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Full text of "Handbuch der mathematischen und technischen chronologie"

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Handbuch 

der 

mathematischen  und  technischen 
Chronologie. 


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Aus  den  Quellen  bearbeitet 


von 


D*  •  Ludwig  Ideler  , 

Röniglicbmi   Astronomen,     ordcntliebcm    Professor   an    der   ÜniTersitit    xn    Berlin, 

Mitglied«    der    Köoigl.    PreaCiiscben    Akademie    der   Wissenschafiea 

nnd  Correspondefeten   der  Göttiager  Societät. 


Erster  Band» 


»e«C  »)P'^-  ^'  >»>» 


Berlin ,    bei   August  Rücker. 
1826. 

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muscu  coui 


Vorrede. 


D. 


^ie  Nachsicht^  mit  der  die  vor  neunzehn  Jahren 
Ton  mir  ans  Licht  gestellten  historischen  Unter- 
suchungen über  die  astronomischen  Beobachtim«? 
gen  der  Alten  aufgenommen  worden  sind^  hat 
mich  aufgemuntert ,  meinen  Fleifs  Torzugsweise 
auf  chronologische  Forschungen  zu  richten. 

Bei  näherer  Bekanntschaft  mit  diesem  Zweige 
der  Litteratur  überzeugte  ich  mich,  dafs,  abge- 
sehen yon  einigen  nicht  unyerdienstlichen  Com^ 
pendien,  es  noch  an  einem  ausführlicheren  Werke 
fehle,  aus  dem  der  Geschichtforscher^  der  Philo- 
log;  der  Astronom,  kurz  jeder  wissenschaftlich 
gebildete  Mann ,  ohne  die  tiefgelehrten  und  nur 
zu  oft  einander  widersprechenden  Werke  der 
Scaliger,  Petavius  und  anderer  Heroen  des  Fachs 
mühsam  yergleichen ,  oder  gar  in  den  Quellen  selbst 
forschen  zu  dürfen,  sich  eine  klare Uebersicht  über 
die  Zeitrechnung  älterer  und  neuerer  Völker  zu 


IV  Vorrede. 

verschaffen  im  Stande  sei.  Ein  solches  liefern  zu 
können,  ist  seit  Jahren  mein  unahlässiges  Studium 
gewesen.  Nachdem  ich  einzelne  Theile  der  Zeit- 
kunde in  akademischen  Abhandlungen  bearbeitet/ 
und  über  die  gesammteWissenschaft  "wiederhohlte 
Vorlesungen  bei  der  hiesigen  Universität  gehalten 
habe,  trete  ich  nun  mit  dem  ersten  Bande  eines 
Handbuchs  der  mathematischen  und  tech- 
nischen Chronologie  hervor,  dem  in  Jahresfrist 
ein  zweiter  folgen  soll. 

Es  kam  zunächst  darauf  an,  die  mathema- 
tisch« Chronologie,  die  in  den  Lehrbii ehern 
der  Sternkunde  nur  gelegentlich  und  fragmenta- 
risch abgehandelt  zu  werden  pflegt,  als  ein  wissen- 
schaftlich begründetes  Ganze  darzustellen ,  das  in 
dem  Labyrinth  der  historischen  Chronologie  als 
Faden  dienen  könne. 

'  Aus  der  letztem,  wenn  sie,  ihrem  eigentlichen 
Wesen  nach,  als  eine  Hülfswissenschaft  der  Ge- 
schichte, und  nicht  als  ein  gestaltloser  Theil  der- 
selben erscheinen  sollte,  mufsle  alles  abgesondert 
werden,  was  nicht  unmittelbar  auf  die  bei  den  ver- 
schiedenen Völkern  gebräuchliche  Zählungsweise 
der  Tage,  Monate  und  Jahre  Bezug  hat.  Um  an- 
zudeuten, dafs  ich  mir  diese  Absonderung  zum  Ge- 
setz gemacht  habe ,  gebe  ich  ihr  den  Namen  der 
technischen  Chronologie.  Man  suche  also  in 
meinem  Buche  nur  Forschungen  über  diejenigen 


Vorrede.  v 

Epochen  der  Weltgeschichte^   ah  die  sich  Jahr* 
Rechnungen  gereiht  hahen. 

Nach  einer  Einleitung ,  ^welche  die  allgemei- 
nen Begriffe  überZeiteintheilung  enthält,  gehe  ich 
die  einzelnen  Völker  durch ,  deren  Zeitrechnung 
sich  auf  eine  eigenthümliche  Weise  gestaltet  hat. 
Dem  Entwickelungsgange  der  Wissenschaft  ge- 
mäfs  mache  *ich  mit  den  Aegyptern  den  Anfang, 
auf  dieichdie  Babylonier,  Griechen,  Mace- 
donier,  Syrer  und  Hebräer  folgen  lasse.  Die 
letztem,  von  meinen  Vorgängern  gewöhnlich  oben- 
an gestellt,  spielen  in  meinemWerk  eine  etwas  un- 
tergeordnete Rolle.  Man  tadle  mich  defshalh  nicht 
eher;  als  bis  man  meine  Darstellung  ihrer  Zeitrech- 
nung gelesen  hat.  Was  in  derselben  wissenschaft- 
lich ist,  hat  sich  erst  spät  ausgebildet. 

Im  zweiten  Bande  wird  von  den  Zeitrechnungen 
der  Römer,  Christen,  Araber,  Perser  und 
Türken  gehandelt  werden.  Die  ost- asiatischen 
Völker,  die  Hindus  und  Chinesen,  sehe  ich  mich 
leider  genöthigt  von  meinem  Plan  auszuschliefsen. 
Ich  habe  öfters  versucht,  mich  in  ihre  Zeitrech- 
nung hineinzuarbeiten ;  es  hat  mir  aber  nie  gelin- 
gen wollen,  vermuthlich  weil  die  Quellen,  aus  de- 
nen ich  bei  meinem  Mangel  an  Bekanntschaft  mit 
ihren  Sprachen  allein  schöpfen  konnte,  zu  dürftig 
flössen .  Tüchtige  Kenner  des  Sanskrit  und  des  Chi- 
nesischen, die  zugleich  Astronomen  genug  sind, 


Ti  Vorrede. 

werden  uns  einst  über  die  Jahrf ormen  und  Jahr- 
rechnungen dieser  Völker  belehren  und  hoffentlich 
darthim,  dafs  es  ihnen  nicht  an  einer  festen  Theo- 
rie mangele. 

Eine  Reihe  Zusätze,  die  zu  lang  waren,  um 
als  Anmerkungen  unter  dem  Text  Platz  £nden  zu 
können,  und  ein  Tollstandiges  Register  werden 
das  Ganze  beschliefsen. 

Mein  Buch  wird  yermuthlich  das  Schicksal  ha- 
ben,  dafs  es  einige  Leser,  besonders  solche,  die  mit 
einzelnen  von  mir  behandelten  Gegenständen  ver- 
traut sind,  zu  leicht  und  andere  zu  schwerfällig 
gearbeitet  finden  werden.  Dafs  sich  manche  Ge- 
genstände erschöpfender  hätten  vortragen  lassen, 
räume  ich  gern  ein;  allein  ich  wollte  eine  Ueber- 
sicht  geben,  die  leicht  durch  eine  tiefer  greifende 
Erörterung  des  Einzelnen  hätte  verdunkelt  werden 
können,  zugleich  aber  auch  die  Ergebnisse  der  bis- 
herigen chronologischen  Untersuchungen  überall 
gehörig  begründen ,  was  nur  dadurch  geschehen 
konnte,  dafs  ich  die  Beweisstellen  sorgfältig  und 
zuweilen  in  der  Ursprache  anführte.  Die  griechi- 
schen Citate  sind,  wo  nicht  schon  der  Zusammen- 
hang ihren  Sinn  deutlich  zu  erkennen  gab,  über- 
setzt worden. 

Den  Gelehrten,  die  mir  über  Einzelnes  Winke, 
Ideen  und  Notizen  mitgetheilt  haben,  statte  ich 
meinen   tiefempfundenen  Dank  ab.     Besonders 


Vorrede.  TU 

fühle  ich  mich  m  dieser  Hinsicht  meinen  CoUeg^i 
HerrenBessel^  Böckh  cmdButtmann  yer^ 
pflichtet.  Die  beiden  letztem  hab^i  sich  aufser- 
dem  noch  kein  geringesYerdienst  nm  meine  Arbeit 
durch  Uebernahme  einer  ^Revision  der  Driiclübou 
gen  erworben.  Mit  ihrer  Beihülfe  wird  es  mir 
gelungen  sein^  bedeutende  Druckfehler  2u  yer^ 
meiden,  die  in  einem  so  sehr  mit  Citaten  angefüH- 
ten  Buche  doppelt  lästig  sein  würden.  An  dem 
Aeufsem  des  Drucks  wird  man  schwerlich  etwas 
zu  tadehi  finden.  Es  gereicht  unserer  neuen  aka- 
demischen Officin  sehr  zur  Empfehlung. 

"VVenn  meine  Bearbeitung  der  hebräischen  Zeit- 
rechnung in  den  Augen  der  Kenner  einiges  Ver- 
dienst haben  sollte^  so  yerdanke  ich  dies  grofsen- 
theils  Hrn.  Baruch  Auerbach.  Dieser  junge 
hiesige  Gelehrte,  der  sich  eben  so  sehr  durch  ein 
gründliches  Wissen  auszeichnet,  wie  durch  sein 
schon  öffentlich  anerkanntes  Bestreben,  ächte  Re- 
ligiosität unter  seinen  Glaubensgenossen  zu  yer- 
breiten,  hat  die  Stellen  aus  dem  Thalmud  und  an- 
dern jüdischen  Büchern,  die  nächst  den  biblischen 
die  Grundlage  meiner  Untersuchung  ausmachen, 
zusammengetragen  und  mir  über  yiele  Punkte  des 
jüdischen  Ceremonialgesetzes  willkommene  Auf- 
schlüsse gegeben.  Möge  der  Werth  dieses  beschei- 
denen Mannes  bald  alle  die  Anerkennung  finden, 
dieeryerdient!  Dafs  ich  mich  auch  Hm.  Bendayid 


vm  Vorrede. 

yerbnndea  finde  y  hiabe  ich  zu  bekennen  im  Buche 
selbst  Gelegenheit  genommen. 

Noch  mufs  ich  erwähnen,  däfs  mein  verewigter 
Lehrer  Friedrich  August  Wolf  meine  Hand- 
schrift^ so  weit  sie  ^vollendet  war,  durchgesehen 
lind  manche  feine.  Bemerkung  an  den  Rand  ge- 
schrieben hat.  Das  Andenken  an  diesen  grofsen 
Alterthumsforscher  y  der  zuerst  den  Funken  des 
Bessern  in  mir  angefacht  hat,  wird  mir  stets  hei- 
lig bleiben« 

Berlin  den  4.Apnl  1825. 

£•  Ideler. 


Handbuch 

der 

mathematischen   und  technischen 
Chronologie. 


Erster    Band. 


[1] 


C/um  de  popuU  ei  civitaiis  aiicuius  civäibus  annis  ac  tempori^ 
bus  agitur,  non  illud,  opinor,  verum  est,  quod  ingeniöse  quis- 
que  Qc  sübtiliter  ejffinxerit,  sed  quod  expressis  auctoritaiibus 
aut  non  dubiis  argumentis  receptum  apud  illos  atque  usitatum 
Jiiisse  comprobarii.  Sexceniis  enim  modis  conformari  perio^ 
dus  aliqua  polest,  si  ingenio  obsequi,  et  quod  quisque  cogi- 
tando  consequi  potuerit,  id  veteribus  assignare  iiceat, 

Pbtavius. 


Vorwort. 


W> 


ir  seilen  die  Sonne  am  Morgen  aufgebea,  m 
Mittage  ihren  höchsten  Stand  erreichen  und  amAhend 
sich  wieder  unseren  Blicken  entziehen.  Während  dessen 
gehen  in  und  um  una  vielerlei  Dinge  yor,  die  eben  so 
wie  die  verschiedenen  Stände  der  Sonne  auf  einander 
folgen.  Aus  allen  diesen  Dingen  bilden  wir  in  unse- 
rer YorsteUung  eine  zusammenhängende  Reihe ,  in  der 
jedes  seine  bestimmte  Stelle  hat. 

Diese  Reihe  wird  Zeitfolge,  jede  einzelne  Stelle 
derselben  Zeitpunkt,  Moment,  Augenblick,  und, 
was  auf  einerlei  Zeitpunkt  trifft,  gleichzeitig  genannt. 
Der  Abstand  zweier  Zeitpunkte  heifst  ein  Zeitraum, 
und  die  ganze  Vorstellung  der  Reihe  die  Zeit. 

Die  Zeit  ist  also  nichts  objektives  oder  ausser 
uns  vorhandenes,  sondern  etwas  subjektives,  nämlich 
die  Vorstellungsart  oder  Denkform ,  nach  der  wir  die 
auf  einander  folgenden  Dinge  ordnen ,  so  wie  wir  mit 
dem  Worte  Raum  die  Vorstellung  von  dem  Nebenein- 
andersein der  Körper  und  ihrer  Theile  bezeichnen. 

In  der  Zeitfolge  liegen  einzelne  Punkte  näher  oder 
weiter  von  einander  entfernt.  So  ist  der  Zeitraum  vom 
Au%ange  der  Sonne  bis  zu  ihrem  Untei^nge  doppelt 


4  Vorwort. 

so  grols,  als  der  von  ihrem  Aufgange  bis  zum  Hittage, 
und  die  Woche  siebenmal  länger  als  der  Tag.  Man 
sieht,  wie  sich  ein  Zeitraum  mit  dem  andern  vergleichen 
und  durch  ihn  bestimmen ,  mit  Einem  Wort ,  messen 
läfst ;  denn  messen  heilst  nichts  anders  als  unter- 
suchen, wie  oft  eine  bekannte  Gro(se,  die  Einheit,  in 
einer  unbekannten  von  derselben  Art  enthalten  ist. 

Bei  allem  Messen  ist  als  Einheit  oder  Maafs  eine 
Gro&e  zu  wählen,  von  der  jedermann  eine  deutliche 
Yorstellmig  hat.  Um  eine  solche  zur  Ausmessung  der 
Zeit  zu  einhalten,  müssen  wir  auf  den  Begriff  der 
gleichförmigen  Bewegung  zurückgehen,  das  ist, 
derjenigen  Bewegung,  bei  der  ein  Körper  in  gleichen 
Zeiträumen  gleiche  Wege  zurücklegt.  ^  Sehen  wir  eine 
solche  vor  sich  gehen,  so  schlieisen  wir  von  dem  zu- 
rückgelegten Wege  auf  die  dazu  erforderliche  Zeit,  und 
können  nun  die  Zeit,  die  zu  irgend  einem  bestimm- 
ten W^  gehölt,  als  das  Maais  für  alle  übrigen  Zeiten 
gebrauchen. 

Die  Kunst  verschafll  uns  Werkzeuge,  die  eine 
gleichförmige  .Bewegung  unterhalten  und  zugleich  die 
Räume  angeben,  durch  welche  dieselbe  von  einem 
Zeitpunkte  zum  andern  fortschreitet.  Solche  Werkzeuge 
heifsen  Uhren.  Ein  gewisser  vom  Zeiger  bezeichneter 
Zeitraum  wird  eine  Stunde  genannt,  imd  diese  Stimde 
kann  als .  Zeitmaais  dienen. 

Allein  nicht  zu  gedenken,  dafs  auch  die  besten 
Uhren  keinen  vollkommen  gleichförmigen  Gang  haben 
und  daher  einer  stäten  Kontrole  bedürfen ,  ist  ihr  Ge- 
brauch viel  zu  eingeschränkt,  als  dafs  sie  ein  allge- 
mein gültiges  Zeitmaals  abgeben  könnten.  Ein  solches 
kann  uns  nur  der  Himmel  gewähren. 


Vorwort.  5 

Wir  sehen  nämlicb  am  Himmel  Bewegungen  voiv 
gehen,  die  entweder  ganz  oder  beinahe  gleichförmig 
sind,  und  sich,  wenn  sie  ein  gewisses  Ziel  erreicht 
haben,  unaufhörlich  erneuen.  Vollkommen  gleichföjv 
mig  ist  der  durch  den  täglichen  Umschwung  der  Erde 
bewirkte  scheinbare  Umlauf  der  Sterne.  Der  Zeitraum, 
in  welchem  derselbe  erfolgt,  wird  ein  Sterntag  ge- 
nannt, und  an  solchem  würden  wir  ein  unwandelbares 
Zeitmaafs  haben,  wenn  wir  im  bürgerlichen  Leben  6e^ 
brauch  davon  machen  wcdlten. 

Wir  ziehen  aber  die  auffallenden,  wenn  gleich 
nicht  ganz  gleichförmigen  Bewegungen  der  Sonne  und 
des  Mondes  vor,  der  beiden  Körper,  die  einen  so  ent- 
schiedenen Einflufs  auf  unser  ganzes.  Sein  und  Thun 
haben.  Ihre  Umläufe  sind  es ,  wodurch  die  Zeiträume 
bestimmt  werden,  die  wir  Tag,  Monat  und  Jahr  nen- 
nen, und  zur  Ausmessung  aller  übrigen  gebrauchen. 

Die  Wissenschaft ,  welche  die  eben  genannten  Zeit- 
einheiten einzeln  und  in  ihren  Verhältnissen  zu  einan- 
der betrachtet  und  untersucht,  wie  sie  von  den  ver- 
schiedenen Völkern  zur  Messung  der  Zeit  angewendet 
worden  sind,  wird  Chronologie  oder  Zeitkunde 
genannt. 

Sie  zerfällt  in  den  theoretischen  und  angewandten 
Theil,  oder  in  die  mathematische  und  historische 
Chronologie.  Die  erste  stellt  alles  das  zusammen,  was 
die  Sternkunde  von  den  Bewegungen  der  Himmelskör- 
per lehrt,  in  so  fem  es  auf  die  Bestimmung  und  Ver- 
gleichung  der  Zeiteinheiten  Bezug  hat.  Die  andere 
zeigt,  wie  die  Anordner  des  bürgerlichen  Lebens  die 
Zeit  von  jeher  eingetheilt  haben,  und  wie  hiemach 
die  Begebenheiten  der  Völker  in  ein  richtiges  Zeit-Ver- 


6  V  o  r  .w  o  r  t. 

halmÜB  zu  bringen  sind.  Letztere  wollen  wir  die  tech- 
nische nennen^  indem  wir  von  ihr  alles  das  ahson« 
dem  und  in  die  Geschichte  verweisen,  was  nicht  un- 
mittelbar die  Zählung  der  Tage,  Monate  und  Jahre 
betrifft. 

Dafs  ohne  die  mathematische  Chronologie  keine 
gründliche  Einsicht  in  die  technische  möglich  sei,  ist 
dben  so  einleuditend ,  als  dafs  die  letztere  dem  Ge- 
schichtforsdier  unentbehrlich  ist.  Jene  wird  gewöhn- 
lich in  den  Lehi*büchem  der  Sternkunde  ,  und  diese 
unter  den  Hülfswissenschaften  der  Geschichte  kurz  ab- 
gehandelt. Hier  sollen  beide  zu  einem  selbständigen 
Ganzen  mit  einander  verbunden  werden. 


Erster  Theil. 
Mathematische  Chronologie. 


n/wwyww*/% 


B. 


lei  der  ersten  Betrachtung  des  Weltgiebäudes  fehlt  es 
uns  an  allen  Gründen  zur  Bestimmung  der  Entfernun- 
gen, Grofsen  und  wahren  Bewegungen  der  Weltkörper. 
Wir  können  zwar  die  scheinbare  Entfernung  zweier 
Sterne  oder  den  Winkel  messen ,  den  die  zu  ihnen  ge- 
zogenen Gesichtslinien  einschliefsen :  allein  iiber  die 
Länge  derselben  sagt  uns  unser  Auge  nichts,  daher 
wir  uns  geneigt  finden,  alle  Gesichtslinien,  die  wir 
nach  dem  Weltraum  hinaus  ziehen,  fiir  gleich  lang  zu 
halten,  und  uns  die  Himmelskörper  au  einer  uns  um- 
gebenden Kugel  gleichsam  angeheftet  vorzustellen. 

Diese  Kugel  findet  zwar  nur  in  unserer  Einbil- 
dung Statt ;  sie  kann  jedoch ,  wenn,  wie  in  der  Chro- 
nologie, blois  von  den  scheinbaren  Bewegungen  der 
Weltkörper  die  Rede  ist,  den  richtigen  Begriflen  un« 
beschadet,  als  wirklich  gedadbt  weiden.  Ihrem  Umfange 
werden  eben  so,  wie  jedem  andern  Kreise,  dreihundert 
und  sechzig  Grade  gegeben,  und  die  Bogen  desselben 
zum  Maafs  der  scheinbaren  Entfernungen,  Grössen  und 
Bewegungen  gebraucht. 


8  Mathematische  Chronologie. 

Wenn  wir  uns  in  einem  flachen  Lande  oder  auf. 
dem  oflenen  Meere  von  einem  der  Erdoberfläche  nahen 
Standpunkte  nach  allen  Seiten  hin  frei  umsehen  kön- 
nen, so  hat  es  den  Anschein ,  als  ob  wir  uns  in  der 
Mitte  einer  kreisförmigen  Ebene  befänden,  auf  welcher 
der  Himmel  in  Gestalt  eines  Gewölbes  ruht.  Der  Um- 
fang dieser  Ebene,  oder  der  Kreis,  in  welchem  sie 
den  Himmel  zu  berühren  scheint,  wird  Horizont  oder 
Gesichtskreis  genannt.  Die  Hinpnelskugel  wird  da- 
durch in  die  sichtbare  und  unsichtbare ;  oder  in 
die  obere  und  untere  Hälfte  getheilt.  Die  Him- 
melskörper gehen  auf  oder  unter,  wenn  sie  aus  der 
einen  Halbkugel  in  die  andere  übertreten. 

Eine  gerade  Linie,  die  in  unserm  Standpunkte 
senkrecht  auf  der  Ebene  des  Horizonts  steht,  geht  auf- 
wärts zum  höchsten  Punkt  der  sichtbaren  Halbkugel, 
und  unterwärts  zum  tiefsten  der  unsichtbaren.  Jener 
heiist  Zenit  oder  Scheitelpunkt,  dieser  Nadir 
oder  Fufspunkt.  Die  gerade  Linie  selbst  wird  Ver- 
tikal- oder  Scheitellinie  .genannt.  Sie  trifll  mit 
der  Richtung  des  freien  Falls  der  Körper  zusammen, 
und  wird  durch  ein  Bleiloth  sinnlich  dargestellt.  Jede 
gerade  Linie  oder  Ebene,  auf  der  sie  senkrecht  steht, 
heilst  eine  horizontale.  Die  Oberfläche  stillstehen- 
der Gewässer  gibt  zunächst  an  unserm  Standpunkte 
ein  Bild  der  horizontalen  Lage.  Kreise.,  nach  jeder 
beliebigen  Richtung  durch  Scheitel  -  und  Fufspunkt 
gelegt,  werden  Vertikal-  oder  Scheitelkreise  ge- 
nannt. Sie  dienen  zur  Bestimmung  der  Höhe  der 
Himmelskörper,  das  ist  ihres  Abstandes  vom  Horizont 
in  Graden  der  Himmelskugel.  Ein  Stern  hat  keine 
Höhe,  wenn  er  auf-  oder  untergeht,  und  seine  gröist- 


Matliematisclie  Chronologie.  9 

mögliche  Höhe  von  neunzig  Graden,  wenn  er  im  Schei- 
telpunkte steht. 

Der  Horizont  und  die  Yertikalkreise  sind  gröfste 
Kreise  der  HimmelskugeL  So  nennt  man  die  Kreise 
einer  Kugelfläche,  deren  Ebene  durch  den  Mittelpunkt 
der  Kugel  geht.  Alle  andere  Kreise  werden  kleinere 
genannt. 

In  einer  heitern  Nacht  nehmen  wir  am  Himmel 
eine  Menge  glänzender  Punkte  wahr,  die  in  Fixsterne 
und  Planeten  unterschieden  werden.  Jene  ändern 
ihren  Ort  an  der  Himmelskugel  dem  Anschein  nach 
nicht,  so  dafs  sie  immer  gleiche  Gruppen  bilden. 
Diese  rücken  auf  eine  leicht  bemerkliche  Weise  allmä- 
lig  von  einem  Fixstern  zum  andern  fort.  Der  Planeten 
sind,  so  viel  wir  bis  jetzt  wissen,  nur  zehn,  von  de« 
nen  das  blofse  Auge  fiinf  bis  sechs  unterscheidet.  Hiezu 
kommen  noch  die  Trabanten  oder  Nebenplane- 
ten, von  denen  sich  durch  Femröhre  einige  der  Haupt- 
planeten begleitet  zeigen,  und  die  Kometen,  die  in 
auffallenden  Gestalten  immer  nur  auf  eine  kurze  Zeit 
erscheinen.  Die  Sternkunde  lehrt,  dafs  die  Sonne  zu 
den  Fixsternen,  die  Erde  zu  den  Planeten  und  der 
Mond  zu  den  Trabanten  gehört« 

Wenn  wir  den  Himmel  in  einer  heitern  Nacht 
au&nerksam  beobachten,  so  machen  wir  bald  die  Be- 
merkung, dafs  die  (Tcstime  in  Yergleichung  mit  irdi- 
schen Gegenständen  ihren  Ort  verändern.  Hier  kom- 
men Sterne  zum  Vorschein,  die  kurz  vorher  nicht 
sichtbar  waren ;  dort  verlieren  sich  andere,  die  so  eben 
noch  hell  glänzten.  Hier  stehen  einige  hoch,  die  erst 
niedrig,  dort  andere  niedrig,  die  erst  hoch  standen, 
und    alles    dies    ohne    Aenderung    ihrer   gegenseitigen 


10  MathenuUische  Chronologie. 

Slellung.  Nach  etwa  vier  und  swanzig  Stunden  leigt 
sich  der  Himmel  wieder  in  derselben  Lage,  wie  er  uns 
zuerst  erschien.  Es  hat  also  das  Ansehen,  ab  ob  sich 
die  ganze  Himmelskugel  mit  allem,  was  daran  glänzt, 
in  vier  und  zwanzig  Stunden  um  unsere  Erde  drehe. 
Diese  Bewegung  wird  die  gemeine  (gemeinschaftliche), 
erste  oder  tägliche  genannt. 

Die  beiden  Punkte  der  Himmekkugel,  deren  Stelle 
hiebet  ung«andert  bleibt,  heiisen  die  Weltpole,  der 
eine,  imd  zwar  der  in  unsem  Gegenden  sichtbare, 
der  Nordpol,  der  gegenüber  liegende  der  Südpol. 
Die  gerade  Linie,  die  beide  verbindet,  wird  dieWelt- 
axe,  und  der  grö&te  Kreis,  dessen  Ebene  die  Axe 
senkrecht  durchschneidet,  der  Aequator  genannt.  Dio 
ser  überall  um  neiuizig  Grad  von  beiden  Polen  entfernte 
Kreis  theilt  die  Kugel  in  die  nördliche  imd  süd- 
liche Hälfte.  Jeder  Stern  beschreibt  zufolge  der  täg- 
lichen Bewegung  entweder  den  Aequator  oder  einen 
kleinem  ihm  parallel  liegenden  Kreis.  Diese  Kreise 
werden  Parallelen  oder  Tageskreise  genannt.  Sie 
verjüngen  sich  nach  den  Polen  hin,  daher  die  tägliche 
Bewegung  um  so  langsamer  erscheint,  je  näher  der 
Stern  dem  Pol  ist.  Im  Aequator,  dem  git>(sten  aller 
Tageskreise,   ist  sie  am  schnellsten. 

Der  Yertikalkreis ,  der  durch  die  beiden  Weltpole 
geht,  wird  der  Meridian  oder  Mittagskreis  ge- 
nannt, weil  ihn  die  Sonne  bei  der  täglichen  Bewegung 
des  Mittags  erreicht.  Die  nach  seiner  Richtung  lie* 
gende  Horizontallinie  heiist  die  Mittagslinie.  Sic 
wird  durch  den  Sdiatten ,  den  ein  Bleiloth  im  Augen- 
Uidie  des  Mittags  wirft,  sinnlich  dargestellt.  Die 
Punkte,  in  denen  sie  den  Horizont  schneidet,    werden 


Mathematisclie  Chronologie.  11 

Nord-  und  Südpunkt  genannt;  jener  li^t  iur  uns 
senkrecht  unter  dem  Nordpol,  dieser  senkrecht  unter 
dem  Stande  der  Sonne  zu  Mittage.  In  der  Mitte  swi« 
sehen  beiden  befinden  sich  der  Ost-  und  Westpunkt, 
fiir  unser  gegen  Süden  gerichtetes  Auge  jener  links, 
dieser  rechts.  In  ihnen  durchschneidet  der  Aequator 
den  Horizont.  Der  Meridian  theilt  die  Himmelskugel 
in  die  östliche  und  westliche  Hälfte.  In  jener 
gehen  die  Weltkörper  auf,   in  dieser  unter. 

Der  Bogen  des  Meridians  zwischen  dem  Nordpol 
und  dem  Nordpunkt,  oder  der  Winkel,  unter  welchem 
dieWeltaxe  gegen  den  Horizont  gerichtet  ist,  wird  die 
Polhöhe,  und  der  Bogen  des  Meridians  zwischen  dem 
Aequator  und  dem  Südpunkt,  oder  der  Winkel,  unter 
welchem  sich  die  Ebenen  des  Aequators  und  des  Ho-* 
rizonts  schneiden,  die  Aequatorhöhe  genannt.  Beide 
Höhen  erganzen  einander  zu  neunzig  Grad.  Jener  be- 
trägt für  Berlin  zwei  und  fünfzig  und  einen  halben, 
dieser  sieben  und  dreiisig  und  einen  halben  Grad. 

Aus  den  bisher  erklärten  Begriffen  ei^eben  siiJi 
leicht  folgende  Erscheinungen  der  täglichen  Bewegung. 
Sämmdiche  Sterne  durchschneiden  den  Horizont  unter 
einem  der  Aequatorhöhe  gleichen  Winkel.  Die  Gegend, 
in  der  sie  auf-  oder  untergehen,  ist  eben  so  verschie- 
den, als  die  Dauer  ihrer  Sichtbarkeit.  Die  Entfemui^g 
des  aufgehenden  Sterns  vom  Ostpunkt  wird  seine  Mor- 
gen weite,  und  die  Entfernung  des  untei^henden 
vom  Westpunkt  seine  Abendweite  genannt.  Die 
Morgen-  und  Abendweite,  die  bei  jedem  Fixstern  von 
gleicher  Gröfse  sind,  werden  um  so  gröfser,  je  ent- 
fernter er  vom  Aequator  ist.  Ein  Stern  im!  Aequator 
selbst  hat  keine  Moi*gen-  und  Abendweite.     Der  über 


12  Matiiematische  Chronologie. 

dem  Horizont  liegende  Theil  eines  Tageskreües  hei&t 
der  Tagbogen,  der  unter  ihm  liegende  der  Nacht- 
bogen. Bei  den  nördlichen  Sternen  ist  fiir  uns  der 
Tagbogen,  mithin  die  Dauer  ihrer  Sichtbarkeit,  grö&er 
als  der  Nachtbogen  und  die  Dauer  ihrer  Unsichtbarkeit. 
Bei  den  südlichen  findet  das  Gegentheil  Statt*  Die  Ver- 
schiedenheit des  Tag-  und  Nachtbogens,  also  auch  der 
Dauer  der  Sicht«-  und  Unsichtbarkeit,  nimmt  mit  der 
Entfernung  der  Sterne  vom  Aequator  zu.  Wenn,  vrie 
bei  uns,  der  Nordpol  in  ansehnlicher  Höhe  über  dem 
Horizont  liegt,  so  mufs  ein  groiser  Theil  der  nörd- 
lichen Sterne  seine  Tageskreise  ganz  über  dem  Horizont 
beschreiben.  Man  sieht,  dals  dies  bei  allen  den  Ster- 
nen der  Fall  sein  wird,  deren  Abstand  vom  Pol  gerin- 
ger als  die  Polhöhe  ist.  Alle  Tag  -  und  Nachtbogen 
Mrerden  vom  Meridian  halbirt;  ein  jeder  Fixstern  ist 
also  auf  der  Mitte  seines  Weges  vom  Auf*  bis  zum 
Untergange  oder  umgekehrt,  wenn  er  durch  die  über 
oder  unter  dem  Horizont  liegende  Hälfte  des  Meridians, 
oder,  wie  man  sich  ausdrückt,  durch  den  obern  oder 
untern  Meridian  geht.  Im  obern  erreicht  er  seine 
größte  Höhe,  die  sogenannte  Mittagshöhe.  Man 
sagt  dann,  dais  er  culminire.  Die  Mittagshöhe  ist 
entweder  der  Aequatorhöhe  gleich,  oder  gröfcer,  oder 
kleiner,  je  nachdem  der  Stern  entweder  im  Aequator, 
oder  nord-  oder  südwärts  von  demselben  steht.  Jeder 
nie  untergehende  Stern  durchschneidet  b^i  seinem  Um- 
lauf den  obern  Meridian  zweimal ,  einmal  über ,  ein- 
mal unter  dem  Pol.  Im  letztern  Falle  sagt  man,  dafs 
er  im  nördlichen  Meridian  stehe. 

Die  Astronomie  beweiset,     dais  die   tägliche  Um- 
drehung der  Himmelskugel  von  Osten  gegen  Westen 


Mathematisclie  Chronologie.  13 

nur  scheinbar,  nämlich  eine  blofse  Folge  des  in  entge-. 
gengeseteter  Richtung  mit  vollkommener  Gleichförmig« 
keit  von  Statten  gehenden  Umschwungs  der  kugelartig 
gestalteten  Erde  ist.  Letztere  hat  hierbei,  eben  so  wie 
die  Himmelskugel,  ihre  Axe,  ihre  Pole,  ihren  Aequator 
und  ihi«  nördliche  und  südliche  Halbkugel. 

Bei  dem  geringsten  Nachdenken  über  Ursache  und 
Wirkung  sieht  man,  dais  die  Himmelsaxe  die  verlän- 
gerte Erdaxe  ist,  dafs  die  Hinunelspole  senkrecht  über 
den  Erdpolen  liegen,  und  der  Himmelsäquator  durch 
die  erweiterte  Ebene  des  Erdäquators  bestimmt  wird, 
so  da&  man  also  in  einem  der  Erdpole  einen  Himmels* 
pol  im  Zenit,  und  den  Himmelsäquator  im  Horizont, 
hingegen  im  Erdäquator  den  Himmelsäquator  im  Zenit 
und  die  Hinunelspole  im  Horizont  haben  müsse.  Die 
erste  dieser  beiden  Stellungen  der  Himmelskugel  wird 
die  parallele,  die  zweite  die  gerade  oder  senk- 
rechte genannt,  weil  in  jener  sich  alle  Sterne  paral« 
lel  mit  dem  Horizont,  in  dieser  senkrecht  gegen  den- 
selben bewegen.  An  jedem  andern  Ort  der  Eirdober- 
fläche  sieht  man  die  Himmelskugel  schief,  d.  i.  alles 
in  schräger  Richtung  auf-  und  absteigen.  Auch  be* 
greift  man  leicht,  dais  die  jedesmalige  Lage  der  Him* 
melskugel  durch  unsere  Stellung  auf  der  Erdoberfläche 
dergestalt  bedingt  wird,  dais  die  Polhöhe  immer  un- 
serm  Abstände  vom  Aequator  gleich  ist.  Zwei  Erdbe- 
wohner, die  sich  in  den  beiden  Enden  von  einerlei 
Durchmesser,  also  in  entgegengesetzter  Richtung  befin- 
den, und  daher  Antipoden  oder  Gegenfüfser 
genannt  werden,  haben  einerlei  Horizont  und  einerlei 
Lage  der  Himmelskugel ,  aber  entg^ngesetzte  Erschei- 


14  Mathematische  Chron(Jogie. 

nungen  der  täglichen  Bew^ung.  Eigentlich  sind  ihre 
Horizonte  um  den  Durchmesser  der  Erde  von  einander 
entfernt.  Allein  die  Erdkugel  ist  in  Vergleichnng  mit 
der  Himmelskugel,  an  der  die  unermelslich  entfernten 
Fixsterne  glänzen,  ein  blofser  Punkt,  so  dafs  wir  uns 
überall  auf  der  Erdoberfläche  als  im  Mittelpunkt  der 
Himmelskugel  befindlich  betrachte  können.  Ob  übri- 
gens die  Erde  eine  Tollkommene  Kugel  sei,  oder  ihre 
Gestalt  sich  nur  der  einer  Kugel  nähere,  ist  eine  Frage, 
auf  deren  Beantwortung  hier  nicht  eingegangen  wer- 
den kann. 

Der  Zeitraum ,   in  welchem  sich  die  Himmelskugel 
einmal  ganz  umschwingt,  wird  ein  Stern  tag  genannt. 
Um  ihn  genau  abzumessen,  stellen  die  Astronomen  ein 
Fernrohr  dergestalt  auf,    dafs  ein   in  der  Mitte  seines 
Gesichtsfeldes  vertikal  ausgespannter  Faden  allemal  den 
üferidian  bezeichnet,  in  welche  Neigung  gegen  den  Ho- 
rizont man  es  auch  bringen  mag.      Bei  dieser  Einrich- 
tung wird   dasselbe  ein  Mittagsfernrohr  genannt. 
Wird  nun  eine  Pendeluhr,  deren  Gang  sich  durch  Er- 
höhung oder  Vertiefung  der  Linse  beschleunigen  oder 
verzögern   läist,    so   gestellt,    dafs  sie   ihre  vier  und 
zwanzig  Stunden  aDemal  zu  zählen  anfimgt,    wenn  ir- 
gend ein  ausgezeichneter  Stern   culminirt,    so   gibt   sie 
Sternzeit  an.     Während  der  vier  und  zwanzig  Stun- 
de oder  des  Stemtages  schieben  sich  alle  dreihundert 
und  sechzig  Grad  des  Aequators  durch   den  Meridian, 
während  einer  Stunde  funfeehn  Grad,    während  einer 
Zeitminute  fünfzehn  Bogenmiuuten.    Eine  solche  Stem- 
uhr  eilt  einer  nach  Sonnenzeit  eingerichteten  Pendeluhr 
täglich  um  beinahe  vier  Minuten,   monatlich  um  zwei 


Mathematische  Chronologie.  15 

Standen  und  jährlich  um  einen  ganzen  Tag  vor.  Die 
Ursache  hiervon  liegt  in  der  jährlichen  Bewegung 
der  Sonne. 

Dals  die  Sonne  kein  fester  Punkt  der  Himmekku* 
gel  sei,  lä&t  sich  nicht  so  uamittelhar ,  wie  bei  den 
andern  Weltkörpem ,  die  sich  in  gleichem  Falle  befin«> 
deUf  dem  Monde  und  den  Planeten,  wahrnehmen,  da 
sie  uns  bei  ihrer  Anwesenheit  über  dem  Horizont  durch 
ihren  überströmenden  Glanz  den  Anblick  aller  Sterne 
entzieht.  Indessen  überzeugt  sich  der  aufmerksame  Be- 
obachter der  himmlischen  Erscheinungen  leicht,  da& 
sie,  während  sie  der  täglichen,  allen  Himmdskörpem 
gemeinschaftlichen,  Bew^ung  von  Morgen  gegen  Abend 
folgt,  eine  eigene  weit  langsamere  in  entgegengesetzter 
Richtung  haben  müsse«  Sie  geht  um  Mittemacht  durch 
den  untern  Meridian.  Es  müssen  ihr  also  die  Sterne, 
die  um  Mittemacht  culminiren ,  gegenüberstehen ,  und 
man  darf  nur  fortgesetzt  auf  dieselben  achten,  um  zu 
sehen,  wie  sie  allmälig  am  Himmel  fortrückt.  Aber 
nicht  blofs  die  Erscheinung  dieser  Sterne,  sondern  das 
stets  wechselnde  Schauspiel  des  ganzen  gestirnten  Hin»» 
mels  gibt  die  eigenthüqdiche ,  gegen  Osten  gerichtete 
Bewegung  der  Sonne  zu  erkennen.  Die  Sterne,  die 
nach  ihrem  Untergange  am  Abendhimmd  stehen,  sin- 
ken nüt  jedem  Tage  tiefer  zu  ihr  hinab,  und  verlieren 
sich  endlich  ganz  in  der  Dämmerung«  Dagegen  ent- 
fernen sich  von  ihr  diejenigen,  die  vor  ihrem  Aufgange 
am  Morgenhimmel  glänzen.  Hier  zeigen  sich  immer 
andere  Sterne,  die  man  bei  einiger  Anfiaerksamkeit 
leicht  für  diejenigen  eriiennt,  die  zuvor  in  Westen  un- 
sichtbar geworden  sind.  Nach  etwa  einem  halben  Jahre 
stehen  diejenigen  Sterne,    die  sich  zuvor  in  der  Nähe 


16  Mathematische  Chronologie. 

der  Sonne  gezeigt  hatten,  ihr  gegenüber,  untei^hend 
bei  ihrem  Aufgange,  aufgehend  bei  ihrem  Untei^nge, 
und  nach  einem  Jahre  kehrt  der  ganze  Sternhimmel 
zu  ihr  in  sein  an&ngliches  Yerhältniis  zurück. 

Alle  diese  Erscheinungen  erklären  sich  ungezwungen, 
wenn  man  annimmt,  dalsdie  Sonne  in  dem  Zeitraum 
eines  Jahrs  von  Westen  gegen  Osten  um  den  Himmel 
läuft*  Dafs  dies  nicht  nach  der  Richtung  des  Aequa- 
tors  oder  eines  seiner  Parallelen  geschehen  könne ,  er- 
hellet daraus ,  dais  ihre  Mittagshöhe ,  so  wie  ihre  Mor- 
gen- und  Abendweite,  einem  stäten  Wechsel  unter- 
worfen ist."  Am  ersten  Frühlingstage  geht  sie  im  Ost— 
punkt  auf,  in  der  Höhe  des  Aequators  durch  den  Me- 
ridian und  im  Westpunkt  unter.  Sie  mufs  dann  im 
Aequator  stehen*  Hierauf  wird  ihre  Morgen-  und 
Abendweite  nördlich  und  ihre  Mittagshöhe  gröfser  als 
die  Aequatorhöhe,  woraus  erhellet,  dafs  sie  in  die  nörd* 
liehe  Halbkugel  übergetreten  ist.  Mit  dem  Anfange  des 
Sommers  erlangt  aie  ein  Maximum  von  Morgen-  und 
Abendweite,  und  zugleich  von  Mittagshöhe,  jenes  für 
unsere  G^nd  von  ein  und  vierzig,  dieses  von  ein  und 
sechzig  Grad,  worauf  sie  zum  Aequator  zurückkehrt, 
den  sie  im  An&nge  des  Herbstes  au&  neue  erreicht. 
Ihre  Morgen  -  und  Abendweite  werden  dann  südlich, 
und  ihre  Mittagshöhe  kleiner  als  die  Aequatorhöhe, 
zum  Beweise,  daß  sie  sich  in  der  südlichen  Halbkugel 
befindet.  In  dieser  verweilt  sie  eben  so  ein  halbes 
Jahr,  wie  zuvor  in  der  nördlichen,  indem  sie  in  der 
Mitte  desselben,  im  Anfänge  des  Winters,  wieder  ein 
gleiches  Maximum  von  Morgen-  und  Abehdweite,  und 
dabei  ein  Minimum  von  Mittagshöhe,  för  uns  von 
vierzehn  Grad,   erreicht. 


Mathematische  Chronologie.  17 

Die  genaue  Beobachtung  des  Wechsels  aller  dieser 
Umstände  muiste  die  Menschen  frühzeitig  auf  die  Ent- 
deckung leiten,    dals  sich  die  Sonne  in  einem  gröfsten 
Kreise  bewege,  der  den  Aequator  in  zwei  um  den  hal- 
ben Umfang  des  Himmels  von  einander  entfernt  lie- 
genden Punkten  (alle  gröfste  Kreise  halbiren  einander) 
unter   einem  Winkel   von    drei    bis  yier  und  zwanzig 
Grad  durchschneidet.     Diese  jährliche  Bahn  der  Sonne 
wird  die  Ekliptik,   und  der  Winkel,   imter  welchem 
sie  gegen  den  Aequator  gerichtet  ist,  die  Schiefe  der 
Ekliptik  genannt.     Es  sind  darin  besonders  die  um 
neunzig  Grad  von  einander  entfernt  liegenden  Aequi« 
noctial- imd  Solstitialpunkte  zu  merken*     Jene 
sind  die  Dtirchschnittspunkte   des  Aequators  und  der 
Ekliptik.     Erreicht   sie  die  Sonne,  so  ist  der  Aequator 
ihr  Tageskreb ,    und  es  herrscht  auf  der  ganzen  Erde 
Tag-   imd  Nachlgleiche.       In  dem  einen  befindet  sie 
sich   im  Anfange   unsers  Frühlings,     in    dem   andern 
im  Anfiemge  unsers   Herbstes;   jener  heifst  daher  auch 
der  Frühlings-  dieser  der  Herbstpunkt.    Die  bei- 
den Solstitialpimkte  sind  um  die  Schiefe   der  Ekliptik 
vom  Ae^quator  entfernt,    der  eine   in  der  nördlichen, 
der  andere  in  der  südlichen  Halbkugel.     Zu  jenem  ge- 
langt die  Sonne  im  Anfange  unsers  Sommers,  zu  die- 
sem im  Anfange  unsers  Winters,    daher  man  sie  auch 
den  Sommer-  und  Winter.punkt  nennt.    Solstitial- 
punkte heilsen  sie,  weil  die  Sonne  in  ihnen  die  Grenze 
ihrer  Entfernung  vom  Aequator  erreicht.      Die  Zeiten, 
wo   sie  zu  diesen  yier  Hauptpunkten   ihrer  Bahn  ge^ 
langt,   werden  die  Aequinoctien  und  Solstitien, 
oder  Nachtgleichen  imd  Sonnenwenden  genannt. 
In  der  Sprache  der  Chronologen   werden  sie  mit  dem 
I.  [2] 


18  MathematiscJte   Chronologie. 

gemeinsciiaftliGhen    Namen    der    Jabrpunkte    be- 
zeicbnet. 

Man  theilt  die  Ekliptik  in  zwölf  Bogen  zu  ]e 
dreiisig  Graden.  Diese  Zwölftel  heifsen  die  himmli- 
schen Zeichen.  Ihre  von  benachbarten  Sternbildern 
entlehnten  Namen  und  bei  den  Astronomen  gebräuch- 
lichen Charaktere  sind  folgende : 

Widder        T  Wage  )£^ 


Stier 

V 

Skorpion 

ni 

Zwillinge 

» 

Schütze 

•i^ 

KkI» 

S 

Steinbock 

^ 

Löwe 

n 

Wassermann 

a$ 

Jungfrau 

np 

.    Fiscbe 

X 

Die  drei  ersten,  Widder,  Stier,  Zwillinge,  werden 
Frühlingszeichen  genannt,  weil  sie,  zwischen  dem 
Frühlings-  und  Sommerpunkt  liegend,  von  der  Sonne 
in  unserm  Frühling  durchlaufen  werden«  Ganz  analog 
heißen  die  drei  folgenden  Sommerzeichen,  die  drei 
folgenden  Herbstzeichen,  und  die  drei  letzten  Win- 
terzeichen. Da  die  vier  Hauptpunkte  der  l^iptik 
den  Anfängen  des  Widders,  Krebses,  der  Wage  und 
des  Steinbocks  entsprechen,  so  pfi^n  die  Astronomen 
sie  auch  den  Widder-  Krebs-  Wage-  und  Stein- 
bockspunkt zu  nennen.  Die  sechs  ersten  Zeichen 
hei{sen  die  nördlichen,  die  sechs  letztem  die  süd- 
Hchen.  Eine  andere  sehr  gebräuchliche  Eintheilung 
ist  die  in  auf-  und  niedersteigende.  Zu  dien  er- 
stem gehören  Steinbock,  Wassermann,  Fische,  Widder 
Stier  und  Zwillinge,  durch  welche  die  Sonne  zu  un- 
serm Scheitelpunkt  emporsteigt,    zu   den  letztem  die 


Mathematische    Chronologie.  19 

Da  die  Sonne,  wie  jeder  andere  Punkt  dar  schein- 
baren Himmelskugel,  der  täglichen  Bewegung  folgt,  und 
zugleich  alle  Jahr  einmal  schief  gegen  den  Aequator 
um  den  Himmel  läuft,  so  begreift  man  leicht,  dafs  der 
Weg,  den  sie  zufolge  dieser  zusammengesetzten  Bewe- 
gung beschreibt,  eine  Schraubenlinie  von  einhundert 
zwei  bis  drei  und  achtzig  Gängen  sein  müsse,  in  der 
sie  sich  zwischen  dem  Winter-  und  Sommerpunkt  ab- 
wechselnd unserm  Scheitel  nähert  und  von  demselben 
entfernt.  Die  Schraubengänge  liegen  indessen  einander  so 
nahe,  dafs  man  sich  jeden  einzelnen  als  einen  Parallel 
des  Aequators  denken,  also  hier  anwenden  kann,  was 
oben  (12)  von  dem  Tag-  und  Nachtbogen  der  Tages- 
kreise gesagt  worden  ist.  Im  Frühlingsviertel  der  Eklip- 
tik entfernt  sich  die  Sonne  nordwärts  vom  Aequator. 
Ihre  Tagbogen  sind  för  uns  gröfser  als  die  Nachtbogen, 
mithin  die  Tage  länger  als  die  Nächte.  Die  Ungleich- 
heit nimmt  zu«  bis  sie  den  Sommerpunkt  erreicht,  wo 
sie  den  längsten  Tag  und  die  kürzeste  Nacht  bringt, 
für  Berlin  von  16 1  und  1\  Stunden.  Sie  nähert  sich 
hierauf  im  Sommerviertel  wieder  dem  Aequator,  wobei 
die  Tage  eben  so  abnehmen,  wie  sie  zuvor  zugenom- 
men haben.  Im  Herbstviertel  werden  umgekehrt  die 
Nächte  länger  als  die  Tage  und  die  Ungleichheit  nimmt 
zu,  bis  sie  zum  Winterpunkt  gelangt,  wo  sie  den  kür- 
scesten  Tag  und  die  längste  Nacht  gibt,  für  uns  von 
1\  und  16|-  Stunden.  Sie  kehrt  dann  im  Wintervier- 
tel mit  allmälig  zunehmender  Tageslange  atrfs  neue  zum 
Aequator  zurück. 

Die  beiden  durch  die  Himmelspole  und  zugleich 
durch  die  Aequinoctial  -  und  Solstitialpunkte  gehenden 
groisten  Kreise  werden  Koluren    oder  Jahrszeit- 

[2*1 


20  Mathematische    Chronologie. 

kreise  genannt,  der  eine  der  Aequinoctial-  der 
andere  der  Solstitialkolur.  Die  Bogen,  um  welche 
im  kutem  die  Solstitialpunkte  yom  Aequator  abweichen, 
sind  der  Schiefe  der  Ekliptik  gleich.  Eben  so  grols 
sind  die  Bogen ,  um  welche  die  Pole  der  Ekliptik  von 
den  Himmelspolen  entfernt  sind«  Die  Parallelen  des 
Aeqoators,  welche  durch  die  beiden  Solstitialpunkte 
gehen,  werden  die  Wendekreise  genannt,  der  eine 
der  nördliche  oder  der  Wendekreis  des  Krebses, 
der  andere  der  südliche,  oder  der  Wendekreis  des 
Steinbocks.  Sie  sind  als  die  Tagedueise  zu  betrach- 
ten, welche  die  Sonne  am  längsten  und  kürzesten  Tage 
beschreibt,  und  schliefiien  die  sieben  und  vieizig  Grad 
breite  Zone  ein,  in  der  sie  ihre  jährlicben  Schrauben- 
gänge macht*  Die  Parallelen,  welche  die  Pole  der 
Ekliptik  bei  der  täglichen  Umdrehung  der  Himmelsku- 
gel durchlaufen,  hei6en  die  Polarkreise,  der  eine 
der  nördliche,    der  andere  der  südliche. 

Ganz  ähnlich  liegende  Kreise,  wie  diese  Wende- 
und  Polarkreise,  finden  auch  auf  der  Erde  Statt,  wo 
sie  die  fünf  Zonen  bestimmen,  die  heifse,  die 
beiden  gemäfsigten  und  die  beiden  kalten.  Die 
heifse  Zone  zwischen  den  beiden  Wendekreisen  schlie&t 
alle  die  Länder  em,  in  deren  Scheitelpunkt  die  Sonne 
kommen  kann.  Die  beiden  kalten  innerhalb  der  beiden 
Polarkreise  bereifen  alle  die  Länder,  in  denen  die  Sonne 
einen  Theil  des  Jahrs  yon  vier  und  zwanzig  Stunden 
bis  sechs  Monat  ununterbrochen  über  und  unter  dem 
Horizont  bleibt.  Die  beiden  gemäfsigten  zwischen  den 
Wende-  und  Polarkreisen  umfassen  alle  die  Länder,  de- 
ren Scheitelpunkt  die  Sonne  nie  erreicht,  und  deren  läng- 
ster Tag  kürzer  als  yier  und  zwanzig  Stunden  ist. 


Mathematische    Chronologie.  21 

Eine  andere  Eintheilang  der  Erdol)erfläche  ist  die 
in  Klimate,  d*  i.  in  Zonen,  welche  durch  die  Dauer 
des  längsten  Tages  bestimmt  werden.  Sie  war  besondert 
bei  den  Alten  gebräuchlich«  So  nimmt  Ptolemäus 
in  seinem  grofsen  astronomischen  Werke  ^)  vier  und 
zwanzig  Klimate  für  viertelstündige  Zunahmen  der  Ta- 
geslängen von  zwölf  bis  achtzehn  Stunden ,  dann  vier 
für  halbstündige  Zunahmen  bis  zwanzig  Stunden,  femer 
vier  für  die  Tageslängen  von  ein  und  zwanzig,  zwei 
und  zwanzig,  drei  und  zwanzig  und  vier  und  zwanzig 
Stunden,  endlich  sechs  für  die  Tageslängen  von  einem 
bis  sechs  Monate  an.  Hiemach  liegt  Berlin,  wo  der 
längste  Tag  sechszehn  Stunden  sechs  und  dreifsig  Mi-' 
nuten  dauert ,   im  neunzehnten  Klima. 

Der  Aequator  durchschneidet  den  Horizont  eines 
Orts  beständig  unter  einerlei  Winkel  und  in  einerlei 
Punkten;  auch  liegt  sein  culminirender  Punkt  bestän- 
dig um  neunzig  Grad  von  dem  auf-  und  imtergehen- 
den  entfernt.  Bei  der  Ekliptik  ist  dies  alles  sehr  ver- 
änderlich* Gulminirt  der  Sommerpunkt ,  so  bildet  sie 
mit  dem  Horizont  den  möglich  gröfisten,  und  culminirt 
der  Winterpunkt,  den  mö^ich  kleinsten  Winkel.  Jener 
ist  um  die  Schiefe  der  Ekliptik  gri^r,  dieser  um  eben 
so  viel  kleiner,  als  die  Aequatorhöhe.  In  jeder  andern 
Lage  hat  der  Auf-  und  Untei^ngswinkel  irgend  einen 
mittlem  Werth.  Eben  so  veränderlich  sind  die  Punkte, 
in  denen  die  Ekliptik  den  Horizont  schneidet,  indem 
die  nördlichen  Zeichen  eine  nördliche,  die  südlichen 
eine  südliche  Morg^-  und  Abendweite  haben.  Bei 
einer  nördlichen  Morgenweite  des  aufgehenden  Punkts 


')    Almagest  II,   6. 


22  Mathemalische    Chronologie. 

liegt  der  gröfste  Theil  der  Ekliptik  und  zugleich  ihr 
köchster  Punkt  am  Morgenliinimel,  bei  einer  südlichen 
am  Abendhimmel.  Auch  die  Zeit,  in  der  sich  die  ein- 
lelnen  Zeichen  durch  den  Horizont  schieben,  ist  sehr 
yerschieden,  und  zwar  um  so  gröiser,  je  steiler  das 
jedesmalige  Zeichen  gegen  den  Horizont  gerichtet  ist. 
Nur  so  viel  bt  bei  diesem  Wechsel  oonstant,  dais  in 
jedem  Augenblick  sechs  Zeichen  über  dem  Horizont 
liegen. 

Die  Lage  eines  Sterns  an  der  Himmelskugel  ist 
bestimmt,  wenn  man  den  senkrechten  Bogen  kennt, 
um  welchen  er  von  irgend  einem  gröfsten  Kreise  ab- 
steht, und  zugleich  weifs,  wie  weit  der  Pxmkt  dieses 
Kreises,  dem  er  senkrecht  entspricht,  von  iigend  einem 
in  ihm  angenommenen  festen  Punkt  entfernt  ist.  Auf 
diese  Weise  bezieht  man  den  Ort  eines  Sterns  auf  den 
Aequator  und  auf  die  Ekliptik.  Sein  Abstand  vom 
Aequator  wird  Declination  oder  Abweichung, 
sein  Abstand  von  der  Ekliptik  Breite  genannt.  Beide 
sind  entweder  nördlich  oder  südlich,  und  werden 
von  Null  bis  neunzig  Grad  gezählt,  die  Abweichung 
in  einem  Abweichungskreise  d.i.  in  einem  gröfsten 
Kreise,  der  durch  die  beiden  Weltpole  geht,  die  Breite 
in  einem  Breitenkreise,  den  man  sich  durch  die 
Pole  der  Ekliptik  gelegt  vorzustellen  hat.  Der  vom 
Frühlingspunkt  ostwärts  bis  zum  Abweichungskreise  des 
Sterns  gerechnete  Bogen  des  Aequators  heiist  seine  Rect- 
a^cension  oder  gerade  Aufsteigung,  und  der 
von  demselben  Punkt  in  derselben  Richtung  bis  zum 
Breitenkreise  gehende  Bogen  der  Ekliptik  seine  Länge. 
Die  Grade  der  geraden  Aufsteigung  werden  von  Null 
bis   dreihundert   und   sechzig  rings    um    den  Himmel 


Maüiematische    Chronologie.  23 

gezählt,  die  Grade  der  Ekliptik  dagegen  in  den  swolf 
AJbeätzen  zu  dreifing  Graden,  wekhe  Zeichen  genannt 
werden.  Die  Längen  und  Kreiten  lassen  sich  allemal 
aus  den  geraden  Aufsteigungen  und  Abweichungen  durch 
Rechnung  herleiten*  Es  kommt  also  nur  darauf  an,  die 
geraden  Aufsteigungen  und  Abweichungen  durch  Beob* 
achtung  zu  bestimmen.  Begreiflicherweise  fällt  im  Au- 
genblick der'Guhnination  eines  Sterns  sein  Abweichungs- 
kreis mit  dem  Meridian  zusammen.  Dann  bestimmt 
seine  Mittagshöhe  verglichen  mit  der  AequatorhÖhe  seine 
Abweichung,  und  der  colminirende  Piudit  des  Aequae 
tors  seine  gerade  Aufsteigung.  Stellt  man  eine  Stem- 
uhr  so,  dafs  sie  ihre  vier  und  zwanzig  Stunden  in  dem 
Augenblick  zu  zählen  anfangt,  wenn  der  Frühlings- 
punkt culminirt,  so  geben  ihre  Zeiten,  nach  dem  Ver- 
hältnifs  von  fun£Eehn  Grad  auf  eine  Stunde  in  Bogen 
verwandelt,  die  geraden  Aufsteigungen  der  nach  einan- 
der culminirenden  Sterne  an.  Da  aber  der  Frühling»- 
punkt  kein  sichtbarer  Punkt  der  Himinelskugel  ist,  so 
kann  man  der  Uhr  diese  Stellung  erst  dann  geben, 
wenn  man  die  gerade  Aufsteigung  irgend  eines  Sterns 
kennt.  Ist  z.  B.  die  gerade  Aufsteigung  eines  Sterns 
sechs  und  siebzig  Grad,  so  hat  man  fünf  Stunden  und 
vier  Minuten  als  die  Zeit,  welche  die  Uhr  bei  seiner 
Culmination  zeigen  mufs,  wenn  sie  bei  der  des  Früh- 
lingspunkts ihren  Stundenkreis  zu  durchlaufen  ange&n- 
gen  hat.  Wie  man  aber  die  gerade  Aufsteigung  irgend 
eines  Sterns  durch  unmittelbare  Beobachtung  finde, 
kann  hier  nicht  gelehrt  werden. 

Was  am  Hiiümel  gerade  Aufisteigung  und  Ab- 
weichung heifst,  wird  auf  der  Erde  Länge  und  Breite 
genannt.     Der  gröfste  Kreis  der  Erdkugel^    der  durch 


24  Mathematische    Chronologie* 

beide  Pole  und  irgend  eipea  Punkt  ihrer  Oberfläche 
gebt,  wird  der  Meridian  desselben  genannt«  weil 
seine  Ebene  in  dem  Augenblick,  wo  es  daselbst  Mittag 
ist,  mit  der  des  Meiidians  am  Himmel  zusammentriflt. 
Da  sich  im  Erdäquator  nicht  eben  so,  wie  im  Him- 
melsäquator, ein  Yon  der  Natur  selbst  gegebener  An- 
fangspunkt findet,  so  ist  die  Wahl  desselben  willkühr- 
lich.  Gewöhnlich  nimmt  man  den  Meridian,  welcher 
zwanzig  Grad  westwärts  von  der  Pariser  Sternwarte 
liegt,  als  den  ersten  oder  denjenigen  an,  von  welchem 
man  die  Grade  des  Aequators  entweder  blois  in  öst- 
licher Richtung  von  Null  bis  dreihundert  und  sech- 
zig, oder  in  östlicher  und  westlicher  von  Null  bis  ein- 
hundert und  achtzig  fortzählt.  Im  ersten  Falle  spricht 
man  von  einer  Länge  schlechthin,  im  letztern  von 
einer  östlichen  und  westlichen.  Bafs  die  Breite 
eines  Orts  allemal  der  PoUiöhe  gleich  sei,  ist  schon 
oben  bemerkt  worden  (13). 

Durch  die  Höhe,  welche  die  Sonne  im  Meridian 
erreicht,  oder  durch  die  Zeit,  die  sie  über  dem  Hori- 
zont verweilt,  wird  hauptsächlich  die  jedesmalige  Tem- 
peratur eines  Orts  bedingt.  Die  Bewohner  des  gemälsig- 
ten  Erdstrichs  haben  von  jeher  das  Jahr  nach  den  ver- 
schi^enen  Wirkungen,  welche  die  Sonne  auf  unser 
Gefühl,  auf  die  Witterung  und  auf  die  Vegetation  äus- 
sert, in  vier  Zeitabschnitte  oder  Jahrszeiten  getheilt, 
eine  Eintheilung,  .die  sich  allenfalls  auch  auf  die  kalten 
Zonen,  aber  nicht  auf  die  heifse  anwenden  läist. 
Statt  der  physischen  Jahrszeiten,  die  keiner  allgemei- 
nen Bestimmung  fähig  sind  und  für  jedes  Land  an- 
ders ausfisdlen,  hat  man  die  astronomischen  einge- 
führt, die  durch  die  grölste,  mittlere  und  kleinste  Ent- 


Mathematische    Chronologe.  25 

femimg  Yom  Scheitelpunkt,  wddie  die  Sonne  im  Me- 
ridian erreicht,  bestimmt  werden.  An  den  vier  Tagen, 
wo  diese  Entfernungen  eintreten,  d.  i*  an  den  Tagen, 
wo  sie  den  Steinbocks-  Widder-  Krebs-  und  Wage- 
punkt  erreicht,  sagt  man,  dais  Winter,  Frühling, 
Sommer  und  Herbst  an&ngen« 

Die  Veränderung  der  Tageslangen  und  Mittag8h&- 
hen  der  Sonne,  kurz  der  Jahrszeiten,  hangt  von  der 
Schiefe  der  Ekliptik  ab,  einem  der  wichtigsten 
Elemente  der  Sternkunde,  das  die  Astronomen  seit 
dritthalbtausend  Jahren  mit  Genauigkeit  zu  bestimmen 
gesucht  haben.  Sie  wird,  wie  schon  bemerkt  worden, 
durch  die  zwischen  den  Solstitialpunkten  und  dem 
Aequator  liegenden  Bogen  des  Solstitialkolurs  gemessen, 
und  ist  an  den  Tagen  der  Sonnenwenden  dem  Unter- 
schiede der  Mittagshöhe  der  Sonne  und  der  Aequator- 
hohe  gleich*  Im  strengsten  Sinne  findet  dies  freilich 
nur  Statt,  wenn  sich  die  Sonnenwende  gerade  am  Mit- 
tage ereignet;  da  sich  indessen  in  der  Nähe  der  Sol- 
stitialpunkte  die  Abweichung  der  Sonne  in  einem  Tage 
nur  wenig  ändert,  so  wird  man  ohne  bedeutenden 
Fehler  auch  ihre  Höhe  am  vorhergehenden  oder  nach- 
folgenden Mittage  in  Rechnung  bringen  können.  Dafs 
die  Hälfte  des  Unterschiedes  der  grölsten  und  kleinsten 
Mittagshöhe,  welche  die  Sonne  im  Verlauf  eines  Jahrs 
erreicht,  ebenfalls  die  Schiefe  gebe,  sieht  man  leicht. 
Von  der  Correction ,  die  wegen  der  Strahlenbrechung 
bei  den  beobachteten  Höhen  angebracht  werden  mufs, 
kann  hier  nicht  die  Rede  sein. 

Die  Mittagshöhen  zu  messen,  bedienen  sich  die 
Astronomen  des  Mauerquadranten,  d.  i.  eines  an 
einer  Mauer    in  der  Mittagsebene    befestigten   groisen 


26  Mathematisclie    Chivnolögie. 

Quadranten,  um  dessen  Hiltelpunkt  sich  eine  Regel 
mit  einem  darauf  angebrachten  Femrohr  bewegt*  In 
der  Mitte  des .  Gesichtsfeldes  dieses  Femrohrs  durch- 
kreuzen sich  ein  horizontaler  und  ein  vertikaler  Fa- 
den, und  wenn  man  nun  dem  Femrohr  eine  solche 
Richtung  gibt,  dafs  der  Stern  längs  dem  horizontalen 
Faden  hinlauft,  so  schneidet  die  durch  den  Mittelpunkt 
des  Quadranten  gehende  Schärfe  der  Regel ,  mit  der 
die  Axe  des  Fernrohrs  parallel  läuft,  den  Bogen  ab,  der 
die  Mittagshöhe  bestimmt.  Zugleich  gibt  der  Durch- 
gang des  Sterns  durch  den  vertikalen  Faden  den  Au- 
genblick der  Culmination.  Will  man  daf  Femrohr  auf 
die  Sonne  richten,  so  kann  man  nur  die  Höhe  ihres 
untern  oder  obem  Randes  messen,  aus  der  man  dann 
durch  Addition  oder  Subtraction  ihres  etwa  einen  Yier- 
telgrad  betragenden  scheinbaren  Halbmessers  die  Höhe 
des  Mittelpunkts  herleitet. 

Der  Mauerquadrant  ist  aber  ei*st  in  neuem  Zeiten 
durch  Tycho  de  Brahe  eingeführt  worden.  Vorher 
bediente  man  sich  zur  Messung  der  Mittagshöhen  der 
Sonne,  mithin  auch  der  Schiefe  der  Ekliptik,  des  Gno- 
mons.  So  nannten  die  Alten  einen  über  der  Mittags- 
linie vertikal  errichteten  Stift,  Stab  oder  Obelisk,  des- 
sen genau  bestimmte  Höhe  sie  mit  der  jedesmaligen 
Länge  des  Mittagsschattens  verglichen,  um  daraus  den 
Winkel,  welchen  der  den  Schatten  begrenzende  Strahl 
mit  der  Horizontalebene  bildet,  d.  i.  die  Mittagshöhe 
der  Sonne,  zu  berechnen. 

Mit  Hülfe  dieser  einfachen  Vorrichtung  fand  Era- 
tosthenes  gegen  zweihundert  und  fünfzig  Jahr  vor 
Chr.  Geb.,  dafs  der  zwischen  den  Wendekreisen  lie- 
gende Bogen  des   Meridians  •—-  seines  Umfangs   halte, 


Mailhematische    Chronologie.  27 

welches  für  die  Schiefe  23*^  51'  20"  gibt.  Hipparch, 
unter  den  alten  Astronomen  der  feinste  Beobachter, 
prüfte  dies  Resultat  hundert  Jahr  später  und  bestätigte 
es  ^)«  Seitdem  haben  alle  Beobachtungen  eine  fortwäh- 
rende Abnahme  der  Schiefe  gegeben.  Der  im  zehnten 
Jahrhundert  lebende  arabische  Astronom  Albattani 
setzte  sie  auf  23**  36',  Tycho  vor  etwa  zweihundert 
Jahren  auf  23^  30'.  Die  neusten  Beobachtungen  geben 
nahe  23**  28'  und  eme  Säcularabnahme  von  etwa  40". 
Man  würde  aber  irren,  wenn  man  hieraus  schlielsen 
wollte,  dafs  die  Schiefe  immerfort  abnehmen  und  einst 
Null  werden  dürfte.  Man  weifs  jetzt,  dafs  aHe  Aende- 
rangen  derselben  nur  periodische  Schwankungen  inner- 
halb gewisser  Grenzen  sind.  Uebrigens  sind  es  bei  die- 
ser Aenderung  die  Pole  der  Ekliptik,  die  sich  im  Sol- 
stitialkolur  den  Weltpolen  nähern,  indem  sich  hierbei 
blofs  die  Breiten,  nicht  die  Abweichimgen  der  Sterne 
ändern. 

•  Noch  eine  ändere  sehr  langsame  Bewegung  muis 
hier  erklärt' werden.  Hipparch  entdeckte  durch  Ver- 
gleichung  seiner  Beobachtungen  mit  den  einhundert  und 
sechzig  Jahr  altem  des  Timocharis  und  Aristjllus, 
dafs  die  Länge  aller  Sterne  um  zwei  Grad  zugenommen 
habet  -Pt^lemäus  fand  dies  östliche  Rücken  der  Sterne 
bestätigt  und  setzte  es  in  hundert  Jahren  auf  einen 
Grad  ^).  Schon  frühere  Völker  mufsten  es,  wenn  auch 
nicht  den  Umständen  nach  so  genau  kennen,  doch  we- 
nigstens ahnen.  Sie  sahen,  dafs  die  erste  Erscheinung 
\^ines  Sterns   in  der  Morgendämmerung,    wenn   sie  am 


*)    A 1  m  a  g  c  s  l  I,  10,  S.  49  des  Halmaschen  Textes. 
')    Eb.  Vn,  2  und  3. 


28  Maüiemailsche    Chronologie. 

Tage  einer  Nachtgleicbe  oder  Sonnenwende  erfolgt  war, 
nach  einer  Reihe  von  Jahren  erst  einen  oder  mehrere 
Tage  nachher  eintraf,  woraus  sie  natürlich  den  Schlufs 
zogen,  dais  die  Sonne  eher  zu  dem  Punkt  der  Nacht- 
gleiche oder  Sonnenwende,  als  zu  dem  Stern  zurück- 
kehre, dais  folglich  die  Aecpiinoctialpunkte  gegen 
Westen  oder  der  Stern  gegen  Osten  gerückt  wäre, 
und  in  beiden  Fidlen  die  Länge  des  Sterns  zugenom- 
men hätte«  Die  Alten  erklärten  diese  Ei^scheinung 
durch  eine  Bewegung  der  Sterne;  die  neuere  Astrono- 
mie lehrt  aber,  dafs  es  die  Aequinoctialpunkte  sind, 
welche  sich  westlich  von  den  Sternen  entfernen  und 
der  Sonne  entgegenrücken*  Die  Bewegung  erfolgt  längs 
der  Ekliptik,  nicht  längs  dem  Aequator,  so  dafs  hier- 
bei die  Breiten  der  Sterne  ungeändert  bleiben.  Mau 
nennt  dies  die  Präcession  oder  Yorrückung  der 
Nachtgleichen«  Sie  betragt  jährlich  50^,2  oder  in 
hundert  Jahren  1^  23'  40^^,  gibt  also  in  etwa  sechs 
und  zwanzig  tausend  Jahren  einen  ganzen  Umlauf.  Ei- 
gentlich besteht  sie  in  einer  rückgängigen  Bewegung 
der  Weltpole,  vermöge  welcher  sie  um  die  festen  Pole 
der  Ekliptik  einen  Kreis  beschreiben,  dessen  Halbmes- 
ser die  Schiefe  der  Ekliptik  ist.  Eine  Folge  dieser  Be- 
wegung ist,  dais  die  Sternbilder,  welche  den  Zeichen 
der  Ekliptik  ihre  Namen  gegeben  haben,  denselben 
jetzt  nicht  mehr  entsprechen,  sondern  um  ein  ganzes 
Zeichen  von  der  Stelle  ostwärts  gerückt  sind ,  wo  sie 
sich  vor  zwei  tausend  Jahren  befanden.  So  steht  nun 
das  Sternbild  der  Fische  im  Zeichen  des  Widders,  das 
Sternbild  des  Widders  im  Zeichen  des  Stiers  u.  s.  w* 

Die  Astronomie  beweiset,    dais  auch  die  jährlidie 
Bewegung  der  Sonne  nur  scheinbar  ist.  Sie  ist  die  Folge 


Mathematisclie    Chronologie.  29 

einer  Bewegung  unserer  Eide,  vermöge  welcher  sie  bin- 
nen einem  Jabr  dergestalt  um  die  Sonne  lauft,  dais 
die  Axe,  um  welche  sie  sich  inzwischen  täglich  von 
Westen  gegen  Osten  um  sich  selbst  dreht,  mit  der 
Ebene  ihrer  Bahn  einen  Winkel  von  66|-  Graden  bil- 
det und  bis  auf  die  sehr  langsame  Aenderung,  deren 
so  eben  gedacht  worden  ist,  sich  selbst  parallel  oder 
gegen  einerlei  Punkt  der  Himmelskugel  gerichtet  bleibt. 
Es  mufs  also  der  Erdäquator  gegen  jene  Ebene  imter 
einem  Winkel  von  23-^  Graden  gerichtet  sein,  welchen 
mithin  auch  der  HimmeMquator  und  die  bis  an  die 
Himmelskugel  erweiterte  ESbene  der  Erdbahn,  die  Eklip- 
tik, mit  einander  bilden«  Hier,  wo  es  nur  auf  die  Er- 
scheinungen der  taglichen  und  jährlichen  Bewqpmg, 
nicht  auf  ihre  Gründe,  ankommt,  betrachten  wir  beide 
als  wirklich  am  Hinmiel  yoi^hend,  und  untersuchen 
nun  ihre  Perioden  genauer. 

Das  Wort  Tag  wird  in  einem  zwiefachen  Sinne 
gebraucht.  Einmal  bezeichnet  es  die  Zeit  der  Anwesen- 
heit der  Sonne  über  dem  Horizont,  welche  durch  ih- 
ren jedesmaligen  Tagbogen  bestimmt  wird ,  im  Gegen- 
satz der  Nacht;  dann  wird  darunter  ein  ganzer  täg- 
licher Umlauf  der  Sonne  oder  die  Zeit  verstanden,  in 
der  sie  zum  Meridian,  sei  es  zum  obern  oder  untern, 
zurückkehrt.  Der  Zusammenhang  der  Rede  gibt  ge- 
wöhnlich zu  erkennen,  wie  wir  das  Wort  gebraucht 
wissen  wollen.  Um  uns  ganz  bestimmt  auszudrücken, 
können  wir  den  ersten  Tag  den  natürlichen,  den 
anderp  den  bürgerlichen  nennen,  weil  jenen  das 
auffallendste  aller  Naturereignisse,  der  Wechsel  von 
Licht  und  Finstemils,  bestimmt,  und  wir  nach  die- 
sem unsere  bürgerliche  Zeit   eintheilen   öder  datiren. 


30  Mathematische    Chronologie, 

Im  bürgerlichen  Tage  *)  unterscheiden  wir  die  vier 
Tagszeiten  Morgen,  Mittag,  Abend  und  Mitter- 
nacht, welche  von  den  Durchgängen  der  Sonne  durch 
den  Horizont  und  Meridian  bestimmt  weiden. 

Im  gemeinen  Leben,  wenigstens  in  der  europäischen 
Welt,  fangt  man  den  bürgerb'chen  Tag  mit  dem  un- 
sichtbaren Durchgange  der  Sonne  durch  den  untern 
Meridian,  der  Mittemacht,  an,  und  theilt  ihn  in  vier 
und  zwanzig  Stunden,  die  man  in  zwei  Absätzen  zu  je 
zwölf  Stunden  zählt,  ein  Yeriahren,  wodurch  es  noth- 
wendig  wird,  bei  jeder  Stunde  zu  bemerken,  ob  sie 
dem  Vor-  oder  Nachmittage  angehört,  wenn  es  nicht 
schon  der  Zusammenhang  der  Rede  gibt.  Die  Astrono- 
men beginnen,  nach  dem  Vorgänge  des  Ptolemäus  '), 
ihre  Tage  gewöhnlich  mit  dem  Durchgange  der  Sonne 
durch  den  obem  Mmdian,  dem  Mittage,  weil  sich 
diese  Epoche  durch  eine  unmittelbare  Beobachtung  eben 
so  sicher  als  bequem  bestimmen  läfst,  und  zählen  die 
Stunden  von  einem  Mittage  bis  zum  andern  hinter- 
einander fort,  was  die  Folge  hat,  da(s  die  astrono- 
mischen Tage  und  Stunden  blois  von  Mittag  bis  Mit- 
temacht mit  den  bip^rlichen  übereinstimmen,  von 
Mittemacht  bis  Mittag  aber  im  gemeinen  Leben  ein 
Tag  mehr  und  zwölf  Stunden  weniger  gezählt  werden. 
Neuerdings  hat  man  in  Frankreich  angefangen,  nach 
dem  Beispiel  des  Hipparch  und  Gopernicus  den 
astronomischen  Tag,  wie  den  bürgerlichen,  von  der  Mit- 


^  f^i  M\  l>    * 


*)  Einige  Sprachen  haben  für  den  bürgerlichen  Tag  eine 
besondere  Benennung,  z.  B.  die  griechisdie  vvx^V'P®^>  ^^^  P^'^' 
sische  ja^yL«^  schebanruz,  die  schwedische  d^gn. 

}    Almagesi  ln,8,  S.208. 


'.UV. 


Mathematische    Chronologie.  31 

ternaclit  an  zu  rechnen.  Die  1806  von  dem  Bureau 
des  Longitud^s  herausgegebenen  Sannen-  und  Mond- 
tafeln der  Herren  Delambre  und  Bürg  sind  dem 
gemäls  eingerichtet.  Es  ist  aber  kaum  zu  erwarten,  dais 
die  Astronomen  von  dem  Gebranch  des  Ptolemäus 
abgehen  werden,  fiir  den  wichtige  Gründe  sprechen. 

Da  sich  die  Erde  in  vier  und  zwanzig  Stunden 
von  Westen  gegen  Ost^i  um  ihre  Axe  dreht,  und  in* 
zwischen  sämmdiche  Meridiane  vor  der  Sonne  yorübep- 
geföhrt  weiden ,  so  begreift  man  leicht ,  dals  alle  Ta- 
gesstunden zugleich  auf  der  Erde  yorhanden  sein  müs- 
sen. In  jedem  Augenblick  geht  die  Ebene  ii^end  eines 
Meridians  durch  die  Sonne.  Dann  ist  in  der  obem 
Hälfte  desselben  von  Pol  zu  Pol  Mittag,  in  der  untern 
Mittemacht ,  und  in  den  Orten ,  welche  von  der  obem 
ostwärts  zur  untern  liegen,  Nachmittag,  in  den  übri- 
gen Vormittag.  Ein  Langenunterschied  oder  Bogen  des 
Aequators  von  fünfzehn  Grad  gibt  einen  Zeitunterschied 
von  einer  Stunde,  ui\d  nach  diesem  Terhältniis  läfst 
sich  jeder  Bogen  leicht  in  Zeit  und  umgekehrt  ver- 
wandeln. Ereignet  sich  irgend  eine  himmlische  Erschei- 
nung für  alle  Erdbewohner  in  gleichem  Augenblick, 
z.  B.  die  Yerfinsierung  eines  Jupiterstrabanten,  so  kann 
sie  dazu  dienen,  den  Zeitunterschied  zweier  Orte,  mit- 
hin auch  den  Längenunterschied  zu  bestimmen;  denix 
wird  sie  z.  B.  zu  Paris  gerade  um  Mittemacht,  zu  Ber- 
lin hingegen  um  11  Uhr  44'  10^  Morgens,  mithin  44' 
10^  später  gesehn,  so  liegt  dieser  Ort  11°  V  30"  öst- 
licher, als  jener,  mithin  unter  31**  2 '30"  Länge  (24). 

Da  die  Bestimmung  der  Länge  besonders  für  den 
Seefahrer  ein  Gegenstand  von  der  grofsten  Wichtigkeit 
ist,  weil  ihm  seine  Seekarten  von  keinem  Nutzen  sind. 


32  Mathematische    Chronologie. 

wenn  er  nicht  den  Meridian  so  wie  die  Polhöhe  dei- 
nes j^smaligen  Orts  kennt,  so  hat  man  sich  bemüht, 
Uhren  zu  yerfertigen,  auf  deren  Gang  weder  die  Schwan- 
kungen des  Schiffs,  nodi  die  Aenderungen  der  Tempe- 
ratur einen  störenden  Einfluis  haben,  so  dajs  sie,  nach 
der  Zeit  eines  Orts  geteilt,   dieselbe  überall,    wohin 
man  sie  auch  bringen  mag,  genau  angeben,   oder  doch 
mit  einem  Fehler,  den  man  aus  ihrem  bekannten  Gange 
berechnen  kann.  Man  hat  es  auch  wirklich  in  der  Ver- 
fertigung solcher  Werkzeuge,  die  man  Chronometer 
nennt,  sehr  weit  gebracht.     Der  Schiffer,   der  sich  ih- 
rer bedient,    darf  nur  die  Zeit  seines  Orts  bestimmen, 
wozu   sich    ihm   mehrere  Mittel  darbieten,    diese   Zeit 
mit  der  des  Chronometers  vergleichen,   und  den  Unter- 
schied beider  Zeiten  nach  obigem  Yerhältnifs  in  Grade 
verwandeln,    um  aus  der  ihm  bekannten  Länge  des 
Orts,   dessen  Zeit  die  Uhr  angibt,  die  seines  Meridians 
herzuleiten«  Macht  er  die  Reise  um  die  Erde,   so  wird 
er  bei  seiner  Rückkehr  einen  Tag  mehr  oder  weniger 
als  die  Zurückgebliebenen  zahlen,   je  nachdem  er  seine 
Richtung  östlich  oder  westlich  genommen  hat,  eine  Er- 
fahrung,  die   leicht  zu  erklären   ist,   aber  nichts  desto 
weniger  die  ersten  Weltums^ler  sehr  überraschte. 

Die  Zeit,  in  der  die  Sonne  zu  dem  Punkt  des 
Himmels,  von  welchem  sie  ausgegangen  ist,  zurück- 
kehrt, wird  ein  Jahr  genannt,  und  zwar  ein  side- 
risches  oder  Sternjahr,  wenn  von  ihrer  Rückkehr 
zu  demselben  Stern,  und  ein  tropisches,  wenn  von 
ihrer  Rückkehr  zu  demselben  Punkt  der  Ekliptik,  z.  6. 
zu  einem  der  Wendepunkte—  rgoirou  —die  Rede  ist. 
Jenes,  mit  dem  sie  ihren  Umlauf  eigentlich  erst  vollen- 
det hat ,    ist  wegen  der  Yorrückung  der  IVachtgleichen 


Mathematische    Chronologie.  33 

etwas  länger,  als  dieses,  welches  den  Wechsel  der  Jahrs- 
zeiten und  Tageslangen  bedingt,  und  daher  im  bür- 
gerlichen  Leben  allein  gebraucht  werden  kann. 

Die  tropischen  Jahre  sind  nicht  durchgängig  ein* 
ander  gleich,  wegen  der  störenden  Einwirkung,  welche 
die  anziehenden  Kräfte  der  Planeten  auf  die  Bewegung 
der  Erde  äufsem.  Die  Unterschiede  können  auf  meh- 
rere Minuten  gehen,  ^m  nun  einen  mittleren  Werth 
zu  erhalten  und  zugleich  den  Einflufs  der  Beobach- 
tungsfehler möglichst  zu  schwächen,  muis  man  Nacht- 
gleichen oder  Sonnenwenden  vergleichen,  die  um  eine 
grolse  Reihe  von  Jahren  von  einander  entfernt  sind, 
und  das  in  Tagen  und  kleineren  Zeittheilen  ausgedrückte 
Intervall  durch  die  Zahl  der  Jahre  dividiren. 

Zuerst  beobachteten  die  Alten  blofs  die  Solstitien, 
und  zwar  mit  Hülfe  der  vorhingedachten  Gnomonen, 
die  aber  wenig  Genauigkeit  gewähren,  zumal  in  diesem 
Falle,  wo  sich  die  Abweichung  der  Sonne  sehr  langsam 
ändert,  also  der  Augenblick  des  Maximum,  selbst  mit 
feinen  Mefsinstrumenten,  schwer  auszumitteln  ist.  Da- 
gegen ändert  sie  sich  um  die  Zeit  der  Nachtgleichen 
am  schnelbten ,  in  einem  Tage  um  vier  und  zwanzig 
Minuten.  Hipparch  zog  daher  die  Beobachtung  die- 
ser Epochen  vor,  und  bediente  sich  dazu  einer  Ar- 
mille,  oder  eines  grolsen  scheibenartigen  metallnen 
Ringes,  der,  in  der  Ebene  des  Aequators  aufgestellt, 
dadurch ,  dafs  sich  die  hintere  Hälfte  von  der  vordem 
ganz  beschattet  zeigte,  den  Augenblick  zu  erkennen  gab, 
wo  sich  der  Mittelpunkt  der  Sonne  im  Aequator  be- 
fand. Diese  Art  von  Beobachtung  gewährte  weit  mehr 
Genauigkeit  als  jene,  ob  sie  gleich  wegen  Yemachläs- 
sigung  der  Strahlenbrechung,  deren  Gesetze  die  alten 
I.  [3] 


34  Mathematische    Chronologie. 

Astronomen  nicht  kannten,  ebenfalls  mehr  oder  weniger 
trägen  mufste. 

Ptolemäns  hat  neun  solche  von  Hipparch  an- 
gestellte Beobachtungen  aufbewahrt,  die  uns  bei  der 
Untersuchung  der  D&uer  des  tropischen  Jahrs  vortreff- 
lich zu  Statten  kommen.  So  fimd  dieser  Astronom/)  dafs 
sich  die  Frnhlingsnachtgleiche  des  zwei  und  dreiisigsten 
Jahrs  der  dritten  kallippischen  Periode,  *d.  u  des  Jahrs 
146  V.  Chr.  9  am  27.  Mechir  des  ägyptischen  oder  am 
24.  Harz  des  julianischen  Kalenders  eine  Stunde  vor 
Eintritt  des  Mittags  zu  Alexandrien  ereignete.  Wir  wol- 
len hiermit  die  Frühlingsnachtgleiche  des  Jahrs  1755 
vergleichen,  wie  sie  Jakob  Gassini  zu  Paris  beobach- 
tet hat.  ')  Sie  trat  am  21.  März  neuen  oder  10.  Man 
alten  Stils  um  2  U.  20'  40^  Morgens  ein.  Der  ZeitüA- 
ters^hied  zwischen  Paris  und  Alexandrien  beträgt  1  St. 
Sr  16\  "fy  war  also  an  letzterem  Orte  4U.  IT  56' 
Morgens,  ab  Gassini  seine  Beobachtung  machte,  und 
es  kommt  nun  darauf  an,  das  Zeitintervall  zwischen 
beiden  AequinocUen  richtig  zu  bestimmen.  Es  betragt 
1880  julianische  Jahre  zu  365<^  Tagen,  weniger  14  T. 
6  St.  48'  4%  oder  686655  Tage  17  St.  11'  56",  und 
wenn  man  diesen  Zeitraum  durch  die  in  ihm  enthal- 
tenen 1880  tropischen  Jahre  dividirt,  so  erhält  man 
für  das  einzelne  Jahr  365  T.  5  St.  49'  Z\'\ 

Bei  dieser  Zusammenstellung  so  entfernter  Nacht- 
gleichen  muls  noch  die  Verschiedenheit  der  Lage  der 
Sonnenbahn  zur  Zeit  beider  Beobachtungen  in  Betracht 
gezogen  werden,  wodurch  eine  Gorrection  nöthig  wird, 


*)    Almagest  lU,  2,  S.  154. 

')    S.  seine  Eldmens  ^Astronomie  S.  215. 


MathemaUscIiß    Chronologie.  35 

die  hier  nicht  nähec  erklärt  werden  kann.  Auch  darf 
man  sich  der  möglichen  Beobachtungsfehler  wegen  nicht 
mit  Einer  solchen  Yergleichung  begnügen,  sondern  hat 
aus  mehreren  Beobachtungen  ein  mittleres  Resultat  zu 
ziehen.  Auf  diesem  Wege  sind  nun  die  Astronomen  zu 
einer  genauen  Kenntniis  des  tropischen  Jahrs  gelangt, 
indem  sie  sich  dahin  vereinigt  haben ,  es  auf  365  T. 
5  St.  48'  48"  zu  setzen'). 

Während  des  tropischen  Jahrs  hat  die  Lange  der 
Fixsterne  um  50'^2  zugenommen.  Die  Sonne  hat  also  am 
Ende  desselben  in  Ansehung  der  Fixsterne  noch  Leinen 
yollkommenen  Umlauf  gemacht,  sondern  erst  360  ^-*  50",  2 
zurückgelegt.  ATan  findet  demnach  die  Zeit  eines  ganzen 
Umlaufs  durch  die 'Proportion  :  Z^O^  —  50",  2  :  ZßO^  » 
ZeS  T.  5  St.  48'  48"  :  Sternjahr,  wo  sich  für  die 
Dauer  desselben  365  T.  6  St.  9'  10"  eichen. 

Mit  der  vorhin  augedeuteten  Aenderung  der  Lage 
der  Sonnenbahn  hat  es  folgende  Bewandnils.  Diese 
Bahn  ist,  wie  die  Astronomie  lehrt,  eine  Ellipse,  in 
deren  einem  Brennpunkt  sich  die  Erde  befindet,  Ton 
der  die  Sonne  in  den  beiden  Endpunkten  der  grofsen 
Axe  (den  Absiden)  ihre  kleinste  und  gröfste  Entfer- 
nung hat.  Der  eine  dei^selben  heifst  Perihelium  oder 
Sonnennähe,  der  andere  Aphelium  oder  Sonnen- 
ferne. ^)  Nach  den  Gesetzen  der  allgemeinen  Schwere 
bewegt  sie  sich  im  Aphelium  am  langsamsten,   täglich 


*)  S.  Lalande^s  Mdmoire  sur  la  durie  de  Pannee  solaire 
in  den  Abhandlungen  der  pariser  Akademie  vom  Jahr  1782. 

^)  Es  ist  hier^  wie  schon  bemerkt  worden,  nur  von  Schein- 
bewegungen die  Rede.  In  d^  Wii-küchkeit  yerhält  sich  die 
Sache '  anders ;  denn  die  Erde  ist  es ,  die  sich  in  einer  Ellipse 
bewegt,,  in  deren  einem  Brennpunkt  die  Sonne  steht.    . 

[3'] 


36  Mathematische  Chronologie. 

etwa  57 \  im  Perihelium  am  schnellsteii ,  taglich  etwa 
6V.  Diese  Punkte  sind  einer  Bewqping  unterworfen. 
Zu  Hipparch's  Zeiten  lag  das  Aphelium  im  fünften 
Grade  der  Zwillinge ;  jetzt  ist  cß  bis  zum  zehnten  des 
Krebses  vorgerückt. 

Die  wahre  Bewegung  der  Sonne  ist  also  ungleich- 
förmig.  Ihre  mittlere  Bewegung  wird  diejenige  ge- 
nannt, vermöge  welcher  sie  in  365  T.  5  St.  48'  48", 
der  Dauer  des  tropischen  Jahrs,  360  Grad  durchläuft. 
Hieraus  ergibt  sich  fiir  ihre  mittlere  tägliche  Be- 
wegung ein  Bogen  von  59'  S-l-".  Der  Ort  der  Eklip- 
tik, wo  sie  sich  in  jedem  Augenblick  befinden  würde, 
wenn  sie  von  ihrem  Durchgange  durch  das  Aphelium 
an  beständig  mit  gleichförmiger  Bewegung  fortginge, 
bestimmt  ihre  mittlere  Länge,  ihre  wahre  Länge 
'  hingegen  der  Ort,  den  sie  vermöge  ihrer  ungleichförmi- 
gen Bewegung  in  jedem  Augenblick  wirklich  einnimmt. 
Der  Unterschied  beider  heifst  ihre  Mittelpunkts- 
gleichung, aequatio  orhitae. 

Die  wahren  Sonnentage  oder  die  Zeiten, 
welche  zwischen  zwei  auf  einander  folgenden  Gulmi- 
nationen  der  Sonne  verfiiefsen,  sind  von  ungleicher 
Dauer,  nicht  blois  wegen  der  ungleichförmigen  Bewe- 
gung der  Sonne,  sondern  auch  weil  die  Ekliptik  schief 
gegen  den  Aequator  gerichtet  ist,  also  gleiche  Bogen 
derselben  nicht  in  gleichen  Zeiten  durch  den  Meridian 
gehen.  Eine  Uhr,  die  mit  dieser  Ungleichheit  der  Sonne 
gleichen  Schritt  hält,  mithin  allemal  im  Augenblick 
der  Gulmination  der  Sonne  oder  des  wahren  Mittags 
zwölf  zeigt,  gibt  wahre  Zeit  an.  Dies  gilt  von  allen 
richtig  entworfenen  und  aufgestellten  Sonnenuhren.  Die 
Taschen-  und  Pendeluhren  dagegen  können  als  mecha- 


Mathematiscfie  Chronologie.  37 

oische  Werkzeugie  dieser  Un^eichbeit  nicht  ohne  eine 
besondere  sehr  künstliche  Einrichtung  folgen;  sie  sind 
viehnehr  um  so  vollkonunener  ^  je  gleichförmiger  ihr 
Gang  ist. 

Man  hat  daher  die  mittlere  Sonnenzeit  ein- 
geführt, um  nach  ihr  die  mechanischen  Uhren  su  re- 
guliren.  Man  stellt  sich  nämlich  einen  Körper  yor,  der 
in  einem  tropischen  Jahre  mit  gleichförmiger  Geschwin- 
digkeit den  Aequator  dergestalt  durchläuft,  dals  seine 
jedesmalige  gerade  Aui^ieigung  der  mittleren  Länge  der 
Sonne  gleich  ist.  Wenn  dieser  Körper  culminirt,  so 
sagt  man,  dais  der  mittlere  Mittag  eintrete,  und 
eine  Uhr,  die  dann  allemal  zwölf  zeigt,  gibt  mittlere 
Sonnenzeit  an«  Die  Tage  dieser  mittleren  Zeit  sind  durch- 
gehends  von  gleicher  Länge.  Der  Unterschied  zwischen 
der  mittleren  und  wahren  Sonnenzeit,  oder  der  Zeit- 
raum, um  welchen  der  eingebildete  Körper  früher  oder 
später  culminirt,  als  die  Sonne,  wird  die  Zeit- 
gleichung, aequado  iemporis,  genannt,  und  gefun- 
den, wenn  man  die  mittlere  Länge  der  Sonne  yon  ih- 
rem auf  den  Aequator  reducirten  Ort  oder  yon  ihrer 
wahren  geraden  Aufsteigung  abzieht,  und  den  Unter- 
schied in  Zeit  yerwandeh.  Ist  dieser  Unterschied  po- 
sitiv, so  eilt  der  mittlere  Mittag  dem  wahren  yor;  ist 
er  negativ,  so  trifft  der  mittlere  Mittag  später  als  der 
wahre  ein.  Wenn  man  z.  B.  sagt,  dafs  die  Zeitgleichung 
am  i.  Januar  1825  -f-  3'  56^,  und  am  1.  October 
—  10'  17"  sei,  so  heifet  dies,  dafs  man  im  ersten  Fall 
3'  56"  zur  wahren  Zeit  addiren,  und  im  letztem  10' 
17"  yon  ihr  subtrahiren  müsse,  um  die  mittlere  Zeit 
zu  erhalten.  Man  sieht,  wie  man  mit  Hülfe  eines  Mit- 
tagsfemrohrs und  der  Zeitgleichung  täglich  untersuchen 


38  Mathenmtische  Chronologie. 

könne,  ob  eine  Uhr  nach  mittlerer  Sonnenzeit  richtig 
gehe  oder  nicht.  Viermal  jährlich ,  nämlich  um  die 
Mitte  des  Aprils  und  Junius,  *und  am  Ende  des  Au- 
gusts und  Deoembers,  ist  die  Zeitgleichung  Null.  Ih- 
ren gröfsten  Werth  von  fünfzehn  bis  sechzehn  Minu- 
ten hat  sie  um  die  Mitte  des  Februars,  wo  sie  positiv, 
und  im  Anfänge  desi'  Novembers ,  wo  sie  negativ  ist. 
Die  Verschiedenheit  von  einem  Jahr  zum  andern  be- 
trägt nur  wenige  Sekunden.     *  . 

In  einem  mittleren  Sonnentage  schieben  sich  aufser 
den  560  Graden  Aßs  Aequators  noch  die  59'  8-5-"  der 
mitderen  täglichen  Bewegiing  der  Sonne  durch  den  Me- 
ridian, in  einem  Stemtage  hingegen  gerade  360  Grad« 
ICeraus  folgt,  dals  der  Stemtag  in  mittlerer  Sonnen- 
zeit  23  St.  56'  4",  und  der  mittlere  Sonnentag  in 
Stemzeit  24  St.  3'  56 ''jS  halte.  Der  Gang  einer  nach 
mittlerer  Sonnenzeit  eingerichteten  Pendeluhr  kann  also 
auch  so  geprüft  werden,  da(s  man  untersucht,  ob  die 
Culmination  eines  und  eben  desselben  Sterns  nach  ihr 
taglich  um  3'  56"  früher  erfolgt. 

Nächst  der  Sonne  zieht  unter  allen  Himmelskör- 
pern der  Mond  am  meisten  unsere  Aufmerksamkeit 
auf  sich.  Die  auflallende  und  regelmäfsige  Abwechslung 
seiner  Lichtgestalt  bot  den  Völkern  ein  bequemes  Mit- 
tel dar,  auch  ohne  Kalender  oder  Rechnung  die  Zeiten 
ihrer  gottesdienstlichen  Handlungen  und  Versammlim- 
gen  zu  bestimmen. 

Wenn  wir  ihn  einige  Tage  hindurch  nicht  wahr- 
genommen haben,  so  erblicken  wir  ihn  in  der  Abend- 
dämmerung als  einen  schmalen ,  sichelförmigen  Licht- 
streifen, welcher  allnlälig,  so  wie  er  sich  nach  Osten 
hin  von  der  Sonne  entfernt,  anwächst,   fünf  bis  sechs 


MathematiscJie  Chronologie.  39 

Tage  darauf  zum  Halbcirkel  wird,  und  in  dieser  Ge^ 
stall  beim  Untergange  der  Sonne,  neunzig  Grad  yon 
ihr  entfernt,  Abend«  in  Süden  siebt.  Dies  nennt  man 
sein  erstes  Viertel.  Er  wäcbst  hierauf  in  den 
nächsten  sieben  Tagen  zur  vollen  Scheibe  an ,  mit  der 
er  die  glänze  Nacht  hindurch  leuchtet,  indem  er  beim 
Untergange  der  Sonne  aufgeht,  um  Mittemacht  culmi* 
nirt  und  beim  Aufgange  der  Sonne  untei^ht.  Dies  ist 
der  Vollmond  oder  die  Opposition.  Dem  vollen 
Monde  folgt  mit  gleichen  Lichtwechseln  der  abneh- 
mende ,  nur  da£s  der  erleuchtete  Theil  an  der  linken 
oder  Östlichen  Seite  liegt,  da  er  bei  dem  zunehmenden 
rechts  oder  westlich  sich  zeigte,  nsgnlich  immer  der 
Sonne  zugekehrt.  Zugleich  nähert  sich  der  Mond  der 
Sonne  au6  neue,  bis  er  sieben  Tage  nach  dem  vollen 
Lichte  als  Halbkreis  beim  Aufgange  der  Sonne,  neunzig 
Grad  von  ihr  westwärts  entfernt,  in  Süden  steht.  Dies 
nennt  man  sein  letztes  Viertel,  worauf  er  der  Sonne 
immer  näher  rückt,  immer  spater  aufgeht,  und  immer 
schwächer  erleuchtet  erscheint ,  bis  er  fünf  oder  sechs 
Tage  nachher  als  ein  schmaler  Lichtstreifen  in  der  Mor- 
gendämmerung verschwindet.  Er  kommt  alsdann  zur 
Sonne,  imd  diese  Stellung  heiikt  Neumond  oder  Gon- 
junction.  Das  erste  und  letzte  Viertel  werden  auch 
die  Quadraturen,  der  neue  und  volle  Mond  die 
Syzygien  genannt. 

Diese  periodisdien  Lichtabwechslungen  odor  Pha« 
sen  rühren  daher,  dafs  der  Mond  sich  um  unsere  Erde 
bewegt  und  zugleich  von  der  aufserhalb  seiner  Bahn 
Befindlichen  Sonne  erleuchtet  wird.  VTenn  eine  Kugel, 
die  man  in  einem  Kreise  u«l  sich  her  bewegen  laist, 
von  einem  aufserhalb  desselben  stehenden  Lichte  be- 


40  Mathematische  Chronologie. 

schienen  wird ,  so  stellt  sie  ähnliche  Lichtwechsel  dar. 
Der  Mond  wird  in  jeder  Stellung  zur  Hälfte  von  der 
Sonne  erleuchtet,  kann  uns  indessen  nur  dann,  wenn 
er  in  dem  der  Sonne  e\itgegengesetzten  Punkt  seiner 
Bahn  steht,  seine  ganze  helle  Seite  zuwenden.  Da  auch 
die  Erde  ihr  Licht  von  der  Sonne  empfiuigt,  so  nauis 
sie  dem  Monde,  wenn  er  uns  neu  ist,  in  vollem  Lichte 
erscheinen,  wo  dann  das  von  ihr  zurückgeworfene  Licht 
stark  genug  ist,  seinen  dunkeln  Theil  schwach  zu  er- 
leuchten, wenn  er  sich  als  Sichel  am  Abend-  oder 
Morgenhimmel  zeigt. 

Der  Mond  wird  zuweilen  von  einer  Schattenscheihe, 
die  sich  von  Osten  her  über  ihn  verbreitet,    entweder 
ganz  oder  zum  Theil   verdunkelt.     Da  sich  eine  solche 
Mondfinsternifs  immer  nur  zur  Zeit  des  Vollmon- 
des ereignet,   so  muis  es  der  Eidschatten  sein,    in  den 
der  Mond  alsdann  tritt.  Man  nennt  die  Finstemils  to* 
tal,   wenn  er  sich  ganz,  partial,    wenn  er  sich  nur 
zum  Theil  in  den  Schatten  senkt.    Die  Axe  des  kegel- 
förmigen Erdschattens   fällt   in   die  Ebene  der  Ekliptik 
und  trifll  den  der  Sonne  gegenüberliegenden  Punkt  der- 
selben.    Wir  würden  daher  bei  jedem  Vollmonde  eine 
totale  Mondfinsternifs  haben,  wenn  die  Mondbahn  mit ' 
der  Sonnenbahn  zusammenfiele.  Beide  sind  aber  um  ei- 
nige Grade  gegen   einander  geneigt,    und  so  können 
sich   die  Finsternisse   nur  dann  ereignen,    wenn  der 
Mond  in  oder  nahe  bei  einem  der  Durchschnittspunkte 
der  beiden  Bahnen  steht  ^).    Fällt  einer  dieser  Punkte 


*)  Dieser  Umstand  hat  die  Benennung  Ekliptik  vcranlafst, 
welche  so  viel  als  Bahn  der  Finsternisse  bedeutet.  Sie  findet 
flieh  erst  bei  späteren  lateinischen  Grammatikern.   Die  griechischen 


Mathematische  Chronologie.  41 

im  Augenblick  der  Opposition  in  die  Mitte  des  Eid- 
schattens, so  ist  die  Finstemüs  central  und  von  mög- 
lich längster  Dauer ,  welche  auf  beinahe  vier  Stunden 
gehen  kann.  In  den  totalen  Finsternissen  wird  der 
Mond  selten  ganz  unsichtbar,  sondern  behält  noch  ein 
schmutziges  kupferfarbiges  Licht,  welches  von  denjefni- 
gen  Strahlen  der  Sonne  herrührt,  die  in  unserer  At- 
mosphäre nach  dem  Monde  hin  gebrochen  werden. 

Zur  Zeit  des  Neumondes  ti*itt  zuweilen  eine  Son- 
ne nf  ins  ternifs  ein,  wovon  offenbar  der  Mond,  der 
sich  dann , zwischen  uns  und  der  Sonne  befindet,  die 
Ursache  ist.  Letztere  wird  aber  nicht  eigentlich  ver;- 
finstert,  sondern  nur  bedeckt,  so  dafs  die  Sonnenfin- 
sternisse richtiger  Erdfinsternisse  heiisen  sollten. 
Da  der  Mond,  kleiner  als  die  Erde  und  ihr  viel  naher 
ist,  als  die  Sonne,  so  ist  begreiflich,  dafs  er  die  letz- 
tere immer  nur  für'  einen  verhältnifsmäisig  kleinen 
Theil  der  Erdoberfläche  bedecken  könne,  und  dafs 
Anfang,  Mittel,  Ende  und  Grofse  der  Finstemifs  für 
jeden  Ort  anders  ausfallen.  Bei  einer  totalen  Sonnen- 
finstemifs  kann  der  Streifen  der  Erdoberfläche,  in 
welchem  sie  beobachtet  wird,  höchstens  dreifsig  Mei- 
len breit  sein,  daher  sich  die  Sonnenfinsternisse  für 
einen  bestimmten  Ort  seltener  als  die  Mondfinstemisse 
ereignen^  wenn  gleich  die  Sonne  im  Ganzen  häufiger 
als  der  Mond  verfinstert  wird.  Dafs  nicht  jede  Con- 
junction  eine  Sonnenfinstemifs  mit  sich  bringt  ^  ist 
wieder  eine  Folge  der  Neigung  der  Mondbahn.    Tref- 


Astronomen  sagten  umschreibend:    o  ^m  jliso-wv  twv  ^Mtav,   der 
Kreis  durch  die  Mitte  der  Zeichen. 


42  Mathematische  Chronologie. 

fen  die  Mittelpunkte  der  Scmnen-  and  Mondscheibe 
fiir  einen  Ort  zusammen,  so  heiist  die  Finsternis 
central.  Es  kann  dann  der  scheinbare  Durchmesser 
des  Mondes  entweder  gröjser,  oder  eben  so  grofs, 
oder  kleiner  als  der  der  Sonne  sein.  Im  ersten  Falle 
entsteht  eine  totale  Sonnenfinsternifs  von  Dauer, 
die  aber  höchstens  auf  fiinf  Minuten  gehen  kann ;  im 
zweiten  eine  totale  Finstemifs  von  keiner  Dauer, 
im  dritten  eine  ringförmige,  bei  der,  wenn  der 
Mond  ganz  vor  die  Sonne  getreten  ist,  noch  ein  Ring 
von  dieser  unbedeckt  bleibt.  Die  totalen,  so  wie  die 
ringförmigen  Sonnenfinsternisse  sind  für  einen  bestimm- 
ten Ort  sehr  seltene  Erscheinungen. 

Der  Mond  rückt  täglich  um  etwa  dreizehn  Grad 
von  Abend  gegen  Morgen  am  Himmel  fort,  und  ist 
nach  etwas  mehr  als  sieben  und  zwanzig  Tagen  wieder 
bei  demselben  Stern.  Diesen  Zeitraum  nennt  man  ei- 
nen periodischen  Monat.  Inzwischen  ist  die  Sonne 
um  etwa  sieben  und  zwanzig  Grad  fortgerückt,  und  es 
verfliefst  noch  einige  Zeit,  ehe  sie  der  Mond  wieder 
einliohlt.  Darum  ist  die  Zeit  von  einem  Neumonde  zum 
andern,  der  sy Modische  Monat,  gröiser  als  der  pe- 
riodische. So  gebraucht  der  Minutenzeiger  der  Uhr, 
wenn  er  um  12  mit  dem  Stundenzeiger  in  G>njunction 
gewesen  ist,  i^^  Stunde,  um  den  Stundenzeiger  einzu- 
hohlen,  aber  nur  eine  Stunde,  um  wieder  an  dieselbe 
Stelle  des  Zifferblatts  zu  kommen. 

Die  Dauer  des  synodischen  Monats  er&hrt  man 
am  bequemsten  und  sichersten,  wenn  man  die  Zeit, 
die  zwischen  zwei  Mondfinsternissen  verfliefst,  dui'ch 
die  in  ihr  enthaltene  Anzahl  der  synodischen  Monate 
dividirt.     Zuerst  wählt  man  zwei  nicht  weit  von  ein- 


Mathematische  Chronologie.  43 

ander  entfernte  FinBternisse,  um  sich  in  der  Zahl  der 
Monate  nicht  zu  in.'en.  Kennt  man  nun  die  Dauer 
des  Monats  beinahe,  so  nimmt  man  zwei  sehr  weit 
von  einander  entfernte  Finsternisse,  diyidirt  die  Zeit 
zwischen  beiden  durch  die  vorläufig  bestimmte  Dauer 
eines  Monats,  imi  die  Zahl  der  Monate  zu  erhalten, 
und  diyidirt  mit  dieser  Zahl  aufs  neue  die  Zeit,  um 
die  Dauer  des  Monats  genauer  zu  finden.  Wir  woUen 
z.  B.  die  totale  Mondfinstemifs ,  welche  die  Ghaldäer 
im  27sten  Jahr  der  nabonassarischen  Aere  am  29.  Thoth 
oder  im  3ahr  721  v.  Chr.  den  19.  März  Abends  beob-^ 
achtet  haben  ^),  mit  der  IlnsternUs  vergleichen,  welche 
im  Jahr  iS20  den  29.  März  neuen  oder  17.  März  alten 
Stils  zu  Berlin  des  Abends  eingetreten  ist.  Das  Mittel 
jener  ist  nach  babylonischer  Zeit  um  9  U.  30',  nadi 
berlinischer  um  7  U.  27',  und  das  Mittel  dieser  um 
7  U.  30'  beobachtet  worden.  Der  Zeitraum  zwischen 
beiden  betragt  927733  Tage  0  St.  3'.  Dividiren  wir 
ihn  durch  die  vorläufig  bestimmte  Dauer  des  synodi- 
schen Monats  von  29  Tagen  12  St.  44',  so  finden  wir, 
dais  er  31416  synodische  Monate  halt,  und  dividiren 
wir  nun  das  Intervall  aufs  neue  durch  31416,  so  er- 
gibt sich  die  Dauer  des  synodischen  Monats  rieh* 
tig  zu  29  T.   12  St.  44'  3". 

Hieraus  findet  sich  die  Dauer  des  periodischen 
Monats  mit  Hülfe  einer  einfachen  Proportion.  Es  sei 
nämlich  a  der  Bogen  der  Ekliptik,  den  die  Sonne  in 
einem  synodischen  Monat  zurücklegt.  Offenbar  verhält 
sich,  wenn  von  den  mittleren  Bewegungen  die  Rede 
ist,   die   Zeit,   in  welcher  die  Sonne   360   -f-  a  Grad 


')    Almagcst  IV,  5,  S.  244. 


44  Maüiematische  Chronologie. 

beschreibt,  zu  der  Zeit,  in  der  sie  360  Grad  zurück- 
legt, wie  die  Zeit,  in  welcher  der  Mond  360  +  a  Grad 
durchläuft,  zu  der  Zeit,  in  der  er  360  Grad  macht, 
welches  die  Proportion  gibt:  wie  die  Summe  des  Son- 
nenjahrs und  des  synodischen  Monats  zum  Sonnenjahr, 
so  der  synodische  Monat  zum  periodischen,  wo  sich 
{iir  die  Dauer  des  periodischen  Monats  27  Tage 
7  St.  43'  S**  finden.  ^)  Der  Mond  rückt  täglich  um 
13°  10'  35"  am  Himmel  fort,  entfernt  sich  täglich 
um  12°  11'  27"  von  der  Sonne,  und  vollendet  seinen 
täglichen  scheinbaren  Umlauf  in  24  St.  50'  28". 

Alle  diese  Angaben  sind  von  der  mittleren  Dauer 
zu  verstehen.  Die  Bewegung  des  Mondes  ist  sehr  un- 
gleichförmig und  hat  von  jeher  den  Astronomen  viel 
zu  schaffen  gemacht.  MuMformi  luna  ambage  torsit 
ingenia  contemplantium  et  proximum  sidus  ignorari 
maxime  indignanUwn y  sagt  Plinius  treffend.  ')  Die 
synodischen  Monate  sind  zuweilen  um  sechs  bis  sieben 
Stunden  länger  oder  kürzer  als  die  mittleren.  Auch  die 
Zeit  des  täglichen  Umlaufs  ist  zuweilen  um  zwölf  Mi- 
nuten grösser  oder  kleiner,  als  die  mittlere.  Zu  der 
letztem  Ungleichheit  trägt  auch  die  jedesmalige  Lage 
der  Mondbahn  gegen  den  Meridian  etwas  bei. 


^)  Wollte  man,  wie  oben  unter  dem  tropischen  und  siderischen 
labile,  eben  so  hier  .unter  dem  periodischen  und  einem  siderischen 
Mondmonat  unterscheiden ,  indem  man  unter  jenem  die  Zeit  sei- 
ner Rückkehl*  zu  demselben  Punkt  der  Ekliptik,  und  unter  diesem 
die  Zeit  seiner  Rückkehr  zu  demselben  Stern  yerstände,  so  würden 
sich  bei  der  Kürze  dieser  Umlaufszeit  nur  sechs  bis  sieben  Sekun- 
den Unterschied  ergeben,  die  zu  obiger  Dauer  des  periodischen 
Monats  hinzukommen  müfsten. 

»)    H.  N.  n.  sect.  9. 


MatJiematische  Chronologie.  45 

Die  alten  Astronomen  b^meiiiten  die  Ungleichhei- 
ten des  Mondlaufs  besonders  daran,  dals  sie  die  Zeiten 
von  einer  Mondfinstemifs  zur  andern  mit  den  Zeiten  der 
mittleren  Bew^^ung  verglichen.  Zur  Zeit  der  Mond- 
finstemifs steht  der  Mond  der  Sonne  gerade  gegenüber ; 
sie  konnten  also  vermittelst  des  Orts  der  Sonne,  dessen 
Bestimmung  wenig  Schwierigkeit  hat,  den  Ort  des 
Mondes  angeben,  den  sie  nun  mit  demjenigen,  den 
er  der  mittleren  Bewegung  nach  einnehmen  sollte,  sel- 
ten übereinstimmend  fenden. 

Der  Mond  hat  nicht  immer  gleiche  Entfernung 
von  der  Erde.  Die  Alten  setzten  seine  grÖfste  Entfei^ 
nung  ganz  richtig  dahin,  wo  et,  sich  am  langsamsten 
bewegt,  die  kleinste,  wo  er  am  geschwindesten  ist.  In 
jener  Zeit  ist  sein  scheinbarer  Durchmesser  29'  22'', 
in  dieser  33'  31''.  Der  scheinbare  Durchmesser  der 
Sonne  dagegen  ist  nur  von  31'  31"  bis  32'  36"  verän- 
derlich. Die  Stelle  der  gröfsten  Entfemimg  und  lang- 
samsten Bewegung  des  Mondes  heilst  Apogeum  oder 
Erdferne,  die  der  kleinsten  Entfernung  und  geschwin- 
desten Bewegung  Perigeum  oder  Erdnähe.  Diese 
Stellen  sind  nicht  fest.  Sie  rücken  von  Abend  gegen 
Morgen  fort,  und  vollenden  in  3232  Tagen  11  St.  12' 
einen  ganzen  Umlauf  am  Himmel  mit  Bezug  auf  die  Fix- 
sterne. Die  Zeit,  in  welcher  der  Mond  zu  einem  von 
ihnen  zurückkehrt,  wird  ein  anomalistischer  Mo- 
nat genannt.     Derselbe  betragt  27  T.   13  St.   19'. 

Der  Mond  steht  zuweilen  im  Meridian  sehr  hoch, 
zuweilen  sehr  niedrig,  indem  seine  Bahn  nicht  allein 
gegen  den  Aequator,  sondern  auch  gegen  die  Ekliptik 
geneigt  ist.  Zweimal  in  jedem  Monat  befindet  er  sich 
in  der  Ekliptik.     Die  Punkte,   in   denen  seine  Bahn 


46  Mathematische  Chronologie. 

dieselbe    durchsclmeidet ,    nennt   man  seine   Knoten. 
In  dem  aufsteigenden  ((2)  geht  er  über  die  Eklip- 
tik nach  Norden,    in  dem   nieder  steigenden    (^) 
unter  dieselbe  nach  Süden,     Man  lernt  diese  Punkte 
kennen,  wenn  man  zu  der  Zeit,  wo  der  Mond  nahe  bei 
der  Ekliptik  ist,  seinen  Weg  neben  bekannten  Sternen 
verfolgt.     Man  muls  freilich  wissen,  wie  viel  der  Ort 
des  Mondes  dadurch  geändert  wird,  dafs  der  Beobachter 
auf  der  Oberfläche  der  Erde  und  nicht  in*  ihrem  Mittel- 
punkt steht.    Diese  Aenderung,  die  man  die  Parallaxe 
nennt,   ist  wegen  der  Nähe  des  Mondes  beträchtlich. 
Die  Mondfinstemisse,    die  sich   nur   in  der  Nähe  der 
Knoten  ereignen,  sind  hierzu  vorzüglich  brauchbar,  die 
centralen  am  meisten,  die  jedoch  sehr  selten  sind. 

Auch  die  Knoten  sind  keine  unveränderliche  Punkte 
am  Himmel,  sondern  sie  rücken  gegen  die  Ordnung  der 
Zeichen   vom  Morgen  gegen  Abend    fortr      Man  kann 
sich   hiervon  vermittelst  des  Augenscheins  versichern; 
d^nn    wenn   der  Mond    auf   seinem  Wege   einen  der 
Ekliptik  sehr  nahe  stehenden  Stern  bedeckt,   so  wird 
er  denselben  nach  einiger  Zeit  bedeutend  nord-   oder 
südwärts  lassen.     Durch  die  Yergleichung  von  Finstei"- 
nissen  hat  man  gefunden,  dafs  die  Knoten  in  6793  Ta- 
gen 7  St.  13'  einen  ganzen  Umlauf  mit  Bezug  auf  die 
Fixsterne  machen.     Die  Zeit,  in  welcher  der  Mond  zu 
einem  von  ihnen  zurückkehrt,   heifst  ein  drakoni ti- 
sch er  Monat,    well   man  ehemals  den  aufsteigenden 
Knoten  Drachenkopf ,  den  niedersleigenden  Drachen- 
schwanz  nannte.     Die  Dauer  dieses  Monats  ist  27  T. 
5  St.  7'. 

Die  Neigung  der  Mondbahn  gegen  die  Ekliptik 
ist  im  Mittel  5^8'  49".     Sie  kann  sich  etwa  um  neun 


Mathematische  Chronologie.  47 

Minuten  ändern.  Die  Mondfinsternisse  dienen  auch  dazu, 
die  alsdann  Statt  findende  Neigung  der  Bahn  zu  herech- 
nen.  Auch  wird  sie  durch  die  grofste  Breite,  die  der 
Mond  hei  jedem  halhen  Umlauf  erhält ,  gemessen* 

Da  hei  der  Bewegung  des  Mondes  alles  so  groisen 
Aenderungen  unterworfen  ist,  so  hq;reift  man,  wie 
schwer  es  sein  müsse,  die  Gesetze  derselhen  zu  ent- 
decken und  Tafeln  zu  verfertigen,  vermittelst  deren 
man  seinen  Ort  fiir  jede  gegebene  Zeit  berechnen  kann. 
Die  krumme  Linie,  in  der  er  sich  bewegt,  ist  so  unre- 
gelmäfsig,  dafs  man  nach  den  von  Mason  verbesserten 
May  er  sehen  Mondtafeln  vier  beträchtliche  tmd  acht- 
zehn kleinere  Correctionen  (Aequationen)  anzubringen 
hat,  wenn  man  hlob  seine  Länge  bestimmen  will. 

Da  223  synodische  Monate,  welche  einen  Zeitraum 
von  6585  Tagen  7  St.  43'  oder  18  Jahren  zu  365^  Ta- 
gen und  etwa  ii  Tage  umfisissen,  nahe  239  anomalisti- 
sche  und  242  drakonitische  Monate  geben,  und  da  die 
Ungleichheiten  des  Mondes  hauptsächlich  durch  sein 
Yerhältnils  zu  den  Absiden  und  Knoten  bedingt  wer^ 
den,  so  müssen  sich  nach  Ablauf  dieser  Zeit  die  Un^ 
gleichheiten  sehr  nahe  in  derselben  Ordnung  erneuen. 
Schon  die  Chaldäer  haben  diese  Periode  mit  Hülfe  der 
Mondfinstemisse  entdeckt,  indem  sie  fanden,  dafs- die- 
selben nach  223  Mondwechseln  in  gleicher  Grofse  und 
Ordnung  wiederkehrten.  Man  nennt  sie  daher  ge- 
wöhnlich die  chaldäische  Periode  oder  die  der 
Finsternisse.  / 

Eine  andere  merkwürdige  Mondperiode  ist  die  von 
235  synodischen  Monaten  oder  6939  Tagen  16  St.  31' 
45",  die  nur  um  2  St.  4'  33"  länger  als  19  tropische 
Jahre  sind,   so  Aa&  sich   nach  Verlauf  derselben   die 


48  Mathematische  ChrO¥U)lagie. 

Neumonde  wieder  an  denselben  Tagen  des  Sonnenjahrs 
ereignen.  Sie  ist  von  den  Völkern  gebraucht  worden, 
die  sich  bei  der  Eintheilung  der  Zeit  zugleich  nach 
Sonne  und  Mond  gerichtet  haben,  z.  B.  von  den  Athe- 
nern, unter  denen  sie  Meton  eingeführt,  vielleicht 
zuerst  wahi^nommen  hat,  daher  man  sie  auch  die 
metonsche  nennt. 

Auch  die  Bahnen  der  Planeten  sind  mehr  oder 
minder  gegen  die  Ekliptik  geneigt,  so  dafs  sie  gewöhn- 
lich aufser  derselben  nord-  oder  südwärts  von  ihr  sich 
zeigen.  Unter  den  seit  Alters  her  bekannten  Körpern 
dieser  Art  erhält  Yenus  die  stärkste  Breite,  die  sich  zu 
Zeiten  auf  beinahe  9^  erstrecken  kann.  Man  dachte 
sich  daher  ehemals  einen  Streifen  oder  Gürtel  von 
18  bis  20^  Breite  längs  der  mitten  durch  ihn  hinlau- 
fenden Ekliptik,  um  die  Gegend  zu  bezeichnen,  in  der 
der  Mond  und  die  Planeten  beständig  verweilen.  Dies 
ist  der  sogenannte  Zodiacus  oder  Thierkreis.  Die 
in  unseren  Tagen  entdeckten  Planeten  gehen  aber  zum 
Theil  weit  über  diesen  Gürtel  hinaus,  so  dals  nun  von 
ihm  nicht  weiter  die  Rede  sein  kann. 

Die  Planeten  sind  in  chronologischer  Hinsicht  von 
keiner  Wichtigkeit,  da  nicht  mit  Sicherheit  bekannt 
^ist,  dafs  ein  Volk  den  Umlauf  eines  derselben  bei  sei- 
ner Zeilrechnung  berücksichtigt  hätte. 

Die  Kometen  würden,  da  sie  sich  in  den  Anna- 
len  der  Völker  häufig  erwähnt  finden,  der  historischen 
Zeitrechnung  die  wichtigsten  Dienste  leisten,  wenn  ihre 
Zahl  beschränkt  und  ihre  Umlaufszeiten  bekannt  wären. 
Man  hat  bereits  über  hundert  beobachtet,  die  alle  grofse 
Verschiedenheiten  in  ihrem  Laufe  gezeigt  haben,  und 
es  vergeht  &st  kein  Jahr,  wo  die  Astronomen  nicht 


Mathematische  Chronologie.  49 

neue,  von  den  vorigen  verschiedene,  entdecken  sollten. 
Die  Umlanfszeit  ist  bis  jetzt  nur  von  zweien  mit  Sicher- 
heit bekannt,  nämlich  von  dem  des  Jahrs  1759,  der 
nun  schon  siebenmal  in  Zwischenräumen  von  fiinfund- 
siebzig  bis  sechsundsiebzig  Jahren  gesehn  worden  ist, 
und  von  einem  kleinen  Kometen,  der  seinen  Umlauf 
in  etwa  1S07  Tagen  beendigt,  und  schon  funfinal 
(1786,  1795,  1805,  1819  und  1822)  beobachtet  wor- 
d,en  ist. 

Die  Fixsterne  sind  dem  Chronologen  nur  wegen 
des  Gebrauchs  wichtig,  den  die  alten  Yölker  von  ihren 
Auf-,  imd  Untergängen  zur  Bestimmung  der  Haupt- 
epochen des  Jahrs  gemacht  haben.  Natürlich  hat  man 
dazu  die  hellsten  gewählt,  die  sogenannten  Sterne 
erster  Gröfse;  denn  man  theilt  die  Fixsterne  nach 
ihrer  Lichtstärke  in  Klassen  von  der  ersten  bis  zur 
sechsten  Gröfse,  so  dafs  die  letztere  diejenigen  begreift, 
die  ein  scharfes  Auge  nur  eben  noch  auf  dem  dunkeln 
Grunde  des  Himmels  dämmern  sieht.  Um  sich  gehö* 
rig  am  Himmel  orientiren  zu  können,  hat  man  die 
Sterne  seit  den  ältesten  Zeiten  in  Gruppen  oder  Bilder 
gebracht,  deren  von  den  Griechen  fünfzig  auf  uns  ge- 
kommen sind.  Zwölf  davon  stehen  im  Thierkreise, 
nämlich  eben  die ,  von  denen  die  Zeichen  der  Eklip- 
tik ihre  Namen  erhalten  haben.  Man  nennt  sie  die 
Zodiacalbilder.  .An  den  nördlichen  Himmel  haben 
die  Alten  dreiundzwanzig,  an  den  südlichen  fünfzehn 
Bilder  gesetzt.  Die  neuem  Astronomen  haben  die  Zahl 
der  Sternbilder  bis  über  hundert  vermehrt. 

