigen sich bei nlberer Prüfung eb^n so unhaltbar,
wie alles übrige-, was er nach Scaliger's Vorgänge
über die allmäligen Verbesserangen der Oclaeteris be-
richtet. Die sechzehn- und hundert und secbzigjährige
Periode sind offenbar das Resultat fortgeseizler Beob-
achtungen und Vergleichuiigen des Sonnen- und Moud-
laufs, womit man in Griechenland schwerlich so früh
bis zu einem solchen Grade von Genauigkeit gekommen
sein wird. Eine andere Bewandnifs hat es mit dem
neunzehnjährigen Cyclus. Auf diesen konnte eher ein
glücklicher Zufall leiten, da er sich auf die sehr nahe
Üebereinstimmung yon 235 Mondwechseln mit 19 Son-
nenjahren gründet.
Wir sind also aufser Staude, irgend ein mit der
Octaeteris in Verbindung stehendes Datum, z.B. den
20. Boedromion 01.75,1, v.Chr. 480, den Tag der
*) De tyclU m, 29.
Griechen. 309
Schlacbt bei Salamis ^), auf den juliatiifiehen Kalender
zu bringen. Wenn wir die Tage der Keumonde in
diesem Jalir berechnen , so gewinnen wir damit zwar
so viel , dafs wir die in zwei auf einander folgenden
Monaten nur um wenige Tage von einander entfernt
liegenden Gi-enzen angeben können, von denen das ge-
suchte Datum eingeschlossen sein mufs ; da wir aber diie
Schaltjahre nicht sicher von den Gemeinjahren unter-
scheiden können, so wissen wir immer nicht, welcher
Neumond gerade den Anfang des Boedi*omion bestimmt
bat. Gewifs ist es', dafs die Schlacht entweder um den
23. September oder um den 20. Oktober geliefert wor-
den ist; wer aber Recht bat, Pelayius^), der sie aUf
das erste, oder Dodwell^), der sie auf das andere
Datum setzt, mag ich nicht entscheiden, wenn ich gleich
jene Annahme für wahrscheinlicher halte als diese.
Wir kommen nun zu dem neunzehnjährigen
Cyclus des Meton. Zuvor müssen aber einige Notizen
yom Kalenderwesen der Griechen gegeben werden.
*) Plutarch (^i'i/. Cam, c. \9) bestimmt das Datum des Boe-
dromion durch iwpi ti; tUd^aQ nicht ganz sicher; wir wi^isen aber
anderswoher, dais es gerade der 20ste war. Polyänns sagt näm->
lieh (III, li), Themislocies habe an dem Tage der eleusinischen
Mysterien gesiegt, der den Namen lacchos geführt. Dies war
der 20s te. S. Meursii £'/6fi/5/V//ff c.27. ( Die grofsen Mysterien
dauerten 9 Tage, vom 15. bis zum 23. Boijdromion). An cinei*
andern Stelle ("de gloria Jiheniensium c.7j setzt Plutarch die
Schlacht auf den 46. Munychion, an welchem sie auf keinen Fall
Statt gefunden haben kann. Ycrmuthlich verlegten die Athener
die Sieges feier, um sie nicht mit den Eleusinien zu vermengen,
auf eine gelegenere Zeit.
*) Doctr, temp, 1. Xm, p.3i3.
^) De Cyclis IV, 14.
310 Teclmtsche Chtvnologie.
Was oben (292) von der schwankenden Stellung
der attischen Monate im Sonnenjahr gesagt worden ist,
gilt überhaupt yon den griechischen Monaten , die seit
den ältesten Zeiten einen lunai'ischen Charakter gehabt
haben mtuisen. Um daher die richtigen Momente der
von bestimmten Jahrszeiten abhängenden Geschäfte des
bürgerlichen Lebens zu erkennen, waren die Griechen
genöthigt, sich nach Merkmalen in der Matur umzu-
sehen, und die sichersten, die sich ihnen darboten,
waren die periodisch wiederkehrenden Auf- und Un-
tergänge der Gestirne.
Ohne hier auf die Frage einzugehen, cib die
Griechen in diesem Pimkie ihre eigenen Lehrer gewe-
sen, oder ob ihnen die Erfahrungen und Einsichten
von Yölkem früherer Cultur zu Statten gekommen
sind^), bemerke ich blo&, dafs ihre Gewohnheit, den
Himmel zu befragen, wo wir in den Kalender sehen,
über alle historische Zeit hinaufreicht, ja so alt ist,
dafs sich Prometheus beim Aeschylus als den Urhe-
ber davon angeben kann :
OvT* avd^i^^ov; ^poc, ouTi xapitt|iov
Oipovc ßißatev* aXX' arip ^rvwfiiic t^ not
*Eirpao-roy, tri ^n ^^ uvroXai lyw
^Ag-pwy S^ii|a, tag Tt htffxpiTovi ^va^ig.
V. 453.
.*) Letztei-es behauptet der Scholiast des Aratus (zut.752J,
der die nach den Erscheinungen der Fixsterne geoi-dnetcn Kalender
eine Erfindung der Aegypter und Clialdäer nennt. Auch
Ptolemäus scheint dahin zu deuten, wenn er (Almagest XIII,
7, S.419), vom Sehungsbogen der Planeten handelnd, sagt, dafs
unter dem Parallel von 14 Stunden 15 Minuten, unter Teelchem die
Phönizier und Chaldaer wohnten , die meisten und sichersten der
dahin gehörigen Beobachtungen angestellt worden wären.
Gaiechsn. 311
„Es gebrach ihnen (den Sterblichen) an jedem
,, sichern Merkmale des Winters , des blumigen Früh<-
,,ling8, des fruchtbringenden Sommers; ohne Einsicht
,, lagen sie ihren Geschäften ob, bis ich. ihnen die Auf-
,,gänge der Sterne und die schwer 2u erkennenden
,, Untergänge zeigte."
Beim Homer kommt nu^ *eine einzige Stelle vor,
in der von einer solchen Erscheinung die Rede ist, näm-
lich die, wo er sagt, dafs der Hundsstern in der oTnipa,
aufgehe. Sie ist bereits oben (244) angeführt worden.
l)esto häufiger erwähnt Hesiodus die Auf- und Un-
tergänge der Sterne. Die Geschäfte des Landmanns
besingend, mufste tr die Jahrszeiten bestimmen, wo
die vomehnisten derselben in Griechenland zu yer-
richten waren. Sie an Monatstage zu knüpfen, konnte
ihm schon defshalb nicht einfallen, weil die Monate
bei den griechischen Yölkerschaften die abweichendsten
Namen führten. Er reiht sie also an Fizstemerschei-
nungen, worin ihnVirgil nachgeahmt hat, ungeachtet
dieser bereits einen festen ELalender vorfand.
Dem Beispiel des Hesiodus folgten nachmals alle
griechischen Schriftsteller, denen es um eine genaue
Bezeichnung der Zeiten des Sonnenjahrs zu thun war.
In diesem Falle sahen sich unter andern Hippocrates,
Aristoteles und Theophrastus. Der erste sagt ^):
,, Nicht geringe, ja sehr grofse Vortheile gewährt die
,, Astronomie der Heilkunde." Hauptsächlich räth er
den Aerzten in derselben Schrift '), die Nachtgleichen
und Sonnenwenden, wie auch die Aufgänge des Sirius
^) De aere, locis et aquis sect. m, p. 281.
») p.288.
312 Technische Chronologie.
und Arktur, and den Untei^ng derPleiaden als kritisch
EU beachten. Aristoteles und Theophrast geden.—
ken der Auf* und Untergänge der Gestirne häuflg, der
erste in der Thiergeschichte und den Büchern von
den Meteoren, der andere in seinen botanischen* und
meteorologischen Schriften. Sie bedienen sich der Aus-
drücke ItA Kuy2 oder i/tto to ofpoy, zur Zeit des Hun*
des oder des Gestirns, um den Frühaufgang des Si-
rius zu bezeichnen , der den Griechen unter den Er-
scheinungen dieses Slei^ns allein wichtig war, indem der
Spätauigang und die beiden Untergänge auf Jahrszeiien
Yon minder ausgezeichnetem Charakter trafen. Aehn-
liehe Ausdi*ucke von den PIejaden gebraucht deuten alle-
mafal auf den Finihauf- und Untergang, die bei der £ia-
theilung des Jahi*s berücksichtigt wmxien (241). Der
Zusammenhang oder die beigesetzte Jahrszeit (beide Eiv
acbeinungen lagen um ein halbes Jahr aus einander) ge-
ben gewöhnlich zu erkennen, ob vom Auf- oder Un-
tergange die Rede ist. Gleiche Bewandnifs hat es mit
den beiden Aufgängen des Arktur (246 und 247). Wenn
diese Schrifuieller von den Stürmen Im 'öpwjyi, zur
Zeit des Orion, sprechen, so vei*stehen sie die-
jenigen, welche im griechischen Klima zur Zeit des
Fi*ühaufganges des Orion bald nach der Sommer-
^ende, und des Fmhunterganges um die Mitte des
•Novembers (ebend.) einzutrelfen pflegen. Auch beim
Demosthenes finden sich in Contracten und an-
derswo tfhnliche Bezeichnungen. Der Sprachgebrauch
der Gi'iechen hatte sich bei jedem einzelnen* Gestirn
aufs bestimmteste gebildet.
Mit diesen wenigen Erscheinungen, wodurch sich
die Hauptepochen des Jahrs kenntlich machten, scheinen
Griechen. 313
sich die griechisclieii Landleute und Schiflkhrer lan^
bebolfen zu haben. Dafs ein jeder, dem es um deiv
gleichen Signale zu thun vvar, den Plimmel selbst be-
fragt haben werde> läfst sich um so eher erwarten, da
diese Yolksklassen ihre Zeit meistens im Freien zubrin-
gen. Einen eigentlichen Kalender, der die unmit-
telbai'e Beobachtung überflüssig machte, lieferte zuerst
Meton.
Dieser Athener ^) machte die Entdeckung '), dals
.235 Mondmonate bis auf einen geringen Unterschied
19 Sonnen jähre geben (47) • Dem gemäfs constimirte er,
livie wir bereits oben (298 und 301) aus Geminus und
Censorinus ersehen haben, einen neunzehnjährig
gen Cyclus yon 6940 Tagen, die er so geschickt in
') Dafs Meton ein Athener war, sagen Theophrastus
(de^ign, pluv, p. 416J und Censorinus (301). A e 1 i a n
(F'. H. \y 7 J macht ihn zu einem Lacedämonier. Aber für
Aaxctfv ist vermulhlich mit Perizonius, nach einem attischen
^v]|uio(, AsvxovoEu; zu lesen.
') Bailly (Hist. de l'Jstron. ancienne, Eclairc l.VII, S.7;,
der , einer Lieblingshypolhese zu Gefallen , den Ursprung aller
asti'onomischen Kenntnisse im Morgenlande sucht, erklärt auch
den roetonschen Cyclus für eine ausländische Erfindung, die man
schon beiden Chinesen, Indiem, Hyperboreern, und der Himmel
"weifs wo sonst noch, finde. Abu 'If'aradsch erzähle, Meton
sei in Alexandria gewesen (hundert Jahre vor Alexander!); der
Athener müsse also seinen so gepiiesenen Cyclus in Aegypten ken-
nen gelernt haben. Diese Behauptung ist öfters nachgeschrieben
worden. Ich habe anderswo (Histor. Untersuchungen
S. 329 fr.) einen Versuch gemacht, die Erfindung dem Meton zu
Tindiciren, wie ich glaube nicht ganz ohne Erfolg. Wenigstens
habe ich gezeigt , wie der Grieche durch eine leichte Combination
auf sie kommen konnte.
314 Technische Chronologie.
Monate zu theilen wufste , dafs diese im Y erkuf dies
ganzen Zeitraums mit den Mondwechseln übereinstimmr
ten. Damit verband er einen neunzehnjährigen
Kalender, dessen Einrichtung folgende gewesen sein
muis: den attischen Monaten, deren Dauer seiner Theo-
rie gemäfs veränderlich war (in der Octaeteris waren
einerlei Monate beständig entweder voll oder hohl) , stan-
den die Feste und zugleich die Sonnenwenden, Nacht-
gleichen und Fixstemerscheinungen beigeschrieben, an
die man die Anfange der Jahrszeiten knäpfte« Daß
diese astronomischen Notizen in jedem }ahr eine an-
dere Stelle in den zugehörigen Monaten erhatten muis-
ten und erst immer wieder durch den Schaltmonat in
die ursprüngliche Gegend zurückgeschoben wurden, folgt
aus der Natur des Mondjahrs , das um elf Tage kürzer
ist, als das Sonnenjahr.
Mit diesen wenigen Fixstemerscheinungen begnügte
er sich jedoch nicht. Er 'fügte die Auf- und Unter-
gänge vieler andern ausgezeichneten Sterne hinzu, ne-
ben welchen er zugleich die Winde und Wechsel der
Witterung — iTrwnjjutflwiiu— , womit sie im Klima Athens
der Regel nach begleitet sind, bemerkte. Nach einer
oben (305) citirten Stelle des Theophrastus war sem
Lehrer Phaeinus einer der ersten, die dergleichen me-
teorologische Beobachtungen angestellt hatten, welche
yon nun an in keinem griechischen Kalender fehlen
dürften.
Das Wort hrvrri\iaavi heilst eigentlich die Anzeige
der Ankunft, das Anmelden, auch wol die Ankunft
selbst. Besonders wird es vom Fieberparoxysmus und
von den Veränderungen der Witterung gebraucht, wo-
Gribgren. 315
mit sich die auf"* und untergehenden Sterne ankündigen*
Galenus sagt^), es gibt zwei hfiaiifjieuricu der Plejadeu,
d.i. zwei Erscheinungen derselben, welche mit Witte-
rungswechsehi begleitet sind. Er meint den Frühauf-
und Untergang, welche den An&ng des Sommers und
Winters bezeichneten. Der technische Ausdruck ettmij-
juoimy, den Aristoteles') durch iisraßoXrlv rcv dipog
noUiy erklärt, deutete in den alten Kalendern an, dafs
eine Fixstemerscheinung mit einer bemerklichen Aende*
rung der Witterung und des Windes verbunden sei.
So heiüst es beim Geminus^): h d\ ti] xß^ (er meint
den 22sten Tag des Aufenthalts der Sonne im Löwen) Ei>-
d6^(^ hipa ii^og iwu xcd iTrtoTjjua/i/ei. Die Römer gebrauch-
ten eben so ihr significare. So sagt PJinius: A bn^
ma infa\fomum Caesari nobitia sidera significant ^).
Ursprünglich betrachtete man die Fixstemerschei-
nungen nur als Signale der Witterungswechsel, und
konnte es mit Recht, in so fern gewisse Hauptwechsel
zu bestimmten Zeiten des Sonnenjahrs einzutreten pfle-
gen. Man kam aber bald dahin, dieselben als Wix^
kungen der Auf- und Untergänge der Sterne, mit
denen sie sich gleichzeitig einstellen, anzusehen, ein
Wahn, der sich bis auf die neuem Zeiten erhalten
hat, nur mit dem Unterschiede, dafs man allmäh'g die
Planeten in ihren Aspecten oder verschiedenen Stellun-
gen untereinander oder gegen die Sonne für die Fix-
') Comment. I. in Hippocr, Epidem, I. Opp, Tom.DC, p.6.
*) Oder ein Pseudo-Amloteles, ProbL XXVI, 12.
*) H. N. XYm, 64. Auch mit beigcfugtei- Witterung: Cae-
sari sexio IdusJprilis significatur imber librae occasu. Jbk 66.
316 Technische Chronologie.
Sterne geselzt hat. Gegen diesen Kalenderaberglaiiben
eifert schon Geminus ^).
Meton's auf neunzehn Jahr gestcUter, aber sei-
ner Absicht nach immerwährender Kalender wuixle in
Griechenland mit grofsem Beifall aufgenommen. ,,Za
„Athen, sagt Diodor *) beim vierten Jahr der Sösten
„Olympiade, stellte der wegen seiner astronomischen
„Kenntnisse berühmte Meton, Sohn des Pausanias«
„'Seinen neunzehnjährigen Cyclus auf, beginnend mit
„dem 13ten des Monats Skirophorion. — Dieser Mann
„scheint in der Verkündigung der Stcmerscheinungen.
„überaus glücklich gewesen zu sein; denn sie bewegen
,,sich übereinstimmig mit seinen Angaben und führen
,,die angezeigten Veränderungen der Witterung herbei.
,,Defshalb bedienen sich bis auf unsere Zei-
,,ten die meisten Griechen des neunzehnjäh-
„rigen Cyclus und verfehlen dabei die Wahr-
„heit nicht — Aio }xixp^ tcTv xoB'' tjjuiag ')(p6vwy cl Tckug-oi
,,Tüüy*EXXi]vx'y XP^I^^^^ '^f\ ^w£a>ffludfxa£T/]ptdi oi &ta\f/ivdcyTcu
,,TiJ; iXri^HOLg.*^ Die Alten sprechen von verschiedenen
Tafeln, auf die der neunzehnjährige Kalender (denn
dieser ist hier eigentlich gemeint) aufgetragen war. So
sagt der Scholiast zum Aratus^): ,,Dte Astrono-
, , m e n nach Meton — ol juera M/rava dg-povofJici *) —
,, stellten Tafeln in den Städten auf, worauf die Bewe-
,,gungen der Sonne dureh die neunzehn Jahre des
„Cyclus, die Witterung, die Winde und viele im Le-
•) Isag. c.ii.
») xn, 36.
») Zu V. 752. ,
*} Der Scholiast hat yieileicht mpl sUtt imtt geschrieben.
Griechen. 317
,,ben nützliche Dinge verzeichnet' Tvaren/' Aejian
spricht *) von Säulen — f>JXai— ., die Meton emchtet
und auf denen er die Sonnenwenden bemerkt hatte^
und der Scholiast zum Aristophanes ') von einem
dydSyjixoL d^poyofiocov dieses Astix)nomen, welches vermulhr
lieh von ähnlicher Beschaffenheit war. Yielleicbt ist
man einst bei wiedei*hohIter Durchforschung des klas*
sischen Bodens so glücklich, ein solches Monument zu
entdecken. Ueberhaupt war es die Gewohnheit der
griechischen Astronomen, ihre Kalender auf Tafeln oder
Säulen an öffentlichen Orten zur Einsicht des Publi-
kums aufzustellen, weishalb sie ihnen auch den Namen
TrapaTrqy^aray Anheftungen oder Ausstellungen«
beilegten, von TFapoTrrjyyvyoUy affigere.
Der Kalender des Meton wurde also von den
Griechen mit grofsem Beifall aufgenommen. Gilt dies
aber auch von seinem Cyclus, den sie Mruivog evioLvrov
nannten ^), ich meine, wui*de dieser Zeitkreis an der
Slelle der schwankenden Oclaeteris auch zur Einthei-
lung der bürgerlichen Zeit gebraucht? Hierüber sind
die Meinungen der Chronologen gelhellt. S c a 1 i g e r
verneint die Frage im Sinne seiner eigen ihümlichen
Hypothese über das Wesen der attischen Monate. Eben
soPetavius, wiewohl aus bessern Gründen. Dodwell
und Corsini dagegen ti^agen kein Bedenken, sie in ih-
rem ganzen Umfange zu bejahen.
•) A. a. 0.
») j4d Aves T. 998. Dasselbe Suidas v. Mitwv.
') Diodora. a, 0.
318 Technische Clironologie.
Petavius *) findet sich besonders durch die Aens-
serung des GeminuSi dafs die bürgerlichen Mo-
nate der Griechen — ol KOrct tfoKiv /xijygg — abwech-
selnd voll und hohl gezählt worden sind, was seiner
ausdrücklichen Versicherung nach bei dem metonschen
Gydus nicht durchgängig der Fall war, zu der Meinung
yeranlafst, dafs die Enneadecaeteris von den Athenern
nur als Norm gebraucht worden sei, um die OcUeleris,
die ihnen bis auf die spätesten Zeiten zm* Anonlnung
ihrer Zeitrechnung gedient habe, so oft sie sich ver-
schoben, wieder ins Geleise zu bringen, und dafs der
melonsche Kalender auch ohne den Gydus, an den
er geknüpft war, im Gebrauch gewesen sein könne.
Diese Ansicht ist aber gro(sen Schwierigkeiten unter-
worfen. Denn nicht zu gedenken, dafs eben so gut,
ja noch besser als der metonsche Cyclus, der Himmel
selbst den Athenern zum Regulator ihrer nach dem
Monde abzumessenden Monate dienen konnte, wie hätte
ein Kalender, der von der im gemeinen Leben ge-
bräuchlichen Zeitrechnung oft um einen oder mehrere
Tage, ja wol um einen ganzen Monat abwich (denn
die Ordnung der Schaltmonate war In dem neunzehnjäh-
rigen Cyclus eine andere, als in dem achtjährigen), von
dem Landmann gebraucht werden können, ohne ilin
gfinzlich zu verwirren? Und wie wäre dieser Kalender zu
dem grolsen Ansehn gelangt, worin er in Griechenland
stand, wenn er nicht mit der bürgerlichen Zeitrech-
nung gleichen Schritt gehalten hatte? Man erinnere
*) Doctr. temp. n, 10.
Griechen. 319
sich nur an die yorhin (316) aus Diodor citirten
Worte, an das '
Tct yotp ffWCui^tTM j]^
,, allgemein bekannt sind die neunzehn Kreise der hell«
,, strahlenden Sonne," des Aratus^), und an das
tenuit rem Graecia sollers '
Protinus et longos inventum misit in annos
fieines Paraphrasten Ayienus (287)* Diodor sagt,
die meisten Griechen halten sich der Ennieadecaeteris
bedient; und von d^n meisten Griechen, fragt
Dodwell^), wollten wir die Mitbürger Meton's,
die Athener, ausscfaliefsen?
War aber der neunzehnjährige Cyclus wirklich im
bürgerlichen Gebrauch , wie sind damit die Worte des
^ Geminus zu vereinigen, die das G^ntheil zu be-
weisen scheinen?
Dieser in allen seinen Angaben sehr genaue und
bestimmte Schriftsteller will das Wesen der griechischen^
Zeitrechnung darlegen^). ,, Genau genommen, sagt er,
,, beträgt die Dauer des nach dem Monde abzumessenden
,, Monats 29^ und ^Tage; allein man rechnet dieselbe
,,im^ bürgerlichen Leben — vpog -nji' «•oXxtwijv ayw*
nW*' — ^^^ '^^^ Durchschnitt zu 29-J- Tagen, so dafs
,,zwei Monate 59 Tage halten. Aus diesem Grunde wep-
,,den die bürgerlichen Monate abwechselnd voll und
„hohl gezählt." Nach dieser allgemeinen Bemerkung
•) V.752.
') De CycUs I, 3.
^) c. 6 im Anfange.
320 Technische Chronologie.
kommt er auf die verschiedenen Mondperloden insbe-
. sondere, zunächst auf die Octaeteris, bei der er dasselbe
noch einmahl wiederhohlt, mit dem Zusatz, dafs das
Jahr sechs yolle und sechs hohle Monate, zusammen
354 Tage, halte, dagegen er weiterhin von dem me*
tonschen Cyclus sagt, dafs er die Monate nicht ab-
wechselnd voll und hohl zähle, sondern zuweilen zwei
volle Monate auf einander folgen lasse. Alles dies hält
nun Petavius für ganz entscheidend. Dodwell hin-
gegen ist der Meinung^), dafs die Worte Tcpo^ rrlv no^
XiTtKr)v a^^uT^y nicht gerade von den bürgerlichen lHo-
naten Hekatombäoo , Metageitnion u.s.w. zu nehmen
sind, sondern von der bei Zinsrechnungen, Conlraclen,
Häuservcrmiethungen, Soldzahlungen u.dergl. gebräuch-
lichen Zeitrechnung. Bekanntlich wurden die Zinsen zu
Athen monatlich erhoben. Dabei z.B. glaubt Dodwell ,
dafs die Monate abwechselnd voll und hohl, oder je
zwei Monate zu 59 Tagen gerechnet woixlen sind. Dies
ist ^llei^dings wahrscheinlich, rechtfertigt aber die Worte
des Gern in US schwerlich. Meines Erachteos gehn sie
wirklich auf die Yolksmonate der Griechen, besonders
der Athener, ohne jedoch zu beweisen, was Petavius
daraus folgern will. Wenn es dem Schriftsteller darauf
ankam , seinen Lesern einen Begriff von den Yolksmo-
naien der Griechen im Gegensatz der astronomischen
zu gehen, so konnte er sich vollkommen so ausdi-ücken,
wie er gethan hat, selbst wenn der metonsche Cyclus
zu seiner Zeit allgemein in Griechenland gebräuchlich
war; denn auch in ihm' waren die Monate in der
Regel abwechselnd voll und hohl. Erst wenn dieser
*) De CyclU I, 32.
Griechen. 321
Wechsel sieben bb acht mahl hinter einander Statt
gefunden hatte, traten einmahl zwei volle Monate nach
einander ein. Und wurde denn dieser Wechsel in der
Octaeteris nie unierbrochen? Der Schaltmonat hielt nach
6 e minus ausdrücklicher Versicherung allemahl drafsig
Tage. Wo er also auch eingeschoben werden mochte,
mufsle er allemahl entweder yor einem vollen her-
gehen oder ihm folgen. Das Präsens, das Geminus
von der achtjährigen Periode gebraucht — o^tv xoiXoy
xoi vKi^pr} juiT)va Ttapa jJiipog iyauaiy — yiyoyrtu ow h t^
eviavTcJ» l§ Trkjqpei^ xoi i^ xoiXot — auf das Petavius ei-
nen besondem Nachdruck gelegt wissen will ^), scheint
mir nicht entscheidend zu sein. Denn nicht zu ge-
denken, dafs diese Periode zur Zeit des Geminus
noch bei mehreren griechischen Völkerschaften in Ge-
brauch sein konnte, spricht er ja auch vom neunzehn-»
jährigen Cyclus im Präsens — iyoyrai d\ iv roTg i^''hzn
lirjvBg i^ßokifxoi linJi — yiWai ovv 6 sviauro^ '^\izp(ov rge' xol
t Ivvsoxai^Exarwv. Soll hier einmahl auf das Tempus ge-
achtet werden, so müssen wir vor allen folgende Worte
hervorheben: rotlro ycip tJ c|)tJ<ri$ Im tcüv (pcuvonivwv Itti-
dix'^TCU TTpog tov rJJg as\i^vrig "Koyoy^ OTTsp iv t^ oxTOfTifjpß^t cva
ivyjy. Doch um bei einem so aufserwesentlichen Punkt
nicht länger zu verweilen , was kann . entscheidender
(ur den Gebrauch des neunzehnjährigen Cyclus sein, als
die Art, wie Ge.minus den Uebergang zu ihm macht?
„Da also, sagt er^ die Octaeteris in allen Stücken
„fehlerhaft war, so haben die Astronomen (Meton),
„Euctemon, Philippus und Callippus eine ganz andere
„Periode, die 19jährige, aufgestellt."
^) Doctr. temp. I, 6.
I. [21]
322 Technische Chronologie,
Et erheflet demnadH dafs die Grüncle für den Ge-
brauch des Cyclus die (ilr seinen Nichigebrauch aber-
wiegen, oder vielmebr, dafs die leutern bei einer na-
bern Prüfung als unhaltbar erscheinen. Ich füge hierzu
noch folgende Stelle des Columella *), die meine Vor-
gänger nicht gehörig gewürdigt haben: In hoc ruris
discipUna sequor nunc Eudoxi et Metonis, untiquorum-
quß fastas astrohgorum , qui'sunt aptati publicis
sacrijiciis. Diente also der Kalender des Meton
snr Anordnung der öffentlichen Opfer und Feste, die
sn Athen an bestimmte Monalstage geknüpft waren,
wer kann noch zweifeln, da(s die Monate sdbst nach
ihm abgemessen worden sind?
Es entsteht hier nur die Frage, ob der Cjdns
gleich mit seinem ersten Jahr Ol. 87 «1 in Gebrauch
gekommen ist. Die Sache ist sehr wahrscheinlich, und
würde durch das protinus in den oben (287) ciürlen
Versen des Festus Ayienus ihre völlige GewifsheiC
eijangen, wenn man es mit den einzelnen Ausdrücken
dieses breiten Paraphrasten ganz genau nehmen dürfte.
Es scheint damit freilich eine Stelle des Aristophanes
im ViTiderspruch zu stehen. In den Wolken, die
nach einer ihnen vorgesetzten Didaskalie zum ersten-
mahl unter dem Archon Isarchus Ol. 89,1 gegeben wur-
den , klagt Luna ') , dais die Athener die Monatstsge
nicht genau (nach ihren Phasen) zählten, sondern auf
nnd ab wild umherschwärmten. Die Götter drohten
ihr jedesmahl, wenn sie, vaa das Opfer betrogen, un-
yerrichteter Sache nach Hanse gehen müfsten ^ tSj;
*) Ä. Ä. IX, 14.
') T.615ff.
Grieghbjü. 323
ioprtig iiTj Toxomg xari \6yov rwv f^fiepSy»^ Man kann
sagen, die neitnaebnjährige Periode mufste damals nocb
zu genau mit dem Himmel tibereinstimmen , als dab
sie solche Besehii^erden Teranlässen und rechtfertigen
konnte^ und der Dickter könne daher nur die achtjäh-
rige in ihrer altem unsichern Form gemeint haben.
Er scheint aber gerade einen Ausfall auf den Meton
zu beabsichtigen, ohne es dabei mit der Wahrheit ge*
nauer zu nehmen, als mit seinem Angriff auf den
Socrates. In seinen Yögeln bringt er jenen per-
sönlich auf die Bühne, indem er ihn, wie in den Wol-
ken diesen, als einen phantastischen, mit allerlei un-
fruchtbaren Speculationen beschäftigten Kopf darstellt«
Mochte immerhin der neunzehnjährige Cyclus mit den
Mondei^scheinungcn übereinstimmen ; dies kümmerte ihn
wenig. Er wufste, wie schwankend der attische Völks-
kalender sonst gewesen war, und wie vielerlei Versuche
man gemacht hatte, ihn mit dem Himmel in Ueber-
' einstimmung zu bringen. Mehr bedurfte es für ihn
nicht, Um an Metdn's Verbesserung ^ deren Gründe
er ohnehin schwerlich zu beurtheilen im Stande war,
seinen Spott auszulassen.
Ein entscheidender Beweis für die Einfuhrung des
metonschen Cyclus gleich im ersten Jahr der 87sten
Olympiade würde von der Verlegung des Jahraufangs
der Athener vom Gamelion auf den HekatombSon zu
entnehmen sein, wenn es ausgemacht wäre, dafs die-
selbe gerade damals wirklich Statt gefunden hat, wie
Dodwell und Gorsini glauben. Wir haben aber
oben (291) gesehen, dafs der Hekatombaon höchst wahr-
scheinlich schon viel früher der erste Monat im attischen
Jahr geworden ist. So wenig also auch auf diesen
[21 '1
324 Technische Clironologie.
Gi-und zu bauen ist, so bezweifele ich doch die Ein-
führung des Cyclus in dem gedachten Jahr keines^we-
ges, besonders wegen der Art, wie sich Diodor äus-
sert, der, wenn das Jahr der Einführung ein späteres
gewesen wäre, als das der ersten Bekanntmachung, wol
nicht unterlassen haben würde, es zu sagen. Auch
scheint hier, wie mir Hr. Böckh bemerkt, das freund-
schaftliche Yerhältnils des Meton zum Pericies be- 1
rücksichtigt werden zu müssen. Ob sich gleich dasselbe
mit keiner eigentlichen Stelle belegen Ififst, so ist es
doch sehr wahrscheinlich. Pericies lieble LiUjeralur
und, Aufklärung, besonders auch über die Natur ; sein
Umgang mit Anazagoras läfet schon schliefsen, daü
er den Meton werde gesucht haben. Auch war er
astronomisch aufgeklärt, wie uns die Alten berichten.
Cicero erzählt^), er habe, als eine totale Sonnenün-
sterniis die Athener sehr erschreckt, seine Mitbürger
gelehrt, was er selbst vom Anazagoras erlernt, certo
illud tempore ßeri et necessaiio, cum tota se luna sah
orbem solis siAiecisset; itaque etsi non omni interrvten-
struo (bei jedem Neumonde)^ tarnen id ßeri non posse,
nisi certo intermenstruo tempore. Bei dem freund-
schaftlichen Verkehr beider ist aber die Einführung des
metonschen Cyclus im Jahr Ol. 87)1 , wo Pericies An-
sehn und Einfluls den höchsten Grad erreicht hatte,
um so glaublicher, zumahl da Meton auch im Staat
etwas galt; denn beim sicilischen Feldzuge war ihm
eine Befehlshaberstelle zugedacht^).
') De RepubUca LI, c.i6, p.45 cd. Mali. Yergl. Plut.
Vita Pericl. c.35.
*) Flui, vüa Nie. ci3. Va^l. Aeliani r.N.XOl, 12.
Griegheh. 325
Die Wiederherstellung des metonschen Kanons rnuis
also dem Geschichtsforscher sehr wtinschenswerth sein.
An Versuchen defsfalls fehlt es nicht. Allein die Nach-
richten, die denselben zur Grundlage dienen, sind dürf-
tig, und lassen der Muthmafsung ein i/veiies Feld.
Kein Wunder daher, dafs Scaliger, Petayius und
Dodwell (Gorsini tritt dem letztem meistens bei) auf
so ganz verschiedene Resultate gekommen sind.
Sei es, dafs er es nicht besser ivufste, oder den
geringen Unterschied absichtlich vernachlässigte; Meton
gab seinem Cyclus volle 6940 Tage, für die Sonne neun
und eine halbe, für den Mond sieben und eine halbe
Stunde zu viel (47). Da 19 Jahre zu 12 Monaten nur
228 Monate halten, und da auf 235 Monate, abwech-
selnd voll und hohl genommen, nur 6933 Tage gehen,
so ist klar, dafs im Verlauf des Gyclus sieben Monate
einzuschalten und sieben hohle Monate voll zu zählen
waren. Es kommt also darauf an 1) die Folge der
Schaltjahre auszum'itteln, 2) das Princip zu finden, nach
welchem die vollen Monate mit den hohlen gewechselt
haben, 3) die Epoche des Cyclus oder den l.Heka-
tombäon seines ersten Jahrs zu bestimmen. Wir wollen
mit der letztern Aufgabe hier den Anfang machen.
Diodor sagt in der oben (316) citirten Stelle beim
vi^*teti Jahr der 86sten Olympiade, wo Apseudes Archon
war, M e t*o n habe den Anfang seiner Ennea-
decaeteris mit dem 13. Skirophorion gemacht
— T7)y apx^v TTOLTiadiJiiyog ini fJLrjvo^ 'S}apoif>opi£yo^ T/9t$xcude-
xirrig. Scaliger ^) imd Dodwell*) verstehen dies
^) Emend, temp. l.U, p.76.
*) De CjcUs m, 28.
326 TechniscJie Chronologie.
so, ab sei Veton's enter HekatomhSon mit dem
13ten bürgerlichen Skirophorion nach der allem Zeit-
rechnung zusammengetroffen. Eine solche Hypothese
bei Scaliger zu finden, wird niemand hefremden;
denn nach seinem System haben die Yolksmonate der
Griechen durchgängig- aus dreifsig Tagen bestanden und
sich nur alle vier Jahre einmahl mit dem Monde ausge-
glichen (254).' Aber dafs Dodwell, der des Petayius
sonnenklare Widerlegung dieses Systems vor Augen hatte,
noch eine so arge Yenchiebung des attischen Yolkska-
lenders (ur möglich halten konnte , ist unbegreiflich.
Diodor*s Worte können keinen andern Sinn ha-
ben als folgenden: Meton fing seinen neunzehn-
jährigen Kalender (nicht seinen Cyclus) mit dem
13. Skirophorion, dem Tage der Sommerwende, des vie^
ten Jahrs der 86sten Olympiade an. Nach P tolemäus*}
beobachtete er unter dem Archon Apseudes gemeinschaft-
lich mit Euctemon die Sommerwende am Morgen des
21.Phamenoth oder 27. Junius des Jahrs 432 v.Chr. '),
wie es scheint mit Hülfe des ijXtor^oTncy, das er nack
Philochorus ^) unter dem Archon Apseudes in der
*) Almagcst IH, 2, p. 162. '
*) Die Beobachtung war, wie Ptolemäus sagt, nur obenhin
^^Xoo^ipi^tpov^ angestellt, und wirklich ist die Sonnenwende um
anderthalb Tage zu früh angesetzt ; denn sie ereignete sich unter
dem Meridian Athens ei-st am 28. Junius um 4 ü. NacbmitUgs.
') S. denScholiastendes Aristophancs an deroben(3i7)
citirten Stelle. Sie findet sich mit wesentlichen VerbesseruDgen
Yon Palmer ius und Meursius in der Sammlung der Fragmente
des Philochorus von Lenz und Siebeiis (Leipzig 18H , 8)
S. 55. Wie das Heliotropium beschaffen war, sagt uns nie-
mand. Vielleicht bestand es aus einer kleinen Oefl&iun^ in einer
Gaieghen. 327
Pnyx emcbtet balle. Traf nun der 27. Junins mit
dem 13.Skirophorion zusammen, so stimmte dieser Mo-
nat, wie gleich näher erhellen wii*d, bis auf höchstens
zwei Tage mit den Erscheinungen des Mondes tiberein«
Dafs aber Meton seinen neunzebniährigen Kaien««
der mit der Sommerwende fast drei Wochen yofr der
Epoche seines Cyclus angefangen habe, erhellet aus ei-
ner Stelle des Aratus, die bis jetzt noch von keinem
Ausleger genügend erklärt worden ist. Auf die oben (319)
ciürten Yerse folgen nachstehende :
^Ocra t* dno ^tivri^tlq Iv^^arov 'Qp^wi^a
y,und alle Erscheinungen, die Tom Gürtel des Orion
,,bis zu seinem letzten Stern und dem kühnen Hunde
„des Orion (dem Sirius) die Nacht im Kreislaufe her-
„beiführt." Offenbar will hier der Dichter die erste
und letzte Erscheinung nennen, die er in dem me-
tonschen Kalender aufgezeichnet fand, von dessen Ein-
richtung schon oben (314) die llede gewesen ist. Der
Gürtel des Orion ging zu Metou's Zeit über dem
Horizont Athens in der Morgendämmerung auf, wenn
sich die Sonne im neunten Grade des Krebses befand«
Der Frühaufgang desselben war also yermuthlich die
gegen Mittag gekehrten Mauer, durch die ein Sonnenstrahl auf
eine senkrecht darunter gezogene Mittagslinie geleitet wuitie, und
Meton^s ganze Beobachtung des Somraersolstitii ging nur dar-
auf hinaus, den Tag ausfindig zu machen, an welchem das Son-
nenbild der Mauer am nächsten kam. Sollte nicht schon- Od,
0, 403 etwas ähnliches angedeutet sein? Es konnte sich ja auf
der Insel Syiia oder Syros (einer der Gjcladcn) zufällig eine üefe
Oefibung in einem Felsen finden, durch die gerade am Mittage
des längsten Tages ein Sonnenstrahl in eine Höhle fiel.
328 Technische Chronologie.
erste Encfaeinung , die er, ^on der Sommerwende aus-
gehend, in sein Parapegma eingetragen hatte* Unter
larxeLTov 'QpCwfoL vei*stche ich den Stern x am rechten
Knie, der unter allen dieses Bildes zuletzt aufging,
und zwar, wenn die Sonne im neunzehnten Grade des
Krehses war. Da nun, wie gleich erhellen wird, das
erste Jahr des ersten, mithin auch des zweiten Cjclus
beinahe drei Wochen nach der Sommerwende seinen
Anfang nahm, so muts der Frühaufgang dieses Sterns
die letzte im neunzehnten Jahr bemerkte Erscheinung
gewesen sein. Besonders wichtig war den Griechen der
Frühaufgang des Sirius, der ihnen den Anfang der
oinipa oder der heifsesten Jahrszeit bezeichnete. Dieser
erfolgte nach meiner Bei^echnung fiir Meton's Zeit
und Horizont im 2Ssten, nach seiner eigenen uns von
Geminus aufbewahrten Bestimmung aber im 25sten
Grade des Krebses, also zwischen dem siebenten und
zehnten Tage des Hekatombäon im ersten Jahre des
Cyclus. Um also noch diese Erscheinung mitzunehmen,
wird er ein paar Tage über das neunzehnte Jahr hiu->
ausgegangen sein, so dafs sein Parapegma einige Wochen
vor dem ersten Jahr anhob und einige Tage nach dem
Schlüsse des letzten endigte.
Um die Epoche des Cyclus zu erhalten, kommt
es darauf an, auszumitteln, auf welches Datum des ju-
lianischen Kalenders er den ersten Neumond nach der
Sommerwende im Jahr 432 v. Chr* gesetzt hat. Nach den
delambreschen Sonnen- und mayer-masonschen Mond*
tafeln finde ich, dafs der wahre Neumond zu Athen
am 15. Julius Abends um 7U. 15' m. Z. gerade beim
Untergange der Sonne eingetreten ist. Ungefähr auf
dasselbe Resulut mufs Meton^gekommen sein. Wir
Griechen. 329
^wissen zwar nicht genau, wie er gerechnet hat. Sein
Verfahren kann aber in Ermangelung astronomischer
Tafeln, die Hipparch, der Schöpfer der wissenschaft-
lichen Astronomie , zuerst construirt hat , !nicht wohl
ein anderes gewesen sein, als dafs er, von irgend einer
Mondfinsternifs ausgehend, mit der mittleren Dauer des
synodischen Monats von einem Syzygium zum andern
fortrechnele. Sehr gelegen dazu kam ihm die totale
Mondfinstemifs, die sich in demselben Jahr am 4. März
ereignete. Ihr Mittel traf nach obigen Tafeln unter
dem Meridian Athens um 10 U. 12' Abends m. Z. ein.
Rechnet man von hier aus mit der Dauer des syno-
dischen Monats, wie sie sich aus dem Cyclus selbst zu
29 Tagen 12 St. 46' ergibt, weiter, so erhält man eine
Conjunction am 15. Julius um 7 U. 39' Abends, kaum
eine halbe Stunde spater, als auf dem geraden Wege.
S c a I i g e r macht gleich den Abend des fünf-
zehnten Julius zur Epoche des Cyclus. Da aber die
Mondsichel, mit deren ersten Ercheinung in der Abend-
dämmerung die gi'iechischen Monate beginnen sollten,
nicht vor dem 16. Julius gesehen werden konnte, so
nehme ich keinen Anstand , dem P ^ t a v i u s und
D od well beizupflichten, die den Anfang des Cyclus
auf den Abend des 16. Julius des Jahrs 432 v.Chr.
setzen. Traf aber die yaujutjvut des Hekatombäon auf
den 16. Julius und entsprach der vom D i od or er-
wähnte 13. Skirophorion dem 27. Junius^ so wich die
bürgerliche Zeitrechnung, die Meion vorfand, höch-
stens um zwei Tage vom Himmel ab.
Wir kommen nun zum zweiten Punkt der gegen-
wärtigen Untersuchung, zu der Frage, welche Jahre
des metonschen Cyclus aus dreizehn Monaten bestanden
330 Techwehe Chronologie.
haben. .Geminus, der einzige Schriftsteller , der mit
einiger Ausfülirlichkeit von demselben handelt, lafst
uns hierüber im Dunkeln.
Seal ig er glaubt die Schaltmonate so ordnen zu
müssen, dafs der 1. Hekatombäon nie über die Som-
merwende sorückwicb ^), und macht diesem Princip ge-
mäfs gleich das zweite Jahr zu einem Schaltjahr« Es
ist aber oben (293) gezeigt worden , dals die Nothwen-
digkeit dieser Bedingung nichts weniger ab begründet
SU betrachten ist.
Petavius ') niomit die Jahre 3, 6, 8, 11, 14, 17
und 19 (ur Schaltjahre, wie es acheint aus keinem an-
dern Grunde, als weil in dem Schal tcirkel der Juden,
der höchst wahrscheinlich von dem metonschen ent-
lehnt ist, eben diese Jahre Schaltjahre sind. Seine
Hypothese wird aber durch eine Stelle der Almagest
widerlegt^). Ptolemäi^s führt nämlich eine unter
dem Archon Euandrus im erstem Poseideon zu Babjlon
beobachtete Mondfinslemifs an, die sich nach dem bei-
gesetzten ägyptischen Datum in der Nackt vom 12 zum
13. Deoember des Jahrs 3S2 v.Chr. ereignet hat. Es
war dies das dreizehnte Jahr des metonschen Cy-
dus, das wir also au den Schaltjahren zahlen müssen.
P e tay i u s leugnet zwar den bürgerlichen Gebrauch des-
selben , und meint , dafs sich die Beobachtung auf die
Octaeleris beziehe. Ich hoffe aber, da& nach dem, was
ich (318) hierüber gesagt habe, diese Einwendung von
keinem Gewicht weiter sein werde. Und wenn auch
*) Canon Isag. in, p.235.
») Doctr. temp. U, 13.
') IV, 10, p.278.
Grieghbn. 331
MTirkllcli der neunzehnjährige Cycl«s nicht in Athen
eingeführt gewesen wSre, so würde ich mich doch nie
übeiTeugen können, dafs der griechische Astronom, der
jene Beobachtung von den Cbal^äern entlehnte, zu ih-»
rer Beduction auf eine seinen Landsleuten geläufige
Zeitrechnung lieber den schwankenden aditjäbrigen Cy*
eins, als den ungleich zuverlässigem neunzehnjährigen
gebraucht habe.
Da Meton bei der Bestimmung der Schaltjahre
durch keine Rücksicht weiter beschränkt wurde, als die,
dafs der Anfang des Jahrs in der Mähe der Sommer-
wende zu erhalten war, so ist es ungemein wahrschein*
lieh, dafs er in den beiden ersten achtjährigen Zeit-
räumen seines Cjclus eben die Jahve wählte, an die
sich die Athener bei ihrer Octaeteris gewöhnt hatten,^
das dritte, fünfte, achte, elfte, dreizehnte und sech-
zehnte, und dals er den ganzen Gyclus mit einem Schalt-
jahr beschlofs* Ich iünde daher kein Bedenken', diese
Voraussetzung mit Dodwell ^) iiir die richtige zu hal-
ten, zumahl da sich die an attische Monate geknüpften
Beobachtungen beim Ptolemäus, wie unten erhellen
wird, ganz ungezwungen in sie fügen.
Es ist nun noch übrig, drittens das Princip zu eiv
forschen, nach welchem Meton die vollen* und hohlen
Monate hat wechseln lassen. Nachdem Geminus ander
bereits oben (298) citirten Stelle gesagt hat, dafs 110 Mo*
nate hohl zu nehmen waren, fährt er nach einer
wörtlichen Uebersetzung also fort: ,,und damit die
,, auszumerzenden Tage möglichst gleichförmig vertheilt
„weixlen, dividirten sie 6940 durch HO, was 63 gibt.
*; De Oyclis I, 33 und 34.
332 Technische Chronologie.
,,E8 mafi mitliin in dieser Periode zwischen je 63 Ta-
igen einer weggelassen werden. Nicht also etwa der
y, letzte Monatstag, sondern der zwischen je 63 Ta-
,,gen fallende — ij dta tguv |y' r[tx^p(u}f rnTTrova-a — wird
,,der auszumerzende — i^oupinfjiog — genannt. In
y, dieser Periode scheinen die Monate yorti-efDich be-
,, stimmt und die Schaltmonale den Erscheinungen des
,, Mondes gemäfs geordnet zu sein."
Dodweli nimmt diese Worte so, dafs er vom An-
fange des Cyclus an jeden 63sten Tag, also, die Monate
zu 30 Tagen gerechnet, den dritten Tag des dritten, den
sechsten Tag des fünften, den neunten Tag des sieben-
ten, den zwölften Tag des neunten Monats u.s.w. zum
l^aipia-ifxcg macht. Nach ihm haben also die Athener
beim Gebrauch des melonschen Cyclus im ersten Jahr
keinen dritten Boedromion, keinen sechsten Mämakte-
rion, keinen neunten Gamelion, keinen zwölften Ela-
phebolion, keinen fünfzehnten Thargelion, im zweiten
keinen achtzehnten Hekatombaon u.s.w. gezSliit. £r
glaubt fei*ner, Callippus habe bei seiner "Verbesserung
des Cyclus die Constructionsmethode in so fem geän-
dert, dafs er zwar die Oidnung der hohlen Monate
auf dieselbe Weise bestimmt, aber zum l^aipia-ifjiog eben
so, wie es früherhin in der Octaeteris geschehen, durch-
gehends die dsvripa ift^iyovrog oder den vorletzten Mo-
natslag gemacht habe, so dafs dieser Tag in den hohlen
Monaten nie gezählt worden sei.
Corsini kann nicht begreifen*), warum Dodweli
den Callippus in diesem Punkt vom MetH>n habe
abgehen lassen. Offenbar um die Notiz beim Proclus
*) F. A. n, 17.
Griechen. 333
in Ehren zu halten, nach der die Athener in den
hohlen Monaten die ievripa ^^'ivovro^ ausgemerzt haben
sollen. Es ist aber obeu(2S4) gezeigt worden, dafs sie
keine Beiücksicbtigung yerdient« Die Meinung des
Petayius, dafs man den 21sten Tag in den vollen
Monaten dExarrjv und in den hohlen lyyarrjy ^^^ivoirro^
genannt habe, bleibt immer noch bei weitem die wahr-
scheinlichste, und man kann sich von ihrer Hichtigkeit
überzeugt hallen, bis eine enlscheidendere Stelle gegen
sie beigebracht und irgend eine andere Hypothese über
die Zählungs weise der Tage in den hohlen Monaten au&
gestellt sein wird, bei der sich nicht ähnliche Schwie-
rigkeiten, wie bei allen bisherigen, ei^eben.
Hiemach kann ich nun auch Dodwell's Ansicht
von der Yertheilung der exemptilen Tage im metonschen
Cyclus nicht zui* meinigen machen. Diux;h die Worte
des Gern in US: dt' i^fxspwv ipoL ^y' l^cupi<n\iQV ttJv i^fjtipay
aysiv ist wird sie nicht nothwendig bedingt; denn sie
scheinen nur den Monat, auf den der i^cup(<nnog trifil,
nicht aber seine Stelle in demselben bezeichnen zu sol«
len, wie sie auch Dodwell selbst bei der callippischen
Periode nimmt. Es fragt sich aber, was 6l i^ixspCSv ^y*
eigentlich bedeute. Wiixl damit jeder 63ste Tag der
Periode vom Anfange hinein, oder jeder 64ste gemeint,
mit andern Wor.ten, soll das Intervall zwischen je zwei
auf .einander folgenden exemptilen Tagen 62 oder 63
sein? Die Präposition dta erlaubt wol nur die letzte
Erklärung, so wie auch die Sache selbst. Es kam näm-
lich darauf an, die hohlen Monate so zu vertheilen,
dais die Zusammenkunft des Mondes mit der Sonne
den ganzen Cyclus hindurch auf der l)n\ xod via- fixirt
blieb. Meton sah, dais er für den Cyclus 7050 Tage,
334 Technische Chronologie.
110 zu viel, erbiell, wenn er 4ie Monate durchgängig
vdl rechnete, dafs er also eben so Tiele Monate hohl
nehmen müsse. Um nun diese möglichst gleichförmig
tu vertheilen, begriff er leicht, dais er, da HO von
7050 nahe der 64ste Theil ist, unter je 52 Monaten,
die, Toll gerechnet, 960 Tage hielten, 15 exemptil neh-
men müsse. Merzte er dagegen jeden 6Jsten Tag aus,
so kam er mit den 110 hohlen Monaten a^a schnell zu
Ende, und der Cyclus wich gegen den Schlufs um drei
Tage vom Himmel ab, die nur daduixsh wieder einge-
bracht werden Lonoten, dafs sechs volle Monate auS»
einander folgten, wie dies Dodwell's Entwurf zeigt.
In diesem Falle wüi^e aber das Lob der genauen lieber-
einstimmung mit dem Himmel, das Geminus dem
metonschen Cyclus ertbeilt, schlecht begründet gewesen
sein. Es mufs sich daher in seine Woi*te ein Fehler ein-
geschlichen haben, nicht durch seine Schuld, sondern
durch die eines Abschreibers, der ihn en verbessern
glaubte, nämlich statt: sie dividirlen 6940 durch 110,
was 63 gibt, mufs es heifsen: sie dividirten 7050
durch HO, was 64 gibt; denn wegen des di ijfjtspoov
^/ schien der Quotient 64 in 63 vei*wandelt werden
lu müssen, und war erst diese Aendeioing geschehen,
so folgte die des Dividendus 7050 leicht nach, indem
daiiir die kurz zuvor genannte Tagzahl des Cyclus 6940
gesetzt wui'de, die dem Quotienten 63 besser zusagte.
Nach den bisher entwickelten Gründen habe ich
nun den metonschen Kanon in der ersten diesem Ab-
schnitt beigefugten Tafel entworfen, die ihn unab-
hängig von jeder andern Zeitrechnung in sich selbst ab»
geschlossen darstellt. Ich habe ihn mit zwei vollen
Monaten angefangen, weil kein Grund vorhanden ist,
Griechen. 336
gleich den zweiten Monat exemptil zn machen, und
dann die hohlen Monate mit den vollen wechseln las-
sen, doch so, dafs nach achtmahiigem Wechsel zwei
volle Monate auf einander folgten , weil auf je 32 Mo-
nate 17 volle kommen mufstea.
Um den Kanon an den julianischen Kalender zu
knüpfen, darf man nur den Epochen tag des ersten me-
tonschen Cyclus kennen, und wissen, welche unter den
Jahren v.Chr. einen 29.Fehniar haben. Als Epochen*
tag ist oben (329) der 16. Julius 432 v.Chr. ausgemittelt
worden, und die Kegel für die julianischen Schaltjahre
findet sich oben (74) aufgestellt. So hat sich die zweite
Tafel ergeben. Sie ist durch acht Cykel oder einen
Zeitraum von 152 Jahren fortgeführt worden. Jeder
Cyclus zerfällt in vier Spalten, von denen die erste die
Jahre desselben (die Schaltjahre sind mit B. bezeichnet),
die zweite die Olympiadenjahre, die dritte die Jahre
V.Chr. (die Schaltjahre sind durch b. angedeutet) und
die vierte das julianische Datum des 1 . Hekatombaon
angibt. Dals dieses Datum nicht mit jedem Cyclus
ohne alle Aenderung wiederkehrt, hat seinen Grund
theils darin, dafs die vierjährige julianische Schaltpe-
riode dem neunzehnjährigen Cyclus ineommensurabel
ist, theils darin, dafs das metonsche Sonnenjahr 18' 57'
mehr hält, als das julianische, wie sich leicht ergibt,
wenn man 6940 Tage, die Dauer des Cyclus, durch 19
dividirt. Die Yergleichnng weiter als bis zum Schlüsse
des achten Cyclus anzustellen, war unnöthig, weil es
nicht wahrscheinlich ist, dafs die metonsche Zeilrech-
nung, wenn sie noch länger zu Athen bestand, ohne
Verbesserung gebraucht worden ist; denn da der Cy*
dus in Ansehung des Mondes um sieben und eine
336 Technische Chronologie.
lialbe Stunde zu lang ist, so gibt er pach aditmaliger
Wiederhohlung die Mondviertel bereits um zwei Tage
zu spät, welchem auflallenden Fehler durch Verwand-
lung zweier vollen Monate in hohle begegnet werden
mufste. Die Yergleichung läfst sich übrigens mit Hülfe
der ersten Tafel leicht fortsetzen, so wie sich vermittelst
derselben auch die Data des Anfangs der übrigen Mo-
nate leicht ergeben. Nur mufs man nicht yergessen^
dafs die metonschen Jahre zugleich mit denen der Olyrnr-
piaden um die Sommerwende, und die bürgerlichen Tage
der Athener mit Sonnenuntergang anfingen. Wenn alao
von den nach dem 1. Januar eintretenden Monaten des
attischen Jahi^ die Rede ist, so gehören sie nicht in
das nebenst»tieode Jahr v. Chr. , sondern in das fol-
gende, und wenn sich eiue Begebenheit am Tage zuge-
tragen haben soll, so ist nicht das julianische Datum zu
nehmen, das nach der Tafel dem attischen entspricht,
sondern ebenfalls das folgende.
Um die Keduction eines attischen Datums auf das
julianische durch ein Beispiel zu erläutern, so sei der
7. Thargelion Ol 87,3, der GeburtsUg Plalo's ^), ge-
geben. Man sieht zuvöi'derst aus der zweiten Tafel,
dafs dieses Jahr das dritte des ei*sten Cyclus ist und
mit dem 25. Junius des Jahrs 430 v. Chr. angefan-
gen hat. Mit Hülfe der ersten Tafel finden sich
nun leicht folgende julianische Data für die begin-
nenden einzelnen Monate vom Hekatombäon bis zum
Thargelion :
*) Das Datum iSndet sich beim Plutarch (Sympos, YDI, i)
und Diog. Laertius (IQ, 2), und das Jahr beim Athenäus
CDeipn. lY, p.2i7J.
Griechen. 337
Hekatombäon 25. Jim. 430 y. Chr.
Metageitnion 25.Jal. -
Bo^'dromion 23. Aug. -
Pjanepsion 22. Sept. -
Mämakteriön 21. Okt. -
Poseideon I 20. Nov. -
P.oseideon II 19.Dec. -
Gamelion 18. Jan. 429
Anthesterion IS.Febr. -
ElapheboIioQ 17. März -
Munychion 16. April - . -
Thargelion 15. Mai - -
Der 7-.ThargeKon nijmn(. also am 211 Mai seinen An«-
fang, von welchem ihm aber nur ii^enige Stunden aü-
gehöi^n. Plato ist mithin entweder in der Nacht yom
21 ,zum 22. Mai oder am Tage des 22. Mais 429 y. Chr.
.geboten.
Wenn das Datum blofs an die Piytanie , nicht zu-
gleich an den Mona( geknüpft ist, wie in der Haupt-
Inschrift des choiseulschen Marmors (290), sq myfs man
erst die Anfangstage dcpr . Pi^taniän im atuschen Kaien-
.der besümmen. Ol. 93,3 pdei? im yicrieA Jahr des
zweiten metonschen Cjtclus ; auf yrelches sich diese In-
schrift bezieht, sind die Platanen. der einzelnen Slämme,
.deren Ordnung 9chon qben bemerkt worden, an folgen-
den Tagen in Funclion getreten:
1) Die Aeantis am 1 . Hekatombäon oder l4.Jttl.
410 v.Chr.
,2> Die Aegeis am 6. Metageitnion oder 18. August.
3) Die Oeneis am. 12. Boedromion oder 22. Sep-
tember.. !•.:.' .'> •
338 Technische Chronologie.
4) Die Acamantis am 17. Pyanepsion oder 27. Ok-
tober.
5) Die Cecropis am 23. Mämakterion oder l.De-
oember.
6) Die Leontis am 28. Poseideon oder 5. Jannar
409 v.Chr.
7) DieAntiochis am 4. Anthesterion oder 9. Februar.
8) Die Hippothontis am 11. ElapkdboKon oder
16. März.
9) DieErechlbeisam l7.Münycliioiioder21. April.
10) Die Pandionis am 24*Thargelion oder 27.1/Iai.
Ist nun z. B. vom dritten Tage der sechsten Prytanie
die Rede, so ist dies der 1. Gataielion oder 7. Jantiar
des Jahrs 409 v.Chr.
Wenn, wie es hier angenommen wird, der me-
tonsche Cydus zu Athen im Gebrauch gewesen ist, so
müsssen sich drei in der 99sten Olympiade zu Babylon
angestellte, an attische Monate geknüpfte BeoJbachtungen
von Mondfinsternissen, die wir im Almagest erwähnt
finden , und deren schon obenf (222) gedacht worden,
dtut^h ihn darstellen lassen. Die erste wird unter dem
Aichon Phanostratus in den Poseideon, die zweite un-
ter demselben Archon in den Skirophorion , die drille
unter dem Archon Euändrus in den erstem Poseideon
geseut. Nach den beigefügten Bgyptisehen Datis uihI
Jahren der nabonassariscben Acre ist die erste am Mor-
gen des 23. Decembers 383 , die zweite am Abend des
18. Junius 382, und die drittö in der Nacht vom 12
zum 13. Deoember desselben Jahrs v. Chr. angestellt
^worden. Im Sommer 383 nahtli Öl. 99,2 oder das
zwölfte Jahr des dritten metonschen Cydus den An-
fimg, wo richtig Phanostratus Archon war. Nach Ta-
GaTECHBN. 339
fein verglichen mit Tafel I entspricht der Morgen des
23. Deoembers 383 dem 13. Poseideon und der Abend
des 18« Junius 382 dem 13. Skirophorion« Im Sommer
382 begann OL 99,3 oder das dreizehnte Jahr des drit-
ten metonschen Cydus, wo Euandrus Archon war, und
es findet sich, dafs die Nacht Vom 12 bis zum 13. De-
oember 382 dem 13ten des erstem Poseideon angehört.
Man sieht also, dafs sich alle drei Mondfinsternisse an
den I3ien Tagen der attischen Monate ereignet haben.
Wenn diese mit dem! Himmel vollkommen ubereingje-
stimmt hätten, so würden sie an den 14ten Tagen ha*
ben eintreffen müssen. Man sieht, die Abweichung
betrug, damals schon einen Tag, was der Sache, ajtjucb
ganz angemessen ist (335); diese drei Beobachtungen
fiigen sich mithin sehr gut in unsere Darstellung des
metonschen Cjdus.
Es verdient hier noch der Umstand bemerkt zu
werden, dals der Astronom, der diese chaldäischen
Beobachtungen den Griechen mittheille, sich begnügte,
die Monate der Finsternisse zu nennen, ohne das Da-
tum hinzuzufügen ; denn die Griechen wuisten , dals
sich eine Mondfinstemiis nur in der Mitte des Monats
ereignen könne, wenn anders der Monat, wie er es.
sollte, mit den Phasen übereinstimmle. „Ein Beweis,
,,sagt Geminus ^), dafe die Monatstage richtig nach
,,dem Monde gezahlt werden, ist, dafs die Sonnenfin-.
„stemisse am letzten Tage des Monats, wo die
,,Conjunction erfolgt — vfj rpiaxd^L' rort yoLp avyo^
,,<^£VEi 17 a^Xrivri t(^ t;Xu£) — und die Mondfinsternisse in
,,der Nacht vor der Mitte des Monats — wktI
') Isag. C.6, p.i9 ed. PetaT.
[22*1
340 Technisclie Chtvnohgie.
„T*] 4>spG6ay\ Big iix^iir(viaiv — eintreffen; denn dann steht
„der Mond der Sonne gegenüber und tritt in den Eid-
y,8chatten." Eben so sagt Plutarch in der Scbrift
de facie in orbe lutiae *): ^Zn den Sonnen- und
,, Mondfinsternissen sind drei Körper erforderlich, die
,, Sonne, der Mond und die Erde; die Sonnenfinster-
,,nisse finden Statt bei der Gonjunction — IviTuvc^y — ,
„die Mondfinsternisse h dixorojüitlf," wo offenbar iv &i^
Xdjütijvtif zu lesen ist; denn dtxorc/io^ ist der Mond im
ersten und letzten Viertel '). Es fragt sich aber, welcher
Tag den Griechen für die dtxo|tx7]vta galt? Achilles
Tatius^) und Suidas, die beide in später Zeit leb-
ten, wo kein Mondjahr mehr im Gebrauch war, wol-
len darunter die TrivTBxeuiexaTaCay den fünfzehnten,
yerstanden wissen. Sie hätten Hecht, wenn die Griechen
den Anlang ihres Monats auf die Gonjunction gesetzt
hätten. Wenn ihnen aber die vovfxi^via der Tag nach
der Gonjunction war (279), so konnte die ^ix^fir^^^ nur
der vierzehnte Monatslag sein; daher auch, wie wir
zu seiner Zeit sehen weisen, bei den Verhandlungen
über die Osterfeier in den ersten Jahrhunderten der
Christenheit immer von der quarta decüna Uma^ als
dem Vollmondstage, die Rede ist.
Zu einer fei*nerweitigen Prüfung meines Entwurfs
des metonschen Gydus geben ein paar attische Inschrif-
ten Anlais. Die erste findet sich auf der Uückseite des
choiseulschen Marmors (289) , und betrifll eben so wie
•) C.20. .
') Im Leben des Dion c.23 steht in gleichem Falle richtig
*) Isagoge in Arati Phaen, c.21.
Griechen. 341
die auf der Yorderseite die Finanzen Athens« In ihrer
fragmentarischen Gestalt geht sie zwar nur vom drei«
zehnten bis zum sechs und dreifsigsten Tage der zwei-
ten, diesmahl dem Stamm Erechtheis angehörenden
Prytanie; sie ist aber dennoch für die Zeitrechnung
wichtig, besonders defshalb, weil die Tage der Prytanie
durch gehends mit den entsprechenden Monatstagen des
attischen Jahrs yei^lichen sind. Das Datum des erst-*
genannten Tages ist zum Theil verblichen, kann aber
nur durch dvAarri (p^iyovrog M£Tcty€tTyt(3vo$ eilgänzt werfen.