Das  periodische  Erscheinen  und  Verschwinden  der 
Sterne  in  der  Morgen-  und  Abenddämmerung,  dessen 
schon  oben  S.  15  kurz  gedacht  worden,  ist  eine  noth- 
I.  [4] 


50  Malhematische  Chronologie. 

weiMÜge  Folge  der  scheinbaren  Bewqping  der  Sonne  In 
der  Ekliptik*  Da  diese  Phänomene  von  den  Jahrsiei^ 
ten  abhängen  I  so  dienen  sie  zugleich,  dieselben  zu  be- 
zeichnen* Sie  waren  daher  für  die  Völker  des  Altern 
thums,  besonders  fiir  diejenigen,  die  kein  festes  Son- 
nenjahr hatten,  ein  Gegenstand  aufmerksamer  Beobach- 
tung,, und  dienten  ihnen  als  ein  Kalender  zur  Anord- 
nung der  Geschäfte  des  Landbaus  und  der  Schiflfahrt. 
Wegen  der  häufigen  Anspielungen,  die  sich  bei  den 
alten  Diditem  auf  sie  gemacht  finden,  werden  sie  ge- 
wöhnlich die  poetischen  Auf-  und  Untergänge 
der  Sterne  genannt.  Schicklicher  sagt  man  die  jähr- 
lichen* Wir  wollen  das  Wesen  dieser  Erscheinungen 
näher  kennen  lernen. 

Ueberall  auf  der  Erde  aulserhalb  des  Aequators 
ist  eine  Anzahl  Sterne  beständig  sichtbar,  eine  andere 
beständig  unsichtbar.  Die  übrigen  gehen,  wie  die  Sonne, 
täglich  auf  und  unter,  nur  wegen  der  veränderlichen 
Lage  der  Erde  im  Weltraum  in  inuner  anderen  Tags- 
zeiten. Von  diesem  täglichen  Auf-  und  Untergange 
ist  hier  nicht  die  Bede. 

Bei  der  Bewegung,  wodurch  die  Sonne  binnen 
einem  Jahr  yon  Westen  gegen  Osten  um  den  Himmel 
gefuhrt  zu  werden  scheint,  hönnen  diejenigen  Gestirne, 
die  sich  jedesmal  in  ihrer  Nähe  befinden,  für  uns  nicht 
sichtbar  sein,  indem  sie  zugleich  mit  ihr  auf-  und 
untergehen,  mithin  am  Tage  über  dem  Horizont  stehen« 
So  wie  sie  ostwärts  fortrückt,  treten  immer  andere 
Sterne  in  den  Kreis  der  Unsichtbarkeit,  und  verlassen 
denselben  immer  andere  westwärts.  Die  ihr  am  Himmel 
gq^nüber  stehenden  Sterne  gehen  auf,  wenn  sie  unter- 
geht, uater,  wenn  sie  aufgeht,  und  sind. also  während 


MathenuUische  Clironologie.  61 

der  Nacht  über  dem  Horizont.  B^eiflicfaerwelae  mu6 
es  hiernach  für  jeden  auf-  und  untergehenden  Stern 
einen  Tag  im  Jahr  gehen,  wo  er  in  den  Sonnenstrah- 
len verschwindet,  einen  andern,  wo  er  aus  densel^ 
hen  hervortritt,  imd  noch  andere,  wo  er  zugleich  mit 
der  Sonne,  sei  es  ihr  nahe  oder  gegenüber,  im  Hori- 
zont steht. 

Um  die  Erscheinungen  und  Wechsel  dieser  jähr- 
lichen Auf-  und  Untergänge  näher  kennen  zu  lernen, 
wollen  wir  unsere  Aufmerksamkeit  auf  den  Regulus, 
den  hellsten  etwa  einen  halben  Grad  nordwärts  von 
der  Sonnenbahn  stehenden  Stern  des  Löwen  richten. 
Unser  Standort  sei  Berlin. 

Dieser  Stern  zeigt  sich  um  die  Zeit  des  längsten 
Tages  des  Abends  am  Westhimmel.  Mit  jedem  Tage 
erscheint  er  beim  Anbruch  -  der  Nacht  tiefer  in  der 
Dämmerung,  und  mit  jedem  Tage  geht  er  früher  un- 
ter, bis  er  endlich  bei  Annäherung  der  Sonne  völlig 
unsichtbar  wird.  Es  ist  der  5.  Julius,  wo  er  zum 
letztenmal  in  der  Abenddämmerung  untergehend  ge« 
sehen  wird.  Dieses  Yerschwinden  in  den  Sonnenstrah- 
len nennt  man  seinen  heliakischen  Untergang. 
Hierauf  geht  die  Sonne  vor  ihm  vorüber,  und  es  ist, 
wie  sich  durch  Ansicht  einer  künstlichen  Himmelskugel 
oder  sicherer  durch  Rechnung  ergibt,  der  22.  August, 
wo  er  zugleich  mit  ihr  untergeht.  Bereits  zwei  Tage 
früher  ist  er  zugleich  mit  ihr  aufgegangen.  Beides 
würde  an  einerlei  Tage  geschehen  müssen,  wenn  er 
sich  genau  in  der  Ekliptik  befände.  Erst  am  3.  Sep- 
tember hat  sich  die  Sonne  so  weit  ostwärts  von  ihm 
entfernt,  dais  er  während  der  Morgendämmerung  auf 
einige  Augenblicke  im  Horizont  sichtbar  werden  oder 

[4*] 


62  Mathematische  Chronologie. 

heliakisch  aufgehen  kann.  Nach  dieser  Wiederer- 
scheinung in  Osten  zeigt  er  sich  mit  jedem  Tage  frü- 
her im  Horizont  und  länger  in  der  Nacht.  Am  4.  No- 
yemher  geht  er  bereits  um  Mitternacht,  und  späterhin 
in  den  Abendstunden  auf.  Am  7.  Februar  ist  sein 
Aufgang  zum  letztenmal  sichtbar.  Er  geht  dann,  wie 
die  Griechen  sagten,  akronychisch ,  d.  i.  bei  an- 
brechender Nacht,  auf.  Während  er  sich  so  von  der 
Sonne  entfernt«  rückt  er  mit  jedem  Morgen  dem  West- 
horizont näher,  den  er  endlich  am  17.  März  zum  ersten- 
mal sichtbar  erreicht,  kosmisch  oder  beim  Anbruch  des 
Tages  untergehend.  Zwischen  dem  akronychisdien  Auf- 
und  kosmischen  Untergange  geht  er  am  15.  Februar 
beim  Untergange  der  Sonne  auf  und  am  17.  Februar 
beim  Aufgange  der  Sonne  unter,  dem  unbewaffneten 
Auge  nicht  bemerkbar. 

Ganz  ähnliche  Erscheinungen  stellen  alle  übrige 
auf-  und  untergehende  Sterne  dar,  nur  dafs  nach 
Verschiedenheit  ihres  Orts  an  der  scheinbaren  Himmels- 
kugel, besonders  ihrer  Entfernung  von  der  Sonnenbahn, 
die  Tage,  Wechsel  und  Zwischenräume  ihrer  jährlichen 
Auf-  und  Untergänge  verschieden  ausfallen.  So  gehen 
die  in  beträchtlicher  nördlichen  Entfernung  von  der 
Ekliptik  stehenden  Sterne ,  z.  B.  Arktur ,  bei  uns  frü- 
her im  Jahr  heliakisch  auf  als  unter,  daher  sie  sich 
nie  auf  eine  ganze  Nacht  den  Blicken  des  Beobachters 
entziehen  können. 

Man  sieht,  es  sind  überhaupt  acht  Auf-  und  Un- 
tergänge, welche  durch  die  jährliche  Bewegung  der 
Sonne  bestimmt  werden  und  mit  derselben  periodisch 
wiederkehren.  Nur  vier  davon  sind  Gegenstände  der 
Beobachtung,   und  weiden    daher   die    scheinbaren 


Mathematische  Chronologie.  53 

genannt,    zum  Unterschiede  der  übrigen,    welche  die 
wahren  heifsen. 

Die  griechischen  Astronomen  nannten  den  heliaki- 
schen  Untergang  h\Kn9  lm9^ia,  den  heliakischen 
Aufgang  l^riroAi)  iwa,  den  akronychischen  Auf- 
gang IfTiroX)}  sTTTsgla^  und  den  kosmischen  Unter- 
gang 8va-t9  ttvu^  und  wenn  wir  nach  dieser  Analogie 
Spätuntergang.,  Frühaufgang ,  Spätaufgang 
und  Frühuntergang  sagen,  so  haben  wir  KunstauA- 
drücke,  die  das  Wesen  der  Erscheinungen,  die  sie  be- 
seichnen  sollen,  bestimmt  zu  erkennen  geben.  Stehen 
sie  ohne  weitem  Zusatz,  so  können  sie  auf  die  schein- 
baren Auf-  und  Untergänge  gehen  ^). 


*)  Die  Ausdrücke  heliakisch  und  kosmisch  scheinen  zuerst 
beim  Servius  Torzukommen.  Jd  Firg,  Georg.  I,  218.  Von 
dem  akronychischen  Aufgange  ist  schon  beim  Theophrast 
die  Rede.  De  sign,  pluv.  p.  416  ed.  Heins.  Die  gewöhnliche  Ter- 
minologie bei  den  Alten  war  eine  andere.  Geminus  sagt  (c.  ii), 
ai^aroXi}  heifse  der  tägliche,  lirtroXi]  der  iährliche  Aufgang; 
liaiq  sei  das  CoiTelat  yon  avaroXiJ,  x^i^iq  yon  iirtroXi].  Lidessen 
gebraucht  er  ^-oviq  auch  als  Synonym  yon  xpvi(>ic.  Die  Römer 
hatten  keine  besondere  Wörter,  die  jährlichen  Auf-  und  Unter- 
gänge zu  bezeichnen.  Wenn  es  beim  Plinius  heifst  (H.  N. 
XYin,  58) :  Aut  adventu  solis  occuUantur  steüae  et  conspici 
desinunt,  aut  eiusdem  abscessu  proferunt  se,  Emersum  hoc 
melius  quam  exortum  consuetudo  dixisset,  et  illud  occulta'- 
tionem  potius  quam  occasum,  so  sieht  man,  dafs  die  passenden 
Wörter  emersus  und  occultatio  den  Sprachgd^rauch  der  Römer 
nicht  füi*  sich  hatten.  Sie  bedienten  sich  blofs  der  yom  täglichen 
Auf-  und  .Untergange  entlehnten  Wörter  ortus  und  occasus. 
Kunstausdrücke  zur  Unterscheidung  des  zwiefachen  Auf-  und 
Unterganges  hatten  sie  uiciit,  und  bedurften  auch  ihrer  eben 
nicht,  da  sich  bei  jedem  ausgezeichneten  Stern  der  Sprachge- 
brauch auf  eine  allen  yerstandÜche  Weise  ausgebildet  hatte.  So 
dachte  gleich  jeder  Leser  des  Horaz  bei  dem  saevus  Arctuti 


64  Mathematische  Chronologie. 

Bliebe  das  Yerlrältnifs  der  FizBteme  sa  den  Punk- 
ten der  Nachtgleichen  unveränderlich,  so  würden  sie 
durch  diese  ihre  jährlichen  Auf-  und  Untergänge  un- 
ter jeder  Polhöhe  unwandelbare  Merkmale  der  Jahrs- 
Eeiten  abgeben  ^  die  dem  aufmerksamen  Beobachter  des 
Himmels  die  Stelle  eines  nach  dem  Laufe  der  Sonne 
ungerichteten  Kalenders  vertreten  könnten.  So  aber 
geben  sie  wegen  der  Yorrückung  der  Nachtgleichen  all- 
malig  an  immer  späteren  Tagen  des  Sonnenjahrs  auf 
und  unter.  So  verlor  sich  der  hellste  Stem  im  Stier, 
Aldebaran,  dessen  SpLtuntei^ng  unter  der  Polhöhe 
Roms  gegenwärtig  auf  den  9.  Mai  tinfft,  zu  Gasars  Zei- 
ten bereits  am  20.  April  in  den  Strahlen  der  Abend- 
sonne. Indessen  ersieht  man  schon  aus  der  Yergleichung 
dieser  beiden  Data,  dafs  die  Tage  der  jährlichen  Auf- 
und  Untergänge  der  Gestirne  auf  mehrere  Menschen- 
alter als  unveränderlich  gelten  können. 

Um  diese  Tage  zu  bestimmen,  mufs  man  den  Sc- 
hungsbogen  —  arcus  'Disionis  —  d.  i.  die  senkrechte 
Tiefe  der  Sonne  unter  dem  Horizont,  kennen,  bei  der 
ein  Stem  auf-  oder  untergehend  zuerst  oder  zuletzt 
wahrgenommen  werden  kann.  Dieser  Bogen  wii*d  durch 
die  Lichtstärke  des  Sterns,  durch  sein  Yerhältnifs  zur 
auf-  oder  untergehenden  .Sonne,   durch   die   Sehkraft 


cadentis  Impetus  an  den  unter  der  Polhöhe  des  Dichters  am 
7.  Novembei'  erfolgenden  Spätuntergang  dieses  Sterns,  dahingegen 
der  Frähnntergang  am  10.  Junius,  in  der  schönsten  Jahrszeit, 
eintraf.  Das  allgemeine  Woit  für  sämmtliche  Auf-  und  Unter- 
gänge dei*  Fixsterne  war  bei  den  Giiechen  4>eJ<ric.  Werden  <Ke 
Wörter  «^ae-cc  und  xpin|>i(  zusammengestellt^  wie  im  Almagest 
(Vin,  6;  Xin,  7),  so  bezeichnet  jenes  den  FrUhaufgang ,  die- 
ses den  Spätuntergang. 


Matheniatisclie  Chronologie.  66 

des  Beobachters  und  durch  die  jedesmalige  Beschaf- 
fenheit der  Atmosphäre  bedingt.  Die  beiden  letztem 
Umstände  können  hier  nicht  beriicksichtigt  werden,  wo 
nur  die  Frage  ist ,  wie  grofs  bei  gehöriger  Sehkraft  und 
Klarheit  der  Luft  der  jedesmalige  Sehungsbogen  sei. 

In  vielen  astronomischen  Büchern  wird  gesagt, 
Ptolemäus  habe  den  Sehungsbogen  der  Sterne  erster 
Gröfse  auf  zwölf,  den  der  zweiten  auf  dreizehn >  den 
der  dritten  auf  vierzehn,  den  der  vierten  auf  fünfzehn, 
den  der  fünften  auf  sechzehn ,  und  den  der  kleinsten, 
die  nur  beim  ganzlichen  Mangel  der  IKLmmerung  wahr- 
genommen werden  können ,  auf  achtzehn  Grad  gesetzt. 
Schwer  möchte  sich  angeben  lassen ,  worauf  sich  diese 
Angabe  gründet;  aber  mit  Sicherheit  läfst  sich  behaup- 
-  ten ,  dafs  sich  in  seinen  bis  jetzt  gedruckten  Werken 
nichts  dergleichen  findet.  In  der  Einleitung  zu  seiner 
Schrift  dortig  atrXavüov  äs4gtüv,  Erscheinungen  der 
Fixsterne,  sägt  er,  er  habe  in  einer  eigenen  Ab- 
handlung gezeigt,  wie  tief  bei  dem  ersten  Auf-  oder 
Uatergange  eines  Sterns  in  der  Dämmerung  die  Sonne 
sowohl  in  einem  Vertikal  als  in  der  Ekliptik  unter  dem 
Horizont  stehen  müsse.  Diese  Abhandlung  sdieint  ver- 
loren gegangen  zu  sein. 

Es  ist  mir  immer  unwahrscheinlich  vorgekommen, 
dafs  er  den  Sehungsbogien  eines  Sterns  erster  Gröfse 
durchgehends  zu  zwölf  Grad  angenommen  haben  sollte, 
es  mag  der  Stein  mit  der  Sonne  an  einerlei  Seite  des 
Horizonts,  oder  ihr  gegenüber  stehen.  Von  dem  Un- 
grunde  dieser  Yoraussetzung  habe  ich  nun  die  vollstän- 
digste Ueberzeugnng  erhalten,  und  zugleich  die  Gröise 
dieses  bei  Berechnung  der  von  den  Alten  erwähnten 
Auf*  und  Untei^^ge  der  Sterne  so  wesentlichen  Ele^ 


56  Matlwmatische  Chronologie. 

menta  mit  einer  Sicherheit  ausgemittelt ,  die  nichts  zu 
wünschen  übrig  läfst. . 

In  der  eben  gedachten  Schrift  hat  Ptolemäus 
fiir  fünf  verschiedene  Parallelen  die  Auf-  und  Unter- 
gänge  von  dreißig  Sternen  erster  und  zweiler  Gröfse 
nicht  nach  Beobachtungen,  sondern  nach  seinen  eigenen 
Berechnungen  angegeben.  Aus  dieser  groisen  Menge 
einzelner  Bestimmungen  lieis  sich  der  von  ihm  zum 
Grunde  gelegte  Sehungsbogen  ausmitteln,  wie  ich  in 
einer  akadei^i^chen  Vorlesung  gezeigt  habe.  ^)  Es  Bat 
sich  ergeben,  dais  ihn  Ptolemäus  bei  Sternen  erster 
Gröfse  zu  li  und  7,  bei  denen  der  zweiten  zu  14  und 
Sy  Giad  angenommen  hat.  Die  Zahlen  11  und  14 
gelten  für  den  FaU,  dais  der  Stern  mit  der  Sonne  an 
derselben  Seite  des  Horizonts,  die  Zahlen  7  und  8-^-  für 
den  Fall,  dais  er  ihr  gegenüber  auf-  oder  untergeht. 
Sie  stimmen  ganz  gut  mit  den  mir  bekannten  Wahrneh- 
mungeii  der  Ft^uem  überein.  Lambert  hat  in  seiner 
Photometrie^)  für  die  Grenze  der  gemeinen  Däm- 
merung ^},  d*  i.  für  d^n  Zeitpunkt,  wo  die  Sterne 
erster  Gröfse  an  der  der  Sonne  entgegengesetzten  Seite 
des  Horizonts  Morgens  unsichtbar  und  Abends  sieht« 
bar  zu  werden  an&iigen,  einen  Sehungsbogen  von  6^ 
93'  gefunden.  Hr.  Wurm  bestimmt  den  Sebungs- 
h^xk  für  Sterne  p^ter  Gröfse  von  mittlerer  Helligkeit 
zu   6-^,.  für  Sterne   zweiter   zu   9,    für   Steme   dritter 


*)  üeber  den  Kalender  des  Ptolemäus,  in,  den  Schrif- 
tm  der  Berliner  Akademie  aus  den  Jahren  1816  und  1817. 

')    B..V.  k.  3i. 

^ )  Im  Gegensatz  der  astronomischen,  welche  anfangt  und 
aufhört,  wenn  die  Sonne  eine  Tiefe  von  18  '  en-eicht ,  bei  der  ihr 
Licht  in  der  Atmosphäre  bcmerklicfa  wird  oder  zu  sein  aufhört. 


Mathematische  Chronologie.  57  . 

zu  IJ,  und  für  Sterne  vierter  Groise  zu  15  Grad  ')• 
Diese  Zahlen  kommen  mit  dem,  was  Lambert  gefun- 
den, ziemlich  gut  für  den  Fall  üherein,  dafs  sich  Sonne 
und  Stern  an  entgegenge^tzten  Seiten  des  Horizonts 
befinden;  setzen  wir  aber  beide  an  den  Morgen-  oder 
Abendhimmel  einander  möglichst  nahe,  so  muis  der 
Sehungsbogen  bedeutend  gröfser  auslallen« 

Wie  man  die  Ta^  der  jährlichen  Auf-  und  Un- 
tei^nge  durch  Rechnung!  finde,  wird  imten  in  den 
Erläuterungen  und  Zusätzen  an  einem  Beispiel 
gezeigt  werden*  Komimt  es  auf  keine  besondere  Ge- 
nauigkeit an,  so  kann  man  sich  zu  diesem  Behuf  einer 
künstlichen  Himmelskugel  auf  folgende  yfeise  bedienen : 
man  erhebe  sie  auf  die  Polhöhe  des  Orts,  bringe  den 
Stern  an  den  Ost-  oder  Westhorizont  imd  sehe,  welcher 
Grad  der  Ekliptik  an  demselben  oder  an  der  entgegen- 
gesetzten Seite  um  den  jedesmaligen  Sehungsbogen  ver- 
tieft liegt.  Da  es  Schwierigkeit  hat,  diesen  Grad  unter 
dem  Horizont  zu  erkennen,  so  kann  man  dafiir  denje- 
nigen Ikehmen ,  der  gegenüber  eben  so  hoch  über  dem 
Horizont  liegt,  und  180**  addiren  oder  subtrahiren. 
Gewöhnlich  ist  ein  in  seine  Grade  eingetheilter  Qua- 
drant vorhanden,  der,  im  höchsten  Punkt  des  Meri- 
dians angeschraubt,  bei  jeder  Stellung  der  Himmelsku- 
gel die  Höhe  der  Sterne  zu  erkennen  gibt.  Sucht  man 
nun  den  gefundenen  Punkt  der  Ekliptik  in  dem  auf 
dem  Horizont  angebrachten  Kalender  auf,  so  ergibt  sich 
der  Tag  des  Jahrs,  auf  den  der  verlangte  Auf-  oder 
Untergang  trifft.  Will  man  bis  in  die  Vorwelt  zurück- 
gehen ,  z.  B.   bis  auf   die  Einführung  des  julianischen 


')    Astronomisches  Jahrbuch  1805>  S.  161  ff. 


68  Mathematische  Chronologie. 

Kalenders,  so  mufs  man  nictit  blofs  auf  die  Yorriickung 
der  Nacktgleichen  und  auf  die  Yeranderung  der  Schiefe 
der  Ekliptik,  sondern  auch  auf  die  Verschiebung  der 
Tage  der  Nachtgleichen  und  Sonnenwenden  im.  julia- 
nischen Kalender  Rücksicht  nehmen.  So  ereignete  sich 
die  Frühlingsnachtgleiche  im  Jahr  800  v.  Chr.  (zu 
Hesiodus  Zeit)  den  29.  März  tmi  i  Uhr  Nachmittags, 
im  Jahr  432  v.Chr.  (zu  Meton's  Zeit)  den  26.  März 
um  2  Uhr  Nachmittags,  im  Jahr  44  v.  Chr.  (zuCäsars 
Zeit)  den  25.  März  um  11  Uhr  Vormittags,  und  im 
gegenwärtigen  Jahr  1825  den  8.  März  alten  oder  20.  März 
neuen  Stils  um  10  Uhr  Abends  Berliner  Zeit. 


Zweiler  Tlieil. 

Technische  Chronologie. 


/V%/l/WVWW«^ 


Einleitung. 


E, 


dins  der'  ersten  Bedürfnisse  der  sich  bildenden  Ge- 
sellschaft ist  die  Eintheilung  der'  Zeit.  Als  die  natür- 
lichste Einheit  zur  Ausmessung  derselben  bietet  sich 
den  Menschen  der  Zeitraum  von  einem  Auf-  oder  Un- 
tergänge der  Sonne  zum  andern,  der  bürgerliche 
Tag  (29),  dar,  der  ihnen  genügt,  so  lange  sie,  auf 
einer  niedrigen  Stufe  der  Entwickeliing  stehend,  blofs 
in  der  Gegenwart  leben.  Wenn  sie  aber  bei  wachsen-* 
der  Cuitur  auch  für  Yei^ngenheit  und  Zukunft  Inter- 
esse zu  gewinnen  anfangen,  so  werden  ihnen  die  gi*ofsen 
Zahlen,  die  ein  so  Meiner  Maafsstab  gibt,  unbequem, 
und  sie  sehen  sich  nach  grö(sem  Einheiten  um,  die 
ihnen  nun  die  Wechsel  der  Mondgestalten  und  der 
Jahrszeiten  an  die  Hand  geben. 

Nach  Goguet's  Meinung  *)  ist  nächst  dem  Tage 
die  Woche  das  erste  Zeitmaafs  gewesen.  Sie  ist  aber 
offenbar  nur  ein  Theil  einer  giöüsem  Einheit.    Bailly 

*)    De  torigine  des  Lois,  Tom.  I.  pag.  2!7. 


60  Technische  Chronologie. 

glaubt  *),  dafs  man  bei  ibrer  Bestimmung  vom  perio- 
dischen Monate  (42)  ausgegangen  sei;  es  finden  sich 
aber  nirgends  Spuren  von  einem  chronologischen  Ge- 
brauche desselben,  an  den  schon  seiner  innem  Unwahr- 
scheinlichkeit  wegen  nicht  zu  denken  ist.  Die  Woche 
ist  ohne  Zweifel  eine  Unterabtheilung  des  synodischen 
Monats;  denn  statt  7^-  Tagen,  welche  die  Mondviertel 
im  Durchschnitt  halten,  nahm  man  die  am  nächsten 
liegende  ganze  Zahl  von  7  Tagen,  und  ob  man  gleich 
bald  finden  mufste,  dafs  dieser  Zeitraum  kein  genau- 
messender Theil  des  Monats  sei,  so  blieb  man  doch  bei 
dieser  Zahl,  an  die  sich  frühzeitig  mystische  Ideen  ge- 
knüpft haben  mögen. 

Die  monatlich  in  gleicher  Ordnung  wiederkehren- 
den so  auffallenden  Lichtgestalten  des  Mondes  haben 
fast  ohne  Ausnahme  die  Völker  veranla&t,  nach  ihnen 
ihren  Gottesdienst  zu  ordnen  und  ihre  Versammlungen 
zu  bestimmen.  Man  fand  bald,  auch  ohne  gerade  Mond- 
finstemisse zu  Hülfe  zu  nehmen,  dafs  der  Zeitraum, 
dach  welchem  sich  die  Phasen  erneuen ,  nahe  neun- 
undzwanzig und  einen  halben  Tag,  also  der  doppelte 
Zeitraum  neunundfunfzig  Tage  halte.  Diese  neunund- 
funfzig  Tage,  auf  welche  vielleicht  der  von  Censor  in  ') 
den  ältesten  Aegyptem  beigelegte  annus  bimestris  hin- 
deutet, theil tc  man  in  zwei  Abschnitte  von  einer  gan- 
zen Anzahl  Tage,  und  erhielt  so  Monate  abwechselnd 
von  dreifsig  und  neunundzwanzig  Tagen.  Da  man 
wahrnahm,  dafs  zwölf  solcher  Mondmonate,  zusammen 
554  Tage,  die  Jahrszeiten  wenigstens  im  Groben  zurück- 


*)    Mist,  de  r Astronomie  ancienne  p.  32  und  295. 
')    De  die  not.  c.  19. 


«  Einleitung.  61 

führen,  so  bildetse  man  daraus  eine  neue  Zeiteinheit, 
das  Mondjahr.  Ein  solches  Jahr  behauptete  sich  so 
lange  bei  den  Yölkem,  als  sie  noch  keine  genaue  Kennt- 
niis  von  dem  Laufe  der  Himmelskörper  eingesammelt 
hatten,  und  entsprach  hinreichend  den  Bedürfnissen 
derer,  die  sich,  nvie  die  Beduinen j  vom  Fleisch  und 
von  der  Milch  der  Thiere  ernähren. 

Im  ersten  Beginnen  der  Gesellschaft  waren  alle 
Menschen  Jäger  und  Hirten.  Als  sie  zahlreicher  wur- 
den, sahen  sie  sich  zu  dem  mühsamem  Beirieb  des 
Ackerbaues  genöthigt.  Nim  kam  es  auf  die  Kenntnils 
der  Wiederkehr  der  Jahrszeiten  an,  indem  man  be- 
merkte, dafs  die  Vegetation  durch  das  längere  oder  kür- 
zere Verweilen  der  Sonne  über  dem  Horizont  bedingt 
wird.  Man  nahm  bald  wahr,  dals  im  Kreislaufe  der 
Jahrszeiten  täglich  neue  Sterne  in  der  Abenddämmerung 
verschwinden  und  in  der  Morgendänmierung  erscheine^, 
und  wählte  nun  die  hellsten  derselben  als  Signale  der 
periodisch  sich  erneuenden  Feldarbeiten.  So  wurden 
die  ersten  Landbebauer  gewissermafsen  Astronomen.  Das 
frühste  Resultat  ihrer  Beobachtungen  war  die  Dauer  des 
Sonnenjahrs,  die  man  in  dem  Lande,  dessen  physi- 
scher Zustand  ganz  von  den  Jahrszeiten  abhängt,  und 
in  welchem  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  der  Ackerbau 
zuerst  methodisch  beti*ieben  worden  ist,  in  Aegypten, 
gewifs  frühzeitig  innerhalb  der  Grenzen  eines  Viertelta- 
ges ausgemittelt  haben  wiid.  Die  genaue  Bestimmung 
derselben,  so  wie  die  der  Nachtgleichen  und  Sonnen- 
wenden, konnte  erst  die  Frucht  wissenschaftlicher  Un- 
tersuchungen sein,  auf  welche  die  sich  allmälig  ausbil- 
dende bürgerliche  Gesellschaft  zuletzt  unter  jedem  Volke 
leitet.     Aber  auch  ohne  alle  feinere  Beobachtung  gab 


62  Technisclie  Chronologie. 

der  auffallende  Wechsel  der  Mittagsliöhen  und  der  Mor- 
gen- und  Abendweiten  der  Sonne  Gelegenheit,  die  vier 
Jahrpunkte  und  ihre  Zwischenräume  wenigstens  Im  Gro- 
.ben  zu  erkennen,  und  hieraus  entstand  die  Eintheilung 
des  Sonnenjahrs  nach  den  vier  Jahrszeiten,  auf  der 
das  dreimonatliche  Jahr  der  Arkadier  und  das  sechsmo- 
natliche  der  Akamaner  und  Karer  beruhen,  von  denen 
Gensprin  ^);   Macrobius  ')  und  andere  reden. 

Auch  als  schon  das  Sonnenjahr  eingeführt  war, 
behielten  manche  Yölker  noch  immer  den  so  natür- 
lichen Zeitabschnitt  des  Mondmonats  bei,  obgleich 
derselbe  kein  genaumessender  Theil  des  Sonnenjahrs 
ist.  So  theilen  die  Otaheiter  ihre  Zeit  nach  dem 
Wachsen  der  Brotfrucht  und  zugleich  nach  den  Mond- 
wechseln ein«  Ihr  Jahr  ist  der  Zeitraum ,  während 
dessen  der  Brotfruchtbaum  seine  Früchte  bringt  mit 
Einschlufs  der  Zeit,  wo  er  keine  hat.  Es  fangt  in 
unserm  März  an,  und  zerfällt  nach  dem  Mondlauf  in 
'zwölf  oder  dreizehn  Theile.  ^) 

Es  kam  nun  darauf  an,  einen  Zeitraum  zu  finden, 
der  zugleich  eine  volle  Zahl  von  Umläufen  der  Sonne 
und  des  Mondes  enthält,  an  dessen  Schluise  sich  also  die 
beide  Umläufe  begleitenden  Erscheinungen  in  gleicher 
Ordnung  erneuen.  Um  einen  solchen  zu  entdecken, 
ging  man  entweder  den  Weg  der  Beobachtung  oder  den 
der  Theorie.  Jener  war  langwierig  und  mühsam,  die- 
ser, so  lange  man  die  Umlaufszeiten  der  Sonne  und  des 
Mondes  noch   wenig  erforscht  hatte,  unsicher.     Daher 


')     A.a.O. 
')     Saturn.  I,   12. 

^)    S.  Planlos  Handbuch  einer  vollständigen  Erdbe- 
schreibung und-Geachichte  Polynesiens  TL  n.  p.  363. 


Einleitung.  63 

die  grofse  Menge  Perioden,  die  man  zu  diesem  Behufe 
anfgestelU  bat.  .        . 

Andere  Völker  yerliefsen  ganz  die  Mondei-scheinuii- 
gen  und  hielten  sich  blofa  an  das  Sonnenjahr.  Statt 
der  Mondmonate  von  neunundzwanzig  und  dreüslg 
Tagen  kamen  nun  Sonnenmonate  yon  dreifsig  und 
einunddreifsig.  in  Gebrauch ,  deren  Entstehung  aich 
allein  daraus  erklären  lä&t,  da(s  man  die  alte  Gewohn- 
heit, das  Jahr  in  zwölf  Abschnitte  zu  theilen,  nicht 
verlassen ;  wollte.  Zu  dem  Charakter  des  Sonnenjahrs 
gehört  die  Zahl  von  zwölf  Monaten  nicht  wesentlich, 
daher  sie  von  den  Völkern,  welche  die  Mondphasen, 
bei  der  Eintheilung  ihrer  Zeit  nicht  berücksichtigten, 
leicht  mit  jeder  andern  conyentionellen  vertauscht  wer- 
den konn,te.  So  finden  wir  bei  den  ältesten  Römern 
ein  zehnmonatliches  und  bei  den  alten  Mexikanern  ein 
achtzehnmonatliches  Jahr. 

Die  Zeitrechnung  eines  Volks, '  wenn  sie  nicht  von 
auswärts  her  entlehnt  ist,  pfl^t  ursprünglich  eben  so 
roh  zu  sein,  wie  das  Volk  selbst.  Sie  vervollkommnet 
sich  allmalig,  so  wie  dasselbe  in  der  wissenschaftlichen 
Entwickelimg  fortschreitet,  und  gelangt  erst  nach  vieler 
jährigen  Beobachtungen  des  Laufs  der  Himmelskörper 
zur  Sicherheit  und  Festigkeit.  So  bei  den  Griechen 
und  Römern.  Vielleicht  hat  sich  die  Zeitrechnung  kei- 
nes andern  Volks  weiter  selbständig  imd  ohne  fi:emden 
Einfluß  ausgebildet^  als  die  der  Aegypter.  Von  diesen 
haben  die  früheren  Griecheut  chronologische  Grundsätze 
entlehnt,  so  wie  die  Römer  zuerst  von  den  Griechen 
und  nachmals  von  den  Aegyptem,  die  neuem  Juden 
von  den  Griechen  und  die  ganze  Christenheit  von  den 
spätem  Römern. 


64  Technische  Chronologie. 

Es  wäre  interessant,  die  Geschichte  irgend  einer 
Zeitrechnung  von  den  ersten  rohen  Keimen  durcli  alle 
Mittelstufen  hindurch  bis  zu  ihrer  völligen  Ausbildung 
verfolgen  zu  können.  Gewöhnlich  kennen  wir  aber 
die  Zeitrechnung  eines  Volks  nur  in  der  vollkommensten 
Gestalt,  die  sie  bei  demselben  erreicht  hat,  und  in  die- 
ser oft  nicht  einmal  genau,  wie  z.  B«  die  der  Griechen, 
deren  chronologische  Principien  nicht  vollständig'  zu 
unserer  Kenntnils  gelangt  sind.  Ja  es  gibtYölker,  wie 
die  Phönizier  und  Karthager,  deren  Chronologie  mit 
allen  ihren  Annalen  rein  von  der  Erde  verschwun- 
den ist. 

Mit  Ausnahme  der  Aegypter,  die  ihren  gatiz  eigen- 
thümlichen,  von  aller  feinem  astronomischen  Beobach- 
tung unabhängigen,  Gang  genommen  haben,  finden  wir 
bis  auf  Julius  Cäsar  nirgends  eine  ganz  fest  geord- 
nete, nie  schwankende  Zeitrechnimg.  Wie  konnte  auch 
eine  solche  zu  einer  Zeit  entstehen,  wo  man  nicht  ein- 
mal die  Dauer  des  tropischen  Jahrs  kannte !  Der  gröfste 
Astronom  des  Alter thums,  Hipparch,  nahm  dieselbe 
um  6'  24"  zu  lang  an,  indem  er  sie  auf  365  T.  5  St. 
55'  12"  setzte  ^).  Es  sind  kaum  dritthalb  Jahrhundert 
verflossen,  da(s  wir  selbst  erst  mit  unserer  Zeitrechnung 
aufs  Reine  gekommen  sind. 

Im  Alterthume  gab  es  fast  eben  so  viele  besondere 
Zeitrechnungen,  als  der  Abstammung  nach  verschiedene 
Völker.  Wir  haben  Kenntnils  von  einer  ägyptischen, 
hebräischen,  griechischen  und  römischen  Zeitrechnung, 
und  vermuthen  mit  Grund,  dals  die  Chaldäer  eben&lls 
ihre  eigenthümliche  Zeitrechnung  gehabt  haben.     Im 


')    Almagest  m,  2,  S.  165. 


Einleitung.  65 

Jahr  45  y.  Chr.  yerbesserte  Julius  Cäsar  den  bis  da- 
hin höchst  verworrenen  römischen  Kalender.  Er  führte 
eine  ein&che  Zeitrechnung  ein,  die  sich  über  das  ge- 
sammle  römische  Reich,  und  mit  der  christlichen  Beligion 
über  die  ganze  Eide  verbreitet  hat.  Bei  den  christlichen 
Yölkem  Europas  ist  jetzt  einerlei  Jahrform,  einerlei 
Acre,  und,  mit  Ausnahme  der  Russen  und  Tteugriechen, 
auch  einerlei  Jahranfang  und  Schaltmethode  gebräuch- 
lich, ein  grofser  Vortheil  für  das  bürgerliche  Verkehr 
der  verschiedenen  Ttationen.  Die  Franzosen  setzten  in 
der  Hitze  der  Revolution  aus  Egoismus  und  Verachtung 
der  christlichen  Religion  an  die  Stelle  der  julianischen 
Zeitrechnung  eine  ganz  neue,  die  weder  den  Vortheil 
einer  richtigem  Schaltmethode,  noch  eine  einfachere 
arithmetische  Ordnung  für  sich  hatte.  INachdem  sie 
sich  dreizehn  Jahre  damit  gequält  hallen,  fühllen  sie 
endlich  das  Bedürfnils,  sich  der  übrigen  europäischen 
Welt  durch  Zurücknahme  der  chrisllichen  Zeitrechnung 
wieder  anzuschliefsen.  Bei  den  griechischen  Christen 
ist  noch  immer  der  unveränderte  juliänische  Kalender 
im  Gebrauch ,  der  jetzt  zwölf  Tage  weniger  zählt ,  al^ 
unser  verbesserter,  uad  sich  gegen  diesen  allmälig  im- 
mer weiter  verschieben  wird.  Die  orientalischen  Christen 
bedienen  sich  gleichfalls  der  julianischen  Jahrform,  nur 
mit  Beibehaltung  ihrer  iu*sprünglichen  Monate  und  Jahr- 
epochen. Die  Kopten  fangen  das  Jahr  am  29.  August, 
und  die  Nestorianer  und  Jakobiten  am  1.  Oktober  des 
julianischen  Kalenders  an.  Auch  die  über  einen  grofsen 
Theil  der  Erde  verbreitete  muhammedanische  Religion 
gebraucht  ihre  eigenthümliche  Zeitrechnung,  die  ur- 
sprünglich mit  ihr  von  Arabien  ausgegangen  ist.  Zu 
diesen  beiden  ganz -verschiedenen  Zeitrechnungen,  der 
I.  [5]  ' 


66  Technische  Chronologie. 

christlichen  und  muhammedanischen,  kommt  noch  die 
der  neuem  Juden,  der  Hindus  und  Chinesen«  Ganz 
erloschen  ist  die  altgriechische,  wenn  wir  nicht  in  An« 
schlag  bringen  wollen,  dafs  der  metonsche  Zeitkreis  noch 
immer  in  der  christlichen  und  jüdischen  FestrechnuDg 
fortlebt;  femer  die  vor  Cäsar  gebräuchliche  römische, 
die  auf  das  bewegliche  Sonnenjahr  von  365  Tagen  ge- 
gründete altagyptische ,  und  die  ihr  ganz  analoge  alt- 
persische.' 

So  mannigfach  auch  die  Zeitrechnungen  der  ver- 
schiedenen altem  und  neuem  Yölker  sein  mögen,  so 
lassen  sie  sich  doch  wesentlich  auf  drei  Formen  zurück- 
führen, die  man  das  freie  Mondjahr,  das  freie 
Sonnen  jähr  und  das  gebundene  Mondjahr  nennt. 
Zuvörderst  mufs  aber  der  Begriff  des  Einschaltens 
erklärt  werden. 

Das  astronomische  Mondjahr  zu  zwölf  syno- 
dxschen  Monaten  hält  354  T.  8  St.  48'  38'',  und  das 
tropische  Jahr  (35)  365  T.  5  St.  48'  48".  Einschal- 
ten  heilst  nun  die  Stunden,  Minuten  und  Sekunden, 
um  welche  das  eine  oder  das  andere  dieser  Jahre  die 
nächst  niedrige  volle  Zahl  von  Tagen  übertrifft,  dann 
in  Rechnung  bringen,  wenn  daraus  ein  ganzer  Tag  oder 
eine  Summe  von  ganzen  Tagen  erwachsen  ist.  Ein 
eingeschalteter  Tag  oder  Monat  heifst  ein  Schalttag 
oder  Schaltmonat,  und  ein  Jahr,  worin  eingeschaltet 
wird,  ein  Schaltjahr.  Wenn  man  z.  B.  das  Sonnen- 
jahr in  der  Regel  zu  365  Tagen  rechnet,  aber  alle  vier 
Jahre  einen  Tag  einschiebt,  um  den  Ueberschufs  des  tro- 
pischen über  365  Tage  einzubringen,  so  nennt  man  ein 
solches  366tägiges  Jahr  ein  Schaltjahr,  im  G^nsatz 
des  565lägigen^  welches  ein  Gemeinjahr  heilst. 


•Einleitung.  67 

Das  freie,  vom  Sonnenlauf  ganz  unabhängige, 
Mondjahr  besteht  ans  zwölf  Mondmonalen ,  die  zu- 
sammengenommen in  der  Regel  354,  und  nur  dann 
355  Tage  halten,  wenn  sich  der  Ueberschufs  des  astix)^ 
nomischen  Mondjahrs  über  354  Tage,  nämlich  8  St. 
48'  38",  z\\  einem  Tage  angehäuft  hat.  Die  354tägi- 
gen  Jahre  werden  Gemeinjahre,  die  355tägigen 
Schaltjahre  genannt.  Der  Anfang  dieses  fireien  Mond- 
jahrs eilt  dem  des  Sonnenjahrs  jährlich  um  zehn  bis 
elf  Tage  vor.  Es  ist  bei  allen  zum  Islam  sich  beken- 
nenden Yölkem  im  Gebrauch;  die  alte  Welt  kannte 
es  nicht. 

Das  freie,  vom  Mondlauf  unabhängige^  Son« 
nenjahr  ist  entweder  ein  festes  oder  ein  beweg-* 
liebes.  Ein  festes  Jahr  glaubte  Julius  Cäsar  den 
Römern  zu  geben,  wenn  er  den  Ueberschufs  des  tropi» 
sehen  über  365  Tage  auf  6  Stunden  setzte ,  und  dem 
gemäfs  alle  vier  Jahre  einen  Tag  einschaltete.  Er  irrte 
sich ;  sein  Jahr  weicht  nach  128maliger  Wiederhohlung 
vom  Himmel  um  einen  Tag  ab,  um  welchen  sich  die 
Nachtgleichen  und  Sonnenwenden  dem  Anfange  dessel- 
ben nähern,  weil  der  Ueberschufs  um  11'  12"  kürzer 
ist,  als  er  ihn  «annahm.  Durch  die  gregorianische  Ka- 
lenderverbesserung ist  dieses  Jahr  fester  geworden ,  ob 
es  gleich  noch  immer  nicht  ganz  fest  genannt  werden 
kann.  Ein  minder  einfaches  Sonnenjahr  war  bei  den 
frühem  Römern  und  bei  den  alten  Mexikanern  im  Ge- 
brauch. Jene  hatten  ein  Jahr  von  355  Tagen,  welches 
sie  dadurch,  dafs  sie  ein  Jahr« ums  andere  einen  Monat 
abwechselnd  von  zweiundzwanzig  und  dreiundzwanzig 
Tagen  einschalteten  und  alle  vierundzwanzig  Jahr  eben 
so  viele  Tage  ausmerzten,  mit  der  Sonne  ausglichen. 

[5*1 


68  Technische   Chronologie. 

Man  sieht  leicht,  dafs  dies  seiner  mittkren  Dauer  nach 
das  julianische  Jahr  war,  nur  in  einer  ganz  verschie- 
denen Form.  Auch  die  Mexikaner  hatten  wesentlich  das 
julianische  Jahr,  indem  sie  ihrem  Jahr  in  der  Regel 
365  Tage  gahen,  und  nach  Ablauf  Ton  zweiundfunfzig 
Jahren  dreizehn  Tage  einschalteten.  Man  kann  ein 
solches  ■  Sonnenjahr,  das  sich  erst  nach  bedeutenden 
Zwischenräumen  mit  dem  Himmel  ausgleicht,  ein  cy- 
klisches  nennen*  Unter  dem  beweglichen  oder 
wandernden  Sonnenjahr  fimnus  vagusj  verstehen 
die  Chronologen  vorzugsweise  das  Jahr  von  365  Tagen, 
bei  welchem  der  Ueberschufs  des  tropischen  ganz  ver- 
nachlässigt wird.  Der  Anfang  desselben  durchläuft  in 
etwa  anderthalbtausend  Jahren  den  ganzen  Kreis  der 
Jahrszeiten.  Ein  solches  Jahr  war  bei  den  alten  Ae- 
gjptem  im  Gebrauch. 

Das  gebundene  Mondjahr 9  bei  welchem  Son- 
nen- und  Mondlauf  zugleich  berücksichtigt  werden,  tref- 
fen wir  bei  den  Völkern  &n,  zu  deren  Gultus  es  gehört, 
dafs  sie  die  sich  auf.  denselben  beziehenden  Feste  nicht 
nur  bei  einerlei  Lichtgestalt  des  Mondes,  sondern  auch 
in  einerlei  Jahrszeit  zu  feiern  haben.  Die  Griechen  und 
Juden  waren  ehemals  in  diesem  Falle,  und  die  letztem 
sind  es  noch  jetzt.  Zu  den  zwölf  Mondmonaten,  die 
das  Jahr  in  der  Regel  hält,  wird  von  Zeit  zu  Zeit  ein 
dreizehnter  gezählt,  und  das  Jahr,  worin  dies  geschieht, 
heÜst  ein  Schaltjahr.  Die  Griechen  rechneten  ihre 
Monate  meistens  abwechselnd  zu  drei&ig  und  neunund- 
zwanzig Tagen,  und  schalteten,  verschiedene  früher  ge- 
bräuchliche Ausgleichungen  mit  dem  Sonnenlaufe  nicht 
zu  erwähnen,  im  Verlaufe  entweder  von  acht  Jahren 
drei,   oder  von  neunzehn  Jahren  sieben  Monate  ein, 


Einleitung.  69 

um  den  Anfang  des  Jalirs  in  einerlei  Jahrsceit  zn  be- 
festigen. Die  letztere  von  Meton  erfundene  Einschal- 
tungsweise ist  noch  jetzt  bei  den  Juden  im  Gebrauch, 
nur  mit  rabbinischen  Grübeleien  überladen.  Auch  die 
Christen  bedienen  sich  ihrer  bei  Bestimmung  ihres  Oster- 
festes, das  durch  die  Frühlingsnachtgleiche  und  durch 
den  zunächst  nach  derselben  eintreffenden  Yollmond, 
also  durch  Sonne  und  Mond  zugleich,  bedingt  wird. 

Dies  sind  die  verschiedenen  Jahrformen^  die  uns 
die  Geschichte  mit  Sicherheit  nachweiset.  Als  Hypo- 
these sind  noch  mehrere  andere  aufgestellt  worden, 
von  denen  ich  hier  nur  die  eine  erwähnen  will,  durch 
die  Des-Yignoles  verschiedene  die  älteste  jüdische, 
ägyptische  und  griechische  Zeitrechnung  betreffende  dun- 
kele Nachrichten  zu  erklären  und  in  Zusammenhang  zu 
bringen  gesucht  hat  ')•  Im  frühsten  Weltalter,  sagt  er, 
gab  es  inVorderasien  undAegypten  ein  aus  zwölf  drei&ig- 
tägigen  Monaten  oder  360  Tagen  ohne  alle  Einschaltung 
bestehendes  Jahr,  dessen  Dauer  zwischen  der  des  Mond- 
und  Sonnenjahrs  fast  die  Mitte  hält  und  mit  welchem 
übereinstimmig  man  auch  die  Sonnenbahn  in  360  Grad 
getheilt  hat.  Es  entstand  aus  der  Wahrnehmung,  dafs 
der  Mondmonat  nahe  dreilsig  Tage  und  das  Sonnenjahr 
nahe  zwölf  Mondmonate  hält,  und  behauptete  sich  sei- 
ner Einfachheit  wegen  im  Gebrauch,  ungeachtet  man 
bald  finden  mufste,  dafs  weder  die  Monate  mit  dem 
Monde,  noch  die  Jahre  mit  der  Sonne  übereinkamen« 
Da  es  in  Ansehung  der  letztem  imi  5-^  Tage  zu  kurz 
war,  so  durchwanderte  sein  Anfang  in  neunundsechzig 
bis  siebzig  Jahren  den  ganzen  Kreislauf  der  Jahrszeiten« 


*)    Chronologie  de  F Bisloire  Sainte  1.  VI.  c.  1. 


70  Technische  Chronologie. 

Ein  solches  Jahr  nun  findet  er  zuerst  in  der  mosaischen 
Geschichte  der  Sündfluth.  Es  heiik  nämlich,  die  Fluth 
hahe  am  siebzehnten  Tage  des  zweiten  Monats  begonnen, 
an  welchem  Noah  mit  seiner  Familie  in  die  Arche  ge- 
gangen sei;  die  Gewässer  hätten  150  Tage  lang  die  Eitle 
bedeckt,  und  dann  angefangen  zu  sinken,  und  am  sieb- 
zehnten Tage  des  siebenten  Monats  habe  sich  die  Arche 
auf  dem  Gebirge  Ararat  niedergelassen.  Die  150  Tage, 
sagt  er,  sind  zwischen  den  gedachten  Monatstagen  ge- 
zählt, und  so  kommen  auf  den  Monat  drei&ig  Tage. 
Das  Wasser  begann  aber  erst  nach  150  Tagen  abzuneh- 
meii>  ^),  und  da  es  fünfzehn  Ellen  über  alle  hohe  Berge 
unter  dem  Himmel  gegangen  sein  soll  '),  so  mulste  es 
nach  der  Meinung  des  Berichterstatters  wol  erst  einige 
Tage  gesunken  sein,  ehe  sich  die  Arche  auf  dem  Ararat 
niederlassen  konnte;  das  zweite  Datum  mufs  also  um 
mehr  als  150  Tage  später  als  das  erste  angenommen 
werden.  Ich  werde  unten  auf  dieses  hin  und  wieder  ^) 
mit  Beifall  hervorgehobene  560tägige  Jahr  zurückkom- 
men, nehme  aber  keinen  Anstand  gleich  hier  zu  erklä- 
ren, dafs  mir  die  Existenz  einer  solchen  Zeitrechnung, 
die,  ohne  Rücksicht  auf  den  Lauf  des  Mondes  und  der 
Sonne,  lediglich  einfachen  Zahlen  zu  Gefallen,  gebraucht 
sein  soll,   höchst  zweifelhaft  erscheint. 

In  der  gleichförmig  fortfliefsenden  Zeit  können  wir 
die  Theile  derselben  nicht  anders  unterscheiden ,  als 
durch  Begebenheiten,   die  in  ihnen  voi^hen,   und  die 


*)  i.  Mos.  vn,  24.  vm,  3. 

•)    Eb.  vn,  19,  20. 

^)    Z.  B.   in  der  Einleitung  des  Werks  Art  de  vSrißer  les 
dates  avant  Vere  Chr^tienne,  Tom.  I.  p.  266  ff. 


Einleitung.  71 

man  daher  chronologische  Charaktere  oder  Zei^ 
merkmale  nennt.  Dies  sind  entweder  Natur-  oder 
menschliche  Begehenheiten.  Zur  ersten  Art  gehören 
die  Mondviertel,  die  Jahrpunkte  und  die  Finsternisse, 
welche  astronomische  Charaktere  genannt  werden« 
Die  der  zweiten  heifsen  künstliche  Charaktere  oder 
Epochen.  Diese  Epochen  sind  wieder  von  zwie&cher 
Art,  entweder  bürgerliche  oder  historische»  Un- 
ter einer  bürgerlichen  Epoche  versteht  man  einen 
durch  irgend  ein  bedeutsames  Ereignifs  bezeichneten 
Zeitpunkt,  von  welchem  ein  Yolk  seine  Jahre  zahlt, 
z.  B.  Muhamoned's  Flucht  yon  Mekka  nach  Medina  bei 
den  Bekennem  des  Islams.  Historische  dagegen  wer* 
den  von  den  Geschichtschreibem  nach  Tf  illkühr  gewählt, 
um  nach  ihnen  zu  leichterer  Uebersicht  die  Facta  zu 
ordnen. 

Die  Reihenfolge  der  von  irgend  einer  bürgerlichen 
Epoche  gezählten  Jahre  nennt  man  Acre  ^)  oder  Jahz^ 
rechnung,  auch,  wiewohl  nicht  ganz  schicklich,  Zeit- 
rechnung, z.  B.  wenn  man  von  Jahren  der  christ- 
lichen Zeitrechnung  spricht.  Einige  Chronologen  yer- 
wechseln,  was  nicht  zu  billigen  ist,  Epoche  und  Acre 
als  gleichgültige  Benennungen. 

Eine  wiederkehrende  Reihe  von  Jahren,  nach  deren 
Ablauf  gewisse  Zeitverhältnisse  oder  Erscheinungen  sieb 
erneuen,  wird  ein  Cyklus,  Cirkel,  Zeitkreis  ge- 
nannt. Zwei  oder  mehrere  Cykel  zusammen  bilden 
eine  Periode.     So  spricht  man  gewÖhnlidbi  vom  me- 


*)  Von  dem  Ursprünge  dieser  Benennung  wird  unten  bei  der 
spanischen  Aere,  die  Torzugsweise  diesen  Namen  geführt  hat,  die 
Rede  sein. 


72  Technische  Chronologie. 

tonschen  Gyklus  und  von  der  kallippischen  Pe- 
riode, von  denen  die  letztere  um  einen  Tag  kürzer 
ist  als  der  viermal  genommene  erste«  Nicht  selten  wer- 
den jedocli  auch  beide  Benennungen  mit  einander  ver- 
wechselt. 

Bei  den  Chronologen  ist  besonders  häufig  von  drei 
Zeitkreisen  die  Rede,  von  denen  hier  eine  vorläufige 
Erklärung  gegeben  werden  muls,  bis  umständlicher  von 
ihnen  gehandelt  werden  kann,  nämlich  dem  Sonnen- 
cirkel,  dem  Mondcirkel  und  dem  Indictions- 
cirkel.  Der  erste  ist  eine  Reihe  von  achtundzwanzig 
Jahren ,  nach  deren  Ablauf  wieder  gleiche  Wochentage 
mit  gleichen  Monatstagen  zusammentreffen*  Man  findet 
'  das  jedesmalige  Jahr  desselben ,  welches  man  kurz  den 
Sonne ncirkel  nennt,  wenn  man  zu  imserer  JahrzaU 
neun  addirt  und  die  Summe  durch  achtundzwanzig  di- 
vidirt.  Bleibt  ein  Rest,  so  gibt  dieser  den  Sonnencir- 
kel  zu  erkennen,  und  bleibt  kein  Rest,  so  ist  der  Son- 
nencirkel  acht)indzwanzig.  Diese  Regel  gründet  sich 
darauf,  dafs  unter  andern  ein  solcher  Gykd  im  neun* 
ten  Jahr  v.  Chr.  Geb.  angefangen  hat.  Der  Mond- 
cirkel ist  der  neunzehnjährige  Zeitraum,  dessen  oben 
(47)  gedacht  worden  ist.  Das  jedesmalige  Jahr  des- 
selben wird  die  güldene  Zahl  genannt.  Man  findet 
sie,  wenn  man  unsere  um  eins  vermehrte  Jahrzahl  durch 
neunzehn  dividirt.  Bleibt  ein  Rest,  so  bezeichnet  die- 
ser die  güldene  Zahl ;  bleibt  kein  Rest,  so  ist  sie  neun- 
zehn. Diese  beiden  Zeitkreise  werden  bei  der  Bestim- 
mung unsers  Osterfestes  gebraucht,  wie  unten  gezeigt 
werden  wird.  Der  Indictionscirkel  ist  ein  unter 
den  spätem  römischen  Kaisem  zum  Behuf  gewisser 
Schätzungen  eingeführter  und  in  die  Zeitrechnung  über- 


Einleitung.  73 

gegangener  fünfzehnjähriger  Zeitraum.  Das  jedesmalige 
Jahr  desselben,  die  sogenannte  Römer -Zinszahl, 
wird  gefunden,  wenn  man  zu  unserer  Jahrzahl  drei 
addirt  und  die  Summe  durch,  fünfzehn  diyidirt.  Das 
gegenwärtige  Jahr  1825  hat  zum  Sonnencirkel  14,  zur 
güldenen  Zahl  2  und  zur.  Zinszahl  15. 

Unter  Kalender  oder  Almanach  yersteht  man 
ein  Yerzeichnifs  der  nach  Wochen  und  Monaten  ein- 
getheilten  Tage  eines  Jahrs,  nebst  Bemerkung  der  Tage, 
die  von  den  Gesetzgebern  zu  Feiertagen  angeordnet  sind, 
der  astronomischen  Charaktere  (71)  und  der  Haupt- 
umstände des  Sonnen-,  Mond-  imd  Planet^nlaufs,  wozu 
noch  mancherlei  den  Cultus  und  das  büi^gerliche  Ver- 
kehr betreffende  Notizen  zu  kommen  pflegen.  Die  Rd< 
mer  nannten  Calendarium  ein  Yerzeichnifs  der  Zinsen, 
weil  diese  jedesmal  an  den  Galendis  oder  am  ersten  Mo- 
natstage gezahlt  wurden  ^).  Erst  spät  ist  das  Wort  in 
seiner  jetzigen  Bedeutung  gebraucht  worden;  firüher 
sagte  man  Fasti.  Almanach  ist  yermuthlich  aus  dem 
arabischen  JL^UJt  almenha,  Geschenk,  entstanden, 
weil,  wie  Golius  sagt  '),  die  Astronomen  des  Orients 
ihre  Kalender  am  Neujahrstage  als  Geschenk  auszuthei- 
len  pflegen.     Das  eigentliche  arabische  Wort  für  £a- 


')  Divitem  illum  putas,  heifst  es  beim  Seneca  (ep.  87),  quia 
magnus  Calendarii  liber  volviiur.  Das  gleichbedeutende  griechi- 
sche i^iupl^tq,  Ephemeriden,  das  auch  von  einem  historischea 
Tagebuche  gebraucht  wurde,  dient  jetzt  gewöhnlich  zur  Bezeich- 
nung eines  astronomischen  Kalenders  oder  einer  Nachweisung  der 
täglichen  Oerter  der  Sonne,  des  Mondes,  der  Planeten,  und  der 
sie  begleitenden  ^Erscheinungen. 

')    Noten  zum  Alfergani  S.  22. 


74  Technische  Chronologie. 

lender  ist     |^>^'    takmm,    welches    im    Allgemeinen 
jede  Tafel  bedenlet. 

Die  christlichen  Völker  unterscheiden  unter  dem 
alten  und  neuen  Stil  oder  Kalender.  Der  alte 
Stil  ist  der  von  Julius  Cäsar  eingeführte,  nach 
welchem  auf  je  drei  Gemeinjahre  von  365  Tagen  un- 
abänderlich ein  Schaltjahr  von  366  Tagen  folgt,  das 
Jahr  also  im  Durchschnitt  zu  365-f  Tagen  gerechnet 
wird.  Ein  solches  nennt  man  ein  julianisches.  Im 
Schaltjahr  erhält  der  Februar,  der  in  der  Regd  acht- 
undzwanzig Tage  hat,  einen  Tag  mehr.  Der  neue 
Stil  ist  vom  Papst  Gregor  XIII  im  Jahr  1582  an  die 
Stelle  des  alten  gesetzt  worden.  Bei  demselben  ist  zwar 
ebendieselbe  Jahrform  und  Anordnung  der  Monate  ge- 
bräuchlich; aber  im  Verlaufe  von  vierhundert  Jahien 
werden  drei  Schalttage  weggelassen.  Dafs  der  alte  Ka- 
lender jetzt  zwölf  Tage  weniger  zählt,  als  der  neue,  ist 
schon  (65)  bemerkt  worden. 

Die  Chronologen  rechnen  gewöhnlich  nach  dem 
alten  Kalender,  weil  die  demselben  zum  Grunde  lie- 
gende Jahrform  und  Schaltregel  wegen  ihrer  Einfach- 
heit und,  Gleichförmigkeit  ein  bequemes  Zeitmaafs  ge- 
währen. Sie  setzen  ihn,  über  die  Zeit  seiner  Einfuh- 
rung im  Jahr  45  v.  Chr.  hinaus,  so  tief  in  die  Vor- 
welt fort,  als  sie  es  nöthig  finden.  Die  Geburt  Christi 
wird  auf  den  25.  December,  also  ganz  an  den  Schluis, 
desjenigen  Jahrs  gesetzt,  das  unmittelbar  vor  dem  ersten 
der  christlichen  Aere  hergeht  und  das  erste  vor  Christi 
Geburt  genannt  wird,  so  dais  das  erste  vor  und  das 
erste  nach  dieser  Epoche  unmittelbar  auf  einander  fol- 
gen.   Schaltjahre  sind  n.  Chr.  diejenigen,  die  sich  durch 


Einleitung.  75 

yier  ohne  Rest  theilen  lassen ,  und  t.  Chr.  die ,  welche 
durch  vier  diyidirt  den  Rest  eins  geben.  Die  Astronomen 
rechnen  y.  Chr.  ein  Jahr  weniger  als  die  Chronologen  ^), 
weil  sie  ziu*  einfachem  Anordnung  ihrer  Tafeln  das  Ge- 
burtsjahr gleich  Null  setzen,  n^odurch  gleiche  Jahre  vor 
und  nach  Chr.  Schaltjahre  werden,  und  die  Summe  der 
Jahre  vor  und  nach  dieser  Epoche  allemal  das  Zeitinteivall 
in  Jahren  ausdrückt.  Diese  Zählungsweise  ist  von  Jakob 
Gassini  vorgeschlagen  und  zuerst  gebraucht  worden  *). 
So  bequem  sie  auch  beim  astronomischen  Galcul  ist, 
so  mufs  man  sich  doch  zur  Yermeidiing  möglicher  Yeiv 
wirrung  hüten,  sie  in  die  Chronologie  überzutragen, 
jedoch  nicht  vergessen,  dafs  man  bei  der  gewöhnlichen 
Art  zu  zählen  allemal  die  Summe  der  Jahre  vor  und 
nach  Chr.  um  eine  Einheit  zu  vermindern  hat,  wenn 
man  die  Zahl  der  zwischen  beiden  Grenzen  Hegenden 
Jahre  sucht.  Z.  B.  da  die  Olympiadenrechnung  mit 
dem  Jahr  776  vor,  und  die  arabische  Acre  mit  dem 
Jahr  622  nach  Chr.  beginnt,  so  sind  beide  Epochen 
um  776  +  622  —  i  =  1397  Jahre  von  einander  ent- 
fernt. WiH  man  ein  solches  Intervall  genauer  bestim* 
men,  so  mufs  man  erwägen,  dafs  sowohl  die  Jahre  vor 
als  nach  der  christlichen  Epoche  laufende,  nicht 
vollgezählte,  sind.  Soll  z.B.  der  Zeitraum  berech- 
net werden,  der  zwischen  den  Epochen  der  seleucidi- 
schen  und  arabischen  Acre  liegt,   von  denen  jene  mit 


')  Statt  der  Bezeichnung  Yor  und  nach  Chr.  gebrauchen  sie 
gewöhnlich  die  ihnen  gelaufigen  Zeichen  —  und  +.  So  z.  B.  sagen 
sie,  dais  Julius  Cäsar  den  römischen  Kalender  im  Jahr  —  44 
verbessert  habe. 

^)  S.  die  Einleitung  zu  seinen  Tables  astronomiques  (die  den 
zweiten  Theil  seiner  ^Umens  <i Astronomie  ausmachen)  S.  5. 


76  Technische  Chronologie. 

dem  1.  October  312  vor,  diese  mit  dem  15.  Julias  622 
nach  Chr.  anfangt,  so  hat  man  vor  dieser  Epoche 
311  volle  Jahre  und  3  Monat,  nach  derselben  621  Jahre 
%\  Monate,  mithin  zusammen  932  Jahre  und  9^  Monate. 
Um  das  Intervall  in  Tagen  zu  erhalten,  mufs  man  die 
gefundenen  932  Jahre  mit  365  multipliciren ,  und  zu 
dem  Produkt  sowohl  die  zwischen  beiden  Epochen  lie- 
genden 233  Schalttage,  als  die  auf  die  drei  letzten  Mo- 
nate des  Jahrs  312  vor,  und  die  auf  die  sechs  ersten 
Monate  des  Jahrs  622  n.  Chr.  gehenden  Tage  nebst 
noch  vierzehn  im  Julius  des  letztem  addiren.  Auf 
diese  Weise  ei^ben  sich  340700  Tage. 

Bei  Yex^leichungen  solcher  Art  war  eine  Jahrrech- 
nung wünschenswerth ,  welche  die  ganze  uns  bekannte 
Geschichte  in  sich  schliefst.  Da  unter  den  zahlreichen 
Acren  von  Erschaffung  der  Welt,  die  von  den  Chro- 
nologen aufgestellt  worden  sind,  keine  den  Vorzug  zu 
verdienen  schien,  so  hat  Joseph  Scaliger  durch  Mul- 
tiplication  der  di*ei.cyklischeniSahlen  28,  19  und  13  (72) 
eine  Periode  von  7980  Jahren  gebildet  ^),  die  alle  an 
eine  solche  Grundäre  zu  machende  Ansprüche  befriedigt. 
Er  nennt  sie  die  julianische,  weil  sie  nach  juliani- 
schen Jahren  zählt.  Sie  nimmt  zugleich  mit  dem  Son- 
nen-, Mond-  und  Indictionscirkel  ihren  Anfang,  und 
erneuet  sich  nicht  eher,  als  bis  alle  drei  Zeitkreise 
zugleich  abgelaufen  sind.  Es  wird  daher  jedes  Jahr 
durch  seine  eigenthümlichen  cyklischen  Zahlen  charak- 
terisirt,  die  sich  in  den  Resten  der  Division  des  jedes- 
maligen Jahrs  der  Periode  durch  jene  drei  Zahlen  er- 
geben.   So  findet  sich,  dafs  das  Jahr  6538  zum  Sonnen- 


*)    Emend.  temporum  1.  Y.  p.  359.  der  Ausg.  Ton  1629. 


Einleitung.  77 

cirkel  14,  zur  giMenen  Zahl  2  und  zur  Zinszahl  15  hat. 
Bleiben  keine  Reste,  so  vertreten  die  Divisoren  die  Stelle 
derselben.  Es  kommt  darauf  an,  die  Periode  richtig  an 
die  christliche  Aere  zu  knüpfen.  Im  ersten  Jahre  n.  Chr. 
war  der  Sonnencirkel  10 ,  die  güldene  Zahl  2  und  die 
Zinszahl  4,  und  hieraus  ist  nun  dag  entsprechende  Jahr 
der  Periode  herzuleiten.  Dies  ist  eine  Aufgabe  der  un- 
bestimmten Analytik  9  deren  Auflösung  unten  in  den 
Erläuterungen  und  Zusätzen  gegeben  werden 
wird.  Es  findet  sich,  dafs  das  Jahr  4713  das  erste  vor, 
und  4714  das  erste  nach  Chr.  ist.  Um  also  Jahre  der 
julianischen  Periode  auf  die  christliche  Zeitrechnung  zu 
bringen,  mufs  man  sie  von  4714  abziehen,  wenn  sie  klei- 
ner, oder  4715  von  ihnen  abziehen,  wenn  sie  grofser  sind, 
wo  man  dann  im  ersten  Fall  Jahre  vor,  und  im  letztem 
Jahre  nach  Chr.  erhält.  Sollen  dagegen  Jahre  vor  oder 
nach  Chr.  auf  die  julianische  Periode  reducirt  werden, 
so  mufs  man  die  erstem  von  4714  abziehen  und  zu  den 
letztem  4715  addiren.  So  ergibt  sich,  dafs  das  vorge- 
dachte 6538ste  Jahr  der  Periode  imser  gegenwärtiges 
Jahr  1825  ist.  Sie  wird  ihrer  Nützlichkeit  wegen  von 
den  Chronologen  durchgängig  gebraucht,  selbst  von' 
Petavius,  der  sonst  nicht  gern  etwas  von  ihrem  Ur- 
heber annimmt  ^).  Man  kann  mit  Recht  sagen,  dafs 
erst  seit  ihrer  Einführung  Licht 'und  Ordnung  in  die 
Chronologie  gekommen  ist  '). 

Da  das  julianischq  Jahr  um  11'  12^  länger  ist,    als 
das  tropische,  so  weichen,  wie  schon  oben  (67)  bemerkt 

*)  Man  sehe,  was  er  zu  ihrem  Lobe  sagt.  Doctn  temp.  YU,  8. 

')  Von  der  griechisch-römischen  Periode,  die  Pagi 
statt  der  julianischen  rorgeschlagen  hat,  wird  unten  in  der  christ* 
liehen  Zeitrechnung  die  Rede  sein. 


78  Technische  Chronologie. 

worden  ist,  die  Jahipunkte  alle  128  Jahre  um  einen  Tag 
xurücL.  Hier  sind  ans  den  Delambreschen  Sonnen* 
tafeln  die  Data  derselben  fiir  drei  in  chronologischer  Hin- 
sicht wichtige  Epochen ,  fiir  die  Zeiten  der  Einfiihrung 
des  julianischen  ELalenders,  der  nicänischen  Kirchenyer- 
samxnlung  und  der  gregorianischen  Kalenderverbesse- 
rung, Zur  Yergleichung  fiige  ich  noch  die  des  jetzigen 
Jahrs  nach  dem  alten  Kalender  gerechnet  hinzu«  Die 
beigesetzten  Stunden  gelten  fiir  die  Meridiane  Berlins 
und  Roms. 

Frühlings-  Nachtgleiche. 

45  vor  Chr.  Geb.  den  25.  Mäi*z  um     5   Uhr  Morg. 

325  nach   -         -         -     20       -  -      2      -  Ab. 

1582     -        .         -         .     11       -         -      1      .  Morg. 

1825     -        -        -         -       8       -         -     10     -  Ab. 

Sommer-  Sonnenwende. 
45  vor  Chr.  Geb.  den  25.  Junius  um  6  Uhr  Morg. 
325  nach  ---22-  -9- 

1382     ----12-  -2- 

1825     --        -       -       9       -  -8-     Ab. 

Herbst-  Nacht  gleiche. 

45  vor  Chr.  Geb.  den  25.  September  um  3  U.  Ab. 

325  nach    -       -        -     23  -  -    2  U.  Morg. 

1582     ....     13  -  -    2Ü.Ab. 

1825     .       -       ...     11  .  .  10  U.  Morg. 

Winter-  Sonnenwende. 
45  vor  Chr.  Geb.  den  23.  December  um  7  Uhr  Morg. 
325  nach  -       -        -      20         -  -   10    -    Ab. 

1582     ..-.12         -  -3-     Morg. 

1825     -.-.10         -  -3- 


Einleitung.  79 

Man  sieht,  die  Fröhlings-Nachtgleiche  ist  seit  der 
nicänischen  Kirchenyersanunlaiig  yom  SOsten  bis  aum 
8.  März  zimicLgewichen.  Sie  war  von  den  damaligen 
Berechnern  des  Osterfestes  auf  den  21.  März  gesetzt  wor* 
den.  Sie  dahin  zurückzuführen  und  daselbst  zu  befesti* 
gen,  war  der  Haüpta^eck  der  1582  zu  Stande  gekomme-» 
nen  Ealenderyerbesserung,  nach  welcher  dieses  Jahr  um  - 
zehn  Tage  verkürzt  und  eine  einfiiche  Schalipegel  auf-» 
gestellt  wurde,  der  zufolge  seitdem  noch  zwei  Tage  weg- 
gefallen sind. 

Ehe  wir  die  Zeitrechnung  der  vornehmsten  filtern 
und  neuem  Völker  durchgehen^  wird  es  nöthig  sein,  über 
den  Gebrauch ,  der  sich  von  den  verschiedenen  Zeitein- 
heiten gemacht  findet  und  über  die  dabei  vorkommende 
Terminologie  zuvor  noch  Einiges  im  Allgemeinen  zu  be^ 
merken.     Wir  fangen  mit  dem  Tage  an. 

Der  auffidlendste  Zeitabschnitt,  den  uns  die  Natur 
bildet,  ist  der  Tag.  Es  ist  schon  oben  (29)  bemerkt  wor- 
den, dafsder  natürliche  und  der  bürgerliche  unter- 
schieden werden.  £Kes  geschieht  bereit?  von  Censorin. 
Naturalis  dies,  sagt  er  ^),  esttempus  ab  Oriente  sale 
ad  soUs  occasuni :  cuius  contiuriuni  tempus  est  nox,  ab 
occasu  sotis  usque  ad  exortum.  Civilis  autent  dies 
vocatur  tempus,  quodfit  uno  coeli  circumactu^  quo  dies 
verus  et  nox  eontinetur,  ut  cum  dicimus  aliquem  dies  tri-' 
ginta  tantum  vixisse;  reUnquitur  enim  etiam  rioctes  intel- 
hgere.  Dieser  Sprachgebrauch  wird  jetzt  von  allen  Chro- 
nologen beobachtet.   Einige  ältere,  wie  Sacrobosco  ^), 


;)    c.  23. 

^)    In  seinem  ehemak  häufig  gedmckten  und  jetzt  mit  Recht 
Tergessenen  Buche  de  Sphaera, 


80  Teclmische  Chronologie. 

nennen  den  bürgerlichen  Tag  den  natürlichen,   den 
natürlichen  dagegen  den  künstlichen. 

Gensorin  f^hrt  fort:  Huiusmodi  dies  ab  astrologis 
et  civitatibus  quatuor  modis  definitun     Babjrlonii  quz-- 
dem  a  solis  exorta  ad  exortum  eiusdem  astri  diem  sta-- 
tuenmt,   At  in  Umhria  plerique  a  meridie  ad  meridiem^ 
Athenienses  autem  ab  occasu  solis  ad  occasum,     Caete-- 
nun  Romani  a  media  nocte  ad  mediam  noctem  diem  esse 
existimavenmt.     Aus  diesen  Worten  ^)  lernen  wir  vier 
verschiedene  Anfänge  des  bürgerlichen  Tages  kennen. 
-Die  Athener  und  vermuthlich  alle  Griechen  begannen 
ihn,  wie  noch  jetzt  die  Juden  und  Muhammedaner,  mit 
dem  Untergange  der  Sonne ,  weil  sie  ih|^e  Zeit  zunächst 
nach  dem  Monde  eintheilten,  dessen  Sichel  zuerst  in  der 
Abenddämmerung  wahrgenommen  wird.    Mit  dem  Auf- 
gange der  Sonne  pflegen  nur  solche.  Völker  den  Tag  an- 
zu&ngen,  welche  sich  bei  der  Einthellung  ihrer  Zeit 
blofs  nach  der  Sonne  richten.     Beide  Zeitpunkte  eignen 
sich  deis£dls  nicht  bequem  zu  Epochen  des  bürgerlichen 
Tages ,   weil  di^  Dauer  desselben  zugleich  mit  der  des 
natürlichen  Tages  einem  steten  Wechsel  unterworfen 
ist.     Die  Römer  fingen  den  bürgerlichen  Tag  um  Mit- 
ternacht an.     Es  war  dies  ein  ganz  imastronomischer 
Gebrauch,  da  die  Natur  kein  Merkmal  darbietet,  woran 
die  Mitte  der  Nacht  erkannt  werden  kann.     Um  sie  zu 
bestimmen,  mulsten  erst  künstliche  Mittel,  Uhren,  die 
auch  zur  Nachtzeit  die  Stimden  angeben,  erfunden  wer- 
den. Jetzt  stellt  sich  die  Sache  anders,  und  wir  behalten 


')  Mit  denen  Plinius  H,N.  11,79,  G eWi n b  Noct.  AU. 
m,  2,  Macrobitts  Sat.  I,  3,  und  Isidorus  Etym.  Y,  30 
zu  yergleichen  smd. 


Einleitung.  81 

nun  diese  Epoche  mit  Recht  bei ,  da  sie  auf  die  Mitte 
des  Stillstands  &st  aller  bürgerlichen  Geschäfte  triflt. 
Dafs  die  Astronomen  den  Tag  mit  dem  Mittage  zu  be- 
ginnen pflegen,  ist  bereits  oben  (30)  bemerkt  worden. 

Stobäus  berichtet  auf  die  Autorität  des  Nicolaus 
von  Damaskus,  dafs  die  libyschen  Nomaden  (Numidier) 
ihre  Zeit  nach  Nächten  zählten  ^).  Die  alten  Gallier 
und  Germanen  haben  dasselbe  gethan.  Yon  den  erstem 
sagt  Cäsar  ^) :  Galli  se  omnes  ab  Dite  patre  progna- 
tos  praedicanty  idque  ah  Druidihus  proditum  dicunt. 
Ob  eam  caussam  spatia  omnis  temporis  non  numero 
dierum,  sed  noctiwn  finiunt;  et  dies  natales  et  men- 
sium  et  annorum  initia  sie  observant,  ut  noctem  dies 
subsequatur.  Von  den  letztem  Tacitus  ^} :  coeunt, 
nisi  quid  fortuituni  et  subitum  inciderit,  certis  diebus, 
cum  aut  inchoatur  luna  aut  impletur:»  nam  ageridis 
rebus  hoc  quspicatissimum  initium  credunt.  Nee  die^ 
nun  numerum,  ut  nosy  sed  noctium  computant.  Sic 
constituunt  y  sie  condicunt;  nox  ducere  dient  videtur» 
Offenbar  haben  diese  Yölker  ihre  Zeit  nach  dem  Mond- 
lauf getheilt.  Von  den  Galliern  wissen  wir  es  aus  dem 
Plinius  bestimmt  '*):  Luna  principia  mensium  anno^ 
rumque  Jus  facit.  Nichts  ist  in  den  salischen  Ge- 
setzen gewöhnlicher,  als  die  Zeitbestimmung  nach 
Nächten  *).    Und  dafs  dieser  Gebrauch  auch  lange  bei 


*)  Serm,  XLH  p.  293  ed.  1609,  fol. 

')  De  hello  GalL  VI,  18. 

^)  De  mor.  Germ.  c.  11. 

^)  H,  N,  XVI  cxlr. 

^)  Man  sehe  unter  andern  Ut  40,  48,  50. 

I-  16] 


82  Technisclie  Chronologie. 

den  Deutschen  geherrscht  hat,  sagt  Eccard  in  seinen 
Anmerkungen  xu  den  ebengedaditen  Gesetzen  ^).  Die 
Griedben  nannten  den  bürgerlichen  Tag  yv^i^Yf^B^ov, 
nicht  Yi^^owKTiov,  zuni  Zeichen,  dafs  im  Datiren  bei 
ihnen  die  Nacht  vor  dem  Tage  herging.  Eben  dies 
ist  der  Fall  bei  den  Arabern,  welche  beim  Datiren  an- 
zugeben pflegen,  wie  viel  PT ächte  eines  Monats  ver- 
flossen oder  noch  rückständig  sind. 

Die  christlichen  Völker  Europas  theilen  jetzt  aUge- 
snrin  den  Tag  in  yierundzwanzig  gleiche  Theile  oder 
Standen  und  die  Stunde  in  sechzig  Minuten.  Die 
Ghnmologen  reden  auch  von  Tagesmrnuten,  indem 
sie  darunter  den  sechzigsten  Theil  des  bürgerlichen  Ta- 
ges verstehen,  und  Gatter  er  gibt  in  seiner  Chrono- 
logie eine  durch  Beiq>iele  erläuterte  Anweisung,  Tages- 
minuten in  Stundenminuten  und  umgekehit  zu  ver- 
wandeln. Der  ganze  Begiiff  ist  aber  von  keiner  Erheb- 
lichkeit. Die  alten  Astronomen,  namentlich  die -arabi- 
schen, hatten  eine  solche  Sexagesimaltheilung ,  welche 
längst  aufier  Gebrauch  gekommen  ist.  Die  Juden  thei- 
len, wenn  auch  nicht  im  gemeinen  Leben,  doch  bei 
ihrer  Festrechnung,  die  Stunden,  die  sie  mit  uns 
gemein   haben,    in    tausend   und   achtzig  Helakim, 


*)  S.  74.  Vergl.  Sachsenspiegel  I,  67.  Noch  jetzt  sagen 
die  Engländer  sevennight  und  Jbrlnight  für  acht  Tage  und 
vierzehn  Tage,  ein  Ueberrest  der  Sprache  der  alten  Sachsen. 
Ganz  analog  war  bei  den  Germanen  der  Gebrauch  des  Worts  Win- 
ter für  Jahr.  So  heifst  es  beim  Evangelisten  Lucas  11,  42  nach 
der  gothischen  und  angelsächsischen  üebcrsetzung : '  da  Jesus  zwölf 
Winter  alt  war.  Man  rergleiche  Adami  Uenrici  Lackmanni  de 
compütatione  annorum  per  hiemes  priscis  Hyperhoreis  usüata 
disputcUio  chronologico^historica.    Kilonii  1744,  A, 


Einleitung.  83 

von  denen  achtzehn  auf  jede  unserer  Minuten  gehen. 
Man  nennt  diese  Zeittheile  jüdische  Minuten.  Die 
Tüi'ken  zerfallen  den  Tag,  wie  wir,  in  yierundzwanzig 
Stiuden,  fangen  aber  diese  Stunden  vom  Untergange 
der  Sonne  zu  zählen  an,  so  da£s  es  eine  Stunde  nach 
demselben  eins  ist.  Die  Stunden  werden,  wie  bei  uns, 
in  zwei  Absätzen  zu  je  zwölf  gezählt.  Diese  Einthei* 
lung  hat  die  groise  Unbequemlichkeit,  dafs  weder  die 
Sonnen-  noch  die  mechanischen  Uhren  mit  ihr  gleichen 
Schritt  hallen  können.  Letztere  müssen  täglich  gestellt 
werden,  wenn  sie  der  Sonne  folgen  sollen.  Eine  ähn- 
liche Stundenrechnung  war  sonst  auch  (und  ist  yiel* 
leicht  noch  hin  und  wieder)  in  Italien  gebräuchlich, 
nur  dafs  daselbst  die  Stunden  vom  Anbruche  der  Nacht 
an  hinter  einander  fort  bis  vierundzwanzig  gezählt 
wurden.  Eine  halbe  Stunde  nach  Sonnen -Untergang 
schlug  es  vierundzwanzig.  Begreiflicherweise  muiste 
der  Mittag  bei  zunehmender  Tageslänge  auf  immer 
frühere ,  bei  abnehmender  auf  immer  spätere  Stunden 
treffen.  Geht  z.  B.  die  Sonne,  wie  am  1.  Januar,  zu 
Yenedig  nach  europäischer  Zeit  um  4  Uhr  21'  unter, 
so  wurden  die  italiänischen  Stunden  von  4  Uhr  51'  an 
gezählt,  und  der  Mitlag  trat  nach  italiänischer  Rech- 
nung um  19  Uhr  9'  ein.  Eine  Tafel  hierüber  gibt 
Lalande  in  der  Vorrede  zu  seiner  Reise  nach  Ita- 
lien ^).  Er  vertheidigt  diese  Stunden  aus  dem  Grunde, 
weil  sie  allemal  zu  erkennen  geben,  wie  viel  noch  vom 
Tage  übrig  ist.  Dafür  mufs  man  aber  immer  erst  in 
den  ELalender  sehen,   wenn  man  wissen  will,   wann  es 


*)     yoyage  d*wi  Fran^ois  en  lialie  fait  dans  les  ann^es 
1765  et  1766. 

[6*1 


84  Technische  Chronologie. 

Mittag  ist.  Die  Italiäner  Cagnoli  und  Piazzi  haben 
förmlich  gegen  diese  unbequeme  Stundeneintheilung  ge- 
schrieben ^). 

Eine  ganz  anders  Bewandtnifs,  wie  mit  den  heuti- 
gen Stunden,  batte  es  mit  denen  der  alten  Völker. 
So  6ehr  auch  die  Babylonier,  Aegypter,  Griechen  und 
Römer  in  der  Epoche  des  bürgerlichen  Tages  von  ein- 
ander abweichen  mochten^  so  übereinstimmig  war  ihre 
Stundenrechnung.  Sie  legten  nämlich  das  ganze  Jahr 
hindurch  dem  natüi*lichen  Tage  sowohl  als  der  Nacht 
zwölf  Stunden  bei,  die  sie  vom  Aufgange  der  Sonne 
bis  zu  ihrem  Untergänge ,  und  vom  Untergange  bis  zu 
ihrem  Aufgange  fortzählten,  so  dafs  der  Mittag  auf  den 
Anfang  der  siebenten  Tages-  und  die  Mitternacht  auf 
den  Anfang  der  siebenten  Nachtstunde  traf.  In  horas 
duodecim  divisum  esse  diem,  noctemque  in  totidem, 
9>ulgo  notum  est,  sagt  Censorin  ')•  Die  Sonnenuhren 
der  Alten  waren  dem  gemäfs  eingerichtet.  Omnium  fi- 
gurarum,  heifst  es  beim  Yitruyius  ^),  descriptionunv- 
que  earum  effectus  unus,  uti  dies  aequinoctialis ,  bru- 
malisque,  item  solstitialis  in  duodecim  partes  aequaU- 
ter  Sit  divisus.  Unsere  Sonnenuhren ,  die  uns  durch- 
gängig gleiche  Stunden  zumessen^  haben  eine  ganz  an- 
dere Construction  als  die  der  Alten. 

Diese  gewifs  uralte  Eintheilung  des  natüi'lichen  Ta- 
ges und  der  Nacht  schreibt  sich  aus  dem  Morgenlande 
her.     Die  Griechen  erhielten  sie  nach  Herodot's  Ver- 


*)    S.  Delambie's  Astronomie,  Tom. III.  p,688. 

»)    c.  23. 

»)    De  Jrchit.    IX,  8. 


Einleitung.  85 

Sicherung  yon  den  Babyloniem  ^).  Einige  Ausleger  hä* 
ben  irrig  geglaubt,  dafs  er  unter  den  zwölf  Theilen  des 
Tages  die  des  bürgerlichen ,  nicht  die  des  natürlichen, 
verstehe,  und  durch  diesen  Milsgri£f  sind  die  sogenann- 
ten babylonischen  Stunden,  deren  eine  jede  zwei 
der  unsrigen  gehalten  haben  soll,  in  die  chronologi«- 
sehen  Bücher  gekommen  ')• 

Warum  der  Tag,  so  wie  die  Nacht,  gerade  in 
zwölf  Stunden  getheilt  wurde?  Diese  Frage  hat  meh- 
rere Alle  beschäftigt^).  Am  natürlichsten  und  gewils 
richtig  beantwortet  sie  Galenus,  wenn  er  sagt  ^),  dafs 
man  diese  Zahl  darum  gewählt  habe,  weil  die  im  fe* 
meinen  Leben  am  häufigsten  Torkommenden  Theile  der 
Einheit  sich  durch  sie  in  ganzen  Zahlen  ausdrücken  las- 
sen.    Auch   wird  man  sich  deishalb  um  so  lieber  für 


BaßvXtavitav  t/xa^oir  ol  "EXkrivg.     11,  109. 

')  Z.B.  in  Des-Yignoles  Chronologie  de  l'hist.  Saintey 
Tom.  n.  p.689,  und  in  Gattcrei's  Abrifs  der  Chronolo- 
gie, S.4.  Solche  Stunden  zu  12  auf  den  burgei-lichen  Tag,  oder 
zu  6  auf  den  natürlichen  und  eben  so  yiele  auf  die  Nacht,  kom« 
men  nur  bei  den  Chinesen  und  Japanern  Tor.  S.  Du  Halde 
Description  de  la  Chine,  Tom.  m.  p.  345  und  Kampfer  Hist. 
du  Japon,  Tom.  I.  p.i35,  Tom.  11.  p.  188  (beide  Werke  nach 
den  Haager  Ausgaben).  Andere  rerslehen  unter  babylonischen 
Stunden  solche,  die  vom  Aufgange  der  Sonne  gerechnet  wer- 
den (80),  im  Gegensatz  der  italiänischen  (83).  S.  Delam- 
bre  a.  a.  O. 

')  S.  Marius  Yictorinus  in  I.  Rhet.  Cic.  c.  75.  (Rhe- 
tores  ex  BibL  Pithoei.J,  Horapollo /fier.  I^  16.  Damascius 
bei  Photius  cod.242.  p.  1047  ed.  1611. 

*)  De  cuiusque  animi  peccatorum  dignotione^  Tom.  VL 
p.  545  (Opp.  Bippocratis  et  Galeni  1679,  fol.^. 


86  Technisctie  Chronologie. 

sie  entschieden  haben ,  weil  sie  die  Eintheilung  des  Ta- 
ges der  des  Jahrs  analog  machte. 

Die  Dauer  der  veränderlichen  Tag-  und  Nacht- 
stunden hängt  von  der  jedesmaligen  Yerweilung  der 
Sonne  über  und  unter  dem  Horizont  ab,  und  mufs 
für  jede  Polhöhe  und  für  jeden  Tag  des  Jahrs  beson-* 
ders  berechnet  werden.  Ihre  Ungleichheit  wächst  für 
einerlei  Tag  des  Jahrs  mit  der  Polhöhe,  und  fiir  ei- 
nerlei Polhöhe  mit  der  Entfernung  von  der  Nachtgleiche. 
Sie  wurden  den  Alten  durch  ihre  Sonnen-  und  Was- 
seruhren zugemessen,  und  erhielten  sich  daher  so  lange 
im  Gebrauch ,  als  man  noch  keine  Uhren  weiter  hatte. 
Erst  mit  Erfindung  der  Räderuhren  gegen  das  zwölfte 
Jahrhundert  n.  Chr.  sind  sie  der  jetzt  gewöhnlichen 
Stundenrechnung  gewichen  ^). 

Man  würde  aber  irren,  wenn  man  glaubte,  dals 
unsere  gleichförmigen  Stunden  zu  -^  des  bürgerlichen 
Tages  erst  damals  aufgekommen  seien.  Sie  wai'en  den 
Alten  allerdings  bekannt,  jedoch  blois  als  Hülfsmittel 
beim  astronomischen  Calcul,  welcher  der  gleichförmigen 
Zeiteintheilung  nicht  entbehi^n  kann.  Sie  hiefsen  bei 
ihnen  w^a«  Ity.ixs^ivou ,  home  aeqiunoctiales,  Aequinocti- 
al stunden,  weil  sie  um  die  Zeit  der  Nachtgleichen 
den  bürgerlichen  Tag-  und  Nachtstunden  gleich  sind. 
Ptolemäus  bedient  sich  ihrer  durchgängig,  und  re- 
ducirt  auf  sie  auch  die  nach  bürgerlichen  Stunden  an- 
gegebenen Beobachtungen  seiner  Vorgänger,  um  sie  mit 
den  astronomischen  Tafeln  vergleichen  und  für  die  Theo- 


*).  Dafs  sie  bis  dahin  noch  immer  gebräuchlich  waren,  ersieht 
man  aus  Beckmann's  Geschichte  der  Erfindungen  Th.  L 
S.  166. 


Einleitung.  87 

rie  verarb^ten^  können.  £r  zahlt  3ie  von  einem  Milr* 
tage  zum  andern  hinter  einander  fort.  Au&er  den  Sdirif* 
ten  der  Astronomen  kommen  sie  hei  den.  Alten  sehen 
vor.  Sie  finden  sich  nur  ein  paarmal  von  PJinins 
erwähnt  ^),  und  von  Galenus  an  einer  Stelle  ^),  wo 
er  die  Dauer  des  halben  Jahrs  auf  163  Tage  und  nahe 
15  Aequinoctialstunden  setzt.  Zum  Unterschiede  heifsen 
hei  den  griechischen  Astroiy>nien  Gepiinus,  Ptole- 
mäns,  Theon,  die  im  gemeinen  Leben  allein  voi^> 
kommenden  veränderlichen  Standen  w^i  hcu^ou,  hortm 
temporales^  was  so  viel  als  Standen  heifen  soll,  die 
von  Zeit  und  Umständen ,  hier  von  der  Länge  des  Ta- 
ges  und  der  Nacht ,  abhängen.  Der  Name  Planeten-^» 
stunden,  den  sie  in  unsern  altem  chronologischen 
Büchern  führen,  ist  mit  der  Astrologie,  zu  deren  tau« 
sehenden  Berechnungen  sie  dienten,  zu  Grabe  gegangen. 
Von  dem  verschiedenen  Gebrauch ,  den  die  Alten  von 
den  Zeit-  und  Aequinoctialstunden  gemacht  haben, 
kann  man  die  erstem  am  schicklichsten  die  bürg  er* 
liehen,  die  letztem  die  astronomischen,  nennen* 

T  h  e  o  n  unterscheidet  auch  die  Tage  in  Hcuguan 
und  iTy\fxs§wcu  ^).  Jene  sind  die  natürlichen,  die  uns 
die  Sonne  durch  ihrYerweilen  über  dem  Horizont  zu« 
mifst,  diese  die  der  Kaehtgleichen.  Die  Zeitstunde  ist 
^  von  jenen,  die  Aequinoctialstunde  -^  von  diesen. 

Die  Eintheilung  der  Zeit  nach  siebentägigen 
Wochen  treffen  wir  in  den  verschiedensten  Gegenden 


*)    H.  N.  II,  99.    VI,  39.    XVra,  59. 

')    De  septimestri  partu^   Tom.  V.  p.  348. 

^)    Commentar  zum  Almagest,  1.  II.  p.  86. 


88  Technische  Chronologie. 

der  Erde  an,  z.B.  bei  den  Chinesen  und  den  alten 
Peruanern  *);  sie  mufs  daher  in  der  Natur  selbst 
gegründet  sein.  Von  ihrer  Entstehung  ist  bereits  oben 
(60)  die  Rede  gewesen.  . 

Sie  ist  von  hohem  Alter;  denn  schon  im  zweiten 
Kapitel  der  Genesis  wird  ihrer  gedacht.  Doch  scheint 
sie  den  Hebräern  nicht  eigenthümlich ,  sondern  allen 
semitischen  Yölkem  gemein  gewesen  zu  sein.  Bei  den 
Arabern  wenigstens  war  sie  schon  vor  Huhammed  im 
Gebrauch.  Vom  Orient  hat  sie  sich  mit  der  christ* 
liehen  Religion  allmälig  über  den  Oocident  verbreitet. 

Bei  den  Griechen ,  und  bis  auf  die  Zeiten  der 
Cäsam  auch  bei  den  Römern  findet  sich  keine  Spur 
einer  siebentägigen  Woche  und  deiner  Feier  des  sie- 
benten Tages.  Bei  jenen,  wenigstens  bei  den  Athenern, 
treffen  wir  dagegen  eine  zehntägige  und  bei  diesen 
eine  achttägige  an.  Mehrere  haben  die  siebentägige 
in  einem  Verse  des  Hesiodus  ^)  finden  wollen;  allein 
der  Dichter  spricht  nicht  von  einem  siebenten  Wochen- 
sondem  von  einem  siebenten  Monatstage,  der  ihm,  so 
wie  der  erste,  vierte  und  noch  einige  andere,  fiir  ei- 
nen glücklichen  galt;  denn  dies  soll  sein  heiliger 
Tag  —  U^ovr^pM^  —  sein.  An  diesem  siebenten  Mo- 
natstage,  iv  roRg  kßSofjuug,  wie  Lucian  ^),  oder  Ac6- 
domadibus  lurnie,    wie  Gellius  sagt  *),   versammelte 


')  S..  Du  Halde  a.  a.  O.  Garcilaso  de  la  Yega  Comen- 
tarios  reales  de  los  Jncas,  Tom.  I.  1. 2.  c.  23. 

')     Op.  et  dies  770. 

')  Pseudologista  c.  16.  Von  der  den  Athenern  heiligen  iß- 
»ofii)  s.  Corsini's  Fasti  Attici  Xm,  38. 

*)    N.  A,  XV,  2. 


Einleitung.  89 

sieb  die  griechische  Jugend  zu  Spielen  nnd  Gastmalem« 
Der  Tag  war  nämlich  dem  Apollo  geweiht,  der  am  sie- 
benten des  attischen  Thargelion  geboren  sein  soll  ^), 
Eben  so  wenig  ist  der  Ausdruck  hebdomas,  dessen  sich 
die  lateinischen  Schriftsteller  bei  Zeitbestimmungen  nicht 
selten  bedienen,  ein  Beweis  von  einer  bei  den  Römern 
gebräuchlichen  siebentägigen  Woche.  Die  Zahl  sieben 
—  sßSofjLu^y  hehdomas —  war  den  Griechen  und  Römern 
von  greiser  Bedeutsamkeit«  Gewöhnlich  sind  darunter, 
wenn  von  Zeiten  die  Rede  ist,  Tage,  zuweilen  aber 
auch  Jahre  zu  verstehen.  Gell  ins  gibt  ')  einen  Aus- 
zug aus  den  Hehdopiades  des  Yarro,  einem  Buche, 
welches  von  dieser  Zahl  handelte.  Der  Schriftsteller 
hatte  darin  bemerkt,  se  iam  duodecimam  amiorum  kein 
domadam  ingressum  esse,  et  ad  eiun  diem  septuaginta 
hebdomadas  librorum  conscripsisse.  Von  Tagen  ge* 
brauchte  Yarro /iei^mof^  wenn  er  sagte:  septimafere 
hebdomade,  id  est  nono  et  quadragesimo  die  totus  homo 
in  utero  absohitur.  Der  Ausdruck  quarta  hebdomas, 
dessen  sich  Cicero  in  einem  Briefe  an  den  kranken 
Tiro  bedient  ^),  bezeichnet  entweder,  nach  unserer  Art 
zu  reden,  die  vierte  Woche,  welche  bei  Krankheiten 
fiir  kritisch  gehalten  wurde,  oder  den  vierten  kritischen 
siebenten  Tag.  Als  in  der  Folge  die  siebentägige  Woche 
un  römischen  Reich  eingeführt  wurde,  fixirte  sich  das 
Wort  hebdomas  auf  sie. 

So  wie  die  Sonne  das  Jahr  macht,   so  bestimmt 
der  Mond  den  Monat.      Daher  bezeichnen  auch  die 


*)    Man  vergleiche  Meursii  Graecia/eriala  t.  ipSo/iij. 

')   N.  A.  m,  10. 

•)    Epist.  adfamil   XYI,  9. 


90  Technische  Chronologie. 

Hebräer,  Perser,  Tataren  und  mehrere  andere  Völker 
den  Mond  und  den  Monat  mit  einerlei  Wort,  z.B. 
die  Perser  mit  vU  mab.  Auch  lehrt  der  Zusammen- 
hang der  TViörter  Mond  und  Monat  in  allen  germa- 
nischen Sprachen  eben  so  sicher,  wie  die  oben  (81) 
aus  dem  'Tacitus  beigebrachte  Notiz,  dafs  die  alten 
Deutschen  ihre  Zeit  nach  dem  Monde  geordnet  haben. 

Die  Monate  sind  bei  den  Ycäkem,  die  noch  auf 
einer  niedrigen  Stufe  der  Cultur  stehen,  gewöhnlich  von 
schwankender,  durch  die  jedesmaligen  Erscheinungen 
des  Mondes  gegebenen  Dauer.  Erst  mit  dem  Fortgange 
der  Cultur,  wenn  das  Bedürfni(s  des  Daürens  fühlbar 
wird ,  werden  sie  nach  ganzen  Tagen  genau  bestimmt, 
entweder  unabhängig  von  der  Sonne ,  oder  mit  Berück- 
sichtigung des  Lau£i  derselben.  Wir  haben  hiemach 
iweierlei  Monate,  Mondmonate  und  Sonnenmonate, 
die  wir  in  bürgerliche  und  astronomische  unter- 
scheiden. Der  astronomische  Mondmonat  ist  entwe- 
der synodisch  oder  periodisch.  Die  Dauer  beider 
ist  bereits  oben  ( 45, 44)  angegeben  worden.  Der  bürger- 
liehe  Mondmonat  kann  den  Bedürfnissen  des  gemei- 
nen Lebens  gemäis  nur' aus  ganzen  Tagen  bestehen,  und 
hftlt  bei  den  meisten  Völkern,  die  sich  seiner  bedienen, 
abwechselnd  50  und  29  Tage,  da  der  ihn  bestimmende 
synodische  Monat  29 1- Tage  lang  ist.  Wenn  die  Chro- 
nologen von  einem  Erleuchtungsmonat  (mensis  il- 
haninationis)  reden,  so  verstehen  sie  darunter  die  Zeit, 
die  zwischen  zwei  auf  einander  folgenden  Erscheinungen 
der  Mondsichel  in  der  Abenddämmerung  verfliefst.  Die- 
ser Zeitraum  ist  aber  von  keiner  bestimmten  Dauer, 
da  sich  die  Mondsichel  nach  der  jedesmaligen  Lage  der 
Ekliptik  gegen  den  Horizont  bald  früher,    bald  spater 


Einleitung.  91 

nach  der  G>n)uncüon  in  der  Abenddämmerung  zeigt* 
Die  mittlere  Dauer  ist  der  synodische  Monat.  Der  ganze 
Begriff  ist  von  keinem  Nutzen. 

Der  astronomische  Sonnenmonat  ist  die  Zeit^ 
welche  die  Sonne  in  jedem  Zeichen  der  Ekliptik  ver- 
weilt, im  Mittel  30  Tage  10  St.  29'  4".  Für  jedes  ein- 
zelne Zeichen  ist  die  Dauer  in  Tagen  tmd  Stunden  für 
unsere  Zeit  folgende: 

X    30  Tage  13  Stunden. 
V    31     -        1        - 
Xr   31     -        9        - 

59  3r  -    11 
n  31   -     6  •  « 

irp  30     -     21 

Bei  der  Bewegung  des  Apheliums  (36)  sind  diese 
astronomischen  Sonnenmonate  einer  allmäligen  Verände- 
rung unterworfen.  Zu  Hipparch's  Zeiten  und  nach 
seiner  Theorie  des  Sonnenlaufs  betrug  in  ganzen  Tageu 
der  Zeitraum 

des  -y  31  Tage.  der  ^  30  Tage, 

des  ^  32      -  des  n\.  30      - 

der  XE  32      -  des  ^  29      - 

des  59  31      -  des  ^  29      - 

des  f\  31      -  des  »  30      - 

der  np  30      -  der  X  30      - 

und  so  gibt  sie  Geminus  an  ^).  Die  bürgerlichen 
Sonnenmonate  bestehen  aus  einer  Anzahl  ganzer  Tage, 


i£a  30  Tage 

8  Stunden, 

in.  23   - 

20 

*    29     - 

12        - 

^    29     - 

10       - 

«  29     - 

15        - 

X   30    - 

0       - 

' )    Isagoge  in  Arati  phaen,  c.  16. 


92  Technische  Chronologie. 

die  bei  jeder  Nation  durch  Gesetze  und  Institute  be- 
stimmt ist. 

Was  endlich  das  Jahr  betrifft,  so  mag  hier  zu 
dem,  was  oben  über  die  Dauer  und  die  yerschiedenen 
Formen  desselben  gesagt  worden  ist,  nur  noch  die  Be- 
merkung hinzu  kommen,  dais  das  diesen  Begriff  be- 
zeichnende Wort  in  fast  allen  Sprachen  einen  Kreis- 
lauf, eine  Wiederkehr  in  sich  selbst  bezeichnet, 
z.B.  ivi€tirro9y  annus  (aunulusj ,  Jahr  ^).  Es  leidet 
daher  keinen  Zweifel,  dais  diese  und  andere  Wörter 
gleichen  Gehalts  ursprünglich  das  Sonnenjahr  be- 
zeichnen sollen,  da  beim  Mondjahre  keine  Art  von 
Kreislauf  Statt  findet. 

Nach  diesen  Yorerinnerungen  wollen  wir  nun  zu 
den  einzelnen  Völkern  und  Vereinen  von  Völkern  fort- 
gehen, deren  Zeitrechnung  sich  auf  eine  eigenthümlicbe 
Weise  ausgebildet  hat. 


'}    S.  unten  die  Erläuterungen  und  Zusätze. 


Erster  Abschnitt. 
Zeitrechnung  der  Aegypter. 


«■«vwww^wiAr 


T>, 


'ie  Aegypter,  die  ersten  Pfleger  von  Wiasenscbaft 
und  Kunst,  sind  nach  allen  Nachrichten  dasjenige  Volk, 
von  "i^elchem  die.Kenntnifs  des  Sonnenjahrs  zu  565-^ 
Tagen  ausgegangen  ist.  Mit  Recht  machen  wir  also 
mit  ihnen  hier  den  Anfang. 

Nach  Eudozus  beim  Proklus,  Yar'ro  beim 
Lactantius,  Diodor,  Plinius  und  Plutarch  *) 
hat  das  älteste  Jahr  der  Aegypter  aus  einem,  nacb 
Gensorinus')  aus  zwei  Monaten  bestanden.  Diese 
Nachricht  scheint  aber  auf  keiner  Ueberlieferung ,  son« 
dem  auf  einer  bloisen  Hypothese  zu  beruhen,  die  man 
ersann,  um  die  hohe  Lebensdauer  der  Götter  imd  äl- 
testen Menschen,  von  der  die  ägyptische  Ui^schichte 
sprach,  zu  erklären.  Haben  die  Aegypter  wirklich  solche 
kurze  Jahre  gebraucht,  so  heifst  das,  sie  haben  ihre 
Zeit  ursprünglich  nach  Mondmonaten  getheilt.  In 
diesem  Falle  werden  sie  aber  an  die  Stelle  des  Mond- 


•)  Proklus  in  Timaeum  Plat.  LI.  p.  31.  Lactant.  Inst, 
n,  13.  Diodor  1.  I.  c.26.  Plin.  H.  N.  VH,  49.  Plüt. 
i;i7.  Numae  c.  18. 

^)    c.  19. 


94  Technische  Chronologie. 

Jahrs  gewifs  frühzeitig  ein  Sonnenjahr  gesetzt  haben, 
da  die  periodischen  Veränderungen,  denen  der  natür- 
liche Zustand  ihres  Landes  unterworfen  ist,  blois  durch 
die  Jahrszeiten  bedingt  werden. 

Nach  Plutarch  und  Gensorinus  ist  an  die 
Stelle  des  ein-  oder  zweimonatlichen  Jahrs  späterhin 
ein  viermonatliches  getreten,  dessen  Solin us  und 
Augustinus  als  des  ursprünglichen  allein  gedenken  ^). 
Auch  diesem  Jahr  kann  eine  blofse  Hypothese  zum 
Grunde  liegen,  durch  die  man  die  allmälige  angebliche 
Abnahme  der  Lebensdauer  der  Menschen  zu  erklären 
suchte«  Es  ist  aber  auch  sehr  wohl  möglich,  dais  die 
Aegypter  bei  Einführung  des  Sonnenjahrs  zuerst  nach 
viermonatlichen-  Abschnitten  rechneten,  da  die  Matur 
selbst  ihr  Jahr  in  drei  Zeiträume  von  dieser  Dauer 
theilc,  in  die  Periode  der  Ueberschwemmung ,  in  die 
der  blühenden  Flur,  und  in  die  der  trockenen  und 
ungesunden  Hitze. 

Dem  sei  wie  ihm  wolle,  genug  die  Aegypter  ge- 
brauchten sehr  früh  das  bewegliche  Sonnenjahr 
(68)  ,  das  sie  in  zwölf  30tägige  Monate  mit  fünf  Er- 
gänzungstagen  theiltcn.  Glaubten  sie  vielleicht  anfangs, 
dafs  es  ein  festes  sei,  so  mufsten  sie  bei  einiger  Auf- 
merksamkeit auf  den  Himmel  und  auf  die  Wechsel 
ihres  Flusses  sehr  bald  von  ihrem  In*thum  zurückkom- 
men; und  wirklich  fehlt  es,  wie  unten  erhellen  wird, 
nicht  an  Beweisen,  dafs  sie  den  vernachlässigten  Vier- 
teltag frühzeitig  gekannt  haben.  Sutt  ihn  aber  düix;h 
eine  Einschaltung  nach  unserer  Weise  einzubringen, 
machten   sie   die  Wandelbarkeit  ihres  Jahr^  zu  einer 


*)    Pofyh,  c.  i.     De  civit.  dci  XII,  10. 


A  E  G  Y  P  T  B  R.  95 

Religionsallgelegenheit,  wie  man  aus  folgender  Stelle 
des  6e minus  ersieht:  ,,Die  Aegypier  sind  ganz  an- 
,, derer  Meinung  und  Absicht  gewesen  als  die  Griechen; 
,,denn  sie  rechnen  weder  ihre  Jahre  nach  der  Sonne, 
,,noch  ihre  Tage  und  Monate  nach  dem  Monde,  son- 
„dem  ver&hren  nach  gewissen  ihnen  eigenthümlichen 
,, Grundsätzen.  Sie  wollen  nämlich,  dafs  die  Opfer  den 
,, Göttern  nicht  immer  zu  derselben  Zeit  des  Jahrs  dar* 
,, gebracht  werden,  sondern  alle  Jahrszeiten  durchwan- 
,,dem  sollen,  so  dafs  das  Fest  des  Sommers  ein  Fest 
,,de8  Herbstes,  Winters  und  Frühlings  werde.  Zu  die- 
,,sem  Ende  haben  sie  ein  Jahr  von  365  Tagen,  od^ 
,,Von  zwölf  50tägigen  Monaten  und  fünf  überzähligen 
,, Tagen;  den  Yierteltag  schalten  sie  aus  dem  gedachten 
,, Grunde  nicht  ein,  nämlich  damit  die  Feste  ihre  Stelle 
,, ändern  mögen  ^),'*  In  dem  alten  lateinischen,  yer*- 
muthlich  aus  griechischen  Scholien  geflossenen  Com- 
mentar  zu  des  Germanicus  Uebersetzung  der  Phae- 
nomena  des  Aratus  heilst  es  '),  die  ägyptischen  Könige 


naeri  Totc  ^EXXi^riv.  oSt«  yap  rovQ  iviaturovc  ayovin  wtf  ^Xtopy  ovre 
TOu(  firivag  tutl  toq  ^ixipag  xarcr  njv  v»Kf[vrff,  dXX'  lii^  rivl  uiro^aVtt 
}isy^prifjLB90i  B^O'l.  BovXovrat  ydp  rag  ^c-utg  Totg  Btotg  ^i{  XAra  tov 
avTov  xaipov  tov  hiavrov  yii/so-^at,  akXoi  ^ict  irftcwi/  rwv  rov  iviawov 
tapSv  ^uXÖiZv  xal  ylvs^Bai  rr^v  Bspivi^v  lopnjv  wd  ;^8ijui8ptin]v ,  xal 
^&ct^ofruptin]v,  kblI  iaptvifv.  ^Ayova-i  ydp  tov  iviavrov  ijjmspui/  rptoxo- 
e'l'j>v  i^TjxovTa  «riyrc.  AJ^sxa  yctp  firivag  ayouo'i  TpiaKOvBY\fJikp»vg ,  xtd 
ickvTB  ijjüispa^  h^dyovvi,  To  ^\  ^'  ovx  lirctyouo'i  ^id  njv  irpo8tpv]fi£vY]v 
alTtaVy  Iva  wvoXq  dvaiso^i^favTOLi  at  ko^eU.  Jsogoge  in  Arati 
phaen.  c.  6. 

^)  Beim  Steinbock.  Die  Woi*te  sindr  Deducitur  autem  ä 
sacerdote  Jsidis  in  tocum  qui  nominatur  a^vToq,  et  saera* 
mento  adigitur^  neque  diem,   neque  mensem  intercalandum. 


96  Technische  Chronologie* 

wäien  bei  ihrer  Einweihung  yon  den  Priestern  zu  Mem- 
phis in  das  Heiligthum  der  Isis  geführt  worden,  wo 
sie  hatten  schwören  müssen ,  den  alten  Gebrauch  des 
Jahrs  yon  365  Tagen,  aufrecht  zu  erhalten  und  keine 
Einschaltung  zu  gestatten. 

Mit  der  eben  angeführten  Stelle  des  in  allen  seinen 
Angaben  sehr  bestimmten  Geminus  wollen  wir  so- 
gleich noch  folgende  des  Herodot  verbinden,  uni  zu- 
vörderst das  Factum  ausser  Zweifel  zu  setzen ,  da(s  die 
Aegypter  wirklich  ein  Jahr  von  gedachter  Form  und 
Dauer  gehabt  haben :  ,,Sie"  (die  Priester  von  Heliopolis) 
,, versicherten  mich  einstimmig,  die  Aegypter  hätten 
,, unter  allen  Menschen  zuerst  das  Jahr  erfunden  und 
„es  in  zwölf  Abschnitte  getheilt.  Sie  sagten,  da£s  sie 
,,zu  dieser  Kenntnils  durch  die  Sterne"  (d.i.  durch  Be- 
obachtung ihrer  Erscheinungen  in  der  Morgen-  und 
Abenddämmerung)  „gelangt  wären.  Meines  Erachtens 
,, verfahren  sie  hiebei  einsichtsvoller  als  die  Griechen, 
„welche  ein  Jahr  ums  andere  der  Jahrszeiten  w^en 
„einen  Monat  einschalten.  Die  Aegypter  dagegen 
„fügen  zu  ihren  zwölf  30tägigen  Monaten  jähr- 
„lich  noch  fünf  überzählige  Tage  hinzu,  und 
„so  kehren  ihnen  die  Jahrszeiten  im  Kreislauf 
„zurück  *)."  Herodot  stand,  wie  aus  der  letztem 
Aeufserung  erhellet,  in  dem  Wahn,  dafe  das  ägyptische 
Jahr  ein  festes  Sonnenjahr  sei;  dies  benimmt  aber 
der  Glaubwürdigkeit  seiner  Nachricht  nichts. 


you«  wfä,  icwß  troff  irivri  ^'fxipoff  iraptg  tov  apidfAou,    nai  fffi  o  w- 
kXoc  Twr  iipiw  If  twutJ  mpiü»  iropay/ysTct».    II,  4. 


Aegypter«    .  97 

Was  uns  hier  das  ausdrückliche  Zeuguifs  zweier 
zuverlässigen  Schriftsteller  gelehrt  hat,  würden  wir  auch 
aus  dem  Gehrauch  folgern  können,  den  Ptplemäus 
in  seinem  Almagest  von  den  ägyptischen  Monaten 
macht.  Theils  wegen  ihrer  einfachen  Form,  theils  dem 
Beispiel  des  Hipparch  und  anderer  folgend,  bedient 
er  sich  ihrer  durchgängig,  nicht  blofs  um  seine  eigenen 
astronomischen  Beobachtungen  nach  ihnen  zu  datiren, 
sondern  auch  die  seiner  Vorgänger  auf  sie  zu  reduciren. 
Durch  sorgfältige  Yergleichung  aller  bei  ihm  vorkom- 
menden Data  hat  der  Florentiner  Averani  ihre 'Reihen« 
folge  auszumitteln  gesucht  *).  £i*  hätte  sich  diese  Mühe 
sparen  können;  denn  sie  finden  sich  unter  andern  in 
des  Ptolemäus  Schrift  von  den  Erscheinungen 
der  Fixsterne  und  in  einem  Epigramm  der  Antho- 
logie ')  der  Reihe  nach  genannt.  Hier  sind  ihre  Na- 
men, wie  sie  uns  die  Griechen  überliefert  haben,  mit 
Bemerkung  der  Zahl  der  Tage,  die  am  Ende  eines  je- 
den verflossen  sind. 

1)  Oij^^         Thoth  30 

2)  ^aa>4>2       Phaophi  60 

3)  'Ä2rvp        Athyr  90 

4)  Xoidx^)    Choiak  120 

5)  Tvßl  Tybi  150 

6)  Msxlp        Mechir  180 


*)  In  der  kleinen  Schrift:  Dissertatio  de  memibus  Jegyptio^ 
mm,  curante  Ant.  Francisco  Gorio  nunc  primum  edita.  Flo- 
renz 1737,  4.  ' 

^)    Yol.  II,  p.  510  der  brunkschen  Ausgabe. 

')  Die  zu  Berlin  befindlichen  Papyrusrollen  mit  griechischer 
Schrift  lesen  durchgehends  Xoiux» 

.    I.  [7] 


98  Techmscfte  Chronologie. 

7)  ^afuvwä^    Phamenoth     210 

8)  <^apiwväi  Pharmuthl      240 

9)  Uaxdy       Pachon  270 

10)  nawi         Payni  300 

11)  TE^roJ)!       Epiphi  330 

12)  Mitropi       Mesori  360 

Fünf  ErgänzungsUge  *)•  ' 

Ptolemäus  bedurfte  aber  auch  einer  festen  Aere, 
um  das  jedesmalige  Jahr  einer  Beobachtung  genau  be- 
zeichnen zu  können«  Er  wählte  dazu  die  nabonas- 
sarische,  die  mit  dem  Regierungsantritt  des  babylo- 
nischen Königs  Nabonassar  anfangt ,  und  yon  den 
astronomischen  Beobachtungen  der  Chaldäer  unaerlrenn- 
lich  war.  Dui*ch  diese  hat  sie  eine  Gewilsheit  erhal- 
ten, wie  sich  deren  keine  andei«  Jahn*echnung  der  Al- 
ten rühmen  kann.  Ihre  Epoche  oder  der  l.Thoth  des 
ersten  nabonassarischen  Jahrs  wird  von  den  Chronolo- 
gen einstimmig  auf  den  26.  Februar  des  Jahrs  3967  der 
julianischen  Periode  oder  747  v.  Chr.  gesetzt.  Um  diese 
Bestimmung  zu  prüfen,  bedarf  es  nur  der  Berechnung 
irgend  einer  im  Almagest  vorkommenden  Beobach- 
tung. Wenn  sich  z.  B.  im  ersten  Jahre  des  babylo- 
nischen Königs  Mardokempad,  im  27sten  seit  Na- 
bonassar, am  Abend  des  29.  Thoth  eine  totale  Mondfin- 
Sterniis  ereignet  haben  soll,  deren  Mittel  zu  Babylon 
zwei  und  eine  halbe  Stunde  vor  Mittemacht  eingetre* 


*)  Von  den  Griechen  und  griechisch  redenden  Aegyptem 
hcayonivai,  die  hinzugefügten,  eingeschalteten  genannt. 
S.  Diodor  I,  13.  Almagest  m,  2,  S.  453.  Plutarch  de 
Js.  et  Osir,  c.  42.  "Eirayuv  ist  das  eigentliche  Wort  für  ein- 
schalten. 


Aegtptbr.  99 

ten  ^))  so  entflicht  dieses  Datum,  wenn  es  mit  dem  ge- 
dachten Epochentage  seine  Richtigkeit  hat,  dem  19.  März 
721  v.Chr.,  und  wirklich  hat  am  Abend  dieses  Tages 
eine  totale  Mondfinslemifs  Statt  gefunden,  deren  Mit- 
tel iur  Babylon  unsere  Tafeln  nur  6'  früher  geben,  als 
es  Ptolemäus  ansetzt^).  Auch  berechnet  er  für  den 
Mittag  des  ersten  Tages  der  Aere,  nämlich  für  den  Mit- 
tag seines  Beobachtungsorts  Alexandria,  die  mittleren 
Längen  der  Sonne,  des  Mondes  und  der  Planeten,  und 
allen  diesen  Längen  kann  nur  Ein  Tag  genügen.  So 
z.  B.  setzt  er  den  Längenunterschied  der  Sonne  und 
des  Mondes  für  den  gedachten  Zeltpuxikt  zu  2  Z.  10^ 
37'  an  ^}.  Unsere  Tafeln  geben  zwar  .über  53'  mehr; 
da  sich  aber  dieser  Unterschied  von  einem  Tage  zum 
andern  um  mehr  als  12^  ändert,  so  sieht  man,  dafs 
wir  in  der  Bestimmung  der  Epoche  nicht  um  einen 
Tag  ungewifs  sind  *). 

Da  ihm  der  Mittag  des  1.  Tbotl)  des  ersten 
nabonassarischen  Jahrs  und  der  Anfang  der  Re- 
gierung Nabonassar's  gleichbedeutende  Ausdrücke 
sind  *),    so  erhellet,    dafs  er  die  Epoche  der  Aere  auf 


•)    B.  IV,  5,  S.244. 

^)  S.  meine  Abhandlung  über  die  Sternkunde  der  Chal- 
däer  in  den  Schriften  der  Berliner  Akademie  aus  den 
Jahren  1814-15. 

^)    B.  IV,  7,  S.  264. 

*)  Zugleich  erhellet  hieraus,  dafs  sich  Hr.  Halma  irrt,  wemi 
er  die  nabonassarische  Aere  mit  einem  Neumonde  anfangen 
läfst.  S.  den  eisten  Band  der  Zugabe  zu  seiner  Uebersetsung 
des  Almagest.     Diso,  prdun.  p.  XXXHI. 

*)    Vergl.  Almag.  in,  6,    5.202  und  204. 

[7*1 


100  Technische  Chronologie. 

eleu  Mittag   setzt.      Es   fragt   sich,   ober  hierin  dem 
büi^erlicheii  Gebrauche  gefolgt  ist. 

Pliuius  sagt  ^) :  Ipsum  diem  alii  aliter  obsen^a- 
yere.  Bäbylonii  inter  duos  solis  exortus:  Athenienses 
inter  duos  occasus:  Umbri  a  meridie  in  meridiem:  'vul^ 
gus'  omne  a  luce  ad  tenebras:  sacerdotes  Romani  et 
qui  diem  definiere  civilem,  item  Aegyptii  et  Hipparchus, 
a  media  nocte  in  medium.  Dagegen  heifst  es  beim 
Isidor '}:  Dies  secundum  Aegyptios  inchoat  ab  occ€isu 
solis  y  womit  Seryius  und  Lydus  übereinstimmen  ^). 
Die  letztere  Angabe  verdient  jedoch  wenig  Berücksich- 
tigung, da  nur  die  Völker,  die  ihre  Zeitrechnung  auf 
die  Ei*scheinungen  des  Mondes  gründen  (die  Ägypter 
be&nden  sich  in  diesem  Falle  nicht) ,  ihren  bürger- 
lichen Tag  mit  dem  Untergange  der  Sonne  anzufangen 
pflegen.  Was  aber  die  Notiz  beim  PI  in  ins  betrüR, 
so  begreift  man  freilich  nicht,  wie  Hipparch  als 
Grieche  und  Astronom  dazu  gekommen  sein  sollte,  den 
Tag  mit  der  Mitternacht  anzu&ngen,  wenn  er  sich 
dabei  nicht  nach  dem  Gebrauche  der  Aegypler  gerich- 
tet hätte.  Es  ist  nur  audallend,  dals  Ptolemaus,  . 
der  gleichfidls  in  Alezandria  beobachtete  und  schrieb, 
an  einer  Stelle  seines  Almagest  den  büi^riichen  Tag 
deutlich  mit  dem  Morgen  beginnt.  Er  sagt  nämlich 
Ton  der  Sommerwende,  die  Meton  und  Euktemon 
am  27«  Junius  432  y.  Chr.  beobachtet  haben,  sie  sei 
am  21.  Phamenoth   des  Morgens  —  Trpwtag  —  und 


•)  H.N.U,  79. 
»)  Eijm.  V,  30. 
')    Jener  ad  Firg.  Jen.  V,  738,  dieser  de  Mensibus  p.  13. 


Aegyptea.  ,         101 

einige  Zeilen  nadJier,  sie  sei  um  den  Anfang  —  nspi 
Tr)v  a/3x*]V  —  dieses  Tages  eingeübten  '),  wo  er  nicht 
etwa  den  büi*gerlicheh  Tag  dei'  Athener  gemeint  haben 
kann,  der  mit  Sonnenuntergang  anfing.  Auch  bestä- 
tigt sich  diese  Tagsepoche  bei  ihm  nicht  undeutlich  aus 
dem  Umstände,  dafs  er  bei  fast  allen  in  der  Nacht, 
besonders  nach  Mittemacht,  aber  nie  bei  den  am  Tage, 
sei  es  auch  unmittelbar  nach  Aufgang  der  Sonne,  an- 
gestellten Beobachtungen  ein  doppeltes  Datum  angibt. 
So  sagt  er  *)  von  einer  Sommerwende,  sie  sei  einge- 
.  treten  am  1 1 .  Mesori  zwei  Stunden  nach  der  Mitter- 
nacht zum  12ten.  Hingegen  bei  einer  von  Hipparch 
im  6205ten  Jahr  Nabonassar's  km*z  nach  Aufgang  der 
Sonne  angestellten  Mondbeobachtung  ist  blofs  vom  16. 
Epiphi  die  Rede  ^).  Diesen  Umstand  kann  man  sich 
nicht  wohl  anders,  als  damus  erklären,  dafs  er  die 
Griechen,  die  den  Tag  mit  Sonnenuntergang,  und  die 
Römer,  die  ihn  um  Mitternacht  anfingen,  auf  seine 
abweichende  Datirungsweise  stets  aufmerksam  erhalten, 
und  sie  über  die  von  ihm  gemeinte  Tracht  in  keiner 
Ungewifshelt  lassen  wollte. 

Wenn  wir  also  auch  die  Notiz  von  einem  Tages- 
anfange  der  Aegypler  mit  dem  Abend  vei*wcrfen  wol- 
len (die  Schriftsteller,  die  sie  uns  geben,  haben  sehr  spät 
gelebt),  so  bleiben  doch  Immer  noch  z^vei  ganz  ab- 
weichende Bestimmungen  übrig,  die  sich  nur  durch 
die  Voraussetzung  vereinigen  lassen  werden,  dafs  der 
Gebrauch  der  Aegypler  in  diesem  Punkt  nach  Zeit  und 


')    in,  2.  S.  162,  163. 
^)     Ebendaselbst. 
')    V,  3,  S.295. 


102  Technische  Chronologie. 

Ort  verschieden  irvar«  Der  Mittag  aber,  auf  den 
Ptolemäus  den  Anlkng  der  nabonassarisclicn  Aere 
setzt,  und  mit  dem  er  bei  seinen  Rechnungen  den 
Tag  beginnt ,  beruht  offenbar  blofs  auf  astronomischen 
Gründen  (30). 

Da  wir  nun  die  Epoche  dieser  Aerc  und  die  Be- 
schaffenheit der  Jahre,  nach  denen  sie  zählt,  kennen, 
so  werden  wir  im  Stande  sein,  ein  jedes  an  sie  ge- 
knüpfte Datum  auf  die  julianische  Zeilrechnung  zu 
bringen. 

Die  Regeln,  die  zu  diesem  Ende  von  den  Chronolo- 
gen, ja  von  berühmten  Mathematikern,  z.B.  Lambert  ^), 
gegeben  werden,  sind  so  unvollständig  und  schwankend, 
dafs  man  bei  ihrer  Anwendung  auf  keine  Sicherheit 
rechnen  kann  '}.  Hier  ist  eine  völlig  sichere  und  ein- 
fache Reductionsmethode. 

Die  Epoche  der  nabonassarischen  Aere  ist  der  26. 
Februar  des  Jahrs  3967  der  julianischen  Periode.  Es  wa- 
ren also,  wie  eine  leichte  Rechnung  gibt,  1448658  Tage 
dieser  Periode  verflossen,  als  die  Aere  ihren  Anfang 
nahm.  Diese  Zahl  wollen  wir  die  Absolutzahl  nen- 
nen. Soll  nun  irgend  ein  mit  der  Aei^  Nabonassar's 
verbundenes  ägyptisches  Datum  auf  unsere  Zeitrechnung 
geblecht  werden,  so  multiplicire  man  die  Zahl  der  ver- 
flossenen Jahre  mit  365  und  addire  zum  Produkt  so- 
wohl die  Zahl  der  in  den  verflossenen  Monaten  des  lau- 
fenden Jahrs   enthaltenen  Tage,   welche   die  Monatsta- 


')     Berliner  Sammlung  astronomischer  Tafeln,   B.  I. 
S.  80. 

^)     Man  sehe  nur,   wie  sich  Lalande  hierüber  äussert.    Mt" 
moires  de  l^Acad,  des  Sciences  1766,   S.  463. 


Aegypter.  103 

fd  (97)  gibt,  als  die  Tage  des  laufenden  Monats.  Die 
Sunune  ist  die  Zahl  sfimmdicher  von  der  Epoche  der 
nabonassarischen  Aei«  bis  zu  dem  gegebenen  Datum  ver- 
flossenen Tage,  und  addirt  man  hierzu  die  Absolutzahl, 
so  erhält  man  zur  Summe  die  Zahl  sSmmtlicher  Tage 
der  julianischen  Periode  von  ihrer  Epoche  bis  einschliefs- 
lich  zu  dem  gegebenen  Datum.  Diese  Summe  mufs  nun 
gehörig  auf  Jahre  und  Monate  vertheilt  weisen.  Zu 
dem  Ende  ist  zu  bemerken ,  dafs  je  vier  auf  einander 
folgende  Jahre  der  julianischen  Periode  1461  Tage  halr 
ten.  Man  dividire  also  die  einzuthetlende  Summe  -durch 
1461*.  Der  Quotient  gibt  die  Zahl  der  in  jener  Tag- 
summe ^nthalitenen  yierjährigen  Schaltperioden,  die  also 
durch  Multiplication  mit  4  in  Jahre  zu  verwandeln 
sind.  Der  Rest  der  Division  kann  noch  1 ,  2  oder  3 
volle  Jahre  enthalten.  Da  nun  das  erste  Jahc  der  ju* 
lianischen  Periode  ein  Schaltjahr  ist,  so  ist  es  zugleich 
jedes  erste  Jahr  einer  jeden  vierjährigen  Schaltperiode. 
Man  ziehe  demnach  von  dem  Rest,  wenn  es  angeht,  erst 
366  und  dann  ein-  oder  zweimahl  365  Bb,  bis  er  erschöpft 
ist,  und  i'echne  für  jeden  Abzug  noch  ein  Jahr  mehr. 
Auf  diese  Weise  findet  man  die  Zahl  sämmtlicher  ab- 
gelaufenen Jahre  der  julianischen  Periode  und  noch  ei- 
nen Uebcrschufs  von  Tagen  des  laufenden  Jahrs,  welche 
sich  dann  leicht  nach  folgender  Tafel,  worin  die  am  Ende 
eines  jeden  Monats  verflossenen  Tage  angegeben  sind,  auf 
den  julianischen  Kalender  bringen  lassen  werden : 
Januar  31  April  120  Julius  212  Oktober  304 
Februar  59  Mai  151  August  243  November  334 
März  90  Junius  181  September  273  December  365 , 
Im  Schaltjahr  müssen  die  Zahlen  vom  Februar  an 
um  eine  Einheil  vermehrt  werden,    und  dieser  Fall 


104  Technische  Chronologie. 

wird  dann  eintreten,  wenn  in  dem  Rest  der  Division 
kein  volles  Jahr  mehr  enthalten  ist.  Zuletzt  hat  man 
noch  nach  der  ohen  (77)  gegebenen  R^el  das  Jahr  der 
julianischen  Periode  auf  die  christliche  Zeitrechnung, 
und  wenn  man  bis  über  die  Zeit  der  gregorianischen 
Kalenderverbessei*ung  hinaus  gehen  will,  das  gefundene 
Datum,  das  allemal  ein  julianisches  bt,  auf  den  gre* 
gorianischen  Kalender  zu  reduciren,  indem  man  vom 
5.  Oktober  1582  bis  Ende  Febiniars  1700  zehn,  von 
da  bis  Ende  Februars  l&OO  elf  und  weiterhin  zwölf  Tage 
addirt*  Ein  paar  Beispiele  mögen  diese  Anweisung  er- 
läutern. Es  sei  der  oben  (98)  gedachte  29.  Thoth  des 
'27sten  Jahrs  seit  Nabonassar  zu  reduciren. 

26    X    365  «        9490 

Tage  im  Thoth  29 

Absolutzahl  1448638 
Summe  1458157 
Wird  diese  Zahl  durch  1461  dividirt,  so  erhält 
man  zum  Quotienten  998  und  zum  Rest  79.  Jener 
mit  4  multipliciit  gibt  3992.  Das  gegebene  Datum 
entspricht  also  dem  79stenTage  d.  i.  dem  19.  März  des 
3993  sten  Jahrs  der  julianischeu  Periode  oder  des  Jahrs 
721  V.  Chr.  Auf  welchen  Tag  unserer  Zeitrechnung 
trifft  der  9.  Athyr  887,  an  welchem  Ptolemäus  die 
Herbstnachtgleiche  beobachtet  zu  haben  versichert  * )  ? 

886  X   365  =    323390 

2  ägyptische  Monate  60 

Tage  im  Athyr  9 

Absolutzahl  1448638 

Summe  1772097 


•)    Alinagesl  HI,  2,  S.  161. 


AeGYPT£R.  lOÖ 

Diese  Zabl  durch  1461  diyidirt  gibt  zum  Quoilen- 
tea  1212  und  zum  Rest  1365.  Jeuer  mit  4  multipll- 
cirt  bringt  4848,  und  von  diesem  laftt  sich  366  und 
noch  zweimal  365  abziehen,  wobei  ein  Rest  yon  269 
Tagen  bleibt.  Man  hat  mithin  4851  verflossene  Jahre 
der  juUanlschen  Periode,  und  noch  269  Tage  Im  lau- 
fenden 4852 sten.  Der  269sle  Tag  des  Gemeinjahrs  ist 
der  26.  September.  Die  Beobachtung  Ist  mithin  am 
26.  September  des  Jahrs  4852  der  jullanischen  Perlode 
oder  des  Jahrs  139  n.Chr.  angestellt  worden  ^). 

Diese  Regel  gewährt  den  Yortheil,  dafs  man  sich 
ihrer  Gründe  während  der  Anwendung  beständig  be- 
wufst  Ist,  was  weniger  von  einer  andern  übrigens  eben 
so  zuverlässigen  gilt,  die  ich  in  meinen  Untersuchun- 
gen über  die  astronomischen  Beobachtungen 
der  Alten  S.28.  ff.  gegeben  habe. 

In  den  Fall,  ein  Datum  unserer  Zeltrechnung  auf 
die  ägyptische  bringen  zu  sollen,  wird  man  nicht  leicht 
bei  einer  chronologischen  Untersuchung  kommen.  Ver- 
langte man  Indessen  auch  dafür  eine  Regel,  so  würde 
man  die  eben  gegebene  leicht  umkehren  können.  Es 
sei  z.  B.  das  ägyptische  Datum  zu  finden ,  dem  die 
Epoche  der  christlichen  Zeltrechnung  oder  der  1.  Ja- 
nuar 4714  der  julianischen  Periode  entspricht.  Man 
dividire  4713  durch  4,  so  erhält  man  zum  Quotienten 


*)  Riccioli  (Almag,  Nov.  V.l.  l.m.  p.  i34J  bnngl  den 
25.  September  heraus.  Diese  falsche  Reduction  fühlte,  wie  lir. 
y.  Zach  bemerkt  (Mona  iL  Corresp.  B.  XV.  S.  271),  Euler 
und  Cas&ini  iiTe,  und  H.  W.  Glemm  schrieb  sogar  ein  ei- 
genes Buch  darüber  (Examen  temporum  mediomm  secundum 
principia  asironomica  et  chronologica  instUutum,  Berl,  1752, 8J, 
worin  ganz  falsche  chlx>nologische  Sätze  aufgestellt  sind. 


106  Technische  Chronologte. 

1178  und  zum  Best  1.  Jener  seigt  die  abgelaufenen 
Schaltcykel  an,  muis  also  mit  1461  mulüpllcirt  wer- 
den; dieser  gibt  noeb  ein  Jahr  von  366  Tagen*  Es 
sind  also  an  dem  gedachten  1.  Jannar  1178x1461  +  366 
-ff- 1  aar  1721425  Tage  der  jolianischen  Periode  verflos- 
sen, und  subtrahirt  man  davon  die  Absolutsahl  1448638, 
so  hat  man  272787  Tage  oder  747  ägyptische  Jahi«  und 
132  Tage.  Der  1.  Januar  des  ersten  Jahrs  unserer  Zeit- 
rechnung trifft  mithin  auf  den  12.  Tybi  des  74dsten 
der  nabonassarischen  Aere. 

Um  dem  Astronomen,  der  die  alten  im  Almagest 
enthaltenen  Beobachtungen  benutsen  will,  die  Reduction 
der  ägypüschen  an  die  nabonassarische  Aere  geknüpf- 
ten Data  auf  unsere  Zeitrechnung  möglichst  bequem  zu 
machen,  habe  ich  in  dem  erwähnten  Werke  S.  33  eine 
Tafel  des  Anfangs  aller  der  nabonassarischen  Jahre  ge- 
liefert, aus  denen  astronomische  Beobachtungen  auf  uns 
gekommen  sind. 

Aufser  dieser  Aere  finden  sich  im  Almagest  auch, 
wiewohl  seltener^  Jahre  seit  Alexander's  Tode  — aVo 
1^5  'AXf^avd/sou  rthmfi^  —  in  Verbindung  mit  ägyjitiscfaen 
Monaten  gebraucht,  bescmders  wenn  von  Beobachtungen 
des  Hipparch  die  Rede  ist.  Die  Chronologen  nennen 
diese  Jahrreihe  nach  Censorinus  Vorgange  die  Aere 
des  Philippus,  nämlich  des  Philippus  Aridäus,  des 
Stiefbruders  und  sogenannten  Nachfolgers  des  Alexan- 
der ^).     Sie  ftngt,   wie   wir  aus  den  Reductionen  des 


*)  ♦iXimrew  tou  |x«t* 'AXigav^pov  tov  m^v^  wie  Ptolemäus 
in  der  Einleitung  zu  seinen  Hand  tafeln  und  Theon  in  sei- 
nem Commenlar  über  dieselben  sagen.  Man  sieht  also,  dafs 
sich  Scaliger  irrt,  wenn  er  glaubt  (Emend,tempA,y,  p.423;. 


ÄEGTPTERt  107 

Ptolemäns  erselien,  gerade  424  ägyptiscbe  Jahre  später 
als  die  nabonassarische  an,  von  der  sie  eine  blofse  Fort- 
setzung ist.  Ihre  Epoche  ist  also  der  l.Thoih  des 
42Ssten  Jahrs  seit  Nabonassar  oder  der  12.  November 
324  y.  Chr.  Die  Reduction  eines  mit  ihr  verbundenen 
ägyptischen  Datums  hat  gar  keine  Schwierigkeit;  denn 
man  hat  nur  zu  ihren  Jahren  424  zu  addiren,  und 
dann  eben  so  wie  bei  der  nabonassarischen  zu  verfah- 
ren. Wenn  z.B.  eine  Beobachtung  des  Mondes  von 
Hipparch  im  197sten  Jahre  seit  Alexander's  Tode  am 
17«  Payni  Kachmittags  angestellt  worden  ist  ') ,  so  fin- 
det man,  wenn  man  dafür  das  621ste  seit  Nabonassar 
schreibt,  nach  obiger  Regel  den  7 •Julius  des  Jahrs 
127  v.Chr. 

Es  fragt  sich,  ob  die  nabonassarische  und  phi- 
lippische Acre  bei  den  Aegyptem  im  bürgerlichen 
Gebrauch  gewesen  sind.  Man  könnte  sagen,  dafs  ihnen 
jene  durch  Cambyses,  diese  durch  die  Ptolemäer  zuge- 
führt worden  sei,  näd  dies  ist  auch  wirklich  Gatter  er 'a 
Meinung  '),  die  jedoch  keinesweges  als  begründet  anzu- 
sehen ist.  Der  einzige  nicht  astronomische  Schriftsteller 
des  Alterthums,  der  sie  erwähnt^  ist  Gensorinus.  Es 
geschieht  mit  den  Worten  ^) :    üt  a   nostris,    ita  ab 


dafs  die  philippische  Aei*e  ihren  Namen  von  dem  Vater  Alexan- 
der's  erhalten  habe.  Die  Benennung  v.rlgy\q^  Stifter,  Grün- 
der, wiixir  übrigen^  dem  Alexander  mit  Bezug  auf  die  Erbauung 
Alexandiias  beigelegt,  wo  er  als  Heros  und  Schutzgotl  vei^hrt 
wurde. 

«)    AlmagestV,  5,  S. 304. 

')    Abrifs  der  Chronologie  S.223. 

')    c.  2i. 


i08  Technisclie  Chronologie. 

AegyptüSf  quidam  anni  in  litteras  relati  sunt,  ut  quos 
Nabonnazaru  nominanty  quod  a  primo  imperü  eius 
anno  consurgunt,  quorum  hie  DGGCCLXXXVI;  iienM, 
Philippiy  qui  ab  excessu  Alexandri  Älagni  numerantur, 
et  ad  lumc  usque  perducti  annos  DLXII  consummant. 
Diese  Zahlen  sind  ganz  richtig;  dean  das  986 ste  nabo- 
nassarische  oder  562  ste  philippische  Jahr  nahm  unter 
dem Consulat des Ulpius nnd Pontianus^  wo Censorinus 
geschrieben  zu  haben  yersicheit  *),  d.i.  im  Jahr  23S 
n.Chr.,  am  25.  Julius  seinen  Anfang.  Man  sieht  aber, 
dafs  aus  seinen  Worten  über  den  bürgerlichen  Gebrauch 
beider  Acren  nichts  folgt ;  vielmehr  scheint  das  in  lä- 
teras  relati  sunt  nur  den  wissenschaftlichen  anzu- 
deuten, den  Ptolemäus  und  andere  Astronomen  da- 
von gemacht  haben.  Meiner  Ueberzeugung  nach  haben 
weder  die  Chaldäer  noch  die  Aegypter  im  bürgerlicben 
Leben  nach  Jahren  der  nabonassarischen  und  philip- 
pischen Acre  gerechnet.  Die  ei*ste  veixlankt  ihre  Ent- 
stehung blols  dem  von  den  Sternkundigen  frühzeitig 
gefühlten  Bedürfnifs  einer  fortlaufenden  Jahrreihe,  ohne 
welche  keine  Yergleichung  von  Beobachtungen  möglich 
ist.  Ptolemäus  ist  der  erste,  der  sie  erwähnt,  ob 
sich  gleich  wol  nicht  zweifeln  lafst,  dafs  sie  schon  von 
seinen  Vorgängern  im  Museum  gebraucht  worden  ist. 
Sie  kommt  eben  so  wenig  wie  xlie  philippische  bei  ir- 
gend einem  Geschlchtschi-eiber  voi*.  Hätten  die  griechi- 
schen Astix>nomen  nicht  die  allen  chaldäischen  Beobach- 
tungen benutzt  y  so  würden  wir  schwerlich  etwas  von 
einer  nabonassarischen  Aei'e  wissen. 


*)     Hie  annits,  ciiius  veiut  index  et  Ütulus  quidam  est  VI- 
pii  et  Pontiani  eonsulatus.     Ib. 


Aegypter.  loy 

Ganz  au5  der  Luft  gegriffen  ist  die  pharaonische 
Aere,  welche  die  Aegypter  nach  Gatterer  vor  der  persi- 
schen Oberherrschaft  gehabt  haben  sollen.  Auch  weifs 
er  nichts  von  ihr  zu  berichten. 

Wie  sie  ihre  Jahre  im  bürgerlichen  Leben  gezählt 
haben,  -wird  uns  nirgends  ausdrücklich  gesagt.  Man 
ersieht  aber  aus  der  Inschrift  von  Rosette  und  den 
unter  den  Gasam  in  Aegypten  gepragten  Münzen,  dafs 
man  daselbst  von  der  im  ganzen*  Allerthum  gebräuch- 
lichen Weise,  nach  Regenten) ahren  zu  zählen,  nicht 
abgewichen  ist.  Auch  Ptolemäus  bedient  sich  dieser 
Bezeichnungsart  der  Jahre  überall  in  Yei'bindung  mit 
den  beiden  obgedachten  Aeren,  indem  er  eine  Zeittafel 
yor  Augen  hatte,  woraus  sich  mit  einem  Blick  ergab, 
wie  die  Regentenjahre  mit  beiden  zusammenhingen. 
Diese  auch  für  die  Geschichte  wichtige  Tafel  ist  noch 
vorhanden. 

Sie  führt  den  Titel  Kctycüv  ßaaiK&JDv  oder  ßcortXsicuy, 
Kanon  der  Regenten  oder  Regierungen,  und  ist 
eigentlich  eine  Hülfstafel,  welche  die  griechischen  Astro- 
nomen bei  ihren  Rechnungen  zur  Hand  hatten ,  daher 
sie  auch  Syncellus  bald  den  mathematischen, 
bald  den  astronomischen  Kanon  nennt.  Sie  macht 
einen  Bestandtheil  der  üpox^t/ooi  xoLyovEg  oder  Hand- 
tafeln des  Ptolemäus  aus  '),  findet  sich  aber  auch 
ausser  denselben  in  mehreren  alten  Handschriften.   Aus- 


*)  Diese  Tafebi,  die  bisher  ungedruckt  lagen,  stellt  jetzt  Hr. 
Halma  aus  einigen  Handschriften  der  pariser  Bibliothek  ans  Licht. 
Der  erste  Band,  der  die  Vorrede  des  Ptolemäus  und  den  Com- 
raentar  des  Theon  enthält^  die  auch  für  die  Zeitrechnung  wich- 
tig sind ,  ist  unter  dem  Titd  erschienen :  Commentaire  de  Thion 


110  Technische  Chronologie. 

fiihrlich  handeln  von  ihr  Dodwell  im  Anhange  zu 
seinen  Dissertationes  CjrprUuiicae;  Des-Vignoles  im 
fünften  Buche  seiner  Chronologie  de  l'histoire  sainte; 
Yan  der  Hagen  in  den  Observationes  in  Tlieonis 
fastos  Gixtecos  priores  *);  Semler  im  dritten  Bande 
der  Sammlung  von  Erläuterungsschriften  und 
Zusätzen  zur  allgemeinen  Welthistorie,  und 
Freret  in  seinen  Remarques  sur  le  Canon  astrono- 
mique  *). 

Der  Kanon  zerfallt  in  vier  Abtheilungen  —  Ba- 
frCktss9  'Äü-ffvpuM  xtti  Mif*w,  Usfxrwv^  'EKh^vwv  und'Pwjiiaiwv  — 
auf  denen  die  nun  langst  verschollenen  vier  Monarchien 
unserer  ältesten  Universalhistoriker  beruhen.  Hier  sind 
sie,  und  zwar  die  Namen  so,  wie  sie  Hr.  Halma  vor 
seiner  Ausgabe  und  Uebersetzung  des  A  Image  st  und 


iFJlexandrie  sur  les  tables  manuelles  astronomiques  de  Ptolemtfe 
fusqt/  ä  präsent  inddites,  traduites  pourlapremi^rcjbis  du  Grec 
en  Frangoh  sur  les  Manuscrüs  de  la  Biblioth^que  du  Rot.  Pre^ 
mi^re  parlie,  Paris  1822,  4.  Der  zweite  und  di-iile  Band  mit  den 
eigentlichen  Tafeln  sind  unter  der  Presse. 

*)  Der  vollständige  Titel  dieses  gi^ündlichen  Werks  ist :  Obser- 
i^ationes  in  Theonis  Jastos  graecos  priores  (  es  wird  eine  Gonsu- 
lartafcl  gemeint,  yon  der  unten)  et  in  eiusdem  Jragmentum  in 
Expedilos  canones,  Jccedit  de  Canone  regum  astronomico  eius" 
que  aucloribus,  editionibus,  MSStis  et  quae  eo  periinent,  dis* 
sertatio,  in  qua  duplex  canoF^jvgum  nunc  primum  editur  ex 
MSto  Lugduno^Batavo,  et  eiusdem  quoque  codicis  ampla  no^ 
titia  exhibetur,  Amsterdam  1735,  4.  Yon  demselben  Yei*fasser, 
den  Saxe  in  seinem  Onomasticon  zuerst  mit  Sicherheit  nach- 
gewiesen, hat  man  noch  Tier  andei-e  eben  so  giündliche,  aber  auch 
eben  so  weitschweifige,  chronologische  Werke,  Ton  denen  unten. 

^)  Mem.  de  VAcad.  des  Inscriptions  Tome  XXYH.  Auch 
im  dreizehnten  Bande  seiner  Oeuvres  compUtes. 


ASOTPTEA.  111 

im  ersten  Theil  seiner  .Ausgabe  und  Uebersetzung  der 
Hand  tafeln  des  Ptolemäus  ^)  nach  der  Handschrift 
2399  der  königlichen  Bibliothek  zu  Paris  gegeben  hat. 

L     Assyrische  und  medische  Regenten. 

Jahre.  Summe. 

Nabonassar 14 14 

Nadius 2 16 

Cbinzer  und  Porus 5 21 

nuläus 5 26 

Maidokempad   12 38 

Arkean 5  .  • « . • .  43 

Erstes  Interregnum 2 45 

Bulbus 3 48 

Aparanadius 6 54 

Regebel , 1 55 

Mesesimordak 4......  59 

Zweites  Interregnum  ....     8 67 

Asaradin 13 80 

Saosduchin 20 100 

Kiniladan -..  22 122 

Nabopollassar 21 143 

Nabokolassar  «) 43 186 

nioarudam 2 188 

Nerikasolassar 4 192 

Nabonadius 17 209 


•)    S.  139  ff. 

')  Dies  ist,  wie  man  aus  allen  Umstanden  ersieht,  der  baby- 
lonische Könige  der  in  den  hebräischen Geschichtbiichem  Nebu- 
cadnezar,  bei  den  LXX  und  beim  Josephus  Nabuchodo- 
nosor  heifst. 


112  Technische  Chronologie. 

II.     Persische  Regenten. 

Jahre.        Summe. 

Cyrus 9 218 

Cambyses 8 226 

Darlus  1 36 262 

Xerxes 21  ......  283 

Artaxer^es  I • .  •  41 324 

Daiius  II 19 343 

ArUJLcrxes  U 46 389 

Ochus 21 410 

Arogus 2 412 

Darios  in 4 416 

III.     Griechische  Regenten. 

Jahre.         Summe. 

Alexander  der  Mazedonier    8 424 

P^lippus  Ai*idäus 7 7 

Alexander  II.  ') 12 19 

Ptolemäus  Lagi 20 39 


')  Philippus  Aridäus,  der  blödsinnige  Stiefbruder  Alex- 
ander's,  wurde  nach  dessen  Tode  unter  der  Vonnundschaft  des 
Perdiccas  zum  Könige  eraannt  und  Ol.  115,4  Ton  der  Olympias 
aus  dem  Wege  geschafil.  Schon  bei  seinen  Lebzeiten  war  ihm 
der  bald  nach  Alesumder's  Tode  yon  dessen  Gemalinn  Roxane 
geborne  Alexander,  hier  der  zweite  genannt,  zur  Seite  ge- 
setzt, welcher  aber  Ol.  117,2  Ton  Cassander  ermordet  wurde. 
Der  junge  Alexander  überlebte  also  seinen  Mitregenten  nur  um 
sechs  Jahr ;  da  er  indessen  in  den  nächsten  sechs  Jahren  nach 
seinem  Tode  keinen  eigentlichen  Nachfolger  hatte,  so  legt  ihm 
der  Kanon  auch  diese  noch  bei,  statt  ein  sechsjähriges  Inter- 
regnum einzufuhi-en.  Unmittelbar  an  ihn  schliefsen  sich  die 
Lagiden  an. 


Aegypter,  H3 

Jahre.  Summe. 

Philadelphus 38  ..... .     77 

Euergetes  1 25 102 

PhUopator 17 119 

Epiphanes 24 143 

Philometor 35 178 

Euergetes  U 29  ..... .  207 

Soter 36 243 

Dionysius 29 272 

Cleopatra 22 294 

IV.     Römische  Regenten. 

Jahre.  Summe. 

Augustus 43 337 

Tiberius 22 359 

Caius 4 363 

Claudius 14 377 

Nero 14 391 

Yespasianus 10 401 

Titus 3 404 

Domitianus 15 419 

Nerva 1 420 

Traianus 19 439 

Hadrianus 21 460 

Aelius  Antoninus 23 483   ' 

Marcus  und  Commodus .. .  32 515 

Severus 25 540 

Antoninus 4 544 

Alexander 13 557 

Maximinus 3 560 

Gordianus 6 566 

[8] 


114  Technische  Chronologie. 

Jahre.         Summe. 

PhJHppus 6 572 

Decios 1 573 

GaUus 3 576 

Gallienus 15 591 

Claudius 1 592 

Aurelianus 6 598 

Probus 7 605 

Caras 2 607 

Diocleüanus 20 627 

Hier  fängt  der  Kangn  an  unzuverlässig  eu  werden. 
Ich  breche  daher  ab ,  zuinal  da  der  Verfolg  fiir  die  ge- 
genwärligen  Untei-suchungen  von  keinem  Interesse  ist. 
Die  Zeit,  bis  zu  welcher  er  sich  in  den  Handschriften 
fortgesetzt  findet ,  bezeichnet  gewöhnlich  das  Aller  der- 
selben. 

Von  den  beiden  Zahhx^ihen  gibt  die  erste  die  Dauer 
der  einzelnen  R^ierungen ,  und  die  zweite  die  summir- 
len  Regierungsjahre  an.  So  bedeuten  die  Zahlen  8 
und  424  neben  Alexander  von  Macedonien,  dals  er 
acht  Jahi«  regiert  hat,  und  zwar  von  417  bis  424  seit 
Nabonassar  ^). 

Die  neue  Jahrreihe,  die  mit  Philippus  Aridäus 
beginnt,  gibt  die  Jahre  seit  Alexander's  Tode  oder 
die  der  philippischen  Aere  (106).    Der  Grund  die- 


*)  Der  Kanon  iat  in  Aegypten  entstanden  oder  doch  fortge- 
setzt worden.  Es  werden  daher  dem  Alexander  nur  die  acht 
Jahre  beigelegt,  die  von  Ei*oberung  Aegyptens-  und  Eihauung 
Alexandiia's  im  Spätsommer  Ol.  112,  1  bis  zu  seinem  Ol. 
114,  1  erfolgten  Tode  verflossen  sind.  In  Macedonien  haUe 
seine  Regierung  schon  Ol.  111,  1  angefangen. 


Ae  g  t  pt  e  r.  115 

ser  Aenderung  liegt  darin ,  dafs  der  Kanon,  Viie  schon 
(109)  bemerkt  ivoi'den,  zu  den  Handtafeln  des  Pto- 
lemäus  gehört,  worin  die  mittleren  Oerter  *)  der 
Sonne,  des  Mondes  und  der  Planeten  eben  so  fiir  den 
Anfang  der  philippischen  Acre  angesetzt  sind  '),  wie 
im  Almagest  für  den  Anfang  der  nabonassavischen  (99). 
Die  Jahre  werden  durchgängig  voll  gerechnet.  Die 
Ycrgleichung  des  Kanons  mit  dem  Almagest  zeigt,  da& 
es  eben  die  beweglichen  ägyptischen  sind,  nach  denen 
die  nabonassarische  Acre  zählt,  und  dals  der  Anfang 
eines  ]eden  Regenten jahrs,  mithin  auch  jeder  Regierung, 
auf  den  1.  Thoth  gesetzt  wird.  Ptolemäus  zählt  näm- 
lich bei  der  ersten  Angabe  der  Beobachtungen  gewöhn- 
lich nach  Regentenjahren,  um  die  Zeit,  wo  sie  ge- 
macht worden,  auf  eine  dem  grofsen  Publikum  Ter- 
ständliche  und  geläufige  Art  auszudrücken.  Diese  Jahre . 
reducirt  er  dann  bei  der  Bei'echnung  der  Beobachtun- 
gen auf  die  nabonassarische  Acre,  weil  die  astix>nomi- 
sehen  Tafeln  im  Almagest  so  eingerichtet  sind,  dafs  die 
Zeit  durch  ägyptische  Monate  und  durch  Jahre  Nabo- 
nassars  gegeben  sein  mufs.  So  z.B.  sagt  er,  dais  die  drei 
ältesten  chaldäischen  Beobachtungen  im  ersten  und 
zweiten  Jahr  des  Mardokempad  angestellt  worden  sind, 


')  '£ico;^al  nach  dem,  noch  jetzt  gewöhnliclien,  Sprachgebrauche 
der  griechischen  Astronomen.  Unter  Epoche  verstehen  sie  näm- 
lich nicht  blofs  einen  Zeitanfang,  sondern  zugleich  den  Ort, 
den  ein  Himmelskörper  alsdann  zufolge  seiner  mittleren  Bewe- 
gung einnimmt. 

^)  Ptolemäus  sagt  dies  selbst  S.  2  der  Einleitung  mit  den 
Worten:  'Swtg-d^crav  ai  hco)^aX  ncitntav  hvrav^a  tU  t>)V  Iv  'AXb- 
jgav^patf  TiJ  npog  AiyvKTOv  fitayi^ß^iavy  T^f  xar  AiyvKxiovg  0w^  yip- 
liviviag  rov  npdrov  hovg  ^ikiwtov  tou  fWT*  ^AXi^av^pop  xov  migynii* 

[8'] 


116  Technisclie   Chronologie. 

und  das  rweite  dieser  Jabre  nennt  er  im  weitem  Ver- 
folge ganz  übereinstimmig  mit  dem  Kanon  das  acht- 
undzwanzigste  seit  Nabonassar  ^). 

Hiemach  war  es  also  wesenllicb  einerlei,  ob  er  eine 
Beobachtung  an  ein  Regentenjahr,  oder  an  ein  Jahr  seit 
Nabonassar,  oder  an  ein  Jahr  seit  Alexander's  Tode 
i^eihte.  Alle  diese  Jahre  sind  ägyptische,  nur  auf  ver- 
schiedene Weise  gezählt.  Man  sieht  daher  leicht,  wie 
man  ein  von  ihm  mit  einem  Regeütenjahr  verbünde* 
nes  Datum  zu  reduciren  hat.  Wenn  er  z.  B.  sagt, 
dafs  er  im  siebzehnten  Jahr  Hadrian^s  in  der  Nacht  vom 
20.  2um  21.  Payni  vor  Mittemacht  eine  Mondfinsler- 
nifs  beobachtet  hat  ^),  so  addirt  man  zu  den  bis  auf 
Trajan's  Tod  verflossenen  439  Jahren  17,  und  erhält 
so  das  456sle  der  philijifiischen  oder  880ste  der  nabo- 
aassarischen  Aere.  Die  Beobachtung  ist  also  am  6.  Mai 
133  n.Chr.  angestellt  worden.  Die  Herbstnachtgleiche, 
die  er  in  demselben  Jahr  Hadi*ian*s  am  7.  Athyr  zwei 
astronomische  Stunden  nach  Mittag  beobachtet  zu  ha- 
ben versichert,  reducirt  ei*  selbst  mit  folgenden  Wor- 
ten auf  die  nabonassarische  Aere  ^)i  „von  der  Regie- 
,,rung  Nabonassar^s  bis  auf  Alexander 's  Tod  verfliefsen 
,,424  ägyptische  Jahre;  von  Alexander'«  Tode  bis  auf 
„  August's  Regiemng  294  \  von  dem  Mittage  des  1 .  Thoth 
,,im  ersten  Jahr  August 's  bis  zum  i7ten  des  Hadrian  zwei 
„astronomische  Stunden  nach  dem  Mittage  des  7«  Athyr 
„161  Jahre  66 Tage  und  zwei  astronomische  Stunden; 
„folglich   vom   MitUge   des   1.  Thoth   im  ersten  Jahr 


')    Almagest  IV,  5,  S.  244,  245;  6,  S.  264. 
')    Eb.  IV,  5,    S.  254. 
')    Eb.  m,  6,    S.  204. 


Aegypter.  117 

,,Naboiiassar's  bis  zu  der  in  Rede  stehenden  Nacfatgleicbe 
,,879  ägyptische  Jahre  66  Tage  und  zwei  astronomische 
,, Stunden. "  Man  sieht,  wie  genau  sich  der  Kanon  an 
diese  Reductionen  anschliefst.  Ptolemäus  hatte  ihn 
also  vor  Augen,  wenn  er  ihn  gleich  im  Almagest 
nirgends  erwähnt. 

Es  firagt  sich  aber,  ob  der  Kanon  auch  eben  so 
gut  mit  der  Geschichte  übereinstimmt.  Mehrere 
Chronologen,  in  deren  System  er  sich  nicht  fügen 
wollte,  haben  hieran  gezweifelt;  allein  Des-Vignoles 
und  Semler  widerlegen  sehr  bündig  alle  Einwendun- 
gen ,  welche  gegen  seine  Zuverlässigkeit  besonders  von 
denen  gemacht  worden  sind,  die  den  ersten  die  baby- 
lonischen Regenten  betretenden  Abschnitt  mit  den  he- 
bräischen Urkunden  in  Widerspruch  gefunden  haben. 
Die  einsichtsvollem  Chronologen  sind  jetzt  über  seinen 
Werth  einverstanden ,  nur  mufs  man  ihn  gehörig  zu 
gebrauchen  wissen. 

Da  der  Anfang  einer  jeden  Regierung  auf  den 
1 .  Thoth  des  ägyptischen  Jahrs  gesetzt  wird,  so  fragt  es 
sich,  welcher  1.  Thoth  gemeint  ist,  der  vor  dem  Re- 
gierungsantritt hergehende,  oder  der  ihm  folgende? 

In  den  Abhandlungen  der  Akademie  der  In^ 
Schriften  zeigt  De  la  Bastie  *),  was  Noris,  Pagi 
und  andere  schon  früher  vermuthet  hatten,  dafs  die 
Aegypter  die  Jahre  der  römischen  Kaiser  nicht  von 
dem  Tage,  an  welchem  sie  zur  Regiening  gekommen 
sind,    sondern   von  dem   ihrer  Proclamation    zunächst 


^)  Man  sehe:  Eclaircissement  sur  la  durtfe  de  rempire  de 
Probus,  Carus,  Carinus  ei  Numärien,  ä  Voccasion  de  quel- 
ques mddailles  de  Probus,   Tora.  XIII.  p.  437  AT. 


118  Technische  Chronologie. 

vorangegangenen  1.  Thoth  gezählt  haben,  sollte  sie 
auch  erst  gegen  Ende  des  ägyptischen  Jahrs  erfolgt 
aein,  und  dafs  hierin  der  Schlüssel  zur  Chronologie  der 
ägyptischen  Kaisermünzen  liege.  Der  gelehrte  Numis- 
matiker  Eckhel  bestätigt  dies  ^)  mit  den  Worten: 
Haec  doctrina  adeo  ^era  est,  adeo  solidis  argumentis 
et  exempUs  stabilita,  ut  iam  a  nemine  in  dubium 
vocetur.  War  dies  also  der  ägyptische  Gebrauch,  so 
ist  mit  vielem  Grunde  zu  vermutlien,  da(s  er  auch  im 
Rcgentcnkanon  befolgt  ist,  und  wirklich  läfst  die 
Vcrgleichung  der  Todestage  der  römischen  Kaiser  mit 
den  ihnen  im  Kanon  beigelegten  Jahren  nicht  daran 
zweifeln.  So  wird  das  402te  Jahr  der  philippischen 
Aere,  welches  den  4.  August  7S  n.  Chr.  anfängt,  als 
das  erste  des  Titus,  und  das  405te,  dessen  l.Tholh 
auf  den  3.  August  81  tiüfft,  als  das  erste  des  Domitian 
aufgeführt,  weil  Vespasian  im  Verlauf  des  ersten  am 
23.  Junius  79,  und  Titus  während  des  zweiten  am 
13. September  81  gestorben  ist*).  Ungeachtet  also  letz- 
tei*er  noch  nicht  volle  zwei  Jahre  und  drei  Monate  re- 
giert hat,  werden  ihm  im  Kanon  nach  dem  einmal  an- 
genommenen Princip  drei  Jahre  gegeben.  Selbst  die 
wenigen  Falle,  die  eine  Ausnahme  zu  machen  schei- 
nen, lassen  sich  bei  näherer  Ansicht  dem  Princip  un- 
terordnen. Es  sind  folgende.  August  starb  am  19ten 
des  nach  ihm  benannten  Monats^)  im  vierzehnten  Jahr 
n*  Chr.,  am  letzten  Tage  des  3376ten  der  philip- 
pischen Acre.      Dies  Jahr  gehört  also  bis  auf  wenige 


*)     Doctrina  numorum  veierum  Vol.  IV.  p.  42. 

^ )     Die  Data  findeu  sich  beim  S  u  e  t  o  n ,  Vespas .  c.  24 .  TiL  c.  1 1 . 

^)    Suelon  Aug,  c.  100. 


Abgypter.  119 

Stunden  noch  ganz  ihm  an,  und  wird  ihm  daher  auch 
vom  Kanon  beigelegt,  Nero  ermordete  sich  in  der 
ersten  Hälfte  des  Junius  des  Jahrs  68  n.  Chr. «  also 
im  Verlauf  des  391sten  der  philippischen  Aere,  das  ihm 
der  Kanon  noch  zuschreibt,  weil  er  die  km*zclauemden 
Regierungen  von  Galba,  Otho  und  Yitellius  unerwähnt 
läfst.  Der  erste  starb  den  15.  JanHar,  der  zweite  den 
16.  April  und  der  dritte  den  20.Deccmber  69  n.Chr.* ). 
Yespasian  war  bereits  am  1.  Julius  eben  dieses  Jahrs 
prodamirt  worden,  also  im  Jahr  392  der  philippischen 
Aere,  das  sich  erst  am  S.  August  69  endigte,  und 
daher  vom  Kanon  sein  erstes  genannt  wii*d,  obgleich 
Yitellius  noch  über  vier  Monate  ins  Jahr  393  hiuein- 
lebte.  Trajan  starb  den  10.  August  117  n.Chr.  ^}, 
im  Verlauf  des  44lsten  der  pbilippischen  Aere,  welches 
den  25.  Julius  zuvor  angefangen  hatte.  Dies  Jahr  sollte 
das  erste  des  Hadrian  sein;  der  Kanon  legt  ihm  aber 
schon  das  vorhergehende  bei.  Man  mufs  daher  anneh- 
men, dafs  der  letzlere  schon  seit  440  als  der  Mitregent 
des*  erstem  angesehen  worden  ist,  und  wirklich  geht 
aus  Inschriften  hervor,  dafs  sich  seine  tribunüia  po^ 
testas  vom  Jahr  116  n.  Chr.  datirt  ^).  Dafs  die  Zeit 
der  gemeinschaftlichen  Regierung  im  Kanon  dem  spä* 
tern  Regenten  zugeschrieben  wird,  ist  in  der  Regel. 
So  werden  dem  Ptolemäus  Philadelphus  die  Jahre  an- 
gerechnet, die  ihm  zugleich  mit  seinem  Vater  ange- 
höi-en. 


*)     S.  ]\  oris  Annas  et  Epockae  Syromacedonum  diss.  I.  c.  3. 
')     S.  Sparlian"'s  Adrian,  c.  4  und  die  Ausleger  daselbst. 
'     ^)     Die  Belege  hierzu  gibt  Dodwcll.     Pro/egg,    in  Append. 
ad  dissert,   Cyprian.   S.  XLIIIfF.      Auch  vergleiche  man  seine 
neuiizchnte  Vorlesung  über  den  Spartian. 


120  Technische  Chronologie. 

* 

Da  sich  also  das  gedachte  Princip  vom  August  an 
als  richtig  bewährt,  so  ist  der  Schluis  wol  sehr  na- 
türlich, dafs  es  auch  dem  Theil  des  Kanons  zum  Gründe 
liege,  der  in  die  Zeit  vor  der  julianischen  Kalender- 
verbesserung gehört,  aus  der  es  uns  fast  ganz  an  genau 
bestimmten  Datis  der  Todestage  der  Regenten  gebricht. 
Mir  wenigstens  scheint  die  Sache  so  ausgemacht,  dals 
ich,  selbst  in  Ermangelung  anderweitiger  Beweise,  den 
Tod  Alexander's  des  Grofsen  ohne  Bedenken  in  das 
Jahr  425  der  nabonassarischen  Acre  setzen  wüi^,  weil 
der  Kanon  dasselbe  zum  ersten  des  Philippus  Aridäus 
macht.  Es  fängt  den  12. November  324  v.Chr.  an, 
so  dafs  der  König,  dessen  Tod  im  Sommer  erfolgt  ist, 
nicht  in  diesem  Jahr,  wie  viele  Chronologen  glauben, 
sondern  erst  im  folgenden  gestorben  sein  mufs.  Um 
ein  so  wichtiges  Argument  zu  entkräften,  sucht  Freret 
zu  beweisen,  dafs  jenes  Princip  erst  vom  Tiber  ins 
an  gelte,  und  dafs  die  Todesjahre  der  frühem  Regen- 
ten ihnen  selbst,  nicht  ihren  Nachfolgern  beigelegt 
werden.  Man  begreift  nicht  wohl,  was  den  Fortsetzern 
des  Kanons  zu  einer  Aenderung  der  Methode  Anla& 
gegeben  haben  könnte.  Auch  halten  Freret's  Be- 
weisgründe bei  näherer  Ansicht  nicht  Stich.  "Sie  sind 
hauptsächlich  von  den  persischen  Königen  Artaxerxes  I. 
(Longimanus)  und  DariusIT.  (Nothus)  entlehnt.  Jener 
starb  in  den  ersten  Monaten  des  Jahrs  424  v.Chr.  im 
Verlauf  des  324sten  der  nabonassarischen  Acre,  wie 
Freret  richtig  zeigt.  Ihm  folgte  sein  ältester  Sohn 
Xerxes  II. ,  der  bald  von  seinem  Bruder  Sogdian  aus 
dem  Wege  geräumt  wurde.  Auch  dieser  regierte  nur 
einige  Monate,  worauf  Darius  11. ,  der  dritte  Sohn  des 
Artaxerxes,  den  Thron  bestieg.      Der  Kanon,   welcher 


Aegypter.  121 

nur  ganze  Regierungsjahre  in  Rechnung  bringt,  er- 
wähntf  wie  wir  schon  an  dem  Beispiel  von  Galba,  Olho 
und  Yitellius  gesehen  haben,  diejenigen  Regenten  nicht, 
die  Lein  volles  Jahr  geherrscht  haben.  Er  rechnet  also 
die  Regierungszeit  des  Xerxes  II.  und  Sogdian  dem  Ar- 
taxerxes  an.  Nach  Ctesias  hat  dieselbe  acht,  nach 
andern  neun  Monate  oder  noch  länger  gedauert  ^).  Bei 
dieser  Ungewifsheit  hindert  uns  nichts  anzunehmen, 
dals Darius n.  erst  nach  dem  7.December  424  v.Chr., 
also  na^ch  dem  l.Thoth  des  Jahrs  325  der  nabonassa- 
rischen  Acre,  welches  im  Kanon  zu  seinem  ersten  ge- 
macht wird,  zur  Regierung  gekommen  ist.  Dann  bleibt 
alles  in  Ordnung  und  wir  sind  nicht  genöthigt,  zu 
Freret's  Hypothese  zu  greifen,  für  welche  dieser  Fall 
nur  dann  beweisend  sein  würde,  wenn  es  ausgemacht 
wäre,  dals  Darius  II.  vor  dem  gedachten  7.December 
den  persischen  Thron  bestiegen  habe.  Wäre  dies  aber 
auch  wirklich  geschehen,  so  trifft  doch  immer  der  Früh- 
ling des  Jahrs  411  vor  unserer  Zeitrechnung  auf  sein 
dreizehntes  Regierungsjahr,  und  man  begreift  nicht, 
wie  Fr  er  et  dieses  Zusammentreffen  als  einen  Beweis 
für  seine  Hypothese  ansehen  kann,  gegen  welche  übri- 
gens der  Tod  eben  dieses  Königs  das  stärkste  Argument 
darbietet.  Diodör  sagt  ^) ,  derselbe  sei  kurz  nach 
dem  Frieden,  der  den  peloponnesischen  Krieg  geen- 
digt, erfolgt.  Der  Friedensvertrag  datirt  sich  aber  vom 
attischen  Monat  Munychion  Ol.  93,  4,  oder  vom  Früh- 
ling des  Jahrs  404  v.Chr.  Darius  starb  also  während 
des    Jahrs    344    der    nabonassarischen    Acre,     welches 


'}     DiodorXII,  71  und  daselbst  Wesseling's  Aniueikuug. 
')    Xm,  408. 


122  Technische  Chronologie. 

am  2.December  405  v.Chr.  angefangea  hat.  Da  nun. 
im  Kanon  das  Jahr  544  schon  seinem  Nachfolger 
Artaxerxes  II.  beigelegt  wird,  so  sieht  man,  dafs  dieser 
Fall  geradezu  gegen  Fr  er  et  zeugt.  Er  fühlt  dies 
selbst,  und  lyählt  den  Ausw^,  dafs  er  die  Autorität 
des  Diodor  zu  entkräften  sucht,  dessen  Werk  er  eine 
in  chronologischer  Hinsicht  sehr  fehlerhafte  Compilation 
nennt.  Bei  einer  solchen  Art  zu  argumentiren  läist 
sich  aber  alles  e^eisen. 

Die  einzige  entschiedene  Ausnahme  von  seinem  Prin- 
cip  erlaubt  sich  der  astronomische  Kanon  bei  Alezander 
dem  Grofsen.  Darlus  wurde  im  Hekatombäon  Olymp. 
112,  3  ^),  im  Verlauf  des  4l8ten  Jahrs  der  nabo- 
nassarischen  Acre,  ermordet.  Dies  sollte  also,  mit  Be- 
zug auf  Persien,  das  erste  Jahr  Alexanders  sein.  Der 
Kanon  legt  Ihm  aber  schon  das  vorhergehende  bei, 
offenbar  weil  er,  mit  Rücksicht  auf  Aegypten  *),  seine 
lleglerimg  von  der  Erbauung  Alexandria's  im  ersten 
Jahr  der  112ten  Olympiade  an  rechnet.  Man  sieht  übri- 
gens, dafs  diese  Yer^letzung  des  Princips,  wenn  man 
sie  so  nennen  will,  der  Hypothese  Freret's  gar  nicht 
günstig  ist;  denn  nach  dieser  sollte  Alexander  seine 
Regierung  erßt  mit  dem  4l9ten  Jahr  jener  Aere  äuge- 
listen  haben. 

Da  wir  nun  diese  Zeittafel  zu  gebrauchen  wissen 
und  ihre  Uebereinstimmung  mit  der  Geschichte  keinem 
nur  irgend  begründeten  Zweifel  unterliegt,  so  weixlca 
wir  uns  ihrer  bedienen  können,  um  ägyptische  mit 
Regentenjahren  verbundene  Data,  die  aufser  den  Schrif- 


*)    Arrian  de  Exped,  Alex,  HI,  22. 

*)     Man  vergleiche  die  Anmerkung  zu  S.  114. 


Aegtpteb.  123 

ien  der  Astronomen  vorkommen ,  auf  unsere  Zeitrech- 
nung zu  bringen.  Einen  Fall  'dieser  Art  bietet  die 
Inschrift  von  Rosette  dar.  Dies  ist  ein  Decret 
der  Priester  von  Memphis  zu  Ehren  des  Ptolemäus 
Epiphanes,  datirt  vom  Tage  seiner  Inauguration  am 
18.  Mechir  des  neunten  Jahrs  seiner  Regierung  (bis 
dahin  hatte  er  unter  Vormundschaft  gestanden).  Nach 
dem  Kaiion  ist  dies  das  128ste  Jahr  der  philippischen 
Aere,  mithin  das  Datum  der  Inschrift  der  27.  März 
196  V.  Chr.  Einen  zweiten  Fall  haben  wir  in  einer 
griechischen  Beischrift  auf  einem  ägyptischen  Papyrus, 
welche  Hr.  Buttmann  in  den  Abhandlungen  der 
Berliner  Akademie  erläutert  hat  *).  E!s  ist  darin 
vom  9.  Choiak  und  5.  Tybi  des  36$ten  Jahrs  die  Rede. 
Der  König,  auf  den  sich  diese  Zahl  bezieht,  ist,  wie 
nach  Hm.  Spohn's  Yersicherung  aus  der  darüber  be- 
findlichen ägyptischen  Schrift  hervorgeht,  Euergetes  11. 
(Physkon).  Dieser  hat  zwar  nach  dem  Kanon  nur  29 
Jahre  regiert;  da  er  aber  schon  als  Knabe  während 
der  Gefangenschaft  seines  Bruders  Philometor  zum  Kö- 
nige ausgerufen  wordeu  war  und  seitdem  24  Jahr  ab- 
wechselnd bald  mit  demselben  zugleich  über  Aegypten, 
bald  allein  in  Cyrene  geherrscht  hatte,  so  befahl  er 
bei  seiner  Thronbesteigung,  diese  Jahre  der  gemeinschaft- 
lichen Regierung  mitzuzählen,  also  statt  des  ersten  Jahrs 
das  fünf  und  zwanzigste  zu  sagen  ^).     Sein  sechs  und 


*)    Historisc-Ii-philologische  Klasse  Tom  Jahr  1824. 

*)  MeTaK>.»j3eis  Ix  Kup^k»]?  o  EuspysTTjf  xal  ßaciksv-;  avayopsu^fiic, 
Ttt  irri  auTOu  dvaypa(^u  cu^'  ov  nf>Ckov  ßaa-iXtv^  tvo^iV^v; . . .  To  yup 
rpiaxo^ov  iktov  4»tXofjirjTopoc,  ^io9  itpoa-ayoptviO'B^tu  t^c  toutou  ßuct- 
Xuag  irpwTOi/,  avrog  bIxq^ov  wßfjwrroj;  npociru^t  ypac^6or^«t.  Porphj- 
riu8  ap.  Eusebiuin,    T/ies.  temp,  (ed.  1658)  p.  60. 


124  Technisclie  Chivnologie. 

dreiisigstesRegierungsjalir  ist  mithin  eigentlich  sein  zwölf- 
tes, nach  dem  Kanon  das  190ste  der  philippisclien  Aere, 
dessen   9.  Choiak  und   S.Tybi  dem  2.  und  23.  Januar 
134  V.  Chr.  entsprechen  ^}.     Einen  dritten  Fall  bietet 
der  Kaufcontract  des  Nechutes  dar.    Diese  merk- 
würdige von  Hm.  Böckh  in  den  gedachten  Abhand- 
lungen')  erklärte  Urkunde  datirt  sich  vom  29.Tybi 
des  zwölften  Jahrs  der  filtern  Cleopatra,  der  Mitregen- 
tin  ihres  im  Kanon  allein  genannten  Sohns  Soter,  der 
im  208ten  Jahr  der  philippischen  Acre  die  Regierung 
antrat;  sein  zwölftes  Jahr  ist  also  das  219te  dieser  Acre, 
das  julianische  Datum  der  Urkunde  mithin  der  14. Febr. 
105  v.Chr.  ^). 

Nach  den  bisherigen  Untersuchungen  über  die  An- 
ordnung, den  Gebrauch  und  die  Reduction  des  beweg- 
lichen Jahrs  der  Aegypter  gehe  ich  nun  zu  der  damit 
in  Verbindung  stehenden  Hundssternperiode  fort. 
Das  beste,  was  über  diesen  Zeitkreis^  von  dem  die  Al- 
ten wenig,  die  Neuem  desto  mehr  reden,  geschrieben 
worden,  ist  noch  immer  das  kleine  seltene  Weik  Ca-- 
nicularia  von  Bainbridge  und  Greaves  ^]. 


')  In  einer  giiechischen  ganz  ähnlich  lautenden  Bcischiift 
eines  später  aufgerollten  Papyrus  der  hiesigen  Königl.  Sammlung 
wird  das  52ste  Jahr  genannt,  ohne  Zweifel.desselbenPtoleroäers; 
denn  kein  anderer  hat  so  lange  i-cgiert.  Sein  52stes  Jahr  ist 
eigentlich  sein  28stes,  oder  das  ,206le  der  philippischen  Acre, 
welches  den  22.  Sept.  119  ▼.Chr.  angefangen  hat. 

')  Historisch  -  philologische  Klasse  aus  den  Jahren 
1820  und  21. 

^)     Nicht  der  13.  Februar  104,  wie  Hr.  Böckh,  durch  Hrn. 
Champöllion   Figeac*s   Annales   des  Lagides   iiTe  geleitet, 
auf  den  Titel  seiner  Abhandlung  gesetzt  hat. 
.     *)    Joh.  BainbridgiiCanicularia,    Uria  cum demonstratione 


Abgypter.  125 

Das  periodische  Steigen  des  Nüs  ist  fiir  die  Aegyp- 
ter  ein  höchst  wichtiges  EreignifSf  da  von  demselhen 
die  ganze  Fruchtbarkeit  ihres  selten  vom  Regen  be- 
netzten Landes  abhängt.  Es  fängt  bei  ihnen  ge- 
wöhnlich unmittelbar  nach  der  Sommerwende  an  ^), 
imd  traf  daher  vor  einigen  tausend  Jahren  mit  dem 
Frühaufgange  des  hellsten  aller  Fixsterne,  des  Sirius, 
zusammen.  Aufmerksam,  wie  die  allen  Aegypter  auf 
dergleichen  Erscheinungen  überhaupt  waren,  machten 
sie  insbesondere  diese,  wodurch  ihnen  die  Wohlthat 
der  Ueberschwemmung  verkündigt  und  gleichsam  von 
Neuem  zugesichert  wurde,  zu  einem  G^nstande  sorg- 
fältiger Beobachtung,  zumal  da  sie  aus  der  Farbe  und 
Lichtstärke  des  Sterns  bei  seiner  ersten  Erscheinung  in 
der  Dänmierung  auf  die  Stärke  der  Ueberschwemmung, 
mithin  auf  die  Fruchtbarkeit  des  Jahrs  schliefsen  zu 
können  wähnten  ') ,  daher  sie  ihn  auch  der  Isis,  der 
personificirten  fruchtbaren  Natur,  geweiht  hatten  ^}. 


orius  Sirii  keliaci  pro  parallelo  inferioHs  Aegy-pti,  Auetore 
Johanne  Gravio,  Oxford  1648,  8.  Bainbridge  hatte  das  Werk 
unToUendet  hinterlassen.  Greaves  fügte  noch  die  Berechnung 
des  heliacischen  Aufganges  des  Sirius  hinzu  und  gab  die  Arbeit 
seines  Fi-eundes,  die  nur  bis  S.  37  geht,  hei*aus. 

*)  Man  vergleiche,  was  hierüber  aus  Alten  und  Neuern  in 
Nordmeyer *s  Calendarium  Aegjrpti  oeconomicum  (Gptlingen 
i792,  4.)  gesammelt  ist.  Eine  Fülle  hieher  gehöriger  Notizen 
liefern  auch  die  Admiranda  Nili  des  Marc.  Fr  id.  Wendel  in. 
Frankfurt  1623,  8.    Cantabrigiae  1648,  4. 

^}  S.  das  Fragment  aus  Hephästion  9r«p2  ImoTjjuaa-tui/ t^C 'roi> 
xovoq  htvto\i\(;  bei  Bainbridge  (Canic.  p.27J  und  bei  Salmasius 
(in  SoL  p.303  ed.  ültraj.)^  auch  Horapollo,  Hieroglyph.  I,  3. 

^)  Diod.  I,  27.  Plut.  de  Js.  et  Osir.  c.  22.  Horapollo 
1.  c.  Schollen  zum  Aratus  v.  152. 


126  Technische  Chivnologie. 

Es  ist  daher  sehr  wahrscheinlich,  dafs  sie  bei  der 
Einführung  einer  festen  Zeiti^echnung  ihr  Jahr  mit  dem 
ihnen  so  bedeutungsvollen  Frühaufgau ge  des  Sirius  an- 
gefangen haben.  Die  Wahrscheinlichkeit  wird  noch 
durch  den  Umstand  vermehrt,  dafs  der  erste  Monat  ih- 
res Jahrs  mit  diesem  Stern  gleichen  Namen  führte. 
Mchrcrc  Alle  versichern  nämlich  ^),  der  Hundsstern 
habe  bei  den  Aegyptem  Xw^ig,  Sothis,  geheifsen. 
Vettius  Valens,  von  Marsham  citirt  '),  nennt  ihn 
^tJS-,  Seth.  Unstreitig  sind  aber  Thoth,  Seth  und 
Sothis  ein  und  eben  dasselbe,  nur  verschieden  aus- 
gesprochene, Wort. 

Nachdem  Gensorinus  von  den  Mondcykeln  der 
Giiechen  gesprochen  hat,  fährt  er  folgendermaisen  fort  ^) : 
Ad  Aegyptiorum  vero  annum  magnum  luna  non  per- 
tinet,  quem  GraeceKwucoy,  latinc  canicularem  vo- 
camus,  propterea  quod  initium  illius  sumitur,  cum  primo 
die  eius  mensis ,  quem  vocant  Aegyptii  Thoth,  cani- 
culae  sidus  exotitur.  Nam  eorum  annus  civilis  solos 
habet  dies  CCCLXF,    sine   ullo   iniercalari.       Itaque 


*)  Vlui.  de  Js.  et  Osir.  c.  21  und  de  soleriia  anim.  c.  21. 
Porphyrius  de  anü'O  Nymphar,  c.  24  p.  22  ed.  van  Goens. 
Ghalcidius  in  Timaeum  Piatonis  p.  324  ed.  Fabr.  C^pp.  S, 
Hippol.  Tom.  n. ) 

*)  Canon  Chron.  p.  8  ed.  Lips.  Vettius  Valens 'ist  Ver- 
fasser eines  asti-ologischen  Werks  in  acht  Büchern  unter  dem  Ti* 
tel  *AvÄoXoyia,  woiin  er  den  Stei-ndeutern  die  Rechnungen,  die 
ihre  Afterkunst  erforderte,  zu  erleichtern  sucht.  Er  mufs  unter 
Maix;us  Aurelius  gelebt  haben;  wenigstens  gehören  die  neusten 
Exempel  von  Horoskopen,  die  er  gibt,  in  die  letzten  Jahre  des 
Antoninus  Pius.  Es  sind  mehrei-e  Handschriften  von  diesem 
Werke  vorhanden,  dessen  Druck  zu  wünschen  wäix;. 

')    c.  18. 


Aegyptbr.  127 

quadriennium  apud  eos  imo  circiter  die  minus  est,  quam 
naturale  quadriennium:  eoque  ßt,  ut  anno  MCCCCLXI 
ad  idem  reyolyatur  principium.  Hie  annus  etiam  ijXto- 
Kog  a  quibusdam  dicitur,  et  ab  aliis  6  S'bov  iviavrog. 
Aus  dieser  Stelle  lernen  wir  das  Wesen  des  merkwür- 
digen Zeitkreises  der  Hundsstern oeriode  kennen. 
Das  bürgerliche  Jahr  der  Aegypter  hielt,  wie  wir  auch 
aus  ihr  ersehen,  36S  Tage  ohne  Einschaltung.  Tier 
solcher  Jahre  waren  mithin  um.  einen  Tag  kürzer,  als 
vier  julianische ,  welchen  Zeitraum  Gensorinus  hier  nan 
^  turale  quadriennium  nennt,  weil  die  julianischen  Jahre, 
wie  er  anderswo  sagt  ^),  sali  ad  annum  naturae  aptati 
sunt,  welchen  Irrthiun  die  Urheber  der  Periode  ver- 
muthlich  mit  ihm  theilten.  Es  mufste  also  der  beweg- 
liche 1.  Thoth  mit  dem  1461sten  ägyptischen  Jahr  zu 
demselben  Tage  des  julianischen  zurückkehren,  von  wel- 
chem er  ursprünglich  ausgegangen  war  ^),  so  dafs  1461 
ägyptische  Jahi*e  1460  julianische  gaben.  Diesen  Zeit- 
raum nennt  er  annus  canicularis,  weil  derselbe  seinen 
Anfang  nahm,  wenn  der  Hundsstern  am  ersten 
Tage  des  Monats  Thoth  in  der  Morgendäm- 
merung erschien. 

Wann  ist  aber  dieser  Fall  eingetreten?  Auch  diese 
Frage  beantwortet  er  mit  seiner  gewöhnlichen  Bestimmt- 
heit in  folgenden  Worten  ^) :  Sed  komm  (annorum 
Nabonnazaru  et  Philippi)  initia  semper  a  primo  die 
mensis  eius  surnuntur,   cui  apud  Aegyptios  nomen  est 


')    c.  20. 

^)     Zu  demselben  Tage  des  Utopischen  Jahrs  dagegen  erst  nach 
1508  Jahren. 
')    c.  21. 


128  Technische  Chronologie.  . 

Thoth,    quique  hoc  anno  fidt  ante    diem  VII.  Cal, 
lul.y  cum  ablunc  annos  centum,  Imperatore  Antonina 
Pia  II.   et  BruUio  Praesente    Coss. ,    idem  dies  fiierit 
ante  diem  XII.  CaL   August.,    quo  tempore  solet  ca- 
nicula  in  Aegypto  facere  exortum.     Quare  scire  etiam 
licet,  anni  illius  magni,  gui,   ut  supra  dictum  est,    et 
solaris  et  canicularis  et  Dei  annus  ^vocatur  ^), 
nunc  agi  vertentem  annum  centesimum.     Er   schrieb, 
wie  bereits  (108)  bemerkt  worden,  im  Jahr  238  n.Chr., 
wo  der  1 .  Thoth  des  ägyptischen  Jahrs  richtig  ante  diem 
VII.   CaL   lul.    oder   am   25.  Junius  eintraf.      Unter 
dem  Consnlat  des  Antoninus  Pias  und  Bruttius  Praesens, 
139  n.  Ghr.f  fing  das  ägyptische  Jahr   mit  dem  20.  Ju- 
lius an.     Es  mufs  daher  ante  diem  XIII.  statt  €inle 
diem  XII,   CaL   August,    gelesen  werden,    wie  schon 
Petavius  ^)  und  Bainbridge  ^)  bemerkt  haben.    In 
diesem   Jahr  139  hat  sich    also  die  Hundsstemperiode 
erneuet.      Es  fragt  sich  nun  aber,   ob  Sirius  wirklich 
damals   am  20.  Julius   des   julianischen  Jahrs  aufging, 
und  ob  dieser  Tag  der   seines  gewöhnlichen  Aufganges 
in  Aegypten  ist,  wie  der  Schriftsteller  sagt?    Ich  habe 
hierüber  anderswo   ^)   eine  genaue   Rechnung  geführt, 
von  der  ich  hier  die  Ergebnisse  hersetzen  will  ^). 


*}  Noch  andere  Benennungen  sind  Sa)0iciKii  mplo^og  und  xuvuo; 
kukXo;.  Jene  kommt  beim  Clemens  Alexandrinus,  diese  beim 
Synccllus  Tor,  an  unten  anzuzeigenden  Stellen. 

*)     rar.  diss.  1.  V.  C.6. 

')     Canicularia  p.  35. 

*)  Historische  Untersuchungen  über  die  astrono- 
mischen Beobachtungen  der  Alten  S.  76fr. 

^)  Hr.  B  i  o  t  gibt  in  seinen  Recherches  sur  plusieurs 
points  de  P Astronomie  Egjrptienne  appliqudes  aux  monumens 


Aeoyptea.  129 

Für  das  Jahr  139  n.  Chr.  findet  sich  unter  dem 
Parallel  von  30  Grad,  welcher  der  tiralten  Stadt  Helio- 
polis,  dem  Hauptsitz  der  ägyptischen  Priester,  nahe  vor- 
beistreicht,  die  Länge  der  Sonne  beim  Frühaufgange 
des  Sirius  b&3Z.  24^  46',  und  diese  erreichte  sie  unter 
dem  dortigen.  Meridian  am  20.  Julius  um  7U.  Morgens, 
so  dafs  der  Aufgang  des  Sirius  wirklich  an  diesem  Tage 
erfolgt  ist.  Der  Sehungsbogen  des  Sterns  ist  hierbei  we- 
gen seines  vorzüglich  lebhaften  Glanzes  zu  10°  angenom- 
men worden,  ob  man  ihn  gleich  mit  Ptolemäus  bei 
den  Sternen  erster  Grölse,  wie  oben  (5^)  bemerkt  wor- 
den, eigentlich  auf  11°  zu  setzen  hat.  Niemand  wird 
dies  Willkühr  nennen ;  denn  es  ist  hier  nur  die  Frage, 
ob  unter  wahrscheinlicher  Voraussetzung  des  Beobach- 
tungsoits  und  des  Sehungsbogens  die  Ang&be  des  Auf- 
gangstages des  Sirius  beim  Censorinus  gerechtfertigt 
werden  könne. 

Wenn  139  n.  Chr.  der  l.Thoth  auf  den  20.  Ju- 
lius traf,  so  mufste  er  1460  Jahre  oder  eine  Hundsstern- 
periode  früher,  nämlich  im  Jahr  1322  v.Chr.,  mit 
demselben  luliauischen  Datum  übereinstimmen.  Auch 
damals  ging  Sirius  bei  10°  Sehungsbogen  am  20.  Julius 
in  der  Moi^ndämmerung  auf,  indem  die  Junge  dei* 
Sonne  bei  dieser  Erscheinung  3Z.  12°  43'  sein  mufste, 
welche  sie  zu  Heliopolis  am  19.  Julius  um  6U.  Abends 
erreichte. 


astronomiques  trouväs  en  £gypte  (Paris  1823,  8.)  S.  296,  eine 
Methode,  die  Sternpositionen  für  entfernte  Zeiten  der  YorweU  zu 
finden,  die  etwas  genauer  als  die  meinige  ist.  Er  hat  hiernach 
meine  Rechnung  wiederhöhlt,  versichert  aber  (S.  173),  dafs  die 
Verschiedenheit  unserer  Resultate  sehr  unbedeutend  sei. 


[9] 


<30  Technisclie   Chronologie. 

Gehen  yfit  noch  eine  Periode  iveiter  bis  mm  Jahr 
2782  V.  Chr.  zurück,   so  erhalten  wir  noch  einmal    den 
20.  Julius  als  Aufgangstag  des  Sirius ;    denn  die  Sohik: 
hatte  damals  bei   seiner  Ei*scheinung   in  der  Moi^en- 
dammerung  eine  Länge  von  3Z.  1^  37',  welche  sie  an 
diesem  Tage  des  Morgens  erreichte.     Censorinus  hat 
also  vollkommen  Recht,  wenn  er  vom  20.  Julius  sa^: 
quo  tempore  solet  canicula  in  Aegypto  facei'e  exortunt. 
Der  Stern  mufe  wegen  der  Vorrückung  der  Nachtgleicfaen 
allmälig  immer  später  im  Sonnen  jähr  aufgehen,  während 
der  Anfang  des  um  11'  12''  zu  langen  julianischen  Jahrs 
gleichfalls    immer    tiefer    ins    Sonnenjahr    hineini-ückt. 
Dafs  aber  beide  Verschiebungen  so  parallel  mit  einan- 
der vor  sich  gegangen  sind ,  dafs  der  Stern  3000  Jahre 
lang  in  Aegypten  immer  an  demselben  Tage  des  julia- 
nischen Jahrs  in  der  Moi^ndammerung  hat  erscheinen 
müssen,   ist  eine  Folge  seiner  zufälligen  Stellung  gegen 
die  Langen  -  und  Breitenkreise,  welchen  Umstand  schon 
Petavius  merkwürdig  gefunden  hat  ^).    Wenn  er  be- 
merkt ,   dafs   ein  solches  Zusammentreffen  nicht  immer 
Statt  finden  werde,   so  hat  er  Recht.     Es   ergibt   sich 
nämlich   für  das  Jahr  1599  unserer  Zeitrechnung,  wo 
wieder  eine  Periode  begann,  dafs  die  Sonne  beim  Früh- 
aufgange des  Sirius  eine  Länge  von   4Z.  7^  54'  hatte, 
welche  sie  am   21.  Julius  a.  St.   um   10  U.  Abends  er- 
reichte,  so  dafs  der  Stern  erst  am  22.  Julius  in  der 
Moi^ndämmerung  sichtbar  werden  konnte. 

Es  ist  oben  (126)  wahrscheinlich  genannt  worden, 
dafs  die  Einfuhrung  des  beweglichen  ägyptischen  Jahrs 


*)    AdmirabilUer  contigii,  sagt  er.     A.  a.  O.  (428). 


Abotpter.  131 

in  eine  Zeit  zn  setzen  sei^  wo  der  l.Thoth  mit  dem 
Frühau^ange  des  Sirius  zusammentraf.  Dies  war  nun^ 
wie  wir  so  eben  gesehen  baben,  in  den  Jahren  2782 
und  1322  vor  und  139  nach  Chr.  der  Fall.  Freret  *) 
und  Bailly^)  sind  der  Meinung,  dafs  man  bis  zum 
erstgenannten  Jahr  zuiiickgeben  müsse,  wo  der  l.Thoth 
nicht  blofs  mit  dem  Frübaufgauge  des  Sirius,  sondern 
zugleich  auch  mit  dem  Anfange  der  Ueberscbwemmung 
zusammenu*af.  Gegen  diese  Hypothese  möchten  sich 
aber  wol  zu  viele  Stimmen  erheben.  Wir  wollen  also 
das  Jahr  1322  als  das  der  Einführung  des  figyp tischen 
Jahrs  ansehen,  und  wer  die  Spuren  fi*üher  Cultur,  die 
wir  überall  in  Aegypten  wahrnehmen ,  zu  einem  Ge* 
genstande  ernster  Beti'achtung  macht,  kann  es  unmög- 
lich unwahrscheinlich  finden,  dafs  die  Aegypter  schon 
dreizehn  Jahrhunderte  v.  Chr.  eine  geordnete  Zeitrech» 
nung  gehabt  haben,  zumal  da  sie  ohne  alle  tiefere  Ein- 
sicht, die  wir  ihnen  beizulegen  wenig  berechtigt  sind, 
zu  derselben  gelangen  konnten.  Sie  fingen  ihr  Jahr, 
das  ein  reines  Sonnen  jähr  werden  sollte,  mit  dem  ih- 
nen so  bedeutungsvollen  Frühaufgange  des  Sirius  an, 
imd  legten  ihm  die  365  Tage  bei,  die  sie  von  einer 
solchen  Erscheinung  zur  andern  zählten.  Vielleicht 
glaubten  sie  anfangs,  dafs  der  l.Thoth  immer  zu  der- 
selben zurückkehren  werde.  Hierin  sahen  sie  sich  nun 
zwar  sehr  bald  getäuscht,    indem   sie  den  Stern  nach 


*)    Nouvelles  observations  sur  la  Chronologie  de  Newton. 
Tom.  X.  p.  100  der  Oeuvres  compUtes. 

*)    HisL  de  V Astronomie  ancienne    1.  VI.  S-VIII.     Eclair- 
cissemens  1.  V.  S«  X, 

[9'] 


132  Technische  Chmnologie. 

vier  Jahren  am  2.Thotb,  nvieder  nach  vlei*  am  dritten, 
und  so  von  vier  zu  vier  Jahren  immer  um  einen  Tag 
spater  in  der  Morgendämmerung  erscheinen  sahn;  sie 
behielten  indessen  die  einmal  angenommene  Jahrlftnge 
bei,  theils  wegen  der  Einfachheit  der  Jahrform,  theils 
weil  sich  mit  der  Zeit  religiöse  Ideen  an  dieselbe 
knüpfen  mochten. 

Dafs  aber,  wie  Freret  und  Baillj  meinen,  die 
Hundsstemperiode  von  gleichem  Alter  mit  dem  ägypti- 
schen Jahr  sei,  ist  minder  wahrscheinlich.  Sie  grün- 
det sich  auf  die  Yergleichung  des  festen  Jahrs  von 
365—  Tagen  mit  dem  beweglichen  von  365,  konnte  also 
nur  das  Resultat  fortgesetzter  Beobachtungen  des  Früh- 
aufganges des  Sii*ius  sein.  Da  nun  überdies  das  Bedürf- 
nüs  einer  festen  bürgerlichen  Acre  gerade  nicht  auf  sie 
geleitet  zu  haben  scheint,  so  ist  sie  wol  erst  späterhin 
von  irgend  einem  sinnenden  Kopfe  gebildet  worden, 
als  man  die  Urgeschichte  des  Volks  zu  bearbeiten  an- 
fing, wobei  man  einer  weitzurückgehenden  Acre  oder 
eines  grofsen  Zeitkxeises  nicht  entbehren  konnte.  Ihre 
Dauer  ergab  sich  von  selbst,  so  bald  einmal  die  Beob- 
achtung gemacht  war,  dafs  der  Hundsstern  alle  vier 
Jahre  um  einen  Tag  spater  im  ägyptischen  Kalender 
aufging.  Der  Anfang  wurde  natürlich  auf  den  Zeit- 
punkt gesetzt,  wo  der  Aufgang  des  Sirius  mit  dem 
l.Thoth  zusammentraf.  Nichts  war  aber  leichter,  als 
die  Zahl  der  seitdem  verflossenen  Jahre  zu  berechnen; 
denn  man  durfte  nui*  dureh  unmittelbare  Beobachtung 
das  Datum  des  Frühaufganges  ermitteln,  und  die  Zahl 
der  bis  dahin  vom  Anfange  des  Jahrs  an  verflossenen 
Tage  mit  4  multipliciren. 


Aeotpter.  133 

IKe  Herren  Dapuy^),  Lalande ')  und  Pfaff^} 
finden  die  Handsstemperiode  um  36  Jahi*e  zu  lang.  Sie 
sagen  nämlich ,  dieser  Zeitkreis  habe  durch  den  Stde- 
ralumlauf  der  Sonne  bestimmt  werden  müssen.  Wenn 
man  nun  6  St.  9'  11",  den  Ueberschuls  des  Stemjahrs 
über  das  ägyptische ,  in  365  Tage  dividire ,  so  ergebe 
sich  zürn  Quotienten  1424;  die  Sonne  komme  also 
schon  nach  1424  Jahren  an  demselben  Tage  des  ägyp- 
tischen Jahrs  wieder  mit  dem  Sirius  in  Conjunction. 
Dies  hat  seine  Richtigkeit.  Allein  das  Wesen  der  Pe^ 
riode  ist  hierbei  falsch  aufge&fst.  Sie  beruhte  auf  kei- 
ner genauen  Bestimmung  des  Sonnenlaufs,  sondern 
auf  der  einfachen  Wahrnehmung,-  dafs  der  Sirius  mit 
jedem  vierten  Jahr  um  eineii  Tag  später  im  ägypti- 
schen Kalender  aufging. 

Die  Hundssternperiode  scheint  im  Alterthum 
sehr  berühmt  gewesen  zu  sein,  obgleich  aufser  Aegyp- 
ten  nur  wenige  ihre  Entstehung  und  Beschaffenheit 
kennen  mochten.  Die  Zahl  der  ihr  zum  Grunde  lie- 
genden Jahre  erwähnen  Geminus,  Tacitus,  Dio 
Cassius  und  lulius  Firmicus.  Der  erste  bemerkt  *), 
das  Fest  der  Isis  durchwandere  in  1460  Jahren  den 
ganzen  Kreislauf  der  Jahrszeiten.  Tacitus  sagt*), 
einige  legten  dem  Phönix  ein  Alter  von  1461  Jahren 
bei,  eine  Aeufserung,  auf  die  wir  unten  zurückkommen 


»)     Acad.  des  Inscriptions   Tom.  XXIX.,  Hi«t.  p.  116  ff. 
')     In  dem  oben  (35)  gedachten  Mdmoire  p.231  und  in  der 
Astronomie    arl.  1605. 

^)     De  ortibus  et  occasibus  sidei^rn   p.  71. 
")    Isagoge  c.  6. 
•)    JiinaL    VI,  28. 


134  Technische  Chronologe. 

werden.  Dio  Cassius  behauptet  ^),  man  schalte  nach 
GLsars  Vorschrift  alle  1461  Jahre  einen  Tag  zu  wenig 
ein.  Dies  ist  ein  Irrthum,  auf  den  das  unrichtig  auf- 
gefaiste  Wesen  der  Hundsstemperiode  geleitet  hat.  Eben 
dies  gilt  von  der  Angabe  des  Firmicus,  nach  der  das 
groIseJahr,  das  die  sieben  Planeten  zu  ihren  ursprüng- 
lichen Stellen  zurückführen  soll,  1461  Jahre  halt  ')• 

Eine  ausdrückliche  Erwähnung  der  Hundsstempe- 
riode findet  sich  nur  bei  Censorinus,  Ghalcidius, 
Syncellus  und  Clemens  Alexandrinus.  Der  erste 
belehrt  uns  über  die  Beschaflenheit,  Dauer  und  Epoche 
dieses  Zeitkreises,  von  dem  wir  ohne  ihn  wenig  Be-- 
stimmtes  wissen  würden.  Chalcidius  gedenkt  an 
einer  bereits  oben  (126)  citirten  Stelle  des  annus  Kwtxog 
nur  ganz  kurz  bei  der  Notiz,  dafs  der  Hundsstern  bei 
den  Aegyptem  Sothis  geheifsen  habe.  Syncellus  be- 
merkt ^) ,  dafs  im  fünften  Jahr  des  alten,  sonst  nii*- 
gends  weiter  erwähnten,  ägyptischen  Königs  Goncharis 
700  Jahre  rov  xvvtKov  'keyoulvov  wxXou  TfdpaL  rw  MavcS-i^, 
cjcli  apud  Manetlionem  dicti  cpiici,  verflossen  waren. 
Hieraus  scheint  hervorzugehen,  dafs  sich  Manethon 
oder  Manethos,  ein  ägyptischer  Priester  unter  Pto- 
lemäus  Philadelphus,  in  seiner  gi*iechiscfa  geschriebenen 


")    Hist,  Rom,  l.XLra,  c.26.  p.  360  cd.  Reim. 

')  Praef,  in  Astronomica,  Was  dies  nach  der  Meinung  der 
ägyptischen  Astrologen  für  Stellen  T?ai*eQ,  kann  man  aus  Ma- 
crob.  in  Somn.  Scipionis  1,21,  und  noch  bestimmter  aus  Fir- 
micus  111,1  ersehen.  Man  Tcrgleiche  Barthölemy's  Abhand- 
lung Remarques  sur  quelques  Medailles  de  VEmpereur  Anto- 
nin,frappees  en  jigjrpie^  im  41sten  Bande  der  Mem,  de  VAc. 
des  Inscriptions , 

•*)  Cki-onographia  p.  103  etl.  Goar  (in  der  pariser  Samm- 
lung der  Script,  hist.  Bjz^). 


Aegyptea,  135 

vaterläadiscben  Geschichte,  aus  der  sich  Fragmente  bei 
Joseph  US,  Synce]]us  und  anderswo  finden,  der 
HundssteiTiperiode  hedient  hatte.  Es  ist  sehr  zu  be-^ 
dauern,  dafs  sein  Buch  vom  Hundsstern  —  ßi- 
ßXog  Trjg  Tw2r$wg — dessen  Syncellus  gedenkt  ^),  ver- 
loren gegangen  ist.  Wir  würden  darin  yeimuthlich 
Nachrichten  von  der  Entstehung  und  dem  Gebrauch 
der  Hundsstemperiode  gefunden  haben.  Clemens 
endlich  nennt  die  Xw^uücrf  TFspiodog  nur  einmal  ganz  ge- 
legentlich, aber  auf  eine  Weise,  die  uns  bestätigt,  was 
wir  aus  Censorinus  von  ihrer  Epoche  wissen.  Er  sagt 
nämlich  '),  die  Israeliten  wären  34f>  Jahr  vor  dieser 
Periode  aus  Aegjplen  gezogen.  Von  dem  Auszuge, 
den  er  unter  Inachus  setzt,  bis  auf  die  deukalionische 
FJuth  gibt  er  40  Menschenalter,  3  zu  100  Jahren,  also 
über  1300  Jahre  an,  offenbar  bei  weitem  zu  viel.  Wir 
wollen  mit  dem  lateinischen  Uebersetzer  und  mit  Des- 
Vignoles  ^)  ricra-ap^  für  no-o-apdMVTOL,  4  für  40  lesen, 
um  diese  Stelle  mit  dem,  was  wir  anderswo  von  der 
Urgeschichte  der  Griechen  aufgezeichnet  finden,  in 
Uebercinstimmung  zu  bringen.  So  haben  wir  also  bis 
zur  deukalioniscfaen  Fluth  133 -f  Jahre.  Von  da  bis 
auf  den  Raub  der  Helena  zählt  Clemens  femer  320 
Jahre,  und  von  der  Zerstöi*ung  Trojas  bis  auf  die  erste 
Olympiade  417*  Das  Intervall  vom  Haube  der  Helena 
bis  auf  die  Zerstörung  Trojas  bestimmt  er  nicht.  Ei^ 
ganzen  wir  es  durch  zwei  Verse  der  Iliade  ^),  die  der 
Helena  in  den  Mund  gelegt  sind  und  ohne  Zweifel  die 

*)  Eb.   S.  40. 

')  Strom.  1. 1.  p.  145  ed.  Sylb. 

•')  Chronol.  de  Vhist.  Sainte  Vol.  I.  p.591. 

')  «,  765. 


136  Technische  Chronologie. 

Tradition  der  Griechen  ausdrücken,  so  haben  wir  toiu 
Auszuge    der   Israeliten    bis    auf  die  erste   Olympiade 
133  ^  ^.  320  -f.  20  -f.  417  =  890  |-  Jahre. .   Wir  wollen 
die  volle  Zahl  891  setzen.      Da    nun    diese  Olympiade 
ins  Jahr   776  v.  Chr.    gehört ,    so  ist  der  Auszug  nach 
Clemens  ins  Jahr  1667  v.Chr.  zu  setzen,  und  zieht 
man  hiervon  345  ab,  so  erhält  man  das  Jahr  1322  als 
Anfang  der  Hundssteraperiode  *).     Die  Uebcreinslim- 
mung  dieses  Resultats  mit  dem,  welches  aus  Censori- 
nus  folgt,  ist  zu  vollkommen,  als  da(s  sie  ein  ZufaU  sein 
könnte.     Bainbridge,   der  die  Sache   etwas  anders, 
aber  im  Wesentlichen  eben  so,  darstellt  ') ,  sagt  tref- 
fend:   nihil  referty   num  exitus  ex  Aegypto  et  subse-- 
quentiwn  intervallorum  tempora  rede  deßnita  liicfue-^ 


*)  Dasselbe  Jahr  ergibt  sich  auch  noch  aus  einem  Frag- 
ment des  Theon,  das  Hr.  Biot  in  seinem  vorhin  (128)  ge- 
dachten Werke  (S.  303  ff.)  aus  der  Handschrift  2390  der  paiiser 
Bibliothek  millheilt  und  scharfsinnig  commentirt.  Es  heifst darin, 
dafs  ano  Mivo^piuc  lw(  rf;  Xtigiu;  kvyoig-oM  1605  Jahre  vei'flossen 
wären.  Der  ganze  Zusammenhang,  in  den  diese  Worte  gebracht 
sind  und  den  ich  hier,  ohne  allzu  weitläufig  zu  weitJen,  nicht 
entwickeln  kann,  zeigt,  dafs  die  Epoche  des  Menophres  keine 
andere  ist,  ab  die,  wo  der  bewegliche  1 .  Thoth  mit  dem  Früh- 
aufgange  des  Sirius  zusammen ti*af,  also  der  Anfang  einer  Hunds* 
stemperiode.  Unter  dem  Ende  —  Xvfgi;  —  des  August  Icann, 
wie  der  Zusammenhang  gleichfalls  lehrt,  nur  das  Ende  der 
Aere  des  August  odei'  der  Anfang  der  Acre  des  Dio- 
de tian  Terstandcn  werden.  Bis  auf  diesen- Zeilpunkt  sind, 
wie  wir  unten  sehen  wei'den,  283  volle  Jahre  von  unserer  christ- 
lichen Aere  verflossen.  Ziehen  wir  diese  von  1605  ab,  so  erhal- 
ten wir  für  die  Epoche  des  Menophres  das  Jahr  1322  v.Chr. 
Auch  diesen  alten  ägyptischen  König  finden  wir  sonst  nirgends 
weiter  genannt. 

'*)     Canic,  p.  35. 


Aegtpter.  137 

rinty  ^el  non;  satis  est,  ut  id  Uqueat,  Clementem  ean^ 
dem  periodum  Sothiaoam,  eandemque  eius  epocham 
constituisse,   quam  Censorinus  proposuerat. 

Wenn  es  befremdet,  dafs  Herodot,  der  uns  die 
erste  Nachricht  vom  beweglichen  Jahr  der  Aegypter 
gibt,  nicht  zugleich  der  damit  in  so  enger  Verbindung 
stehenden  Hundssternperiode  gedenkt,  so  wird  man 
daraus  nichts  weiter  schllefsen  wollen,  als  da{s  dieselbe 
damals  aufser  den  Zellen  der  Priester  noch  wenig  be- 
kannt sein  mufsle.  Denn  wenn  Dupuy  *)  aus  dem 
Stillschweigen  der  beiden  ältesten  griechischen  Schrift- 
steller, die  mit  den  ägyptischen  Priestern  in  Berüh- 
rung kamen,  des  Herodot  und  Plato,  folgern  zu 
müssen  glaubt,  dafs  die  Aegypter  bis  zum  yierten  Jahr* 
hundert  vor  unserer  Zeitrechnung  den  Unterschied 
zwisdien  ihrem  beweglichen  und  dem  festen  Sonnen- 
jahr, oder  den  Vierleltag,  worauf  das  Wesen  dieser  Pe- 
riode beruht,  noch  nicht  gekannt  hätten,  so  ist  das  ein 
Gedanke,  der  nicht  widerlegt  zu  werden  verdient  *). 

Wie  aber,  wenn  es  wirklich  im  Herodot  eine 
Stelle  gäbe',  die  auf  die  Hundssternperiode  an- 
spielt? Er  bemerkt^],  dafs  nach  der  Versicherung  der 
ägyptischen  Priester   vpn   Menes '  bis    auf  Sethon  341 


')    A.  a.  O.  S.  ii4. 

')  Nach  Larcher  ist  der  Viertellag  gar  erst  unter  Plolc- 
mäus  Philadelphus  yon  den  alexandrinischen  Astronomen 
entdeckt  ivoi^den!  Man  sehe  sein  schwaches  Memoire  sur  le 
Phoenix  ou  Recherches  sur  les  päriodes  astronomiques  et  chro- 
nologiques  des  igjrptietu.  S.  220  des  ersten  Bandes  der  Hist. 
ei  M4m,  de  V Institut  Royal  de  France,  Classe  d'Hisl.  et  de 
litt.  anc. 

')    II,  142. 


138  Technisclie  Clironologie. 

Menschenalter  yerflossen  sind.     Da  nun,  sagt  er,  drei 
Menschenalter    100  Jahie  gehen,    so  halten  341  Men- 
schenalter  11340  Jahre.     In  dieser  Zahl  ist  ein  kleiner 
Fehler;    denn    die    genaue  Redinung  giht  26-3-  Jahre 
mehr.     Dana  fährt  er  fort :  Iv  roivw  tovt^  r^  XP^^  '^- 
rpcuu^  tksyov  i^  i^Sriwv  tov  ^Xwv  ayanZXw  cvS-a  rs  vvv  xara^ 
ivrrou,  iy^iVT€¥  di$  hFOyrukeu*  xeä  evS-ev  viJy  ovaWXXci,    ly- 
^avra  6\^  HaTouMyau     „In  dieser  Zeit,  behaupteten  sie, 
,,ist  die  Sonne  viermal  an  dem  gewöhnlichen  Ort  ^} 
„aufgegangen,   zweimal  aufgegangen,  wo  sie  jetzt  un- 
„tergeht,   zweimal  untergegangen,   wo   sie  jetzt  auf- 
„geht.'^     Man  hat  diese  dunkeln  Worte  buchstäblich 
genommen  und  eine  astronqmische  Wahrheit  darin  ge- 
sucht,  die  durchaus  nicht  darin   liegt.     Meiner  Mei- 
nung nach   sind  sie  nichts  weiter,   als  ein  mystischer 
Yon   Herodot   falsch   aufgeia(ster  Ausdruck    för:    in 
diesem  langen  Zeitraum  hat  sich  die  Hunds- 
sternperiode achtmal  erneuet.      Achtmal  1461 
Jahre  geben  11688,    ein  paar  Jahrhunderte  mehr,   als 
die  Rcduction  der  341  Menschenalter,  ein  Uebei-schufs, 
der  bei  einem  so   gix>isen  Zeilmaafsstabe  als  unbedeu- 
tend yei^schwindet.     Yermuthlich  hatten  nun  die  Prie- 
ster in   ihrer  geheimnifsyoUen  Sprache   sagen   wollen: 
in  diesem  Zeitraum  sind  die   Sommer-  und   Winter- 
wende achtmal   an  den    gewöhnlichen,   d.i.   an   eben 
den  Tagen  des  ägyptischen  Jahrs  eingeti*ofl*en ,    wo  sie 
sich  jetzt  eragnen ;  achtmal  hingegen  die  Sommerwende 
an  dem  Tage,  auf  den  jetzt  die  Winterwende,  und  die 
Winterwende  an   dem  Tage,    auf  den   jetzt  die  Som- 


*)    *£g  rj^i'jiv  nehme  ich  hier  in  dem  von  Suidas  durch  ix 

Tup  cüVT^^wv  lo-nw  erklärten  Sinn. 


Aegtptbr.  139 

merwende   trifft.     Die  Sommerwende  Lezeicbneten 
sie    durch    Untergang    oder   eigentlich   Hinabgang   der 
Sonne  yom  ScheitelpuiJLt ,   die  Winterwende  durch 
Aufgang   oder   Hinaufsteigen    zum    Scheitelpunkt.      Es 
war  wol  sehr  natürlich,   dafs  Herodot,  der  nicht  in 
den  dunkeln  Sinn  ihrer  Rede  eindrang,  dies  irrig  yon 
einem  wirklichen  Auf-  und  Untei^^ge  nahm,  und  dafs 
er,  wenn  er  die  Worte  etwa  erst  nach  später  Rückerin- 
ncrung  aufzeichnete,  die  Zahl  acht  auf  die  Weise  ein- 
theilte,    wie  .er   es  gethan  hat.     Ich   hoffe,   dafs  man 
diese  Erklärung  wenigstens  befriedigender  finden  werde, 
als  irgend  eine  von  denen,    die   im  295ten  Bande  der 
Abhandlungen    der   Akademie    der   Inschrif- 
ten ^)   zusammengestellt   sind«      Der  einzige,    meines 
Wissens,    der   an  die    Hundssternperiode  gedacht 
hat,  ist  Scaliger.     Er  sagt  '),   nachdem  er  die  11340 
Jahre  des  Herodot  und  seine  dunkeln  Worte  erwähnt 
hat :    quod  quarm^is  prinia  fronte  fahulpsum  *videtur, 
habet  tarnen  implicitam  speciem  ofen.      Natn  in   una 
magna  periodo   sol  mutat   sedem   semel   in   mensibus 
Aegyptiacisy  ut  qid  principio  in  Thoth  solstitium  in- 
grederetur,   post  730  annos  in   brumam  incideret  in 
aliqua  parte  eius  mensis.     Er  läfst  aber  diesen  Gedan- 
ken gleich  wieder  fallen,  indem  er  hinzusetzt:  sed  hoc 
non  fuerit  occasum  et  orienteni  miOare,     Missa  igitur 
illa   mendacia  et  somnia  Acgyptiorunh  facianms^    und 
auf  seine  Autorität  wirft  dann  Wesseling  in  seiner 
AnmeriLung  zu  dieser  Stelle  des  Herodot  mit  nugis  et 
JäbeUis  Aegyptiacis  um  sich. 


«)    Bist.    S.76iF. 

')    Emend.  temp,  1.  lU.  p.  197. 


140  Technisclie  Chronologie. 

So  viel  vom  beweglichen  Jahr  und  der  Hundsstern^ 
periode  der  Aegypter«     Letztere  setzte  nothwendig  <lie 
Kenntni(s  des  Yierteltages  voraus,  der  bei  dem  erstem 
vernachlässigt  wurde,  und  es  Ittfit  sich  daher  gar  nicht 
bezweifeln,  dafs  diese  Keüntnifs  in  Aegypten  von  ho- 
hem Alter  war.     Sie  •  ist  als  ein  natürliches  und  ein- 
faches Ergebniis  der  fortgesetzten  Beobachtung  des  Früh- 
aufganges des  Sirius  zu  betrachten.     Von  den  Aegyp- 
tem  ging   sie  zu  den  Griechen   und  späterhin  zu  den 
Römern  über.    Von  lulius  Cäsar,  der  sich  lange  in 
Aegypten  aufgehalten,    sagt    Macrobius  ^):    siderum 
motus,  de  guibus  non  indoctos  Uhros  reliquit,  ab  Aegyp^ 
tiis  discipUnis  hausiU     Ueberdies  bediente  er  sich  bei 
seiner  Kalenderverbesserung  der  Einsichten  des  Peii- 
patetikers  Sosigenes,  eines  gebomen  Alexandriners. 

Im  Auslande  zuerst  praktisch  geworden,  wurde  die 
Kenntnüs  des  Yierteltages  endlich  auch  in  Aegypten 
selbst  zur  Eintheiiung  der  bürgerlichen  Zeit  benutzt. 

Wir  finden  nämlich  daselbst  seit  dem  ersten  Jahr- 
hundert n.  Chr.  eine  der  julianischen  analoge  Zeit- 
rechnung, die  man  zum  Unterschiede  der  allem  ägyp- 
tischen die  alexandrinische  nennt,  weil  sie,  unter 
den  Griechen  in  Alexandrien  entstanden,  sich  von  dort 
zugleich  mit  der  christlichen  Religion  über  das  ganze 
Land  verbreitet  hat.  Das  Wesentliche  dieser  im  Orient 
viel  und  lange  gebrauchten  Zeitrechnung,  an  die  der 
Cultus  der  koptischen  und  abessinischen  Christen  bis 
auf  diesen  Tag  geknüpft  ist,  besteht  in  folgenden  drei 
Punkten:  1)  Form  und  Namen  der  Monate  sind  die 
^gyp^^l^^^»   ^)   2^  äcn   ^^^  Ei^nzungstagen   kommt 


*)    Saturn.   I,  16. 


Aegtfteb.  141 

alle  -vier  Jalire  ein  sedisler;  3)  die  Epoche  des  Jahrs 
oder  der  l.ThoCh  ist  der  29. August  des  julianischen 
Kalenders.  Letzteres  wird  ganz  bestimmt  gesagt  in  ei- 
nem der  Fragmente  des  Kaisers  Heraclius  bei  Dod- 
well  *)j  wo  es  heifst:  ^^wenn  wir  den  29.  August 
„haben,  zahlen  die  Alexandriner  den  l.Thoth  oder 
„September;  und  wenn  wir  den  I.September  haben, 
„zählen  die  Alexandriner  schon  den  vierten."  Man 
sieht,  der  alexandrinische  Thoth  wird  hier •  geradezu 
September  genannt,  nur  mit  der  Erinnerung,  dais 
der  eigentliche  September  drei  Tage  spater  anfange. 
Es  scheint  dies  der  förmliche  Gebrauch  der  Alexandri- 
ner gewesen  zu  sein.  Ptolemäus  fiihrt  in  seiner 
Schrift  von  den  Fixsternerscheinungen,  in  der  er 
sich  der  alexandrinischen  Jahrform  bedient,  Thoth  und 
September,  Phaophi  und  Oktober  u.  s.  w.  als  gleichbe- 
deutende Benennungen  auf.  Auch  der  Seh o Hast  de$ 
Ära  tu s  vergleicht  durchgängig  die  alexandrinischen 
Monate  mit  den  römischen,  als  wenn  sie  ganz  paral- 
lel liefen  *).  . 

Aber  auch  ohne  die  ausdrückliche  Angabe  des 
Heraclius,  zu  der  leicht  noch  andere  aus  späteren 
Zeiten  hinzugefügt  werden  könnten,  z.B.  die  des  Al- 
fergani,  der  den  Meujahrstag  der  Kopten  mit  dem 
29.  Abb,  dem  ^syrischen  Namen  des  August,  vergleicht  ^), 
würden  wir  die  Richtigkeit  dieses  Datums  erkennen 
können  zuvörderst  aus  den  Berechnungen  des   Oster- 


')    Appendix  ad  Dissert.  typrianicas  p.  432. 
*)    Z.B.  zu  T.  286,  wo  er  Tom  Tybi  sagt,  dafs  er  bei  den 
Römern  Januar  heifse. 

')    Eiern,  Astron.  p.  6  ed.  Golii. 


142  Technische  Chronologie. 

festes  bei  den  griechischen  Kirchenscribenten.      Wetin 
z.B.  der  21. März,  der  Tag  der  Frühlingsnachtgleicfae, 
als  der  25.  Phamenoth  bezeichnet  wird>  so  erhält  man 
durch   Zurückrechnen   zum   l.Thoth  den   29.  Aug:a5t. 
Dann  aus  der  Yergleichung  ägyptischer  und  alexandri- 
nischer  Data  beim  Theon.      Dieser  berechnet  in   sei- 
nem  Commentar  zum  Almagest  ^)  eine  yon  ihm 
beobachtete  Mondfinstemiis,  und  sagt,  dieselbe  sei  nach 
den  Aegyptern   im    1112ten  Jahr  der  nabonassari- 
sehen  Aere  am   6.  Phamenoth,    nach  den  Alexan- 
drinern am  29.  Athyr  eingetreten«     Der  6.  Phame- 
nolh  des  gedachten  Jahrs  triflt  auf  den  25.  November 
364  n.  Chr. ,   und  eben  dies  Datum  gibt  der  29.  Athyr, 
wenn  der  l.Thoth  dem 29. August  entspricht.     In  dem- 
selben Jahr,    aber   früher,    beobachtete   Theon   eine 
Sonnenfinslemiis  zu  Alexandrien  ').       Sie  erfolgte   im 
1112ten  Jahr  seit  Nabonassar  am  24sten  des   ägypti- 
schen Thoth  oder  am  22sten  des  alexandrinischen  Payni 
Nachmittags.     Beide  Data  entsprechen  dem  16.  Junins. 
Endlich  aus  den  astronomischen  Beobachtungen  der  Ara- 
ber, die  gewöhnlich  das  Datum  ihrer  eigenen  Zeitrech- 
nung mit  dem  koptischen,    syrischen   und   persischen 
zusammenstell  en . 

Auch  den  Sitz  des  Schalttages  und  sein  Verhält- 
nifs  zu  dem  römischen  lernen  wir  aus  dem  Fragment 
des  Kaisers  Heraclius  kennen.  ,,Die  Alexandriner, 
,, heilst  es  in  demselben^),  schalten  jedesmal  in  dem 
,,Jahr  ein,    das  vor  dem  römischen  Schaltjahr 


')    1.  VI.  p.  284, 85. 
')    S.  332. 
')    S.  135. 


Aegypter.  143 

,, hergeht  —  h  rtp  Ttpo  rov  iia-i^rov  hiavn^  —  wo 
,,sle  ihr  Jahr  nicht  drei,  sondern  ewei  Tage  vor  dem 
,, September  (d.i.  nicht  am  29sten,  sondern  am  30. 
,, August)  anfangen."  Dieser  Fall  findet  hei  den  Jah- 
ren 3,  7,  11,  15  n.  Chr.  Statt,  welche  durch  4  divi- 
dirt  den  Rest  3  gehen.  Aus  den  Zeiten  vor  dieser 
Epoche  kommt  bis  jetzt  kein  alexandrinisches  Datum 
vor.  Sollte  sich  -einmal  ein  solches  in  einer  Inschrift 
oder  Papyrusrolle  finden,  so  darf  man ,  nachdem  das 
zugehörige  Jahr  v.Chr.  ausgemittelt  worden,  nur  un- 
tersuchen, ob  dasselbe,  durch  4  dividirt,  den  Rest  2 
gibt,  in  welchem  Fall  der  1 .  Thoth  dem  30.  August 
entspricht. 

Hiemach  wird  es  nun  leicht  sein,  jedes  alexandri- 
nische  Datum  auf  das  julianjsche  und  umgekehrt  zu 
reducii*en ,  so  bald  nur  unsere  Jahrzahl  bekannt  ist. 
Zur  Erleichterung  der  Rechnung  dienen  folgende  zwei 
Tafeln,  wovon  die  erste  die  Anfange  der  alexandrini- 
sehen  Monate  im  julianischen  Kalender,  die  andere  die 
An&nge  der  julianischen  Monate  im  alexandrinischen 
Kalender  gibt. 

Tafel     I. 

1.  Thoth    29.  August 

•1.  Phaophi 28.  September 

1.  Athp    28.  Oktober 

1.  Choiak 27.  November 

1.  Tybi 27.  December 

1 .  Mechir 26.  Januar 

1.  Phamenoth 25.  Februar 

1.  Pharmuthi 27.  Mäi-z 

1.  Pachon    .  .  ." 26.  April 

l.Payni    26.  Mai 


144  Technische  Clironologie. 

1 .  Epipbi  •  • 25.  Junius 

1 .  Mesori  •  •  •  • « 25.  Julius 

1.  Ergänzungstag    24.  August 

Tafel    n. 

1.  September 4.  Thoth 

1.  Oktober 4.  Phaophi 

1  .November 5.  Athyr 

1  •  Deoember    .  •  •  • 5.  Choiak 

1.  Januar 6.  Tybi 

1.  Februar 7.  Mecbir 

1 .  März 5.  Phamenotb 

1.  April 6.  Pharmutbi 

1 .  Mai 6.  Pacbon 

1 .  Junius  •  •  •  •  • 7*  Payni 

1.  Julius    7.  Epipbi 

1 .  August    •  •  •* 8.  Mesori. 

Bei  ihrem  Gebrauch  ist  zu  bemerken,  dafs,  vvenn 
der  1.  Thoth  auf  den  30.  August  trifft,,  die  Data  der 
ersten  Tafel  um  eine  Einheit  zu  vermehren,  und  die 
der  andern  um  eine  Einheit  zu  vermindern  sind,  und 
zwar  bis  zum  4.  Phamenoth  einschlielslich ,  der  dann 
mit  dem  29.  Februar  übereinstimmt.  Vom  5.  Phame- 
noth oder  1 .  März  au  gelten  beide  Tafeln  unbedingt. 

Die  erste  Spur  eines  alexandrinischen  Datums  glaubt 
Hr.  Letronne^)  in  einer  griechischen  Inschrift  wahr- 
zunehmen, die  sich  über  einem  grofsen  isolirt  siehen- 
den Thor  unter  den  Trümmern    von  Tentyris,    dem 


*)  In  seinem  gehallvollen  Wei*ke:  Recherches  pour  servir 
ä  Fhistoire  de  VJägjrpte  pendant  la  domination  des  Grecs  et 
des  Romains,  tMes  des  Inscriptions  Greeques  et  Latines  /v- 
laiives  d  la  Chronologie  etc.  (Paris  1823)  p.  155 ff. 


Abctyptbr.  146 

jetzigen  Dendei*ab,  findet.  So  scharfsinnig  und  wahr- 
scheinlich indessen  seine  G)mbinationen  auch  sein  mö- 
gen, so  ist  es  doch  nicht  vollkommen  sicher,  dafs  das 
Datum  hovg  hl  Kaurctpo^»  ä^wv^  atßofri  *)  den  26sten 
festen  Tholh  des  31sten  Jahrs  des  August,  oder  den 
23.  September  des  ersten  unserer  Zeitrechnung  bezeich- 
nen soll.  Eben  so  könnte  man  bezweifeln  wollen,  dafs 
der  7.Mechir  des  neunten  Jahrs  des  Claudius,  welches 
Datum  in  einer  von  Hm.  Cailliaud  zu  £1-Charjeh 
in  der  thebäischen  Oase  entdeckten  Inschrift  genannt 
ist,  auf  den  alexandrinischen  Kalender  geht,  wie  Hr. 
Let rönne  glaubt').  Desto  sicherer  gilt  dies  von  der 
zweiten  eben  daselbst  gefundenen  Inschrift.  In  der- 
selben macht  lulius  Demetrius,  der  dortige  Befehlsha- 
ber ,  ein  vom  1 .  Phaophf  des  zweiten  Jahrs  des  Galba 
datirtes  Decret  des  Tiberlus  lulius  Alexander,  Präfecten 
von  Aegypten ,  bekannt ,  worin  auf  eine  frühere  Ver- 
ordnung eben  dieses  Präfecten  Bezug  genommen  wuxU 
Das  Datum  der  letztem  scheint  auf  den  ersten  Blick 
zu  sein:  trovg  TrpwTov  Aovkiov  Asißiou  ^ovkTraciQV  Teikßa 
Ktturapo;  «ßaorotl  airoxparopo^  'E7ri(f)2  ß'  ,,im  ersten  Jahr 


*)  ®(avd  o-eßarfi,  'lov>ia  nßag^  und  dergleichen  Ausdrücke 
mehr,  die  sich  auf  ägyptischen  Monumenten  bei  Zeitbestimmun- 
gen finden,  deuten,  wie  Hr.  Letronue  S.  166fr.  seiner  Reche r^ 
ches  befiiedigend  auseinandersetzt,  an,  dafs  die  Aegjpter^  T\'e- 
nigstens  unter  der  Herrschaft  der  Römer,  besondere  IXamen  für 
die  einzelnen  Monatstage  gehabt  haben  müssen.  Man  vergleiche 
eine  Anmerkung  von  Hm.  Böckh  zu  der  oben  (123)  angeführ- 
ten Abhandlung  des  Hin.  Butt  mann,  S.  105.  Bei  den  alten 
Persem  fand  sich  etwas  ähnliches. 

')  Deux  Inscriptions  Grecques  gravees  sur  le  Pj-lone  eCun 
iemple  igyptien  dans  la  gründe  Oasis ,  däcouvertes  par  M. 
Cailliaud,  restituees  et  iraduites  par  M.  Letrontie  (Paris  1822). 

I.  [10] 


146  TechniscJie  Chronologie. 

,,de8  Casav  Augiutus  Imperator  LucIub  Liyius  Sulpiciiis 
,,GaIba  am  2.Epiphi."   Es  kann  aber  auch  der  12.Epi- 
phi  gelesen  werden,   wenn  das  i  vor  dem  ß'  zum   Da- 
tum gezogen  wird.     Der  Todestag  des  Nero  ist  nicht 
ganz  sicher  bekannt;    doch    hat  Pagi's   Meinung  *}, 
dafs  es  der  9.Junius  68  n.Chr.  gewesen,  yiel  für  sich. 
Die   Nachricht   von   der  Erhebung  Galba's  kann    also 
schwerlich  vor  Anfang  des  Julius  nach  Aegyplen  gekom- 
men   sein.     Es  ist  daher  ohne  Zweifel  der  12.  Epiphi 
zu  lesen,   welcher  im  festen  Jalir  dem  6.  Julius  ent- 
spricht.    Das  erste  Jahr  des  Kaisers  wird  nach  ägypti- 
scher Weise  vom  vorhergehenden  l.Thoth  oder  30.  Au- 
gust 67  berechnet.     Auf  keinen  Fall  kann  hier  an  das 
bewegliche  Jahr  gedacht   weixlen,    dessen   l.Thoth  Im 
Jahr  68  dem  festen  um  23  Tage  voreilte  ^   so  dais  der 
12.  Epiphi  dem  13.  Junlus  entsprochen  haben  würde,  wo 
zu  Alexandria  noch  keine  Verordnung  vom  ersten  Jahr 
der  Regierung  Galba's  datirt  sein  konnte. 

Bei  dieser  Gelegenheit  ist  zu  bemerken,  dafs  Eckhel 
die  oben  (117)  über  die  in  Aegjpten  gebrauchliche  Zäh- 
lungsweise der  Kaiserjahre  aufgestellte  Regel  also  aus- 
drückt: ,,als  erstes  Jahr  eines  «jeden  Kaisers  wird  die 
„Zeit  gerechnet^  die  von  seinem  Regierungsantritt  bis 
„zum  nächsten  l.Thoth  vei-fliefst,  soUte  dieselbe  auch 
,,nur  aus  weoigen  Tagen  bestehen.''  Es  kommen  näm- 
lich nicht  selten  Münzen  aus  einem  und  eben  demsel- 
ben alexandrinischen  Jahre  vor,  das  hier  als  das  letzte 
eines  Kaisers,  und  dort  als  das  erste  seines  Nachfolgers 
aufgeführt  wlixl.  So  erscheint  das  elfte  des  Vespa- 
sian  zugleich  als  das  erste  des  Titus,  das  sechzehnte  des 


^)    CrUica  in  Annales  Baronii  ad  axm.  68. 


Abgypteb*  147 

Domitian  zugleich  als  das  erste  des  Nerya,  das  zweite 
des  Nerya  zugleich  als  das  erste  des  Traian,  das  zwan- 
zigste des  Traian  zugleich  als  das  erste  des  Hadrian,  das 
zweiundzwanzigste  des  Hadrian  zugleich  als  das  erste  des 
Antoninus,  das  vierundzwanzigste  des  Antoninus  zugleich 
als  das  ei-sle  des  Marcus  Aurelius  ^)  u.s.w.  Der  Kanon 
Ic^t  dem  Vespasian  nur  zehn,  dem  Domitian  nur  fünf- 
zehn, dem  Nerva  nur  ein,  dem  Traian  nur  neiinzehn, 
dem  Hadrian  nur  einundzwanzig,  dem  Antoninus  nur 
dreiundzwauzig  Jahre  hei.  Er  schliefst  die  Regierung 
eines  jeden  Kaisers  mit  dem  beweglichen  l.Tholh, 
der  zunächst  yor  dem  Tode  desselben  hergeht,  ab;  die 
Münzen  dagegen  sind  allemal  so  lange  nach  dem  £e- 
sten  l.Thoth,  der  dem  Tode- eines  Kaisei^  vorange- 
gangen, unter  seinem  Namen  forlgeprägt  worden,  bis 
die  Nachricht  von  der  Proclamation  seines  Nachfolgers 
zu  Alexandria  anlangte,  wo  dann  dasselbe  zugleich  als 
das  erste  des  neuen  Kaisers  gestempelt  wurde. 

Zum  Behuf  der  bequemern  Vergleichung  der  be-» 
weglichen  Jahre  des  Kanons  mit  den  festen  alexandri- 
nischen,  welche  auf  den  Münzen  erscheinen,  stehe  hier 
nochmals  der  Theil  desselben  ^  der  die  römischen  Ln- 
pcratoi'en  enthält,  mit  fünf  Zahlenreihen,  von  denen 
die  erste  das  Jahr  der  philippischen  Aere,  das  der  Ka- 
non als  das  erste  eines  jeden  aufführt,  die  zweite  das 
julianische  Datum  des  beweglichen  l.Thoth,  die  dritte 
das  des  festen  l.Thoth,  die  vierte  das  Jahr  der  Stadt 
Rom  und  die  fünfte  das  unserer  Zeitrechnung,  auf 
welches  sich  diese  Data  beziehen,  angibt. 


*)    Man  sehe   den' Abschnitt  de   numis  Jugustorum   vulgo 
Alexandrinis  im  vierten  Bande  dei-  Doctrina  numorum  p.  260*. 

[10'] 


148 


Technische  Chronologie^ 


AugUBtUS     

Tiberias 

Caiiu    

Claudius 

Nero    

Yespasianus 

Titu»    

Domitianus 

Nerva 

Traianus 

HadriaQus    

Aelius  Antoninus  .... 
Bfarcus  und  Goramodus 

Severus  .  \ 

Antoninus    

Alexander    

Maximinus 

Gordianus 

Philippas 

Decius    

Gallus 

Gallienns   

Glaudius 

Aurelianus 

Probus  

Ganis 

Diocletianus 


295 


n. 

34.  Aug. 


338  20.  Aug. 
14.  Aug. 

13.  Aug. 
10.  Aug. 

6.  Aug, 
4.Aug, 
3.  Aug. 

30.Jul. 

30.Jul. 

25.Jul. 

20.Jul. 

H.Jul. 
6.Jul. 

30.Jun. 

29.Jun. 

26.JUII. 

25. Jan. 

24.Jun. 

22.Jun. 

22.Jun. 

21.Jun. 

17.Jun. 

17. Jan. 

16.  Jun. 

14.  Jun. 
13.  Jun. 


360 
364 
378 
392 
402 
405 
420 
421 
440 
461 
484 
516 
541 
545 
558 
561 
567 
573 
574 
577 
592 
593 
599 
606 
608 


m. 

30.  Aug. 
29.  Aug. 
29.  Aug. 
29.  Aug, 
29.  Aug. 
29.  Aug. 
29.  Aug. 
29.  Aug. 
29.  Aug. 
29.  Aug. 
29.  Aug. 
29.  Aug. 
29.  Aug. 
29.  Aug. 
29.  Aug, 
29.  Aug. 
29.  Aug. 

29.  Aug. 

30.  Aug. 
29.  Aug. 
29.  Aug. 
29.  Aug. 
29.  Aug. 

29.  Aug. 

30.  Aug. 
29.  Aug. 
29.  Aug. 


IV. 

724 
767 
789 
793 
807 
821 
831 
834 
849 
850 
869 
890 
913 
945 
970 
974 
987 
990 


V. 

30v.Gbr. 

14n.Cbr. 

36 

40 
.54 

68 

78 

81 

96 

97 
116 
137 
160 
192 
217 
221 
234 
237 


996  243 
1002249 
1003*250 
10061253 
1021 J268 
IO22I269 


1028 
1035 
1037 


275 

282 
284 


Die  Todestage  der  JCalser,  so  weil  sie  bekannt  sind, 
findet  man  bei  Eckhel  gesammelt. 


Aegypter.  149 

In  einer  zn  Rom  gefundenen  Inschrift  wird  der 
6. Mai  ganJE  richtig  mit  dem  ll.Pachon  der  Alexandri- 
ner vei^Iichen  *),  Sie  gehört  in  das  Gonsulat  des  Sex- 
tus  Erucius  ClarusII.  und  Cn*  Claudius  Severus,  oder 
in  das  Jahr  146  n.  Qir. 

Unter  den  Schriftstelleim  sind  die  im  zweiten  Jahr- 
hundert lebenden  Ptolem  aus  und  PI  utarch  die  ersten, 
die  Yom  festen  Jahr  reden.  Jener  gehraucht  in  seiner 
Schrift  Yon  den  Fixsternerscheinungen  das  feste 
Jahr  der  Alexandriner,  in  seinem  Almagest  das  beweg- 
liche der  Aegypter,  beides  aus  guten  Giünden.  ,,  Ich  habe 
,,  mich,  sagt  er  in  der  Einleitung  zum  ersten  Werke  *),  der 
,,bei  uns  Alexandrinern  gewöhnlichen  Zeiteintheilung  be- 
,, dient,  weil  wegen  des  alle  vier  Jahre  eingeschalteten 
,,  Tages  die  Erscheinungen  der  Fixsterne  auf  lange  Zeit 
„an  dieselben  Tage  geknüpft  werden  könnend  ^}.  "  Dafs 
er  dagegen  in  seinem  Almagest  nach  dem  beweglichen 
Jahr  datirt,  geschieht  de£shalb,  weil  er  die  ihm  yon 
Hipparch  und  andern  seiner  Vorgänger  überlieferten 
astronomischen  Beobachtungen  mit  demselben  verbun- 
den &nd.  Da  es  zu  seiner  Zeit  in  Aegypten  noch  sehr 
gebräuchlich  sein  mufste,  so  wäre  es  eine  undankbai*e 
Mühe  gewesen,   wenn  er  die  Beobachtungen  auf  eine 


*)     Grut.  Thes.  InscripU  p.  314  no.  2. 

')  S.  Fahricii  Bihl.  Gr.  Tom.  HI.  p.  429  d.  a.  A.  und  den 
ersten  Band  ?on  Hrn.  Halma^s  Zugabe  zu  seiner  Ucbersetzufig 
des  Almagest  S.  18.  In  Petavii  Üranologium  fehlt  die 
Einleitung. 

^)    Die  Stelle  lautet,  von  Hrn.  Buttraann  emendirt,  also: 

vr^g  inl  noXvv  ^povov   ^vvooSm  ruq  avxcig  ^oo-it^  xatg  Sfiutw^oLq  rifii' 
pai(  u(  M  nSv  ixXajAßuvto'Bat. 


160  Techniscfie  Chronologie. 

später  eingeführte  Jahrfonn  hätte  reducireii  wollen.  Auch 
würde  es  ihm  an  einer  Aere  gefehlt  hahen,  an  die  er  sie 
nach  der  Reduetion  hätte  reihen  können.  Durch  das 
xar'  Aiyiwrrwug,  nach  den  Aegyptern,  das  er  immer 
vor  den  Monatsnamen  setzt,  will  gc  zu  erkennen  ge- 
ben, dafs  er  das.  bewegliche  Jahr  der  Aegypter,  nicht 
das  feste  der  Alexandriner  meint.  Theon  unterschei- 
det beide  in  den  oben  (142)  citirten  Stellen  durch  xar' 
AiyvTnrCovg  und  kolt'  'AX^^avip(ag. 

Plutarch  führt  in  seineni  Werk  die  Iside  et  Osi^ 
ride  die  ägyptischen  Monate  öfters  imd  ganz  unzwei- 
deutig als  Monate  eines  festen  Jahrs  auf,  z.  B.  c.  13, 
wo  er  vom  Athyr  sagt,'  dafs  die  Sonne  in  ihm  den 
Skorpion  dm-chlaufe.  Er  begeht  aber  dabei  einen  dop- 
pelten Fehler;  einmal  den,  dafs  er  die  ägyptischen  Feste 
und  Mythen  an  die  festen  Monate  der  Alexandriner 
knüpft,  mit  denen  sie  nichts  gemein  haben  (man  ver- 
gleiche die  oben  S.  ^5  angeführte  Stelle  des  Geminns) ; 
dann  den,  dafs  er  diese  Monate  zu  Mondenmonaten 
stempelt,  und  eben  so,  wie  bei  den  griechischen,  von 
einer  TputKog  des  Epiphi  spricht,  an  welcher  Sonne  und 
Mond  in  G)njunction  kommen  sollen  (c.  52.).  Seal  ige r 
tadelt  ihn  defshalb  mit  Recht  ^).  Auch  in  dem  oben 
(97)  erwähnten  Epigramm  der  Anthologie  sind  die 
Monate  des  festen  Jahrs  gemeint,  wie  am  deutlichsten 
aus  dem  letzten  Verse  erhellet: 

Kai  M£a'opl  HbCKoio  ^ipu  il>va'S^ooy  v&wpy 
,,und  der  Mesori  bringt  das  belebende  Wasser  des  Nil. " 

Zu  Gensorinus  Zeit  (in  der  ersten  Hälfte  des 
dritten  Jahrhunderts)  scheint  das  bewegliche  Jahr,  we- 


*)    Emend.  temp.  L  IV.  p.  237. 


Aegypte.r.  151 

nigslens  aufser  Alcxandrien,  noch  in  Aegypten  voi^e- 
herrscht  zu  haben;  denn,  ohne  das  feste  zu  erwöhnen, 
sagt  er  von  den  Aegyptern  *):  eonim  annus  civilis  so^ 
los  Itabet  dies  CCCLXV  sine  ullo  intercalari.  Das  be* 
wegliche  mufste  sich  in  der  That  so  lange  behaupten, 
als  sich  die  christliche  Religion  noch  nicht  über  das 
ganze  Land  verbreitet  hatte,  weil  es  auf  das  innigste 
mit  dem  alten  Cultus  verknüpft  wai\  Daher  konnte 
auch  das  feste  anfangs  nur  in  dem  von  Griechen  be- 
wolinten  Alexandrien  Wurzel  fassen.  .  Doch  leidet  es 
keinen  Zweifel,  dafs  es  gleich  bei  der  römischen  Be- 
sitznahme des  Landes  in  Gebrauch  gekommen,  auch 
sehr  bald  das  gesetzliche,  in  den  Akten  der  Regieiiing 
und  auf  Münzen  allein  übliche  gewoi'den  ist.  Natüi-- 
lieh  gewann  es  daduix;h  allmählig  Spielraum.  Nach* 
drücklicher  indessen,  als  die  Verwaltung^  des  Landes, 
mufste  die  christliche  Religion,  die  sich  begreiflicher* 
weise  nicht  mit  dem  beweglichen  Jahr  vertrug,  auf  die 
Verbreitung  des  festen  einwirken.  Schon  seit  dem  drit- 
ten Jahrhundert  wird  dasselbe  von  Clemens  Alexan- 
drin us  und  andern  in  Aegypten  lebenden  Kirchen- 
scribenten  häufig  erwähnt.  Epiphanius,  der  in  der 
letztern  Hälfte  des  vierten  zu  Salamis  in  Cypern  schrieb, 
bezeichnet  die  alexandfinischen  Data,  die  er  anführt, 
blofs  mit  einem  xar'  AtyuTn-ibug,  nach  ägyptischer 
Rechnung  ^),  zum  Zeichen,  d^is  zu  seiner  Zeit  von 
einer  Verwechslung  derselben  mit  den  altägypüschen 
nicht  mehr  die  Rede  sein  konnte.  Mit  dem  Anfange 
des  fünften  Jahrhunderts  endlich  scheint  das  bewegliche 


*)    c.  18. 

*)    Haeres.  LI.  c.24.  p.  446,  47  ed.PeUiv. 


152  Technische  Chronologe. 

Jahr  völlig  In  Aegypten  erloschen  zu  sein;  wenigstens 
kennt  der  damals  lebende  Macrobius  schon  kein  an- 
deres mehr,  als  das  feste  *). 

De  la  Nauze  will  schon  beim  Plinius  alexandri- 
nische  Data  finden  *).  Dieser  sagt,  wo  er  von  der 
Schiffahrt  zwischen  Aegypten  und  Indien  redet  ') : 
Ex  India  renavigant  mense  Aegyptio  Tjhi  incipiente, 
npsfro  Decembri,  out  utique  Mecluris  Aegyptü  intra 
diem  sextum,  quod  fit  intra  Idus  lanuarias  nostras. 
Hier  meint  nun  der  französische  Gelehrte  müsse  von 
festen  Monaten  die  Rede  sein ,  und  um  den  6.  Mechir 
mit  dem  13.  Januar  zusammenzubringen,  stellt  er  die 
sonst  durch  nichts  begründete  Hypothese  auf,  die 
Alexandriner  hätten  ihr  Jahr  bis  auf  die  Zeit  des 
Plinius  mit  dem  11.  August  angefangen,  und  den 
l.Thoth  nachmals  um  18  Tage  weiter  hinausgeschoben. 
Es  ist  aber  natürlicher  anzunehmen,  da(s  Plinius  von 
beweglichen  Monaten  spricht  und  den  6.  Mechir  der 
damaligen  Stellung  des  1 .  Thoth  gemäfs  mit  den  Idus 
des  Januars  vei^lichen  hat,  vielleicht  ohne  zu  wissen, 
dafs  der  Anfang  des  ägyptischen  Jahrs  im  römischen 
seine  Stelle  ändert.  Ist  diese  Voraussetzung  richtig,  so 
muis  er,  oder  derjenige,  von  dem  er  die  ganze  Notiz 
entlehnt  hat,  in  einem  der  Jahre  48,  49,  50  oder  51 
n.Chr.  geschrieben  haben,  wo  der  l.Thoth  mit  dem 
11.  August  zusammentraf. 

Ob  aber  gleich  beim  Plinius  noch  keine  alexan- 
drinische  Data  vorkommen ,   so  leidet  es  doch   keinen 


*)    Saturn.  I,  12  TerglicKcn  mit  14, 

')    Mdmoires  de  VAcad.  des  InscripL    Tom.  XVI.  p.  179 ff. 

')    H.  N.  Vi,  26. 


Aegtpteb.  163 

Zweifel,  da£i  diese  ZeitrechnuDg  schon  viel  frülier  im 
Gebrauch  war.  Wir  können  selbst  durch  G)nibination 
das  Jahr  und  die  Umstände  ihrer  Einführung  ausmit- 
teln,  wenn  uns  auch  kein  Schriftsteller  ausdrücklich 
darüber  belehrt. 