Die Kritik geht hierbei um so sicherer, da die Inschrift
fotxri^oy, d.i. so geschrieben ist, dafs in den einzelnen
Zeilen genau Buchstabe unter Buchstabe steht. Desto
deutlicher ist die Zusammenstellung des siebzehnten
Tages der Prytanie mit der sx-nj MBrayuTyuvyog (f^ä'iyovTo^i
des zwei und zwanzigsten mit der eyrj koi yia, des drei
und zwanzigsten mit der vcn^/utTjvut Bori^poiuwvoq, des vier
und zwanzigsten mit der davripoL und des sechs und
draifsigsten mit der rsTpoig Im dixct Bo^j^/jojlucövo^. Aus
diesem Fragment läfst sich dreierlei schliefsen : 1) das
Jahr, auf welches sich die Inschrift bezieht, >Car ein
Schaltjahr; denn da der erste Tag der :2weiten Pry-
tanie dem 9. Metageitnion entsprochen haben muls, so
. hat die erste Pi'yfanie mehr als 36 Tage gezählt. Wie
es in den Schaltjahren mit den Prytanien gehalten
wurde, sagt uns zwar niemand; da aber diese Jahre
dreifsig Tage mehr hatten, als die Gemeinjahre, so wird
jede Prytanie in denselben ohne Zweifel drei Tage mehr
als im Gemeinjahr gezählt , also aus 38 oder 39 Tagen
bestanden haben. Legen wii* nun dem Hekatombäon'
nur 29 Tage bei, so erhalten wir für die erste Prytanie
342 Technische Chronologie.
nicht mebr als 37 Tage. Es mufs mithin 2) der He-
katomhäon diei&ig Tage gehabt haben. 3) Auch der
Metageitnion hat wegen der i&iinri ^ärlvorco^ dreilsig Tage
gehalten. Wir haben demnach die Inschrift in ein
Schaltjahr m setzen, das mit zwei vollen Monaten an-
fing. Ein solches ist nach meinem Entwurf Ol. 92,4,
das fünfte des zweiten metonschen Cydus, das gleich auf
das Jahr der Hauptinschrift folgt (289), und HrBöckh
findet ^), dals dieser Annahme nichts widerspricht.
Die zweite Inschrift findet sich bei Ghandler ').
Sie fibigt also. an: 'E^i Ktxo^wpev apxovro^ hA tt}; Kcxpo-
'Trdog tcTYjg TFpvrayslagy TaixrjkifSvog lydsxarfiy im) kcll tixo^
n^g npirranloL;. Hier wird also der 26ste Tag der sech-
sten Prjtanie mit dem ll.Gamelion verglichen, und
«war Ol. 116,3, wo Nicodorus Archon war. Es ist
sogleich klar, dats auch dieses Jahr ein Schaltjahr ge-
wesen sein müsse, weil sonst der 26ste Tag der sechsten
Prytanle einem viel firühem Tage des attischen Jahrs
entsprochen haben würde, und wirklich war Ol. 116,3
oder* das fünfte Jahr des siebenten metonschen Cyclus
nach meinem Entwurf ein solches. Da nun dieses Jahr
mit zwei vollen Monaten anfangt, so würde man, wenn
man den fünf ersten Prytanien nur 38 Tage beilegte,
mit dem 26sten Tage der sechsten nur bis zum 9. 6a-
melion gelangen. Es ist mithin klar, dals unter den
fünf ersten Prytanien zwei 39 Tage gehalten haben.
Ob damals das Loos eben so über die Dau^ der Piy-
*) Inscript, Grflccae Vol. I,P.n, no.i48, wo diese Inschrift
mitgetheilt and erläutert ist.
*) Inscript. oM. P. H, no. 11, p. 50.
Griechen. 343
tarnen, wie über ihre Ordnung, entschied, oder ob,
wie Hr. Böckh glaubt ') , im Schaltjahr den acht er-
sten Pryta^ien abwechselnd 38 und 39 Tage beigelq;t
wurden, sei dahingestellt.
Nach Wiederherstellung der Democratie durch
Demetrius, den Sohn des Antigonus, 01.118,2,
kamen zu den zehn Stämmen noch zwei, Antigoni«
nnd Demetrias, nachmals Attalis und Ptolemais
genannt'), -und nun blieb jeder, wenigstens im Gemein«
jakr> einen Monat am Ruder ^). Auf die neue Einrieb-
tung geht ein elginscher Marmor, der den elften Tag
der elften Prytanie mit dem elften Tfaai^ion zusamr
menstellt ^). Wie der Schaltmonat unter die zwölf
Prytanien yertheilt wurde, findet sich meines Wissens
niigends gesagt.
Ich habe in der zweiten Tafel die metonsche
Zeitrechnimg durch anderthalb hundert Jahr fortge-
führt, um auf jeden Fall den Zeitraum zu erschöpfen,
durch den sie ohne Rectification gebraucht sein kann.
Yermuthlich ist aber eine solche schon früher einge-
treten.
') InscripL Graecae Yol. I, P. 11, no. 105, wo diese Inschrift
^iederhohlt und erklärt ist.
») Poiiux vm, 9, iiO.
') ^"Efittl ^J^txa lykvQVTOy Wpf ^uXi) pijv^c «puraKs/aif 1;^«. Ib. 145.
Auch im Etymologicum magnum heifst es : npvtouftU dpiBiiog ^fiu
pwv'Tpiaxovra, wenn nicht vielleicht, was ein folgender Ai^dL
(ffpvreeyic) wahrscheinlich macht, TpiaxoVra trsrrs zu lesen und dies
'ünf die ältere Einrichtung zu zidieiiist.
*) Inscriptiones Graecae Yol. I, P. 11, no. 1 1 1 . Auch no. 112,
H3 und 124 sin^ zu rergleichen.
344 Technisclie Chronologie.
Callippus fand, wie Geminns sagt, dstls
Meton das Sonnen jähr um -^Täg zu lang angenom-
men habe (299)« Er stellte demnach eine sechs und
siebzigjährige Periode — hwcuißdofxriKovTatrrjpi^ —
auf, die sich blols dadurch von dem yiermahl genom-
menen metonschen Cyclus unterschied, dafs er sie um'
einen Tag kürzer setzte. Er gab ihr nämlich eine Dauer
von 27759 Tagen , wodurch er sie' nicht blofs mit der
Sonne, sondern auch mit dem Monde in bessere Ueber-
einstimmung brachte; denn dividirt man 27759 Tage
durch die inzwischen eintreffenden 940 Mondwechsel,
so erhält man für den synodischen Monat 29 T. 12 St.
44' 254"» °"*^ 22" zu viel, dahingegen der aus dem
metonschen Cyclus gefolgerte um 1' 54" zu lang ist.
Die Dauer des zum Grunde liegenden Sonnenjahrs ist
wieder die bei der Oclaeteris im Gebrauch gewesene
zu 366 i Tagen (294).
Callippus hatte aber den metonschen Kanon
nicht blofs zu verbessern , sondern ihn auch zugleich
aufs neue mit den Monderscheinungen in Ueberein-
stimmung zu bringen.
Wir finden im Almagest eine ganze Reihe astro-
nomischer Beobachtungen von Timocharis, Hipparch
und einem Ungenannten, die an Jahre der dm ersten
callippischen Perioden geknüpft sind. Die meisten ge-
ben zum ersten Jahr der ersten Periode Ol. 112,3, oder
das Jahr 330 v.Chr. Nur ein paar scheinen ein anderes
JEpochenjahr anzudeuten. Im vierten Buch des Alma-
gie>st *) werden di^i ^u' AJe;(andi*ien beobaditete Mond-
finstemisse angeführt* Die erste ereignete sich neck
') c. 10, p.279 ff.
Griechen. 345
dem basler Text im Jahr 52 der zweiten Periodcfv 'wo-
für aber alle drei noch vorhandene, von Hm. Halma
verglichene, Handschriften richtig 54 lesen. I)ie zweite
wurde im 5$sten Jahr der zweiten Periode oder 200
V. Chr. in der Nacht vom 19 zum 20. März, und
die dritte in demsel})en 55sten Jahr und in demselben
V.Chr. in der Nacht vom 11 zum 12, September be-
obachtet. Hier gibt nun die zweite Finsternifs das
Jahr 331 v. Chr. zum Epochenjahr der callippischen
Periode. Es mufs aber ohne Zweifel rtS yd' et« statt
r^ vs' ET«, oder das 54ste Jahr statt des 55sten, gelesen
werden, wie schon der Umstand beweiset, dafs zwei Fin-
sternisse, von denen sich die erste im März und die
andere im September ereignete, nicht auf ein und das-
selbe callippische Jahr treffen konnten. Die Jahre
der callippischen Periode nahmen nämlich eben so wie
die der metonschen um die Sommerwende ihren An^
fang ; denn Ptolemäus erwähnt ^ ) die Beobach tung
einer Sommerwende, die Aristarch am Ende des
SOsten Jahrs — t(J) v' trei Xtf/onL— der ersten Periode
angestellt hat. Wenn es bei der dritten Finsternifs
beifst: in demselben 55sten Jahr — t(^ aurep^ ve'
ET« — so ist das aiJTcj) gewifs der Zusatz eines Abschrei-
bers, der schon bei der zweiten die unrichtige Zahl ve'
fand. Im fünften Buch*), w6 eine Mondbeobachtung
des Hipparch ei'wähnt wiixl, lieset der basler Text
Tc^ v'mi, wofür Hr. Halma, wie es scheint ohne Au-
torität, T(ü vß^ ETEt gesetzt hat. ,Es mufs aber ohne Zwei-
fel To) ya^lrtL heifsen. Alle übrige an callippische Pe-
*) Afinagest JU, 2, p.i63.
') C.3, p.295.
346 Technische Chronologe.
rioden gereihte BeobacHtiingen geben zum Epodienjahr
der ersten Periode richtig 330 v.Chr.
Soll der Epochen tag der ersten Periode bestimmt
werden, so ist die Frage, auf welchen Tag um die Ge-
gend der Sommerwende des Jahrs 330 Gallippus den
Anfang des Hekatombaon gesetzt habe. Es Isist ^h
wol nicht bezweifeln, dafs er den Abend des 28. Junios
gewählt habe, weil sich nuif unter dieser Yoraussetzung
vier durch Dalk seiner Periode bestimmte Beobachtun-
gen im Almagest in sie fügen, wie ich unten zeigen
werde. Die wahre Conjunction erfolgte zwar an diesem
Tage um 3U. 34'Morg. m. Z. , also nur etwas über
einen halben Tag vor Anfang der yov/iijyia, so dals die
Mondsichel noch nicht in der Abenddämmerung sicht-
bar sein konnte. Allein so wie er an die Stelle der
scheinbaren Auf- und Unteifjange der Sterne, die
seine Yo]^;änger in ihren Parapegmen zu bemerken
pflegten, die wahren oder die eigentlichen G>njuno-
tionen und Oppositionen gesetzt hat, wie die Berech-
nung der von Geminus nach ihm angegebenen Fix-
fitemerscheinungen lehrt ^), so scheint er aucli bei der
Anknüpfung seiner Periode an den Himmel mehr die
Conjunctionen des Mondes als die ersten Phasen berück-
') Wer diese Erscheinungen nicht hlofs fiir Signale der Wit-
terung, sondern zugleich für ihre Ursache ansah, ein Wahn,
in den man bald gerieth (315), mufste natürlich die Conjunctio-
nen und Oppositionen, zu denen die Sterne bei ihren wahren
Auf- und Untergängen mit der Sonne gelangen, für wirksamer
halten , als die nahen Zusammenkünfte und Gagenscheine bei den
scheinbaren, und daher lieber jene als diese in den Kalender
bringen wollen, zumal da die unmittelbare Beobachtung des Him-
mels durch die geordnete Zeitrechnung allmälig überflüssig ge-
macht wurde.
Gribghbn. 347
sichUgt zu haben. Für den 28. Junins erklärt sich
auch Scaliger; Petayius dagegen füir den 29sten,
und Dod-well gar fiir den I.Julius. Letzteres Da^
tum ist aher durchaus mcht zulässig, weil es sonst der
Yerbesserong des Gallippus gar nicht bedurft hätte;
denn der verschobene metonsche Kanon gibt für den
l.Hekatombäon des Jahrs 330 v.Chr. , des achten im
sechsten Gyclus, dasselbe Datum« Erwägt man, dals
Gallippus richtiger den 29. Junius als den 28sten
zur Epoche seiner Periode gemacht haben würde, so
sieht man, dafs der metonsche Gydus sich eigentlich
erst um zwei Tage verschoben hatte ').
In den Grundsätzen, nach denen Meton seinen
Kanon construirt hatte, scheint Gallippus nichts ge-
ändert zu haben ; wenigstens versichert 6 e m i n u s
von den Schaltmonaten: „Er behielt die Ahord-
*) Plutarch berichtet (vita Alex. c.3i^, dafs sich in der
elften Nacht vor der Schlacht bei Arbela eine Mondfinstemifs
ereignet habe. Nun finden wir , dafs im Jahr 331 y. Chr. ,
01.112,2^ wo die Schlacht Toi*fiel, in der Nacht yom 20 zum
21. September eine Mondfinstemifs eingetroffen ist. Dies kann
keine andere sein, als die von ihm erwähnte. Das Datum dei*
Schlacht ist. also hiemach mit grofser Sicherheit der I.Oktober
331 T.Chr. Nach einer andern Stelle (^ita CamiUi cid) hat
die Schlacht am 5. Boedromion vom Ende Statt gefunden. Nach
dem melonschen Cydus entsprach der I.Oktober 01.112,2 dem
7. Boedromion vom Ende. Man scheint also das Datum nach
dem Himmel rectificii^t zu haben, was im gegenwärtigen Falle
sehr leicht war , da man nur von jener Finstenufs ausgehen
durfle. Arrian (Exp. Alex, m, iS) setzt übrigens die Schlacht
einen Monat später in- den Pyanepsion, vermuthlich • in Folge ei-
nes von ihm oder einem frühem Geschichtschreiber bei der Re-
duction des macedonischen Datums auf den attischen Kalender
begangenen fehlers.
348 Technische Chronologie^
,,nttng derselben bei" — rf) raget rufy IjußoX/jüict'y ofiöKc>$
iXpricruTo. Es fragt sich aber, ob dies heifsen solle: er
machte in den vier neunzehnjährigen Cykeln, aus de-
nen er seine sechs und siebzigjährige Periode bildete,
dieselben Jahre zu Schaltjahren, die Meton dazu ge-
wählt hatte, das dritte, fünfte, achte u.s.w. , oder er
ordnete in seiner Periode die Schaltjahre so^ wie sie
die metonsche gegeben haben würde, wenn er dieselbe
nicht unterbrochen hätte, so dafs gleich sein erstes
Jahr ein Schaltjahr wurde. Letztere Erklärung nimmt
Petavius an, um die gedachten Tier Zeilbesüm-
mungen beim Ptolemäus in seinen Entwurf des
ealiippischen Kanons zu zwängen, bei dem er seine
oben (330) als unrichtig verwoi*fcne Folge der Schalt-
jahre zum Grunde legt. Ich zweifele aber nicht, dafs
die erste Erklärung die richtige ist, nicht blofs, weil
sich diese Zeilbestimmungen bei der von mir angenom-
menen Anoi^dnung der Schaltjahre bequem in den Ka-
non fügen, sondern weil sich auch Geminus sonst
gewifs anders ausgedmckt haben wüixle.
Wird nun erst das dritte Jahr der ealiippischen
Periode ein Schaltjahr, so schix^itet sein Anfang bis zum
6. Junius vor, also bis auf dt*ei Wochen vor der Sommer-
wende, und die Jahre der 76jährigen Periode fangen
häuGger vor als nach diesem Zeitpunkt an. Hieria
ist nichts Befi-emdendes. Setzt doch Theophrast, der
nach der ealiippischen Epoche schrieb, den Hekatom-
bäon V7P0 Tau; rpontL; (292) , was nichts anders heifsen
kann, als dafs sich die Sommerwende gewöhnlich in
ihm ereignete.
In den ersten neunzehn Jahren stimmt nach mei-
ner Ansicht der callippische Kanon ganx mit dem me-
Grieghbn. 349
tonschen ubereiii. Um ihn für die übrigen Jahi<e zu
entwerfen, habe ich die beim metonschen befolgte Re-
gel durch alle 76 Jahre folgerichüg durchgeführt. So
ist die dritte Tafel. entstanden.
Im metouschen Cydiis ändern sich die julianischen
Data, mit denen die attischen Monate iliren Anfang
nehmen, allmälig (335) • In der callippischen Periode
dagegen, die der jiüianischen Schaltperiode commensu-
rabel ist , kehren einerlei Data immer Avieder. Die
vierte Tafel, welche den callippischen Kanon mit
dem julianischen Kalender vergleicht, bleibt daher für
alle Perioden unvierändert.
Um ein an irgend ein Jahr der ersten callip-
pischen Periode geknüpftes Datum auf unsea*e Zeiti'ech*
nung zu reduciren, mufs man dieses Jahr von 331 ab*
ziehen, wo dann der Rest das Jahr v. Chr. anzeigt, in
welchem das callippische seinen Anfang nimmt« Dann
sucht man, von dem in der vierten Tafel angegebenen
Datum des 1. Hekatombäon ausgehend, mit Hülfe der
ersten und dritten die Data, mit denen die übrigen
Monate anfangen, bis zu dem in Rede stehenden, >yo
sich dann das julianische Datum ergibt, dem das vorr
gelegte attische entspricht. Auf diese Weise findet sich,
da(s der Morgen des 25. Poseideon im 36slen Jahr, der
Abend des 15. Elaphebolion in demselben Jahr, der
Abend des 8. Antheslerion im 47slen Jahr und der
Morgen des 6. Mämakterion vom Ende im 48sten Jahr
der ersten callippischen Periode, wo Timocharis vier
FiiLSternbedeckungen zu Alexandria beobachtet bat ^},
dem 21.December 295, dem 9. März 294, dem 29, Ja-
*) Almagest Vn, 3, S.21, 23, 24, 26.
360 Technische Chromioffe.
nuar 283 und dem 9« November 283 v. Chr. angehoieii«
Eben diese DaU gibt die Bfiduction der vom Ptolemaus
beigeseUten ägyptisdieii Monatstage, ao dais sich diese
vier Beobechtungen vollkommen in meinen Entwurf
des- callippischen Kanons, und in die Art und Weise
fügen, wie ich ihn an den julianischen Kalender ge-
knüpft habe« Bei der lelziern Beobachtung habe ich
aber den Pyanepsion des Almagest mit dem Mä-
makterion vertauscht, weil ich mich überzeugt halte,
dafs der Pyanepsion zu keiner Zeit der fünfte attische
Monat gewesen ist, der allein gemeint sein kann (218).
Um Jahre der zweiten, dritten oder einer noch
spätem caUippischen Periode auf unsere Zeitrechnimg
zu reduciren, muluplidre man die Zahl der verflosse-
nen Perioden mit 76, addire zum Product das Jahr
der laufenden und ziehe die Summe von 331 ab. So
hat das 32ste Jahr der dritten Periode, wo Hipparch
die Friihlingsnachtgleiche zu Alezandria beobachtet hat ^),
im Sommer 147 V.Chr. angefangen, so dais die BeoJbh
achtung im Frühling 146 angestellt woiden ist. Das
attische Datum derselben ist nicht angegeben, so wie
sich überhaupt nirgends ein attisches an die zweite oder
eine spätere callippische Periode geknüpftes Datum er-
wähnt findet.
Diese Periode wurde also von den griechischen Astto-
nomen gebraucht. Es fragt sich aber, ob sie auch in
den bürgerlichen Gebrauch gekommen imd gleich in
ihrem ersten Jahr an die Stelle des metonschen Gydus
getreten ist. D o d w e 1 1 halt sich hiervon überzeugt.
Man kann zwar dagegen erinnern, dafs Call ippus,
') Almagest m, 2, p.l54.
Griechbit. 361
i aus Cyncas gebürtig, seine astroiioinischen Beobaclitiiii*
i gen nach einer am Schluis des ptolemäischen Kalenders
befindlichen Notia am Hellespont gemacht hat (yer-
muthlich in* seiner Vaterstadt, die eigentlich an der
Fropontis lag)r also als ein fremder Privatmann zu
Athen nicht Einflofs genug gehabt haben könne, seiner
Verbesserung des metonschen Gydüs ■ gesetzliche Kraft
zu yerschaflen. Er stand aber nach Simplieius ^)
mil Aristoteles in Utterarischem Verkehr undvervoll-
kommnete gemeinschaftlich mit ihm die Erfindungen
des Eudoxus. Da nun der metonsche Cyclus im Jahr
330 v.Chr. bereits um zwei Tage vom Himmel abwidi,
den Athenerii also eine Verbesserung desselben Willkomm
men sein mufste, so haben sie höchst wahrscheinlich
seine Periode angenommen, wenn auch nicht gleich in
ihr«m ersten Jahr. Hätten sie die metonsche Zeitrech-
nung ohne Aenderung beibehalten, so würde dieselbe
bis auf Diodor bedeutend vom Himmel abgewichen
sein, und dieser Schriftsteller hätte ihr unmöglich ein
solches Lob ertheUen können, vrie er ihr beigelegt
hat (316). Es läfst sich daher wol nicht bezweifeln^
dafs die callippische Periode zu Athen gebraucht worden
ist. Dafs es indessen nicht gleich von ihrem erst^i
Jahr an geschehen sein könne , zeigt die Inschrift aus
OL 116,3, von der oben (342) die Rede gewesen ist.
Vermuthlich war Ol. 118,3, wo die wesentliche Aende-
rung mit der bürgerlichen Zeitrechnung vor sich ging,
dafs nach Prytanien und Monaten datiren eins war (343),
der Zeitpunkt, da die Athener durch Annahme der cal-
') In Ubi\ 11 de Caelo p. 120; «. ;
352 Technische Chronologie.
lippkcben Periode ihre Monate wieder mit dem Hun-
mal in Uebereinstimmung brachten.
Eine neue Yerbesserong erfahr der metonsche Cy-
dos durch den etwa 200 Jahr nach Gallippus leben-
den grofsen Astronomen Hipparch. Dieser £md durch
Zusammenstellung der von ihm beobachteten Sonnen-
wenden mit den frühern des Aristarch und den noch
frühern des Metön undEuctemon, daß Gallippus
das tropische Jahr noch zu lang angenommen habe,
und zwar, wie er glaubte , um ^Tag. Nach seiner
Bestimmung hielt es also 365 Tage 5 St. SS' 12". Er
hat nun vermuthlich in seiner verloren gegangenen
Schrift ntpi ifxßokifM^ fiTiväv rs mu i^fispSvf über die ein-
geschalteten Monate und Tage, worin er nach
PtolemäUs ^) jene Wahi^nehmung niedei*gelegt halte,
eine neue aus vier 76jährigen Perioden weniger einen
Tag, oder aus 111035 Tagen bestehende Periode in
Vorschlag gebracht, als eine solche, die mit den Be-
wegungen der Sonne und des Mondes noch genauer
übereinstimmte, als die callippische ; und wirklich ge-
ben 111035 Tage duix;h 304 Jahi« und 3760 Mondwech-
sel dividirt zur Dauer des lix>pischen Jahrs 365 Tage 5 St.
55' 15^, und zur miltlei^n Dauer des synodischen Mo-
nats 29T. 12St. 44' 2J", fast eben das, was er durch
unmittelbare Beobachtung gefunden. Censorinus
•nennt diese Periode von 304 Jahi^n annum Hipparchi
(301), und bemerkt ganz richtig, dais. sie 112 Schalt-
monate hielt. Gemiaus, der später als Hipparch
gelebt hat (er citirt ihn), setzt das tropische Jahr mit
*) Almagcat DI, 2, pJ63 ff.
Gribchbn« 363
Callippus auf 365|- Tage, ohne über die Genauigkeit
dieser Angabe die mindeste Bedenklicbkeit am äufsem,
und sagt von der callippischen Periode, sie scheine un-
ter allen am vollkommensten mit dem Himmel überein-
zustimmen (300) . Hipparch's Verbesserung dei*selben
mufs also wenig oder gar nicht in Umlauf gekommen
sein. Dafs diese Periode übrigens nicht bis auf die spä-
tei*n Zeiten unverändert beibehalten sein könne, lehrt
eine Inschrift aus Ol. 208,1, n.Chr. 53, die Hr. Böckh
in seinem' Corpus Inscriptionum no. 267 herau^eben
wird, nach welcher dieses Jahr, das nach Callippus
ein Schaltjahr sein sollte, ein Gemeinjahr ist. Bei der
julianischen Reform wurde das bei der Octaeteris und
callippischen Periode zum Giiinde liegende Jahr von
365|-Tagen, wahrscheinlich der gleichförmigem Einschal-
tung wegen, beibehalten, obgleich dem dabei zu Rathe
gezogenen aleiandrinischen Mathematiker Sosigenes
Hippai*ch's genauere Bestimmung unmöglich unbekannt
sein konnte, lieber das Epochenjahr der hipparchischen
Periode würde sich, auch wenn die Kunde davon wich-
tig wäre, nichts auch nur mit einiger Wahrscheinlich-
keit festsetzen lassen.
Wie oben (314) gezeigt worden, knüpfte Meton
an seinen Cydus einen Kalender. Dasselbe haben
auch Callippus und Hipparch mit ihren Perioden
gethan. Es war aber gerade nicht noth wendig, dafs
jener seinen Kalender auf alle 76 , und dieser gar auf
alle 304 Jahre seiner Periode stellte. Für beide reichte
ein neunzehnjähriger Kalender hin, den Callippus
nur mit der Bemerkung, dafs einer der letzten Monate
bei der jedesmaligen vierten Wiederhohlung des neun-
zehnjährigen Cydus um einen Tag zu verkürzen sei,
I. [23]
364 Technische Chronologie.
und Hipparch mit der, dals aufserdem noch bei der
sechzehnten Wiederhohlung ein Tag weggelassen wei^
den müsse, zu begleiten hatte. Für beide hatte also
der metonsche Kalender unverändert bleiben können.
Callippus mufs ihn aber, wie die Binichstücke aas
seinem Parapegma beim Gern in us zeigen, seinen An-
sichten und Beobachtungen gemäfs verändert haben. Er
setzte an die Stelle der scheinbaren Auf- und Un-
tergänge die wahren, die ein Gegenstand blofser Be-
rechnung sind (346), eine Neuerung, die jedoch im
Alterthum wenig Beifall gefunden zu haben schein t;
denn es wai^n nach Columella (322) voi*nehm]icIi
Meton's und Eudoxus' Parapegmen, die sich in
Ansehen erhielten.
Das letztei^ ist vermuthlich auf die Octaeteris ge-
gründet gewesen , über die Eudoxus geschrieben
hat (304). Plinius, von den Winden redend, sagt*):
Onmium qaidem redire easdem *vicc$ quadiiennio ea:-
acto Eudoxits putat, non vcntoruni modo, "verum et
reliquarum tempeslatum magna ex parte. Eudoxus
nahm also «einen vierjährigen Kreislauf der Wit-
terung an. Yielleiclit umfafste sein Kalender auch nur
einen vierjährigen Zeitraum, in welchem Falle man
aber annehmen mufs, dafs er ihn, ohne Rücksiclit auf
die Mondwechsel, blofs an das Sonnenjabr geknüpft
. hatte; denn eine vieqährige Ausgleichung des Sonnen-
und Mondlaufs -findet nicht Sutt. Die Worte, die
Plinius hinzusetzt: Et est principium lustri eius sem-
per intercalari anno caniculae ortu, können keinen an-
dern Sinn haben als: ,, Seine vierjährige Periode
•) H. N. n, 48.
Gbiechen. 365
{lustrum kommt öfters In diesem Sinne vor) ,,nahm mit
,,dem Frühaufgange des Hundssterns *) ihren Anfang,
,,und zwar allemahl in einem römischen Schalljahr."
Sie mufste mithin aus vier julianischen Jahren bestehen,
die er auf eine ähnliche Weise, wie späterhin Cäsar,
geordnet zu haben scheint, daher auch Lucanus den
Römer seinen Kalender mit dem des Griechen ver-
gleichen lassen konnte:
iVec mens Eudoxl vincelur J'astlbus annus ').
Die Kenntnisse, die er dabei benutzte, verdankte er
ohne Zweifel seinem Umgänge mit den ägyptischen
Priestern (177), wie schon der Vorzug beweiset, den er
bei Bestimmung des Jahranfangs dem Frühaufgange des
Sirius einräumte. Die Monate mufs er, im FaU sie
wirklich nach der Sonne abgemessen waren, nach den
Zeichen der Ekliptik benannt haben , da es seiner
Sprache an eigenen Namen für die Monatä eines Son-
nenjahrs fehlte. War im Parapegma die Zahl der Tage
bemerkt, welche die Sonne in jedem Zeichen zubringt,
so durfte man nur durch eigene Ansicht des Himmels
den Tag ii^end eines darin bemerkten Auf- oder Un-
terganges auszumitteln suchen, um durch Weiterzählen
ohne alle fernere Beobachtung zu jeder andern Epoche
zu gelangen.
Sein Kalender 'würde nicht der einzige gewesen
sein, der eine solche Einrichtung hatte. Denn da in
^) Nach den Fixsternerscheinungen des Ptolemfiut
setzte er diesen und zugleich den Anfang der Ini^a unter dem
Parallel von 14^ Stunden, d i. unter. der Polhöhe seiner Yaler-
sladt Cnidus, auf einen Tag des Sonnen jahrs, der dem nachma-
ligen 5. Mesori der Alexandrina* oder 29. Julius entsprach.
') Phars, X, 187.
366 Technische Chronologie.
Griechenland nicht überall einerlei Monatsnamen, Jahr-
anfänge und Schaltmethoden gebräuchlich Tiraren, so
kamen die griechischen Astronomen bald auf den Ge-
danken, ihre Parapegmen unmittelbar an den Sonnen-
lauf zu reihen. Wir finden im Almagest^) sieben
yermuthlich zu Aleiandria angestellte Beobachtungen
des Merkur, Mars und Jupiter aus dem Zeitraum von
272 bis 241 v.Chr., welche an eine eigen thümjiche
Acre und an die Monate Tauron, Didymon, Leon-
ton, Parthenon, Skorpion, Aigon und Hydro n.
geknüpft sind. Diese Namen sind, wie man siebt, aus
denen der Zeichen der Ekliptik gebildet. Die fünf noch
fehlenden müssen Krion,Karkinon, Chelon,Toxon
Ichthyon gelautet haben. Hier sind alle zwölf Namen,
wie sie griechisch geschrieben wurden, nach der Folge
der Zeichen: Kptouv, Tavpwvy Ai^vjiujyy Kapxivwvy Asgv-
Twy, HofS'sywv, Xrjkwv oder Zvywv^ XKopiciwVy Tc^tiv^ Ai-
yu)v, 'Tipwvy 'Ix^v. Ptolemäus fugt jedesmahl,
wenn er einen solchen Monat nennt, yard Aio>wiov,
nach Dionysius, hinzu, woraus erhellet, dafs diese
Zeitrechnung einen Dionysius ziim Urheber baue,
von dem wir aber nichts Näheres wissen. Auch von
der Zeitrechnung sind wir nur sehr unvollkommen un-
terrichtet. Nur so viel lehrt die Vergleichung der
sieben von Ptolemäus angeführten Data mit den
beigelugten ägyptischen, dafs sie auf einer sehr unvoll-
kommenen Theorie des Sonnenlau& beruhen mufste.
Die Epoche der ihr zum Grunde li^enden Aere ist der
Sonuner des Jahrs 285 v.Chr. Da nun mit dem 2. No-
«) l.IX,c.7,p.l68, 169, 170; c.l0.p.l87; l.X, c.9, p.236;
l.XI,c.3, p.263.
GniEGHBir. 367
. vember desselben das 40ste Jahr der philippischen Aere
beginnt, das der astronomische Kanon znm ersten des
PtolemäusPhiladelphus macht (113), soistUsher's Mei-
nung ^) nicht ganz unwahrscheinlich, dafs Dionysius
durch £infühi*ung einer neuen Jahn^eehnung das An-
denken an den Entschlufs des Ptolemäus Lagi, zu Gunsten
seines Sohns in den Privatstand zurückzutreten, auf die
Nachwelt habe bringen wollen'). In meinen histo-
rischen Untersuchungen über die astrono-
mischen Beobachtungen der Alten habe ich die-
ser Zeitrechnung einen eigenen Abschnitt gewidmet^),
auf den ich Inich hier um so eher beziehen kann, da
sie siph aufser dem Almagest nirgends weiter erwähnt
und gebraucht findet.
Von den vielen Kalendern der Griechen sind
nur zwei auf uns gekommen. Der eine, zusammenge-
tragen aus den Parapegmen des Meton, Euctemon,
Eudoxus, Democritus, Dositheus und Callippus,
*) Annales veteris et novi Testamenti beim Jahr 285 v.Chi'.
^) Von dieser Entsagung reden Pausanias 1. 1, c.6, Luci&n
in Macrobiis c. 42, und am bestimmtesten Eusebius Chronicon
ed. Yeneta Tom. I, p. 237. Hier heifst es, Ptolemäus Lagi babe
siebzehn Jahr als Statthalter und drei und zwanzig Jahr als Kö-
nig, zusammen viei^zig Jahr in Aegypten regiert, Ton welchen
man ihm aber nur acht und dreifsig beilege, da er zwei Jahre yor
seinem Tode die Regierung seinem Sohn Philadelphus überge-
ben. Da er seine Statthalterschaft erst ein Jahi' nach Alexander^s
Tode angeti'cten hatte, wie das Chronicon zugleich belichtet,
so sieht man, dafs seine Regierung bis zum Anfange des vierzig
sten Jahrs der philippischen Aere gei^ßchnet wird, und dafs Eu-
sebius in diesem Punkt mit dem asti'onomischen Kanon über-
einstimmt , wenn ei* ihm gleich als König drei Jahr mehr beilegt.
') S.260ff.
368 Technische Chronologie.
macht Am letzte Kapitel von des Geminus Eiulei-
tung zum Arattts aus, einem schätzbaren Lehrbucli
der Rosmographie aus dem ersten Jahrhundert v.Chr.
Die Nachlgleichen, Sonnenwenden und Fiistemersdiei-
nungen, mit einigen Witlerungsanzeigen begleitet, sind
hier an die Tage gereiht, welche die Sonne in den yer-
achiedenen Zeichen der Ekliptik zubringt, deren Namen
geradezu die Stelle der Monate vertreten. Diese Tafel
ist sehr schätzbar, weil wir ohne sie von den Beobacli-
tungen jener Männer fast gar nichts wissen würden.
Um eine Idee von ihrer Anordnung zu geben, will ich
hier ihren Anfang hei*seUen:
Den Krebs durchläuft die Sonne in 31 Tagen.
Am ersten Tage fängt nach Callippus der Krebs
an aufzugehen. Sommerwende. Ein meteorolo-
gisch wichtiger Tag (soistdas WortETi^n^/ucum zu
übersetzen. S. oben 31 5).
Am 9tcn weht nach Eudoxus Stidwind.
Am Uten Fruhaufgang des Orion nach Eudoxas.
Am 13len geht Orion nach Euctemon völlig auf.
Am 16ten fängt nach Dositheus die Krone an, in
der Morgendämmerung unterzugehen.
Am 23sten erscheint nach Dositheus der Hunds-
stern in Aegjpten.
Am 25sten Frühaufgang dieses Stei*ns nach Meton
u. s.w.
Noch bemerke ich, dafs die Zahl der Tage, die Geminus
der Sonne in den einzelnen Zeichen gibt, nachHipparch's*
Theorie des Sonnenlaufs bestimmt ist (9 1 ) .
Von ganz anderer Einrichtung ist der zweite von
den Griechen auf uns gekommene ILalender, welcher
den Titel ^ijii^ aTekoLydov dg-ipwv xal avvayuxyij IfFuniiiamwv^
Griechen« 359
Erscheinungen der Fixsterne und Zusammen-
stellung der Wllterungsanzeigen, führt. In
ihm hat sein Verfasser Ptolemäus die Auf* und Un-
tergänge der au5gezeichnetsien Steine nicht nach den
zum Theil unsichero Beobachtungen früherer Astrono-
men, sondern nach eigenen Berechnungen für die fünf
Parallelen, unter denen der längste Tag 13|-, 14, 14J-,
15 und 15^ Stunden dauert, angesetzt. Der erste geht
durch Syene in Oberägypten, der zweite durch Nieder-
ägypteu, der dritte dui^ch Rhodus, der vierte durah den
Hellespont, der fünfte mitten durch den Pontus, An
die Erscheinungen der Fixsterne knüpft er die Wechsel
der Witterung, die er nach Meton, Euctemon,
Democritus, Eudoxus, Philippus, Callippus,
Conon, Dositheus, Hipparchus, Metrodorus,
Cäsar und den Aegyptern ansetzt. Er bedient sich
dabei des alexandrinischen Jahrs (149), und fängt mit
denm 1. Thoth oder 29. August an, dahingegen seine
Vorgäoger von der Sommerwende auszugehen pflegten.
Beide Kalender, die des Geminus und Ptolemäus,
finden sich im Uranologium des Petavius. Zu
dem ptolemäischen hat Fabricius im dritten Bande
seiner BiblioHieca Graeca (nach der alten Ausgabe) ei-
nen bedeutenden fiachtrag geliefert. Ich habe von
diesem Kalender in einer oben (56) erwähnten akade-
mischen Vorlesung ausführlich gehandelt.
Erst mit dem Uebergange zur christlichen Religion
scheinen die Griechen das julianische Jahr und zu-
gleich den julianischen Kalender angenommen zu ha-
ben. Do d well glaubt^), dafs die attischen Monate
*) De tyclis n, 21.
360 Technisclie Chronologie.
6chon um die Epoche der christlichen Aere denX^faa-
rakter von Sonnenmonaten erhalten hatten , woge-
gen aber C o r s i n i sehr gegründete Erinnerungen
macht ^). Die S^telle des Plinius, wo er von den
360 dem Demetrius Phalereus zu Athen errichteten
Statuen spricht (259), mit dem Zusatz: nondum anno
hunc numerum dierum excedentCy in welchem Dod well
eine Anspielung auf das julianische Jahr zu hemerkea
glaubt, wird man gegen die Zeugnisse der später le«
benden Schriftsteller, eines Plutarch, Pollux u.a.m.
nicht in Anschlag bringen wollen , besonders nicht ge-
gen die bald nach Hadrian zu setzende Inschrift, in
der des Schaltmonats gedacht wird (275). Der Scho-
liast des Aratus, (lir den man gewöhnlich den im
vierten Jahrhundert lebenden Theon den inngem
hält, sagt'): ,, Dieser Mondmonat diente zur Anord-
,,nung der bürgerlichen 2jeit, und noch jetzt gebrauchen
,,ihn viele Griechen — xctl wv m yj&vrax TFokkol rwv
Mit der Annahme des julianischen Kalenders scheint
auch der Hekatombäon aus der Gegend der Sommer-
wende in die der Herbstnachtgleiche geschoben zu sein ;
denn in der Tafel der attischen Monate bei Henricus
Stephanus (276) wird der Hekatombäon mit dem Sep-
tember, der Metageitnion mit dem Oktober u. s. w. ver-
glichen. Da in der eben gedachten Inschrift unter den
attischen Monaten der Boedromion oben ansteht, so
ist Corsini der nicht ganz unwahrscheinlichen Mei-
') F. J. n, 30.
') Zu y. 740.
Grieghen. 361
nung ^), dafs die Athener diesen Monat, in welchem
Hadrian, um die Mysterien (309) zu sehen, in ihre
Stadt kam, aus Dankbarkeit {ur ihren Wohlthäter zum
ersten machten, so wie sie ihre bürgerlichen Jahre, we-
nigstens eine Zeitlang, seit der ersten Reise des
göttlichen Hadrian nach Athen gezählt haben*).
Um nun diesen neuen , gewöhnlich auf den September
trefTenden , Jahranfang wieder mit dem alten Hekatom-
bäon in Verbindung zu bringen, haben sie, vermuthet er,
nachmals die Monate so verschoben, wie es die Tafel
l>ei Stephanus mit sich bringt.
Es fragt sich aber, ob die attischen Monate, als
sie in Sonnenmonate umgeprägt wurden, mit den ju-
lianischen vollkommen so haimonirten, wie es jenes
alte Menologlum besagt, so dafs der Hekatombäon nur
eine andere Benennung für den September war. Ich
zweifele nicht. Epiphanius, der nach der Mitte des
vierten Jahrhunderts schrieb, wo wenigstens zu Athen
schon der julianische Kalender im Gange sein mufste,
vergleicht ^) den 6. Januar, auf den er Christi Geburt
setzt, mit dem 6. Mämakterlon der Athener, so dafs beide
Monate parallel liefen. Wenn er zugleich den 8. No-
vember, an welchem Christus getauft sein soll, mit dem
7. Metageitnion zusammenstellt, so mufs, wenn y^ii*klich
') F, A, XIV, p. 403 ff.
') Dies erbellet aus einer Inschrift, die Hi\ Böckh in sei-
nem Corpus Inscript. Graec. Vol. I, no. 28f , nach Montfaucon,
Gori und Gorsini miltheilen und erläuteiii urird. In derselben
findet sich die Zeitbestimmung : «fxog-ou Iß^ofxou Stovc air^ tTfi 3cov
') Au der oben (151) citirten Stelle der Haeresis LI.
362 ' Technisclie Chronologie.
der Hekätombäon dem September entsprach, Boödromion
fiir MeUgeimion gesetzt werden \ und konnte sich in den
Namen des Monats ein so gi-ober Fehler einschleichen,
so wiixL man keinen Anstand nehmen^ auch die Zahl?
um eine Einheit zu vergröfsern.
Bisher ist vorzugsweise von der Zeitrechnung der
Athener gehandelt worden, von der wir am Lefrie-
digendslen unterrichtet sind. Im nächsten AhschoitC
werden Untei*suchungen über die durch Alexander s ZtUg
nach Asien zu einer besondem Wichtigkeit gelangte
Zeilrechnung der Macedonier folgen. Mit diesen
beiden griechischen Vjiilkci'schaften kamen die übrigen
darin überein, dafs sie sämmüich ein gebundenes Mond-
jahr hallen; nur die Namen ihrer Monate, ihre Jahr-
anfänge und ihre Schalt|)erioden waren nach aUem,
was wir davon wissen, verschieden. Dodwell hat in
seinem oft cilirlen Werke mit Belescnheit und Scharf-
sinn die dürfllgen Nachrichten zusaramengesleJic, die
sich über diesen Gegensiand in den Schriflen der Al-
len und auf Denkmälern zersti^eut finden, aber sich sei-
nem Hange zu Hypothesen nur zu oft über Gebühr
hingegeben. Was von den Ergebnissen seiner Foi*schuQ-
gen die Probe hält, hat Corsini vortrefllich zusam-
mengestellt ^}. Ich theile davon hier Folgendes als das
Erheblichsie mit.
Das Jahr der Lacedämonier fing, wie Dodwell*)
aiu einer Stelle des Thucydides schliefst, um die Ge-
gend der Herbslnachlgleiche, also etwa zugleich mil dem
Boedromion der Athener an. Die Ephoren, die, wie die
') F. A. dissert. XIV.
*) De CycUs YHI, 5.
Grieghbn. 363
Archonten, jährlich geTvählt wurden, waren daher nicht
vollkommen gleichseilig mit diesen im Amt. Von den
Monaten finden sich nur folgende fiinf erwähnt:
Tf^oftcj Gerast ins«
'Apreixicriog Artemisius.
^Kvdunos P hl y a s 1 u s.
'£xaTOjüi߀t}$ Hekatombeus.
KapvHog Karneius.
Wenn Thucydidea bei dem Waffenstillstände,
der am Ende des achten Jahrs des peloponnesischen
KLrieges zwischen den Athenern und Lacedämoniern
geschlossen wui-de, den 14. Elaphebolion der erstem mit
dem 12. Gerastius der letztem ^), und bei dem Frieden,
de^ zwei Jahi*e später zu Stande kam, den 6. Elaphebo-
lion vom Ende mit dem 4. Artemisius vom Ende ver-
gleicht^), so hat eine Abweichung des Datums von
zwei Tagen bei Monaten, die beiderseits nach den Mond-
phasen abgemessen wurden, nichts Befremdendes, und
die Verschiedenheit des lacedämonischen Monats, der hier
mit einerlei attischem zusammengestellt wiixl, dient zum
Beweise, dafs die Lacedamonier einen andern Schalt*
cyclus hatten, als die Athener. Den Kameius, in
welchem ein Hauptfest, die Kapyuk, gefeiert wurde ^),
vergleicht man mit dem Metageitnion der Athener,
weil nach Plutarch *) der Karneius der Syracnsaner
diesem Monat entsprach. Einen triftigem Grund für
') l.rv, c.H8,'il9.
») l.V, C.19.
^) T h u c y d. 1, V, C.54. Vcrgl. E u r ip. Jlcest. 460 und
daselbst die Ausleger.
*) f^ila Nie. C.28.
364 Technische Chronologie.
diese üeberemslimmung bringt Gorsini bei, den ich
bei ihm nachzusehen anheim gebe *).
Von der Zeitrechnung der B ö o t e r handelt
D od well') so befriedigend, als es die fragmenta-
rischen Nachrichten, die sich davon erhalten haben,
nur immer gesutten. Er beweiset zuvörderet aus ei-
ner Stelle des Plutarch '^), dafi ihr Jahr um die
Wintersonnenwende angefangen haben müsse. Von ih-
ren Monaten kommen nur folgende sieben vor:
BovxdTiog Bukati US.
.^EpfjMicg Hermaius*
TlpooTan^piog Prosta terius.
iTtTTodpofxiog Hippodromius.
Tldv€}xog Panemua.
'AKaXxofxiviog Alalkomenius.
ActfiaTpios Damatrius.
Der Bukatius war nach Plutarch *) der erele
im Jahr ; er mufs also in der Regel mit dem Gamelion
der Athener übereingestimmt haben. Auf ihn folgte
der Hermaius *). Die übrigen Monate lassen sich nicht
ganz sicher mit den attischen vergleichen. Wenn man
dem eben gedachten Schriftsteller Glauben beimessen
will, so mufs der Kalender der Booter zuweilen in
einer ungeheueni Verwin-ung gewesen sein. Er sagt
nämlich *), die Schlacht bei Platää habe am 4. Boedro-
*) Diss. XIV, 20.
. ») De CjrcL Diss. V.
^) nia Pelop, C.24.
*) Ib. c. 25.
»)^ Proclus zu Hesiodi Opp. et d. v.5(M. Für ßoJxatpoc ist
povHUTtoQ ZU lesen.
*) nta Jristid. c.l9.
Griechen. 365
mion nach attischer und am 4ten vom Ende des Pa-
nemus nach böotischer ZeitrechnuDg Statt gefunden,
und setzt, als wenn es mit dieser Verschiedenheit von
nicht weniger als sieben Tagen seine vollkommene Rich-
tigkeit hatte, hinzu: ,,Man darf sich über diese Ano<
,,malie nicht wundem, da selbst jetzt noch, wo die
,, Astronomie eine gröfsere Entwickelung erhalten hat,
,, einige den Monat an diesem, andere an jenem Tage
.,, anfangen und endigen." An einer andern Stelle ^),
wo er diese Schlacht auf den 3. Boedromion setzt, sagt
er ausdrücklich, der Fanemus der Thebaner sei iden-
tisch mit dem Metageitnion der Athener. Es wäre nun
wol möglich, dafs durchs die Verschiedenheit des Schal t-
cirkels der Panemus zuweilen in den Boedromion ge-
schoben wuixle, und dais Abweichungen des Datums
von drei, vier, ja fünf Tagen vorkamen (257) ; allein
es ist schwer zu glauben, dafs je der vierte Tag vom
Ende des einen Monats der vierte vom Anfange des
andern gewesen sein könne. Ich zweifele daher nicht,
dafs eins von beiden Datis falsch ist. Hr. Bock h ist
der sehr wahrscheinlichen Meinung, dafs die Schlacht
am 27* Panemus oder Metageitnion geliefert, aber die
Siegesfeier bis zum 3ten oder 4. Boedi*omion verschoben
woixlen sei. Ol. 102,2 stimmten beide Zeitrechnungen
vollkommen mit einander überein; denn, wie jener
Schriftsteller an dem zuletzt gedachten Orte vei*sichert,
ist die Schlacht bei Leuctra am fünften Tage zugleich
des Hippodromius der Thebaner und des Hekatombäon
der Athener vorgefallen. Vermuthlich hatten sich die
' Böoter damals den metonschen Cyclus angeeignet.
*) rita Camiüi cA9.
366 Technische Chronologie.
Die Zeitrechnung der Eleer hat für uns wegen
der Olyrapiadenäre, die mit ihr zusammenhing,
eine besondei« Wichtigkeit; leider sind wir nur höchst
unvollkommen von ihr unterrichtet. Dafs die olym-
pischen Spiele um die Sommerwcnde gefeiert wurden,
ist ehen so gewifs, als dafs sie iunf Tage dauerten und
um den Vollmond endelAi« Wir ersehen dies aus Jem
Scholiasten des Pindar ^). Allein mit weichem
Yollmonde sie zusammentrafen, ob jedesmahl mit
dem, der zunächst auf die Sommerwende folgte, wie
die meisten Chronologen annehmen, wissen yt'w nicht
mit völliger Sicherheil. An der letztem der in der Wotc
angeführten Stellen hclfst es: ,,Die Spiele gehen bald
,,nach nenn und v!ei*zig, bald nach fünfzig Monaten,
„also bald im Ajtollonius, bald im Parlhentus vor sich."
Betrug das vierjährige Intervall zwischen den Spielen
wirklich bald neun und vierzig, bald fünfzig Monate,
folglich das achtjährige neun und neunzig, so haben die
Eleer eine Oclaeljcris gehabt (294)« Corsini glaubt'),
dafs die .Monate
'AtcXXxiivio; Apollonius
und Uap^lvo^ Parthenius
in dem unbekannten Yaterlande des Scholiasten zn
Hause gehört haben. Es ist aber weit wahi*scheinl icher,
dafs es gerade die eleischen Monate waren, in denen
die Spiele gefeiert wuixlen. Waren dieselben nämlich
durchgehends an den Vollmond geknüpft, der zu-
nächst nach der Sommerwende eintrat, so konnte
dydv ayrteu. Ad Olymp. III.
') Disserlationes agonisticae I, 6.
Griechen. 367
der achtjährige Cyclus gar wohl so gestellt sein, dafs
ihre Feier bald auf die Mitte des ApoIIonius, bald erst
auf die des folgenden Farlhenius ti*af, wie sich dies ein
jeder leicht aus der Natur des griechischen Mondjahrs
begreiflich machen wiid. Freilich muis sie sich dann
auf eine ähnliche Weise auch im attischen Jahr hin
und her geschoben haben, so dafs sie nicht immer, wie
Corsini annimmt, gerade dem Hekatombäon ent*
sprechen haben kann. Von den übrigen Monaten der
Eleer kennen wir nur noch den
EXiipLog Elaphius. i
Pausanias, der ihn zweimahl nennt ^), sagt, dafs er
auf die Frtihlingsnachlgleiche fiel. Namen iind Stel*
lung sind dem ia tuschen Elaphebolion analog. '
Von der noch dunklem Zeitrechnung der Delphi er
bemerke ich blofs, dafs ihr Monat
BvVtog Bysius,
in welchem die pythischen Spiele gefeiert wurden, nach
Dodwell's und Corsini's scharfsinniger Vermuthung
mit dem Munychion der Athener zusammenfiel, also auf
die Gegend der Fiilhlingsnachtgleiche traf. Er scheint
der ei*ste ihres Jahrs gewesen zu sein. Wegen vei'schie-
dener andeim aus Inschriften bekannt gewoi-denen del-
phischen Monate verweise ich auf die Fasti Attici*).
Die Spiele wurden übrigens, wie Scaliger und Meursius
behauptet haben und Corsini gegen Petavius, Petitus
und Dodwell beweiset^), nicht im zweiten, sondern
allemahl im dritten olympischen Jahr gehalten. Das
oUm in der obea(300) citirteu Stelle des Censorinus
*) Sliaca T,i3; H, 20.
») Xiy, 16.
^) Dissert. agon. 11, 7 ff.
368 Technische Chronologie.
geht auf die Zeiten vor Ol. 48, wo die Pjrtliiaden, nach-
dem sie eine Zeitlang unterbrochen gewesen waien,
durch die Amphictyonen wiederhergestellt wurden.
Von den Cor'cyräern, einer Colonie der Co-
rinther *), sind drei Monate aus einer Inschrift bekannt,
die Montfaucon in seinem Diarium Itaäcum') zu-
erst bekannt gemacht hat« Sie führen die Namen
Maxay£t}$ Machaneus.
EvxXeiog Eukleius«
'ApTEjMnog Ar temitius ').
Sie sind in der ' Inschrift so zusammengestellt, dafs sie
auf einander gefolgt sein müssen *) , und da der £u-
klcius ausdrücklich der zwölfte genannt wird, so ist der
Artemi ti US der erste im Jahr gewesen. Nach Quirini's
unsichern Combinationen ') ti^f er auf den Frühling. Von
dem Mutlervolke kennen wir 'nur einen Monat , den
UdvEixog Panemus,
mit Sicherheit , der nach einem unten in der macedo-
nischen Zeitrechnung zu erwähnenden Schreiben des
Königs Philippus an die Peloponneser mit dem Boe^
dromion der Athener verglichen wird.
Wegen noch einiger zu unserer Kunde gelangten
Monatsnamen der Aegineter, Argiver, Coer, De-
lier und Teer vei'weise ich auf Corsini. Vermuth-
lich wird die grolse Sammlung griechischer Inschriften,
*) Strabol.VI, p.269.
" '} c.28,p.4i2ff.
^) Die dorische Form *XprtfiixtoQ für Aprs/itoioc, kommt auch
anderweitig vor.
♦) Vergl. Corsini F. A. XIV, li.
*) Primordia Corcj-rae fBrixiae 1738, 4J S. 176.
Griechen. 369
diejeut Hr.Böckk veituastaltet , manche hieher gehö^
rige Ambeute' geben.
Es ist mir nim noch übrige von den Jahr rech**
ntingen der Griechen 2u handeln. / .
. Die Athener zählten ihre Jahre nach ihrer ersten
Magistratsperaon. 'Zuerst wusdeA sie. von erblichen
Königen, dann von lebenslänglichen Archen***
ten, den Medontiden, weiterhin ton ^zehnjährir-
gen Arckonten und endlich von eüijährigeu re^
giert, deren jedesmahl neun Anfangs durch Cheirotonieiy
nachher durchs Loos ernannt wurden. Der yomehmste
hie& vorzugsweise Archon,. und nach, ihm wurde das jen
desmahlige Jahr benannt ^^.),. daher er auch, fedoch, wie
es scheint, erst sptlterhur, den Beiuamen 2;r«))a;/i0^ erfaieltu
Das Chronologische der irühem Geschichte: Athens: ist
in Dunkel gehfiUt. Erst. mit. den oehnjährij^enArohonA
ten langt es an zu tagen. Der Eintritt des< ersten,. des
Gharops, gehört nach des Dionys von Ha'licarnaXr
bestimmter Versicheirung in 01.7,1. Er setzt näm-i
lieh.*) die Erbauung Korns in das erste Jähr der sie-
benten Olympiade., apxpvrog ^ASr^rjo-i .Xapchrad^ irog,'. t^^
^BTiCksTiag ^^ttfTov. Trifft also -das erstb Jähr des? erstes
zehnjährigen Alx;hon auf Ol. 7,1, so fangt das liitzte des
siebenten und letzten mit Ol. 24,2. an, und Creou's^*
des .ersten Archon eponymus, Eintritt ist 'in 01,24,3
zu setzen. Da aber das Jahr der Athener ! damals, ver*
muthlich' noch mit dem Gamelion anfing (286), so gen^
hört das Jahr des Green vielleicht schon zur Hälfte
*) Argum. in Demosth, oraf. conira Jndroiiohem, Pöflux
yra, 9, 85.
*) j4nt. Rom. I, 71 und 75. t
I. [24]
370 Technische Chronologie.
dem zweiten der 24sten Olympiade an, tO» welches sich
Gorsini entscheidet^), den Widersprach des PausanUs
nicht achtend, der den Ursprung der jtfhrigen Archonten
um eine Olympiade früher anninunt ')• Die Würde des
Aichon eponymus hesumd wbl Athen bis ins vierte Jahr-
hundert n.Chr., ungeachtet die i«publikaniacbe Verias«
sang sdion längst erloschen war, so wie man zu fiom
noch unter den Kaisem die Jahre nach den Schatten-
eonsuln zu zKfalen pflegte. Nur 2ur Zeit des Antigo..
uns und D^metrihs gingen die Athener in ihrer Dank-
baitüsit und Sdimeiohelei so weit, dali sie nkhl blols
die beiden neuenichteten SUUnme nach ihnen benann-
ten (343), aondens auch den. Monat Mnnychion in De-
mietrion, das Fess Dionysia in Demetria und die
itif mi vtn in Demetrias verwandelten, und stau des
Arohon eponymua efaten jtthrigen ^Upev^ t&¥ ffwnjpumf wähl*
teA, indem sie diesen Königen fast göttliche Ehre er-
wiesen. Diäiter Priester der rettenden Gotthei-
ten bestand jedoch nur neunzehn Jahre. Ol. 123,1
k^te der Eponymus zurück. Ein kritisches Yeneicbmfs
der Eponymi gibt Corsini im dritten und vierten Tfaeil
seiner Pas ti Altici. Auch hat br die ersten einiger-
mafsen befriedigenden Untersuchungen über die Pseu-
deponymi angestellt?),, worunter man Archonten ver-
steht, die hin und wieder, besonders bei den Red-
nern, in Dekreten als Eponymi genannt wei-den, ohne
ia^ der Reihe dei^ eigentlichen Eponymi Torzukommen.
' ' .... ,
*) F, A. Dissert. I, welche sich mit hieber gehörigen ünlei*-
suchungen beschäftigt.
*) Messen, c. 15.
') F. A, Dissert. YHI.
Grieghsii. 371.
Sospricht-Demostlienes in der Btäeile Corona*) yo^l
zwei Dekrelen, die xmißT dem Arebon Mnesiphilus,-
wie der Zasainmenliang lehrt im zweiten Jahr der lOSten
Oljmpiade, abgefafst sind, wo der wahre EponymuS'
Themistocies hieis. Der schwierige. -Gegenstand
ist aber durch jene Untersuchungen noch keinesweges.
aufs Reine gebracht worden. Man vei^Ieiohe nur, was
Hr.Schötnann darüber sagt').
Seit der Yerlegang des Jahranfangs jiuf den He^
Latombäon laufen die Archonten jähre mit denen der
Olympiaden parallel. Im Grunde war es die unbe-
cpiemsie Jahrsseit, die man zum Wechsel der obersteh'
Magistratspersonen wählen ' konnte; Thncydides^ der^
einen yaterländischeB Krieg beschveibt nnd nach Jafa«-»
ren desselben da tirt,* f&hlie dies; er machte: daher seinei
Einschnitte mit dem Frühlh;ig imd Hei^^Mt. '
Auf eine gai^x ühnliehe Weise s' wie die Athener,
rechneten auch die Lacedämottier ihre Jahre'. 'Sta(h>
der Archonten hatten sie Epfaoren , ievHt )äfarlich fiinfi
gewählt wurden ^ ) . Dals einef derselben 'Eponymiis wsir
oder dem Jahr 6ei;na]i Namen, gsdE^, T^i^sekfn-wir aus d«pr
Thucydides, der die Zeit des Ausbruchs des pelopon-
nesischen Krieges also bezeichnet^): ,,Im 48stenJahr
,,derPriesterinn Chrysis von Argos, unter Ainesias^ dem
,,B;phörea von 8j)ä'rta'l zwei Monate vor. Abgätig des
*) In seinem gelehrten' WtjrttÄ'r' •l)er't^9>^ÄlV^ irf£Ätf/»^/tt^^
(Greifewald 1810, 8JS;J 37 ff. ' ' •.••.. .;;.;. ,./r
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M Suidaa unter diesem Worte» •.'...•... r .^ • •
•) i.n, C.2.
[24']
372 Technisdie Chronologie.
^^Pythodonu, des Archon der Athener (286)/' ICeraus
erbellet cugleicb, dais man su Argot die Jahre nach
der Amtsverwaltung der Prieslerinn der Juno sählte,
was der Scholiast zu dieser Stelle bestätigt. Sie führte
nach dem Etymologicum Magnum^} den Namen
Heresis.
Diese Art der Jahrrechnung, die übeiall in Griechen-
land, ja überall in der allen Welt üblich war {i09)y
konnte dem griechischen Historiker, der die Geschichte
des In- und Auslandes synchronistisch erählen wollte,
unmöglidi genügen. Er bedurfte einer von Localver-
hidtnissen unabhängigen Aere, und eine solche gewährte
ihm die Rechnung nach Olympiaden, die jedoch
eist in Gebrauch kam, als Griechenland längst seinen
Herodot und Thucydides gehabt hatte ')..
Die olympischen Spiele, der Sage nach von
Hercules gestiftet, wurden von Iphitus erneuet,
aber erst seit Coröhus, der vihtt hundert Jahre spä-
ter den Poeb im Wettlauf davon trug, regelmässig alle
vier Jahre, nach dem Sprachgebrauch der Allen dui
isfyasrmy iTov^y quuUo quoquß amno, gefeiert, welshalb
*) Die BezeicbnuDK der Jahre nach Olympiaden, so wie nach
Archonten und Ephoren, die sich an einigen Stellen der Uelle-
nica dei Xenophon findet, ist, nach Marsham's und Dod-
weirs gewifs sehr n^hciger Meinung , fremdes Einschiebsel, das
mit seiner einftuthen Jahi^rachnung . im^ Widei^spriiche steht. Er
ist, wie Thucydides, in seiner Enuihlung l>lofs dem natüi'h'chen
umlaufe der Jahrazeiten gefolgt , ohne sich einer festen Aere zu
bedienen. S. Joh. Gottl. Schneider*! Anmerkang zu l.I, c.%
dieses Geschichtswerkes.
GniBCHEir. 373*
sie bei den Griechen Tnyratnipoio}, bei den Römern
quinqiiennales hiefsen ^)*
Dafs der Sieg des CorÖbus ins Jahr 3938 der ju-
lianlschen Periode oder 776 v.Chr. zu setzen sei, ist
die einstimmige Annahme der Chronologen. Sie gründet
sich vornehmlich l)auf verschiedene von Thucydides
erwähnte und von ihm an Jahre des peloponnesischen
Krieges geknüpfte Finsternisse. Da nämlich dieser Ge-
schieh tschreiber zu bemerken pflegt, in welchem Jahr
des Krieges die olympischen Spiele gefeiert wurden,
so können diese Finsternisse dazu dienen , die Epoche,
nicht blofs des Krieges, sondern auch der Olympiaden
mit Sicherheit auszumitteln , wie Petavius sehr gut
gezeigt hat'). 2) Auf ein fiir die Zeiti'echnung höchst
schätzbai^es Fragment desEratosthenes beim Clemens
Alexandrinus ^), worin die Intervalle einiger Haupt-
epochen der griechischen Geschichte folgendermaisen an-
gegeben sind: es werden gerechnet
von der Einnahme Trojas bis auf die
Rückkehr der Herakliden 80 Jahr.
von da bis zur Stiftung — xruri^ — von
lonien 60
femer bis auf Lycurg's Vormundschaft •• • 159
bis auf das Jahr vor der ersten Olym-
piade 108*)-
*) P i n d a r nennt sie fniTMTiip^* iopr^y. OL XI, 59. Nem*
XI, 27 (ed. Böckh).
*) Doctr. temp, IX, 44.
»J Strom. I, p. 145 (ed. Sylb.).
*) 'Eiel itportyoifuvw hoq ti}^ irpJni; 'OXvfl1tta^o^ NachAriato-
teies beim Plutarch (vü.lQrc.cA) und Pansanias (ELl^^)
374 Technische Chronologie.
bi« auf Xerxes Uebergang über den Hei-
lespont 297 }ahi.
bis auf den Anfang des peloponnesischen •
Krieges • « 48 -
biB auf das Ende desselben und die Be-
siegnng der Atbenw 27 -
bis auf die Scblacht bei Leuctra 34 -
bis auf Pbilipp's Tod 3S -
bis auf Akxander's Tod • 12 --
Dieser Tafel liegen durcbgftngig volIgesaUte Olympia-
den jähre nun Grunde, die yon der Sommerwende an ge-
rechnet werden. Geht man nun yom Jaht 432 v-Chr.,
wo das Olympiadenjahr beginnt , gegen dessen Schluls,
wie jene Finsternisse unwidersprechlich zeigen, der
Ausbruch des peloponnesiscben Kxi^es zu setzen ist,
waren Iphitus und Lycurg Zeitgenossen. Man sieht also, dafs
die Wiederherstellung der olympbchen Spiele dui-cli den erstem,
und einigen Nachrichten zufolge zugleich duirh den Jetxtern, we-
nigstens nach Eratosthenes nicht gleichzeitig mit der ei-slen
Olympiade war. Auch sagt Phlegon TraUlanus in einem
kleinen AufiMtz über diese Spiele, der unter andern der Oxforder
Ausgabe des Pindar Tom Jahr 1697 Törgedruckt ist, ausdrück-
lich , dafs Tou Iphitus bis auf Coröbus 28 Olympiaden oder
112 Jahre Terflossen sind. Man Tergleiche C o r s i n i's Diueri.
agon. I, p. 3. Es ist ako nicht zu billigen, dafs Scaliger,
Petavius und andere Chronologen immer Ton der Olym-
piade des Iphitus als der ersten geschichtlichen, und Ton
Jahren des Iphitus als Jahren der Olympiadenare sprechen.
Sosagtersterer (7?mert^./eiw/?.l.V,p.387;, Rom sei nachVarro
im 23stenJahr des Iphitus oder 01.6,3 eii>aut. Doch mufs zu
ihrer Entschuldigung gesagt weiden, dafs die Verwechslung schon
im Alterthum vorkommt. So meint Clemens Alexandrinus
(a. a. O.) mit M t^v *If/Tey 'OkviunJia die erste Olympiade, in
der Coröbus si^;te.
Griechen. 376
48 + 297 «: 345 Jahr^ zurück, so trifft man auf das Jahr
777 Y« Chr. f als auf das dar ersten Olympiade yoran.*
gehende. Hiernach ist also die erste Olympiade in
das Jahr 776, und die Zei^lörUng Trojas in das Jahr
1184 v*Chr. zu setzen. 3) Auf eine iiir die Zeitrech-
nung nicht minder wiisbtige Stelle des Censorinus,
wo die Epochen der vornehmsten von den Alten ge-
brauchten Acren mit grofser Bestimmtheit und in solcher
Beziehung zu einander angegeben werden, da& über
ihre Zuverlässigkeit nicht der mindeste Zweifel obwal-
ten kann. Sie steht im 21sten Kapitel und fängt also
an : Hie annus, cuius vebu index et titulus {fuidam est
Ulpii et Pontiani consuUuus , ab Olympiade prima
millesimus est et quartus decimus, ex diebus duntaxat
aestivis, quibus agon Oljrmpicus celebratur. Das Con-
sulat des Ulpius und Pontianus trijSTt auf das Jahr
238 unserer Zeitrechnung oder auf das 4951ste der
julianischen Periode. Da nun im Sommer desselben
das 10l4te Olympiadenjahr anfangen soll^), so mufs
man 1013 volle Jahre zurückgehen, um dasjenige zu
erhallen, in welchem das erste beginnt, und so findet
»ich wieder obiges Epochenjahr.
Hieraus ergeben sich für die Reduction der Olym^
piadenjahre auf unsere Z^eitrechnung und umgekehrt
folgende Regeln. 1) Um das Jahr der christlichen
Zeitrechnung zu finden, mit dessen Sommer
ein gegebenes olympisches beginnt, vermin-
*) Wenn es c.i8 bei eben diesem Schriftsteller heifst: Nunc
ducentesima quinquagesima quarta Oljmpias numeratur, eius^
que annus hie secundus, so siebt man, dafs hierans ebenfalls dos
laufende 1014t&Jahr der Olympiaden folgt.
376 Technische Chronologie.
dere maa die Zahl der Olympiadeit um 1, mnltiplidre
den Best mit 4, addire dazu die Zahl der Jahre der
laufenden Olympiade, und ziehe diie Summe, wenu
sie nicht grölser als 776 ist, von 777 ab. Dtr Rest
ist das entsprechende Jahr vor Christus. FfirOI. 75 1
wo die Schlacht bei Salamis verfiel, steht die Aech-
nong also;
75-1 « 74
74 X 4 - 296
296 + 1 e 297
777-297 « 4S0.
Die Begebenheit 'ereignete steh im attischen Boeiro-
mion (308), also in der ersten Hüfte des olympischen
Jahrs. In solchem Falle behält man die gefundene
• Zahl unverändert bei. Gehört sie dag^;en in die zneite
Hälfte des olympisclien Jahrs, so mufe man die Zahl
lun 1 vermindern. So gehört die Erbauung Roms nach
■rarronischer Rechnung in das Jahr 753 v.Chr., weil
«e Ol. 6,3 im Frohling {an den Palilien) Sutt gefun-
den haben soll. Ist hingegen die Summe der olym-
pischen Jahre größer als 776, so vermindere man sie
um diese Zahl, und man erhält dann das Jahr nach
Cairistus, auf welches der Anfang des gegebenen olym-
pischen iriflt. So fängt 01.254,2, wo Censorinos
•chrieb, 238 n.Chr. an.
2) Um das olympische Jahr zu finden,
-welches in irgend einem Jahr v.Chr. (das na-
türlich nicht größer als 776 sein darf) seinen Anfang
nimmt, ziehe man die voi^legte Jahrzahl von 777
ab, und dividire den Rest durch 4. Der um 1 ver-
mehrte Quotient gibt die Olympiade und der Rest das
laufende Jahr derselben. Meibt kein Rest, so ist das
. G RIB GHEN. 377
laufende Jab? das ?ierte von eben der Olympiade, welche
der Quotient anzeigt. Gehört die Begebenheil in die
erste Hälfte des julianischen Jahrs, so ist das nach die«
ser Regel gefundene olympische Jahr um 1 zu vermin-
dern* So findet sich, dals der Fi-ühling 399 v.Chr.,
wo Soerates starb, dem ersten Jahr der 95sten Olym-
piade, und der Sommer 356 v.Chr., ,wo Alexandeir der
Grofse geboren wurde ^ dem ersten Jahr der .106ten
Olympiade entspricht.
3) Um das olympische Jahr zu finden, das
in einem gegebenen Jahr n.Chr. anfängt, ad*
dire man 776 und verfahre wie Vorhin. So nimmt
im ersten Jahr unserer Zeiti^echnung die« 195s te Olym-
piade ihi^en Anfiing, so dais Christus (der gewöhnlichen
Annahme nach) um die Mitte des Jahrs Ol. 194,4 ge-
boren ist.
Da die olympischen Spiele, wie oben (366) bemerkt
worden, gegen den Vollmond gefeiert wurden, der zu-
nächst nach der Sdmmerwende einti*at (dies war ohne
Zweifel die Regel), so sollte man bei der Reduction
der Olympiaden jähre eigentlich eine Tafel der Neu-
und Vollmonde vor Augen haben. Man wird indes^n
gewifs selten und wenig von der Wahrheit abweichen,
wenn man mit den meisten Chronologen ihren Anfang
dui^chweg auf den 1. Julius setzt.
Die Feier der olympischen Spiele bestand ununter-
brochen 293 Olympiaden hindurch bis gegen. Ende der
Regierung des Kaisers Theodosius. Man sehe die
dai-über von Corsini gesammelten Zeugnisse ').
^) Dissert. agon. I, li. Sehr bestimmt ist das des Ge-
drenus (Hisi. comp, p.326. Script, hist. Bj%, ed. Vvc.Jj nach
378 Technische Chronologie.
Als dto eigentliche Urheber der 01ym{>iadeiirechniiiig
ist der nnter PtolemäUB PhUadelphus lebende Geschieht-
Schreiber Tim aus aus Slcllien zu betrachten, der sich,
nachdem man längst gewohnt gewesen war, einzelne
Begebenheiten durch die Namen der gleichseitigen oljm-
pischen Sieger zu beaeichnen, nach Polybius das
Verdienst erwarb, die Ephoren und Könige Sparta's von
Anbeginn her mit den Archonten Athens, den Prie-
sterinnen von Argos und den olympischen Siegern zu
yergleicbfen , und so der Schöpfer der Olympiadenäre
Wurde, ohne die es keine griechischen Annalen ge*
ben konnte ^). Mit Vergnügen nahm man eine Jahi^
rechnung an, die mit der nöthigen Festigkeit ein ge-
meinschaftliches Interesse für sammtliche Griedien ver^
band. Finiherhin hatte man das Chronologische ent-
weder ganz vernachlässigt, oder sich mit schwankenden
Zeitbestimmungen beholfen, die den spätem Geschieht-
welchem die iran^^pcc vwir 'OXvfim&wy im sechzehnten Jahr des
Theodos i US, d.i. 394 n.Chr., erloschen und an die Stelle der
Oljmpiadenrechnung die Indiotion getreten ist.
*) Die Worte des Poljbius, der ihn übrigens wegen seino
Leichtsinns und seiner Psirteilichkeit nicht sehr glimpQich behan-
delt, sind : 'O rsf r\ry»fla%%^ irotov^ivo; a»kym&w r^y l^opwv itfof tou;
ßaff-iXarc Tovc ^v Aaxt^al}ioin , xai xov( ap)^6)na( tov; 'A^iimnci xal xuj;
UptiaQ raq ^v^Ap^i ntLpaßaXXvv wpog roif oXv^moi^cWc etc. XII, 1'2.
Vom T i ni ä u s hatte man ein umfassendes Geschieh ts werk unter
dem Titel xoivtd ig-o^taty Ünirersalgeschicbte, worin cmnler
■nderQ kurs von den Römern gehandelt hatte (Dion.Hal.I, 6J.
In diesem Werke scheint er sich zuerst der Olympiadeorechnung
bedient zu haben. Auf dem von ihm beti-etenen Wege gingen
nachmals Apoliodorus, Diodorus, lulius Africanus und
auders weiter.
Gribgheh. 379
schieibem die IPesUielluiig der Epochen pf^ sehr er-
schwerten oder gan^ unmöglich machten.
Im btti^erlichen Yerkehir ist die Olympiadenrech-
nung nirgends gebraucht WQi-den; auch hat sich noch
keine Miinze gefunden, auf der sie vorkäme ^)* Na-
türlich, da sie ein rein litt^rarisches Institut isti
. . Das vollständigste Yerzeichniis der olympischen
Sieger — oXujimovtxcti t^ in jedfer Art des Wettkampfs
liefert Gorsini ^). Bekanntlich war der Lauf der
erste Gegenstand des "Wettstreits, daher auch vorzugs-
weise der Name desjenigen geüannt zu werden pflegt,
der in dieser Beziehung den Preis davon getragen hatte
'-^ordBLoy sn>ca, stacUo vicit, wie es ininker heiist.
Sthliefslich muis ich noch einer eigenthümlichen
Jahrrechnung gedenken, die sich auf einem für die
Chronologie höchst wichtigen Denkmale des Alterthunis,
dem parischen Marmor, gebraucht findet«
Ich darf wol voraussetzen, daSs sich meine Leser
mit der Einrichtung dieser Marmorchronik, wenn
auch nicht aus den grofsen Werken und Sammlungen
von Seiden, Prideaux, Maittaire und Chandler,
wenigstens aus Hrn. Wagner 's kleiner nützlichen
Schrift, die parische Ghronik betitelt^), bekannt
gemacht haben, und da(s ich defshalb einer Beschrei-
bung derselben überhoben sein kann. Ich bemerke
blofs, dafs ihr Urheber gleich anfangs sagt, er habe die
Zeiten von Anbeginn her verzeichnet, von Geicrops',
*) Eckhel Doctr. numor. Vol. TV, p.376.
'') Am ScLlusse seiner Dissertationes agonisticae.
') Göllingöni790, 8.
380 Technische Chronologie.
dem ersten Könige Athens, bis auf die Archon-
ten Astyanax von Faros und Diognetus von
Athen. Hieraus schliefst man, und wd nicht mit
Unrecht, dafs die ChiH>nik in Faros entstanden und auf-
gestellt gewesen sei, ob sie gleich sonst nichts weiter
diese Insel Betreffendes enthält. Hierauf folgen in nock
nicht gan« hundert Zeilen ^) neun und siebzig Epochen,
von denen die erste also lautet : 'A4>' ou K&cpmf/ 'ABtjytvy
ißaa-tKeva-t xcä ^* x^P^ KtxpoTrui IxXijS'ij to npinpcv xoXo^
fx£yij 'AxTtxrJ. ino 'äktowv rov avrox^cvo^ «'^»1 XHHHAIIIII
,, seitdem Ceci-ops zu Athen heri'schte und das Land,
,,das zuvor von Acüius, dem Autochthonen, Acüca ge-
,,nannt war, den Namen Cecropia erhielt, 1318 Jahre."
Diese 1318 Jahre weixlen offenbar von dem Jahr, wo
Diognetus Arehon war, rückwärts gerechnet. Es fragt
•sich also, in welches Jahr der Olympiaden oder v.Chr.
dieser Arehon zu setzen sei, der sich sonst nirgends
erwähnt findet. Seiden und Prideaux nehmen das
JahrOl. 129,2, v.Chr. 263, Taylor «), Corsini'; und
Freret*) hingegen das Jahr Ol. 129,1, v.Chr. 264, au.
') Von denen leider die ernten fünf und vierzig in den bür-
gei'lichen Unruhen unler dem Könige Karll von England, wohin
das Denkmal vei'selzt worden war, verloi^n gegangen sind. Wir
müssen uns -daher mit der Abschrift dei-selben behelien, die Seiden
in seinem bekannten Werke Marmora Jntndeliana (London
1629, 4 ) von denselben gibt. Auch die noch vorhandenen sind
•kaum mehr leserlich.
*) Marmor Sandwicense p.5.
») F. A. Tom. IV, p.88.
*) Eclaircissement sur la nature des annSes emplojrSes par
Vauteur de la Chronique de Pathos. Mim, de VAcad, des
Inscr. Tom. XXVI^ p.200 ff. Oeuvr. compl. Tom. XI, p. 121 ff.
Gribch.^n. V 381
Ton beideii sind uns die Archonten niclit bekanat«'
Dafa kutei^es . das wahre: Epocb^njahr sei,, wenn die
Jahce, wie «ich wol nicht ieweifelii läfst, yoll gezählt
sind , wii^ sich leicht dartfauii lassen. Doch muf$ zu-*
Yor die Epaehe der Jahce ausgemitlelt werden. t
Fr er ei sucht zu beweisen, dafs die Jahre, nach,
denen die Chronik zählt, gleich d^n olympischen mit
der Sommerwende anfangen. Offenbar rechnet sie nach
Archonten Jahren, da sie seit Creon die Epochen
überall mit den Namen der athenischen Archonten be-
zeichnet. Es fragt sich nur, ob man schön Yor Ol. 87 fl
den Anfang des Archontenjahrs auf den Hekatombäon
zu setzen habe. Ich zweifele, auch .abgesehen von
Freret'/S aus der Chronik entlehnten Gründen, daran
keinesweges. Man rei^leiche,. was oben (291.) hierü-
ber gesagt woi*den« Ein wunderlicher Gedapke you
Gibert *) ist es, dafs die Jahre, obgleich en stjle at--
tique ausgedrückt, dennoch keine attische, soiidern pa-
riscfae sind, die sechs Modat später als die attischen
angefangen haben sollen. Seine Gründe verdienen keine
Widerlegung^ ...
Die Namen der Arcfaosxten, die man den Epochen
beigesetzt findet , - sind mit sehr wenigen Ausnahmen
ganz dieselben, die uns die Geschichtschreiber nennen.
So wiixl die Schlacht bei Sali^iis ganz richtig unter, den
Archon Calliades(OL 75,1), die bei Platää unter den
Ai'chon Xanthippus (Ol. 75,2), der Tod des Socrates
unter den Archon Laches (01.95,1), die Schlacht bei
Leuctra unter den Archon Phrasiclides (Ol. 102,2)
^) Observations sur la Chronigue de Faros, Mdm de VAcad,
des Inscr. Tom. XXm, p.61 ff.
382 Technische Chronologie.
U.S.W* geseut. Die einzige wesentlichie Abweichung
der Cfarouik voa dem, waa wir Boast von den Arcbon-
ten wissen, besteht darin, dafs sie cwischen der 6l4ten
Epoche, die mit dem Avchon Diphilus (01.84,3),
und der 62sten, die mit dem Archon Astyphilus
(01.90,1) bezeichnet ist, 23 Jahre rechnet, da das
Interyall zwischen beiden Archonten nur 22 beirägt.
Hieduix;h wird jede frühere Epoche um ein Jahr wei-
ter zurückgeschoben als es die griechischen Annalen mit
sich bringen. So sollen seit der Schlacht bei Salamis
217 und seit der bei Leuotm 107 Jahre yerflossen sein«
Zwischen beiden werden , wie man sieht, 1 10 Jahre ge-
zählt, da doch vom Boedromion Ol. 75^1 bis zum He-
katombiion 01.102,2 noch nicht ToUe 109 Jahre verflos-
sen sind. Eine Folge davon ist, dafe man bis zur 6i8ten
Epoche die m der Chronik bemerkten Jahre zu 263,
hingegen von der 62sten an zu 264 zu addii'en bat,
wenn mate das richtige Jahr v.Chr. verlangt, dem die
jedesmalige Epoche entspri^t. So gehört die Schlacht bei
Salamis in das Jahr 217 + 263 a 480, und die ScUachl
bei Leuctra in das Jahr 107 +264 = 371 v.Chr.
Zugleich erhellet aus dieser Darstellung, durch die
alle Schwierigkeiten beseitigt weisen, welche man in der
Jahrrecfanung der Marmorcbronik gefunden hat, daft
ihr Wahres Epodienjahr Öl. 129,1 oder 264 v.Chr. sein
müsse.
Gribcher:
383
Tafel I.
Der metonsche Kanon.
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29
384 Technische Chronologie.
Tafel n.
Yergleichung des metonschen Kanons
Erster Cyclu«.
Zweiter Cjclus.
Jabic.
iabre
«. Cbr.
l.Heka-
j«bi«
Cjcliu.
OlyapiaatR- Jakre
Jak«. ». Cfcr.
=
1
Ol.
87,1
432
16. Jul.
1
i
b.4l3ll6.Jul. \|
2
2
431
6. Jul.
2
Ol.
92,1
412'
6.Jul. I
B. 3
3
430
25. Juo.
B. 3
2
411
25. Jun.
4
4
b.429
13. Jul.
4
3
4iO
14. Jul. ,
B. 5
Ol.
88,1
428
2. Jul.
B. 5
4
b.409
2. Jul.
6
2
427
21. Jul.
6
Ol.
93,1
408
21. Jul.
7
3
426
11. Jul.
7
2
407
11. Jul.
B. 8
4
b. 425 29. Jon.
B. 8
3
4o6ljO. Jun. !
9
Ol.
89,1
424 IS.Jul.
9
\
hAoslts. Jul. 1
4o4 7. Jul.
10
2
423
7. Jul.
10
Ol.
94.1
B. 11
3
422
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B. 11
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12
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B. 13
Ol.
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B. 13
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B. 16
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B. 16
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17
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18
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18
Ol.
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9. Jul.
B. 19
3
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28. Jun.
B. 19
2
395
28. Jun.
Griecreit.
386
mit dem julianischen Kalender.
Dritter Cyclus.
Vierler Cyclus. 1
Jahre
des
Cyclo..
OlympUden.
Jahre.
Jahre
». Chr.
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B. 3
Ol.
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B. 3
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4
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B. 5
3
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B. 5
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B. 8
2
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B. 8
Ol. 103,1
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9
2
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B. 11 Ol.
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B. 11
4
b. 365 27. Jun. |
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16. Jul.
B. 13
3
382 1 5. Jul.
B. 13
2
363
5. Jul.
14
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b.381 23. Jul.
14
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24. Jul.
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15
4
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B. 16
2
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B. 16 OL 105,1
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2. Jul.
17
3
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17
2
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18
4 b. 377 9.Jul.
18
3
358 10. Jul.
B.19OI.
101,1 376 28.Jun.
B.19
.4
b. 357 28. Jun.
psi
386
Technische Chronologie.
Yergleichung des metonschen ILanons
Fünfter Gyclus.
Sechster Cjclus. 1
Jakn
Cyd«.
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Jahr«
T. Chr.
1. H«k*-
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B. 3
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4
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B. 5
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B. 5
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B.11
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B. 13
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B. 13
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14
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15
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B.16
4
b.34l
2. Jul.
B. 16
3
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17
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18
2
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10. Jul.
18
Ol. 115,1
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10. Jul. 1
B. 19
3
338
29. Jun.
B. 19
2
319
29. Jun. 1
Griechen.
387
mit dem julianischen Kalender.
Siebenter Cyclus.
Achter Cyclus.
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Cyclo«.
oip-pi-a«.
Jahre.
J«Lr«
T. Chr.
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Cyclo«.
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Jahr.
T. Chr.
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B. 5
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20. Jul.
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B. 11
Ol. 118,1
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B. 11
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28. Jun.
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17. Jul.
B. 13
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B. 13
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24. Jul.
14
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15
Ol. 119,1
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13. Jul.
15
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13. Jul.
B. 16
2
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3. Jul.
B.16
Ol. 124,1
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17
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22. Jul.
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18
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B. 19
Ol. 120,1
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B. 19
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29. Jun.
[2S«1
388 Technische Chronologie.
Tafel m.
Der calllppische Kanon *).
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Der callippische Kanon.
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Technisclie Chronologie.
Der callippische Kanon.
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Ti^el IV.
Vergleichung des calllpplschen Kiinons
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28. Jun.
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28. Jun.
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18. Jun.
59
17. Jun.
B. 3
6. Jun.
B.22
6. Jun.
B.41
7. Jun.
B.60
7. Jun.
4
25. Jun.
23
25. Jun.
42
25. Jun.
61
26. Jun.
B. 5
l4. Jun.
B.24
l4. Jun.
B.43
l4. Jun.
B.62
l4. Jun.
6
2. Jul.
25
3. Jul.
44
3. Jul.
63
3. Jul.
7
22. Jun.
26
22, Jun.
45
22. Jun.
64
22. Jun.
B. 8
11. Jun.
B.27
11. Jun.
B.46
11. Jun.
B.65
12. Jun.
9 30. Jun.
28
30. Jun.
47
30. Jun.
66
30. Jun.
10 18. Jun.
29
19. Jun.
48
19. Jun:
67
19. Jun.
B.U
8. Jun.
B. 30
8. Jun.
B.49
8. Jun.
B.68
8. Jun.
12
27. Jun,
31
27. Jun.
50
26. Jun.
69
27. Jun.
B. 13
16. Jun.
B.32
l6. Jun.
B.51
16. Jun.
B.70
16. Jun.
iA
4. Jul.
33
5. Jul.
52
5. Jul.
71
5. Jul.
15
23. Jun.
34
23. Jun.
53
24. Jun.
72
24. Jun.
B. 16
13. Jun.
B.35
13. Jun.
B.54
12. Jun.
B.73
13. Jun.
17
2. Jul.
36
l.Jul.
55
' l.Jul.
74
l.Jul.
18
20. Jun.
37
21. Jun.
56 21. Jun.
75
21. Jun.
B. 19
9. Jun.
B.38
9. Jun.
B. 57| 10. Jun.
B.76
10. JUD.
393 Technische Chronologie.
Von dem Gebrauch vorstebender Tafebi ist oben
(334, 335, 349) das Nöthige gesagt worden. Hier nur
noch die Bemerkung, dafs die erste callippische Periode
mit Ol. 112,3 im Sommer 330, die zweite mit Ol. 131 3
im Sommer 254, die dritte mit Ol. 150,3 im Sommer
178 v.Chr. ihi^n Anfang genommen hat. Ob diese
Zeitrechnung noch länger unverModert gebiieben , oder
ob die Verbesserung, die sie durch den Astronomen
Hipparch, der wähix:nd ihrer dritten Periode beob-
achtete, erfahren haben soll (352), m Athen oder
sonst irgendwo ins Leben geU^eten ist, wissen wir
nicht mit Sicherheit.
Vierter Abschnitt.
Zeitrechnntij^ der Macedonier, asia-
tischen Griechen und Syrer.
twwv*f%^tv%n/%
D
^e MaoedoTiieT waren dem Ui*sprunge, der Sprache
und den Sitten nacli den Griechen yei'wandt, wenn sie
diesen gleich an Cullur sehr nachstanden, und ihnen
daher, selbst noch zu Demosthenes Zeil, für ein halb
barbarisches Volk galten. Man wird also leicht eraeh-
ten^ dafii auch ihre ZeitrcchnuDg einen der griechischen
analogen Charakter gehabt haben müsse, und hiei*an
lassen die Nachrichten, die von dem altera Zustande
derselben auf uns gekommen sind, auch wu*klich nicht
zweifeln, so zerstreut und dürftig sie sein mögen.
Ihre Monate, über deren Namen und Anordnung
nie ein Streit geherrscht hat, waren folgende:
1)
Aiog
Dius.
2)
'AtteXXcuo^
Apelläus.
3)
Avdwouo^
Audynäus.
4)
Uepmo^
Peritius.
5)
Avfpog
Dystrus.
6)
iSjoy^-uco^
Xanthicus.
7)
'Apniiio'iog
Artemisius.
8)
Aaurio$
Däsius.
9)
nÄVCjüiog
Panemus.
10)
A<?05
Löus.
11)
TopTTUUO^
Gorpiäus.
12)
'TmpßspsTOUog
Hyperberetäus.
394 Technische Chronologie.
Für Udninß^ kommt auf Denkmälern auch Ilayijpog vor.
Es findet sich nii^nds bemerkt, daüs das macedonische
Jahr mit dem Dias anfing, ah<er wohl, dals es mit dem
Hyperberetäus endigte. Z e n o b i u s versichert dies ')
bei Gelegenheit der EriJärung eines SpricI^worls , und
nach ihm Suidas ')•
Dafs die maoedonischen Monate nach den Mond-
phasen abgemessen waren, bt meines Wissens nur von
Usher ^), Longuerue ^) und Hrn. Champollion-
Figeac *) bezweifeit worden. Der erste, dem der zweite
in der Hauptsache beitritt, glaubt, dafa das Sonnen)ai\ir
mit maoedonischen Monaten, welches wir seit den
ecslea Jahrhunderten unserer Zeitrechnung in Kkin*
asien und Syrien antreflen, in Macedonien bereits seit
Alexander im Gebtauch gewesen sei. Der dritte hat
neuerdings die Hypothese auigesteUt, dafs die Maoedo-
nier ein Jahr von 354 Tagen ohne alle Einschaltung
gehabt haben, dessen Monate mithin in etwa drei und
dreüsig unserer Jahre den ganzen Cjdus der Jahrszei-
ten durdilielen. Er nennt ein solches Jahr ein Moiid.-
*) napc2 Moxi^oVcy • TiXtirrarof pijr vov Ivmvtov *Tinpßtp»raiec
my^i^. Proverb, Cent. VI, no. 30.
') Y. 'TmpßipiTaftOC.
') lacobi Usserii de Macedonum et Jsianorum anno so-
iari dissertatio , cum Graecorum astronomorum paraptgmate
ad Macedonici et luiiani anni rationes accommodato , der gen-
fei' Ausgabe seiner Jnnales veteris et novi TV^tome/i/i (1722, Fol )
beigednickt.
*) In der Abhandlung De anno solari Macedonum. S. seine
DUsertationes de variis epochis et anni/orma veterum (Leip-
zig 1750, 4) p.l ff.
") AnnalcM des Lagides Tom. I, in dem Ahscltniu über die
Epoche Ton Akxander'i Tode, p. 60- 178.
Magbdonibr und Strbr. 396
jähr, und die abwechselnd ans neun und zwanzig und
dreifkig Tagen besiehenden Monate Mondmonate , ohne
zu bedenken, dafs das eigentliche Mondjahr beinahe
neun Stunden länger ist, dals also ein Kalender, der'
diesen Ueberschuis unberücksichtigt Itiist, schon nach
wenigen Jahren merklich vom Monde abweichen mnfa.
Das Sonderbare einer solchen Zeitrechnung, die sidi
weder mit der Sonne noch mit dem Monde ausgleicht,
würde yon den allen Schriftstellern gewiis nicht uner-
wähnt geblieben sein , wenn sie wiirklich bei den Mace*
doniem im Gebraueh gewesen wäre ; aber nirgends fin-
det sich die mindeste Spur davon.
Das Wahre von der Sache ist, dafs die Macedonier
vor Annahme des julianischen Kalenders gleich allen
übrigen Griechen ein gebundenes Mondjahr gehabt
haben« Dies erhellet zuvörderst daraus, dafs nirgends,
wo macedbnische und attische Monate mit einander ver-
glichen vorkommen, eine Yerscbiedenheit ihres Gehalts
angedeutet wird , was doch der Fall sein müfste , wenn
die gedachten Gelehrten Recht hätten. So heilst es in
einem Schreiben, das Philippus von Maoedonien, als er
von den Amphictyonen zum Heerführer der Griechen
gegen die Locrer von Ampbissa ernannt worden war,
an die Feloponneser erliefs: „Begebt euch mit Waffen
„und Lebensmitteln auf vierzig Tage versehen nadi
„Fbocis, im gegenwartigen Monat, den wir Lous, die
,, Athener Boedromion, die Corinther Panemus
„nennen ').^' Offenbar waren diese Monate von gleichem
BorfiponiSvog, taq }^Kop(Vi&(«t Ilaytfiev. Demosthenes de Corona,
Orat. Graeci Vol. I, p.2W.
396 TecJmische Chronologie.
Chankter , da sie in einem militäriachen , grolae Be*
slimmüieit erfordernden, Befehl so ohne alle Beschrän-
kung zusammengestellt werden. I
Einen iemei*n Beweis, dafs die maoedonischen Mo-
nate nach den Uoudphasen abgemessen wuitlen, geben |
drei von Plolemäus angeführte, von dtnCbaldäem zu I
Babylon angeslelile, Beobachtungen des Merkur und Sa*
turn C^05, 223). Sie sind durch maoedoaische und, eben
so, wie alle übrige von ihm angefübrle Beobachlungen,
durah agyi)lische Data und Jahre der nabonassarischen
Aere bezeichnet. Auf den julianischen Kalender ixHlucirt
ist die erale am 19. November Morgens im Jahr 245, die
iweile am 30. Okiober Moi*gens im Jahr 237 und die
drille am 1. Man Abends im Jahr 229 v.Chr. angestellt
worden. Das roacedonische Datum der ej*sten ist der
5. Apelläus, das der zweiten der l4.Dius, das der drit-
ten der 5. Xanlhicus. Da die Maoedonier iht^e Tage
höchst wahi^heinlich eben so, wie alle iibri^ Griechen
des Abends angefangen haben, und die Cbaldäer ihnen
beim Gebrauch ihrer Monate hierin vermuChVich g^foAgt
sind, so hat der Apelläus im Jahr 245 am 14. Novem«
ber, der Dius im Jahr 237 den 16. Oktober und der
Xanlhicus im Jahr 229 den 26. Febiiiar begonnen.
Die entsprechenden wahren Neumonde ereigneten sich
nach meiner Berechnung den 13. November um 1 U. 40'
Morgens, den 15. Oktober um 10 U. 43' Abends, und
den 24. Februair um ilU.l' Moi*gens nach mittlerer
babylonischer Zeit« ErwSgt man nun, dafs die erste
Erscheinung der Mondsichel in der Abenddämmerung,
die den Anfang der griechischen Monate bedingte, erst
einen oder zwei Tage nach dem wahren Neumonde ein-
treten kann, so wird man zugestehen müsseui dala diese
Magedonier und Streb. 397
drei Monate sehr gut mit dem Himmel übereinstimm-
ten, was man doch nicht etwa fiir einen blofsen Zu*
fall halten ivird.
Wir finden hier die maoedonischen Monate in Ba-
bylon. Nach Malelas war es Seleucus Nicator,
der Stifter des seleu<;idiscthen Reichs, der die syrischen
Monate mit macedonischen Namen zu benennen ger-
bet *)• Es ist möglich, dals er den macedonischen Mo«
naten zuei'st den gesetzlichen Stempel aufdrückte; sie
waren aber gewi(s schon früher durah Alexander nach
Babylon gekommen. Dui*ch die Eroberungen dieses Kö«
nigs wurden sie weit über Asien verbrailet, besonders
seitdem seine FeldiieiTen sich in sein git>fses Reich ge-
tlieilty und in die voraehmslen iheils vorgefundenen,
theils neuerbaulen Sudte niiliiarische Kolonien einge-
führt halten. Die asiatischen Völker machten sich nun
unter andern Instituten auch die Jabrform und Monats-
namen der Maoedonier zu eigen, so wie späterhin fast
alle Provinzen des römischen Reichs den julianischen
ILalender von ihren Beherrschex*n annahmen.
Besonders häuGg treffen wir die macedonischen Mo-
nate in Kleinasien und Syrien seit dem ersten Jahrhun-
dert unserer Zeitrechnung an, wo sie in Sonnenmonate
umgeprägt ei*8cheinen. Aber auch schon früher kom-"
men sie hin und wieder aufser den Glänzen des Mut-
terlandes in ihrer ui*sprÜDgIichen Gestalt vor. So steht
in der Inschrift von Rosette neben dem IS. Mechir
MtUvof ovofui^t^Bmt. Mist. Chron. ( Oxford 1691 ) Th. I, S. 257.
398 Techmsche Chronologie.
der Ägypter der 4. Xanthicus der Maoedonier ^). Das
jcdianiache Datum ist, wie oben (123) geaeigt worden,
der 27. März 196 v.Chr. Der Xanthicus nahm hiernach
am Abend des 23. Mara seinen An&ng. Da sich nun
der wahre Neumond nach meiner Berechnung zu Mem-
phis den 20. März um 8U. Abends ereignete, so sieht
man, dafii auch dieser Monat seinen Innariseiien Cha-
rakter nicht verleugnet, wenn er gldch richtiger um
einen oder zwei Tage früher hatte anfangen sotten.
Dann wird eben dieses Xanthicus auch ein paar-
mal im zweiten Buche der Makkabaer gedacht ^) , bei
Gelegenheit der Friedensunlerhandlungen zwischen dem
Antiochus Eupator und den Makkabäem. Eben da-
selbst^) ist ein Schreiben, weldies Lysias, der Vormund
und General dieses Kcinigs, an die Juden erlieft, vom
24sten des Monats Aio^co/oivS'fou datirt. Man hat Autu
Kopu^im) emendiren wollen, in der Voraussetzung, dais
ein corinthischer Monat des Namens Dius gemeint
sei. Allein nicht zu gedenken, dais ein solcher nir*
gends weiter vorkommt, begreift man nicht, wie ein
syro-macedonischer Feldherr ein offizielles Schreiben an
die Juden nach einem corinthischen Monat habe datiren
können. Vermuthlich ist die Lesart Dioscori der
*) BCan sieht hieraut, dafs wenigstens unter den friiliem Pto-
lemäem die macedoniscben Monate, ab die vaterländischen der
heiTschcnden Dynastie, in öffentlichen Acten neben den ägyp-
tischen genannt wurden. Späterhin scheint dies nich^ mehr ge-
schehen zu sein. Wenigstens kommt in dem Raufcontract
des Nechutes (124) kein maccdonisches Datum weitei* top.
*) XI, 30 und 33.
') ▼.21.
Maoedonier und Strer. 399
Yttlgata die ricbtige. Im Etymologicum Magnnm
nämlich kommt Atognopo^ als Name eines Monats vor ^).
Auch findet sich ein solcher, wie wir unten seben wer-
den, im Kalender der Creter. Scaliger glaubt nun '),
dafs der Schaltmonat der Macedonier, der sonst niiv
gends erwähnt wird, Dioscorus oder Dioscurus ge-
heifsen habe, eine Hypothese, die bei den Chronologen
vielen Beifall gefunden bat. Nur über die Stellung
dieses Schaltmonats ist man nicht ganz einig. Der
Pater Frölioh ') nimmt an, dafe er deto Hyperbere^
täus , dem letzten Monat des macedonischen Jahrs , ge-
folgt sei. Dies mufs auch die Meinung des syrischen
Uebersetzers gewesen sein, der statt Dioscorus den zwei-
ten Thischri schreibt; der Thischri der Hebräer oder
erste Thischri der Syrer, wird aber- yom losephus
mit dem Hyperberetäus verglichen. Den chronologischen
Schwierigkeiten, die sich bei dieser Ansicht ergeben,
weifs Frölich nicht anders als dadui*ch zu begegnen,
dafs er den Verfasser des zweiten Buchs der Makkabäer
für einen verworrenen Gesdiichtschreiber erklärt. Statt
jedoch diesen Vorwurf, im vorliegenden Falle ohne Noth,
auf ihm haften zu lassen, wollen wir lieber annehmen,
dafs der Scbaltmonat im syrischen Jahr, eben so wie
im jüdischen, zunächst vor dem Nifisan oder Xanthicus
herging, wenn gleich das Jahr selbst nach macedonischer
Weise im Herbst angefangen wurde. Dann kann, wie
es der jüdische Historiker darstellt, das vom 15. Xan-
') ^"Rg-LV OVOfJLA fU]VO(.
*) Emend, temp. 1. 11, p.94.
^) Annales compendiarii Regum et rerum Syriae numis
tyeteribus illustrati, prol. 11, 4, p. 27.
400 Technische Chronologie.
thicas datirle Schreiben des Antioclius an die Joden
nnmitlelbar auf das Schreiben des Lysias vom 24. Dios-
conis gefolgt sein , sUU dafs wir nach der frölichschen
Hypothese zwischen beide Data einen Zeitraum von ei-
nem halben Jahr seUen müfslen. Dais übrigens der
Name des maoedonischen Schaltmonals sich in keinem
Menologiam findet, darf niemand befremden; aJIe aus
dem Allerthum auf uns gekommene Verzeichnisse von
Monalen, z.B. die im Anhange zu des Henri cus
Stephanus griechischem Lexicon, sind aus späterer
Zeit, wo das macedonische Jahr schon den CharaVxer
des Sonnenjahrs angenommen hatte, mithin von einem
Schaltmonal nicht weiter die Rede sein konnte. Wird
doch auch der Mame des vor Julius Cäsar bei den Rö-
mern gebräuchlichen Schaltmonats nur ein paarmalil
ganz gelegentlich vom Pinta rch erwähnt.
Auch losephu's bezeichnet in seinen jüdischen AI-
terthümern und noch häufiger in seiner Geschichte
des jüdischen Krieges die Monate mit den Ntktnen^
die sie bei den Macedoniem fühilen. Scaliger und
U s h e r haben geglaubt , dafs er damit die spätem
sjromacedonischen Sonnenmonate andeuten wolle, die,
wie unten erhellen wird, .mit den julianischen ganz
parallel liefen; allein Petavius und besonders Noris^)
sind der richtigem Meinung, dafs er von den jüdischen
*) Annus et Epochae Sjrromacedonum in vetustis urbium
Sjrriae numis expositae, disÄcrl. I , c. 3, p.44 ff. Ich bediene
mich der leipziger Ausgabe von 1696, 4. Die erste ei-schien
Florenz 1689. Dieses vortreffliche Werk findet sich auch im
swciten Bande der sammllichen 4729 zu Verona in fünf Folio-
banden gedruckten Werke des gelehrten Yeriknen, der als Kar-
dinal gestorben ist.
Magbdoitiee und Strsr. 401
Ifenaten 9jpied^, denen er die den Griechen gdänfigem
madedonischen Namen unterschiebt , ( so dafs auck be}
ihm die maoedonischen Monate ihren nr^parünglichen
Charakter behaupten. .. Die Richtigkeit dieser Ansicht
setzen unter andern folgende Stellen auiser Zweifel«
In den jüdischen Alterthiimern yergleicht er den
Dius mit dem .Marcheschvan und den Xanthicus mit
dem Nisan der Hebräer *). In demselben Werke *)
sagt er: „Im Monat Xanthicus, der bei uns Nisan ge-
),nannt wird und der erste im Jahr- ist, und zwar am
, , vierzehnten Tage nach dem Mo n de — xarci aiKr\yyiv —
,,wird das Passahopfer dargebracht." Man sieht, dafs
hier der Xanthicus, mit dem Nisan zusanimengestellt,
deutlich als ein Mbndmonat bezeichnet wird. An
noch einer andern Stelle dieses Werks ') bemerkt er,
der Tempel zu Jerusalem sei Ton Judas Maccabäus am
25. Kisley, den die Macedonier Apellaus nennten;
gereinigt worden, da er dm Jahre zuvor an demsel-
ben Tage, nämlich am 25. Apellaus, von Antiochus
Epiphanes entweiht worden sei. In den Büchern
vom )üdischen Kriege eagt er *), die Römer bMt^
ten den Tempel zerstört am 10; Lous, an weldiem
auch der erste Tempel von den Babyloniem verbrannt
worden sei. Dies geschah aber, wie der Zeitgenosse
Jeremias berichtet '), am 10. des fünften Mobali
fA^va «pvroy htl taXi lopTÄTc wpco^. I, 3, 3. -
») ni, 10, 5. Vergl> De belio lud. V, 3, 1.
') xn, 7, 6.
*) VI, 4, 5.
•) Ln. 42.
I. [26]
402 Teeknäche Chronohgki .
der Hebrlieri d. i; des Abv Den lu Folge «lunmai cKe
jädiaclieii und maoedonisebett Moiufte beim losephut
folgendermafien insamineii: -
Niaan^
Xantbicus.
I)ar
Artemisius.
Sivan
Da« in 8«
Tbamua
Panemas.
Ab
Lous«
Elal
Gorpians.
Tbiscbri
Hyperberetius.
Marcbeachvan
Diu5.
Kislev
Apelläas.
Tebetb
Audjnäaa.
Schebat
Peritius.
Adar
Djstrus.
Nacbdem wir uns nun übenengt haben, dafi die
maoedoniflcben Monate urspvungliob nadb dem Monde ge-
ordnet waren, müssen wir ihr Yerhültaiis m den atli-
scben Monaten und zu den Jahrsseilen untersuchen.
In dem (395) erwähnten Briefe des PhiWp^ns
wird' der Lous mit dem Boedromion ^er Athener ta-
sammengestellt. Pluta^oh dagegen verglekihts wo er
Ton der Geburt' Akxander's spricht, den Lous mit dem
HekatombHon '), iind seUt die Schlacht am Granicus
bald in den Däsios der Maeedonier, bald in denThar-
gelion der Athener '). Wir haben hiemach folgende
nMvtg Alfov KaXpuenir, liety^, , JTää Alex. c. 3.
*) Ebcnd. c. 16. rita Camilli c. 19. Im Leben des Arttas
c. 53 stellt 61* den Däsius mit dem Anthesterion Basammen. Br
meint aber den sicyonischen Dasius.
Magbdonijse und Stkbr.
403
nvei ganz Tenchiedene Yerglftichringeii der miioedo-
lischen und attaacbeiL Momate:
If acedonische Entsprechende attische.'
Monate. Nach Philtppus Briefe«^ '• Nadi PlütaktJi;* '
Dius
Poseidebn
Pyanepsion«
Apelläus
Gainelion
Mämakterion»
Audynäus
' , Authesterion
Poseideon. .
Peritius
Elaphebolion
Gamelion.
Dystrus
Munychion
Anihesterion.
Xantbicus
Tbai-gelion
Elaphebolion.
Artemisios
Skirqphorion
Munychion.
Däsius
Hekatombaon
Thargelion.
Panemus
Metageitnion
Skirophorion.
Lous
. Boedromion
Hekatombaon.
Gorpiäus
Pyanepsion
Metageitnion,
Hyperberetäus
Mämakterion
Boedromion.
ils ist die Frage, wie taan sich dieae Yerschiddenlkit
n erklären habe, eine. Frage, die dadurch ein besimr
leres Interesse gewinnt, dais sie mit- der Bieatimmung
[er Epoche von Akzander's Tode, bei der di^ Chrono^
ogen um nicht weniger ala zehn-Hdnate .von einander
bweichen, zusammenhfingt. Idh habe diesen Ge^^ei^
tand 1821 in einer akademischen Yoorlesujig üiiex dkl
^ocles)ahrAlexa,nder's desG^ofseii^.] einer aua*>
ihrlichen Untersuchung^ unterworfen, bei der ^or alleii
lingen das Wesen der frühem macedonischenZBitrechf?
lung. zur Sprache kommen muftte. Die Erlebnisse werde
ch hier in der Kürze vorlegen;
*) Abhandlungen der berliner^Akadem-ie der Wis-
enschaften aus den Jahren 1820 und 1821.
(26*1
i04 Teclmisd^ Chronohgie.
• Mehrere Altertbiiinsfbrsdier sind -der M eiDung g
'vvesen, dafs eine der beiden obigen ZaaammensteUun;
der maoedonischen und altisclien Monate unrichüg se
Corsini. bat den Gedanken gehabt '), dafs in Tbüifp
Briefe Hekatömbäbn statt Boedromion gelesen wa
den müsse; denn er setzt das Schraben in Ol. 110,i
und sucht nun aus den Umständen, die es yeranlaü
und begleitet haben, wahrscheinlich zu machen, dai
nur vom Hekatombäon die Rede sein könne. AJieii
Taylor zeigt in seinen Anmerkungen zur angezogena
Stelle des Demosthenes *) auf eine biindige Vfei«;
dafi» der Brief schon Ol. 110,2 geschrieben sei, undgii
wohl vom Boedromion datirt sein könne.
Andere dagegen haben geglaubt, da& Plutarcl
bei der Reduction des Däsius und Lous auf den at-
tischen Kalender irrigerweise die Stellung, ^velcbe
die macedonischen Monate zu seiner Zeit halten, aal
Akxander's Zeit übergetragen habe. Wir finden mof
lieh in dem spätern maoedonischen Sonnenjahr, dij
erst nach Tnlius Qisar eingeführt worden ist, den Kl
siua und Lous ungefähr in demselben Verliälinlfs zu den
Jakrszeiten, in -welchem sich der Thargelion und Heka^
tembäott befiinden. Es ist alleixlings möglich, dafe beisi
Flutarch iakche Reductionen im Spiel sind. Weoii
man aber glaubt,« dafs sich der ^tere macedonisdM
Kalender gc^en den fi-ühern erst beim Uebergange de
Mbndjahrs in das Sonnenjahr yerscfaoben habe^ »
inrt'man; denn schon viel früher standen die maoed<^
nischen Monate in dem Yerhfiltnisse zu den atüsclieD
•> F, J. 3, 20 ff. Vcrgl. VisseH. agon. Wem. 14.
?) S.700. .
Maceponjer Imd Stesr. 406
in welchem sie beim Plutarch ersdieinen. Die drei
ol)en (396) gedfi^ctiten astronomischen Beobachtungen im
A.lmagest lassen, hieran nicht zweifeln; denn wenn
w^ir gleich die Dauer der einzelnen macedonischen- Mo-
nate nicht mit Sicherheit kennen» so ist doch so viel
gewifs, dafs der Lous im Jahr 245. y.Chr« um den
IS. Julius, im Jahr 237 um den 20. Julius, imd im
lahr 230 um den 3. Julius ange&ngen , mithin schon
damals eine ähnliche Stellung im Sonnenjahr gehabt
hat, wie der Hekatombäon.
Da dies also bereits im dritten Jahrhundert vor
unserer Zeitrechnung der Fall war, so ist die Hypo-
these mehrerer der achtbarsten Chronologen, eines
Scaliger, Dodwell, Noris, nicht unwahrschein-
lich, dafs die Veränderung in der Stellung der mace-
donischen Monate, wodurch der Lous aus der Gegend
des Boedix>mion in die des Hekatombäon geschoben
wurde, bald nach Alexander's Regierupgsantritt vor sich
gegangen sein müsse. Wer eine ^Iche Verschiebung
der Monate nicht für möglich hält;^ bedenke, dals der
Sinn für die eiserne Festigkeit des Kalenders, an die
wir gewöhnt sind, bei den Alten erst durch Cäsar's
Reform geweckt woixlen ist. Wenn Alexander, als er
die Schlacht am Granicus liefern wollte, an die Stelle
des Däsius einen zweiten Artemisius zu setzen gebot,
weil man ihn warnte, den Däsius, in welchem die ma-
cedonischen Könige nie den Feind ange.grifien , nicht
durch eine Schlacht zu entweihen ^), so blieb der Be-
fehl zwar unausgeführt, weil es dem Könige offenbar
nur auf eine augenblickliche Beruhigung seiner aber-
*) Plut. vUa Alex. c.i6.
406 Teehnache Chronologie.
gliiibigen GenenJe angekommen war; es geht doch ak
daram die Möglichkeit hervor, dab jene Yerschiebiinf
dindi einen Ähnlichen Machlspmch herbeigefiihit sm
ISnne. Welche Freiheit der schwankende ZuslancI (fe
damaligen maoedonischen Kalenders in dieser Hinsict
gesuttete^ khrt noch ein anderes Factum dieser Art, dt
uns die Geschichte aufbewahrt hat *). Bei der Belage
rang von Tyrus verkündigte der Hamspez Aristande;
die Stodt weide noch in demselben Monat cingenomnif:
weiden. Alle lachten, weil es schon der leUte Mona!>
tag ^rpioxct^— war; allein der König befahl, um cles
Ansprach des Wahrsagei-s ' in Ehren zu halten, daii
man den Monat um iwei Tage zurückdatiren solle.
Ist die gedachte Hypothese wirklich g^rnndet,
wie ich nicht beziM6ifele, so mtissen wu* annehmen, daß
•ich Plutarch Mofs'in der Reduction des Lous auf des
attischen Kalender geirrt hat, dals also Alezander nick
im Hekalombäon , sondern im Boedromion geboren ist,
der damals noch mit dem Lous übereinstimmte, T^orac
der später geschriebene Brief des PhiUppus nic\it zwei-
feln läfst. Das Geburtsjahr ist 01.106,1. Da nun
nach Arrian's Versicherung Arislobulus, einer der
Begleiter und Geschichtschreiber Alexander's, dessen
Lebensdauer auf zwei und di^ifsig Jahre und acht Mo-
nate geseut hat *) , so müfste der König Ol. 114,1 im
Thargelion gestorben sein, und auf eben diese Zeit fuhrt
folgende Combination. Plutarch gibt ein Bmchstod
aus den Tagebüchern — 'E<Jwjppföe5 — , dieDiodolus
*) Plut. Vita Alex. c.25.
*) 'Eß/w l\ >uo waX T^ittMina Inj, tud rov TptTOv p^M« istXcßsr
biti, i( Xfyti *Apir»ßouXoc. £xp, Alex. YH, 28.
Macbdokibk und Strsr. 407
«HS ErjdiTä und Eumenes ausCardia über Alexander'«
Feldzüge geiiihrt hatten *). In demfielben sind die
Umstände seiner letzten Krankheit aufgezeichnet, Tom
SS.Däsius bis nun 28sten, wo er gegen Abend starb'),
Aristobulus hatte den Tod swei Tage später gesetzt,
auf die T/oioMo; des Däsius ^). Der Dtfsius entsprach aber
nach Plutarch dem Thargelion. Als Todesjahr des Kö-
nigs nennt Arrlan auf die Autorität des Aristobulus
dasjenige der ein hundert vieneehnten Olympiade, wo
Hegesias Arehon war^), d.i. das erste. Hiemach ist
also Alezander Ol. 114,1 im Thargelion gestorben. Zu
Athen war damals noch der metonsche Cydus im Ge-
Inrauch (351). Lief nun der Däsius Ol. 114,1 dem Thar-
gelion parallel, so ist der Tod entweder am Uten oder
13. Junius 323 y. Chr. erfolgt, je. nachdem wir ihn mit
den .Tagebüchern auf den 28sten oder mit Aristobulus
auf den 30. Däsius setzen. .
Dieses Ei^bniis ist nach allem, was wir von
der frühem maoedonischen Zeitrechnung wissen oder
schlieiken . können , ungemein wahrscheinlich , und es
treten demsdben daher auch Söaliger, Usher,
Dodwell, Des-Vignoles und meines Wissens
alle deutsche Chronologen in so fem bei , ^ dais sie den
^) yita JUx. €.76. Die Verfasser nennt Athenäns l^JC,
p.434.
*) Es schltefat mit den Worten: Tjjf tpiTv) ^l¥0)nog (Aata-lw)
irpoc ^ttXviv aviBavtv. Dafs der Monat zu den yoUen gehörte,
also die Tpmi ^^Ivomog der 28ste war, erhellet daraus, dais in
dem Bruchstück auch die hxan] fd/yoyroc genannt wird.
») Ebcnd. €.75.
*OXv|i«ia^(, M 'B^Wtfv apx^i^o^ *Adi|n)«'ii^. A. ft. O.
408 Technische Chronologte.
Tod des Königs an den Seh Inf s des ersten Jahrs der
ll4ten Olympiade setzen. Mur die franiSsischen Chro*
ttologea mit Petavius an ihrer Spitze können sich
nicht überzeugen, dafs zu Alexander's Zeiten eine solche
Aenderung mit den macedonischen Monaten YOi^egan-
gen sein sollte, wodurch der Lous aus der Stelle des
Boedromion in die des Hekatombäon geschoben wurde.
Sie wollen daher den Tod des Königs lieber in den
Hekatomlwon, dem damals noch der Diisius entsprochen
haben soll, also in den Anfang des Olympiaden jahrs
setzen, und so würde diese Epoche um ganze zehn
Monat bis zum Sommer 324 v.Chr. zurückweichen.
Man sollte es nicht für möglich halten, dafs über
die Zeitbestimmung eines so folgenreichen Ereignisses
eine solche Verschiedenheit der Meinungen Statt finden
könne. Es lassen sich jedoch wii*klich mehrere Gründe
für beide Ansichten aufstellen, wie idi in der gedach-
ten Vorlesung gezeigt habe. Wer aber dieselben ohne
Vomrtheil prüft, wird mit mir diejenigen gewifs iiir
überzeugender hallen, die auf« den Thargelion führen.
Unter diesen hat für mich besonders der ein grofses
Gewicht, der von dem Regen tenkanon enüebnt, und
bereits oben (120) entwickelt worden ist.
Neueitllngs hat Hr. Champollion-Figeac
den Tod des Königs gar in den Thargelion des Jahrs
Ol. 1 13,4 setzen wollen. Allein seine Meinung ist zu we-
nig begründet, als dafs sie bei irgend einem Gelehrten,
der sie zu würdigen weifs, Eingang finden könnte.
Was den Schaltcyclus der Macedonier beü-ifft,
so läfst sich über das Verhältnis desselben zum at-
tischen aus den wenigen macedonischen DaUs im AI-
magest und der Inschrift von Rosette, den
MACBDomiER lind Streb. 409
einzigen Anhaltipnnkten , die' vrir in dieser Beziehnng
haben, nichts sicheres, ja nur iivahrscheinh'cbes folgern.
Hr. Saint- Martin gßht darüber in Vermuthungen
ein *)y denen die Hypothese zum Grunde liegt, da(s
die Maoedonier zuerst den metonschien Cyclus und nach-
mals die callippische Periode gebraucht haben. Allein
er legt offenbar zu viel Gewicht auf eine den Fix*
Sternerscheinungen d<es,Ptolemäus von spä-
terer Hand beigefügte Notiz, nach welcher Meton die
Beobachtungen, die seinem Kalender zur Grundlage
dienten, zu Athen, auf den Cycladen, in Macedonien
(wovon der Rüstenstrich damals unter der Herrschaft
Athens stand) und in Thracien angestellt haben soll.
Schwerlich sind die maoedonischen Monate, so
lange sie noch nach dem Monde abgemessen wuiden,
von Macedonien bis Babylon 'auf übereinstimmige Weise
gebraucht worden , da die zahlrdchen yölker , die sich
ihrer bedienten, unter sehr verschiedenen Regierungen
und in geringem wechselseitigen Verkehr lebten. So
viel ist aber gewifs, dafs sie unter der römischen Herr-
schaft, wo sie in Sonnenmonale umgeprägt erscheinen,
bei den Schrifutellern und auf Denkmälern in dem
mannigfachsten Yerhällnifs zu den römischen gefunden
weisen, und dafs es sorgfältiger Untersuchungen bedurft
hat, um ihnen überall ihre richtige Stelle anzuweisen.
Sehr viel'haben in dieser Hinsicht Usber und Noris
geleistet« Wenn 'wir jetzt über mehrere von ihnen
zweifelhaft gelassene Punkte zuversichtlicher urtheilen
*) In seinem Werke: Nouvelles Recherckes sur Vipoque
de la mort d^ Alexandre ei sur la Chronologie des PtoUmäes.
Paris 1820, 8.
410 Technische Clironologie.
können, so haben wir dies dem merkwötdigen flo-^
rentin er Hemerologinm. £U danken, das ihnen nn-
bdiannt geblieben ist.
Diese für die JSeilreohnnng der asiatischen Vol-
ker wichtige Urkunde findet sich in einem Clodei der
mediceischen Bibliothek , der die Handtafeln. des
Ptolemäus nebst dem Cominentar des Theon ent-
hält *). Unter dem Titel ^RfJLSpdkQytcy jühjvwv iia4>6pu}¥ ^oL
kswv gibt sie einen yollsUndigen römischen Kalender
Tom Janmar an, verglichen mit den Kalendern der
Aleaandriner, Griechen, Tyrier, Araber, Si-
donier,iHeliopoliter, Lycier, A&ianer, Gre^
ter, Cyprier, Ephesier, Bithjnier und Cappa-
d o ci er ')« Zuerst hat dieses Hemeit)logium Johann
Massen nma Jahr 1715 auf acht und scwanzig Folio-
seilen ans Licht gestellt, welcher Abdruck aber 2U den
litterariscben ' Seltenheilen .gehört^). , Bekannter wurde
es, als Lami in seinen Nov^eUe letierarie die lateinisch
geschridsenen Namen der. Monate nebst den Tagen ili-
^) S. Bandini Catalogus Codd, Gmecqrum Biblioth, Iaiu^
rent, Tom. II, p. 46 ff.
*) Die von U s h e r im yierten Kapitel seiner oben {d9i) er-
wähnten Dissertatio aus einer savilianiscben Handschrift mitge-
theilte Tafel, worin der Januanus der Römer mit den enlspi-ccbcn-
den Monaten obiger dreizehn Städte und Y6lker verglichen vird,
ist offenlMv aus unoeitn Uemerologium geschopfu
^) Er hatte die Absicht ein Werk unter dm Titel: Annus
solaris anliquus a variis in Oriente populis et urhibus usu ci'
vili olim usurpatus herauszugeben, dessen Nichlci*scheinung dem
Frospectus nach zu urtheilen, den er davon im -zweiten Bande
dei* Histoire criti^ue de la R^ublique des lettres S. 2^ ff.
gegeben hat, zu bedauern ist.
Magedonier und Syrer. 411
res Anfangs im TÖmischen Kalender mittheiite^). Das-
selbe Yriederhohlte einige Jahre später Everardo
Audrichi'), nur dafs er die Monatsnamen griechisch
gab und einige Erläuterungen hinzufugte. Beide Ge-
lehrte kannten noch nicht das Dasein eines zweiten in
einer Handschrift der leidner Bibliothek befindlichen
Hemerologiums, das sich nur in so fem von dem flo-
rentiner unterscheidet, als es statt der Kalender der
Creter, Cyprier undEphesier die von Gaza, Ascalon
und Seteucia enthält'}. Im 47sten Bande der Me^
moires de l'Acad. des Inscriptions hat nachmals Sainte-
Croix die siebzehn Kalender beider Handschriften voll-
sUndig zusammengestellt, ohne jedoch für die Zeitrech-
nung der Völker und Städte, denen sie angehören, al-
len den Nutzen daraus zu ziehen, den sie bei näherer
Ansicht gewähren ^).
») 1748, HO. 1 und 17.
*) Institutiones Aniiquariae, quibus praesidia pro Graecis
Latinisque scriptoribus, nummis ei marmoribus facilius iniel*
ligendis proponuntur (Florenz 1756, 4) P. I, €.5.
^) S. VanderHagen Observationes in Theonis Jastos
Graecos priores p.317, 18.
*) Hr. Champollion-Figcac hat im Jahr 1815 der Classe
d'Histoire et de Liitärature ancienne des Instituts ein Memoire
surles CaUndriers compar^s de plusieurs peuples anciemsjOT'
gelegt, das sich mit diesem Hemerologium beschäftigt, aber nicht
gedruckt zu sein scheint. Ich kenne es nur aus der kurzen No-
tiz, die Hr. D a u n o u in seinem Exposi des travaux pour iSii
eH815 S. 65-67 davon gibt, und aus dem, was er selbst in
seiner Yertheidigungsschrift gegen Hm. Saint-Martin (278)
darüber sagt. Er versichert untei* andern gezeigt zu haben, wie
sich sämmtliche siebzehn Kalender für das Schaltjahr modifidrten.
Es wäre zu wünschen, dafs er wenigstens diesen Theil seinei* Ai^
beit bekannt machte.
412- Technische Chronologie.
ZuTÖrderst müssen wir den allgemeinen Charakter
der im eigentlichen Macedonien und in Kleinasien (be^
den Römern Asia proconsulaiis) gebrauchlichen Zeit-
rechnung kennen lernen. Eine Hauptslelle darüber fin-
det sich beim Galen us, der um die Mitte des zwei*
ten Jahrhunderts n.Chr. zu Pergamus lebte. ,,Wenn
,alle Völker einerlei Monate hätten, sagt er'), so
,wüi*de Hippocrates weder den Arktur, die Pieja-
,den, den Hund, noch die Nacbtgleichen undSonnen-
, wenden erwähnen. Er würde sich begnügt haben zu
, bemerken, dafs z.B. im Anfange des maoedouischen
, Monats Dius die Luft yon dieser oder jener Beschaf-
ifenheit sei. Da ihn indessen so nur die Maoedonier,
, nicht aber die Athener und übrigen Völker verstau-
,den haben würden, so hielt er es, um allen nüulich
,zu werden für rathsamer, blols die Nachtgleicbe zu
, nennen, ohne des Monats zu gedenken. Denn die
, Machtgleichen sind ein Weltereignifs, die Monate aber
, jedem Volke eigen thümlich. — Das Jahr zerfällt den
, Nachtgleichen und Sonnenwenden nach in vierTheile.
,Man wiixl also, wenn man von den Sternkundigen
,liört, welchen Monaten diese vier Jahi*szeiteu ent-
, sprechen, leicht die mit den Gestirnen einti^efTenden
,'Wechsel der Witterung ve]*folgen können. So z. B.
,wenn man weifs, dafs die lierbstnachrgleicbe auf den
, Anfang des macedonischen Monats Dius ffillt, findet
,man leicht, dafs die dm Monate später erfolgende
jWinterwende sich im Anfange des Peritius, femer
,die Frühlingsnachtgleiche im Anfange des Artemisius,
'} Comment, /. in Hippocr, Epidem. L L Opp* Hippocro'-
tu et Galeni Vol. IX , P. 2, p.8.
Mao£donibr und Strer. 413
), endlich die Sommerwende im Anfange de$ Ixms er-
,, eignet; denn die Nachigleicben und Sonnenwenden
,, treffen auf die Anfange* dieser bei den Macedoniern ge-
,,brtfuchlichen Monate. Wer sich also nun sagen lafst,
„dafs Arktur etwa zwölf Tage vor der Herbstnacht-
,, gleiche aufgeht, und die Plejaden etwa fünfzig Tage
,,nach derselben untergehen, wird ohne Schwierigkeit
,, berechnen, an welchen Monatstagen sich diese Phä«-
,,nomene zutragen, und in Ansehung der damit ver*
„knüpften Wechsel des Zustandes der Atmosphäre leicht
,,dem Hippocrates folgen können« Man mufs aber
,, dabei offenbar die Monate nicht nach dem Monde,
„wie es gegenwärtig in den meisten griechischen Sud-
,,ten geschieht, sondern nach der Sonne rechnen, wie
,,es bei allen asianischen ') und vielen andei*n Völkern
,, üblich ist." Weiterhin heiifst es noch: ,, Diejenigen,
,,die ihr Jahr nach dem Monde eintheilen, können die
,,Tage nicht angeben, an welchen die Nacht gleichen,
,, Sonnenwenden und Aufgange der Fixstei-ne erfolgen,
,,aber wohl diejenigen, die ihre Zeit nach der Sonne
„abmessen, wie die Römer, Macedonier, unsere Asia-*
,,ner und viele andere Völker/'
Man ersieht hieraus, dafs die Macedonier und Per-
gamener zu Galenus' Zeiten ein Sonnenjahr hat-
ten, das mit der Herbstnachtgleiche anfing, was auch
Simplicius mit den Worten bestätigt: „Die Athe-
„ner beginnen ihr Jahr um die Sommerwende, die
,, Bewohner des jetzt sogenannten Asiens um die Herbst-
,^ nachtgleiche , die Römer um die . Winter wende und
„die Araber und Damascener um die Frühlingsnacht-
*) Statt tS» ifxaiiav lieset Usher richtig tuit 'A»cww.