Augustus,  noch  Octayianus  genannt,  siegte 
über  Antonius  und  Cleopatra  bei  Actium  am  2.  Sep- 
tember a.  ü.  723  oder  31  v.Chr.  ^),  und  folgte  hier- 
auf den  Besiegten  nach  Alexandrien.  Am  I.August, 
oder,  wie  der  Monat  damals  noch  hiefs,  Sextilis,  des 
folgenden  Jahrs  wollte  ihm  Antonius  unter  den  Mau- 
ern dieser  Stadt  eine  Schlacht  liefern  ') ;  allein  seine 
Flotte  ^verliefs  ihn  und  er  tudtete  sich.  Es  ist  wabx^ 
scheinlich,  dafs  die  Stadt  noch  ^  demselben  Tage  über- 
ging, und  wirklich  liest  man  auf  einem  alten  Marmor 
aus    der   Zeit   des   Claudius    (im  CcJendariiun   AnUor- 

tinumj :  K*  (Kalendis)  Aug Aug.  Alexandr,  rece- 

pit  ^).  Aegypten  ward  nun  noch  im  Verlauf  des  Au- 
gusts eine  römische  Provinz,  wie  aus  dem  uns  von 
Macrobius  ^)  aufbewahrten  Senatusconsult  hervor- 
geht ,  wodurch  verordnet  wird ,  dafs  der  Sextilis  hin- 
fort nach  dem  August  benannt  werden  soll,  unter  an- 
dern quia  Aegyptus  in  potestatem  populi  Romani  hoc 
mense  redacta. 


')    Dio  Cassius  1.  LI.  im  Anfange. 

')    Orosius,  Hist.  VI,  19. 

^)  S.  Camera  ed  inscrizioni  sepulcrali  de^liberii,  servi  ed 
ufficiaU  della  casa  di  Jugusto,  con  annolazhni  di  Franc. 
Bianchini  (Rom.  { 726,  fol.)  auf  der  Kupfertafel  am  Schlufs.  Auch 
S.  112  der  Ton  Foggiai  veranstalteten  Sammlung:  Fastonim 
anni  Romani  a  Ferrio  Flacco  ordinatorum  reliquiae  (Rom 
1779,  foL).     . 

*)    Saturn.  1,12. 


154  Technische   Chronologie. 

In  einem  andern  von  Dio  Cassius  erwäbnten 
Senatusconsult  wird  festgesetzt ,  dafs  der  Tag,  an  wel- 
chem Alexandrlen  eingenommen  worden,  ein  heiliger 
sein  und  den  Einwohnern  ins  künftige  zur  Epoche  ih- 
rer Jahrrechnung  dienen  soll  *)•  Diese  Verordnung 
wurde  von  den  Alexandrinern  dahin  befolgt,  dafs  sie 
zwar  den  Tag,  an  welchem  ihre  Stadt  übergegangen, 
gefeiert,  den  Anfang  ihres  Jahrs  aber  auf  das  römische 
Datum  verlegt  haben,  mit  welchem  der  nächste  l.Thoth 
der  Aegypter  zusammentraf.     Hier  sind  die  Beläge. 

Alten  von  Scaliger  *)  citirten  Martyrologien 
zufolge  hat  Eudoxia,  Gemahlin  Theodosius  des  jun- 
gem ,  Petri  Kettenfeier  auf  den  1  .August  angeordnet, 
um  die  Alexandriner  von  dem  heidnischen  Pomp  ab- 
zubringen, womit  sie  jährlich  an  diesem  Tage  den 
von  August  über  Antonius  imd  Cleopatra  erhaltenen 
Sieg  feierten.  Es  kann  nur  der  zwj^ite  Sieg  gemeint 
sein,  den  August  an  dem  ersten  des  von  ihm  benann- 
ten Monats  unter  den  Mauern  Alexandriens  gewann, 
und  die  Nachricht  ist  defshalb  nicht  mit  Scaliger  zu 
verwerfen,  weil  die  Schlacht  bei  Actium  nicht  am  1 .  Au- 
gust Statt  gefunden  hat.  In  so  weit  thaten  also  die 
Alexandriner ,  was  ihnen  obiges  Senatusconsult  gebot ; 
aber  sie  machten  nicht  den  I.August  des  Jahrs  30  v* 
Chr.,  scmdern  erst  den  folgenden  l.Tholh  zum  An- 
fange ihrer  neuen  Jahrrechnung. 

Wir  finden  nämlich  bei  Ptolemäus  und  Gen- 
sorinus   Jahre  August's    erwähnt,    die   mit   dem 

*)    1.  LI.  c.  19,  p.650.    Die  Woi-te  lauten  ako:    Tijy  ij^apaw 
4y  ij  i5  'AXigav^ptitt   kdXta^    aya^v  Tt  tXvai   *al   ig  to  hnira  Jnj  ap- 

')    Emeitd.  temp.  1.  V.  p.  495. 


Aegtpter.  166 

l.Thotb  des  Jahrs  30  v.Chr.  heginnen.  Die  hieher 
gehörige  Stelle  des  erstem  Ist  hereits  ohen  (116)  ange- 
führt worden.  Wie  man  daraus  ersieht,  macht  er  den 
l.Thoth  des  719ten  Jahrs  seit  Nabonassar,  der  dem 
31. August  des  gedachten  Jahrs  v.Chr.  entsprach,  zur 
Epoche  des  ersten  Regierungsjahrs  des  August.  Er  ver- 
bindet diese  Jahrrechnung  mit  beweglichen  ägyptischen 
Jahren,  so  wie  auch  der  RegentenLanon  ,  der  die 
Intervalle  zwischen  Nabonassar,  Philipp  und  August 
ganz  übereinstimmig  mit  ihm  angibt^  Gensorlnus 
redet  ^)  von  zweierlei  Jahren  des  August.  Die  anni 
Augustorwn  der  Römer  nahmen,  wie  er  sagt,  mit  dem- 
jenigen Jahr  ihren  Anfang,  wo  Octavianus  den  Namen 
Augustus  erhielt ,  se  VII  et  M»  Vipsanio  Jgrippa  III 
Coss. ,  d.  i.  27  V.  Chr.  Das  Jahr  238,  wo  er  schrieb, 
war  seiner  richtigen  Angabe  nach  das  265ste  dieser  rö- 
mischen Aere.  ScdAegyptii,  fährt  er  fort,  quod  bien- 
nio  ante  in  potestatem  diiionemgue  popuH  Romaru  *ve- 
nerunt,  habent  hunc  Augustonun  annum  CCLXVII* 
Das  268ste  Jahr  der  alexandrinischen  Aere  Au- 
gust's  mufste  238  n.Chr.  entweder  mit  dem  bewegli- 
chen l.Thoth  am  2S.Junius,  oder  mit  dem  festen  am 
29.  August  anfangen,  je  nachdem  es  beweglich  oder  fest 
war.  Da  nun  Censorinus  im  986sten  Jahr  Nabo- 
nassars,  welches  mit  dem  25.  Junius  begann,  also  nach 
diesem  Datum  geschrieben  zu  haben  versichert,  und 
doch  erst  das  267ste  ögyptlsche  oder  vielmehr  alexan- 
di*lnlsche  Jahr  August's  zählt ,  so  sieht  man ,  dafs  dies 
ein  festes  sein  mufste,  und  zugleich,  dafs  er  obige  Worte 
zwischen  dem^  25.  Junius  und   29.  August  geschrieben 

*)    c-  2i. 


156  Technische  Chronoiog/e. 

hat.  Mit  dem  biennio  mufii  man  es  übrigens  nicht 
ganz  genau  nehmen«  Vom  1.  August  30  y.  Chr. ,  wo 
Alexandrien  an  die  Römer  überging,  bis  zum  1 .  Januar 
27,  wo  die  römische  Acre  der  Jahre  August 's  ihren  An- 
fang/nahm, sind  fast  dritthidb  Jahre  verflossen. 

Dies  sind  bis  auf  den  Araber  Abu  MhassanKusch- 
jar,  dessen  Worte  unten  in  der  arabischen  Zeitrech- 
nung beigebracht  und  erläutert  werden  sollen,  die  ein- 
zigen Autoren,  die  der  alexandr inisehen  Aere 
Augustes  gedenken.  Sie  scheint  nicht  im  büi^erlichen 
Leben,  sondern,  einer  bald  zu  citirenden  Stelle  des 
Theon  zufolge,  blols  von  den  Chronologen  bei  Yer- 
gleichung  alexandrinischer  und  ägyptischer  Data  ge- 
braucht zu  sein.  Scaliger  *)  legt  ihr  den  Namen 
der  ak tischen  bei ;  die  Benennung  ist  aber  nicht  schick- 
lidi  gewählt,  da  sie  erst  ein  Jahr  nach  der  Schlacht 
bei  Actium  ihren  Anfang  genommen  hat.  Für  uns  ist 
sie  in  so  fem  yon  Wichtigkeit,  als  sie  zeigt,  dafs  die 
Alexandriner  nicht,  wie  ihnen  geboten  war,  ihre  Jahre 
vom  1 .  August  30  v.  Chr. ,  sondern  erst  vom  Anfange 
des  nächstfolgenden  Thoth  gerechnet  haben. 

Da  aber  Aegypten,  wie  wir  gesehen,  noch  im  Ver- 
lauf des  Augusts  eine  römische  Provinz  ward,  so  schei- 
nen die  Alexandriner  hier  von  der  obgedachten  in  Aegyp- 
ten sonst  gebräuchlichen  Weise,  die  Jahre  der  Regen- 
ten von  dem  ihrem  Regierungsantritt  zunächst  voran- 
gegangenen 1.  Thoth  zuzählen,  abgewichen  •  zu  sein. 
Es  ist  indessen  nicht  nöthig,  eine  solche  Anomalie  vor- 
auszusetzen, wenn  wir  nur  annehmen,  dafs  Cleopatia 
den  Antonius  noch  um  einen  ganzen  Monat  überlebt 


*)    Emend.  temp.   1,  V.  p.  454,  455. 


Abgtptbb.  157 

hat,  was  in  der  That  sehr  wahrscheinlich  ist.  Sie  ord- 
nete ihm  ein  prachtvolles  Leichenb^jängnifs  an;  sie 
wurde  von  einem  Fieber  befallen,  während  dessen  sie 
sich  durch  Hunger  zu  tÖdten  suchte;  sie  buhlte  um 
die  Gunst  August's,  der  ihr  einen  Besuch  abstatlele, 
und  tödtete  sich  nicht  eher,  als  bis  sie  erfuhr,  dals  er 
sich  zur  Abreise  nach  Rom  anschicke  und  sie  mit  sich 
füihreii  wolle,  um  durch  sie  seinen  Triumph  zu  ver- 
herrlichen. Hierüber  kann  füglich  der  l.Thoth  her- 
angekommen sein,  und  ist  dies  der  Fall,  so  gehörte 
nach  dem  bei  den  Aegyplem  und  im  Regentenkanon 
befolgten  Princip  der  August  ihr  an. 

Es  fragt  sich,  warum  die  Alexandi-iner  ihre  festen 
Jahre  nicht  mit  dem  31. August,  auf  den  der  l.Thoth 
ihres  ersten  Jahrs  traf,  sondern  zwei  Tage  früher  mit 
dem  29. August  angefangen  haben?  Man  hat  gesagt, 
sie  haben  ihre  nach  der  römischen  gemodelte  Jahrform 
nicht  gleich  im  ersten  Jahr  des  August,  sondern  erst 
fiinf  Jahre  nachher  angenommen,  als  der  l.Thoth  auf 
den  29.  August  überging,  so  da&  die  ersten  fünf  Jahre 
ihrer  neuen  Acre  beweglich  waren,  und  erst  das  sechste 
ein  festes  wurde.  Diese  Hypothese,  die  Des-Vigno- 
les  ^)  und  andere  Chronologen  für  eine  ausgemachte 
Wahrheit  nehmen,  scheint  sich  durch  folgende  Stelle 
aus  dem  Commentar  des  Theon  über  die  Hand- 
tafeln des  Ptolemäus  zu  bestätigen,  wo  es  heilst  '} : 


*)     ChronoL  de  FhisU  sainte  Tom.  11.  p.  706. 

^)  S.  30jßf.  der  oben  (109)  gedachten  Ausgabe.  Diese  für  die 
Ghi-onologie  wichtige  Stelle  hatte  schon  früher  D  od  well  im 
Anhange  zu  seinen  Dissertationes  Cjjfrianicae  p.  106  ff.  nach  ei- 
ner Oxfordei*  Handschi-ift  mitgetheilt. 


168  Technische  Clironologie. 

„Da  das  Jahr  der  Griechen  oder  Alexandriner  365-^ Tage 
,,hält,  das  der  Aegypter  aber  blofe  365,  so  eilt  letzte- 
„res  dem  erstem  alle  vier  Jahre  um  einen  Tag  und  in 
„  1460  Jahren  um  365  Tage,  d.  i.  um  ein  ganzes  ägyp- 
,,tisches  Jahr,  yor.    Dann  fangen  die  Alexandriner  und 
,,  Aegypter  ihr  Jahr  wieder  zngleich  an.—  Diese  Rückkehr 
^^  — cj7roxaTaVao-t$  —  des   beweglichen  Thoth   zum  festen 
„fand  aber  im  fünften  Regierungsjahr  August's  Sutt, 
,,so  dafs  von  dieser  Zeit  an  die  Aegypter  wieder  jähr- 
„lieh  einen  Viertel  tag  antipicirt  haben  *)."     Er  grün«- 
det  hierauf  eine   einfache  Regel  zur  Verwandlung  des 
festen  alci:andrinischen  Datums  in  das  bewegliche  ägyp- 
tische,   die   er   durch   folgendes  Beispiel   erläutert.     Es 
sei   der   22ste  alexandi*inische  Thoth   des   77sten  Jahrs 
der  diokletianischen  Acre  auf  die   ägyptische  Zeitrech- 
nung zu  reducircn.    Das  Intervall  zwischen  August  und 
Diokletian  ist   313  Jahre;    das  77ste  diokletianische   ist 
folglich    das  390ste  seit  August.      Zieht  man  hiervon 
ans  obigem  Grande  5  ab  und  dividirt  den  Rest  durch 
4,  so  erhält  man  den  Quotienten  96,   welcher  zu  er- 
kennen gibt,  dafs  seit  dem  fünften  Jahr  August's  der 
bewegliche  1 .  Thoth  dem  festen  um   96  Tage  voi^ecilt 
ist.     Man  muls  also  vom   22.  Thoth  der*  Alexandriner 


^)  Aus  diesen  Worten,  besondei-s  aus  dem  anoiundg-aa'iQ  und 
itiXiVf  scheint  zu  folgen,  dafs  Theon  dem  festen  Jahi*  der 
Alexandriner  ein  Lobes  Alter  beilegt.  Aber  nicht  zu  gedenken, 
dafs  er  hieiin  mit  aller  Geschichte  im  Widerspruch  stehen  würde, 
liegt  wol  in  seinen  Worten  weiter  nichts,  ^s  dafs  ihm  der  29.  Au- 
gust, der  Neujahrstag  der  Alexandriner,  fiir  einen  festen  Punkt 
gilt,  wohin  der  bewegliche  1.  Thoth  alle  1460  Jahre  zurückkehrt, 
und  wo  er  sich  schon  1460  Jahre  Tor  August  befand,  so  wenig 
auch  die  Epoche  damals  schon  eine  bürgerliche  wai*. 


Aegtptbr.  169 

96  Tage  oder  3  Monate  6  Tage  weiter  zählen  und' gelangt 
so  zum  28.Choiak  der  Aegypter»  Um  diese  Rechnung 
seinen  Lesern  ganz  zu  ersparen,  gibt  er  ein  schätzbaix» 
Yerzelchnlis  der  römischen  Consuln  von  461  bis  696 
der  philippischen  Acre  ^),  oder  von  138  bis  372  n.  Chr.^j, 
das  er  mit  vier  Zahlencolumnen  begleitet.  In  der  er- 
sten steht  das  Jahr  seit  Phillppus  und  In  der  zweiten 
das  seit  August,  In  dessen  Verlauf  die  beigesetzten  Con- 
suln ihr  Amt  angetreten  haben.  Die  dritte  mit  der 
Ueberschrift  Epakten  —  Izraitrai  tjtol  ^jmßoXijuioA  —  ent- 
hält die  Quotienten  obiger  Division ,  z.  B.  96  neben 
dem  Jahr  390  des  August,  und  die  vierte,  vierjäh- 
rige Perioden  —  rerpatnjpC&sg  —  überschrieben,  die 
mit  den  Quotienten  zusammengehörigen  Reste  oder  die 
Yierteltage,  um  welche  ausser  den  ganzen  Tagen  In  der 
dritten  Golumne  der  Anfang  des  ägyptischen  Jahrs  vor- 
gerückt ist. 

Aus  dieser  ganzen  Anweisung   zur  Reduction  der 
alexandrinischen  Data  auf  ägyptische  folgt  nun  aber  wei- 


*)  Dod^ell  hat  dasselbe  a".  a.  O.  S.98ff.  abdrucken  lassen. 
Auch  findet  es  sich  in  Theodor  lanson's  Fastis  Romanorum 
consularihus  unter  dem  Titel  Fasti  Graeci  ex  cod,  maauscr, 
bibliothecae  Mediceae  p.  521  ff.  der  zweiten  Ausgabe. 

^)  Man  kann  fragen,  warum  er  gerade  mit  den  Consuln  des 
Jahrs  891  der  Stadt,  i38  n.Chr.,  angefangen  habe.  In  diesem 
Jahr  kam  Antoninus  zur  Regierung,  und  im  folgenden  cmeucte' 
sich  die  Hundsstei-nperiode  (128J,  welche  Epoche  den  Aegyptern 
Ton  besonderer  Bedeutung  gewesen  sein  mufs.  Man  vergleiche 
Barth^lemy^s  Abhandlung  über  die  astrologischen  unter  An- 
tonin in  Aegypten  geschlagenen  Medaillen.  Mffm.  de  VAcad,  des 
Inscr.  Tom.  XLI.  Yielleicht  gab  es  auch  eine  ähnliche  Tafel 
von  dem  damab  lebenden  Ptolemäus,  an  welche  sich  die  von 
Theon  anschlois. 


160  Technische  Chronologie. 

ter  nichts,  als  ynA  wir  ohnehin  schon  wissen,  dafs  der 
bewegliche  l.Thoth  der  Aegypter  erst  nach  dem  fünf- 
ten Jahr  AuguBt's,  nämlich  im  sechsten  bis  neunten, 
mit  dem  l.Thoth  des  festen  alexandrinischen ,  dem 
29.  August,  übereingestimmt  hat.  Wie  der  feste  l.Thoth 
zu  dieser  Stellung  gekommen  ist,  bleibt  immer  diie 
Frage,  die  sich  sehr  natürlich  durch  folgende  Hypothese 
beantworten  läfst. 

Solinus  uudMacrobius  haben  uns  die  Notiz  auf- 
bewahrt ^),  da(s  die  unwissenden  Pontifices,  denen  nach 
Cäsar^s  Tode  das  Geschäft  der  Einschalttmg  nach  wie 
vor  überlassen  blieb,  das  Bissextum  (den  Schalttag) 
schon  im  dritten  Jahr,  statt  im  vierten,  einführten, 
und  auf  diese  Weise,  von  niemand  controlirt,  36  Jahre 
fortfuhren ,  wo  endlich  August  daran  dachte ,  das  Yer- 
sehen  wieder  gut  zu  machen.  Es  wurden  nun  zwölf 
Jahi^  hintereinander  ohne  Einschaltung  gei^echnet,  wo- 
durch die  drei  überschüssigen  Tage  ausgemerzt  und  der 
richtige  jtdianische  Kalender  wieder  hergestellt  wurde. 
Das  Jahr  der  Kalenderverbesserung  Cäsars,  45  v.Chr., 
war  ein  Schaltjahr.  Es  hätten  also  die  Jahre  41 ,  37, 
33 ,  39  .  ^  Schaltjahre  werden  sollen ;  die  Pontifices 
machten  aber  die  Jahre  42 ,  39 ,  36 ,  33 ,  30  .  .  dazu. 
Hieraus  folgt,  dafs  nach  dem  Bissextum  des  Jahrs  30 
die  Abweichung  bereits  zwei  Tage  betrug,  indem  da- 
mals zum  sechstenmal  eingeschaltet  wurde,  statt  dafs 
erst  im  folgenden  Jahr  zum  fönftenmal  hätte  einge- 
schaltet werden  sollen  *).      Aus  .dem  31.  August  des 


*)    Pofyh,  c.l.     Salurn.  1,14. 

')    Unten  in  der  römischen  Zeitrechnung  werden  wir  auf  die- 
sen Gegenstand  noch  einmal  zurückkommen. 


ASGTPTER.  161. 

richtigen  jtilianischen  Kalenders  wurde  mithin  der  29ste 
im  verschobenen,  und  der  l.Thoth  der  Aegypter,  der 
eigentlich  dem  31.  August  entsprach,  rückte  um  swei 
Tage  vor.  Da  also  die  Römer,  die  sich  zu  Alexan-^ 
drien  befanden ,  am  1 .  Thoth  der  Aegypter  erst  den 
29.  August  zahlten,  so  machten  die  Alexandriner  diesen 
Tag  zur  Epoche  der  Acre  August's  und  zum  Neujahrs^ 
tage  ihres  festen  nach  dem  julianischen  gemodelten  Jahrs, 
indem  sie,  als  August  den  julianischen  Kalender  recü- 
ficirte,  ihr  Schaltwesen  so  ordneten,  dafs  der  l.Thoth 
mit  dem  29. August  verbunden  blieb,  so  wie  sie  den 
I.August,  ab  den  Tag,  an  welchem  ihre  Stadt  an  die 
Römer. übergegangen  war,  festlich  begingen,  ungeach- 
tet der  richtige  Kalender  schon  den  dritten  zählte. 
Auf  diese  Weise  lassen  sich  alle  Schwierigkeiten,  die 
man  hierbei  gefunden  hat,  ganz  einfach  beseitigen. 
Zugleich  liegt  in  dieser  ganzen  Darstellung  der  Beweis, 
dafs  die  alexandrinische  Zeitrechnung  schoi^  im  Jahr 
30  v.Chr.  eingeführt  sein  müsse. 

Es  ist  schon  (1S6)  bemerkt  worden,  dais  die  Acre 
August's  von  den  Aegyptern  nicht  gebraucht  zu  sein 
scheine.  Sie  behalfen  sich  im  bürgerlichen  £eben  un« 
ter  den  römischen  Imperatoren,  so  wie  früherhin  un- 
ter den  Ptolemäem,  mit  den  Regentenjahren,  die  sie 
auf  den  Landesmünzen  angegeben  fanden.  Erst  spät 
fühlten  sie  das  Bedürfnifs  einer  festen  Jahrrechnung, 
die  sie  nun,  man  weifs  nicht  genau  bei  welcher  Ver- 
anlassung, in  der  diokletianischen  erhielten. 

Eutröpius  sagt  ^) :  Diocletianus  obsessum  Jle&pan" 
driae  AchiUeum  octavo  fere  mense  superavit^   eumque 


*)    Breviar.  hist,  Rom.  DC,23  (nach  andern  Ausgaben  15). 

i.  [11] 


162  '  Technische  Chronologie. 

inierfecit:  vidoria  aoerbe  usus  est,  totam  Aegjrptum 
grmnbus  proscriptionibus  caedibusque  Jbeda^^it.  Ea 
tarnen  occcisione  ordinavit  pixmde  muka  et  disposuit, 
quae  ad  nostram  aetatem  manent.  Man  ersieht  hier- 
aus, dafs  sich  Diocletian  Yerdiensle  um  die  Aegypter 
erwarb,  die  sie  leicht  veranlassen  konnten,  ihre  Jahre 
auch  über  seinen  Tod  hinaus  nach  seinem  Regierungs- 
antritt zu  zählen,  wozu  sie  um  so  geneigter  sein  mufs- 
ten,  da  die  seit  dem  dritten  Jahrhundert  n.Chr.  so 
häufigen  Regierungswechsel  das  Rechnen  nach  Regen- 
tenjahren  sehr  unbequem  machten,  und  da  mit  sei- 
nem fünfzehnten  Regierungsjahr,  so  viel  bis  jetzt  be- 
kannt ist,  die  Reihe  der  alezandrinischen  Kaisermün- 
aen  mit  griechischer  Schrift  ,•  wodurch  ihnen  die  Jahre 
gewissermafsen  zugezählt  wurden,  gänzlich  erloschen 
ist  ^).  Das  Meiste  haben  aber  ohne  Zweifel  zur  Ein- 
führung der  nach  ihm  benannten  Acre  die  Christen 
beigetragen.  Bekanntlich  verhängte  er  eine  furchtbare 
Verfolgung  über  sie,  deren  Anfang  Eusebius  an  sein 
neunzehntes  Regierungsjahr  knüpft  ').  Um  das  An- 
denken derselben  zu  erhalten,  scheinen  nun  die  ägyp- 
tischen Christen,  die  nicht  lange  nachher  durch  den 
Uebertritt  Gonstantin's  zu  ihrer  Religion  die  herrschende 
Partei  im  Lande  wurden,  ihre  Märtjreräre  gebildet 
zu  haben;  denn  dies  Ist  der  Name,  den  die  diodetia- 
nische  Jahrrechnung  bei  den  Kopten  und  im  ganzen 
Orient  führt.     Abu 'Ifaradsch  sagt  ganz   richtig  ^): 

«)    Eckhel  Voctr.  Num.  Vol. IV.  p.97. 

»)  Hist.  eccL  Vin,2.  Vergl.  Orosius  Hist,  VH.  25,  wo 
die  Dauer  seiner  Regierung  auf  20  Jahr  und  das  Endei  derselben 
in  das  zweite  der  Verfolgung  gesetzt  wird.     . 

^)    HisL  Dynast,  p.  133  des  arab.  Textes. 


Abgtpter.  163 

„Mit  dem  ersten  Jahr'  Diocietian's  fängt  die  Aere  ain, 
,,xiach  der  die  Kopten  datiren,  die  sie  die  Märtyrer- 
,,äre  nennen."  Wenn  er  aber  hinzusetzt,  der  Name 
sei  Ton  denen  entlehnt ,  die  in  diesem  Jahr  den  Miir* 
tyrertod  starben,  so  irrt  er.  Einen  andern  Fehler  be» 
geht  Ignatius,  Patriarch  von  Antiodiien,  ¥Fenn  er  in 
einem  ai^abischen  Schreiben  an  Sca liger  ^)  sagt,  dieAese 
habe  mit  dem  neunzehnten  Jahr  Diocietian's,  wo  die 
Yerfblgung  ausgebrochen,  ihren  Anfang  genommen. 

I^ach  dem  Princip,  das  die  Aegypter  bei  der  Zäb* 
lung  dör  Jahre  ihrer  Regenten  beobachteten  (1 17),  kommt 
es,  um  die  Epoche  der  Aere  Diocietian's  zu  erbaltm^ 
niii*  darauf  an,  das  Datum  seines  Begieningsantritts 
auszumitteln.  Hierüber  belehrt  uHs  das  Chronicon  Pär 
schale^  das  beim  Consulat  des  GarinusII.  und  Nume^ 
rianos,  d.  i.  beim  Jahr.  284  unserer  Zeitrechimng,  sagli 
,,Diocletian,  am  17« September  zu  Chalcedön  prodamirt, 
,,zog  am  27sten  deä^lben  Monats  init  dem  Purpur  in 
,, Nicomedia  ein,  und  wurde  am  I.Januar  Gonsol  ^}." 
Die  Epoche  der  nach  ihm  benannten  Aere  ist  also  ent-r 
weder  der  13.  Junins  oder  der  29.  August  des  Jahrs 
284  n.  Chr.,  je  nachdem  wir  sie  mit  beweglichen  oder 
festen  Jahren,  in  Yerbindung  bringen.  Zu  Tbeon's 
Zeiten,  um  die  Mitte  des  vierten  Jahrhunderts,  scheint 
noch  beides  in  Aegypten 'geschehn  zu  sein,  wie  aus  der 
ersten  der  beiden  oben  (142)  angeführten  BeobadiUiiH' 
gen  erhellet^   welche  vollständig, also  datirt  ist:    ,,Sie 


*)    Emend.  temp.  LV.  p*496. 

nop^pl^off  xal  KaXeiv^aii  'lavovaplcuQ  itpoip^^tv  Snaro;.    P.  274  der 
Ausgabe  in  der  pariser  Ssmnilung  da*  Script.  Hist,  Bjrzantinae. 

[11*1 


164  Technische  Chronologie. 

„  ist  angestellt  worden  nach  den  Alexandrinern  im  Slstea 
„Jahr  Diodetians  am  29.Ath7r,  nach  den  Aegyptem 
,,in  demselben  Slsten  Jahr  oder  im  1112ten  der 
,,nabona8sari8chen  Aere  am  6.  Phamenoth. "  Dies  ist 
aber  auch  die  einzige  Spur  einer  Zusammenstellung  der 
diodetianischen  Aere  mit  beweglichen  Jahren.  Es  ward 
in  Aegypten' gewüs  bald  allgemein  gebräuchlich,  nur 
von  festen  Jahren  dieser  Aere  zu  sprechen,  und  so 
haben  wir  zur  Epoche  der  diodetianischen  Aere 
den  29. August  284  n.Chr. 

Soll  nun  ein  an  dieselbe  geknüpftes  Datum  auf 
unsere  Zeitrechnung  gebracht  werden,  so  hat  man, 
wenn  man  zur  Jahrzahl  283  addirt,  zuvörderst  das 
Jahr  unserer  Zeitrechnung,  auf  welches  der  Anfang  des 
diodetianischen  trifil.  Dann  dividire  man  entweder 
die  diodetianisdie  Jahrzahl  oder  die  unsrige  durch  4, 
und  sehe,  ob  im  ersten  Fall  der  Rest  der  Division  0 
und  im  letztem  3  ist.  Beides  gibt  den  30.  August  (lir 
den  l.Thoth,  der  bei  einem  andern  Rest  dem  29sten 
entspricht.  Endlich  wende  man  die  erste  der  beiden  oben 
{143  und  144)  mitgetheilten  Reductionstafeln  an,  und 
nehme,  wenn  das  ägyptische  Datum  über  den  S.Tybi 
hinausgeht,  das  folgende  Jahr  unserer  Aere.  Kommt 
man  über  die  gregorianische  Kalenderverbessemng  hin- 
aus, so  muis  man  noch  die  Verschiedenheit  des  alten 
und  neuen  Suis  berücksichtigen.  Hier  sind  einige  Bei- 
spiele zur  Erläuterung  dieser  Regel. 

In  dem  Briefe  des  Ambro sius  an  die  Bischöfe  der 
Provinz  Aemilia  ^)  wird  die  bekannte  Osterregel:  Si 
quarta  decimä  luna  (der  OsteryoUrnond)  in  Dominicain 


^)    ^PP)  '^<xaL*  n.  p.  880  nach  der  Ausgabe  det*  Benedictiner. 


Aegypter.  166 

inciderity  in  aheram  hebdomadam  celebritas  paschae 
est  differenday  durch  einige  von  seiner  Zeit  entlehnte 
Fälle  als  wirklich  befolgt  dai^stellt.  Es  heifst:  Octo-- 
gesimo  et  nono  anno  ex  die  imperii  Diocletiani,  cum 
quarta  decima  luna  esset  nono  Kalendas  Aprilisy  nos 
celebmuimus  pascha  pndie  Kalendas  ApriUs,  Atexanr- 
drini  quoquß  et  AegypiUy  ut  ipsi  scmpserunt,  cum  in^ 
cidisset  quarta  decima  luna  ^igesimo  et  octavo  die 
Phamenoth  mensis,  celebnn^runt  pascha  quinto  die 
PharmutJu  mensis ,  quae  eßt  priäie  Kalendas  Aprilis, 
et  sie  conyenere  nobiscum.  Diese  Data  sind  alle  rich- 
tig. Das  89ste  Jahr  Diodetian's  fing  372  n.  Chr.  am 
29.  August  an.  Der  Osteryollmond  .  traf  im  Jahr  373 
auf  den  24. März,  dem  der  28. Phamenoth  entsprach, 
und  da  dies  ein  Sonntag  war,  so  wurde  die  Oslerfeier 
nach  obiger  Regel  am  31.  März  oder  5.Pharmuthi  be^ 
gangen.  Weiterhin  heilst  es :  Septuagesimo  sexio  anno 
ex  die  imperii  Diocletiani  ofigesimo  octavo  die  Phar^ 
mutlU  mensis,  qui  est  nono  Kalendas  Maii,  domimr- 
com  paschae  celebnwimus  sine  ulla  dubitatione  maio- 
nun.  Das  76ste  diocletianische  Jahr  fing  359  n.Chr. 
am  30.  August  an,  und  der  23.  April  360  stimmt  rich- 
tig mit  dem  28.Pharmuthi  überein.  Dies  ist  übrigens 
das  frühste  Jahr  der  diocletianischen  Aere,  das  sich  ir- 
gendwo erwähnt  findet. 

Paulus  Alexandrinus  lehrt  in  seiner  Einlei- 
tung in  die  Astrologie  —  a^rorcXEo-juarixif  —  wie  man 
erkennen  könne,  welchem  Gott  jeder  Monatstag  ange- 
hört, d.  i.  welcher  Wochentag  jedem  Monatstage  ent- 
spricht; und  hier  sagt  er  ^),  der  Tag,  an  welchem  er 


*)    Auf  dem  288ten  Blatt  der  Ausgabe  Wittenberg  1588,  4. 


166  Technische  Chronologie. 

dieses  schreibe,  ein  Mittwoch ,  sei  der  20.Mediir  des 
94steii  Jahrs  der  diocletiani sehen  Acre  —  irro 
^umk-rirmdo.  Es  findet  sich  der  14. Februar  378  n.C3ur., 
welcher  wirklich  ein  Mittwoch  war. 

Von  den  sieben  Beobachtungen,  die  ein  gewisser 
Theios  ums  Jahr  500  unserer  Zeitrechnung  zu  Athen 
angestellt,  und  Bullialdus  aus  einer  Handschrift  der 
pariser  Bibliothek  in  seiner  Astronomia  Philolaioa  mit* 
getheilt  hat,  lautet  eine  also^):  „Ich  sah  die  Planeten 
,,Mars  und  Jupiter  einander  berühren  in  der  Nacht 
„vom  6.  sum  T.Pachon  des  2l4tea  Jahrs  der  diocle- 
„tianischen  Aere  eine  Stunde  nach  Sonnenuntergang." 
Die  Reduction  gibt  den  Abend  des  1 .  Mais  im  Jahr 
498  n.Chr. 

Wollte  man  ein  Datum  unserer  Zeitrechnung  auf 
die  alexandrinische  bringen,  so  ziehe  man  yon  unserer 
Jahrzahl  283  oder  284  ab,  je  nachdem  das  gegebene 
Julian  Ische  Datum  entweder  den  vier  letzten  oder  den 
acht  ersten  Monaten  des  Jahrs  angehört«  Der  Rest 
gibt  das  dlodetianlsche  Jahr,  das  entweder  am  29sten 
oder  30.  August  anfängt.  Hat  man  dann  untersucht, 
welches  yon  beiden  Datis  gilt  (164),  so  bedient  man 
sich  der  zweiten  obigen  Yerglelchungstafel  (144).  So  ent- 
spricht der  17.  Oktober  neuen  oder  S.Oktober  allen  Stils 
1824  dem  8.  Phaophi  1541  der  dlocletlanischen  Aere. 

Verschiedene  Gelehrte  haben  die  Meinung  aufge- 
stellt, dafs  das  feste  Jahr  bei  den  alexandrinischen  Grie- 
chen schon  seit  Ihrer  ersten  Niederlassung  in  Aegjpten 
im  Gebrauch  gewesen  sei.  Besonders  hat  sich  de  laNauze 
in  der  zweiten  Abtheilung  seiner  Histoire  du  Cakndrier 


•)    1.  Vni.  p.  326. 


Aegypter«  167 

£gyptien  *)  bemübt,  diese  Hypothese  bu  begrünclen  und 
über  jeden  Zweifel  zu  erbeben.  Seine  Hauptgewähr»* 
manner  sind  Dio  Gassius  und  Macrobius.  Der 
erste  drückt  sieb  *)  über  lulius  Cäsar's  Kalenderre* 
form  also  ans:  ,ySie  war  eine  Frucht  seines  Aufent* 
f^halts  in  Alexandrien,  nur  dafs  man  dort  jedem  Monat 
,,30  Tage  beilegt  und  dann  zum  ganzen  Jahr  fünf  Tage 
,, hinzurechnet,  dahingegen  Cäsar  sowohl  diese  Tage, 
,,als  auch  die  beiden»  die  er  dem  einen  Monat  (Februat) 
„abnahm,  auf  die  Monate  yertheilte.  Den  Tag  aberi 
,,der  durch  die  yier  Viertel  gebildet  wird» 
„schaltete  er  alle  vier  Jahre  gleichfalls  ein"  — 
njy  fdnoi  fiCa»  tijV  Ix  tSv  TtrapTVjiicpw»  ovfurkripovfjArpf 
duoL  rtu-Q-dpwf  xal  avrog  iH&f  hn^ysy.  Beim  Macrobius 
beiist  es  von  lulius  Cäsar  ^):  Imitaius  ytegyptios, 
solos  diyinanun  rerum  omnium  conscios,  ad  rmmenun 
soUs,  qui  eUebuf  singulis  trecentis  sexaginta  quingue 
et  quadrante  ci^sum  conficü,  tmnum  dingere  contendiU 
Hier  hält  nun  de  la  Nauze  das  hoI  avrog  ifftfyayvf  und 
das  iniäatus  AegyjHios  für  seine  Meinung  entscheidend. 
Es  ist  aber  dagegen  zu  erinnern:  1)  beide  Schriftstd« 
1er  sind  von  dem  Gegenstande,  wovon  sie  sprechen, 
wenig  unterrichtet«  Der  erste  schliefst  mit  der  schon 
oben  (134)  berührten  Bemerkung,  dals  man  nach  Cäsar 
alle  1461  Jahr  einen  Tag  zu  wenig  einschalte,  da  doch 
in  diesem  Zeitraum  1 1-|-  Tage  zu  viel  eingeschaltet  wer- 
den.   Der  andere  kennt  das  bewegliche  Jahr  der  Aegyp- 


')    M^m.  de  VAcad.  des  Inscript.  Tom.  XVI.  p.  172  ff.    Die 
61*916  AbtheiluDg  steht  im  14t6n  Bande. 
')    HUi.  XLm,  26,  p.  360. 
')    Saturn.  I,  14. 


168  Technische  Chronologie. 

ler  gar  nicht.     Anni  certus  modus  apud  solos  sempcr 
Aegyptios  ßdty  sagt  er  ^) ;  atiarum  gentium  dispari  nu- 
mero,  pari  errore  nutabat.     Was  dies  für  ein  certus 
modus  sei,   sagt  er  an  einer  andern  Stelle  mit  folgen- 
den Worten  ') :  Aegyptii  menses  tricenum  dierum  onmes 
habaU,  eoque  expUcitis  duodecim  mensibus,  id  est  tre- 
centis  sexaginta  diebus   exactisy  Urne  inter  ^ugustum 
atque  Septembrem  reliquos  quinque  dies  anno  suo  red-- 
dunt,  adnecientes  quarto  quoque  anno  ea;acto  interca- 
laremy    qui  ex  quadranUbus  conßt.     Auch  das  inier 
Augustuni  atque  Septembrem  ist  nicht  ganz  richtig  aus- 
gedrückt').     2)  Beide   konnten   leicht  zu   der  irrigen 
Vorstellung  yeranlaist  werden,  dals  Cäsar  das  alexan- 
drinische  Jahr  kopirt  habe.    Er  hatte  sich  in  Aegypten 
aufgehalten,   wo  man  seit  langer  Zeit  mit  dem  Yier- 
teltage  bekannt  war,   und  bei  seiner  Verbesserung  des 
römischen    Jahrs    den    alezandrinischen   Mathematiker 
Sosi genes  zu  Rath  gezogen.      Die  Alexandriner  ge- 
brauchten mit  einigen  Aenderungen  die  von  ihm  einge- 
führte Jahrform.    Alle  diese  Umstände  konnten  bei  Dio 
Cassius,    der  fast  300  Jahr  nach  der  Kalenderrefonn 
schrieb,  leicht  den  gedachten  Wahn  erzeugen,  ohne  dals 


•)    Ib.  1, 12. 

«)    Ib.  I,  15. 

')  Wie  Jackson  (Chronologische  Alterthümer  Uber^ 
setzt  von  Windheim,  S.  355)  diese  Woi-te  als  Beweis  für  seine 
Behauptung  dtiren  köiine,  dafs  die  Aegypter  ihr  Jahr  ui:spriing- 
lieh  mit  der  Herbst  nachtgleiche  angefangen  haben,  ist  un- 
begi'eiflich.  Es  ist  überhaupt  ein  mifsliches  Unteniehmen ,  die 
ganze  alte  Zeitrechnung  an  die  biblische  knüpfen  und  daraus  er- 
klaren zu  wollen.  Ohne  Vorurtheile  und  Mifsgii£fe  kann  es  da- 
bei nicht  abgehen. 


Abgtfter.  169 

wir  gerade  mit  einigen  Gelehrten  anzonehmen  nöthig  ha* 
ben,  dais  er  seine  Leser,  aus  einer  gewissen  Neigong,  die 
Yerdienste  der  Römer  in  den  Schatten  zu  stellen  und 
die  seiner  Landsleute,  der  Griechen,  zu  heben,  einer 
Neigung,  deren  man  ihn  sonst  vielleicht  nicht  ganz  mit 
Unrecht  beschuldigt,  absichtlich  habe  täuschen  wollen. 
Macrobius  setzt,  wie  wir  sehen,  voraus,  dals  die  alexan- 
drinische  Jahrform  bei  den  Aegyptem  von  jeher  im 
Gebrauch  gewesen  sei.  Aus  diesem  Irrthum  mufste 
natürlich  der  fiiefsen,  dals  Cäsar  bei  seiner  Yerbesses 
rung  des  römischen  Jahrs  das  ägyptische  zum  Muster 
genommen  habe.  3)  Finden  wir  bei  den  Alexandri- 
nern vor  lulius  Cäsar  Leine  Spur  vom  julianischen 
Jahr,  wenn  wir  nicht  etwa  mit  Golius  und  de  la  Nauze 
eine  gdegentliche  Aeuiserung  des  arabischen  Astrono- 
men Ebn- Junis  beachten  wollen,  nach  der  die  Ein- 
schaltung in  Aegypten  schon  mit  dem  dritten  Jahr  des 
Philippus  Aridäus  angefangen  haben  soll.  Diese 
Notiz  eines  um  das  Jahr  1000  unserer  Zeitrechnung 
lebenden  Arabers  kann  höchstens  in  Verbindung  mit 
andern  glaubwürdigeren  Nachrichten  einiges  Gewicht 
haben,  steht  aber,  so  isolirt  wie  hier,  ganz  gehaltlos 
da,  zumal  daEbn-Junis,  wie  Freret  zeigt^),  unge- 
achtet er  in  Aegypten  lebte  und  beobachtete,  von  den 
mit  dem  ägyptischen  Jahr  vorgegangenen  Yeränderun- 
gen  sehr  schlecht  unterrichtet  war.     Soll  hier  einmal 


*)  hx  seiner  gegen  de  la  Nauze  gerichteten  Abhandlung: 
RdflexioTis  sur  Vopinion  dans  laguelle  on  prdtend  gue  Jules 
Cäsar  n'a  /äit  autre  chose  qi^adopter  la  forme  de  Vannie 
qui  iioit  emplojrde  il  y  a  280  €ms  dans  Pusage  civil  par  les 
Grecs  d^Jlexandrie.  Mäm,  de  FJcad.des  Inscript,  TomeXVI. 
Oeuvres  complites  Tom.  XI.  S.  278  ff« 


170  Technische  Chronologie. 

ein  arabischer  Astronom  genannt  werden,  so  wollen  wir 
uns  lieber  an  die  Aussage  des  Alfergani  halten ,  der 
an  der  oben  (141)  ciürten  Stelle  die  Bemerkung  macht: 
,  ,£hemak  entsprachen  die  Anfknge  der  ägyptischen  Mo- 
finale  denen  der  persischen ,  so  dafs  der  l.Thoth  mit 
„dem  l.Dei-mah  zusammentraf*  Jetzt  hingegen  yer- 
•„langem  die  Aegypter  nach  dem  Beispiel  der  Rö- 
„mer  und  Syrer  das  Jahr  um  einen  Yierteltag,  und 
„beginnen  dasselbe  mit  dem  29t.  Ahb."  Wttre  die  be- 
^eme  alezandrinische  Jahrform  schon  zu  den  Zeiten 
der  Ptolemäer  vorhanden  gewesen,  so  würden  sich  die 
Astronomen  des  Museums  ihrer  gewifs  bedient  haben. 
So  aber  ersehen  wir  aus  dem  Almagest,  da(s  sich 
Timocharis,  Hipparch  und  andei«  theils  der  grie- 
chischen Monate  und  der  kailippischen  Periode,  theils 
einer  unbecpiemen  yon  Dionysius  erfundenen  Zeit- 
rechnung, theils  des  beweglichen  ägyptischen  Jahrs  be- 
dient haben,  ohne  je  yon  einem  dem  julianischen  ana- 
logfen  festen  Jahr  Gebrauch  zu  machen.  4)  Reden  alle 
übrigen  Schriftsteller,,  welche  die  Kalenderyerbessemiig 
berühren,  Plinius,  Sueton,  Plutarch,  Censori- 
nus,  yon  der  julianischen  Jahrform  und  Schaltmethode 
als  yon  einer  neuen  durch  Cäsar  veranstalteten  Ein- 
richtung. Endlich  5)  lie(se  sich  nicht  bequem  erUä- 
ren,  wie  die  Alexandriner  dazu  gekommen  sein  sollten, 
den  Anfang  ihres  Jahrs  gerade  auf  den  29.  August  zu 
fixiien,  wenn  sie  diese  Form  schon  früher  gebraucht 
hätten,  was  hingegen  ganz  natürlich  erscheint,  wenn 
wir  die  Einführung  derselben  ins  Jahr  30  v.Chr.  setzen. 
Aus, allen  diesen  Gründen  können  wir  uns  vollkom- 
men überzeugt  halten,  da(s  lulLus  Cäsar  bei  den 
Alexandrinern    kein  solches  Jahr    im   bürgerlichen 


Aegtpter.  171 

Gebrauch  vorgeAmden  bat,  wie  er  den  Röm^nt  gab« 
und  dafs  vielmehr  die  Üexandriner.  das  ihrige  erst  ];iach 
dem  seinigexi  gemodelt  haben. 

De  la  ITauze  geht  noch  einen  Schritt  weiter  ^)« 
£r  ist  der  auch  yon  Bainbridge  '),  Freret  ^)  und  . 
neuerdings  yon  Hrn.  Fourier  ^)  angenommenen  Mei- 
nung, dafs  bei  den  Aegyptem  yon  jeher  zweierlei  Jahre 
im  Gebrauch  gewesen  sind,  das  bewegliche  bürger- 
liche, an  welches  *die  Feste  geknüpft  waren,  und  ein 
festes  oder  natürliches,  das  mit  dem  Frühaufgange 
des  Sirius  angefangen  und  die  Geschäfte  und  Abga- 
ben des  Landmanns  regulirt  haben  soll.  Sie  berufen 
fiich  auf  folgende  Zeugnisse.  Der  oben  (126)  erwähnte 
Yettius  Valens  sagt  in  einem  yon  Bainbridge  mit- 
getheilten  Fragment :  m^^^^  J^'^SJP^^  fangen  ihr  (bür- 
,,gei4iches)  Jahr  mit  dem  l.Thoth,  ihr  .natürliches 
„mit  dem  Frühaufgange  — ^  ImroXif  —  des  Hunds- 
,, Sterns  an."  Beim  Porphyrius  heifst  es  ^):  ,,Die 
,,Aegypter  beginnen  ihr  Jahr  «nicht,  wie  die  Römer, 
,,mit  dem  Wassermann,  sondern  mit  dem  Krebs;  denn 
,, neben  dem  Krebs  befindet  sich  der  Stern  Sothis,  den 
„die  Griechen  Hundsstern  nennen.     Der  Aufgang  des 


')  In  der  ersten  Abtheilung  seiner  Geschichte  des  ägyp- 
tischen Kalenders  (167)  p.  351. 

')     Canicularia  p.  26. 

')     In  der  oben  (131)  genannten  Abhandlung  p.  86  ff. 

*)  In  seinen  Recherches  sur  les  sciences  et  le  gouverne^ 
ment  de  V£gjrpte,  welche  einen  Bestandtheil  des  grofsen  fran- 
zösischen Werks  über  Aegypten  ausmachen  sollen.  Bis  jetzt  ist 
blofs  erst  der  Prospectus  davon  gedinickt  worden,  der  sich  ziem- 
lich ausfuhrhch  über  das  Chronologische  ausläfst. 

')    An  der  ebendaselbst  citirtea  Stelle. 


172  Technische  Chronologie. 

,,Sothi8  ist  ihnen  aber  das  Neujahr."    Im  Text  sieht 
das  Wort  yovfj»7via,  das  eigentlich  den  Anfang  des  Mond- 
monats bezeichnet,   aber  auch  yon  andern  Zeitanfiln- 
gen  gebraucht  vorkommt^).    Wie  schwankend  und  un- 
genau übrigens  die  Worte  lauten,  sieht  ein  jeder,  dem 
die  Stellung  des  julianischen  Neujahrs  im  Sonnenjahr 
und  des^  Sirius  an  der  Himmekkugel  nicht  ganz  unbe- 
kannt sind.      Der   Scboliast  des   Aratus  äufsert 
sich  folgendermaisen  •) :     „Das  ganze  Gestirn  (cles  Ld- 
,,wen)    hat   man  der  Sonne  geweiht;     denn  alsdann 
,,(wenn  die  Sonne  in  dasselbe  tritt)  steigt  der  Nil,  und 
,,der  Hundsstern  geht  um  die  elfte  (Nacht-)  Stunde 
,,auf  (eine  Stunde  vor  Sonnenuntergang).     Mit  diesem 
,, Zeitpunkt-  (kngt  man  das  Jahr  an,  und  man  betrach- 
,,tet  den  Hundsstern  und  seinen  Aufgang  als  der  Isis 
„geweiht."     Horapollo  endlich  sagt^):    „Wenn  sie 
,,(die  Hierophanten)  das  Jahr  nennen  wollen,  so  ge- 
„brauchen  sie  das  Wort  rhoLprov^  Viertel;  denn  sie 
,, sagen,  es  komme  yon  dem  einen  Aufgange  des  Sterns 
,,Sotliis  bb  zum  andern  (zu  365  Tagen)  ein  Yierteltag 
,, hinzu,   so  dafs  das  Jahr  Gottes  aus  365  und  einem 
,,  Viertel  tage  bestehe,  weishalb  auch  die  Aegypter  alle 
„vier  Jahre  den  überschüssigen  Tag  in  Rechnung  brin- 
„gen ;  denn  vier  Viertel  machen  einen  vollen  Tag  aus." 
Alle  diese  Zeugnisse  ^)  sind  schon  defshalb  von  keinem 


^)  So  beim  Ptolemäus  tob  dem  ersten  der  fünf  Epagome- 
neu  des  ägyptischen  Jahrs.     Almag.  1.  m.  c.  2,  S.  153. 

>)    S.  oben  S.  125. 

')    Hierogl.  I,  5. 

*y  Fröret  beruft  sich  noch  auf  das  astrologische  Werk  — T«. 
vpaßtßXog  onivrogic  —  des  Ptolemäus,    wo   gesagt  werden  soll. 


Aegyptbr.  173 

besondem  Gewicht,  da  sie  yon  ziemlich  spät  lebeuden 
SchriftsteUem  entlehnt  sind,  zu  deren  Zeit  das  beweg* 
liehe  Jahr  der  Aegypter  gröfstentheils  bereits  durch 
das  feste  .verdrängt  worden  war.  Was  sie  aber  vollends 
verdächtig  macht,  ist  das  Stillschweigen,  das  Herodot, 
Geminus  und  Censorinus,  die  mit  so  vieler  Be» 
stimmtheit  vom  bürgerlichen  Jahr  der  Aegypter  ,reden 
(95, 96  und  126],  über  ein  solches  Siriusjahr  beobach- 
ten. Es  scheinen  sich  in  die  Aussagen  jener  Autoren 
falsche  Begriffe  von  der  Hundssternperiode  eingemischt 
zu  haben.  Das  einzige,  was  man,  ohne  sich  in  leere 
Hypothesen  zu  verlieren,  zugeben  kann«  ist,  dais  der 
den  Aegyptem  in  mehrfacher  Beziehung  bedeutungsvolle 
Tag  des  Frühaufgangs  des  Sirius  (nach  Porphyrius 
knüpften  ihre  Hierophanten  selbst  die  Erschaffung  der 
Welt  an  denselben)  von  ihnen  festlich  begangen  wurde, 
und  dais  die  Geschäfte  und  Abgaben  des  ägyptischen 
Landmanns,  eben  so  wie  die  des  griechischen  und  rö- 
mischen, von  Alters  her  durch  die  Auf-  und  Unter- 
gänge ausgezeichneter  Sterne,  besonders  durch  den 
Frühaufgang  des  Hundssterns,  geregelt  wurden. 

Aus  der  Beobachtung  dieser  Erscheinungen  ergab 
sich  ganz  von  selbst -das  Jahr  von  365^  Tagen,  dessen 
frühzeitige  Kenntnils  kein  Unbefangener  den  Aegyptem 


das  Sommersolstitium  bestimme  bei  den  Aegyptem  den  Anfang 
des  Jahrs.  Allein  es  werden  an  der  angezogenen  Stelle  (1.  U. 
€.10)  blofs  die  Ansprüche  ei*wäfant,  die  ein  jeder  der  vier  Haupt- 
punkte der  Ekliptik  auf  das  Yon^ecfat  machen  kann,  zur  Epoche 
des  Jahi*s  zu  dienen.  Von  der  Sommerwende  insbesondere  heifst 
es:  ,,Sie  eignet  sich  defshalb  zum  Jahranfang,  weü  sie  den  läng- 
„sten  Tag  herbeiführt  und  den  Aegyptem  das  Steigen  des  Nüs 
„und  den  Aufgang  des  Hundssterns  anzeigt." 


174  Technische  Chronologie. 

streitig  machen  wird;  nur  läfst  sicli  aus  äen  beigeblach* 
ten  Zeugnissen  eines  Vettius  Valens,  Porphyrius 
und  HorapoUo  nicht  mit  Sicherheit  folgern,  dals 
schon  vor  August  ein  Jahr  von  365  Tagen  6  Stunden 
mit  einer  regelmäfsigen  Einschaltung  bei  den 
Aegyptem  im  bürgerlichen  Gebrauch  gewesen  sei  *). 
Zu  denen,  die  ein  solches  festes  Jahr  annehmen, 
gehört  auch  Gatterer,  der  in  seiner  Abhandlung  de 
theogonia  Acgyptiorum  ^)  einen  dreifachen  ersten  Thoth 
unterschieden  wissen  will,  den  beweglichen  bürgerlichen, 
den  festen  actischen  (alexandrinischen)  und  den  festen 
astronomischen.  Letzterer,  sagt  er,  entsprach  allemal 
dem  Neumonde,  der  dem  Frühaufgange  des 
Sirius  am  nächsten  kam  ^).  Allein  nicht  zu  ge- 
denken, dafs  er  keine  einzige  Stelle  beibringt,  die  das 
Dasein  eines  so  fixirten  1.  Thoth  bewiese,  stimmt  die 
ganze  Hypothese  schlecht  zu  der  Annahme,  dafs  dieses 

')  Dinges  war  langst  geschi4eben,  als  ich  las,  was  Hr.  Biot 
über  dexiselben  Gegenstand  gesagt  hat.  Er  unterwii'ft  ihn  S.  201  ff. 
seinei*  Reche rches  sur  plusieurs  points  de  r Astronomie  ^gyjp' 
tienne  (128)  einer  ausführlichen,  sehr  scharfsinnigen  Erörterung, 
die  ihn  wesentlich  auf  dasselbe  Resultat  leitet.  Die  Worte  des 
Vettius  Valens  theilt  er  im  Original  mit,  wie  sie  ihm  Hr.  Hase 
aus  einer  Handschrift  dci*  pariser  Bibliothek  exceipirt  hat.  Sie 
scheinen  noch  der  Vergleichung  andei-er  Handschriften  zu  bedür- 
fen; aber  auf  keinen  Fall,  wenn  sie  auch  bestimmt  sagten,  was 
Bainbridge  nach  obiger  Uebersetzung  darin  finden  will,  wei"- 
d^  sie, als  eine  blois  gelegentlich  zu  einem  asti'ologischen  Behuf 
hingeworfene  Aeufserung  eines  spät  lebenden  obscuren  Autors 
Air  den  wohlunterrichteten  Getchichtfbrscher  ein  nur  irgend  er- 
hebliches Gewicht  haben, 

^)  S.  die  CommenUUiones  dtt*  Göttinger  Soeietat  aus  den  Jah- 
ren 1784  und  85. 

')    S.  46. 


Abotptbr.  175 

Jahr  aus  365-^ Tagen  bestand;  denn  da  es  immer  mit 
einem  Neomonde  angefangen  baben  soll,  so  hätte  es  bald 
354  oder  355 ,  b«dd  383  oder  384  Tage  halten  müssen« 
Weit  natüriieher  und  den  Stellen  des  Yettius  Valens, 
Porphyrius  und  der  Scholien  zum  Aratus  an* 
gemessener  wäre  yrol  die  Voraussetzung,  dals  die  Aegyp» 
ier  den  Anfang  des  festen  Jahrs  auf  den  Frühaufgang 
des  Sirius  setzten ;  das  Verhältnifs  des  festen  Jahrs  zum 
beweglichen  hätte  sich  dann  ganz  von  selbst  geordnet, 
indem  der  Anfang  des  ersten  sich  alle  vier  Jahre  um 
einen  Tag  im  letztem  vorwärts  schob.   « 

Die  Gelehrten,  deren  Meinung  ich  hier  vorgetn«« 
gen  habe,  lassen  neben  dem  festen  Jahr,  dessen  Dasein 
sie  behaupten  ,  doch  wenigstens  das  bewegliche  als  das 
bürgerliche  und  beim  Cultus  gebiüuchliehe  bestehen* 
Nicht  so  Hr.  Rhode,  der  in  seinem  Versuch  über 
das  Alter  des  Thierkreises  ^)  die  Hypothese  auf- 
stellt, dafs  das  bewegliche  Jahr  der  Aegypter  sehr  früh 
durch  das  feste  verdrängt  worden  sei,  und  dais  man 
)enes  nur  bei  astronomischen  Beobachtungen  und  in 
den  Archiven  der  Nationalgeschichte  beibehalten,  die^ 
ses  hingegen  im  bürgerlichen  Leben  und  beim  Cnitus 
gebraucht  habe.  Er  sucht  die  vollwichtigen  Zeugnisse 
des  Geminus  und  Censorinus  (95,  126)  zu  entkrttf«- 
ten,  benutzt  die  Stelle  des  Herodot  (96),  die  so  deut- 
lich vom  beweglichen  Jahr  spricht,  für  sich,  und  po* 
lemisirt  von  Anfang  bis  zu  Ende  gegen  meine  Histo- 
rischen Untersuchungen,  aus  denen  er  übrigens 
mit  wörtlich  beibehaltener  Uebersetzung  alle  die  Stel- 
len entlehnt,    die  er  für  seine  Meinung  anführt.    Es 


')    Breslau  1809,  4. 


176  Technisclte  Chronologie. 

sind  dies  aufker  den  bereits  erwähnten  des  Di o  Cassius^ 
Macrobius,  Yettius  Valens,  Porphyrius,  Hora- 
pollo  und  der  Scholien  nocb  folgende.  Diodor  sagt  ^), 
die  Thebäer,  die  bei  Beobachtung  der  Auf-  und  Untere 
gänge  der  Gestirne  durch  ihr  Klima  besonders  begünstigt 
würden,  ordneten   ihre  Monate  und  Jahre  auf  eine 
jeigenthümliche  Weise  —  idica$  —  an.     Sie  nihlten 
nlimlich    die  Tage   nicht   nach   dem  Monde    (wie  die 
Griechen),   sondern  nach  der  Sonne,  indem  sie  jedem 
Monate  di'eiisig  Tage  beilegten,  und  zu  den  zwölf  Mo- 
naten fiinf  und  einen  Yierteltag  hinzufugten ,   um  die 
Jahrszeiten  zur  Stelle  zurückzufuhren.      Was  hier  von 
den  Bewohnern  Thebens  überhaupt  yersichert  wird,  be- 
hauptet Strabo  ')    blofs  von   ihren  Priestern.     Seine 
Worte  sind:    9,Die  Priester  zu  Theben,  die  vorzüglich 
„ihrer  astronomischen  und  philosophischen  Kentnisse 
91  wegen  berühmt  sind,    zählen  ihre  Tage  nicht  nach 
„dem  Monde,   sondern  nach  der  Sonne,  indem  sie  zu 
„den  zwölf  Monaten  von  dreilsig  Tagen  jährlich   fünf 
,,Tage  reehnen;  und  da  zur  Ergänzung  des  Jahrs  ein 
,, gewisser  Theil  des  Tages  überschüssig  ist,    so  bilden 
„sie  eine  Periode  aus  ganzen  Tagen  und  aus  so  vielen 
„ganzen  Jahren,    als  von  den  überschüssigen  Theilen 
,,zu   einem   ganzen  Tage   erforderlich  sind."        Diese 
beiden  Stellen   reden  blols  von  einer  den  Thebliem, 
oder  gar  nur  ihren  Priestern  'eigenthümlichen  Anord- 
nung, beweisen  also,   wie  man  bei  unbefangener  Prü- 
fung sieht,  für  den  ägyptischen  Yolkskalender  nichts« 
Eben  so  wenig   noch    eine  andere  des    letztgedachten 


*)    1.  L  c.  50. 

')    1.  Xyn.  p.  816  ed.  Gasaub. 


Abo  TP  TB  IL.  177 

Schriftstellers^),  welche,  also  flautet:  ,,l(aa  xei^tft  uns 
,,z.ii  Heliopolis  die  Beihatisung&n  der  Prie$ter,.  wo  PlatQ 
,9 und  Eudoxus  gewohnt  hatten,  wie,eltiige  versicheiU 
„dreizehn  Jahre  lang.  Sie  verkehrten  hjer  mit  den 
„Priestern,  von  denän'sie  die  Theile  des  Tages  und 
,,der  Nacht  kenneix  lernten,  die  zur  Ergänzujtg •  des 
„Jahrs  noch  zu  den  365  Tagen  hinzugefügt  werden 
„müssen."  Strabo  scheint  hier  nicht  von  dem  Yier- 
tdtage,  sondern  von  einem  genauer  hesümmlQn  lieber- 
schuls  des  tropischen,  Jahrs  über  dM  bewegliche  der 
Aegypter  reden  zu  Wollen;  denui  er  Setzt  hinzu:  ,>Den 
„Griechen  war  das  Jahr,  so  wie  vieles  andere,  so 
„lange  unbekannt,  bis  sie  die  Kunde  davon  aus; den 
,,in  die  griechische  Sprache  übersetzten  Schriften  der 
,,  ägyptischen  Priester  zu  schöpfen  Gelegenheit  hatten.'' 
Will  man  aber  auch  wirklich  seine  Worte  schlechthin 
von  dem  Yierteltage  nehmen,  so  ist  doch  klar,  dais 
derselbe  zu  Plato's  und  Eudoxus'  Zeit  bei  den 
Aegyptem  noch  nicht  im  bürgerlichen  Gebrauch  sein 
konnte;  denn  sonst  durften  ihn  ja  diese  Philosophen^ 
die  sich  so  lange  in  Aegypten .  aufgehalten  haben,  nicht 
erst  durch  ihre  Unterhaltung  mit  den  Gelehrten  des 
Landes  kennen  lernen.  Offenbar  haben  ihnen  die$e 
nach  Strabo 's  Meinung  ein  Arcanum  mitgetheilt '), 
das  sie  höchstens  in  ihrep  Schriften  und  im  gegensei- 
tigen Yerkehr  zur  Anwendung  geln^acht  haben  können. 


*)    Ebend.  S.  806. 

')  Thaies  dagegen  lernte  150  Jahr  finiher  von  den  Priestern 
blofs  das  bewegliche  Jahr  kennen.  Er  theilte,  sagt  Diogenes 
Laertius  1,27,  das  Jahr  in  365  Tage,  worin  er  keinen  Vor- 
gänger weiter  hatte,  als  dafs  er ^  sich  in  Aegypten  aufhaltend, 
mit  den  dortigen  Priestern  Umgang  pflog. 

I.  [12] 


i7&  TechiUsolie  Chronologie. 

Hr.  Rhode  ist  freilicli  andeter  Bfelnung,  auf  deren 
Wideri^tfiig  eintug^hen  fedoch  naeh  Allem,  Mra«  icb 
bisher  über  die  iigjptische  Zeitrechnung  gesagt  habe, 
ganc  unnölhig  scheint. 

Zum  Schlüsse  mu(s  noch  einiger  Zeitkreise  gedacht 
werden,  von  denen  sich  nieht  mit  Bestimmtheit  ausmit- 
fein  läfst,  welche  Rolle  sie  in  der  bürgerlichen  Zeitrech- 
nung der  Aegypter  gespielt  haben.     Dahin  gehört 

1)  Die  siebentägige  Woche.  Dais  ihnen 
diese  sehr  firühzeitig  bekannt  gewesen  sei,  leidet  wol 
keinen  Zweifel,  sei  es  nun,  dafs  sie  dieselbe  yon  den 
benachbarten  semitischen  Yölkem  entlehnt,,  oder  selbst 
gebildet  haben;  es  ist  nur  auffallend,  da(s  erst  der 
im  dritten  Jahrhundert  n.Chr.  lebende  Dio  Cassius 
yon  einem  siebentägigen  Zeitkreise  bei  den  Aegyptem 
spricht,  und  zwar  auf  eine  Weise,  die  blofs  den  astro- 
logischen Gebrauch  desselben  vorausseuen  la(st.  Er 
bemerkt  nämlich*),  dafs  die  Juden  den  Tag  des  Sa- 
turn (den  Sonnabend)  feierten,  und  dies  gibt  ihm 
Gelegenheit,  zwei  Principien  aufzustellen,  von  denen 
man  seiner  Meinung  nach  bei  der  Benennung  der  ein- 
zelnen Tage  dieses  Zeitkreises  ausgegangen  ist.  Das 
eine  ist  harmonischer,  das  andere  astrologischer 
Art.  „Wenn  man,"  sagt  er,  ,, das  musikalische  Intervall, 
„welches  ivi,  rtatrdpmy  die  Quarte,  genannt  wird,  auf 
„die  sieben  Planeten  nach  ihren  Umlaufszeiten  anwendet, 
,,und  dem  Saturn,  dem  äufsersten  yon  allen,  die  erste 
,, Stelle  anweiset,  so  trifll  man  zunächst  auf  den  yier- 
„ten  (die  Sonne),  dann  auf  den  siebenten  (den  Mond}, 
„und  erhält  so  die  Planeten  in  der  Ordnung,   wie  sie 

')  1.  xxxvn.  c.  i7. 


.    Aeotptbä.  179 

, ,  als  Namen  der  Wochentage  aufeinäneier  folgen  * )  •  Oder 
,,wenn  man  die  Standen  des  Tages  und  der  Nacht  von 
,,der  ersten  (Tagesstunde)  zu  zählen  anfkngt,  diese  dem 
,,SattLm,  die  folgende  -dem  Jnptter,  die  dritte  dem 
,,MarS)  die  vierte  der  Sonne ,  die  fünfte  der  Yenns, 
,,die  sechste  dem  MeriLur,  die  siebente  dem  Monde 
f^beil^t,  nach  der  Ordnung,  welche  die  Aegypter  den 
>^ Planeten  anweisen,  und  immer  wieder  yon  Tom  an- 
,,filngt,  80  wird  man,  wenn  man  alle  24 Standen  dnrch- 
,y  gegangen  ist,  finden,  dals  die  erste  des  folgenden  Tages 
,,auf  die  Sonne,  die  erste  des  dritten  auf  den  Mond, 
,,kürz  die  erste  eines  jeden  Tages  auf  den  Planeten 
,,trifll,  nach  welchem  der  Tag  benannt  wird." 

Von  diesen  beiden  Principien  hat  ohne  Zweifel 
das  zweite  die  Benennung  der  Wochentage  bestimmt; 
denn  es  ist  factisch,  dafs  die  Astrologen  die  Tage  und 
Stunden  auf  die  Weise  tmter  den  Einfluis  der  Plaae-^ 
ten  gestellt  haben,  wie  f)io  Cassins  sagt.  Wir  ersehen 
dies  aus  des  Paulus  Alexandrinus  Einleitung  in 
die  Astrologie  (165),  wo  es  heilst*) :  „Am  Tage  des 
,,  Saturn  (Sonnabend)  steht  die  erste  Stimde  unter  dem 
^,Einflafs  dieses  Planeten,  welcher  der  Äu/9105,  Regent, 
,,des  ganzen  Tages  ist.  Die  zweite  gehört  unter  dem 
,, Regiment  des  Saturn  dem  Jupiter  an  ^).  Die  dritte 
,,  Stunde  femer  kommt  dem  Mars  zu"  u.  s.  w.    So  tritt 


<)    NämUch  Saturn  (t?)r  Sonne  (O),  Mond  (d),  Man  (cf), 
Merkur  (5),   Jupiter  (4),  Venus  ($). 

*)    Auf  dem  Slsten  Blatt  in  dem  *Kapitel :  mpl  tou  iveWovr^c 

^)    Naeh  astrologischem  Sprachgebrauch :  n)y  ß'  «Spov  tt  «oWt» 

[12'] 


480  Technisfihfi  .  Qhroßplogie. 

nun  die  erste  St^ga^«  des  folgenden. Tages  unter  das 
Regiment  der  Sonfiey  ganz  wie  es  Die  Cassius  dar- 
stellt. Kennt  der  Astrolog,  heifi|t.  es  weiter,  den  Re- 
genten des  jedesmaligen  Tages»,  iiach  welchem  derselbe 
benannt  wird,  so  T^eifs  er  auch,  unter  wessen  JSm- 
fiufs  jede  Stunde  st^t.  Es  kommt  also  da]:auf  an,  den 
Eegenten  jedes  Monatstages  oder  :den  entsprechenden 
Wochentag  zu  finden.  Dazu  gibt  er  eine  Anweisung, 
die  auf  ^e  alexandrini$chen  Monate  und  die  diodetia- 
nische  Aeie  paist.  ... 

Aus  seiner  ganzen  Darstellung .  geht  hervor,  wie 
wichtig  den  Astrologen  seiner  Zeit  die  Theorie  von  dem 
Regiment  der  Planeten  war,  und  da  die  trügerische 
Kimst  dieser  Menschen  in  den  ersten  Jahrhunderlen 
unserer  Zeitrechnung  in  hohem  Ansehn  stand,  so  darf 
man  sich  nicht  wundem,  dafs  die  Planetennamen  der 
Tage  zu  Dio  Cassius  Zeit  schon  so  bekannt  waren, 
wie  er  versichert.  Er  sagt  nümHch  *) :  „Der  Gebrauch, 
,,die  Tage  nach  den  sieben  Planeten  zu  benennen,  ist 
„bei  den  Aegyptem  angekommen,  und  hat  sich  seit 
„noch  nicht  gar  langer  Zeit  von  ihnen  zu  allen  übri- 
„gen  Völkern  verbreitet,  *  namentlich  zu  den  Römern, 
,,bei  denen  er  nun  schon  ganz  einheimisch  geworden 
„ist^  die  filtern  Griechen  kannten  ihn  meines  Wissens 
„nicht."  Man  merke  wohl,  dais  hier  blols  von  der 
durch  die  Astrologie  eingeführten  Benennung  der  Tage 
nach  den  sieben  Planeten  die  Rede  ist,  nicht  von  ei- 
nem Gebrauch  der  Woche  im  büigerllchen  Lehen.  Es 
gibt  durchaus  keine  sichere  Spur,  dafs  ein  solcher  be- 
reits vor  Erhebung  des  Ghristenthums  zur  Suiatsreligion 

*)    A.  a.  O.  c.  18. 


Aeg'yptbr.  181 

nntel*  Cfonstantm  irgendwo  auiser  Judäa  im  rdmischen 
Reiche  bestanden  hat. 

*  •  Die  Theorie  von  dem  Regiment  der  Planeten  findet 
sieh  noch  nicht  in  dem  Tetrabiblos  des  Ptolemäus; 
Man  könnte  daner  glanben,  dafs  sie  erst  nach  ihm  ent- 
standen sei.  Allein  eine  Stelle  des  Herodot  lälst  ver- 
mathen,  dafs  sie  sehr  alt  ist.  Er  sagt  nämlich:  „Un- 
,,ter  andern  haben  die  Ägypter  auch  erfunden,  unter 
,,  welchem  Gott  ^eder  Monat  und  Tag  steht  *).'*  Sie 
müssen  also  auch  die -Monate  unter  den  Schutz  der 
Gölter  gestellt  haben;  ob  unter  den  der  sieben  plane-i 
tarischen,  oder,  wie  Gatterer  in  seiner  Abhandlung 
aher  4ie  Theogonie  der  Aegypter  (174)  glaubt, 
unter  den  von  zwölf  eigenen  Gottheiten,  wissen  wir 
nieht  mit  Sicherheit.' 

Aus  der  Damellüng  des  Paulus  läfst  sich  noch 
dreierlei  folgern.  Einmal  leidet*  es  nun  keinen  Zweifel 
weiter,  dafs  das,  was  oben  (100)  über  die  Epoche  des 
bürgerlichen  Tages  aus  dem  Almägest  geschlossen  ist, 
wenigstens  von  den  Alexandrinerii  gilt ;-  denn  Paulus, 
eben  so  wie  Ptolemäus  ein  Alexandriner >  stellt  die 
erste  Stunde  des  natürlichen  Tages  zi]^ei<ch  als  die  etstie 
des  bürgerlichen  dar.  Zweitens  erhellet,  dafs  die  A^gjp-* 
ter ,  •  gleich  den  Griechen  und  Römern ,  *  den  bürger- 
liehen Tag  in  24  Sttmden  getheilt  haben,  so  zuversicht- 
lich dies  auch  Des-Vignoles  leugnen  mag  ^);  und 
drittens,  dafs  es  die  Zeitstunden  waren,  die  von  den 
Astrologen   gebraucht  wurden,  wefshalb  sie  auch,  .wie 


')     Kai  toe^  aXka  AiyvTtrioia-l  i$-i  i^tvpyiiiiva,*   fuig  tt  ttal  i^fiipn 
kioig-ri  ^iSi»  OT«ü  M.    n,  82. 

*)     ChronoL  de  VhisU  sainie  U.  p.  689. 


182  Technische  Clirondogie. 

achon  oben  (67)  bemerkt  ist,  Flanetenstandfii 
nannt  worden  sind. 

2)  Der  Apiskreis.  Der  heilige  Stiert  das  le- 
bendige Bild  des  Osiris,  wurde,  wenn  er  funfundswan- 
xig  Jahre  lang  zu  Memphis  göttliche  Ehre  genossen, 
getödtet,  um  einem  andeAi  Plats  zu  machen  ^).  Man 
wild  leicht  erachten,  dafs  diese  Zahl  nicht  etwa  bloCs 
in  der  Natur  des  Rindes  begründet  war,  das  man  Ukl- 
tete,  ehe  es  der  Altersschwäche  erlfig;  sie  hatte  olm^ 
Zweifel  eine  tiefere  Bedeutung.  Unter  den  Hand  ta- 
feln des  Ptolemäus  (109)  findet  sich  eine  Tafel  der 
mitderen  Anomalie  der  Sonne  von  25  zu  2S  JahKn 
der  philippischen  Aere,  nämlich  für  den  !•  ThQth  der 
Jahre.  1,  26,  51,  76  u*  s.  w.  bis  1:476^  also  eine  ganze 
Hundsstemperiode  hindurch.  Sie.^izt  den  Gebrauch 
eines  G^dus  von  23  Jahren  bei  den  ägyptischen  Astro- 
nomen auJber  Zweifel.  Es  fragt  sich,  nur,  wodip^li 
di^rselbe  bq[niadet  wurde?  Im  sechsten  Buch  des  Aliua- 
gestt  stehen  Tafeln  zur  Berechnung  der  mittleren  Neu- 
und:  YcJlmonde,:  worii^.  die  Jahre  gleichfalls  nach  In- 
tervallen von  ß5,  woß'PctvtiUTi/ipid^  genai^t,  fortschrei- 
ten ').  Wanuia, gerade  hier  solche  Cyk^l  gewählt  wor- 
den, ist  klar  \  309  mittlere  synodische  Monate  sind  nur 
um  1  St.  8'  33""  kürzer  als  25  ägyptische  Jahre,  so  dafs 
nach  Ablauf  derselben  auf  mehrere  Jahrhunderte  hin- 
aus die  Mondphasen  wieder  an  denselben  Tagen  des 
ägyptischen  Jahrs  eintreffen.  Diese  Bemerkung  ist  in 
Ägypten  gewifs  sehr    früh    gemacht   worden,    da  die 


•)    S.  Jablonski  Pantheon  Aegyptiacum  IV,  2,  iO.     Die 
HauptsteUe  über  die  Zahl  ist  Plutarch  <^«  /#.  e<  Osir.  c.  56. 

»)    Tom.  I.  p.  378ff. 


ASGTPTKB.  183 

Ktinile  der  mitdeieQ  Bewegungen  des  Monde«  enUcUe- 
deu'  yom  hohem  Alter  bt*  Sollte  also  nicht,  wenn 
anch  nicht  der  ginae  Dienst  des  Apis,  doch  wenigstens 
seine  Lebensdauer ,  durch  diese  astronomische  Wahiv 
nehmung  bedingt  worden  sein?  Die  Worte,  deren  sich 
JPlinius  ^}  bei  der  Beschreibiing  desselben  bedient: 
Insigne  ei  in  dextro  totere  candicans  macula,  cond- 
bus  lunoe  cresfiere  inpipientisj  scheinen  in  dieser  Hin- 
sicht entscheidend.  Wenn  auch  die  Aegypter,  wie  aus 
der  bisherigen  Darstellung  erhellet,  bei  ihrer  Zeitrech- 
nung keine  Rücksicht  auf  die  Mondwechsel  genommen 
haben  '),  so  leidet  es  doch  keinen  Zweifel,  dafs  ihnen 
die  Phasen  des  durdi  die  Isis  personificirten  Gestirns 
von  hoher  Bedeutsamkeit  gewesen  sind,  und  somit  er- 
schiene der  Apiscyclus  astronomisch  gerechtfertigt* 

J)  Die  Phönixperiode.  Diesem  Zeitkreise  legt 
man  gewöhnlich  eine  Dauer  von  fünfhundert  Jahren 
bei,  weil  Qerodot,  bei  dem  sich  die  «rste  iNotiz  yon 
dem  .Wundervogel  findet,  das  Intervall  zwischen  )e 
zwei  Erscheinungen  desselben  auf  so  viele  Jahre  setzt  ^), 
und  auchTacitus  sagt  ^) :  De  numero  annorum  varia 
traduntur;  maxime  vulgatum  quingeniorum  spatium. 
Wenn  man  den  Bericht  des  Herodot  mit  dem  dar 
spätem  Schriftsteller  Plinius,  Solinus,  Horapollo 


»)    Ä.  N.  Vm,  71- 

')  Zu  den  oben  (176)  citirten  Stellen  des  Diodor  und 
Strabo,  die  dies  bezeugen,  kann  auch  noch  folgende  des  Iu}ian 
gefügt  werden:  ,,Alle  andere  Yölkei*  zählen  ihre  Monate  nach 
,,dem  Monde;  wir  (Römer)  allein  und  die  Aegvpter  messen  die 
,,Tage  jedes  Jahrs  nach  der  Sonne."   Orot,  lY*  p.  155*  ed.  Lips. 

^)    Ai'  Iriwify  J$  'HVioviroXfroi  Vsj^vrC)  mytokoatwy*   0f  73. 

♦)    Ann.  VI,  28. 


184  Technische  Chronologie. 

und  anderer  vergleicht,   so   sieht  man,   dais   sich  derr 
Mythus,   wenigstens   aufser  Aegypten,    im  Verlauf  der 
Zeit  verschieden  gestaltet  hat;  doch  darin  stimmen  alle 
iiberein,  dalk  der  Phönix  nach  langen  Zwischenräumen 
von  Osten  her,  nach  einigen  aus  Arabien,  nach  andern 
aus  Indien,  nach  Heliopolis  komme,  tun  in  dem  Hei- 
ligthnm  des  dortigen  uralten  Sonnentempels  sein  6ral> 
und  zugleich  ein  neues  Dasein  zu  finden.     Zu  welchen 
Yergleichungen  und  Deutungen  auch*  dieser  Mythus  den 
Dichtern  und  Kirchenscribenten  Anlafs  gegeben  haben 
mag;    unmöglich    kann  es  einem   Zweifel  unterliegen, 
dafs  er  ein  Symbol  eines  gro&en   Zeitkreises  sein   soll, 
der  mit  dem  Lauf  der  Sonne  fn  irgend  einem  Zusam- 
menhange stand.     Schon  Plinius'  und  Solinus  ma- 
chen diese  Bemerkung.    Jener  sagt  ^):  Cum  huius  alias 
'vita  magni  comersionem  anni  fieri  proJUdit  JUanilius, 
iterumque  significatiönes  tempestatufn  et  siderum  eas- 
'dem  re\ferti;  und  dieser  *) :  Cum  Iwius  (avis)  mta  ma- 
gni  annifieri  conuersionefn,  rata  fides  est  inter  aucto- 
res.     Auch  kann  der  Name  Phönix  kaum  etwas  an- 
ders sein  als  Pi-Enech  oder  Fenech,  cdm^  saeculum  '). 

Allein  was  war  es  fiir  ein  astronomisch  bestimm- 
ter Zeitkreis,  den  man  durch  den  Phönix'  symbolisch 
'darstellen  wollte?  Eine  fiinfhundertj ährige  Ausglei- 
chung des  Sonnen-  und  Mondlaufs,  oder  des  bürger- 
lichen und  astronomischen  Jahrs,  oder  sonst  ein  auflal- 
lender Wechsel  von  ähnlicher  Art  und  gleicher  Dauer 
,  findet  nicht  Statt*     Wenn  wir  also  nicht  etwa  anneh- 


*)    H.  N.  X,  2. 

')    Pöljrh.  c.  33. 

')    S.  Scholz  Lexicon  Aegjrptiacum  S.  t6. 


A-BGTP'il^BR.    '  186 

men  wollen,dafe  die  Phönixperibäe'dcn  Aegyptem  niclits 
'ändert  war,  dar  das  Zwanzigfacbe  des  Api^kreises,  an 
das  sich  keine  astronomische  Ideen  -weiter  knüpften; 
eine  Voraussetmngi  die  dem  Geiste  dieses  symbölisiren'^ 
deri  Volks  wenig  langemessen  ist ,  so  scheint  nichts  an-^ 
ders  übrig  zu  bleiben,  ah  Vondeii  'fiinftxundert 'Jah- 
ren zu  abstrahiien  und  in  delhThönix  ein  Emblem 
der  grofsen Hundssternperiode  zu  sehen,  von  wel- 
cher Ansicht  auch  schon  Spuren'  im  Alterthum  voikom- 
inen;  denn  Tacitu^  fugt  zu  den  ieben  angeluhrtfeii 
•Worten  hinzu:  Sunt  qm  adseycrerit  rniUe  quadringen- 
tos  sexaginta  unttm'  interiici.  Wie  aus  Allem  erhellet, 
war  die  Erneuerung  dieser  Periode  oder  die  Rückkehr 
des  l.Thoth  zum  Frühaufgange  des  Sirius  ftir  die  Aegyp- 
ter  ein  sehr  bedeutungsvolles  Ereignifs,  das  sie'*  ohne 
Zip^eifel  durch'  ein  Symbol  dargestellt  haben  wetdA; 
und  wdches  konnte  passender  sein,  als  das  des-  nach 
langen  Zwischenräumen  erscheinenden ,  im  -Heiligthuni 
des  Sdnneiltempels  zu  Heliopolis  sterbenden  und  aus 
seiner  Asche  wieder  aufstehenden  Thönix? 

Herodot  versichert  diesen  Vogel,  den  er  für  ei- 
nen wirkliche^  hält,  zwar  nicht  selbst,  aber  doch  ge* 
malt  gesehn  zu  haben,  und  zwar  in  der  Gestalt  und 
Gröfse  eines  Adlers.  Es  leidet  also  keinen  Zweifel,  dafs 
sich  derselbe  auf  dön  ägyptischen  Denkmälern  abgebil^ 
det  finden  werde,  und  wirklich  haben  ihn  die  fran%5^ 
sischen  Gelehrten  an  den  Tempeln  von  Philä,*  Esne^ 
Edfii,  Theben  und  Denderah  häufig  wahrgenommen^}'. 
Sie  haben  ihn  besonders  an  dem  Mei'kmal  erkannt,  das 

*)  S.  denerl«!  Theil  der  zu  der  Abtheilung  Antiquitds  des 
grofsen  französischen  Werks  gehörigen  Kupfer,  PI.  60  fig.  22, 
PI.  78  ^^Aß,  P1.80  flg.  17  und  anderswo. 


186  Technische  Clitxmologie. 

PUl^ius  und  Solinus  mit  den  Worten:  capul  j>Iem. — 
weo  apice  cohonestante  und  capite  honorato  in  comum. 
phimis  extanäbus,  beseiclmen.^  Gewöhnli^  kommt  die 
Figur  in  Verbindung    uiit  einem   groDsen  Stern   vor» 
der  TermutUich  den  Sirius  vorstellen  soU.     Auch  ye]>- 
dient  bem^kt  su  werden,   dafs  sie  b»t  immer  übeir 
eiuer   Trink3c)mlc,    dem  Emblem   der  Ueberschweitt*- 
mung.,  steht. 

Allein  Herodot  spricht  ausdrüddich  von  fünf- 
hundert Jahren,  und  diese  Angabe,  die  er  aus  dem 
Munde  der  Heliopplitaner  selbst  geschöpft  zu  haben 
yersidiert,  verdient  woiigstens  den  Versuch  einer  Er- 
klärung. 

Sieht  man  die  fünfhundert  Jahre  als  das  in  run- 
der Zahl  ausgedrückte  Drittel  der  Hundsslemperiode 
an,  das  eigentlich  nur  487  hielt,  so  möchte  vielkicht 
fi^gende  Hypothese  nicht  ganz  verwerflich  sein.  Das 
witürliche  Jahr  der  Aegypter  serfsdlt,  wie  oben  (94) 
bemerkt  worden,  in  drei  Perioden  von  iast  gleicher 
Dauer.  Es  ist  daher  gar  wohl  möglich,  dafii  sie,  wie 
auchSolinus  undAugustinus  versichern!  ui'sprüng- 
lieh  nach  viermonatlichen  Perioden  oder  Jahren  gerech- 
net haben.  Vielleicht  haben  sie  nun  auch  den  Zeit- 
XaiMn,  in  welchem  sieh  der  bewegliche  l.Thoth  um 
vier  Monat  des  festen  Jahrs  verschiebt,  als  einen  eige- 
nen Oyclus  in  ihre  Zeitrechnung  eingeführt,  wo  man 
dann  annehmen  mülste,  dafs  nur  diese  kleinere  Phö- 
nixperiode  zur  Kenntnüs  des  Herodot  gelangt  wäre. 

, Einen  andern  GedAnken  hat  Des-Vlgooles.    Di&- 

^r  Gelehrte  unterscheidet  eine  ältere  Hundsslemperiode, 

der  er  die  eben  erwähnte  Dauer  von  487  Jahren  beilq[t^ 

von  der  längern,  seiner  Meinung  nach  später  entstan- 


AsGYPtsn;  187 

d^xitn^  Er  behtiuptei;  nämlich,  d»&  da»  Jahr  tön 
360  Tagen  (69)  bei  den  Aegypient.  früher  al$  dtd  von 
36$  im  Qebfitilch  gewesen  ael,  wie  sd^m  der  grieohi* 
8cb?  Nazne  .c7r<t><($|iu)idA  der  fünf  2a  den  orspriuiglk^en 
360  hinzugekommenen  Tage  lehre*  Auch  nenne  uns 
Synqellus  den  König  A$eth  aU  denjenigen,  der  die 
Bpfigom^nen  eingeführt  habe  ').  So  lange  nnn,.]Miaitit 
ar>  diese  ursprüngliche  Jahrform  beibd^alten  wnxde«  wiar 
jedes  bürgerliche  Jahjr  um  5-^  Tage  küner^als  das  ju<^ 
lianis^be,  .80  dafs  68  juliani^e  Jahre  bis  auf  einen 
Unterschied  yon  dr6i  Tagen  69  bürgerliche  gaben.  Bie^ 
a»  Utttersehied  glich  sich  nach  etvra  siebenmaliger 
Wiederhohlnng  vollkommen  ans»  dergestalt  daft  4S0 
julianische  Jahne  487  büiigerlichen  ^ich  wurden»  Un^ 
iecdessen  kehrte  der  l.Thoth  siebenmal  xum  frühr 
aufgange  des  Sirius  curüdk,  und  dies,  ist  ihm  die  klel«- 
nere  Handsstemperiode.  Die  gjolsere  von  1461  Jahren 
kam,  wie  er  glaubt,  erst  zu^eich  mit  den  Epagomene» 
in  den  Gang,  deren  Einführung  er  in  das  vier^hnta 
Jahrhundert  v.  Chr.  setzt.  ^        - 

Ich  kann  mich  aber  durchaus  nicht  von  dem  bür- 
gerlichen Gebrauch  eines  Jahrs  von  360  Tagen  über« 
zeugen.  Schuf  auch  irgendwo  die  Unwissenheit  ein 
solches,  so  mufste  es  die  Erfahrung  schon  nach  einigen 
Jahren  wieder  verwerfen«  J*ai  peine  ä  concetwr,  sagt 
Lalande  '),  guon  ait  eti  long-^temps  h  se  tromper 
de  cinq  jow^  sur  la  duree  de  l'annie,  aussüot  4/uon 
eut  ohseive  les  levers  heliaques  des  diffsretOes  itoües» 


*)     Chronologie  de  Pkist.  sainte  Tom.  11.  p.  651  ff. 

')     Chronogr.  p.  123. 

'}    S.  sein  oben  (35)  citiites  Mimoire  p.  231. 


188  Technüch&  Chronologie. 

Oder  Sollte  man, '*bb£i  bequemen,  EaMen   feu  GeüH^m^^ 
JakrlMinderie  lang  ein  Jf&hr  beib^lu^ten;  haben,  das  yr^^-^ 
der   Hond-   nock  Sonnenjahr  wa^-?  • '  EHife  Bensennun^g^ 
bccßffifuvtu  beweiset  nichts  weiter^  als  ^a6  tu  den  zwölf 
dveilsigtägigen  Monaten  noch  fiinf  Tage  Trdpe^  rcß  dpiB^^ 
Ibiov,«  aufser  der  Zahl,  wie  Herodof  sagt  (96),  hm— 
fcnkamen;    Han  hat  daher  auch  dea  Cilioiem  genide 
naoht  dejbhalb  ein  Jahr  von  döOlTagen  ciuufichreibeB, 
weiil  eben  dieser  -  Sdmftsteller  von   ihnen   bemerkt  ^)^ 
sie*  hätten  dem  Darius  Hystaspis  einen  Tribut  von  360 
wcUsen  Pfexden  entrichtet,  für  jeden  Tag  eins;  sie 
konoleBi  jaeiü  Jahr  mit   ganz  ähnlichen  Epagomenen 
wie  die  Aegypter  haben,  und  diese  auch  als  iiberztthlig 
betrachten.     Ueberdies    seheint  hier  die  Jahrform  des 
herrschenden  Volks  den  Ausschlag  geben  zu  müssen ;  die 
Betser-  hatten  aber  dieselbe  Jahrform,  wie  die  Aegypter ^ 
liur  mit  dem  Unterschiede,  dafs  sie  alle   120  Jahr  ei* 
neu   Monat  von  30  Tagen  einschaltieteni,  -  wodurch  sich 
ihr. Jahr  mit  dem  julianischen  ausglich. 

Widersinnig  ist  es,  wenn  Des-Yignoles  und 
andese  Vertheidiger  des  d60tägigen  Jahrs  sich  auf  die 
Eintheilung  der  Ekliptik  in  360  Grad  berufen.  Bäumt 
man  auch  ein,  dafs  diese  Eintheilung  yon  hohem  Al- 
ter ist,  so  wird  mau  sie  doch  nicht  för  einen  Beweis 
eines  Jahr»  yon-  gleicher  Tagzahl  gelten  lassen  können. 
'Di^  360  Grad  erschöpfen  den  jährlichen  Umlauf  der 
Sonne,  die  360  Tage  nicht.  Wie  konnte  man  daran 
denken  w<Jlen,  die  Bahn  der  Sonne  einzuthcilen,  als 
man  noch  so  unwissend  war,  sich  lun  mehr  als  fünf 
Tage  in  ihrer  Umlaufszeit  zu  irren? 

*)    m,  90. 


A.EGYPTBB.  189 

AVenn  Diodor!  bericlitet.^},  .an  cler  Grense.  Aegyp- 
tens  und  Aetkiopiens  nahe  hei  Plulärli^  eine  laael, 
auf  der  sidi  das  Giab  des  Osiri»  befinde,  mit  360  ELan^ 
nen,  welche  die  damit  beauftragten  Priester  täglich  mit 
Milch  zu  fiillen  hätten; und. wenn  er  anderswo  sagt'), 
in  der  Stadt  der  Akanther,  120  Stadien  yon  Memphis 
an  der  libyschen  Seite  des  Nils,  sehe  man  ein  durch- 
löchertes Fafs,  in  welches  360  Priester  täglich  Wasser 
aus  dem  Nil  schöpfen  müfsten,.60  kann  mkn  bei. dieses 
Zahl,  die  allerdings  nicht  ohne  Bedeutung  gemhlt  sein 
mag,  eben  so  gut  an  die  Eintheilung  der  Ekliptik,  oder 
an  eine  Eintheilung  des  Tages  als  an  eine  Eintheilung 
des  Jahrs  denken« 

Auf  die  blofs  bei  dem  sehr  spät  lebenden,  unkri-^ 
tisch  compilirenden  Syncellus  vorkommende  Notic 
von  der  Einführung  der  Epagomenen  durch  Aseth^) 
ist  wenig  zu  geben,  schon  weil  sie  mit  einem  von 
Plutarch*)  erzählten  Mythus  der  Aegyj^ter  im  Wi- 
derspruch steht.  Die  Sonne,  heiist  es,  verfluchte  die 
Khea,  die  heimlichen  Umgang  mit  dem  Kronos  gepflo4 
gen,  dais  sie  weder  in  einem  Monat,  noch  in  einem 
Jahr  niederkommen  solle.  Hierauf  habe  Merkur,  mit 
Luna   im   Brett  spielend,  rwy  ^wrw»  hcd^ou  ro  ißdo/AiiP' 


')    1,22. 

')    1,97. 

^)  Sie  findet  sich  zwai*  auch  im  Thesaurus  temporum  des 
EusebiuB  (S.23de8  griechischen  Textes),  scheint  aber  yon 
Scaliger  nur  aus  dem  Syncellus  entlehnt  zu  sein.  In  der 
armenischen  üebenctzung  des  ursprünglichen  chronölogbchen 
Werks  kommt  sie  nicht  ror. 

*)    J>e  Is.  et  Osir,  c.  12, 


1§0  Technische  Chronologie. 

KOfiv,  von    jed^m  T^gt  den  siebzigsten  Tfaeil, 
geirotmeii,  danus  die  fünf  Tage  gebildet;»  welche    die 
Aegypter  Epsgomencn  n^nten^  imd  diese  den    360 
beigefügt,  wo  dann  die  GÖUinn  am  ersten  den  Oairis, 
ain  zweiten  den  Horus,  am  dritten  den  Typbon,    am 
vierten  die  Isis,  am  fünften  die  Nepbthys  geboren  habe. 
Aueh  Diodor  ^)  macht  die  Epagomenen  zu  Geburtsta« 
gen  dieser  iiinf  Gottheiten.     Wer  kann  abev  hiernach 
iwofeln^  dafs*die  Ei^nznngstage  vor  aller  historischen 
Zeit  eingefttjirt  worden  sind,  zu   einer   Zeit,   von  der 
si<^  nur  eine  dunkle  Tradition  auf 'die  Nachwelt  fortge* 
pflanzt  hat?     Scaliger  schiebt  ivirepw  hinter  ijB^ojLu^ 
Kog-oy  ein  '}.     Allerdings  ist  5  der  72st6,  nicht  der  70ste 
Ilieil  von  360.     Da  aber  die  Zeittheile  der  Luna  ab- 
gewonnen   worden  sind,    so   kann  mit  Bezug  auf  die 
Pauer  des  Mondjahrs,  das  die  Aegypter  vieUeidit  ur- 
sprünglich gehabt  haben,  die  einstimmige  Lesart  ißio» 
furfKög-ov  der  Handschriften  vertheidigt  werden. 

Auch  auf  die  grofse  Klarheit  und  Ordnung ,  die 
Des-Yignoles  dorch  die  Hypothese  des  360tiigi* 
gen  Jahrs  und  der  kleinem  Hundssiemperiode  in  die 
Nachrichten  zu  bringen  hofft,  die  uns  Syncellus  aus 
Manethon  tuid  andern  von  den  ägyptischen  Dynastien 
aufbewahrt,  hat,  ist  nicht  viel  Gewicht  zu  legen.  Die 
Urgeschichte  Aegyptens  ist  ein  Labyrinth,  zu  welchem 
die  Chronologie  den  Faden  verloren  hat.  Man  vergleiche 
nur  die  erste  unter  Ferd.  Wilh.  Beer's  Abhand- 
lungen zur  Erläuterung  der  alten  Zeitrech- 
nung und  Geschichte,   um  mit  Miistrauen   gegen 


')    1.13. 

^)    Emend.  Temp.  1.  m.  p.  195. 


Aegtptsr.  191 

das  ditonolog^scihe  System  jenes  Gelehrten  erfiillt  m. 
werden,  wenn  man  gleich  auch  bei  seinem  Gejgnev 
nicht  wenig  Blöfsen  wahmehmen  wird* 

Noeh  einen  andern  Gedanken  über  die  Phönixpe- 
riode  stellt  Gatterer  in  seiner  Abhandlang  über  di« 
Theogonie  der  Aegypter  auf').  Nach  25  ägypti- 
schen Jahren  (einem  Apidureise)  kehren  die  Itfondpha-* 
sen  wieder  zu  denselben  Tagen  des  ägyptischen  Jahrs 
zurück  (182).  Der  Unterschied  zwischen  309  synodi- 
schen Monaten  nnd  25  beweglichen  Jahren  bt  so  ge« 
ring,  dafs  er  sich  erst  in  525  Jahren  zu  einem  Tage 
anhäuft.  Nehmen  wir  nun  an,  dais  die  Aegypter  den 
synodischen  Monat  nur  um  -f-  einer  Sekunde  kleiner 
setzten,  als  ihn  unsere  Tafeln  geben,  so  wächst  der 
Unterschied  gerade  in  500  Jahren  zu  einem  Tage  an, 
um  welchen  die  Mondphasen  früher  als  zuvor  im  ägyp- 
tischen Kalepder  eintreffen.  Schwerlich  hat  aber  diese 
Wahrnehmung,  wenn  man  sie  auch  wiiklich  den  Aegyp- 
tem  zutrauen  woUte,  für  sie  ein  so  grolses  Interesse 
gehabt,  als  es  der  Phönixniythus  yermuthen  läfst» 

4)  Die  Hundssternperiode,  von  der  schon 
das  Nöthige  beigebracht  worden  ist. 

5)  Die  Periode  von  36525  Jahren  beim 
Syncellus  '),  nach  welchem  eine  alte  ägyptische  Chro- 
nik von  der  Regierung  der  Sonne  bis  auf  Alexander* 
von  Macedonien  dreiisig  Dynastien  in  einem  so  Unge- 
heuern Zeitraum  gerechnet  haben  soll.  Dieser  Zahl 
liegen  höchst  wahrscheinlich  astronomische  Ideen  zum 
Grunde.    Auf  den  ersten  Blick  drängt  sich  der  Gedanke 


«)    S.  53. 

')    Chronogr.  p.  5i,  52. 


X9i  Technische  Chrmölogie. 

aof ,   dafs  die  Zall  36525  mit  der  D«iier  des  juliani* 
scben. Jahrs  i:u  365,2S;Tageq  in  irgend  einem  Zuflam.— 
menhang  stehe,  imd  m^n  pflichtet  gefii  dem  Syncellus 
bei,    der  sie  aus'  der,  25 maligen. Wiederbohlung   der 
Hundsstemperiöde  od;er  aus  der  Multiplication  derselben 
mit  der  Dauer  des .  Apiskreises  entstehen  läfsU     Wenn 
er  aber  hinzusetzt,  sie  bezeichne  den  Zeitraum,  in  wel- 
chem die  Nachtgleichen  einen  Umlauf  yoljenden  (denn 
so  ist  der  Ausdruck  OTroxaTttf oo-i^  rov  l^wimKcß    zu  ver- 
stehen), so  stiebt  er  yermuthlich  den  Aegyptem  grie- 
chische Ideen  unter.     Ptolemäus  setzte  die  Präces&ion 
in  hundert  Jahren  a|if  einen  Grad  (27)  oder  auf  ^  des 
Umkreises,  wofür  Syncellus  hier  -55^^  schreibt,  sei 
es  durch  einen  Miisgrifl!,  oder  weil  er  irgendwo   eine 
solbhe   Bestimmung   gefunden   haben   mochte  *).     Die 
Aegypter.  konnten  allerdings  durch  die  fortgesetzte  Beob- 
achtung des  Frühaufganges  des  Sirius  auf  die  Yorrük- 
kung  der  Nachtgleichen  kommen,  indem  sie  diesen  Stern 
allmalig  immer  später  im  Sonnenjahr  aufgehen  sahen, 
wovon  der  Grund  nur    in  einer  Bewegung  des  Sterns 
oder   in    einer  Verschiebung   der  Nachtgleichen  liegen 
konnte.     Da  aber  kein  vollgültiges  Zeugnifs  ')   för  sie 


^)  Da  sie  auch  in  dei*  lateinischen  Ton  Yalla  rei'anstalteten 
üebersetzung  ^er  Hyjjotyposis  des  Proklus  Torkommt,  so  könnte 
man  geneigt  sein,  sie  diesem  Gnechen  beizulegen.  Allein  in  dem 
sehr  seltenen  griechischen  Original  dieses  Werks  (Basel  1540^4) 
findet  sich  nichts  davon,  eben  so  wenig  wie  in  den  beiden  paii* 
ser  Handschrifiten,  nach  denen  Hr.  Halma  seine  Ausgabe  und 
französische  üebersetzung  yeranstaltet  hat. 

^)  Ab  ein  solches  kann  unmöglich  das  des  Arabers  Albatani 
gelten,  bei  welchem  es  heifst  (de  Scientia  stellarum  c.  27.^,  die 
alten  Aegypter  hätten  die  Dauer  des  Sideraljahi's  auf  365  T.  6St. 
11'  gesetzt.    Er  scheint  ziemlich  späte  Aegypter  zu  meinen. 


AEaTPTER.  193 

spricht,  so  ist  kein  hinlänglicher  Grund  vorhanden,  die 
Versicherung  des  Ptolemäus,  dafi  diese  Entdeckung 
dem  Hipparch  angehöre,  in  Zweifel  .zu  ziehen  ^)« 
Was  nun  aber  die  ägyptischen  Astronomen  veranlafiit 
haben  mag,  die  Hundsstemperiode  mit  dem  Apiskreise 
auf  die  gedachte  Weise  zu  verbinden,  ist  schwer  zu 
errathen» 

Bailly  hat  einen  Gedanken  '),  der  Beachtung  ver^ 
dient.  Die  mittleren  Neumonde  kehren  nach  25  ägyp- 
tischen Jahren  oder  einem  Apbkreise  zu  denselben  Mo- 
natstagen zurück  (182) .  Um  nun  die  Erscheinungen 
des  Mondes  auch  mit  dem  wahren  Sonnenjahr  in  Ver- 
bindung zu  bringen,  combinirten  die  Aegypter  den 
Apiskreis  mit  dem  Hundsstemcyclus ,  und  erhielten  so 
eine  Periode  von  36525  Jahren,  nach  deren  Ablauf,  wie 
sie  geglaubt  haben  mögen,  die  Neumonde  zu  denselben 
Tagen  nicht  blois  des  beweglichen,  sondern  auch  des 
festen  Jahrs  zurückkehrten. 

Annehmlicher  noch  scheint  folgende  Hypothese. 
Es  war  eine  im  Alter thum  sehr  verbreitete,  vermuth- 
lieh  im  Timäus  des  Plato  zuerst  angeregte  Meinung, 
dafs  es  ein  groises  Jahr  gebe,  welches  den  Anfang  und 
das  Ende   aller  Dinge  in  sich  begreife  ^) .     Nach  der 


')  Ich  pflichte  hierin  ganz  Hin.  Letronne  bei.  Observa^ 
tioni  sur  Fobjet  des  repräsentations  zodiacales  qui  nous  re- 
Stent  de  VantiquiU  (Paris  1824)  p.  62ff. 

')    Eist,  de  Gastronomie  ancienne  1.  YI.  S.  9. 

^)  Man  sehe  die  zahlreichen  in  einer  Anmerkung  Linden- 
hrog's  zum  achtzehnten  Kapitel  des  Gensorinus,  wo  Yon  die- 
sem Gegenstande  die  Rede  ist,  citirten  Stellen,  besonders  Cic.  de 
nat.  deor.  ü,  20. 

I.  [13] 


194  TecJmische  Chronologie» 

fast  fJlgememen  Annalmie  gebt  clasielhe  lu  Ende,*  Tronii 
Sonne,'  Mond  und  die  fiinf  Planeten   zu  den  St^en 
xurückkelireny  wo  sie  bei  Erscbaflung   der  Welt   stan- 
den ^).     lieber  seine  Dauer  filiden  sick,  wie  man.  leickt 
eracbten  wird,  sehr  yerschiedene  Angaben,   und  so   ist 
es  gar  wohl  mögh'ch,  dafs  ii|;end  ein  ägyptischer  Mysti- 
ker den  groCsen   Kreiskuf  aller  Dinge    unter,  saidem 
durch  einen  Cydus  von  36525  Jahxen  su  bestimmen 
den  Gedanken  gdiabt  hat. 


*)    Man  Tfl-gleicbe  die  oben  (134)  dtirte  Stelle  des  Firmicus. 


<.^».>,> 


Zweiter   Abschnitt. 
Zeitrechnung  der  Babjlonier. 


%«MM^V^MMMi%V 


JCtolemäus  hat  uns  in  seinem  astronomischen  Lehr- 
gebäude^ dem  Almagest,  dreizehn  in  den  Jahren  7^1, 
720,  621,  523,  502,  491,  383,  382,  245,  237  und  229 
y.Clir.  von  den  Chaldäern  zu  Babylon  angestellte 
Beobachtungen  aufbewahrt.  Die  zehn  ersten  betreffen 
Mondfinsternisse,  die  drei  letzten  Zusammenkünfte  von 
Planeten  und  Fixsternen*  Sie  sind  sämmtlich  an  die 
nabonassarische  Aere  und  die  beweglichen  ägyptischen 
Monate ,  und  aufserdem  noch  die  achte ,  neunte  und 
zehnte  aus  den  Jahren  383  und  382  an  attische  Monate 
und  Archontenjahre ,  und  die  drei  letzten  aus  den 
Jahren  245 ,  237  und  229  an  macedouische  Monate 
und  eine  eigenthümliche  chaldäische  Aere  geknüpft. 
Ehe  diese  Zeitbestimmungen  näher  erwogen  werden  kön- 
nen, wird  es  nöthig  sein,  einiges  yon  den  Beobachtern 
und  ihrer  Sternwarte  zu  sagen. 

Die  Griechen  stellen  uns  durchgängig  die  Chaldäer 
nicht  als  ein  besonderes  Volk,  sondern  als  die  Priester 
des  babylonischen  Nationalgottes  Belus  und  als  den 
gelehrten  Stand  zu  Babylon  dar.     So  Herodot  ^},  der 


')    1,181. 

[13*] 


196  Technische  Chronologie. 

sie  Iph^  Aio$  BifXou,  Priester  des  Gottes  Belus, 
nennt;  so  Strabo,  bei  dem  sie  die  Landesphiloso- 
pben  —  hcLytipuoi  if>ikS<ro^oi  —  belfsen  *);  so  Diodor, 
der  sieb  über  sie  folgendermafsen  äufsert'):  ,,Die 
,,Ghaldäer,  die  zu  den  ältesten  Babyloniern  geboren, 
,, bilden  im  Staat  einen  Körper  von  äbtaJicber  Beschaf- 
,,fenheit,  wie  die  Priester  bei  den  Aegyptern.  Zum 
„Dienst  der  Götter  besteUt«  verwenden  sie  ihr  ganzes 
,, Leben  auf  die  Philosophie  und  machen  sich  beson- 
,,ders  einen  grofsen  Namen  in  der  Astrologie.  Auch 
fliegen  sie  sich  eifrig  auf  die  Wahrsagerei.  Dies  alles 
,,  erlernen  und  treiben  sie  nicht,  wie  die  Griechen,  die 
,,sich  ähnlichen  Beschäftigungen  widmen;  denn  bei 
,, ihnen  pflanzt  sich  die  Philosophie  in  der  Familie  fort; 
,,der  Sohn  empfängt  sie  von  seinem  Vater  und  ist  da- 
„bei  von  allen  weitern  Staatsdiensten  frei."  Man  er- 
kennt hier  die  Kastenverfassung  dieses  Priester- 
Vereins.  Von  jeher  haben  im  Moi^enlande  gewisse 
Staatsdienste,  Studien  und  mechanische  Arbeiten  be- 
sondem  Yolksklassen  angehört.  In  Babylon  war,  wie 
man  sieht,  die  Sternkunde  ein  Eigenthum  der  Priester- 
kaste, wie  sie  es  noch  jetzt  unter  den  Hindus  ist. 

Die  Astronomie  artete  unter  den  Chaldäem 
bald  in  Astrologie  ans,  oder  vielmehr  die  letztere 
war  die  Mutter  und  Pflegerin  der  ersten;  denn  die 
Astronomie  verdankt  ohne  Zweifel  ihre  fi*ühste  Ent- 
wickelung  grofstentheils  dem  Bestreben  der  Menschen, 
die  Zukunft  aus  dem  Stande  der  Gestirne  zu  errathen. 
Ohne  diese  trügerische,  jetzt  fast  gänzlich  aufser  Credit 


*)    1.  XVI,  p.  739. 
?)    n,  29. 


B  ABTLONiBRr  197 

gekommene,  Kunst,  der  alleYcSker.  des  Ahertliums,  selbst 
übre  gröfsten  Sternkundigen,  gehuldi^  badben,  wüxde 
ihr  schwerlich  ein  nun  fast  dreitausendjähriges  unun:-. 
terbrochenes  Studium  gewidmet  worden  sein.  Strabo 
spricht  von  verschiedenen  Secten  der-  Ghaldäer,  von 
denen  sich  einige  von  der  Stemdeuterei  rein  gehaltefi 
haben  sollen«  Dem  sei.  wie  ihm  wolle;  gewils  ist  es, 
dais  dieselbe  querst  zu  Babylon  in  ein  System  gebracht 
worden  ist. .  Dies  lehrt  schon  der  Ifame  Gbaldaei,  den 
die  Griechen  und  Römer  der  ganzen.  Zunft  4er  Astro* 
logen  beigelegt  haben. 

Nachdem  Gyrus  das  babylonische  Reich  zerstört  hatte, 
verlor  die  Kaste  der  Ghaldäer  allmälig  ihren  Glanz.  Um 
diese  Zeit  scheint  der  Occident  zuerst  mit  der  AstixJogje 
des  Orients  bekannt  geworden  zu  sein.  Aus  Gicero  ^) 
ersehen  wir,  dafs  sie  schon  zu  Eudoxus'  Zeit  (g€^;!en 
400  Jahr  v.  Gbr.)  bei  den  Griechen  in  Ansehn  stanj^*  : 

Nach  Alexander,  der  Babylon  wieder  au£  kurze 
Zeit  zum  Hauptsitz  eines  grofsen  Reichs  machte,  ge« 
rieth  diese  Stadt  ^nzlich  in  Verfall,  besonders  .seit- 
dem Seleiiicia  am  Tigris  in  ihrer.  Nähe  erbaut  und  zum 
Mittelpunkt  der  spisch-macedonischen  Monarchie  erho-r 
ben  worden  war.  Die  Priesterkaste  scheint  sich,  nun 
gänzlich  aufgelöset  zu  haben.  Es  begann  eine  gegenseir 
tige  Mittheilung  und  Mischung  der  chaldais<^hen  und 
griechischen  Gelehrsamkeit  ^  zu  welcher  der  Babylonier 
Berosus  durch  ein  griechisches  Werk  über  ^e  Alterr: 
thümer  seines  Volks  die  erste  Anregung. gegeben  zu  ha- 
ben scheint.  Er  lebte  unter  Antiochus  Soter,  dein 
zweiten  Seleuciden. 


*)    De  divin.  ü,  42. 


198  Technische  Chronologie. 

Die  GhaldSer  müssen  ihre  Beobachtungeii  ooUegia- 
lisch  angestellt  haben;  denn  Ptolemäus,  der  sonst 
die  Beobachter  immer  nennt,  gd>raucht  denGesammt* 
namen  XciXdaxbi.  Ueberhaupt  erahnt  die  Geschichte 
keinen  Ghaldäer,  der  den  Namen  eines  Astronomen 
verdiente.  Der  Osthanes,  der  nach  Plinius^)  den 
Xerxes  nach  Gnechenland  begleitet  und  die  Liebe  zur 
Sternkunde  oder  Tielmehr  Stemdeuterei  daselbst  zuerst 
gieweckt  haben  soll,  ist  durch  keine  astronomische  Beob- 
achtung oder  Lehre  bekannt  geworden.  Yon  dem  eben 
erwähnten  Berosus  fuhren  die  Alten  verschiedene 
Meinungen  an,  die  seinen  astronomischen  Einsichten 
zu  keiner  sonderlichen  Ehre  gereichen.  Baillj  und 
ändere  sind  daduh^  veranlafst  vrorden,  zwei  Chaldäer 
dieses  Namens  zu  unterteheiden  und  den  einen  in  die 
Kindheit  der  Astronomie  zurückzusetien ,  aber  ohne 
hnklangliche  Gründe. 

Die  öfters  aufgeworfene  und  hier  nicht  unwichtige 
Frage,  ob  die  Astronomie  ihren  Ursprung  den  Aegyp- 
tCTn  oder  den  Ghaldäern  verdanke,  hängt  mit  der 
Untersuchung  über  die  Abstammung  dÄr  letztem  zu- 
sammen. Nach  der  Versicherung  der  Ägypter  beim 
Diodor")  waren  die  Chaldäer  eine  Colonie  ihrer  Prie- 
ster, die  B^ltU  'an  den  Euphrat  verpflanzt  und  nach 
dem  Vorbilde  der  Hütterkaste  organisirt  hatte,  wo  sie 
fottfuhr,  die  aus  der  Heimath  mitgebrachte  Sternkunde 
zu  treiben.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  Richtigkeit 
dieser  Sage  zu  prüfen;  ich  bemerke  blofi,  dais  sie 
mir  durch  das,  was  wir  von  der  Sprache  und  Schrift 


•)    H.  N.  XXX,  2. 
')    I,  28  und  81. 


Babtlonibi^.  199 

der  BsJ^ylonier  wisaen,  wenig  gerechtferligt  m  weiden 
scheint.  Auch  yrax  sie  im  Alterthum  keinesweges  die 
allgemein  angenommene;  denn  nach  losephus'}  und 
andern  hatte  die  Astrqtiomie  ihren  Weg  nach  Griechen-r 
land  von  Babylon  ai|s  über  Aq^pten  genommen.  Es 
ver9teht  sich^  da&  hier  nur  von  einer  sdbon  einiger^ 
ma&en  entwickelten  Stenikunde  die  Rede  sein  kann; 
denn  ein  roher  Anfang  derselben  ist  fest  in  jedem  Lande 
einheimisch,  da  sie  eine  der  ersten  Wissenschaften  der 
Yölker  SU  sein  pflegt.  Diese  entwidtelte  Sternkunde 
bt  aber  ofl*enbar  früher  bei  den  Chaldäem  als  bei  den 
Aegyptam  zu  suchen;  dam  Ptole maus,  der  doch  un- 
ter den  ktctem  lebte,  gedenkt  ihrer  als  Astronomen 
nirgends. 

Ganz  abweichend  ypn  der  Idee,  die  wir  uns  nach 
den  Alten  von  den  Chaldäem  zu  machen  haben,  sind 
die  Ansichten  der  neuem  Forscher,  eines  Ifichaeli^i 
Schlözer,  Forster,  Adelung  und  anderer.  .  In  deu 
hebräischen  Urkunden  wird  häufig  ein  raubsüchtiges 
und  kriegerisches,  von  Norden  en>berod  .nach  Bal^lon 
gekommenes  Yolk  unter  dem  Namen  D^Wd  Casdim  er- 
wähnt. Diese  Casdim  hält  man  für  identi^  mit  d^ 
Chaldäem  der  Profanscribenten,  und  fragt  nun,  welches 
vor  ihrem  Zuge  gegen  Süden,  den  man  ins  siebente 
Jahrhundert  y.  Chr.  setzt,  ihr  Wohnsitz  war.  ISinige 
lassen  sie  im  nördlichen  Mesopotamien  an  den  Grenzen 
Armeniens,  andere  in  Kurdistan,  noch  andere  am  kas- 
pischen  Meer  wohnen;  ja  einige  leiten  sie  von  deii 
Chalybem,  Skythen  oder  Slaven  ab,  wegen  der  'geglaub- 
ten  barbarischen  Beschaffenheit   einiger    babylonisdiien 


»)    Antiq.  lud.  I,  8. 


200  Teelxiische  Chronologie. 

Regentetinameh,  die  sich  nicht  bequem  aus  hebräischen 
Wurzeln  ableiten  lassen   wollen  ^].      Sämmüiche  Mei- 
nungen hat  Adelung  zusammengestellt ').     Ist  es  denn 
aber  so  ganz  entschieden,  dais  die  Gasdim  der  Hebräer 
die   Ghaldfier  der  Griechen  und  Römer  sind?    Ist  es 
Beweises  genug,  dafs  im  Propheten  Daniel  die  Weisen 
Babylons,  die  dem  Nebukadnezar  seinen  Traum  ausle- 
gen sollen,  und  die  freilich  den  Chaldaem  sehr  ähnlich 
sehen,  Casdim  genannt  werden?   Ich  enthalte  mich  al- 
ler weitem  Bemerkungen  hieiaiber,  und  erinnere  nur, 
was  jenen  Forschem  entgangen  ist,  dais  unsPtolemäus 
schon  aus  dem  achten  Jahrhundert  v.Chr.    drei  Beob- 
achtungen von  den  Ghaldäem  anfuhrt ,    die  unmöglich 
die  ersten  von  ihnen  angestellten  sein  können. 

Der  Nationalgott  Babylons,  Belus,  hatte  mitten  in 
der  Stadt  einen  Tempel  aus  Backsteinen,  von  welchem 
die  Alten  mit  Bewunderung  reden.  Nach  Herodot, 
der  ihn  als  Augenzeuge  beschreibt'),  bildete  er  ein 
Quadrat,  dessen  Seite  zwei  Stadien  hielt.  In  der  Mitte 
dieses  heiligen  Bezirks  stand  ein  Thurm  von  acht  Ab- 
sätzen oder  einzelnen  Thürmen,  der  nach  Herodot  und 
St^abo  ^)  ,unten  ein  Stadium  lang  und  breit,  und  nach 


.  *)  Das  Gelungenste,  Was  in  etymologischer  Hinsicht  über  die 
Namen  der  im  Regentenkanon  genannten  babylonischen  Könige 
gesagt  worden  ist,  findet  sich  in  Simonis  Ononuisticon  veteris 
Testamenii,  Man  überzeugt  sich  wenigstens  daraus,  dafs  diese 
barbarisch  hrateoden  Namen  wirklich  semitisch  sind  oder  doch 
sein,  können. 

'}    Hithridatei  TL  I.  S.  314  tt. 

')    A.a.O. 

*)    1.  XYI.  p.  738.  ... 


Babtlonier.  20t 

letzterem  zugleicli  ein  Stadium  hoch  war,^  nnd  an  «de«^' 
sen  Aussenseite  eine  Treppe  rings  um  das  Gebäude  bis 
zum  Gipfel  lief*     Im  obersten  Stockwerk  fand  sich  noch 
ein   besonderer  Tempel  des  Gottes  mit  einer  goldenen 
Bildsäule,  die  Xerxes  hatte  wegnehmen  lassen;     Sonst 
scheint  Herodot  noch  alles  unversehrt  gefunden  zu 
haben.     Zu  Alexander's  Zeit ,  etwa  hundert  Jahre  spa- 
ter, lag  aber  der  Thurm  nach  Strabo's  'Yersicherung 
bereits  in  Ruinen.     Der  König  woUte  ihn  wiederher^ 
stellen  lassen,  kam  aber  nicht  damit  zu  Stande ;  Uols 
die  Wegräumung  des  Schutts  beschäftigte  zehntausend 
Menschen    zwei  Monate  lang.      Diodor  gedenkt  sei- 
ner mit  folgenden  Worten  *):   „Die  Schriftsteller  wei- 
,,chen  in   ihren  Berichten  über  dieses    Gebäude  von 
,,  einander  ab,  und  da  es  schon  verfallen  ist,  so  läfsl 
,,sich  nichts  zuverlässiges  darüber  sagen.     Darin   stim- 
,,men  aber  aUe  überein,  dafs  es  von  ungeheurer  Höhe 
„war,  und  dafs  die  Ghaldaer  auf  demselben  ihre  Beob- 
.,,achtungen,  besonders  über  die  Auf-  und  Untergänge 
,,der  Gestirne,  die  sie  von    oben   genau  wahrnehmen 
„konnten,  angestellt  haben."  Diese  Ttachricht  hat  viel 
Wahrscheinliches ;  denn  da  die  Ghaldaer  aus  astrdogi- 
schen  Gründen  ihre  Aufmerksamkeit  besonder  auf  die 
Auf -und  Untergänge  der  Sterne  richteten,  so  bedurf-* 
ten  sie  eines  sehr  hohen  Gebäudes,  um  aus  der  Mitte 
der  Stadt  den  Horizont  frei  übersehen  zu  können.  Merk- 
vnirdig  ist  es,  dafs  die  Ruine  Mukelibe  an  der  Ost- 
seite des  Euphrats,  die  Pietro  dellaValle  beschrie- 
ben hat,   und  Beauchamp  und  Rennell  mit  ihm 
für  ein  Ueberbleibsel  dieses  alten  Tempels  und  Obser- 

*)   n,  9. 


202  Technische  Chronologie. 

yalori«malMJteD.k  glekh  imaeni  Stänvfvärten  nacfa  den 
Tkr  Weligeganden  orieatirt  ist.     Hr.  Rieb,  der  neu- 
erdings die  Trünuner  Babylons  sehr,  genau  nntersuclit 
hat^),   besUUigt  dies,    ist  aber   geneigter,  in  dem  an 
der  Westseite   des   Flusses    gelegenen  Birs  Nimrud 
eine  Ruine  des  alten,  Thunns  zu  «eben.     Zwar  wissen 
wir  niobt  mit  völliger  Bestinuntbeit,  an  welcher  Seite 
des  Eupbrats  derselbe  lag.     Wollte  maik  aber  der  Mei- 
nung dieses  gelehrten  Engländers  beitreten,  so  mfiiste 
man  annehmen,  daiii  der  Fluls  sein  Bette  sehr  yeriin« 
dert  habe;  denn  der  Birs  ITimrud  liegt  an  sechs  eng- 
lische Meilen  TOi^  seinem  Ufer  entfernt* 

Nach  dieser  Abschweifung  komme  ioh  auf  die  im 
Eingange  erwähnten  chaldäischen  Beobaebtnngen  beim 
Ptolemäus  zurück.  Sie  geben,  wie  ich  in  einer  1815 
der  berliner  Akademie  vorgelegten  Abhandlung  über 
die  Sternkunde  der  Ghaldäer  gezeigt  habe,  zu 
versdiiedenen  für  die  astronomischen  Kenntnisse  der- 
selben nicht  ungunstigen  Schlüssen  Anlais,  worunter 
der  am  nächsten  liegt,  dais  sie  eine  festgeordnete 
Zeitrechnung  haben  mufsten;  denn  wie  hätten  sonst 
die  griechischen  Astronomen,  die  sich  ihrer  Beobach- 
tungen zur  :Begrundung  der  Mondstheorie  bedienten, 
die  Data  denselben  mit  so  vieler  Zuverlässigkeit  ange- 
ben können?  Von  welcher  Beschaffenheit  war  aber 
diese '  Zeitrechnung  ? 

Wir  finden  nirgends  eigenthümliche  chaldäische  Mo- 
nate genannt,  imd  bei  keinem  Geschichtschreiber  die 
Jahre  nach  einer  chakläischen  Acre  gezählt.     Selbst  der 


')    S.  seine  beiden  Memoirs  of  Babylon,  London  1816  und 
1818,  8. 