414 Technische Chronologie.
„gleiche 0*" Wenn, wie aich nicht bezweifdin lüitt«
das kleiAasiaiische Sonnenjahr nach dem röiniachen ge-
foxmt war, so müssen die yier von Galenus gedaidi-
ten Monate , Dlus , Peritins , Artemisius und Lous am
24. September, 25. December, 25. Mürz und 24. Juntos
oder doch in der Nähe angefangen haben; denn dies
sind die Data, denen in Cäsar 's Kalender die Nacht-
gleichen und Sonnenwenden entsprachen ')•
In unserm Hemerologiuni finden sich drei hieher
gehörige Kalender« Zuerst folgender der Asianer:
Namen der Monats. Anfang. Dauer.
KAI£APIO£ Cäsarius 2i. SepU 30 Tage.
TlB£PIO£ ^ Tiberius 24. Okt. 31 *
AÜATOTPIOS Apaturius 24. Nov. 31 -
nO££IAAS2N Poseidaon 25.Dec. 30 -
AHKAIOS Lenäus 24. Jan. 29 - .
I£PO£EBA£. Hierosebastns 22. Febr. 30 -
APT£Mn;iO£ Artemisius 24. Miirs 31 -
ET^rrEAIOS Euangelius 24. April 30 -
£TPATONIKO£ Stratonicus 24.Mai 31 -
EKATOMBAIOS HeLatombftus 24.Jun. 31 -
AirrEOX Anteus 25.Jul. 31 -
AA0AIKI02 Laodikius 25. Aug. 30 -
pT0«b>piiri2«, Je ol «ipi Ti}V wv NaXoufAinjv evVutv ( l. 'Aa^ ) , i| «tpt
)^tippiv(2e, wc*Pwf4aro(, j mpl i«ipiwc(, «ic'^Appaßte jcal Aftpaamiro/.
CommenU in Phjrsica Arisiot. 1. V, p. 205, a.
*) Wir ersehen dies aus Plinius, der sie auf die FJIICal.
lanuarii, Jprilis, lulii und OctobHs setzt f^. iV. XVm, 59,
66, 67, 74^, nachdem er suTor gesagt hat: nos sequemur ob'^
seivaiionem Caesarü.
Magbdovibji und St&ba. 416
Im Schdtjalir ImI der Xenäitf ohne 'Zweifel drei&ig
Tage erbJüBii, wo dann der Hierosebastüs am.23. Fe^
hraar anfing. Nur wissen 'wir nicht', ob die Aiianer
mit den Körnern in einerlei Jahr einijieadialtet haben*
Die Tagtf der einaielnen Monate sind bis cum 20sten
hintereinander fortgezfthlt. Vom 21sten an findet sich
die im Mondjahr 'der Grieehea gebräuchHebe rückgfin-
gige Zählungsweise der letiten Ddiade gane elgenthüm^
lieh auf die Monate des Sonnenjabrs angewendet. Der
21ste ist nttmlich mit lES bezeiobnetf was nichts an-;
ders als dsnärrj t^Lovrog heifsen kann, so dals man fiir
4>^(vovTog auch i^iovro^ gesagt haben mufs(281). Dann
felgien O, fl, Z..«. mit beigesetztem K, um anzudeu-
ten, dafs diese Zahlen den dfcdä^g oder Tagen der let»*
len Dekade angehören sollen. Der 29ste Monatstag ist
durch npOTS angezeigt, was ohne Zweifel eine Ab-*-
kürzung fiir npcrptaxdg oder icpo rptaxd^og sein soll, wenn
auch eine solche Benennung nicht weiter vorkommen
möchte. Der 30ste ist mit A bezeichnet, was rputui;
ausgesprochen wurde. In den 31tagtgen Monaten ist
der letzte Tag durch ein A angedeutet , das nicht mit
dem unmittelbar folgenden A des nächsten Monats yeri-
wechselt werden mufs, wie es von Audrichi geschehen
ist, der daher die Anfinge einiger Monate üedsch ange«>
>8etzt hat. Das eine ist rputxogiq npwTy\j das andere yov^'r^
na zu lesen. Wie es mit dem Lenäus gehalten wurde,
ist nicht ganz klar. Yermuthlich licls man nach lES, der
allgemeinen Bezeichnung des 2l8ten MonatsUges, im Ge-
meinjahr sogleich HK, ZK,., folgen, und nannte den
letzten Monatstag rptoxc^, den vorletzten TFpcrputitdg.
Durch ein Ygnehen deä Abschteibers ist aber HK weg-
416 ,TechiMche Chronologie. .
gefiillen, wodurch sich das Uebrige um eine Stelle Tecscho«
ben hat. Im Schalljahr folgte auf I£S regelmäfsig SIL
Unter den Asianern — 'Ao-iavoi — , denen dieser
Kalender . beigelegt wird, sind Städte im Bereich der
einst yon<Attalus behernchten Monarchie au Tenlehen,
welche die Römer mit demWortje Asia ia seiner eng-
sten Bedeoliing bezeichnelen ^.) , und rwar ion t ach. e
Stadief denn. den. Lentton, oder, wie er hier heiist,
Lenäus, legt Proclus in seinen Scholien tu einer
Stelle des Hesiodus, wo desselben als eines Winter-
nonais. gedacht wiitl'.), ausdrücklich den loniern bei,
su denen der Dichter, aus Cuma stammend, selbst
' gehölte. Auch findeu wir diesen Monat in' mehrei^n
ionischen Stttdten. In einem arundelschen Marmor
ist von einer zwischen den Smymaem und Magneten
im Lenfion abgeschlossenen Friedensunlerhandlung die
Rede ^). losephus^) erwähnt ein zum Besten der
Juden von Dola))elia, dem römischen Prooonsul Asiens,
an mehrere dortige Städte, namenthch an Ephesus, im
Lenäon erlassenes Decret. In. einer cyziceaischen Stein-
schrift bei Caylus ^) steht der Lenäon zwischen dem
Poseideon und Anthesterion und beim Aristldes, der
unter Marens Aurelius cu Smyma schrieb, werden der
Pofleideon und Lenäon als zwei auf einander folgende
') Li vi US XXVI, 24.
*) Opp, et. d. T.504.
^) Mann. Oxon. (ed. 1629) p. 17 und 25.
;) Antiq. lud. XIV. 10. 12.
*) Recueü des AnÜquMs R.II, Taf. 68-70.
Macbdoribr und Strer. 417
Monate genannt, der erste als ein winterlicher ^). Beide,
so wie der Hekatombäns, sind ohne Zweifel Ueherresie
des alten ionischen Kalenders«
Man weifs, dafs die Stammväter der lonier unter
Godms Söhnen aus dem Prjtaneion von Athen nach
Kleinasien ausgewandert sind. Es läfst sich daher veiv
muthen, dafs der Lenäus, eben so wie der Poseideon
und HekaUMnhäus,' ursprünglich iii Attica einheimisch
war, wenn sich gleich sonst nirgends weiter eine Sput
seines Gebrauchs bei den Athenern findet, es sei denn,
dafs wir den Namen des Festes der Lenäen dahin
ziehen wollen, da die Namen fast aller attischen Mo-
nate mit Festen ausammenhängen, die in ihnen gefeiert
wurden« Hr. Böckh nimmt in seiner Vorlesung über
die attischen Lenäen, Anthesterien und länd*
liehen Dionysien ') mit gro(ser Wahrscheinlichkeit
an, dafs der Poseideon der lonier mit dem der Athe»
ner parallel lief, und dafs daher die Lenäen der leu-
lern im Gamelion gefeiert wurden, statt dais man sie
sonst bald mit den ländlichen Dionysien, einem Feste
*) Serm, sacn I. p. 274-280 ed. Jebb. Unter mehreren Ta-
gen des ei'stem Monats, die hier nach einander erwähnt wei-den^
ist die ^txATi] vg-ipa^ worunter dem Zusammenhange nach der 21sto
SU ▼ei'stehen ist, der in unserm Hemerologium mit Utunji i^tivro^
bezeichnet wird. Auch im Etjrmologicum magnum (7. usupa)
wird diesei* selten vorkommende Ausdrfick durch tixopj. ff^Jrvi
erklärt. Er soll, wie daselbst versichert wird^ besonders bei den
Athenern im Gebrauch gewesen sein. Tergk Gorsini F. J.
VI, 13.
') S. die Abhandinngen dier berii'ner Akademie der
Wissenschaften aus den Jahiwi 1816 'und 1817. Historifch-'
philologische Klasse S.47 ff.
I. [27]
418 Technkehe Cluvnohgie^
d?h MoDatft Poseideon, bald mil cUa Anthesterioi für
identisdi geliällea hat* £• isl nur aoflkUend, daCt
I wischen dem Poseideon. und Hekatombäon im asia**
niqcben Jaht- nkhti wie im attischen, sechs, sondern
niur {liof Monate liegen. Da wir den letztem Monäl
ganz innerhalb de^ Grenzen finden, zwischen denen
sich, der Anfiing des Hekatombäon ikn attischen Mond*
)alir bewegte, ao mnfii sich bei der Einrichtung des
asiaI^schen Sonnenjahrs der erstere nm eine Stelle ver-
sdioben haben, wodurch der LenSus in den attischen
^uthesterion rückte. Daher heilst es auch in der Tafel
der attischen Monate bei Henricus Stephanus (276) ;
tLyii<u,m 0 k9lL Ilocrudccuy o ^tßpavapaog^ wo der Poseideon
für den Anthesterion steht, dessen Stelle er im spa-
tem Sonneniabr der Athener einnahm (360). Den Ar-
temisius . hatten die Asianer und Maoedonier gemein.
Dufe übrigen Monatsnamen scheinen neuem Ursprungs
zu sein u^d nicht weiter vorzukommen« In Ansehung
des Tiberius bemerke ich, dafs nach Dio Cassius.der
römische Senat den November mit diesem Namen be-
legen wollte, weil der Kaiser Tiberius in demselben
geboren war, dais er sich aber diese Ehre mit der ver-
ständigen Frage verbat, was man denn einst thun w.oUe,
wenn der dreizehnte Kaiser regieren würde *). Was
jedpch die Schmeichelei in Rom nicht bewirkte, mufs
in JUeinasien geschehen sein. Spaterhin scheinen die
Smyrnäer die Monsltsnamen der Macedonier angenom-
men zu haben; denn in einem Schreiben der Kirche
*) Hist. Born. 1. LVn, c. 18. S u e i 0 n redet fTiber. c. 2S)
Tom September. Allein Gasaubonus lieset dafür den Mo-
Tember , der sich nun auch durch das Hennerokgium beslatigt.
Macbdokibb und Syr^r. 419
su&njma, welches Euaebius anasu^sweise mittheilt *y,:
UiBber aber aus einer alten Haudacfarift roBstftndig ans
Licht gestellt bat')» findet sich der Märtytertod des.
heiligen Poljoarpos auf den 2. Xanthicus gesetzt, dek
mit dem 23* Februar yerglichen irird ^), woraus erbet»
let, dais der Lenäus unsers Hemerologiums gemeint
ist. Man kann jedoch Sagen, dais die Kirche, ulkn-allt
genüein verstanden zu werden, statt des aufser Smyma
vielleidit wenig mehr genannten Lenäus einen Nameii
geseut bat, der gewifa allen Asianem: geläufig war. .
Ein zweiter hieher gehöriger Kalender in unsenu'
Ebmerologium ist iblgender der Epbesier:
Namen der Monate.
Anfang.
244 September •
24. Oktober ,
.. 24. NoyemKer
25. December:
Dauer.
Dius
ApeUtfu^
Audynäus
Peritius
301^.
31 -
31 -
30 -
Dystnis
>Xanthicus
24. Jannar
22. Febmar i
29 -
30 -
Artembius
24. M«fE
31 -
Dasiüs
Panemus
24. April
24. Mai
30 -
31 .
Lous
24. Junins
31 -
Gorpiäus
Hjperberetäus
26. Julius
24. Ahgiut
30 -
31 -
*) Hisi. eccL IV, 15.
') S. die Anmerkungen desValesius zu der eben erwähn-
ten Stelle der Kirchengeschichte , p. 65 der amsterdammer
Ausgabe.
') Für irp^ \mvL KaXütv^wy VLeitwv ist offenbar tia^Uv zu le-
sen , wie schon der alte lateinische Uebei^pet^er anerkannt hat
[27 •]
420 Technische Chronologie»
Dieser Kalender unterscheidet sich seiner Consuiidioii
nach von dem vorigen blois durch die Epoche dnes
einzigen Monats. Die Tage werden in ihm auf gleiche
Weise gesählt« nur dals sie im Apelläus und Hyperbe-
letaus, vennutUich durch ein Versehen des Ahschreibers,
dben so wie im nebenstehenden bithynischen Kalender
nach dem 20sten mit KA, KB, KT u.8. w« bis zum
30sten hin bezeichnet sind. Der Schaltmonat ist hier
ohne Zweifel der Dptrus, der dem Lenäus der Asianer
entspricht. Die Namen der Monate sind durchaus die
macedonischen 9 daher sich nicht zweifeln Iftfst, dais
dies eben der Kalender bt« von welchem Galenus in
der oben (412) angeführten Stelle spricht« Das Heme-
rologium legt ihn vorzugsweise den Ephesiern bei.
Er mula aber in Kleinasien sehr verbreitet gewesen
sein ; denn wir finden in den ersten Jahrhunderten
der Christenheit nicht selten nach ihm datirt. So setzt
Epiphanius *) Christi Taufe auf den 16. Apelläua der
Maoedonier, den er mit dem 12. Alhyr der Aegypter
(Alexandriner) und 8. Dius der Griechen (Syrer) , d. i.
mit dem 8. November vergleicht.
In-Maffei's kleiner Schrift über die Abbrevia-
turen') kommt eine aus einer ephesischen Inschrift ge-
nommene Abkürzung vor, in welcher der Name Posei-
deon unverkennlich ist, und an der vorhin (416) angeführ-
ten SteUe des losephus scheint der Lenaon ein Monat
der Ephesier sein zu soUen. Hieraus schliefsen nun
Corsini') und Audrichi^), dafs die Ephesier als
*) An der oben (15! und 361) angeführten Stelle.
*) Graecorum siglae lapidanae (Verona 1746, 8) p.61.
•) F. A, XIV, 18.
') Instit. AM. p.23.
MiLGSBOHifiR und St&br. 421
lonier früherhm mit den Athenern einerlei Monate,
Jahrfonn und Jahranfang gehabt haben. Der Schlafs
ist jedoch zu rasch; denn in eben dem Kapitel des
losephus, worin der Lenaon erwähnt wird, findet
sich *) ein Dekret der Epbesier zu Gunsten der Juden
vom 1. Artemisius datirt, und in einer ephesischen In-
schrift bei C handler ') wird der ephesische Monat Art^
mision genannt, der dem Dienst der Artemis geweiht sei,
und bei den Maoedoniem Artemisius heifse. Die Epbesier
seheinen daher von Alexander bis zur Annahme des Son«
nenjahrs unter den ersten römischen Kaisem weder die
rein ionischen , noch die rein macedonischen Monatsna-
men, sondern ein Gemisch von beiden gehabt zu haben.
Ein dritter ganz ähnlicher Kalender in unserm
Hemerologium ist folgender bithynischer
Namen d«
!r Monate.
Anfang.
Dauer.
HPAIOS
Heraus
23. Sept.
31 Tage.
EPBL4IOS
Hjermäus
24. Okt.
30 -
MUTPQOS
Metrous
23. Nov.
31 -
AIONT2IOS
Dionysius
24.Dec.
31 -
HPAKAEI02
Herakleitts
24. Jan.
28 -
AIO£
Dius
21. Febr.
31 -
B£NAIAAI0£
Bendidäus
24. Man
30 -
XTPATEIOS
Strateius
23. April
31 -
nEPIEni02
Periepius
24. Mai
30 -
APEI02
Aceins
23. Jun.
31 -
A4>P0AI2I0S
Aphrodislus
24. Jul.
30 -
AHnmiTIOZ
Demetrins
23. Aug.
31 - .
•) S.25.
») Inserat, ant.
F. I, DO. 36.
422 Technische Chronologie.
Dieser Kalender weicht seiner Foim und Stellung iuMsh
Bur dadurch von dem vorigen ab, dafi die MonaUtage
'VÖm erMen bis znm letzten ganzordeatlioh htnterein-
ander fortgezählt weiden, und dais acht Monate nm
«inen Toig früher im römisdien Kalender anfangen, s.B.
der Metroos, dessen Epödie sidi ganz eben so aus dem
Almagest ergibt*). Ptolemäus berichtet nftmlicfa,
Ag^ippa in Bithynien habe im cwiflften Jahr Donu-
tian's öder im 840sten der nabonassarischen Aere^am
'Abend des 7«» Metrous oder 2« Tybi eine Bedeckung der
Mejaden vom Monde beobachtet. Das römisdie Datum
4st, wie die Redüetion des ägyptischen aeigt, der 29 .No*
yembbr des Jahrs 92 niiserer Zeitiechnang, so dals der
▲nfiuag des Metrdns dem 23. November entsprach. Der
Schallmonat mufi hier der Herakleius gewesen sein.
Die Namen der bithynischen Monate, welche sich in
mehreren alten Handschriften finden, lauten, bis auf
einige von Corsini') zusammengestellte Varianten, bei
Scaliger,' Henricus Stephanüs und Usher ganz
übereltisiimmig, und zwar so, wie ich sie hier gegel^en
habe. Drei darunter haben in unserm Hemerologium
ein so fremdartigies, ungriechisches Ansehn, dals man
sich genölhigt sieht, sie für falsch' geschrieben oder ge-
lesen zu erkläreb ; för ^EpaZo; bämlich , TlepiiTno; und
'A/jwos findet sich IIPAI2H2, ItPlKTIOS und API^A-
PI021 Die beiden letzten! habe ich jedoch an den
Stellen gelassen', di^i ihnen das ^Hemerologium anwei-
set; in den audern Terzeichnisseii folgt der nepiiiriog
auf den 'Apeibg. ■ » . > * '
•) l.Vn, C.3, p.22.
») F. A, XIV, 7.
MagsdqitiIeb uftd 8:%ii^R. 423
Bai dieser grofsem Yßnscbiedettlieit der ia -Kldki*«
asÄen gebräüchliclien Monatsnanien Dauft €laS€U>st firüh-
seitig 2ur Erleichtenmg des . gegeimeitigeti Verkehrs« der
Städ^ und Provinzen der Gebrauch aufj^kominen fleioi^
die Monate nach den Stellen zu bezeidinen, .die aie in
dem macedoni^ch^ asiatischen um dü.Herbstnaehlgleiohb
anfangenden Sonnenjahi^ ^nbahmefi« Auch scheint sich
die kldne Abweichung in der Bestimmung der Dauer
. Ast Monate - allmählig ausgeglichen und folgender dilU
gemdmi gültige Kalender ausgebildet za^haheui
Aiiifaiig;
Datier.
terster Monat
24.
September
30Tf^e.' ,
Zweiter
24.
Oktober
30 .
Dritter -
23.
November
31 '- '
Vierter
24.
December
30 -
Fünfter -
23.
Januar
3Ö - • ■
Sechster -
22:
Februar
M"!' '"
Siebenter -
25:
März
31 . ''"'
Achter
•2s:
April
30 '^ *
Neunter
2ä.
Mai '■ ■ •
30 . ^■
Zehnter -
24.
Junlus '
31 •- . ^
Elfler -•
2s:
Julius ^
31. -'"^
Zwölfter -
2S.
* August
^*3avi •'
Usher^) und
Noris«
) haben mehrere DaW aus
Klrghenscribenten
..gesamme
It, die sich nur
durch einen
so geordneten Kalender rechtfertigen lassen
; Beide Ge^
lehrten stinunen in den Ergebnissen ihrer Untersuchun-
') Ini zweiten Kapitel seinei* Abhandlung über dasmace-
donisch -asiatische Sonneujahr (394). ' ' ' '
^) Annus et Epochae Syro-Macedomiim'li%
i24 Technische Chronologie.
geä ilbeieiu, nur dais Usher die'Epodhe des aebiteii
Monats aaf den 25. Junius settt. Im Schaltjahr be-
gannen ihrer Ansicht nach die Monate yom siebenten
an nm einen Tag fiiiher im römischen Kalender, was
voranssetst, dafs die Kleinasiaten in einerlei Jahr mit
den Römern einschalteten, ihren Schalttag aber ans
Bade des swölften Monats brachten.
Um nnr eine jener Stellen anzuführen, so setat
dek* Yer&sser der dem Chrysostomus uniergescho*
benen sieben Osterreden in der letzten derselben ^)
das Osterfest des Jahrs, worin er schrieb, auf den
zweiten Tag des achten Monats, und die Osterfeste der
drei folgenden auf den 17ten, 9ten und 29sten Tag des
siebenten* Usher') hat ganz richtig bemerkt , dals
hier nur von dei^ Osterfesten der Jahre 672 bis 675
n.Chr. die Rede sein könne, die auf den 25sten, lOten,
2len und 228ten April trafen. Da das erste dieser Jahre
ein Schakjahr war, so sieht man, dals sich die ange-
gebenen Data in obigen Entwurf (tigen , unter der Vor-
ausseUung, da(s es mit dem Schaltwesen wirUicb die
gedachte Bewandtnils hatte. Uebrigens mufs diese Be-
zeichnungsweise der kleinasiatischen Monale schon zu
Aristides Zeit in Smyma nicht ungewöhnlich gewesen
sein ; denn er gedenkt einmahl ^) des vierzehnten Ta-
ges des zweiten Monats, mit dem Beifugen: cJ^ ifo\ixl^o^
pev ol Tavnj, wie wir es hier zu Lande gewohnt
sind.
*} Opera Chrjrsosiomi Tom. Vm der pariser Ausgabe , inter
Sparta p. 284.
») A.a.O. C.5.
'} Serm. saer. 11, p.294.
Magbdohibr tmd Strbb« 426
Bemerkenswerdi ist es, dafs in den Saimnlungen
des Henricus Stephanus^) und in zwei von Usher')
erwähnten Handschriften der ozforder Bibliothek die
Namen der liimmelszeichen Kpio^ Tav/pog, AidvfAoiu.s»w.
geradezu als die Mona te der Macedonier aufge-
führt sind. Ungeachtet sie, wie man sieht, gar wohl
die Stellvertreter der kleinasiatischen Sonnenmonate sein
konnten^), so glaube ich doch nicht, dafs sie je im
bürgerlichen Leben zu diesem Zweck gedient haben;
wenigstens findet sich nirgends ein an sie geknüpftes
Datum. Es ist aber bei der grofsen Yerschiedenheit der
in Kleinasien üblichen Monatsnamen sehr wohl mög-
lich, dafs man bei der Berechnung des Osterfestes in
den ersten Jahrhunderten der Christenheit dei^leichen
allgemein gültige Benennungen gebraucht hat, die sich
dann jeden Orts leicht in die volksthiimlichen umsetzen
liesen. Der Zusatz : bc rrjg 2xxXT]o-iafue% ixdoawog, nach
der kirchlichen Annahme oder Feststellung,
der sieh in einer jener Handschriften findet, erhebt
die Sache über jeden Zweifel.
An das kleinasiatische Kalendersystem haben sich
auch die Creter und Gyprier angeschlossen. Die
Monate der erstem sind in unserm Hemerologium fol*
gendermalsen geschrieben und bestimmt:
*) Append, ad thes, ling. Gr. col. 225.
*) A.a.O.
') Man yergleiche, was oben in der griecfaisclieii Zeitrech-
noDg (356) über die nach den Uimmelszeicfaen benannlen astro-
nomischen Monate Kptwy, Tavpc^y, At^vpnr u.s. w. gesagt wor-
den ist.
426 Technische Chronologie.
NamcD der Monate. Anfang. Dauer.
eE£MCMK>PlS?NThesiaöph6rion 23.Sept. 311^«
EPMAIOS Hermäus 24. Okt. 30 -
EIAIAK Eiman 23. Nov. 31 -
METAPXI02 Metarchius 24.Dec. 31 -
Amor Agyius 24. Jan. 28 -
A102K0TP0X Dioskurus 21.Fcbr.31 -
eEÖAOSIOS Theodoains 24.März30 -
nOirrOS Pontus 23.April31 -
PABIIfeiÖS Rhabinthins 24.Mai 30 -
nPIIEPBEPETOS Hypcrbcrctus 23. Jun. 31 -
NEKTTIOS Nekysius 24.Jiil. 30 -
BA^IAIOS Basilins 23.AQe;. ^^ -
Wie dn idcitte Monat eigentlich gdoutet haben mSge,
iili schwer eil sagen. Die Epochen sind yoUkommen
npuft den 'bithynisehem ühpurinstimmend ; auch iveiden
die Monatstage gleichfilk in ümmterhrocbener Qrdunng
gezählt. Sonst kannte man nur einige lecstreule^ von
ohigett ganx abweiühende Namen orelisoher Monate aus
Inschriften bei GhishülP], dieCorsini pisammen-
^steUt hat')« Han ersieht daxans, dais in froherer
Zeit, wo noch das Moadjahr auf CSreta obwaltete,
selbst benachbarte Städte ganz verschiedene Monatsna-
men hatten.
Der Kalender der Cyprier war folgender:
') ^n/*V.^5iW.. (London 1728, fol) p. 129 ff.^
») >. A. XIV, 13.
MACEDoniEa und Sthbr. 427
Niimen der Monate.
Anfang.
Dauer .^ ,
>A<f>/5cduri05 ■
Aplirodisius
23. Sept.
31 Tage.
^ATToycmtog '
Apogonicus
24.0kt:
30 -
A/vüco'5
Ainicus
23. Nov.
31 -
lofvKiog
Inlins
24.Dec.
"31 -
Kcuaupiog
Gäsarius
24,Jto.
28 -
Xfßafo;
Sebastns
21. Fei».
30 -
AvTOKparopoiog Antok^ratoricns 23. Man 31 -
AT)juiapx€?oT5(no$ Demarchexusius 23. April 31 -
irk-riSrvTroLrög Plethypatns 24. Mai 30 -
'Apx^rpgvg ' Archiereus 23kJan. 31 -
^aruvg Hestieus 24* Jul. '30 -
'Pwixcubg RomiCua 23.Augr 31 -
Der Scbaltvionat -war ohne ^ Zweifel der Cssi^us. Di^
Namen lauten Jbei Li lius Gyi^f^ldua^); Stephanies ')
und I r i a r t e ^) , die sie aus alten Menologien an^
Licht gezogen haben, zum Theil ein wenig anders,^ als
in unserm Hemerologium. Ich habe die Lesarten ge-
wählt, welche die richtigsten zu sein scheinen. Der
Aphrodisius wird auch yon" Pörphyrius *) und der
Apogonicus von Epiphanius ') ejrwähnt. .Statt des
letztem hat das Hemerologium das abgejLJirzjte. und
veimuthlich entstellte AIIOAAS^. Für Aipitfis^ worin
*) De annis et mensiBus, Opera Vol. IJ, col. 7Ö5.'
') Appendix a. a. O. Die beiden letzten Namen fehlen hiei*.
') Codd. Graeci BibL Reg, Matritensis p, 380.
*) De abslinentia L II, S. 54, p. 198, ei. Ti^j. «d lUien..
') An der oben (151) und öfter dtiiieu Stelk der ffaeres. Li.
428 Technische Chnmelogie.
die Menologien übereinstimmen , lieaet es ANIIIOS.
Hr. Buttmann glaobtt da(s die richtige Lesart Amto^
sei. Den luliiis nennt Epiphanius 'IoSXo$; die Meno-
logien haben 'louvtog. Für das Koua-apio^ des Hemerolo-
giums findet sich in den Menologien Kaurdpsiog. Das Au-
tocratoricus und Demarchezusius der Menologien verdie-
nen den Vorzug yor dem ATTOKPATOP und AHMAP-
XOS des Hemorologiums. Das Pletbypatos als des neun-
ten Monats erwähnt audi Alexander Monachus ^).
Für das Arcbiereus der Menologien hat das Hemerolo-
gium ^kpx^ipio^y und für das '£ft/o$ des letztem schlägt
Hr. Buttmann '£^in}$ oder *£^ia!b$ yor; die Menolo-
gien lesen. ^Ec-dvos« Statt des 'Pwfioiog der Menologien
hat das Hemerologium A00£, was entweder eine Cor-
ruption oder ein Ueberbleibsel aus dem filtern Kalender
der Cyprier ist. Nach Corsini ') hat Harduin die
Namen folgendermafsen in eine Art genetischen Zu-
sammenhanges gebracht:
Veneris soboles Aenens fetj TuUus Caesar Augustus
Imperator Trib. Potestatis Cos. saepissime Poii-
tifex Maximus C^xJ familia Romanorum.
Ein sinnreicher Gedanke! Auf jeden Fall geben üe
deutlich zu erkennen, dafs sie unter einem der ersten
römischen Kaiser, vielleicht unter Augustus, der Cypem
zugleich mit Aegypten zu einer römischen Provinz
machte, eingeführt worden sind. Die Epochen im He-
merologium verdienen alles Zutrauen; denn ganz über-
*) Laudatio in Aposiolum Bamabam. Acta Sanctorum^ Ja-
nius, tom. n, p.45i.
») P, A, XIV, 44.
Magedorier und Stbb.r. 429
einstimmig yergleicfat der gedachte Alexander den
11. Jonius mit dem .19.Plethypata8 und Epiphanina
den 6. Januar mit dem H\ Julus und den 8. Novem-
ber mit dem 16. Apogonicus. Aus beiden ersehen wir,
dafs dieser Kalender eigentlich den Paphiern ange-
hörte« Die Salam inier dagegen hatten die ägyp-
tischen M Qnate, denen sie jedoch etwas andere SteUen im
julianischen Jahr anwiesen, als die Alexandriner; denn
Epiphanius, der als ihr Bischof von ihrem Kalen-
der genau unterrichtet sein mufste, setzt Christi Taufe
auf ihren 6. Choiak, der nach ihm dem 12. Athyr der
Alexandriner oder 8. November der Römer entsprach.
Er macht diesen Monat zu ihrem dritten , und den
6. Januar, an welchem Christus geboren sein soll, zum
fünften Tage ihres fünften Monats, dem er keinen be-
sondem Namen gibt. Hieniach müssen die Salaminier
ihr Jahr am 4. September mit dem Phaophi angefan-
gen haben. Ganz übemnstimmig hiermit vergleicht
Alexander den 11. Jnnius mit dem Uten Tage des
zehnten Monats der Salaminier; wenn er aber diesen
Moiiat Mesori nennt, so muls, falls es nicht etwa Epi-
phi heifsen soll, auf Cypem der Mesori dem Epiphi
vorangegangen sein.
Einen zweiten Hauptgebrauch von den macedo*
nischen Monaten finden wir in Syrien gemacht. Hier
war seit den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung
und ist bis zur Stunde bei den Christen ein Jahr ge-
brauchlich, dessen Monate, von den Griechen mit ma-
cedonischen und von den Syrern mit einheimischen Na-
men bezeichnet, den römischen ganz so parallel liefen,
wie es folgende Tafel zeigt:
430
^Technisehe Chronologie»
' Sjromatedoiiiselie Mo^nale*
Macedoniscfae Namen. Syrische. Römische.
Der erste Thischri
Hjperberetäus
Dius
Apelläus
Audynäus
Peritius
Dysirus
Xanthicus
Artemisius
Däsius
Panemus
Loua
Gorpiäus
Oktober.
Der zwel^ Thischri November,
Der erste Kanun
Der zweite Kanun
Schebat
Adar
Nisan
Ijar
Hasiran
Thamus
Ab
Elul
Deoember.
Januar.
Februar.
März.
April.
Mai.
Junius.
Julius.
August.
September.
Wer die syriscben Namen, die groisentheila die jüdischen
8iwl.(402)y mit sjriochen Buchataben geschrieben sehen
will, Teigleiche Beyer idge 's Chronologie *).
. Dafii 4ie ayromacedoniaehen. Monate ihrem Gehalt
und ihrer 'Stellung nach mit den römiMhen wirklich
vollkommen übereinstiromffln, so dais z.B« der Peritius
oder Schebat nur ein anderer Name für dea Februar war,
lehren zahlreiche Zeitbestimmungen bei griechischen, sy-
rischen und arabischen Scfariftfltdlem. Um nur ein paar
anadrückliche Zeugnisse dafür beiaubringen , nenne ich
zuvörderst .unser Hemeiologiiua, das die Ajoiknge der
*) JhtUtutianum ekronologicarum libri duo (ed. Traj. adRk
1734, 8). Appendix p.257. Bayer schreibt sie in seiner JSTf-
storia Osrhoena et Edessena p. 17 der syrischen Aussprache ge-
mfiftabo: Tleschrin, Gonttn, Sthrot, Ödor, Nison, lor,
Ghsiron, Tomus, Oy, Ilul.
Magbdonisr und SyAer. 431
Monate der Hellenen dnxicbgiüiigig. auf die GalencUi
der xömischen setzt* Mit dem' Namen ^EXX^f^ weiden
hier nach einem bei den mpjfegenländischen SoluiftsleU
lern häufig^ voirlLommenden ISpracfagebraüch die sy-*
rischen^Grieciten yerstanden, besond)ers. die Eü»^
wohner von Antipchien, deii Hauptstadt des aeleuci-^
dischen Reichs und spä^thin der römischen' Provinz
Syrien. Eptphanius saj^^), Christas sei. geboren
nach den Römern am 6. Januar, j^ach den Syrern
oder Griechen — yctirat j^vpovg etr' dov'^EKKffik^'^ am
6. Audynäus, und getauft nach den Römern am 8. !No*-
yember, nach den. Griechen am 8. Dius« . ! .
Ungeachtet dieser Kalendbr , wie wir gleich sehen
werd«:iy anfangs keinesweges allgemein in Syrien galtj
so muis. er doch zuleUt jeden andern Terdrängit haben ;
denn bei den in Syrien tebenden griediischen ^ifehen^^
scribenten, 2^ B. Euagrius,.. bei dem Verfasser dea
Chronicon paschaie^ in den Auszügen, die Assemani
in seiner BibUodteea orientaUs anis den zahbeichen «y>«
rischen Handschriften der yatäanischen Bibliothek gibt^
und bei den i arabischen ^Gesdiichtschreibem tmdAstro*
nomen, die sich häufig* der syrischen, so wie der aleiann
drinischen , Monate bedienen , wenn sie Data des Son^
nenjahrs angaben wollen, ist nie Ton andern syrischen
Monaten als obigen die Rede.> - . - t
Ich habe den Hyperberekäus oder ersten Tkischri
obenan gestellt, weil die Syrer ihr Sonnenjakr, eben
so wie die Griedien Kleitiasicns , um die Herbstnacht^
gleiche anfingen, wenn auch gerade nicht" mit deim
Tage derselben. Dies geht theib aus dem Zeugniüs des
*) An der ofl angezogenen Stelle.
432 Technische Chronologie.
Hieronymus'): Jpud orientalespoptJospostaJlectio^
nem/rugum et torcularia, quando dedmae deferehantur
in temphim, October erat primus mensis, et lanuaritu
quartus, theils'and noch beslimmter aus der mit den 57-
romaoedonischen Monaten in Yerbiadung stebendea se-
leucidiflclienAerehenrorf deren Jahi« gewöhnlich yomHy-
perberetäus oder ersten Thiachri an gerechnet werden«
Es fragt sich, woher es kam, daft der Hyperbere-
täus der. Syrer fast ganz die Stelle einnahm, in der wir
bei den Kleinasialen den Dias finden. ITsher glanbt,
da(s seit der Schlacht am Granicas mehrere asiaüadie
Tölker die macedonischen Monate dem oben (405) er-
wähnten Machtspruche Alezander's gemäfs gezählt ha*
ben, während andere den ursprünglichen Gehraucji der-
selben beibehielten. Noris dagegen meint, diese Yer-
schiedenheit sei erst beim Uebergange des Mondjahn in
das Sonnen jähr, und zwar dadurch enutanden, dais
man in KJeinasien die jblianische Jahrform in einem,
gemeinen Mondjahr, in Syrien aber in einem Schalt-
jahr angenommen habe, wo ein Monat doppelt gezählt
wui^e« Letztere Hypothese ist sehr annehmlich; doch
darf nicht unerinnert bleiben, dals, nach dem Gebrauch
der macedonischen Monate beim losephus (402) zu
urlheilen, die Divergenz schon früher eingetreten sein
mufs, da wir diese Monate im Mondjahr d^r Juden
bereits ganz ähnliche Stellen einnehmen sehen, wie in
dem syromacedonischen Sonn'enjahr, z.Bi den Hypei^
bereUus die des Thischri, der um die Herbstnacht-
gleiche, anfängt.
*) Comment. in Ezechielem LI, c. 1. Opp. Tom. V (ed. Ve-
ron.), p.6.
Macedobier und Syrer. 433
So lange das seleucidische Reich bestand, schei-
nen die Syrer einerlei Zeitrechnung gebraucht zu ha-
ben, nämlich ein gebundenes Mondjahr, das sie mit
den Macedonlem um die Herbstnachtgleiche anfingen.
Als aber das Land unter römische Herrschaft kam und
viele syrische Städte die Autonomie, d.i. die Freiheit
erhielten, sich nach eigener Yerfassung zu regieren, eig-
neten sich zwar alle den von lolius C$sar verbesserten
römischen Kalender an, jedoch mit mancherlei Ab-
weichungen, die im gegenseitigen Yerkehr eine grofse
Terwirrung zur Folge haben mufsten. Als Faden in
diesem Labyrinth dient uns unser Hemerologium , das
diie Ergebnisse der chronologischen Forschungen ' eines
Noris und anderer theils bestätigt, theils berichtigt
und erweitert.
An das benachbarte Antiochien, wo, wie der eben,
gedachte Gelehrte zeigt ^), die syromaoedonischen Mo*
nate im Gebrauch und ursprünglich einheimisch waren,
schlols sich Seleucia in Pierien. Unser Hemerolo-
gium gibt von dieser bedeutenden Stadt einen Kalender,
in welchem leider, ein. Monat keinen Namen hat und
zwei ganz fehlen. Ma|i ersieht aber wenigstens daraus,
dafs die Monate, eben so wie die syi^omacedonischen,
den römischen ganz patrallel liefen. Es. stimmten näm-
lich überein:
Gorpiäus Oktober.
Panemus November.
Xanthious , Decembc^*«
. Audynäus Januar.
^) Annus et epochqe. ^rßfiiutcedojnufn m, 2.
I. [28]
434 Technische Chronologie*
Dionysius
März.
Antbesterins
April.
Artemisins
Mai.
Adonisius
August.
Apelläus
September.
Der Audjnäus und Artemisms sind mit den gleicblan-
tenden sjromaccdonischen Monaten identisch ,* die übH-
gen fuhren entweder die macedoniscben Kamen in an-
derer Ordnung, oder ganz abweichende. Es ist freilich
die Frage , in wie weit man sich auf diesen Kalender
verlassen könne,- da er sich blofs in der leidner Hand-
achrift findet. Datirt ist nach ihm nirgends.
Auch die Sidonier gebrauchten die sjromacedo-
nischen Monate, nur dafs sie dieselben um zwei Stellen
tiefer ins Jahr schoben, wie folgende Yergleicfaung mit
den römiscben zeigt:
Lous
Oktober.
Gorpiäus
November.
Hyperberetäus
December.
Dius
Januar.
ApellMus
Februar.
AudynSus
März.
Peritius
April.
Dystruaf
Mai.
Xanthicus
Junius.
Artemisins
Julius.
Dttsiuif
August.
Panemus
September
Eine eigene Acre der Sidonier erscheint auf Münxen;
aber ein sidonisches Datum möchte sich achwerlidi bei
irgend einem Sekriftatelkr finden. .
Magbdonier und Staba. 436
Merk'vvÜTdig ist es, dais der Kalender der Lycier,
eines kleinasiatischen Yolks, nach dem Hemerologium
mit dem der Sidonier übereinstimmte , nur dafs der
Audjnäus am 2. März und der Artemisius am 2. Ju-
lius begann. Der ApeltauS) der hiemach in der Regel
29 Tage hatte, mufs im Schaltjahr 30 erhalten haben.
Sonst kommt dieser Kalender nii^ends vreiter Tor.
Das Jahr der Tyrier -¥mr'nad!i dem Hemerolo-
gium folgendermafsen geordnet:
Namen der Monate. Anfang. Dauer.
. Hyperberetäus 19. Oktober
Di US 18. November
Apelläus 18. Deceniber 30 -
Audynäus 17- Januar 30 -
Peritius 16. Februar 30 -
Dystrus 18. März 31 *
Xanthicus 18. April 31 -
Artemisius 19. Mai 31 -
Däsius 19. Junius 31 -
Panemus 20. Julius 31 *
Lous 20. August 30 -
Gorpiäus 19. September 30 ^
In dem Kalender von Tyrtis, den Stephanus aus
einer alten Handschrift mittheilt ^), stimmen die rö-
mischen Data, mit denen die Monate angefangen haben
sollen, meistens nicht mit der ihnen beigelegten Dauer
überan. Noris hat aber in der, wie man sieht, ge-
ginindeten Voraussetzung, dafs in demselben der Anfang
des Hyperberetäus richtig auf den 19. Oktober geseut
*) Appendix ad Thes. ling. gr. col.22(.
[28*1
436 Technische Chronologe.
aei, mit Hälfe zweier tjTiwben Data, die sich in den
yerhAndlungen der lu Chaloedon und unter dem Pa--
triarchen Menna lu G>n8tanünopel gehaltenen Concilien
finden^), diesen Kalender wiederhersustellen gesucht,
und die Anfangstage .der Monate gerade so bestimmt,
wie sie vorstehende Tafel gibt ')• Im Schaltjahr scheint
der Peritius 31 Tage erhalten su haben« Wenn \o%e^}kVLS^
den Tod des- Vitdlius auf den 3. Apdläiu setzt ^)t so
glaubt Noris^), da(s er in diesem Fall von seiner
Gewohnheit, die hebräischen Monate mit maoedonischen
Namen zu bezeichnen (400), abgewichen sei und das ty-
rische Datum gemeint habe; denn in dem Kalender
der Tyrier habe der 3. Apelläus dem 20. Deoember ent-
sprochen, gerade dem Tage, an welchem, wie er dar-
thut(119), Yilellius im Jahr 69 unserer Zeitrechnung
ermordet worden, dahingegen der 3.KisIev der Hebräer
nie bis lum 20. Deoember habe reichen können. Es
lälst sich auch in der That nichts Erhebliches gegen
diese Hypothese einwenden, so folgewidrig auch eine
solche Datirungsweise ei*scheinen mag. Uebrigens wäre
dies das älteste Beispiel eines auf das Sonnenjahr sich
besiehenden maoedonischen Datums.
Die Monate der Araber hatten nach dem Heme-
vologium ganz die Form der alexandrinischen, wie fol-
gende Tafel zeigt:
') S. Mansi CollecÜo Conciliorum Tom. VII, coL 197.
Tom.Vm, col.1083.
») DiM.IV, C.2, p.283, 284.
») De hello lud. IV, il, 4.
') Diss.I, C.3, p.6i.
MAGEDOmJBfi und Streb. 437
Namon der M<mate.
Xantliiea«
Artemisius
DSsius
Panemus
Lous
Gorpiäus
Hyperberetäus
Dius
Apelläus
Audynäus
Peritius
Dystrus
Epagomenen
Anfang.
22. Mfin
21. Apiil
21. Mai
20. Janiiis
20. Julim
19. August
18. Septeaiber
18. Oktober
17. November
n. December
16. Januar
15. Februar
Dauer.
30
30
30
30
30
30
30
30
30
30
5
17. März
Unter den Arabern, die diesen Kalender gebraucht
haben sollen, sind die Bewohner des peträischen Ara-
biens, besonders die der Stadt Bostra, zu yerstehen,
welche , nachdem das Land unter Trajan eine römische
Provinz geworden war, als Siu einer Legion zu be-
sonderer Wichtigkeit gelangte. Es zeigt sich hier die
oben (414) aus Simplicius beigebrachte Notiz bestä«.
tigt, da(s die Araber ihr Jahr mit der Fi*ühlingsnacht-
gleiche angefangen haben ^) ; denn diese traf im zwei-
*) Die Damascener, die Simplicius zugleich nennt, müs-
sen, wie Noris meint (Diss. II, 2, p.91), den Anfang ihres
Jbhrs yota Herbst auf den Frühling yericgt haben, als sie sich,
der Schwäche ihrer seleucidischen Regenten überdrüssig , wie
losephus berichtet CJnt. XIII, i5, 2^, dem Aretas, Könige
der Araber, uDterwai*fen. Untei* ihren durchgehend» mit Jahren
der seleucidischen Aere bezeichneten Münzen findet sich freüidi
keine , die auf diesen in Syrien sonst ungewöhnlichen Jahranfang
bestimmt hindeutete.
438
TecJmische Chronologie.
ten Jahrhundert n.Chr., wo sie sich das Sonnenjahr
angeeignet haben müssen (üilherhin halten sie milden
übrigen Arabern yermulhlicb ein Mondjahr), auf den
22. Mars« Auch im gegenwärtigen Fall bewährt sich
unser Hemerologium als zuverlässig; denn Epiphanius
yergleicht an der mehrmals cilirlen Stelle ganz über-
einstimmig den 6. Januar mit dem 21.'AXE(oft, Aleom
(Audynäus) , und den 8. November nul dem 22. 'A/-
/oXS-oßocl^, Angalthabaeith (Dius) der Araber. Man
sieht, sie haben neben den macedonischen MonaUna-
men zugleich ihre einheimischen gebraucht, die aber,
nach den vorliegenden Proben zu urlheilen, weder mit
den bei den jetzigen Arabern gewöhnlichen, noch mit
denen, welche Hesudi und Nuyeiri als die ur-
sprünglichen arabischen nennen^ irgend einige Aehnlich-
keit hatten.
Die in Palttstina unweit der Grenze Aegjptens ge-
legenen Slüdte Gaza und A s c a 1 o n , die lange den
Plolemliem unterworfen waren, bedienten sich, wie
unser Hemerologium lehrt, ganz der alezandrinischeu
Monate, nur unter macedonischen Benennungen.
Monate Gaza's
. Monate Ascalon^s.
Anfang.
28. Okiober
Dauer.
Dius
Hjperberetäus
30 Tage
Apelläus
Dius
27» November
30 -
Audynäus
Apelläus
27.December
30 -
Peritius
Audjnäus
26. Januar
30 -
Djstrus
Peritius
25. Februar
30 -
Xanthictts
Dystrus
27. März
30 -
Artemisius
Xanthicus
26. Aprü
30 -
Däsius
Artemisius
26. Mai
30,-
Panemus
Däsius'
25. Junius
30 -
Macedoniea und Syrbb. ' 439
Lous Panemus 25. Julius 30 Tage.
Epagomenen Epagaotienta 24, August 5 -
Gorpiäus Lous 29. August 30 -
HyperbereUus Gorpiäus 28. September 30 -
In der leidoer Handschrift, in der allein sich diese bei«
den Kalender finden, fehlen zwar zwei Monate; allein
die Namen und AnfangsUge lassen sich leicht und sicher
ergänzen. Man solile glauben, beide Städte mülslea
das Jahr, eben so wie Alexandrien, mit den Ei^gänzung»-
tagen geendigt und mit dem 29. August angefangen ha-
ben; allein Marcus, Diaconus der Kirabe von Gaza,
6agt in dem Leben des heiligen Porphyrius, Bi-
schofs dieser Stadt*): Cum autem pergeret Dens non
pluere primo mense, qui ab eis uocatur Dios, deinde
etiam secundo, qui dicitur Epilleos (Apelläus) ömnes
affligebantur» Sie hat also zwar die alexandrinische
Jahi^onn angenommen, aber die macedonische Gewohn-
heit, das Jahr Im Herbst anzufangen, beibehalten, un-
geachtet so die Ergänzungslage nicht am Schlufs ihres
Jahrs zu stehen kamen. Noris, der nach yei-schiede-
neu von diesem Marcus angegebenen Datis den An-
fang der zehn ersten gazaischen Monate richtig an-
setzt^), hat bei den letzten beiden gefehlt, weil er
glaubte, die Epagomenen ans Ende des Jahrs bringen
zu müssen. In Ansehung der Einschaltung stimmten
beide Städte ohne Zweifel mit Alexandria darin überein,
dafs sie im Schaltjahr sechs Ergänzungstage rechneten.
Wenn ein ungenannter K.ii*chenscribent des yierten
Jahrhunderts den Märtjxertod des Apostels Paulus auf
*) 0.3. Acta Saiictorum, Febr. Tom.III, p.648.
') DiM.V, 2, p.480.
44»
Technische Chronologie.
den 5. Panemus der Syromaoedonier setzt und dieses
Datum mit dem S.Epiphi der Aleiandriner und 29. Ju-
nius der Römer vergleicht M, so sieht man, dais er un-
ter den S jromacedoniern die Gazäer und andere in
der Nähe Aegyptens wohnende Syrer gemeint hat«
Die beiden letzten in unserm Hemerologium be-
findlichen Kalender sind die der HeliopoliCer und
Gappadocier. Der von Heliopolis (jetzt Baalbelc^
in Gölesyrien lautet also: ,
Namen der Monate.
Anfang.
Dauer.
AB
Ab
23. September
30 Tage
lAOTA
Ilul
23. Oktober
30 -
Ar
Ag
22. November
31 -
eOPIN
Thorin
23.DeQember
30 -
FEASN
Gelon
22. Januar
30 -
XANOT
Ghana
21. Februar
31 -
SOBAe
Sobath
24. Mars
30 -
AAAA
Adad
23. April
31 -
NEI£A]f
Neisan
24. Mai
31 -
lAPAP
larar
24. Junius
30 -
KZIJH
Eter
24. Julius
30 -
6AAnZA
Thamiza
23. August
31 -
Die Ifamen sind offenbar die syrischen (430) , wenn
gleich zum Theil entstellt, nur dafs statt des l.Thischri
und Kanun hier die besondeni Namen Ag und Gelon.
stehen. Mit welchem Monat das Jahr angefangen hat,
wissen wir nicht, so wie wir überhaupt diese Zeitrecfa-
, *) Zacagni Collectanea monumentorum veterum ecclesiae
Graecae ac Latinae (Rom. 1698, 4) p. 535. Man vei-gleiche die
Vorrede des Hei^ausgeber».
Magedohibr und Strbr. 441
nang nirgends welter erwähnt finden ^). Stellt man,
wie es hier geschehen ist, den Ah voran, so erscheint
der Kalender dem der Kleinasiaten ganz analog geord«
net. Eine Aere der Heli.opoliter kommt meines Wis-
sens nicht vor.
Die Monate der Cappadocier finden sich in ver-
schiedenen alten Menologien, ans denen sie Lilius
Gyraldus*), Henricus Stephanus^), Belley*)
nnd Iriarte^) mit hedeutenden Abweichungen ans
Licht gezogen haben. In unserm Hemerologium lauten
sie also: *
s.
y«men der Monate. Anfang. Dauer.
ATTAN02 Ly tanus 12. Dec. •) 30 Tage.
APTHTS Arteys 11. Jan. 30 -
AAPA02TATA Adraostata 10. Febr. 30 -
*} Nur eines Monats gedenkt noch Golius in seinen Noten
zum Alfergani(S. 17) mit den Worten : Pro Haziran Helio^
politanos dixisse '0(^2p, testis est Theo Jlexandriiius iibro tk
irpo)^i/povc xavovac.
•) An der oben (427) ciiirten Stelle.
') Jppendix col. 225.
^) ObserveUions sur la moniere dont les hahitans fie C^
saräe en Cappadoce comptoieni les annäes de regne des Emi-
pereurs Romains. Mim. de VAc€ui, des Inscriplions Tom. XXXY,
p. 624 ff.
*) S. die oben (427) angeführte Stelle.
') Im Hemerologium ist eine Verwirrung, indem die Tage
der Epagomenen den ganzen December hindurch fortgezählt sind,
statt dafs mit dem 12. December der Ly tanus hätte anfangen sol-
.len, wie die Yergleichung des I.Januar mir dem 2l.L7tanu8 ca
erkennen gibt.
442 Technische ChroncJogie.
Namen der Monate.
Anfang.
Dauer.
TEIPEI
Teirei
12. März
30 Tage
AMAPliATA
Amarpala
11. April
30 -
gAN01KO£
Xanthicus
11. Hai
30 -
MTAP
Myar
10. Jun.
30 -
AnOMTAH ^
Apomyle
10. ivl.
30 -
A0PA
Athra
9. Aug.
30 -
AA0OT
Dathu
8. Sept.
30 -
02MAN
Osman
8. Okt.
30 -
zonAa
Sonda
7. Nov.
30 -
Epagomenen
4
T.Dec.
5 -
Um nur von jedem Namen eine Variante anzuführen,
so findet sich: Arunia, Arlaestin, Arflolata, Tirix, Ma*
pala, Xantheriy Mithri, A|X)menama, Arthra, Daihusa,
Osmonia, Sondara. Weiin Epiphantus den 6. Januar
mit dem 13. 'Arofra, Alarla , und den 8. November
mit dem IS.'A^ararS, Aratala, der Cappadocier ver-
gleicht, so mufs er, wenn die Zahlen richtig sind, einen
ganz andern Kalender meinen, wie schon der Umstand
beweiset, dafs er auf den Zeitraum vom 15. Aralata
bis zum 13. Atarta nur 59 Tage rechnet, die Epgome-
neu also nicht von beiden Datis eingeschlossen sein
können. Freret glaubt, daf« er von ii'geud einem
asianischen Kalender mit cappadocischen Monatsnamen
spi^eche, und wirklich fangt sein Ataita am 25. Decem-
ber an, mit welchem der Peritius der Ephesier be-
gann (419). In dem weitläufigen Memoire dieses Ge-
lehrten sur Vannie ^vague Cappadocienne ^), das fiir
die Geschichte und Alterthümer von Cappadooien wich-
') Mifm. de VAcad^des JnscripL Tom. XIX, (».35 ül
M AOEDoniER und Streb. 443
tig t aber itir unsem Zweck arm an Resultaten ist,
sucht er auszumitteln , vrann die Cap|mdoc]er dm feste
Sonnenjahr angjenominen haben. Seine Ciombip^tionen
sind sinnmch, aber unsicher. Dafs die Cappadocier
fjoiherhin ein bewegliches Slonnenjahr. von 365 T^gen
hatten , lätst die Form ihi^r Monate kaum bezweifeln,
und dafs sie es TOn den Persei*n, denen sie lange un-
terworfen waren, erballen haben, lehrt schon die Ana-
logie., die zwischen obigen Monatsnamen, so entstellt
sie auch sein mögen, und den persischen wahrgenom-
men wiixl. So ist es unverkennlich , dafs die Namen
des'zweilen, Tierten, siebenten, achten und neunten Mo-
nats das Aixlbehescht, Tir, Mihr, Abanmah und Adar
der Perser. sein sollen. Ucbrigens hat der Abt Belley
gezeigt, dafs die Regierungsji^hi'e der römischen Impe-
ratoren, die auf den Münzen von Cäsai'ea in Cappado-
cien erwähnt weixlen , . richtig gezählt sind , wenn wir
den Anfang des Jahrs, wie in unserro Hemei^ologii^m, auf
den 12. December setzen und annehmen, dals dabei das
ägyptische, dem astronomischen Kanon zum Grunde lio-
,gende, Princip(117} befolgt ist. Das einzige cappado-
cische Datum,' das meines Wissens noch vorkommt,
findet sich beim Gregor aus Nazianz, einer Stadt im
siidli^en Cappadocien, der in einem seiner Briefe*]
vom 22. Dathusa — rov x^' i^ijl£^ fivivog Aa^cva-a —
d.i. nach unserm Hemerologium vom 29. September
spricht.
Noch muis ich hier eines beim, Epiphanias ganz
isolirt stehenden Datums gedenken. In seiner Schrift
•) EpisL 90. Opp. Tom. I, p.844 4k1- Par. 1630.
444 Technische Chronologie.
De mensuris et ponderibus *) 8etst dieser KircheDvater
das PfiDgstfest des Jahrs 592 ganz richtig auf den
21.Pachon der Alexandriner oder 16. Mai der Römer,
und vergleicht diesen Tag mit dem 23. Artemisius der
Hellenen. Scaliger und Petayius haben hierbei
mit Recht Anstofs gefunden, da der 16» Mai im Kalen-
der der Kleinasialen(4l9) dem 23.Däsias und im sj-
romacedonischen (430) dem 16. Artemisius entspricbt.
Noris ') meint zwar, es könne Syrer gegeben haben,
die den kleinasiatischen Kalender auf diese Weise ge-
brauchten, nämlich so, dafii sie den Namen eines )eden
Monats, z.B. des Artemisius, auf den folgenden über-
trugen. Da indessen yon diesem Gebrauch nirgends
weiter eine Spur vorkommt, selbst nicht einmahl an
der andern, oben oft citirlen, Stelle des Epiphanias,
wo er die Tage, an welchen seiner Annahme nach
Christus geboren und getauft sein soll, nach so vielen
Kalendern angibt, auch in unserm Hemerolo^'um sich
nichts findet, was auf denselben hindeutete, so ei-scheint
er sehr zweifelhaft, und es mufs daher wol entweder
DSsius für Artemisius oder 16 für' 23 gesetzt werden.
Wir haben dann im ersten Fall ein Datum der Ephe-
sier und anderer Kleinasiaten, im zweiten der Anüochier
und anderer Syrer. Letzlere Aendening ist dem Ge-
brauch des Wort ''EXX7)V€$ beim Epiphanius am an-
gemessensten.
Eben so verschieden, wie die Monate, waren die
Epochen, von welchen die syrischen Stttdte ihre Jahre
*) (^p. Tom. n, p. 177.
») Diss.I, C.3, p.41.
MAGB.DONIER UQcl St&ER. 445
zäUten* Noris hat über diesen yemrickelten Gegen-
stand eben so schar feinnige als gründliche Untersuchui^
gen angestellt, und ihn sehr aufgeklärt, jedoch einem
Belley, Eckhel, ^Sanclemente und andern noch
Manches zu erorjteiii übriggeJassen. Die \^ichligste un-
ter allen syrischen Aeren ist die seleu eidische.
Dem Seleucus, nachmals Nicator genannt, fiel
bei der «zweiten Yertheilung der Satrapicn des gix)f5en
von Alexander hinterlassenen Reichs, drei Jahre nach
dessen Tode, Babylon zu. Er hatte seine Stalthalter«
scbafi einige Jfihr^ behauptet, als er sie aus Furcht
vor dem. mächtigen und herrschsüchtigen Antigonus,
der nach Besiegung des Eumenes den gröüsten Theil
Asiens dies- und jenseits des Taurus an sich, gerissen
hatte, yerlieis, und sich zum Ptolemäus Lagi nach
Aegypten begab. Dieser drang auf seine Veranlassung
mit einem Heer in Syrien ein, und setzte sich durch
den Sieg, den er über Demetrius Poliorcetes, den Sohn
des Antigonus, bei Gaza erfocht, in den Besitz des
Landes. Seleucus zog nun mit einem Heer, das ihm
Plolemttus zu Hülfe gegeben hatte, nach Babylon,
schlug den Nicanor, den General des Antigonus, und
unterwarf sich in Folge dieses Sieges Susiana und Me-
dien* Von diesem Zeitpunkt (OL 117,1, wie Diodor
^S^ *)i d.i. zwischen den Sommer 312, und 311) dar
tirt sich die seleucidische Aere, nicht, wie einige Chro-
nologen sagen ,. , von der Gründung des seleucidischen
' ) Auch Eusebius stimmt hiermit überein ; denn in seiner
Chronik nach d^r TTeberselzung des Hieronjmus sagt er
heim ersten Jahr der 117ten Olympiade: Primus Seleucus Nica-
tar Sjrriae et B^ihyloniae regnavii, Opp, Hieron. Tom. VUI
p.540.
446 Technische Chvnologie.
Beiohs' in Syrien. Bis dahin yerfloMen nocli elf Jahre.
Attügontis eilte nämlich nach der Schlacht bei Gaia
nach Syrien und drängte den Plokmiins nach Aegypten
zurück, worauf eine Reibe Begebenheiten folgte, die
sich damit endigte, dafs sich Ptolemäus, Se]eucns, Cas-
sander und Lysimachiis gegen Anligonus verbanden,
und ihn bei I[>sus in Phrygien um tteich und Leben
bwcht^^n. Dies geschah Ol. 119,4, v.Chr. 301. lyie
Si^r theilten sich in sein Reich. Seleucus, der sich
nach dem Beispiel des Antigonus, Ptalemäus, Gassander
und Lysimachus schon seit einigen Jahren den Königs-
titel beigelegt hatte, erhielt das obere Syrien und machte
es zum Mittelpunkt eines gix>fsen Reichs, das sich vom
Indns bis an den Hellespont erstreckte. Colesyrien,
Phönizien und Palästina verblieben fiir jetzt noch dem
Ptolemäus, fielen aber in der Folge den Seleueiden
gleichfalls zu ^).
Es wurde nun in dem von Seleacus beherrsch-
ten Theile Syriens gebniuchlich und gesetzlich , die
Jahra von der Schlacht bei Gaza und von seiner Wie-
dereroherung Babylons zu zählen, wodurch er den Grund
zu seiner git>fsen Macht gelegt hatte, ungeachtet er da-
mals noch nicht den Königstitel führte. Dies ist die
berühmte Aerc der Seleueiden, deren sich die Syrer
und unter den syt*iscbeto Regenten die Hebräer bedient
haben. Man findet sib, wie Noris ^) und EckheP;
zeigen, auf den Münzen mehi*erer syrischen Städte,
* ) Das Einzelne dieser Begebenhei ten findet mau beim D i o d o r
1.XIX« C.80 ff. und in vefscbiedenen Biographien desPlutarch.
*) Annus et Mpochae Sjrromaeedonum diM.n,>c.2 ubd 3.
') Doclr. Num. Vol. HI, p. 268 ff.
MAGEDOifiBK und Strer. 447
nainlich auf denen von Emisa , Damascus , Laodicta in
Cölesyrien, Caesarea am Libanus, Orlhosia in Phöoizien,
und unter andern Aeren auf denen yon Anliochia, Apa-
niea, Epipbanea, Seleucia, Canatha, Sidon, TnpoliS)
Tyrus, Cyrrhus und Ascalon. Ferner auf den Marmorn
yon Palmjra, z.B. einem, der folgende Zeitbeslimmung
enthält: ETOTT ZM«I> MHWOS HEPITIOT, im Jahr
547 im Monat Peritius *). Nach ihr werden in
den Büehem der Makkabtterdie Jahre gezahlt, welche
daselbst die der Herrschaft der Griechen — ttJ^
SaaikEia^ ''EX.Xijvwv — heifsen '). In den Auszügen , die
loseph Simon Assemani in seiner Bibliotheca
Orientalis aus den syrischen Handschriften der vatica-
nischen Bibliothek gibt, wird sie häufig erwähnt, mit
der Bezeichnung anno Graeeorwn oder - anno regni
4lexandri. Auch gebrauchen sie nicht selten die ara-
bischen Astronomen, die sie die Acre Alexander's,
*) G r u t 0 r Thes. Inscr. p. LXXXVI , 8. Mus. Capit,
Tom. IV, lab. XYIII, p. 79. Die kleinere Zahl ist hier der
grÖfsem vorangeselzt. So findet es sich gewöhnlich auf den sy-
rischen Münzen. Beim Aussprüchen der Zahlen machten die
Giiechen bald mit der gröDiten, wie die Römer, bald mit der
kleinsten den Aiüanj;.
') i.Makk. I, II. Nachher ist immer nur von Jahren die
Rede , die nicht weiter bezeichnet wei*den. losephus da^e^eii
spricht (Ant.lL\Ii,6^6J von der Herrschaft der Assyrier.
Er yei^teht darunter nach einem auch sofost-vorkommenden Sjsrach-
gebraudi (216) die Syrer, indem er hinzosetzt: ,, Seit nämlich
„Seleucus, Nicator genaunt, Syrien in Besitz nahm.'' An einer
andern Stelle (XII, 5, 3) bezeichnet er die seleucidische Aere etwas
befi'emdend durch: pta^tou; aato SiWxov ßao-tXtrig, was der latei-
nische Üebersetzer yerständlicher durch et quo regnare coepe^
mni Seleucidae gibt.
448 Technische Chronologie.
eijgentUcfa DsiUkarnain, des Zweigehdmten ,
neiuieD.
Dafs diese Aeie nicht früher oder später als im
Herbst des Jahrs 312 t* Chr. angefangen haben könne,
lehi^n unier andern swei syriaehe Münzen mit den
Bildnissen des Hadrian und Caracalla, weiche Noris
anaijsirt hat. Auf der Räckseite der enten steht : 7T1-
nOAEITON HKT , TripoUtamm anno CCCCXXFIII ^).
Hadrian gelangte den 11. August 870 der Stadt Rom,
117 n.Chr., zur Regierung. Soll nun von der seleu-
eidischen Aexe, die hier gemeint ist, schon das 42&ste
Jahr ihm angehöreu, so kann sie nicht vor dem Herbst
442 der Stadt, 312 v.Chr:, begonnen haben. Auf der
andern licset man : EMIXQN K0AQNIA2 HK!>I>, Enu-
senoruun Coloniae anno D XXV III '). Caracalla wurde
den 8. April 970 der Sudt, 217 n.Chr., ermoidet.
Soll also von der seleucidischen Acre, nach der hier
wieder gerechnet ist, das S28ste Jahr rum Theil noch
ihm angehören, so kann sie nicht später als mit dem
gedachten Zeitpunkt augefangen haben. Aui eben die-
ses Ergebnis fühlten zahlreiche anderweitige Combiaa-
lionen. So wird in den Verhandlungen des cbalcedo-
niscben Conciliums das vom nicSnischen abgefafiste Glau-
bensbekenntnifs mit folgender Zeitbestimmung eingelei*
tet'): ,, Unter demConsulat-des Paulinus und lulianus
,,im Jahr 636 nach Alexander am 19. Dttsius der
„Griechen oder XIII. Cal. lul. (19 Jun.) zu Nicäa, der
„Hauptsudt von Bithynien." Das Gonsuht des Paulinus
') DiM.II, c. 1 und 2, p. 72 und 99.
') Ebend. p.73 und95.
') Tom. VI, col. 956 der Sammlung Mansi^s.
Magedonibü und Streb. 449
und lulianus gehört ins Jahr 325 n. Chr. Das sjtch
maoedonische Jahr, auf welches sich das Datum bezieht,
fängt mit dein Hyperberetäus oder Oktober 324 an (430).
Gehen wir nun von hier 635 volle Jahre zurück, so
gelangen wir zum Herbst 312 v.Chr., als der Epoche
der hier gemeinten Jahrrechnung, die keine andere als
dieseleucidische sein kann, wenn gleich die Bezeich-
nung nach Alexander auf den ersten Blick befi^em-
dend ist. Sie ist aber bei den Orienl^lem gar nicht
ungewöhnlich, wie schon die vorhin gedachte Benen-
nung Acre des Zweigehörnten lehrt. „Zwölf Jahre
,,nach Alexander's Tode, sagt Abu 'Ifaradsch ^),
,, erhielt Seleucus mit dem Beinamen Nicalor die Herr-
,, Schaft über Babylon, ganz L*ak und Chorasan bis In-
,,dien. Mit dem Anfange seines Reichs beginnt die
,,von Alexander benannte Acre, nach der die
y, Syrer und Hebräer ihre Jahre zählen." Mit den
iswölf Jahren ist zugleich der Unterschied der seleu-
cidischen und philippischen Aeve ausgesprochen,
von denen letztere auch zuweilen' unler der Benennung
Jahre nach Alexander's Tode vorkommt (106);
denn zwischen den Epochen beider verfliefsen beinahe
zwölf Jahre , hingegen von dem Tode Alexander's bis
zur Epoche der seleucidischen Aere nur elf Jahre und
drei bis vier Monate (407). Eusebius drückt sich
daher ganz richtig aus *) , wenn er die Hen*schaft des
Seleucus im zwölften Jahr nach Alexander's
*) Hist. Dynast. l.VI, p.98.
») Demonstr. evang. l.Vm, p.393 (ed. Paris. 1628, fol.)-
I. [29]
460 Teehkische Chronologie.
Tode — hu iwitxdnp jünri t^f 'AXigeWpou TsXtvnf» —
bqfinnen lä&t.
Fröret sagt^), die Königswürde des Sdencos,
die sich erst vom Jabr 305 v.Chr. datire, könne nicht
Teranlassung lur Entstehung der seleucidischen Aere
gegeben haben. Darin bat er Recht. Wenn er aber,
besonders nach einigen schwankenden Angaben des'
losephus, eine Unsicherheit über die ganze Aere za
bringen sucht, so ist er in einem greisen Irrüium be*
fangen. Von keiner Jahrrechnung steht die Epoche
fester, als von dieser. Nichts berechtigt uns, die Aere
der Chaldäer(223) mit der seleucidischen für iden*
tisch EU halten, und dem gemäls ein Schwanken ihrer
Epoche «wischen den Spätjahren 312 und 311 v.Chr.
voraus SU setKu.
Bisher ist nur immer vmn Herbst des Jahrs
313 V.Chr. als der Epoche der seleucidischen Aere die
Rede gewesen. Es fragt sich, ob sich dieselbe nicht
genauer ermitteln lasse. Ulug Beig, der um das Jahr
1430 unserer Zeitrechnung su Samarkand regierte und
schrieb, ssgt im vierten Kapitel seines Werks von den
Epochen *), die griechische (seleuddische) Aere fange
*} In seiner Abhandlung: De V£re des Grecs de &jfrie nom-
m^ plus ordinairement ire des Seleucides, MAn. de l'Jcad.
des Inscr. Tom. XYI, p.286 ff. Oewres compUtes Tom.XI,
p.227 ff.
') Epoekae celehriores astronomis, histoHcis, chronologis
Chataiarmm, SrnnGraecomm, Arabum, Persarum, Chorasmio-
mm usitatae, ex iradUione Ulug Beigi publicavU, recensuit et
eommentariis UlustravU Joh. Gravius (London 1650, 4, persisch
und lateinisch), p.3l.
Magbdo5ibr und Streb. 461
340700 Tage früher als die arabische, und 344324 Tagt
froher als die persische an ^). Vorher ') hat er scholl
bemerkt, dafs sie nach Sonnenjahren zu 365-| Tagen
zfihle. Gehen wir nun vom 15. Julius 622 n.Chr.^
der Epoche der arabischen Acre, 340700 Tage, und yom
16. Junius 632, der Epoche der persischen, 344324Tage
zurück, SD gelangen yrir zum 1. Oktober des Jahrs 312
v.Chr. oder 4402 der julianischen Periode als Epoche
der seleucidischen Aere ^}.
Hiernach erhalten wir für die Reduction der seleu-
cidischen Jahre auf die unsrigen folgende Regel : ist die
gegebene Jahrzahl nicht gröfser als 312, so ziehe man
sie von 313, ist sie aber gröfser, so ziehe man von iht
312 ab. Im ersten Fall erhält man das Jahr vor, im
letztem das Jahr nach Chr., auf dessen 1. Oktober der
Anfang des seleucidischen trifft, und dem noch der Hj^
perberetäus, Dins und Apelläus oder der erste Thischri,
der zweite Thischri und der erste Kanun angehdren«
Die übrigen Monate gehen in das folgende Jahr unse^
rer Zeitrechnung hinein *)• Wenn z.B. in der Chro^
*) Alfergani feiern, astr. p.7^ setzt das Intervall zwitdkeil
der seleucidischen und persischen Acre auf 942 julianische Jahrs
und 259 Tage, was ebenfalls 344324 Tage gibt.
») C.2, p.l7.
') Das Chronicon paschale irrt um zwei Jahre, wenn es
beim Consulat des Rullianus urid Rutilus Ol. 117,3, p. 171 sagt:
„Von diesen Consuln an werden die Jahre der Sjromacedonier
„oder die Jahre in dei* Ostertafel (naa^iTuov) der Apameei' ge->
„zäUt." Die Aere fing 01.117,1 an.
*) Assemani subtrahirt Ton der seleucidischen Jahrzahl
immei* 311. Das Verfahren ist lichtig, wenn dai Jahr unserer
Aere gefunden werden soll^ das seinem gröfsten Theil nach mit
dem seleucidischen übereinstiramt.
[29*]
462 Technische Chronologie.
nik von Edessa, die sich dieser Aere bedient, der
Tod des Kaiser lulianus, der bekannüicli auf einer £i-
pediüon gegen die Perser blieb, in den Hasiran oder
Janius des Jahrs 674 gesetzt wird *), so findet sich ganz
tibereinstimmig mit anderweitigen Angaben das Jahr
363 unserer 2>eitiechnung, in dessen Herbst das 674ste
der seleucidischen zu Ende ging. Will man ftmgekehrC
ein Jahr unserer Zeitrechnung auf die seleucidische
bringen, so mufs man es entweder von 313 subtrahi-
xen oder zu ihm 312 addiren, je nachdem es ein Jahr
vor oder nach Chr. ist. In beiden Fällen erhttlt man
das seleucidische Jahr, das in dem voi^legten christ-
lichen seinen Anfang nimmt. Aehnliche Regeln für die
Vergleichung der seleucidischen Jahre mit denen der
Stadt Rom und umgekehrt, wozu die syrischen Mün-
zen häufig Anlafs geben, bildet man sich leicht, wenn
man sich erinnert, dafs die Epoche der seleucidischen
Aere nach der gewöhnlichen, sogenannten var ro-
nischen, Rechnung auf den Herbst des Jahrs 442
der Sudt trifll.
Die Ursache, warum die syrischen und arabischen
Schriitsteller die Jahre dieser Aere in der Regel so zah-
len, als sei ihre Epoche der I.Oktober 312 v.Chr.,
liegt nicht etwa in irgend einer merkwürdigen Bege-
benheit, die sich an diesem Tage zugetragen hatte (das
Datum der Schlacht bei Gaza und der darauf folgenden
Besetzung Babylons durch Seleucus sind uns unbekannt),
sondern lediglich darin, dafs die Syrer bei Annahme
des julianischen Kalenders den Hyperberetäus oder er-
sten Thischiri, der dem Oktober entsprach, zum ersten
*) Bibl Orient, Tom.I, p.397.
Magedonier und Stbsr. 463
Monat des Jahrs machten, das sie schon längst um die
Herbstnachtgleiche anzufangen gewohnt waren.
Ich sage in der lleg^l; denn wir finden hin und
wieder den Gorpiäus, EIul oder September als den er-
sten Monat der Syrer und des seleucidischen Jahrs ge-
nannt. So steht in dem Yerzeichnifs der syromaoedo"
nischen Monate, das Henricus Stepfaanus aus einem
alten Lexicon gibt *), der Topmotoj 6 'SsTrrifxßpio^ Yoran.
Noris beweiset') aus der Kii*chengeschichte des im
sechsten Jahrhundert lebenden Euagrius, dafs man-
zu Antiochia so gerechnet hat. Auf dieselbe Weise
zählt ferner Albatani, der älteste und bedeutendste
arabische Astronom, der zu Racca in Mesopotamien be*
obachtete, die Jahre der seleucidischen Acre. £r nennt
nicht nur den EIuI zuerst unter den Monaten der Rö-
mer (Syrer) ^), sondern gedenkt auch einer Beobach-
tung der Herbstnachtgleiche vom 19. Elul, die er, wie
seine Yergleichung derselben mit einer ähnlichen des
Ptolemäus zeigt, im Jahr 882 n. Chr. angestellt ha-
ben mufs, und doch schon im Jahr 1 1 94 Dsi 4kamain
oder der seleucidischen Acre angestellt zu haben ver^
sichert ^), ungeachtet dieses nach gewöhnlicher Rech-
nung erst mit dem 1. Oktober 882 anfing. Abu'l«-
faradsch sagt, dafs die Rum seiner 2^it das Jahv
*) Appendix ad thes, ling, Gr. col.225.
') Diss.m, C.6.
') De Scientia stellarum c. 32. Von diesem wichtigen Werke
hat man bis jetzt nur eine schlechte, incorrect gedinickte latei^
nische Ueberselzung (Nüniberg 1537, Bologna 1645, 4J.
*) Ebend. c.27.
464 Technische Chronologie.
mit dem Elol» die Syrer hingegeu mit dem enien
Thiscbri anfingen ^).
Es £ragt sich, wie man den iwiefachen in Syrien
vorkommenden Jahranfang zu erklären habe. Der ur-
sprüngliche war ohne Zweifel der vom !• Oktober, und
dieser hat sich auch bei den eigentlichen Syrern erhal-
ten. So geht aus der Chronik von Edessa deutlich
hervor, dafii sie den Jahranfang auf den i. Oktober
setzt. Man vei^eiche nur das Jahr 814, bei welchem
es heilst '), Gavades, König von Persien, habe Amida
in Mesopotamien am 5. Oktober zu belagern ange&n-
gen, es nach 97 Tagen erobert, und noch im Septem-
ber desselben Jahrs Edessa belagert. Der Jahran-
fiing mit dem 1. September schreibt sich von den In-
dictionen her. So nennt man die Jahre eines fünf-
zehnjährigen Zeitkreiaes, nach welchem wir seit der
Mitte des vierten Jahrhunderts n.Qir. häufig datirt
finden. Diese Indictionen fingen, eben so wie die
Jahre der konstantinopelischen Weltäre , mit dem 1. Sep-
tember an^), und müssen, als die im byzantiniscVien
Reich gesetzliche Jahrrechnung, in Syrien allmählich
die alte Jahrepoche aus den öffentlichen Akten, wenn
auch nicht ganz aus dem Yolksgebiauch , verdrängt
haben.
*) An der oben (449) citirten SleHe. Unter f^^ JRäm, Rö-
mer, Teratehen die Araber alle Eum bjzantinüchen Reiche ge-
hörigen Griechen, besooderi die syrischen. Die altem nennen sie
^^Jf^nan, lonier.
*) BihL Orient, Tom.I, p.407.
') S. unten die Zeitrechnung der Chiisten.
Mageponiea und Stbea. 465
Beim Lesen ayrischer Schriftsteller mufi man
sich hüten, beide Jahranffinge mit einander zu Ter-
wechseln, und es yrird öfters soi^ialtiger Gomhinationen
bedürfen , um ein syrisches Datum richtig auf unsere
Zeitrechnung zu bringen. Wenn z.B. die ebengenannte
Chronik den Tod des Simeon Stylites auf Mittwoch
den 2. September des Jahrs 771 setzt ^}, so würde
man irren, wenn man defsbalb an den 2. September
460 n.Chr. denken wollte, weil die Chronik, wie tox^
hin bemerkt worden, ihre Jahre sonst immer vom
1. Oktober rechnet. In diesem Fall fängt sie das Jahr
offenbar mit dem September an, weil nur vom Jahr
459 die Rede sein kann, in welchem der 2. September
ein Mittwoch war. Es ist nicht nöthig, die Jahrzahl 771
für verdorben zu halten; die Chronik hat diese Nach-
richt vermuthlich von einem antiochenischen Schrift-
steller entlehnt, der das Jahr mit dem September
anfing.
Ein Jahranfang mit dem Dius oder zweiten
Thischri hat, so viel wir wissen, in Antiochien nie Statt
gefunden. Wenn also lulian in seinem Misopogon,
bekanntlich einer Satyre auf die Antiochener, den Loiüs
ihren zehnten Monat nennt'), so hat er sich durch
die in Kleinasien gebräuchliche Zählungsweise der Mo-
nate, die ihm wahrscheinlich geläufiger war (er hatte
sich seiner Studien wegen in mehreren dortigen Städ-
^) p.^05. Gosmas, der Biograph dieses Heiligen, bestätigt
Datum und Ferie. Bibl, Orient. Tom.I^ p.252.
') Atxrry «ov pa^l tAt wof upi?y a^iBfiwfiiinfy A^fffv oT}UUtwtw
vfutq npoqayoftitru Opp, ed. Lipt. 1696 fol., p.361.
456 Technische Ctironologie.
ten aufgehalten) irre leiten lassen *}. Auch leigen
seine Worte, dafs er seiner Sache nicht ganz gewiis
war. Zwar hat Sancleihente in seinem Werke über
die christliche Aere ') durch Zusammenstellung
zweier Münzen der Antiochener mit dem Bildnisse Nero's
und der doppellen Jabrzahl 111 und 10, 112 und 10,
wovon sich die eine auf ihre mit dem Herbst 705 der
Stadt Rom anfangende Aera Caesatiatia^ und 6ie an-
dere auf die mit dem 13. Oktober 807 angetretene Re-
gierung dieses Imperators bezieht, zu beweisen gesucht,
d^Is sie ihr Jahr damals nach dem 13. Oktober begon-
nen haben. Allein es gibt zwei andere Münzen der
') Einen Fehler anderer Art begeht Suidas, wenn er deo
Hyperbereläiis der Macedonier nicht mit dem September, dem
er gi'öfstentheib angehört (419), sondern nach syromaced onischer
Weise mit dem Oktober vergleicht. Auf eine ähnliche Weise
Terfahrt er beim Artemisius und andern Monaten, die er nennt.
*) De vulgaris aerae emendatione librilV (Rom i793, foL),
p. 183. Das sehr gelehrte Werk mufs wegen mancher darin ent-
haltenen chronologischen Paradox ien mit Vo»ichl gebraucbl wer-
den. Wenn z.B. mit Bezug auf die oben (449) cilirten griechi-
schen Worte des Eusebius, die inig durch post annum duo-
decimum ab AUxandri morie übersetzt sind , behauptet wird
(S.216), dafs die seleucidtschc Aere ursprünglich mit 6er cfaal-
dai:ichen (223) identisch gewesen sei, und dafs die Antiochener
ihre Epoche vom Herbst 3H bis zum Herbst 312 zurückgescho-
ben haben, weil Seleucus erst im Frühling 311 zu seiner Herr-
schaft gelangt sei, und die asiatischen Völker und Städte eben
»o, wie die Aegypler, die Jahre ihrer Regenten von dem voran-
gehenden Anfange ihres bürgerlichen Jahrs gezählt haben, was
allerdings fest zu stehen scheint, so begreift man nicht, warum
gerade die fiabjrlonier eine Ausnahme yon diesem Princip ge-
macht haben sollten.
Magbdo5I£r und Staer. 457
Antiocbener mit demselben Bfldnisse und der doppel-
ten Jahrzahl lOS und S, 108 und 6, woraus Noris^)
und Eckhel') gerade das Gegen tfaeil folgern, nämlich
dafs die Epoche ihres Jahrs yor den 13. Oktober zu
setzen sei. Ob es nun mit Sanclemente's in sei-
nem spätem numismatischen Werke ^) aufgestellten Be-
hauptung, dafs bei der Münze mit den Jahrzahlen 108
und 5 ein Irrthum obwalte, seine Richtigkeit habe,
oder ob sich der Widerspruch, in welchem sie mit den
übrigen zu stehen scheint, durch die Voraussetzung
heben lasse, dafs unter Nero zu Antiochia noch das
alte Mondjahr, dessen Anfang im Sonnen jähr durch ei*
nen Zeitraum Ton vier Wochen hin und her schwankte,
im Gebrauch gewesen sei, wollen wir hier nicht weiter
untersuchen. Genug die Evidenz der von ihm analy-
sirten Münzen ist nicht so schlagend, dafs wir uns
Tcranlafst sehen könnten, etwas den bisherigen Foiv
schuDgen zuwider laufendes auf sie zu gründen.
Wie mannigfaltig die Acren der Städte Syriens wa-
ren, erhellet aus folgender Stelle des Chronicon des
Eusebius nach der Uebersetzung des Hieronymus *):
Secundo anno Probi iuxta Antioclienos CCCXXF", üiocta
Tjrios CCCCII , iuxta Laodicenos CCCXXIV^ iuxta
Edesscnos BLXXXVIII, iuxta Jscalonitas CCCLXXX,
insana Manichaeorum haeresis in commune humani ge--
neris malum eocorta; und bei weitem sind hier noch
*) Diss.V, C.4, p.524.
») Vol.m, p.281.
') De epochis sive de notis chronologicis numismaUtm im^
periaUum (Rom. 1809, 4) p.84.
*) Ad Ol. 264. O;»/?. /TiVro/r^mi Tom.Ym, p.760.
458 Technische Chronologie.
nicht alle Jdunrechmmgen der syriachen Stttdte ge-
nannt«
Wie Noris bündig darthut^), war das sweite
Jahr des Probus das 1030ste der Sudt Rom oder 277ste
der christlichen Zeitrechnung. Man sieht also auch
hier, dals su Edessa die seleucidische Aere gebräuchlich
war (452), deren SSSstes Jahr grölstentheils dem eben
gedachten christlichen entsprach.
Die Epochen der meisten Acren , die wir in Syrien
antreffen « datiren sich yon den Zeitpunkten , wo die
Städte, die sich ihrer bedienten, die Autonomie erlang-
ten (433). Dies geschah besonders in den beiden Perio-
den, wo Pompe ins undlulius Cäsar im Lande wa-
ren. Jener nöthigte im Jahr 690 der Stadt Rom, v. Chr.
64, den Tigraties, König von Armenien, Syrien,^ das
er einige Zeit behauptet hatte, zu räumen, und machte
es nun, einzelnen Städten die Freiheit schenkend, zu
einer römischen Provinz. Die Acren, die sich damals
bildeten und mit d^m Herbst theils des gedachten Jahrs,
theils auch erst des folgenden, ihren Anfang nahmen '),
werden von den numismatischen Chronologen mit dem
gemeinschaftlichen Namen der Pompeiana bezeichnet.
*) n. 3, p. H5 ff.
^) Sanclementeüt geneigt, die Grenzen noch weiter zu
stecken. Auch will er den von Noris, Belle j, Eclchel und
andern aufgestellten GrundsaU, dafs, mit der oben (413) gedach-
ten Ausnahme , sammtÜche syrische Städte das Jahr mit dem
Herbst angefangen haben, nicht ab durchgchends gültig anneh-
men. Ich unterfange mich nicht, faierübei* ein ürtheil anszu-
8|»echen; nur so Tiel kann ich yersichem, dals sich bei den
Schriftstellern nichts findet, was einem solchen GrundsaU
zuwider liefe.
Magbdonier und Stre«. 459
Nach E c k h e 1 haben dieselbe vom Jahr 690 an fol-
gende Städte der Decapolis gebraucht: Abila Leucas,
Antiochia ad Hippum, Canalha, Dium, Gadara und
Pella *). Hemath am Oronles, von Anüochus Epi-
phanes Epiphanea benannt, bediente sich zuei*st der
seleucidischen Aere und dann der pompeianischen, wie
Belley glaubt'), von dem erwähnten Jahr. Phila-
delphia in der Decapolb zählte nach Eck hei von 690;
Noris erklärt sich für 691, weil das Chronicon pa^
schale bei Ol. 179,2 anmerkt: „Ton hier an rechnen
,9 die Philadelphier ihre Jahre ^)." Tripolis hat fast
durchgängig die seleucidische Aere gebraucht; unter den
zahlreichen daselbst geprägten Münzen kommen jedoch
auch ein paar mit der pompeianischen vor. Es ist un*
gewiis, ob' die Epoche in 690 oder 691 zu setzen ist %
Dora in Phönizien zählte nach Noris die Jahi« von
691, nach Pellerin von 690'^).
Dafs sich auch Antiochia unier den Städten be-
fand , denen Pompeius die Autonomie verliehen , be-
weiset Noris aus dem Zeugnisse des Porphyrius^);
*) YoLUI, p.345 bis 351. Von Antiochia ad Hippum oder
Hippus schlechthin und Gadara handelt auch Noris III, 9, p.297,
331, und von Abila, Canalha, Dium und Pella auch Belley.
M^moires de VAcad. des Inscripi, Tom.XXYUI^ p.557 ff.
Von diesem schätzbaren Gelehrten hat man eine Reihe Abhasd-
Inngen unter dem Titel von Supplementen zu Noris Werk.
"J Mt!m. de l'Jcad. des Jnscr, Tom. XXVI, p.391 ff.
') Noris S. 308 ff. Eckhel S.351.
*) Eckhel S. 377.
*) Noris rV, 5, S. 453 ff. Pellerin Mecueil de MddailUs
Tom n, p. 217 ff.
*) Noris m, 3, S. 157.
460 Technische Chronologie.
ihre Hriosen selEen aber den Gebrauch der pompeia*
nischen Acre nicht aufser Zweifel '}, vielmehr scheint
die Hauptstadt Syriens für jetzt noch die seleucidisdie
beibehalten zu haben. £];st vom Jahr 705 der Stadt
Rom, V'Chr. 49« datirt sich die ihr eigen thümliche
Jahrrechnung, welche nächst der seleacidischen unter
den syrischen die berühmteste bt.
Dieses Epochen jähr, für welches sich schon Petavius
und Usher erklärt hatten, ist zuerst von Noris mit
völliger Sicherheit festgestellt worden *). Er begründet
es theils durch zwei antiochenische Münzen mit den
Bildnissen des Tiberius und Galba'), theils durch die
Jahrzahl 325 in obiger Stelle des Chronicon des £u-
sebius(457), theils durch noch eine andere Stelle der-
selben, wo es heilst *) : Decimo nono anno Diocletiani,
mense Martio, secundum Jntiochenos' tuino CCCLI, ec-
clesiae subversae sunt. Das neunzehnte Jahr der die-
detianischen Acre begann am 29. August 302 v.Chr.,
und mit dem Herbste dieses Jahrs unserer Zeitrechnung
mufs das 351ste der Antiochener angefangen haben,
wenn demselben der März unsers 305leu angehört ha-
ben soll, wo die schreckliche Verfolgung über die Chri-
sten ausbrach ^).
*) EckhelS.268.
*) in, 4, p.i65 ff.
') B e 1 1 e y fügt noch eine then so entscheidende mit dem
Bildnisse des Olho hinzu. Mämoires de VAcad. des InscHpL
Tom. XXX, p.273.
*) Ad Ol. 270. Opp. Hieron. Tom. Vm, p. 772.
•) S. Yalesius ad Eusebii Bist. ecd. Y01\ 2.
Magsdonier und Strbr. 461
Auch dorcli mehrere Zeitbestinunungen der an-
tiochenischen Schriftsteller Euagrius und Johannes
Malelas, so wie des Chromeon paschale ^ bestätigt
sich das gedachte Epochen jähr. So sagt der ei-ste ^),
der Kaiser Justinus sei zur Regierung gekommen am
9, Panemus oder Julius xP^M*^*Co^^5 ^i9 'Awtoxw txrov
xal i^rixofoy xcd 7riyTaxo(rio^oy Irogy als die Stadt des
Antiochus das fünfhundert sechs und sech-
zigste Jahr zählte. Das Chronicon pasciuäe be-
zeichnet diesen Zeitpunkt durch dasselbe Jahr —XP^
jütari^cyrog koltoL tcu^ 'Aktiox^o^ iroug g'^<p\ als nach den
Antiochenern'das 566ste Jahr gezählt wurde ^),
und zugleich durch das Consulat des Magnus und die
elfte Indiction. Letztere beginnt mit dem 1 • September
517 n.Chr., und ei*steres gehört in 518. £s ist also
der 9. Julius 518 gemeint, und wenn diesem Jahr das
566ste der Antiochener entsprochen haben soll, so mufs
die Acre im Jahr 705 der Stadt Rom oder 49 v.Chr.
ihren Anfang genommen haben. Malelas berichtet^),
lulianus sei gelödlet woiden am 26. Däsius oder Junius
des Jahrs 411 der Antiochener. Diese Angabe stimmt
mit der oben (452) aus der Chronik von Edessa an-
geführten überein, wenn die Epoche der Acre das ge-
dachte Jahr ist.
») HisL eccL rV, 1.
^) 8.331. Ich babe die griechischen Worte angeführt, um
auf den Gebrauch hinzudeuten, den die spätem 8chnristeller von
dem Yerbum yj^r^^tit^uv beim Datiren machen. Man sieht, es
kommt in activer und neutraler Bedeutung yor.
^) HisL chron, P.II, p.20 und 22.
462 Technisehe Chronologie.
Diesen Zeugnissen, nnter denen besonders du von
den Münzen entlehnte Tom grofsten Gewicht ist, ^
dabei an keine Yerfälschung der Zahlen zu denken ist,
stellen die Gebrüder Assemani, Joseph Simon*)
und Stephanus Eyodius'), die Angaben zweier
syrischen Scribenten entgegen, welche die Epoche um
ein Jahr jünger machen. Am Schlüsse der j4<^a Sancü
Simeonis StjUtae von Cosmas Presbyter heiTst es:
,, Dieses Buch der Triumphe des seligen Mar Simeon ist
„Mittwochs den 17. Nisan (April) im Jahr 521 der An-
„tiochener vollendet worden." Es ist das Jahr 474
n.Chr. gemeint, in welchem der 17. April ein Mittwoch
war. Der Patriarch Dionysius sagt in seinem Chro-
nicon, Antiochia sei von einem Erdbeben zerstört wor-
den Mittwochs, den 29sten des zweiten Thischri (No-
vember) des Jahrs 840 der seleucidischen und 576 der
antiochenischen Acre in der siebenten Indicüon. Es
muls vom Jahr S28 n.Chr. die Rede sein, wo der
29. November ein Mittwoch war, und zugleich das
840ste seleucidische Jahr und die siebente Indidion
begannen '). So hätten wir also zwei ganz verschiedene
*) Bibl. Orient. Tom.I, p.235. 236.
') Jcia Marljrum (Roinri748, foL), Tom. 11, p. 228, 229.
') Euagrius, der auch dieses Eidbeben erwähnt (IV« 6),
sagt, Antiochia sei durch dasselbe verwüstet worden dreifsig Mo-
nate nach einem frühem. Ganz richtig; denn kunt vorher (I\, 5)
hat er von einem andern gespit>chen , das sich am 29. Ariemisius
oder Mai im siebenten Jahr des Kaiser luslious ci^igncl haben
soll. Er meint das Jahr 526 unserer Zeitrechnung, weil das ge-
dachte Datum ein Freitag gewesen sein soll. Die Chronik ^»^
Edessa nennt (p.414) ganz übereinslimmig den 29.Mai<***
8375ten Jahn der seleucidischen Aere.
Macsdonier nnd Strbb* 463
Epochen von einerlei Aere. Belley will diese Yer-
schiedenheit dadurch erklären, dals die Syrer in der
Umgegend yon Antiochia die Aere ein Jahr später an-
genommen hauen, als die Griechen in der Stadt selbst ^).
Wie ist es aber denkbar, dafs zwei Jahrrechnungen, die
um eine Einheit von einander abweichen, Jahrhunderte
lang an einerlei Ort neben einander bestanden ha-
ben sollten? Mufsie dies nicht zu grofsen Verwirrungen
Anlafs geben? Natürlicher scheint die Voraussetzung,
dafs jene beiden Syrer, deren Autorität ohnehin nicht
sehr grols ist, die Aere des benachbarten Laodicea, die
wie wir unten sehen werden , im Jahr 48 y. Chr. an-
gefangen hat, und nach Eusebius (457) ebenfalls zu
den gangbarsten Syriens gehört haben mufs , mit der
antiochenischen werwechselt haben. Wir wollen also
bei der Epoche bleiben , die auf eine so ganz unzwei-
deutige Weise durch die Münzen bestimmt wird.
Da sich aus den Zeilen v.Chr. keine antioche-
nischen Jahre erwähnt finden, so kommt es nur dar-
auf an, Tur die Reduction der spätem eine einfache
Regel zu geben. Man zieht von der vorgelegten Jahr-
zahl 49 ab, und erhält so das Jahr unserer Zeitrech*
nung, mit dessen Herbst das antiochenische beginnt
und zu welchem man noch die drei oder vier ersten
Monate zählt, je nachdem man den Jahranfang auf
den Isten des Hyperberetäus (Oktober) oder Gorpiäus
(September) setzen wilL Dafs von Euagrius das
Letzere geschehe, ist bereits oben (453) behauptet wor-
den, und kann nun durch eine seiner Zeitbestimmun-
') An dem zuletzt (460) aogefülirten Orte S. 277.
464 Technische Chronologie.
gen aufier Zweifel gesetxt werden. Er bericbtet \ im
zweiten Jahr des Kaiser Leo oder 506ten der An-
tiochener in der elften Indiclion am 14. Gorpiäus oder
September in der vierten Nachtstunde Koplw; l;r(>£araAa-
ßctjVi]; riiiifio^ sei Antiocbia duix;b ein furchtbares Erd-
beben heimgesucht worden. Es kommt hier zuvörderst
auf die griechischen Worte an. Scaliger, Petavius
und andere nehmen sie ohne Weiteres (ur eine Be-
zeichnung des Sonntags, und setzen dem geniäfs das
Ei'dbeben in das Jahr 458 n.Chr., wo der 14. Sep-
tember ein Sonntag war. Allein Noris zeigt') mit
grofser fielesenheit und feiner Kritik, dafs die Worte
nicht anders als durcb imminente die dominica über-
setzt und auf keinen Fall vom Abend des Sonntags,
an den wir doch wegen der viei*ten Nachtstunde den-
ken müfsten, genommen werden können. Das Eivibe-
beu mufs sich also am Sonnabend (etwa um 10 Uhr
Abends) des Jahrs 4^7 ei'eignet haben, wo der 14. Sep-
tember diesem Wochentage entsprach ^). Gehört es
aber schon in das 506te Jahr der Antiochener, so ist
klar, dais dasselbe mit dem September, nicht erst mit
•) n, 12.
») in, 6, p.208.
'^) Wollte man annehmen , dafs der bürgerliche Tag der Sy-
rer nicht, wie der römische, um Miltemacht, sondem schon mit
dem Torbergehenden Untergange der Sonne angefangen habe (nir-
gends gibt es defsfalb eine bestimmte Angabe; aber es findet sich
auch eben so wenig eine Spur, dafs irgendwo in der Ghiistenheit
die Wochentage andei-s als nach römischer Weise von Millemacht
an gerechnet worden sind), so ändert dies in der Hauptsache
nichts. Das Eixibeben mufs immer an dem WochenUge Sutt
gefanden haben , den wir Sonnabend nennen.
Magedohier und Syrer. 465
dem Oktober angefangen habe. Hiermit stimmt auch
die elfle Indlclion überain , die mit dem 1. September
457 begann. Der Kaiser Leo kam nach dem Chroni'-
con pciscliale ^) am 7. Februar der zehnleu Indiction
oder 457 zur Regierung. Mau sieht, dafs Euagrius
fleln zweites Jahr gleich mit der folgenden Indiction
anfängt. Andei*s rechnet Cedrenus, wenn er sagt:
,,Im ersten Jahr des Leo ereignete sich ein Ei-dbeben
,,zu Antiochia *)." Die Zeilangaben des Malel^s wei-
chen in einigen Punkten von denen des Euagrius
ab, begünstigen aber auch die Ansicht derer nicht,
die das Ereignifs in das Jahr 458 setzen wollen ^).
Dagegen meint der vorhin (462) gedachte syrische Chix)-
nist Dionysius oiTenbar das Jahr 458^ indem er <ks
770ste der seleucidlschen Acre nennt und zugleich vom
Sonntage spricht *). Dem sei wie ihm wolle, die elfte
Lidiction beim Euagrius, wenn wir sie nicht für
falsch angesetzt erklären wollen, erlaubt nur an den
Herbst des Jahi*8 457 zu denken.
Die Frage', was die Antiochener veranlafst habe,
ihre Acre mit dem Jahr 705 der Stadt Rom, v.Chr.
*) S.320.
^) Compendium historiantm p.347 der pariser Ausgabe der
Script. Hut, Bfz. Auch Tlieopbaues (S.95 seiner Chnmo^
graphia nach derselben Ausgabe) scheint das erste Jabr des Leo
zu meinen; denn nachdem er gesagt hat, dais dieser Kaiser im
Februar der zehnten Indiction zur Regierung gekommen sei, be-
merkt er: ,,In demselben Jahr wurde fast ganz Anliochien dnrcfa
„ein Erdbeben zerstört.** Dafs er nicht an die zehnte Indiction
gedacht babcn könne, ist klar.
») P. II, p. 75. Man vergleiche N o r i s S. 212. ff.
•) i9iR Ori>A/. Tom.I, p.2i2.
I. [30]
466 Techtusche Chronologie,
49 ftosnfiuigen, hat die ChronoloBen «ehr bescteftigt.
Nor 18 geht dtriiber in ausfühillche Erörlemn|ai
ein«), Nadidem er die Hypothesen des Scaliger,
Petavius, Petitus und Usserius widerlegt hat,
trägt er seine «gene Meinung vor, die dahin gehl,
aab Cäsar, aU er nach beendigtem Büiigerkriege »uT
seinem Zuge gegen Pharnaces, König von Poniu«, im
FrühUng des Jahrs 707 der Stadt Rom Syrien besuchte,
den Antiochencm, die sich gleich nach der Schlacht
bei Pharsalu» für ihn erklärt hatten, in seiner Eigen-
schaft aU Dictalor, nicht blofs die aufseioidendichen
Abgaben erliefe, die ihnen awei Jahr luvor von dem
Proconsul Q. CäcÜius Scipio auferlegt waren, sondern
auch die Autonomie mit noch gröfseren Gerechteamen
bestätigte, und dafe sie nun, um das Andenken an
diese Wohlthat »u verewigen, eine neue Jalirrechmmg
einführten, die sie jedoch nicht erst von 707, sondern
schon von 705 datirten, weü in diesem Jahr das vierte
Lustmm ihrer Zinsbarkeit (seit 690) begonnen halte,
von der sie sich jeUt befreit sahen. Diese Hypothese
ist etwas geiwungen, weil es gar nicht ausgemacht ut,
dafe in Syrien eine fünfjährige SchaUung bestanden
hat. Der Ursprung der antiochenischen Acre m Jatt
705 der Stadt scheint sich mit Hülfe folgender Stelle
des MaUIas ganz einfach erklären zu lassen: „Zu
j, Antiochia wurde die von Inlius Cäsar verliehene Frei-
„heit der Stadt, als sie unter die Herrschaft der Rö-
„mer gekommen war, am 20sten Artemisius verkündigt.
„Das defefalls ergangene Edikt hub also an: Zu An-
„tiochia, der heiligen, unverletaUchen , sid» sdb« re-
•) Diss.ni, C.5.
Magedonibk und Syrer» 467
, agierenden Hauptstadt des Orients hat Giins lulius
,, Cäsar u.s.w. Und der besagte DictatCMr luIius Cäsar
„zog am 23. Artemisius in Antiochia ein. — Daher
,, zählt nun die grofse Antiochia zur Verherrlichung
„dessen ihr erstes Jahr von demselben Caius lulins
„Cäsar ^)." Das Edikt wegen erneuerter Autonomie
wurde also am 20. Artemisius 707 proklamiru Wollte
nun die Stadt mit diesem für sie wichtigen Ereiguils
eine neue Aere beginnen, so muj&te sie eigentlich, wie
es auch zu Laodicea geschah , ihr erstes Jahr mit dem
Herbst 706 anfangen, wenn sie nicht etwa die in Syrien
gebräuchliche Jahrepoche ändern wollte. Aus Schmeiche-
lei aber — xard Ti/uijv, dem Cäsar zu Ehren — ging
sie noch ein Jahr weiter zurück, weil sich die Ober-
gewalt, die ihr grolser Wohlthäter jetzt im römischen
Reich behauptete , yon dem Siege datirte , den er im
Sommer 706 der Stadt, also im Verlauf desjenigen ih-
rer Jahre , das mit dem Herbst 705 begann , über sei-
nen Gegner bei Pharsalus davon getragen hatte *).
') IIposTiÄif) iv 'AvTio;^tiflt ij i\tv^9pU aimjf, oxe iyivno wro'Pw-
fialoviy TT) tlxa^i rov 'Aprtixia-tov }ir\voiy irfifju^^kto^a napJt tov avrov'
KftcVapoc'IovXcou. To oZv »j^ixtöw irpocr«^ 7r6ptf;^oy oii^'*g' *Ei» 'Ai»-
Ti^y^iitf. Tjf \kr(tpmfi\%i Up^ xal aavXtf xal avrov^^tif kolI ap^ova^ jco^
npoKoBi^fiivv^ Ti]( avcnoXTii 'loJXto; Tai'cg KaZcap xai ri Xomd, Kah
tlffyjikBtv 0 avTOQ * louXio; Kat<rap o Aixrarup iv 'Avrio^^sif TJ] x^ tov
'Aprijuit^iou firivoQ, — "KprifAurl^u ovv ij fityakri 'Aimo;^€ta xarei tu
^ hoq npSrov ani tou avtQV Kaiaupog Tatov * IwXiov. ^ Hist.ehron»
P.I,,p.278 uiid280.
^) Das Datum des Sieges bei Pbai-salus ist nach dem damalig
gen Tei^^chobencn römischen Kalender der Y. Idus SextiHs oder
9. August. S. das Calendarium Amitemintanf und JtUiatinum
unter diesem Datum in F o g g i n i * s Werk über die F a s t i des
[30*]
468 Technische Chronologie.
Im Chronicon paschale, das sich fast mit deoflel«
ben Worlen wie Male las äufsert *), berrscht einige
YerwiiTung in den Consuln und Zahlen. Nur so viel
ist klar, da(s der Verfasser Casar*s WellheiTscbaft , de-
len Dauer er ausdiücklich auf vier Jahre und sieben
Monate seUt, vom Anfange der antiocheniscben Aere,
dem 1. Gorpiäns des Jahrs 703, rechnet i denn von
bier bis zu seinem am 15. MKrz 710 erfolgten Tode
verflielsen gerade so viel Jahre und Blonale. Es bedarf
übrigens kaum der Erinnei*ung, dafs die Honale Arle-
misius und Gorpiaus , die nach Annahme des julia-
nischen Kalendei-s dem Mai und Sepleniber entsprachen,
damals noch einen lunarischen Chai-akter halten, dais
wir also das Julian ische Datum des eigentlichen Anfan-
ges der antiocheniscben Acre nicht mit Sicherheit an-
geben können.
Noris nennt diese Aere die Cacsariana, Eck hei
und andere Numismaliker begreifen unter dieser Be*
nennung alle die syrischen JahiTCchnungen, die sich an
Cäsar 's Anwesenheit in Syrien knüpfen. Conimorotos,
sagt H i r t i u s ') , Jhrc in omnibus civitaubus (Sj-
riae)t qnae mcuore sunt dlgnitate, pruetnia bene nie-
litis et *üiritim et publice tfibuit. Aufser Anliochia
haben sich der Caesariana entschieden Laodicea, Pu>-
lemais und Gabala bedient. Laodicea am Meer,
Yerrius Flaccus (t53). Nach Noris Combinationen ge-
hört CS dem Junitu des anticipirten julianischen Kalenders an.
Vargl. Eck her« Doctr. numor. Vol. IV, p.400.
*} unter der 4839ten Olympiade, die im Jahr 706 der Stadt
Rom anfing, p. 186 ff.
') De btllo Alexandrino c.65.
Macbdonier und Streb. 469
eine bedeutende Stadt Obersyriens, begann sie mit
dem Herbst des Jahi*s 706 der Stadt Rom , v. Chr.
48. Diese Bestimmung gründet sich theils auf das
Zeugnifs des Eusebius, der das zweite Jahr des
Probus das 324ste der Laodicener nennt (457) , theils
auf das Chronicon paschale, das beim 2weilen Jahr der
Begieioing Cäsar 's anmerkt ^): ^Von hier an zählen die
,, Laodicener ihre Jahi'e/' theils auf einen laodicenischen
Mai*mor bei Ghandler '), wo die Consuln Sabinianus
Gratus und Claudius Seleucus, die dem Jahr 974 der
Stadt angehören, mit dem Xanthicus des 268sten der
Acre verbunden weiden, theils endlich auf mehi^ere
Kaiseimünzen, die ein vollkommen zuverlässiges Resul*-
tat geben ^). Man sieht, die Laodicener haben ihre
Jahre mit demjenigen zu zählen angefangen, wo Cäsar
zu ihnen kam. Dasselbe scheint von Ptolemais in
Galiläa zu gelten ^). Die unweit Laodicea gelegene
Stadt Gabala dagegen hat zur Epoche ihrer Aere erst
den Herbst des Jahrs 707 gewählt, wie Noris*) und
Eckhel^) annehmen, oder gar erst den Finihling
708, wie Sanclemente findet^).
Aufser der Pompeiana und Caesariana treffen wir
noch eine dritte- römische Aere in Syrien an, welche
«) 'p.i87.
*) Inscript. ant, p.92, no.6.
') Noiis diss.m, 8, $.2- Eckhel YoLIII, p.318.
*) Noris diss.iy, 5, S.2. Eckhel ebend. p.425.
•) Diss.in, 8, SS.
•) p.3i4.
'J De epochis p. 120. ff.
470 Technische Chronologie.
die Ghrooolofea die Actiaea nennen. Mehreie syrisdie
Sudte nämlich, su denen entschieden Antiochia und
das benachbarte Selencia in Pierien gehören'), fie-
len nach erhaltener Nachricht von der Schlacht bei
Actium von Antonios ab und erklärten sich für den
Sieger Oclavianos, Sie begannen nun mit dem Heibst
des Jahrs 723 der Stadt, y.Chr. 31, eine neue Aere^
die auf den antiochenischen Münxen den Namen der
Jahre äea Sieges führt, und mrklidi nimmt sie
kurz nach dem Siege, dessen Datum der 2. September
ist (153), ihren Anfang. Die Benennung Aera acdaca
pafst also ungleich besser auf diese neue syrische Jahr-
jwhnung, als auf die Acre der Alexandriner vmd
die annos JHgustonun der Kömer, von denen jene bei-
nahe ein Jahr und diese über drei Jahre nach dem
Siege anhub(lS5). Ein seltener Fall ist es, dafs sich
auf einer antiochenischen Münse mit dem Bildnisse
Augustes awei verschiedene Jahcxahlen neben einander
bemerkt finden, nämlich 36 und 54. Jene besieht sich
auf die aktische, diese auf die cäsari an Ische Aere*).
Iletztere war, wie man sieht, damals schon wieder auf-
gefiriacht worden, und verdrängte bald nachher die
erste völlig; denn über den Anfang der Regierung des
Tiberius* hinaus kommt die aktische Acre nicht weiter
auf den Münzen vor.
Nach dem Bisherigen gebrauchte also Antiochia
nach einander drei Jahrrechnungen; zuerst die seleu-
*) Nori» diss.m, 7 und m, 8, Sl. Eckhel VoMO.
p. 272 und 327. Von Apamea ist die Sache nicht ganz klar.
Eckhelp.308.
') Eckhel YoLm, p.272 und 273.
Magbdonier und Strea. 471
eidische bis auf 49 v« Chr., dann die cäsarianisclte
bis auf 31 y. Ghr.f und von hier an die aktische, die
jedoch bald wieder der cäsariauischen gewichen ist.
Aufser den bisher gedachten gibt es noch eine
Reihe eigenthümlicher syrischen Acren, von denen wir
hier nur diejenigen hervorheben wollen, die nicht bloß
von den Münzen angedeutet, sondern ausdrücklich von
Schriftstellern erwähnt werden.
Die Tyrier datirten zuerst nach der Acre der
Seleuciden, wie Noris aus zwei unter Antiochus Epi-
phanes und Demetrius Soter geprägten Münzen dar-
thut *)• I^achmals erhielten sie eine eigene Jahrrech-
nung, deren Epoche dieser Gelehrte auf den Herbst
628 der Stadt Rom, v.Chr. 126, setzt'), und durch
die Hypothese zu rechtfertigen sucht, da(s der Stadt
damals von Alexander Zebinas die Autonomie verliehen
worden sei. Dies mag dahingestellt sein ; aber mit der
Epoche hat es seine Richtigkeit, wie dies nicht blofs
aus Eusebius Zusammenstellung des Jahrs 402 der
Tyrier mit dem zweiten des Probus (457), sondern noch
bestimmter aus zwei tyrischen Datis hervorgeht, die be-
reits oben (436) angedeutet sind , hier aber genauer
nachgewiesen werden sollen.
In der Actio IX des chalcedonischen Gonciliums
heifst es: ,,!Nach dem Gonsulate des Flavius Zeno und
„Postumianus im Jahr 574 am 10. Peritius oder 25. Fe-
„bruar in der ersten Indiction hat Photius, Bischof der
,, Stadt Tyrus" u.s.w. Flavius Zeno und Postumius
sind die Gonsuln des Jahrs 448 n. Chr. , und defshalb
*) Dias.n, 1, p.74.
*) DiM. IV, 3, p.389 ff. Vcrgl. Eckhel Vol. HI, p.382.
472 Tecknisclie Chronologie.
baben &ca liger und andere geglaubt, dafii yon «liesein
Jabr die Bede sei. Allein N o r i s zeigt ^ ) , da(s die Bezeich-
nung prra m^v iKariiav^ post consulatuni, die seil dem
yierien Jahrhundert unserer Zeiliechnung nicht seilen
yorkommt, allemal das Jahr zu erkennen gibt, welches
auf das der genannten Consuln folgt, also im vorlie-
genden Fall das Jahr 449. Er führt yon dieser JBezeich-
nungsweise, die ihren Grund bald ia derUnwissenJbe/Cy
bald in der Schmeichelei halle, mehrere Beispiele an.
Auch bemerkt er, dafs die Indiclionen in den Urkun-
den häufig yon späterer Hand fehlerhaft hinzugefügt
seien, z.B. hier die erste Indiction, wofür die zweite
gelesen weixlen müsse. In der Actio Y des konsUnti-
nopelischen Gonciliums unter dem Palriai*chen Mennas
wiixl die vom Metro|X>lilen E|)ij>hanius zu Tjrus gehal-
tene Synode folgendermafsen datirl: ,,Am 2Sslett des
„lyrischen Monats Lous oder 16. September des Jahrs
„643 in der zwölflen Indiction." Diese Synode ge-
bort, wie man anderweitig weifs, in das Jahr 518 un-
terer Zeitrechnung. Das 643ste Jahr der Tyvier bat
altfo 517 angefangen, und zwar am 19. Oktober, seiner
gewöhnlichen £|X>clie (435) ; und geht man von hier
642 Jahre zurück, so erhält man 126 v.Chr. als das
Epochen jähr der tyrisi^hen Acre. Der 16. September
518 gehörte zwar noch zum Jahr 643 der Tyrier, aber
schon zur zwölften griechischen Indiction, die mit dem
1. September anfing. Es gibt eine Menge Münzen, auf
denen «ich Jahra dieser lyrischen Aere bemerkt finden *).
Um dieselben zu reduciren, mu£i man die Jahrzabl yon
•) p. 404 ff.
*) Eckbel yol.ni, p.380ff.
Magedonier und Syrer. 473
127 abziehen, wenn sie kleiner, oder von ihr 126,
yienn sie gröfser isl; im erdten Fall erhält man das
Jahr vor, und im lelzleim das Jahr nach Christus, mit
dessen 19. Oktober das tyinsche beginnt. Aus einer
Münze mit dem Bildnisse des Gallieuus und der Jahr^
zahl 53 will Pellerin folgern *), dafs Tpus a.u. 954,
n.Chr. 201, eine neue Aei-e erhalten habe.
Seleucia in Pierien, von deren Kalender
oben (433) die Bede gewesen, gebrauchte, wie zahl-
reiche Münzen lehren, zuerst die seleucidische Aei'e;
dann eine eigene vom Jahr 645 der Sladt Born, 109
V.Chr., wo sie autonom geworden sein mufs; eudlich
die ak tische (470). Von der zweiten Jahri'echnung spricht
das Chivnicon paschale untei*01. 167,4 '), wo es heifst:
,,Von hier an zahlt Seledcia bei Antiochia in Sjnea
„ihi'e Jahre." Die Jem PompeianUy die Pellerin
noch hinzufügen will, ist zweifelhaft ^).
Die Ascaloniten i^chnelen zuerst, wie ein paar
Königsmünzen zeigen, nach der scleucidischen Aere"^).
N Nachmals zahlten sie vom Jahr 650 der Sladt Bom,
^ v.Chr. 104, wo sie, wie Noris darthut *), wähi^end
des Krieges zwischen Ptolemäus Lathurus und dem Kö«
inige Alexander der Juden, die Freiheit en*an gen, die
(sie lange unter den Bömem zu behaupten .wufsiten.
|Dte Bichtigkeit dieser Epoche geht hervor theils au4
dem Zeugnisse des Eusebius, der das 380ste Jahr
* } Melange de diverses Mddailles, Tom. I, p. 335. £ c k h e i
p.392.
') p.i82.
») Eckhelp.327.
*) EckLelp.446.
') DiM.V, 4, Si.
474 Technische Chronologie.
der Ascdooiten mit dem zweiten des Probus ver*
gkicbt(457), tbeils aus dem Chronicon paschak, dss
bei Ol. 169,1 anmerkt^): mVoü hier an säblen die As-
yyCalonilen ihi« Jahre," theils endlicli aus vielen auf
uns gekommenen Münzen. Noch eine dritte Aere As*
calon*s findet sich nach Eck hei') aof einer Münze
mit dem Bildnisse des August und den Jahrzsbien 56
und 102. Letztere bezieht sich auf die eben erwäbnte
Aere; erstere auf eine 46 Jahr früher mit dem Jahr
5S V. Chr. anfangende. Im Verlaufe dieses Jthrs kam
der römische Pixxx>nsul Gabinius nach Jndäa und Vieb
daselbst, ivie losephus berichtet^), mehrere verfal-
lene Städte wiederherstellen. Andi Ascalon mufs sich
seiner Wohltliaten zu erfreuen gehabt haben, was dann
Anlafii zu einer neuen JahnHechnung gab.
Die Epoche der Gaaäer setzen die Chronologren
verschieden an. Noris stimmt für das Jahr 693 der
Stadt Rom ^) , weil das Chronicon paschak beim vierten
Jahr der 1 7 9s ten Olympiade anmerkt*).* ^^^on hier an
yyStthlen die Gazäer ihre Jahre.*' Allein Sanclemenle
leigt mit Hülfe theils der Biographie des heiligen
Porphyrius (459), theils einer zu Gaza geprägten
Münze mit dem Bildnisse dor Plautilla, Gemalinn des
Garacalla, auf eine übei*zeugende Weise, dafs die Epoche
«uf den Heibst des Jahrs 692 , v. Chr. 62 , zu fmi'eu
*) p.182.
') p.447.
*) Ant. lud. XrV, 5, 3.
*) Diss.V, 3.
•) p.i85.
MACBDONiEti und Syrer. 476
sei ^). Die Gazäer müssen damals micb Besiegung der
Juden durch Pompeius die Autonomie erlangt Italien«
Ihre Aere ist also zu denen zu zdhien , die mit dem
allgemeinen Namen der Pompeiana beseiobnet wer-'
den (458). Wegen einer spätem auf einigen ' gazäi-
schen M änzen des Hadrian Toi4Lommenden , jedopH
bald wieder erloschenen, Aere ist Eck hei zu yer-
gleichen *).
Samosata am EuphnK,' die Hauptstadt Comma*
genes, des nördlichsten Theils Ton Syrien, zählte vom
Jahr 824 der Stadt Rom, n.Chr. 71, wie Noris*)
aus dem Chromeon pascliale, das bei Ol. 212,3 anmerkt:
,,yon hier an rechnen die Gommagener und Samosa-
,, teuer ihre Jahre ^)," und mit Hülfe verschiedener
Münzen darlhut. Die Provinz kam damals unter die
Herrschaft der Römer, und die Stadt, die nun vom
Yespasian die Rechte einer Metropolis nebst anderwei-
tigen Privilegien erhielt, machte diesen iSeltpunkt zur
Epoche einer neuen Jahrrechnung.
B o s t r a kam mit einem Theil des peträischen
Arabiens im Jahr 858 der Stadt, n.Chr. 10f>, in die
Gewalt der Römer *). Yon dieser Zeit an zählten.
*) S. seine Erörterungen hierüber am Schluüi des zweiten
Theils seines Werks : Musei Sanclementiani numismata selecta
imperatorwn Romanorum (Rom 1808, 4).
») p.453.
*) Diss.n, 4. Vergl. Eckhelp.253.
*) p.246.
») Dio Cass. HisU Rom. LXVIII, 14.
476 Technische Chronologie.
wie das Chronicon paschak versichert ^ ) , die Petniei
und Baslreni ilire Jahre, nämlich vom FrahliDge, der
Jabrepoche der Amber (437)- Hienrait stimmt aach
eine zu Bostra geprägte Münze mit dem Bildnisse des
Septimius Scveiiis und der Jahrzahl 104. Man sehe
Belley's gelehrte Abhandlung über die Aere und
die Münzen dieser Sladt ').
Auch von vei*schiedenen Städten Kleinasiens lehren
uns die Münzen Acren kennen, wefshalb ich auf die
Werke Eckhers, Sanclemen te's und anderer
Mumtsmaliker verweise. Der erate gibt im vierten
Bande seines Werks ') ein alphabetisches Verzeich iiifs
aller der Oerter, auf deren Münzen Jahrzahlen vor-
kommen , mit beigefaglen Epochen. Sie geLöi*en fast
ohne Ausnahme zu Asien.
^ *) 01.221, l.p.253.
•) Mtfm, de l'Jiad. des Inscr. Tom. XXX, p.307 ff. Vcrgl.
Sande in ente de Epochis p. 128.
') S. 377 ff.
Fünfter Abschnitt.
Zeitrechnung der Hebräer.
tt0tft^/w%/%n/w%
E.
js sind drei Zustande der hebräischen Zeitrechnung
zu unlei'scheiden ;
1) Die Zeitrechnung der ältesten Hebräer
bis auf die Zerstörung des ersten Tempels und
die babylonische Gefangenschaft. Die Quelle,
aus der wir dieselbe zu schöpfen haben, sind die vor
der Deportation abgefafsten Bücher des alten Testa-
ments, vornehmlich der Pen taten eh. Sie ist ganz
in das von Moses den Hebräern gegebene Cei*emonial-
gesetz verflochten, und sticht durah ihre Eiufachheit
sehr gegen die verwickelte Zeitrechnung der neuern
Juden ab.
2) Die Zeitrechnung aus dem Zeitraum von
der Rückkehr aus der Gefangenschaft bis auf
die Zerstörung Jierusalems durch Titus, oder
während des zweiten Tempels« Die Quellen sind
die nach der Deportation verfafsten Schriften des alten
Testamenls, Daniel, Esra, Nehemia,. Esther, die
Bücher der Makkabäer, das neue Testament,
die Werke des Philo und losephus- und der Thal-
mud, der viele Ueberliefeioingen aus dieser Periode
enthält. In ihm hat sich der jetzige Cultus und Ka-
lender der Juden vollends ausgebildet ; xlujr War die
478 Technische Chronologie^
BesUmmtuigsweise des Passah- und Neujalirsfesles, von
denen die übrigen Feste abhängen , noch immer mcht
auf ganz feste Grundsätze zurückgeführt.
3) Die Zeitrechnung der neuern Juden
seit ihrer Zerstreuung unter Titus. Die Quel-
len sind der T h a 1 m u d , dessen Aedaction um däs
sechste Jahrhundert n.Chr. vollendet worden ist, und
die Schriften mehrerer jüdischen Gelehrten, vor allen
des Maimonides. Da jetzt die Feier jener beiden
Hauptfeste nicht mehr alljährlich von einem MiUelpunkt
aus angeoixlnet werden konnte, so bedurfte es einer
sichern Berechnungsweiae derselben , die man auf den
Deunaehn)äbrigen Cydus gründete. Dies geschah oach
der gewöhnlichen Annahme im vierten Jahrbuudert
n.Chr. Seitdem haben die Juden eine feste Zeilrech-
nung, der blois mehr Einfiichheit tu, wünschen wäre.
Erste Periode der hebnüscben Zeitrechnung.
Die erste Erwtthnung von M«naUtagen findet sich
in der mosaischen Geschichte der Sündfiuth, im sie-
benten und achten Kapitel der Genesis. Iloah soll
am siebzehnten Tage des zweiten Monats in die Arche
gegangen sein, und diese sich, nachdem die Gewässer
ISOTige gestiegen, am siebzehnten Tage des siebenten
Monats auf dem Gebirge Ararat niedei^lassen haben.
Man setst gewöhnlich voraus, da(s diese Tagsnmme
swischen beiden Datis gerechnet ist, dafs also die or-
sprünglichen Monate der Hebräer gleich den ägyptischen
und persischen durchgangig aus dreifsig Tagen hesun-
den haben» Es sind aber adion oben (70) Bedenken
gegen diese Meinung geaofsert worden. Mag sie indessen
i
H B B R Ä E A • A79
immerhia i'ichug s^in, so wird sich doch die Jahrform,
die diesen Monaten zum Grunde gelegen, nicht mit
Sicherheit ausmitteln kssen. War das Jahr eia beweg-
liches wie das der alten Aegypter? Oder wurde alle
120 Jahr nach jjersischer Weise ein ganzer Monat von
dreilsig Tagen eingeschaltet? Oder hatte das Jahr die
Form des alexandrinlschen? Oder bestand es blofs aus
360 Tagen ohne alle Einschaltung, so dafs sein Anfang
rasch die Jahrszeiten durchlief? Jede diesei* Ansichten
hat ihi^en 'Yertheidiger geiunden. Besonders hat sich
Des-Ytgnoles viel Mühe gegeben, der letztem Ein-
gang zu verschaffen. Mit Hülfe einer abweichenden
Lesart der Septuaginta weifs er alles Chitmologische
der Erzählung in ein 360tagiges Jahr zu zwängen, das
er bei fast allen alten Völkern findet. Ich habe mich
aber oben schon bei mehr als einer Gelegenheit gegen
ein solches Jahr, das weder Sonnen* noch Mondjahr
gewesen sein wüi'de, erklärt, und werde bei meinem
Widersprudi beharivn, bis man entscheidendere histo-
rische Gründe für dasselbe beigebrächt haben wird.
Ohne uns weiter bei der antidiluvianischen Jahr-
form zu verweilen, mit der man nie aufs Reine Lom-
men wird, wollen wir sogleich zu der Periode fortgehen,
aus der wir die ei*8le bestimmtere Kunde von der Zeit*
rechnung der Hebräer haben, zu der ihi^s Gesetzge*
bers Moses,
Während ihres vieljährigen Zuges durch das stei-
nige und wüste Arabien gab ihnen ihr Führer eine
Verfassung, die erst ganz bei ihrem Eintritt in das ih-
nen verheifsene Kanaan, den Ursitz ihrer nomadischen
Vorfahren, ins Leben treten sollte. Diese Verfassung
war ganz darauf berechnet, sie zu einem ackarbautrei-
482 Technmche Chronologie.
Mdk wnr «ie nkht bibis' •den Hebraetn^ ^g^n , aondbn
allen semitischen Völkern gemein. W«nigtteiu find
sie Hnhammed boreiu bei den Andicm, m deaea
«ie sehweiiicli*' efst durob die Juden und Ghriittt ge-
bngt ist.
Worin der älteste Gottesdiensl an den SaUtlhen
besUnden, wissen wur nicht mit Besümmifaeit. Macli
d^r Räekkehr sms der Gefangenschaft kamen die H&-
brier in ihren Synagogen zusammen, lasen sich die
Bibel vor , und hörten eine Erklärung derselben oder
eine Erbauungsrede' an. Zu M o s e s Zeit und un-
mittelbar Aacbher bedurfte es noch keiner Erklärung
de« Geseues , da. es in einer allgemein verstäpdKchen
Sprache abgefafst war. Nur alle sieben Jahre^ nämlich
am Laubbüttenfe^ des Sabbathjahrs , sollte es eiamahl
Öffentlich verkündigt werden '>• Blofs ein Opfer fin-
den wir am Sajbbatb yorg^8Qhri^)en '). Auch wuirdeu
die Schanbfote neu aufgelegt ^).
Hier mtifs gleich die Frage berührt werden, wann
die' filtesten Hebräer ihren bürgerlichen Tag ange-
fangen haben. Man nimmt gewöhnlich als ausgemacht
an^.da& es von jeher mit Sonnenuntergang gescbe*
•bea sei. Mit diesem Zeitpunkt beginnen alleidings alle
uns bekapHte Völker, die ihre Zeit nach Mondwechseln
ordnen (in diesem Fall befanden sich die Hebräer un-
-^'^x'citig wenigstens. . seit Moses)« ihren bürgeiüeh^i^ i
Tag (80) f auch scheint gleich anfiings i» d^r Genesis
') 4.Moi.XXVm, 9-10.
*) 3. Mos. XXIV, 5-8.
. . Heb AÄB A« 483
der Abeikl nicht olme'Alisichr vor den Morgen gentkit
lu 46111. — da wavd aus Abend üod Morgen der
erste Tag. Aber nirgendii ^fVtrdimPentateueh au4^
drücklich getagt, diafs gei^de der Untergang der Simne
dielEpoöhe de^ bürgerlicbeh Tages sein solle. Vielmehr'
labt sich schliefsdi, da& der Anbruch der tiefeik
Nacht dafiir zu nehmen sei. Wenn es nämlich roia,
YenöhnilngsiBge , ddm .zehnten dfeft ^siebenten Mb'nau,
heifst ^) :* ,,Ihr sdlt an diesem* Tage kein« Gieschäfte vin^
„riohten, sondern er soll ein Sabbath sein. Am Abend
^des n<(unlen HonalBtages sollt ihr' diesen Sabbath an-^
f, fangen, und ihn von einem* Abend fmn'anderÄ( hal^
,,leh/' so würde, ^wenn der büi^ei*Hcfae Tag bereito*
mit Unteiigang der '-Sonne' -^seinen Anfini^ genommen'
hätte, Moses wol gesagt haben, iKi^ sollt eure: Pa^tM
mit dem Abend des ziehn ten Monatstages, oder söhlecht«
hin mit dem zehnten Tage beginnen^ es sei denn^ daiCa
das' Wort änv ereb, AbenA^ schon' yon dem späushi'
Theil unsers Nachmittags zu verstehen wäre. Dies
scheint auch wirklich' der Ausdruck üT^yym ^a been
haarbaim'y zwischen beiden Abetiden, znb^wet-^
sen, wodurch an mehneren Stellen des P e n t a t e nc h s ^)
die Zeit der Passafafeier und die des> täglichen Abiend-
opfen beioi<Aiiet wvrd. Die Pharisäer wenigstens, d;e^>
nen die heutigen Jij^en folgen, yei*standen darunter
den Zeitraum zwischen der neunten und, elften Tages-
stunde, nach unsejDer Weise zwischen drei, und fünf
XSkv Nachmittags. Anderer Meinung waren die Ißania-
*) S.Mos.XXm, 31. 32.