B  iL  B  T  L  O  If  I  ER,  203 

Charaktör  der  chaldäisdien  Jalire  und  Monate  ist  uns 
unbekannt.  Wir  weiden  also  jene  Frage  nur  nciuth-* 
mafslicli  beantfforten  können« 

Ptolemäus  pflegt  bei.  den  Beobachtungen,  die  er 
anftiiirty  ungeachtet  er  sie  sämmtlich  auf  die  ägyptische 
Zeitrechnung  reducirt,  zugleich  die  eigenthümliohai 
Zeitbestimmungen  der  Astronomen,  die  sie  gemacht 
haben,  anzugeben.  Da  er  nun  die  sieben  ältesten  chat 
däischen  Beobachtungen  Uo£i  nacb  ägyptischen , Mona- 
ten datirt,  so  ist  die  Voraussetzung,  da(s  die  Ghaldfter 
und  Aegypter  einerlei  Jahr£onn  und  Jahranfang,  höch- 
stens verschiedene  Monatsnamen  gehabt  haben,  diejenige, 
welche  sich  am  natürlichsten  darbietet,  zumal  da  auch 
die  nabonassarische  Aere,  die,  wie  schon  der  Name  lehrt^ 
babylonischen  Ursprungs  ist,  nach  ägyptisdien  Jahren 
zählt.  Wirklich  nehmen  auch  fast  all^  Chronologen 
die  Identität  der  chaldäischen  und  ägyptischen  Zei^^ 
reohnung  an,  und  streiten  nur  über  die  Erage,  ob  das 
bewegliche  Jahr  in  Babylon  oder  in  Aegypten  einhei- 
misch war. 

De  la  Nause  sagt  in  seiner  Geschichte  de«  ägyp^. 
tischen  Kalenders^),  dies  Jahr  sei  lange  vor  der 
Epoehe  der  nabonassarischen  Acre,  seit  welcher  nach 
Syncellus  die  chaldäischen  Astronomen  erst  ange&n* 
g^  'Fällen,  die  Zeiten  ihrer  Belichtungen  genau  an^ 
zugeben'),  in  Aegypten  vorhanden  gewesen;  die  Ba* 
byToiiTer  müfsten  es  also  von  den  Aegj^tem  entlehnt 
haben,   und   dies   sei    um  so   wahrscheinlicher,    da  ja. 


*)    MAn,  de  PJcad.  des  InscripL  Tom.  XlV,  p.  338. 
iaZoi  rptpißioü-av.     Chronogr,  p.  207.  ' 


204  Technische  Chronologie. 

wie  Diodor  yersidiere  (eigentlicli  die  Aegypter  beim 
Diodor),  die.  babylonische  Priesterkaste  eine  Colanie 
der  ägyptiscben  und  ganz  nach  ihr  gemodelt  sei. 

Dodwell  ist  entgegengesetzter  Meinung.  I>ie 
ägyptischen  Jahre,  sagt  er^),  werden  von  der  "Efoche 
Nabonassar's  gezählt,  weil  die  Aegypter,  als  sie  von  den 
Persem  unterjocht  wurden,  durch  sie  die  babylonische 
Jahrform  und  Aere  empfingen* 

.    Des-Yignoles  ')  lä&t  es  zwar  unentschieden,  wo- 
her das  bewegliche  Jahr  stammt,  nimmt  aber  ebenfalls 
als  ausgemacht  an,  dafs  es  den  Babyloniern  und  Aegyp- 
tem  gemein  war.     Jene,  sagt  er,  müssen  es  gehabt  ha- 
ben, weil  Diodor  versichert^),  dafs,  nach  dem  Bericht 
Gliiarch's  und  anderer  Begleiter  Alezander's,  Semiramis 
der  babylonischen  Hauer  eben  so  viele  Stadien  gegeben 
habe,  als  das  Jahr  Tage  zählt,  nämlich  365*    Auf  diese 
leicht  hingeworfene  Notiz  ist  indessen  um  so  weniger 
iXL  bauen,  da  die  Lange  der  babylohischen  Mauer  von 
Asa  alten   Schriftstellern    sehr    verschieden   angegeben 
wird.    Noch  weniger  beweiset  es,   wenn  Gurtius  bei 
der  Beschreibung  des  persischen  Heerszuges  sagt^),  dals 
den  Magiern  365  Jünglinge  gefolgt  wären,  diebus  todus 
änni  pares  numero;  quippe  Penis  in  totidem  dies  de- 
scriptus  est  annus.  Die  Perser  hatten  allerdings  ein  dem 
^gyp^^^^^  %^^^  analoges  Jahr.     Daraus  folgt. ßb^  ifür 
die  Zeitrechnung  der  Babylonier  sehr  wenig.  ^  iv-^-^jj:i 


*)  De  vetenbus  Graecorum  Romanorumgue  CycUs  U,  6. 

*)  Chronol,  de  Vkist,  sainte  Tome  11,  p.  336. 

')  n,7: 

•)  ni,3. 


Babtlonisa«  205 

•  •  -Der  einzige , Gelehite,  memes  Wissens,  dar  die 
Identität  der  chaldäischeB  und  ägyptischen  Zeitrechnung 
in  Zweifel  zieht,  ist  Freret^).  Nach  seiner  Iteinung 
haben  die  Babylonier  ihre  Zeit  nach  Mondperioden 
geordnet,  also  Mondmonate  gebraucht.  Was  für 
diese  Ansicht  ^richt,  ist  folgendes:.  1} alle  übrigen  se* 
nitisehen  Völker,  Hebräer,  Syrer,  Araber,  haben  nach 
Mondmonaten  gerechnet;  warum  soUteii  die  Babyloi- 
nier  allein  eine  Ausnahme  gemacht  haben?  2)  sagt 
AbenEzra,  einer  der  gelehrtesten  Talmudisten,  dafs 
die  Juden  ihre  ]etzigen  Monatsnamen  während  ihrer 
Gefangenschaft  von.  den  Babyloniem  .  angenommen 
haben  ') ;  und  in  der  That  kommen,  dieselben  erst 
in  den  nach  der  Deportation  abge&fsten  biblischen 
Schriften,  Zacharias,  Esra,  Nehemia  und  Esther 
vor.  Da  nun  die  jüdischen  Monate  nach  dem  Monde 
geregelt  sind,  so  ist  mit  Grund  zu  vermuthen,  dali 
sie  bei  den  Babyloniem  ein  gleiches  Gepräge  hatten; 
denn  sonst  würden  die  Juden  die  firühem  Benennun- 
gen ihrer  Mondmonate,  von  denen  sich  im  sechsten 
und  achten  Kapitel  des  ersten  Buchs  der  Könige 
eine  Andeutung  findet,  schwerlich  mit  den  babyloni- 
schen vertauscht  haben.  3)  beweisen  drei  Btobachtun* 
gen  der  Chaldäer  beim  Ptolemäus  ^)   und  die  Frag- 


•)  Observations  sur  ies  annees  employdes  ä  Babjrlone  avant 
et  depuis  la  conqudte  de  cttte  vilie  par  Alexandre,  Mim,  de 
VAcad.  des  InscripL  Tom.  XYI,  p.  205  ff.  Oeuvres  compUtes 
Tom.  Xn. 

*)     Petav.  Var.  DisseH.  ü,  13. 

»)    Almagest  l.IX,  c.  7.  p.l70,  171;  l.XI,  c.7.  p.288. 


206  Technische  Chronologie. 

naeiite  des  Berösus  *),  daik  die  Babjloiuer  un%er  den 
Selencideii  nach  Mondmontten  mit  maoedonischesa  Be- 
nennungen datirt  haben.     Htttten  aie   nun  friikerhin 
gleich  den  Aegyptem  und  Persern  ein  Sonnenjahr  ge- 
habt, so  würden  aie  wahrscheinlich  eben  so  wenig  ge- 
neigt gewesen  sein,,  dasselbe  unler  ihren  maoedoniscfaen 
Regenten  üeihren  zu  lassen,  wie  diese  beiden  YöUber.    So 
aber  paisten  sie  ihrer  alten  Zeitrechnung  blofs  die  naaoe- 
donische  Terminologie  an,  und  auch  dies  wol  nur  im  Ver- 
ioehr  mit  den  Griechen.     4)  haben  die  Ghaldüer  yer- 
schiedene  Mondperioden  gdLannt,  )mter  andern  die  merk- 
würdige von  223  Mondwedisdn  (47)*     Ptolemäus  he 
teiohnet  im  An&nge  des  vierten  Bocha  seines  Almagest 
die  Urheber  derselben  durch  das  Prttdikat  irdkaui  /xo* 
S^jbiarwoi,  alte  Mathematiker*     Er  sagt,  sie  enthalte 
in  6S65  Tagen  8  St.  nahe  223  synodische,  239  anoma* 
listische  und  242  drakonitische  Monate,  während  de- 
ren  d^r    Mond   seine    Bahn    241  mal    und  aufseidem 
noch    10^   40'  mrücklege*      Um  ganze  Tage  zu   er- 
halten,  setzt  er  hinzu,    haben  sie  diese  Periode  drei- 
&ch  genommen  und  sie  in  dieser  Form  egeXtyfio^  ge* 
nannt,  welcher  ans  der  Taktik  entlehnte  Ausdruck  so 
viel  als  ganze  Schwenkung  bedeutet.    Geminus, 
der  sie  in  derselben  F<»m  und  unter  derselben  Benen- 
nung auffuhrt  *),  bemerkt,  die  Chaldäer  hätten  dar- 
aus   die    mittlere    tägliche    Bewegung   des    Mondes   za% 
13  °  10'  35"  gefolgert,  was  yoUkonmien  mit  unsem  Ta- 


')    S.  die  Sammluiig  derselben  in  Fabricii  BibL  Graeca  a.  A. 
Tom.  XIV,  p.  180  and  207. 

•)    Isagoge  c.  15. 


BABTLOiriBJi.  207 

fein  iifceieiiiiftunmt.  Man .  sieht  abo«  ifiem  sie  eigent- 
lich angehört«  wciahalb  sie  auch,  die  chaldäische  ge- 
nannt wird*.  Suidas  ^),  der  ihr  irng  222  Mcmdweck- 
sei  heilegt,  gibt  ihr  den  Namen  Saras,  der  offenbar 
so  viel  als.  Mondpei'iode,  bedsntet;  denn  Hr\m  «&V 
ham  heilst  im  Chaldäischeft  der  Mond  '). 

Man  muis  erstaunen,  ^vennman  bei  näherer  Er- 
wägung obiger  Zahlen  sieht,  wie  gensm  die  Chaldäer 
die  mitüeie  Bewegung  des  Mondes  und  die  Perioden 
der  Rückkehr  seiner  Ungleichheit  ausgemittelt  hatten» 
So  fanden  sie  den  mittlerjen  synodischen  Monat, 
oder  die  Zeit  seiner  Wiedeikehr  zur  Sonne,  nur  um 
4-|- Sekunden,  und  den  periodischen,  oder  die  Zeit 
seiner  Wiederkehr  m  demselben  Punkt  der  Sonnenbahn, 
nur  um  eine  Sekunde  zu  grofs.  Auch  kannten  sie 
bereits  die  Dauer  des  tropisdien  Jahrs  zu  365  Tagen 
6  Stunden*  Denn  erfolgt  nach  6585  Tagen  und-  8  Stun- 
den die  Zusammenkunft  des  Mondes  mit  der  Sonne  um 
10^  40'  weiter  .östlich,  so  muis  die  Sonne,  indessen 
n  mal  360  ^  und  noch  10  ^  40'  zurückgelegt  haben* 
Dafs  n  as  18  sei,'  £uid  man  leidit.  Man  durfte  also  nur 
scUiefcen:  18x3600  +  10^  40'  in  65854- Tagen,^  in  wie 
Tiel  Zeit  360^  ?  und  erhielt  so  36S-|>  Tage.  Sei  es  nun, 
dafi  sie  die  10^  40'  durch  dme  unmittelbare  Beobacbr 
tung  gefunden,  oder,  was  wahrscheinlicher  ist,  sie  vez^ 
mittelst  der  ihnen  aus  andern  Gründen  bekannten  Dauer 
des  Sonnenjahrs  zu  365^  Tagen  hergeleitet  hatten,  ge- 
nug, diese  Dauer  muiste  ihnen  bekannt  sein. 

')  Das  Wort  kommt  in  der  chaldaischen  Bibelübersetzung  ror, 
z.  B,  i.  Mos.  XXXVn,  9.  Das  arabische  j^  schehr,  Mo- 
nat, hängt  damit  yermutUidi  siitaBuaen. 


208  Technische  Chronologe. 

Da  also  der  Mond  nach  223  Wecksdn  oder  6585 
Tagen  8  Stunden  beinahe  zu  desidbenr  Stellung  in  An- 
sehung seiner  Erdfeme  und  seiner  Knoten  zurückkehrt, 
so  müssen  sich  nach   diesem  Zeitraum   die  Finsternisse 
in   fiist  gleicher  Ordnung  und  Größe  erneuen.      Dies 
sagt  bereits   Pllnius  mit  den  Worten:    D^fectus  dur- 
centis  viginti  tribus  mensibus,  redire  in  suos  orbes  cer-^ 
tum  est*).     Ob  die  jetzt  gebräuchliche  Methode,  Fin- 
sternisse  zu   berechnen,    iivelche  der  Hauptsache   nach 
schon  im  Almagest  yorkommt,    vor  Hipparch  be- 
kannt gewesen  ist,  steht  sehr  zu  bezweifeln.     Die  Chal- 
däer,  die  auf  die  Mondfinstemisse,  welche  sie  beobach- 
teten, vorbereitet  sein  müistei^,   können  also   ihre  Aus- 
kunft nur  mit  Hülfe  der  nach  ihnen  benannten  Periode 
vorausgesehen    haben,    indem  sie  vermittelst  derselben 
von    einer   Mondfinstemifs   zur  andern  fortrechneten« 
Auf  die  Sonnenfinsternisse  konnten  sie  dieselbe  wegen 
der  Parallaxe  nicht  unmittelbar  anwenden.     Diodor 
^gt ') :  „In  Betreff  der  Sonnenfinsternisse  sind  ihre  Er- 
^^kUirungen  von  der  schwächsten  Art,   und  sie   wagen 
,,es  nicht,  solche  zu  verkündigen  und  ihre  Zeiten  ge- 
,,nau  zu    bestimmen."     Bailly  glaubt  daher ^),  dais 
sie  diese  Erscheinungen  ganz   aufgegeben  hätten.     Hat 
aber  Thaies  den  JonierU' wirklich  die  große  Sonnen- 


*)  H.  N.  n,  10.  Vor  Harduin*8  zweiter  Ausgabe  las  man 
ducentis  viginti  duobus,  wie  beim  Suidas,  aufweichen  Fehler 
schon  Halle j  C^hil,  Transact,  1691  no.  194,  p.535J  aufmerk- 
sam gemacht  hat.  Harduin  hat  223  gesetzt^  einigen  Hand- 
schriflen  und  Ausgaben  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  zufolge. 

')  n,  31. 

')    Hist,  de  l'astroH.  ancietme  1.  ü,  p.  54. 


Babylonibr.  209 

finstemiüi  yorher  yerkündigt,  die  dem  Kampf  der  Me- 
der  undLyder  amHalys  ein  schleuniges  Ende  machte  ^), 
so  kann  er  dabei  nur  von  der  in  Rede  stehenden  Mond- 
periode ausgegangen  sein,  die  er  mit  einiger  Kenntnilk 
der  Parallaxe  auf  die  Sonnenfinsternisse  anzuwenden 
wufste;  und  warum  sollten  die  Ghaldäer  die  Wirkung 
derselben,  wenigstens  im  Groben,  nicht  auch  bereits 
gekannt  haben? 

Die  Finsterniis,  deren  ich  hier  so  eben  gedacht 
habe,  Ast  fiir  die  Zeitrechnung  zu  wichtig  geworden, 
als  dals  ich  nicht  diese  Gelegenheit  benutzen  sollte, 
das  Ergebnifs  der  neusten  Untersuchungen  über  sie  mei- 
nen Lesern  mitzutheilen.  Es  gibt  kaum  eine  in  Klein- 
asien sichtbar  gewesene  Sonnenfinsternis  aus  dem 
Zeitraum  yon  626  bis  581  y.  Chr. ,  die  man  nicht  für 
die  des  Thaies  angesehen  hätte.  Keine  andere  weiter 
kann  aber  dafür  genommen  werden,  als  die  yom  30.  Sep- 
tember 610,  wie  Hr.  Oltmanns  durch  eine  sorgfältige 
nach  den  neusten  asti^onomischen  Tafeln  geführte  Rech- 
nung gefunden  hat^).  Die  Finsterniis  war  zwar  am 
Halys  nicht  total,  wie  Herodot  zu  yerstehen  gibt,  aber 
sehr  stark;  denn  för  einen  Punkt  yon  36°  Länge  tmd 
40°  nördlicher  Breite,  den  Hr.  Oltmanns  für  den 
Kampfplatz  nimmt,  betrug  der  noch  leuchtende  Theil  der 
Sonne  nur  ^  ihi'er  Scheibe,  so  dafs  die  daher  rührende 
Abnahme  des  Lichts  allerdin^  stark  genug  war,    um 


*)  Herodot  1,74  und  andere  Alle  Tersichei'n  dies.  S. 
Wesseling's  Note. 

^)  S.  die  Scbriften  der  berliner  Akademie  aus  den  Jahren 
1812  und  13  und  Hrn.  Bodens  astronomisches  Jahrbuch 
1823,  S.  197  ff. 

L  .  [14] 


210  Technische  Chronologie. 

Schrecken  einflöüsen  zu  können.    Auch  war  die  Finster^ 
nifi  ihi«r  ganzen  Daner  nach  sichtbar.    Zwei  Grad  öst- 
licher und  einen  Grad  südlicher  ^   in  der  Gegend  von 
Erzeram,  wo  Hr.  Yolney  das  Schlachtfeld  sucht,  war 
sie  total«    Bei  den  loniern  betrug  sie  elf  und  einen  hal- 
ben Zoll.    Des-Yignoles,  der  von  der  Finstemils  des 
Thaies  ausfährlich* handelt  ^),  setzt  sie  auf  den  28. Mai 
585  y.  Chr. ,  und  die  meisten  neuem  Chronologen  sind 
ihm  beigetreten.      Allein   nach    Hrn.    Oltmanns  ist 
anter  36®  Länge  und  40®  Breite  die  gröfste  Verfinste- 
rung eine  halbe  Stunde  vor  Sonnenaufgang  eingetroffen 
nnd   nur  von  sieben  und  einem  halben  Zoll  gewesen. 
Des-Yignoles  gibt  nach  den  frühem  unrichtigen  Ta* 
fein  ganz  andere  Resultate,  die  ihn  freilich  bei^echügten, 
sich   für   diese   Finstemifs   zu   erklttren,    von  der  nun 
aber  nicht  weiter  die  Rede  sein  kann.     Noch  weniger 
läfst  sich  mit  Hrn.  Yolney  an  die  vom  3.  Februar  626 
V.Chr.   denken;    denn  diese    war   beim  Aufgange   der 
Sonne  bereits  zu  E^de.     Durch  Hrn.  Oltmanns  ver^ 
dienstliche  Rechnung   sinken   nun  so  manche  auf  jene 
Finstemils    gegründete   chronologische   Spteme   in  ihr 
Nichts  zusammen. 

Aufser  der  Periode  von  223  Mondwechseln  legt  man 
den  Chaldäem  •  gewöhnlich  noch  zwei  andei*e  bei ,  die 
für  die  Zeitrechnung  wichtige  neunzehnjährige  oder 
metonsche  (47)  und  eine  sechshundertjährige. 
Jene,  welche  nach  235  Mondwechseln  die  Phasen  zu 
demselben  Tage,  ja  &st  zu  derselben  Stunde  des  Son- 
nenjahrs zurückfuhrt,  müssen  sie  allerdings  gekannt  ha- 
ben, wenn  sie  ein  gebundenes  Mondjahr  von  fester  An- 


•)    Chronologie  de  Phist,  sainte  Vol.  11.  p.  245  ff- 


BABTLOiri£R.  311 

ardnung  liatten.  Von  dieser  findet  sich  eine  Anzeige  in 
einer  Stelle  des  losephus'),  wo  es  heifst,  Gott  habe 
den  Erzyätem  defshalb  ein  so  hohes  Alter  yerliehen, 
damit  sie  Zeit  hätten,  die  Astronomie  und  Geometi*ie 
zu  vervollkommnen ;  dies  würden  sie  aber  nicht  gekonnt 
haben,  wenn  sie  nicht  600 Jahre  gelebt  hätten;  denn 
erst  nach  600  Jahren  gehe  das  grofse  Jahr  zu 
Ende.  Auf  diese  Worte  haben  Dominic  Cassini, 
Mairan,  Goguet,  leGentil  und  Bailiy  ganze  S]|^ 
Sterne  von  Schlüssen  und  Hypothesen  gegründet,  de* 
ren  Erörterung  und  Prüfung  uns  hier  zu  weit  führen 
würde  ^). 

Aus  den  angeführten  Gründen  ist  nun  Freret's 
Hypothese,  dals  die  Chaldaer  im  büi^rlichen  L^ben 
Mondmonate  gebraucht  haben ,  allerdings  wahr- 
scheinlich. Hatten  sie  aber  ein  reines  oder  ein  gebau" 
denes  Mondjahr?  Nach  Freret  keins  von  beiden.  E9 
heifst  nämlich  bei  Eusebius^)  und  Syncellus*): 
,,Berosus  hat  in  seiner  Geschichte  nach  Saren,  Ne* 
,,ren  und  Sossen  gerechnet.  Der  Saros  —  Tdpo^  — 
,, bezeichnet  einen  Zeitraum  von  3600,  der  Nero« 
,, —  NiJ^o;  —  von  600,  und  der  Sossos  — ^Äcro-o;—  von 
,,60  Jahren."  Dies  sind  nach  Freret  die  Namen 
der  Mondperioden,  deren  sich  die  Chaldaer  zur  Einthei- 
lung  ihrer  Zeit  bedient  haben ;  nur  gibt  er  ihnen  ganz 


*)     Jntiq.  lud.  I,  3,  9. 

^)    Man  yergleiche  Lal anders  Astron.  Tom.  11.  art.  1570. 
^)    Chronica  I,  S.  11  des  aus  dem  Armenischen  übersetzten 
Werks  nach  der  venezianiscfaea  Ausgabe. 
*)     Chronogr,  p.  17. 

[14'] 


212  Technische  Chronologie. 

andere  Werthe,  jedoch  mit  Beibelialtung  derselben  Yer- 
liältnisse«  Yoraussetzend,  dafs  unter  Saros  die  chal- 
däische  Periode  zu  verstehen  sei,  und  von  der  irrigen 
Notiz  beim  Suidas  und  falschen  Lesart  beim  Plinius, 
wonach  dieselbe  222  Mondwechsel  gehallen  haben. soll, 
ausgehend,  macht  er  sich  von  dem  Gehalt  jener  Perio^ 
den  folgende  Vorstellung:  „Die  Ghaldäer  hatten  einen 
,, doppelten  Saros,  einen  astronomischen  von  223^), 
„und  einen  bürgerlichen  von  222  Mondwechseln. 
„Den  letztern  theilten  sie  in  6Neren  zu  37  synodischen, 
„und  den  Neros  wieder  in  10  Sossen  zu  4  periodischen 
„Moimten,  indem  37  synodische  Monate  nahe  40perio- 
„dische  geben."  Hiemach  hätte  der  bürgerliche  Saros 
65S5  Tage  und  etwa  19  Stunden,  der  Neros  1092  Tage 
und  15  Stunden  und  der  Sossos  109  Tage  und  6  Stun- 
den gehalten.  £s  ist  aber  gar  nicht  denkbar,  dafs  man 
zur  Anordnung  der  bürgerlichen  Zeit  Perioden  gebraucht 
haben  sollte,  welche  aus  Brüchen  von  Tagen  bestanden, 
zumal  den  periodischen  Monat,  der  sich  nur  durch 
astronomische  Beobachtung  bestimmen  läfst.  Auch  kann 
man  nicht  begreifen,  warum  man  für  den  Saros  gerade 
eine  Periode  von  222  synodischen  Monaten  gewählt  ha- 
ben sollte,  die  weder  selbst,  noch  in  ihren  Vielfachen 
oder  aliquoten  Theilen  der  Dauer  des  Sonnenjahrs  com- 


*)  Eine  Spur  dieses  astronomischen  Saros  findet  Fröret 
in  den  18jährigen  Interrallen,  nach  denen  Ptolemäus  die  Tafel 
der  mittleren  Bewegungen  der  Sonne  im  Almagest  ordnet. 
B.  m.  S.  167  ff.  Er  jiimmt  daher  Gelegenheit  zu  der  Yermu- 
thung,  dafs  die  erste  Anlage  der  astronomischen  Tafeln  den  Chal- 
daem  angehöre,  worin  ihm  jedoch  wenige  beipflichten  werden, 
da  höchst  wahi-scheinlich  Hipparch  ihr  erster  Urheber  ist. 


Babylonibr.  213 

mensurabel  ist,  auch  sonst  gar  keine  merkwürdige  Ei- 
genschaft hat. 

Das  Mondjahr  der  Chaldäer  kann  unmöglich  eine 
so  unnatürliche  Einrichtung  gehabt  haben.  Es  war 
entweder  ein  reines,  wie  das  der  Araber,  oder  ein  ge« 
bundenes,  wie  das  der  übrigen  semitischen  YÖlker, 
der  Hebräer  und  Syrer.  Letzteres  ist  das  wahrschein« 
lichsle,  besonders  defshalb,  weil  die  Macedonier,  deren 
Monatsnamen  sie  unter  den  Seleuciden  ihren  Monaten 
anpafslen,  gleich  allen  übrigen  griechischen .  Yölkem 
ein  gebundenes  Mondjahr  hatten. 

Von  den  Zeittheüen  Saros,  Neros  und  Sossos 
kennen  wir  die  Yerhältnisse  und  selbst  die  Namen  der 
beiden  letztem  nur  aus  Eusebius  und  Syncellus. 
Den  Saros  erwähnt  auiser  Suidas  noch  Hesychius, 
jedoch  blofs  mit  der  ungenügenden  Erklärung:  iptSriAos 
tu;  "fFopat  Baßvhjovioigy  eine  gewisse  Zahl  bei  den 
Babyloniern.  Dafs  der  Saros  die  chaldäische  Pe- 
riode sei,  wie  Halley  glaubt,  folgt  mit  Sicherheit  we- 
der aus  der  Etymologie,  die  nur  auf  den  allgemeinen 
Begriff  Mondperiode  leitet,  noch  aus  der  offenbar  un- 
richtigen Erklärung  beim  Suidas.  Auch  erlaubt  das 
Yerhältnifs ,  das  zwischen  den  drei  Zeiteinheiten  Saros, 
Neros  und  Sossos  bestanden  haben  soll,  nicht,  beim  Sa- 
ros an  die  chaldäische  Periode  zu  denken,  da  sonst  für 
den  Neros  und  Sossos  Zeiträume  entstehen  würden,  die 
weder  ganze  Tage,  noch  ganze  Monate  enthalten,  auch 
in  gar  keiner  himmlischen  Bewegung  oder  Erscheinung 
gegründet  sind.  Freret's  gezwungen^  Hypothese  Bat 
nirgends  Beifall  gefimden.  Sie  hat  zu  yielem  Streit 
über  das  Wesen  des  Saros,  Neros  und  Sossos  Anlaä 
gegeben,    wovon  man  die  Aktenstücke  im  Journal  des 


214  Technische  Chronologie. 

Savans  Dachsehen  kann^).  Die  Sache  ist  dadurch  we- 
nig aufgeklärt  worden^  und  wird  sich  auch  in  Erman- 
gelung historischer  Data  durch  blofse  Yermuthungen 
schwerlich  je  aufs  Reine  bringen  lassen. 

Goguet ')  hält  den  Neros  för  die  vorhin  (210) 
erwähnte  600  jährige  Periode.  Dann  hätte  der  Saros, 
wie  es  auch  Eusebius  und  Syncellus  wollen,  3600 
Jahr  gehalten,  und  so  würden  die  120  Saren,  die 
Berosus  nach  eben  diesen  Schriftstellern  dem  Zeit- 
raum vor  der  Ueberschwemmung  des  Xisuthrus  (des 
Noah  der  Chaldäer}  beigelegt  haben  soll ,  452000  Jahre 
geben.  Man  könnte  nun  zwar  sagen,  da(s  diese  gro(se 
Zahl  von  Jahren  eine  Uebertreibung  sei,  die  eine  hohe 
Idee  von  dem  Alter  der  Chaldäer  erwecken  sollte, 
wie  dergleichen  Pralereien  den  Babyloniem  auch  von 
Diodor ')  und  Cicero*)  zur  Last  gelegt  werden. 
Contemnamas  Babjrlonios,  sagt  der  letztere,  et  eosy  f  ui 
e  Caucaso  caeli  signa  servantes,  nunieris  steUanun  cur- 
sus  et  motus  persequuntur:  condemnemus,  inquam,  hos 
aut  stukitiae^  aut  vanitatis,  out  imprudentiae ,  qui 
CCCCLXX  millia  annorum,  ut  ipsi  dicunty  monumen- 
tis  comprehensa  continent^  et  mentiri  iudicemuSy  nee 
saeculonun  reliquorum  iudicium,  qvod  de  ipsis  fiourum 
Sit,  pertimescere.  Es  ist  aber  viel  wahrscheinlicher, 
dafs  die  Jahre ,  die  bei  diesen  Ungeheuern  Zahlen  zum 
Grunde  liegen,  ein  Ausdruck  für  weit  kürzere  Zeitdn- 


*)    September  1760,  Januar  1761. 

)    In  seiner  Dissertation  sur  les  piriodes   astronomiques 
des  Chaldtfens  am  ScLlufs  seines  oben  (59)  citirten  Werks. 

•)  n,  31. 

*)    De  divin,  I,  19.  Vergl.  n,  46.   Lactant.  InstU,  VH,  14. 


BABTLOiriER.  215 

heiten  aeln  sollen,  wie  schon  Eusebins  yeimudiet'). 
Annianus  und  Panodorus,  zwei  im  Anfange  des 
fünften  Jahrhunderts  n.Chr.  lebende  ägyptische  Mönche, 
sahen  darin  blofse  Tage'),  und  dieser  Meinung  sind 
in  neuem  Zeiten  Des-Y ignoles  und  Bailly  beigetre- 
ten. Der  erste  reducirt  ^)  die  3600,  600  und  60  Jahre, 
die  der  Saros,  Neros  und  Sossos  gehalten  haben  sollen, 
in  dieser  Voraussetzung  auf  seine  360tägigen  Jahre  (69), 
und  findet  'so  für  den  Saros  10  Jahre  oder  120  Monate, 
für  den  Neros  20  Monate  und  für  den  Sossos  2  Monate. 
Er  sagt,  das  hebräische  BT«  jom  werde  nicht  blofs  vom 
Tage,  sondern  auch  vom  Jahr  gebraucht^).  Velmulh- 
Jich  habe  es  bei  den  Babyloniem  ein  ähnliches  doppel- 
sinniges Wort  gegeben,  das  die  Ghaldäer  benutzt  hätten, 
um  sich  in  den  Augen  der  Griechen  ein  hohes  Alter 
beizulegen. 

Bailly  ^)  gebraucht  die  Hypothese  der  ägyptischen 
Mönche,  um  eine  Notiz  beim  Simplicius,  die  man 
sonst  wenig  glaubwürdig  gefunden  hat,  durch  eine  an- 
dere beim  Plinius  zu  rechtfertigen.  Die  Sache  ist 
folgende. 

Plinius  *)•  handelt  vom  Alter  der  Buchstaben- 
schrift, litterasy  sagt  er,  semper  arbiträr  Assjrriasßdsse. 


•)  Chron,  I,  p.  27. 

^)  Syncelli  Chronographia  p.  17  und  32,  und  Goar's  Note 

zu  p.  33. 

»)  Chronol.  de  Phist.  sainte  11.  p.  627 ff. 

♦)  So  deutlich  2.Chron.  XXI,  19. 

•)  Hist.  de  r Östron,  ahcienne.  ^clairciss.  l.IY.  S.  XEtff. 

•)  H.  N.  vn,  57. 


216  Technische  Chronologie. 

Perizonius  *)  lieset  jissjrrüs,  und  erklärt  es  richtig 
durch  Bqbyloniis.  Assur  oder  Assyrien  nämlich  be- 
griff bei  den  Orientalem  nicht  blofe  die  Provinzen  des  al- 
len assyrischen  Reichs  am  Tigris,  sondern  alle  die  Länder 
Vorderasiens  9  mit  Ausnahme  Arabiens ,  wo  die  semi- 
tische Sprache  in  ihren  verschiedenen  Mundarten  ge- 
sprochen wurde.  Die  Griechen  kürzten  diesen  Kamen 
ab,  und  sagten  dafür  Syrien*),  In  spätem  Zeiten 
wurde  das  Wort  Syrien  blois  auf  das  Land  zwischen 
dem  mittelländischen  Meer  und  dem  Euphrat,  oder  auch 
dem  Tigris,  beschränkt.  PI  in  ins  bemerkt  nun  femer, 
die  Griechen  wären  schon  vor  dem  trojanischen  Kriege 
mit  den  Buchstaben  bekannt  gewesen,  und  die  Aegypter 
sollten  sie  gar  schon  vor  dem  uralten  griechischen  Ko- 
nige Phoroneus  gehabt  haben.  Dann  heifist  es  weiter: 
E  diyerso  Epigenes  apud  Babylonios  DCCXX  annonan 
observationes  siderum  coctilibus  laterculis  inscriptas  do^ 
cetg  gravis  auctor  inprimis:  qui  nünimum,  Berosus  et 
Critodemus,  CCCCLXXX^)  annorum.  Ex  quo  appa- 
ret  aetemum  Utteranan  usum.  Berosus  lebte,  me 
schon  bemerkt  worden  (197)i  unter  Antiochus  Soter,  der 
um  das  Jahr  263  v.  Chr.  starb ,  und  so  würde  nach 
ihm  der  Gebrauch  der  Buchstaben  zu  Babylon  nur  bis 
zur  Mitte  des  achten  Jahrhunderts  v*  Chr.  oder  bb  zum 
Anfange  der  nabonassarischen  Acre  zurückgehen.  TVie 
unlogisch  erscheinen  aber  dann  die  Worte  des  Plinius,' 
das  Utteras  semper  arbiträr  Assyriis  ßdsse  im  An- 
fange, und  das  ex  quo  apparet  aetemum  litterarum 


*)     Origg.  Babyl.  c.  1, 

»)   Uerod.  Vn,  63. 

')    Nach  einer  andern  Lesart  CGGCLXXXX. 


Babtloivibr.  217 

usum  am  Ende,  verglichen  mit  den  480  Jahren  vor 
BerosusI  Perizonius  hat  daher  ohne  Zweifel  Recht, 
wenn  er,  wie  schon  vor  ihm  Harduin,  der  Heraus- 
geber des  Flinius,  glaubt,  dafs  das  Zeichen  für  tau- 
send aus  dem  Text  gefallen  sei,  und  da(s  man  720 
und  480  in  720000  und  480000  zu  verwandeln  habe  *). 
Die  Meinung  des  Plinius  ist  dann:  „Das  ungeheure 
„Alter,  das  Epigenes,  Berosus  imd  Gritodemus 
,,den  auf  Backsteinen  verzeichneten  Buchstaben  beile- 
,,gen,  beweiset,  dafs  die  Buchstaben  bei  den  Baby- 
,,loniem  seit  undenklichen  Zeiten  gebräuchlich  gewe- 
,,sen  sind."  Bailly  nun,  welcher  der  Meinung  des 
Perizonius  beitritt,  nimmt  die  gro&en  Jahrsummen 
für  Tage,  setzt  den  Epigenes  unter  Ptolemäus  Phi- 
ladelphus,  und  bringt  so  durch  Zurückrechnen  von 
720000  Tagen  oder  1971  jülianischen  Jahren  das  Alter  von 
1903  Jahren  vor  Alexander  heraus,  welches  Porphyr  ius 
beim  Simplicius^)  den  astronomischen  Beobachtun- 
gen beilegt,  die  Gallisthenes  seinem  Lehr^  Aristoteles 
aus  Babylon  geschickt  haben  soll.  Die  Zweifel,  die  man 
gegen  die  Richtigkeit  dieser  Ifachricht  erregt,  werden 
genügend  von  Bailly  gehoben.  Er  hätte  noch  bemer- 
ken können,  dais  die  Chaldäer,  welche  die  mittlei*en 
Bewegungen  des  Mondes  so  genau  kannten,  sehr  früh 
angefangen  haben  müssen,  den  Himmel  zu  beobachten, 
zumal  da  die  Wissenschaft  bei  ihnen  kein  Gemeingut, 


•)  Er  schiebt  hinter  DCCXX  und  CCCCLXXX  ein  M  ein. 
Es  ist  aber  noch  einfacher  anzunehmen ,  dafs  sich  über  diesen 
Zahlen  ursprünglich  ein  Querstrich  befand,  der  bekanntlich  in 
den  Handschriften  tausend  bedeutet. 

')     CommerU.  in  Aristot,  de  Caelo  1. 11,  p.  123,  a. 


218  Technische  Chronologie. 

sondern  das  Erblheil  einer  Kaste  war «  unter  der  Suie 
Fortschritte  immer  langsam  sind«  Auch  darf  man  ge- 
rade keinen  Fehler  in  der  Zahl  1903  argwöhnen;  denn 
an  einem  andern  Ort  sagt  Simplicius  ^):  9, Ich  habe 
,, gehört,  da(s  sich  bei  den  Aegyptem  astronomische 
„Beobachtungen  von  nicht  weniger  als  2000  Jahren 
„aufgezeichnet  finden,  und  bei  den  Babyloniem  nocb 
„ältere."  Wenn  man  einwendet,  dafs  sich  keine  Spur 
von  diesen  aus  Babylon  gekommenen  Beobaditungen 
beim  Aristoteles  erhalten  hahe,  so  irrt  man;  denn 
gerade  an  der  Stelle  des  zweiten  Buchs  de  Caelo,  die 
Simplicius  commentirt '),  heifst  es  bei  Erwähnung 
einer  Bedeckung  des  Mars  vom  Monde:  ,,£ben  der- 
,, gleichen  yielj ährige  an  den  übrigen  Sternen  (Planeten) 
„gemachte  Beobachtungen  haben  die  Aegypter  und  Ba- 
„  bylonier  angestellt ,  von  denen  viele  zu  unserer  Kunde 
„gelangt  sind."  Sollte  auch  Epigenes  gerade  nicht 
unter  Ptolemaus  Philadelphus  gehören^),  so  hat  er 
doch  höchst  wahrscheinlich  vor  unserer  Zeitrechnung 
gelebt,  und  so  gehen  die  1971  Jahre,  die  er  nadi 
Bailly's  Hypothese  dem  Gebrauch  der  Buchstaben  bei 
den  Babyloniem  und  ihren  astronomischen  Beobach- 
tungen beilegt,  immer  noch  weit  genug  zurück,  um 
der  Notiz  beim  Simplicius  zur  Bestätigung  zu  dienen. 


")    P.  27,  a. 

»)     €.12. 

')  Sein  Zeitaltei*  läfst  sich  weder  aus  obiger  Stelle  des  Plinias, 
noch  aus  Scneca,  der  ihn.  Quaest.  nai,  YII,  3  cilirt,  noch  aus 
Plutarch  de  plac,  phil.  III,  2,  noch  endlich  aus  Gens or in us, 
der  ihn  c.  7  und  17  erwähnt ,  ihn  zu  den  Astix>logis  zählt  und 
einen  Byzantier  nennt,   mit  Sicherheit  abnehmen. 


Babtlohibr.  219 

Hipparch  hat  das  Alter  der  chaldäischen  Be* 
obachtimgen  beträchtlich  geringer  angenommen.  Nach 
lamblichus  beim  Proklus  ^)  hatte  er  irgendwo  in 
seinen  Schriften  gesagt ,  die  Assyrier  (Ghaldäer)  hätten 
den  Himmel  270000  Jahre  lang  beobachtet.  Diese  (lir 
Tage  genommen,  erhalten  wir  nahe  740  Jahre.  Sonach 
gingen  die  Beobachtungen  der  Ghaldäer  nur  870  bis 
880  Jahre  vor  unserer  Zeitrechnung  zurück.  Man  kann 
diese  Angabe  mit  der  beim  Simplicius  vereinigen, 
wenn  man  sagt,  dafs  die  Beobachtungen,  die  Hipparch 
tauglich  fand,  höchstens  ein  Alter  von  880  Jahren  v.  Chr. 
hatten. 

So  wahrscheinh'ch  es  aber  auch  sein  mag,  dais  die 
Babylonier  im  bürgerlichen  Leben  ein  gebundenes  Mond- 
jahr gehabt  haben,  so  lälst  sich  doch  unmöglich  anneh* 
men,  dafs  ihre  astronomischen  Beobachtungen  Ursprünge 
lieh  an  ein  solches  geknüpft  waren,  und  dals  die  ägyp- 
tischen Data,  womit  sie  im  Almagest  bezeichnet  vor- 
kommen, so  wie  die  jetzige  Form  der  beiden  ersten 
Abtheilungen  des  astronomischen  Kanons,  das  Resultat 
einer  von  den  Alexandrinern  veranstalteten  Reduction 
sind,  wie  sich  Fr  er  et  überredet.  Eine  solche  würde 
mit  grofsen  Schwierigkeilen  verknüpft  gewesen  sein, 
selbst  wenn  die  Ghaldäer,  was  doch  schwer  zu  Rauben 
ist ,  schon  seit  Nabonassar  ein  nach  richtigen  Principien 
geordnetes  Mondjahr  gehabt  und  dasselbe  Jahrhunderte 
lang  unverändert  beibehalten  hätten.  Ich  bin  daher 
geneigt  zu  der  Hypothese,  dafs  sie  sich  als  eines  Hülfs- 
mittels  bei  ihren  astronomischen  Beobachtungen  und 
Rechnungen  des  dazu  sehr  bequemen  ägyptischen  Jahrs 


*)    In  Timaeum  . Piaton.  1. 1,  p.  3i. 


220  Technische  Chronologie. 

bedient  Laben,    sei  es  nun,    dais  sie  ein  solches  von 
den  Aegyptem  oder  von  den  Persem  entlehnt,  oder  es 
selbst  erfunden  hatten.     Es  ist  gerade  nicht  nöthig  az^ 
zunehmen,    da(s   ihre  Jahrepoche  vollkommen  mit  der 
ägyptischen   übereinkam;     eine  Verschiedenheit   beider 
würde  der  Leichtigkeit  der  Reduction   ihrer  Data    auf 
die  ägyptische  Zeitrechndng  keinen  Eintrag  gethan  ha- 
ben.     Nachdem  sie,    denke  ich  mir,    lange  beobachtet 
hatten,    fanden  sie,    dafs  ihnen  ihre  bürgerliche  Jahr- 
form    keine  bequeme  Yei^leichung  der  Beobachtungen 
und  keine  sichere  Zeitbestimmung  erlaubte.    Sie  sahen 
sich   also  nach  einer  Form  um,    die  ihnen  beide  Yor- 
theile  gewährte,  und  hier  bot  sich  ihnen  die  ägyptische 
als  die   bequemste  unter  allen  dar«     Yielleicht  war  es 
ihr  König  Nabonassar,  dem  sie*  die  Einftihning  die- 
ser Zeitrechnung  verdankten,  und  der  sich  dadurch  ein 
ähnliches  Yerdietist  tun  sie,    wie   lulius  Cäsar  um 
die  Römer  erwarb. 

Man  betraphtet  gewöhnlich  diesen  Regenten  als  den 
Stifter  einer  neuen  Dynastie,  indem  man  von  der  Vor- 
stellung ausgeht,  dafs  der  von  ihm  benannten  Aere  ir- 
gend eine  Staatsveränderung  -zur  Epoche  gedient  habe. 
Was  berechtigt  aber  zu  dieser  Ansicht?  Diodor  erzählt  ^ ), 
dafs  sich  die  Babylonier,  nachdem  sie  lange  das  assy- 
rische Joch  getragen  hatten,  in  Vereinigung  mit  den  Me- 
dem  frei  machten ;  allein  er  bemerkt  nicht,  ob  und  welche 
Rolle  Nabonassar  dabei  gespielt  hat.  Ptolemäus, 
Censorinus,  Eusebius,  Theon  und  Syncellus 
sind  die  einzigen,  die  diesen  babylonischen  König  nen- 
nen ;  aber,  keiner  fuhrt  ihn  als  den  Urheber  einer  po- 

*)    n,  24. 


Ba.btlonisr.  221 

litisclien  Revolution  auf.  Hatte  er  sich  wirklich  jenes 
Verdienst  um  die  chaldäischen  Astronomen  erworben, 
so  konnte  ihnen  dies  Veranlassung  geben,  seinen  Re- 
gierungsantritt, oder  vielmehr  den  nächstvorhergehen- 
den Jahranfang  zur  Epoche  einer  Acre  zu  machen,  an 
die  üe  nun  ihre  Beobachtungen  knüpften.  Diese  Hypo- 
these, der  die  oben  (203)  erwähnte  Notiz  beim  Syncellus 
zur  Bestätigung  dient,  scheint  ungleich  annehmlicher, 
als  die  zugleich  von  diesem  Chronographen  gegebene 
Nachricht ,  Nabonassar  habe  der  Versicherung  des 
Alexander  Polyhistor  und  Berosus  zufolge  sämmt- 
liehe  seine  Vor^nger  betreffende  historische  Denkmäler 
vertilgt,  damit  ins  künftige  die  Reihe  der  babylonischen 
Regenten  mit  ihm  b^onnen  werde.  Hätten  diese  Ge- 
schichtschreiber Recht  gehabt ,  auf  welchem  Wege  wä- 
ren sie  denn,  fi'agt  Dodwell  ^},  zur  Kenntnifs  der 
frühem  Geschichte  Babylons  gelangt,  von  der  sie  so  viel 
zu  eriählen  wufsten? 

PI  in  ins  spricht  an  der  vorhin  (216)  angezogenen 
Stelle  von  uralten  babylonischen  Beobachtungen ,  die 
auf  gebrannten  Backsteinen  —  coctiUbus  latercu- 
Us —  aufgezeichnet  waren.  Dafs  dieses  Material  wirk« 
lieh  dazu  benutzt  wurde,  ist  in  der  That  sehr  glaub- 
lich, da  man  an  der  Stelle  des  alten  Babylons  noch 
jetzt  Backsteine  mit  Schriftzügen  (der  bis  jetzt  noch 
nicht  entzifferten  Keilschrift)  in  Menge  findet.  Wie 
aber  auch  die  Chaldäer  ihre  Beobachtungen  aufbewahrt 
haben  mögen,  immer  ist  es  wahrscheinlich,  dafs 
sie  dieselben  in  Annalen  niederlegten,  von  denen 
sich   Auszüge    zu    den  Griechen  fortgepflanzt    haben. 


*)    Prolegg.  in  append.  ad  dissert.  Cjrprian.  S.  23. 


222  Teclmische  Chronologie. 

Wurden  darin  zugleich  die  wichtigsten  Staatsereignisse 
bemerkt,  so  ergab  sich  jenes  nackte  R^jentenverzeich-* 
nifs,  das  in  der  Folge  unter  dem  Namen  des  Hegen- 
tenkanons von  den  Griechen  fortgeführt  worden  ist, 
gewissermafsen  von  selbst. 

Dodwell  und  Des-Yignoles  sehen  den  Berosus 
als  den  Urheber  des  Kanons  an.  Der  letztere  beruft  sich 
auf  ein  von  losephus  ^)  citirtes  und  von  Eusebius  ') 
wiederholtes  Fragment  dieses  Schriftstellers,  das  in  An- 
sehung der  Regierungsdauer  der  fünf  nächsten  Vorgan«- 
gei;  des  Cyrus  ganz  mit  dem  Kanon  übereinstimmt,  aber 
gewifs  nichts  weiter  beweiset,  als  da(s  auch  die  erste 
Abtheilung  desselben  alles  Zutrauen  verdient.  Von  ei- 
nem Urheber  und  Fortsetzer  kann  bei  den  Chaldaern 
wol  eben  so  wenig,  als  bei  den  Griechen,  die  Bede  sein. 
Die  Astronomen  haben  diese  Tafel  von  Zeit  zu  Zeit 
erweitert,  um  ihre  Brauchbarkeit  zu  erhalten. 

In  den  Annalen  der  Chaldäer  war  neben  dem  ägyp- 
tischen oder  astronomischen  Datum  einer  jeden  Beob- 
achtung vermuthlich  auch  das  landesübliche  bemerkt. 
Der  Astronom  also,  der  di*ei  vor  Alexander  zu  Babjloa 
beobachtete,  an  attische  Monate  geknüpfte  Mondfinster- 
nisse ^)  aus  den  chaldäischen  Archiven  den  Griechen 
mittheilte',  durfte  statt  der  babylonischen  Mondmonate 
nur  die  entsprechenden  attischen  setzen.  Die  hinzu- 
gefügten ägyptischen  Data  machten  die  Angabe  der  at- 
tischen überflüssig,  die  daher  audi  nicht  angeführt 
sind.     So  z.  B.  heifst  es ,  die  erste  sei  unter  dem  Ar- 


*)    Antiq.  lud.  X,  11.     In  Apion.  LI.  c.  19,  20. 

*)    Praep.  Ev.  IX,  40. 

')    Almagest  1.IV,  clO,  S.275,  76,  78. 


Babtlonxbr,  223 

ehon  iPhanostratus  im  Monat  Poieideon  beobachtet,  nach 
den  Aegyptern  in  der  Macht  vom  26  zum  27*  Thoth 
des  Jahrs  366  seit  Nabonassar.  Die  attischen  Data 
waren  auch  ganz  überflüssig,  da  die  Athener  ohnehin 
wufsten,  dafs  die  Mondfinsteraisse  um  die  Mitte  ihrer 
Monate  eintrafen ,  wenn  diese  andei's ,  was  in  der  Regel 
gewifs-  der  Fall  war,  mit  dem  Himmel  übereinstimmlen. 
Wir  werden  in  der  griechischen  Zeitrechnung  auf  diese 
drei  Beobachtungen  zurückkommen. 

Die  drei  ).üngsten  unter  den  dreizehn  auf  uns 
gekommenen  chaldsischen  Beobachtungen  finden  wir« 
aufser  den  ägyptischen  Datis>  zugleich  mit  den  mace- 
doni sehen  bezeichnet  (205).  Die  maoedonischen  Mo- 
nate halten  sich  durch  Alezander's  Heei*szug  über  ganz 
Yoixlerasien  bis  Babylon  hin  verbreitet.  Es  ist  gerade 
nicht  nöthig,  dafs  die  babylonischen  Monate  durch  die 
macedonischen  verdrängt  wuixien.  Beide  Arten  von 
Monaten  konnten  als  lunarische  sehr  wohl  neben  ein- 
ander bestehen,  und  wir  haben  uns  nur  vorzustellen, 
dafs  der  griechische  Astronom,  der  diese  Beobachtungen 
seinen  Landsleuten  mitlheilte,  die  ihnen  geläufigeren 
mAoedonischen  Namen  gesetzt  hat. 

Sie  sind  zugleich  an  eine  eigenthümlicbe  Aere  ge- 
knüpft. Es  heifst  nämlich  von  der  ersten,  dais  sie  im 
67sten  Jahr  der  Ghaldaer  am  5.  Apelläus,  von  der 
zweiten,  dafs  sie  im  75sten  Jahr  der  Chaldäer  am 
14.  Dius,  und  von  der  dritten,  dafs  sie  im  82sten  Jahr 
der  Chaldäer  am  5.  Xanthicus  angestellt  sei.  Die  bei- 
gesetzten ägyptischen  Data  und  nabonassarischen  Jahr- 
zahlen geben  den  19.  November  245,  30.  Oktober  237 
und  I.März  229  v.Chr.  Die  Epoche  dieser  chaldäi- 
schen  Aere  trifft  also  auf  den  Herbat  des  Jahrs  311 


224  Technische  Chronologie. 

y.  Chr. ,  ob  auf  den  An&ng  des  Dias ,  mit  welchem  die 
eigentlichen  Maoedonier,  oder  auf  den  des  vorhergehen- 
den Hyperberetäus,  mit  welchem  die  spätem  Syromace- 
donier  ihr  Jahr  begannen,  lälst  sich  nicht  mit  Sicher- 
heit   ermittehi.      Die  seleucidische  Aere  dagi^en, 
nach  der  man  in  Syrien  rechnete,   nahm  im  Herbst 
312    ihren  Anfang,    und    zwar,    wie    man    allgemein 
glaubt,  von  der  Schlacht  bei  Gaza,  durch  die  Seleucos 
!Nicator  den  Grund  zu  seiner  Macht  legte ,    und  von 
seiner    bald    nachher   erfolgten  Besitznahme  Babylons. 
Woher  diese  Verschiedenheit  von   einem  Jahr  rührte, 
ist  schwer  zu  sagen.     Vielleicht  datirt  sich^die   spätere 
Acre  von  der  Ermordung  des  jungem  Alexander  (112), 
wodurch  Alezander's  des  Grolsen  Thron  erst  völlig  er- 
ledigt ward. 

Dafs  die  Babylonier  ihren  bürgerlichen  Tag 
mit  dem  Aufgange  der  Sonne  angefiingen  haben,  sa- 
gen uns  die  Alten  ganz  übereinstimmig.  Jpsum  diem 
ata  aUter  ohseryavere ;  Babylonii  inter  duos  solis  exor- 
tus,  heifst  es  beim  PI  in  ins  ').  Dieser  Umstand  scheint 
freilich  zu  beweisen,  dafs  sie  ihre  Zeit  nicht  nach  Mond- 
wechseln geordnet  haben  (80).  Allein  es  ist  gar  wohl 
denkbar,  dafs  ein  Volk,  welches  seine  Zeit  nach  dem 
Monde  eintheilt,  seinen  bürgerlichen  Tag  erst  mit  dem 
Morgen  anfiangen  könne ,  der  auf  die  erste  Erscheinimg 
der  Mondsichel  in  der  Abenddämmerung  folgt. 

Dafs  die  Ghaldäer  bereits  die  Stundeneinthei- 
lung  des  Tages  gekannt  und  gebraucht  haben,  lehren 
die  von  ihnen  gemachten,   uns  von  Ptolemäus  übep- 


•)    H.N.U,  79.    Vergl.  Censorin.  c.  23.   Gelliu«  iV.  ^. 
in,  2.    Macrob.  iS^.  I,  3.    Uid.  Etym.Y,30. 


Babtlonier.  226 

lieferten  Beobachtungen.  Auch  sagt  Herodot  aus- 
drücklich (S5),  dafs  die  zwölf  Theile  des  Tages  von 
den  Babyloniem  zu  den  Griechen  gekommen  sind.  Selbst 
den  Unterschied  unter  bürgerlichen  und  astrono- 
mischen Stunden  (87)  müssen  sie  sdion  .gekannt  ha- 
ben* Beide  Arten  von  Stunden  kommen  bei  ihren  Be- 
obachtungen vor,  die  ersten  bei  allen ,  die  letztem  nur 
bei  einigen.  Bei  der  Bestimmung  derselben  haben  sie 
schwerlich  eine  künstliche  Wasseruhr  von  der  Art  ge- 
braucht, wie  sie  erst  spät  von  Gtesibius  erfunden 
worden  ist.  Sie  verfuhren  dabei  vermuthlich  sehr  ein- 
fach, indem  sie  sich  eines  mit  einem  Hahn  versehenen 
Gefafses  bedienten,  aus  dem,  weil  es  durch  Züfiuis 
aus  einem  Wasserbehälter  beständig  gefüllt  blieb,  in 
gleichen  Zeiten  gleich  viel  Wasser  flofs ,  einer  auch 
von  den  griechischen  Astronomen  gebrauchten  Vorrich- 
tung, deren  Gleomedes,  Sextus  Empiricus, 
Theon,  Pappus,  Proclus  und  Macrobius  ge- 
denken *).  Wollten  sie  z.  B.  eine  Sternbedeckung  be- 
obachten, so  öffneten  sie  den  Hahn  mit  dem  Unter- 
gange  der  Sonne  und  sammelten  die  Wassermengen, 
die  bis  zur  Beobachtung  und  von  dieser  bis  zum  Auf- 


*)  Cleom.  Cjrclom.  1.  ü,  p.  75  cd.  Balf.  Sextus  adversus 
Jstrologos  1.  Y,  p.342  ed.  Fabr.  Theon  in  Almag.  LI,  p.6. 
1.  n,  p.  82.  1.  IV,  p.  196.  Pappus  in  dem  gröfstentheils  ihm 
angehörigen  Commentar  zum  fünften  Buch  des  Almagest  p.  261. 
Proklus  Hjrpotyp,  p.  107  der  Halmaschen  Ausgabe.  Macrob. 
in  Somn.  Scip.  I,  21.  Nach  Proklus  hatte  der  Mechaniker 
H  e  r  o  n  eine  eigene  Schrift  unter  dem  Titel  mpi  v^pMv  »po^xo- 
mi^v  geschrieben.  Yermuthlich  nannte  man  diese  Yon'ichtung 
eigentlich  v^piov  vpoffxonov.    Yermittelst  derselben  bestimmte  man 

I.  [15] 


226  Technische  Chronologie. 

gBDge  der  Sonne  ausfloMen.     Beide  Mengea  yerglichen 
sie  ent¥^er  durch  Abmessen  oder  Abwägen,    worauf 
sie  ganz  einfiM^h  schlössen:  wie  sich  die  Summe  beider 
zur  ersten  Terhält,    so  die  12  Stunden  der  Nacht   zu 
der  Anzahl  Stunden,  die  bis  auf  die  Beobachtung  ver- 
flossen sind.     Auf  diese  Weise  wurde  der  gesuchte  Au- 
genblick in  bürgerlichen  Stunden  gefunden,   die   sich 
dann  der  Polhöhe  und  der  Jahrszeit  gemäls  leicht   in 
astronomische  verwandeln  liefsen.      Sie  konnten  aber 
auch  die  letztem  unmittelbar  dadurch  bestimmen,  dals 
sie  die  beiden  Wassermassen ,  die  zwischen  dem  vorbei^ 
gehenden  Mittage,  der  Beobachtung  und  dem  nächstfol- 
genden Mittage  ausflössen,  mit  einander  verglichen. 

Von  dem  mko^  und  yvvijiüoy^  welche  die  Griechen 
naeh  Herodot  zugleich  mit  den  zwölf  Theilen  des 
Tages  von  den  Babyloniem  erhalten  haben,  wird  im 
folgenden  Abschnitt  die  Bede  sein. 


den  Bcheinbaren  DurchmeMer  der  Sonne,  indem  man  die  Zeit 
'  ihres  Durchgangs  durch  den  Horizont  mafs.  Dies  hiefs  den 
Durchmesser  h'  v^po^rrptcair  oder  ^i*  v^poXoylotp  suchen^  wie  Cleo- 
medes  und  Pappus  sagen.  Nach  Sextus  Empiricus  hat 
diese  Vorrichtung  den  Chaldäem  auch  zur  Eintheilung  des  Thier^ 
kreises  in  seine  zwölf  Zeichen  gedient.  Die  Genauigkeit  kann 
nicht  grois  gewesen  sein,  da  sich  von  der  Ekliptik  in  gleichen 
Zeiten  gleiche  Theile  weder  durch  den  Horizont,  noch  durch 
den  Meridian  schieben. 


Dritter  Abschnitt. 

Zeitrechnung  der  Griechen  überhaupt 
und  der  Athener  insbesondere. 


%/*/WVWi^tfV*/*^ 


B 


'ie  Griechen  haben  ursprünglich,  wie  alle  auf  einer 
niedrigen  Stufe  der  Cultur  stehende  Völker,'  vermnthlich 
blofs  Tag  und  Nacht  unterschieden^  die  durch  die 
auflallenden  Erscheinungen  des  Auf-  und  Untergangs 
der  Sonne  bedingt  werden«  Mit  der  Zeit,  so  wie  die 
Geschäfte  des  bürgerlichen  Lebens  sich  vervielfältigten 
und  theilten,  kamen  Mittag,  Mitternacht,  Tages- 
anbruch und  andere  Zeitbestimmungen  mehr  hinzu; 
Beim  Homer  finden  wir  in  dieser  Beziehung  schon  eine 
grofse  Mannigfaltigkeit*  Besonders  häufig  erwähnt  er 
den  Eintritt  der  Morgendämmerung,  den  Auf-  und  Un- 
tergang der  Sonne  und  den  Anbruch  der  Nacht,  min- 
der oft  den  Mittag. 

Ueber  den  Ausdruck  yvxrog  aixoky^i  den  er  Öfters 
gebraucht,  sind  die  Ausleger  verschiedener  Meinung. 
Einige  erklären  ihn  vom  Morgen  und  Abend  oder 
der  Zeit  xaJd-'  oy  a/x^/oua-i,  wo  man  melkt,  andere 
von  der  dunkeln,  tiefen  Nacht,  noa:  üuempesta, 
xo^-'  ov  fjLvj  dijLikyov<ni  wo  man  nicht  melkt.  Letztere 
Erklärung  ist  wol  die  richtigste;  denn  wenn  es  von 
dem  Gestirn  des  Hundes  heiist,  dals  es  mit  vielen  Ster- 

[15'] 


228  Technische  Chronologie. 

nen  funkele  yükt^  inokrf"),  so  ist  klar,  dafs  die  Uefe 
Nacht  gemeint  sein  müsse.  Noch  klarer  ist  dies,  wenn 
das  Epithel  pXaiyijs»  der  schwarzen,  dabei  sieht  *). 
Es  fragt  sich  nur,  wie  man  diese  Bedeutung  etymolo- 
gisch rechtfertigen  solle?  Dafs  man  ursprünglich  /lÄyciy 
sutt  i}jAyti»  gesagt  habe,  macht  das  lateinische  mulgere 
und  das  deutsche  melken  wahrscheinlich,  und  so 
könnte  der  Ausdruck  zu  einer  Zeit  enUUnden  sein,  wo 
l^iKytv»  noch  nicht  durch  dfjlkyiiv  verdrängt  war.  Viel- 
leicht steht  aber  auch  apoX/o^  mit  dem  Begi-iff  melken 
in  gar  keiner  Verbindung  '). 

Es  würde  uns  zu  weit  fuhren,  wenn  wir  hier  die 
nJilreichen,  zum  Theil,  wie  ayopa^  ttXijS'pujij;,  ßwkvro^  *), 

*)    //.  0,  324.    Man  vergleiche  hier  den  Eusttthius. 

')  Friedr.  Aug.  Wolf  hat  hier  am  Rande  meines  Manu- 
BcriptB  angemerkt:  „Die  Ei'klärung  xo^*  tv  jxiq  a^iiXyovn  ist  kaum 
„erwähnungsweitfa.  So  entstehen  schwerlich  Wörter:  denn  wie 
„Tiele  Zeiten  gibt  es  nicht,  wo  man  eben  nicht  melkt.  Mir 
„schien  dies  aUerschwierigste  homerische  Wort  immer  zu  dem 
„alten  sichera  a|x£Xyw  für  fiiXyw  zu  gehören,  nämlich  als  die 
„letzte  noch  dunkle  Nachtzeit,  zwischen  Mitternacht  und  Son- 
„nenaufgang,  wo  man  vermutldich  vor  dem  Austreiben  des  Viehs 
„molk.  So  pafst  überall  der  Sinn  der  homerischen  Stellen.  Wei- 
„ter  läfst  sich  hier  nicht  gehen,  als  auf  schwache  Wahi-schein- 
„lichkeit.  Immer  täuscht  der  Ausdruck  hiehin,  dorthin."  Der 
nächstens  erscheinende  zweite  Theil  von  Hm.  Buttmann'sLexi- 
logus  wii'd,  wie  Wolf  hinzusetzt,  vermuthlich  die  Sache  aufs 
Klare  bringen. 

*)  *Ayop5ff  «XnjSouoTjc  bezeichnet  die  Zeit  von  Morgen  bis  Mit- 
tag, wo  die  uyopety  der  Yersammlungsplatz  des  Volks,  mit 
Menschen  gefüllt  wai\  'Bovkvrog  heifst  die  Abendzeit,  wo 
man  die  Ochsen  ausspannt.  //.  ir,  779.  Od,i,  58.  Aratus 
sagt  dafür  v.  iil8  ßouXvVio;  Spa,  die  stierabspannende 
Stunde,   wie  es  unser  Vofs  gibt. 


Gaieghen.  229 

von  YerrichtUDgen  des  büi^;erlicben  Lebens  entlebnien 
Ausdrücke,  womit  die  griechiscbe  Spracbe  die  verschieb 
denen  Tfaeile  des  Tages  und  der  Nacht  bezeichnet,  sam- 
meln  wollten.  Die  yomehmsten  findet  man  beim  Pollux 
zusammengestellt  ^). 

Die  Zeiten  der  Nacht  konnten  die  Griechen  lange 
nur  aus  dem  Stande  der  Gestirne  gegen  den  Horizont 
abnehmen,  so  wie  sie  bis  zur  Einfuhrung  einer  festen 
Zeitrechnung  die  Jahrszeiten  nur  vermittelst  der  Er* 
scheinung  und  Yerschwindung  der  ausgezeichnetsten 
Gestirne  in  der  Morgen*  und  Abenddämmerung  zu 
erkennen  vermochten.  Es  war  daher  die  Kenntnis 
des  gestirnten  Himmels  unter  ihnen  weit  allgemeiner 
verbreitet ,  als  unter  uns.  Xenophon  berichtet  ') , 
Socrates  habe  der  Jugend  empfohlen,  sich  der  Stern- 
kunde zu  befleifsigen,  um  auf  Reisen  zu  Lande  und  zu 
Wasser  und  in  Lägern  die  Zeiten  der  Nacht,  des  Mo- 
nats und  des  Jahrs  zu  erkennen.  Um  die  Zeiten  der 
erstem  mit  einiger  Bestimmtheit  selbst  bei  bewölktem 
Himmel  ermitteln  zu  können,  merkte  man  sich,  welche 
Gestirne  im  Ost-  und  Westhorizont  standen,  wenn  der 
Krebs,  der  Löwe,  kurz  die  einzelnen  Zeichen  des  Thier« 
k^ises  aufgingen.  Sah  man  nun  irgend  ein  Gestirn, 
auch  nur  durch  Wolkenöffnungen,  im  Horizont,  so 
wufste  man,  welches  Zeichen  aufging,  woraus  man 
dann,  wenn  man  die  Jahrszeit  oder  das  Zeichen  kannte, 
worin  sich  die  Sonne  gerade  befand,  die  Zeit  der  Nacht 


*)    Onom.  I,  7,  68-72. 
»)    Memor.  IV,  7. 


230  Technische  Chronologie. 

^venigstens  im  Groben  abnehinen  konnte.  Aratus  wid- 
met diesem  Gegenstande,  den  awetvaroXai^,  einen  betrSIcbt- 
lichen  Tfaeil  seines  astronomischen  liehrgedichts  ^). 

Mit  Ausnahme  der  Clepsydnte,  die  jedoch  den 
Namen  der  Uhren  eben  so  wenig  verdienen,  wie  un- 
sere Sanduhren,  fehlte  es  den  Griechen  lange  an 
einem  künstlichen  Hülfsmittel  zur  Bestimmung  der 
Eeiten  der  Nacht.  Ein  solches  eriand  erst  der  unter 
Ptolemäus  Euergetes  II  (Physcon)  etwa  140  Jahre  y.  Chr. 
lebende  Mechaniker  Gtesibius  aus  AlexaQdria.  Es 
war  ein  auf  dem  Fall  des  Wassei^  benihendes  Uhrwerk, 
welches  das  ganze  Jahr  hindurch  die  bürgerlichen  Stun- 
den angab,  aber  nach  dem  veränderlichen  Stande  der 
Sonne  in  der  Ekliptik  und  der  davon  abhängigen  Länge 
der  Tag-  und  Nachtstunden  von  Zeit  zu  Zeit  gestellt 
werden  mu&te  und  schon  delsfaalb  wenig  Genauigkeit 
gewähren  konnte,  daher  wir  auch  von  dieser  Wasseiv 
uhr  — wpoXffyiov  vipavkmoy —  bei  den  Griechen  keinen 
sonderlichen  Gebrauch  gemacht  finden,  selbst  nicht  ein- 
mahl, wie  man  doch  glauben  möchte,  von  ihren  Astro- 
nomen; denn  nirgends  ist  von  ihr  beim  Ptolemäas 
oder  einem  seiner  Commentatoren  die  Rede  '). 

Die  KX£i//udpai  werden   zuerst  von  Aristophanes 
erwähnt^).     Es  waren  bronzene  Gefäise,   die,  bis  zu 


*)    T.  558  ff. 

*)  Die  Beschreibung,  die  Vitrurius  (IX,  9)  unter  dem  Na- 
men horologium  ex  aqua  von  ihr  gibt,  gewährt  keine  ganz  klai^ 
Ansicht  Ton  ihrer  Einrichtung,  die  künstlich  genug  gewesen  zu 
sein  scheint. 

')    Acham,  693.  Vesp.  93 ,  und  die  Schohen  daselbst. 


Griechen.  231 

einer  gewissen  Hölie  mit  Wasser  gefüllt,  sich  allraalig 
durch  kleine  im  Soden  angelnraclite  Oeffnungen  ausleep- 
ten,  und  besonders  vor  Gericht  gebraucht  wurden,  um 
die  Sachwalter  zur  Zusammendrängung  ihrer  Reden  zu 
nöthigen  ^)*  Auch  bediente  man  sich  ihrer  zur  Abmes- 
sung der  Wachen  — i^Xaxaä,  — ,  deren  die  Griechen, 
eben  so  wie  die  Römer,  vier  auf  die  Nacht  rechneten  '  )• 
Wie  sie  zu  diesem  Behuf  eingerichtet  waren,  ersehen 
wir  aus  dem  Taktiker  Aeneas  ^).  Man  gab  ihnen  eine 
solche  Weite,  dafs  sie  den  vierten  Theil  der  längsten 
Itacht  zumafsen,  und  verengte  sie  dann  allmälig  durch 
Anklebung  einer  bestimmten  Quantität  Wachs,  so  wie 
die  Nächte  kürzer  wurden.  Dafs  man  sich  bei  heiterm 
Himmel  in  4len  Lagern  auch  nach  dem  Stande  der  6e* 
stime  gerichtet  habe,  lehrt  die  aus  Xenophon  ange- 
führte Stelle  (229). 

Die  hydraulisdie  Uhr  des  Ktesibius  kommt  bei 
den  Griechen  nirgends  unter  der  Benennung  kKE\pvipcL 
vor.  Wenn  also  Suidas  von  diesem  Worte  aufser  der 
gewöhnlidien  Erklärung  auch  noch  folgende  g:ibt:  t,Ein 
,, astronomisches  Werkzeug,  womit  man  die  Stunden 
,,mifst,"  so  meint  er  vermuthlich  die  oben  (225)  er- 
wähnten vdpiA  wpocrxoTra,  welche  die  alten  Astronomen 
zu  ihren  Zeitbestimmungen,  besonders  bei  nächtlichen 
Beobachtungen,  gebrauchten.  Diese  müssen  mithin 
auch  jikExfjv^pcu  genannt  .worden  sein ,  und  wirklich  sagt 
Martianus   Capeila  in  einem    Kapitel    des    achten 


*)    Wir  werden  unten  in  der  romischen  Zeitrechnung  auf 
diesen  Gebrauch  zurückkommen. 

^)    Suidas  T.  icpofuXtfxq. 

^)    c.  22. 


232  Technische  Chronologie* 

Boclis,  das  also  an&ngt :  Luna  minor  est  orbe  suo  seop- 
oendes  ^),  da(s  man  dies  yermittelst  derClepsydrae  ge- 
funden habe.     Nach  Athen  aus  soll  sich   Plato  eine 
Nachtuhr  -^wpokiytov  ywcrtpvm  — »  der   hydraulischen 
ähnlich,  yerfertigt  haben,  wie  eine  groise  xXnpv^pa  ge- 
staltet ').     Yermuthlich  ist  damit  eine  der  eigentlichen 
Clepsydra  ähnliche  Vorrichtung  gemeint ,  wodurch  sich 
der  Philosoph  eine  bestimmte  Zeit  des  Schla&  lumafs. 
Der  Ausdruck  wpokoytoy  scheint  irrigerweise  yon  einem 
spätem  Schriftsteller  auf  dieses  Werkzeug  angewendet 
worden  zu  sein* 

Am  Tage  schlols  man-  anCsings  die  Zeit  aus  der 
Stellung  der  Sonne  gegen  irdische  Gegenstände  und 
aus  der  Lange  und  Richtung  des  Schattens.  Man  be- 
merkte bald,  da£s  der  Schatten  zu  Mittage  am  kürzesten 
sei  und  immer  einerlei  Richtung  habe.  Um  demnach 
diesen  wichtigen  Zeitpunkt  des  Tages  genau  und  die 
Vor-  und  Nachmittagsstunden  wenigstens  im  Groben 
zu  erkennen ,  wird  man  frühzeitig  auf  den  Gebrauch 
des  Gnomons  (26)  gefallen  sein.  Yon  dieser  einfachen 
Vorrichtung  (das  Wesentliche  derselben  bestand  in 
einer  auf  einem  horizontalen  Boden  gezogenen  Mittags- 
linie und  einem  senkrecht  darüber  errichteten  Stift, 
Stab  oder  Obelisk)  sind  allmälig  die  Sonnenuhren 
-T-WjOoXoyta  'qKietxat  oder   OTcio^ripixct —  bei  den  Griechen 


^)  Soll  heifsen :  der  schieinbare  Durchmesser  des  Mondes  (45) 
ist  600 mal  kleiner  als  dei*  Umfang  seiner  scheinbaren  Bahn,  also 
Ideinci-  als  J^  Grad  oder  36  Minuten, 

')  JDeipn,  1.  IV,  p.  174  ed.  Gasaub.  An  einer  andern  Stelle 
(1.XIII,  p.567)  ist  Ton  einer  ka/pa  die  Rede,  die  den  Namen 
i(X^rv>pa  erhielt  9  hnt^i^  npiq  xTa^ii^pav  ovrouc^iy,   Ug  n$¥v^. 


Gbtbchen«  233 

ausgegangen;  denn  bei  denselben  stand  der  Scbatten- 
zeiger  — yvwiiwif —  in  der  Regel  vertikal,  da  er  bei  un- 
sem  Sonnenuhren,  die  nicht  die  veränderlichen  Stun- 
den, sondern  eine  gleichförmige  S^eiteintheilung  geben, 
in  der  Richtung  der  Weltaxe  li^.  Unsere  Gnomonik 
ist  daher  eine  ganz  andere,  als  die  der  Alten  ^). 

Herodot  sagt  in  den  oben  (85.)  angeführten  Worten, 
dals  die  Griechen  zugleich  mit  der  Stundeneintheilung 
des  Tages  auch  die  Sonnenuhren  von  den  Babyloniem 
entlehnt  haben«  Scaliger  hat  nämlich  den  vermuth-> 
lieh  treffenden  Gedanken,  dafs  7c6ko^  die  frühere  Benen- 
nung für  wpokoyiov  bei  den  Griechen  gewesen  sei  *). 
Zu  dem  von  ihm  aus  Pollux  angeführten  Fragment 
des  Aristophanes,  das  nicht  ganz  klar  ist,  wollen 
wir  eine  Stelle  aus  dem  Lexiphanes  des  Lucian  fü- 
gen, einem  Dialog,  worin  diejenigen  verspottet  werden, 
die  veraltete  Ausdrücke  in  ihre  Rede  mischen.  Es  heifst 
daselbst^):  „wir  werden  bald  nachfolgen,  denn  schon 
„beschattet  der  Gnomon  die  Mitte  des  Polos  ^).'*  Selbst 
in  spätem  Zeiten  noch,   wo  das  Wort  wpokoyiov  längst 


^)  Gute  historisclie  Nachrichten  von  der  letztem  gibt  Mar- 
tiiii*8  Abhandlung  von  den  Sonnenuhren  der  Alten 
(Leipzig  1777,  8),  und  tiefgreifende  Untersuchungen  über  die 
Gonstruction  dieser  Uhren  van  Beck  Galkoen^s  Disseriatio 
mathemalico "  antiquaria  de  horologiis  veterum  sciothericis, 
cui  accedit  theoria  solariorum,  horam,  azimuthum  et  aliitU" 
dinem  solis  una  exhibentium  (Amsterdam  1797,  8J. 

»)    Ad  ManiL  1.  m,  p.  254  ed.  1599,  4. 

')    C.4.    Opp.  Tom.V,  p.l82  ed.  Bipont. 

*)  ...  ]ikTr\¥  Tijy  iroXov.  Hiernach  war  das  Wort  in  dieser  Be- 
deutung weiblich. 


234  Technische  Chronologie. 

im  Gebiauch  war,  mufs  eine  der  fielen  Arten  von  Son* 
nenuhien  der  Alten  roXo$  geheiiaen  haben;  denn  beim 
Pollux  ^)  ist  yon  einem  runden  Becken  die  Rede  mit 
dem  Beisatz:    „Es  glich  dem  Polos,   der  die  Stunden 
„zeigt."     Es  war  auch   ganz  passeml,  die  Sonnenuhr 
mljo^  zu  nennen ;  denn  das  Wort  hängt  mit  icokiwj  tto^ 
Xet^,  drehen,    wenden,   zusammen,  und  Lann  eben 
so  gut  Ton  einem  Instrument  gebraucht  werden,    das 
durdi    den    sich  drehenden  Sdiatten  eines   vertikalen 
Stifts  die  Stunden  angibt,  als  von  den  Wendepunkten 
der  Himmels-  und  Erdkugel. 

Wenn  nun  aber  mXo^  beim  Herodot  die  Son* 
nenuhr  heilst,  warum  fiigt  er  noch  yvuifxwv  hinzu,  da 
dies  ein  wesentlicher  Theil  der  Sonnenuhr,  nämlich 
der  Schattenstift,  ist?  So  fragt  Larcher.  Ihm 
seheint  es  natürlich,  dais  Herodot  bei  Gelegenheit 
der  Sonnenuhr  (diese  ist  seiner  Meinung  nadi  durch 
ymfim  angedeutet)  des  Weltpols  gedenke,  weil  der- 
jenige, der  eine  Sonnenuhr  constmjren  wolle,  die  Pol- 
höhe kennen  mässe,  ,,um  den  Gnomon  der  Weltaxe 
„parallel  zu  richten."  Man  sieht,  er  hatte  keine  Idee 
von  den  Sonnenuhren  der  Alten.  Herodot  konnte 
eben  so  gut  ttoXo;  und  yvvofiuw  zusammenstellen,  wie 
Suidas  (ipokoyiov  und  yrnfM/Dy,  wenn  er  die  Einnihrang 
beider  dem  Anaximander  beilegt*);  denn  der'Gno- 
mon  wurde,  auch  ohne  Verbindung  mit  der  Sonnen- 
uhr, gebraucht,  nicht  blofi  zu  dem  vorhin  (232)  an- 
gedeuteten Behuf,  sondern  auch,  um  aus  der  Länge 
des  Mittagschattens  die  Jahrszeiten ,  besonders  die  vier 


*)    VI,  49.  4!0. 


Griechen.  235 

HanptabBchmUi^  des  Jahn»  die  SonnenweiKlen  und 
Nachtgl^chen,  zu  erkennen. 

Es  ist  in.  der  That  sehr  wahrscheinlicli,  da&  es  der 
etwa  hundert  Jahr  vor  Herodot  ld)ende  Anaximander 
war,  der  zuerst  seine  Landsleute  mit  dieser  Erfindung 
des  Orients  bekannt  machte;  denn  nach  Plinius  ^) 
war  er  der  erste  Grieche,  der  die  Schiefe  der  Eklip- 
tik wahrnahm,  oder  vielmehr  mafs ,  wozu  sich  ihm 
kein  anderes  Mittel  darbot,  als  die  Beobachtung  des 
Mittagsschattens  am  Gnomon.  Ob  er,^  wie  Suidas  und 
Diogenes  Laertius^)  versichern,  auch  schon  eine 
Sonnenuhr  aufgestellt  hat,  oder  ob  es,  wie  Plinius 
sagt  ^),  sein  Schüler  Anaximenes  war,  der  das  erste 
horohgium  scioihericon  errichtete,  steht  dahin.  Auf 
jeden  Fall  mufs  man  sich  abei^  diese  ersten  Versuche 
noch  sehr  roh  denken.  Es  gingen  ein  paar  Jahrhun* 
derte  hin,  ehe  die  Gnomonik  die  YoUkommeaheit  ei> 
reichte,  zu  der  sie  bei  den  Alten  gelangt  ist.  Es  ge^ 
schah  dies  nicht  vor  Errichtung  des  alexandrinischen 
Museums,  wo  die  sich  entwickelnde  praktische  Astro- 
nomie das  Bedürfnifs  einer  genauen  Zeitmessung  zuerst 
recht  fühlbar  machte. 

Noch  zur  Zeit  des  Aristophanes-  scheint  man 
sich  zu  Athen  mit  einem  bloisen  Gnomon  ohne  Stun- 
denabtheilung  beholfen  zu  haben  \  denn  er  spricht  ein- 
mahl ^)  von  einer  «zehnfüfsigen  Schattenlänge 
—  g-oix'^iov  iBxiTTovy  — ,  bei  der  jemand  zum  Essen  gela- 


*)  //.  iV.  n,6. 

•)  Ve  vil.  Phil  n,  1,3. 

')  Jf.  N.  n,  78.  i 

♦)  EccL  648.    Vagi,  daselbst  das  SchoHon.    * 


/  r 
.  I 


236  Technische  Chronologie. 

V 

den  sei,  woraus  hervorgeht,  dafs  man,  in  Ermangelung 
genauerer  Bezeichnungsmitlel,  die  Zeit  eines  Gastmahls 
nach  der  Lange  des  Schattens  bestimmte.  Selbst  noch 
späterhin,  wo  man  schon  Sonnenuhren  hatte,  pflegte 
dies  zu  geschehen,  wie  aus  Plutarch  ^)  erhellet*  Auch 
sechs-  sieben-  zwölf-  und  zwanzigfüfsige 
Schattenlängen  fiinden  sich  in  gleicher  Beziehung  er- 
wähnt '). 

Das  Wort  $-oix«5bv>  das  in  dergleichen  Fällen  ge- 
braucht wird,  soll  offenbar  nichts  weiter  als  die  Länge 
des  Schattens  bezeichnen,  was  auch  PoUux  aus- 
drücklich sagt^).  Es  war  ganz  schicklich  gewählt,  da 
diese  Länge  das  Element  der  ganzen  Zeitbestimmung 
war.  Sollte  sie  aber  wirklich  dafür  gelten,  so  muisten 
Ort  (Polhöhe) ,  Jahrszeit  und  Höhe  des  Gnomons  ge- 
geben sein.  Man  kann  sich  vorstellen,  dafs  irgendwo 
zu  Athen  auf  einem  mit  Quadern  belegten  Boden  ein 
Gnqmon  stand,  der,  mit  concentrischen  Kreisen  von 
bestimmten  in  Fufsen  ausgedrückten  Halbmessern  um- 
geben, zum  allgemeinen  Regulator  diente.  Yielleicht 
hatte  es  aber,  auch  mit  dieser  Zeitbestimmung  eine  noch 
viel  einfachere  Bewandtnifs. 

Beim  Hesjchius  heilst  es*):  ,,Man  mafs  die 
,, Schatten  mit  denFüisen,  um  die  Stunden  zu  erken- 


*)    De  adul.  et  amici  discrim.  c.5. 

^ )    Die- Stellen  sind  von  Gasaubonus  gesammelt.    Comment. 
in  Athenaeum  1.  YI,  c.  10. 

wä  ^oix}toif  iwiXow.     YI,  8,  44. 


Griechen«  237 

,,nen;^'  und  anderswo  ^) :  ,,An  dem  Schatten  des  Kör- 
,,pers  nahm  man  die  Stunden  wahr/'  Was  sich  hier- 
aus schon  mit  ziemlicher  Sicherheit  schliefsen  läfst, 
sagt  eine  von  Salmasius')  beigebrachte  Stelle  eines 
spätem  Griechen  mit  aller  Bestimmtheit*  Sie  lautet 
also:  ,,Du  mufst  die  Stunden  aus  deinem  Schatten  ab* 
,, nehmen,  indem  du  die  Länge  desselben  mit  deinen 
,,Fü£5en  ausmissest,  einen  vor  den  andern  hinsetzend 
„bis  zu  der  Stelle,  wohin  bei  vertikaler  Richtung  dei- 
,,nes  Körpers  der  Schatten  deines  Scheitels  trifft^)." 
Hatte  man  nun  eine  Tafel  zur  Hand ,  welche  unter  ei- 
ner bestimmten  Polhöhe  und  fiir  bestimmte  Jahrszeiten 
die  Schattenläuge  eines  Gnomons  von  fiinf  Fuis  von 
Stunde  zu  Stunde  angab,  so  durfte  man  nur  auf  die 
hier  angedeutete  höchst  einfache  Weise  die  Länge  sei- 
nes Schattens  messen,  um  die  Stunde  wenigstens  im 
Groben  zu  erkennen ;  denn  da  bei  jedem  nicht  ganz 
unproportionirt  gewachsenen  Menschen  die  Länge^  des 
Fufses  in  einem  ziemlich  constanten  Verhältnisse  zur 
Höhe  des  Körpers  steht,  so  kann  letzterer,  er  sei  so 
gro&  oder  klein  er  wolle,  die  Stelle  des  gedachten 
Gnomons  vertreten. 

Es  läfst  sich  wol  nicht  bezweifeln,   dais  man   im 
Alterthum  bei   Ermangelung  von  Sonnen-  und  Was- 


')    Exerc,  Plin,  in  Solin,  p.  455. 

^)  Alf  et  Totyapoui/  OTjjbifiouo-dat  refc  wpaj  ^rrpovvra  Tijy  o*i«vtow 
o-xcav  Totc  l^loiq  -noa-lv  li/  ti}  jUTUTi^ivat  tva  icaf  tva  fpo^a,  ?ui(  tou 
tonov  IvBa  hv^t  t3  axpov  ti^c  M^aXrig  orov  iv  tu}  Ig-av^al  o-t  ipB^v 
xtnavTYia-av  hei  v^g  amaq*  Theodorus  in  epistola  ad  Theo» 
philum. 


238  Techniscfie  Chronologie. 

seniliren,  deren  Gebrauch  unmer  sehr  beschränkt  ge- 
blieben sein  mufs^  auf  diese  Weise  die  Stunden  be- 
stimmt habe.  Aber  schon  vor  Einführung  der  eigent- 
lichen Stundenmesser  hatte  man  hieran  ein  Mittel,  .ir- 
gend eine  Zeit,  z.B.  die  eines  Gastmahls,  cu  belieh- 
nen, das  wenigstens  beim  Sonnenschein  für  einen  dürf- 
tigen Sldlvertreler  unserer  Uhren  gelten  konnte. 

Da,  wie  wir  gesehen  haben,  die  Sonnenuhren  Bei 
den  Griechen  erst  spät  zu  einiger  Yollkommenheit  und 
die  Wasseruhren  noch  ^ter  in  Gebrauch  kamen,   so 
muiste  die  Stundeneintheilung  des  Tages,    die  sie 
schon  vor  Herodot  aus  dem  Orient  entlehnt  hatten, 
ein  paar  Jahrhunderte  bei   ihnen  &st  ganz  unbenutzt 
bleiben.     Es  dauerte  selbst  lange,    ehe  das  Wort  äpa 
far  Stunde  m  Umlauf  kam.     Herodot  kennt  es  in 
dieser  Bedeutung  noch  nicht ;  sonst  würde  er  nicht  Ton 
den  zwölf  Theilen  —  fjIpBO,  ^  des  Tages  gesprochen 
haben.      Beim  Xenophon    ist   an   der   angezogenen 
Stelle  von  der  wpa  der  Tracht,    des  Monats  und  des 
Jahrs  die  Rede,  die  uns  die  Astronomie  kennen  lehren 
soll.    Das  Wort  bezeichnete  also  ursprünglich  die  Zeit 
im  Allgemeinen,  besonders  die  Tages-  und  Jahrszei* 
ten.     Es  steht  bei  den   frühem   Schriftstellern  öfters 
so,   dafs  man  es  auf  den  ersten  Blick  fiir  Stunde  zu 
nehmen   geneigt  ist  und  es  auch  so  übersetzen  kann, 
z.  B.  wenn  es  beim  Xenophon  an  einer  andern  Stefie  *) 
heilst,  dais  man  die  wpa;  bei  Tage  mit  Hülfe  der  Sonne, 
und  bei  Nacht  vermittelst  der  Sterne  erkenne.     Es  ist 
hier  aber  gewils   noch  an  keine  eigentlichen  Stunden 
zu  denken.     Dies  ist  auch  Hindenburg's  Meinung, 


*)    Memor.  IV,  3. 


Grieghbn.  239 

der  in  seinen  AnmeriLongen  zu  Xenophon's  Memo- 
räbilien  *)  gründliche  Untersuchungen  über  diesen  Ge- 
genstand anstellt.  Erst  als  zu  Alezandria  die  Scmnen* 
uhren  yervollLommnet  und  vervielfacht  ¥nirdenf  ging 
die  lange  unfinchtbar  gebliebene  Stundeneintbeilung  des 
Tages  ins  Leben  über,  und  nun  ward  das  Bedürfnifs 
eines  eigenen  Worts  für  Stunde  gefühlt.  Man  wählte 
dazu  wpou  Der  Uebergang  von  der  altem  schwanken* 
den  Bedeutung  zu  der  spätem  bestimmten  scheint  fol- 
gender gewesen  zu  sein:  man  nannte  die  Sonnen-  und 
späterhin  die  Wasseruhien  wpokoyta  oder  dpoffxoTrui,  weil 
sie  die  Zeiten  —  wpa;  —  des  Tages  zumafsen,  und  diese 
Benennung  gab  dann  Anlafs,  die  bestimmten  Zeittheile, 
die  jene  Uhren  angaben,  selbst  tSpag  zu  nennen.  Wie 
es  scheint,  sind  es  die  Astronomen  gewesen,  die  das 
Wort  zuerst  in  dieser  Bedeutung  gestempelt  haben; 
wenigstens  hat  Hipparch,  etwa  140 Jahre  v.Chr., 
schon  häufig  tSpa  für  Stunde  gebraucht,  wie  wir  aus 
dem  Almagest  ersehen.  Mit  den  Sonnenuhren  ging 
das  Wort  zu  den  Römern  über. 

Leo  Allatius  behauptet'),  dals  die  Eintheilung 
des  Tages  in  zwölf  Theile  nicht  blols  zu  Plato's  und 
Aristoteles  Zeiten,  sondern  selbst  noch  firüher,  zu- 
gleich mit  der  Benennung  wpa,  den  Griechen  schon 
ganz  geläufig  gewesen  sei.  Zum  Beweise  citirt  er  eine 
Stelle  des  erstem^),  wo  es  von  gewissen  Weibern  heilst, 
dafs  sie  sich  täglich  im  Tempel  der  Bith  jia  versammeln 
sollen  bis  zum  dritten  Theil  einer  Hora  —  läxpt 


*)    S.  470  ff. 

')    De  mensura  temporum  (Cölnl645, 8}  c.IV,  p.34. 

')    I>e  legg.  1.  VI,  p.  784  ed.  Steph. 


240  Technische  Chronologie. 

rplrw  läpovg  wpa;.  Der  ganze  Ziuammenhang  lehrt  aber, 
dafs  an  einen  Zeitraum  von  20  unserer  Minuten  nicht 
zu  denken  ist ,  wenn  gleich  das  Wort  wpa  als  Bezeich* 
nung  eines  abgeschlossenen  Zeitraums  hier  auf  eine  etwas 
ungewöhnliche  Weise  gebraucht  wird.  Es  scheint  dar- 
imter  die  den  Geschäften  gewidmete  Zeit  des  Tages  ver- 
standen zu  werden;  denn  wpa  heifst  auch  die  rechte 
Zeit,  die  Zeit  der  Reife,  der  Thtttigkeit,  der  Kraft. 
Yom  Jahr  gebraucht  ist  es  der  Sommer,  vom  Tage 
die  Zeit  der  Geschäfte,  vom  Leben  die  Jugend. 

So  wie  die  Griechen  ursprünglich  die  Zeiten  des 
Tages  nur  vermittelst  der  Richtung  und  Lange  des 
Schattens,'  und  die  der  Nacht  nur  durch  Beobachtung 
des  gestirnten  Himmels  zu  unterscheiden  vermochten, 
bis  sie  endlich  die  gedachten  Zeitmesser  erhielten,  die 
jedoch  nur  wenig  verbreitet  gewesen  sein  können,  so 
gebrach  es  ihnen  auch  lange  an  jedem  ändern  Hülfs- 
mittel  zur  Erkennung  der  Jahrszeiten  .als  solchen, 
die  ihnen  die  Natur  selbst  darbot.  Dahin  gehörte  das 
Konmien  und  Gehen  der  Zugvögel.  Beim  Aristophanes 
läfst  sich  der  Chor  der  Yögel  im  Wesentlichen  also 
vernehmen  *):  ,,Wir  verkündigen  die  Zeiten  des  Früh- 
,,lings,  Sommers  und  Winters;  die  des  Säens  und  der 
„aufhörenden  Schiflahrt,  wenn  der  schreiende  Kranich 
,,nach  Libyen  entweicht*  Die  ankommende  Weibe 
„zeigt  an,  wann  den  Schafen  die  Frühlings  wolle  zu  neh- 
,,men,  und  die  Schwalbe,  wann  das  warme  Winterkleid 
,,mit  dem  leichten  Sommergewande  zu  vertauschen  ist." 
Schon  dem  Hesiodus  gilt  das  Geschrei  des  fortziehen- 
den   Kranichs    als    ein    Vorbote    des    herannahenden 


•)    Aves,  710  ff. 


Gaikch&n.  241 

Winters  *),  Aucb  nahineii  späterhin  die  Astronomien 
dergleichen  natüiliche  Merkmale  in  ihre  Kalender  auf , 
wie  wir  aus  dem  Geminus  ersehen  '),  in  dessen  Pa- 
rapegma  Angaben  wie  x^^^^  ^loiyETai,  ücmog  <f^aiy£TflU, 
die  Schwalbe,  die  Weihe  läfst  sich  sehen,  den 
Fizstemerscheinungen  beigemischt  sind. 

Besonders  aber  waren  es  die  Auf-  und  Untergänge 
der  Sterne  in  der  Morgen-  und  Abenddämmerung  (50), 
die  man  in  Ermangelung  eines  festen  Sonnenjahi'S  und 
unserer  Kalender  als  Signale  der  Jahrszeiten  beob- 
achtete. 

Ursprünglich  scheint  man  das  Jfibr  nur  in  Som- 
mer und  Winter  getheilt  zu  haben.  Als  Merkmale 
dieser  beiden  Hauptabschnitte  diente  den  Griechen  und 
Römern  der  Frühauf-  und  Untergang  der  Ple- 
jaden.  Beim  Aratus  heifst  es  ^):  ,,In  geringer  Zahl 
,,und  mit  mattem  Schimmer,  aber  allgemein  bekannt, 
,, kreisen  sie  früh  und  spät  auf  Jupiters  Geheifs,  der 
,, ihnen  den  beginnenden  Sommer  und  Winter,  und 
,,die  herannahende  Saatzeit  zu  verkündigen  geboten." 
Plinius  sagt  ^) :  f^ergiliaram  exortu  aestas  incipit,  ac- 
casu  hiemSy  semestri  spatio  intra  se  messes  "vindemiaS" 
que  et  ommuni  maturitatem  complexae.   Hesiodus  ge- 


*)    Opp.  et  d.  448. 
*)    Isag,  c.  46. 

)      AI  itlv  9ttw9  oX/yai  iMct  d^ryyUs%    oAX*  ai/a/i|i|fdnV . 
^H^i  *ta<  tmi^tatf    Zius  ^'  atrtoSf    ilkhrroirrcu, 
"O9  Tt^tn  tut*  &*^us  Hai  x''*t***^*9  <i^x°f^^*^ 
X^F^alvetv  iniXtuntf,   im^%9iuv9it  r'a^oroio.  * 

*)    H.  N.  XVra,  69. 


[16] 


242  Technische  Chronologie. 

denkt  beider  Ersclieinüngen  in  gleichem  Sinn,  nur  dais 
er  statt  des  beginnenden  Sommers  und  Winters  die 
Zeilen  des  ajuitjToj  und  0/50x05,  der  Ernte  und  des  Pflü- 
ge n  s  setzt  ^ ) .  Die  Ernte  fing  also  im  Klima  von  Griechen- 
land ungleich  finiher  an,  als  bei  uns;  denn  der  Früh- 
aufgang des  Siebengestims  erfolgte  zu  Hesiodus  Zeit 
(etwa  800  Jahre  v.Chr.)  und  unter  dem  Paralld  von 
3d  Grad,  der  mitten  durch  Griechenland  hinstreicht, 
am  19. Mai  des  julianischen  Kalenders,  welches  Datum 
damals  mit  Bezug  auf  die  Nachtgleichen  die  Stellung 
unsers  Uten  gregorianischen  Mais  hatte.  Unter  opo- 
To$  versteht  der  Dichter  die  Zeit  der  Wintersaat, 
die  mit  dem  beginnenden  x^^M^^»  ^«^^  ^^^  nassen  und 
stürmischen  Jahrszeit  (einen  Winter  nach  unserer 
Art  kennt  Griechenland  nicht)  eintrat.  Als  Merkmal 
dieser  Zeit  diente  der  Frühuntergang  der  Plejaden, 
welcher  für  ihn  am  3ten  julianischen  November  er- 
folgte ,  der  unserm  26.  Oktober  analog  ist.  Die  Dau 
beider  Erscheinungen  liegen,  wie  man  sieht,  £ist  um 
ein  halbes  Jahr  auseinander.  Die  Alten  nahmen  gerade 
ein  halbes  Jahr  an,  wie  wir  aus  Theophrast*)  und 
aus  obigen  Worten  des  Plinius  ersehen. 

So  wie  maix  bei  fortschreitender  Cultur  die  beiden 
Haupttheile  des  wx^fJiepoy,  Tag  und  Nacht,  in  mehrere 
kleinere  zerfällte,  um  die  Tageszeit  näher  bezeichnen 
zu  können,  so  wird  man  auch  bald  den  Klimaten  und 
bürgerlichen  Geschäften  gemäfs  mehrere  Zeiten  im  Jahr 
unterschieden  haben.  Natürlich  theilte  man  zunächst 
den  langen  Winter  in  zwei  Abschnitte,   in  die  Zeiten 


»}    C^p,  et  d,  383. 

^)    De  signis  pluviarum  p.  417. 


G  RIECHER.  243 

der  ruhenden  und  erwachenden  Natur.  So  hatte  man 
einen  beschränktem  X'^^'F^^  ^^^  einen  Frühling  —  liotpw 
Den  Sommer  theilte  man  in  einen  Früh-  und  einen 
Spätsommer  — 3ipog  und  oWpa — ohne  jedoch  Leide 
so  scharf  zu  unterscheiden ,  wie  den  Winter  und  Früh- 
ling. Einen  Herbst  in  unserem  Sinne  des  Worts, 
als  Uebergangsperiode  vom  Sommer  zum  Winter,  schei- 
nen die  altern  Griechen  eben  so  wenig  gekannt  zu 
haben,  wie  die  alten  Deutschen,  von  denen  Tacitus 
sagt:  jiutumni  perinde  nomen  ac  bona  ignorüntur  ^)« 
Als  Beleg  hiezu  dienen  folgende  Stellen  der  beiden  tfl<- 
testen  Dichter. 

Homer  unterscheidet  sehr  bestimmt  Winter, 
Frühling  und  S  am m  e  r.  Die  lürmend  einherzieten- 
den  Troer  mit  den  Kranichen  vergleichend,  sagt  er, 
dafs  diese,  den  x^^j^^'  ^^id  unsäglichen  Regen  meidend, 
mit  Geschrei  ^avon  fliegen  *),  wo  unter  x^ipJy  offenbar 
eine  unserm  Winter  analoge  Jahrszeit  verstanden 
wird.  Die  Nachtigal  singt,  „wenn  sich  der  Frühling 
,,  — top —  erneuet^)."  Den  Sommer  im  Gegensatz 
des  Winters  nennt  er  ^ipog.  So  sagt  er,  dais  es  dem 
Garten  des  Alcinous  nie  an  Früchten  mangele,  weder 
im  X«^l**  ^^^  *°^  ^^P05  *)•  Ein  paarmahl  stellt  er  ä4^ 
pog  und  oTTwpa  zusammen,  z.B.  in  folgendem  Verse:  ' 

AvT«rp  Imjy  Ü^at  Bipog^  r^aXvta  t*  «rwpij. 
Od.  X,  191/ 

*)  De  mor,  Germ.  c.26.  Diese  Behauptung  ist  um  so  auf- 
fallender, da  harvest^  Herbst^  gewils  ein  uraltes  gennanisches 
Wort  ist. 

^)     Od.  T,  5i9. 
*)     Od.  n,  118. 

[16^ 


244  Technische  Chronologie. 

Man    übersetzt    hier    oTrwpa   gewöhnlich ,     aber    irrig , 
durch  Herbst;    denn  wenn  gleich  die  orcdpa   bei   dem 
Dichter,  wie  unser  Herbst,  zwischen  ^Ipog  und  x^^M^*' 
li^,  so  nahm  sie  doch  yiei  früher  im  Jahr  ihren  An- 
fing, indem  sie  zugleich  die  heifse  Jahrszeit  in  sich  be- 
griff.    Wir  ersehen  dies  aus  einer  Stelle  der  Iliade  '}, 
wo  es  von  dem  Hundsstern  heifst,  dafs  er  in  der  oTruipa 
aufgehe,  we&halb  ihn  auch   der  Dichter  an  einer  an- 
dern ')   dfvjp  oTFwptvog   nennt.      Dieser  Stera  ging  aber 
zu  seiner  Zeit  und.  in   seinem  Klima  gegen  Ende  des 
Julius  in  der  Morgendämmerung  auf,  yon  welcher  Er- 
scheinung allein  die  Rede  sein  kann.     Aristoteles') 
und  Theophrast^)  setzen  gar  den  Frühaufgang   des 
Orion,  der  noch  einen  halben  Monat  eher  erfolgte,    in 
den  Anfang  der  onfipeu     Man  sieht  also,  dafs  die  Jahrs- 
aeit  oTTwpa  yon  einem  weit  grÖ&ern  Umfange  war,   als 
unser  Herbst;   sie   nahm   mit  dem  heifsesten  Sommer 
um'  den  Frühaufgang   des   Sirius  ihren  Anfang,   und 
dauerte  bis  zum  Frühuntergange  der  Plejaden,   wo  sie 
sich  an  den  stürmischen  x^^M^v   anschlofs.     Es  ist  die 
Zeit,  wo  die  Baumfrüchte  reifen,  daher  auch  das  Obst 
selbst  oWpa  genannt  wird.     Da  sich  also  die  oTriipa.  bis 
rom.xeiMw»'  erstreckte,  so  konnte  Hesiodus,  wenn  er 
den  Schiffer  warnen  will,  mit  der  Heimreise  nicht  allzu 
lange  zu  zögern  *],  füglich  dem  Regen,  mit  demi  sich 

*)  -,5. 

')  Problem,  XXVI,  14. 

*)  De  ventis  p.  4H. 

•)  Opp.  ei  d.  674. 


Griechen.  245 

der  x^^f^y  ankündigt,  das  Beiwort  oTPwpwog  befl^n, 
das  hier  durch  herbstlich  übersetzt  werden  kann* 
Als  sich  der  Begriff  unsers  Herbstes  unter  der  Be- 
nennung ixBTOTTwpov  oder  <f>^Lv67rwpov ,  d.i.  der  nach  der 
ojrdpa  folgenden,  sie  beschliefsenden  Zeit,  gebildet  hatte, 
beschränkte  man  oTrwpcL  auf  die  spätere  und  heiiseste 
Periode  des  Sommers.  So  erklärt  sie  Eustathius  *). 
Endlich  machte  man  oTrdpoi  ganz  zu  dem,  was  wir 
Hundstage  nennen,  nämlich  zu  der  Zeit,  welche  die 
Sonne  im  Zeichen  des  Löwen  zubringt.  ,,Der  Sommer 
,,(3'lpo5),  sagt  Olympiodor*),  wird  eingetheilt  in  J9'£po$, 
,,wo  sich  die  Sonne  im  ELrebs  und  in  der  Jungfrau  be- 
,, findet,'  und  in  oWpo,  wo  sie  im  Löwen  ist."  Hiernach 
zerfiel,  wie. man  sieht,  der  Sommer  iii  drei  Perioden 
von  ziemlich  gleicher  Dauer,  wovon  die  erste  und  dritte 
^ipog  und  die  zweite  oTTuopa.  genannt  wurde. 

Den  eigentlichen  Herbst  kennt  Homer  noch 
nicht.  Beim  Hesiodus  findet  sich  zuerst  eine  Spur 
davon,  indem  er  das  Adjectiv  fjLBTOTFwpkvog  als  Synonym 
von  oT^pivo^  in  obiger  Bedeutung  gebraucht^).  Auch 
er  erwähnt  die  drei  JahrszeiUen  x^^M^^»  ^^9  ^^^  ^^P^ 
nicht  selten ,   z.  B.  bei  Gelegenheit  der  dreifachen  Pflü- 


*)  *OirJpa  wpa  fAiTogO  xstfxiyvi  dtpou;  wd  rov  ficT  aunjir  juiT0«Jpov. 
Zu  //.  •,  5.  Auf  diese  Woi-te  beruft  sich  ein  Arcbäolog  im  Neuen 
teutschen  Merkur  (1799,  5 St.  8.58),  wenn  er  behauptet,  die 
altern  Griechen  hätten  nur  eine  wpa,  den  reifenden  Sommer, 
gekannt,  und  das,  was  uns  Herb*st  sei,  Nachsommer,  emip«, 
und  unsern  Winter  Nachnachsommer,  fUTomäpoty  genannt. 
Die  Sache  ist  ganz  gut  ausgedacht,  allein  Eustathius  sagt  so 
etwas  nicht. 

*)     Comment,  in  libr.  L  Meteor,  Arist,  p.  20,  a. 

^)     Opp.  et  d,  415. 


246  Technische  ChroruJogie. 

gezeit  *).  Seinen  Frühsommer  — S-^o;—  läfst  er  fünf- 
zig Tage  nach  der  Sonmierwen<le ,  d.  i.  am  20.  August, 
zu  Ende  gehen  ');  denn  die  Sommerwende  traf  zu  sei- 
ner Zeit  auf  den  1*  Julius.  Wenn  er  dann,  wie  nicht 
zu  zweifeln  ist,  die  i/TcJ^poL  folgen  lieis ,  so  setzt  er  ihren 
Anfang  bedeutend  später  an,  als  Homer  (244).  Seinen 
X^ip^y  beginnt  er  mit  der  Wintersaatzeit  ^),  und  da  er 
diese  nach  einer  bereits  oben  (242)  citirten  Stelle  an  den 
Fruhuntergang  der  Plejaden,  und  nach  einer  andern  ^) 
zugleich  an  den  der  Hyaden  und  des  Orion  knüpft, 
so  haben  wir  die  Epoche  seines  Winters.  Es  ist  die 
erste  Hälfte  des  Novembers ,  entweder  der  dritte ,  oder 
der  siebente,  oder  der  fünfzehnte,  )e  nachdem  sie  durch 
den  Frühuntergang  der  Plejaden ,  oder  der  Hyaden, 
oder  des  Orion  bestimmt  wird. 

Den  Frühling  fängt  er  mit  dem  Spätaufgange  des 
Arktur  an  *).  Diese  Erscheinung  ereignete  sich  zu  sei- 
ner 2!eit  und  in  seinem  Klima  am  24.  Februar  des  ju- 
lianischen Kalenders,  also  57  Tage  nach  der  Winter- 
wende, die  sich  zu  seiner  Zeit  am  29.  December  ergab. 
Er  setzt  dafür  die  runde  Zahl  von  60  Tagen,  vermuth- 
Hch  den  begangenen  Fehler  von  drei  Tagen  nicht  ah- 
nend;  denn  es  mangelte  seiner  Zeit'gewifs  noch  an  al- 


•) 

448  ff. 

*) 

€63. 

') 

450. 

*) 

614. 

*)  564.  Der  Spätaufgang  des  Arktur  ist  der  letzte,  nicht, 
wie  der  Dichter  sagt ,  der  erste  sichtbare  Aufgang  des  Sterns  in 
der  Abenddämmerung.  Solche  YerwechsluDgen  kommen  auch 
anderwäiis  vor. 


Gbiechen.  247 

len  Mitteln ,  die  Soniienweiiden  und  Nachtgleichen  mit 
einiger  Genauigkeit  zu  beobachten  ')•  Dafs  er  die  £rn~ 
tezeit,  welche  die  Griechen  in  den  Anfang  des  Som- 
mers setzten»  an  den  Frühaufgang  der  Plejaden  knüpfte« 
ist  bereits  bemerkt  worden  (242).  Um  den  griechischen 
Landmann  in  den  Stand  zu  setzen,  diesen  ihm  wich- 
tigen Aufgang  aus  dem  beobachteten  Spätuntergange  zu 
finden,  im  Fall  da&  trübe  Witterung  denselben  zu  sehen 
hinderte,  gibt  er  das  Intervall  zwischen  beiden  Erschei- 
nungen zu  40  Tagen  an  ').  Bei  dem  Sehungsbogen  yon 
16  Grad,  der  für  dieses  Gestirn  anzunehmen  ist,  fkllt 
es  einige  Tage  länger  aus;  denn  der  Spätuntergang  er- 
folgt der  Rechnung  nach  am  4.  April,  und  der  Früh- 
aufgang am  19.  Mai.  Noch  verdient  bemerkt  zu  wer- 
den, dafs  er  zum  Signal  der  Dreschzeit  den  Früh- 
aufgang des  Orion  ^),  und  zu  dem  der  Weinlese  den 
Frühaufgang  des  Arktur  macht  ^).  Die  erste  Erschei- 
nung erfolgte  um  den  9.  Julius,  und  die  zweite  am 
18.  September  des  julianischen  Kalenders. 


^)  Ei-st  Thaies  soll  hieiniber  Untei*suchungen  angestellt  ha- 
ben, die  ihn  jedoch  nicht  ^eit  geführt  haben  können,  da  der 
Gnomon,  der  sich  zunächst  dazu  darbot,  erst  durch  Anaxim an« 
der,  seinen  Schüler,  den  Griechen  bekannt  gewoj*den  ist  (235). 
Nach  Diogenes  Laertius  hat  er  (I,  23)  mpl  rpom^g  xal  Zcti/üii- 
plag  geschrieben,  und  (I,  24)  zuerst  tI^v  dn^  vponrig  M  Tpomiv  ircC- 
po^ov  gefunden^  was  nichts  andei*8  heifsen  kann,  als  dafs  er  die 
Dauer  des  tropischen  Jahrs  beslimmt  hat.  £r  tbeille  aber 
Yermuthlich  nur  seinen  Landsleuten  mit,  was  er  in  dieser  Be- 
ziehung von  den  ägyptischen  Priestern  gelernt  hatte  (177). 

»)    Opp.  et  d.  385. 

')    597. 

*)    609. 


248  Technische  Chronologie. 

Es  fragt  sich,  ob  wir  bei  Homer  und  Hesiodas 
drei  Jahrszeiten  anzunehmen  haben,  oder   yier?  £i- 
nen  Herbst  offenbar   nicht.     Sollten  wir  aber   ihren 
Früh-  und  Spätsommer  — ^ipo^  und  oVw/» —  nicht 
för  zwei  yerscbiedene  Jahrszeiten  ansehen  müssen?  Ich 
zweifele,  besonders  aus  zwei  Gründen,  1 )  weil  einige  ältere 
griechische  Dichter,  die  alle  Jahrszeiten  zu  nennen  un- 
verkennbar die  Absicht  haben,    nur  jene  drei  anfuh- 
ren, den  Sommer  entweder  ^ipo^  oder  oniipa,  nennend. 
So  ist  beim  Aeschylus  ^)  yon  x^^P^^  >    ^^P>   ^po^% 
beim  Aristophanes')  und  in  einem  orphischen Frag- 
ment ^)   von  x^^V^^i   ^^P  ^^^  oTFtipa  die  Rede.      2)  weil 
die  ältere   griechische  Dicht-  und  bildende  Kunst  nur 
drei  Hören   kannte.      Hesiodus    sagt^),    Jupiter 
habe  mit  der  Themis  die  Hören  gezeugt,  die  Eunomia, 
DIke  und  Eirene.   Pausanias  führt  verschiedene  alte 
Kunstwerke  an,   auf  denen  nur  drei  Hören  abgebildet 
waren. 

Sind  denn  aber  die  Hören  so  ausgemacht  Symbole 
der  Jahrszeiten?  So  fragt  Zoega,  der  ausführliche  Un- 
tersuchungen über  diese  mythischen  Wesen  ansteUt  ^). 
Dafs  sie  in  spätem  Zeiten,  wo  pian  ihrer  vier  annahm, 
für  solche  galten,  leidet  auch  ihm  keinen  Zweifel.  Er 
leugnet  aber,  dafs  dies  schon  in  den  frühern  der  Fall 
gewesen  sei.   Sie  waren,  sagt  er,  ursprünglich  nichts  wei- 


.  *)  Prometh.  t.  453. 

^)  In  der  oben  (240)  cilirten  Stelle. 

0  No.3,  p.363  ed.  Gesner. 

♦)  Theog.  90i. 

')    Li  Bassirilievi  antichi  di  Roma  (Rom  1808,  fol.)  Tom.II, 
p.2i8  ff. 


G  RIECH  BN.  249 

ter  als  Gottheiten,  die  den  Kreislauf  der  Dinge  leiteten 
und  daher  yon  den  Dichtern  Kwckd^eg  genannt  und  von 
den  Künstlern  tanzend  dargestellt  wurden.  Ihre  obge- 
dachten  Namen  beim  Hesiodus  deuten  dahin ,  so  wie 
auch  ihre  Abkunft  von  der  Themis,  dem  obersten  Ge- 
setz, und  vom  Jupiter,  dem  Lenker  des  Weltalls.  Mit 
Rücksicht  auf  Anfang,  Mittel  und  Ende,  oder  auf  Kei- 
men, Blühen  und  Verwelken,  nahm  man  ihrer  drei  an. 
Sie  hatten,  fährt  er  fort,  bei  den  ältesten  Dichtem 
und  Künstlern  einen  allgemeinen  mythischen  Charakter, 
nichts,  was  sie  ausschliefsli^h  zu  Symbolen  der  Jahrs- 
zeiten machte.  Das  Wort  äpa  bezeichnet  jeden  be- 
grenzten Zeitraum  des  Jahrs,  so  wie  des  Tages  und  des 
Menschenalters,  besonders  diejenigen,  welche  Reife  und 
YoUkommenheit  herbeiführen  ^). 

Die  ursprüngliche  Zahl  der  Hören  löset  also,  meint 
Z  o  e  g  a  ,  die  Frage  nicht ,  ob  die  altern  Griechen 
drei  oder  vier  Jahrszeiten  angenommen  haben.  Ihm 
scheint  es  überhaupt  kein  so  ausgemachtes  Factum,  als 
es  Winkelmann  und  andere  voraussetzen,  dals  man 
ursprünglich  nur  drei  Jahrszeiten  gekannt  habe,  wie 
dies  z.B.  Diodor')  von  den  ältesten  Aegyptem  und 
Tacitus  von  den  Deutschen  behauptet  (243).  Ver- 
muthlich  würde  er  aber  anderer  Meinung  gewesen  sein, 
wenn  er  die  Begriffe  OTCwpA  und  fUTOTrwpov  nicht,  wie 
dies  so  häufig  geschieht,  verwechselt  hätte.    Es  ist  aus^ 


*)  Dahei*  auch  nach  Pausanias  (Boeot.  c.35)  in  den  älte- 
sten Zeilen,  wenigstens  yon  den  Athenern,  gar  nur  zwei  Hören 
angenommen  wurden,  die  Thallo  und  Karpo,  deren  ?famen 
auf  die  Blüthe  und  Reife  der  Früchte  gehen. 

')    I,  li,  16,  26. 


250  Technische  Chronologie. 

gemacbt,  dafe  die  altern  Griechen  unsem  Herbst  nicht 
hatten t  und  dafc  sie  den  Sommer^   seiner  unyerhält- 
nifsmäisigen  Länge  vregsn.^    «war  in  zwei  Unterabthei- 
lungen brachten,  ihn  aber  zugleich  als  ein  Ganzes  be- 
trachteten,  das  sie   mit  dem  Namen  einer  dieser  Ab- 
theilungen bald  äipcs»   bald  oWpa  nannten.     Da  nun 
mit  dieser  Ansicht  die  ursprüngliche  Zahl  der  Hören 
übereinkommt,  da  diese  Wesen,  wie  Zoega  selbst  an- 
erkennt, späterhin  wirklich  für  Symbole  der  Jahrsseiten 
galten ,   und  eine  nähere  Beziehung  auf  dieselben  auch 
iux  den  ihnen  von  den  frühem  Dichtem  und  Künstlern 
beigelegten  Attributen   nicht  zu  verkennen  ist,   so  ist 
wol  nicht  zu  bezweifeln,  dafs  man  sich  im  homerischen 
Zeitalter  und  selbst  noch  lange  nachher  nur  drei  Jahrs- 
zeiten als  wirklich  verschieden  gedacht  hat. 

Einen  eigentlichen  Herbst  finden  wir  zuerst  beim 
Hippocrates  und  den  altem  medlcinischen  Schrift- 
stellern der  Griechen.  In  der  Schrift  de  Diaeta  ^  die, 
wenn  audi  nicht  diesem  groisen  Arzt,  doch  einem  sei- 
ner Zeitgenossen  angehört,  heiist  es^):  „Man  theilt 
,, gemeiniglich  das  Jahr  in  vier  Theile,  den  Winter, 
„Frühling,  Sommer  und  Herbst  —  X"J*">'j  ^*Pj 
„:^£po5,  ^5rm7twpov.  Der  Winter  geht  vom  Frühunter- 
„  gange  der  Plejaden  bis  zur  Frühlingsnachtgleidie,  der 
„Frühling  bis  zum  Frühaufgange  der  Plejaden,  der 
„Sommer  bis  zum  Frühaufgange  des  Arktur,  und  der 
„Herbst  bis  wieder  zum  Frühuntergange  der  Plejaden." 
Eben  diese  vier  Jahrszeiten  werden  in  dem  Buche  de 
aere,  locis  et  {u/uis,  das  entschieden  den  Hippocrates 
zum  Verfasser   hat,    genannt,    nur  dais  [j^TOT^pw  statt 


')    l.m,  p.366  ed.  Foesü  (Francof.  1621,  fol.j. 


Griechen.  261 

^^       tffSrivoTrwpov  steht  *)•    Die  Art  ihrer  Begrenzung  ist  eben 
'        die,  welche  bei  den  Griechen  und  Römern  im  bürger- 
^'       liehen  Leben  durchgängig  gewöhnlich  war.    Hesiodus 
-        hatte   den  Anfang  des  Frühlings  an  den  Spätaufgang 
des  ArLtur   geknüpft  (246).     Späterhin  schob  man  ihn 
yiei*  bis  fiinf  Wochen  tiefer  ins  Jahr,    weil  man  den 
^        Eintritt  der  Sonne  in  die  nördliche  Halbkugel  für  eine 
'        passendere  Epoche  halten  mufste.     Es  fehlte  nun  aber 
zur  Bezeichnung  yon  Frühlingsanfang  an  einem  in  die 
Augen  fallenden  Signal ;  man  muiste  sich  daher  begnü- 
gen,   schlechtweg  die  Nachtgleiche  zu  nennen,   ob  sie 
sich   gleich  nur  auf  astronomischem  Wege  mit  Sicher- 
heit bestimmen  liefs. 

Dadurch,  dafs  man  den  Frühling  erst  mit  der 
Nachtgleiche  begann,  erhielt  der  x-^M*^^  ^'^^  unver- 
hältnifsmäfsige  Länge.  Dies  gab  Veranlassung,  ihn«  in 
drei  Perioden  zu  theilen,  in  den  anopr^og  oder  aporogy 
dl«  Saatzeit,  in  den  eigentlichen  x^^P^^  ^^^  in  die 
Zeit  der  Baumpflanzung,  (f>tiTaXia,  welche  drei 
Perloden  man  mit  dem  Frühuntergange  der  Ple jaden, 
der  Wintersonnenwende  und  dem  Spätaufgange  des  Ark- 
tur  anfangen  liefs.  Den  Sommer,  der  in  Vergleichung 
mit  dem  Frühling  und  Herbst  gleich&lls  eine  bedeu- 
tende Länge  hatte,  schied  man  nach  wie  yor  in  ^ipog 
und  ondpa^  indem  man  beim  Frühaufgange  des  Sirius 
einen  Einschnitt  machte*  So  entstanden  sieben  Jahrs- 
zeiten, und  diese  soll  Hippocrates  nach  Galenus 
Versicherung  *)  in  dem  yerloren  ge^genen  Werke  ^Ktpi 
ißdofjdiwv   unterschieden    und  auf  die  gedachte   Weise 


*)    p.287. 

')     Comment,  in  Ubt\  I  Epidem.  Tom.  IX,  p.7. 


262  Technische  Chronologie. 

bestunmt  haben.  Sie  nahmen  in  seinem  Klima  ams 
Jahr  430  v.Chr.  ihren  Anfiing:  die  Saatzeit  am  5.No- 
vembeFf  der  Winter  am  26.  Deoember,  die  Baumpflan- 
zongszeit  am  27 •Februar,  der  Frühling  am  26.  März^ 
der  Frühsommer  am  21  .Mai,  der  Spätsommer  am  28.  Ju- 
lius und  der  Herbst  am  21 .  September. 

Ob  diese  £intheilung  des  Jahrs  in  sieben  Zeiten 
in  die  Volkssprache  übergegangen  ist ,  steht  sehr  zu  be- 
zweifeln. Gewifs  ist  es,  dafs  man  späterhin  in  Griechen- 
land, so  wie  in  Rom,  nur  yier  Jahrszeiten  unterschie- 
den hat.  Die  Dichter,  Mythographen  und  Künstler  {übis 
ten  nun  yier  Hören  ein,  und  so  viel  sieht  man  ge- 
wöhnlich auf  alten  Denkmälern ,  besonders  römischen, 
abgebildet.  Sie  erscheinen  als  liebliche  Jungfrauen,  yon 
denen  jede  etwas  dem  Menschen  erfreuliches  bringt,  die 
Gaben  der  Jagd,  Blumen,  Aehren,  Trauben.  Noch 
später,  als  man  mit  dem  Worte  Zpai  auch  die  zwölf 
Stunden  des  Tages  bezeichnete,  stellte  man  diese  gleich- 
£Jls  unter  den  Schutz  yon  Hören.  Diese  Stunden- 
horen,  die  beim  N  o  n  n  u  s  ^)  mit  dvx^sxa  xvxXadE; 
wpeu  angedeutet  und  be^m  Hyginus')  sehr  incon'ect 
yerzeichnet  stehen,  haben  keinen  Eingang  in  die  Werk- 
stätten der  Künstler  gefunden. 

Uebrigens  scheint  es  in  der  Volkssprache  der  Griechen 
immer  gebräuchlich  geblieben  zu  sein,  den  Anfang  des 
Sommers ,  Herbstes  und  Winters  durch  Fixstemer- 
scheinungcn,  und  nur  den  des  Frählings  nach  jetziger 
Weise  durch  den  Eintritt  der  Sonne  in  den  Widder  zu 
bestinmien.     Ihre  wissenschaftlichen  Schriftsteller  dage- 


*)    Dionj-s.  Xn,  17. 
')    Fab,  183. 


Griechen.  253 

gen  setzten  ancb  die  Anfange  jener  drei  Jahrszeiten  auf 
die  Eintritte  der  Sonne  in  die  Zeichen,  an  die  sie  noch 
jetzt  geknüpft  werden«  Wir  ersehen  dies  deutlich  aus 
dem  Gern  in  US,  der  bei  Gelegenheit  der  astrologischen 
Vierecke  sagt^):  ,,Das  erste  fängt  mit  dem  Widder 
,,an,  iind  in  ihm  binnen  die  vier  Jahrszeiten  Früh- 
„ling,   Sommer,   Herbst  und  Winter." 

Es  war  also  die  Beobachtung  einiger  ausgezeichne- 
ten Sterne  und  Stemgruppen,  die  den  Griechen  die 
Zeiten  der  Saat,  der  Ernte,  des  Dreschens,  der  Wein- 
lese, kurz  die  Hauptepochen  des  Landbaus  und  der 
Schiffahrt,  angab;  denn  der  Frühauf-  und  Unteiv 
gang  der  Plejaden  bezeichnete  zugleich  die  Grenzen, 
welche  die  fm*chtsame  Küstenfahrt  der  Alten  nicht  zu 
überschreiten  wagte  ').  Aber  nicht  zu  gedenken,  dafs 
die  Witterung  dergleichen  Beobachtungen  leicht  verei- 
teln konnte,  und  dafs  überhaupt  nicht  jedermann  sie 
anzustellen  Lust  und  Gelegenheit  haben  mochte,  waren 
sie  bei  steigender  Kultur  und  bei  Yervielfältigung  und 
Trennung  der  Verhältnisse  und  Geschäfte  des  bürger- 
lichen Lebens  zur  Ausmessung  und  Bezeichnung  der 
Zeiten  bei  weitem  nicht  hinlänglich.  Es  kam  nun  dar- 
auf an,  dem  Jahre  eine  feste  Form  zu  geben,  und, 
da  es  zu  lang  ist,  als  dafs  sich  seine  Tage  bequem 
hintereinander  fortzählen  liefsen,  kleinere  Abschnitte 
von  bestimmter  Dauer  und  Benennung,  die  Monate, 


*)     Isag.  c.  1. 

*}  Auch  soll  selbst  der  Name  irXsca;  oder  «Xiiahc  dieses  Ge- 
stirns damit  zusammenhängen.  Denn  die  Allen  leiten  ihn  unter 
andern  M  tov  frXtty,  rom  Schiffen,*  ab.  Man  sehe  die  Scho- 
llen zu  y.  254  des  Aratus. 


264  TeclmiscJie  Chronologie. 

Eur  Unterscheidung  der  einzelnen  Tage  und  Datinuig 
derselbcfki  festzusetzen. 

Zuerst  müssen  wir  den  allgemeinen  Charakter  der 
Jahre  und  Monate  der  Griechen  kennen  lernen. 

Auf  den  ersten  Blick  sollte  man  es  nicht  für  mög- 
lich halten,  da(s  üher  einen  so  wesentlichen  Punkt  die 
neuem  Chronologen  verschiedener  Meinung  sein  könn- 
ten, und  doch  ist  es  der  Fall.  Scaliger'),  dem 
Petitus')  gefolgt  ist,  bildet  sich  vom  griechischen 
Jahr  eine  Theorie,  nach  der  es  weder  ein  Sonnen-  noch 
ein  Mondjahr  war.     Das  Wesentliche  davon  ist: 

1)  Die  bürgerlichen  Monate  .der  Griechen  waren 
dreifsigtägig. 

2)  Sie  hatten  eine  Tetraeteris  oder  viei'jährige 
Periode  von  1447  Tagen  oder  gerade  49  sjnodischen 
Monaten ,  so  dafs  sie  allemahl  mit  dem  neuen  Lichte 
ihren  Anfang  nahm.  Diese  Tage  waren  auf  48  bürgeiv 
liehe  Monate  vertheilt,  worunter  einer  i^aipiainog  oder 
um  einen  Tag  verkürzt  war.  Dazu  kamen  in  jedem 
Jahr  noch  zwei  überzählige  Tage,  i^jxlpcu  ayapxoi  oder 
dpxfupiO'uu^  welche  der  Wahl  der  Magistratspersonen  ge- 
widmet waren.  Drei  Jahre  hielten  demnach  362,  das 
vierte  361  Tage.  Die  einzelnen  Monate  stimmten  na- 
türlich nicht  mit  den  Mondphasen   überein. 

3)  Am  Schlufs  der  zweiten  Tetraeteris  oder  nach 
Ablauf  einer  Octaeteris  wurde  ein  ganzer  Monat  ein- 
geschaltet, um  den  An&ng  der  dritten  Tetraeteris  nicht 
blofs  zum  neuen  Lichte,  sondern  zugleich  zu  demselben 


*J    Emend,  temp,  l.I,  p.22  ff.      Canon.  Isag,    LI,   p.  60 
(ed.  1658)  und  die  Erläuteiningen  dazu  im  dritteo  Buch. 

')    Eclogae  chronologicae  (Paiisl631»  4). 


Griechen.  255 

Punkt  des  Sonnenjalirs ,  mit  welchem  die  erste  begon- 
nen hatte,  zoriickzufiihren.  Die  Octa^teris  hielt  daher 
97  bürgerliche  oder  99  synodische  Monate,  und  die  olym- 
pischen Spiele,  die  nach  Ablauf  einer  jeden  Tetraeterife 
mit  dem  zunächst  auf  die  Sommerwende  folgenden  Yoli- 
monde  gefeiert  wurden,  fanden  abwechselnd  nach  49 
und  50  synodischen  Monaten  Statt. 

Mit  diesen  Zwischenräumen  hat  es  allerdings  seine 
Richtigkeit;  aber  die  dreifsigtägigen,  mit  den  Pha^ 
sen  des  Mondes  nicht  übereinstimmigen  Monate  lassen 
sich  durchaus  nicht  rechtfertigen,  ohne  zahlreichen  Stel- 
len ,  nach  denen  die  einzelnen  griechischen  Monate 
nach  den  Mondersch&inungen  abgemessen  waren,  Ge- 
walt anzuthun.  Diese  Stellen  haben  Petayius  *)  und 
Leo  Allati  US  *)  am  vollständigsten  gesammelt.  Wenn 
sie  gleich  nicht  alle  so  bestimmt  und  entscheidend  sind, 
wie  folgende  des  Aratus  ^) :  ,, Siehst  du  nicht,  wie  der 
,,Mond,  wenn  er  sich  mit  schmalgehömter  Sichel  am 
,,  Abendhimmel  zeigt,  den  beginnenden  Monat  yerkün- 
,,det?  Hat  er  so  viel  Licht  gewonnen,  dafs  er  einen 
,^ Schatten  werfen  kann,  so  geht  er  dem  vierten  Tage 
,, entgegen.  Der  achte  ists,  wenn  er  mit  halbem  Antlitz, 
,,und  die  Mitte  des  Monats,  wenn  er  mit  vollem  lench- 


*)    Doctr.  temp.  1. 1,  c.  4  und  5.    f^ariae  disseri,  l.IV,  c.  iO. 
*)     De  mensura  temp,  c.  XL 

'KTire^.^iv  ^oiVtjrai,    at^ttivoia  ^i^qitku 
Mtjvof  ort  ir^wTi)  dironl^vaTeu  ctvrcStv  «^y*?» 
Ovrov  iniVMiativ,    iiri  rii^arw  ^uxt^  IoOtw 

Aiei  d'  a}Xo^tv  ä>Xa  mt^aukivQVTa  /Uruira 
'    '  ""  PhMen.  V.  733. 


266  Technisclie  Chronologie. 

„tet.     Seine  stets  Tvechselnden  Gestalten  geben  den  je- 
,,desmaligen  Tag  des   Monats  zu  erkennen;"    so    ge- 
währen sie  doch  zusammengenommen  die  unwidersteh- 
liche Ueberzeugung,  dals  die  Monate  der  Griechen  wirk- 
liche Mondmonate  waren  ^),   und  dais  sie«   durch  die 
Phasen  stets  controlirt,  höchstens  um  ein  paar  Tage  von 
denselben  abgewichen  sein  können,    was  auch  Cicero 
mit  folgenden  Worten  bestätigt  ') :   Est  consuetudo  Si- 
culonun,    cetemrumgue   Graecorum,    quod  suos    dies 
mensesque  congruere  "vobmt  cum  sölis  lunaeque  indone, 
ut  nonnunquam,  si  quid  discrepet,  eocimant  unum  ali- 
quem  diem  out,  summum,  biduum  ex  mense,  quos  illi 
l^eup£aifiovg  dies  nomirumt:   item  nonnunquam  uno  die 
longiorem  mensem  faciant  €UU  biduo. 

Die  Griechen  hatten  also  ein  Mondjahr  und 
zwar  ein  gebundenes  (68),  wie  aus  den  eben  ange- 
führten Worten  und  noch  bestimmter  aus  (olgenden 
des  Geminus  hervorgeht,  welche  das  der  griechischen 
Zeitrechnung  zum  Grunde  liegende  Princip  deutlich  aus- 
sprechen: ,,Pie  Griechen  waren  durch  Gesetze  undOra- 
),kel  angewiesen,  nach  Tagen,  Monaten  und  Jahren  zu 
,, opfern"  (d.i.  gleiche  Feste  bei  gkichen  Mondgestal- 
ten und  in  gleichen  Jahrszeiten  zu  feiern).  ,,Zu  dem 
,,Ende  zKhIten  sie  von  Alters  her  die  Tage  und  Monate 
,,nach  dem  Monde,  die  Jahre  nach  der  Sonne  ^).'' 


')  Was  auch  schon  die  üebereinstimmung  der  Wörtei-  jiijr 
und  \iy\in\  lehrt,  Ton  denen  letzteres,  als  ein  altes  Synonym  Ton 
nXi^wj,  ein  paarmahl  im  Homer  Torkommt.  //.  t,  374.  +,  455. 
(89  und  90). 

*)    Actio  II  in  ^errem  1.  ü,  c.  52. 

^)  Diese  wichtige  Stelle,  deren  Sinn  hier  nur  frei  ausgedrückt 
ist,  lautet  im  Original  also:  üpoJ^o-ic  \)i  xtXi  dpx.'^otf^  touc  pW 


Griechen.  257 

Es  finden  sich  nun  aber  mehrere  Andeutungen, 
die  für  Scaliger 's  dreifsigtägige  Monate  zu 
sprechen  scheinen.     Dahin  gehört: 

l)Die  Darstellung  des  Monats  beim 
Hesiodus.  Dieser  Dichter  handelt  am  Schlüsse  sei- 
nes Land  haus  von  den  glücklichen  und  unglücklichen 
Tagen,  von  denen  er  die  durch  den  Volkswahn  beson- 
ders ausgezeichneten  hervorhebt.  Er  theilt  die  Tage 
des  Monats  in  di^i  Dekaden,  indem  er  z.B.  den 
vierten,  vierzehnten  und  vier  und  zwanzigsten  dujrch 
TfiTpttg  7tpJky\^  T£Tpa$  ikiarri  und  Trrpfli$  ^^Ivovro^  unter* 
scheidet.  Dabei  nennt  er  unter  andern  die  rpignidg  ^j, 
die  nach  dem  Zusammenhange  nicht  der  27ste,  sondern 
der  29ste  Monatslag  sein  mufs  (denn  er  hat  unmittelbar 
vorher  der  ersten  und  mittlem  iivd^  gedacht,  mit  der  er 
die  rpt^EUfdg  zusanmienstellt)  ^    und  die  rptaxctg  oder  den 


Urivag  ayitv  xarei  a-tXr^vr^v^  touc  ^k  iviavrovg  xo^'^Xiov*  t^  ycip  vn^ 
Tww  vofxwv  xaX  Twv  )(jpria'nSv  napayytWon»vov  y  to  Bvuv  xarot  Tpia  ijyouif 
Tci  narpta,  ^TJvac,  ijjuispac,  Ivcavroi;;,  touto  ^isXaßov  ctnavriQ  ol  EX- 
>.»jv8C  T$  tovq  \ik^  iviavTQvg  ovfi^Jvuic  aytiv  t$  i{XiV>  ''^5  ^^  ']j««P«? 
xcd  ToO^  firivag  rj}  a-tikrivri,  Isag.  .c,S.  Ein  Plus  hier  und  eid  Mi- 
nus dort  Ton  ein  paar  Tagen  konnte  allerdings  bei  zw^i  griechi*« 
sehen  Yöikem  solche  Verschiedenheiten  des  Datums  hervorbrin- 
gen ,  wie  sie  folgende  Worte  des  Aristoxenus  zu  erkennten 
geben:  „Den  Harmonikem  geht  es. mit  den  Tönen,  wi)d  den  Völ- 
,,kern  mit  den  Monatstagen;  wenn  die  Gonnther  z. BL  den  zehn- 
„ten  des  Monats  haben,  w  zählen  die  Athener  wol  erst  den 
„fünften  und  andere  den  achten."  (Harm,  Elem.  11,  p.30  ed. 
Meurs.^  Abei'  eine  Abweichung  Tom  Monde  um  fünf  Tage 
halte  ich  bei  keinem  griechischen  Volke  für  möglich. 

*;    Y.8i4. 


[17] 


268  TechniscJie  Chronologie. 

30sten  *)•  Sein  Monat  scheint  mitbin  durcbgeliends 
drelfsig  Tage  gehabt  eu  haben. 

2)  Das  bekannte  ßäthsel  des  Gleobulus, 
welches  beim  Diogenes  La^'rtius  also  lautet'): 

Tlttt^cC  lacri  Tpci]xevT   av^t;^a  tI^o$  l;^ou^at* 

,,£in  Yater  hat  zwölf  Söhne  und  von  diesen  jeder 
,,dreifsig  Töchter  von  zwicfiaicher  Gesult;  auf  der  ei- 
,,nen  Seite  sind  sie  weiCs,  auf  der  andern  schwarz.  Oh- 
„ gleich  unsterblich,  sterben  sie  doch  alle/'  Stobäus 
lieset  im  zweiten  Verse  wyoptu  i^ipcovra  ^) ;  dann  mufs  aber 
im  dritten  oil  für  ^  gesetzt  werden.  Beide  Lesarten, 
die  frühzeitig  neben  einander  bestehen  mochten,  geben 
dem  Monate  eine  Dauer  von  dreifsig  Tagen. 

3)  Die  alte  Eintheilung  der  attischen  Bür- 
ger in  vier  Stämme,  zwölf  Phratrien  und 
dreihundert  und  sechzig  Geschlechter.  Suidas 
sagt  ")  auf  die  Autorität  des  Philochorus,  der  eine 
Geschichte  Athens  geschrieben:  ,,Der  Stämme  -—<|w- 
,,Xal —  machte  man  vier,  nach  dem  Vorbilde  der  Jahrs- 
,, Zeiten;    der  Phratrien   —  ipparpCou  oder  rpirrvg  — 


')  766.  Man  sieht  also,  dafs  diese  Benennung  nicht  erst 
Thaies  ausbracht  hat,  wie  Diogenes  La'ertius  behauptet 
I,  24. 

')    I,  9i. 

^)    EcLphj-s,  LI,  p,240  ed.  Heeren. 

*)  y.  ytvwfteU,  VergL  Harpocration  unter  demselben  Worte, 
und  Poliux  ni,  4,  52;   Vm,  9,  iii. 


Gribchbn.  259 

,, zwölf,  nach  der  Zahl  der  Monate;  der  Geschlechter 
„—  yivri  —  in  jeder  Phratria  dreifsig,  nach  der  Tag- 
,, summe  360  *)  des  Jahrs." 

4)  Die  öfters  yorkommende  Andeutung  eines  drei-> 
hundertsechzigtägigen  Jahrs.  So  berechnet 
Hippocrates  in  seinem  Werke  de  morbis  vulgaris 
hus  *)  9  Monat  zu  270 Tagen,  und  in  der  Schrift  de 
camihus  ^)  9 Monat  10 Tage  zu  280'.  Aristoteles 
sagt  ^ ) ,  einige  Hunde  würfen  nach  Verlauf  des  Fünftels 
eines  Jahrs ,  oder  nach  72  Tagen ,  und  der  lakonische 
Hund  nach  dem  Sechstel  oder  nach  60 Tagen.  Plinius 
erzählt  ^),  die  Athener  hätten  dem  Demetrius  Phalereus 
(der  Ol.  117,4  Archonwar)  360  Statuen  errichtet,  wo/i- 
dum  anno  hunc  numerum  dierum  excedente.  Das  Fac- 
tum ohne  diese  Erklärung  fuhrt  auch  Diogenes 
Laertius  an  ^).  Damals  fand  zwar  ein  360tägiges 
Jahr  zu  Athen  nicht  Statt;  es  muüs  doch  aber,  kann 
man  sagen,  die  Notiz  von  einer  solchen  ehemals  bei 
den  Griechen  gebrauchlichen  Jahrform  dem  Plinius 
zugekommen  sein ,   die  er  unrichtig  anbringt. 

Wie  wird  man  sich  nun  diese  Andeutungen  der 
aOtägigen  Monate  und  des  3'60lägigeii  Jah^s  zu  erklä- 
ren haben?  Ganz  einiacb,  sagt  Des-Yignoles;  siebe- 


*)  Im  Text  steht  offenbar  iirig  rgl  für  rg'. 

«)  l.n,  p.1031. 

^)  p.254. 

*)  Bist.  An.  VI,  20. 

»)  H.  N.  XXXIV,  12. 

*)    V.75.   Cornelius  ^Jlf/ft.  c.6^  und   Plutarch  (de  rei-- 
puhlicae  gerendae  praeceptis  c.  21)  sprechen  nur  Ton  300Statuen. 

[17*] 


260  Technische  CJironologie. 

weisen  das  Dasein  einer  Jahrform,  die  wir  überall  In  Yor- 
derasien  antreffen  (69),  auch  für  Griechenland,  und  zwar 
bis  auf  die  Zeiten  des  Aristoteles  und  Demetrius 
Phalereus  herab.  —  Dafs  die  Griechen  nach  Alezander's 
Zeiten   noch    dreifsigtägige  Monate   und  Jahre   von    je 
zwölf  solcher  Monate  ohne  Einschaltung  gebraucht  ha- 
ben, kann  unmöglich  jetzt  noch  jemand  behaupten  wol- 
len;   auch  scheint  Des-Yignoles  Meinung  nur  dahin 
zu  gehen ,  dafs  sich  von  der  frühem ,  auf  dergleichen 
Monate    und  Jahre   gegründeten   Zeitrechnung  in  der 
Volkssprache  noch  sehr  spät  Spuren  wahrnehmen  lassen. 
Aber  auch  in  den  idtem  Zeiten  kann  ein  Jahr,  dessen 
Anfang  schon  während  eines  Menschenlebens  durch  alle 
Jahrszeiten  kreiset,   nirgends  in  Griechenland  gebräuch- 
lich gewesen  sein. 

Homer's  Jahr  war  entschieden  ein  tropisches. 
Dies  lehren  die  Beiwörter  mpiTpoTriow,  ?repmXXojJi£»o$,  ttb- 
piTCkofiBvogy  die  er  von  seinem  Jahr  gebraucht  *),  und 
überhaupt  die  ganze  Weise,  wie  er  vom  Kreislauf 
der  Jahrszeiten  zu  sprechen  pflegt,  z.B.  in  den 
Versen :  , 

'AXX'  «Tt  ^if  p*  ivutvrJc  tf)yy  mpi  ^'IrpcHrov  wpoi 

Od.  X,  469. 

'AXX'  m  ^  |ij|vlc  Tt  Kol  ^iikpai  IgmXsuyro, 
*Aji|r  «tpmXXofiiirou  Irioc,   xal  lirq'X.v^oy  Spai. 

Od.X,  293.  I,  293. 

*AXk*  OTS  rirpaTOir  ijXStif  Jrof,  xal  fcnjXu^ov  Spat 
Mijywir  «piifoWwif,  mpl  yiipuna  »oXX*  iriXio-aij. 
Od.r,  152.    «.  141. 


*)    //.ß,  295;  »,  404  und  418;   +,  833. 


Griechen.  261 

Also    von   einem   360tagigen  Jahr  kann  bei  ihm  nicht 
die  Rede  sein. 

Sollte  aber  der  Dichter,  der  sich  nirgends  über  die 
Form  seiner  Monate  ausspricht,  nicht  vielleicht  ein 
wahres  Sonnenjahr  mit  30lägigen  Monaten  gehabt  ha* 
ben?  Können  nicht  durch  die  Aegypter  Cecrops  und 
Danaus,  die  sich  in  Griechenland  niederliefsen ,  die 
ägyptischen  Monate  dahin  verpflanzt  worden  sein? 
Theodorus  Gaza,  ein  sehr  spät  lebender  Grieche, 
der  aber  noch  aus  Quellen  schöpfen  mochte,  die  jetzt 
nicht  mehr  vorhanden  sind,  sagt  in  seiner  Schrift  über 
die  Monate^),  die  Griechen  hätten  ein  zwiefaches 
Jahr  gehabt,  ein  360tägiges,  dem  sie  fünf,  zuweilen 
sechs  hrayofxsvai  beigefugt  hätten,  und  ein  Mondjahr 
VOü  354  Tagen,  zu  welchen  ab  und  zu  ein  Schaltmo- 
nat gekommen  sei.  Dafe  zwei  so  verschiedene  Jahrfor- 
men fieben  einander  bestanden  haben,  wird  niemand 
annehmen  wollen;  aber  sie  könnten  vielleicht  nach 
einander  im  Gebrauch  gewesen  sein,  zuerst  jene,  spä- 
terhin diese.  Auch  scheint  eine  Stelle  des  Censorinus 
dahin  zu  deuten,  die  den  altern  Griechen  eine  Te- 
traeteris  ganz  von  der  Form  der  vierjährigen  jiüia- 
nischen  Schaltperiode  beilegt ').  Zwar  können  sie  auf 
solche  nicht  erst,  wie  er  meint,  gekommen  sein,  als 
sie  eine  Ausgleichung  des  Sonnen-  und  Mondjahrs  such- 
ten; sollte  sich  aber  in  dieser  Notiz  nicht  eine  Spur 
der  ältesten  griechischen  Jahrform  zeigen?  Schwerlich. 
Hätten  die  Griechen  schon  frühzeitig  eine  so  einfache, 


*)     c.  9.     S.  das  Uranologium' des  Petayius. 

*)    c.  18.    Wir  weiden  weiter  unten  auf  diese  Telraeteris  zu- 
i'Uckkommen. 


262  Technische  Chronologie. 

dem  Sonnenlauf  ao  susagende  Jahrfonn  gehabt ,  so 
wüiden  sie  an  die  Stelle  derselben  späterbin  wol  nicht 
eine  ganz  andere  gesetzt  haben,  die  sie  erst  nach  lang- 
^merigen  Versuchen  zu  einiger  Uebereinstimmung  mit 
dem  Himmel  brachten.  Kein  Volk  hat  je  bei  der  An- 
ordnung seiner  Zeitrechnung  einen  so  verkehrten,  na- 
turwidrigen Gang  genommen« 

Nach  Erwägung  aller  Umstände  haben  wir  uns  yon 
der  frühem  griechischen  Zeitrechnung  folgende  Yorstel- 
lung  zu  machen«  « 

Die  Griechen  hatten  von  Alters  her  wahre  Mond- 
monate,  die  sie  nicht,  wie  späterhin  nach  Cykeln,  son- 
dern unmittelbar  nach  den  Mondphasen  ordneten,  da- 
her auch  die  Monate  der  einzelnen  Yölkerschaften ,  so 
Yei*schieden  ihre  Namen  sein  mochten,  parallel  neben- 
einander fortliefen.  Zum  ersten  Monatstage  -— voupi^yiiDt — 
machten  sie  denjenigen,  an  welchem  sie  die  Mondsichel 
in  der  Abenddämmerung  erblickten«  Yon  hier  an  zähl- 
ten sie  die  Tage  fort,  nicht  etwa  um  Briefe  und  Gon- 
tracte  zu  datireu  (es  ist  von  Zeiten  die  Rede,  wie  die 
homerischen,  wo  es  dergleichen  noch  nicht  zu  daüren 
gab),  sondern  um  die  Tage,  die  der  Wahn  frühzeitig 
als  gute  oder  böse  gestempelt  hatte,  zu  unterscheiden, 
und  um  bei  bewölktem  Himmel  die  Festtage  nicht  zu 
verfehlen ;  denn  die  meisten  griechischen  Feste  wurden 
bei  bestimmten  Mondphasen  gefeiert,  z.B.  die  Eleusi- 
nien  und  Thesmophorien  der  Athener,  und  die 
Bout  den  Spielen  verbundenen  Olympien  sämmtlicher 
Griechen  um  die  Zeit  des  Yollmondes,  der  allemahl  auf 
die  Mitte  —  dtxo/xt)v«a—  des  Monats  traf.  So  zählten 
sie  nun  die  Monatstage  fort,  bis  sie  die  Mondsichel  des 
Abends  von  Neuem  wahrnahmen.     Da  der  synodische 


Griechen«  263 

Monat  29  Tage  und  etwa  13  Stunden  bäh,  iso  mnfsten 
sie  im  Zahlen  bald  bis  29,  bald,  und  etwas  häufiger, 
bis  30  kommen.  Ungeachtet  sie  also  aus  Erfahrung 
recht  gut  wufsten,  dafs  der  Monat  nicht  durchgehends 
30 Tage  hielt,  legten  sie  ihm  dennoch,  wenn  isie  ein- 
mahl in  den  Fall  kamen,  seine  Dauer  angeben  zu  müs- 
sen, diese  runde  Zahl  yon  Tagen  bei.  So  spricht 
Hesiodus  von  einem  neun  und  zwanzigsten 
und  dreifsigsten  —  rpi^iwotg  und  rptaxat^ -—  seines 
Monats  (257),  ohne  die  fiir  seine  Zeitgenossen  gewiis 
ganz  überflüssige  Bemerkung  hinzuzufügen,  dafs  der  Mo- 
nat öfters  nur  29  Tage  habe.  Doch  scheint  er  dies  auch 
nicht  undeutlich  zu  verstehen  geben  zu  wollen,  wenn  er, 
die  rpuiKcl^  einen  gedeihlichen  Tag  nennehd,  hinzufugt: 

,,wenn  ihn  die  Leute  nach  der  Wahrheit  bestimmt 
,, haben,''  was  nichts  anders  heifsen  kann  als:  falls 
es  wirklich  der  dreifsigste  ist,  nicht  etwa  der  neun  und 
zwanzigste,  der,  wenn  es  keinen  dreifsigsten  gab ,  ver- 
muthlich  diesen  Namen  schon  damals  führte.  Es  ist 
dies  auch  die  Meinung  der  Scholiasten.  Die  Erklärung, 
die  Scaliger  seiiier  Theorie  des  griechischen  Jahrs  ge- 
mäfs  von  diesem  Yerse  gibt,  ist  höchst  gezwungen. 

Die  Feste  soUten  aber  nach  väterlicher  Sitte  zu- 
gleich in  einerlei  Jahrszeit  gefeiert  werden  (256)'.  Man 
fand  nun  bald,  dafs  zwölf  Mondmonate  beinahe  zu  dem- 
selben Punkt  des  So'nnenjahrs  zurückführen,  und  legte 
demnach  dem  Jahr  zwölf  Monate  bei.  Allein  schon 
nach  Ablauf  weniger  solcher  Jahre  mufste  man  währ* 
nehmen^  dafs  man  damit  zu  früh  zu  Ende  kam,  indem 
der  Tag  des  kürzesten  oder  längsten  Schattens  rasch  ins 
Jahr  hineinrückte,,  nach  drei  Jahren  bereits  um  mehr 


264  Technische  Chronologie. 

als  einen  Monat.  Es  mufste  mithin  zu  den  zwölf  Mo- 
naten ab  und  zu  noch  ein  dreizehnter  kommen.  Das 
Institut  des  Schaltmonats  — jliyjv  E/ißoXijuo^ —  ist  hei 
den  Griechen  gewils  uralt,  wenn  sich  gleich  beim 
Homer  und  Hesiodus  noch  Leine  Andeutung  davon 
findet.  Die  Frage,  ob  die  altem  griechischen  Völker 
immer  in  einerlei  Jahr  eingeschaltet  haben,  läCst  sich 
nicht  litit  Sicherheit  beantworten.  Seit  Einführung  der 
olympischen  S|»iele  kann  man  annehmen,  dais  sie  über 
einen  Punkt,  der  auf  den  gegenseitigen  Verkehr  einen 
so  wesentlichen  Einflufs  hatte,  gemeinschaftliche  Verab- 
redungen trauen.  Eine  feste  Regel  fär  die  Einschaltung 
konnte  sich  aber  erst  bilden,  als  man  anfing  die  Monate 
<^klisch  zu  ordnen,  was  nirgends  vor  dem  solonischen 
Zeitalter  geschehen  zu  sein  scheint. 

Wahrend  man  auf  diese  Weise  der  zu  feiernden 
Feste  und  Nationalspiele  wegen  die  Monate  nach  dem 
Monde  und  die  Jahre  nach  der  Sonne  abmais,  richtete 
man  sich  bei  den  Geschäften  des  Acker-  und  Wein- 
baus, der  Viehzucht  und  der  Schiffahrt,  die  Wahl  der 
guten  und  bösen  Tage  ausgenommen,  blois  nach  den 
Jahrszeiten,  für  welche  die  Erscheinungen  einiger  aus- 
gezeichneten Gestirne  zu  Signalen  dienten. 

Diese  Erscheinungen  nahm  man  aber  nach  dem 
Zustande  der  Atmosphäre  und  der  Sehkraft  bald  frü- 
her, bald  später  im  Jahr  wahr.  Das  Jahr  blieb  also 
lange  eben  so  schwankend,  wie  der  Monat.  Um  nun 
doch  eine  bestimmte  Zahl  von  Tagen  für  dasselbe  an- 
geben zu  können,  nahm  man  die  runde  Zahl  360^  als 
die  zwölfmahlige  runde  Zahl  der  Tage  des  Monats,  und 
so  hildete  sich  ein  Sprachgebrauch,  den  man  selbst  spä- 
terhin noch  beizubehalten  bequem '£uid,   als  die  sich 


Griechen.  265 

entwickelnde  Sternkunde  an  die  Stelle  der  runden  Zah- 
len gebrochene  zu  setzen  gebot.  In  diesem  Sinne  kann 
man  sich  Des-Vignoles'  30tägige  Monate  und  360tä- 
gige  Jahre  gefallen  lassen. 

Bei  der  grofsen  Einfachheit  der  bürgerlichen  Yer- 
hältnisse  der  altem  Griechen  dauerte  es  lange,  ehe  ih- 
nen das  Bedürfnifs  zu  datiren  fühlbar  wurde,  zumal  da 
die  Schreibekunst,  die  ihnen  schon  Gadmus  zugeführt 
haben  *  soll ,  mehrere  Jahrhunderte  lang  bei  ihnen  so 
gut  wie  unbenutzt  blieb.  Als  aber  dies  Bedürfnifs  bei 
wachsender  bürgerlicher  und  wissenschaftlicher  Gultur 
einmahl  rege  geworden  war,  mufsten  sie  die  schwan- 
kenden Monate  und  Jahre,  die  ihnen  die  Mondphasen 
unmittelbar  zumafsen,  ungenügend,  ja  lästig  finden. 
Sie  sehnten  sich  also  nach  einem  Kalender,  der  ihnen, 
unabhängig  von  der  durch  die  Witterung  häufig  yer« 
eitelten  Beobachtung,  die  Dauer  der  Monate  und  Jahre 
nachwies.  Da  das  Princip,  nach  welchem  die  Feste 
von  Alters  her  gefeiert  wurden,  aufrecht  erhalten  wer- 
den sollte,  so  war  die  Aufgabe,  die  man  sich  nun 
stellte,  folgende:  die  Umlaufszeiten  der  Sonne  und  des 
Mondes  dergestalt  auszugleichen ,  dafs  beide  als  genau- 
messende Theile  von  einerlei  Zeiti*aum  erschienen,  mit 
andern  Worten,  einen' Cyclus  von  ganzen  nach  der 
Sonne  abgemessenen  Jahren  zu  finden,  der  zugleich  eine 
ganze  Zahl  synodischer  Monate  enthielt.  Dies  Pix)blem 
konnte  nur  eine  schon  bedeutend  entwickelte  Stern- 
kunde genügend  lösen,  und  so  wird  man  leicht  erach- 
ten, dais  die  Griechen  erst  nach  mancherlei  Versuchen 
und  Fehlgriffen  ihre  Zeitrechnung  so  weit  vervollkomm- 
neten, als  es  geschehen  ist. 


266  Techm'söhä  Chronologie. 

Es  wSre  interessant,  ihr  allmaliges  Fortscliieiten 
com  Bessern  durch  alle  Mittelstufen  verfolgen  zu  kön- 
nen« Wir  sind  aber  davon  leider  nur  auf  eine  Weise 
unterrichtet,  die  der  Yermuthung  einen  weiten  Spiel- 
raum gibt,  indem  die  meisten  jener  Versuche  in  eine 
Zeit  gehören,  wo  noch  wenig  geschrieben  wurde.  Unsere 
fast  einzigen  Führer  Geminus  *)  und  Censorinus  ') 
scheinen  über  diesen  Punkt  nicht  viel  Befriedigendes 
aufgezeichnet  gefunden  zu  haben. 

Der  erste  Schritt,  den  man  zu  einer  geregel-* 
ten  Zeitrechnung  that,  war  unstreitig  der,  dais  man 
den  Wechsel  der  30  und-  29tagigen  Monate,  von  den 
Griechen  [ivin^  nh^pst^  und  xotXoc,  volle  und  hohle, 
genannt ,  einfahrte.  Es  läfst  sich  wol  nicht  bezweifeln, 
dafs  es  Solon  war,  dem  die  Griechen,  und  zunächst 
die  Athener,  diese  wesentliche  Anordnung  verdankten, 
wenn  es  gleich  kein  Alter  ausdrücklich  sagt.  Seine 
Gesetzgebung  gehört  in  Ol.  46,3,  v.Chr.  594,  wo  er 
Archon  war. 

Nach  Diogenes  Laertius  ')  hiefs  er  die  Athener 
ihre  Tage  nach  dem  Monde  abmessen  —rolg  ifjx^. 
pa$  xoLTi  a-eki^vriv  a/Eiv,  was  nichts  anders  sagen  kann,  als 
dafis  er  statt  der  altem  schwankenden  Rechnung  eine 
genauere,  auf  die  Dauer  des  synodischen  Monats  ge- 
gründete, zu  seUen  gebot.     Proclus  versichert*),  ihm 


*)  Isag.  C.6. 

')  c.i8. 

')  1,59. 

*)  In  Timaeum  Plat.  I,  p.25. 


Griecheit,  267 

gehöre  die  Wahmelmiung  an,  dafis  der  Mondmonat  nicht 
dreifaig  Tage  halte,  we&halh  er  die  Benennung  ivri  Hcd 
via  eingeführt.    Dafs  der  Mondmonat  kürzer  als  dreifsig 
Tage  sei,  wulste  man  gewifs  längst;  nur dais,  wenn  man 
ihn  mit  der  Conjunction  anfangen  läfst,  die  nächste  Zu- 
sammenkunft des  Mondes  mit  der  Sonne  um  die  Mitte 
der  rptaxotg  erfolge,  mit  andern  Worten,  dals  er  29  und 
einen  halben  Tag  halte,    war  yermuthlich  eine  von 
ihm  zuerst  gemachte,  oder  doch  wenigstens  för  die  Zeit- 
rechnung  zuerst  benutzte  Wahrnehmung.     Er  nannte 
diesen  Tag,    wie   auch   Plutarch  *)  und  Diogenes 
Laertius  ^)  sagen,    Ivri  oder  inj  koI  via,    den  alten 
und  neuen,  als  denjenigen,  der  dem' alten  und  neuen 
Monate  zugleich  angehört.    Plutarch  drückt  sich  hier- 
über etwas  unbeholfen  also  aus:    ,,Da  Solon  die  Un- 
,,gleichfaeit  des  Mondes  bemerkte  und  sah,   dafs  seine 
„Bewegung    weder  mit  der  untergehenden  noch   mit 
,,der  aufgehenden   Sonne  vollkommen  übereinstimmt, 
„sondern  dafs  'er  oft  an  demselben  Tage  die  Sonne  er- 
„reicht  und  vor   ihr  voiHibergeht ,    so  verordnete   er, 
„dals  dieser  Tag  Ivtj  xcä  via.  genannt  werde,    indem  er 
„meinte,   der  Theil  desselben  vor  der  G)njunction  ge- 
„höre  dem  zu  Ende  gehenden  Monate,  das  Uebrige  be- 
,,reits  dem  beginnenden  an  ^)."    Man  sieht  hieraus,  dais 


•)     Vita  SoL  'c.  25. 
»)    1,57.     '    • 

noXKoMQ  T^c   avTiJc  ^V^P^$  '^  xtnaXttfjißcufova'av  xaX  irapspx^H^'^*'  ''^^ 
fiivy  ffpeoijxtfir  i^yoviuvog.     L  c. 


268  Technische  Chronologie. 

die  Benennung  von  Ibm  defshalb  ftir  die  rptaxA;  oder 
den  Tag  der  Gonjunction  gewählt  wurde,  quod  ea  die 
potest  n)ideri  extrema  et  prima  lima,  wie  Varro  sagt  ^), 
mit  welchen  Worten  man  es  jedoch  nicht  seht  genau 
nehmen  mufs,  da  es  unmöglich  ist,  den  abnehmenden 
und  zunehmenden  Mond  an  Einem  Tage  zu  sehen. 
Die  Benennung  cvi;  für  die  rpiaxot;  kommt  übrigens 
schon  beim  Hesiodus  yor ').  Solon  fügte  aber  zu- 
erst xcä  via  hinzu.  Auch  soll  er  nach  Plutarch  den 
Tag,  an  welchem  die  Mondsichel  gewöhnlich  in  der 
Abenddämmerung  erscheint,  vovjuifjvia  genannt  haben, 
nicht  dafs  er  diese  Benennung  zuerst  gebrauchte ,  son- 
dern weil  er  zuerst  von  der  alten  Gewohnheit  abwich, 
gerade  den  Tag,  an  welchem  der  Mond  aus  den  Sti^h- 
len  der  Sonne  hervortritt,  mit  diesem  Namen  zu  bele- 
gen. Ihm  war  die  vou/xtjvia  allemahl  der  Tag  zunächst 
nach  demjenigen,  auf  welchen  er.die  Gonjunction  setzte, 
der  Mond  mochte  sich  an  ihm  zeigen  oder  nicht.  Hier 
hätten  wir  also  die  erste  Spur  eines  cyklisöh  bestimm- 
ten Monats.  Endlich  soll  er  nach  Plutarch  und  dem 
Scholiaslen  des  Aristophanes  ^)  die  Mönatstage  nach  • 
dem  20sten  —roig  an  thaiio^ —  zuerst  in  rückgängiger 
Ordnimg    mit  dem  Beiwort  4>3'tyoyT05  (fwjvtJ^),    des   zu 


*)    De  ling.  lai.  p.54  ed.  Bip.    Veigl.  R.  R.  I,  37. 

')  Opp.  et  d,  770.  Scaliger  will  darunter  den  ersten  Mo- 
natstag verstanden  wissen  (s.  Heinsius  Ausgabe) ;  allein  die  ei- 
gentliche Bedeutung  des  Worts  \v^  odei-  lvt\  ist  dagegen.  S.  Sleph. 
Lex,  in  append,  col.  872.  Selbst  der  Zusammenhang ,  in  den 
Hesiodus  dies  Wort  bringt,  gibt  nicht  undeutlich  zu  erkennen, 
dais  er  die  kurz  zuyor  genannte  vpicExa;  damit  meint. 

*)    Ad  Nub.  1129. 


Geiechbn.  269 

Ende  gehenden  Monats  gezählt  liaben,  wie  sich 
ersteier  ausdiücLt  ,, nicht  addirend,  sondern  snbtrahi- 
,,rend,  so  wie  er  das  Licht  des  Mondes  schwinden  sah." 
Auch  hieraus  geht  hervor,  da(s  er  dem  Monat  zuerst 
einen  cyklischen  Charakter  gegeben  haben  müsse ;  denn 
hei  der  alten  Art  die  Monatstage  zu  zahlen,  konnte 
man,  wenn  man  bis  zum  21sten  gekommen,  natür- 
lich nicht  wissen,  ob  es  der  zehnte  oder  neunte  vom 
Ende  war. 

Aus  allen  diesen  Andeutungen  läfst  sich  wol  mit 
Bestimmtheit  folgern,  dafs  es  Solon  war,  der  den  er- 
sten Gi*und  zur  cyklischen  Monatstheorie  gel^t,  und 
namentlich  den  Wechsel  der  vollen  und  hohlen  Monate 
eingefühlt  hat.  Hierzu  bedurfte  es  gerade  keiner  be- 
sondern  astronomischen  Kenntnisse,  und  es  ist  daher 
leicht  möglich,  dais  er,  wie  Plutarch  sagt  *),  in  der 
Physik  a;rXov$  Xuty  xed  dpxoM9  9  sehr  einfach  und 
alterthümlich,  'war. 

Durch  diesen  Wechsel  bildete  sich  nun  ein  Jahr 
von  354  Tagen,  das  mit  den  Erscheinungen  des  Mondes 
bis  auf  etwa  neun  Stunden  übereinstimmte«  Es  sollte 
aber  auch  mit  der  Sonne  ausgeglichen  werden  oder 
immer  in  gleicher  Jahrszeit  anfangen.  Diesen  Zweck 
glaubte  man  anfimgs  dadurch  zu  erreichen,  dafs  man 
ein  Jahr  ums  andere  einen  ßOtägigen  Monat  einschaltete« 
So  entstand  die  Trieteris  oder  der  zweijährige 
Schaltcykel,  über  den  sich  Gensorinus  also  äus- 
sert :  freieres  in  Graecia  cmtates  cum  animadi^rterent, 
dum  sol  annuo  cursu  orbem  suum  circuit,  bmam  in-- 
terdum  ter  decies  exoriri,    idque  saepe  akemis  ßeri, 

')    1.0.3. 


270  Technische  Chronologie. 

arbärati  sunt,  bmares  XII  menses  et  dimidiatum  ad 
annum  naturalem  com^enire*  Itaque  annos  cii^iles  sie 
statuenmt,  ut  intercalando  facerent  altemos  XII  rnen^ 
siwn,  akemos  XIII,  utrumque  annum  separatim  o^er- 
tentem,  iunctos  ambas  annum  magnum  ^vocantes.  Id^ 
qua  tempus  rpuTTipi^a  appeUabant,  quod  terdo  quoque 
anno  intercalabatur,  quamvis  biennii  circuitus  et  resfera 
duTTfpi^  esset»  Zur  Erläuterong  dieser  Worte  ist  zu  be- 
merken, dafs  die  Alten  unter  annus  magnus  einen  Cj- 
clus  von  ganzen  Jahren  verstanden,  der  Sonne  und 
Mond  (viele  fiigten  auch  die  Planeten  hinzu)  zu  dersel- 
ben Stelle  zurückführt  r  von  der  sie  ausgegangen,  jin- 
nus /vertens  ist  eigentlich,  wie  Censorinus  anderswo 
sagt^),  der  Zeitraum,  ditm  sol  percurrens  duodecim 
Signa  eodem,  unde  profectus  est^  redä,  also  das  tro- 
pische Jahr.  Hier  nimmt  er  aber  den  Ausdruck,  in 
einem  minder  scharf  begrenzten  Sinn,  fiir  das  Son- 
nenjahr im  Allgemeinen.  Tertio  quoque  anno  heißt 
nach  römischem  Sprachgebrauch  ein  Jahr  ums  an- 
dere.   Die  Griechen  sagten  eben  so:   dui  rphov  hoog. 

Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dals  es  Solon  war, 
der  die  Trieteris,  von  der  hier  die  Rede  ist,  in  seine 
Gesetzgebung  aufnahm.  Sie  kam  ganz  gut  mit  dem 
Monde  überein.  In  Yei^Ieichung  mit  der  Sonne  war 
sie  zwar  sieben  und  einen  halben  Tag  zu  lang,  so  da(s 
man  von  Zeit  zu  Zeit  einen  Schaltmonat  weglassen 
mufste;  sie  konnte  indessen  doch  einigemahl  wiederhohlt 
werden,  ehe  ihre  Abweichung  vom  Himmel  sehr  merk- 
lich wurde. 


«)    C.19. 


Gaieghen.  271 

Es  ist  nun  aber  nicht  wenig  auflaUend,  cla(s  Her odot 
diesen  Gesetzgeber  in  seiner  Unterredung  mit  dem  Crösus 
Yon  einer  Trieteris  sprechen  läfst,  die  auf  blofsen 
dreiisigtägigen  Monaten  beiiiht  und  doch  mit  dem  Hirn« 
mel  übereingestimmt  haben  soll.  Seine  Worte ,  die  ein 
vrahres  Kreuz  für  die  Chronologen  sind»  lauten  also  ^): 
,  f  Ich  stecke  das  Ziel  des  menschlichen  Lebens  auf  70  Jahr. 
,, Diese  70  Jahr  geben  25200  Tage,  wenn  man  den 
,, Schaltmonat  nicht  in  Rechnung  bringt.  Will  man 
,,aber  ein  Jahr  ums  andere  um  einen  Monat  yerlängem, 
,, damit  die  Jahrszeiten  zur  Stelle  zurückkehi'en,  so  kom* 
,,men  auf  70  Jahr  35  Schaltmonate,  welche  1050  Tage 
,, halten.  Unter  allen  dann  auf  70  Jahr  gehenden 
,,26250  Tagen  fuhrt  jeder  seine  eigenthümlichen  Er- 
,,eignis8e  herbei."  Man  kann  sagen,  die  Lyder  und 
andere  kleinasiatische  Yölker  zählten  zu  Solon's  Zei- 
ten nach  dreiisigtägigen  Monaten;  auch  läfst  eine  an* 
dere  schon  oben  (96)  oitirte  St^e  Herodot's  nicht 
bezweifeln,  dais  es  damals  noch  griechische  Yölkerschaf« 
ten  gab,  die  ein  Jahr  ums  andere  (in  der  Regel  we- 
nigsten^)  einen  Monat  einschalteten.  Die  di^ifsigtägigen 
Monate  und  die  Trieteris  einzeln  genonunen  haben  also 
nichts  Befremdendes.  ITur  die  Art,  wie  sie  hier  cchqqh 
binirt  werden,  lä&t  sich  durch  keine  Astronomie  recht« 
fertigen.  Ein  Jahr  yon  360  Tagen  ohne  Einschaltung 
ist  um  &-{  Tage  tu  kui*e,  und  ein  Jahr  Ton  360  Tagen, 
zu  denen  ein  Jahr  ums  andei^  ein  Schaltmonat  yon 
30  Tagen  kommt,  tun  9*1  Tage  zu  lang ;  das  erste  3t]mmt 
mithin  besser  mit  dem  Himmel  überein,  als  das  zweite. 


*)    1,32. 


272  Technische  Chronologie. 

Wie  kann  also  Hevodot  yon  einer  Einschaltung  reden 
zu  dem.  Zweck:  Xvol  irj  cd  ipat  (njfißaiyuxrL  TcapoLyiyoiJLiwu  ig 
ro  diov  —   ,, damit   die  Jahrszeiten    zur  Stelle    zurück^ 
,, kehren?"   Es  sind  nur  zwei  Fälle  denkbar:  entweder 
ist  die  ganze  Stelle  verdorben  auf  uns  gekommen,  oder 
Herodot  hat  aus  tiefer  Unkunde  der  Asti*ononiie  ei- 
nen groben  Fehler  begangen.     Wyttenbach  *)  nimmt 
das    erste   an,    und    ändert  die  Stelle  des   Geschieht- 
Schreibers  so  gewaltsam,  dafs  ein  ägyptisches  Jahr  yon 
365  Tagen  zum  Vorschein  kommt,   und  Larcher  hat 
diese   durch   keine  Handschrift,    ich   will  nicht  sagen 
gerechtfertigte,     sondern    nur    von    fem    angedeutete 
Aenderung   in  die  zweite  Ausgabe  seiner  Uebersetzung 
aufgenommen.     Wyttenbach  setzt   voraus,   da&   das 
griechische  Jahr  noch  zu  Selon 's  Zeiten  aus  360  Ta- 
gen bestanden  habe,  und  dafs  von  sechs  zu  sechs  Jah- 
ren ein  Monat  von  30  Tagen  eingeschaltet  worden  sei, 
wodurch  sich  im  Durchschnitt  genommen  eine  Tagzahl 
von  365  ei^ibt.     Allein  von  einer  solchen  sechsjährigen 
Schaltperiode  findet  sich  weder  bei  den  Griechen,  noch 
bei' sonst  einem  alten  Volke  irgend  eine  Spur.     Dagegen 
wird  eine  zweijährige   nicht  blofs  von  Geminus   und 
Censorinus,    sondern,    wie   vorhin  bemerkt  worden, 
von  Herodot  selbst  erwähnt.     Es  ist  «daher  an  seinen 
Worten  schwerlich  etwas  arti  ändeiti.    Uebei'  seinen  Mifs- 
griff  wollen  wir  uns  um  so  weniger  wundern,  da  sich 
dessen  auch  der  sonst  so  einsichtsvolle  Gemi^us  schuldig 
gemacht  hat.    Denn  nachdem  er  das  Wesen  eines  Mond- 
jahrs bündig  erklärt  und  bemerkt  hat,  dafs  die  Griechen, 
einer  väterlichen  Sitte  zufolge,  nach  Tagen,   Monaten 


*)    Selecta  principum  kistoricorum  p.348  ff. 


GüTEGHEir*  273 

und  Jahien  opferten,  setzt  er  hinzu:  „Die  Alten  leg- 
,,ten  den  Monaten  30  Tage  bei  und  schalteten  ein  Jahr 
,,uni5  andere  einen  Monat  ein  *)."  Eine  solche  zwei- 
jähi*ige  Schaltperiode,  nach  der  das  Jahr  abwechselnd 
aus  360  und  390  Tagen  bestand,  weicht  nicht  weniger 
als  11-^  Tage  vom  Monde  und  191- Tage  von  der  Sonne 
ab.  Unmöglich  läfst  sich  annehmen,  dafs  eine  solche 
Periode  je  bei  einem  Volke  im  Gebrauch  war,  welches 
die  Absicht  hatte,  die  Monate  nach  dem  Monde  und  die 
Jahre  nach  der  Sonne  abzumessen.  Auch  die  tie&te 
Unwissenheit  erklärt  ein  solches  Ungeheuer  von  Schalt- 
periode nicht» 

Censorinus  fkhrt,  nachdem  er  vin  dem  zwei- 
jährigen Cjclus  gesprochen  hat,  also  fort:  Postea,  co-- 
gmto  errore,  hoc  tempus  dupUcanintj  et  rsrpcuTYißiia 
fecenmU  Sed  eam,  quod  quinto  quoque  anno  redibatj 
jKVTasrripiict  nominabant.  Qui  annus  magnus  ex  qua" 
driennio  commodior  'visus  est,  yt  annus  solis  constaret 
ex  diebus  CCCLXF  et  diei  parte  circüer  quarta^  quae 
unum  in  quadriennio  diem  conficeret,  Quare  agon  et 
in  Elide  lovi  Olympio  et  Romae  CapitoUno  quinto 
quoque  anno  redeunte  celebratur.  Hoc  quoque  tempus, 
quod  ad  solis  modo  cursum,  nee  ad  lunae,  congruere 
^idebatur,  duplicatum  est,etc*  Diese  Tetraeteris,  die 
schon  oben  (261)  angedeutet  worden  ist,  soll  mit  der 
Sonne  übereingestinunt ,  also  aus  365-|x4ss  1461  Ta- 


ßoXtfjiovc  irap'  Iviavro'y.  Die  beiden  letzten  Wörter  sagen  so  viel 
als  ^li  TpiTov  rrovc.  So  kommt  irap'  ijfiipay  in  der  Bedeutung  ei- 
nen Tag  um  den  andern  yor.  Der  lateinische  Ueberselzer 
schreibt  irrig  propler  annum  solis.  Offisnbar  will  Geminus 
angeben,  wie  od  man  eingeschaltet  habe. 

I.  [18] 


374  Technische  Chronologie. 

gen  besUnden  haben.  Wie  sollen  aber  diese  in  Mo- 
nate vertheQt  gewesen  sein?  Dodweli  meint  ^),  man 
habe  den  Monaten  abwechselnd  30  und  29  Tage  gegeben, 
und  am  Ende  des  zweiten  Jahrs  einen  Monat  von  22, 
am  Ende  des  vierten  einen  von  23  Tagen  eingeschaltet. 
So  kommen  freilich  1461  Tage  heraus.  Allein  bei  die- 
ser Anordnung  wurden  so  wenig  die  ganze  Periode, 
wie  die  einzelnen  Monate,  mit  dem  Monde  übereinge- 
stimmt haben;  auch  hätten  alle  vier  Jahre  zwei  Monate 
eine  von  der  der  übrigen  ganz  verschiedene  Form  gehabt, 
die  wir  zwar  in  dem  Schaltmonat  der  altem  Römer, 
aber  nirgends  bei  den  Griechen  antreffen*  Bei  diesen 
war  allerdings  in  9o  fem  eine  Tetraeteris  oder  Pen- 
tax teris  im  Gebrauch,  als  sie  die  olympischen  und 
andere  Nationalspiele  in  vierjährigen  Zwischenräumen 
leierten;  aber  die  Annahme  des  Gensprinus,  dafs 
ihnen  der  vierjährige  Cydiis  zur  Anordnung  ihrer  bür- 
gerlichen Zeitrechnung  gedient  und  den  Uebergang  von 
der  Trieteris  zu  der  Octae'teris  gebildet  habe,  be- 
ruht höchst  wahrscheinlich  auf  einem  Irrthum. 

Geminus  gedenkt  der  Tetraeteris  gar  nicht, 
daher  sie  nur  um  so  zweifelhafter  erscheint«  Er  geht 
von  dem  zweijährigen  Cydus  sogleich  zum  achtjährigen 
über.  Ehe  indessen  von  den  fernem  Verbesserungen 
der  griechischen  Zeitrechnung,  oder  vielmehr  der  at- 
tischen (denn  von  dieser  allein  sind  wir  näher  unter- 
richtet) gehandelt  werden  kann ,  müssen  wir  uns  mit 
den  Monaten  der  Athener  und  der  Epoche  ihres  Jahrs 
bekannt  machen* 


*)    De  veieribus  Graecorum  Romanorumque  tyclis  disser» 
UUiones  decem  (Oxford  1701,  4).   Diss.  m,  sect.  26. 


GaiBGHBicf.  276 

Die  Namen  ihrer  Monate  sind: 

'ExarojußoiwF       Hekatombftoü* 
Msrocyutvujüv       Metageitnion* 
BoridpoiJuwv         Boedromion. 
Uvavui/uSv  Pyanepsion. 

MauiJMxrripujoY      Mämakterion. 
Iloa-Bidswiß  Poseideon. 

rafjt)]XuJy  Gamelion* 

'AvB-cpjpctoy  Anthesterion« 

'EXfiu^ßoXtwy      Elaphebolion. 
Movwx'^  Munjchion. 

&afyyri\iwy  Thargelion. 

XxipoipopyüSy  Skiropborion  ^). 
Im  Scbahjahr  wurden  2wei  Poseideone  gezählt« 
Dies  erhellet  theils  aus  dem  Ptolemäus,  der  bei  GAe- 
genheit  einer  Mondfinsternifs  des  erstem  Poseideon 
—Uoo'HiiSyog  rcni  Tcporlpov  —  gedenkt '),  theils  und  noch 
deutlicher  aus  einer  Inschrift  bei  Corsini^),  wo  in 
der  Reihe  der  attischen  Monate  vor  dem  Gamelion  ein 
Iloo-sidecuv  a'  und  ß',  ein  erster  und  zweiter  Pose!« 
deon,  stehen. 

Die  Ordnung,  in  der  hier  die  Monate  aufgeführt 
sind,  ist  die,  welche  Sca liger  für  die  richtige  halt. 
Petavius  setzt  den  Mämakterion  vor  den  Pyanepsion. 
Wer  Recht  habe,  untersuchen  die  Herren  Var  thelemy  *) 


^)  Dei*  letzte  Name  findet  sich  auch  mit  einem  doppelten  p 
geschrieben,  jedoch,  wie  ich  bemei'kt  zu  haben  glaube,  nicht 
auf  Denkmälern. 

'}  Almagest  1.  lY,  p.278.  Hi\  Halma  übenetzt  irng:  le 
Premier  jbur  du  mois  Posidäon. 

*)    F.  A.  XI,  21.    Tom.n,  p.i7i. 

'}    Mim.  de  l'Jcßd.  des  Inscr.  Tom.XLVni,  p.395  ff. 

[18*] 


276  Technische  Chronologie. 

und  Butt.mann  ,  letzterer  in  einer  meinen  histo- 
rischen Untersuchangen  über  die  astronomi- 
schen Beobachtungen  der  Alten  angehängten  Abi 
handlung. 

Sca liger  hat  (iir  sich  1)  die  aus  einem  allen 
handschriftlichen  Lexicon  entlehnte  Tafel  der  attischen 
Monate  bei  Henricus  Stephanus  *).  2)  Eine  ähn- 
liche Tafel  von  Prideaux  ')  aus  einem  alten  Codex 
des  Ptolemäus  genommen.  3)  Das  Zeugniis  des 
Harpocration  ,  eines  Grammatikers  von  anerkannter 
Autorität,  der  in  seinem  Lexicon  über  die  atti- 
schen Redner*  den  Mämakterion  den  fünften  Mo- 
nat der  Athener  nennt,  dem  Lysimachides  folgend, 
der  ein  eigenes  Werk  von  den  attischen  Monaten  ge- 
schrieben hatte«  Photius  stimmt  ihm  in  so  fern  bei, 
als  er  in  seinem  Lexicon  den  Pyanepsion  zum  vierten 
Monat  macht.  4)  Zwei  von  Spon  aufgefundene  In- 
schriften aus  späterer  Zeit,  in  denen  hintereinander  Boe- 
dromion,  Pyanopsion  und  Mämakterion  genannt  wer- 
den ^)«  5)  Eine  hiermit  übereinstimmende  Inschrift 
in  der  neuem  Ausgabe  der  Marmora  Oxpnien- 
sia  ^).  6)  Endlich  eine  Inschrift  aus  früherer  Zeit  bei 
Chandler  ').  In  derselben  wird  die  Dauer  eines  Frie- 
densstandes {(TKcvicäy  indadae)  zwischen  den   Athenern 

')    Anhang  zum  Thesaurus  Graecae  linguae  col.  225. 
*)    Marm.  Oxon.  (Oxford  1676,  fol.)  p.239. 
')    F.  A.  a.  a.  O.  uifd  S.  183.   üuai^eil^iiiy  ist  die  Schreibart  der 
Steinschriflen. 

•)    (Oxford  1763,  fol.)  P.H,  p.l5. 

•)  Inscript.aniiquae  (Oxford  i774,  fol)  pM.  Hr.  Böckh, 
der  sie  Ton  neuem  mitgelheiit  und  erläutert  hat  (Inscript.  Graecae 
Vol.  I,  P.  II,  no. 7i^,  seut  sie  in  Ol.  82-83. 


Griechen*  277 

und  einem  Feinde,  vermuthlich  den  Laoedämoniem,  für 
alle  an  den  eleusinisclien  Mysterien,  sowohl  den  grölsem 
im  Boedromion  als  den  kleinem  im  Anthesterion,  Theil 
nehmende  vom  Anfange  des  Melageilnion  durch  den 
Boedromion  bis  zum  10.  Pyanepsion,  und  vom  Anfange 
des  Gamelion  durch  den  Anthesterion  bis  zum  10.  Ela- 
phebolion  festgesetzt  und  verpönt. 

Gegen  diese  Zeugnisse  können  die  meisten  der  Ton 
Petavius^)  beigebrachten  Gioinde  nicht  aufkonmien. 
Was  noch  am  deutlichsten  (ur  ihn  spricht,  sind  ein  paar 
astronomische  Beobachtungen,  die  Timocharis  in  zwei 
auf  einander  folgenden  callippisch  -  attischen  Jahren  zu 
Alexandria  gemacht  hat,  die  erste  am  8.  Anthesterion 
yom  Anfange,  die  zweite  am  6.  Pjanepsion  vom  Ende  '). 
Die  beigesetzten  ägyptischen  Data  und  Jahre  der  nabo- 
nassarischen  Acre  lassen  nicht  bezweifeln,  dals  die  erste 
am  29.  Januar  und  die  andere  am  9.  November  des 
Jahrs  283  v<Chr.  angestellt  ist.  Beide  Data  sind  unji 
283  Tage  von  einander  entfernt.  Der  Pyanepsion  muis 
also  der  fünfte  Monat  des  attischen  Jahrs  gewesen 
sein ,  weil  der  Zwischenraum  sonst  um  neunundzwan- 
zig bis  dreifsig  Tage  zu  grofs  ausfallen  würde. . —  Veiv 
muthlich  blofs  um  dieses  wichtige  Argument  zu  ent- 
kräften, nimmt  Scaliger  an  ^j  ^  Callippus  habe  bei 
seiner  Verbesserung  des  metonschen  Cyclus  den  Schalt- 
monat  aus  der  Mitte  des  attischen  Jahrs  ans  Ende  des^- 
selben  versetzt,  und  die  erste  jener  Beobachtungen  sei  in 
einem  Schaltjahr  angestellt  worden,  wodurch  das  Datujpi 


*)    Doctr.  temp.  1. 1,  c.  10. 

*)    Almagest  l.YII,  p.2i  und  24. 

')    Emend.  temp,  l.II,  p.87. 


'2^8  Technische  Chronologie. 

der  f  weiten  am  einen  ganzen  Monat  Im  attiBchen  Ka- 
lender verschoben  sei.  Allein  diese  Hypothese  inrlrd 
durch  die  einsige  Bemerkung  des  Geminus  widerlegt, 
dafs  Callippus  bei  der  Verbesserung  des  gedachten 
Cyclus  in  der  Anordnung  der  Schalunonate  nichts  ge- 
Xndert  habe  ^).  Auch  sagt  Hr.  Buttmann  treflTend, 
Lein  Kalender -Yerbesserer  sei  je  in  irgend  etwas,  das 
nicht  eine  astronomische  Nothwendigkeit  in  sich  trage, 
Ton  der  Gewohnheit  eines  Volks  abgewichen,  am  we- 
nigsten in  einer  so  fühlbaren  Sache,  wie  die  Einschal- 
tung eines  ganxen  Monats  sei*  Eben  so  wenig  wird  man 
hier  mit  Barth^lemy  das  Urtheil  des  Hipparch'), 
dafs  es  den  Beobachtungen  jenes  allen  Astronomen  an 
Glaubwürdigkeit  fehle,  geltend  machen  wollen;  denn 
es  bezieht  sich  blofs  auf  den  Mangel  an  Sdiärfe,  mit 
dem  sie  angestellt  waren,  wie  das  ihnen  beigelegte  Prä- 
dikat TToyo  o\cffX^pö5^  tikrjiiiiiycu  lehrt.  Soll  nun  aber 
der  Pyanepsion  dennoch  der  vierte  Monat  des  attischen 
Jahrs  sein,  welche  Stelle  ihm  nach  obigen  Zeugnis- 
sen kein  unbefangener  Alterthumsforscber  weiter  strei^- 
tig  machen  wird  ^),  so  bleibt  nichts  übrig,  als  anzu- 
nehmen, dafs,  s^i  es  durch  die  Schuld  des  Ptolemäus 


*)    Almagest  1.  VH,  p.i5. 

.  ')  Zu  diesen  üobefangenen  kann  Qr.  CbampoUion-Figeac 
nicht  gezahlt  werden.  In  einem  Supplement  zu  seinen  jFuiales 
des  Lagides  (Paris  f 820,  8),  das  die  Yertheidigung  seiner  chro- 
nologischen Pnncipien  gegen  Hin.  Saint-Martin  enthält,  be- 
harrt er  noch  immer  bei  der  Hypothese  des  Petavius,  ohne  sie 
durah  irgend  ein  neues  Argument  zu  unterstützen.  Die  chand- 
lersche  Inschrift  fertigt  er  ganz  kura  mit  dem  Ürtheil  ab,  dafs 
ihre  Epoche  sehr  ungewifs  sei ,  und  dafs  ^sie  daher  für  das  Zeit- 


GRlECHBlf.  279 

odEsr  seiner  AlMchreiber,  in  seinem  Text  die  Namen 
Mämakterion  und  Pyanepsion  mit  einander  yer- 
iveohselt  worden  sind. 

-  Der  attische  Monat  wurde  in  drei  Dekaden 
getheilt*  Der  erste  Tag  hiefs  vovfxvjvtay  Neumond^), 
weil  er  in  der  Regel  mit  der  ersten  Erscheinung  der 
Mondsichel  in  der  Abenddämmerung  seinen  Anfang 
nahm  ';•  Die  Monate  wurden  nämlich  durch  die  forlr 
gesetzte  Verbesserung  der  cyklischen  Theorie  allmälig 
so  gestellt  und  abgemessen,  dafs  ihr  An&ng  in  der 
Hegel  dem  ersten  Tage  nach  der  Conjunction  entsprach, 
wo  sich  das  Mcmdlicht  zuerst  zu  zeigen  pflegt,  ob  es 
gleich  nach  der  jedesmaligen  Lage  der  Ekliptik  auch 
wol  erst  am  zweiten  oder  dritten  Tage  nach  der  Con«» 
junction  sichtbar  werden  kann,  wie  Geminus  richtig 
bemerkt  ^).  Man  sieht  also,  dafs  Neumond  bei  den 
Griechen  etwas  anders  war,  als  bei  ims.    Wir  verstehen 


alter  Alexander's  nichts  beweise.  Offenbar  hat  er  sie  nicht  an- 
gesehen, wenigstens  nicht  mit  Kenneraugen.  Hätte  PetaTius 
die  80  entscheidenden  Steinschriften  gekannt,  gewifs  er  würde 
trotz  seines  Hasses  gegen  Sca  liger,  der  ihn  fast  alles  verwerfen 
läfst , .  was  dieser  Gelehrte  über  die  griechische  Zeitrechnung  ge> 
schrieben  hat,  seine  Augen  gegen  die  Wahrheit  nicht  verachlos- 
sen  haben.  Er  war  ein  zu  gründlicher  Foi'scher,  als  dafs  er  das 
Gewicht  solcher  Beweisgründe  nicht  gehörig  hätte  würdigen  sollen. 

*)  In  obgcdachter  Inschrift  bei  Chandler  steht  af^oya^vla^ 
was  sonst  nicht  weiter  Torkommt,   statt  vcM^v^loß. 

')  Man  wird  sieh  ans  den  oben  (80  und  100)  beigebrachten 
Zeugnissen  des  Censorinus  und  Plinius  erinnern,  dafs.  die 
Athenei*  ihren  bürgerlichen  Tag  mit  dem  Untergange  der  Sonne 
anfingen. 

')    0.7. 


280  Technische  Chronologie. 

darunter  die  Gonjunction  ^),  die  Griechen  hingegen  das 
emeuete  Licht  nadi  der  G>njuncUon  oder  auch,  un- 
abhängig von  demselben,  den  ersten  Tag  dea  Monats. 
Wenn  Thucydides  die  Bemerkung  macht  '),  da&  sich 
die  Sonnenfinsternisse  nur  an  der  youjuttjvuf  xara  a^X-f^vriß 
ereignen,  so  gibt  er  durch  das  nach  dem  Monde 
zu  erkennen,  dais  er  das  Wort  in  unserm,  nicht  in 
dem  gewöhnlichen  griechischen  Sinne  genommen  wis- 
sen will. 

Die  folgenden  Tage  des  Monats  wurden  der  Ord- 
nung nach  bis  zum  zehnten  fortgezäblt,  mit  dem  Bei- 
satz Ig-a^vovy  des  angehenden  Monats.  Eben  so 
die  Tage  der  zweiten  Dekade,  mit  dem  Beisatz  im  dlxa 
zu  oder  über  zehn.  Der  zwanzigste  hicfs  wca^,  und 
nach  ihm  die  übrigen  tuid^Bg  ^).  Vom  21sten  an  sagte 
man  nach  Pollux  *)  Trpwrriy  itüripa  u.s.w.  ItA  iucd&u 
Gewöhnlicher  aber  wurden  die  Tage  der  leUlen  Dekade 
dem  schwindenden  Lichte  des  Mondes  gemäb  rückwäru 
gezählt,  wie  die  Tage  vor  den  Calendis  bei  den  Bö- 
mern,  mit  dem  Zusatz  <f>3'ivoyTo$,  des  zu  Ende  ge- 
henden Monats,  um  sogleich  durch  das  Datiren  be- 
merklich  zu  machen,    wie   lange  das  Mondlicht   noch 


^)  Bei  den  Griechen  ^vo^oc,  bei  den  Römern  coitus»  Die 
{etztarn  sagten  auch  inteHunium  oder  silens  luna.  Wir  ersehen 
dies  aus  Plin.  Ä.  iV.  XVI,  74,  woraus  zugleich  erhellet,  dafs  in- 
terlunium  nicht  die  ganze  Zeit  um  den  Neumond  hiefs,  wo  der 
Mond  nicht  sichtbar  ist  (so  nehmen  es  die  neuem  Chronologen), 
sondern  blofs  der  Tag  der  Conjunetion.  Blan  yergleiche  auch 
H.  N,  XVm,  75. 

*)  n,  28. 

»)    Aristoph.  Nub.  17. 
*)    Gnom.  I,  7,  63. 


Griecheh.  281 

vorhalten  weide.  So  hieis  der  vorletzte  Tag  ievripa 
4>2r(yorrogy  der  dritte  vom  Ende  rpirrj  ^d'uovrc^,  und  der 
21ste  Monatstag  entweder  dWri]  oder  ewc^nj  ^^{yovrogy 
je  nachdem  der  Monat  dreifsig  oder  neun  und  iwanzig 
Tage  hatte  ^). 

Seim  Aristaphanes ')  zahlt  ein  Schuldner,  der 
dem  Ende  des  Monats,  wo  die  Zinsen  gezahlt  wurden, 
mit  Schlucken  entgegensieht, 

wobei  ein  Scholiast  die  Bemerkung  macht,  die  Athener 
hätten  nach  dem  20sten,  der  jedesmaligen  Länge  des 
Monats  gemäis,  den  elften,  oder  zehnten,  oder  neunten, 
oder  achten  ^^ivono^  geragt.  Von  einem  elften  und 
achten  zunächst  nach  dem  208ten  findet  sich  aber 
hei  den  griechischen  Schriftstellern  nirgends  eine  Spur. 
Corsini  glaubt  daher  ^),  dais  diese  Notiz  »auf  das  spät 
nach  Griechenland  verpflanzte  julianische  Jahr  gehe, 
unter  dessen  Monaten  31üigige  und  ein  28tägiger  vor- 
kommen. Dafs  die  spätem  Griechen  dem  julianischen 
Kalender,   den   sie  zugleich   mit  der  christlichen  Keli- 


*)  Der  hier  bemerkte  Spracb gebrauch  ist  der  gewöbnlichiQ. 
Für  l^a\uvov  findet  sich  auch  ^p;^ofAivov,  für  hei  ^ixa  auch  /m. 
0'ovvToc  und  fiir  ^/vovtoc  auch  irauopfvov,  Xyfyonoq  und  «niov^og. 
Homer  scheint,  nach  O^.  g,  1Ö2  zu  schliefsen,  seinen  Monat 
blofs  in  zwei  Perioden,  in  die  des  ab-  uiid  zunehmenden  Lichts, 
getheilt  zu  haben  .  . .  tov  fiv  ^ivomg  ^ayiv^q  tou  ^'  Ig-afiivoio^  Auch 
zu  Hesiodus  Zeit  mufs  das  l^raidvov  noch  nicht  genau  auf  seine 
spätere  Bedeutung  beschränkt  gewesen  sein;  denn  er  redet  ein- 
roahl  (Opp,  etd.  ISOJ  Ton  der  rpigtuuhxdTyi  ig-afx$vovy  ob  er  gleich 
bald  nachher  (v.  798)  Igxmivov  gerade  so  gebraucht,  wie  die  Spä- 
tem,  im  Gegensatz  der  zweiten  und  dritten  Dekade. 

')    Nubes  v.il29. 

*)    F.  A.  n,i5.    Töni.I,  p.81. 


282  Technische  Chronologie. 

gion  annalimen,  ilire  alte  Datirongswetse  ängepa&t  lia-> 
ben,  gibt  des  Theodorus  Gaza  kleine  Schrift  über 
die  Monate  deutlich  zu  erkennen  ^);  es  konnte  aber 
auch  schon  beim  Gebrauch  des  alten  Mondjahrs  ein 
elfter  und  achter  ^^hoYTtx;  vorkommen,  wenn  ein  veiv 
schobener  cyklischer  Monat  wieder  mit  dem  Himmel  in 
Uebereinstimmung  gebracht  werden  sollte,  was  nur 
durch  Einschiebung  oder  Ausmenung  eines  oder  zweier 
Tage  geschehen  konnte.  Man  vergleiche  die  oben  (256) 
angeführte  Stelle  des  Cicero.  Dieser  Fall  mdsle  selbst 
bei  den  Athenern  nicht  ganz  ungewöhnlich  sein,  ge* 
achweige  bei  den  übrigen  griechischen  Völkern,  die 
schwerlich  gleiche  Genauigkeit  in  ihre  Zeitrechnung 
gebracht  haben. 

Die  hier  nach  Theodorus  Gaza ')  und  Peta- 
vius ')  beantwortete  Frage ,  wie  die  Athener  die  Tage 
in  den  hohlen  Monaten  geztthlt  haben,  mit  andern 
Worten,  welches  in' diesen  Monaten  der  ausgemerzte 
Tag  — iloipfo-t/io;,  exemptiUs—  gewesen  sei,  gehört  zu 
den  bestrittensten  in  der  Chronologie.  Scaliger,  der 
neben  dem  Yolksjahr  der  Athener,  welches  seiner  Mei- 
nung liach  durchgängig  aus  30 tagigen  Monaten  be- 
staad  (2S4),  noch  ein  Mondjahr  zu  354  Tagen  annimmt, 
wovon  man  jedoch  nur  bei  der  Amtsführung  der  Pxy- 
tauen  Gebrauch  gemacht  haben  soll  ^),  glaubt,  dafs  in 


*)    0.(2,  yerglichen  mit  c.  f5. 

')    De  mensibus  c.  18. 

')    Doctr.  temp.  LI,  c.5. 

*)  Das  Mondjahr  bei  den  Griechen  ganz  wegzalaugnen ,  war 
ihm  unmöglich,  da  es  überall  so  klar  herrortritt.  Er  stellt  also 
die  höchst  unwahrscheinliche  Hypothese  auf,  dafs  die  Magistrats- 


GlIlBCHBK,  283 

den  hohlen  Monaten  dieses  Pryianenjahrs.  allemahl  der 
z^weite  Tag  weggelassen  worden  sei,  so  da(s  man  nach 
der  vovfitiyüi  sogleich  die  rpirrj  Iftiixivov  gezählt  habe  ^)« 
Es  ist  wahr,  Plutarch  sagt'):  „Man  lä&t  im  Boe- 
,,dromion  immer  den  zweiten  Tag  weg,  weil  man  an- 
„nimmt,  dafs  an  demselben  Neptun  und  Minerva  um 
„Attica  gestritten  haben."  Allein  hiermit  Ififst  sich 
nicht  wohl  eine  andere  Stelle  dieses  Autors  vereinigen, 
wo  es  heifst^):  ,,Die  Griechen,  die  an  dem  ersten 
„Monatstage  die  Götter  verehren,  haben  den  swei* 
„ten  den  Heroen  und  Pämonen  geweiht«"  Auch  wird 
auf  der  Rückseite  des  choiseulschen  Mannors  ausdräckr 
lieh  der  2.  Boedromion  erwähnt,  so  dafs  diese  Nor 
tie  wenigstens  nicht  auf  alle  Zeiten  gehen  kann. 
Hr.  Böckh  glaubt  in  seiner  gelehrten  von  dem  eben 
gedachten  Marmor  gegebenen  Erklärung  *) ,  dais  der 
Schriftsteller  das,  was  er  von  der  itmipa  i^ä^itono^  auf- 
gezeichnet gefunden,  irrig  auf  die  devr^pct  Ig-anivov  über- 
getragen habe« 

Demosthenes  gedenkt  in  seiner  Rede  de  fcdsa 
legatione  ')  der  itKorri  ^^tvovro^  des  Skirophorion  als  des 


personen  zu  Alben  ein  ganz  andei^es  Jabr  als  das  Volk  gd>raudht, 
und  beide  Jahre  ungefähr  so  nebeneinander  bestanden  haben,  wie 
bei  uns  das  Mondjahr,  nach  welchem  wir  das  Osterfest  bestim- 
men,  neben  dem  Sonnenjahr. 

')  Emend*  temp.  l.II,  p.63. 

')  De  fratemo  amore  c.  18.     Sjrmpos.IKy6.    • 

')  Quaest,  Rom.  25. 

*)  Inscript,  Graecae  Vol.I,  p.226/ 

•)  Orot.  Graeci  y oll,  p,Z59. 


284  Technische  Chronologie. 

Tages,  der  aaf  den  zwanzigsten  fcdgte.  Hierbei  macht 
Ulpian  die  Anmerkung:  ,,Die  Athener  zählen  die 
,,Tage  nach  dem  zi/iranzigsten  in  umgekehrter  Ordnung, 
,,  indem  sie  den  ein  und  zwanzigsten  den  zehnten  ^^{^ 
,,yoyro$9  den  zwei  und  zwanzigsten  den  neunten,  und  so 
„bis  zur  rpuücdg  hin  nennen."  Hiervon  geht  Dodwell 
aus,  wenn  er  annimmt  ^),  die  Athener  hätten  in  den 
hohlen  Monaten  die  devripa  4^^{yovro^y  den  vorletzten 
Tag,  weggelassen.  In  dieser  Meinung  bestärkt  ihn 
eine  Aeusserung  des-  Proclus,  der  in  einem  Scholion 
zum  Hesiodus  sagt  ') :  ,,Der  Dichter  macht  mit  der 
,,rpi6exa$,  dem  Tage  der  wahren  Conjunction,  den  An- 
,,fang,  welches  bald  der  wirkliche  di<eifsigste  ,  bald 
,,aber  der  neun  und  zwanzigste  Monatstag  ist,  wenn 
,,der  Tag  vor  dem  dreifsigsten  weggelassen  wird."  Al- 
lein diese  Stellen  sind  nioht  beweisend  genug.  Ulpian 
-wollte  nur  seinen  Text  erklären  und  hatte,  nicht  nöthig 
zu  bemerken,  wie  es  mit  den  hohlen  Monaten  gehalten 
wurde,  was  ihm,  dem  unwissendsten  aller  Scholiasten, 
auch  ganz  entgangen  sein  mag.  Proclus  scheint  nur 
sagen  zu  wollen,  da(s  rputaatg  die  allgemeine  Ben^nung 
des  letzten  Monatstages  war,  selbst  in  den  hohlen  Mo- 
naten ,  wo  man ,  wenn  die  Tage  nach  dem  zwanzigsten 
in  fortlaufender  Ordnung  gezählt  wurden,  was  nach 
einer  oben  (280]  citirten  Stelle  des  Pol  lux  auch  zu- 
weilen geschehen  sein  mufs,  vom  acht  und  zwanzigsten 
gleich  zur  rptaxdg  überging.  Aber  auch  «abgesehen  von 
diesen   Erklärungen  gibt  es  bei  dem    eben    gedachten 


*)    De  Cyclis  IH,  24.    Yergl.  I,  38. 
•')    Zu  Opp.  etd.  T.766. 


Grieghbn.  285 

Scbriftsteller  eine  Notiz  ^),  die  DodwelTs  Hypothese 
geradehin  widerlegt ,  nämlich  die ,  dals  die  Richter  des 
Areopagus  ihr  Amt  in  jedem  Monat  drei  Tage  hin- 
tereinander verwaltet  haben,  an  dem  vierten,  dritten 
und  zweiten  (p^ivoyro^. 

Alles  wohl  erwogen  bleibt  Petavius  Meinung, 
dafs  die  Athener  der  jedesmaligen  Länge  des  Monats 
gemäfs  nach  dem  zwanzigsten  bald  isKorriy  bald  Iwarn] 
^SrtvovTo^  gesagt  haben,  noch  immer  die 'wahrschein- 
lichste, weil  sie  sich  so  natürlich,  darbietet  und  alle 
übrige  Hypothesen  nicht  Stich  halten.  Auch  scheint 
das  Beispiel  der  Kömer,  die  bei  der  Reform  ihres  Ka- 
lenderwesens unter  den  Decemvim  offenbar  das  attische 
l)erücksichtigt  haben,  hier  nicht  ohne  Gewicht  zu  sein« 
Sie  zählten  die  Tage  der  letzten  ^theilung  ihrer  Mo- 
nate in  rückgängiger  Ordnung  bekanntlich  allemahl  so, 
wie  es  die  jedesmalige  Länge  derselben  mit  sich  brachte. 

Das  büi*gerliche  Jahr  der  Athener,  das  immer  von 
dem  ersten  ihrer  Archonlen,  so  wie  das  der  Römer  von 
den  Consuln,  seinen  unterscheidenden  Charakter  erhielt, 
und  daher  nicht,  wie  Scaliger  wähnte,  von  dem  Jahr 
ihrer  'Magistratspersonen  verschieden  sein  konnte ,  fing 
mit  dem  Hekatombaon  im  Sommer  an.  Um  von  den 
vielen  directen  und  indirecten  Zeugnissen  glaubwürdiger 
Schriftsteller,  auf  denen  diese  Tfaatsache  beruht,  nur 
eins  der  tleutlichsten  anzuführen ,  so  sagt  D  i  o  n  y  s  i  u  s 
von  Halicarnafs:  ,,IIion  wurde  nach  attischer  Zeit- 
,,rechnung  siebzehn  Tage  vor  der  Sommerwende  am 
„8.  Thargelion  vom  Ende  eingenommen.  Zur  VoUen- 
,,dung  des  Jahrs  fehlten  noch  zwanzig  Tage  nach  dem 


')    Onom.  Vm,  10,  117. 


286  Technische  Chronciogie. 

„Solstitium  *)."  Welcbea  Wertli  auch  del»  Geschidit- 
forscher  auf  diese  Notiz  und  Berechnung  legen  mag, 
sie  lehrt  wenigstens,  dafs  das  attische  Jahr  die  you/jn^via 
des  Hekatombxon  zur  Epoche,  und  dieser  Monat  seine 
Stelle  in  der  Gegend  der  Sommei'wende  haben  muiste. 

Scaliger,  Petayius,  Dodwell  und  Corsini, 
denen  wir  die  gründlichsten  Untersuchungen  über  die 
griechische  Zeiti^echnung  verdanken,  sind  der  einstim- 
migen Meinung,  dafs  man  das  Jahr  ursprünglich  mit 
dem  Gamelion  um  die  Winterwende  begonnen  habe. 
Die  Stellung  des  Schaltmonats  (275)  macht  die  Sache 
allerdings  wahrscheinlich  ^  wenn  es  gleich  defsfalls  an 
einem  ausdrücklichen  Zeugnisse  mangelt.  Nur  über 
die  Zeit  der  Verlegung  der  Jahrepoche  sind  sie  ver- 
schiedener Meinung.  Scaliger  und  Petayius  schwan- 
ken ;  Dodwell")  und  Corsini')  dagegen  erklären 
sich  zuversichtlich  für  Ol.  87,1,  das  erste  Jahr  des  er- 
sten metonsdien  Cyclus.  Dafs  die  Archonten  damals 
wirklich  mit  dem  HekatombäOA  ins  Amt  getreten  sind, 
leidet  keinen  Zweifel;  denn  Thucydides  bezeich- 
net *)  die  Zeit   des  -  Angriffs   der  Thebaner   auf  PlaU«, 


rpomiiy  oy^ov^  ^^Ivoirtog  fjujv^c  OapyriXiCivog  y  u(  ol  *Ä^vatoi  tov$ 
^povou;  oyovo-i.  Jltpirral  ^l  ^cav  al  tiv  iwiavrOK  Ixttvov  ixirlijpovccu 
litri  r^v  rpoir^y  tlMO-i  i^iiipai.  'Ei»  ^  latg  irre!  xed  Tpiitowra,  raXf 
ana  t^c  akua-ttag  hiaytvofiivati  elc.  Antiq,  Rom.  I,  63.  In  der 
parischen  Marmorchronik  (Epoche  39)  ist  von  der  Iß^opi 
^tVoifTo;  die  Rede.  Die  Tradition  scheint  zwischen  beiden  Datis 
geschwankt  zu  haben.  Man  vergleiche  Casaubonus  Annaer- 
kung  zu  obiger  Stelle  des  Dionysius. 

»)    De  Cjclisl,  4;   m,  35. 

')    F.  A-  n,  22. 

*)  n,  2. 


Grieche«.  287 

iin>iiiit  der  peloponnesiache  Krieg  begann,  nnter  Andern 
80,  da(a  er  ihn  auf  den  Anfang  des  Frühlings 
setzt,  zwei  Monate  vor  dem  Abgange  des  Archon 
Pytbodorus  — Uo^oiwpaü  in  dvo  juiifva^  apxoTFog  'A3^*- 
valoi;  ajLia  ripi  dpxoi'^*  Pytbodorus  war  aber  OL  87 ,1 
Eponymus.  Und  dais  der  Wechsel  des  Jahranlangs  ge- 
rade unter  ihm  erfolgt  sein  müsse,  schlieisen  beide  Ge- 
lehrte aus  folgenden  Versen  des  Festus  Ayienus  ^):    . 

Nam  qui  solem  hibema  novem  putat  aeihere  volvi, 
Ut  lunae  spatium  redeat^  Detus  Harpalus,  ipsam 
Ocius  in  sedes  momentaque  prisca  reducit, 
Illius  ad  numeros  prolixa  decennia  rursum 
Adiecisse  Meton  Cecropia  dicitur  arte; 
inseditque  animis ,  tenuit  rem  Graecia  sollers, 
ProUnus,  et  longos  iiwentum  misit  in  annos. 
Sed  primaeva  Meton  exordia  sumpsit  ab  anno, 
Torreret  rutilo  cum  Phoebus  sidere  cancrum. 

Hier  soll  das  Wort  Iiibema  und  der  durch  setl 
angedeutete  Gegensatz  beweisen,  dafs,  als.  der  19)ährige 
Cydus  des  Meton  an  die  Stelle  der  alten  Octaeleris 
des  Harpalus  trat  '),  der  Anfang  des  Jahrs  vom 
Winter  auf  den  Sommer  verlegt  worden  sei.  Allein 
nicht  zu  gedenken,  da(s  hibema  wol  nur  geradehin  fiir 
anni  stehen  könne,  wie  hiemes  bei  den  Dichtem  öf- 
ters ^) ,  und  dafs  man  es  überhaupt  mit  den  einzelnen 
Ausdrücken  dieses  breiten  und  nachlässigen  Paraphrasten 
nicht  sehr  genau  nehmen  dürfe,  scheint  die  Sache  aua 


*)    Aratea  progn,  t.41. 

')  Harpalus  war  nach  Gensorinus  nur  einei*  der  Verbes- 
serer  der  Octaeteris.  Man  nannte  diese  Periode  auch  Enneaete* 
ris ,  weil  sie  nono  quoque  anno  ablief.  Daher  der  Mifsgriff  no^ 
i^em  für  octo, 

')    Z.B.  beim  Horaz,  Od.  I,  11,  3;  I,  15,  35. 


288  Technische  Chronologie. 

folgendem  Gninde  zweifelhaft  zu  sein.     Ist  der  An&ng 
des  archontischen  Jahrs  unter  Pythodoros  vom  Game- 
lion  auf  den  Hekatombaon  verlegt  worden,  so  mufs  sein 
Vorgänger  Apseudes  entweder  sechs  oder  achtzehn  Mo- 
nate im  Amt  gewesen  sein.     Für  sechs  Monate   ei^Järt 
sich  Dodwell,    für  achtzehn  aus    triftigem  Gründen 
Corsini.     Es  bleibt  aber  immer  bedenklich,   dals  die 
griechischen    Schriftsteller ,    z.B.    D i o d o r ,    der    die 
archontischen   und  Oljmpiadenjahre   vor   so  wie   nach 
01.87,1  ganz  parallel  fortlaufen  läfst,    nicht  irgendwo 
die    für    die  Geschichte    der  Athener    so   meikwürdige 
Verlängerung  oder  Verkürzung  des  archontischen  Jahrs 
bemerkt   haben  sollten.     Dei*  Wechsel  des  Jahranlangs 
mufs  daher,  wie  auch  Scaliger  annimmt,  viel  früher, 
und  zwar  zu  einer  Zeit  Statt  gefunden  haben,  wo  noch 
wenig  geschrieben  wurde,   und  wo  der  Einfluls  Athens 
auf  die  übrigen  Staaten  Griechenlands  noch  minder  be- 
deutend war.     Auch  zeigt  wirklich  Hr.  Böckh  durch 
eine  scharfsinnige  Combination  ^),  dafs  das  attische  Jahr 
schon  Ol.  72,3  mit  dem  Hekatombaon  angefangen  ha- 
ben müsse.     Um  aber  die  Bündigkeit  derselben  gehörig 
würdigen  zu   können,   werden  wir  uns  zuvörderst  mit 
der   Anoixlnung  und  Dauer  der  Prytanien    bekannt 
machen  müssen,  einem  für  die  Zeitrechnung  der  Athe- 
ner wichtigen  Gegenstande;  denn  nach  Dodwell's  rich- 
tiger Bemerkung  ^)  wird  sich  die  Form  ihres  bürgerlichen 
Jahrs  von  ihren  Prytanien  am  sichersten  abnehmen  lassen. 


^)  In  einer  von  seinen  eines  gröfsem  Pablikums  wiirdigen 
Einleitungen  zu  den  LectionsTerzeichnissen  der  berliner  Unirer- 
sitat.     Ostein  1816. 

»)    De  Crclisi,9, 


Gribgher.  289^ 

Seit  Clistlienes  (OL  67,1)  war  die  Zahl  der  at- 
tischen Stämme  — <{>t)Xai —  zehn.  Jährlich  wurden 
je  fünfzig  Männer,  die  sogenannten  Pry tan en  — tt/tu- 
rdvELg  —  aus  ihnen  gewählt,  welche  zusammen  den 
Rath  der  Fünfhundert  bildeten.  Die  Besorgung 
der  laufenden  Staatsgeschäfte  und  der  Vorsitz  in  den 
Yolksyersammlungen  lag  allemahl  den  Prytanen  der 
einzelnen  Stämme  in  einer  durch  das  Loos  bestimmten 
Ordnung  ob ,  so  dafs  jeder  Stamm  35  oder  36  Tage 
am  Ruder  blieb.  Diese  Zeit  hiels  TTpurctysiix,  und  nach 
solchen  Prytanien  datirte  man  in  den  öffentlichen 
Acten ,  indem  man  angab ,  an  welchem  Tage  der  ersten 
bis  zehnten  Frytanie  etwas  verhandelt  war.  Photius  ^) 
und  Suidas')  legen  den  vier  ersten  Prytanien  36^ 
den  übrigen  35,  allen  zusammen  also  354  Tage  bei,  als 
so  viel  das  Mondjahr  *der  Athener  in  der  Regel  hielt. 
Dies  mag  von  einer  gewissen  Zeit  richtig  sein.  Allein 
aus  einer  unter  den  Archen  Glaucippus  d.i.  in  Ol.  92,3 
gehörenden  Inschrift  aus  der  Sammlung  des  Grafen 
Choiseul^)  erhellet,  da(s  damals  die  letzten  Pryta* 
nien  36  Tage  hatten.    Es  werden  in  derselben  alle  zehn 


*)     Lexicon  t.  npuraviio. 

*)     Unter  demselben  Worte. 

')  Diese  für  das  Finanzwesen  der  Athener  wichtige  Urkunde 
ist  Ton  den  Herren  Barth^lemy  (Mäm,  de  VAc.  des  Tnscr, 
Tom.XLYin,  p.337  ffj  und  Böckh  (Staatshaushaltung 
der  Athener  Th. II,  S.  161  ff.)  ausführlich,  und  von  letz- 
tei^em  kürzer  in  seinem  unter  der  Pre^e  befindlichen  Werke 
Inscriptiones  Graecae  (Vol.  I,  P.  11^  no.  107), erläutert  worden. 
Die  franzosischen  Gelehrten  nennen  den  Mar/nor,  auf  welchem 
sie  sich  befindet,  vorzugsweise  den  choiseulschen.  S.  Visconti 
in  der  Description  des  Jnüques  du  Mus^e  Royal  p.233  ff« 

I.  [19] 


290  Technische  Chronologie. 

Stämme  in  folgender  Ordnung  aufgefil)irt :  Aeantis, 
Aegeis,  Oeneis,  Acamantls,  Cecropis,  Leoniia, 
Antiochis,  Hippotbo^tis  ,  Erechtheis  und 
Paudionis«  und  die  Summen  hergerecbnet,  die  unter 
einer  jeden  Prytanie  aus -dem  Schatze  gexahlt  wurden. 
Dabei  ist  nach  Tagen  der  Pryunien  datirt^),  und  bei 
den  drei  letzten  der  sechs  und  di'eifsigste  Tag  genannt : 
JicTfj  xax  rpiOHO^  rjjs  Tr^Tavtta^ '  EKkrivoTa^tuu;  iio^  u.  s.  w. 
Die  entsprechenden  Monatstage  sind  nicht  erwfibnt.  Um 
sie  ergänzen  zu  können,  muls  die  Dauer  der  einzelnen 
Honate  des  gedachten  Jahrs  bekannt  sein.  Wir  wer* 
den  unten  hierauf  zurückkommen. 

Nach  Ulpian')  sollen  die  zehn  Stamme  lusam- 
men  nur  350  Tage  in  Function  gewesen  und  die  vier 
übrigen  Tage  des  Jahrs,  von  ihm  ipxBupiO'uu  genannt, 
der  Wahl  der  Magistratspersonen  gewidmet  gewesen 
sein.  Allein  dieser  unwissende  und  leichtsinnige  Scho- 
liast,  der  überall  Facta  erdichtet,  verdient  keinen  Glau- 
ben. Harpocration  nennt,  sich  auf  Aristoteles 
über  die  Republik  der  Athener  berufend,  gani 
ttbereinstimmig  mit  unserer  Inschrift  Prytanien  von  35 
und  36  Tagen,  ohne  die  dpxaupso'ta^  zu  erwähnen^). 
Dals  übrigens  das  Jahr  der  Prytanen  eben  so  wie  das 


wpvravtiaq.    So  lautet«  die  Zahlen  abgerecbpet,  in  solchen  JFallen 
immei*  die  Foi-mel. 

*)    Jrgum,  in  Demosth,  Oral,  contra  Androtionem. 

')  T.  «pvcain/ac.  Man  sieht,  in  welchem  In*thum  Scaliger 
befangen  ist,  wenn  er  gkubt  (Entend.  temp.  1. 11,  p.62J,  daft 
heute  der  eine  Stamm,  morgen  der  andei«  prasidirte,  nnd  dais  alle 
zehn  in  oben  so  vielen  Tagen  an  die  Reihe  kamen  tmd  die  Reihe 
dann  immer  wieder  von  Tom  anfing.    Schon  folgende  Stelle  dei 


Gribghsn.  291 

der  Archonten  mit  dem  HekttombXon  angefangen  habe, 
beweiset  Gorsini^)  darch  SteUen  des  Antiphon 
und  Demosthenes.  Auch  geht  es  deutlich  aus  xwei 
Inschriften  hervor,  welche  unten  beigebracht  werden 
sollen« 

Hm.  BÖckh's  Beweis,  nun,  dafs  das  Jahr  der  Athe- 
ner .schon  Ol.  72^3  mit  dem  Hekalomb&on  begonnen 
habe,  liegt  in  einer  Erörlerung,  durch  die  er  darzuthun 
sucht,  dafs  die  Schlacht  bei  Mai'athon  nicht,  wie  man 
gewöhnlich  nach  Plutarch  annimmt,  im  Boälromion, 
sondern  schon  um  die  Mitte  des  Melageitnion  Statt  ge* 
fanden  Habe.  Zu  swei  Granden  für  diese  Behauptung, 
deren  sich  schon  Fr  er  et  ^}  zu  gleichem  Zweck  bedient 
hatte,  fügt  er  nooh  einen  dritten,  wovon  ich  in  der 
Kurze  vortragen  will,  was  hieher  gehört.  AeschylnSi 
der  bei  Marathon  mitfocht,  sagK  beim  Plutarch  ^)^ 
dafs  im  Heer  der  Athener  der  Stamm  Aeantis  den 
rechten  Flügel  eingenommen  habe,  und  Herodot  be- 
merkt ^),  dafs  sämmtliche  Stämme  in  der  Ordnung  auf 
einander  gefolgt  wären,  cJg  dpi^ixiovro,  wie  sie  gerade 
damals  gezahlt  wurden.  Ohne  Zweifel  behauptete  der 
Stamm  Aeantis  darum  den  Ehrenposten,  weil  die  aus 
ihm    gewählten  Prytanen  in  der  dm'ch  das  Loos  be* 


Ammonius  {de  adfinium  vocabulorum  differentta  r.n^avttaj 
hätte  ihn  eines  Bessein  beleliren  können:  „Das  Jahr  der  Athener 
„zerfiel  in  zehn  Pi-ytanien,  als  so  viel  es  Slämire  gab,  und  jeder 
„Stamm  präsidirle  jährlich  einmahl**  —  tud  htpvravwv  liulfi^  ^Xi| 
xttT  hvittvrov  ana^. 

*)    F.  A.  n,  26. 

')    Mdm.  de  V  Acad.  des  Inscript.  Tom.XYIII,  p.l84  ff. 

')    Sxmp.l.iO. 

*)    VI,  iii. 

[19*1 


292  Technische  Chronologie. 

stimmten  Oidniing  in  diesem  Jabr  zuisrst  an  der  Reihe 
waxen.  Es  i^ar  aber  das  }^<^\xfi\  urodurch  das  Heer 
gegen  die  Perser  aufzubrechen  beordert  wurde ,  unter 
dem  Vorsitz  der  Aeanüs  —  kiuniüo^  cfiuXi];  7rpuTttvnJow7)$  — 
gegebeii  worden,  wie  Plutarch  zugleicb  berichtet. 
Hätte  nun  das  Jahr  noch  mit  dem  Gamelion  begon- 
nen, so  wäre,  was  nicht  denkbar  ist,  noch  über  ein 
halbes  Jahr  bis  zur  Schlacht  yerstrichen.  Fing'  es  da* 
gegen  schon  mit  dem  HekatombSon  an ,  so  ist  alles  in 
Ordnung.  Die  erste  Frytanie  reicblie  bis  zum  fünften  oder 
sechsten  Tage  des  MeUgeitnion,  und  die  Schlacht  iRriirde 
bald  darauf  um  die  Mitte  des  Monats  (Herodot  redet 
ausdrücklich  vom  Vollmonde  ^)  geliefert.  Plutarch, 
der  sie  bis  zum  6.  Boedromion  Vei^hiebt  ') ,  verwech- 
selt höchst  wahrscheinlich  das  Datum  der  Siegesfeier  mit 
dem  des  Sieges  selbst. 

Da  die  attischen  Monate  an  die  Mondwechsel  ge- 
knüpft waren,  so  muiste  ihr  Anfang  in»  einem  Zeit- 
raum von  einigen  unserer  Wochen  umherschwanken, 
daher  sie  sich  auch  nicht  genau  mit  unsern  Monaten 
vei^leichen  lassen.  Nur  so  vi^l  ist  gewils,  daCs  der 
Anfang  des  Hekatombäon  auf  die  Gegend  der  Sommer- 
wende traf.  So  stehen  beim  Aristoteles  ^)  'jnpi  tcv 
'Exarojüißaiwya  und  7np\  rpona^  y  und  beim  T  h  e  o.p  h  r  a  s  t  ^) 
Toü  ^Kippoif)öpLdSyo^  xal  ^£xaro|üißauuyo$  und  npo  rponwv  fju- 
Hfoy  rj  vTTo  TpoTFoig  als  gleichbedeutende  Zeitbestimmungen 
neben  einander.     Gewöhnlich  entsprach  der  Hekatom- 


•J  VI,  106.  120. 

*)  Fäa  CamiUi  c.  19. 

')  Hist.  anim.  V,  11. 

♦)  Hist.  plant.  TV,  12. 


Gribghen.  293 

bfion  unserm  JuKus.  Daher  vergleicht  Plinias  ^)  die 
Monate  Munychion,  Thargelion  und  Skirophorion ,  in 
denen  nach  Aristoteles')  die  meisten  Fische  erzeugt 
werden,  mit  dem  Aprilis,  Mäius  und  lunius.  Die  Som- 
mei*wende  traf  in  der  bliihendsten  Periode  der  attischen 
Republik  auf  die  letzten  Tage  des  Junius;  mithin  ge- 
hören die  drei  ersten  Monate  dem  Sommer,  die  drei 
folgenden  dem  Herbst  u.  s.  w.  an.  Scaliger  ist  der 
Meinung  ^) ,  dafs  von  den  idtesten  Zeiten  her  allemahl 
der  erste  Neumond  nach  der  Sommerwende  die  vovjutj- 
noL  des  Hekatombäon  bestimmt  habe.  In  Plato's 
Büchern  von  den  Gesetzen  ^)  ist  auch  wirklich 
vom  Eintritte  des  Jahrs  nach  der  Sommerwende 
—  fjLcrd  rotg  ^epivdg  TpoTrdg  —  die  Rede ;  allein  es  folgt 
daraus  schwerlich  mehr,  als  dals  das  Jahr  in  der  Re- 
gel nach  diesem  Zeitpunkt  begonnen  hat,  und  es  wird 
nicht  nöthig  sein,  mit  Corsini^)  zu  der  Auskunft  zu 
greifen ,  dafe  es  der  Philosoph  in  jenem  Werke  nicht 
sowohl  mit  den  zu  Athen  bestehenden  Formen,  als 
mit  den  Von  ihm  neugeschaffenen  zu  thun  habe. 

Dafs  wenigstens  in  der  callippischen  Periode  das 
Jahr  zuweilen  vor  der  Sommerwende  angefangen  habe, 
geht  klar  aus  einer  an  sie  geknüpften  astronomischen 
Beobachtung  des  Timocharis  hervor,  deren  schon 
oben  (277)  gedacht  worden  ist.  Nach  derselben  hat  der 
Anthesterion  damals  am   22.  Januar  ange&ngen ,    und 


*)    //.  N.  IX,  74. 

^)  .  Hist.  anim.  a.  a.  0. 

3)     Canon.  Isag,  III,  p.235. ' 

•)     1.VI,  p.767. 

•)     F.  A.  n,  24. 


294  Technische  Chronologie. 

da  er  der  achte  Monat  des  attischen  Jahrs  ^rar,  so 
siebt  man,  welche  Dauer  man  ihm  und  den  folgenden 
Monaten  auch  beilegen  mag,  dafs  der  nächste  Jahran- 
fang  vor  der  Soramerwende,  die  auf  den  26.  Junius 
traf,   Statt  gefunden  haben  müsse. 

Wir  kehren  nun  zu  der  (274)  abgebrochenen  Er- 
örterung der  attischen  Schaltcykel  surück. 

Kächdem  Geminus  der  Trieteris  kur»  gedacht 
hat,  sagt  er  weiter:  „Da  sich  die  Griechen  bald  durch 
„die  Erscheinungen  der  Sonne  und  des  Mondes  über- 
^,acugten,  dafs  bei  dieser  Pei*iode  weder  die  Tage  und 
„Monate  mit  dem  Monde,  noch  die  Jahre  mit  der 
„Sonne  übereinstimmten,  so  suchten  sie  eine  andere, 
„die,  aus  Tagen,  Monaten  und  Jahren  bestehend, 
,, diese  Eigenschaft  hätte»  Zuerst  bildeten  sie  die 
,,0€taeteris  —  icpSrov  Vk  ffw«pfö-arro  n^v  itipiatctf  r?; 
,,o)cracTi}pi'dog—  welclie  2922  Tage  in  99 Monaten,  un- 
„ter  denen  drei  eingeschaltete»  und  8  Jahre  häli»  und 
„  folgende  Einrichtung  hat.  Da  auf  das  Sonnenjahr  365f 
,,und  auf  das  Mondjahr  354  Tage  gehen,  so  beträgt  der 
„Ueberschufs  des  erstem  über  das  letztere  11^  Tage. 
^,Wenn  wir  also  das  Jahr  hindurch  die  Monate  nach 
„dem  Monde  abmessen,  so  weichen  wir  um  11  f  Tage 
9 «von  der  Sonne  ab.  Sie  untersuclitea  demnach,  wie 
Moft  diese  Tage  zu  nehmen  wären,  um  ganze  Tage 
f,ttnd  Monate  zu  erhallen,  und  fanden,  da(s  dies  acht- 
,,mahl  geschehen  müsse,*  wo  sich  90  Tage  und  3Mo- 
„nate  ergeben.  Es  ist  mithin  klar,  dafs  wir  in  8  Jah- 
,,ren  um  90  Tage  von  der  Sonne  abweichen  werden, 
,, welche  3 Monate  ausmachen.  Aus  diesem  Grunde 
^werden  in  jeder  Octaeteris  drei  Schaltmo- 
tiUate  gerechnet  — di'  »jy  alrla»  xaär'  huL^rpf  oxrogTriptda 


Griechen.  295 

i^rpag  cfyoyreu  fci^veg  l)üißaXi|uioi —  damit  das,  ^fas  in  je^ 
federn  Jahr  vernachlässigt  worden,  Wieder  eingebracht 
^, werde,  und  die  Feste  und  Opfer  nach  Ablauf  der 
,, ganzen  Periode  zu  denselben  JahrSzeiten  zuinickkehren 
,,m(%en.  Die  Schahmonate  ordnete  man  so  viel  mög* 
^,Iich  in  gleichen  Zwischenräumen  an;  denn  man  mufs 
„weder  warten,  bis  man  un^  ^inen  Monat  zurück-* 
,,  bleibt,  noch  der  Sonne  einen  ganzen  Monat  voreilen« 
,,Defshalb  wies  man  den  Schaltmonaten  ihre 
,, Stellen  im  dritten,  fünften  und  achten  Jahr 
,,an  —  ^t*  ^y  ahtcty  red;  ifxßoKlfjLcx)^  H^vä$  eragav  iyiü-^at 
,,|y  T«J)  rptn^  mi  xcä  nifiTrTt^  xcd  oydot^.  Hierbei  wird  das 
,, Mondjahr  zu  354  Tagen  genommen,  und  der  Monat 
,,zu  29 1-,  der  zweimonatliche  Zeitraum  zu  59  Tagen 
,, gerechnet.  Daher  läfst  man  die  hohlen  und 
,, vollen  Monate  mit  einander  abwechseln,  so 
,,dafs  sechs  volle  und  sechs  hohle  Monate  auf 
,,das  Jahr  gehen"  —  o^'cv  kcTKcv  hoA  ^rXifpr)  pijya  irapi 
y^fxipog  ayavcriv  —  yivcvrcu  cw  h  rt^  ivLAvr(§  Sg  nh^ptig  xal 

„l|  xorxoi." 

„Wenn  wir  die  Zeitrechnung  blofs  mit  der  Sonne 
,,in  Einklang  bringen  wollten,  so  würden  wir  diesen 
„Zweck  durch  die  eben  beschriebene  Periode  erreichen. 
,,D!a  aber  nicht  Moüs  die  Jahre  mit  der  Sonne,  s<^ndem 
,,auch  die  Monate  uiüd  Tage  mit  dem  Monde  überein* 
,, stimmen  sollen,  so  überlegte  man,  wie  dies  zu  be» 
,,werkstelligen  sei.  Die  genau  genommene  Dauer  des 
,, Monats  beträgt  29-^  und  ^  Tage  ^).      Es  sind  aber, 


')  Geminas  hat  scjireihen  wollen:  ,,Die  genauer  genom- 
„mene.**  £r  selbst  gibt  die  Dauer  des  synodischen  Monats  nach- 
her noch  genauer  an. 


296  Technische  Chronologie. 

„mit  Einjchluifl  der  eingeschalteten,  99  Monate  in  der 
,,Octaeteris;  man  nahm  also  diese  Monatsdauer  99  mahl, 
„und  erhielt  so  29234  Tage.  Acht  Sonnenjahre  zu 
„365-1  Tagen  halten  aber  nur  2922  Tage.  Es  ist  also 
„klar,  dafs  ^ir  alle  acht  Jahre  um  anderthalb  oder  alle 
„sechzehn  Jahre  um  drei  Tage  vom  Monde  abweichen 
„werden.  Man  schaltete  daher  in  jeder  sechzehn- 
„jährigenPeriode  —  Locaid6xa£T*ipt$— zur  Ausgleichung 
„mit  dem  Monde  drei  Tage  ein  ^).  Hierbei  ergibt 
„sich  indessen  ein  neuer  Fehler.  Es  werden  nfimlich 
,,rücksichüich  auf  die  Sonne  in  sechzehn  Jahren  drei, 
„also  in  160  Jahren  30  Tage  oder  ein  ganzer  Monat 
„zu  viel  gerechnet.  Aus  diesem  Grunde  läfst  man  alle 
„160  Jahre  einen  Schaltmonat  w^,  indem  man  statt 
„der  drei  Schal tmonale ,  die  auf  die  (letzte)  Octaeteris 
„  gehen,  nur  zwei  rechnet,  so  da(s  nun  wieder  die  Mo- 
„uale  und  Tage  mit  dem  Monde,  und  die  Jahre  mit 
„der  Sonne  übereinstimmen  ')." 

Geminus  zeigt  hierauf,  dals  auch  bei  dieser  Ver- 
besserung die  Zeitrechnung  noch  nicht  vollkommen  mit 
dem  Himmel  ausgeglichen  werde.  Man  habe  nämlich 
die  mittlere  Dauer  des  synodischen  Monats  nicht  genau 
genommen.  Sie  betrage  29  Tag^  und  in  Seiagesimal- 
theilen  des  Tages  31  der  ersten,  50  der  zweiten,  8  der 
dritten  und^  20  der  vierten  Oixlnung.  In  der  ersten 
Ausgabe^)   stehen  die  Zahlen   31,    40,    50    und   24. 


•)    Diese  Periode  hielt  5847  Tage  auf  498  Monate  yertheilt. 

')  Die  160jährige  Periode  hielt  hiernach  58440  Tage  in  4979 
Monaten.  Da^  (ropische  Jahr  wird  zu  d65f  Tagen  gerechnet,  und 
auf  den  Monat  gehen  29  Tage  42  St.  43'  48*. 

*)    Altorf  4590,  8. 


Gaiechen.  297- 

Petayius  hat  sie  nach  einer  Handschrift  und  nach 
dem  Almagest^)  yerhessert.  Es  ist  nämlich  die  hip- 
parchische  BesUmmmig,  welche  in  unsem  Zeittheilen 
29  T.  12  St.  44'  3^"  gibt,  dahbgegen  die  bei  der  16 
und  160jährigen  Periode  zum  Grunde  liegenden  29^ 
und  ^Tage  25"  weniger  betragen.  Man  wird  daher, 
sagt  Ge minus  ^  zuweilen  in  160  Jahren  statt  der  drei 
Tage  yier  einschalten  müssen.  Die  Bemerkung  ist  rieh* 
tig;  denn  die  25"  häufen  sich  nach  zehnmaliger  Wie- 
derhohlung  der  sechzehnjährigen  Periode  zu  mehr  als 
13  Stunden  an,  und  da  dann  zur  Ausgleichung  mit  der 
Sonne  30  Tage,  also  etwa  11  Stunden  mehr  als  ein 
synodischer  Monat,  weglassen  weixlen,  so  wird  die 
160jährige  Periode  in  Ansehung  des  Mondes  um  einen 
Tag  zu  kurz  sein,  so  wie  sie  mit  Bezug  auf  die  Sonne 
um  mehr  als  einen  Tag  zu  lang  ist. 

£s  müssen  aber  die  Verbesserungen  der  ursprüng- 
lichen Octaeteris,  die  16  und  160jährige  Periode,  bei 
den  Griechen  erst  spät,  wenn  anders  je,  ins  bür- 
gerliche Leben  übergegangen  sein.  Denn  nachdem. 
Geminus  noch  einmahl  die  Unrichtigkeit  der  achtjäh- 
rigen Periode  von  einer  andern  Seite  gezeigt  hat,  fährt  er 
also  fort:  ,,Da  demnach  die  Octaeteris  in  allen 
,, Stücken  fehlerhaft  war,  so  haben  die  Astro- 
,,nomen  Euctemon,  Philippus  und  Gallippus 
,,eine  andere  Periode,  die  neunzehnjährige, 
,, aufgestellt"  — iwTczp  htitiri  6viinJiapTy\\dvr[v  max  avyißoMt 
-njv  OKTCurripida  Karoi  mvra,  iripav  itBpioiov  avvBgiqa'ayro  njy 
'  t{]$  IwBOMou^BKCurripidog  ol  TFspl  £vKTi]|üioya  xal  ^Ckithtov  xcd 
KoXXiTnroy  dg-pqkoyou    Das  Heui  Trdna^  in  allen  Stük-* 


*)    l.IV,.c.2,  p.2i7. 


298  Technische  Chronologie. 

ken«    18t  offenbar  ra  stark;    denn  die  atbtjähnge  Pe- 
riode war   in  Ansehung  der  Sonne  wirklich  genauer, 
als  die  19jäbrige.     Sonderbar  ist  es  übrigens,  dafs  hier 
Meton,  der  sonst  überall  als  Haupt*  ja  einziger  Urheber 
des  19jährigen  Cyclus  genannt  wird*),   nicht  erwähnt 
ist.    Euctemon  war  sein  Zeilgenosse,  und,  wie  wir  aus 
dem  A  Image  st  ersehen*),  sein  Gefaülfe,  und  der  hun* 
dert  Jahre  später  lebende  Callippus  derVerbesserer  der 
■eunzehnjährigen  Periode,    wie  Geminus  im  weitern 
Verfolge  selbst  bemerkt.     Den  Namen  Philippus  fin- 
den wir  in  Verbindung  n^it  ihr  sonst  nirgends  erwähnt. 
Es  leidet  daher  keinen  Zweifel,  dais  der  Name  Meton 
ans  dem  Text  gefallen  ist* 

,,Sie  beobachteten  nämlich,  heifst  es  weiter,  dais 
,,in  19  Jahren  6940  Tage,  und,  mit  Einschluis  von 
,, sieben  eingeschalteten,  235  Monate  enthalten  sind. 
„Ihnen  sufolge  hält  also  das  Jahr  365^  Tage.  Yon 
„den.  235  Monaten  nahmen  sie  HO  hohl  und  12.5  voll 
,,an,  so  dais  nicht  immer  ein  voller  Monat  ,mit  einem 
,, hohlen  wechselte,  sondern  zuweilen  zwei  volle  Monate 
„auf  einander  folgten.  Dies  ist  den  Erscheinungen 
„des  Mondes  gemäfe  und  war  in  der  Octaeteris  nicht 
„der  Fall.  Unter  den  235  Monaten  nahmen  sie  aus 
„folgendem  Grunde  110  hohl.  Sind  alle  Monate  vcrfl, 
„so  gibt  dies  für  die  ganze  Peiiode  7050  Tage.  Sie 
„soll  aber  nur  6940  halten;  es  müssen  mithin  llOMo- 
„nate  hohl  gectthlt  werden,  damit  während  der  235 Mo- 


*)  Theophr.  </tf  j;g7i.  ;7/i/«/.  p.  416;  DiodorXII,  36; 
Aelian  F.  H.  X,  7;  Ccnsor.  c.48.  Sekol.  ad  ArisL  A\^€s 
V.998. 

»)    l.ra,  C.2,  p.460. 


Griechen«  299 

i,näte  die  6940  Tage  der  Periode  berauskommen.  Und 
,, damit  die. auszumerzenden  Tage  möglichst  gleichföimig 
,,vertbeilt  werden,  diyidirten  sie  6d40duix;h  110.  Dies 
,,gibt  den  Quotienten  63.  Es  mufs  mitbin  in  dieser 
,, Periode  zwischen  je  63  Tagen  einer  weggelassen  wer- 
,9 den,  nicht  die  jedesmalige  rptoxog." 

Hiernach  scheint  es,  als  wenn  man  vor  Einfüh- 
rung des  neunzehnjährigen  Cyclus  ili  dem  allen  acht- 
jährigen immer  die  rptaxdi;  weggelassen  habe.  Dies 
geschah  aber  zuverlässig  nicht,  weil  rpuexo^  oder  ivfi 
Kai  via,  bei  den  Athenern  eine  durchgängige  Benennung 
des  letzten  Monatstages  war  (284).  Geminus  will  nur. 
sagen,  Meton  habe  in  seiner  Periode  immer  nach 
63  Ta^n  einen  i^aipia-ifiog  angenommen ,  und  nicht  al«? 
lemahl  den  60stfen  dazu  gemacht ,  wie  dies  bei  der  (Xv 
taeteris  geschah,  wo  ein  Monat  um  den  andern  hohl 
gezählt  wurde,  ohne  damit  gerade  zu  meinen,  dafs  in 
den  hohlen  Monaten  die  rpuixdii  selbst  weggelassen 
wurde. 

„In  dieser  Periode ,  hei&t  es  Weiter,  seheinen  die 
„Monate  sehr  gut  bestimmt  und  den  Erscheinungen 
,,gemäfs  geordnet  zu  sein.  Nur  die  zum  Grunde  ge-« 
„  legte  Dauer  des  Jahrs  stimmt  nicht  mit  dem  Himmel 
,,  überein.  Denn  das  Jahr  hält  dabei  im  Durchschnitt 
„365j^  Tage,  also  in  Yergleichung  mit  den  365^  Tagen, 
(welche  Geminus  für  die  richtige  Dauer  des  Son-^ 
nenjahrs  hält)  «,-^  Tag  zu  viel.  Diesen  Ueberschnf« 
^von  ^Tag  hat  Callippiüs  ausgemerzt,  indem  er 
,,eine  aus  vier  neunzehnjährigen  Perioden  bestehende 
,, sechs  und  siebzigjährige  —  IxxotfßdojuiTjxoy- 
j^roLBTTiplg  —  von  940  Monaten,  worunter  28  eingeschalt 
„tete,   und   yon   27759  Tagen  aufgestellt  hat*      Die 


30.0  Technische  Chronologie. 

„Ordnung    der  Schaltmonate   behielt  er  bei 

^j  —  r^  TflfgttTÄy  iiißoKifxwv  ofxoiuyg  ixfyqcAro.  Diese  Pe- 
„riode  scheint  unter  allen  am  genausten  mit 
,, dem  Himmel  übereinzukommen  — xol  &oksi  fxa^ 

Dies  ist  das  Wesentlichste,  was  wir  beim  Geminus 
über  die  Zeitkreise  der  Griechen  aufgezeichnet  finden. 
Gensorinus,  nachdem  er  der  problematischen  Tetra- 
eteris  gedacht  hat,  fährt  folgendcrmalsen  fort:  Ifoc 
quoquß  tempus ,  quod  ad  solis  modo  cursum,  nee  ad 
bmae,  congruere  videbatur,  dupUcatum  est,  et  oxTomQpi; 
facta,  quae  tunc  lyncurripl^  vocitata,  quia  primus  eius 
annus  nono  quoque  anno  redibat.  Nunc  circuitum 
verum  annum  magnum  esse,  pleruquß  Graecia  existi^ 
matfit,  quod  ex  annis  vcrtentibus  solidis  constaret,  ut 
proprio  in  anno  magno  fieri  par  est.  Nam  dies  sunt 
solidi  CIDCIJDCCCCXXII,  menses  uno  minus  centum, 
annique  vertentes  solidi octo  ^).  ffanc  cKTOLtrrjpida  vulgo 
creditum  est  ab  Eudoxo  Cnidio  institutam.  Sed  hone 
Cleostratum  Tenedium  primum  Jerunt  composuisse ,  et 
postea  alios  aliter,  qui  mensibus  varie  intercalandis 
suas  oxrasTripidag  protukrunt,  ut  Jecit  Harpalus^  Naute» 
les,  Mnesistrntus,  item  alii,  in  quis  Dositheus ,  cuius 
maxime  oTcrasTyipC;  Eudoxi  inscribitur.  Ob  hoc  mubae 
in  Graecia  religiones  hoc  intenfaUo  temporis  summa 
caeremonia  coiuntur.  Delphis  quoque  ludi,  qui  vocan- 
tur  Pjthia,  post  octainun  annum  olim  conficiebantur. 
Proxima  est  hone  magnitudinem ,  quae  vocatur  dcudfxfu» 


')  Ich  lese  diese  Stelle  mit  Lindenbrog^s  Yerbesserung. 
In  den  altem  Ausgaben  fehlt  die  mit  römischen  Zifiei-n  ge- 
•ehnebene  Zahl ,   und  das  dai^uf  folgende  Wort  menses. 


Griechen«  301 

erripkt  ex  anms  ^ertentibus  daodeeim.  Buic  anno  Chol' 
daiconomen  est,,  quem  genethliaci  nqn  ad  soUs.  brnoß- 
4jua  cursus,  sed  ad  observationes  alias  liabent  acconv- 
modatam:  quod  in  eo  dicunt  tempestates,  frugamque 
proi^cntus,  sterilitates  item,  morbosque  circumire.  Prae^ 
terea  sunt  anni.mägni  coniplures.:  ut  Metonicus,  quem 
Meton  Atheniensis  ex  annis  undei^iginti  constituit,  eo- 
que  iyyea^ixcurrjpl^  appellatur,- et  intercalatur  septies,  in 
eoque  anno  sunt  dicrwn  sex-  millia  et  DCCCCXL* 
Est  et  Philolai .  Pythagorici  annus  qx  annis  LIX,,  in 
quo  sunt  menses  intercalares  'viginti  et  unus.  Item 
CaiUppi  Cjrziceni,  ex  annis  LXXVI,  ita  ut  menses 
duodetriginta  intercalentur;  et  Democriti,  ex  .annis 
LXXXIIy  cum  intercalares  sint  perinde  viginti  acta. 
Sed  et  Hipparchi,  ex  annis  CCCIV ,  in  quo  interca-^ 
Jatur  centies  decies  bis,  Haec  annoruni.  magnitudo  eo 
discrepat,  quod  inter  astrologos  non  com^enit,  quanto 
^el  sol  plus  quam  trecentos  sexaginta  quinque  dies 
in  anno  cof}ficiat,  vel  bma  minus  quam  triginta  in 
mense* 

Aus  dieser  Stelle  erhellet,  claüs  sich  in  Griechen« 
land  mehrere  Astronomen  und  physische  Philosophen 
mit  Vergleichung  des  Sonnen*  und  Mondlaufs  und 
Entwerfung  darauf  zu  gründender  Schaltperioden  oder 
grofsen  Jahre  beschäftigt  haben.  Ausser  der  acht-  neun- 
^hn  und  sechs  und  siebzigjährigen  Periode,  die  al- 
lein ins  bürgerliche  Leben  übergegangen  sein  können, 
wird  noch  einer  zwölf-  neun  und  fünfzig-  und 
zwei  und  achtzigjährigen  gedacht.  Die  Dodeca- 
eteris  oder  chaldäische  Periode,  welche  au&  zwölf 
tropischen  Jahren  bestand,  war,  wie  man  sieht,  nicht 
zur  Ausgleichung  des  Sonnen-   unfl  Mondlaufs  erson- 


S02  Tedhmsche  Chronologe. 

-nen,  sondem  yonemer  blofs  astrologisohen  Bedeutung* 
Es.  sckeint,  wie  Scaligcr  bemerkt  ^) ,  derselbe  zwölf* 
jährige  Cyclus  za  sein,  nach  welchem  die  Völker  des 
mittlem  und  östlichen  Asiens  bis  auf  diese  Stunde 
rechnen. 

Der  neun  und  fünfzigjährigen  Periode  wird 
auch  Von  Plutarch,  Stobäus  und  Aelianus  ge- 
dacht. Der  erste  sagt'}:  ^,Das  grofse  Jahr  setzen  ei- 
,,nige  h  rff  OKtaxrvipi^i^  andere  h  rfi  iyv^axBUiäsMiUTtjpt&ty 
,,nooh  andere  iv  rcXg  i^ijxovra  bog  d^ivriy."  Stobäus  ^^i 
der  diese  Worte  wiederhohlt,  setzt  hinler  JmcuttudExcu 
tnjp/i^i  hinzu:  ol  i\  ivroZ;  TrrpaTrXao-ioig  grcfftf,  andere 
in  viermahl  so  vielen  Jahren,  und  so  mufs 
auch  Plutarch  geschrieben  haben ,  da  er  die  be- 
rühmte callippische  Periode  unmöglich  unerwähnt  las- 
sen konnte.  Dagegen  fehlen  beim  Stobäus  die  Wöi^ 
ter  bog  dicvd-ivy  weniger  einen.  Aelian  nennt 
nicht,  wie  Censorinus,  den  Philolaus,  sondern 
den.  Oenopides,  einen  py thagorisirendeu  Philosophen 
und  Zeitgenossen  des  Anaxagoras,  als  Urheber  der  59)ah- 
rigcn  Periode.  Seine  Worte  sind*):  „Oenopides 
„aus  Chios,  der  Astronom,  errichtete  zu  Olympia  eine 
„eherne  Tafel  — x^^^tt»  ypufijiaruoy --  auf  die  er  die 
„astioQomische  Kunde  der  59jährigen  Periode  getragen 
„hatte,  welche  er  das  grofse  Jahr  nannte."  Dodwell 
glaubt*),   dafs  dies   bald   nach   01.75   geschehen    sei. 


•) 

Emend,  temp.  1. 11,  p.  iOO. 

') 

De  plac.  phil.  II,  32. 

') 

JScLphjrs.I,  9,  42,  p.  264. 

*) 

rar.  hisL  X,  7. 

•) 

De  Cyclis  V,  13. 

G  ribghsn;  303 

Philo  laus,  der  später  blühte «  hat  yermutblich  die 
Erfindung  des  Oenopides  nach  pythagoriscben  Ideen 
abgeändert;  d^nii  tiadi  Gensorinus  ^)  se&te  er  das 
tropische  Jahr,  dessen  Dauer  Oenopides  xu  365  T4^ 
gen  und  nahe  9*  Stunden  angenommen  halten  auf  3^4  T. 
12  St.  Die  Periode  soll  2X  Scfaaltmonale ,  also  uasam^ 
men  72d  Monate/  gehalten  habeti.  Dividlrt  man  da*- 
mit  die  21649^ Tage,'  welche  auf  69  julianische  Jahre 
gehcQ,  so  erhält  man  29T.  13St.  37'  für  den  syno^ 
dischen  Monat,  43'  zu  viel.  Nimmt  man  dagegen  die 
iast  unglaubliche  Ndtis,  dafs  Philo  laus  dem  Sonnen«- 
jähre  nur  364^  Tage  gegeben  habe,  als  richtig  an,  so 
finden  sich  für  den  synodischen  Monat  gerade  29*7  Tage^ 
44'  cu  wenig«  Man  sieht,  wie  unrichtig  auf  j^cäiPaU 
die  59jährige  Periode  war.  Sie  scheint  überhaupt  mehr 
in  mystischen  als  astronomischeu  Principien  begründet 
gewesen  zu  sein;  denn,  wie  Hr.Böckh  treffend  he*- 
merkt'),  729,  die  Zahl  ihrer  Monate,  ist  das  Quadrat 
der  den  Pythagoreem   heiligen  27« 

Noch  unrichtiger  war  die  zwei  und  achtzig- 
jährige Periode  des  Democritus,  wenn  sie  nur 
28  Schaltmonate,  nicht  mehr  als  die  76jährige  des 
Gallippus,  enthalten  hat.  Seute  er  das  tropische 
Jahr  auf  36S-f  Tage,  was  sich  jedoch  nicht  verbürgen 
läfst ,  so  mufs  er  den  synodischen  Monat  zu  29  Tagen 
14  Stunden  angenommen   haben  ^).     Auf  die  304jähT 


.      *)    c.  19. 

')    Philolao8  des  Pythagoreers  Lehren  S.  135. 
^)     Nach  Diogenes  Laiirtius  (IX,  48)  hat  er  unter  andem 
ein  Buch  des  Titels  iiiyoQ  humof  ^  'AgyovofiCri  gesphrieben. 


304  Technische  Chronologie. 

rige  Periode  des  Hipparcb  werden  wir  unten  znriick- 
kommen. 

Das  Geschichtlidie  des   achtjährigen   Cyclus, 
der,   wie  besonders    aus  dem  pleraque   Graecia  beini 
Censorinus  erhellet,  in  Griechenland  sehr  yerbreitet 
gewesen  sein  mufs,  liegt  im  Dunkeln.     So  viel  ist  in- 
dessen aus  der  Darstellung  des  Geminus  und  aus  den 
oben  (287)  angeführtiBn  Versen  des  Festus  Avienns 
klar,    dafs  er  aller  als  der  neunzehnjährige  war.     Da 
nun  dieser  von  Meton  01.87,1  oder  432  v.Chr.  auf- 
gestellt worden  ist,  wovon  die  Belege  bald  beigebraclit 
werden  sollen,  so  sehen  wir,   dafs  wir  mit  der  Octae- 
teris  weiter  zurückzugehen  haben;  wie  nahe  aber  dem 
solonischen  Zeitalter,    wird  sich   nicht   mit  Sicherheit 
ausraitieln    lassen,    obgleich    nicht   zu  bezweifeln   ist, 
dafs  sie  der  Trieteris,    der  ältesten   Schaltperiode   der 
Griechen  (269)  sehr  bald  gefolgt  sein  müsse,  weil  diese 
zu  unvoUkommen  war,   als  dais  sie  sich  lange  im  Ge- 
brauch erhalten  konnte. 