') 2.Mos.Xn, (5. ,4. Mos. IX, 3; XXVm, 4.
[31 '1
4ß6 Techi^ißoh^ Chfimologie.
keooen ui4 m bestunmea ^'}.
. Die N«cbt warJbei «ien )Ie)>Fs(ern« wie »m ^sm
Alterthiuni in W-acb^en — nTW». ofcA^w^^ — g«T
ib^t*. .Im alten Testament ist' um- von djp et
IlAcbt^apl^n die Ee^e? Die ecst/e wird nirgeaddunlr
drücklich, diemittUre Richti|r¥II, 19, lud «fie
Kachtwacbe. d,es M<)irgens 2» Mos. XIV, 24 und
^f Sam. Jl^l, 11. .€!i-wäfcpt. Njich imserer Weise iwütde
4i0 el*|^ yon 3ot^i^iiunMsrfa|»g bi^ .elwa. 10 Ub^ Aben^
fljp .awpite .bis 9 Ubr Moi^eos un^ die drit|e bv Soo«*
UeqiaiijiJpiig ztt.|pe<^en.i|ei0» Im ueuen Testament
kooun^o.yLe'riNaqbtw^chen vois ih vierte Vattb-XIVt
25- /kucV einigei Uabbinen Iftbep yk^ .Ni^c^bC^W^clm
aflgeiM>mmw.,: ...
,.; Dafs: di^ He^ä^t* jhr Jabr lebr i^b in mwqK
|loinate getJbeiU habend kißet keinen Zweifel. Schon
in der, Qei^b.vchif der SuodQutb weixleo der erste,
^woite, siebente und ^eb.Tite ffion^l etwäbnt* So
urie bter synd di^ Afoo^te im Penlaieucb di^bsa-
bep4^ btseiobjpi^t. . Nur ein dnzigpr MonaJt \M)mmt an«
tc^. emer eigeoea Benennung vor* :^*mK abib ^U\
44^ A.^hi:c|i .und d^b^r a-^ajci cnr» chodesch haabü,
d^ AQbrf.n.-m^n,at, Aa* der llqn9i,t, in wckheiu ei
sHCi^s^.^^fe Aebran. gibt- -lu diesem Jtfonat waren die
lM^li|üw,.<His. A^pieu gezo^i^n'), daber verordnet
1^^ ^)» daft er dev «rste id^i^es. Jabrs seiM «4l<»
') Man Tergleiche Martin i's Abhandlung Ton den
Sonnenuhren der Alten S. 35 ff., wo man einsehen kann,
was alles über diesen Sonnenzeiger gesdirieben ist.
>) 2.Mos.Xin,4; XXm.iS; XXXIV,18. 5.Mos.XVl,l
') 2.Mos,xn,je.
HSBRÄ.ISE«.. r.^ 481
it^n lals Ejtoüiiige der.fnile suni 0^fe£ ^ no9 o/Her r-r
cbr^racht wevdetBu!)* ..Um also sein? Stelk im.jSoa-
n^tljabr beaUmWM ffU. iLdm^evt^fn^i qs ^icb, vato dio
Gerste in Palfistina reif wird; deDn-rdie^e Getreidehrt-
ist. i^St ^ie idiUielbsl .4i9 rfi^haUn steift lUhd aiidi; von
loAepJbus ausdrtickllphaU diej^i^igQigwaiuitwJiKd, uron.
d«B di?. Gabe g^ottimeu iwurde "). : . .■ -^ »,
. I Nach den ßeiscites^reilf^ni ^ , dfiKil IR^M^hriehtem
yon Jllicbaelis ^) ubd .y^Ualändigei^'Von «SlUhle *)r
geBafnm^t .sind « gelangt die Gerste ia fdev. Ebene Je^>
richp's, .der ^firmst^niGegaid Pidästin«4,,.gewöliiiiich'mt
den etilen. Ta^^ü ünsevs Aprils ibut Reifoi: Von d^ta\
Augf^blißK «an, wo 'die erstes Aeliren> geopfert wuren^i
durfte .maU die Ernt<e ^ecfilinen *), und diese daoeit
in den i^rdlichen ai|i LibanofI gel^epen l^beileti doif
liandes bis surletaten HäUto des Mais» Da äls6 in Pa-
läs^i^a die GeW/d etwa vi^rsebn Tage naob der Frühr)
*j 3.Mos.n, 14;' ixm, 10-il. Eigentlich war es, wie
man aus diesen Stellen, aus losephuft (Jnl, lud^TH.^ iO, 5)'
nod aus Tlialma^ M'näckoth Bl.dS, S.4 und 2 ei-sielit, ein
Mciafs jeröftieler Körner, wdi^uq die Gäbe bestand. Dieses Mss&
umd die gjpifze. Gabe .biefs Omer.
?) YergU Thalmud ai. a. 0. B1.68, S.2. Dafs die Ernte mit
der. Gerste begann , erhellet aus 2. Sa m. XXI, 9. Die Weizen-»
ernte folgte. Ruth II, 23.
') Commentatio de mensibus Hebraeorum S. 2. Es ist die
elfte seiner Commeniatfones in socielate regia sci'entiarum Got^
tütgeiui praeltfcta (Bnmea 1774, 4).
* ) CalendariumPalaestinae oeconomicum (Göttingen i 785» 4).
') Thalmud a.a.O. B1.7i,S.i.
Ast Technische Chronblogie.
lingSDiriitgleiöhe' itt reifen anftvigtf Mi Bifebt 'tnim,' dafi
der Aefareomonat nach Moses Bestimmung nngefilVir
mit diesem Jahr^nk't begonnen (lakien würde', wenn
er nach' der Sotftie abgemeiSsen ^i^oFden wäre. Es ist
mm aber die Frttge, von* wektiem Charakter die da-
maligen Monate -waren.
Dies wird uns in den -i) lern hebriiscben Ur&unden
xwar nh^nds ausdtÜdlHGh gesagt. Da wir indessen
mit Sicherheit wissen , dafii die jüdischen Monate we-
nigstens' seit Eignung des zweiten Tempels mit dem.
neuen Liolite abfingen, nhd es niüht wohl denkbar ist,
dirls die ^n Moses angeordnete Feier -der Feste nach-
mals' ganx veränder ie Zeilbestimmungen erliiten bai>en
solUe, so können wir als sehr wahrscheinlich afnnehmen,
dafs bereits seine Monate nach'dem Monde abge^
messen waren, was «chon das Wort «nn chodeseh, wo-
mit der Monat bezeichnet wird, »i eikennen gibt.
Dem gi4echiscfaen vcujun^vik analog bedeutet es eigentlidi
den Neumondstag, yon einer Wurzel, welebe neu
sein lieifst; dann aber auch den Monat, als Synonym,
von irr^ jerach, besonders wenn tDK-\ roscTi, Caput ,
davor steht, wo es dann den ersten Tag des Monats
bezeichnet. Auch lassen sich hier mit Recht die Worte
cmpxh rrr rra» des gekrönten Dichters *) anfuhren, die
nichts anders heifsen können als: „er schuf den Mond,
91 um nach ihm die Zeiten ei nzuth eilen," was der chal-
däische Uebersetzer in seiner Umschi^ibung deuüich
ausdrückt. Ob also gleich in den kanonischen Büchern
des allen Testaments nirgends von einem Schaltmo-
nat die Hede ist, so werden wir dennoch einen solchen
•) Psalm CIV, i9.
^ . H B B B Ä ib' R . * ' '* 489
a>iistinefaitten''liabeti',''wdrziE den ziiÖlf Sfdnätön de^
Mondjahrs «b^urid «u 'rfh dreizehnter 'ktAnrliten' mufs^*
lif^h de'lr AAfäng des Jatir^ nicbt aUe Jatii-szeiten duroh-
wandera soll'(68); " In der That, beliailpleii wollen,
dafs es znr'jZtiil des ersten Tempels noch keinen Schält-^
mönat g^ben habe, hiefse- entweder das Jahr zu ei-'
nötn'fteifen- Äföndjahr (67) maclien, oder den Monaten^
ganz nnabliängig- von den Mondwechseln einö^ conven*
tionelle Dauer geben. Erste^es erlaubt d*ä Wesen des
Aehrenfndnäts tiicht, der auf dem Fi-äbiing* haftet ^);
letztere» iistdefshalb unwahrscheinlich, wei)M ose 9 l^ü'
dem ersten Tage eines jeden Monats — tJ'ih ctiodesch,
vDVjüiTjVÄt — ein Opfer angeordnet hat ^), dessen richtigen
Zeitpnnkt' seinem noch unwissenschafüichen Volke nur
die wiederkehrende Mondsichel zu erkentten geben.
') Selbst das Wort nvo schanah deutet auf ein Jahr hin,
das sich mit der^onne ausglich; denn die gewöhnliche Annahme
ist, dafs es eine Wieder hbhlung oder Umkreisung bedeute.
Eine solche findet aber bei dem'mnen Mondijahr nicht Sutt.
Es. verdient hier Aben Espa in der Yonede zu seinem Com-
montar über den Pentateuch und in seinen Erläuterungen zu
2. Mos. XII, 2 verglichen zu werden, ysnn chodesch , heifst es
hier, könne nur vom Monde, und nv schanah nur von der
Sonne genommen werden. Jener habe kein schanah, diese kein
chodesch.
•) 4. Mos. XXVm, H ; XXK, 6.
') Die Stellen 1. Chron. XXVH (nach einer andern Abthei-
lung XXYIII), wo durch alle zwölf Monate des Jahrs die dienst-
thuenden Hauptleute der Leibwache des Königs David genannt
werden, und i. Kön.IV, 7 ff. , wo die zwölf Beamten erwähnt
sind, die der Reihe nach jeder einen Monat die Tafel des K6*
nigs Salomo zu versorgen hatten, ohne dafs an beiden rom
A9Q Techrmhr ,C/inntiogie.
• Die EiArk^timg. 4^ vöa Mo$ss ' ^ug^vio^eA
aein: gegeii Ende des iwalfjiea ]M<ma^. der^piler Adar
geoanni iiurde« bä5ichli|)te man ia den «wiimeren Ge*
geiideD dea Landes die Saatfelder, um. itL'Jbettrlfaeilen,
ob die Gervle 40 weit gediehen sei, dais man. mit Sicher-
heil hofien dttpfie, um die lliite d<^ tt^gfsnd^^ Aioi^aU
reife Aebvea opfcm suköfoen/ In dieasm Fall ^«gaiia
mnu .mit 'dem naebsieo Nennende den Aebfenmonat
und ivigleieh d%i neue Jahr; vfidrigeufallf verlängerte
maa das alle . «m einen dreiwbnlen Monat« Hiisrimt
stimmi «Hcb die Ansieht Aben Bsra'Sf eines der
gelehrtesten hebräischen Ausleger des allen TesiameaU
übereia. ;,MoSes,.sagter*), erwähnt nirgendSf ob ivir
,i]|VTÖIf oder dreizeho Itfoiiaüe zXhlen sollen. £r ver-
f, ordnet blofs, dafii wir mit dem Monat, wo ^'^Q» abib
„(die reife Aehre) gefunden wird, anfangen solka;
,, dieser Monat soll der erste sein, mag nun das Jahr
„zwölf oder dmzebn Monate erbalten/'
Man sieht hieraus, dafs sich die jüdischen Monate
nicht genau mit den unsrigea vergVeicben Ittsaen. T^or
so Tiel ist gewifs, dafs der Aehi*enmovia:t zu Moses
Zeit nicht vor den ersten Tagen des jti^ianischen Api-ils,
Schaltmonat die Rede wäre , beweisen wol eben so wenig $^»
eiucD solchen Monat, wie so ^nmiche Stauen griecbischer Autoiea
oder Inschriften, die sich blofs auf Institutionen des Gemeioiahn
beziehen, i.ft. die, welche von der Dauer der PryUnien spiwhen
(2B9, 343) , gc^yen das anderweitig so wohl begründete Dasein «s
griechischen Schaltmonats.
^) InseinQmGommefitarzu2.Mos.Xn,2. Man tergleicU
"[f halmad Rosch haschanah BL7, S.i.
Mif dk dübab, die. FmhlijBgviMiehlgltiöl^ tri£^ seiaai
Aülang feii)(MB«iea']iabeD..köiiue*. : .
Mrchiaelis 'l)eiiiübtvaifih. in iieiiker johgedaclitmi
AlAiaocIiuii^. , jiurxuthuni t • dafs . der • Aeli r en m ö ua t ^
od0x<, tfvie er' i^Mbipate.;i|jeD^BAt wund^, d^i^ Ni^sani^
d«jc altern. .Hehrh'er deinrApriU vwl.nif^l, «rie.es in
Ba.x.tor.f St -cihaldiiaackehii -Ljexioozi «Jadi^klfen
ftod^m Bai3hei'a..bei£»V'dQDi>M'a^2 «enupibcbeit habei
Geiviijiiganoinoieii.siinulite.er mit dcAnveincutlilonat so
Tvenig üb3l*ie&nv wi^ luit dein! aQdem« Aber. nacb. dem
ScUu6 n poCzarf' miifir nian laUerdlihgafdea iMiBan , : wie
ibo :M:o.a«s.g6sie)It .bat, tberiinii diean<Apr3f ^ie BMt
dem Mar» y vevgkttctien/ löisephas: führt rSiisad und
Xaoibims .als synonjmticbe fieneaniingeD auf (401^
Beide» sind^xhm MDndiiianal^t.die. ^apitterfain tp Sjwifio^
tu SctoiieiimoiMkleo gcatampek- .tviurden.i /wo.däao dei
Xanihidus .gaaz .pamllel u&l dem. April '• zu ätebeii
kam (430). ( • . i... ..•../ ..
Gatt er er sagt-^): ^iSie fädtschen Mimale' waren
^yUx allen Zeiten bUrgerlicbe Mpndmonate,- /weebsela^
yyvm» zu 39 und 30 Tagen^'' Diese . Bebanptung ist
durcb niebta begrüadet* Wir. 'Wissen nicht mit Sicberr
beit, ivie die Monate in der ersten Periode i der b^
bräischenZeilrechaunggemcaseti »würden. Höofastwabr-r
scheinliob geschah es durch uiimillielbare Bedbaicbuio^
der ersten Phase. Auch findet sich nirgends im alten
Testament die Dauer eines Monats angegeben.
Zur Zeit des zweiten Tempels iiatlen die Juden
ein zwiefaches Jahr, ein kirchliches, das nrit. dem
Nisan um die Früblingsnacbtgteidie, uhd ein bürger-
*) Abrifs der Chronologie S.i45.
493 Technüche Chronologie.
Hcliea» das sechs 'MöiMle; spater initdetü niisdkri um
die Herbstnachtgleiche- l>egäna* Das erste vvar Ton
Moses angeordnet; esr^lle die Feste und yon sei-
nem Anfange -finden "wir Ini allen Testament die Mo-
nate gezählt. Das andere, glaubt man, bat nieht blo6
neben, sondern selbst schon vor jenem bestanden. Afen
schliefst 4ies theils aus allerlei «ersireulen Andeutung
gen , E. B; dafs das Fest' der Obst- und Weinlese nicKä
nson hezeth haselumäh, am Ausgange des Jahrs,
gefeiert werden solP); dafs Hiob einmahl sagl^y.
in den Tagen meines Herbstes, d.i. zur Zeit mei-
ner Jugend, wo wir sagen wurden, in den Tagen mei-
nes Lan^ks'); Jais es beim Hieronymus an einer
bereits oben (432> dtirten Stelle hei(st : Jpud onentahs
populos post coUectionäm. frugum et torcularia Octoher
erat primus mensis u.d.m'., theils aus der vonüglicben
Heiligkeit' des siebenlen Neumondes ; denn da nach
Moses Verordnung jeder Neumond dorcli ein Opfer
feierlich bqi;angen werden' sollte (489), so wird insbe-
sondere von diesem gesagt^): ,,Am ersxj^ Tage des
„siebenten Monats soll ein durch die Posaune verküo-
,,deler Sabbath und eine heilige Versammlung sein."
Michaelis ist von dieser Ansicht so überzeugt, dais
er sich in seiner Abhandlung über die Monate der
Hebräer also ausdruckt*): „Ehe die Israeliten auf
•) 2.Mos.XXni,16.
') XXIX, 4.
') Yergl. Hrn. Gesenivs Wörterbuch unter tpri'
«) 3.Mos.XXni,24.
*) S.39.
HbbIiäbr. « 493
,,Mo»e's Befehl den Monate wo sie aus Aegypten 90-
9^ gen,, mm ersten machten,. Bugen sie ihr Jahr« wie
^vallg«iiiein bekannt is^t, mit. dem ^iebetiien Mo*
,,iuite an, (80 dafs uniprünglidir ihr ei*ster Monat dem
,,Oktoberv der zweite dem November lus.w» entsprach,
,,und von diesen Monaten mnfs man annehmen, dafs
,,Moses bei <>elegettheit der Sündffath spiiieht, die
,, demnach »m November, als dem zweiten Monat, an-
,, gefangen 'haben mnfs." Ich furchte aber, idafs man
aus. obigen Andeutungen ;zu viel folgert und dafs das
hohie Alier eines Jahranfanges mit dem Herbst bei den
Hebräern nicht 'ganz so fest steht, ab man glaubt.
Das bezeth haschaiyah, das noch am meisten zu be-*
weisen scheint, pafst- auf das Laubhütlenfest , -von
welchem die Rede ist, ancfa bei der Voransseümng, dafs
das Jahr mit dem Thischri angefanjjen .habe,! schlecht,
weil das Fest erst um die Mitte dieses Monats gefeiert
wurde. In der Parallelstelle 2. Mos. XXXiV, 22 steht
dafür natm n&ipn thehiphat haschamJi, das: dem rö^
mischen 'vertente anno analog ist. Wenn mtan indes-
sen das bürgerliche Jahr auch gerade, nicht als das ur-
sprünglich« ,• stets im Gebrauch gebliebene, bcti^chten
will, nach welchem man im gemeinen lieben die Monate,
und Jahre gezählt hat , so mufs man ' dem eben ge-
dacblen Gelehrten doch darin beipflichten ^)^ dafs .die
Zeit der Herbstnachtgleiche üir die Hebräer einen be^
quemen Einschnitt . im Soonenjahr bildete, weil dann
Ernte, Obst- und Weinlese in Palästina geendigt sind,
und dafs für den bürgerlichen Verkehr, . für Katif^ Pach-
tung U.S.W, sich kein Zeitpunkt besser eignete. Daraus
') S. sein Mosaisches Eecbt TI1.IV9 S.2P(X.
494 Technische Chrouologie.
UAgL aber nicht aotliweiid^ ein. Jalmoifan^ tnit 4ieiem
Zeitpunkt; pflegen dock auch hei nne <lie Paehuiiigm
MA Marun«l»ge im spttten Herhsi ihren Anfiing zu neh-
men, ohne d»(!i wir gerade im hni^gerlicben Leben Fon
diewr Epoche an die Monale.aild Jahre aaUen.
Gatlerer ninunt heLdenfiebrilejrnsecha Ja.far«-
leiten an '}, weil ei 1. MLoa* VIU, 22 beiftc: ,,Xün/-
,ftig aolien, m> lange die Enle alehi, shT lero, Saat-
y^ieit und *r«skp hazir, Ernte» *ip hör. Kälte und
,»an eAe/H'» Hitse, yy ho/iM, Sommer und tm
nohon^, Winter, ar Jörn, Tag und nV«V ib'/^,
^ Nacht, nicht auOioeen." Man sieht aber, dafs aick
am diesen abMchÜiofa gewählten GegeniitaeB nicht mebr
all zwei wirUidi: verschiedaie Jahmeiien mit Sicber-
heit iblgeni ksaen, der Sommer, kafix, der sngleicti
den Frühling; oder die Ernteseit, hasir, uad
den Winter, choref, der nigleidb den Herbst oder
die Saatzeit, ^^ra, in sieh faegriflV Auch anderswo
werden nur Sommer und Winter unlenchiedbni').
Es ist schon oben bemerkt worden, dacfe im Pen-
tat euch nur der erste Monat det Jahrs unter einem
etgentkünilicfaen Namen vorkommt und die andern Hob
mit. den Ordnungsrnkkn bezesehoiet sind. Dasselbe gilt
von allen vor der Deportation abgefiilsten Schriften des
allen Testaments: Nur irti Monatsnamen weiden nodi
im erste}n Buche der JLönige bei Gdegenheii des
Mkühoniscben TbnpdbaiQes erwähnt. Im erstien Vene
*)• Abrifi der Chronologie S,i6i\
») PialmLXXIV, 47. ZachariasXlV, 8. Min ycrglcicbc
Bredow's Untersuchungen über einzelne GegenstaDde
der Geschichte, 6eogra[ihld imU €4ronoiogieS.90£
Hbbii&b>iiv '496
ieB secJbsMi; Kapitels heätat es: yylm ll«nat ir'AV^
y, welches der EW«eil6 im JaW ist.'' Derselbe Name
ohne diesen Zusatz wird iiii sieben- und. dfeiis^tea
Yerar wiederiioUt. Im folf^nden sieht:' ,) Im 'Monat
^^^Bui, d.i. im achtelil" Im zweite» Venedes
webten Kapitels endlich ist vom &«3rfM Asftdmm:, als
dem siebenten Monat, die Rede. Man gUnbt, dafii
bliese Namen; chaldäiscben U»prungs sind y und' dafe .
ider erste soi riel ab Glanamonat (mit Bemig adf
die Blumen ui|d die. Friaolief der Natur) , der zweite
so viel als Regenmonat-, und der diritle so viel als,
Monat der strömenden Flüsse faeifae ^), welebb
Etymologien zu den Stellen, 4ie« dies^ Monate im So»^
neD|abr PaJüstinaV einnehmen y ganz {gut passen. Im
jetzigen hebräischen Kalender wird Ijar liir Siv,
Thischri für Ethanim.und Märcheschvan für
Bul gesagt.
Ein .wesenUiches Stück d«r. mosaischen Gesetzger
l>ung macht die AnoidnUDg der Feste aus, von der hier
in chronologischer Beziehung das Nöthige beigebracht
werden mufs. Die äaüptstellen sind 2. Mos. XII und
XXm, 14-16; 3,Mos.:?i:XIII; 4.Mos,XXVlU, l&ff.
und XXIX, l'ff; S.MLos. XVI, itt. .
Der Feste, die wir von Moses angeordnet finden,
sind, fünf, das Passa.h -.Wochen- Posaunen -
Yersöhnungs- und Laubhüttenfest. Das erste
wm*de zum .Andenken . des Auszugs aios Aegyptan ge-
leiert, anf den selbst, der Natiie hindeutet; denn m»
pesach heiist eigentlich das Lamm, w^Ich^d Jiehbväh
an diesem Feste als Dankopfer dai^ebracVt werden
^) S. Hm. Gesenius Wörterbuch.
4d6 Technitehä Chronologie.
mnlsie, vvcil er, die Erstgebun der Aegypter tödlml,
die Israditen verachont 'haue ^), von einer Wund,
Ttelche flichooend Voriii>ergehen heifsi *)• Dieses
Lamm wurde am vierae^nien Tage des ersteo MenaCs
cu einer Tagesseit gescblachlet, von der schon 6benii%2)
gehandelt worden ist'^)* - Von hier an daoerte das fest-
Jidie Mabl die Macht hindurch bis an den Morgen des
funftebnlen, wo die Israeliten aus AegypUn aufge--
brocben waran ^). Zu Moses Zeit wurde, wie man
deutlich «ieht ')» blofs der Anfang des ganzen dem An-
denken des Auszuges gewidmeten Festes Pesach oder
Paaaah, und das Uebrige vom fünfzehnten Morgens
as mssm ^ eliag hamäzoth, das Fest der unge-
sinerien Brote ^) genannt, weil von bäen haarbam
•) 2.Mos.Xn,27.
^) Die Benennung tJ haßcm/pia, die sich beim VhWo (vila
Mosis 1. III, p.686, und de stplenario et Jestis p. ilS9, ed.
Frsncof.^, beim E u s e b i u s füist, eccL\U, 32J und anderswo
?«n diesem Fest gcbi-aucbt findet, ist, wie man sieht, eine Üebei^
selzung von Pesach» Die ScUi-eibart ftiiry^ geht tou der chal-
däischen Form imofe aus, wi^e auch Philo an der ersten Slellc
beroerVt.
') Nach der zweiten der beiden 'eben cilirten Stellen des Philo
geschah es zu seiner Zeit zwischen Jültag und Abend.
') 4. Mos. XXXIII»3 steht, dafs üe am 45len des ersten Mo-
nats noEr P"raB mimacharalh hapesech, am Morgen nach dem
Passah, ausgezogen sind. Nach 5. Mos. XVI, 1 war es schon in
der Nacht geschehen.
*) 3. Mos. XXIII, 5, 6. Im alten TesUment überhaupt wird
noeh immer unter P«Aach und Chag hamazoth untei^schiedeo.
yergl. 2.Chron.XXXV, 47.
*) ratt mazak heifst etwas ungesäuertes. ,4. Mos. VI, 19.
Das ungesäuerte Brot* 'sollte zum Andenken dienen , dafs die Is-
raeliten beim Auszuge aus Aegyptea nicht Zeit hatten , ihr Brot
gihren zn lassen.
H B B & Ä £ u . 497
am 14ten bis zum 2l8len einschliefslicfa kein gesäuertes
Brot gegessen werden durfte. Späterhin findet man
wol zuweilen den Namen Pas sah dem ganzen sieben-
tägigen Feste beigelegt. Der 15te und 2l8te allein
waren Sabbathe oder strenggefeierte Tage. An den
übrigen durfte gearbeitet werden ; die Feier bestand dann
blofs in Opfern, Opfermablzeiten und Lobgestfngen auf
die Gottheit. Am 16ten wurden , wie schon bemerkt
worden (487) i die Erstlinge der Gerstenernte als Opfer
dai^bracht.
Nach Ablauf der sieben Wochen, welche die Ernte
in Palästina zu dauern pflegt, wurde das Wochenfest
gefeiert* Die Zeit desselben findet sich also bestimmt *):
9, Von dem Morgen nach dem Sabbath, nämlich von
,,dem Tage, wo ihr die Erstlinge der Gerstenernte op-
„fert, sollt ihr sieben volle Wochen zählen; fünfzig
,,Tage sollt ihr zählen bis zu dem Morgen nach der
,, siebenten Woche ,^ und dann dem Herrn ein neues
„Speisopfer darbringen." Man sieht es wird der fünf-
zigste Tag gemeint, vom 16ten des ersten Monats ein-
schlielslich an gerechnet. Weiterhin heilst es noch:
,,Ihr sollt euch versammeln an diesem Tage, eine, hei-;
„ lige Versammlung soll er euch sein, und ihr sollt an
,, demselben keine Geschäfte verrichten." Es war das
Fest, an welchem Gott fiir die Wohlthat der Ernte ge-
dankt und die Erstlinge von Früchten aller Art darge-
bracht wurden '). Dies lehren schon die Namen n*^n m
') 3.Mo8.XXm,15,16.
^) 2.Mo8.XXin,i9; XXXIV, 26; 4.Mo8.XYai,13t vergl.
mit 5.Mo8.XXVI,l-il, NehemiaX, d5aiid37 und dem gan«
zen Abtfdmitt Bicurim im Thalmud.
I. [32]
MS Technische Chronologie.
chaghakazir, Erntefest, und Q'n'Dan tf^Jomhabi'
atran, Tag der Erstlinge« die wir von diesem Feste
gebraucht finden^). Dafs unter den Erstlingen
besonders die des Weizens zu yecstehen sind, wird
2.Hos.XXXiy, 22 ausdrücUich gesagt'); auch lehrt
es die Natur der Sache, da bereits sieben Wochen früher
die Erstlinge der Gerste geopfert wurden. Die gewöhn-
lichste Benennung dieses Festes ist aber n*Sät» an chag
schabtioth^ das Fest der Wochen ^), von den sieben
Wochen , welche man vom Passah bb zu diesem Tage
zählte« Jetzt wird es zum Andenken der Gesetzge-
bung auf dem Sinai gefeiert, die, wie die Thal-
mudisten aus 2. Mos. XIX folgern, mit dem Wochen-
fest zusammengetroffen ist ^).
Dab der Neumond oder erste Tag des siebenten
Ifonats ein Sabbath sein, also zu den grofsen Festen
gehören solle, ist schon oben (492) bemerkt worden.
Wegen der Posaune, wodurch dieser Taig verkündigt
wurde, heifst er nynn ür* jomtiruoA, der Thruah-
Tag , oder nrnn Tt-OT yarao schabathon sichron ihruak,
der Sabbath der Anmeldungs-Thruah ^), von
einer Wurzel, welche laut schreien, jubeln, die
Trompete blasen, kurz Lärm jeder Art machen
heiist*). JeUt ist es das Neujahrsfest, das sogleich
•) 2.Mof.XXin,16: 4.Mof.XXVra,26.
*) 3.Mos.XXin, 20 ist ?on Erstlingen der (Weizen) Brote
die Rede.
•) 5. Mos. XVI, !0.
^) S. Maimonides More neboehim P.III, c.43, BI.170.
») 4.Mos.XXIX,4; 3.Mos.XXin. 24.
•) S. Hm. Gesenius Handwörterbuch r.rh.
alft da* Tag gefeiert wird, aH welchem Gott, die Schidi-
sale der MenscheD für das n^h&te Jabr benimmt *)•
Der zehnte Tag* eben dieseS' Monats ßükrl den Na^
men cn^dn DT^^om hakippürim, Yerisöhnung'i- oder
Auslöaungstagy weil an ihm die Sünden des fBr.
sammten Volks dunch den Hohenjfnester: ansgesiihnt oder-
gkicbsam ausgelösei wurden« 3. Mos. XYI, 29-31 ;
XXIIl, 27 ff. An beiden Stellen wird verordnet, dafii er
ein Sabbalb und zugleich ein Fasttag isein soll. Nach der
besondem Yerpiinung seiner Unverktzlichlteit durch
Arbeit und Speise war es das heiligste aUer von Moses
angeordneten Feste, wie auch Phil6>bemerkt '){ und
^ solches wird es noch jetzt angesehen. Es. war bis
auf die babylonische /Gefangenschaft der einaige Fastlag
der Hebräer. Während des Exils sind noch verachle-»
dene andere hinzugekommen, wovon lüklen« - -
Noch ein drittes Fest ist auf den siebenten Monat
angeordnet, nämlich ein Dankfest für die nun be^dtgte
Obst- und Weinlese«, wie man aus 2. Mos« XXIII, 16
und XXXIY, 22. ersieht, wo es t)'*OMn »n chag haasif.
Fest der Einsammlung, genannt wird. Die Zeitsei-
ner Feier ist 3. Mos. XXllI, 34 ff. also angegeben: i, Am
„fünfzehnten Tage des siebenten Monats ist das Latb*
ivhüttenfest« Sieben Tage dem Jebovah! Am ersten*
„Tage ist heilige Yersammiung; ihr dürft an ihm keine
„Geschäfte verrichten«» Sieben Tage soUc ihr dem' Herrn
,, opfern. Am achten ist wieder eine heilige Yersamm*
„lung" u.sw. Man sieht also, der fünfzehnte und
*) Thalmud Jtosch hascfumahBlA6t S.2. iMaimonides
More neboehim a.a.O.
*} De septenurio etfesiis p.il94. . -
[32M
600 ' Technische Chronologie.
iwet nnl cmmsigBle Tag des nebenlen Monats ivneii
Ssl>lMidie; die swiscben liegenden gehörten swsr auch
warn Feste, doch war die Aiiwit an ihnen nicht unter-
sagt« Während dieses Festes mulsten die Hebrier in
Hütten wohnen, was in den wännern G^enden Palä-
slina's sehr wohl angeht. „Sieben Tage, sagt der Ge-
,^setsgeber im Namen Jehovah's *) , sollt ihr in Laub-
,,hiitten wohnen, damit eure Nachkommen nissen, dais
„ich die Ismelilen in Hätten habe wohnen kuen, als
„ich sie aus Aegypten gefiihrt." Solche aus Pafaa-
Oel- und andern Zweigen gefloditene Hütten heiben
rfoo iiecoth '), und davon das Fest gewöhnlich nvonsn
ehag hasüocoth. Laubhüttenfest. Mit dem siebenten
Tige war das eigentliche Fest sn Ende. Am achten
soll nodi eine heilige Versammlung des Yolks sein '),
we&halb auch diesem Tage vcMvugsweise die Benennnng
mo azeroih, Versammlung, mvijyvpi;^ belegt
worden ist ^).
Die von Moshes angeordneten Feste trafen also auf
den ersten, dritten und siebenten Mooal des JaüiTs, da.
in der Regel auf den April , Junius und Oktober. In
den übrigen Monaten kamen nur die gewöhnlichen
Sabbathe und Neumondsfeiern vor. Doch war auch
im sweiten Monat luweilen ein Passahfest, wenn
itch Unreine fimden, die an dem eigentlichen Passah im
enten Monat keinen TheQ hatten nehmen können *).
*) 3.Moa.XXrav42ff.
*) Nehemia Vni, 16.
') 3.Mos.XXni.36; 4.Mos.X3IX,35.
*) Wegen dieses von Michaelis nicht richtig aufgelaisttB
Wertet ist Hrn. Gesenius Wörterbuch ttaefacusehcn.
') 4. Mos. IX, 10 ff.
Hebbabr. 601
Eft ist nan noch yon den in der ersten Periode
der jüdischen Chronologie gebräuchlichen Jahrrech-
nungen zu handeln.
Im fünf und zwanzigsten Kapitel des dritten Buchs
Moses heilst es: ^^Wenn ihr in das Land kommt, das
,,ich euch gebe, so soll es dem Jehovah einen Sabbath
,, feiern. Sechs Jahre lang sollst du dein Feld besäen,
„deinen Weinstock beschneiden und alle Früchte dei-
,,nes Landes einsammeln; aber das siebente soll ein
„Kuhejahr für das Land sein, ein Sabbalh dem Jeho-
„yah; dein Feld sollst du nicht besäen, deinen Wein-
„ stock nicht beschneiden u.s.w. ^). Sieben solcher
,,Sabbathe von Jahren ') sollst du zahlen, sieben Jahre
„siebenmahl, und es sollen dir dieser Jahrsabbathe
,,neun und vierzig Jahre sein. Dann sollst du am zehn-
„ten Tage des siebenten Monats, am Yersöhnungstage,
„durch das ganze Land die Posaune blasen, das Jahr
„der fünfzig Jahre heiligen, und allen Einwohnern des
.„Landes verkündigen, dies ist das Jobeljahr, in
„welchem ihr alle wieder jeder in sein Eigen thum und
„sein Geschlecht eingesetzt werdet. Und dieser Jobel
„soll euch das Jahr der fünfzig Jahre sein. In diesem
,,Jahr sollt ihr nicht säen, das von selbst gewachsene
,, nicht ernten'- u.s.w. So wie also ein jeder siebente
Tag ein Ruhetag für die Menschen war, so sollte jedes
') Yei^. 2. Mos. XXm, 10 ff.
*) Im Text tn» mrav schabbathoth schanim. ran schabbath,
im Plural mit der Femininform, bezeichnet in einer wiederkeh-
renden Reihe yon sieben Zeiteinheiten, seien es Tage oder Jahre,
die jedesmalige siebente, also den sitbenteä der Ruhe gewidmeten
Wochentag, und das siebente zum Ausruhen des Erdreichs be-
stimmte Jahr.
602 Technache Chronologie.
riebente Jalir ein Ruhejahr för den Adler sein; and
nachdem sieben saldier Ruhe- oder Bmchjahre einander
gefolgt waren, sollte noch das funfaigste ein aufseror^
deutliches Rabe- oder Brach jahr sein, in welchem jedes
terLanfte nnd yerpfiUideie Grandslück an seinen nr-
spränglichen Besitzer, und die Freiheit jedem, der sich
ihrer enianfsert, so wie den Getangenen und SJJaven
luruckzngeben war. Den Geist und die wahre Bedeu-
tung dieser merkwürdigen Verordnung des hebr&ischen
Gesetzgehers entwickelt Michaelis in seiner Abband*
Itwg : De paradoxa lege Mosaica, septimo qucms anno
omnium agrorwn ferias indicenie^)^ und in seinem
Mosaischen Recht*).
Das Sabbathjahr heifst im Hebrüischen nmtsfnrso
scheniMth haschmittah oder kurz schmittah '), was Luther
nnd Mendelssohn durch Erlafsjahr und Michaelis
durch Aufschubjahr übersetzen, weil in demse/l>en
den Schuldnern Indult gestattet wurde, und das /o2>el-
oder Jubeljahr Va-m «o schemuh hejobel odet knra
fobel, ohne Zweifd ron dem gleichnamigen Blaseinstru-
ment, womit es verkündet wurde.
Die Jahre dieser fünfzigjährigen Periode werden,
wie im Pentatench immer, vom Abib oder Früh*
lingsmonat gerechnet. Die ersten sechs Jahre sdl der
Acker im Herbst bestellt wei^n', aber im siebenten
(eigentlich von der Mitte des siebenten bis zur Mitte
des achten) brach liegen. Eben so vom Herbst des
neun und vierzigsten Jahrs an, und zwar zwei Jahre
*) Es ist die neonle leifier skadanischeD Yorlssungen (487).
>) Tb.n, S.24 ff.
•) 5. Mos. XV, 2; XXXI, 10.
HebaIbr. 503
lang bis. zum Herbst des ersten Jahrs der neuen Jobdr
periode ^). Die Worte des Gesetzes erklären sich hier-
über so bestimmt, dafs mau eine Mifsdeuftung nicht für
möglich halten sollte. Und doch hat man das siebente
Sabbathjahr imd das Jobeljahr für identisch nehmen,
der. Jobelperiode also nicht fünfzig, sondern nuA neun
und vierzig Jahre beilegen wollen. Dies war, wie wir
au$ dem Thalmud ersehen'), die Meinung des Rabbi
Jehuda, der gegen die Mehrzahl der Rabbinen be-
hauptete, der Jobel bestehe pur aus neun und vierzig
Jahren, indem das fünfzigste des abgelaufenen Jobeis
immer zugleich das erste des folgenden sei. Seiner
Meinung traten nachmals die Gaonim hei, gewisse ge-
lehrte -Rabbinen, die. bald nach der Schliefsung des
Thalmuds gelebt und ihn erklärt haben, Vorsteher
jüdischer Akademien. Diese hatten, wie Mt^imonides
berichtet '), eine Tradition, nach der seit der Zerstörung
des ersten Tempels nur Schmittahs und kein Jobel, also
nur .neun und . vierzigjährige Perioden gezahlt worden
seien. Ihren chronologischen Tafeln zufolge ist in der
jüdi^en .Weltäre jedes siebente Jahr ein Sabbathjahr,
a.B.da» zunächst bevontehende 5586ste. Maimonides
*) 'Wei-den die Jahre mk dem Thisclirf inr Herbst angdaa-
geft, wie 'die Eabbinen die Jahi^ des Schmiitah uod Jobel ge-
nommen wisaea wollen (Thalmud Rosckhaschanah Bl.8^ S.%i
Bl.9,S. 1), so stellt sich die Rechnung einfacher. Dann wd
im' Anfange der Jahre 7, 14, 21, 28, 35,*42, 49 und 50 der Jo-
belperiode nicht gesaet , mithin um die Mitte dieser Jahre nicht
geemtet.
;') Erichin BL 12, ^. 2 ; Bl. IS, S. i ; Bll 32, S.^ ; BI. 33, S. i .
') Jod kachasaca (in welchem Werke d^Tihalmud in ein Sy-
stem gebracht ist), Hilchoi schnättah w' iQbef, c.lO, fol.i42.
604 Technüche Chronologie.
mShttf dessen Antorilit yom grS&ten Gewicht ist, tlieflt
diese Meiiiimg nicht; denn er sagt: ,,Dfts neun und
„viendgsle Jfthr ist Schmittah, das fünfzigste Jobel,
y,nnd das ein und fünfzigste das erste des neuen
^^SchmittahJ'^ Eben so bestimmt änlsert sich schon
losephus« „Alle sieben Jahre, sagt er*), wird dem
„Acker eine ivBctg^ Erhohlung, gegdnnt, wie dem
„Menschen alle sieben Tage. Dasselbe gesdiieht nach
,,der siebenten Jahrhebdomade, und dies gibt im
,, Gänsen fünfzig Jahre — ravra mrr^ovra [ih l^v
,,rn} Ttt mhmu Das fünfzigste Jahr wird von den
„Hebriem 'IwßijXog genannt."
So deutlich dies nun auch in dem Gesetze li^n
mag, so haben doch in neuem Zeiten Gatterer tmd
Frank die Hjrpothese der Gaonim von neuem gel-
tend zu machen gesucht, letzterer in einem grofsen
Werke unter dem Titel: Joh. Georgii F rankt i no^
vum Sjrstema chronologiae ßmdamentaks, ^ua omnes
anni ad solis et haute curswn accunUe describi et no^
vilwua a primonUo mundi ad nostra usque tempora et
ukerius ope epactarum designari possunt: in Cyclo Jo^
belaeo biblico detectae et ad chronologiam tarn sacram
quam profanam applicatae, cum praefatione Joh.
Christ. Gatterer*). In der Vorrede wird die Jo-
bdperiode ein mjrsterium S. Scripturae genannt, guod
Jundamentum totius chronologiae in se continet, et *ve^
ritatem sacmrum liiterarum historicam earumque diid-
no/'^ originem novo quodam argumento eoque firmis-
*) Ant. lud, m, 12, 3. Blan Tergleidie Bernard's i^ddirte
Anmerkung zu diesei« Sldle.
*) GötUngen 1778, fol.
Hebräer. 506
simo firmat. Woher Mofteft eihe so genaue Kenntnifs
vom Laufe der Sonne und des Mondes, wie sie die
Construction der herrlichen Jobelperiode yorausseUt, ge-
habt habe, müsse man nicht fragen, da Gott selbst aus-
drücklich der Urheber derselben genannt werde: ,,Auch
„sprach Jehovah am Berge Sinai zu Moses," mit
welchen Worten das ganze Gesetz eingeleitet wird *).
Das HaupUfgument, worauf Gatterer und Frank
ihre Meinung gründen, ist folgendes. Es heifst im wei-
tem Verfolge'): „Wenn ihr etwa sagt, was sollen wir
,,im siebenten Jahr essen? wir säen und ernten ja
,, nicht; so yerheifse ich euch meinen Segen im sechsten
,,Jahr, dafs es so viel in die Scheuer bringe, als auf
,,drei Jahre genug ist, und ihr, wenn ihr im achten
,,Jahr wieder stfet, noch von alten Frachten essen
„könnet. Bis zur Ernte im neunten Jahr sollt ihr yon
„allen Früchten essen." Wära das siebente Sabbathjahr
vom Jobeljahr yerschieden gewesen ,' sagt Gatte rer^),
so wären zwei Brachjahre aufeinander gefolgt, und der
GetreidevoiTaih der sechsten, im Anfange des siebenten
Jahrs gewonnenen, Ernte hätte bis zur Ernte im zehn-
ten Jahr, nicht im neunten vorhalten müssen^ da
doch letzteres ausdrücklich genannt ist. Man könnte
entgegnen, dafs Moses nur bestimmen wollte, wie es
mit den gewöhnlichen Sabbathjahren gehalten werden
solle, und nicht nöthig hatte, das Jobeljahr, als ein
aufseroitlentliches Brach jähr, noch besonders hervorzu-
heben. Es liegt ja aber in den Worten: „ials auf drei
*) 3.Mo.i.XrV, 4.
•) T.20IL
') Abrifs der Chronologie S.I53.
606 Technisch^ Chronologie.
„Jahre* genug ut," deutlich, dalli er auch auf die
Brache de» Joheljahrs Rücksicht genommen hat; dam
joost halle er nur von twei Jahren reden dürfen.
.Wäi« das Institut der Sabbalh- und Jobeljahre yon
den Hebräern uuverleulich im Gange erhallen wordeu,
so hätten sie mit aller Sicherheit nach fünfzigjährigen
Jobelperioden und einielnen Jahi^n rechnen, also jeder
fortlaufenden Acre enthehren können. Es scheint aher
dasselbe unter den Königen nicht strenge beachtet wor-
den SU sein« Nirgends wird in der fiühern Geschichte
des hebräischen Volks die Feier eines Sabbath- oder
Jobdjahrs erwähnt, nirgends ia der Bibel nach Jobel-
jahren getähli, da sich doch diese Zählungs^veise bei
wirklicher Beachtung .der Periode so natürlich darbot.
Erst während des sweiien Tempels wurden die dahin
gehörigen Verordnungen der mosaischen Gesetagebung
als alle Tradition wieder aufgenommen, und, wie Yfir
aus dem ersten. Buche der Makkabäer'j, aus
Philo') und losephua') ersehen, such wirklich
befolgt. Zugleich mufs sich nun der Jahraufang mit
dem siebenten Monat im büigerlichen Gebrauch fiestge-
•etxt haben.
Moses rechnet, wie Herodot, nach Geschlech-
tern ^). Späteriun sähllen die Hebräer, wie das ganae
*) VI. 49 und 53.
') S.H87-
') Aufaer der oben (504) angeführten Stelle Ter|;leiclie man
JnL lud, XIV, 10, 6; XIV, «6, 2; XV, 1, 2. Daa-Sa bba th-
jähr heifst hier o-aßßaruij; Kiovr^c und iß^ojuto^ucoy rroc.
*) S. Mixhaelis Abhandlungen von der Ckrohologta Mo-
sis ante et post dtUivium, Es sind die vierzehnte und fünfzehnte
seiner in der göttinger Sodetat gAallcnen Vorieaungen.
Hbbräea. 607
Alterthum, 'nach Regentenjahren, woTon: sich die
Beweise fiist in jedem Kapitel der Bücher der Kö-
nige und der Chronica finden. Ak fortlaufende Aere
hat man die vom Auszuge aus Aegypten und vielr
leicht auch die vou Erhauung des ersten Tempels
gebraucht. Der erstem wiiti 2. Mos. XIX, 1; 4. Mos.
XXXm,38 und l.Kön.VI, 1 gedacht. Aa der leta-
lem Stelle heifst es: ),Im vierhundert upd achtzigsten
,9 Jahr nach Auszug der Kiader Isilael auis Aegypten,
,,im vierten der Regierung Salomo*s, im Monat Siv
,,oder im zweiten, waixl das Haus des Herrn erbauet."
Man vergleiche 2.Chron. III, 2. In demselben Buche
YIII, 1 und l.Kön. IX, 10 wird ein Zeitpunkt also
bestimmt : „ Zwanzig Jahre, nachdem Salomo das Haus
,,des Herrn erbaute;" aus welchen Stellen jedoch der
biü'gerliche Gebrauch einer sploben Jahri'ecfanung nicht
mit Sicherheit folgt. Die jüdischen Chronologen ^) setzen
diese Epochen einstimmig in die Jahra 2448 und 2928
ihrer Weltäi'e, oder in die Jahre 1314 und 834 v.Chr. ;
Des-rYignoles dagegen (um unter den mannigfaltigen
Meinungen der christlichen Chronologen nur eine der am
besten begiiindeten anzuführen) in die Jahre 3069 und
3716 der julianischen Periode oder 1645 und 998 v.Chr.
Was ihn veranlafst hat, das Intervall zwischen beiden
Zeitpunkten um 167 Jahr gräfser anzunehmen, als die
Bibel und die jüdischen Chronologen, sehe man bei ihm
selbst nadi').
*) Man sebe untei* andern Zemach David S. 12 und Seder
Hadaroth El. 19 und 23. .
^) Chronologie de Vhistoire sainte Yol.I, S.172 ff.
508 Technische Cfironologie.
Noch mois erwähnt weiden, dafii Hensler in
«einen Bemerkungen über Stellen in den Psal-
men und in der Genesis umständlich die Hjpotheae
SU begründen sacht, es sei in der Genesis von ei-
nem dreifiichen, stufenweise wachsenden, Jahr ~tdo
iduandh-- die Rede, von einem dreimonatlichen
bis auf Abraham, von einem achtmonatlichen
bis auf Joseph , und weiterhin ent von einem zwolf-
monatlichen. Eine gründlidie Widerlegung derselben
findet sich in Bredow*s Untersuchungen über
einzelne Gegenstände der Geschichte, Geo-
graphie und Chronologie *)•
Zvireite Periode der bebraischen Zeitrechnung.
Die älteste von Moses theüs eingeführte, theils
bestltigte Zeitrechnung war, so viel wir darüber ui^
theilen können, sehr einfach. Die erste Erscfaeinung
der Mondsichel in der AbenddämmemDg bestimmte den
Anfang des neuen Monats, und wenn die Witterung sie
XU beobachten hinderte, so legte man dem abgelaufenen
als Maximum eine Dauer von dreifsig Tagen bei. Ob
nach zwölf Monaten ein neues Jahr angefangen oder
ein dreisehn ler Monat geiählt werden sollte, hing von
dem Umstände ab, ob die Gerste so weit herangereift
War, dafs um die Mitte des ersten Monats Jehovah das
Omer dargebracht werden konnte (487)* In dieser gan-
len Kalendereinrichtung offenbart sich meines Erachtens
noch keine Spur von wissenschaftlichen Ideen, und idi
«) S.i8ir.
Hbbjlävjl« 509
sehe daber nicht, ims Gatterer za sagen berechtigt *),
daft ihr Urheber mehr als gemeine astronomische Ein-
sichten gehabt haben müsse.
In der zuveiten Periode der hebräischen Zeitrech-
nung bestand dieselbe schwankende Bestimmungsweise
der Monate und Jahre noch immer (denn dafs man die
Neumonde schon nach einer festen cjclischen Theorie be-
stimmt oder gar schon astronomisch berechnet habe, wie
sich einige Chronologen überreden, ist mir durch nichts
wahrscheinlich geworden); nur die Monatsnamen, der
fahranfang und das Festwesen haben sich in ihr ganz
auf die jetzige Weise gestaltet.
Die gegenwärtigen Namen der jüdischen Mo-
nate sind:
1)
)b^3
Nisan.
2)
ir^H
Ijar.
3)
^0
Siy^n.
4).
tion
Thamus.
ß)
a«
Ab.
6)
ViVh
EluL
7)
^Tün
Thischri.
. 8)
^TtJrt^o
Marcheschyan.
9)
1^
Kisley.
10)
hä»
Tebeth.
11)
xa!M '
Schebat.
13)
'irm
Adar«).
') Abrifs der Chronologie S..i50.
*) Das s in Nisan nnd Siyan ist hart, und das v in letz-
terem Namen, so wie in Marcheschyan, weich auszusprechen.
Der Ton in Nisan liegt auf der zweiten Sylbe. Das ^ in Ab
ist wie ein ii^ zu ksen nnd das 0 in Schebat fast gar nicht zu
betonen.
510 Technische Chronologie.
Ibdi Tbalmail J^rnsehalmi ( Bosch hasebancii
cAJ, dem Aben Esca gefolgt ist.^), haben die He-
bräer diebc Monatsnamen aus der babylonUcbeD Ge£uH
genfichafl mitgebracht. Es leidet auch um so weniger
Zweifel, da£i lie cbaldüiachen Ursprungs sind, da de
gröfsientheils mit den naüonalsyrischen Mouatsnamen
übereinsümmen (430)« Sie finden sich riiersc in den
während und nach der Deportation abgeia&ien Sclurif-
len des allen Testaments, Zacharias, Esra, Hehe-
mia, Esther und den Büchern der Makkabäer
erwähnt.
Der Nisan, welcher an die Sldle des mosaischen
Aehrenmonats getreten ist, kommt Nehemiall, 1
und Esther III, 7 vor. An der leUtern Stelle heilist
er der erste Monat,- nämlich mit Bezug auf die Feste,
wie losephus sagt (401).
Des Ijar wird in der Bibel nicht gedacht. In
älterer Zeit nannte man ihn Siv (495).
Der Sivan wird Esther VUI, 9 ab dritter Mo-
nat aufgeführt.
Der Thamus und der Ab kommen in der Bibel
nicht vor. * Das erste Woit findet ^ich zwar Hesekiel
VIU, 14, aber als Name eines Götzen ').
Der E]ul*ist Nehemia VI, 15 erwähnt.
Der siebente Monat wird dfters genannt, z.B.
Esralll, 1, Nehemia Vm, 2, jedoch noch nicht un-
ter seinem jetzigen Namen, der übrigens schon beim
, losephus und andern Schriftstdlern ans dieser Fe-
•) Commentar zu 2.Mo».Xn,i (205).
*) Em« Nötis über denscibsn gibt Maimoniiles., Moit
neboMm P.m, c.29, S.I58.
Hbbaäer» 511
riode vorkonunt. In fjrttfaerer - Zeit hiels er Etha-'
nim(495>.
Der Marcheschvan, wofiir die Thalmudiflten
nnd neuem Juden häufig *pOti Cheschvan sagen:, kommt
in der Bibel nicht vor. losephus nennt ihn Mtxpccud^
vtj5 (401)* Früherhin führte er den Namen Bul(495).
Der Kisley wird Zacharias YII, 1, Nehemia
ly 1 und l.Makk.I, 57 erwähnt, an der ersten Stelle als
neunter Monat.
Der Tebeth findet sich Esther II, 16 als der
zehnte;
DerSchebat: ZachariasI,? ab der elfte, und
Der Adar: Esther III, 7 und 13, YIII, 12 und
IX, 1 und 2. Makk. XVy37 als der zwölfte Monat
aufgeführt. Letzterer kommt auch Esra YI, 15 vor,
in welchem Buche sich, wie im Propheten Haggai
und anderswo, die Monate sonst immer noch nach alter
Weise mit den Ordnungszahlen bezeichnet finden.
Der Schaltmonat wird auch in dieser zweiten
Periode noch nirgends erwähnt ^) , wenn gleich nicht
zu zweifeln ist, dafs er längst vorhanden war ').
Der Liebhaber von Etymoli^ien findet reichliche
Befriedigung in dem Corollarium des Christoph
^) Selbst nicht im Thargum Scheni, wo sich (Est her 111,7)
das erste Tolktandige Verzeichnifs der jetzigen Monatsnamen findet.
^) In dem Worte ü-^tro kej'amim, etwa in den Tagen, wo-
durch Esther IX, 22 die Zeit der Feier des Purimfestes bezeich-
net wird, wollen mehrere jiidbche Commentaloren , besonders
Aben Esra, eine Anspielung auf den Schahmonat finden, weil
es sonst ^Brnrabejamim, in den Tag^n, heifsen müfste. Dieses
Fest wird nämlich, wie wir unten sehen wei^n, bald im zwölf-
ten, bald im dreizehnten Monat gefeiert^ je nachdem das Jahr
ein Gemein«- oder ein Schaltjahr ist.
613 Teelmisehe Chronologie.
Beaedict Michaelis über die hebräiachen, du]-
däiicben, anbischen, äthiopischen und koptischen Ho-
nslsnAmen, welches sein Sohn Johann David seiner
Abhandlung über die Monate der Hebrfter(487)
beigefu{{t hat.
Wie man während des sweiten Tempels die Ikuer
der Monate, die nodi immer keine festgesetzte war,
bestimmt habe, ersehen wir aus dem ihahnudischen
Tractst Rosch luuchanah *) und ans des Maimonides
Kiddusch hachodesch*)^ woiaus Nachstehendes geschöpft
ist'). So hinge der grolse Rath — Sanhedrin —
seinen Sits lu Jerusalem hatte (bis lur Zerstörung des
Bweilen Tempek), berechnete man den Eintritt des Neu*
mondes so gut man konnte ; man sah es ^aber gern,
wenn vor Bekanntmachung des Neumondfestes wenig-
itens swei {^ubwürdige Ifinner vor dem Rath erschie-
nen und aussagten: um die und die Zeit haben wir
den Neumond gesehen. Wurde derselbe am JOsten
Monatstage angemeldet, so eiUttrte der Rath den abge*
ku&nen Monat för mangelhaft — ntn chassar^
und weihte den neuen mit dem Ausruf geheiligt!
ein, den das Volk sweimahl wiederhohlte. Erfolgte aber
am 30sten Tage noch keine Anzeige, so legte man den«
selben noch dem alten Monat bei und erklärte diesen
•) BLi3 ff.
*) />« consecrations Calendamm c. 1 ff Dieses Hauptwok
fiir die jüdische Zeitrechnung hal Lud. de Gompiegne deVeil
augleich mil der Schrift De sacrißciis desselben Verfassers in <
lateinischen UebeiwUung ans Licht gestellt. London 1683, 4.
') GrolsentheU« mit Hrn. Bendayid's Worten. £
schätzbare Schrift: Zur Berechnung und Geschichte des
jüdischen Kalenders (Berlin 1817, 8) S. 7 und 10.
Hbbräbr. 513
fnr yoll — m^s rnale — , ohne den neueii Monat^ der
ohne weitere Anmekhmg mit dem fdgendea Tage Be-
gonnen wurde , einzNiweihen. Da nun anf diese Webe
bei trüber Witterung leicht zwei oder mehr dreifsigtä'-
gige Monate auf einander folgen konnten, wodurch
sich der Kalender gegen den Himmel Verschoben haben
wüixle, so setzte man fest, dafs das Jahr nicht weniger
als vier und nicht mehr als acht voUe Monate erhalten
solle ^). Am ersten H^age jedes Monats mufste zu Jeru>*
salem ein Opfer dargebracht und sonst überall ein Ge^
bet verrichtet werden. Auch hing von der Bestimmung
dieser Tage die Feier sämmtlicher Feste ab. Es! kam
also darauf an, die Kunde davon überallhin möglichst
schnell zu verbreiten. Dies geschah anfangs durch Signal-
feuer, die man auf den Bergen anzündete, und als Mifs-
brauch damit getrieben wurde, durch ausgesandte Boten.
Letzteres Mittel war jedoch unzulänglich, da sich zur
Zeit des zweiten Tempels viele Juden auiserhalb Palä-
stina, in Syrien, Aegypten und anderswo, niedergda»-
sen hatten, zu denen die Kunde auf diesem Wege nicht
schnell genug gelangen konnte. Es wurde also festge-
setzt, dafs überall, wohin die Boten nicht zu rechter
Zeit kamen, nach Ablauf von 29 Monatstagen der fol-
gende onn tSHTi rosch chodßsch, Neumond, heilsen
solle. War nun der abgelaufene Monat mangelhaft, 'so
galt der Rosch chodesch für den ersten Tag des neiien
Monats; war er hingegen voll, so führte sein letzter
Tag diesen Namen, und es wurden dann zwei Tage mit
demselben beaeichnet, der leUte Tag des abgelaufenen
') Thalmud Erichin El. 40, S.2. Jetzt können in einem
Jahr nicht weniger als fünf Tdle Monate sein.
I. [331
514 Technkehe Chronologie.
MoDtts und der erste des neuen. Zugleich wurden alle
wichtige Beste , nttmlich der erste und leUte Tag do
Passah, das Wochenfest, das Neujahrsfest und der erste
und letzte Tag des LauUiüttenfestes verdoppelt^ damit,
wenn in den Provinzen ein mangelhafter Monat für
ToU oder umgekehrt genommen worden war, das Fest
wenigstens an einem von beiden Tagen übeiaU xugieich
gefeiert werden möchte. Diese Einrichtung besteht bis
auf den heutigen Tag, ungeachtet die Dauer der Uopate
jetzt völlig bestimmt ist , also über den regten Tag
der Feier eines jener Feste weiter kein Zweifel obwal-
ten kann. Da sie aber blofe für die entferntem Wohn-
sitae der Juden getroflen war, so sind in Palästina seihst
die Feste, das des Jahranfanges ausgenommen, von je-
her nur einen Tag gefeiert und die Rosch chodesck
nicht verdoppelt worden.
*Wir wollen nun sehen, wie sich die mosaischen
Feste, noch immer die wichtigsten der Juden, in der
zweiten Periode ihrer Zeitrechnaog gestaltet haben, und
welche neu hinzugekommen sind.
„Im Xanthicus, sagt losephus^), dem ersten
,, Monat des Jahrs, den wir den Nisan nennen, und
„zwar am vierzehnten nach dem Monde, während sich
„die Sonne im Widder befindet, bringen wir das Opfer
„dar, weldies Pas sah genannt wird." Man sieht,
dafii hier das Wesen des gebundenen Mondjahrs der Ja-
den deutlich ausgesprochen ist. Der vierzehnte des
Mondmonats, die quarta decima bma, ist der Tag des
YoUmondes, auf den Philo ausdrücklich das Passahfe5t
') Die Stelle ist idion oben einmahl (401) angezogea worden.
HSBHABR, 616
seut *). 99 Am fiui£Eehnten, heifit es beim losephus
,, welter, folgt auf das Passah das Fest der unge-
,, säuerten Brote -«-1} rwv o^ujutcüv kopn^ — an wekhem
,f nichts gesäuertes gegessen werden darf." Es findet
sich auch kurz rot al^ofui genannt, z*B. beim Evange-
listen Marcus Xiy, 1. Seit der vorhin gedachten Ver-
doppelung der Hauptfeste wird es acht Tage lang gefeiert,
von denen jedoch nur der erste, zweite, siebente und
achte, also der 15, 16, 21 und 22ste Nisan, Sabbathe
oder eigentliche Feiertage sind.
Dieses Festes wird in der Leidensgeschichte Christi
öfters gedacht, unter Beziehungen, die hier nicht no!^
berührt bleiben dürfen.
Aus allen Umständen erhellet auf das bestimmteste,
dafs Christus und seine Jünger das Passah, wie es auch
die Kii*che annimmt, an einem Donnerstage gegessen
haben. Dieser Tag wird beim Lucas') durch i^ixipa
TcKv a^vjuttiv, und beim Matthäus^) und Marcus*)
dui*ch TTpu^ -^iiipoL Twv dJ^vfJtüDVy den ersten ^^ag der
ungesäuerten Brote, bezeichnet. Aus dem Zusatz
beim Lucas: h ji Idei J^ecrB'fiu to Truo'XO'y &n welchem
das Passah geopfert werden mufste, geht klar
hervor, dafs der 14.Nisan gemeint ist. Es war also
eigentlich der Tag vor Anfang der a^vjua, gegen dessen
Schlufs — been htuirbäim, wie wir oben (483) gesehen
haben — , das Osterlamm gq|;essen wurde. Dieser Tag
*) Fita Mosis l.m, p.686.
») xxn,7.
^) XXVI, 17.
*) XIV, 12.
[33*1
616 Technische Clironidogie.
kann, wenn es gleich nicht gans gewShnlicli ist, tu den
äiiyeu; gerechnet werden, weil sich die Juden schon ^on
9 Uhr Morgens an des gesäuerten Brotes sn enthalten
pflegen. Es leidet ^lun aber hiernach keinen Zweifel,
dafs die drei gedachten EvangClisien den am folgenden
Freilage Sutt gefundenen Tod Christi auf den 15. Ul-
san oder den eigentlichen An&ng der indischen Ostern
gesetzt haben *). Dieser TodesUg wird von allen Eyan-
gelislen') vapaffxvsj^ genannt, was Marcus durch vpo-
fftt)3ßaroy, den Tag Tor dem Sabbath, erklärt und
Luther durch Rüsttag übersetzt* Es ist das he-
bräische n» W» ereb scliobbaih. Abend des Sab-
^) Das alldeutsche Wort Ostern, das ich hier nach Luther*s
Bibelübersetzung (z.B. Lucas XXII, 1) vom jüdischen Feste ge-
brauche, bt bestrittenen Ursprungs. Man Tergleicfae nur Scbil^
ter*i und Wachter*s Glossarien. Die gewohnh'chste Meinung
bt, dafii es von untan, das in der äitesien germanischen Sprache
aufstehen gebeifsen habe, abzuleiten ta. Beim B e d a findet
«ich eine Notiz, die mir gar nicht verwerflich zu setn scheint;
wenigstens kann man ihm zutrauen, dafs er, im achten Jahrhun-
dert unserer Zeitrechnung lebend , Ton dem Factum , das er mit
so vieler Bestimmtheit anluhrt, genaa untenichtet war. Er sagt
nämlich De tempontm ratione c. 13: EosturmonatJk, qui
nunc paschalis mensis inierpretalur , quondam a dea Ulorum
(veterum Anglorum) quae Eostre vocabalur, et cui in illo
Je$ta ceUshrabatU, nomen kabuh; a cuius nomine nunc pascfutle
lemput c^gnominant, consuetae antiquae observationis vocu-
buio gaudia novae solemnilatis vocantes. Wer es nicht glaub-
lich findet, dafs die altdeutschen Christen den Namen eines ihrer
Hauptfeste Ton einer Göttinn ihrer heidnischen Vorfahren entlehnt
haben sollten, denke nur an die germanischen Namen der Wochoi-
Uge, die entschieden Ton heidnischen Gottheiten herstammen.
») Mttth.XXVn,62; Marc.XY, 42; LncafXXin, 54;
Johann. XIX, 31.
Heb A A£B* 617
baths, womit eigentlich die spätere Tageszeit des Frei*
tags, auch wol, irle hier, der ganze Freitag, gemeint
wird. Der Ausdruck kommt auch beim losephus^)
vor in einem Edict des Kaiser Augustus, worin den rö-
mischen Präfecten im Orient Schonung der Juden ge-
boten und unter andern festgesetzt wird, dafs sie nicht
am Sabbath oder an dem vorhergehenden Rüst-
tage von 9 Uhr an, vor Gericht gefordert werden
sollten. Es werden hier die im ganzen Allerthum ge^
brftuchlichen yeränderlichen Stunden (84) gemeint, die
durehgehends im neuen Testament vorkommen, z.B.
in der Parabel vom Säemann, so dafs ihr Gebrauch
bei den damaligen Juden nicht zu bezweifeln ist, daher
sie auch hin und wieder bei den Chronologen den Na-
men der jüdischen führen '). In dem Edict ist
also nach unserer Weise von 3 Uhr Nachmittags die
Rede, wo der eigentliche Ereb schabbath seinen Anfang
nahm.
Christus verschied , wie Matthäus berichtet ^ >,
um die neunte Stunde; und da es nun Abend ge-
worden war — &\fiaji y^voulvr^i; — wie es bei eben die-
*) jint. lud. XVI, 6, 2.
') Z.B. in Wolfs Eiern, chronol, s.24. Noch Maimo-
nides (im zwölfien Jahrhundert n.Chr.) scheint sie anzuerken-
nen, wenn er in seinem obgedachten Kiddusih havhodesch c.6,
S* 2 sagt : „Tag und Nacht haben zusammen 24 Stunden, von denen
„12 dem Tage und 12 der Nacht angchöi*en." Man sieht abei*
aus dem weitem Verfolge, dafs ei* die gleichförmigen Stunden
meint, sich also hiei* nicht ganz angemessen ausgedrückt bat«
>) XXVn,46,50.
618 Technische Chronologie.
■em Efangditten weiter heiik ^), erbat sich Joseph Ton
Arimathä« dea Leichnam, nm, iha beizuseUen. Of-
fenbar ist hier yon den spätem Standen des Freitags
die Rede (wo noch gearbeitet werden durfte). Marcus
sagt dies ausdrücklich mit den Worten ') : xeä f^dy} o^na^
Y^oniyrj^i imi r^v irapoaxitn}, als es Abend geworden
war, denn es war Rasttag. Wenn Lacas bin-
sosetxt'): xeH ffdßßarov lyri^fvaxiy so muis dies, wie
Grotius bemerkt, für ejuuXXsv ivt^oxEty, der Sonn-
abend wollte so eben anbrechen, genommen
werden. Der jüdische Tag fing mit Sonnenuntergang
an, und ba^oiama kann, wie dieser Ausleger seigt, eben
ao gut vom Anbrach der Nadit, wie von dem des Ta-
ges, gesagt, also auch vom Anfange des bürgerlichen
Tages der Juden gebraucht werden*
Den Sabbath oder Sonnabend hindurdi lag Ckri^cns
im Grabe; aber am ersten Wochentage, »m Sonn-
tage, mit der frühsten Dämmerang erstand er.
Dieser Zeitpunkt wird bezeichnet von Matthäus durch
&ß p-aßßdrxVf rp imufHvaxo&rri ci; (Aittv o-oßßaTwv, von
Marcus durch xpoü ^pwvfi a-aßßivoo, von Lucas durch
7^ lu^ rwf e-aßßdru» op^pw ßa^o^, von Johannes
durqh Tp) juif Twy a-aßßarwv irpm OKortag in cvoji^ ^). Mia
für irpwTrj a-aßßdrw» ist ein Hebraismus, nach der Analo-
gie von irwecAa^, eins, für ymn^ nschon, der erste ^).
') T.57.
•) XV, 42.
, XXin, 54.
*) Matth.XXVm, I; Marc.XVI,9; LucasXXIV,i;
Joh.XX, I.
■} i. Mos. 1,5.
Hbbräba» 619
Das'ptf/^ außßdrwv' beim Afatthäu« läist sich nach
Grotius am ein&chsten durch exacta dierum hehdo*
made^ nach Ablauf der Woche, übersetzen. Er
erläutert diesen Gebrauch des oif/k durch Stellen des
Flutarch und anderer Autoren. '
Man sieht, wie gut diese Zeitbestimmungen zusam-
menhangen. Es iragt sich nur, auf welchen Wochentag
hier der 15. Nisan, der erste Ostertag der Juden,- sa
setzen sei. Bekanntlich . sind die Meinungen der £xe*
geten über diesen Punkt von jeher getheilt gewesen.
Man wird es einem Laien erlauben, sich in Folge sei-
ner chronologischen Untersuchungen auch hierüber alis-
spi^echen zu dürfen.
Dais die drei ersten Evangelisten zum 15« Nisan
klar den Freitag machen > ist schon bemerkt worden«
Aber der heutige Kalender der Juden ist so geordnet^
dafs der 15. Nisan niis auf einen. Freitag tref-
fen darf. Man kann zwar sagen, es sei dies eine Be-
stimmung, die erst nach ihrer Zerstreuung • mit der
endlichen Gestaltung ihres Kalenderwesens in ihr CCp-
remonialgesetz gekommen sei. Allein es bt schwer :za
glauben , daÜs die Urheber der cyklischen Rechnung
in einem so wesentlichen Punkt, wie die' Festsetzung
der Woclientage' ihrer Hauptfeste war, von einem ur-
alten Herkommen abgewichen sind; vielmehr gibt alles
zu erkennen, dafs gerade dadurch die so verwickelte
cyklische Rechnung erst bedingt worden ist. Femer
wird im Thalmud ausdrücklich von den Feiertagen ge-
sagt: p^hV/o danin, man richtet.an ihnen nicht^}.
Dazu kommt nun noch, dais Johannes» Christi Jünger
') Traktat J^exa B1.36, S.9.
520. Technische Chronologie.
und Aujpiiitiige aeiiieft Todes, dm Festsabbatli auf
eine, wie mich dankt, unverkeniiliche Weise mit dem.
TTochensabbatK verbindet. Ersüick sagt er*), die
Juden wären nicht zu Pilatus ins Richthaus gelangen,
damit sie nicht verunreinigt wurden und das Passah
essen könnten (das doch Christus nadi den drei andern
Evaagelisten beieits am Abend vorher gegessen hatte).
Zweitens nennt er ') die mipaoiavrjf an der Christus
gekreuzigt wurde, ^opocKfui] roü nd^x^^ ^^ nsi'äi jü-
dischem Spnchgebrauch nichts anders heilsen kann, als
Ereb pesach, der Tag vor dem Passahfeste ^).
Endlich eraihlt er*), die Juden hätten den Pilatus um
Erlaubnifs gebeten, den Gekreuzigten die Beine zu brechen
(d« i# sie auf jeden Fall zu tödten) , damit nicht während
des Sabbaths ihre Körper am Kreuze blieben; denn
es *war Rasttag und jener Sabbath war ein be-
sanders heiliger -^ {tci mtpcuncsui} ^v f^v yap f»jeyakr\ 7J
iffit^oaJxcivijTcv^Sßaroo— was sidi ganz natürliefa durch
dieTorausseteung erklärt, da(s der Festsahbaüi mit dem
Wochensabbath zusammentraf. Dies ist auch Grolius
Ansicht, der zu dieser Slelk sagt: In sahhatum üici-
tlebsU dUs maxitne Jestus pascliaüs; ita festinabant
fioft modo ob sahhatum, sed et ob pascha. Es scheint
also niefau weiter übrig zu Meiben, als anzunehmen,
•) xvm, 28.
') XIX, 14.
*) MerWUrdig bt ^, dafs auch der Thalmud bestimmt sagt
(Sanhedrin B1.43, S.l, nack der alten Tenetianischen Ausgabe]:
w^ ima^n nea a-m heereb pesach taUtuku lejiscku, am Ereb
pesack haben sie den Jesus gekreuzigt.
*) XIX, 31.
Hbbbäbr. 521
l)daf5 Christus^ yorheneheadi» er werde in dar näch-
sten Nacht in die Hände seiner Feinde fallen, das Oster-
lamm um einen Tag früher gegessen habe, als es die
Ceremonialgesetze der Juden mit sich brachten, :nnd
2) dafs sein Todestag von den drei ersten Eyangelusten,
die sich vielleicht von dieser Abnormität nicht über-
zeugen konnten, auf den 15. Nisan gesetst sei, da er
doch eigentlich auf den I4ten traf.
Das am fünfzigsten Tage nach dem Feste der un-
gesäuerten Brate einfallende Ernte- oder Wochen-
fest (497) ist jetzt,, wo dieMopate ihre bestimmte Dauer
haben, an den 6ten und 7* Siyan geknüpft. Die Feier
durch zwei Tage mufs schon vor der Zerstreuung der
Juden aufgekommen sein. Philo übersetzt^) den.ge^
wohnlichsten hebräischen Namen dieses Festes durch :
ioprri rwy ißdojuadcoy, Fes.t der Wochen, wofür der
Verfasser des Buchs Tobias dyia i;rra ißio\iaim-^ Fest
der sieben Wochen, sagt'). Auch findet sich bei
den Kiix^henscribenten häufigieopni Tq<; myrrpto^i;^ Fest
des fünfzigsten Tages, oder kurz m:»nf\Ko^^ Pen-
tecoste, woraus unser Pfingsten geworden ist. Noch
eine Benennung war nach losephus ^) da-ap^ei Dies
kann nichts anders sein, als das hebräische ima» aze^
reih, Festversammlung, welches vorzugsweise vom
aditen Tage des Laubhüttenfestes(500), aber auch S.Mos.
XVI, 8 vom letzten Tage des Festes der ungesäuerten
Brote gebfaui:ht wird, und. vielleicht eine gemeinschaft-
liche Benennung aller FesisabbaUie war.
*) De septenario €t/estis p.ii74.
'} n, i und daselbst Hin. II gen 's Anmeriiukig.
') Ani. lud. m, iO, 6.
522 Technische Chronologie*
Der An&Dg des siebeiiteii Monau, des Thiidiri,
der durch d«s Posannenfest — cakmyyunf iopnjy ine
CS Philo nennt *)^ und durch mehrere auf die Er-
hslcung und WohlGthrt des Gemeinwesens ahzwedkende
Einrichtungen schon Ittngst ausgeseichnet gewesen war,
wurde nach der Rückkehr der Hebräer ^ns der Gelan-
gensdiaft die Epoche ihres bürgerlichen Jahrs.
Dieser Zeitpunkt scheint für sie dadurch eine besondere
Wichtigkeit .erlangt su haben ^ dals an ihm tum ersten-
mahl wieder auf dem Lokal des noch in Ruinen liegen:-
den Tempels ein Bnindopfer nach alter Weise darge-
bracht und dem versammelten Volke das Gesets voige-
lusen wurde ')• So erhielten sie mit den übrigen 'Völ-
kern Syriens einen gleichen Jahranfang (431). Die al-
tere Epoche trat nun allmfilig in den Schatten. Doch
finden wir in den Büchern des allen Testaments, die
nach der Deportation abgefafst sind, die Jahre der He-
genien und die Monate der Feste noch immer vom Ni*
san gesablt, daher der Thalmnd den Neumond des
Nisan den Jabranfang für die Könige und Vesle nennt ^).
losephus ist der erste auf uns gekommene jüdische
Schriftsteller, der die Monate, wenn er sie ohne Beaie-
hung auf die Feste erwähnt, nach sjromaoedonischer
Weise vom Thischri oder HyperberetMus an rechnet.
So läfst er ^) die Sündfluth im Marcheschvan oder Dius
*} A.a.O. S.!I93. Zagleich bedieat er skh des Ausdrucks
ltpofAi)v/a, der offenbar einen Neumond beaeichneii sott, der zu-
gleich ein Sabbath ist.
*) Eiram.l ff. Nebemiayn,7d ondYm,i ff.
') Bosch hasehanah H. I .
') ArU. lud. 1,3,3.
H B B k A E R . 623
anfangen , weQ es in der Genesis heifst ^} , dafs sie
im zweiten Monat eingetreten sei, anf welche Zusaiü-
menstetlung vornehmlich sich Michaelis nnd andere
gründen, wenn sie den Neumond des Thischri zur äl-
testen Jahrepoche der Hebräer machen (492). Die Neix-
jahrfeier wird durch zwei Tage fortgesetzt.
Die hesondere Heiligkeit desYersöhnungstages^
des zehnten im siebenten Monat, bezeugt auch Philo ^).
Er nennt ihn vrig-^ta^ iof^rq^ das Fest des Fastens,
sei es, dafe er ihm vorzugsweise diesen Namen beilegt,
oder da(s damals die andern Fasttage, die wir gleich
kennen lernen werden, wenig oder gar noch nicht be-
obachtet wurden.
Der fünfzehnte Tag des siebenten Monats, wo es,
wie sich losephus ausdiückt ^), gesetzlich war, crxTiyi;
^yyxxr^ou xard oöctav ?Ka^ov, dafs jeder in seinem
Hause Hütten oder Zelte aufschlage, wird von
hellenistischen Schriftstellern ax.y\voitT(/i(u *), a^vwfxaTa *),
ioprff rwv crxrivCSv oder kurz (Tkyivoli *) genannt. Die erste
Benennung kommt auch in einer zu Berenicc in Cyre-
naica gefundenen Inschrift bei M äff ei vor ^) , welche
also anfängt: *Etcv5 ve' ^aw^ ke' ItA avKKoyov rfjg ö-ktjvo-
*) vn, 11.
') A.a.O. S. 1194.
0 ^nt. lud. m, 10, 4.
*) 1. Mtkk. X, 21. Et. Joh. VH, 2.
») 2.Makk. X, 6.
^) Philo. p.ll95. PI Uta rch bedient lieh in i^eichem Sinn
des Singulars cKifvii. Sjrmp» IV, 6, 2.
') Mus. reron, p.CCCXXV.
b2A Technisch^ Chronologie.
inf/(a^, im SSsten Jahr am 25. Phaoplii zur Zeit
der Laabliiittenyerftammlung. Das Jahr scbeinl
aich auf die akzandrinische Aere des August zu bezie-
hen (155), und in diesem Fall gehört die Inschrift in
das Jahr vom 29. August 25 bis dahin 26 n. Chr. Es
kann aber auch irgend eine Lokaläre gemeint sein. Der
25. Phaophi der Alexandriner entspricht dem 22. Oktober
des julianischen Kaleoders, der dem jetzigen 19. Oktober
analog ist, und hieraach hat das jüdische Jahr um den
.5. Oktober angefangen, iivelches Datum eine der bei-
den Grenzen bildet , zwischen denen sich der AnCsrng
des jüdischen Jahrs noch jetzt bewegt. Seitdem es ge-
brttuchlich ist, die jüdischen Hauptfeste zu wiederhohlen,
wild das Laubhütienfest am 15, 16, 22 und 23. Thischri
gefeiert«
Zu diesen Festen sind in der zweiten Periode der
hebräischen Zeitrechnung noch die Tempel weihe,
.das Purimfest und vier Fasttage gekommen.
Die Tempelweihe ist von Judas Makkabäus am
25. Kislev eingesetzt worden , zum Andenken , daCi er
nach einem im Jahr 148 der seleucidischen Aere über
die Syrer erfochtenen Siege an diesem Tage den von
Antiochus Epipfaanes drei Jahre zuvor verwüsteten und
verunreinigten Tempel wiederhergestellt, gereinigt und
eingeweiht hatte *). Der hebräische Name des Festes
ist rosn clumikkah, Einweihung, von der Wurzel
yif^chanach, weihen, und hiervon ist das iyxeuvui beim
Evangelisten Johannes') die UeberseUung. Noch
>) l.Makk.IV,52ff., Tergl. mit l.Mskk. 1,57 und 62 und
mit 2. Makk. X,5. loiephoi stimmt hiemiit übcrain (401).
») X,22.
Heb A ABR. 525
jetzt Wild es , wie ursprünglich *) , aeht Tage lang ge^
feiert; die ganze Feier besteht. jedoch klofs in Absin*
gang des grofsen Halleluja — Vin>n VVn haüel ktkgadol-^
und Einschallung eines Dankgebets In das tägliche Sche^
mona esre. Am ersten Tage des Festes wiixi ein Licht,
und an jedem folgenden eins mehr angezündet, daher
es losephus^) *wTa, Fest der Lichter, nennt. •
Von der Veranlassung und Einsetzung des Pu-
rimfes^tes, jetzt gewöhnlich Hamansfest genannt,
handelt das Buch Esther. Haman, Günstling und
Minister des Königs Ahasyeros, hatte den Befehl
ausgewirkt, dafs sämmtliche Juden im persischen Reich
am 13. Adar ermordet werden sollten. Allein durch
Esther 's, der Gemalinn des Königs, einer Jtidinn,
Einfluis wendete sich das Blatt; Haman wiixl das Op*
fer und die Juden ihrarseits erhalten von dem allzu«
gutigen Monarchen die Erlaubnifs, nach Gefallen ihre
Feinde zu morden. Sie thalen dies an demselben Tage,
der zu ihrem Yei'derben ausersehen war, und ergaben sich
an dem folgenden 14. Adar der Fi^ude. Es wurde nun
beschlossen, da(s dieser Tag für immer als ein Dank-
und Fi'eudenfest gefeiert werfen und den Namen o'^n'»
purim erhalten solle, von y^pur, Loos, weil Haman
über die Vertilgung und Ausrottung der Juden das Loos
geworfen hatte ^). Das Wort mufs ein persisches sein,
was auch Aben Esra ausdrücklich sagt ^). In der
*) l.Makk.IV,59; 2.Makk.X,6.
») Ant. lud. Xn,7,.7.
») EsiherIX,26. Yergl.m,7 und Hrn. Gesenius Wörter-
buch unter ^ife.
*) In seinem Commentar zur ersten der beiden eben cilirten
Stellen.
526 Technische Chronologie.
jetiigeii pcgMtrhpn Sprache findet sich swar nichts Ana^
loges weiter, als etwa 9j%i behrcp pars, ponio; aber ei
kann gpur wohl in der altem, dem Pehlevi, ein Wort
gegeben haben, das dem iia an Klang und Bedeutung
nodi näher kam. Der 13. Adar führt jeUt den Namen
<tfM3ai T^vmUumüh Esther, Fasten Esther, weil an
ihm gelastet wird, welche Bestimmung dieser Tag jedoch
erst spät erbalten haben kann; denn imThulmud ist
nodi nicht die Rede davon*). Der 15, Adar heilst
D^*ft form tchuschan purim, weil die Juden in dec
Hauptstadt Susa das Morden noch am I4ien fortgeaetit
und erst am ISten geruht haben sollen '). Die Feier
hat sich )edoch aufser Susa nie bis au -diesem Tage er-
streckt. Die Hypothese, die sich Michaelis in sei-
nen Anmerkungen xn dem Buche Esther über die
Entstehung des Purimfestes bildet, ist so schwach,
dafii sie nicht angeführt su werden verdien t.^ Wenn es
in den Büchern der Makkabaer ^) heilst, der Held
Judas habe am 13. Adar einen groisen 5ieg über die
Sjrer erfochten und.es sei beschlossen worden, xum
Andenken an denselben den Tag vor dem Hamansfeste *)
fisierlich su begehen, so mag dies, so lange die Juden
selbstündig blieben« geschehen sein; nur im Thalmud
') S. Aben Esra zu Esther K, 31 und Kesef Mbchne*!
Commentiü* tu Maxmonides Hilchot tkaniih c. 5, S*5.
*) EslherIX, 18.
•) 1. M.kk. vn, 43; 2. Mskk. XV, 36, 37.
^) Oder, wie es «n der letztem Sldle heüjt, vor dem Mar-
docha'ifest ~ Map^o;^aiJci} i)/Alpa — nach Mardochai, dem
Vormunde «od Venrandtea der. Esther beoamit , der in dem
Drama, auf das sich dieses Fest bezieht, die Hauptrolle spidt.
HsBRAfiR. 627
und in den Ceremonien der jetzigen Feier findet sich
keine Andenüing davon.
Zu dem einen von Moses angeordneten Fasttage,
dem Yersöknun gs f est, kamen nm die Zeit der
Rückkehr der Hebräer aus der babylonischen Gefan«
genschaft noch vier andere, dem Andenken eben so
vieler fnr sie unglücklicher Tage geweiht. Das Fasten
ist ein uralter morgenländisoher Gebrauch, dem wir im
allen Testament Individuen und ganze Gemeinden an
Tagen der Ti^übsal und Gefahr freiwillig oder auf obrig-
keitlichem Befehl huldigen sehen ^). Mit dem Fasten
— Dis zom oder n'^ayn thanith — ist immer zugleich
strenge Bufse, Kasteiung und Gebet verbunden. Die
vier gedachten Fastlage nun treffen auf den vierten,
fünften, siebenten und zehnten Monat, den Thamus,
Ab, Thischri und Tebeth, und werden in dieser Ord-
nung schon im Zacharias erwähnt^). Die Begebfsnr
heilen, auf die sie sich beziehen, sind: die Belage-
rung Jerusalems unter Nebucadnezar im zehn-
ten Monat; die Eroberung der Stadt im vierten;
die Verbrennung des Tempels, Zerstörong der
Mauer und Wegfiihrung eines grofsen Theils des Volks
nach Babylon im fünften, uad die Erschlagung des
Statthalters Gedaljah, auf den die Hebi*äer ihre
letzte Hoffnung gesetzt hatten , • im siebenten. Die Be-
lagerung der Stadt nahm nach allen Zeugnissen ^> am
*) Man vergleiche RichterXX,26; l.Sam.Vn,6; 2.Sain.
1,12; l.Kön. XXI, 12; 1. Chron. X, 12; 2. Chron.XX, 3;
Ps.XXXV, 13; Jerem.XXXVt, 9.
') Vra, 19. Vergl. Vn, 2-6.
*) 2.Kön.XXV, i;:Jereji».jm,4; JHfisek.XX£VriuÄd2.
528 Technische Chronologie,
■ehnieii Tage des »haten Monats, des^Tebeüi, ilien
Anfang, und an diesem Tage ^iid iKK^h immer gefiistet.
Die Eroberung ist am nennten Tage des vierten Mo-
nats, des Thamus, erfolgt*). Mit dem Andenken an
dieselbe verbindet man nigleich das an die Erstürmung
der Sudt unter Ti tus, und da letztere am !?• Thamus
geschehen sein soll, so löstet man jetst an diesem Tage,
zumal da sich noch andere wichtige Erinuemngen an
ihn knüpfen *). Die Zerstörung des Tempels unter
Nebucadneiar scheint vom siebenten bis zum zehn-
ten des fünften Monats, des Ab, gedauert zu haben;
das erste Datum ist 2. Kön.XXV, 8, das andere Jerem.
LH, 12 genannt. Es wird damit wieder das Andenken
an die zweite Zerstörung unter Titus verbunden, und
da diese am 9. Ab Statt gefunden haben soll ^), so wird
jetzt an diesem gefastet. Von der Erschlagung des Ge-
daljah ist 2.Kön.XXy, 25 und Jerem.XLI, 1 /T.
die Rede; der Monat wird erwähnt, aber nicht der
Tag. Nach den Habbinen *) war es der 3. Thischri,
und auf diesem haften noch jetzt die Fasten Gedaljah
-^TpVnmtzomGecia^Wiu— . Bemerkenswerth ist, dafs
blofs die Fasten des Versöhnungstages und die des 9. Ab
schon Abends, die übrigen aber erst mit dem Morgen des
jedesmaligen Tages angefangen werden.
Auch in der zweiten Periode ihrer Zeitrechnung
haben die Juden ihre Jahre gewöhnlich nach den Re*
*) J«rem.XXXIX,2; LII,6.
*) S. Thtilmud Thaniih B1.27, S.l.
') Wenigttent nach dem Thalmud. losephus nennt dea
loten (401).
*) Thalmud Roid^ Aaschwuik mAS. S.2.
.Hebr äbr. ' 529
genten gezählt, wovon sich aus dea spatern Bachern
dea alten Testaments, Esra, Nehemia, Esther .und
den Propheten, manche Beweise beibringen liefsen. Als-
eigentliche Jahrrechnungen kommen,; aufser einer eigen«
thümlicben falofe. vom. Propheten Hetse kiel erwllhnten,
folgende drei vor: '
1) Die Aere .von. der Zer.störungidesr er«
sten Tempels oder von deiniAnfange der ba«.
bjplbnisich.eitL.Geia'ngenscbaf'l« ...
2) Dieseleacidisch'e; * nf
< '3). Die von der. Befrei'ungidei^. Juden yfi>at
syrischen. Joch durch die Makkabäer« "
DSe Epochen der Zevslpruing des ersten und des
TVieden^Muung des »weiten Tempels kennen wir mit
hmläiiglicher Bestimnitheit. Die ' «rste . ist v 'der iehhte
Tag: des fünften Monats (des Ab) ijn neunsehnten Jahr
des Nebueadnezar ^), oder,' wie ihn die. (xrieeheii
nennen, Nabokolassar. Dieses. Jahr ist nadi dem
astronomischen Kanon(lll),. von welbhem .iwit.
hier abzugehen keine Ursache , haben , das. 162ate der
nabonässarisehen Aere,- das am 17. Januar. £86 v.'ChrM
seinen Anfang nahm* Die Zerstörung . des Tempels ist
mithin in den Sommer- dieses Jahrs \ au setzen. - Die he^
bräisoheh Chronologen irren, sich um mehr als 150. Jahre,:
wenn sk das Ereignifs in das Jahr 3338 ihrer Weitüre
biiiigeii^ ,<ka un Herbst 424v#Chr«t!begaiknf)
») JeremiasLn,12ff. Vcrgl. 2. Kon. XXV,8.
. '»). 'S/Jes9od dant c.i«, Si«l. 2:eniack I>äuidSA%. Seder
Hadarotk B1.2d. . .. /
.\ .;/ : , .:■:/. : , \ :!../.'..•.
I. ' [34]
530 Technische Chronologie.
Zur EnriGhtmig des sifeiten Tempels gsb ackon
Cjras im ersten Jahr seiner Regierung *) oder 538
t.Chr« die Erlaubniis. Der Baa wurde aber eist im
sedMen Jahr des Darius am dritten Tagie des Adar
beendigt'). Dieser Darius ist ohne Ziveifel der erste
seines Namens, der Sohn des Hystaspes. Aber das
sechste Jahr des Darios Hjstaspis fiüigt nach dem astro-
nomischen Kanon, an den wir uns auch hier mit l^es^
Yignoles halten Wollen, am ^.December 517 v.Chr.
an, und lallt daher fast ganz mit dem Jahr 516 zusam-
men. Die Vollendung des zweiten Tempels ist also in
den Frühling des letztem Jahrs zu setzen. Begrenzen
wif die babylonische G^ngensohaft durch diese beiden
Epochen , so sehen wir, dafs sie 70 Jahr gewichrt hat,
und diese Dauer wird ihr an .mehreren Stellen des al-
te» Testaments ^) ausdrücklich beigelegt. Nach Erbauoii^
des zweiten Tempels finden wir übrigens nirgends gerecht
net, aber wohl nach Vernichtung des ersten oder nach
dem Exil — tinV»V kgatuth^ wie es immer heilst^).
Die seleucidische Acre, wekhe die Juden un-
ter ihren syrischen Belierrsdiem angenommen haben,
ist lange ihre einsige Jahrtechnung gewesen. Sie nen-
nen sie nnom y^ minjan schiaroih, Zahl oder Zäh-
lung der Contracte, welcher Name hinlänglich von
ihzem büigerlichen Gebrauch zeugt. Ihre Epodie setzt
die Mehrzahl der rabbinischen Gdefarlen richtig aiuf den
•) 2.Chron.XXXVI,22.23. Esral.lff.
») EsraYI, I5.
•) 2.Chron.XXXVI,2!- JeremiasXXV, II; XXK, 10.
Daniela, 2.
«) Z.B.2.K6n.XXY,27. Hesek.1,2; XXXm,21: XL,i.
Hebräer. &31
Anfang ies Jahrs 3450 Uirier Weltftre oder auf den
Herbst des Jahrs 312 v.Clxr. *). " Nachi der geMröhnlidien
Meinang soll Alexander damals Jerusalem besucht und
dem Hohenpriester Srnteon dem Gerechten, ybn
losephus laddua genannt'), seine . Ehrfurcht be-
zeigt haben ^). Man- sieht , dafs es die Rabbinen mit
der Geschichte nicht sehr genaa äebtaen ; denn Alexan^
der wiar schon 323 y.Ckr. gestoiiien (407) , und seines
Zuges nach Jerusalem, gedenkt aiifser losephita kein
alter Schriftateller Tveiter. Doch gibt es unter ihnen
auch besser Unterrichtete. So sagt :der Yerfrsser des
Buchs Meor Eiugim'^): ^^ Minjan ischtarotb begann
,,n%ch dem Tode des Alexander -^h^ma^it— , als 9eia
,, Reich unter seine vier Diener getl^ilt wusda;"
Eben diese Aexe:ist es, welche, wie schon in der
maoedonisohen Zeitrechnung angedeutet worden <447) ,
in den Büchern der Makkabäer unter dem Namen
der Jahre des hell'eniscUen (syrischen) Reichs ge*
braucht wird , • und dies unter Umsiäilden , die emev
nähern Erörterung bedürfeil.
i Zuerst ist zu bemerken , dais di^elbst die MomUe,
wie überall im alten Testament, yom Nisan gezählt
werden. So heißt es l.Makk. IV, 52: ,,Am 25sten
,,Tage des neunten Monats, welcher Kislev genannt
„wird;" l.Makk. X, 21 : „Im siebenten älonat am
*) Sepker hakabbala S.33. Jessod olam c.l8, S.84. Ze-
mach David S. 44. Yergl. oben (448).
») Ant. lud, XI, 8, ^
') S. den Commentar zam thalmudischen Traktat Rosch hd^
sckanah in Surenhusii Ausgabe dei* Misckna P.II, p.307. *'
«) P.I, c.2a.
[34*1
532 Teclinische Chronologie.
,,Laiibliütteafest;" 2.Makk.Xy|37: ,,I>en IStenTa^
jiies zwölften Monats, der bei den Syrern Adar heilai."
Aus dieser ZäUungsweise folgt nub zwar gerade niclit,
dals auch die Jahre mit dem Nasan asge&ngen werden*
Es leidet )edoch keinen Zweifel, dals sie wenigstens im
ersten Buche, wirklieh Tom Ntsan an gerechnet sind.
Dies lehrt der gsnse Zusammenhang der enahllen Be*
gebenheiten. Wenn es b. B. im zehnten RapUel heifst,
Alexander (Balas) sei im 160sten Jahr gegen Demetrtus^,
Kdttig Ton Syrien, aufgetreten ; letzlerer, sonst ein ab-
gesagter Feind der Juden, habe hiemuf um die Gunst
des Jonathan gebuhlt und ihm die Erlaubnifs ertheilt,
Kxiegsvölker zu werben ; Jonathan hsbe nun angefangen,
die in den vorhei^henden Kriegen verheerte Stadt Je«
nisalem wieder aufzubauen; unterdessen sei er von
Alexander, der sich ebenfalls um sieine Freundschaft
beworben, zum Hohenpriester ernannt, und als sojcber
mit einem Purpurgewande beschenkt worden, das er im.
flidbenten Monat des Jahrs 160 am Lauhhütlenfest an-
gelegt u. s. w. , so läfst sich unmdgVidx glauben , da(s
alles, was in dem gedachten Jahr dem LsiubhüUenfest
vbrangegangen, im Verlauf von vierzehn Tagen geschehen
sei, wie Gottlieb Wetnsdorf ^), Sanclemente ')
und andere, welche die Jahre vom Thischri gemhlt wis-
sen wollen « anzunehmen genöthigt sind«
Beim zweiten Buch treten dergleichen Rücksichten
nicht ein, und hier scheint nichts der Voraussetzung
*) Commentatio histoHcO'-critica deßde hisiotica Ubrorum
Maccabaicorum^ tfu^ Frolichii annaUs Striae ex instiUUo exa-
mmawiiir (BTeflau.i;[47, 4) SVI-X.
*) De vulgaris aerae emendatione I. II, c. 6. .
HfifiEA^a. 633
hindeilicli zu $mj dafii der YerCiLMr desselbeii, der
€l£Ettibar ein gaiiz anderer ist, als iea^.ieß enten, dk
Jahce, der aeleuciciischen Aere auf die (sohst ilm.ayriflcken
Reicb-g^bräuchlicbe Weise vom Thischiu:aii goxäUthaU)
aumal da sich zwischen den dtrosu^logisehen/ Angabeii
beider Bäeher etiie ABweidiusg aei'gt, die. sich am: besten
dtuFch eine Yerscbiedenfaeit des Jahi^nfep^s ^klären läfkk
Petayius^), Naris*') nnd Frpli'cb^) sikid anchwa^*?
lieb der Meinung V dals das' zwoite Bück nach dc;r*e»*
wßbnlioben seleücidischen Aere. rechne^ das erste- itingevi
geuldieselbe bia zum Frübling»<deft I Jahrs -312 ;¥«GkF;
zvirückdatire» Aber epe Epocheaversi^iddenbeit yvon fei-
nem halben J.ahT genügt •qoicbu Man lUrtbiiile selbst.
Antiöchus 'Epiphanes- MÜsb' auf; eineir. Expedition. nach
Persien, iKrie das..ers1^ Buch sagt:^), im hhr 149. Bun
folgte sein neunjährig^ Sohn AAÜochUs,,Eupator tmttt
der Yortnundscbaft.. seines Erziehers ^-Lysias. Hierauf
braph der zwischen 4ßn Juden und Syrcarn; edbnn firübeoT
entsundene Krieg, mit. neuer HefUc^eit;aUs.t.:uiid.cbl
derselbe (lir die Jetztef^n.uoglückUcb ÄUßfidi, so botet
Lysias und Eupator den ersteirn,' W daSrzSvei4Q^Buch
berichtet ^ )> in Sob^'eiben . datirX .¥om 1*24* Xtioscuiftts ; üwd
15.. jCanlbicus d^ Jahrs 148 d^n S'riQdi?n..an. Ißü nttn
*) Doctr, temp, IL^ AS. ...f' ...
') Annus ei epochaeSYrofnacedonum diss. &, c. i. •
') In seinem oben (399) erwähnten Werk , dessen Grundsatz
gegen Wernsdorfin folgendem rertkeidigt werden : Auetori"
tos uiriusque libri MacctUf, canonieo^hkioinca atberia. Wien
4749,4. ' • . , , -V : : • .
*) VI, 16.
•) XI, 16 ff.
634 Technische Chronologe.
hier du leltttnfe Jahr das nach gewöhnKclier Weiae ge-
vecbacta aeleneidtMhe, ao gehören die Friedeii8imierfaaii&-
hmgen in den Frühling des Jahr» 164 v.Chr., wo nach
dem ertlen Bnahe Epiphanes so eben erst gestorben sein
konnle, wenn es' wirklich die Aere nur um sechs Mo-
nat früher anfangt. I^ehnsen wir dagegen eine Epochen-
Hefsehicdenheit' von anderthalb Jahren an, ao hehl
sich diese Sehwierigheit , ohne dals daiur, so viel ich
sehe, eine nene eintritt; denn in den wenigen FlslWn,
1^ das sweile Buch bei einerlei Begebenheit ein Jahr
weniger gibt ab das erste , lifst sich diese Abweichung
sehr* gut« dnrch die Voraussetzung erklären, dab das
eMe Baoh «in halbes Jahr mehr, und das zweite -ein
ganites Jahr weniger aähle, alsdieeigendidieseleucidische
Aare, jenes vom fjNisan 512, dieses vom l.Thischri 311.
Bn-det groAfo ii^ Syrien herrschenden YerBchiedenbeic
Vota Aeren ist eine Abweichung von anderthalb Jahren
bei Schriftsicllcrn , die vielleicht in sehr verscbtedenen
Seilen' und Gegenden schrieben, um so weniger be-
ftvmdend, da wir aneh anderweitig die Jahre der seleu-
dUischen Aere vom Herbst 311 v.Chr. geiählt finden;
jknn ' die oben <223) ^wHhnte chaldüische Acre ist
effenbar keine andere als die um ein Jahr sptfter als
gewöhnlich angefangene seleucidische«
Im ersten Buch der Hakkabäer heiist es^):
9 »Im 170sienJahr (der seleucldischen Aere) ward Israel
„frei vom Joch der Heiden. Und das Volk fing nun
»,an, in seinen Contrsclen und Yertiügen zu schreiben:
y^iin ersten Jahr Simon's, desHohenpriesters,
„Feldherrn und Fürsten der Juden" —rrou$9r/9c»-
•) xra, 4i.
Hb b r ä e r • 536
TW hrl X{fMjüvo^ ipx^ptü^ HBydkm xol ^pavt[yeS k<ä fiYoüid--
vov *l^0L&MJv. lotephns sagt kiennit ganz iJberemstiinr
nA%')'- n'Siinoii, vom Volke zum Hohenpriester er«
„'Wählt, befreite dasselbe im ersten Jahr semes Amts
, , von, der Herrschaft der Maoedonoer (Seleuciden), so daft
, , es ihnen keinen Tribut Weiter zahlte; Diese Befreiung
,,von der Zinsbarkeil fand Statt im 170sten Jahr des
„assjiischen (syrischen) Könijgteichs , seit Seleucus,
,,mit dem Beinamen Nicator, Syrien in Besitz ge*
„nommen. Und so sehr ehrte das Volk den Simon,
,,dafs es nun in den Gontracten und Staatsacten lu
,, schreiben anfing: im ersten Jahr Simon's, des
„Wohlthäters und Ethnarchen der Juden;''
Die Epoche der neuen Jahrrechnung ist'hiemadi der
Anfang des l70sten Jahrs der' seleucidisdiea Aere, odeir
der Herbst des Jahrs 143 v.Chr. Dals sie wirkUcfa
einige Jähre gebraucht ivordeu, lehrt eine Reihe Mün*
zen mit aamaritanischer oder allerer. hebräischer Schrift,
die aus den vier ersten Jahren des Pönttficats Aes Simon
vorhanden sind '). Die Z^it pflegt, auf denselben fol*
gendermafsen bezeichnet zu sein: ,,In dem und dem
,, Jahre Vk^ct r^V legeüllatk Jeschmel, der Loskau^
,,fung Israels." Einige sind ausdkücklidi unter dem
Namen y»am Simon ausgeprügt. Da «sein Pontificat acht
Jahre gedauert hat, aber nur aus den viör ersten Jahren
Münzen vorkommen (die mit keiner Jahrzahl bezeichne«
ten ungerechnet), so scheint die neue Acre bald wieder
der seleucidischen gewichen zu sein.
•) Ant, lud. Xm, €,6.
') S. Eckhel Dodtr. numor. YoLm, p.465 f£^
636 Techniscke Chrotäüoffe.
Der Prophet -Hesekiel beginnt also: ,,Iin diei-
),fiigslen Jahr, am fünften Tage ^ vierten McmaU,
),war ich untec den Geikngenen am Wasser Kehar^
y,iiaii sah ein göttliches Gesidit. Am filnflen dieses
,^MonaU, mit dem daa ianfte Jahr der Wq;(iihrang
,,dea Königs Jojaohin anhub, erging das Wort Gottes
,,an Hesekiel" u.s.w. Die Aeie, dertn dreißigstes Jahr
hier • genannt wird, mn(ä mit dem acbtKhnlen Jahr des
Königs JtMdiijah ange&ngen haben. lAtSKx lefjttrte
nachher noch vieraehn Jahr, «ein. Sohn Jeho)alum'.e\f
Jahr und sein £nkd Jc^achin drei Monat. Letzterer
wurde von Nehucadnesar abgeselst nnd exilirt*), und
seitdem zählt Hesekiel das fünfte Jahr. In ienem
aehtaehnien Jahr hatten «ich xwel. Umstände ereignet,
die dem Propheten denkwürdig genug schienen, um
davon .die Zeit des .an ihn ei^ngeben göttlichen Rn6
■n datiren,*eimnahl die xufidlige Auffindung der Tho«
rah oder des momischen Geaetaes durch den Hohen-
priester Hilki)äh im Tempel xu JemsiJem , wo e«
länge unbeachtet gelqjen hatte ') , . und zweitens die
Feier des Passahs, die Josdiijah mit grobem Gepränge
veranstaltete,! xmohdem das Fest. lange vernachlässigt
wonkn war^)* Des exstem Umatandes gedenkt aus-
dKickli<^ Janathan in aeiner chaUäiscfaen Ueberset-
sung dieserSceUe des Propheten, und in gleichem Sinne
Kufiiern sich der ThaJmud, der Yeriasser des Seder
*) 2.Kön.XXnff. 2.Cbron.XXXIVff.
') 2.Köii.XXn, 8. 2.Cliroii.XXIIV, 14.
') 2.Kön.XXm,28. 2.Chron.XXXV, 19.
HsBa AER« 537
oläm raba^) und die Auslegt- Ki.mohi und Jarchi*
Wenn Hesekielim Yreiiern Yejrfplge. ypm ^ecbsteiii
siebenten und neunten Jahr spjichi ^)j so meiM erim^
mer Jojachin's Wegful^rung ins Exil, Jeriivsalem
und der Tempel wurden erst elf Jabxe spälcr im elftem
Regierongsjahr des ZedeLias.zerstörjt^),
Dritte Periode der hebräisclieh Zeitrecbnüng. *
In dieser Periode hat sich die g^eninrärUge ZeitT
rechnung der Juden yoUend^ a,usgebilde(. * Ich werde
mit einer, ausführlichen Erklärung und Daxstellung dei>r
selben hier den Anfang machen, weil diq ges$h.icbtU<^eQ
Notizen, die ich über sie zu geben. hab^^ nur. bei diiesem
Gange ganz verständlich ^werd^n können. Dankbar weide
icb dabei B^n. Bendavid's.oben (S12) gedachte Schrift;
benutzen. Er hat sich durch dieselbe das upläugbare
Verdienst eirworben, diesen etwas scU^ierigen Gegen-
stand zuerst einem jeden wissenschaftlichen Kopf zu*
gänglich gemacht zu haben.
Jetzt,, wo die Juden in der Zerstreuung unter Völ-
kern leben, die nur gleichförmige Stunden haben, fan-
gen sie, ihre Stunden hintereinander bis 24 zählend,
Jahr aus Jahr eip den bürgerlichen Tag — D^yoi» —
um 6 Uhr Abends, sechs Stunden früher als die Christen,
an, so dafs die Mitlernacht auf den Anfang der siebeur-
ten, und der Mittag auf den Anfang der neunzehnten
;) C.26, W.15, S.2.
') Im Anfange der Kapitel Vm, XX und XXIV.
') 2. Kön. XXIV, 18 ff. 2. Chron. XXXVI, H ff.
538 Technische Chronologie.
Stunde triA. Diese ZMkliingnfeise geinniiichen sie in-
desien nur bei ihrer Festrechnung; im gewohnlidieiL
Leben richten sie sich *nacb unsem Stnnden.
Die Stunde — me schaah— tbeilen sie in iOSO
o*«pVn cUakim, Theile, deren 18 auf nnsere Minnte
gehen. Jenes Wort ist chaldäischen Ursprungs, iura
Beweise, dals sie die Stundeneintheiloiig aus Habjlou
erhalten haben. Im alten Testament lädt sie sich noch
nicht mit Sicherheit nachweisen (485), und im neuen
ist nur von den im gansen Alterthum gebnudilidiea
ungteidiförmigen Stunden die Rede (517). Die Zahl
1080 ist ohne Zweifd wegen der grofsen Menge Fak-
toren, in die sie sich serlegen läfst, gewShll worden.
Der Chlak, der i\ unserer Sekunden halt, wird wie-
der in 16tnfx^reg€Ufnt Augenblicke, getheik. Diese
ZaU hat die Faktoren 4 und 19, yon denen letzterer
für den jüdischen Kalender bedeutungsvoll ist, wie wir
unten sehen werden.
Die Woche —ron schehua-^ beginnt Sonnabend
um 6 Uhr Abends. Sonntag ist den Juden , wie uns,
der erste Wochentag, und wird mit n, 1, bezeichnet,
so wie die folgenden Tage mit !i, >, % n, 1, t d. i. 2, 3,
4, 5, 6, 7« Aufser den Ordnungszahlen, die schon
in der Schöpfungsgeschichte vorkommen^), haben sie
keine Benennungen weifer (tir die Wochentage, das
Wort TOXO schabbath liir den Sonnabend ausge-
nommen.
Ihr Jahr— naü schanah -* besteht ans zwölf nach
dem Monde abgemessenen Monaten und wird von Zeit
zu Zeit durch einen dreizehnten mit der Sonne ausge-
*) l.]fos.I, 5, 8, 13, 19,23,31.
H E B R 1 S R • v539
glichen, wie ^ das Wesen eines gebimdenen Mond*
Jahrs mit sich bringt (68). Das Gemeinjahr heifst
MaiW nsü schanah peschutak, eigentlich einfaches
Jahr, das Schaltjahr rrDtna rrsm schanah metibe-
ret, und das Einschalten niä!^ ibbur. Dies mnd rabbi-
nisohe Ausdrücke« Die Wurzel nny abar, die im Pid
schwängern heifst, hat späterhin die Bedeutung ein«^
schalten erhalten, welche 'B ux to r f ^.>. durch prae^
gnantem anniim i'eddere erklärt; annus enim intercalaris,
sagt er, gestat mensem^ ut mulier gra^ida foetwn,
Neujahr — nson vm rosch haschanah — haftet
auf dem Anfange des Monats Thisehri, der urspriin^ich
dei* siebente im jüdischen, Jahr war, und ereignet sich
in den Jahren 18Ö0 bis 1850 nicht firüher als am 5« Sep«-
tember und nicht später als am 5. Oktober, * also um
4ie Gegend der Herbstqachtgleicbe, die wählend dieses
Zeitraums in der Regel auf den 23. September, trifft.
Die Namen der Monate sind bereits oben (509)
angeführt worden. Sie haben sich in der dritten Periode
der Zettrechnung nicht weiter geändert. Im Schaltjahr
folgt dem Adar ein zweiter ' Monat dieses Niimeos, der
zum Untei*schiede n'wi Viadar^ noch ein Adar, oder
^rm ^M Adar scheniy der zweite Adar, genannt wird.
Bedient man sich der ktztern Benennung, so erhält der
vorhergehende Monat den Naräen liüMn ^In Adar rischon,
der erste Adar, wenigstens bei wissenscbafdichen Un-
tersuchungen , wo es auf grofse Bestimmtheit des Aus-
drucks ankommt. Der eigentlicbe Schal tmonat ist aber
nicht, wie manche Chronologen irrig glauben, der Ve-
adar, sondern der erste Adar, wie schon aus demUm-
*) Lexicon chaldaicum, ihalmudicum H rabbinicum s.h.v.
640 Technische Chronologie.
sUnde orhelletf 3a& das Purimfest, welches anf den
Adar trifft, im Scbaltjalir im Yeadar ' gefefeü wiid.
Die füdischen Monate iwecden jetzt nicht mehr
durch nnmitlelbaze Bec^Mchtung der Mondphasen be-
siimmtf aondern haben ihre ein fiir allemal festgeseUie
Dauer« Sie sind entweder yoll oder mangelhaft,
d. h. sie haben entweder 30 oder 29 Tage. Da/s im er-
sten FaU Bwei Tage den Namen Rasch dwdesck, An-
fang des Monats, erhalten, der dieibigtte des abge-
laufenen Monats nnd der erste des neuen, im leUVern
aber nur einer , nändich der erste Tag des neuen Mo-
nalB, ist 'bereits obm (513) bemerkt worden. Die bei-
den Sosch chodesch werden durch erster und a n-
derer untersdiieden. Man sieht, dals «wischen zwei
durch einen Monat von einander getrennten Bosch cho-
desch allemal 28 volle Tage liegen. Diese Einrichtung
b^t übrigens auf die Zidilungsweiae der Monatsti^ kei-
nen stufenden Einfluls.
Die Juden haben jetzt sechs Arten von Jahren,
mangelhafte, regelmftfsige und überfällige
Gemein)ahre; mangelhafte, regelmäfsige
und überztfhlige Schaltjahre.
Wenn im Gen^einjahr die Monate abwediselnd
30 imd 29 Tage haben, wie es folgendes Schema «igt:
1) Thischri- 30 Tage.
2).
Marchesel
kvan 29
3)
Kisley
30
*)
Tebeth
29
5)
Schebat
30
6)
Adar
29
7)
Nisan
30
8)
Ijar
29
HbbbIba,. 541
9)
Siran
30 Tage.
10)
Th&iana
29 -
11)
Ab
30 -
12)
Elul
29 -.
SO heifst es. ein regelmäfsig'es •— in^iQd nsm schanah
kesiderah, ein. Jahr wie es dieüegel mit sich
bringt. Ein solches Gemeinjahr hslt 354 Tage oder
50 Wochen 4 Tage.
Bleibt im Schaltjahr die Dauer der Monate die-
selbe und kommt blofs der .Schaltmonat hinzu, der al*
lemahl. dreifsig Tage erhält (der ihm folgende Veadar
hat,, wie im/ Gemeinjahr der Adar, mit dem .er identisch
ist, nyLr.2ftTage), so wird es ein regelmäfsigea
genannt. Ein solches Schalltjahr haj; 384 Tage oder
54 Wochen 6Tage^ i ,
Wenti t sowohl im Gemein«* als Schaltjahr denii
Marcheschvän ein Tag zugelegt wird , so dafs das Jahr
mit di^i vollen Monaten anfängt, so heilst es ein über-
zähliges -^ ns'^Vü nao schanah schelemah — . eigentlich
ein vollständiges, weil dann die Monate Marchesch-
vän. und KJsl^V beide voll sind. Das überaäUige . Ge-
meinjahr hält 35 5 Tage öder 50 Wochen und 5 Tage, das
übexmhlige Schaltjahr 385 Tage oder gerade 55Wodi^n.
Wird dagegen sowohl im Gemein- als »Schaltjahr
dem Kislev ein Tag genommen, so dals er gleieh se^
nein Vorgänger nur 29 Tage mhlt, so heifst das Jahr
etnmangelhaftes — ynbnrb6xeA<imzAc/uiAStfm&. Das
mangelhaft« Gemeinjahr .hält 353. Tage oder .50 Wochen
und 3Tag^^ das mangelhafte Schaltjak:: 383 Tage, oder
54 Wochen 5 Tage.
Man sieht also Thischri, Schd)(tt, Adar im Schalt-
jahr, Nisan, Sivan un4 Ab habep immer dreüsig, Te-
542 Technische Chronologie.
bethy Adar im Gemeinjahr oder Yeadar im Schaltjahr,
Ijar, Thamus und EIul immer nenn und awanzig Tage.
Nur Marcheschyan und Kislev schwanken zwischen neim
und zwanzig und dreifsig Tagen.
Die mitüere Dauer des jüdischen Monats setzen der
T h a 1 m u d *) und Maimonides') auf 29 Tage
12 Stunden und 793Chlakim d.i. auf 29 Tage l2Stun-
den 44' 3j*. Dies ist genau Hipparch's Bestimmung
des sjnodischen Monats, wie er sie auf die Vergleiciiung
der von ihm und den Chald&em beobachteten Mond-
finsternisse gegründet hat (297). Zwölf Monate yon
dieser Dauer hallen 354 T. 8 St. 876 cbl. Wenn daher
nicht von Zeit zu Zeit ein Monat eingeschatlet würde,
so wiche das jüdische Neujahr im Durchschnitt jähriidi
um 10 T. 21 St. 204 chl. im julianischen Jahr zurück,
und die jüdischen Feste, die sämmtlich an bestimmte
MonaUUge geknüpft sind, würden sich rasch durch alle
Jahrszeilen bewegen. Um nun diesen Unterschied a\i9<
sugleichen, werden in einem Zeicraum von 19 Sonnen«
jähren , die nahe 235 Mondwechsel ballen (47) « sieben
Monate eingeschaltet, nämlich in den Jahren 3, 6, 8,
11, 14, 17 und 19(330). Bei einer solchen Venhei-
lung der Schallmonate können die Feste nie um einen
ganzen Monat zurückweichen und werden immer wieder
in ihre alten Stellen geschoben.
Ob ein gegebenes Jahr der Juden ein Gemein* oder
ein Sohalijahr sei^ lehrt die Division der Jahrzahl durch
19« Ihre jetzt gebräuchliche Weltäre nämlich ist so
geordnet, dafs das erste Jahr derselben zagkidi das erste
«) Megmakm.5,SA.
*) Kiddiisch hachodekch c. 8, Si,-
HbBA ABB^. 543
des neunzehniäbrigen Cydus kl. Wenn man., also b^
der Division des jedesmaligen Jahrs durch 19 einen
der Reste J, 6, 8^ 11, 14, 17 oder 0 erhält, so ist esf ein
Schaltjahr, wo nicht ein Gemeinjahr. So ist das he-
yoratehende Jahr 5586 ein Schaltjahr, yreil es durch 19
diyidirt den Rest 0 gibt.
Hier jsiMg sogleich die Regel stehen, nach der man
ein Jahr der jüdischen Weltare auf die christliche und
umgekehrt aoi. bringen hat. Bas erste Jahr der erstem
nimmt im Herbst des Jahrs 953 der julianiscben Pe-
node seinen Anfang. Hieraus folgt, dafs man. zum jü*
dischen Jahr 952 zu addiren und vom julianischen 952
2U subtrahiien habe, um jenes auf die julianische Fe-»
riode und dieses auf die jüdische Weltlire zu reduciren.
So nimmt das Jahr 5586 der Juden im Herbst des
Jahrs 6538 der julisoiischen' Periode seinen »Anfang;
denn 5586 -f* 952 » 6538 und 6538 - 952 » 5586.
Das Jahr der julianischen Periode bringt maa dann
leicht auf das christliche nach einer bereits oben (77)
gegebenen Regel. Will man . unmittelbar das jüdische
Jahr auf die christliche Aere. oder das christliche auf
die jüdische reduciren, so müfs man von jenem 3761
abziehen oder zu diesem 3761 addiren, weil das Jahr
3762 der jüdischen Aere im Herbst des* Jahrs. 1 der
unsrigen. seineü Anfang genommen hat* So beginnt
das Jahr 5586 der Juden im Heibst des Jahrs 5586
-^ 3761 ^ 1825 unserer Zeitrechnung, - welches dem' Jahr
6538 der julianiscben Periode -entspricht*
nViza moled, Geburt, ndmlich des nenen Lichts^
beifst der Neumond, aber nicht gerade die Con-
junotion , die; wir linter Nemiiond tevstehen ; isondem
die< Zeit, wo der Mond^ naek »der €k>BJuxicUoa znerst
544 IJechmsckef Chronologie,
wieder in dar Abenddämmerung sichÜMur mid, was die
Griechen vovfATfpU nannten. Die Rechnung gibt nämlidL
die Moleds' so, dals in der Begel die Mondsicfael an
dem Tage erscheint, auf den der Moled trifft. D^
Zeitraum tob dem einen Moled zum andern ist die
vorhin bemerkte mittlere Dauer des synodischen Mo-
natt Ton 29 T. 12 St. 793 chl. Wenn man aJao den-
selben von einem gegebenen Moled abzieht oder xu
demselben addirt, so erfattlt man den yoxheigdienden
oder Mgenden Moled.
.Nennaehn lahre xu 235 synodischen Monaten Ton
ebengedachter Dauer geben 6939 T. 16 St. 595 chl., 2 T.
16 St. 59& chl. mehr als eine volle Wochenzahl. Die-
sen Uebefschuis nennt man den Charakter des neun*
aehn|ährigehCyclas. Erzeigt, um wie viel Wochen-
tage, Stunden und Stundentheile der erste Moled des
neuen Cydui später eintiiA, als der erste Moled des
abgelaufenen.
Die zwölf synodischen Monate des 6cmein)ahTS
halten 354 T. 8 St. 876 chl., und die die'uwihn des Schalt-
jahrs 383 T. 21 St. 689 chl. Zieht man aus diesen Zeit-
räumen die in ihnen enthaltenen ganzen Wochen, so
bleibt em Rest fiir das Gemeinjahr von 4T. 8St. 876 chl.
und für das Schaltjahr, von 5T. 21Su 589 chl. Diese
Uebersdiiisse werden der Charaktelr des Gemein-
und Schaltjahrs genannt und gebraucht, um aus^dem
Möled' Thischri eines* Jahro Wochentag ,' Stunde und
Stundentheile für den. Moled Thischri des folgenden
oder vorbeigehenden zu finden»
Die Zahl von 29 T. 12 St. 793 chl. übertrim vier
volle Wochen Um .1 T».13.St.'793 chl. .Man nennt dies
den Gharakü^r des,M«aa.tsi.uiid gebiaueht densd-
H B 3 ft Ä B R • 646
ben, um aus einem gegebenen Moled Wochentag,
Stunde und Stundentheile des folgenden oder vorher-
gehenden zu finden.
Nach der Rechnung der Ordner des jüdischen Kar
lenders ist der Moled der Schöpfung oder der
Moled Thischri des ersten Jahrs der Welläre an ei-
nem' Montage um SU. 204 ohl. eingetroffen^). Dieser
Zeitpunkt wird durch 2 T. 5 St. 204 cbl. bezeichnet,
wo, wie man sieht, 2T. den laufenden zweiten
Wochentag andeutet. Um nun den Moled Thischri
eines gegebenen Jahrs zu erhalten, diyidire man die
um i verminderte Jahrzahl durch 19. Der Quotient
gibt die ganzen seit der Schöpfung abgelaufenen Cykel,
und der Reat die Anzahl der im laufenden Cyclus ver-
flossenen Jahre zu erkennen. Wenn man dann den
Quotienten in den Charakter des Cyclus und die Zahlen
der Gemein <- und Schaltjahre, -die noch in dem Rest
enthalten sind, in den Charakter des Gemein- und.
Schaltjahrs multiplicirt, sämmtlidie Produkte summirt,
aus der Summe die ganzen Wochen wegläfst, zu dem
Ueberschufs den Moled der Schöpfung addirt und nö-
thigenfalls noch eine volle Woche abzieht , . so ei'hält
man, was man sucht- Für das Jahr 5586, bis auf
welches 292 neunzehnjährige Cykel und 18 Jahre ver-
flossen sind, kommt die Rechnung also zu stehen:
^) Maimonides Kiddusch hachödesch c. 6, S- 8. Einigen
Kabbalbten zufolge ist dieser Moled im nächsten Jähr vor der
Schöpfung eingetreten, als nach MosesAusdruck^^G«»;!, 2^ noch
mal tnn thohu lyebehu hernctte, . Sefshalb wird dieser Moled
Ton den jüdischen Chronologen gewöhnlich irm 'ino moled thohu
genannt.
I. [35]
646 TechrMche Chronologie.
(3T. l6Sc. 59gcM.) x 293 n*4T. ISi. 45Sdil.
(4- 8- 876 -) X 12-3- 9- 792-
(5 - 21 - 589 - ) X 6 «0- 9 - 294 -
Summe ^OT. 20 St. 461 chl.
Moled der Schöpfung «2 » S - 204 -
Moled Tbucbri des Jahrs 5586 » 3 T. 1 St. 665 chl.
d. h. der gesuchte Moled trifft 1 Stunde 665 chj. nach
Anfang des dritten Wochentages, oder, nach unserer
Weise die Tage zu zählen und die Stunden zu Üieilen,
Montag um TU. 37' Abends ein.
Um diese Rechnung zu erleichtern, setze ich hier den
Charakter eines jeden Jahrs des Cyclus her:
Jahr des Cydus. Charakter desselben.
1
4T,
8 St.
876 chl.
2
1-
17 -
672 -
3
0-
15 -
181 -
4
4-
33 -
1057 - '
S
a-
8 -
SSi -
6
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6-
362 -
7
5-
15-
158 -
8
4-
13 -
747 -
9
1-
21 -
543 -
10
6-
6 -
339 -
11
-S-
3 -
938 -
13
3-
12 -
734 -
13
6-
21 -
520 -
14
5-
19 -
29 -
16
3-
3 -
905 -
16
0-
12 -
701 -
17
6-
10 -
210 -
18
3 - •
19 -
6 -
19
2-
16 -
595 -
Hrbkasr. 647
Hiernadi kommt obi^ Becknatig also zu dtjehotis *.
GhiiiaklierdesC7clusX293 W.4T. l:Su4SSdiL
Charakter des Jahrs 18 .•».. i»3.** 19 - 6-1
MoledderSdiöpfting ..; «=2-.. S - 204 - '
Moied Thischri des Jahrs 5586 .... » 3 T. 1 St. 665 ohl.
Hiermit ist nur der Wochentag deaMolcd' Thischri
gefunden. Das gregorianische D«ti»m. desselben:,
da» wir bald berechnen lernen werden-, ist der 13.Sepf
tember 1825, ein Dienstag, der jedoch nach jüdisobev
Zählungsweise bereits Montag Abend um 6 Uhr seifuen
Anfang nimmt« Man sieht also, da(s der Moled Thiichri
des Jahrs 5586 wirklich auf den Wochentag trifft, d^n
obige Rechnung gibt. Die wahre Conjunction ereignet
sieh Montag den .12.> September um. 5 U. 53' Abends
mach berliner, oder um. 5 U. 22' Abends nach jerusar
lemlner Zeit*), mithin im yorilegenden Falli nur um
2 St. 15' früher, als nach' der CyUiscben Rechnung*
Uebrigena kommt der Meridian , auf den sidai die Zeit
des Moled, hier 3 T. lSt.655chL, besiekt, nicht wei^
ter in Betrachts Wenn Datum und Wocheütug des
Neujahrfestes einmal fi&irt sind, so gelten beide für alle
in der Zerstreuung lebende Juden; nur versteht et
ftch , dafs der 1 • Thischri nach absoluter Zeit ,nm den
jedesmaligen Meridiauunterschied an dem westlichen
Ort später eintritt, als an. dem dsüichem.
Eigentlich soll Neujahr der Tag sein, auf den
der Moled Thischri trifft. Allein «s gibc der Avsnah»
men so viele, dafs in dem ZeitraunL von 5£30.bis<S606
*} Nach Seetzen's Beobachiungen liegt Jermalem am {2St.
13' 25" östlich von Paris, odei' um iSt. 29*15'' öslVch tod Berlin.
Monatl. Corresp. des Hrn. ron Zach B.XVm, S.5'44.
648 TechniBchs Chrono!^.
der WelUre , vier Mondcylbel hindurch , der Tag des
Mofed nicht öfter als 27niahl suglekh der Neujahistag
ist. Eben auf diesen Ausnahmen beruht die erwähnte
Verschiedenheit der jüdischen Jahre. Es und folgende
fünf'):
1) Wenn der Moled Thischrl über 18 Stunden jü-
discher 2Seit oder 12 Uhr Mittags hinaus eintritt, so
wird das neue Jahr erst mit dem folgenden Tage an-
ge&ngen. Die Zahl 18 wird rp geschrieben, und daher
dies die Ausnahme wegen Jach genannt. Als Grund
wird angegeben, daüs die Möglichkeit, am I^eujahrfeste
sdion die Mondsichel an sehen, nicht ausgeschlossen
werden soll«
2) Wenn der Moled Thischri auf den Sonntag (m),
Mittwoch <n) oder Freiug 0) fiült, so wird das Jahr
erst mit dem folgenden Tage angefangen. Dies heifst die
Ausnahme wqpen Adu. Der Grund davon wird aus-
fuhrlich im Thalmud entwickelt, auf den icfc hier der
Küne wegen verweisen muls').
3) Es kann sich ereignen, dais die beiden erwähn-
ten Ausnahmen sugleich eintreten. Gibt nämlich die
Rechnung den Moled Thischri später als 18 Stunden, so
dals wegen Jach eine Verlegung auf den folgenden Tag
vorgenommen werden mufs, und gehört dieser folgende
Tag zur Ausnahme Adu, so kann Neujahr auch an ihm
nicht sein, sondern muis noch um einen Tag, also am-
sammen um awei verschoben werden. Dies nennt man
daher die Ausnahme wegen Jach-Adu.
•) S. Kiddusch fuuAodesch c. 7.
*) Rosch haschanah Bl. 20, S. 1 ; Erichin Bl. 9 und 10; Stut-
hedrin Bl. 11.
Hebräer.. 549
4) Fällt Moled Thiscliri in einem Gemeinjahr auf
Dienslag zwischen 9St. 204chl. und 18 St., 80 fände
man den Moled Thischri des folgenden Jahrs, wenn man
um den Charakter des Gemein)ahr8, nämlich 4 T« 8 St«
876 chl., weiter rechnete. Auf diese Weise gelangte
man über 18 St. des Sonnabends hinaus, imd miUste
wegen Jach-Adu das Jahr erst mit dem Montage
anfangen. Dann würde das Gemeinjahr, wollte man
es schon mit dem Dienstage beginnen, 356 Tage erhalten.