Nach  Censorinus  war  die  im  Alterthum  gang- 
barste Meinung  die ,  da(s  der  Urheber  des  achtjährigen 
Cydus  Eudoxus  sei«  Es  leidet  auch  keinen  Zweifel, 
dafs  dieser  Grieche,  der  sich  mit  Plato  lange  in 
Aegypten  aufhielt  und  daselbst  manoigfaltige  wissen- 
schaftliche Kenntnisse  eingesammelt  haben  mufs,  sich  mit 
der  Octaeteris  beschäftigt  hat.  Diogenes  Laertius*) 
und  Suidas')  versichern  es.     Er  kann   aber,   da  er 


^)    ym^  87.     Der  lateinische  Uebersetzer  hat  Octaeteris 
luuichiig  durch  octo  annorum  historia  gegeben. 


GniEGHEN.  306 

ein  halbes  Jahrhundert  später  als  Meton  lebte,  nur 
einer  ihrer  Yerbesserer  gewesen  sein.  Dasselbe  gilt  von 
dem  noch  später  lebenden  Eratosthenes,  der  nach 
G.e: minus  *)  ebenÜEÜls  über  die  Octaeteris  geschrien 
ben  hat. 

Nach  einer  yön  Censorinus  selbst  für  richtiger 
gehaltenen  Nachricht  war  dieser  Cyelus  eine  Schöpfung 
des  Gleostratus  aus  Tenedos ,  dessen  Zeitalter  wir 
leider  ilicht  kennen.  Theoph rast  und  Flinius  sind 
die  einzigen,  die  ihn  noch  erwähnen.  Jener  sagt^), 
dafs  er,  eben  so  wie  Matricetas  aus  Methymha  und 
Phaeinus  aus  Athen,  meteorologische  Beobachtungen 
angestellt  habe*  Waren  diese  drei  Physiker,  was  frei- 
lich aus  seinen  Worten  nicht  ganz  klar  h^-vorgeht,  Zeit- 
genossen, so  müssen  sie  vor  01.87  gelebt  haben;  denn 
Phaeinus  war,  wie  an  demselben  Ort  bemerkt  wii-d, 
Meton 's  Lehrer.  Plinius  gedenkt  des  Gleostratus 
in  folgender  Stelle^):  Obliquitatem  eius  (signiferi)  in- 
tellexisse,  hoc  est,  reruni  fores  aperuisse,  ^naxima/V' 
der  Milesius  traditur  primus,  Olympiade  qidnquagesima 
octava,  Signa  de  in  de  in  eo  Gleostratus,  et  prima 
arietis  et  sagittarii.  Hiernach  lebte  er  nach  der  58sten 
Olympiade.  Wir  haben  also  für  sein  Zeitalter  einen 
Spielraum  von  mehr  als  hundert  Jahren,  und  sehen, 
wie  unsicher  Dodwell's  auf  keine  weitere  Autorität 
sich  gründende  Annahme  ist,  dafs  die  Einführung  des 
achtjährigen  Gyclus  in  die  59ste  Olympiade  gehört  ^). 


*)  Jsag.  C.6. 

*)  De  sign,  pluviarumpAiö. 

')  H,  N,  n,  6. 

*)  De  Cyclis  HI,  33. 

I.  [20] 


306  Technische  Chronologie. 

Welche  Verdienste  sich  aulser  Cleostratns  noch 
Harpalus,  Nanteles,  Mnesistratus,  DositheiLs, 
Eudoxtts  und  Eratosthenes  nm  die  Octaeteris  cr- 
^Yorben  haben,  wissen  wir  nicht  einmahl  muthmafslich. 

Ihre  Einrichtung  kennen   wir  mit  ziemlicher  Be- 
stimmtheit.     Sie   hielt   8  Jahr  von  je  12  Monaten  ab- 
wechselnd lu  30  und  29  Tagen  ^)  und  aufserdem   noch 
lur  Ausgleichung  mit  der  Sonne  90  eingeschaltete  Tage. 
Solinus  und   Macrobius   versichern ,   dafs  man  aus 
denselben  drei  Monate  zu  30  Tagen  gebildet  und  diese 
'dem   jedesmaligen   achten  Jahr  angehängt  habe.     Ihre 
Worte  verdienen  hier  angeführt  zu  werden.    Der  erste 
sagt ') :    Graeci  singuUs  annis  XI  dies  et  quadrantem 
detmhebant,   eosquß  octies  mubipUcatos  in  annum  no- 
num  reservabant,   ut  contractus  nonagenarius  numerus 
in  tres  menses  per  tncenos  dies  scinderetur,  qui  anno 
nono  restitud  efficiehant  dies  quadringentos  quadraginia 
quatuor,  quos  2/ißoXijuou$  vel  vTnpßetKKovTog  nominabant. 
Beim  Macrobius  heifst  es^)-:  Graeci  cum  animad^er- 
terent  fernere  se  trecentis  quinquaginta  quatuor  diebus 
ordinasse  annum,    quoniam  appareret  de  solis  cursu, 
qui   trecentis  sexaginta  quinque  diebus  et  quadrante 
zodiacum  conficit,    deesse   anno   suo  undecim  dies  et 
quadrantem,  intercalares  stata  ratione  commenti  sunt^ 


^)  Es  iflt  wahrscheinlich,  dafs  der  Tolle  Monat  dem  hohlen 
vorangegangen  ist ,  dafs  also  die  ungeraden  Monate  roll ,  die  ge^ 
raden  hohl  wai^en ,  ob  es  gleich  defsfaUs  an  einem  ausdrücklichen 
Zeugnisse  mangelt. 

»)    Pofyh,cA. 

')    Sai.  I,  13. 


GüIECHEN.  ,  307 

ita  ut  octa^fo  quoque  anno  *)  nonaginta  dies,  ex  qui-* 
hus  tres  menses  tricenum  dierum  compösuerunt ,  inter^ 
'  calarent,  Jd  Graeci  fecerunt ,  quoniam  erat  operoswh 
ac  difficile  omrähus  camis  undecim  dies  et  quadrantem 
intercalare.  Itaque  maluerunt  hunc  numerum  octies 
multiplicare  et  nonaginta  dies,  qiä  nascuntur,  si  qua*' 
drans  cum  diebus  undecim  octies  componatur,  inserer^ 
in  tres  menses,  ut  diximus,  distribuendos,  Hqs  dies 
wrgpßaiyovra;,  menses  *vero  eixßdkCixov^  appellitabant.  Hi^iv 
nach  hätten  also  in  der  Octaeteris  sieben  auf  einander 
folgende  Jahre  aus  354 ,  und  das  achte  aus  444  Tagen 
bestanden.  Es  ist  aber,  nicht  wahrsdieinlicfa «  iah  sie 
bei  irgend  einem  griechischen  Volke  eine  so  unbequem^ 
Einrichtung  gehabt  hat«  nach  der  man  mit  der ^Ein-* 
Schaltung  wartete,  bis  die  Abweichung  des  Jahranfangs 
von  der  Sonne  ein  Vierteljahr  betrug.  Geminus? 
Zeugniis  verdient  unstreitig  den  Vorzug,  dafs  man  die 
drei  Monate,  auf  die  man  die  überschüssigen  Tage 
vertheilte,'nach  dem  dritten,^ fünften  und, achten  Jahr 
eingeschaltet  habe. 

Ungeachtet  wir  nun  also  das  Wesen  der  Octaeteri$ 
kennen,  so  fehlt  doch  viel,  dafs  wir  ein  an  sie  ge- 
knüpftes attisches  Datum  mit  Sicherheit  auf  die  Julia» 
nische  Zeitrechnung  bringen  könnten.  Es  ist  zwar 
sehr  wahrscheinlich,  dafs  ihr  erstes  Jahr  immer  zu* 
gleich  das  Anfangsjahr  einer  Olympiade  war;  allein 
wir  wissen  nicht  von  welcher,  ob  von  einer  geraden 
oder  einer   ungeraden,    so  dais  $ich  nicht  ausmitteln 


*)  Nach  römiscLein  Sprachgebrauch  richtiger  nono  quoque 
anno.  Eben  so  müfste  es  beim  Solinus  richtiger  statt  anno 
nono  heifsen. 

[20*] 


308  Technische  Chronologie. 

Ittist,   welcheii  Otympiadenjahrea  die   drei  Scbaltjahre 
etttsprachen.     W.ä*en    wir   aber   auch   liiei*yon    umLer- 
richlet,  so  würden  wir  doch  immer  nicht  den  Epochen- 
tag  ihres  ersten  Jahrs  angeben  können,   zumahl  da  sie 
fai  Vergleichung'  mit  dem  Monde  um  anderthalb  Tage 
zu  kurz  war,  mithin  yon  Zeit  zu  Zeit  durch  Einschie- 
bung  gänzer  Tage   mit  demselben  ausgeglichen   werden 
mufste,    was  gewifs  so  lange  willkührlich  geschah,    bis 
die    sechzehnjährige   Perlode    darüber   eine  Regel   /est- 
setzte.     Wir  wissen   aber  nicht  mit  Sicherheit,   wann 
diese  Verbesserung  des   achtj&brigen  Cjclus  ins   Leben 
getreten  isU     Dodwell,    der  sie  dem  Harpalus  bei- 
legt, nimmt  an,  dafs  sie  zu  Athen  bereits  um  die  71ste 
Olympiade  eingeführt  woixlen  sei  ^) ;  allein  seine  Gründe 
zeigen   sich   bei   nlberer  Prüfung  eb^n    so    unhaltbar, 
wie  alles  übrige-,    was  er  nach   Scaliger's   Vorgänge 
über  die   allmäligen  Verbesserangen   der  Oclaeteris  be- 
richtet.    Die  sechzehn-  und  hundert  und  secbzigjährige 
Periode  sind  offenbar  das  Resultat  fortgeseizler  Beob- 
achtungen und  Vergleichuiigen  des  Sonnen-  und  Moud- 
laufs,    womit  man  in  Griechenland  schwerlich  so  früh 
bis  zu  einem  solchen  Grade  von  Genauigkeit  gekommen 
sein   wird.      Eine  andere  Bewandnifs   hat   es   mit  dem 
neunzehnjährigen  Cyclus.     Auf  diesen  konnte  eher  ein 
glücklicher  Zufall  leiten,  da  er  sich  auf  die  sehr  nahe 
Üebereinstimmung  yon  235  Mondwechseln  mit  19  Son- 
nenjahren  gründet. 

Wir  sind  also  aufser  Staude,  irgend  ein  mit  der 
Octaeteris  in  Verbindung  stehendes  Datum,  z.B.  den 
20.  Boedromion  01.75,1,   v.Chr.  480,    den  Tag  der 


*)    De  tyclU  m,  29. 


Griechen.  309 

Schlacbt  bei  Salamis  ^),  auf  den  juliatiifiehen  Kalender 
zu  bringen.  Wenn  wir  die  Tage  der  Keumonde  in 
diesem  Jalir  berechnen ,  so  gewinnen  wir  damit  zwar 
so  viel ,  dafs  wir  die  in  zwei  auf  einander  folgenden 
Monaten  nur  um  wenige  Tage  von  einander  entfernt 
liegenden  Gi-enzen  angeben  können,  von  denen  das  ge- 
suchte Datum  eingeschlossen  sein  mufs ;  da  wir  aber  diie 
Schaltjahre  nicht  sicher  von  den  Gemeinjahren  unter- 
scheiden können,  so  wissen  wir  immer  nicht,  welcher 
Neumond  gerade  den  Anfang  des  Boedi*omion  bestimmt 
bat.  Gewifs  ist  es',  dafs  die  Schlacht  entweder  um  den 
23.  September  oder  um  den  20.  Oktober  geliefert  wor- 
den ist;  wer  aber  Recht  bat,  Pelayius^),  der  sie  aUf 
das  erste,  oder  Dodwell^),  der  sie  auf  das  andere 
Datum  setzt,  mag  ich  nicht  entscheiden,  wenn  ich  gleich 
jene  Annahme  für  wahrscheinlicher  halte  als  diese. 

Wir  kommen  nun  zu  dem  neunzehnjährigen 
Cyclus  des  Meton.  Zuvor  müssen  aber  einige  Notizen 
yom  Kalenderwesen  der  Griechen  gegeben  werden. 


*)  Plutarch  (^i'i/.  Cam,  c.  \9)  bestimmt  das  Datum  des  Boe- 
dromion  durch  iwpi  ti;  tUd^aQ  nicht  ganz  sicher;  wir  wi^isen  aber 
anderswoher,  dais  es  gerade  der  20ste  war.  Polyänns  sagt  näm-> 
lieh  (III,  li),  Themislocies  habe  an  dem  Tage  der  eleusinischen 
Mysterien  gesiegt,  der  den  Namen  lacchos  geführt.  Dies  war 
der  20s te.  S.  Meursii  £'/6fi/5/V//ff  c.27.  (  Die  grofsen  Mysterien 
dauerten  9  Tage,  vom  15.  bis  zum  23.  Boijdromion).  An  cinei* 
andern  Stelle  ("de gloria  Jiheniensium  c.7j  setzt  Plutarch  die 
Schlacht  auf  den  46.  Munychion,  an  welchem  sie  auf  keinen  Fall 
Statt  gefunden  haben  kann.  Ycrmuthlich  verlegten  die  Athener 
die  Sieges feier,  um  sie  nicht  mit  den  Eleusinien  zu  vermengen, 
auf  eine  gelegenere  Zeit. 

*)    Doctr,  temp,  1.  Xm,  p.3i3. 
^)    De  Cyclis  IV,  14. 


310  Teclmtsche  Chtvnologie. 

Was  oben  (292)  von  der  schwankenden  Stellung 
der  attischen  Monate  im  Sonnenjahr  gesagt  worden  ist, 
gilt  überhaupt  yon  den  griechischen  Monaten ,  die  seit 
den  ältesten  Zeiten  einen  lunai'ischen  Charakter  gehabt 
haben  mtuisen.  Um  daher  die  richtigen  Momente  der 
von  bestimmten  Jahrszeiten  abhängenden  Geschäfte  des 
bürgerlichen  Lebens  zu  erkennen,  waren  die  Griechen 
genöthigt,  sich  nach  Merkmalen  in  der  Matur  umzu- 
sehen, und  die  sichersten,  die  sich  ihnen  darboten, 
waren  die  periodisch  wiederkehrenden  Auf-  und  Un- 
tergänge der  Gestirne. 

Ohne  hier  auf  die  Frage  einzugehen,  cib  die 
Griechen  in  diesem  Pimkie  ihre  eigenen  Lehrer  gewe- 
sen, oder  ob  ihnen  die  Erfahrungen  und  Einsichten 
von  Yölkem  früherer  Cultur  zu  Statten  gekommen 
sind^),  bemerke  ich  blo&,  dafs  ihre  Gewohnheit,  den 
Himmel  zu  befragen,  wo  wir  in  den  Kalender  sehen, 
über  alle  historische  Zeit  hinaufreicht,  ja  so  alt  ist, 
dafs  sich  Prometheus  beim  Aeschylus  als  den  Urhe- 
ber davon  angeben  kann : 

OvT*   avd^i^^ov;  ^poc,    ouTi   xapitt|iov 
Oipovc   ßißatev*    aXX'    arip    ^rvwfiiic   t^    not 
*Eirpao-roy,    tri    ^n    ^^   uvroXai   lyw 
^Ag-pwy    S^ii|a,   tag   Tt    htffxpiTovi   ^va^ig. 
V.  453. 

.*)  Letztei-es  behauptet  der  Scholiast  des  Aratus  (zut.752J, 
der  die  nach  den  Erscheinungen  der  Fixsterne  geoi-dnetcn  Kalender 
eine  Erfindung  der  Aegypter  und  Clialdäer  nennt.  Auch 
Ptolemäus  scheint  dahin  zu  deuten,  wenn  er  (Almagest  XIII, 
7,  S.419),  vom  Sehungsbogen  der  Planeten  handelnd,  sagt,  dafs 
unter  dem  Parallel  von  14  Stunden  15  Minuten,  unter  Teelchem  die 
Phönizier  und  Chaldaer  wohnten ,  die  meisten  und  sichersten  der 
dahin  gehörigen  Beobachtungen  angestellt  worden  wären. 


Gaiechsn.  311 

„Es  gebrach  ihnen  (den  Sterblichen)  an  jedem 
,, sichern  Merkmale  des  Winters ,  des  blumigen  Früh<- 
,,ling8,  des  fruchtbringenden  Sommers;  ohne  Einsicht 
,, lagen  sie  ihren  Geschäften  ob,  bis  ich. ihnen  die  Auf- 
,,gänge  der  Sterne  und  die  schwer  2u  erkennenden 
,, Untergänge  zeigte." 

Beim  Homer  kommt  nu^  *eine  einzige  Stelle  vor, 
in  der  von  einer  solchen  Erscheinung  die  Rede  ist,  näm- 
lich die,  wo  er  sagt,  dafs  der  Hundsstern  in  der  oTnipa, 
aufgehe.  Sie  ist  bereits  oben  (244)  angeführt  worden. 
l)esto  häufiger  erwähnt  Hesiodus  die  Auf-  und  Un- 
tergänge der  Sterne.  Die  Geschäfte  des  Landmanns 
besingend,  mufste  tr  die  Jahrszeiten  bestimmen,  wo 
die  vomehnisten  derselben  in  Griechenland  zu  yer- 
richten  waren.  Sie  an  Monatstage  zu  knüpfen,  konnte 
ihm  schon  defshalb  nicht  einfallen,  weil  die  Monate 
bei  den  griechischen  Yölkerschaften  die  abweichendsten 
Namen  führten.  Er  reiht  sie  also  an  Fizstemerschei- 
nungen,  worin  ihnVirgil  nachgeahmt  hat,  ungeachtet 
dieser  bereits  einen  festen  ELalender  vorfand. 

Dem  Beispiel  des  Hesiodus  folgten  nachmals  alle 
griechischen  Schriftsteller,  denen  es  um  eine  genaue 
Bezeichnung  der  Zeiten  des  Sonnenjahrs  zu  thun  war. 
In  diesem  Falle  sahen  sich  unter  andern  Hippocrates, 
Aristoteles  und  Theophrastus.  Der  erste  sagt  ^): 
,, Nicht  geringe,  ja  sehr  grofse  Vortheile  gewährt  die 
,, Astronomie  der  Heilkunde."  Hauptsächlich  räth  er 
den  Aerzten  in  derselben  Schrift  '),  die  Nachtgleichen 
und  Sonnenwenden,  wie  auch  die  Aufgänge  des  Sirius 


^)    De  aere,  locis  et  aquis  sect.  m,  p.  281. 
»)    p.288. 


312  Technische  Chronologie. 

und  Arktur,  and  den  Untei^ng  derPleiaden  als  kritisch 
EU  beachten.     Aristoteles  und  Theophrast  geden.— 
ken  der  Auf*  und  Untergänge  der  Gestirne  häuflg,  der 
erste  in  der  Thiergeschichte  und  den  Büchern  von 
den  Meteoren,  der  andere  in  seinen  botanischen* und 
meteorologischen  Schriften.    Sie  bedienen  sich  der  Aus- 
drücke ItA  Kuy2  oder  i/tto  to  ofpoy,  zur  Zeit  des  Hun* 
des  oder  des  Gestirns,  um  den  Frühaufgang  des  Si- 
rius zu  bezeichnen ,   der  den  Griechen  unter  den   Er- 
scheinungen dieses  Slei^ns  allein  wichtig  war,  indem  der 
Spätauigang  und  die  beiden  Untergänge  auf  Jahrszeiien 
Yon  minder  ausgezeichnetem  Charakter  trafen.     Aehn- 
liehe  Ausdi*ucke  von  den  PIejaden  gebraucht  deuten  alle- 
mafal  auf  den  Finihauf-  und  Untergang,  die  bei  der  £ia- 
theilung  des  Jahi*s  berücksichtigt   wmxien  (241).     Der 
Zusammenhang  oder  die  beigesetzte  Jahrszeit  (beide  Eiv 
acbeinungen  lagen  um  ein  halbes  Jahr  aus  einander)  ge- 
ben  gewöhnlich  zu  erkennen,    ob  vom  Auf-  oder  Un- 
tergange  die  Rede  ist.     Gleiche  Bewandnifs  hat  es  mit 
den  beiden  Aufgängen  des  Arktur  (246  und  247).   Wenn 
diese  Schrifuieller  von  den  Stürmen  Im  'öpwjyi,    zur 
Zeit  des   Orion,    sprechen,    so   vei*stehen   sie  die- 
jenigen,   welche    im   griechischen   Klima  zur  Zeit  des 
Fi*ühaufganges    des    Orion    bald     nach    der    Sommer- 
^ende,    und   des   Fmhunterganges   um  die    Mitte   des 
•Novembers  (ebend.)   einzutrelfen   pflegen.      Auch   beim 
Demosthenes   finden  sich  in  Contracten  und  an- 
derswo  tfhnliche   Bezeichnungen.     Der  Sprachgebrauch 
der   Gi'iechen  hatte  sich  bei  jedem  einzelnen*  Gestirn 
aufs  bestimmteste  gebildet. 

Mit  diesen  wenigen  Erscheinungen,    wodurch  sich 
die  Hauptepochen  des  Jahrs  kenntlich  machten,  scheinen 


Griechen.  313 

sich  die  griechisclieii  Landleute  und  Schiflkhrer  lan^ 
bebolfen  zu  haben.  Dafs  ein  jeder,  dem  es  um  deiv 
gleichen  Signale  zu  thun  vvar,  den  Plimmel  selbst  be- 
fragt haben  werde>  läfst  sich  um  so  eher  erwarten,  da 
diese  Yolksklassen  ihre  Zeit  meistens  im  Freien  zubrin- 
gen. Einen  eigentlichen  Kalender,  der  die  unmit- 
telbai'e  Beobachtung  überflüssig  machte,  lieferte  zuerst 
Meton. 

Dieser  Athener  ^)  machte  die  Entdeckung  '),  dals 
.235  Mondmonate  bis  auf  einen  geringen  Unterschied 
19  Sonnen  jähre  geben  (47)  •  Dem  gemäfs  constimirte  er, 
livie  wir  bereits  oben  (298  und  301)  aus  Geminus  und 
Censorinus  ersehen  haben,  einen  neunzehnjährig 
gen  Cyclus  yon  6940 Tagen,   die  er  so  geschickt  in 


')  Dafs  Meton  ein  Athener  war,  sagen  Theophrastus 
(de^ign,  pluv,  p.  416J  und  Censorinus  (301).  A  e  1  i  a  n 
(F'.  H.  \y  7 J  macht  ihn  zu  einem  Lacedämonier.  Aber  für 
Aaxctfv  ist  vermulhlich  mit  Perizonius,  nach  einem  attischen 
^v]|uio(,  AsvxovoEu;  zu  lesen. 

')  Bailly  (Hist.  de  l'Jstron.  ancienne,  Eclairc  l.VII,  S.7;, 
der ,  einer  Lieblingshypolhese  zu  Gefallen  ,  den  Ursprung  aller 
asti'onomischen  Kenntnisse  im  Morgenlande  sucht,  erklärt  auch 
den  roetonschen  Cyclus  für  eine  ausländische  Erfindung,  die  man 
schon  beiden  Chinesen,  Indiem,  Hyperboreern,  und  der  Himmel 
"weifs  wo  sonst  noch,  finde.  Abu 'If'aradsch  erzähle,  Meton 
sei  in  Alexandria  gewesen  (hundert  Jahre  vor  Alexander!);  der 
Athener  müsse  also  seinen  so  gepiiesenen  Cyclus  in  Aegypten  ken- 
nen gelernt  haben.  Diese  Behauptung  ist  öfters  nachgeschrieben 
worden.  Ich  habe  anderswo  (Histor.  Untersuchungen 
S. 329  fr.)  einen  Versuch  gemacht,  die  Erfindung  dem  Meton  zu 
Tindiciren,  wie  ich  glaube  nicht  ganz  ohne  Erfolg.  Wenigstens 
habe  ich  gezeigt ,  wie  der  Grieche  durch  eine  leichte  Combination 
auf  sie  kommen  konnte. 


314  Technische  Chronologie. 

Monate  zu  theilen  wufste ,  dafs  diese  im  Y erkuf  dies 
ganzen  Zeitraums  mit  den  Mondwechseln  übereinstimmr 
ten.  Damit  verband  er  einen  neunzehnjährigen 
Kalender,  dessen  Einrichtung  folgende  gewesen  sein 
muis:  den  attischen  Monaten,  deren  Dauer  seiner  Theo- 
rie gemäfs  veränderlich  war  (in  der  Octaeteris  waren 
einerlei  Monate  beständig  entweder  voll  oder  hohl) ,  stan- 
den die  Feste  und  zugleich  die  Sonnenwenden,  Nacht- 
gleichen und  Fixstemerscheinungen  beigeschrieben,  an 
die  man  die  Anfange  der  Jahrszeiten  knäpfte«  Daß 
diese  astronomischen  Notizen  in  jedem  }ahr  eine  an- 
dere Stelle  in  den  zugehörigen  Monaten  erhatten  muis- 
ten  und  erst  immer  wieder  durch  den  Schaltmonat  in 
die  ursprüngliche  Gegend  zurückgeschoben  wurden,  folgt 
aus  der  Natur  des  Mondjahrs ,  das  um  elf  Tage  kürzer 
ist,  als  das  Sonnenjahr. 

Mit  diesen  wenigen  Fixstemerscheinungen  begnügte 
er  sich  jedoch  nicht.  Er 'fügte  die  Auf-  und  Unter- 
gänge vieler  andern  ausgezeichneten  Sterne  hinzu,  ne- 
ben welchen  er  zugleich  die  Winde  und  Wechsel  der 
Witterung  — iTrwnjjutflwiiu— ,  womit  sie  im  Klima  Athens 
der  Regel  nach  begleitet  sind,  bemerkte.  Nach  einer 
oben  (305)  citirten  Stelle  des  Theophrastus  war  sem 
Lehrer  Phaeinus  einer  der  ersten,  die  dergleichen  me- 
teorologische Beobachtungen  angestellt  hatten,  welche 
yon  nun  an  in  keinem  griechischen  Kalender  fehlen 
dürften. 

Das  Wort  hrvrri\iaavi  heilst  eigentlich  die  Anzeige 
der  Ankunft,  das  Anmelden,  auch  wol  die  Ankunft 
selbst.  Besonders  wird  es  vom  Fieberparoxysmus  und 
von  den  Veränderungen  der  Witterung  gebraucht,  wo- 


Gribgren.  315 

mit  sich  die  auf"*  und  untergehenden  Sterne  ankündigen* 
Galenus  sagt^),  es  gibt  zwei  hfiaiifjieuricu  der  Plejadeu, 
d.i.  zwei  Erscheinungen  derselben,  welche  mit  Witte- 
rungswechsehi  begleitet  sind.  Er  meint  den  Frühauf- 
und  Untergang,  welche  den  An&ng  des  Sommers  und 
Winters  bezeichneten.  Der  technische  Ausdruck  ettmij- 
juoimy,  den  Aristoteles')  durch  iisraßoXrlv  rcv  dipog 
noUiy  erklärt,  deutete  in  den  alten  Kalendern  an,  dafs 
eine  Fixstemerscheinung  mit  einer  bemerklichen  Aende* 
rung  der  Witterung  und  des  Windes  verbunden  sei. 
So  heiüst  es  beim  Geminus^):  h  d\  ti]  xß^  (er  meint 
den  22sten  Tag  des  Aufenthalts  der  Sonne  im  Löwen)  Ei>- 
d6^(^  hipa  ii^og  iwu  xcd  iTrtoTjjua/i/ei.  Die  Römer  gebrauch- 
ten eben  so  ihr  significare.  So  sagt  PJinius:  A  bn^ 
ma  infa\fomum  Caesari  nobitia  sidera  significant  ^). 

Ursprünglich  betrachtete  man  die  Fixstemerschei- 
nungen  nur  als  Signale  der  Witterungswechsel,  und 
konnte  es  mit  Recht,  in  so  fern  gewisse  Hauptwechsel 
zu  bestimmten  Zeiten  des  Sonnenjahrs  einzutreten  pfle- 
gen. Man  kam  aber  bald  dahin,  dieselben  als  Wix^ 
kungen  der  Auf-  und  Untergänge  der  Sterne,  mit 
denen  sie  sich  gleichzeitig  einstellen,  anzusehen,  ein 
Wahn,  der  sich  bis  auf  die  neuem  Zeiten  erhalten 
hat,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dafs  man  allmäh'g  die 
Planeten  in  ihren  Aspecten  oder  verschiedenen  Stellun- 
gen untereinander  oder  gegen  die  Sonne  für  die  Fix- 


')     Comment.  I.  in  Hippocr,  Epidem,  I.     Opp,  Tom.DC,  p.6. 
*)    Oder  ein  Pseudo-Amloteles,  ProbL  XXVI,  12. 

*)    H.  N.  XYm,  64.     Auch  mit  beigcfugtei-  Witterung:  Cae- 
sari sexio  IdusJprilis  significatur  imber  librae  occasu.  Jbk  66. 


316  Technische  Chronologie. 

Sterne  geselzt  hat.     Gegen   diesen  Kalenderaberglaiiben 
eifert  schon  Geminus  ^). 

Meton's  auf  neunzehn  Jahr  gestcUter,   aber    sei- 
ner Absicht   nach  immerwährender  Kalender  wuixle  in 
Griechenland  mit  grofsem  Beifall  aufgenommen.     ,,Za 
„Athen,  sagt  Diodor  *)  beim  vierten  Jahr  der  Sösten 
„Olympiade,    stellte  der  wegen  seiner  astronomischen 
„Kenntnisse  berühmte  Meton,   Sohn   des  Pausanias« 
„'Seinen  neunzehnjährigen  Cyclus  auf,   beginnend  mit 
„dem  13ten  des  Monats  Skirophorion.  —   Dieser  Mann 
„scheint  in  der  Verkündigung  der  Stcmerscheinungen. 
„überaus  glücklich  gewesen  zu  sein;  denn  sie  bewegen 
,,sich  übereinstimmig  mit  seinen  Angaben  und   führen 
,,die  angezeigten  Veränderungen  der  Witterung  herbei. 
,,Defshalb  bedienen   sich   bis   auf  unsere  Zei- 
,,ten  die  meisten  Griechen  des  neunzehnjäh- 
„rigen  Cyclus  und  verfehlen  dabei  die  Wahr- 
„heit  nicht  —  Aio  }xixp^  tcTv xoB''  tjjuiag  ')(p6vwy  cl  Tckug-oi 
,,Tüüy*EXXi]vx'y  XP^I^^^^  '^f\  ^w£a>ffludfxa£T/]ptdi  oi  &ta\f/ivdcyTcu 
,,TiJ;  iXri^HOLg.*^    Die  Alten  sprechen  von  verschiedenen 
Tafeln,    auf  die   der  neunzehnjährige   Kalender  (denn 
dieser  ist  hier  eigentlich  gemeint)  aufgetragen  war.     So 
sagt   der  Scholiast  zum  Aratus^):    ,,Dte  Astrono- 
, ,  m  e  n    nach  Meton  —  ol  juera  M/rava   dg-povofJici  *)  — 
,,  stellten  Tafeln  in  den  Städten  auf,  worauf  die  Bewe- 
,,gungen    der    Sonne    dureh   die    neunzehn   Jahre  des 
„Cyclus,  die  Witterung,  die  Winde  und  viele  im  Le- 


•)  Isag.  c.ii. 

»)  xn,  36. 

»)  Zu  V.  752.  , 

*}  Der  Scholiast  hat  yieileicht  mpl  sUtt  imtt  geschrieben. 


Griechen.  317 

,,ben  nützliche  Dinge  verzeichnet'  Tvaren/'  Aejian 
spricht  *)  von  Säulen  — f>JXai— .,  die  Meton  emchtet 
und  auf  denen  er  die  Sonnenwenden  bemerkt  hatte^ 
und  der  Scholiast  zum  Aristophanes  ')  von  einem 
dydSyjixoL  d^poyofiocov  dieses  Astix)nomen,  welches  vermulhr 
lieh  von  ähnlicher  Beschaffenheit  war.  Yielleicbt  ist 
man  einst  bei  wiedei*hohIter  Durchforschung  des  klas* 
sischen  Bodens  so  glücklich,  ein  solches  Monument  zu 
entdecken.  Ueberhaupt  war  es  die  Gewohnheit  der 
griechischen  Astronomen,  ihre  Kalender  auf  Tafeln  oder 
Säulen  an  öffentlichen  Orten  zur  Einsicht  des  Publi- 
kums aufzustellen,  weishalb  sie  ihnen  auch  den  Namen 
TrapaTrqy^aray  Anheftungen  oder  Ausstellungen« 
beilegten,  von  TFapoTrrjyyvyoUy  affigere. 

Der  Kalender  des  Meton  wurde  also  von  den 
Griechen  mit  grofsem  Beifall  aufgenommen.  Gilt  dies 
aber  auch  von  seinem  Cyclus,  den  sie  Mruivog  evioLvrov 
nannten  ^),  ich  meine,  wui*de  dieser  Zeitkreis  an  der 
Slelle  der  schwankenden  Oclaeteris  auch  zur  Einthei- 
lung  der  bürgerlichen  Zeit  gebraucht?  Hierüber  sind 
die  Meinungen  der  Chronologen  gelhellt.  S  c  a  1  i  g  e  r 
verneint  die  Frage  im  Sinne  seiner  eigen ihümlichen 
Hypothese  über  das  Wesen  der  attischen  Monate.  Eben 
soPetavius,  wiewohl  aus  bessern  Gründen.  Dodwell 
und  Corsini  dagegen  ti^agen  kein  Bedenken,  sie  in  ih- 
rem ganzen  Umfange  zu  bejahen. 


•)    A.  a.  0. 

»)    j4d  Aves  T.  998.    Dasselbe  Suidas  v.  Mitwv. 

')    Diodora.  a,  0. 


318  Technische  Clironologie. 

Petavius  *)  findet  sich  besonders  durch  die  Aens- 
serung  des  GeminuSi   dafs  die  bürgerlichen  Mo- 
nate der  Griechen  — ol  KOrct  tfoKiv  /xijygg —  abwech- 
selnd voll  und  hohl  gezählt  worden  sind,    was   seiner 
ausdrücklichen  Versicherung  nach  bei  dem  metonschen 
Gydus  nicht  durchgängig  der  Fall  war,  zu  der  Meinung 
yeranlafst,   dafs  die  Enneadecaeteris  von  den  Athenern 
nur  als  Norm  gebraucht  worden  sei,  um  die  OcUeleris, 
die  ihnen  bis  auf  die  spätesten  Zeiten  zm*  Anonlnung 
ihrer  Zeitrechnung  gedient  habe,    so  oft  sie  sich  ver- 
schoben, wieder  ins  Geleise  zu  bringen,  und  dafs  der 
melonsche  Kalender  auch  ohne  den  Gydus,  an  den 
er   geknüpft  war,    im  Gebrauch  gewesen   sein  könne. 
Diese  Ansicht   ist  aber  gro(sen  Schwierigkeiten   unter- 
worfen.    Denn   nicht   zu  gedenken,   dafs  eben  so  gut, 
ja  noch  besser  als  der  metonsche  Cyclus,   der  Himmel 
selbst  den  Athenern   zum   Regulator   ihrer   nach   dem 
Monde  abzumessenden  Monate  dienen  konnte,  wie  hätte 
ein  Kalender,    der   von  der  im  gemeinen  Leben   ge- 
bräuchlichen Zeitrechnung  oft  um  einen  oder  mehrere 
Tage,    ja   wol   um  einen  ganzen  Monat  abwich   (denn 
die  Ordnung  der  Schaltmonate  war  In  dem  neunzehnjäh- 
rigen Cyclus  eine  andere,  als  in  dem  achtjährigen),  von 
dem   Landmann   gebraucht  werden  können,    ohne  ilin 
gfinzlich  zu  verwirren?  Und  wie  wäre  dieser  Kalender  zu 
dem  grolsen  Ansehn  gelangt,  worin  er  in  Griechenland 
stand,    wenn   er   nicht  mit  der  bürgerlichen  Zeitrech- 
nung gleichen   Schritt   gehalten   hatte?    Man   erinnere 


*)    Doctr.  temp.  n,  10. 


Griechen.  319 

sich  nur  an  die  yorhin  (316)  aus  Diodor  citirten 
Worte,    an  das  ' 

Tct  yotp  ffWCui^tTM  j]^ 

,, allgemein  bekannt  sind  die  neunzehn  Kreise  der  hell« 

,, strahlenden  Sonne,"  des  Aratus^),  und  an  das 

tenuit  rem  Graecia  sollers  ' 

Protinus  et  longos  inventum  misit  in  annos 

fieines  Paraphrasten  Ayienus  (287)*  Diodor  sagt, 
die  meisten  Griechen  halten  sich  der  Ennieadecaeteris 
bedient;  und  von  d^n  meisten  Griechen,  fragt 
Dodwell^),  wollten  wir  die  Mitbürger  Meton's, 
die  Athener,    ausscfaliefsen? 

War  aber  der  neunzehnjährige  Cyclus  wirklich  im 
bürgerlichen  Gebrauch ,  wie  sind  damit  die  Worte  des 
^  Geminus   zu  vereinigen,    die  das  G^ntheil  zu  be- 
weisen scheinen? 

Dieser  in  allen  seinen  Angaben  sehr  genaue  und 
bestimmte  Schriftsteller  will  das  Wesen  der  griechischen^ 
Zeitrechnung  darlegen^).  ,, Genau  genommen,  sagt  er, 
,, beträgt  die  Dauer  des  nach  dem  Monde  abzumessenden 
,, Monats  29^  und  ^Tage;  allein  man  rechnet  dieselbe 
,,im^  bürgerlichen  Leben  — vpog  -nji'  «•oXxtwijv  ayw* 
nW*'  —  ^^^  '^^^  Durchschnitt  zu  29-J- Tagen,  so  dafs 
,,zwei  Monate  59  Tage  halten.  Aus  diesem  Grunde  wep- 
,,den  die  bürgerlichen  Monate  abwechselnd  voll  und 
„hohl  gezählt."     Nach  dieser  allgemeinen  Bemerkung 


•)    V.752. 

')    De  CycUs  I,  3. 

^)    c.  6  im  Anfange. 


320  Technische  Chronologie. 

kommt  er  auf  die  verschiedenen  Mondperloden  insbe- 
.  sondere,  zunächst  auf  die  Octaeteris,  bei  der  er  dasselbe 
noch  einmahl  wiederhohlt,    mit  dem  Zusatz,    dafs  das 
Jahr   sechs  yolle  und  sechs  hohle  Monate,    zusammen 
354 Tage,    halte,    dagegen  er  weiterhin  von  dem  me* 
tonschen  Cyclus   sagt,    dafs  er  die  Monate  nicht  ab- 
wechselnd voll  und  hohl  zähle,   sondern  zuweilen  zwei 
volle  Monate  auf  einander  folgen  lasse.    Alles  dies  hält 
nun  Petavius  für  ganz  entscheidend.     Dodwell  hin- 
gegen ist  der  Meinung^),  dafs  die  Worte  Tcpo^  rrlv  no^ 
XiTtKr)v  a^^uT^y   nicht  gerade  von   den  bürgerlichen  lHo- 
naten  Hekatombäoo ,    Metageitnion  u.s.w.  zu  nehmen 
sind,  sondern  von  der  bei  Zinsrechnungen,  Conlraclen, 
Häuservcrmiethungen,  Soldzahlungen  u.dergl.  gebräuch- 
lichen Zeitrechnung.    Bekanntlich  wurden  die  Zinsen  zu 
Athen  monatlich  erhoben.    Dabei  z.B.  glaubt  Dodwell , 
dafs  die  Monate  abwechselnd   voll  und  hohl,    oder  je 
zwei  Monate  zu  59  Tagen  gerechnet  woixlen  sind.    Dies 
ist  ^llei^dings  wahrscheinlich,  rechtfertigt  aber  die  Worte 
des  Gern  in  US  schwerlich.     Meines  Erachteos  gehn  sie 
wirklich  auf  die  Yolksmonate  der  Griechen,   besonders 
der  Athener,  ohne  jedoch  zu  beweisen,  was  Petavius 
daraus  folgern  will.    Wenn  es  dem  Schriftsteller  darauf 
ankam ,  seinen  Lesern  einen  Begriff  von  den  Yolksmo- 
naien   der  Griechen  im  Gegensatz  der  astronomischen 
zu  gehen,  so  konnte  er  sich  vollkommen  so  ausdi-ücken, 
wie  er  gethan  hat,    selbst  wenn  der  metonsche  Cyclus 
zu  seiner  Zeit  allgemein  in  Griechenland  gebräuchlich 
war;     denn  auch    in   ihm'  waren   die   Monate    in   der 
Regel  abwechselnd  voll  und  hohl.     Erst  wenn  dieser 


*)    De  CyclU  I,  32. 


Griechen.  321 

Wechsel  sieben  bb  acht  mahl  hinter  einander  Statt 
gefunden  hatte,  traten  einmahl  zwei  volle  Monate  nach 
einander  ein.  Und  wurde  denn  dieser  Wechsel  in  der 
Octaeteris  nie  unierbrochen?  Der  Schaltmonat  hielt  nach 
6 e minus  ausdrücklicher  Versicherung  allemahl  drafsig 
Tage.  Wo  er  also  auch  eingeschoben  werden  mochte, 
mufsle  er  allemahl  entweder  yor  einem  vollen  her- 
gehen oder  ihm  folgen.  Das  Präsens,  das  Geminus 
von  der  achtjährigen  Periode  gebraucht  —  o^tv  xoiXoy 
xoi  vKi^pr}  juiT)va  Ttapa  jJiipog  iyauaiy  —  yiyoyrtu  ow  h  t^ 
eviavTcJ»  l§  Trkjqpei^  xoi  i^  xoiXot —  auf  das  Petavius  ei- 
nen besondem  Nachdruck  gelegt  wissen  will  ^),  scheint 
mir  nicht  entscheidend  zu  sein.  Denn  nicht  zu  ge- 
denken, dafs  diese  Periode  zur  Zeit  des  Geminus 
noch  bei  mehreren  griechischen  Völkerschaften  in  Ge- 
brauch sein  konnte,  spricht  er  ja  auch  vom  neunzehn-» 
jährigen  Cyclus  im  Präsens —  iyoyrai  d\  iv  roTg  i^''hzn 
lirjvBg  i^ßokifxoi  linJi  —  yiWai  ovv  6  sviauro^  '^\izp(ov  rge'  xol 
t  Ivvsoxai^Exarwv.  Soll  hier  einmahl  auf  das  Tempus  ge- 
achtet werden,  so  müssen  wir  vor  allen  folgende  Worte 
hervorheben:  rotlro  ycip  tJ  c|)tJ<ri$  Im  tcüv  (pcuvonivwv  Itti- 
dix'^TCU  TTpog  tov  rJJg  as\i^vrig  "Koyoy^  OTTsp  iv  t^  oxTOfTifjpß^t  cva 
ivyjy.  Doch  um  bei  einem  so  aufserwesentlichen  Punkt 
nicht  länger  zu  verweilen ,  was  kann  .  entscheidender 
(ur  den  Gebrauch  des  neunzehnjährigen  Cyclus  sein,  als 
die  Art,  wie  Ge.minus  den  Uebergang  zu  ihm  macht? 
„Da  also,  sagt  er^  die  Octaeteris  in  allen  Stücken 
„fehlerhaft  war,  so  haben  die  Astronomen  (Meton), 
„Euctemon,  Philippus  und  Callippus  eine  ganz  andere 
„Periode,  die  19jährige,  aufgestellt." 


^)    Doctr.  temp.  I,  6. 

I.  [21] 


322  Technische  Chronologie, 

Et  erheflet  demnadH  dafs  die  Grüncle  für  den  Ge- 
brauch des  Cyclus  die  (ilr  seinen  Nichigebrauch  aber- 
wiegen,  oder  vielmebr,  dafs  die  leutern  bei  einer  na- 
bern Prüfung  als  unhaltbar  erscheinen.  Ich  füge  hierzu 
noch  folgende  Stelle  des  Columella  *),  die  meine  Vor- 
gänger nicht  gehörig  gewürdigt  haben:  In  hoc  ruris 
discipUna  sequor  nunc  Eudoxi  et  Metonis,  untiquorum- 
quß  fastas  astrohgorum ,  qui'sunt  aptati  publicis 
sacrijiciis.  Diente  also  der  Kalender  des  Meton 
snr  Anordnung  der  öffentlichen  Opfer  und  Feste,  die 
sn  Athen  an  bestimmte  Monalstage  geknüpft  waren, 
wer  kann  noch  zweifeln,  da(s  die  Monate  sdbst  nach 
ihm  abgemessen  worden  sind? 

Es  entsteht  hier  nur  die  Frage,  ob  der  Cjdns 
gleich  mit  seinem  ersten  Jahr  Ol.  87 «1  in  Gebrauch 
gekommen  ist.  Die  Sache  ist  sehr  wahrscheinlich,  und 
würde  durch  das  protinus  in  den  oben  (287)  ciürlen 
Versen  des  Festus  Ayienus  ihre  völlige  GewifsheiC 
eijangen,  wenn  man  es  mit  den  einzelnen  Ausdrücken 
dieses  breiten  Paraphrasten  ganz  genau  nehmen  dürfte. 
Es  scheint  damit  freilich  eine  Stelle  des  Aristophanes 
im  ViTiderspruch  zu  stehen.  In  den  Wolken,  die 
nach  einer  ihnen  vorgesetzten  Didaskalie  zum  ersten- 
mahl  unter  dem  Archon  Isarchus  Ol.  89,1  gegeben  wur- 
den ,  klagt  Luna  ') ,  dais  die  Athener  die  Monatstsge 
nicht  genau  (nach  ihren  Phasen)  zählten,  sondern  auf 
nnd  ab  wild  umherschwärmten.  Die  Götter  drohten 
ihr  jedesmahl,  wenn  sie,  vaa  das  Opfer  betrogen,  un- 
yerrichteter  Sache   nach  Hanse    gehen    müfsten  ^  tSj; 


*)    Ä.  Ä.  IX,  14. 
')    T.615ff. 


Grieghbjü.  323 

ioprtig   iiTj   Toxomg  xari   \6yov  rwv  f^fiepSy»^     Man   kann 
sagen,  die  neitnaebnjährige  Periode  mufste  damals  nocb 
zu   genau  mit  dem  Himmel  tibereinstimmen ,    als   dab 
sie    solche  Besehii^erden   Teranlässen    und  rechtfertigen 
konnte^  und  der  Dickter  könne  daher  nur  die  achtjäh- 
rige  in   ihrer   altem   unsichern   Form  gemeint   haben. 
Er  scheint  aber  gerade   einen  Ausfall  auf  den  Meton 
zu  beabsichtigen,  ohne  es  dabei  mit  der  Wahrheit  ge* 
nauer  zu   nehmen,    als   mit  seinem  Angriff  auf  den 
Socrates.     In   seinen  Yögeln  bringt  er  jenen  per- 
sönlich auf  die  Bühne,  indem  er  ihn,  wie  in  den  Wol- 
ken diesen,  als  einen  phantastischen,  mit  allerlei  un- 
fruchtbaren Speculationen  beschäftigten  Kopf  darstellt« 
Mochte  immerhin  der  neunzehnjährige  Cyclus  mit  den 
Mondei^scheinungcn  übereinstimmen ;  dies  kümmerte  ihn 
wenig.     Er  wufste,  wie  schwankend  der  attische  Völks- 
kalender sonst  gewesen  war,  und  wie  vielerlei  Versuche 
man  gemacht  hatte,    ihn  mit  dem  Himmel  in  Ueber- 
'  einstimmung   zu  bringen.     Mehr   bedurfte   es  für  ihn 
nicht,    Um  an  Metdn's  Verbesserung ^    deren   Gründe 
er   ohnehin   schwerlich   zu  beurtheilen  im  Stande  war, 
seinen  Spott  auszulassen. 

Ein  entscheidender  Beweis  für  die  Einfuhrung  des 
metonschen  Cyclus  gleich  im  ersten  Jahr  der  87sten 
Olympiade  würde  von  der  Verlegung  des  Jahraufangs 
der  Athener  vom  Gamelion  auf  den  HekatombSon  zu 
entnehmen  sein,  wenn  es  ausgemacht  wäre,  dafs  die- 
selbe gerade  damals  wirklich  Statt  gefunden  hat,  wie 
Dodwell  und  Gorsini  glauben.  Wir  haben  aber 
oben  (291)  gesehen,  dafs  der  Hekatombaon  höchst  wahr- 
scheinlich schon  viel  früher  der  erste  Monat  im  attischen 
Jahr  geworden   ist.      So  wenig  also   auch   auf  diesen 

[21 '1 


324  Technische  Clironologie. 

Gi-und  zu  bauen  ist,    so  bezweifele  ich  doch  die  Ein- 
führung des  Cyclus   in  dem  gedachten  Jahr  keines^we- 
ges,   besonders  wegen  der  Art,    wie  sich  Diodor  äus- 
sert, der,  wenn  das  Jahr  der  Einführung  ein  späteres 
gewesen  wäre,  als  das  der  ersten  Bekanntmachung,  wol 
nicht   unterlassen   haben  würde,   es  zu  sagen.       Auch 
scheint  hier,   wie  mir  Hr.  Böckh  bemerkt,   das  freund- 
schaftliche Yerhältnils  des  Meton  zum  Pericies    be- 1 
rücksichtigt  werden  zu  müssen.    Ob  sich  gleich  dasselbe 
mit   keiner   eigentlichen  Stelle  belegen  Ififst,    so  ist   es 
doch  sehr  wahrscheinlich.     Pericies  lieble  LiUjeralur 
und,  Aufklärung,  besonders  auch  über  die  Natur ;    sein 
Umgang  mit  Anazagoras  läfet  schon  schliefsen,   daü 
er  den  Meton   werde  gesucht  haben.      Auch   war  er 
astronomisch  aufgeklärt,    wie  uns  die  Alten  berichten. 
Cicero  erzählt^),  er  habe,   als  eine  totale  Sonnenün- 
sterniis  die   Athener  sehr  erschreckt,    seine  Mitbürger 
gelehrt,  was  er  selbst  vom  Anazagoras  erlernt,  certo 
illud  tempore  ßeri  et  necessaiio,  cum  tota  se  luna  sah 
orbem  solis  siAiecisset;  itaque  etsi  non  omni  interrvten- 
struo  (bei  jedem  Neumonde)^  tarnen  id ßeri  non  posse, 
nisi  certo   intermenstruo   tempore.      Bei  dem    freund- 
schaftlichen Verkehr  beider  ist  aber  die  Einführung  des 
metonschen  Cyclus  im  Jahr  Ol.  87)1 ,  wo  Pericies  An- 
sehn und  Einfluls  den  höchsten   Grad  erreicht  hatte, 
um   so  glaublicher,    zumahl  da  Meton  auch  im  Staat 
etwas   galt;    denn   beim  sicilischen  Feldzuge  war  ihm 
eine  Befehlshaberstelle  zugedacht^). 


')    De  RepubUca  LI,  c.i6,  p.45  cd.  Mali.     Yergl.   Plut. 
Vita  Pericl.  c.35. 

*)    Flui,  vüa Nie.  ci3.    Va^l.  Aeliani  r.N.XOl,  12. 


Griegheh.  325 

Die  Wiederherstellung  des  metonschen  Kanons  rnuis 
also  dem  Geschichtsforscher  sehr  wtinschenswerth  sein. 
An  Versuchen  defsfalls  fehlt  es  nicht.  Allein  die  Nach- 
richten, die  denselben  zur  Grundlage  dienen,  sind  dürf- 
tig, und  lassen  der  Muthmafsung  ein  i/veiies  Feld. 
Kein  Wunder  daher,  dafs  Scaliger,  Petayius  und 
Dodwell  (Gorsini  tritt  dem  letztem  meistens  bei)  auf 
so  ganz  verschiedene  Resultate  gekommen  sind. 

Sei  es,  dafs  er  es  nicht  besser  ivufste,  oder  den 
geringen  Unterschied  absichtlich  vernachlässigte;  Meton 
gab  seinem  Cyclus  volle  6940  Tage,  für  die  Sonne  neun 
und  eine  halbe,  für  den  Mond  sieben  und  eine  halbe 
Stunde  zu  viel  (47).  Da  19  Jahre  zu  12  Monaten  nur 
228  Monate  halten,  und  da  auf  235  Monate,  abwech- 
selnd voll  und  hohl  genommen,  nur  6933  Tage  gehen, 
so  ist  klar,  dafs  im  Verlauf  des  Gyclus  sieben  Monate 
einzuschalten  und  sieben  hohle  Monate  voll  zu  zählen 
waren.  Es  kommt  also  darauf  an  1)  die  Folge  der 
Schaltjahre  auszum'itteln,  2)  das  Princip  zu  finden,  nach 
welchem  die  vollen  Monate  mit  den  hohlen  gewechselt 
haben,  3)  die  Epoche  des  Cyclus  oder  den  l.Heka- 
tombäon  seines  ersten  Jahrs  zu  bestimmen.  Wir  wollen 
mit  der  letztern  Aufgabe  hier  den  Anfang  machen. 

Diodor  sagt  in  der  oben  (316)  citirten  Stelle  beim 
vi^*teti  Jahr  der  86sten  Olympiade,  wo  Apseudes  Archon 
war,  M  e  t*o  n  habe  den  Anfang  seiner  Ennea- 
decaeteris  mit  dem  13.  Skirophorion  gemacht 
—  T7)y  apx^v  TTOLTiadiJiiyog  ini  fJLrjvo^  'S}apoif>opi£yo^  T/9t$xcude- 
xirrig.     Scaliger  ^)   imd   Dodwell*)  verstehen   dies 


^)    Emend,  temp.  l.U,  p.76. 
*)    De  CjcUs  m,  28. 


326  TechniscJie  Chronologie. 

so,  ab  sei  Veton's  enter  HekatomhSon  mit  dem 
13ten  bürgerlichen  Skirophorion  nach  der  allem  Zeit- 
rechnung zusammengetroffen.  Eine  solche  Hypothese 
bei  Scaliger  zu  finden,  wird  niemand  hefremden; 
denn  nach  seinem  System  haben  die  Yolksmonate  der 
Griechen  durchgängig- aus  dreifsig  Tagen  bestanden  und 
sich  nur  alle  vier  Jahre  einmahl  mit  dem  Monde  ausge- 
glichen (254).'  Aber  dafs  Dodwell,  der  des  Petayius 
sonnenklare  Widerlegung  dieses  Systems  vor  Augen  hatte, 
noch  eine  so  arge  Yenchiebung  des  attischen  Yolkska- 
lenders  (ur  möglich  halten  konnte ,  ist  unbegreiflich. 

Diodor*s  Worte  können  keinen  andern  Sinn  ha- 
ben als  folgenden:  Meton  fing  seinen  neunzehn- 
jährigen Kalender  (nicht  seinen  Cyclus)  mit  dem 
13.  Skirophorion,  dem  Tage  der  Sommerwende,  des  vie^ 
ten  Jahrs  der  86sten  Olympiade  an.  Nach  P tolemäus*} 
beobachtete  er  unter  dem  Archon  Apseudes  gemeinschaft- 
lich mit  Euctemon  die  Sommerwende  am  Morgen  des 
21.Phamenoth  oder  27.  Junius  des  Jahrs  432  v.Chr.  '), 
wie  es  scheint  mit  Hülfe  des  ijXtor^oTncy,  das  er  nack 
Philochorus  ^)  unter  dem  Archon  Apseudes  in  der 


*)    Almagcst  IH,  2,  p.  162.      ' 

*)  Die  Beobachtung  war,  wie  Ptolemäus  sagt,  nur  obenhin 
^^Xoo^ipi^tpov^ angestellt,  und  wirklich  ist  die  Sonnenwende  um 
anderthalb  Tage  zu  früh  angesetzt ;  denn  sie  ereignete  sich  unter 
dem  Meridian  Athens  ei-st  am  28.  Junius  um  4  ü.  NacbmitUgs. 

')  S.  denScholiastendes  Aristophancs  an  deroben(3i7) 
citirten  Stelle.  Sie  findet  sich  mit  wesentlichen  VerbesseruDgen 
Yon  Palmer ius  und  Meursius  in  der  Sammlung  der  Fragmente 
des  Philochorus  von  Lenz  und  Siebeiis  (Leipzig  18H ,  8) 
S. 55.  Wie  das  Heliotropium  beschaffen  war,  sagt  uns  nie- 
mand.  Vielleicht  bestand  es  aus  einer  kleinen  Oefl&iun^  in  einer 


Gaieghen.  327 

Pnyx  emcbtet  balle.  Traf  nun  der  27.  Junins  mit 
dem  13.Skirophorion  zusammen,  so  stimmte  dieser  Mo- 
nat, wie  gleich  näher  erhellen  wii*d,  bis  auf  höchstens 
zwei  Tage  mit  den  Erscheinungen  des  Mondes  tiberein« 

Dafs  aber  Meton  seinen  neunzebniährigen  Kaien«« 
der  mit  der  Sommerwende  fast  drei  Wochen  yofr  der 
Epoche  seines  Cyclus  angefangen  habe,  erhellet  aus  ei- 
ner Stelle  des  Aratus,  die  bis  jetzt  noch  von  keinem 
Ausleger  genügend  erklärt  worden  ist.  Auf  die  oben  (319) 
ciürten  Yerse  folgen  nachstehende : 

^Ocra  t*  dno  ^tivri^tlq  Iv^^arov  'Qp^wi^a 

y,und  alle  Erscheinungen,  die  Tom  Gürtel  des  Orion 
,,bis  zu  seinem  letzten  Stern  und  dem  kühnen  Hunde 
„des  Orion  (dem  Sirius)  die  Nacht  im  Kreislaufe  her- 
„beiführt."  Offenbar  will  hier  der  Dichter  die  erste 
und  letzte  Erscheinung  nennen,  die  er  in  dem  me- 
tonschen  Kalender  aufgezeichnet  fand,  von  dessen  Ein- 
richtung schon  oben  (314)  die  llede  gewesen  ist.  Der 
Gürtel  des  Orion  ging  zu  Metou's  Zeit  über  dem 
Horizont  Athens  in  der  Morgendämmerung  auf,  wenn 
sich  die  Sonne  im  neunten  Grade  des  Krebses  befand« 
Der  Frühaufgang  desselben  war   also  yermuthlich  die 


gegen  Mittag  gekehrten  Mauer,  durch  die  ein  Sonnenstrahl  auf 
eine  senkrecht  darunter  gezogene  Mittagslinie  geleitet  wuitie,  und 
Meton^s  ganze  Beobachtung  des  Somraersolstitii  ging  nur  dar- 
auf hinaus,  den  Tag  ausfindig  zu  machen,  an  welchem  das  Son- 
nenbild der  Mauer  am  nächsten  kam.  Sollte  nicht  schon-  Od, 
0,  403  etwas  ähnliches  angedeutet  sein?  Es  konnte  sich  ja  auf 
der  Insel  Syiia  oder  Syros  (einer  der  Gjcladcn)  zufällig  eine  üefe 
Oefibung  in  einem  Felsen  finden,  durch  die  gerade  am  Mittage 
des  längsten  Tages  ein  Sonnenstrahl  in  eine  Höhle  fiel. 


328  Technische  Chronologie. 

erste  Encfaeinung ,  die  er,  ^on  der  Sommerwende  aus- 
gehend,  in   sein  Parapegma  eingetragen  hatte*     Unter 
larxeLTov   'QpCwfoL   vei*stche   ich   den  Stern  x   am   rechten 
Knie,    der  unter   allen  dieses   Bildes   zuletzt  aufging, 
und  zwar,  wenn  die  Sonne  im  neunzehnten  Grade  des 
Krehses  war.     Da  nun,  wie  gleich  erhellen  wird,    das 
erste  Jahr  des  ersten,  mithin  auch  des  zweiten  Cjclus 
beinahe   drei  Wochen    nach   der  Sommerwende  seinen 
Anfang  nahm,   so  muts  der  Frühaufgang  dieses  Sterns 
die  letzte  im  neunzehnten  Jahr  bemerkte  Erscheinung 
gewesen  sein.     Besonders  wichtig  war  den  Griechen  der 
Frühaufgang  des  Sirius,    der    ihnen   den    Anfang   der 
oinipa  oder  der  heifsesten  Jahrszeit  bezeichnete.     Dieser 
erfolgte   nach  meiner  Bei^echnung   fiir  Meton's  Zeit 
und  Horizont  im  2Ssten,  nach  seiner  eigenen  uns  von 
Geminus  aufbewahrten  Bestimmung  aber  im  25sten 
Grade  des  Krebses,    also  zwischen  dem   siebenten  und 
zehnten  Tage   des  Hekatombäon   im  ersten  Jahre  des 
Cyclus.    Um  also  noch  diese  Erscheinung  mitzunehmen, 
wird  er  ein  paar  Tage  über  das  neunzehnte  Jahr  hiu-> 
ausgegangen  sein,  so  dafs  sein  Parapegma  einige  Wochen 
vor  dem  ersten  Jahr  anhob  und  einige  Tage  nach  dem 
Schlüsse  des  letzten  endigte. 

Um  die  Epoche  des  Cyclus  zu  erhalten,  kommt 
es  darauf  an,  auszumitteln,  auf  welches  Datum  des  ju- 
lianischen Kalenders  er  den  ersten  Neumond  nach  der 
Sommerwende  im  Jahr  432  v.  Chr*  gesetzt  hat.  Nach  den 
delambreschen  Sonnen-  und  mayer-masonschen  Mond* 
tafeln  finde  ich,  dafs  der  wahre  Neumond  zu  Athen 
am  15.  Julius  Abends  um  7U.  15'  m.  Z.  gerade  beim 
Untergange  der  Sonne  eingetreten  ist.  Ungefähr  auf 
dasselbe  Resulut  mufs  Meton^gekommen  sein.    Wir 


Griechen.  329 

^wissen  zwar  nicht  genau,  wie  er  gerechnet  hat.  Sein 
Verfahren  kann  aber  in  Ermangelung  astronomischer 
Tafeln,  die  Hipparch,  der  Schöpfer  der  wissenschaft- 
lichen Astronomie ,  zuerst  construirt  hat ,  !nicht  wohl 
ein  anderes  gewesen  sein,  als  dafs  er,  von  irgend  einer 
Mondfinsternifs  ausgehend,  mit  der  mittleren  Dauer  des 
synodischen  Monats  von  einem  Syzygium  zum  andern 
fortrechnele.  Sehr  gelegen  dazu  kam  ihm  die  totale 
Mondfinstemifs,  die  sich  in  demselben  Jahr  am  4.  März 
ereignete.  Ihr  Mittel  traf  nach  obigen  Tafeln  unter 
dem  Meridian  Athens  um  10  U.  12'  Abends  m.  Z.  ein. 
Rechnet  man  von  hier  aus  mit  der  Dauer  des  syno- 
dischen Monats,  wie  sie  sich  aus  dem  Cyclus  selbst  zu 
29 Tagen  12 St.  46'  ergibt,  weiter,  so  erhält  man  eine 
Conjunction  am  15.  Julius  um  7  U.  39'  Abends,  kaum 
eine  halbe  Stunde  spater,  als  auf  dem  geraden  Wege. 

S  c  a  I  i  g  e  r  macht  gleich  den  Abend  des  fünf- 
zehnten Julius  zur  Epoche  des  Cyclus.  Da  aber  die 
Mondsichel,  mit  deren  ersten  Ercheinung  in  der  Abend- 
dämmerung die  gi'iechischen  Monate  beginnen  sollten, 
nicht  vor  dem  16.  Julius  gesehen  werden  konnte,  so 
nehme  ich  keinen  Anstand ,  dem  P  ^  t  a  v  i  u  s  und 
D  od  well  beizupflichten,  die  den  Anfang  des  Cyclus 
auf  den  Abend  des  16.  Julius  des  Jahrs  432  v.Chr. 
setzen.  Traf  aber  die  yaujutjvut  des  Hekatombäon  auf 
den  16.  Julius  und  entsprach  der  vom  D  i  od or  er- 
wähnte 13.  Skirophorion  dem  27.  Junius^  so  wich  die 
bürgerliche  Zeitrechnung,  die  Meion  vorfand,  höch- 
stens um  zwei  Tage  vom  Himmel  ab. 

Wir  kommen  nun  zum  zweiten  Punkt  der  gegen- 
wärtigen Untersuchung,  zu  der  Frage,  welche  Jahre 
des  metonschen  Cyclus  aus  dreizehn  Monaten  bestanden 


330  Techwehe  Chronologie. 

haben.  .Geminus,  der  einzige  Schriftsteller ,  der  mit 
einiger  Ausfülirlichkeit  von  demselben  handelt,  lafst 
uns  hierüber  im  Dunkeln. 

Seal  ig  er  glaubt  die  Schaltmonate  so  ordnen  zu 
müssen,  dafs  der  1.  Hekatombäon  nie  über  die  Som- 
merwende sorückwicb  ^),  und  macht  diesem  Princip  ge- 
mäfs  gleich  das  zweite  Jahr  zu  einem  Schaltjahr«  Es 
ist  aber  oben  (293)  gezeigt  worden ,  dals  die  Nothwen- 
digkeit  dieser  Bedingung  nichts  weniger  ab  begründet 
SU  betrachten  ist. 

Petavius  ')  niomit  die  Jahre  3,  6,  8,  11,  14,  17 
und  19  (ur  Schaltjahre,  wie  es  acheint  aus  keinem  an- 
dern Grunde,  als  weil  in  dem  Schal tcirkel  der  Juden, 
der  höchst  wahrscheinlich  von  dem  metonschen  ent- 
lehnt ist,  eben  diese  Jahre  Schaltjahre  sind.  Seine 
Hypothese  wird  aber  durch  eine  Stelle  der  Almagest 
widerlegt^).  Ptolemäi^s  führt  nämlich  eine  unter 
dem  Archon  Euandrus  im  erstem  Poseideon  zu  Babjlon 
beobachtete  Mondfinslemifs  an,  die  sich  nach  dem  bei- 
gesetzten ägyptischen  Datum  in  der  Nackt  vom  12  zum 
13.  Deoember  des  Jahrs  3S2  v.Chr.  ereignet  hat.  Es 
war  dies  das  dreizehnte  Jahr  des  metonschen  Cy- 
dus,  das  wir  also  au  den  Schaltjahren  zahlen  müssen. 
P e  tay  i  u  s  leugnet  zwar  den  bürgerlichen  Gebrauch  des- 
selben ,  und  meint ,  dafs  sich  die  Beobachtung  auf  die 
Octaeleris  beziehe.  Ich  hoffe  aber,  da&  nach  dem,  was 
ich  (318)  hierüber  gesagt  habe,  diese  Einwendung  von 
keinem  Gewicht  weiter  sein  werde.     Und  wenn  auch 


*)     Canon  Isag.  in,  p.235. 
»)    Doctr.  temp.  U,  13. 
')    IV,  10,  p.278. 


Grieghbn.  331 

MTirkllcli  der  neunzehnjährige  Cycl«s  nicht  in  Athen 
eingeführt  gewesen  wSre,  so  würde  ich  mich  doch  nie 
übeiTeugen  können,  dafs  der  griechische  Astronom,  der 
jene  Beobachtung  von  den  Cbal^äern  entlehnte,  zu  ih-» 
rer  Beduction  auf  eine  seinen  Landsleuten  geläufige 
Zeitrechnung  lieber  den  schwankenden  aditjäbrigen  Cy* 
eins,  als  den  ungleich  zuverlässigem  neunzehnjährigen 
gebraucht  habe. 

Da  Meton  bei  der  Bestimmung  der  Schaltjahre 
durch  keine  Rücksicht  weiter  beschränkt  wurde,  als  die, 
dafs  der  Anfang  des  Jahrs  in  der  Mähe  der  Sommer- 
wende zu  erhalten  war,  so  ist  es  ungemein  wahrschein* 
lieh,  dafs  er  in  den  beiden  ersten  achtjährigen  Zeit- 
räumen seines  Cjclus  eben  die  Jahve  wählte,  an  die 
sich  die  Athener  bei  ihrer  Octaeteris  gewöhnt  hatten,^ 
das  dritte,  fünfte,  achte,  elfte,  dreizehnte  und  sech- 
zehnte, und  dals  er  den  ganzen  Gyclus  mit  einem  Schalt- 
jahr beschlofs*  Ich  iünde  daher  kein  Bedenken',  diese 
Voraussetzung  mit  Dodwell  ^)  iiir  die  richtige  zu  hal- 
ten, zumahl  da  sich  die  an  attische  Monate  geknüpften 
Beobachtungen  beim  Ptolemäus,  wie  unten  erhellen 
wird,   ganz  ungezwungen  in  sie  fügen. 

Es  ist  nun  noch  übrig,  drittens  das  Princip  zu  eiv 
forschen,  nach  welchem  Meton  die  vollen*  und  hohlen 
Monate  hat  wechseln  lassen.  Nachdem  Geminus  ander 
bereits  oben  (298)  citirten  Stelle  gesagt  hat,  dafs  110  Mo* 
nate  hohl  zu  nehmen  waren,  fährt  er  nach  einer 
wörtlichen  Uebersetzung  also  fort:  ,,und  damit  die 
,, auszumerzenden  Tage  möglichst  gleichförmig  vertheilt 
„weixlen,  dividirten  sie  6940  durch  HO,  was  63  gibt. 


*;    De  Oyclis  I,  33  und  34. 


332  Technische  Chronologie. 

,,E8  mafi  mitliin  in  dieser  Periode  zwischen  je  63  Ta- 
igen einer  weggelassen  werden.  Nicht  also  etwa  der 
y, letzte  Monatstag,  sondern  der  zwischen  je  63  Ta- 
,,gen  fallende  —  ij  dta  tguv  |y'  r[tx^p(u}f  rnTTrova-a —  wird 
,,der  auszumerzende  —  i^oupinfjiog  —  genannt.  In 
y,  dieser  Periode  scheinen  die  Monate  yorti-efDich  be- 
,,  stimmt  und  die  Schaltmonale  den  Erscheinungen  des 
,, Mondes  gemäfs  geordnet  zu  sein." 

Dodweli  nimmt  diese  Worte  so,  dafs  er  vom  An- 
fange des  Cyclus  an  jeden  63sten  Tag,  also,  die  Monate 
zu  30  Tagen  gerechnet,  den  dritten  Tag  des  dritten,  den 
sechsten  Tag  des  fünften,  den  neunten  Tag  des  sieben- 
ten, den  zwölften  Tag  des  neunten  Monats  u.s.w.  zum 
l^aipia-ifxcg  macht.  Nach  ihm  haben  also  die  Athener 
beim  Gebrauch  des  melonschen  Cyclus  im  ersten  Jahr 
keinen  dritten  Boedromion,  keinen  sechsten  Mämakte- 
rion,  keinen  neunten  Gamelion,  keinen  zwölften  Ela- 
phebolion,  keinen  fünfzehnten  Thargelion,  im  zweiten 
keinen  achtzehnten  Hekatombaon  u.s.w.  gezSliit.  £r 
glaubt  fei*ner,  Callippus  habe  bei  seiner  "Verbesserung 
des  Cyclus  die  Constructionsmethode  in  so  fem  geän- 
dert, dafs  er  zwar  die  Oidnung  der  hohlen  Monate 
auf  dieselbe  Weise  bestimmt,  aber  zum  l^aipia-ifjiog  eben 
so,  wie  es  früherhin  in  der  Octaeteris  geschehen,  durch- 
gehends  die  dsvripa  ift^iyovrog  oder  den  vorletzten  Mo- 
natslag  gemacht  habe,  so  dafs  dieser  Tag  in  den  hohlen 
Monaten  nie  gezählt  worden  sei. 

Corsini  kann  nicht  begreifen*),  warum  Dodweli 
den  Callippus  in  diesem  Punkt  vom  MetH>n  habe 
abgehen  lassen.    Offenbar  um  die  Notiz  beim  Proclus 

*)    F.  A.  n,  17. 


Griechen.  333 

in  Ehren  zu  halten,  nach  der  die  Athener  in  den 
hohlen  Monaten  die  ievripa  ^^'ivovro^  ausgemerzt  haben 
sollen.  Es  ist  aber  obeu(2S4)  gezeigt  worden,  dafs  sie 
keine  Beiücksicbtigung  yerdient«  Die  Meinung  des 
Petayius,  dafs  man  den  21sten  Tag  in  den  vollen 
Monaten  dExarrjv  und  in  den  hohlen  lyyarrjy  ^^^ivoirro^ 
genannt  habe,  bleibt  immer  noch  bei  weitem  die  wahr- 
scheinlichste, und  man  kann  sich  von  ihrer  Hichtigkeit 
überzeugt  hallen,  bis  eine  enlscheidendere  Stelle  gegen 
sie  beigebracht  und  irgend  eine  andere  Hypothese  über 
die  Zählungs weise  der  Tage  in  den  hohlen  Monaten  au& 
gestellt  sein  wird,  bei  der  sich  nicht  ähnliche  Schwie- 
rigkeiten, wie  bei  allen  bisherigen,  ei^eben. 

Hiemach  kann  ich  nun  auch  Dodwell's  Ansicht 
von  der  Yertheilung  der  exemptilen  Tage  im  metonschen 
Cyclus  nicht  zui*  meinigen  machen.  Diux;h  die  Worte 
des  Gern  in  US:  dt'  i^fxspwv  ipoL  ^y'  l^cupi<n\iQV  ttJv  i^fjtipay 
aysiv  ist  wird  sie  nicht  nothwendig  bedingt;  denn  sie 
scheinen  nur  den  Monat,  auf  den  der  i^cup(<nnog  trifil, 
nicht  aber  seine  Stelle  in  demselben  bezeichnen  zu  sol« 
len,  wie  sie  auch  Dodwell  selbst  bei  der  callippischen 
Periode  nimmt.  Es  fragt  sich  aber,  was  6l  i^ixspCSv  ^y* 
eigentlich  bedeute.  Wiixl  damit  jeder  63ste  Tag  der 
Periode  vom  Anfange  hinein,  oder  jeder  64ste  gemeint, 
mit  andern  Wor.ten,  soll  das  Intervall  zwischen  je  zwei 
auf  .einander  folgenden  exemptilen  Tagen  62  oder  63 
sein?  Die  Präposition  dta  erlaubt  wol  nur  die  letzte 
Erklärung,  so  wie  auch  die  Sache  selbst.  Es  kam  näm- 
lich darauf  an,  die  hohlen  Monate  so  zu  vertheilen, 
dais  die  Zusammenkunft  des  Mondes  mit  der  Sonne 
den  ganzen  Cyclus  hindurch  auf  der  l)n\  xod  via-  fixirt 
blieb.     Meton  sah,  dais  er  für  den  Cyclus  7050  Tage, 


334  Technische  Chronologie. 

110  zu  viel,  erbiell,  wenn  er  4ie  Monate  durchgängig 
vdl  rechnete,  dafs  er  also  eben  so  Tiele  Monate  hohl 
nehmen  müsse.  Um  nun  diese  möglichst  gleichförmig 
tu  vertheilen,  begriff  er  leicht,  dais  er,  da  HO  von 
7050  nahe  der  64ste  Theil  ist,  unter  je  52  Monaten, 
die,  Toll  gerechnet,  960  Tage  hielten,  15  exemptil  neh- 
men müsse.  Merzte  er  dagegen  jeden  6Jsten  Tag  aus, 
so  kam  er  mit  den  110  hohlen  Monaten  a^a  schnell  zu 
Ende,  und  der  Cyclus  wich  gegen  den  Schlufs  um  drei 
Tage  vom  Himmel  ab,  die  nur  daduixsh  wieder  einge- 
bracht werden  Lonoten,  dafs  sechs  volle  Monate  auS» 
einander  folgten,  wie  dies  Dodwell's  Entwurf  zeigt. 
In  diesem  Falle  wüi^e  aber  das  Lob  der  genauen  lieber- 
einstimmung  mit  dem  Himmel,  das  Geminus  dem 
metonschen  Cyclus  ertbeilt,  schlecht  begründet  gewesen 
sein.  Es  mufs  sich  daher  in  seine  Woi*te  ein  Fehler  ein- 
geschlichen haben,  nicht  durch  seine  Schuld,  sondern 
durch  die  eines  Abschreibers,  der  ihn  en  verbessern 
glaubte,  nämlich  statt:  sie  dividirlen  6940  durch  110, 
was  63  gibt,  mufs  es  heifsen:  sie  dividirten  7050 
durch  HO,  was  64  gibt;  denn  wegen  des  di  ijfjtspoov 
^/  schien  der  Quotient  64  in  63  vei*wandelt  werden 
lu  müssen,  und  war  erst  diese  Aendeioing  geschehen, 
so  folgte  die  des  Dividendus  7050  leicht  nach,  indem 
daiiir  die  kurz  zuvor  genannte  Tagzahl  des  Cyclus  6940 
gesetzt  wui'de,  die  dem  Quotienten  63  besser  zusagte. 

Nach  den  bisher  entwickelten  Gründen  habe  ich 
nun  den  metonschen  Kanon  in  der  ersten  diesem  Ab- 
schnitt beigefugten  Tafel  entworfen,  die  ihn  unab- 
hängig von  jeder  andern  Zeitrechnung  in  sich  selbst  ab» 
geschlossen  darstellt.  Ich  habe  ihn  mit  zwei  vollen 
Monaten  angefangen,  weil  kein  Grund  vorhanden  ist, 


Griechen.  336 

gleich  den  zweiten  Monat  exemptil  zn  machen,  und 
dann  die  hohlen  Monate  mit  den  vollen  wechseln  las- 
sen, doch  so,  dafs  nach  achtmahiigem  Wechsel  zwei 
volle  Monate  auf  einander  folgten ,  weil  auf  je  32  Mo- 
nate 17  volle  kommen  mufstea. 

Um  den  Kanon  an  den  julianischen  Kalender  zu 
knüpfen,  darf  man  nur  den  Epochen  tag  des  ersten  me- 
tonschen  Cyclus  kennen,  und  wissen,  welche  unter  den 
Jahren  v.Chr.  einen  29.Fehniar  haben.  Als  Epochen* 
tag  ist  oben  (329)  der  16.  Julius 432  v.Chr.  ausgemittelt 
worden,  und  die  Kegel  für  die  julianischen  Schaltjahre 
findet  sich  oben  (74)  aufgestellt.  So  hat  sich  die  zweite 
Tafel  ergeben.  Sie  ist  durch  acht  Cykel  oder  einen 
Zeitraum  von  152  Jahren  fortgeführt  worden.  Jeder 
Cyclus  zerfällt  in  vier  Spalten,  von  denen  die  erste  die 
Jahre  desselben  (die  Schaltjahre  sind  mit  B.  bezeichnet), 
die  zweite  die  Olympiadenjahre,  die  dritte  die  Jahre 
V.Chr.  (die  Schaltjahre  sind  durch  b.  angedeutet)  und 
die  vierte  das  julianische  Datum  des  1 .  Hekatombaon 
angibt.  Dals  dieses  Datum  nicht  mit  jedem  Cyclus 
ohne  alle  Aenderung  wiederkehrt,  hat  seinen  Grund 
theils  darin,  dafs  die  vierjährige  julianische  Schaltpe- 
riode dem  neunzehnjährigen  Cyclus  ineommensurabel 
ist,  theils  darin,  dafs  das  metonsche  Sonnenjahr  18' 57' 
mehr  hält,  als  das  julianische,  wie  sich  leicht  ergibt, 
wenn  man  6940  Tage,  die  Dauer  des  Cyclus,  durch  19 
dividirt.  Die  Yergleichnng  weiter  als  bis  zum  Schlüsse 
des  achten  Cyclus  anzustellen,  war  unnöthig,  weil  es 
nicht  wahrscheinlich  ist,  dafs  die  metonsche  Zeilrech- 
nung, wenn  sie  noch  länger  zu  Athen  bestand,  ohne 
Verbesserung  gebraucht  worden  ist;  denn  da  der  Cy* 
dus   in  Ansehung    des  Mondes  um  sieben  und  eine 


336  Technische  Chronologie. 

lialbe  Stunde  zu  lang  ist,  so  gibt  er  pach  aditmaliger 
Wiederhohlung  die  Mondviertel  bereits  um  zwei  Tage 
zu  spät,   welchem  auflallenden  Fehler  durch  Verwand- 
lung zweier  vollen  Monate  in  hohle  begegnet  werden 
mufste.     Die  Yergleichung  läfst  sich  übrigens  mit  Hülfe 
der  ersten  Tafel  leicht  fortsetzen,  so  wie  sich  vermittelst 
derselben  auch  die  Data  des  Anfangs  der  übrigen  Mo- 
nate leicht  ergeben.     Nur  mufs  man  nicht  yergessen^ 
dafs  die  metonschen  Jahre  zugleich  mit  denen  der  Olyrnr- 
piaden  um  die  Sommerwende,  und  die  bürgerlichen  Tage 
der  Athener  mit  Sonnenuntergang  anfingen.   Wenn  alao 
von  den  nach  dem  1.  Januar  eintretenden  Monaten  des 
attischen  Jahi^   die  Rede  ist,   so  gehören   sie  nicht  in 
das  nebenst»tieode  Jahr  v.  Chr. ,   sondern   in   das  fol- 
gende, und  wenn  sich  eiue  Begebenheit  am  Tage  zuge- 
tragen haben  soll,  so  ist  nicht  das  julianische  Datum  zu 
nehmen,   das  nach  der  Tafel  dem  attischen  entspricht, 
sondern  ebenfalls  das  folgende. 

Um  die  Keduction  eines  attischen  Datums  auf  das 
julianische  durch  ein  Beispiel  zu  erläutern,  so  sei  der 
7.  Thargelion  Ol  87,3,  der  GeburtsUg  Plalo's  ^),  ge- 
geben. Man  sieht  zuvöi'derst  aus  der  zweiten  Tafel, 
dafs  dieses  Jahr  das  dritte  des  ei*sten  Cyclus  ist  und 
mit  dem  25.  Junius  des  Jahrs  430  v.  Chr.  angefan- 
gen hat.  Mit  Hülfe  der  ersten  Tafel  finden  sich 
nun  leicht  folgende  julianische  Data  für  die  begin- 
nenden einzelnen  Monate  vom  Hekatombäon  bis  zum 
Thargelion : 


*)  Das  Datum  iSndet  sich  beim  Plutarch  (Sympos,  YDI,  i) 
und  Diog.  Laertius  (IQ,  2),  und  das  Jahr  beim  Athenäus 
CDeipn.  lY,  p.2i7J. 


Griechen.  337 

Hekatombäon  25.  Jim.  430  y.  Chr. 
Metageitnion  25.Jal.  - 
Bo^'dromion  23. Aug.  - 
Pjanepsion  22. Sept.  - 
Mämakteriön  21. Okt.  - 
Poseideon  I  20.  Nov.  - 
P.oseideon  II  19.Dec.  - 
Gamelion  18. Jan.  429 

Anthesterion    IS.Febr.   - 
ElapheboIioQ     17.  März    - 
Munychion       16.  April    -      .     - 
Thargelion        15. Mai      -  - 

Der  7-.ThargeKon  nijmn(.  also  am  211  Mai  seinen  An«- 
fang,  von  welchem  ihm  aber  nur  ii^enige  Stunden  aü- 
gehöi^n.  Plato  ist  mithin  entweder  in  der  Nacht  yom 
21  ,zum  22.  Mai  oder  am  Tage  des  22.  Mais  429  y.  Chr. 
.geboten. 

Wenn  das  Datum  blofs  an  die  Piytanie ,  nicht  zu- 
gleich an  den  Mona(  geknüpft  ist,  wie  in  der  Haupt- 
Inschrift  des  choiseulschen  Marmors  (290),  sq  myfs  man 
erst  die  Anfangstage  dcpr .  Pi^taniän  im  atuschen  Kaien- 
.der  besümmen.  Ol.  93,3  pdei?  im  yicrieA  Jahr  des 
zweiten  metonschen  Cjtclus ;  auf  yrelches  sich  diese  In- 
schrift bezieht,  sind  die  Platanen. der  einzelnen  Slämme, 
.deren  Ordnung  9chon  qben  bemerkt  worden,  an  folgen- 
den Tagen  in  Funclion  getreten: 

1)  Die  Aeantis  am   1 .  Hekatombäon  oder  l4.Jttl. 

410  v.Chr. 
,2>  Die  Aegeis  am  6.  Metageitnion  oder  18.  August. 
3)  Die  Oeneis  am.  12.  Boedromion  oder  22.  Sep- 
tember.. !•.:.'     .'>  • 


338  Technische  Chronologie. 

4)  Die  Acamantis  am  17. Pyanepsion  oder  27. Ok- 

tober. 

5)  Die  Cecropis  am  23.  Mämakterion  oder  l.De- 

oember. 

6)  Die  Leontis  am  28.  Poseideon  oder  5.  Jannar 

409  v.Chr. 

7)  DieAntiochis  am  4. Anthesterion  oder 9. Februar. 

8)  Die  Hippothontis  am   11.  ElapkdboKon   oder 

16.  März. 

9)  DieErechlbeisam  l7.Münycliioiioder21.  April. 
10)  Die  Pandionis  am  24*Thargelion  oder  27.1/Iai. 

Ist  nun  z.  B.  vom  dritten  Tage  der  sechsten  Prytanie 
die  Rede,  so  ist  dies  der  1.  Gataielion  oder  7.  Jantiar 
des  Jahrs  409  v.Chr. 

Wenn,    wie  es  hier  angenommen  wird,   der  me- 
tonsche  Cydus  zu  Athen  im  Gebrauch  gewesen  ist,  so 
müsssen  sich  drei  in  der  99sten  Olympiade  zu  Babylon 
angestellte,  an  attische  Monate  geknüpfte  BeoJbachtungen 
von  Mondfinsternissen,  die  wir  im  Almagest  erwähnt 
finden ,    und  deren  schon  obenf  (222)  gedacht  worden, 
dtut^h  ihn  darstellen  lassen.    Die  erste  wird  unter  dem 
Aichon  Phanostratus  in  den  Poseideon,  die  zweite  un- 
ter demselben  Archon  in  den  Skirophorion ,    die  drille 
unter  dem  Archon  Euändrus  in  den  erstem  Poseideon 
geseut.      Nach  den  beigefügten  Bgyptisehen  Datis  uihI 
Jahren  der  nabonassariscben  Acre  ist  die  erste  am  Mor- 
gen des  23.  Decembers  383 ,   die  zweite  am  Abend  des 
18.  Junius  382,    und  die  drittö  in  der  Nacht  vom  12 
zum    13.  Deoember  desselben  Jahrs  v.  Chr.  angestellt 
^worden.      Im  Sommer  383  nahtli  Öl.  99,2  oder  das 
zwölfte  Jahr  des  dritten   metonschen  Cydus  den  An- 
fimg,  wo  richtig  Phanostratus  Archon  war.     Nach  Ta- 


GaTECHBN.  339 

fein  verglichen  mit  Tafel I  entspricht  der  Morgen  des 
23.  Deoembers  383  dem  13.  Poseideon  und  der  Abend 
des  18«  Junius  382  dem  13.  Skirophorion«  Im  Sommer 
382  begann  OL  99,3  oder  das  dreizehnte  Jahr  des  drit- 
ten metonschen  Cydus,  wo  Euandrus  Archon  war,  und 
es  findet  sich,  dafs  die  Nacht  Vom  12  bis  zum  13.  De- 
oember  382  dem  13ten  des  erstem  Poseideon  angehört. 
Man  sieht  also,  dafs  sich  alle  drei  Mondfinsternisse  an 
den  I3ien  Tagen  der  attischen  Monate  ereignet  haben. 
Wenn  diese  mit  dem!  Himmel  vollkommen  ubereingje- 
stimmt  hätten,  so  würden  sie  an  den  14ten  Tagen  ha* 
ben  eintreffen  müssen.  Man  sieht,  die  Abweichung 
betrug,  damals  schon  einen  Tag,  was  der  Sache,  ajtjucb 
ganz  angemessen  ist  (335);  diese  drei  Beobachtungen 
fiigen  sich  mithin  sehr  gut  in  unsere  Darstellung  des 
metonschen  Cjdus. 

Es  verdient  hier  noch  der  Umstand  bemerkt  zu 
werden,  dals  der  Astronom,  der  diese  chaldäischen 
Beobachtungen  den  Griechen  mittheille,  sich  begnügte, 
die  Monate  der  Finsternisse  zu  nennen,  ohne  das  Da- 
tum hinzuzufügen ;  denn  die  Griechen  wuisten ,  dals 
sich  eine  Mondfinstemiis  nur  in  der  Mitte  des  Monats 
ereignen  könne,  wenn  anders  der  Monat,  wie  er  es. 
sollte,  mit  den  Phasen  übereinstimmle.  „Ein  Beweis, 
,,sagt  Geminus  ^),  dafe  die  Monatstage  richtig  nach 
,,dem  Monde  gezahlt  werden,  ist,  dafs  die  Sonnenfin-. 
„stemisse  am  letzten  Tage  des  Monats,  wo  die 
,,Conjunction  erfolgt  — vfj  rpiaxd^L'  rort  yoLp  avyo^ 
,,<^£VEi  17  a^Xrivri  t(^  t;Xu£) —  und  die  Mondfinsternisse  in 
,,der  Nacht  vor  der  Mitte  des  Monats  —  wktI 


')    Isag.  C.6,  p.i9  ed.  PetaT. 

[22*1 


340  Technisclie  Chtvnohgie. 

„T*]  4>spG6ay\  Big  iix^iir(viaiv  —  eintreffen;  denn  dann  steht 
„der  Mond  der  Sonne  gegenüber  und  tritt  in  den  Eid- 
y,8chatten."  Eben  so  sagt  Plutarch  in  der  Scbrift 
de  facie  in  orbe  lutiae  *):  ^Zn  den  Sonnen-  und 
,, Mondfinsternissen  sind  drei  Körper  erforderlich,  die 
,, Sonne,  der  Mond  und  die  Erde;  die  Sonnenfinster- 
,,nisse  finden  Statt  bei  der  Gonjunction  —  IviTuvc^y  — , 
„die  Mondfinsternisse  h  dixorojüitlf,"  wo  offenbar  iv  &i^ 
Xdjütijvtif  zu  lesen  ist;  denn  dtxorc/io^  ist  der  Mond  im 
ersten  und  letzten  Viertel ').  Es  fragt  sich  aber,  welcher 
Tag  den  Griechen  für  die  dtxo|tx7]vta  galt?  Achilles 
Tatius^)  und  Suidas,  die  beide  in  später  Zeit  leb- 
ten, wo  kein  Mondjahr  mehr  im  Gebrauch  war,  wol- 
len darunter  die  TrivTBxeuiexaTaCay  den  fünfzehnten, 
yerstanden  wissen.  Sie  hätten  Hecht,  wenn  die  Griechen 
den  Anlang  ihres  Monats  auf  die  Gonjunction  gesetzt 
hätten.  Wenn  ihnen  aber  die  vovfxi^via  der  Tag  nach 
der  Gonjunction  war  (279),  so  konnte  die  ^ix^fir^^^  nur 
der  vierzehnte  Monatslag  sein;  daher  auch,  wie  wir 
zu  seiner  Zeit  sehen  weisen,  bei  den  Verhandlungen 
über  die  Osterfeier  in  den  ersten  Jahrhunderten  der 
Christenheit  immer  von  der  quarta  decüna  Uma^  als 
dem  Vollmondstage,  die  Rede  ist. 

Zu  einer  fei*nerweitigen  Prüfung  meines  Entwurfs 
des  metonschen  Gydus  geben  ein  paar  attische  Inschrif- 
ten Anlais.  Die  erste  findet  sich  auf  der  Uückseite  des 
choiseulschen  Marmors  (289) ,   und  betrifll  eben  so  wie 


•)    C.20.    . 

')    Im  Leben  des  Dion  c.23  steht  in  gleichem  Falle  richtig 

*)    Isagoge  in  Arati  Phaen,  c.21. 


Griechen.  341 

die  auf  der  Yorderseite  die  Finanzen  Athens«  In  ihrer 
fragmentarischen  Gestalt  geht  sie  zwar  nur  vom  drei« 
zehnten  bis  zum  sechs  und  dreifsigsten  Tage  der  zwei- 
ten, diesmahl  dem  Stamm  Erechtheis  angehörenden 
Prytanie;  sie  ist  aber  dennoch  für  die  Zeitrechnung 
wichtig,  besonders  defshalb,  weil  die  Tage  der  Prytanie 
durch  gehends  mit  den  entsprechenden  Monatstagen  des 
attischen  Jahrs  yei^lichen  sind.  Das  Datum  des  erst-* 
genannten  Tages  ist  zum  Theil  verblichen,  kann  aber 
nur  durch  dvAarri  (p^iyovrog  M£Tcty€tTyt(3vo$  eilgänzt  werfen. 
Die  Kritik  geht  hierbei  um  so  sicherer,  da  die  Inschrift 
fotxri^oy,  d.i.  so  geschrieben  ist,  dafs  in  den  einzelnen 
Zeilen  genau  Buchstabe  unter  Buchstabe  steht.  Desto 
deutlicher  ist  die  Zusammenstellung  des  siebzehnten 
Tages  der  Prytanie  mit  der  sx-nj  MBrayuTyuvyog  (f^ä'iyovTo^i 
des  zwei  und  zwanzigsten  mit  der  eyrj  koi  yia,  des  drei 
und  zwanzigsten  mit  der  vcn^/utTjvut  Bori^poiuwvoq,  des  vier 
und  zwanzigsten  mit  der  davripoL  und  des  sechs  und 
draifsigsten  mit  der  rsTpoig  Im  dixct  Bo^j^/jojlucövo^.  Aus 
diesem  Fragment  läfst  sich  dreierlei  schliefsen :  1)  das 
Jahr,  auf  welches  sich  die  Inschrift  bezieht,  >Car  ein 
Schaltjahr;  denn  da  der  erste  Tag  der  :2weiten  Pry- 
tanie dem  9.  Metageitnion  entsprochen  haben  muls,  so 
.  hat  die  erste  Pi'yfanie  mehr  als  36  Tage  gezählt.  Wie 
es  in  den  Schaltjahren  mit  den  Prytanien  gehalten 
wurde,  sagt  uns  zwar  niemand;  da  aber  diese  Jahre 
dreifsig  Tage  mehr  hatten,  als  die  Gemeinjahre,  so  wird 
jede  Prytanie  in  denselben  ohne  Zweifel  drei  Tage  mehr 
als  im  Gemeinjahr  gezählt ,  also  aus  38  oder  39  Tagen 
bestanden  haben.  Legen  wii*  nun  dem  Hekatombäon' 
nur  29  Tage  bei,  so  erhalten  wir  für  die  erste  Prytanie 


342  Technische  Chronologie. 

nicht  mebr  als  37  Tage.  Es  mufs  mithin  2)  der  He- 
katomhäon  diei&ig  Tage  gehabt  haben.  3)  Auch  der 
Metageitnion  hat  wegen  der  i&iinri  ^ärlvorco^  dreilsig  Tage 
gehalten.  Wir  haben  demnach  die  Inschrift  in  ein 
Schaltjahr  m  setzen,  das  mit  zwei  vollen  Monaten  an- 
fing. Ein  solches  ist  nach  meinem  Entwurf  Ol.  92,4, 
das  fünfte  des  zweiten  metonschen  Cydus,  das  gleich  auf 
das  Jahr  der  Hauptinschrift  folgt  (289),  und  HrBöckh 
findet  ^),  dals  dieser  Annahme  nichts  widerspricht. 

Die  zweite  Inschrift  findet  sich  bei  Ghandler  '). 
Sie  fibigt  also. an:  'E^i  Ktxo^wpev  apxovro^  hA  tt};  Kcxpo- 
'Trdog  tcTYjg  TFpvrayslagy  TaixrjkifSvog  lydsxarfiy  im)  kcll  tixo^ 
n^g  npirranloL;.  Hier  wird  also  der  26ste  Tag  der  sech- 
sten Prjtanie  mit  dem  ll.Gamelion  verglichen,  und 
«war  Ol.  116,3,  wo  Nicodorus  Archon  war.  Es  ist 
sogleich  klar,  dats  auch  dieses  Jahr  ein  Schaltjahr  ge- 
wesen sein  müsse,  weil  sonst  der  26ste  Tag  der  sechsten 
Prytanle  einem  viel  firühem  Tage  des  attischen  Jahrs 
entsprochen  haben  würde,  und  wirklich  war  Ol.  116,3 
oder*  das  fünfte  Jahr  des  siebenten  metonschen  Cyclus 
nach  meinem  Entwurf  ein  solches.  Da  nun  dieses  Jahr 
mit  zwei  vollen  Monaten  anfangt,  so  würde  man,  wenn 
man  den  fünf  ersten  Prytanien  nur  38  Tage  beilegte, 
mit  dem  26sten  Tage  der  sechsten  nur  bis  zum  9.  6a- 
melion  gelangen.  Es  ist  mithin  klar,  dals  unter  den 
fünf  ersten  Prytanien  zwei  39  Tage  gehalten  haben. 
Ob  damals  das  Loos  eben  so  über  die  Dau^  der  Piy- 


*)    Inscript,  Grflccae  Vol.  I,P.n,  no.i48,  wo  diese  Inschrift 
mitgetheilt  and  erläutert  ist. 

*)    Inscript.  oM.  P.  H,  no.  11,  p.  50. 


Griechen.  343 

tarnen,  wie  über  ihre  Ordnung,  entschied,  oder  ob, 
wie  Hr.  Böckh  glaubt ') ,  im  Schaltjahr  den  acht  er- 
sten Pryta^ien  abwechselnd  38  und  39  Tage  beigelq;t 
wurden,  sei  dahingestellt. 

Nach  Wiederherstellung  der  Democratie  durch 
Demetrius,  den  Sohn  des  Antigonus,  01.118,2, 
kamen  zu  den  zehn  Stämmen  noch  zwei,  Antigoni« 
nnd  Demetrias,  nachmals  Attalis  und  Ptolemais 
genannt'),  -und  nun  blieb  jeder,  wenigstens  im  Gemein« 
jakr>  einen  Monat  am  Ruder  ^).  Auf  die  neue  Einrieb- 
tung  geht  ein  elginscher  Marmor,  der  den  elften  Tag 
der  elften  Prytanie  mit  dem  elften  Tfaai^ion  zusamr 
menstellt  ^).  Wie  der  Schaltmonat  unter  die  zwölf 
Prytanien  yertheilt  wurde,  findet  sich  meines  Wissens 
niigends  gesagt. 

Ich  habe  in  der  zweiten  Tafel  die  metonsche 
Zeitrechnimg  durch  anderthalb  hundert  Jahr  fortge- 
führt, um  auf  jeden  Fall  den  Zeitraum  zu  erschöpfen, 
durch  den  sie  ohne  Rectification  gebraucht  sein  kann. 
Yermuthlich  ist  aber  eine  solche  schon  früher  einge- 
treten. 


')  InscripL  Graecae  Yol.  I,  P.  11,  no.  105,  wo  diese  Inschrift 
^iederhohlt  und  erklärt  ist. 

»)   Poiiux  vm,  9,  iiO. 

')  ^"Efittl  ^J^txa  lykvQVTOy  Wpf  ^uXi)  pijv^c  «puraKs/aif  1;^«.  Ib.  145. 
Auch  im  Etymologicum  magnum  heifst  es :  npvtouftU  dpiBiiog  ^fiu 
pwv'Tpiaxovra,  wenn  nicht  vielleicht,  was  ein  folgender  Ai^dL 
(ffpvreeyic)  wahrscheinlich  macht,  TpiaxoVra  trsrrs  zu  lesen  und  dies 
'ünf  die  ältere  Einrichtung  zu  zidieiiist. 

*)  Inscriptiones  Graecae  Yol.  I,  P.  11,  no.  1 1 1 .  Auch  no.  112, 
H3  und  124  sin^  zu  rergleichen. 


344  Technisclie  Chronologie. 

Callippus  fand,  wie  Geminns  sagt,  dstls 
Meton  das  Sonnen  jähr  um  -^Täg  zu  lang  angenom- 
men habe  (299)«  Er  stellte  demnach  eine  sechs  und 
siebzigjährige  Periode  —  hwcuißdofxriKovTatrrjpi^  — 
auf,  die  sich  blols  dadurch  von  dem  yiermahl  genom- 
menen metonschen  Cyclus  unterschied,  dafs  er  sie  um' 
einen  Tag  kürzer  setzte.  Er  gab  ihr  nämlich  eine  Dauer 
von  27759  Tagen ,  wodurch  er  sie'  nicht  blofs  mit  der 
Sonne,  sondern  auch  mit  dem  Monde  in  bessere  Ueber- 
einstimmung  brachte;  denn  dividirt  man  27759  Tage 
durch  die  inzwischen  eintreffenden  940  Mondwechsel, 
so  erhält  man  für  den  synodischen  Monat  29  T.  12  St. 
44'  254"»  °"*^  22"  zu  viel,  dahingegen  der  aus  dem 
metonschen  Cyclus  gefolgerte  um  1'  54"  zu  lang  ist. 
Die  Dauer  des  zum  Grunde  liegenden  Sonnenjahrs  ist 
wieder  die  bei  der  Oclaeteris  im  Gebrauch  gewesene 
zu  366  i  Tagen  (294). 

Callippus  hatte  aber  den  metonschen  Kanon 
nicht  blofs  zu  verbessern ,  sondern  ihn  auch  zugleich 
aufs  neue  mit  den  Monderscheinungen  in  Ueberein- 
stimmung  zu  bringen. 

Wir  finden  im  Almagest  eine  ganze  Reihe  astro- 
nomischer Beobachtungen  von  Timocharis,  Hipparch 
und  einem  Ungenannten,  die  an  Jahre  der  dm  ersten 
callippischen  Perioden  geknüpft  sind.  Die  meisten  ge- 
ben zum  ersten  Jahr  der  ersten  Periode  Ol.  112,3,  oder 
das  Jahr  330  v.Chr.  Nur  ein  paar  scheinen  ein  anderes 
JEpochenjahr  anzudeuten.  Im  vierten  Buch  des  Alma- 
gie>st  *)  werden  di^i  ^u'  AJe;(andi*ien  beobaditete  Mond- 
finstemisse  angeführt*      Die  erste  ereignete  sich  neck 


')    c.  10,  p.279  ff. 


Griechen.  345 

dem  basler  Text  im  Jahr  52  der  zweiten  Periodcfv  'wo- 
für aber  alle  drei  noch  vorhandene,  von  Hm.  Halma 
verglichene,  Handschriften  richtig  54  lesen.  I)ie  zweite 
wurde  im  5$sten  Jahr  der  zweiten  Periode  oder  200 
V.  Chr.  in  der  Nacht  vom  19  zum  20.  März,  und 
die  dritte  in  demsel})en  55sten  Jahr  und  in  demselben 
V.Chr.  in  der  Nacht  vom  11  zum  12,  September  be- 
obachtet. Hier  gibt  nun  die  zweite  Finsternifs  das 
Jahr  331  v.  Chr.  zum  Epochenjahr  der  callippischen 
Periode.  Es  mufs  aber  ohne  Zweifel  rtS  yd'  et«  statt 
r^  vs'  ET«,  oder  das  54ste  Jahr  statt  des  55sten,  gelesen 
werden,  wie  schon  der  Umstand  beweiset,  dafs  zwei  Fin- 
sternisse, von  denen  sich  die  erste  im  März  und  die 
andere  im  September  ereignete,  nicht  auf  ein  und  das- 
selbe callippische  Jahr  treffen  konnten.  Die  Jahre 
der  callippischen  Periode  nahmen  nämlich  eben  so  wie 
die  der  metonschen  um  die  Sommerwende  ihren  An^ 
fang ;  denn  Ptolemäus  erwähnt  ^ )  die  Beobach tung 
einer  Sommerwende,  die  Aristarch  am  Ende  des 
SOsten  Jahrs  —  t(J)  v'  trei  Xtf/onL—  der  ersten  Periode 
angestellt  hat.  Wenn  es  bei  der  dritten  Finsternifs 
beifst:  in  demselben  55sten  Jahr  — t(^  aurep^  ve' 
ET« —  so  ist  das  aiJTcj)  gewifs  der  Zusatz  eines  Abschrei- 
bers, der  schon  bei  der  zweiten  die  unrichtige  Zahl  ve' 
fand.  Im  fünften  Buch*),  w6  eine  Mondbeobachtung 
des  Hipparch  ei'wähnt  wiixl,  lieset  der  basler  Text 
Tc^  v'mi,  wofür  Hr.  Halma,  wie  es  scheint  ohne  Au- 
torität, T(ü  vß^  ETEt  gesetzt  hat.  ,Es  mufs  aber  ohne  Zwei- 
fel To)   ya^lrtL  heifsen.     Alle  übrige  an  callippische  Pe- 


*)    Afinagest  JU,  2,  p.i63. 
')    C.3,  p.295. 


346  Technische  Chronologe. 

rioden  gereihte  BeobacHtiingen  geben  zum  Epodienjahr 
der  ersten  Periode  richtig  330  v.Chr. 

Soll  der  Epochen  tag  der  ersten  Periode  bestimmt 
werden,  so  ist  die  Frage,  auf  welchen  Tag  um  die  Ge- 
gend der  Sommerwende  des  Jahrs  330  Gallippus  den 
Anfang  des  Hekatombaon  gesetzt  habe.  Es  Isist  ^h 
wol  nicht  bezweifeln,  dafs  er  den  Abend  des  28.  Junios 
gewählt  habe,  weil  sich  nuif  unter  dieser  Yoraussetzung 
vier  durch  Dalk  seiner  Periode  bestimmte  Beobachtun- 
gen im  Almagest  in  sie  fügen,  wie  ich  unten  zeigen 
werde.  Die  wahre  Conjunction  erfolgte  zwar  an  diesem 
Tage  um  3U.  34'Morg.  m.  Z. ,  also  nur  etwas  über 
einen  halben  Tag  vor  Anfang  der  yov/iijyia,  so  dals  die 
Mondsichel  noch  nicht  in  der  Abenddämmerung  sicht- 
bar sein  konnte.  Allein  so  wie  er  an  die  Stelle  der 
scheinbaren  Auf-  und  Unteifjange  der  Sterne,  die 
seine  Yo]^;änger  in  ihren  Parapegmen  zu  bemerken 
pflegten,  die  wahren  oder  die  eigentlichen  G>njuno- 
tionen  und  Oppositionen  gesetzt  hat,  wie  die  Berech- 
nung der  von  Geminus  nach  ihm  angegebenen  Fix- 
fitemerscheinungen  lehrt  ^),  so  scheint  er  aucli  bei  der 
Anknüpfung  seiner  Periode  an  den  Himmel  mehr  die 
Conjunctionen  des  Mondes  als  die  ersten  Phasen  berück- 

')  Wer  diese  Erscheinungen  nicht  hlofs  fiir  Signale  der  Wit- 
terung, sondern  zugleich  für  ihre  Ursache  ansah,  ein  Wahn, 
in  den  man  bald  gerieth  (315),  mufste  natürlich  die  Conjunctio- 
nen und  Oppositionen,  zu  denen  die  Sterne  bei  ihren  wahren 
Auf-  und  Untergängen  mit  der  Sonne  gelangen,  für  wirksamer 
halten ,  als  die  nahen  Zusammenkünfte  und  Gagenscheine  bei  den 
scheinbaren,  und  daher  lieber  jene  als  diese  in  den  Kalender 
bringen  wollen,  zumal  da  die  unmittelbare  Beobachtung  des  Him- 
mels durch  die  geordnete  Zeitrechnung  allmälig  überflüssig  ge- 
macht wurde. 


Gribghbn.  347 

sichUgt  zu  haben.  Für  den  28.  Junins  erklärt  sich 
auch  Scaliger;  Petayius  dagegen  füir  den  29sten, 
und  Dod-well  gar  fiir  den  I.Julius.  Letzteres  Da^ 
tum  ist  aher  durchaus  mcht  zulässig,  weil  es  sonst  der 
Yerbesserong  des  Gallippus  gar  nicht  bedurft  hätte; 
denn  der  verschobene  metonsche  Kanon  gibt  für  den 
l.Hekatombäon  des  Jahrs  330  v.Chr. ,  des  achten  im 
sechsten  Gyclus,  dasselbe  Datum«  Erwägt  man,  dals 
Gallippus  richtiger  den  29.  Junius  als  den  28sten 
zur  Epoche  seiner  Periode  gemacht  haben  würde,  so 
sieht  man,  dafs  der  metonsche  Gydus  sich  eigentlich 
erst  um  zwei  Tage  verschoben  hatte  '). 

In  den  Grundsätzen,  nach  denen  Meton  seinen 
Kanon  construirt  hatte,  scheint  Gallippus  nichts  ge- 
ändert zu  haben  ;  wenigstens  versichert  6  e  m  i  n  u  s 
von  den  Schaltmonaten:    „Er  behielt  die  Ahord- 


*)  Plutarch  berichtet  (vita  Alex.  c.3i^,  dafs  sich  in  der 
elften  Nacht  vor  der  Schlacht  bei  Arbela  eine  Mondfinstemifs 
ereignet  habe.  Nun  finden  wir ,  dafs  im  Jahr  331  y.  Chr. , 
01.112,2^  wo  die  Schlacht  Toi*fiel,  in  der  Nacht  yom  20  zum 
21.  September  eine  Mondfinstemifs  eingetroffen  ist.  Dies  kann 
keine  andere  sein,  als  die  von  ihm  erwähnte.  Das  Datum  dei* 
Schlacht  ist. also  hiemach  mit  grofser  Sicherheit  der  I.Oktober 
331  T.Chr.  Nach  einer  andern  Stelle  (^ita  CamiUi  cid)  hat 
die  Schlacht  am  5.  Boedromion  vom  Ende  Statt  gefunden.  Nach 
dem  melonschen  Cydus  entsprach  der  I.Oktober  01.112,2  dem 
7.  Boedromion  vom  Ende.  Man  scheint  also  das  Datum  nach 
dem  Himmel  rectificii^t  zu  haben,  was  im  gegenwärtigen  Falle 
sehr  leicht  war  ,  da  man  nur  von  jener  Finstenufs  ausgehen 
durfle.  Arrian  (Exp.  Alex,  m,  iS)  setzt  übrigens  die  Schlacht 
einen  Monat  später  in- den  Pyanepsion,  vermuthlich  •  in  Folge  ei- 
nes von  ihm  oder  einem  frühem  Geschichtschreiber  bei  der  Re- 
duction  des  macedonischen  Datums  auf  den  attischen  Kalender 
begangenen  fehlers. 


348  Technische  Chronologie^ 

,,nttng  derselben  bei"  — rf)  raget rufy  IjußoX/jüict'y  ofiöKc>$ 
iXpricruTo.    Es  fragt  sich  aber,  ob  dies  heifsen  solle:  er 
machte  in  den  vier  neunzehnjährigen  Cykeln,   aus  de- 
nen  er  seine   sechs  und  siebzigjährige  Periode  bildete, 
dieselben  Jahre  zu  Schaltjahren,   die  Meton  dazu  ge- 
wählt hatte,  das  dritte,  fünfte,  achte  u.s.w. ,  oder  er 
ordnete   in   seiner  Periode   die  Schaltjahre  so^    wie  sie 
die  metonsche  gegeben  haben  würde,  wenn  er  dieselbe 
nicht   unterbrochen    hätte,     so    dafs    gleich  sein   erstes 
Jahr  ein  Schaltjahr  wurde.     Letztere  Erklärung  nimmt 
Petavius  an,    um  die    gedachten  Tier  Zeilbesüm- 
mungen   beim  Ptolemäus  in   seinen   Entwurf  des 
ealiippischen  Kanons  zu  zwängen,    bei   dem   er  seine 
oben  (330)   als   unrichtig  verwoi*fcne  Folge   der  Schalt- 
jahre zum  Grunde  legt.     Ich  zweifele  aber  nicht,   dafs 
die  erste  Erklärung  die  richtige  ist,   nicht  blofs,   weil 
sich  diese  Zeilbestimmungen  bei  der  von  mir  angenom- 
menen Anoi^dnung  der  Schaltjahre  bequem  in  den  Ka- 
non  fügen,    sondern  weil  sich  auch  Geminus   sonst 
gewifs  anders  ausgedmckt  haben  wüixle. 

Wird  nun  erst  das  dritte  Jahr  der  ealiippischen 
Periode  ein  Schaltjahr,  so  schix^itet  sein  Anfang  bis  zum 
6.  Junius  vor,  also  bis  auf  dt*ei  Wochen  vor  der  Sommer- 
wende, und  die  Jahre  der  76jährigen  Periode  fangen 
häuGger  vor  als  nach  diesem  Zeitpunkt  an.  Hieria 
ist  nichts  Befi-emdendes.  Setzt  doch  Theophrast,  der 
nach  der  ealiippischen  Epoche  schrieb,  den  Hekatom- 
bäon  V7P0  Tau;  rpontL;  (292) ,  was  nichts  anders  heifsen 
kann,  als  dafs  sich  die  Sommerwende  gewöhnlich  in 
ihm  ereignete. 

In  den  ersten  neunzehn  Jahren  stimmt  nach  mei- 
ner Ansicht  der  callippische  Kanon  ganx  mit  dem  me- 


Grieghbn.  349 

tonschen  ubereiii.  Um  ihn  für  die  übrigen  Jahi<e  zu 
entwerfen,  habe  ich  die  beim  metonschen  befolgte  Re- 
gel durch  alle  76  Jahre  folgerichüg  durchgeführt.  So 
ist  die  dritte  Tafel. entstanden. 

Im  metouschen  Cydiis  ändern  sich  die  julianischen 
Data,  mit  denen  die  attischen  Monate  iliren  Anfang 
nehmen,  allmälig  (335) •  In  der  callippischen  Periode 
dagegen,  die  der  jiüianischen  Schaltperiode  commensu- 
rabel  ist ,  kehren  einerlei  Data  immer  Avieder.  Die 
vierte  Tafel,  welche  den  callippischen  Kanon  mit 
dem  julianischen  Kalender  vergleicht,  bleibt  daher  für 
alle  Perioden  unvierändert. 

Um  ein  an  irgend  ein  Jahr  der  ersten  callip- 
pischen Periode  geknüpftes  Datum  auf  unsea*e  Zeiti'ech* 
nung  zu  reduciren,  mufs  man  dieses  Jahr  von  331  ab* 
ziehen,  wo  dann  der  Rest  das  Jahr  v.  Chr.  anzeigt,  in 
welchem  das  callippische  seinen  Anfang  nimmt«  Dann 
sucht  man,  von  dem  in  der  vierten  Tafel  angegebenen 
Datum  des  1.  Hekatombäon  ausgehend,  mit  Hülfe  der 
ersten  und  dritten  die  Data,  mit  denen  die  übrigen 
Monate  anfangen,  bis  zu  dem  in  Rede  stehenden,  >yo 
sich  dann  das  julianische  Datum  ergibt,  dem  das  vorr 
gelegte  attische  entspricht.  Auf  diese  Weise  findet  sich, 
da(s  der  Morgen  des  25.  Poseideon  im  36slen  Jahr,  der 
Abend  des  15.  Elaphebolion  in  demselben  Jahr,  der 
Abend  des  8.  Antheslerion  im  47slen  Jahr  und  der 
Morgen  des  6.  Mämakterion  vom  Ende  im  48sten  Jahr 
der  ersten  callippischen  Periode,  wo  Timocharis  vier 
FiiLSternbedeckungen  zu  Alexandria  beobachtet  bat  ^}, 
dem  21.December  295,  dem  9.  März  294,  dem  29,  Ja- 


*)    Almagest  Vn,  3,  S.21,  23,  24,  26. 


360  Technische  Chromioffe. 

nuar  283  und  dem  9«  November  283  v.  Chr.  angehoieii« 
Eben  diese  DaU  gibt  die  Bfiduction  der  vom  Ptolemaus 
beigeseUten  ägyptisdieii  Monatstage,  ao  dais  sich  diese 
vier  Beobechtungen  vollkommen  in  meinen  Entwurf 
des-  callippischen  Kanons,  und  in  die  Art  und  Weise 
fügen,  wie  ich  ihn  an  den  julianischen  Kalender  ge- 
knüpft habe«  Bei  der  lelziern  Beobachtung  habe  ich 
aber  den  Pyanepsion  des  Almagest  mit  dem  Mä- 
makterion  vertauscht,  weil  ich  mich  überzeugt  halte, 
dafs  der  Pyanepsion  zu  keiner  Zeit  der  fünfte  attische 
Monat  gewesen  ist,  der  allein  gemeint  sein  kann  (218). 

Um  Jahre  der  zweiten,  dritten  oder  einer  noch 
spätem  caUippischen  Periode  auf  unsere  Zeitrechnimg 
zu  reduciren,  muluplidre  man  die  Zahl  der  verflosse- 
nen Perioden  mit  76,  addire  zum  Product  das  Jahr 
der  laufenden  und  ziehe  die  Summe  von  331  ab.  So 
hat  das  32ste  Jahr  der  dritten  Periode,  wo  Hipparch 
die  Friihlingsnachtgleiche  zu  Alezandria  beobachtet  hat  ^), 
im  Sommer  147  V.Chr.  angefangen,  so  dais  die  BeoJbh 
achtung  im  Frühling  146  angestellt  woiden  ist.  Das 
attische  Datum  derselben  ist  nicht  angegeben,  so  wie 
sich  überhaupt  nirgends  ein  attisches  an  die  zweite  oder 
eine  spätere  callippische  Periode  geknüpftes  Datum  er- 
wähnt findet. 

Diese  Periode  wurde  also  von  den  griechischen  Astto- 
nomen gebraucht.  Es  fragt  sich  aber,  ob  sie  auch  in 
den  bürgerlichen  Gebrauch  gekommen  imd  gleich  in 
ihrem  ersten  Jahr  an  die  Stelle  des  metonschen  Gydus 
getreten  ist.  D  o  d  w  e  1 1  halt  sich  hiervon  überzeugt. 
Man  kann  zwar  dagegen  erinnern,  dafs  Call ippus, 


')    Almagest  m,  2,  p.l54. 


Griechbit.  361 

i        aus  Cyncas  gebürtig,  seine  astroiioinischen  Beobaclitiiii* 
i         gen  nach  einer  am  Schluis  des  ptolemäischen  Kalenders 
befindlichen  Notia   am  Hellespont   gemacht   hat  (yer- 
muthlich   in* seiner   Vaterstadt,    die  eigentlich   an  der 
Fropontis  lag)r    also   als  ein   fremder  Privatmann  zu 
Athen  nicht  Einflofs  genug  gehabt  haben  könne,  seiner 
Verbesserung  des  metonschen  Gydüs  ■  gesetzliche  Kraft 
zu    yerschaflen.     Er  stand  aber  nach   Simplieius  ^) 
mil  Aristoteles  in  Utterarischem  Verkehr  undvervoll- 
kommnete  gemeinschaftlich  mit  ihm  die  Erfindungen 
des  Eudoxus.     Da  nun  der  metonsche  Cyclus  im  Jahr 
330  v.Chr.  bereits  um  zwei  Tage  vom  Himmel  abwidi, 
den  Athenerii  also  eine  Verbesserung  desselben  Willkomm 
men  sein  mufste,   so  haben  sie  höchst  wahrscheinlich 
seine  Periode  angenommen,  wenn  auch  nicht  gleich  in 
ihr«m  ersten  Jahr.     Hätten  sie  die  metonsche  Zeitrech- 
nung ohne  Aenderung  beibehalten,   so  würde  dieselbe 
bis   auf  Diodor  bedeutend  vom  Himmel   abgewichen 
sein,   und  dieser  Schriftsteller  hätte  ihr  unmöglich  ein 
solches   Lob   ertheUen   können,    vrie   er   ihr    beigelegt 
hat  (316).     Es  läfst  sich  daher  wol  nicht  bezweifeln^ 
dafs  die  callippische  Periode  zu  Athen  gebraucht  worden 
ist.     Dafs  es  indessen  nicht   gleich  von  ihrem  erst^i 
Jahr  an  geschehen  sein  könne ,   zeigt  die  Inschrift  aus 
OL  116,3,   von  der  oben  (342)  die  Rede  gewesen  ist. 
Vermuthlich  war  Ol.  118,3,  wo  die  wesentliche  Aende- 
rung mit  der  bürgerlichen  Zeitrechnung  vor  sich  ging, 
dafs  nach  Prytanien  und  Monaten  datiren  eins  war  (343), 
der  Zeitpunkt,  da  die  Athener  durch  Annahme  der  cal- 


')    In  Ubi\  11  de  Caelo  p.  120;  «. ; 


352  Technische  Chronologie. 

lippkcben  Periode  ihre  Monate  wieder  mit  dem  Hun- 
mal  in  Uebereinstimmung  brachten. 

Eine  neue  Yerbesserong  erfahr  der  metonsche  Cy- 
dos  durch  den  etwa  200  Jahr  nach  Gallippus  leben- 
den grofsen  Astronomen  Hipparch.    Dieser  £md  durch 
Zusammenstellung   der  von  ihm  beobachteten  Sonnen- 
wenden mit  den  frühern  des  Aristarch  und  den  noch 
frühern  des  Metön  undEuctemon,  daß  Gallippus 
das   tropische  Jahr  noch  zu   lang   angenommen   habe, 
und  zwar,    wie  er  glaubte ,   um  ^Tag.     Nach  seiner 
Bestimmung  hielt  es  also  365  Tage  5  St.  SS'  12".     Er 
hat  nun  vermuthlich    in   seiner  verloren   gegangenen 
Schrift  ntpi  ifxßokifM^  fiTiväv  rs  mu  i^fispSvf  über  die  ein- 
geschalteten Monate   und  Tage,    worin  er  nach 
PtolemäUs  ^)  jene  Wahi^nehmung  niedei*gelegt  halte, 
eine   neue  aus  vier   76jährigen  Perioden  weniger  einen 
Tag,    oder  aus    111035  Tagen   bestehende  Periode   in 
Vorschlag  gebracht,   als  eine  solche,   die  mit  den  Be- 
wegungen  der  Sonne   und   des  Mondes  noch   genauer 
übereinstimmte,   als  die  callippische ;    und  wirklich  ge- 
ben 111035  Tage  duix;h  304  Jahi«  und  3760  Mondwech- 
sel dividirt  zur  Dauer  des  lix>pischen  Jahrs  365  Tage  5  St. 
55'  15^,  und  zur  miltlei^n  Dauer  des  synodischen  Mo- 
nats 29T.  12St.  44'  2J",   fast  eben  das,  was  er  durch 
unmittelbare  Beobachtung  gefunden.     Censorinus 
•nennt  diese  Periode  von  304  Jahi^n  annum  Hipparchi 
(301),    und  bemerkt  ganz  richtig,    dais.  sie  112  Schalt- 
monate hielt.     Gemiaus,    der  später  als  Hipparch 
gelebt  hat  (er  citirt  ihn),   setzt  das  tropische  Jahr  mit 

*)    Almagcat  DI,  2,  pJ63  ff. 


Gribchbn«  363 

Callippus  auf  365|- Tage,  ohne  über  die  Genauigkeit 
dieser  Angabe  die  mindeste  Bedenklicbkeit  am  äufsem, 
und  sagt  von  der  callippischen  Periode,  sie  scheine  un- 
ter allen  am  vollkommensten  mit  dem  Himmel  überein- 
zustimmen (300) .  Hipparch's  Verbesserung  dei*selben 
mufs  also  wenig  oder  gar  nicht  in  Umlauf  gekommen 
sein.  Dafs  diese  Periode  übrigens  nicht  bis  auf  die  spä- 
tei*n  Zeiten  unverändert  beibehalten  sein  könne,  lehrt 
eine  Inschrift  aus  Ol.  208,1,  n.Chr.  53,  die  Hr.  Böckh 
in  seinem'  Corpus  Inscriptionum  no.  267  herau^eben 
wird,  nach  welcher  dieses  Jahr,  das  nach  Callippus 
ein  Schaltjahr  sein  sollte,  ein  Gemeinjahr  ist.  Bei  der 
julianischen  Reform  wurde  das  bei  der  Octaeteris  und 
callippischen  Periode  zum  Giiinde  liegende  Jahr  von 
365|-Tagen,  wahrscheinlich  der  gleichförmigem  Einschal- 
tung wegen,  beibehalten,  obgleich  dem  dabei  zu  Rathe 
gezogenen  aleiandrinischen  Mathematiker  Sosigenes 
Hippai*ch's  genauere  Bestimmung  unmöglich  unbekannt 
sein  konnte,  lieber  das  Epochenjahr  der  hipparchischen 
Periode  würde  sich,  auch  wenn  die  Kunde  davon  wich- 
tig wäre,  nichts  auch  nur  mit  einiger  Wahrscheinlich- 
keit festsetzen  lassen. 

Wie  oben  (314)  gezeigt  worden,  knüpfte  Meton 
an  seinen  Cydus  einen  Kalender.  Dasselbe  haben 
auch  Callippus  und  Hipparch  mit  ihren  Perioden 
gethan.  Es  war  aber  gerade  nicht  noth wendig,  dafs 
jener  seinen  Kalender  auf  alle  76 ,  und  dieser  gar  auf 
alle  304  Jahre  seiner  Periode  stellte.  Für  beide  reichte 
ein  neunzehnjähriger  Kalender  hin,  den  Callippus 
nur  mit  der  Bemerkung,  dafs  einer  der  letzten  Monate 
bei  der  jedesmaligen  vierten  Wiederhohlung  des  neun- 
zehnjährigen Cydus  um  einen  Tag  zu  verkürzen  sei, 
I.  [23] 


364  Technische  Chronologie. 

und  Hipparch  mit  der,  dals  aufserdem  noch  bei  der 
sechzehnten  Wiederhohlung  ein  Tag  weggelassen  wei^ 
den  müsse,  zu  begleiten  hatte.  Für  beide  hatte  also 
der  metonsche  Kalender  unverändert  bleiben  können. 
Callippus  mufs  ihn  aber,  wie  die  Binichstücke  aas 
seinem  Parapegma  beim  Gern  in  us  zeigen,  seinen  An- 
sichten und  Beobachtungen  gemäfs  verändert  haben.  Er 
setzte  an  die  Stelle  der  scheinbaren  Auf-  und  Un- 
tergänge die  wahren,  die  ein  Gegenstand  blofser  Be- 
rechnung sind  (346),  eine  Neuerung,  die  jedoch  im 
Alterthum  wenig  Beifall  gefunden  zu  haben  schein t; 
denn  es  wai^n  nach  Columella  (322)  voi*nehm]icIi 
Meton's  und  Eudoxus'  Parapegmen,  die  sich  in 
Ansehen  erhielten. 