Aber ein Gemeinjahr von dieser Dauer gibt es nicht. Es
ist daher festgesetzt worden, dals, wenn Moled Thischri
in einem Gemeinjahr an einem Dienstage innerhalb
jener Grenzen eintritt , das Neujahr verlegt wird , und
zwar wegen Adu auf den Donnerstag. Dies nennt man
die Ausnahme wegen Gatrad, weil dabei die Zahlen
> (dritter Wochentag) , D (9 Stunden) und ^ (204 chl.)
in Beti*acht kommen.
5) Trifft Moled Thischri in einem Gemeinjahr, daa
auf ein Schaltjahr folgt, auf Montag zwischen 15 St.
589 chl. und 18St. , so ist der vorige Moled um den
Charakter des Schaltjahrs, nämlich 5 T. 21 St. 589 chl.,
früher, also Dienstags nach 18 St. eingetreten, wodurch
wegen Jach -Adu eine Verlegung auf den Donnerstag
nölhig ward. Würde daher jenes Gemeinjahr bereits
am Montage angefangen, so hätte das Schaltjahr nur
382 Tage erhalten. Da es nun zum mindesten 383 Tage
haben mufs, so wird der Anfang des Gemeinjahrs auf
den Dienstag verlegt. Es kommt hierbei auf folgende
Zahlen an : auf ä (den zweiten Wochentag), 1D ( 1 5 Stun-
deu) und wpt\ (589 chl.), und daher wird dies die Aus*-
nähme wegen Betuthakpat genannt. Sie tritt sehr
selten ein, einmahl weil sie nur in einem Gemeinjabr
660 Technische Chronologie.
vorkottmen kann, das auf ein Schaltjalur folgt, und
dann, weil die Grensen, von denen der Moled Thiadm
eingescUoMen tein nnis, nur um 2 St. 491 cht. von ein-
ander entfernt sind. In dem ganien vorliingedaditen Zeit*
räum von 76 Jahren kommt Betuthakpa t nicht Ainm>M
Tor; dagegen 'Gatrad dreimahl, Jach-Adu nennmahl.
Jach sehnmahl und Adu sieben und xwaozi^mahl.
Hiernatch wird es nun leicht sein, die Lange eines
gi^ebenen jüdischen Jahrs sn 6nden, s.B. die des Sehalt*
Jahrs 5586. Der Moled Thischri uifft, wie wir gesellen
haben (546), auf Dienstag 1 St. 665 chl. , mit wdchem
Tage auch das Jahr angefangen wird, da hier keine
Ausnahme einlrilt. Der Moled des folgenden Jahrs
5587 wird erhallen, wenn man sn dem des vorigen
den Charakter des Schaltjahrs, 5T. 21 St. 589chl., addirt.
Es findet sich SonnUg 23 St. 174 chl., und Neujahr
mufs wegen Jach auf den Montag vexlegt werden. Es
tritt also dieses Neujahr um 6 Wochentage später als
das vorige ein. Da nun das Scfaal^lir entwedei* 54
Wochen 5 Tage oder 54 Wochen 6 Tage oder SS Wochen
hKlt(541), so sieht nuin, dafs das Schalljahr SSB6 zu den
regelmtffsigen gehört. Den Moled des Jahrs 55S8 erhält
man, wenn man au dem des Gemeinjahra 5587 4T. 8St.
876 chl. addirt. Es findet sich Preiug 7 St. 1050 chl.,
und Neujahr mnfii wegen Adu auf den Sonnabend ver*
1^ werden. Dieses Neujahr tritti also 5 Wochentage
•pttter ein, als das vorhergehende. Aber das Gemein-
jahr hÜt entweder 50 Wochen 3 Tage oder 50 Wochen
4 Tage oder SO Wochen 5 Tage. Es erhellet demnadi,
dafs das Gemeinjehr 5587 ein übei*zahliges ist.
Unter lunpn iheku/JuJi, welches Wort im alten Te-
stament vom Umlauf der Sonne und Kreiskuf der Zeit
H B B R Ä E R • , 6^1
^braucht wird ^), versteht man in der Kalenderspracbe
die Jahrpunkte oder Anfange der vier Jahrszeit^n.
Das Jahr wird dabei zu 365 Tagen 6 Stunden und der
Abstand der einen Tbekuphah von der andern zu 91 Ta-
gen 7-5- Stunden genommen *). Die einzelnen Thekupheu
werden nach den Monaten benannt^ in die sie gewöhn»
lieb fallen, nämlich
JFierbst* Anfang Tbekuphah Thischri,
Winters -Anfang Tbekuphah Tebeth,
Frühlings -Anfang Tbekuphah Nisan,
Sommers -Anfang Tbekuphah Thamus.
Im Schaltjahr, wo zwischen den Rosch chodesch
Ton Tebeth und Nisan vier Monate liegen, kann es
sich ereigoen , dafs die 91 Tage 7-|- Stunden vom Win-
ter- bis Früblings-Anfang schon im Yeadar abgelaufen
sind. Die Thekuphe fällt dann freilich vor den Nisan,
wird aber dennoch nach diesem Monate benannt, eb«i
so wie die übrigen Thekuphen ibi^ Namen behalten,
wenn sie auch aus den Monaten hinausrücken, denen
sie in der Regel angehören.
Wcifs man Monat, Tag und Stunde, wo sich eine
Tbekuphe ereignet, so kann man die Reihe der The-
kuphen vor- und rückwärts, so weit man will, durch
Addition und Subtraction von 91 Tagen 7? Stunden
fortsetzen. Allein diese Methode hat besonders bei der
Wintertbekuphe ibi^ Schwierigkeit, weil im Herbst die
Monate selten« regelmälsig abwechseln und man daher
*) Man vergleiche Psalm XEt, 7 ; 2. M o s. XXXIV, 22;
2. C b r o n. XXIY, 23 und die Auslegei* Aben Etra und
K i m c hi zu diesen Slellen.
') Kiddusck haekodesch c. 9.
653 Technische Chronologie.
erst cUe jedesmalige Lunge der Monate besümmen mufi«
Nicbu desto weniger haben sich die altem jüdisdien
Chronologen die Mühe gegeben , auf diesem Wege Us
ntr Herbstthekuphe des ersten Jahrs der Weltäre zo-
nickzarechnen und gefunden, dafs sich der Moied der
Schöpfung, von welchem die ganze Kalenderrechnung
ausgeht, 12 Tage 20St. 204chl. später als Theknphah
Thischri ereignet habe. Nun hat sich aber aus der An-
zahl der seit der Epoche der jüdischen WelUre einge-
tretenen Moleds und der mittleren Dauer des Monats
zu 29T. 12St. 793chL ergeben, dafs der Moled der
Schöpfung im Jahr 953 der julianischen Periode oder
3761 v.Chr. unter dem Meridian von Jerusalem am
7 Oktober um 5 U. 204 chl. , oder nach unserer Stnn-
deneintheilung am 6. Oktober um 11 U. 11' Abends
eingetreten ist. Ziehen wir also von diesem Zeitpunkt
12 T. 20 St. 204 chl. ab, so tit^ffen wir mit der The-
kuphah Thischri im ersten Jahr der Welttfre auf den
24. September 3 U.Morgens jerusalemmer Zeit. Da das
Intervall zwischen zwei auf einander /bigenden The-
kuphen derselben Jahrszeit gerade die Dauer des ]ulia-
nischen Jahrs ist, so mufs Thekuphah Thischri unter
dem Meridian von Jerusalem für immer auf dem 248ten
julianischen September haften, wenn auch gerade nicht
auf derselben Stunde. Das Jahr 953 der julianischeu
Periode nämlich, mit welchem die jüdische Weltäre be-
ginnt, ist, wie jedes andere , das durch 4 dividirt den
R«t 1 gibt, ein Schaltjahr. Die Thekuphah Thischri
des folgenden Jahrs 954 mu&le also auf 9 U. Morgens,
die des Jahr« 955 auf 3 U. NachmitUgs , die des Jahrs
956 auf 9 U. Abends , und die des Jahrs 957 , eines
Schaltjahrs , wieder auf 3 U. Mozgens treffen , und $o
H E B A Ä E R . 553
ohne Ende. Hieraus folgt eine selir einfaclie Methode,
die Thekupbah Thischri eines ' gegebenen Jahrs zu fin-
den, zu weichem Behuf die )üdischen Chronologen eine
etwas sehw^rfiilige Regel geben, die ich hier nicht er-
läutern mag. Soll z. B. die Thekupbah Thischri für
das Jahr 5586 gefunden weiden*, so suche man zuerst
das Jahr unserer Zeitrechnij^pg, «in welchem das jüdische
seinen An£ing nimmt« Es ist das Jahr 1825. • Dies ist
aber das erste nach einem Schalljahr; mithin trifft die
gesuchte Thekuphe auf 9 U. Morgens des 24. Septembers
alten oder 6. Oktobers neuen Stils* Nun entspricht der
1. Thischri des Jahrs 5SS6, wie wir gleich berechnen
lernen werden, dem 13. September 1Q25; es fällt mit-
bin Thekupbah Thischri auf den 24sten des gleichna-
migen Monats. Verlangte man auch die übrigen The-
kuphen des Jahrs 5586, so würde man am bequemsten
dazu gelangen, wenn man erwägte, dafs der 6. Oktober
der 27 9s te Tag des Gemein jahrs ist, und nun zu 278
(vollen) Tagen und 9 Stunden nach einander einmahl,
zweimahl, dreimahl 91 T. 77 St. addirte. Hat man hier-
bei eine Tafel zur Hand, welche die laufende Nummer
eines jeden Gemein- und Schaltjahrs anzeigt, zu der
die oben (103) gegebene kleine Tafel leicht vervollstän-
digt werden kann, so geht die Rechnung sehr leicht
von Statten. Es findet sich Thekupbah Tebeth am
S.Januar 1826 um 4-| U. Nachmittags, Thekupbah Ni-
aan um Mitternacht des beginnenden 1. April, und The-
kuphah Thamus am 7. Julius um 7 1- U. Vormittags,
welche Data man ohne Schwierigkeit auf die jüdischen
reducirt, wenn man sich nur erinnert, dais das Jahr
5586 ein regelinälsiges Schaltjahr ist (550).
654 Techniicke Chronologe.
Du tich die Harbstnaohtgleicke im Jalir 1825 am
23* September n.St. ereignet ^ so sielit man, wie sehr
aidi die Tliekuplien verschoben haben und wie wenig
•ie tür untere Zeit den astronomiscben Jahrpuniten
entsprechen. Sie werden indessen noch immer in den
jüdischen Kaleodem angemit. Znr Zeit des ineiten
Tempebf wo der Jahranlafig noch nicht cyUisch berech-
net wurde , hatte die- Beaohlnng der Tfaekuphen ihien
Nutsen, weil sie bei der Ausgleichung des Mond- und
Sonnenjahrs veriiinderten, dals die Feste aUzuweil von
den Stellen verschoben wurden, die ne im Sonnen)ahr
einnehmen mufslen. Jetzt aber würden sie fiir die
Anordnung des jüdischen Kalenders ohne Nnuen sein,
auch wenn sie wirklieh mh dem Himmel übereinstimm-
ten. Diese Uebei*einstimmung fand um das dritte Jahp-
hundert unseeer Zeitrechnung Sutt« zum Zeichen, dals
die Thekuphen- Rechnung damals ihre Ausbildung er-
halten hat.
Wir haben oben(54S) gesehen, wie man den Wochen-
tag findet, dem das Neujahrfest der Juden enVspTicht.
Es ist nun noch übrig, das Datum desselben im Ka-
lender der Christen zu berechnen. Man bedient aich
dazu giewöhnlich der Tbekuphen auf eine nicht ganz
leicht zn übersehende Weise. Folgende Methode ist
einfacher und bequemer. '
Wie eben bemerkt worden, ist der Moied der
Schöpfung am 7. Oktober a.St. um 5U. 204 chl. jerur
«demmer Zeit im Jahr 3761 v-Chr. eingetroffen. Dieses
Jahr ist ein Schaltjahr und der 7. Oktober des Schalt-
jahrs der 281 ste Tag; es waren mithin im Augenblick
jenes Moleds vom julianischen Jahr 280 Tage 5 St. 204 cU.
Hbb&abr« 555
verflossen, wobei die Tage nach jüdischer Weise um
6U. Ab. angefangen sind. Da 19 mittlere jüdische Jahre
6939 T. 16 St. 695 chl. und 19. julianische 6939 T. 18 St.
halten, so sind.erstei« um ISt. 485 chl. küi'zer als letz-
tere, so dafs nach Ablauf des neanzehnjfihrigen Cyclus
der Moled Thischri im jnlianischeti Jahr um 1 St. 485 chL
früher als im Anfange desselben • eintritt. Diese Vorei-
lung von 1565 chl. wollen wir mit a bezeichnen. Das
jüdische Gemeinjahr zu zwölf synodischen Mouaien hält
354 T. 8 St. 876 chl., das julianiscbe Jahr 365 T« 6 St.
und das jüdische Schaltjahr zu dreizehn synodi^en Mo-
naten 383 T. 21 St. 589 chl. Hieraus ergibt: «cb nun
leicht folgende Ta£el, welche zeigt, um wie viel Tage,
Stunden und Stundentheile der Mded Thischri nacti
Ablauf jedes einzelnen Jahrs des neunzehnjährigen Cyclus
im julianischen Jahr früher als im Anfange des Cyclus
erfolgt.
Jahr des Cjclus.
Voreflni
a^ des Mol
cd Thischri.
1
10 T.
21 St.
204 chl.
2
21 -
18 -
408 -
3 fr.
3 -
2 -
899 -
4
14 -
0 -
23 -
5
24-
21 -
227 -
6 4.
6 -
5 -
718 -
7
17 -
2 -
922 -
8b,
-1 -
12-
747 -
9
9-
8 -
537 -
10
20 -
5 -
741 -
114.
1 -
14 -
152 -
12
12 -
11 -
356 -
13
23 -
8 -
560 -
556 Technische Chronologie.
Yoreilung des Moied Thisdiri.
Wenn hier s. B. neben dem siebenten Jabr eine Yorei-«
lung von 17. T. 2 St. 922 chl. bemerkt ist, so beitsldas,
nach Ablauf von 7 Jahien des 19jl(hrigen Cydus trifft
der Moled Thischri utn so viel Tage, Stunden und Stun-
dentbeile später als anfrngs ein. Die negative Yorei-
lung von IT. 12 St. 747 chl. neben dem achten Jahr
ist eine Verspätung. Das b. bezeichnet die Schaltjahre,
nadx deren Ablauf die Yoreilung sich allemahl um nahe
18'- Tage vermindert.
Yerlangt man nun das julianische Datum des Moled
Thischri irgend eines Jahrs der jüdischen We/täre, so
kommt es darauf an, zu berechnen, um yi\^ viel Tage,
Stunden und Stundenlheile seil der Epoche derselben
der Moled seiner oben bemerkten ursprünglichen Zeit
im julianischen Jahr vorgeeilt ist. Soll z.B. der Tag
des Moled Thischri des Jahrs 5585 gefunden werden, so
dividire man die um 1 kleinere Jahrzahl 5584 durch
19. Dies* gibt zum Quotienten 293 und zum Rest 17,
zum Zeichen, dals beim gedachten Moled von der Welt-
äre 293 ganze Cykel und 17 Jahr abgelaufen sind. Man
multiplicire also 293 in a, was 17 T. 16. St. 625 chl.
gibt, und addiie dazu 7T. 19St. 870chl., als die Yor-
eilung des Moled nach 17 Jahren. So erhält man 25 T.
12 St. 415 chl., um welche der Moled Thischii des
Hs.BRÄBa« 567
Jahrs S585 im julianischeh fHiher eintrifft, als .4er. des
Jahrs 1. Die weitere Rech^uxlg steht nun ^IßQ*
Zeit des Mded im Jahr 1 280T. 5St. 204cU;
Voreilung in 5584 Jahren 25 ■. 12 -. 4>5.r ,
ZeitdesMoled im Jahr 5585 254T. 16St.869chh
Der 2558teTag des Schaltjahdrs (ein solches ist unser Jahr
1824, in welchem das gegebene jüdische seinen Anfimg
nimmt) ist der 11. September alten oder 23.. September
neuen StilsJ Es tritt mithin der in Rede stehende
Moled am 23. September 1824 um 16 St. 869 chL n$ch
Anfang des jüdischen Tages ein*. Dieses Datum ist ein
Donnerstag,, und da hier keine der obgedachten Ausnah-
men Statt findet, so ist es sugleich der jüdische Neu-
jahcstag. Weifs man mit Leichtigkeit den. Wochentag
eines christlichen Datums su finden (eine Regel dazu
wird unten im siebenten Abschnitt gegeben werden), so
bedarf es für den Moled Thischri nicht einmahl obiger
besondem Berechnung des Wochentages.
Die hier erklärte R^l gilt aber ohne y^ßiust» Be-
dingung nnr für solche Jähre der jjädischen Aere^ diQ
in christlichen Schaltjahren ihren Anfang nehmen.
Sonst überall muls man von dem gefund»ien Resultat
noch 18, 12 oder 6 Stunden abziehen, je nachdem das
Jahr der christlichen Aere^ auf welches der., gesuchte
Moled triflt, das erste, zweite oder dritte nach. einem
Schaltjahr ist; denn da das julianisehe Schaltjahr tun
16 Stunden länger und das julianische Gemein jähr., um
6 Stunden kürzer ist, alsjdas eigentliche, jvlianisehei Jahr,
das der ganzen Rechnung zum Grande liegt, so springt
der Anlang des ersten Jahrs nach einem Schaltjahr um
18, der des zweiten nm 12 und der. des dritten um
6 Stunden yor, so daia atoh dndurdi. die gefnndeinen
556 Technische Chronologie.
Yon^tfBng^ lA dm refsdiiedeneii Idirett iim dbea so
viele Stimdeii ventfindem. Statt hier die Voreiliuig
iimRer-ybn 28dT. 6 St. 204<^1. ahmtiehen und dann
den Best ni berieh ligeni kann man den Akiiig im
enten Jahr nach dem Schalijah» von 270 T. 11 Sc.
2Ö4chL, im tweilen von 279T. l7St. 204eU. , im
drillen von 279 T« 23 St. 204 dil. nnd ent im ScJialt-
jahr wieder von 280 T« 5 St. 204 cM. madien mid den
Retit UBveiündert lassen. Man sieht, dafs die Inta^alle
twischen diesen Zeilpunkten richtig 565 T. 6 St. « die
Dauer dei julianiacfaen Jahrs« geben. Soll also nun der
Moled Thiachri des Jahrs 5^86 gesudit werden, das
1825, im ersten Jahr n«ch einem Schalijakr, anfängt,
SD lieht man die Voi^ung, die in diesem Fall 36 T.
96t. 619 ehl. betrugt, von 279 T. 11 St. 204 chl. ab.
Der Rest in 243 T. 1 Su 665 cU. nnd der 244sie Tag
des Gemeinjahrs der 1. September. Es unfFt mithin der
Moled Thischri am 1. September alten oder iJ.Septem-
her neuen Sub nm ISc. 665 cU. ein, nnd da dies ein
Dienstag ist , so hat< man in ihm nigleich den T<ei^
jahrstag. ...
Man wird diese Methode, das christliche Datum des
Anfanges eines g^^ebenen Jahm der jüdischen Aeie 2U
b^tfeehnen, bei einiger Uebung sehr bequem finden. Sie
lafiit sich. mit gleicher Leichtigkeit auf vergangene und
tnküiiftige Jahre towenden ; nur mnfs man wissen l)wie
man die Jahre der jiidisehbn Aere auf die christliche xn
redociren hat; . ^ nm wie viel l^ge der neue erst «seil
1582 eingeftthrte Stil in jedem Jahrhundert der christ-
lichen Aere von dem alten abweicht. Von dem erstem
Punkt ist schon die Rede ^wesen (543) , Ton d^em«n-
dem wit^d in ckr ckristUAen Zeiuiechnnng gehandelt
Hbbkäsb.« 669
w^en. Kennt man da» Datum des l.Tbisdiri und
die Dauer des jödischett Jahn, so findet man, leicht die
Anfangslage aller übrigen Monate und das einem Jeden
yädiMcheA Datum . entsprechende christliche^). ..
Will man umgekehrt ein christliches Datum auf
den jüdischen Ralehder reduciren, z,B« deä 22. März
182ä, 80 suche man zuvörderst das. laufende Jahr der
jüdischen Acre. Es findet sich 5585. Dann berechne
man das Datum- seines 1 • Thisehri, das, wie wir schon
gesehen haben, der 23. September 1824, ein Donnecstag,
ist. Yei^leicht man nun noch den folgenden 1. Thi^chri,
für welchen sich d^ 13. September 1625,. ein Dienstag,
ergibt, so sieht man, dafs das Jahr 5585 ein übei'zähh
liges Gemeittjahr ist. Der Marcbesclwan bat demnaiji
30 Tage, und es trifll
der l.Thisdm. auf den 23. Septeihber.
"^ 1« Marcheschyan <-^ - 23« Okiober»
- liKislev - • 22. November,
- 1^ Tebeth - - 22. December.
^ IvSchebat - -* 20. Januar.
- 1, Adar ^ * 19. Februar. .
* l.Nisan »* * 20. März u. s.w.
Das gegebene Datum entspricht mithin dem 3. Kisan
des Jahrs 5585.
Hat man auf diese Weise die ohristliohen Data und
Wochentage zweier auf einandekr folgenden, jüdischen
^) Wer did lachte ICühe solcher Rec(^angei> scheuet^ findet
in Hm. Maier Kornick's uulängst erschieDOnem System
der Zeitrechnung in chronologischen Tabellen
(Berlin 1825, fol.) Ton S. 102-115 eine Tafel der Anfänge dci-
jüdischen Monate im christlichen Kalender fdr afle Jahk« derWelt«
äre von 4118 bis 6000.
560 Technische Chronologie.
lahre, i< B« von S5S5 aad 5586, bestimmt, nnd danua
die Bescbaflenbeit da entern hergeleitet, so kann man,
da alle jüdische Fest- und Fasttage unbeweglich odei
an bestimmte Monalslage geknüpft sind, einen Kalender
inr dasselbe entwerfen«
Der 15.Nisan, an welchem dss Osterfest der
Joden an&ngt, ist, wie man leicht sieht, allemahl der
163sie Tag vom Ende des Jahrs. Man darf also nur
vom julianischen, mit einer fortlaufenden Nummer be-
aeichneten, Datum des folgenden Neujahi's 163 abiiehen,
um das Datum des jedesmaligen Osterfestes zu erhal-
ten. Da B. B. der Neujahrstag des Jahrs 5586 auf den
13. September 1825, den 256sten Tag des Gemeinjahrs,
trifft, so entspricht der erste Oslertag des Jahrs 5585
dem 93sten Tage oder 3. April 1825.
Hr. Gauss hat in der monatlichen Corres-
pondena des Hm. von Zach*) eine Formel xur Bc"
rechnung des jüdischen Osterfestes gegeben, die von
Hrn. C jsa de Cr^sy in der Correspondance astrono'
migue desselben Hei'ausgebers ') bewiesen und erläutert
woixlen ist. Sie ist, wie schon der Name ihres Urhe-
bers erwarten Ififst, sinnreich und elegant, wurde aber
in dieser für gemischte Leser bevechneien Darstellung
der jüdischen Zeitrechnung keinen Platz finden kön-
iien, auch wenn sie tär die Ausübung noch gröfsere
Vortheik gewährte. Idi mnfs mich . daher bqpiügeDf
diejenigen meiner Leser, welche an mathematischen
Erörterungen Vergnügen finden, auf sie aufmerksam ge-
macht zu haben.
•) Bd. V, ß. 435 ff.
') Bd. I, S. 556 ff.
HSBBAER. 561
Auf den Titeln der jüdischen Kalender pflegen drd
Buchstaben nebeneinander zu stehen , von denen der zur
Rechten den Wochentag des Meujahrfestes, der mittlere
die Beschaffenheit des Jahrs, und der zur Linken den*
Wochentag des Osterfestes angibt. So sieht man auf
den Kalendern von 5586 die Buchstaben td>, von de-
nen >, 3, bedeutet, dafs das Jahr mit einem Dienstage
anfängt, a, dafs es ein regelmäfsiges (hesiderah) ist, und
t, 7, dafs Ostern auf einen Sonnabend trifft. Man nennt
dies die naün n'O^äp kebioth haschaiiali, die Best im-«
jnungen des Jahrs, von der aramäischen Wui*zel
!9äp kaba, bestimmen, festsetzen. Es gibt nichir
mehr als vierzehn solcher G>mbinationen, nfiisklieh:
1)
•l-
u.
S
2)
1
M.
7
3)
1
M.»
5
4)
3
M.
2
5)
3
U.
7
6)
3
M.*
7
7)
3
U.*
5
8)
5
U.
2
9)
5
R.
3
10)
S
M.»
2
11)
5
U.'
7
12)
7
R.
S
13)
7
U.»
2
14)
7
R.»
3
M. bezeichnet hier das mangelhafte, R. das regelmafsige,
U. das überzählige Jahr , *' das Schaltjahr. Die Ziffern
rechts geben den Wochentag des 1. Thischri und die
links den Wochentag des 15. Nisan zu erkennen. Man
I. [36]
562 Technische Chronologie.
äUit, dift leUlanor aur ein SomiU|^, DieiiiUg, Don-
ncnug oAet Soimabend »t ^).
Aniser dem IQjülirigen Mondcirkel, auf dem der
fMne Kidender der Juden bemht, reden ihre OiroBolo-
lea nodi von einem 28jälirigen Sonnencirkel, nach
detten Abkaf die Sonne wieder an deaseJhen Wochen-
Ulfen dieselben Punkte ihrer Bahn eneicbr. Sie nen-
nen diesen Zeitraum Vra TUna machsor gaJoly den
grofsen Cyclus, xom Unterschiede von )enem, dem
sie den Namen pp yrtno machsor katan, kleiner Gy-
dlns, beilegen. Der gro&e ist, auf eine tthnliche Weise
wie der kleine (542), dergeslali an die Weltäre gereiht,
da(s die Division der Jahrcahl durch 28 xum Rest das laur
fende Jahr desselben gibt, das man kurz den Sonnen-
cirkel nennt. Bleibt kein Best, so ist der Sonnen-
cirkel 28. So ergibt sich (tir das Jahr 5586 der Son-
nencirkel 14, eben so wie für das entsprechende Jahr
1825 unserer Aere. Die Juden haben diesen Zeilkreis
von den Christen entlehnt, und gebrauclie/i iba auch
tu gleichem Zweck , nämlich um den WocVienlag eines
christlichen Datums zu finden. W^ir wollen uns daher
hier nicht bei einem Gegenstande verweilen, der an-
derswo ausfuhrlich zur Sprache kommen wird und blofs
') Es rerdient bemerkt zu werden, dafs die Wochentage des
Osterfestes zugleich die der übrigen Feiertage des Jahrs geben.
Der ei-ste Ostertng trtfil mit dem Fasttage des 9. Ab , der zweite
mit dem ersten Pfingsttage, der dritte mit dem folgenden Neu-
jahrttage und dem erslan des Laubhüttenfestes, der vierte mit dem
leUten Tage des folgenden JLaubhiittenfesles , der fiinfle mit dem
iblgenden Yei^hnungsfest und der sechste mit dem Torhergeben-
dn» Purimfaste auf einerlei Woehentag.
H E B A Ä E R . 663
bemerken , clafs die Juden nach Ablauf dieses Girkels,
also alle 28 Jahr, beim Aufgange der Sonne ein kurzes
Gebet vor ihrer Synagoge zu sprechen angewiesen sind,
das schon im Thalmud erwähnt wii-d^), und zum
Beweise dient, dafs iat Machsor frühzeitig für sie eine
besondere Wichtigkeit erlangt haben müsse.
Nachdem wir nun alle Elemente des jüdischen Ka-
lenders kennen gelernt haben, werden wir einen- solchen
— eine Tafel, mV luctch, wie die Juden sagen— für
jedes gegebene Jahr entwerfen kÖnneti. Zum Behuf
desselben will ich hier die unveränderlichen Dala ihrer
Fest- und Fasttage, die im Obigen zerstreut vorkommen,
kurz noch einmahl zusammenätellto , und bei dieser
Geleg'enheit noch - einige dabin gehörige Bemerkungen
nachtragen.
T:hischri.
nsün üNn rosch haschanah, Neujahrfest (498,
522).
3. 'üT^'iynuzomgedaljahu, Fasten Gedaljah(528),
wird, wenii der Tag ein Sonnabend ist, auf
den folgenden Sonnug, den 4.- Thisötri $ • vei>
legt.
10. nnta Dl*» jom kippur, Versöhnöngsfest (499,
523), ein strenger, von einem Abend zum an-
dern zu beobachtender, Fasttag. Die nur un-
ter den Christen gehörte fenehiiung la>hge
Nacht ist ganz unstatthaft.
rroü süccoth, LaubhüUenfe»t ^ (ebend.). Die-
ses Fest dauert acht Tägie, vdii denen jedoch
der dritte bis siebente keine' Feiertage sind.
^
in,
16/
') Brackoth B1.59; S.^. '
[36']
564 Technische Chronologie.
LeUtereFf also der 2i.Thischri, {ubit den
Namen MOr\ ao9on hosana rabba, von dem
grofsen Hosana, das an diesem Tage in
der Synagoge abgesungen wird.
22. tvtD **rso schemini azensth, der achte Tag
der Yersammlung (500). Däs Schlulsfest
der Süccoth.
33. trm rcrap simchaih thorahf das Freudenfest
der Thorah oder Gesetzfreude. An die-
sem Feiertage wird die Lesung der 54 Periko-
pen — nTtn& parschijoth ^ ^ in die der Pen-
lateuch getkeilt ist, geendigt und von neuem
angefangen. Jeden Sabbath wird eine davon
in der Synagoge abgelesen. Die Anzahl ist
auf das Schaltjahr berechnet. Im Gemeinjahr,
das nur 50 Sabbathe enthält, werden die vier
überzähligen vertheilt.
30. Erster Rasch cliodesch Marchesciwan (Si3).
Marcheschvan.
1. Rasch cliodesch.
30. Im überzähligeu Jahr (541) erster Rasch chadesch
Kislev.
K i s 1 e V.
1. RosA chadesch.
25. rean chanükkah, Tcmpelweihe{524). Dieses
Fest dauert acht Tage, gehört jedoch nicht zu
den stienge oder mit Enthaltung von Ajrbeit
zu feiernden.
30. Im xegelmäisigen und überzähligen Jahr (540,
541) erster Rasch chadesch TeheA.
Hebräer. 565
Tebeth.
1. Rosch chodesch,
10. rftdä m«99 asarah betebeth, der zehnte imTe«
beth , Fasten der Belagerung Jerusalems (ä27)t
wird, wenn der Tag ein Sonnabend ist» auf
Sonntag den 11. Tebeth verschoben.
S c h eba t.
1. Rosch chodesch.
30. Erster Rosch chodesch Adar.
A d a r •
1. Rosch chodesch.
13. nratt t\^Tsr\thamth Esther, Fasten Esther (526)|
wird, wenn der Tag ein Sonnabend ist, auf
den Yorhei^henden Donnerstag, den 11. Adar,
verlegt.
14. ü^"^ purim, Losungsfest (525), gehört nicht
zu den strenggefeierten. Es wird blois das
Buch Esther in der Synagoge vorgelesen
und ein kurzer Auszug daraus in das Ulgliche
Schemona esre eingeschaltet. Die Benennung
Hamansfest wii*d unter den Juden nicht
gehört.
15. ü^'^)or^schuschanpurim, PurimzuSnsa(526).
Im Schaltjahr gehören' diese drei Tage demVea*»
dar an (540). Im Adar, der dann der Schalt-
monat ist, wird der I4le iionn D'n'tt oder top
purim rischon oder hatan, das erste oder
kleine Pnrim genannt , aber nicht ge-
feiert.
des Pasfah- oder
566 Technische Chronologie.
Der 30. Adar im Schaltjahr ist der erste Bosch
chodesch Feadar,
N i 8 a n.
f. Rosch chodesch.
lAnfang des n^t pesach,
*^J Osverfestcs(495,514).
lEnde des Passah. Nur diese vier Tage sind
^ Festsabbalhe. An den zwischenliegenden^ vom
17len bis 20.Nisan, ob sie gleich lum Feste
gehören, ist die Arbeit nicht untersagt. Der
• sweite und achte Tag sind vollkommen eben
so heilig als der erste und siebente, nur mit
dem Unterschiede, dafs an ihnen Handlun-
gen verrichtet werden können, die nicht über
24 Stunden aufgeschoben werden dürfen, z.B.
das Begraben der Todten.
30. Erster Rosch chodesch Jjar.
I j a r.
1. Roseh chodesch.
18. *VDm A lag beomer, der drei und dreifsigste
Tag im Omer, vom 16. Nisan an gerech-
nel, an welchem einst das Omer dargebracht
wuixle (487). An diesen Tag knüpft sich eine
alte, die Schüler des Rabbi Akiba betrefifeDde,
Tradition, deren Erwähnung hier keine Stelle
finden kann.
S i V a n.
1, Rosch chodesch.
Z'^S. nVä>^ Ma^ rto'km schelaschah jeme hßgbaliJi, die
drei Begrenzungstage, mit Bezug auf
Hjsbräek. 567
2. Mos. XIX) 10-12 also benannt. Sie wer-
den als Yorbeveitungslage. ^ur Empfangnahme
des Gesetzes auf dem Sinai l)etradiiet, aber
nicht ^efeiei^t.
rmt) scliabüoth, das Wochen^ oder Pfij&gst-
fest (497, 521). Seide Tage gehören au den
Festsabbalhen.
30. Erster jRosch chodesth Thomas.
?}
Thamus.
1. Rosch citodesch.
17. mra n%)9 9^t9 sclieba asar bethamus, der sieb-
zehnte im Thamus, Fasten w^en Erobe-
rung Jerusalems (528), wird, wenn es ein Sonn-
abend ist, auf den folgenden Sonntag, den
18. Thamus, verlegt.
A b.
1. Rosch chodesch»
9. äMä nvDn tluschah beab, der neunte Ab, Fasten
wegen Zerstörung des Tempels (528). Auch die-
ser Fasttag wird, wenn er auf einen Sonnabend
trifft, auf den folgenden Sonntag verschoben.
30. Erster Rosch cliodesch EkU.
El ul.
1. Rosch chodesch»
Mehrere Fasttage, die blofe noch hin und wieder von
einzelnen orthodoxen Juden beobachtet werden, sind
hier nicht erwähnt worden. Wer sie und die Begeben-
heiten, auf welche sie sich beziehen, kennen zu lernen
568 technische Chronologie.
wünscht 9 vergleiche den ausführlichen Kalender auf
das Jahr 5435 hei Bartolocci *).
Was die Aeren der Juden in der dritten Periode
ihm- Zeitrechnung betrifft, so haben sie die seleuci-
dische, von ihnen Minjan schiarotli genannt (530),
noch lange nach ihrer ZSei^streuung fortgebraucht. Bar-
tolocci sagt'): Aera contractuum maarime ßjJl
in usu apud Hebraeos, perdarmntque usque ad temporu
jR. Mosis Bar Alaimonis , quo tempore iam pauUuim
introductus erat mos numerandi ab aera creationis
mundi et seorsün dimissa aera contractuum^ ita ut ho-
die omnino cessaverit in Sjmagoga, Hiemach wäre also
diese Jahrrechnung gans allmälig von der jetzigen Welt-
äre verdrängt und bis auf das zwölfte Jahj*hundert
n. Clir. , woMaimonides lebte, beibehalten woixlen ').
Dals dieWeltäre erst nach Vollendung des Thalmud,
der ihrer noch nicht gedenkt, in den Gang gekommen
sei, ist die Meinung der gelehrtesten Rabbinen und des
unterrichteten Verfassers des Meor Fna/im, der sich
also ausdrückt*): „Der Gebreach, nacVi der Schöpfung
„SU zahlen, hat unter unserm Volke erst unter Rabbi
„iScherira vor etwa 600 Jahren begonnen." Dieser
*) Bibliotkeca Rabhinica P.II, p.550 E.
') Ebend. 8.430.
*) Noch immer wird das Jahr des erloschenen Schtaroth in
den jüdischen Kniendem angegeben, jedoch auf eine sehr schwan-
kende Weue. Um es richtig zu erhallen , mufs man yon dem
sugehöngen jüdischen 3449 abziehen. So fangt zugleich mit dem
Jahr 5586 der V^eltäre das 2137ste d68 Schtaroth im Heibst un-
aers jetsigen Jahrs 1825 an.
♦) €.25,8.96.
Hebräer. 669
Rabbi starb im Jahr 1019 n.Chr. Weiterhin helfet es *):
,,Da das griechische Reich untergegangen war, und
,,wir keiner festen Hen-scbaft weiter unterthänig blie-
,,ben, deren Gewogenheit uns zu erwerben wir uns
,,ausschliefelich hätten bemühen sollen, sondern von
y,der einen unter die andere geworfen wurden, so be-
,,schlofs man, die Jahre vom Ursprünge aller Dinge zu
,, zählen, wodurch wir an die Herrschaft Gottes erinnert
,,weixlen, was jeder noch so mächtige Fürst billigen
,,wii^." Poh'tisch- religiöse Ansichten hätten also die
ei*ste Veranlassung zur Einführung derWeltäre gegeben,
und zwar lange nach Zerstöining des zweiten Tempels«
Es fragt sich hier aber, wann und duix;h wen die jetzige
Bercchnungsweise der Moleds eingeführt worden ist;
denn dafs derjenige als der eigentliche Urheber der
Weltare betrachtet werden müsse, der zuei'st den Ge-
danken gehabt hat, diese Rechnung an den Moled
Thischri der Schöpfung zu knüpfen, und dafs die Welt-
are ursprünglich ein rein wissenschaftliches, blofs zum
Behuf des Kalendercalculs ersonnenes, Institut gewesen
und erst allmälig in den bfirgerlichen Gebrauch gekom-
men sei, scheint keinem Zweifel zu unterliegen. Dies
führt mich auf eine Untersuchung über die Entstehung
des heutigen jüdischen Kalendei-s.
Kein Punkt des Gebieu der Chronologie ist in ein
tieferes Dunkel gehüllt, als dieser. Es wüixle mich zu
weit führen, wenn ich alle dahin gehörige Notizen und
Hypothesen, die sich bei jüdischen und christlichen
Scliriflstellem zerstreut finden, sammeln und prüfen
wollte. Ich verweise der Litteratur halber auf die ge-
') S.ii3.
570 Technische Chronologie.
lehrten Anmerkan^en, womil Hr. Silvestre de Sacj
ein Fragment des TaLi- Eddin Makrizi über die
Aeren und Feste der Jndeu erläutert, das er in
seine Chrestomathie Arabe aufgenommen hat '),
und begnüge mich , eini^B ThalNichen hervoi-zuheben,
auf deinen Zusammenstellung es hier yorxügUdii an-
kommt«
Zuerst wiederhohle ich meine schon oben ^509)
ausgesprochene Meinung, dafs die Juden bis au£ ihre
Zerstreuung f und ich setze hinzu, noch eine geraume
Zeit nachher, die Neumonde und Schaltjahre nicht nach
(iesten astronomischen Grundsätzen bestimmt haben. Die
Begel war allerdings, dals der Monat an dem Tage an-
gefangen wurde, an welchem sich die Mondsichel zuerst
in der Abenddämmerung zeigte, und das Passah gefeiert
werden sollte, h xpu^ tqS tj^icu xod^sorwrc^, wenn sich
die Sonne im Widder befand, wie losephus
aagt (514), so dafs, wie Maimonides hiermit uber-
einslimmig bemerkt ') , ein zweiler Adsr e/nsuschaltjen
war, wenn die Frühlingsnachegleiche erat am IG.Itisan
oder später eintraf; allein man würde sehr irren, wenn
man glaubte, da(s eine auf diese Principien gegründete
unwandelbai^ Bestiramungsweise der Neumonde und
Schahjahre im Gebrauch gewesen sei, die eine sichere
Reduciion jüdischer DaU auf den julianischen Kalender
gestattete. Es soll hiei-mit nicht behauptet werden,
dafs man noch gar keine Versuche gemacht habe, den
Kalender cyklisch zu ordnen« Seil dem vierten Jahi^
hundert v. Chr. bestand die callippisdie Periode (344),
*) Vol. I, p. «32 ff. Vol. n, p. 156 ff.
') Kiddusch kackodesch c.4, S-2.
HspRÄ^n* 571
der^n Yerbreitupg vüb^v d^a yon Alexandfir etoberUa
und vpn Griechen bewohnten Theil Aliens, oainenLlic)i
über Syrien, niemand bezweifeln wii*d; auch spricht
Epiphanias^) von einem 84jährigen Cyclus, nach
welchem die Juden um die Zeit von Christi Tode das
Passah bestimmt haben sollen : die Rechnung war aber
so gut wie gar nicht vorhanden, da lediglich die WiU-
Lühr des Sanhedrin den Ausschlag gab. Wie der-
selbe bei den Neumonden verfuhr, haben wir be^^eit^
oben (512) gesehen, und wie vielfache Clücksichten ihn
bei der Wahl der Schaltjahre leiteten, .sagt uns Mai-
monides ^). Der Thalmud ^) hat uns ein merkwür-
diges an die Juden su Babylqn und in Medien gerich-
tetes Schreiben des Rabban Gamaliel aufbe-
wahrt, das hier an seiner Slielle stehen wii-d: ,,Wir
,, machen euch hiermit bekannt, dafs wir, da diis
,, Tauben (zum Opfier) noch zU zart und die Lämmer
,, (zum Passah) npch zu jung sind, auch die Zeit des
,,Abib noch nicht herangekommen ist, in Vereinigung
,,mit unsem Collegen für nöthig erachtet haben, dem
' ,, Jahr dreifsig Tage zuzulegen." Dieser Gamaliel war
der Lehi*er des Apostel Paulus, und wii*d im neuen
Testament wegen seiner bei den ersten Yerfolgungen der
Christen bewiesenen Duldung rühmlich ei*wähnt ").
Des 84jährigen Cyclus gedenkt aufser Epiphanias
noch Cyrillus in seinem Prologus paschalis, und nach
ihren Aeufserungen läist sich wol nicht zweifeln, da&
•) Haeres, LI, c. 26, p. 448.
') Im vierten Kapitel seines oft gedachten Weiiu.
') Sanhedrin Bhii,S,%
*) Apostelgesch.V, 34; XXII, 3.
672 Technische Chronologie.
er weaigstens von einselnen jüdischen Sekten gebnndit
worden sei, wenn es gleich auffallend ist, dais sich
keine Spar von ihm weder im Thalmud noch bei
sonst einem rabbinischen Schrifuteller findet. Von den
Joden scheint er ninfichst su den Quartadecimanern,
einer christlichen Sekte, die das Passah nach jüdischer
Weise an der LunaXIV, dem YcJlmondscage, afs, und
Ton diesen cur lateinischen Kirche übergewogen zu
sein, die lange nach ihm ihr Osterfest geordnet hat.
In der Zeitrechnung der Christen werden wir auf Vbn
zurückkommen« Für jetzt nur noch die Bemerkung^
dais er der 76jMhrigen Periode, des Callippus an Ge-
nauigkeit sehr nachsteht. Am gründlichsten hat über
ihn Bucherius commentirt *)•
Wenn das Weik Perakim, das den Namen des
Rabbi dieser Ben Hyrcanus an der Slim trägt,
icht wäre, so wüixle, den Auszügen nach zu urtheilen,
die Bartolocci aus demselben gibt'), dieser berülimte,
bald nach Christi Tode lebende, Lehrer, den die Judeu
hagadol, den Grofsen, neooen, schon die Hauplele-
mente des jüdischen Kalenders gekannt haben. Allein
die Pirke Rabbi Elieser sind offenbar eine spätere Com-
pilalion, die wenig ihrem angeblichen Urheber ange-
höriges enthalten mag. Indessen rühmen die Thal-
mndisten diesen Rabbi wegen seiner mathematischen
Kenntnisse; auch macht Makriii in seinem obge-
dachten Fragment zum Urheber der cyklischen Rechnung
^) Aegidii Bueherü de doctrina temporum commentarius
\ Fictorium Aquittumm (Antwerpen 1634, Ibl.) p* 313 ff.
») P.n, p.543 ff
Hebräbr. 673
der Juden einen Elieser, der vermuthlich mit dem
Sohn des Hyrcanus Eine Person ist.
Die ersten sichern Nachrichten von der Gestaltung
des heutigen jüdischen Kalenders gehen nicht über den
Schlufs der Mi seh na zurück, der in das .Jahr .3949
der Welt, n.Chr. 189, gesetzt wird*). In diesem zwei-
ten Gesetz erhielten die Juden einen neuen Yemni-
gungspunkt, wie einst in dem ersten, der Thor ah,
unter Moses. Es entwickelte sich jetzt unter ihnen
ein reges geistiges Leben, dessen Früchte in der Ge-
rn ara vorliegen, die als Commentar mit ihrem Text,
der Mi seh na, vereint bekAuntlich die Basis des neuem
Judenthums, den Thalmud, bildet. Unter den Leh-
rern, die an demselben gearbeitet haben,' gab es meh-
rere, die sich bemühten, die Bestimmungsweise ihrer
Feste über alle Willkühr zu erheben und Regeln auf-
zustellen, welche die gleichzeitige Feier derselben für
alle ihre in grofser Zerstreuung lebenden Glaubensge-
nossen möglich machte. Als solche weiden uns zunächst
die Rabbi nen Samuel und Ad da genannt, denen eine
einstimmige Tradition die Bearbeitung der Thekuphen
zuschi'eibt.
Der Rabbi Samuel war nach Bartolocci') Vor-
steher der Akademie zu Nahardeah, einer Stadt an^ Ufer
des Euphrat in der Nähe des alten Babylons , auf dessen
^) Juchasin Bl. 160, S.i. Ich habe hier mit dehn jüdischen
Jahr das christliche zusammengestellt, das seinem gröfsten Theü
nach mit deijnselben übereinstimmt, und das sich findet, wenn
man das Resultat obiger Reducüon (543) um eine Einheit Ter-
grÖfsert.
») P.IV, p.388.
574 Technische Chronologie.
G«b!et ä€<r RabbiüMniiis in mehreren Hocbsd^nlen Mnhte«
Er surb im Jahr 4010 der Welt, n.Chr. 250. Es sollen
aftCronomiscbe Tafeln von ihm in der Bibliolhek des Va-
tikans aufbewahrt werden. Yon seiner Beschäftigung
mit denselben erhielt er den Beinamen Bajarchi, der
Mondsüchtige. Allgemein wird ihm diejenige The-
kuphenrechnung beigelegt, nach der das Iniei-vajj zwi-
schen £wei auf einander folgenden Thekuphen 91 T. TfSt.
betragt. Man sieht, dafs ihr die Daner des damals schon
dlgemeiR in Syrien eiugefahrlen julianischen Jahrs zum
Grunde liegt.
Diese Rechnung, die ihrer Einfachheit wegen von
den Verfertigem jfidischer Kalender gewöhnlich gc-
brancht wird'), und auch oben (551) allern angeführt
worden ist , g^wtfhrt wenig Genauigkeit. Schon nach
128 Jahren gibt sie die mittleren Jahrpnnkle, die sie
zu bestimmen beabsichtigt, um einen ganzen Tag m
spitt. Etwas voUkommnei^es, wiewohl noch immer nicht
ganc genau«», lieferte der Rabbi ASdä Bav AiYia'ba,
der nach Bartolocci'}im Jahr der'WeU 3943, n.Chr.
183, geboi*^ wuiYle, und als Vorsteher der Hochschule
SU Sora am £uphi*at, in der er die Astronomie lehrte,
in einem hohen Alter starb« Er nahm jenes Intervall
ta 91 T. 7 St. 519 chl. 31 reg. an*), und die hierauf
*) Seit Gregor *s XIII Kalenderrerbesserung im Jahr 1582
finden sich in manchen, besonders in Italien ei-scfaeinenden jüdi-
schen Kalendern, auch wo! die wahren Jahrpunkte — r^-^n
jtprwm tkekiiphöth haamiihijolh — angegeben, abci' nur als astro-
nomische NoiizeD, die anf die Constniction des Kalenders durch-
aus keinen Bezug haben.
») P.I, p.62ff.
') Kiddusch hachodesch c.lO.
H B B R Ä B A • 675
gegrüiulete Tb^kuphenreclinuftg fuhrt seinen Namen. Sie
bringt das Sannenjahr auf 36&T. 5 St. 997 clil. 48 reg.
Dies ist genau ein Neunzehnte! der Dauer des jüdischen
Mondcydus (544) , der also schon damals fixirt sein
mufsie. Da dieser Cyclus seinerseits wieder genau daa
235fache der mittlem Dauer des synodischen Moüattf
nach Hipparch's Bestimmung ist (542), so wird man
leicht erachten, dafs der llabbi Adda sein Sonnen jähr
von diesem grofsen vierhundert Jahr vor ihm lebenden
Astronomen entlehnt hat, wie auch nach Scaliger ^}
ein jüdischer Schrifutellet anerkennt. Die 997 chl.
48 reg. gcb^n 65' 26", nur 10" mehr als die 304jährig€»
Periode des ebengedachten GriJEK^hen (352).
Da vom Rabbi Adda so wenig, wie vom Rabbi
Samuel, Schriften vorhanden sind, so wissen wir
nicht, welchen Gebrauch sie von den Thekuphen bei
der Bestimmung des Osterfestes gemacht haben. Nur
so viel ist klar, dafs zu ifai*er Zeit noch nicht alle Will-
kühr aus der Anordnung der jüdischen Zeitrechnung
beseitigt sein konnte ; denn sonst würden sie sich nicht
so viel mit einer Rechnung beschäftigt haben, die nach
Einführung des neunzehnjährigen Cyclu^ keinen wesent-*
lieben Nutzen weiter gewährt.
Wann und durch wen ist aber dieser Cyclus ein*-
geführt worden? Hierüber beobachten die Thalmudisten
ein tiefes Stillschweigen. Sie scheinen verstehen ge^
ben zu wollen, dafs der nia» ibbur, das Schalt-
wesen (539), von jeher vorhanden gewesen sei'). Sie
*) Emend, temp. l.IV, p.279.
') Sie sprechen immer, z.B. Bosch haschanah Bl. 20, S. 2,
von dem ^laam ^ne sodhaibbur, dem Geheimnisse des Ibbur.
676 Techni$ch6 Chronologie.
haben Redit, wenn vom Einschallen nberiumpt die
Rede ist; ohne ein sokbes kann der von Moses la-
geoidnele abib nicht gedacht werden. Aber hier han-
delt es sich nicht um eine rohe und schwankende, son-
dern um eine wissenschafüiche und feste Schaltmethode,
wie sie jetxt gehrancht wird. Von dieser kann man
mit fiestimmtheit behaupten, dals sie erst en isla öden
ist« ab die Juden in ihrer Zerstreuung das Bec/ü'rfmis
der Einheit fühlten, und sie wenigstens in ihrem Ckii-
tus SU envichen strebten«
Wenn wir uns nun bei der Ansicht des Thalmud
und seiner Commentatoren nicht beruhigen wollen, so
wenden wir uns zunächst an den unterrichteten und
kritischen Maimonides. Allein wir finden bei ihm
nichu weiter, als folgende gel^entliche Aeufserung^):
I, Nicht eher haben die Juden angeiangen, das Jahr
9,cyklisch zu ordnen, als unter den letzten Urhebern
9, des Thalmud, wo das ^inslich verheerte Judas leine
„feste Synode mehr hatte. Zur Zelt der MischivL und
„des Thalmud wtude die alte Methode ^der Bestim-
„ mung des Osterfestes) noch beibehalten." Die Zeit der
Entstehung der cjklischen Rechnung wird hier nach
Wahrscheinlichkeit angegeben ; aber von einem Urheber
derselben kein Wort!
Nun steht aber in allen chronologischen Büchern
von Scaliger her als eine ausgemachte Sache, dais
es ein Rabbi Hillel war, der in der ersten Hälfte
des vierten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung (das Jahr
wird verschieden angegeben) den jüdischen Kalender
geordnet habe. Es fragt sich, worauf diese Angak
*) Kiddusch hachodesch c.5, S* 3.
Hbbeäbr. 677
bemht. Gleichzeitige clirisdiclie ScbriftsteUer achwei*.
gen. Wir weiden uns also nur bei deii jüdischen Radis
erhohlen können.
Der älteste, der des Rabbi Hillel als des Urhe-
bers der cydischen Recjitiung gedenkt» ist der Rabbi
Hai Gaon, ein Sohn des oben ($68) erwähnten Rabbi
Scherira, uaoh Bartolocci ^) der letzte der Gao-*
xiim<503). Auf seine Autorität berichtet der Yerfiisser
dies Meor Ena Jim'), da(s der Rabbi Hille] Hanassi ^
Sohn des Rabbi Jehuda, aus der Familie David's, die
seit hundert Jahren ypr der Zerstörung Jerusalems dem
Nassiamte (Patriarchat) yorgestandeti,' die jetzige Kfr»
lendervecbnung eiqgeführt habe. Eben so unbefriedi-
gend äufsem sich alle übrigen, die des Rabbi Hillel
gedenkeor, der Rabbi Moses Ben Nacbman^), der
Rabbi Isaac Israeli'^), die Verfasser des Sepher
Juchasin, Zemach David, Seder Hadaroth und
andere. Nur fügen noch fast alle, am bestimmtesten
der Rabbi Isaac Israeli^), hinzu, däfs Hillel seine
Reform in Vereinigung mit einer Synode yeranstallet
habe, von der uns aber niemand etwas näheres bertch»
tat. Als Zeit der Reform wird im Buche Juchasin ^)
das Jahr 670 des Mirpan tcluaroth genannt, dos im
*) P.n, p.384.
^) Th.n, c. 40, S. 461. Zunächst ist die Notiz aus dem sel-
tenen Budie Mäfbbur des Rabbi Abraham Haaassi gescbdpA.
') In seinen Anmerkungen zu dem Werke Hanäwoth das
Maimonides p. 153.
^) In seinem Jessod olam c. 48.
') A. a. 0. und auch c. 9.
«) Bl. 66, S.2.
I. [37]
578 Techfusche Chronologie.
Jahr 358 n.Chr. seinen Anfang nahm. Hiemadi hxt-
ten also die Juden und Christen ihre Festrechnung si»
siemlich um dieselbe Zeit geordnet.
Bartolocci nennt*) zehn Generationen hindurch
die Yorfiihren des Rabbi H i 1 1 e 1 , die sich sämmt-
lieh durch Gelehrsamkeit und Frömmigkeit ausgezeich-
net, und ala Vorsteher des grolsen Synedriums von Pa-
iHstina den Titel w^wn Iifmassi, Pri&sident oder Pa-
triarch, geführt haben'). Er weifs übrigens ¥ienig
mehr von ihm cu berichten, als die aus Epiphanius
entkhnte Legende, dals er sich auf seinem Sterbebette
unter demYorwande, Anenei zu nehmen, habe taufen
lassen. Mit ihm erlosch das Patriarchat, dessen An-
aehen sdion langst gesunken war, völlig.
Wir wollen hiemach, des Stillschweigens der Thal-
mndisten ungeachtet, die in sich sehr wahrscheinliche
Nachricht, dals der Rabbi Hillel Hanassi gemein-
sdiaftlidi mit dem Synedrium, an dessen Spiue er
stand, dem jüdischen Kalender seine jeuige Gesult ge-
geben habe, ab richtig annehmen, und sehen, welches
vermuthlich der Gang der Reform war.
Zuerst machte Hillel den IQjährigen Mondcyclns
nur Grundlage der ganzen Kalenderrechnung. Dieser
Gydus war seit Jahrhunderlen nicht blofs bekannt,
sondern im bürgerlichen Gebrauch. Im Jahr 432 v.Chr.
hatte ihn Meton in die Zeitrechnung der Athener
eingeführt (326). Im Jahr 330 v.Chr. verbesserte ihn
*) P.n, p.797.
*) Unter ihnen befinden sich Rabban Simeon, der Christas
auf dem Arm getragen (Luc. 11, 25 ff.}, und sein oben (571) ge-
dachter Sohn Rabban Gamaliel.
Hebräer. 679
Callippus (344), und seitdem haben ihn sieh ohne
Zweifel die meisten Völker angeeignet, die sich gleich
den Griechen eines gebundenen Mondjahrs bedienten.
Die Yerbessemng, die er von neuem durch HipparcK'
erfuhr (352) , mufs durch die Schriften dieses grolsen
Astronomen wenigstens unter den Gelehrten in Umlauf
gekommen sein. Unmöglich läfst sich nun glauben,
dafs ein Mann, der sich zum Reformator der Zeitrech-
nung seines Yolks aufwarf, nicht gewufst haben sollte,
was anderswo seit Jahrhunderten in dieser Beziehung
geschehen war. Man kann daher nur lächeln, wenn
Bartolocci behauptet^), dals der neimzehnjährige
Cyclus von Hillel oonstruirt und von ihm zu den
Christen, die ihn gleichfalls zur Bestimmung ihrer Oster-
feier gebrauchten, übergegangen sei. Modificationen
mufs er allerdings durch ihn erlitten haben; denn die
Schaltjahre sind in dem jüdischen Cyclus anders geord-
net, als sie es aller Wahrscheinlichkeit nach in dem
metonschen waren (330, 331).
Die Dauer des mittleren synodischen Monats setzte
H i 1 1 el auf 29 T. 12 St. 793 chL , in unsem Stunden-
theilen 44' 3-^". Dies ist, wie schon oben (542) bemerkt
vrorden, genau Hipparch's Bestimmung. Sie kommt
mit dem Himmel sehr nahe überein; denn Tobias
Mayer«) hat für das Jahr 300 v.Chr. 44' 3", 4015,
und für das Jahr 1700 n.Chr. 44' 2", 8283 gefunden.
Der Ginind dieser Yerschiedenheit liegt in einer zuerst von
H a 1 1 e y wahrgenommenen Beschleunigung der mittleren
«) P.n, p.545.
') S. Lalande's Astronomie Tom. 11, p. 157.
P7T
680 Technische Chronologie.
Bewegang des Mondes. Nehmea wir die nuide ZaU
von 3% wie es oben (47) geschehen ist, so erhalten wir
für 235 sjnodische Monate^ als die Dauer des neunzehn-
jihrigen Cydus, 6939 T. 16 St. 51' 45% nach Hipparch*s
und Hillers Bestimmuog dagegen 33' 3^% nur 1' 18^*
mehr« welcher geriage Uniei'schied erst nach Jahrtau-
senden SU einem Tage anwiichsu Man siebt aJso, dafi
mit Bezog auf die Neumonde der jüdische Kalender
alks lebtet, was you einer wohlgeordneten Z^liech-
Bung nur irgend verlangt weixkn kann.
Die Bedingung, da(s der l.Thischri oder das Neu-
jahrfest nie auf Sonntag, Mittwoch, Freitag, und der
IS.Nisau, der erste Tag des Passahfestes, nie auf Mon-
tag, Mittwodi und Freiug £dlen darf (561), welche das
Ceivmoniaigesetr der Juden gewiis längst festgestellt
hatte, gah dem Rabbi Hillel die drei Arten von Ge-
mein« und Schaltjahren, die jetzt im Gebrauch sind (540).
Dials er das Schwankende in die Monate MarcfaescJinia
imd Risley brachte, mag eben so ein aiies Heriommen
für sich gehabt haben, wie die SleUiing, die er dem
Schaltmonat gab.
Mit der Daner des sjnodischen Monats lie(s sich
von einem Moied cum andern vor- und rückwärts
rechnen. Wenn aber irgend ein Moled aulser der Reihe
gefunden werden sollte, so mulste die ganze Rechnung
an eine feste Epoche gereiht werden. Er wählte dazu
die Erschaffung der Welt, und so ward er der
Urheber der jeuigen Acre der Juden.
Es kann hier, wie sich von selbst versteht, nicht
die Frage sein , ob er die Epoche der Schöpfung richtig
bestimmt habe, sondern nur wie er dabei verfahren
ist. Offenbar ging er von dem Anfange der damals
Hebe AB R* 681
noch allgemein Yon den Juden gebraudbien sekuci-
dischen Aeie, dem Herbst des Jahrs 312 v.Chr., aus«
Yon hier rückwärts rechnend , machte er zur nächsten
Epoche die Zerstörung des ersten Tempels. Er nahm
sie nur 112 Jahre früher an, um mehr als 150 Jahre
zu wenig zählend (529)9 so dafs er den Nebucadnezar in
die Zeiten des ArtaierzesJ herabrnckte. Indem er so
weiter zur Erbauung des ersten Tempels, zum Auszuge
der Israeliten aus Aegypten, zur Sündfluth und zur
Schöpfung zurückging, theils ausdrücklichen Zeltanga-;
ben der Bibel , theils seiner Deutung derselben folgend,
fand er als Epoche des Minjan schtaroth den Anfang
des Jahrs 3450 der Welt(53i).
An die Weltäre mufste der neunzehnjährige Cydus
geknüpft werden. Natürlich machte er den Anfang der
Aere zugleich zum Anfange des Qrclus; denn so gab
eine blofse Division das jedesmalige Jahr desselben (543)»
Bemerkenswerth ist es übrigens, dafs der jüdische Mond-
cirkel immer drei Jahre weniger zählt, als der christ-
liche; wir haben den unsrigen mit dem Jahr 1824 he^
gönnen (72) , und die Juden werden den ihrigen erst
wieder mit dem Herbst des Jahrs 1826 anfartgen.
Nachdem nun die Weltäre fixirt war, kam es dar*
auf an, den Moled Thischi-i ihres ersten Jahi's zu be-
atimmen, an den die ganze cykliscbe Rechnung gereiht
wei*den sollte. Hiebei scheint Hillel folgendermafsen
verfahren zu sein. Er ging von irgend einem Moled
Thischri aus, z.B. von dem des Jahrs 4105, v.Chr« 344,
mit welchem ein neuer Mondcirkel an6ng« Diesen Moled
setzte er auf Montag den 23. Gorpiäus oder September
um 10 ü. 11 ' 23" Abends, oder nach jüdischer Rech-
nung auf Dienstag den 24sten um 4 St. 205 chl. jeru-
682 TechiMche Chronologie.
salemmer Zeit« Sehr nahe lutm hiennit die mitllere Goii-
)imctioii überem ; die wahre war bereits am Yormittage
desselben Taftes um lOU. 30' w. Z. erfolgt. Nun trifft
der Moied Thischri mit Ablauf eines jeden Mondcydus
um 1565cbl. früher im julianischen Jahr ein (555). Es
kam also nur darauf an, diese 1565 cbl. mit 216 zu
nultiplicireu, um su find», um wie yid Tage, Stan-
den und Stundentheile der Moled Thischri in den von
der Weltare bereits abgelaufenen 216 Cykeln vorgeeilt
sei. Es ergaben sich 13 T. iSt., und wurde diese
Zeit EU dem Moled Thischri des Jahrs 4105 addirt, so
kam der Moled Thischri des Jahrs 1 auf Montag den
6. Hyperberetäus oder Oktober des Jahrs 3761 v. Chr.
um HU. 205 chl. Abends, oder nach judischer Rechnung
auf Dienstag den 7ten um 5 St. 205 chl. zu stehen.
Das Jahr 344 u. Chr. , das hier Bcispielshalber ge-
wählt ist, scheint nun wirklich, wie auch Scaliger
annimmt^), das Jahr ni sein, in welches wir die Ae-
form des jüdischen Kalenders zu seteeo bäbcD. Nicht
blofs ein neuer Cydus fing in ihm an, sondern es fiel
auch der Moled Thischri auf denselben Tag, auf den
Hillel die Herbstnachtgleiche gesetzt haben muis (552).
Zwar traf sie zu seiner Zeit beraits um einen Tag früher
ein (78); er ist aber vermuthlich nicht von einer eige-
nen Beobachtung derselben, sondern von einer altem
Bestimmung ausgegangen, die er vermittelst der von
ihm noch bedeutend zu gro(s angenommenen Jahrlange
auf seine Zeit reducirte.
Neunzehn tropische Jahre su 365 T. 5 St. 48' 48''
(35) geben 6939 T. 14 St. 27' 12% also 2 St. 5' Slf"
*) Canon. Isag. 1. m. p. 282.
Hbbräer. 583
weniger, als 235 synodische Monate zu 29 T. 12 St.
793 chl. (544). Die Folge dieses Unterschiedes ist, dafe
die Juden ihr Osterfest allmälig immer später im Son-
nenjahr feiern werden. So z.B. wird der 15. Nisan
des Jahrs 12008 ihrer Acre, oder 8248 der unsrigen,
erst am 20. Mai n.St., um mehr als zwei Monat spä-
ter als die Friihlingsnachtgleiche, eintreffen. Die Ver-
schiebung ihres Kalenders beträgt mehr als vier Tage
in 1000 Jahren, die unsers gregorianischen dagegen erst
einen Tag in 3600. In dieser Beziehung ist also ihre
Zeitrechnung minder genau, als in einer andern vor-
hin (580) gedachten.
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