Das  letztei^  ist  vermuthlich  auf  die  Octaeteris  ge- 
gründet gewesen ,  über  die  Eudoxus  geschrieben 
hat  (304).  Plinius,  von  den  Winden  redend,  sagt*): 
Onmium  qaidem  redire  easdem  *vicc$  quadiiennio  ea:- 
acto  Eudoxits  putat,  non  vcntoruni  modo,  "verum  et 
reliquarum  tempeslatum  magna  ex  parte.  Eudoxus 
nahm  also  «einen  vierjährigen  Kreislauf  der  Wit- 
terung an.  Yielleiclit  umfafste  sein  Kalender  auch  nur 
einen  vierjährigen  Zeitraum,  in  welchem  Falle  man 
aber  annehmen  mufs,  dafs  er  ihn,  ohne  Rücksiclit  auf 
die  Mondwechsel,  blofs  an  das  Sonnenjabr  geknüpft 
.  hatte;  denn  eine  vieqährige  Ausgleichung  des  Sonnen- 
und  Mondlaufs  -findet  nicht  Sutt.  Die  Worte,  die 
Plinius  hinzusetzt:  Et  est  principium  lustri  eius  sem- 
per  intercalari  anno  caniculae  ortu,  können  keinen  an- 
dern Sinn  haben  als:    ,, Seine  vierjährige  Periode 

•)    H.  N.  n,  48. 


Gbiechen.  365 

{lustrum  kommt  öfters  In  diesem  Sinne  vor)  ,,nahm  mit 
,,dem  Frühaufgange  des  Hundssterns  *)  ihren  Anfang, 
,,und  zwar  allemahl  in  einem  römischen  Schalljahr." 
Sie  mufste  mithin  aus  vier  julianischen  Jahren  bestehen, 
die  er  auf  eine  ähnliche  Weise,  wie  späterhin  Cäsar, 
geordnet  zu  haben  scheint,  daher  auch  Lucanus  den 
Römer  seinen  Kalender  mit  dem  des  Griechen  ver- 
gleichen lassen  konnte: 

iVec  mens  Eudoxl  vincelur  J'astlbus  annus  '). 

Die  Kenntnisse,  die  er  dabei  benutzte,  verdankte  er 
ohne  Zweifel  seinem  Umgänge  mit  den  ägyptischen 
Priestern  (177),  wie  schon  der  Vorzug  beweiset,  den  er 
bei  Bestimmung  des  Jahranfangs  dem  Frühaufgange  des 
Sirius  einräumte.  Die  Monate  mufs  er,  im  FaU  sie 
wirklich  nach  der  Sonne  abgemessen  waren,  nach  den 
Zeichen  der  Ekliptik  benannt  haben ,  da  es  seiner 
Sprache  an  eigenen  Namen  für  die  Monatä  eines  Son- 
nenjahrs fehlte.  War  im  Parapegma  die  Zahl  der  Tage 
bemerkt,  welche  die  Sonne  in  jedem  Zeichen  zubringt, 
so  durfte  man  nur  durch  eigene  Ansicht  des  Himmels 
den  Tag  ii^end  eines  darin  bemerkten  Auf-  oder  Un- 
terganges auszumitteln  suchen,  um  durch  Weiterzählen 
ohne  alle  fernere  Beobachtung  zu  jeder  andern  Epoche 
zu  gelangen. 

Sein  Kalender  'würde   nicht  der  einzige   gewesen 
sein,    der  eine  solche  Einrichtung  hatte.     Denn  da  in 


^)  Nach  den  Fixsternerscheinungen  des  Ptolemfiut 
setzte  er  diesen  und  zugleich  den  Anfang  der  Ini^a  unter  dem 
Parallel  von  14^ Stunden,  d  i.  unter. der  Polhöhe  seiner  Yaler- 
sladt  Cnidus,  auf  einen  Tag  des  Sonnen jahrs,  der  dem  nachma- 
ligen 5.  Mesori  der  Alexandrina*  oder  29.  Julius  entsprach. 
')    Phars,  X,  187. 


366  Technische  Chronologie. 

Griechenland  nicht  überall  einerlei  Monatsnamen,  Jahr- 
anfänge   und  Schaltmethoden    gebräuchlich   Tiraren,     so 
kamen  die  griechischen  Astronomen  bald  auf  den  Ge- 
danken, ihre  Parapegmen  unmittelbar  an  den  Sonnen- 
lauf zu  reihen.     Wir  finden  im  Almagest^)   sieben 
yermuthlich    zu  Aleiandria    angestellte   Beobachtungen 
des  Merkur,   Mars  und  Jupiter  aus  dem  Zeitraum  von 
272   bis  241    v.Chr.,    welche  an  eine  eigen thümjiche 
Acre  und  an  die  Monate  Tauron,  Didymon,  Leon- 
ton, Parthenon,  Skorpion,  Aigon  und  Hydro n. 
geknüpft  sind.     Diese  Namen  sind,  wie  man  siebt,  aus 
denen  der  Zeichen  der  Ekliptik  gebildet.    Die  fünf  noch 
fehlenden  müssen  Krion,Karkinon,  Chelon,Toxon 
Ichthyon  gelautet  haben.    Hier  sind  alle  zwölf  Namen, 
wie  sie  griechisch  geschrieben  wurden,    nach  der  Folge 
der  Zeichen:    Kptouv,  Tavpwvy  Ai^vjiujyy   Kapxivwvy  Asgv- 
Twy,   HofS'sywv,   Xrjkwv  oder  Zvywv^  XKopiciwVy  Tc^tiv^  Ai- 
yu)v,  'Tipwvy  'Ix^v.     Ptolemäus  fugt  jedesmahl, 
wenn   er  einen  solchen  Monat  nennt,    yard  Aio>wiov, 
nach  Dionysius,   hinzu,  woraus  erhellet,  dafs  diese 
Zeitrechnung  einen   Dionysius   ziim  Urheber  baue, 
von  dem  wir   aber  nichts  Näheres  wissen.     Auch  von 
der  Zeitrechnung  sind  wir  nur  sehr  unvollkommen  un- 
terrichtet.     Nur   so    viel   lehrt   die   Vergleichung   der 
sieben    von   Ptolemäus    angeführten   Data  mit  den 
beigelugten  ägyptischen,  dafs  sie  auf  einer  sehr  unvoll- 
kommenen  Theorie    des  Sonnenlau&    beruhen    mufste. 
Die  Epoche  der  ihr  zum  Grunde  li^enden  Aere  ist  der 
Sonuner  des  Jahrs  285  v.Chr.    Da  nun  mit  dem  2. No- 


«)  l.IX,c.7,p.l68, 169, 170;  c.l0.p.l87;  l.X,  c.9,  p.236; 
l.XI,c.3,  p.263. 


GniEGHBir.  367 

.  vember  desselben  das  40ste  Jahr  der  philippischen  Aere 
beginnt,  das  der  astronomische  Kanon  znm  ersten  des 
PtolemäusPhiladelphus macht (113),  soistUsher's  Mei- 
nung ^)  nicht  ganz  unwahrscheinlich,  dafs  Dionysius 
durch  £infühi*ung  einer  neuen  Jahn^eehnung  das  An- 
denken an  den  Entschlufs  des  Ptolemäus  Lagi,  zu  Gunsten 
seines  Sohns  in  den  Privatstand  zurückzutreten,  auf  die 
Nachwelt  habe  bringen  wollen').  In  meinen  histo- 
rischen Untersuchungen  über  die  astrono- 
mischen Beobachtungen  der  Alten  habe  ich  die- 
ser Zeitrechnung  einen  eigenen  Abschnitt  gewidmet^), 
auf  den  ich  Inich  hier  um  so  eher  beziehen  kann,  da 
sie  siph  aufser  dem  Almagest  nirgends  weiter  erwähnt 
und  gebraucht  findet. 

Von  den  vielen  Kalendern  der  Griechen  sind 
nur  zwei  auf  uns  gekommen.  Der  eine,  zusammenge- 
tragen aus  den  Parapegmen  des  Meton,  Euctemon, 
Eudoxus,  Democritus,  Dositheus  und  Callippus, 


*)     Annales  veteris  et  novi  Testamenti  beim  Jahr  285  v.Chi'. 

^)  Von  dieser  Entsagung  reden  Pausanias  1. 1,  c.6,  Luci&n 
in  Macrobiis  c.  42,  und  am  bestimmtesten  Eusebius  Chronicon 
ed.  Yeneta  Tom.  I,  p.  237.  Hier  heifst  es,  Ptolemäus  Lagi  babe 
siebzehn  Jahr  als  Statthalter  und  drei  und  zwanzig  Jahr  als  Kö- 
nig, zusammen  viei^zig  Jahr  in  Aegypten  regiert,  Ton  welchen 
man  ihm  aber  nur  acht  und  dreifsig  beilege,  da  er  zwei  Jahre  yor 
seinem  Tode  die  Regierung  seinem  Sohn  Philadelphus  überge- 
ben. Da  er  seine  Statthalterschaft  erst  ein  Jahi'  nach  Alexander^s 
Tode  angeti'cten  hatte,  wie  das  Chronicon  zugleich  belichtet, 
so  sieht  man,  dafs  seine  Regierung  bis  zum  Anfange  des  vierzig 
sten  Jahrs  der  philippischen  Aere  gei^ßchnet  wird,  und  dafs  Eu- 
sebius in  diesem  Punkt  mit  dem  asti'onomischen  Kanon  über- 
einstimmt ,  wenn  ei*  ihm  gleich  als  König  drei  Jahr  mehr  beilegt. 

')    S.260ff. 


368  Technische  Chronologie. 

macht  Am  letzte  Kapitel  von  des  Geminus  Eiulei- 
tung  zum  Arattts  aus,  einem  schätzbaren  Lehrbucli 
der  Rosmographie  aus  dem  ersten  Jahrhundert  v.Chr. 
Die  Nachlgleichen,  Sonnenwenden  und  Fiistemersdiei- 
nungen,  mit  einigen  Witlerungsanzeigen  begleitet,  sind 
hier  an  die  Tage  gereiht,  welche  die  Sonne  in  den  yer- 
achiedenen  Zeichen  der  Ekliptik  zubringt,  deren  Namen 
geradezu  die  Stelle  der  Monate  vertreten.  Diese  Tafel 
ist  sehr  schätzbar,  weil  wir  ohne  sie  von  den  Beobacli- 
tungen  jener  Männer  fast  gar  nichts  wissen  würden. 
Um  eine  Idee  von  ihrer  Anordnung  zu  geben,  will  ich 
hier  ihren  Anfang  hei*seUen: 

Den  Krebs  durchläuft  die  Sonne  in  31  Tagen. 
Am  ersten  Tage  fängt  nach   Callippus  der  Krebs 
an  aufzugehen.    Sommerwende.    Ein  meteorolo- 
gisch wichtiger  Tag  (soistdas  WortETi^n^/ucum  zu 
übersetzen.    S.  oben  31 5). 
Am  9tcn  weht  nach  Eudoxus  Stidwind. 
Am  Uten  Fruhaufgang  des  Orion  nach  Eudoxas. 
Am  13len  geht  Orion  nach  Euctemon  völlig  auf. 
Am  16ten  fängt  nach  Dositheus  die  Krone  an,  in 

der  Morgendämmerung  unterzugehen. 
Am  23sten  erscheint  nach  Dositheus  der  Hunds- 
stern in  Aegjpten. 
Am  25sten  Frühaufgang  dieses  Stei*ns  nach  Meton 
u.  s.w. 
Noch  bemerke  ich,  dafs  die  Zahl  der  Tage,  die  Geminus 
der  Sonne  in  den  einzelnen  Zeichen  gibt,  nachHipparch's* 
Theorie  des  Sonnenlaufs  bestimmt  ist  (9 1 ) . 

Von  ganz  anderer  Einrichtung  ist  der  zweite  von 
den  Griechen  auf  uns  gekommene  ILalender,  welcher 
den  Titel  ^ijii^  aTekoLydov  dg-ipwv  xal  avvayuxyij  IfFuniiiamwv^ 


Griechen«  359 

Erscheinungen  der  Fixsterne  und  Zusammen- 
stellung  der   Wllterungsanzeigen,    führt.      In 
ihm  hat  sein  Verfasser  Ptolemäus  die  Auf*  und  Un- 
tergänge der  au5gezeichnetsien  Steine   nicht  nach  den 
zum  Theil  unsichero  Beobachtungen  früherer  Astrono- 
men, sondern  nach  eigenen  Berechnungen  für  die  fünf 
Parallelen,  unter  denen  der  längste  Tag  13|-,  14,  14J-, 
15   und  15^ Stunden  dauert,  angesetzt.     Der  erste  geht 
durch  Syene  in  Oberägypten,  der  zweite  durch  Nieder- 
ägypteu,  der  dritte  dui^ch  Rhodus,  der  vierte  durah  den 
Hellespont,  der  fünfte  mitten  durch  den  Pontus,     An 
die  Erscheinungen  der  Fixsterne  knüpft  er  die  Wechsel 
der  Witterung,   die   er  nach   Meton,   Euctemon, 
Democritus,  Eudoxus,  Philippus,   Callippus, 
Conon,   Dositheus,  Hipparchus,  Metrodorus, 
Cäsar  und  den  Aegyptern  ansetzt.     Er  bedient  sich 
dabei  des  alexandrinischen  Jahrs  (149),   und  fängt  mit 
denm  1.  Thoth   oder   29.  August  an,    dahingegen   seine 
Vorgäoger  von  der  Sommerwende  auszugehen  pflegten. 
Beide  Kalender,    die  des  Geminus   und  Ptolemäus, 
finden   sich   im    Uranologium    des   Petavius.      Zu 
dem   ptolemäischen   hat  Fabricius   im   dritten  Bande 
seiner  BiblioHieca  Graeca   (nach  der  alten  Ausgabe)  ei- 
nen   bedeutenden   fiachtrag   geliefert.      Ich   habe    von 
diesem  Kalender  in  einer  oben  (56)   erwähnten  akade- 
mischen Vorlesung  ausführlich  gehandelt. 

Erst  mit  dem  Uebergange  zur  christlichen  Religion 
scheinen  die  Griechen  das  julianische  Jahr  und  zu- 
gleich den  julianischen  Kalender  angenommen  zu  ha- 
ben.    Do d well  glaubt^),  dafs  die  attischen  Monate 


*)    De  tyclis  n,  21. 


360  Technisclie  Chronologie. 

6chon  um  die  Epoche  der  christlichen  Aere  denX^faa- 
rakter  von  Sonnenmonaten  erhalten  hatten ,  woge- 
gen aber  C  o  r  s  i  n  i  sehr  gegründete  Erinnerungen 
macht  ^).  Die  S^telle  des  Plinius,  wo  er  von  den 
360  dem  Demetrius  Phalereus  zu  Athen  errichteten 
Statuen  spricht  (259),  mit  dem  Zusatz:  nondum  anno 
hunc  numerum  dierum  excedentCy  in  welchem  Dod  well 
eine  Anspielung  auf  das  julianische  Jahr  zu  hemerkea 
glaubt,  wird  man  gegen  die  Zeugnisse  der  später  le« 
benden  Schriftsteller,  eines  Plutarch,  Pollux u.a.m. 
nicht  in  Anschlag  bringen  wollen ,  besonders  nicht  ge- 
gen die  bald  nach  Hadrian  zu  setzende  Inschrift,  in 
der  des  Schaltmonats  gedacht  wird  (275).  Der  Scho- 
liast  des  Aratus,  (lir  den  man  gewöhnlich  den  im 
vierten  Jahrhundert  lebenden  Theon  den  inngem 
hält,  sagt'):  ,, Dieser  Mondmonat  diente  zur  Anord- 
,,nung  der  bürgerlichen  2jeit,  und  noch  jetzt  gebrauchen 
,,ihn  viele  Griechen  — xctl  wv  m  yj&vrax  TFokkol    rwv 

Mit  der  Annahme  des  julianischen  Kalenders  scheint 
auch  der  Hekatombäon  aus  der  Gegend  der  Sommer- 
wende in  die  der  Herbstnachtgleiche  geschoben  zu  sein ; 
denn  in  der  Tafel  der  attischen  Monate  bei  Henricus 
Stephanus  (276)  wird  der  Hekatombäon  mit  dem  Sep- 
tember, der  Metageitnion  mit  dem  Oktober  u.  s.  w.  ver- 
glichen. Da  in  der  eben  gedachten  Inschrift  unter  den 
attischen  Monaten  der  Boedromion  oben  ansteht,  so 
ist  Corsini  der  nicht   ganz  unwahrscheinlichen  Mei- 


')    F.  J.  n,  30. 
')    Zu  y.  740. 


Grieghen.  361 

nung  ^),  dafs  die  Athener  diesen  Monat,  in  welchem 
Hadrian,  um  die  Mysterien (309)  zu  sehen,  in  ihre 
Stadt  kam,  aus  Dankbarkeit  {ur  ihren  Wohlthäter  zum 
ersten  machten,  so  wie  sie  ihre  bürgerlichen  Jahre,  we- 
nigstens eine  Zeitlang,  seit  der  ersten  Reise  des 
göttlichen  Hadrian  nach  Athen  gezählt  haben*). 
Um  nun  diesen  neuen ,  gewöhnlich  auf  den  September 
trefTenden ,  Jahranfang  wieder  mit  dem  alten  Hekatom- 
bäon  in  Verbindung  zu  bringen,  haben  sie,  vermuthet  er, 
nachmals  die  Monate  so  verschoben,  wie  es  die  Tafel 
l>ei  Stephanus  mit  sich  bringt. 

Es    fragt  sich  aber,    ob  die  attischen  Monate,   als 
sie    in  Sonnenmonate  umgeprägt  wurden,  mit  den  ju- 
lianischen  vollkommen  so    haimonirten,    wie  es  jenes 
alte  Menologlum  besagt,  so  dafs  der  Hekatombäon  nur 
eine  andere  Benennung   für  den  September  war.     Ich 
zweifele  nicht.     Epiphanius,  der  nach  der  Mitte  des 
vierten  Jahrhunderts  schrieb,   wo  wenigstens  zu  Athen 
schon   der  julianische  Kalender  im  Gange    sein  mufste, 
vergleicht  ^)  den  6.  Januar,    auf  den  er  Christi  Geburt 
setzt,  mit  dem  6.  Mämakterlon  der  Athener,  so  dafs  beide 
Monate  parallel  liefen.     Wenn  er  zugleich  den  8.  No- 
vember, an  welchem  Christus  getauft  sein  soll,  mit  dem 
7.  Metageitnion  zusammenstellt,  so  mufs,  wenn  y^ii*klich 


')    F,  A,  XIV,  p.  403  ff. 

')  Dies  erbellet  aus  einer  Inschrift,  die  Hi\  Böckh  in  sei- 
nem Corpus  Inscript.  Graec.  Vol.  I,  no.  28f ,  nach  Montfaucon, 
Gori  und  Gorsini  miltheilen  und  erläuteiii  urird.  In  derselben 
findet  sich  die  Zeitbestimmung :  «fxog-ou  Iß^ofxou  Stovc  air^  tTfi  3cov 

')    Au  der  oben  (151)  citirten  Stelle  der  Haeresis  LI. 


362  '  Technisclie  Chronologie. 

der  Hekätombäon  dem  September  entsprach,  Boödromion 
fiir  MeUgeimion  gesetzt  werden  \  und  konnte  sich  in  den 
Namen  des  Monats  ein  so  gi-ober  Fehler  einschleichen, 
so  wiixL  man  keinen  Anstand  nehmen^  auch  die  Zahl? 
um  eine  Einheit  zu  vergröfsern. 

Bisher  ist  vorzugsweise  von  der  Zeitrechnung  der 
Athener  gehandelt  worden,   von  der  wir  am  Lefrie- 
digendslen  unterrichtet  sind.      Im  nächsten  AhschoitC 
werden  Untei*suchungen  über  die  durch  Alexander  s  ZtUg 
nach   Asien    zu    einer  besondem  Wichtigkeit  gelangte 
Zeilrechnung  der  Macedonier    folgen.      Mit    diesen 
beiden   griechischen  Vjiilkci'schaften  kamen   die  übrigen 
darin  überein,  dafs  sie  sämmüich  ein  gebundenes  Mond- 
jahr hallen;   nur  die  Namen  ihrer  Monate,  ihre  Jahr- 
anfänge  und    ihre   Schalt|)erioden    waren    nach    aUem, 
was  wir  davon  wissen,  verschieden.     Dodwell  hat  in 
seinem  oft  cilirlen  Werke  mit  Belescnheit  und  Scharf- 
sinn die  dürfllgen  Nachrichten  zusaramengesleJic,   die 
sich   über  diesen  Gegensiand   in  den  Schriflen  der  Al- 
len und  auf  Denkmälern  zersti^eut  finden,  aber  sich  sei- 
nem Hange   zu   Hypothesen   nur   zu   oft  über  Gebühr 
hingegeben.    Was  von  den  Ergebnissen  seiner  Foi*schuQ- 
gen  die  Probe  hält,    hat  Corsini  vortrefllich   zusam- 
mengestellt ^}.    Ich  theile  davon  hier  Folgendes  als  das 
Erheblichsie  mit. 

Das  Jahr  der  Lacedämonier  fing,  wie  Dodwell*) 
aiu  einer  Stelle  des  Thucydides  schliefst,  um  die  Ge- 
gend der  Herbslnachlgleiche,  also  etwa  zugleich  mil  dem 
Boedromion  der  Athener  an.    Die  Ephoren,  die,  wie  die 


')    F.  A.  dissert.  XIV. 
*)    De  CycUs  YHI,  5. 


Grieghbn.  363 

Archonten,  jährlich  geTvählt  wurden,  waren  daher  nicht 
vollkommen  gleichseilig  mit  diesen  im  Amt.     Von  den 
Monaten  finden  sich  nur  folgende  fiinf  erwähnt: 
Tf^oftcj  Gerast  ins« 

'Apreixicriog        Artemisius. 
^Kvdunos  P  hl  y  a  s  1  u  s. 

'£xaTOjüi߀t}$      Hekatombeus. 
KapvHog  Karneius. 

Wenn   Thucydidea   bei    dem  Waffenstillstände, 
der    am   Ende    des    achten   Jahrs  des  peloponnesischen 
KLrieges   zwischen   den   Athenern    und   Lacedämoniern 
geschlossen  wui-de,  den  14.  Elaphebolion  der  erstem  mit 
dem  12.  Gerastius  der  letztem  ^),  und  bei  dem  Frieden, 
de^  zwei  Jahi*e  später  zu  Stande  kam,  den  6.  Elaphebo- 
lion vom  Ende  mit  dem  4.  Artemisius  vom  Ende  ver- 
gleicht^),   so  hat  eine    Abweichung   des   Datums   von 
zwei  Tagen  bei  Monaten,  die  beiderseits  nach  den  Mond- 
phasen abgemessen  wurden,   nichts  Befremdendes,  und 
die  Verschiedenheit  des  lacedämonischen  Monats,  der  hier 
mit  einerlei  attischem  zusammengestellt  wiixl,  dient  zum 
Beweise,    dafs  die  Lacedamonier  einen  andern  Schalt* 
cyclus   hatten,    als    die  Athener.      Den    Kameius,    in 
welchem  ein  Hauptfest,  die  Kapyuk,   gefeiert  wurde  ^), 
vergleicht    man    mit  dem    Metageitnion  der   Athener, 
weil   nach  Plutarch  *)   der  Karneius  der  Syracnsaner 
diesem  Monat  entsprach.     Einen   triftigem  Grund  für 


')    l.rv,  c.H8,'il9. 

»)    l.V,  C.19. 

^)    T  h  u  c  y  d.  1,  V,  C.54.    Vcrgl.  E  u  r  ip.  Jlcest.  460  und 
daselbst  die  Ausleger. 

*)    f^ila  Nie.  C.28. 


364  Technische  Chronologie. 

diese  üeberemslimmung  bringt  Gorsini  bei,   den  ich 
bei  ihm  nachzusehen  anheim  gebe  *). 

Von    der   Zeitrechnung    der    B  ö  o  t  e  r    handelt 
D  od  well')    so   befriedigend,    als    es  die   fragmenta- 
rischen Nachrichten,    die  sich   davon   erhalten   haben, 
nur  immer  gesutten.     Er  beweiset  zuvörderet  aus  ei- 
ner  Stelle  des    Plutarch '^),    dafi   ihr  Jahr  um  die 
Wintersonnenwende  angefangen  haben  müsse.     Von  ih- 
ren Monaten  kommen  nur  folgende  sieben  vor: 
BovxdTiog         Bukati  US. 
.^EpfjMicg  Hermaius* 

TlpooTan^piog  Prosta terius. 
iTtTTodpofxiog     Hippodromius. 
Tldv€}xog  Panemua. 

'AKaXxofxiviog   Alalkomenius. 
ActfiaTpios       Damatrius. 
Der  Bukatius  war  nach  Plutarch  *)   der  erele 
im  Jahr ;  er  mufs  also  in  der  Regel  mit  dem  Gamelion 
der   Athener  übereingestimmt  haben.     Auf  ihn  folgte 
der  Hermaius  *).     Die  übrigen  Monate  lassen  sich  nicht 
ganz  sicher  mit  den  attischen  vergleichen.     Wenn  man 
dem  eben   gedachten   Schriftsteller  Glauben  beimessen 
will,     so    mufs   der  Kalender   der  Booter   zuweilen  in 
einer   ungeheueni   Verwin-ung   gewesen   sein.     Er  sagt 
nämlich  *),  die  Schlacht  bei  Platää  habe  am  4.  Boedro- 

*)  Diss.  XIV,  20. 

.  »)  De  CjrcL  Diss.  V. 

^)  nia  Pelop,  C.24. 

*)  Ib.  c.  25. 

»)^  Proclus  zu  Hesiodi  Opp.  et  d.  v.5(M.    Für  ßoJxatpoc  ist 
povHUTtoQ  ZU  lesen. 

*)     nta  Jristid.  c.l9. 


Griechen.  365 

mion  nach  attischer  und  am  4ten  vom  Ende  des  Pa- 
nemus   nach    böotischer   ZeitrechnuDg   Statt   gefunden, 
und  setzt,  als  wenn  es  mit  dieser  Verschiedenheit  von 
nicht  weniger  als  sieben  Tagen  seine  vollkommene  Rich- 
tigkeit hatte,   hinzu:    ,,Man  darf  sich  über  diese  Ano< 
,,malie    nicht  wundem,  da  selbst  jetzt  noch,   wo  die 
,,  Astronomie  eine  gröfsere  Entwickelung  erhalten  hat, 
,, einige  den  Monat  an  diesem,   andere  an  jenem  Tage 
.,, anfangen  und  endigen."     An   einer  andern  Stelle  ^), 
wo  er  diese  Schlacht  auf  den  3.  Boedromion  setzt,  sagt 
er  ausdrücklich,   der  Fanemus   der  Thebaner  sei  iden- 
tisch mit  dem  Metageitnion  der  Athener.     Es  wäre  nun 
wol  möglich,  dafs  durchs  die  Verschiedenheit  des  Schal  t- 
cirkels  der  Panemus  zuweilen   in  den  Boedromion  ge- 
schoben wuixle,    und   dais  Abweichungen   des  Datums 
von  drei,  vier,   ja  fünf  Tagen  vorkamen  (257) ;   allein 
es  ist  schwer  zu  glauben,   dafs  je  der  vierte   Tag  vom 
Ende   des  einen  Monats  der   vierte   vom  Anfange  des 
andern  gewesen  sein  könne.     Ich  zweifele  daher  nicht, 
dafs   eins  von  beiden  Datis  falsch  ist.     Hr.  Bock h  ist 
der  sehr  wahrscheinlichen  Meinung,   dafs  die  Schlacht 
am   27*  Panemus  oder  Metageitnion  geliefert,    aber  die 
Siegesfeier  bis  zum  3ten  oder  4.  Boedi*omion  verschoben 
woixlen  sei.     Ol.  102,2  stimmten  beide  Zeitrechnungen 
vollkommen   mit  einander  überein;    denn,    wie  jener 
Schriftsteller  an  dem  zuletzt  gedachten  Orte  vei*sichert, 
ist  die  Schlacht  bei  Leuctra  am  fünften  Tage  zugleich 
des  Hippodromius  der  Thebaner  und  des  Hekatombäon 
der  Athener  vorgefallen.     Vermuthlich  hatten  sich  die 
'  Böoter  damals  den  metonschen  Cyclus  angeeignet. 


*)     rita  Camiüi  cA9. 


366  Technische  Chronologie. 

Die  Zeitrechnung  der  Eleer  hat  für  uns  wegen 
der   Olyrapiadenäre,    die  mit   ihr    zusammenhing, 
eine  besondei«  Wichtigkeit;  leider  sind  wir  nur  höchst 
unvollkommen  von   ihr   unterrichtet.     Dafs   die  olym- 
pischen Spiele  um   die  Sommerwcnde  gefeiert  wurden, 
ist  ehen  so  gewifs,   als  dafs  sie  iunf  Tage  dauerten  und 
um  den  Vollmond  endelAi«    Wir  ersehen  dies  aus  Jem 
Scholiasten   des   Pindar  ^).      Allein   mit  weichem 
Yollmonde  sie  zusammentrafen,    ob   jedesmahl   mit 
dem,    der  zunächst  auf  die  Sommerwende  folgte,    wie 
die  meisten  Chronologen  annehmen,   wissen  yt'w  nicht 
mit  völliger  Sicherheil.    An  der  letztem  der  in  der  Wotc 
angeführten  Stellen  hclfst  es:    ,,Die  Spiele  gehen  bald 
,,nach  nenn  und  v!ei*zig,    bald  nach  fünfzig  Monaten, 
„also  bald  im  Ajtollonius,  bald  im  Parlhentus  vor  sich." 
Betrug  das  vierjährige  Intervall   zwischen  den  Spielen 
wirklich  bald  neun  und  vierzig,    bald  fünfzig  Monate, 
folglich  das  achtjährige  neun  und  neunzig,  so  haben  die 
Eleer  eine  Oclaeljcris  gehabt  (294)«     Corsini  glaubt'), 
dafs  die  .Monate 

'AtcXXxiivio;  Apollonius 
und  Uap^lvo^  Parthenius 
in  dem  unbekannten  Yaterlande  des  Scholiasten  zn 
Hause  gehört  haben.  Es  ist  aber  weit  wahi*scheinl icher, 
dafs  es  gerade  die  eleischen  Monate  waren,  in  denen 
die  Spiele  gefeiert  wuixlen.  Waren  dieselben  nämlich 
durchgehends  an  den  Vollmond  geknüpft,  der  zu- 
nächst nach   der  Sommerwende  eintrat,   so  konnte 


dydv  ayrteu.   Ad  Olymp.  III. 

')    Disserlationes  agonisticae  I,  6. 


Griechen.  367 

der  achtjährige  Cyclus  gar  wohl  so  gestellt  sein,  dafs 
ihre  Feier  bald  auf  die  Mitte  des  ApoIIonius,  bald  erst 
auf  die  des  folgenden  Farlhenius  ti*af,  wie  sich  dies  ein 
jeder  leicht  aus  der  Natur  des  griechischen  Mondjahrs 
begreiflich  machen  wiid.  Freilich  muis  sie  sich  dann 
auf  eine  ähnliche  Weise  auch  im  attischen  Jahr  hin 
und  her  geschoben  haben,  so  dafs  sie  nicht  immer,  wie 
Corsini  annimmt,  gerade  dem  Hekatombäon  ent* 
sprechen  haben  kann.  Von  den  übrigen  Monaten  der 
Eleer  kennen  wir  nur  noch  den 

EXiipLog       Elaphius.  i 

Pausanias,  der  ihn  zweimahl  nennt  ^),  sagt,  dafs  er 
auf  die  Frtihlingsnachlgleiche  fiel.  Namen  iind  Stel* 
lung  sind  dem  ia tuschen  Elaphebolion  analog.   ' 

Von  der  noch  dunklem  Zeitrechnung  der  Delphi  er 
bemerke  ich  blofs,    dafs  ihr  Monat 
BvVtog     Bysius, 
in  welchem  die  pythischen  Spiele  gefeiert  wurden,  nach 
Dodwell's  und  Corsini's  scharfsinniger  Vermuthung 
mit  dem  Munychion  der  Athener  zusammenfiel,  also  auf 
die  Gegend  der  Fiilhlingsnachtgleiche  traf.     Er  scheint 
der  ei*ste  ihres  Jahrs  gewesen  zu  sein.    Wegen  vei'schie- 
dener  andeim  aus  Inschriften  bekannt  gewoi-denen  del- 
phischen Monate  verweise  ich  auf  die  Fasti  Attici*). 
Die  Spiele  wurden  übrigens,  wie  Scaliger  und  Meursius 
behauptet  haben  und  Corsini  gegen  Petavius,  Petitus 
und  Dodwell  beweiset^),   nicht  im  zweiten,  sondern 
allemahl  im  dritten  olympischen  Jahr  gehalten.    Das 
oUm  in  der  obea(300)  citirteu  Stelle  des  Censorinus 


*)    Sliaca  T,i3;  H,  20. 

»)    Xiy,  16. 

^)    Dissert.  agon.  11,  7  ff. 


368  Technische  Chronologie. 

geht  auf  die  Zeiten  vor  Ol.  48,  wo  die  Pjrtliiaden,  nach- 
dem sie  eine  Zeitlang  unterbrochen  gewesen  waien, 
durch  die  Amphictyonen  wiederhergestellt  wurden. 

Von   den    Cor'cyräern,    einer   Colonie  der   Co- 
rinther  *),  sind  drei  Monate  aus  einer  Inschrift  bekannt, 
die  Montfaucon  in  seinem  Diarium  Itaäcum')  zu- 
erst bekannt  gemacht  hat«     Sie  führen  die  Namen 
Maxay£t}$  Machaneus. 

EvxXeiog  Eukleius« 

'ApTEjMnog  Ar  temitius '). 
Sie  sind  in  der '  Inschrift  so  zusammengestellt,  dafs  sie 
auf  einander  gefolgt  sein  müssen  *) ,  und  da  der  £u- 
klcius  ausdrücklich  der  zwölfte  genannt  wird,  so  ist  der 
Artemi ti US  der  erste  im  Jahr  gewesen.  Nach  Quirini's 
unsichern  Combinationen  ')  ti^f  er  auf  den  Frühling.  Von 
dem  Mutlervolke  kennen  wir  'nur  einen  Monat ,  den 

UdvEixog         Panemus, 
mit  Sicherheit ,  der  nach  einem  unten  in  der  macedo- 
nischen   Zeitrechnung   zu  erwähnenden  Schreiben    des 
Königs  Philippus   an   die  Peloponneser  mit  dem  Boe^ 
dromion  der  Athener  verglichen  wird. 

Wegen  noch  einiger  zu  unserer  Kunde  gelangten 
Monatsnamen  der  Aegineter,  Argiver,  Coer,  De- 
lier  und  Teer  vei'weise  ich  auf  Corsini.  Vermuth- 
lich  wird  die  grolse  Sammlung  griechischer  Inschriften, 


*)    Strabol.VI,  p.269. 
"    '}    c.28,p.4i2ff. 

^)     Die  dorische  Form  *XprtfiixtoQ  für  Aprs/itoioc,  kommt  auch 
anderweitig  vor. 

♦)    Vergl.  Corsini  F.  A.  XIV,  li. 

*)    Primordia  Corcj-rae  fBrixiae  1738,  4J  S.  176. 


Griechen.  369 

diejeut  Hr.Böckk  veituastaltet ,  manche  hieher  gehö^ 
rige  Ambeute'  geben. 

Es   ist  mir  nim  noch  übrige  von  den  Jahr  rech** 
ntingen  der  Griechen  2u  handeln.  /        . 

.  Die  Athener  zählten  ihre  Jahre  nach  ihrer  ersten 
Magistratsperaon.  'Zuerst  wusdeA  sie.  von  erblichen 
Königen,  dann  von  lebenslänglichen  Archen*** 
ten,  den  Medontiden,  weiterhin  ton ^zehnjährir- 
gen  Arckonten  und  endlich  von  eüijährigeu  re^ 
giert,  deren  jedesmahl  neun  Anfangs  durch  Cheirotonieiy 
nachher  durchs  Loos  ernannt  wurden.  Der  yomehmste 
hie&  vorzugsweise  Archon,.  und  nach,  ihm  wurde  das  jen 
desmahlige  Jahr  benannt  ^^.),.  daher  er  auch,  fedoch,  wie 
es  scheint,  erst  sptlterhur,  den  Beiuamen  2;r«))a;/i0^  erfaieltu 
Das  Chronologische  der  irühem  Geschichte:  Athens:  ist 
in  Dunkel  gehfiUt.  Erst. mit.  den  oehnjährij^enArohonA 
ten  langt  es  an  zu  tagen.  Der  Eintritt  des<  ersten,. des 
Gharops,  gehört  nach  des  Dionys  von  Ha'licarnaXr 
bestimmter  Versicheirung  in  01.7,1.  Er  setzt  näm-i 
lieh.*)  die  Erbauung  Korns  in  das  erste  Jähr  der  sie- 
benten Olympiade.,  apxpvrog  ^ASr^rjo-i  .Xapchrad^  irog,'.  t^^ 
^BTiCksTiag  ^^ttfTov.  Trifft  also -das  erstb  Jähr  des?  erstes 
zehnjährigen  Alx;hon  auf  Ol.  7,1,  so  fangt  das  liitzte  des 
siebenten  und  letzten  mit  Ol.  24,2. an,  und  Creou's^* 
des  .ersten  Archon  eponymus,  Eintritt  ist 'in  01,24,3 
zu  setzen.  Da  aber  das  Jahr  der  Athener  ! damals,  ver* 
muthlich'  noch  mit  dem  Gamelion  anfing  (286),  so  gen^ 
hört  das  Jahr  des  Green  vielleicht  schon  zur  Hälfte 


*)    Argum.  in  Demosth,  oraf.  conira  Jndroiiohem,    Pöflux 
yra,  9,  85. 

*)    j4nt.  Rom.  I,  71  und  75.  t 

I.  [24] 


370  Technische  Chronologie. 

dem  zweiten  der  24sten  Olympiade  an,  tO»  welches  sich 
Gorsini  entscheidet^),  den  Widersprach  des  PausanUs 
nicht  achtend,  der  den  Ursprung  der  jtfhrigen  Archonten 
um  eine  Olympiade  früher  anninunt  ')•  Die  Würde  des 
Aichon  eponymus  hesumd  wbl  Athen  bis  ins  vierte  Jahr- 
hundert n.Chr.,  ungeachtet  die  i«publikaniacbe  Verias« 
sang  sdion  längst  erloschen  war,  so  wie  man  zu  fiom 
noch  unter  den  Kaisem  die  Jahre  nach  den  Schatten- 
eonsuln  zu  zKfalen  pflegte.  Nur  2ur  Zeit  des  Antigo.. 
uns  und  D^metrihs  gingen  die  Athener  in  ihrer  Dank- 
baitüsit  und  Sdimeiohelei  so  weit,  dali  sie  nkhl  blols 
die  beiden  neuenichteten  SUUnme  nach  ihnen  benann- 
ten (343),  aondens  auch  den.  Monat  Mnnychion  in  De- 
mietrion,  das  Fess  Dionysia  in  Demetria  und  die 
itif  mi  vtn  in  Demetrias  verwandelten,  und  stau  des 
Arohon  eponymua  efaten  jtthrigen  ^Upev^  t&¥  ffwnjpumf  wähl* 
teA,  indem  sie  diesen  Königen  fast  göttliche  Ehre  er- 
wiesen. Diäiter  Priester  der  rettenden  Gotthei- 
ten bestand  jedoch  nur  neunzehn  Jahre.  Ol.  123,1 
k^te  der  Eponymus  zurück.  Ein  kritisches  Yeneicbmfs 
der  Eponymi  gibt  Corsini  im  dritten  und  vierten  Tfaeil 
seiner  Pas ti  Altici.  Auch  hat  br  die  ersten  einiger- 
mafsen  befriedigenden  Untersuchungen  über  die  Pseu- 
deponymi  angestellt?),,  worunter  man  Archonten  ver- 
steht, die  hin  und  wieder,  besonders  bei  den  Red- 
nern, in  Dekreten  als  Eponymi  genannt  wei-den,  ohne 
ia^  der  Reihe  dei^  eigentlichen  Eponymi  Torzukommen. 
' '  ....  , 

*)    F,  A.  Dissert.  I,  welche  sich  mit  hieber  gehörigen  ünlei*- 
suchungen  beschäftigt. 

*)    Messen,  c.  15. 

')    F.  A,  Dissert.  YHI. 


Grieghsii.  371. 

Sospricht-Demostlienes  in  der Btäeile  Corona*)  yo^l 
zwei  Dekrelen,  die  xmißT  dem  Arebon  Mnesiphilus,- 
wie  der  Zasainmenliang  lehrt  im  zweiten  Jahr  der  lOSten 
Oljmpiade,  abgefafst  sind,  wo  der  wahre  EponymuS' 
Themistocies  hieis.  Der  schwierige. -Gegenstand 
ist  aber  durch  jene  Untersuchungen  noch  keinesweges. 
aufs  Reine  gebracht  worden.  Man  vei^Ieiohe  nur,  was 
Hr.Schötnann  darüber  sagt'). 

Seit  der  Yerlegang  des  Jahranfangs  jiuf  den  He^ 
Latombäon  laufen  die  Archonten jähre  mit  denen  der 
Olympiaden  parallel.  Im  Grunde  war  es  die  unbe- 
cpiemsie  Jahrsseit,  die  man  zum  Wechsel  der  obersteh' 
Magistratspersonen  wählen ' konnte;  Thncydides^  der^ 
einen  yaterländischeB  Krieg  beschveibt  nnd  nach  Jafa«-» 
ren  desselben  da tirt,*  f&hlie  dies;  er  machte: daher  seinei 
Einschnitte  mit  dem  Frühlh;ig  imd  Hei^^Mt.   ' 

Auf  eine  gai^x  ühnliehe  Weise  s'  wie  die  Athener, 
rechneten  auch  die  Lacedämottier  ihre  Jahre'.  'Sta(h> 
der  Archonten  hatten  sie  Epfaoren ,  ievHt  )äfarlich  fiinfi 
gewählt  wurden  ^ ) .  Dals  einef  derselben  'Eponymiis  wsir 
oder  dem  Jahr  6ei;na]i  Namen,  gsdE^,  T^i^sekfn-wir  aus  d«pr 
Thucydides,  der  die  Zeit  des  Ausbruchs  des  pelopon- 
nesischen  Krieges  also  bezeichnet^):  ,,Im  48stenJahr 
,,derPriesterinn  Chrysis  von  Argos,  unter  Ainesias^  dem 
,,B;phörea  von  8j)ä'rta'l    zwei  Monate  vor. Abgätig  des 


*)    In  seinem  gelehrten' WtjrttÄ'r' •l)er't^9>^ÄlV^  irf£Ätf/»^/tt^^ 
(Greifewald  1810,  8JS;J 37  ff.  '    '        •.••..    .;;.;.  ,./r 
'   •■  ■  •  •  '  ..••..   'i ,'.,;■•..  '     •■!=  I 

M    Suidaa  unter  diesem  Worte»  •.'...•...    r    .^  •    • 

•)  i.n,  C.2. 

[24'] 


372  Technisdie  Chronologie. 

^^Pythodonu,  des  Archon  der  Athener  (286)/'  ICeraus 
erbellet  cugleicb,  dais  man  su  Argot  die  Jahre  nach 
der  Amtsverwaltung  der  Prieslerinn  der  Juno  sählte, 
was  der  Scholiast  zu  dieser  Stelle  bestätigt.  Sie  führte 
nach  dem  Etymologicum  Magnum^}  den  Namen 
Heresis. 

Diese  Art  der  Jahrrechnung,  die  übeiall  in  Griechen- 
land, ja  überall  in  der  allen  Welt  üblich  war  {i09)y 
konnte  dem  griechischen  Historiker,  der  die  Geschichte 
des  In-  und  Auslandes  synchronistisch  erählen  wollte, 
unmöglidi  genügen.  Er  bedurfte  einer  von  Localver- 
hidtnissen  unabhängigen  Aere,  und  eine  solche  gewährte 
ihm  die  Rechnung  nach  Olympiaden,  die  jedoch 
eist  in  Gebrauch  kam,  als  Griechenland  längst  seinen 
Herodot  und  Thucydides  gehabt  hatte  ').. 

Die  olympischen  Spiele,  der  Sage  nach  von 
Hercules  gestiftet,  wurden  von  Iphitus  erneuet, 
aber  erst  seit  Coröhus,  der  vihtt  hundert  Jahre  spä- 
ter den  Poeb  im  Wettlauf  davon  trug,  regelmässig  alle 
vier  Jahre,  nach  dem  Sprachgebrauch  der  Allen  dui 
isfyasrmy  iTov^y  quuUo  quoquß  amno,   gefeiert,  welshalb 


*)  Die  BezeicbnuDK  der  Jahre  nach  Olympiaden,  so  wie  nach 
Archonten  und  Ephoren,  die  sich  an  einigen  Stellen  der  Uelle- 
nica  dei  Xenophon  findet,  ist,  nach  Marsham's  und  Dod- 
weirs  gewifs  sehr  n^hciger  Meinung ,  fremdes  Einschiebsel,  das 
mit  seiner  einftuthen  Jahi^rachnung .  im^  Widei^spriiche  steht.  Er 
ist,  wie  Thucydides,  in  seiner  Enuihlung  l>lofs  dem  natüi'h'chen 
umlaufe  der  Jahrazeiten  gefolgt ,  ohne  sich  einer  festen  Aere  zu 
bedienen.  S.  Joh.  Gottl.  Schneider*!  Anmerkang  zu  l.I,  c.% 
dieses  Geschichtswerkes. 


GniBCHEir.  373* 

sie    bei    den  Griechen    Tnyratnipoio},   bei  den  Römern 
quinqiiennales  hiefsen  ^)* 

Dafs  der  Sieg  des  CorÖbus  ins  Jahr  3938  der  ju- 
lianlschen  Periode  oder  776  v.Chr.  zu  setzen  sei,  ist 
die  einstimmige  Annahme  der  Chronologen.  Sie  gründet 
sich  vornehmlich  l)auf  verschiedene  von  Thucydides 
erwähnte  und  von  ihm  an  Jahre  des  peloponnesischen 
Krieges  geknüpfte  Finsternisse.  Da  nämlich  dieser  Ge- 
schieh tschreiber  zu  bemerken  pflegt,  in  welchem  Jahr 
des  Krieges  die  olympischen  Spiele  gefeiert  wurden, 
so  können  diese  Finsternisse  dazu  dienen ,  die  Epoche, 
nicht  blofs  des  Krieges,  sondern  auch  der  Olympiaden 
mit  Sicherheit  auszumitteln ,  wie  Petavius  sehr  gut 
gezeigt  hat').  2)  Auf  ein  fiir  die  Zeiti'echnung  höchst 
schätzbai^es  Fragment  desEratosthenes  beim  Clemens 
Alexandrinus  ^),  worin  die  Intervalle  einiger  Haupt- 
epochen der  griechischen  Geschichte  folgendermaisen  an- 
gegeben sind:  es  werden  gerechnet 

von  der  Einnahme  Trojas   bis  auf  die 

Rückkehr  der  Herakliden 80  Jahr. 

von  da  bis  zur  Stiftung  —  xruri^  —  von 

lonien 60 

femer  bis  auf  Lycurg's  Vormundschaft  ••  •  159 

bis  auf  das  Jahr  vor  der  ersten  Olym- 
piade    108*)- 


*)    P  i  n  d  a  r  nennt  sie  fniTMTiip^*  iopr^y.     OL  XI,  59.    Nem* 
XI,  27  (ed.  Böckh). 

*)    Doctr.  temp,  IX,  44. 

»J    Strom.  I,  p.  145  (ed.  Sylb.). 

*)     'Eiel  itportyoifuvw  hoq  ti}^  irpJni; 'OXvfl1tta^o^  NachAriato- 
teies  beim  Plutarch  (vü.lQrc.cA)  und  Pansanias  (ELl^^) 


374  Technische  Chronologie. 

bi«  auf  Xerxes  Uebergang  über  den  Hei- 

lespont 297  }ahi. 

bis  auf  den  Anfang  des  peloponnesischen  • 

Krieges • « 48    - 

biB  auf  das  Ende  desselben  und  die  Be- 

siegnng  der  Atbenw 27    - 

bis  auf  die  Scblacht  bei  Leuctra 34     - 

bis  auf  Pbilipp's  Tod 3S     - 

bis  auf  Akxander's  Tod •  12     -- 

Dieser  Tafel  liegen  durcbgftngig  volIgesaUte  Olympia- 
den jähre  nun  Grunde,  die  yon  der  Sommerwende  an  ge- 
rechnet werden.  Geht  man  nun  yom  Jaht  432  v-Chr., 
wo  das  Olympiadenjahr  beginnt ,  gegen  dessen  Schluls, 
wie  jene  Finsternisse  unwidersprechlich  zeigen,  der 
Ausbruch  des  peloponnesiscben  Kxi^es  zu  setzen  ist, 


waren  Iphitus  und  Lycurg  Zeitgenossen.  Man  sieht  also,  dafs 
die  Wiederherstellung  der  olympbchen  Spiele  dui-cli  den  erstem, 
und  einigen  Nachrichten  zufolge  zugleich  duirh  den  Jetxtern,  we- 
nigstens nach  Eratosthenes  nicht  gleichzeitig  mit  der  ei-slen 
Olympiade  war.  Auch  sagt  Phlegon  TraUlanus  in  einem 
kleinen  AufiMtz  über  diese  Spiele,  der  unter  andern  der  Oxforder 
Ausgabe  des  Pindar  Tom  Jahr  1697  Törgedruckt  ist,  ausdrück- 
lich ,  dafs  Tou  Iphitus  bis  auf  Coröbus  28  Olympiaden  oder 
112  Jahre  Terflossen  sind.  Man  Tergleiche  C  o  r  s  i  n  i's  Diueri. 
agon.  I,  p. 3.  Es  ist  ako  nicht  zu  billigen,  dafs  Scaliger, 
Petavius  und  andere  Chronologen  immer  Ton  der  Olym- 
piade des  Iphitus  als  der  ersten  geschichtlichen,  und  Ton 
Jahren  des  Iphitus  als  Jahren  der  Olympiadenare  sprechen. 
Sosagtersterer  (7?mert^./eiw/?.l.V,p.387;,  Rom  sei  nachVarro 
im  23stenJahr  des  Iphitus  oder  01.6,3  eii>aut.  Doch  mufs  zu 
ihrer  Entschuldigung  gesagt  weiden,  dafs  die  Verwechslung  schon 
im  Alterthum  vorkommt.  So  meint  Clemens  Alexandrinus 
(a.  a.  O.)  mit  M  t^v  *If/Tey  'OkviunJia  die  erste  Olympiade,  in 
der  Coröbus  si^;te. 


Griechen.  376 

48  +  297  «:  345  Jahr^  zurück,  so  trifft  man  auf  das  Jahr 
777  Y«  Chr.  f  als  auf  das  dar  ersten  Olympiade  yoran.* 
gehende.  Hiernach  ist  also  die  erste  Olympiade  in 
das  Jahr  776,  und  die  Zei^lörUng  Trojas  in  das  Jahr 
1184  v*Chr.  zu  setzen.  3)  Auf  eine  iiir  die  Zeitrech- 
nung nicht  minder  wiisbtige  Stelle  des  Censorinus, 
wo  die  Epochen  der  vornehmsten  von  den  Alten  ge- 
brauchten Acren  mit  grofser  Bestimmtheit  und  in  solcher 
Beziehung  zu  einander  angegeben  werden,  da&  über 
ihre  Zuverlässigkeit  nicht  der  mindeste  Zweifel  obwal- 
ten kann.  Sie  steht  im  21sten  Kapitel  und  fängt  also 
an :  Hie  annus,  cuius  vebu  index  et  titulus  {fuidam  est 
Ulpii  et  Pontiani  consuUuus ,  ab  Olympiade  prima 
millesimus  est  et  quartus  decimus,  ex  diebus  duntaxat 
aestivis,  quibus  agon  Oljrmpicus  celebratur.  Das  Con- 
sulat  des  Ulpius  und  Pontianus  trijSTt  auf  das  Jahr 
238  unserer  Zeitrechnung  oder  auf  das  4951ste  der 
julianischen  Periode.  Da  nun  im  Sommer  desselben 
das  10l4te  Olympiadenjahr  anfangen  soll^),  so  mufs 
man  1013  volle  Jahre  zurückgehen,  um  dasjenige  zu 
erhallen,  in  welchem  das  erste  beginnt,  und  so  findet 
»ich  wieder  obiges  Epochenjahr. 

Hieraus  ergeben  sich  für  die  Reduction  der  Olym^ 
piadenjahre  auf  unsere  Z^eitrechnung  und  umgekehrt 
folgende  Regeln.  1)  Um  das  Jahr  der  christlichen 
Zeitrechnung  zu  finden,  mit  dessen  Sommer 
ein    gegebenes   olympisches   beginnt,    vermin- 


*)  Wenn  es  c.i8  bei  eben  diesem  Schriftsteller  heifst:  Nunc 
ducentesima  quinquagesima  quarta  Oljmpias  numeratur,  eius^ 
que  annus  hie  secundus,  so  siebt  man,  dafs  hierans  ebenfalls  dos 
laufende  1014t&Jahr  der  Olympiaden  folgt. 


376  Technische  Chronologie. 

dere  maa  die  Zahl  der  Olympiadeit  um  1,  mnltiplidre 
den  Best  mit  4,  addire  dazu  die  Zahl  der  Jahre  der 
laufenden  Olympiade,  und  ziehe  diie  Summe,  wenu 
sie  nicht  grölser  als  776  ist,  von  777  ab.  Dtr  Rest 
ist  das  entsprechende  Jahr  vor  Christus.  FfirOI.  75  1 
wo  die  Schlacht  bei  Salamis  verfiel,  steht  die  Aech- 
nong  also; 

75-1  «    74 
74  X  4  -  296 
296  +  1  e  297 
777-297  «  4S0. 
Die  Begebenheit 'ereignete  steh    im  attischen   Boeiro- 
mion  (308),   also  in  der  ersten  Hüfte  des  olympischen 
Jahrs.      In  solchem  Falle  behält  man  die   gefundene 
•  Zahl  unverändert  bei.    Gehört  sie  dag^;en  in  die  zneite 
Hälfte  des  olympisclien  Jahrs,   so  mufe  man  die  Zahl 
lun  1  vermindern.     So  gehört  die  Erbauung  Roms  nach 
■rarronischer  Rechnung  in   das  Jahr  753  v.Chr.,   weil 
«e  Ol.  6,3  im  Frohling  {an  den  Palilien)  Sutt  gefun- 
den  haben  soll.     Ist  hingegen  die  Summe  der  olym- 
pischen Jahre  größer  als  776,    so  vermindere  man  sie 
um  diese  Zahl,   und  man  erhält  dann  das  Jahr  nach 
Cairistus,  auf  welches  der  Anfang  des  gegebenen  olym- 
pischen  iriflt.     So  fängt  01.254,2,  wo  Censorinos 
•chrieb,   238 n.Chr.  an. 

2)  Um  das  olympische  Jahr  zu  finden, 
-welches  in  irgend  einem  Jahr  v.Chr.  (das  na- 
türlich nicht  größer  als  776  sein  darf)  seinen  Anfang 
nimmt,  ziehe  man  die  voi^legte  Jahrzahl  von  777 
ab,  und  dividire  den  Rest  durch  4.  Der  um  1  ver- 
mehrte Quotient  gibt  die  Olympiade  und  der  Rest  das 
laufende  Jahr  derselben.     Meibt  kein  Rest,  so  ist  das 


.     G  RIB  GHEN.  377 

laufende  Jab?  das  ?ierte  von  eben  der  Olympiade,  welche 
der  Quotient  anzeigt.  Gehört  die  Begebenheil  in  die 
erste  Hälfte  des  julianischen  Jahrs,  so  ist  das  nach  die« 
ser  Regel  gefundene  olympische  Jahr  um  1  zu  vermin- 
dern* So  findet  sich,  dals  der  Fi-ühling  399  v.Chr., 
wo  Soerates  starb,  dem  ersten  Jahr  der  95sten Olym- 
piade, und  der  Sommer  356  v.Chr.,  ,wo  Alexandeir  der 
Grofse  geboren  wurde  ^  dem  ersten  Jahr  der  .106ten 
Olympiade  entspricht. 

3)  Um  das  olympische  Jahr  zu  finden,  das 
in  einem  gegebenen  Jahr  n.Chr.  anfängt,  ad* 
dire  man  776  und  verfahre  wie  Vorhin.  So  nimmt 
im  ersten  Jahr  unserer  Zeiti^echnung  die«  195s te  Olym- 
piade ihi^en  Anfiing,  so  dais  Christus  (der  gewöhnlichen 
Annahme  nach)  um  die  Mitte  des  Jahrs  Ol.  194,4  ge- 
boren ist. 

Da  die  olympischen  Spiele,  wie  oben  (366)  bemerkt 
worden,  gegen  den  Vollmond  gefeiert  wurden,  der  zu- 
nächst nach  der  Sdmmerwende  einti*at  (dies  war  ohne 
Zweifel  die  Regel),  so  sollte  man  bei  der  Reduction 
der  Olympiaden  jähre  eigentlich  eine  Tafel  der  Neu- 
und  Vollmonde  vor  Augen  haben.  Man  wird  indes^n 
gewifs  selten  und  wenig  von  der  Wahrheit  abweichen, 
wenn  man  mit  den  meisten  Chronologen  ihren  Anfang 
dui^chweg  auf  den  1.  Julius  setzt. 

Die  Feier  der  olympischen  Spiele  bestand  ununter- 
brochen 293  Olympiaden  hindurch  bis  gegen.  Ende  der 
Regierung  des  Kaisers  Theodosius.  Man  sehe  die 
dai-über  von  Corsini  gesammelten  Zeugnisse  '). 


^)    Dissert.    agon.  I,   li.     Sehr  bestimmt  ist  das  des  Ge- 
drenus  (Hisi.  comp,  p.326.    Script,  hist.  Bj%,  ed.  Vvc.Jj  nach 


378  Technische  Chronologie. 

Als  dto  eigentliche  Urheber  der  01ym{>iadeiirechniiiig 
ist  der  nnter  PtolemäUB  PhUadelphus  lebende  Geschieht- 
Schreiber  Tim  aus  aus  Slcllien  zu  betrachten,  der  sich, 
nachdem  man  längst  gewohnt  gewesen  war,  einzelne 
Begebenheiten  durch  die  Namen  der  gleichseitigen  oljm- 
pischen  Sieger  zu  beaeichnen,  nach  Polybius  das 
Verdienst  erwarb,  die  Ephoren  und  Könige  Sparta's  von 
Anbeginn  her  mit  den  Archonten  Athens,  den  Prie- 
sterinnen von  Argos  und  den  olympischen  Siegern  zu 
yergleicbfen ,  und  so  der  Schöpfer  der  Olympiadenäre 
Wurde,  ohne  die  es  keine  griechischen  Annalen  ge* 
ben  konnte  ^).  Mit  Vergnügen  nahm  man  eine  Jahi^ 
rechnung  an,  die  mit  der  nöthigen  Festigkeit  ein  ge- 
meinschaftliches Interesse  für  sammtliche  Griedien  ver^ 
band.  Finiherhin  hatte  man  das  Chronologische  ent- 
weder ganz  vernachlässigt,  oder  sich  mit  schwankenden 
Zeitbestimmungen  beholfen,  die  den  spätem  Geschieht- 


welchem  die  iran^^pcc  vwir  'OXvfim&wy  im  sechzehnten  Jahr  des 
Theodos i US,  d.i.  394  n.Chr.,  erloschen  und  an  die  Stelle  der 
Oljmpiadenrechnung  die  Indiotion  getreten  ist. 

*)  Die  Worte  des  Poljbius,  der  ihn  übrigens  wegen  seino 
Leichtsinns  und  seiner  Psirteilichkeit  nicht  sehr  glimpQich  behan- 
delt, sind :  'O  rsf  r\ry»fla%%^  irotov^ivo;  a»kym&w  r^y  l^opwv  itfof  tou; 
ßaff-iXarc  Tovc  ^v  Aaxt^al}ioin ,  xai  xov(  ap)^6)na(  tov;  'A^iimnci  xal  xuj; 
UptiaQ  raq  ^v^Ap^i  ntLpaßaXXvv  wpog  roif  oXv^moi^cWc  etc.  XII,  1'2. 
Vom  T  i  ni  ä  u  s  hatte  man  ein  umfassendes  Geschieh ts werk  unter 
dem  Titel  xoivtd  ig-o^taty  Ünirersalgeschicbte,  worin  cmnler 
■nderQ  kurs  von  den  Römern  gehandelt  hatte  (Dion.Hal.I,  6J. 
In  diesem  Werke  scheint  er  sich  zuerst  der  Olympiadeorechnung 
bedient  zu  haben.  Auf  dem  von  ihm  beti-etenen  Wege  gingen 
nachmals  Apoliodorus,  Diodorus,  lulius  Africanus  und 
auders  weiter. 


Gribgheh.  379 

schieibem  die  IPesUielluiig  der  Epochen  pf^  sehr  er- 
schwerten oder  gan^  unmöglich  machten. 

Im  btti^erlichen  Yerkehir  ist  die  Olympiadenrech- 
nung nirgends  gebraucht  WQi-den;  auch  hat  sich  noch 
keine  Miinze  gefunden,  auf  der  sie  vorkäme  ^)*  Na- 
türlich, da  sie  ein  rein  litt^rarisches  Institut  isti 
.  .  Das  vollständigste  Yerzeichniis  der  olympischen 
Sieger  —  oXujimovtxcti t^  in  jedfer  Art  des  Wettkampfs 
liefert  Gorsini  ^).  Bekanntlich  war  der  Lauf  der 
erste  Gegenstand  des  "Wettstreits,  daher  auch  vorzugs- 
weise der  Name  desjenigen  geüannt  zu  werden  pflegt, 
der  in  dieser  Beziehung  den  Preis  davon  getragen  hatte 
'-^ordBLoy  sn>ca,  stacUo  vicit,  wie  es  ininker  heiist. 

Sthliefslich  muis  ich  noch  einer  eigenthümlichen 
Jahrrechnung  gedenken,  die  sich  auf  einem  für  die 
Chronologie  höchst  wichtigen  Denkmale  des  Alterthunis, 
dem  parischen  Marmor,   gebraucht  findet« 

Ich  darf  wol  voraussetzen,  daSs  sich  meine  Leser 
mit  der  Einrichtung  dieser  Marmorchronik,  wenn 
auch  nicht  aus  den  grofsen  Werken  und  Sammlungen 
von  Seiden,  Prideaux,  Maittaire  und  Chandler, 
wenigstens  aus  Hrn.  Wagner 's  kleiner  nützlichen 
Schrift,  die  parische  Ghronik  betitelt^),  bekannt 
gemacht  haben,  und  da(s  ich  defshalb  einer  Beschrei- 
bung derselben  überhoben  sein  kann.  Ich  bemerke 
blofs,  dafs  ihr  Urheber  gleich  anfangs  sagt,  er  habe  die 
Zeiten  von  Anbeginn  her  verzeichnet,  von  Geicrops', 


*)     Eckhel  Doctr.  numor.  Vol. TV,  p.376. 

'')    Am  ScLlusse  seiner  Dissertationes  agonisticae. 

')    Göllingöni790,  8. 


380  Technische  Chronologie. 

dem  ersten  Könige  Athens,  bis  auf  die  Archon- 
ten  Astyanax  von  Faros   und  Diognetus  von 
Athen.      Hieraus   schliefst  man,    und   wd  nicht  mit 
Unrecht,  dafs  die  ChiH>nik  in  Faros  entstanden  und  auf- 
gestellt  gewesen   sei,  ob  sie   gleich  sonst  nichts  weiter 
diese  Insel  Betreffendes  enthält.    Hierauf  folgen  in  nock 
nicht  gan«  hundert  Zeilen  ^)  neun  und  siebzig  Epochen, 
von  denen  die  erste  also  lautet :  'A4>'  ou  K&cpmf/  'ABtjytvy 
ißaa-tKeva-t  xcä  ^*  x^P^  KtxpoTrui  IxXijS'ij  to  npinpcv  xoXo^ 
fx£yij  'AxTtxrJ.  ino  'äktowv  rov  avrox^cvo^  «'^»1  XHHHAIIIII 
,, seitdem  Ceci-ops   zu  Athen   heri'schte  und  das  Land, 
,,das  zuvor  von  Acüius,   dem  Autochthonen,   Acüca  ge- 
,,nannt  war,  den  Namen  Cecropia  erhielt,  1318  Jahre." 
Diese  1318  Jahre  weixlen  offenbar  von  dem  Jahr,   wo 
Diognetus  Arehon  war,  rückwärts  gerechnet.    Es  fragt 
•sich  also,  in  welches  Jahr  der  Olympiaden  oder  v.Chr. 
dieser  Arehon   zu  setzen  sei,    der   sich  sonst  nirgends 
erwähnt  findet.     Seiden  und  Prideaux  nehmen  das 
JahrOl.  129,2,  v.Chr. 263,  Taylor  «),  Corsini';  und 
Freret*)  hingegen  das  Jahr  Ol.  129,1,  v.Chr. 264,  au. 


')  Von  denen  leider  die  ernten  fünf  und  vierzig  in  den  bür- 
gei'lichen  Unruhen  unler  dem  Könige  Karll  von  England,  wohin 
das  Denkmal  vei'selzt  worden  war,  verloi^n  gegangen  sind.  Wir 
müssen  uns -daher  mit  der  Abschrift  dei-selben  behelien,  die  Seiden 
in  seinem  bekannten  Werke  Marmora  Jntndeliana  (London 
1629,  4  )  von  denselben  gibt.  Auch  die  noch  vorhandenen  sind 
•kaum  mehr  leserlich. 

*)     Marmor  Sandwicense  p.5. 

»)    F.  A.  Tom.  IV,  p.88. 

*)  Eclaircissement  sur  la  nature  des  annSes  emplojrSes  par 
Vauteur  de  la  Chronique  de  Pathos.  Mim,  de  VAcad,  des 
Inscr.  Tom.  XXVI^  p.200  ff.    Oeuvr.  compl.  Tom.  XI,  p.  121  ff. 


Gribch.^n.        V  381 

Ton  beideii  sind  uns  die  Archonten  niclit  bekanat«' 
Dafa  kutei^es .  das  wahre:  Epocb^njahr  sei,,  wenn  die 
Jahce,  wie  «ich  wol  nicht  ieweifelii  läfst,  yoll  gezählt 
sind ,  wii^  sich  leicht  dartfauii  lassen.  Doch  muf$  zu-* 
Yor  die  Epaehe  der  Jahce  ausgemitlelt  werden.  t 

Fr  er  ei  sucht  zu  beweisen,  dafs  die  Jahre,  nach, 
denen  die  Chronik  zählt,  gleich  d^n  olympischen  mit 
der  Sommerwende  anfangen.  Offenbar  rechnet  sie  nach 
Archonten  Jahren,  da  sie  seit  Creon  die  Epochen 
überall  mit  den  Namen  der  athenischen  Archonten  be- 
zeichnet. Es  fragt  sich  nur,  ob  man  schön  Yor  Ol.  87  fl 
den  Anfang  des  Archontenjahrs  auf  den  Hekatombäon 
zu  setzen  habe.  Ich  zweifele,  auch  .abgesehen  von 
Freret'/S  aus  der  Chronik  entlehnten  Gründen,  daran 
keinesweges.  Man  rei^leiche,.  was  oben  (291.)  hierü- 
ber gesagt  woi*den«  Ein  wunderlicher  Gedapke  you 
Gibert  *)  ist  es,  dafs  die  Jahre,  obgleich  en  stjle  at-- 
tique  ausgedrückt,  dennoch  keine  attische,  soiidern  pa- 
riscfae  sind,  die  sechs  Modat  später  als  die  attischen 
angefangen  haben  sollen.  Seine  Gründe  verdienen  keine 
Widerlegung^  ... 

Die  Namen  der  Arcfaosxten,  die  man  den  Epochen 
beigesetzt  findet ,  -  sind  mit  sehr  wenigen  Ausnahmen 
ganz  dieselben,  die  uns  die  Geschichtschreiber  nennen. 
So  wiixl  die  Schlacht  bei  Sali^iis  ganz  richtig  unter,  den 
Archon  Calliades(OL  75,1),  die  bei  Platää  unter  den 
Ai'chon  Xanthippus  (Ol.  75,2),  der  Tod  des  Socrates 
unter  den  Archon  Laches  (01.95,1),  die  Schlacht  bei 
Leuctra  unter  den  Archon  Phrasiclides  (Ol.  102,2) 


^)     Observations  sur  la  Chronigue  de  Faros,  Mdm  de  VAcad, 
des  Inscr.  Tom.  XXm,  p.61  ff. 


382  Technische  Chronologie. 

U.S.W*  geseut.  Die  einzige  wesentlichie  Abweichung 
der  Cfarouik  voa  dem,  waa  wir  Boast  von  den  Arcbon- 
ten  wissen,  besteht  darin,  dafs  sie  cwischen  der  6l4ten 
Epoche,  die  mit  dem  Avchon  Diphilus  (01.84,3), 
und  der  62sten,  die  mit  dem  Archon  Astyphilus 
(01.90,1)  bezeichnet  ist,  23  Jahre  rechnet,  da  das 
Interyall  zwischen  beiden  Archonten  nur  22  beirägt. 
Hieduix;h  wird  jede  frühere  Epoche  um  ein  Jahr  wei- 
ter zurückgeschoben  als  es  die  griechischen  Annalen  mit 
sich  bringen.  So  sollen  seit  der  Schlacht  bei  Salamis 
217  und  seit  der  bei  Leuotm  107  Jahre  yerflossen  sein« 
Zwischen  beiden  werden ,  wie  man  sieht,  1 10  Jahre  ge- 
zählt, da  doch  vom  Boedromion  Ol.  75^1  bis  zum  He- 
katombiion  01.102,2  noch  nicht  ToUe  109  Jahre  verflos- 
sen sind.  Eine  Folge  davon  ist,  dafe  man  bis  zur  6i8ten 
Epoche  die  m  der  Chronik  bemerkten  Jahre  zu  263, 
hingegen  von  der  62sten  an  zu  264  zu  addii'en  bat, 
wenn  mate  das  richtige  Jahr  v.Chr.  verlangt,  dem  die 
jedesmalige  Epoche  entspri^t.  So  gehört  die  Schlacht  bei 
Salamis  in  das  Jahr  217  +  263  a  480,  und  die  ScUachl 
bei  Leuctra  in  das  Jahr  107 +264  =  371  v.Chr. 

Zugleich  erhellet  aus  dieser  Darstellung,  durch  die 
alle  Schwierigkeiten  beseitigt  weisen,  welche  man  in  der 
Jahrrecfanung  der  Marmorcbronik  gefunden  hat,  daft 
ihr  Wahres  Epodienjahr  Öl.  129,1  oder  264  v.Chr.  sein 
müsse. 


Gribcher: 


383 


Tafel  I. 


Der  metonsche  Kanon. 


Jahre 

de» 
CyAu. 

f 

s 

1 

1 

1 

l 

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\  i 

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0 

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► 

B 
•8 

1 
8 

1 

^ 

^ 

1 

355 

30 

30 

29 

3£» 

^9 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

2 

354 

29 

30 

29 

30 

C9 

30 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

B.  3 

384 

30 

29 

30 

29 

JO 

29 

30 

29 

30 

30 

29 

30 

29 

4 

354 

30 

29 

30 

2'i 

.30 

29 

30 

29 

30 

29 

3Ö 

29 

B.  5 

384 

30 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

6 

355 

30 

29 

30 

3<i  1^9 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

7 

354 

29 

30 

29 

30 

39 

30 

29 

30 

30 

29 

30 

29 

B.  8 

384 

30 

29 

30 

29 

JO 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

30 

29 

9 

354 

30 

29 

30 

29 

,iO 

29 

30 

29 

30 

29 

30  29 

10 

355 

30 

29 

30 

30 

:9 

30 

29 

30 

29 

30 

29;  30 

B.  11 

384 

29 

30 

29 

3u 

29 

30 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

12. 

354 

29 

30 

29 

3<l 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

30 

29 

B.  13 

384 

30 

29 

30 

29 

iO 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

lA 

354 

30 

29 

30 

2f* 

10 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

15 

355 

30 

29 

30 

29 

JO 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

B.  16. 

384 

29 

30 

29 

30 

^9 

■30 

29 

SO 

30 

29 

30 

29 

30 

17 

354 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

18 

354 

30 

29 

30 

29 

\o 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

Ib.  19 

384 

30 

29 

30 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

384  Technische  Chronologie. 

Tafel  n. 


Yergleichung  des  metonschen  Kanons 


Erster  Cyclu«. 

Zweiter  Cjclus. 

Jabic. 

iabre 
«.  Cbr. 

l.Heka- 

j«bi« 

Cjcliu. 

OlyapiaatR-    Jakre 
Jak«.          ».  Cfcr. 

= 

1 

Ol. 

87,1 

432 

16.  Jul. 

1 

i 

b.4l3ll6.Jul.  \| 

2 

2 

431 

6.  Jul. 

2 

Ol. 

92,1 

412' 

6.Jul.  I 

B.    3 

3 

430 

25.  Juo. 

B.    3 

2 

411 

25.  Jun. 

4 

4 

b.429 

13.  Jul. 

4 

3 

4iO 

14.  Jul.  , 

B.    5 

Ol. 

88,1 

428 

2.  Jul. 

B.    5 

4 

b.409 

2.  Jul. 

6 

2 

427 

21.  Jul. 

6 

Ol. 

93,1 

408 

21.  Jul. 

7 

3 

426 

11.  Jul. 

7 

2 

407 

11.  Jul. 

B.    8 

4 

b.  425  29.  Jon. 

B.    8 

3 

4o6ljO.  Jun. ! 

9 

Ol. 

89,1 

424  IS.Jul. 

9 

\ 

hAoslts.  Jul.  1 
4o4    7.  Jul. 

10 

2 

423 

7.  Jul. 

10 

Ol. 

94.1 

B.  11 

3 

422 

27.Jun. 

B.  11 

o 

403127.  Jun.  J 

12 

4 

b.421 

15.  Jul. 

12 

3 

402 1 16.  Jul.  1 

B.  13 

Ol. 

90,1 

420 

4.  Jul. 

B.  13 

4|b.40i 

4.  Jul.  • 

14 

2 

4l9  23.  Jul. 

14  Ol. 

95.1 

400 

23.  JuJ. 

15 

3 

4l8|l2.Jul. 

15 

2 

399 

12,  Jul. 

B.  16 

4 

b.4l7 

l.Jul. 

B.  16 

3 

398 

2.  Jul.' 

17 

Ol. 

91,1 

416 

20.  Jul. 

17 

4;b.397 

20.  Jul. 

18 

2 

415 

9.  Jul. 

18 

Ol. 

96,1 

396 

9.  Jul. 

B.  19 

3 

4i4 

28.  Jun. 

B.  19 

2 

395 

28.  Jun. 

Griecreit. 


386 


mit  dem  julianischen  Kalender. 


Dritter  Cyclus. 

Vierler  Cyclus.            1 

Jahre 
des 

Cyclo.. 

OlympUden. 
Jahre. 

Jahre 
».  Chr. 

1.  Heka- 
tombäen. 

Jahie 

des 

Cyda^ 

Olymptade«. 
Jahr«. 

J.hra       1.  H.k.r 
T.  Ckr.     Mmbtea. 

1 

3 

394  17.  Jul. 

1 

2 

375|l7.Jul. 

2 

4 

b.393|  6.  Jul. 

2 

3 

374 

7.  Jul. 

B.    3 

Ol. 

97.1 

392  25.  Jun. 

B.    3 

4 

b.  373 '25.  Jun. 

4 

2 

391  14.  Jul. 

4 

öl.  102,1 

372  14.  Jul. 

B.    5 

3 

390    3.  Jul. 

B.   5 

2 

371    3.Jui; 

6 

4b.389  21.Jul. 

6 

3 

370  22.  Jul. 

7  01. 

98,1 

388  11.  Jul. 

7 

4 

b. 369*11.  Jul. 

B.    8 

2 

'    387  30.  Jun. 

B.    8 

Ol.  103,1 

368 130.  Jun. 

9 

3 

386 '19.  Jul. 

9 

2 

367!l9.Jul. 

10 

4  b.  385    7.JuL 

10 

3 

366 

8.  Jul.  1 

B.  11  Ol. 

99,1 

384  27.  Jun. 

B.  11 

4 

b.  365  27.  Jun.  | 

12 

2 

383  16.  Jul. 

12.01.  104,1 

364 

16.  Jul. 

B.  13 

3 

382 1  5.  Jul. 

B.  13 

2 

363 

5.  Jul. 

14 

4 

b.381  23.  Jul. 

14 

3 

362 

24.  Jul. 

15|0L 

100,1 

380 '12.  Jul. 

15 

4 

b.36l 

12.  Jul. 

B.  16 

2 

379    2.  Jul. 

B.  16  OL  105,1 

.360 

2.  Jul. 

17 

3 

378  21.  Jul. 

17 

2 

359  21.  Jul. 

18 

4  b.  377    9.Jul. 

18 

3 

358  10.  Jul. 

B.19OI. 

101,1      376  28.Jun. 

B.19 

.4 

b.  357  28.  Jun. 

psi 


386 


Technische  Chronologie. 


Yergleichung  des  metonschen  ILanons 


Fünfter  Gyclus. 

Sechster  Cjclus.            1 

Jakn 
Cyd«. 

jdii«. 

Jahr« 
T.  Chr. 

1.  H«k*- 
tonbära. 

d«f 

CjcUft. 

Olji^iadcB-     Jakt«  j  1.  Hdia-    /] 

1 

Ol.  106,1 

356 

l7.JuL 

1              4b.337ll7.Jul.ll 

2 

2 

355 

7.  Jul. 

2  01.111,11     336\  7.  Jul.  11 

B.    3 

3 

354 

26. Juo. 

B.    3 

2 

335^26.  Jun.  J 

4 

4 

b.353 

14.  Jul. 

4 

3 

334 

15.  Jul. 

B.   5 

Ol.  107,1 

352 

3.JuL 

B.   5 

4 

b.333 

3.  Jul 

6 

2 

351 

22.  Jul. 

6  Ol.  112,1 

332 '22.  Jul 

1 

3 

350 

12.  Jul. 

7 

2 

331  12.  Jul. 

B.   8 

4 

b.349 

iO.Jun. 

B.    8 

3 

3io\   l.Jul. 

9 

Ol.  108,1 

348 

19.  Jul. 

9 

4 

b.329  19.  Jul.  j 

10 

2 

347 

8.  Jul. 

10 

01.113,1 

328 

S.JuI.  1 

B.11 

3 

346 

28.  JuDv 

B.11 

2 

327 

28.  Jun.ll 

12 

4 

b.345 

16.  Jul. 

12 

31     326' 17.  Jul.  K 

B.  13 

Ol.  109,1 

344 

5.  Jul. 

B.  13 

4  b.  325 

5.  Jul 

14 

2 

343 

24.  Jul. 

14 

(M.  ll4,i 

324 

24,  Jul. 

15 

3 

342 

13.  Jul. 

15 

2 

323 

13.  Jul 

B.16 

4 

b.34l 

2.  Jul. 

B.  16 

3 

322 

3.  Jul.! 

17 

OL  110,1 

340 

21.  Jul. 

17 

4 

b.321 

21.  Jul.! 

18 

2 

339 

10.  Jul. 

18 

Ol.  115,1 

320 

10.  Jul.  1 

B.  19 

3 

338 

29.  Jun. 

B.  19 

2 

319 

29.  Jun.  1 

Griechen. 


387 


mit  dem  julianischen  Kalender. 


Siebenter  Cyclus. 

Achter  Cyclus. 

da 
Cyclo«. 

oip-pi-a«. 

Jahre. 

J«Lr« 
T.  Chr. 

1.  Heka- 
tombaon. 

Jakre 

de« 

Cyclo«. 

Olympiade«. 
Jahre. 

Jahr. 
T.  Chr. 

1.  Heha- 
tomhaon. 

1 

3 

318 

18.  Jul. 

1 

2 

299 

18.  Jul. 

2 

4 

b.3l7 

7.  Jul. 

2 

3 

^98 

8.  Jul. 

B.    3 

Ol.  116,1 

316 

26,  Jun. 

B.    3 

4 

b;297 

26.  Jun. 

4 

2 

315 

15.  Jul. 

4 

Ol.  121,1 

296 

15.  Jul. 

B.    5 

3 

314 

4.  Jul. 

B.    5 

2 

295 

4.  Jul. 

6 

4 

b.313 

22,  Jul. 

6 

3 

29h 

23.  Jul. 

7 

Ol.  117,1 

312 

12.  Jul. 

7. 

4 

b.293 

12.  Jul. 

B.    8 

2 

311 

l.Jul. 

B.    8 

Ol.  122,1 

292 

l.Jul. 

9 

3 

310 

20.  Jul. 

9 

2 

291 

20.  Jul. 

10 

4 

b.309 

8.  Jul. 

10 

3 

290 

9.  Jul. 

B.  11 

Ol.  118,1 

308 

28.  Juo. 

B.  11 

4 

b.289 

28.  Jun. 

12 

2 

307 

17.  Jul. 

12 

Ol.  123,1 

288 

17.  Jul. 

B.  13 

3 

306 

6.  Jul. 

B.  13 

2 

287 

6.Jul. 

14 

4 

b.305 

24.  Jul. 

14 

3 

286 

25.  Jul. 

15 

Ol.  119,1 

304 

13.  Jul. 

15 

4 

b.285 

13.  Jul. 

B.  16 

2 

303 

3.  Jul. 

B.16 

Ol.  124,1 

284 

3.  Jul. 

17 

3 

302 

22.  Jul. 

17 

2 

283 

22.  Jul. 

18 

4 

b.301 

10.  Jul. 

18 

3 

282 

11.  Jul. 

B.  19 

Ol.  120,1 

300 

29.  Juo. 

B.  19 

4 

b.28I 

29.  Jun. 

[2S«1 


388  Technische  Chronologie. 

Tafel  m. 


Der  calllppische  Kanon  *). 


Jahn 

Periodk 

i 

[ 

1 

Ü 

1 

i 

1 

1 

i 

r 

0 
l 

l  l  f  f'fi 

20 

355 

30 

29   30   29 

30   29 

30.30^29|30,29    3o|| 

21 

354 

29 

30   29    30 

29 

30 

29 

30\29\30\ 

30.29 

B.  22 

384 

30 

29   30   29 

30 

29 

30    29 

30    29 

30 

29|3o| 

2^ 

354 

29 

30   30    29 

30 

39 

30 

29    30 

29 

30    29, 

B.24 

384 

30  1  29 

30   29 

30J30 

29 

30 

29   30 

29 

30   29\ 

25 

355 

30  1  29 

30 

29 

30|29 

30 

29 

30 

30 

29   30] 

26 

354 

23 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30' 

B.27 

384 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29   30129 

30i 

28 

354 

29 

30 

29 

30 

30.29 

30   29 

30J29    30^29^1 

29 

355 

30 

29 

30 

29 

30    29 

30   30    29   30    29    30 

B.  30 

384 

29 

30 

29 

30 

29    30 

29 

30I29   30    29Uo\äO, 

31 

354 

29 

30 

29 

30 

29!  30 

29  .  30  ,  29  1 30  ( 

29J30i 

B.32 

384 

29 

30 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30  j  29 '30 

29 '30, 

33 

354 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

30 

29 

30 

29 

30   29 

34 

355 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

30 

29   30 

B.  35 

383 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29  j  30 

29   30U9I 

36 

355 

30 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30    29  30| 

37 

354 

29 

30 

29 

30 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30  1  29! 

B.38 

384 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30  '  30  '  29 

30   29 

')    Für  die  ersten  19  Jahre  gilt  der  metonsche  Kanon. 


Gaibghbiv. 


389 


Der  callippische  Kanon. 


Jahr« 

der 

Perioae. 

1 

f 

1 

$ 

I 

8 

s 

0 
1 

• 

r 

^ 

1 

? 

39,355 

30 

2\i.  10    29 

30    29 

30   29 

30 

29 

30 

30 

40 

354 

29 

30    29 

30 

29   30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

B.  41 

384 

29 

30  !  29 

30 

30   29 

30   29 

30 

29   30 

29 

30 

42 

354 

29 

30  ,  29 

30 

29,30 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

B.  43^  384 

30 

2V  1  iO 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

30 

29 

44  354 

30 

2!i    JO 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

45  355 

30 

30    C9 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

B.46 

384    29 

30    29 

30  i 

29 

30    30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

47 

354  ,  29  l-SO    29 

30 

29 

30 

29 

30 

30   29 

30 

29 

48  354 

30 

2!>    JO 

29 

30 

29 

30 

29 

30   29 

30 

29 

B.  49  384 

30 

30*29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

50 

355 

30 

29    30 

30 

29   30 

29 

30 

21) 

,30 

29 

30 

B.  51 

384 

29 

30    29 

30 

29 ',30 

29 

30 

30 

29 

30 

29 

30 

52 

354 

29 

30 

29 

30 

29.30 

29 

30 

1 

29 

30 

30 

29 

53 

354 

30 

29 

30 

29 

30,29 

30 

29 

30 

29*30 

29 

B.  54' 384 

30 

29 

30*30 

29130 

29;  30 

29 

30 

29   30 

29 

55 [355 

30  1  29  ,  30 

29  [30   30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

56  354 

29 

30 

29 

30  1  29   30 

29 

30 

29 

30 

30 

29 

B.  57  384 

30 

29 

30 

29 

30    29   30  j  29 

30   29 

30 

29 

30 

390 


Technisclie  Chronologie. 


Der  callippische  Kanon. 


Jtkn 

I 

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1 

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1 

9 

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1 

1 

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58 

354 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29\30\29H 

59 

355 

30 

29 

30 

29 

30 

30 

29 

30 

29' 

30l 

29 1 

30 

B.60 

384 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

30 

29 

30 

29 

30 

61 

354 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

B.63 

384 

30 

2? 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

63 

354 

29 

30 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30' 

29 

30 

29 

64 

355 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

30 

29 

SO 

29 

30  j 

B.65 

384 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

S0I29 

30 

66 

354 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30   29130129    30J| 

67 

354 

29 

30 

30 

29 

30 

29 

30 

29   3to   29   30    29(1 

B;68 

•384 

30 

29 

30 

29 

30 

30 

29 

30 

29 

30   39   30\29ll 

69 

355 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30]29 

ao] 

30\29 

30; 

B.  70 

384 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29,30 

30 

71 

354 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30j29 

30 

72 

354 

29 

30 

29 

30 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

B.  73 

384 

30 

29 

30 

29 

30   29 

30 

30 

29 

30 

^9 

30 

29 

74 

355 

30;29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30,29 

30 

30 

1 

75 

354 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

JO 

B.76 

383 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

29 

30 

»] 

Grisgheu« 


391 


Ti^el  IV. 


Vergleichung  des  calllpplschen  Kiinons 
mit  dem  julianischen  Kalender. 


JdllC 

der 
Period«. 

1.  HthMO». 
baon. 

J«br« 

der 

ferwdc 

biOII. 

J«iii« 

der 
Penode. 

1.  BeletoM- 
bien. 

Jahn 

der 

Periode. 

LHelatoa- 
häon. 

1 

28.  Jun. 

20 

28.  Jun. 

39 

28.  Jun. 

58 

28.  Jun. 

2 

17.  Jun. 

21 

18.  Jun. 

40 

18.  Jun. 

59 

17.  Jun. 

B.    3 

6.  Jun. 

B.22 

6.  Jun. 

B.41 

7.  Jun. 

B.60 

7.  Jun. 

4 

25.  Jun. 

23 

25.  Jun. 

42 

25.  Jun. 

61 

26.  Jun. 

B.    5 

l4.  Jun. 

B.24 

l4.  Jun. 

B.43 

l4.  Jun. 

B.62 

l4.  Jun. 

6 

2.  Jul. 

25 

3.  Jul. 

44 

3.  Jul. 

63 

3.  Jul. 

7 

22.  Jun. 

26 

22,  Jun. 

45 

22.  Jun. 

64 

22.  Jun. 

B.    8 

11.  Jun. 

B.27 

11.  Jun. 

B.46 

11.  Jun. 

B.65 

12.  Jun. 

9  30.  Jun. 

28 

30.  Jun. 

47 

30.  Jun. 

66 

30.  Jun. 

10  18.  Jun. 

29 

19.  Jun. 

48 

19.  Jun: 

67 

19.  Jun. 

B.U 

8.  Jun. 

B.  30 

8.  Jun. 

B.49 

8.  Jun. 

B.68 

8.  Jun. 

12 

27.  Jun, 

31 

27.  Jun. 

50 

26.  Jun. 

69 

27.  Jun. 

B.  13 

16.  Jun. 

B.32 

l6.  Jun. 

B.51 

16.  Jun. 

B.70 

16.  Jun. 

iA 

4.  Jul. 

33 

5.  Jul. 

52 

5.  Jul. 

71 

5.  Jul. 

15 

23.  Jun. 

34 

23.  Jun. 

53 

24.  Jun. 

72 

24.  Jun. 

B.  16 

13.  Jun. 

B.35 

13.  Jun. 

B.54 

12.  Jun. 

B.73 

13.  Jun. 

17 

2.  Jul. 

36 

l.Jul. 

55 

'  l.Jul. 

74 

l.Jul. 

18 

20.  Jun. 

37 

21.  Jun. 

56  21.  Jun. 

75 

21.  Jun. 

B.  19 

9.  Jun. 

B.38 

9.  Jun. 

B.  57|  10.  Jun. 

B.76 

10.  JUD. 

393  Technische  Chronologie. 

Von  dem  Gebrauch  vorstebender  Tafebi  ist  oben 
(334,  335,  349)  das  Nöthige  gesagt  worden.     Hier  nur 
noch  die  Bemerkung,  dafs  die  erste  callippische  Periode 
mit  Ol.  112,3  im  Sommer  330,  die  zweite  mit  Ol.  131  3 
im  Sommer  254,  die  dritte  mit  Ol.  150,3  im  Sommer 
178 v.Chr.    ihi^n  Anfang   genommen   hat.      Ob   diese 
Zeitrechnung  noch  länger  unverModert  gebiieben ,   oder 
ob  die  Verbesserung,   die  sie   durch  den  Astronomen 
Hipparch,  der  wähix:nd  ihrer  dritten  Periode  beob- 
achtete,   erfahren    haben    soll  (352),    m  Athen   oder 
sonst   irgendwo    ins    Leben   geU^eten  ist,    wissen  wir 
nicht  mit  Sicherheit. 


Vierter  Abschnitt. 

Zeitrechnntij^  der  Macedonier,  asia- 
tischen Griechen  und  Syrer. 


twwv*f%^tv%n/% 


D 


^e  MaoedoTiieT  waren  dem  Ui*sprunge,  der  Sprache 
und  den  Sitten  nacli  den  Griechen  yei'wandt,  wenn  sie 
diesen  gleich  an  Cullur  sehr  nachstanden,  und  ihnen 
daher,  selbst  noch  zu  Demosthenes  Zeil,  für  ein  halb 
barbarisches  Volk  galten.  Man  wird  also  leicht  eraeh- 
ten^  dafii  auch  ihre  ZeitrcchnuDg  einen  der  griechischen 
analogen  Charakter  gehabt  haben  müsse,  und  hiei*an 
lassen  die  Nachrichten,  die  von  dem  altera  Zustande 
derselben  auf  uns  gekommen  sind,  auch  wu*klich  nicht 
zweifeln,  so  zerstreut  und  dürftig  sie  sein  mögen. 

Ihre  Monate,  über  deren  Namen  und  Anordnung 
nie  ein  Streit  geherrscht  hat,   waren  folgende: 


1) 

Aiog 

Dius. 

2) 

'AtteXXcuo^ 

Apelläus. 

3) 

Avdwouo^ 

Audynäus. 

4) 

Uepmo^ 

Peritius. 

5) 

Avfpog 

Dystrus. 

6) 

iSjoy^-uco^ 

Xanthicus. 

7) 

'Apniiio'iog 

Artemisius. 

8) 

Aaurio$ 

Däsius. 

9) 

nÄVCjüiog 

Panemus. 

10) 

A<?05 

Löus. 

11) 

TopTTUUO^ 

Gorpiäus. 

12) 

'TmpßspsTOUog 

Hyperberetäus. 

394  Technische  Chronologie. 

Für  Udninß^  kommt  auf  Denkmälern  auch  Ilayijpog  vor. 
Es  findet  sich  nii^nds  bemerkt,  daüs  das  macedonische 
Jahr  mit  dem  Dias  anfing,  ah<er  wohl,  dals  es  mit  dem 
Hyperberetäus  endigte.  Z  e  n  o  b  i  u  s  versichert  dies  ') 
bei  Gelegenheit  der  EriJärung  eines  SpricI^worls ,  und 
nach  ihm  Suidas  ')• 

Dafs  die  maoedonischen  Monate  nach  den  Mond- 
phasen abgemessen  waren,  bt  meines  Wissens  nur  von 
Usher  ^),  Longuerue  ^)  und  Hrn.  Champollion- 
Figeac  *)  bezweifeit  worden.    Der  erste,  dem  der  zweite 
in  der  Hauptsache  beitritt,  glaubt,  dafa  das  Sonnen)ai\ir 
mit   maoedonischen   Monaten,    welches   wir    seit   den 
ecslea  Jahrhunderten  unserer  Zeitrechnung   in  Kkin* 
asien  und  Syrien  antreflen,  in  Macedonien  bereits  seit 
Alexander   im  Gebtauch  gewesen  sei.    Der  dritte  hat 
neuerdings  die  Hypothese  auigesteUt,  dafs  die  Maoedo- 
nier  ein  Jahr  von   354  Tagen   ohne  alle  Einschaltung 
gehabt  haben,  dessen  Monate  mithin  in  etwa  drei  und 
dreüsig  unserer  Jahre  den  ganzen  Cjdus  der  Jahrszei- 
ten durdilielen.    Er  nennt  ein  solches  Jahr  ein  Moiid.- 


*)  napc2  Moxi^oVcy  •  TiXtirrarof  pijr  vov  Ivmvtov  *Tinpßtp»raiec 
my^i^.    Proverb,  Cent.  VI,  no.  30. 

')     Y. 'TmpßipiTaftOC. 

')  lacobi  Usserii  de  Macedonum  et  Jsianorum  anno  so- 
iari  dissertatio ,  cum  Graecorum  astronomorum  paraptgmate 
ad  Macedonici  et  luiiani  anni  rationes  accommodato ,  der  gen- 
fei' Ausgabe  seiner  Jnnales  veteris  et  novi  TV^tome/i/i  (1722,  Fol ) 
beigednickt. 

*)  In  der  Abhandlung  De  anno  solari  Macedonum.  S.  seine 
DUsertationes  de  variis  epochis  et  anni/orma  veterum  (Leip- 
zig 1750,  4)  p.l  ff. 

")  AnnalcM  des  Lagides  Tom.  I,  in  dem  Ahscltniu  über  die 
Epoche  Ton  Akxander'i  Tode,  p. 60- 178. 


Magbdonibr  und  Strbr.  396 

jähr,  und  die  abwechselnd  ans  neun  und  zwanzig  und 
dreifkig  Tagen  besiehenden  Monate  Mondmonate ,  ohne 
zu  bedenken,  dafs  das  eigentliche  Mondjahr  beinahe 
neun  Stunden  länger  ist,  dals  also  ein  Kalender,  der' 
diesen  Ueberschuis  unberücksichtigt  Itiist,  schon  nach 
wenigen  Jahren  merklich  vom  Monde  abweichen  mnfa. 
Das  Sonderbare  einer  solchen  Zeitrechnung,  die  sidi 
weder  mit  der  Sonne  noch  mit  dem  Monde  ausgleicht, 
würde  yon  den  allen  Schriftstellern  gewiis  nicht  uner- 
wähnt geblieben  sein ,  wenn  sie  wiirklich  bei  den  Mace* 
doniem  im  Gebraueh  gewesen  wäre ;  aber  nirgends  fin- 
det sich  die  mindeste  Spur  davon. 

Das  Wahre  von  der  Sache  ist,  dafs  die  Macedonier 
vor  Annahme  des  julianischen  Kalenders  gleich  allen 
übrigen  Griechen  ein  gebundenes  Mondjahr  gehabt 
haben«  Dies  erhellet  zuvörderst  daraus,  dafs  nirgends, 
wo  macedbnische  und  attische  Monate  mit  einander  ver- 
glichen vorkommen,  eine  Yerscbiedenheit  ihres  Gehalts 
angedeutet  wird ,  was  doch  der  Fall  sein  müfste ,  wenn 
die  gedachten  Gelehrten  Recht  hätten.  So  heilst  es  in 
einem  Schreiben,  das  Philippus  von  Maoedonien,  als  er 
von  den  Amphictyonen  zum  Heerführer  der  Griechen 
gegen  die  Locrer  von  Ampbissa  ernannt  worden  war, 
an  die  Feloponneser  erliefs:  „Begebt  euch  mit  Waffen 
„und  Lebensmitteln  auf  vierzig  Tage  versehen  nadi 
„Fbocis,  im  gegenwartigen  Monat,  den  wir  Lous,  die 
,, Athener  Boedromion,  die  Corinther  Panemus 
„nennen  ').^'  Offenbar  waren  diese  Monate  von  gleichem 


BorfiponiSvog,  taq  }^Kop(Vi&(«t  Ilaytfiev.  Demosthenes  de  Corona, 
Orat.  Graeci  Vol.  I,  p.2W. 


396  TecJmische  Chronologie. 

Chankter ,  da  sie  in  einem  militäriachen ,  grolae  Be* 
slimmüieit  erfordernden,  Befehl  so  ohne  alle  Beschrän- 
kung zusammengestellt  werden.  I 

Einen  iemei*n  Beweis,  dafs  die  maoedonischen  Mo- 
nate  nach  den  Uoudphasen  abgemessen  wuitlen,  geben        | 
drei  von  Plolemäus  angeführte,  von  dtnCbaldäem  zu        I 
Babylon  angeslelile,  Beobachtungen  des  Merkur  und  Sa* 
turn  C^05,  223).    Sie  sind  durch  maoedoaische  und,  eben 
so,  wie  alle  übrige  von  ihm  angefübrle  Beobachlungen, 
durah  agyi)lische  Data  und  Jahre  der  nabonassarischen 
Aere  bezeichnet.   Auf  den  julianischen  Kalender  ixHlucirt 
ist  die  erale  am  19.  November  Morgens  im  Jahr  245,  die 
iweile  am  30.  Okiober  Moi*gens   im  Jahr  237  und  die 
drille  am  1.  Man  Abends  im  Jahr  229  v.Chr.  angestellt 
worden.     Das  roacedonische  Datum  der  ej*sten   ist  der 
5.  Apelläus,  das  der  zweiten  der  l4.Dius,  das  der  drit- 
ten der  5.  Xanlhicus.      Da  die    Maoedonier  iht^e   Tage 
höchst  wahi^heinlich  eben  so,  wie  alle  iibri^  Griechen 
des  Abends  angefangen  haben,  und  die  Cbaldäer  ihnen 
beim  Gebrauch  ihrer  Monate  hierin  vermuChVich  g^foAgt 
sind,  so  hat  der  Apelläus  im  Jahr  245  am  14.  Novem« 
ber,   der  Dius  im  Jahr  237  den  16.  Oktober  und  der 
Xanlhicus    im  Jahr   229   den    26.  Febiiiar  begonnen. 
Die  entsprechenden   wahren  Neumonde  ereigneten  sich 
nach  meiner  Berechnung  den  13.  November  um  1  U.  40' 
Morgens,   den  15.  Oktober  um  10  U.  43'  Abends,   und 
den  24.  Februair  um   ilU.l'  Moi*gens   nach  mittlerer 
babylonischer  Zeit«     ErwSgt  man  nun,   dafs   die   erste 
Erscheinung  der  Mondsichel  in  der  Abenddämmerung, 
die  den  Anfang  der  griechischen  Monate  bedingte,  erst 
einen  oder  zwei  Tage  nach  dem  wahren  Neumonde  ein- 
treten kann,  so  wird  man  zugestehen  müsseui  dala  diese 


Magedonier  und  Streb.  397 

drei  Monate  sehr  gut  mit  dem  Himmel  übereinstimm- 
ten, was  man  doch  nicht  etwa  fiir  einen  blofsen  Zu* 
fall  halten  ivird. 

Wir  finden  hier  die  maoedonischen  Monate  in  Ba- 
bylon.     Nach  Malelas  war  es  Seleucus  Nicator, 
der  Stifter  des  seleu<;idiscthen  Reichs,  der  die  syrischen 
Monate    mit   macedonischen   Namen    zu  benennen   ger- 
bet *)•      Es  ist  möglich,  dals  er  den  macedonischen  Mo« 
naten    zuei'st  den  gesetzlichen  Stempel    aufdrückte;   sie 
waren    aber  gewi(s  schon  früher  durah  Alexander  nach 
Babylon  gekommen.     Dui*ch  die  Eroberungen  dieses  Kö« 
nigs  wurden  sie  weit  über  Asien  verbrailet,   besonders 
seitdem  seine  FeldiieiTen  sich  in  sein  git>fses  Reich  ge- 
tlieilty    und   in  die  voraehmslen  iheils  vorgefundenen, 
theils   neuerbaulen  Sudte  niiliiarische  Kolonien  einge- 
führt halten.     Die  asiatischen  Völker  machten  sich  nun 
unter  andern  Instituten  auch  die  Jabrform  und  Monats- 
namen der  Maoedonier  zu  eigen,   so  wie  späterhin  fast 
alle  Provinzen  des   römischen  Reichs   den   julianischen 
ILalender  von  ihren  Beherrschex*n  annahmen. 

Besonders  häuGg  treffen  wir  die  macedonischen  Mo- 
nate in  Kleinasien  und  Syrien  seit  dem  ersten  Jahrhun- 
dert unserer  Zeitrechnung  an,  wo  sie  in  Sonnenmonate 
umgeprägt  ei*8cheinen.  Aber  auch  schon  früher  kom-" 
men  sie  hin  und  wieder  aufser  den  Glänzen  des  Mut- 
terlandes in  ihrer  ui*sprÜDgIichen  Gestalt  vor.  So  steht 
in  der  Inschrift  von  Rosette  neben  dem  IS.  Mechir 


MtUvof  ovofui^t^Bmt.    Mist.  Chron.  (  Oxford  1691 )  Th.  I,  S.  257. 


398  Techmsche  Chronologie. 

der  Ägypter  der  4.  Xanthicus  der  Maoedonier  ^).  Das 
jcdianiache  Datum  ist,  wie  oben  (123)  geaeigt  worden, 
der  27. März  196 v.Chr.  Der  Xanthicus  nahm  hiernach 
am  Abend  des  23.  Mara  seinen  An&ng.  Da  sich  nun 
der  wahre  Neumond  nach  meiner  Berechnung  zu  Mem- 
phis den  20.  März  um  8U.  Abends  ereignete,  so  sieht 
man,  dafii  auch  dieser  Monat  seinen  Innariseiien  Cha- 
rakter nicht  verleugnet,  wenn  er  gldch  richtiger  um 
einen  oder  zwei  Tage  früher  hatte  anfangen  sotten. 

Dann  wird  eben  dieses  Xanthicus  auch  ein  paar- 
mal im  zweiten  Buche  der  Makkabaer  gedacht  ^) ,  bei 
Gelegenheit  der  Friedensunlerhandlungen  zwischen  dem 
Antiochus  Eupator  und  den  Makkabäem.  Eben  da- 
selbst^) ist  ein  Schreiben,  weldies  Lysias,  der  Vormund 
und  General  dieses  Kcinigs,  an  die  Juden  erlieft,  vom 
24sten  des  Monats  Aio^co/oivS'fou  datirt.  Man  hat  Autu 
Kopu^im)  emendiren  wollen,  in  der  Voraussetzung,  dais 
ein  corinthischer  Monat  des  Namens  Dius  gemeint 
sei.  Allein  nicht  zu  gedenken,  dais  ein  solcher  nir* 
gends  weiter  vorkommt,  begreift  man  nicht,  wie  ein 
syro-macedonischer  Feldherr  ein  offizielles  Schreiben  an 
die  Juden  nach  einem  corinthischen  Monat  habe  datiren 
können.     Vermuthlich   ist  die  Lesart   Dioscori   der 


*)  BCan  sieht  hieraut,  dafs  wenigstens  unter  den  friiliem  Pto- 
lemäem  die  macedoniscben  Monate,  ab  die  vaterländischen  der 
heiTschcnden  Dynastie,  in  öffentlichen  Acten  neben  den  ägyp- 
tischen genannt  wurden.  Späterhin  scheint  dies  nich^  mehr  ge- 
schehen zu  sein.  Wenigstens  kommt  in  dem  Raufcontract 
des  Nechutes  (124)  kein  maccdonisches  Datum  weitei*  top. 

*)    XI,  30  und  33. 

')    ▼.21. 


Maoedonier  und  Strer.  399 

Yttlgata  die  ricbtige.    Im  Etymologicum  Magnnm 
nämlich  kommt  Atognopo^  als  Name  eines  Monats  vor  ^). 
Auch  findet  sich  ein  solcher,  wie  wir  unten  seben  wer- 
den, im  Kalender  der  Creter.    Scaliger  glaubt  nun  '), 
dafs  der  Schaltmonat  der  Macedonier,  der  sonst  niiv 
gends  erwähnt  wird,   Dioscorus  oder  Dioscurus  ge- 
heifsen  habe,  eine  Hypothese,  die  bei  den  Chronologen 
vielen    Beifall   gefunden  bat.     Nur  über  die   Stellung 
dieses    Schaltmonats    ist   man   nicht   ganz    einig.      Der 
Pater  Frölioh  ')  nimmt  an,   dafe  er  deto  Hyperbere^ 
täus ,  dem  letzten  Monat  des  macedonischen  Jahrs ,  ge- 
folgt sei.     Dies  mufs   auch  die  Meinung  des  syrischen 
Uebersetzers  gewesen  sein,  der  statt  Dioscorus  den  zwei- 
ten Thischri  schreibt;  der  Thischri  der  Hebräer  oder 
erste  Thischri  der  Syrer,    wird   aber-  yom  losephus 
mit  dem  Hyperberetäus  verglichen.    Den  chronologischen 
Schwierigkeiten,   die  sich  bei  dieser  Ansicht  ergeben, 
weifs  Frölich  nicht  anders  als  dadui*ch  zu  begegnen, 
dafs  er  den  Verfasser  des  zweiten  Buchs  der  Makkabäer 
für  einen  verworrenen  Gesdiichtschreiber  erklärt.    Statt 
jedoch  diesen  Vorwurf,  im  vorliegenden  Falle  ohne  Noth, 
auf  ihm  haften  zu  lassen,  wollen  wir  lieber  annehmen, 
dafs   der  Scbaltmonat   im  syrischen  Jahr,   eben  so  wie 
im  jüdischen,  zunächst  vor  dem  Nifisan  oder  Xanthicus 
herging,  wenn  gleich  das  Jahr  selbst  nach  macedonischer 
Weise  im  Herbst  angefangen  wurde.     Dann  kann,  wie 
es  der  jüdische  Historiker  darstellt,   das  vom  15.  Xan- 


')      ^"Rg-LV    OVOfJLA    fU]VO(. 

*)    Emend,  temp.  1. 11,  p.94. 

^)    Annales  compendiarii  Regum  et  rerum  Syriae  numis 
tyeteribus  illustrati,  prol.  11,  4,  p.  27. 


400  Technische  Chronologie. 

thicas  datirle  Schreiben  des   Antioclius  an   die  Joden 
nnmitlelbar  auf  das  Schreiben  des  Lysias  vom  24.  Dios- 
conis  gefolgt  sein ,  sUU  dafs  wir  nach  der  frölichschen 
Hypothese  zwischen  beide  Data  einen  Zeitraum  von  ei- 
nem halben  Jahr  seUen   müfslen.      Dais  übrigens  der 
Name  des   maoedonischen  Schaltmonals  sich  in  keinem 
Menologiam  findet,  darf  niemand  befremden;    aJIe  aus 
dem  Allerthum  auf  uns  gekommene  Verzeichnisse  von 
Monalen,    z.B.   die   im   Anhange   zu  des  Henri cus 
Stephanus  griechischem  Lexicon,   sind  aus  späterer 
Zeit,   wo  das  macedonische  Jahr  schon  den  CharaVxer 
des  Sonnenjahrs  angenommen  hatte,  mithin  von  einem 
Schaltmonal  nicht  weiter  die  Rede  sein  konnte.     Wird 
doch  auch  der  Mame  des  vor  Julius  Cäsar  bei  den  Rö- 
mern  gebräuchlichen   Schaltmonats   nur   ein    paarmalil 
ganz  gelegentlich  vom  Pinta rch  erwähnt. 

Auch  losephu's  bezeichnet  in  seinen  jüdischen  AI- 
terthümern  und  noch  häufiger  in  seiner  Geschichte 
des  jüdischen  Krieges  die  Monate  mit  den  Ntktnen^ 
die  sie  bei  den  Macedoniem  fühilen.  Scaliger  und 
U  s  h  e  r  haben  geglaubt ,  dafs  er  damit  die  spätem 
sjromacedonischen  Sonnenmonate  andeuten  wolle,  die, 
wie  unten  erhellen  wird,  .mit  den  julianischen  ganz 
parallel  liefen;  allein  Petavius  und  besonders  Noris^) 
sind  der  richtigem  Meinung,  dafs  er  von  den  jüdischen 


*)  Annus  et  Epochae  Sjrromacedonum  in  vetustis  urbium 
Sjrriae  numis  expositae,  disÄcrl.  I ,  c.  3,  p.44  ff.  Ich  bediene 
mich  der  leipziger  Ausgabe  von  1696,  4.  Die  erste  ei-schien 
Florenz  1689.  Dieses  vortreffliche  Werk  findet  sich  auch  im 
swciten  Bande  der  sammllichen  4729  zu  Verona  in  fünf  Folio- 
banden gedruckten  Werke  des  gelehrten  Yeriknen,  der  als  Kar- 
dinal gestorben  ist. 


Magbdoitiee  und  Strsr.  401 

Ifenaten  9jpied^,  denen  er  die  den  Griechen  gdänfigem 
madedonischen  Namen  unterschiebt ,  (  so  dafs  auck  be} 
ihm  die  maoedonischen  Monate  ihren  nr^parünglichen 
Charakter  behaupten.  ..  Die  Richtigkeit  dieser  Ansicht 
setzen  unter  andern  folgende  Stellen  auiser  Zweifel« 
In  den  jüdischen  Alterthiimern  yergleicht  er  den 
Dius  mit  dem  .Marcheschvan  und  den  Xanthicus  mit 
dem  Nisan  der  Hebräer  *).  In  demselben  Werke  *) 
sagt  er:  „Im  Monat  Xanthicus,  der  bei  uns  Nisan  ge- 
),nannt  wird  und  der  erste  im  Jahr-  ist,  und  zwar  am 
, ,  vierzehnten  Tage  nach  dem  Mo  n  de  —  xarci  aiKr\yyiv  — 
,,wird  das  Passahopfer  dargebracht."  Man  sieht,  dafs 
hier  der  Xanthicus,  mit  dem  Nisan  zusanimengestellt, 
deutlich  als  ein  Mbndmonat  bezeichnet  wird.  An 
noch  einer  andern  Stelle  dieses  Werks  ')  bemerkt  er, 
der  Tempel  zu  Jerusalem  sei  Ton  Judas  Maccabäus  am 
25.  Kisley,  den  die  Macedonier  Apellaus  nennten; 
gereinigt  worden,  da  er  dm  Jahre  zuvor  an  demsel- 
ben Tage,  nämlich  am  25.  Apellaus,  von  Antiochus 
Epiphanes  entweiht  worden  sei.  In  den  Büchern 
vom  )üdischen  Kriege  eagt  er  *),  die  Römer  bMt^ 
ten  den  Tempel  zerstört  am  10;  Lous,  an  weldiem 
auch  der  erste  Tempel  von  den  Babyloniem  verbrannt 
worden  sei.  Dies  geschah  aber,  wie  der  Zeitgenosse 
Jeremias   berichtet '),    am  10.   des   fünften  Mobali 


fA^va  «pvroy  htl  taXi  lopTÄTc  wpco^.     I,  3,  3.  - 
»)    ni,  10,  5.    Vergl>  De  belio  lud.  V,  3,  1. 

')   xn,  7,  6. 

*)    VI,  4,  5. 

•)    Ln.  42. 

I.  [26] 


402  Teeknäche  Chronohgki  . 

der  Hebrlieri  d.  i;  des  Abv  Den  lu  Folge  «lunmai  cKe 
jädiaclieii  und  maoedonisebett  Moiufte  beim  losephut 
folgendermafien  insamineii:  - 


Niaan^ 

Xantbicus. 

I)ar 

Artemisius. 

Sivan 

Da«  in  8« 

Tbamua 

Panemas. 

Ab 

Lous« 

Elal 

Gorpians. 

Tbiscbri 

Hyperberetius. 

Marcbeachvan 

Diu5. 

Kislev 

Apelläas. 

Tebetb 

Audjnäaa. 

Schebat 

Peritius. 

Adar 

Djstrus. 

Nacbdem  wir  uns  nun  übenengt  haben,  dafi  die 
maoedoniflcben  Monate  urspvungliob  nadb  dem  Monde  ge- 
ordnet waren,  müssen  wir  ihr  Yerhültaiis  m  den  atli- 
scben  Monaten  und  zu  den  Jahrsseilen  untersuchen. 

In  dem  (395)  erwähnten  Briefe  des  PhiWp^ns 
wird'  der  Lous  mit  dem  Boedromion  ^er  Athener  ta- 
sammengestellt.  Pluta^oh  dagegen  verglekihts  wo  er 
Ton  der  Geburt' Akxander's  spricht,  den  Lous  mit  dem 
HekatombHon  '),  iind  seUt  die  Schlacht  am  Granicus 
bald  in  den  Däsios  der  Maeedonier,  bald  in  denThar- 
gelion  der  Athener  ').     Wir  haben   hiemach   folgende 


nMvtg  Alfov  KaXpuenir,  liety^,  ,  JTää  Alex.  c.  3. 

*)  Ebcnd.  c.  16.  rita  Camilli  c.  19.  Im  Leben  des  Arttas 
c.  53  stellt  61*  den  Däsius  mit  dem  Anthesterion  Basammen.  Br 
meint  aber  den  sicyonischen  Dasius. 


Magbdonijse  und  Stkbr. 


403 


nvei   ganz   Tenchiedene  Yerglftichringeii   der  miioedo- 
lischen  und  attaacbeiL  Momate: 

If acedonische  Entsprechende  attische.' 

Monate.  Nach  Philtppus  Briefe«^    '•  Nadi  PlütaktJi;*  ' 


Dius 

Poseidebn 

Pyanepsion« 

Apelläus 

Gainelion 

Mämakterion» 

Audynäus 

' ,  Authesterion 

Poseideon. . 

Peritius 

Elaphebolion 

Gamelion. 

Dystrus 

Munychion 

Anihesterion. 

Xantbicus 

Tbai-gelion 

Elaphebolion. 

Artemisios 

Skirqphorion 

Munychion. 

Däsius 

Hekatombaon 

Thargelion. 

Panemus 

Metageitnion 

Skirophorion. 

Lous 

.  Boedromion 

Hekatombaon. 

Gorpiäus 

Pyanepsion 

Metageitnion, 

Hyperberetäus 

Mämakterion 

Boedromion. 

ils  ist  die  Frage,  wie  taan  sich  dieae  Yerschiddenlkit 
n  erklären  habe,  eine. Frage,  die  dadurch  ein  besimr 
leres  Interesse  gewinnt,  dais  sie  mit- der  Bieatimmung 
[er  Epoche  von  Akzander's  Tode,  bei  der  di^  Chrono^ 
ogen  um  nicht  weniger  ala  zehn-Hdnate  .von  einander 
bweichen,  zusammenhfingt.  Idh  habe  diesen  Ge^^ei^ 
tand  1821  in  einer  akademischen  Yoorlesujig  üiiex  dkl 
^ocles)ahrAlexa,nder's  desG^ofseii^.]  einer  aua*> 
ihrlichen  Untersuchung^  unterworfen,  bei  der  ^or  alleii 
lingen  das  Wesen  der  frühem  macedonischenZBitrechf? 
lung.  zur  Sprache  kommen  muftte.  Die  Erlebnisse  werde 
ch  hier  in  der  Kürze  vorlegen; 


*)    Abhandlungen  der  berliner^Akadem-ie  der  Wis- 
enschaften  aus  den  Jahren  1820  und  1821. 

(26*1 


i04  Teclmisd^  Chronohgie. 

•  Mehrere  Altertbiiinsfbrsdier  sind -der  M eiDung  g 
'vvesen,  dafs  eine  der  beiden  obigen  ZaaammensteUun; 
der  maoedonischen  und  altisclien  Monate  unrichüg  se 
Corsini.  bat  den  Gedanken  gehabt  '),  dafs  in  Tbüifp 
Briefe  Hekatömbäbn  statt  Boedromion  gelesen  wa 
den  müsse;  denn  er  setzt  das  Schraben  in  Ol.  110,i 
und  sucht  nun  aus  den  Umständen,  die  es  yeranlaü 
und  begleitet  haben,  wahrscheinlich  zu  machen,  dai 
nur  vom  Hekatombäon  die  Rede  sein  könne.  AJieii 
Taylor  zeigt  in  seinen  Anmerkungen  zur  angezogena 
Stelle  des  Demosthenes  *)  auf  eine  biindige  Vfei«; 
dafi»  der  Brief  schon  Ol.  110,2  geschrieben  sei,  undgii 
wohl  vom  Boedromion  datirt  sein  könne. 

Andere  dagegen  haben  geglaubt,  da&  Plutarcl 
bei  der  Reduction  des  Däsius  und  Lous  auf  den  at- 
tischen Kalender  irrigerweise  die  Stellung,  ^velcbe 
die  macedonischen  Monate  zu  seiner  Zeit  halten,  aal 
Akxander's  Zeit  übergetragen  habe.  Wir  finden  mof 
lieh  in  dem  spätern  maoedonischen  Sonnenjahr,  dij 
erst  nach  Tnlius  Qisar  eingeführt  worden  ist,  den  Kl 
siua  und  Lous  ungefähr  in  demselben  Verliälinlfs  zu  den 
Jakrszeiten,  in  -welchem  sich  der  Thargelion  und  Heka^ 
tembäott  befiinden.  Es  ist  alleixlings  möglich,  dafe  beisi 
Flutarch  iakche  Reductionen  im  Spiel  sind.  Weoii 
man  aber  glaubt,«  dafs  sich  der  ^tere  macedonisdM 
Kalender  gc^en  den  fi-ühern  erst  beim  Uebergange  de 
Mbndjahrs  in  das  Sonnenjahr  yerscfaoben  habe^  » 
inrt'man;  denn  schon  viel  früher  standen  die  maoed<^ 
nischen  Monate  in  dem  Yerhfiltnisse  zu  den  atüsclieD 


•>    F,  J.  3,  20  ff.    Vcrgl.  VisseH.  agon.  Wem.  14. 
?)    S.700.     . 


Maceponjer  Imd  Stesr.  406 

in  welchem  sie  beim  Plutarch  ersdieinen.  Die  drei 
ol)en  (396)  gedfi^ctiten  astronomischen  Beobachtungen  im 
A.lmagest  lassen,  hieran  nicht  zweifeln;  denn  wenn 
w^ir  gleich  die  Dauer  der  einzelnen  macedonischen- Mo- 
nate nicht  mit  Sicherheit  kennen»  so  ist  doch  so  viel 
gewifs,  dafs  der  Lous  im  Jahr  245.  y.Chr«  um  den 
IS.  Julius,  im  Jahr  237  um  den  20.  Julius,  imd  im 
lahr  230  um  den  3.  Julius  ange&ngen ,  mithin  schon 
damals  eine  ähnliche  Stellung  im  Sonnenjahr  gehabt 
hat,  wie  der  Hekatombäon. 

Da  dies  also  bereits  im  dritten  Jahrhundert  vor 
unserer  Zeitrechnung  der  Fall  war,  so  ist  die  Hypo- 
these mehrerer  der  achtbarsten  Chronologen,  eines 
Scaliger,  Dodwell,  Noris,  nicht  unwahrschein- 
lich, dafs  die  Veränderung  in  der  Stellung  der  mace- 
donischen  Monate,  wodurch  der  Lous  aus  der  Gegend 
des  Boedix>mion  in  die  des  Hekatombäon  geschoben 
wurde,  bald  nach  Alexander's  Regierupgsantritt  vor  sich 
gegangen  sein  müsse.  Wer  eine  ^Iche  Verschiebung 
der  Monate  nicht  für  möglich  hält;^  bedenke,  dals  der 
Sinn  für  die  eiserne  Festigkeit  des  Kalenders,  an  die 
wir  gewöhnt  sind,  bei  den  Alten  erst  durch  Cäsar's 
Reform  geweckt  woixlen  ist.  Wenn  Alexander,  als  er 
die  Schlacht  am  Granicus  liefern  wollte,  an  die  Stelle 
des  Däsius  einen  zweiten  Artemisius  zu  setzen  gebot, 
weil  man  ihn  warnte,  den  Däsius,  in  welchem  die  ma- 
cedonischen  Könige  nie  den  Feind  ange.grifien ,  nicht 
durch  eine  Schlacht  zu  entweihen  ^),  so  blieb  der  Be- 
fehl zwar  unausgeführt,  weil  es  dem  Könige  offenbar 
nur   auf  eine  augenblickliche  Beruhigung  seiner  aber- 


*)    Plut.  vUa  Alex.  c.i6. 


406  Teehnache  Chronologie. 

gliiibigen  GenenJe  angekommen  war;  es  geht  doch  ak 

daram  die  Möglichkeit  hervor,   dab  jene  Yerschiebiinf 

dindi  einen  Ähnlichen  Machlspmch  herbeigefiihit  sm 

ISnne.     Welche  Freiheit  der  schwankende  ZuslancI  (fe 

damaligen  maoedonischen  Kalenders   in  dieser  Hinsict 

gesuttete^  khrt  noch  ein  anderes  Factum  dieser  Art,  dt 

uns  die  Geschichte  aufbewahrt  hat  *).     Bei  der  Belage 

rang  von  Tyrus  verkündigte  der  Hamspez  Aristande; 

die  Stodt  weide  noch  in  demselben  Monat  cingenomnif: 

weiden.     Alle  lachten,  weil  es  schon  der  leUte  Mona!> 

tag  ^rpioxct^—  war;  allein  der  König  befahl,  um  cles 

Ansprach  des  Wahrsagei-s ' in  Ehren   zu   halten,  daii 

man  den  Monat  um  iwei  Tage  zurückdatiren  solle. 

Ist  die  gedachte  Hypothese  wirklich  g^rnndet, 
wie  ich  nicht  beziM6ifele,  so  mtissen  wu*  annehmen,  daß 
•ich  Plutarch  Mofs'in  der  Reduction  des  Lous  auf  des 
attischen  Kalender  geirrt  hat,  dals  also  Alezander  nick 
im  Hekalombäon ,  sondern  im  Boedromion  geboren  ist, 
der  damals  noch  mit  dem  Lous  übereinstimmte,  T^orac 
der  später  geschriebene  Brief  des  PhiUppus  nic\it  zwei- 
feln läfst.  Das  Geburtsjahr  ist  01.106,1.  Da  nun 
nach  Arrian's  Versicherung  Arislobulus,  einer  der 
Begleiter  und  Geschichtschreiber  Alexander's,  dessen 
Lebensdauer  auf  zwei  und  di^ifsig  Jahre  und  acht  Mo- 
nate geseut  hat  *) ,  so  müfste  der  König  Ol.  114,1  im 
Thargelion  gestorben  sein,  und  auf  eben  diese  Zeit  fuhrt 
folgende  Combination.  Plutarch  gibt  ein  Bmchstod 
aus  den  Tagebüchern  — 'E<Jwjppföe5  — ,  dieDiodolus 


*)    Plut.  Vita  Alex.  c.25. 

*)     'Eß/w  l\  >uo  waX  T^ittMina  Inj,  tud  rov  TptTOv  p^M«  istXcßsr 
biti,  i(  Xfyti  *Apir»ßouXoc.    £xp,  Alex.  YH,  28. 


Macbdokibk  und  Strsr.  407 

«HS  ErjdiTä  und  Eumenes  ausCardia  über  Alexander'« 
Feldzüge  geiiihrt  hatten  *).  In  demfielben  sind  die 
Umstände  seiner  letzten  Krankheit  aufgezeichnet,  Tom 
SS.Däsius  bis  nun  28sten,  wo  er  gegen  Abend  starb'), 
Aristobulus  hatte  den  Tod  swei  Tage  später  gesetzt, 
auf  die  T/oioMo;  des  Däsius  ^).  Der  Dtfsius  entsprach  aber 
nach  Plutarch  dem  Thargelion.  Als  Todesjahr  des  Kö- 
nigs nennt  Arrlan  auf  die  Autorität  des  Aristobulus 
dasjenige  der  ein  hundert  vieneehnten  Olympiade,  wo 
Hegesias  Arehon  war^),  d.i.  das  erste.  Hiemach  ist 
also  Alezander  Ol.  114,1  im  Thargelion  gestorben.  Zu 
Athen  war  damals  noch  der  metonsche  Cydus  im  Ge- 
Inrauch  (351).  Lief  nun  der  Däsius  Ol.  114,1  dem  Thar- 
gelion parallel,  so  ist  der  Tod  entweder  am  Uten  oder 
13.  Junius  323  y.  Chr.  erfolgt,  je.  nachdem  wir  ihn  mit 
den  .Tagebüchern  auf  den  28sten  oder  mit  Aristobulus 
auf  den  30.  Däsius  setzen.  . 

Dieses  Ei^bniis  ist  nach  allem,  was  wir  von 
der  frühem  maoedonischen  Zeitrechnung  wissen  oder 
schlieiken .  können ,  ungemein  wahrscheinlich ,  und  es 
treten  demsdben  daher  auch  Söaliger,  Usher, 
Dodwell,  Des-Vignoles  und  meines  Wissens 
alle  deutsche  Chronologen  in  so  fem  bei ,  ^  dais  sie  den 


^)  yita  JUx.  €.76.  Die  Verfasser  nennt  Athenäns  l^JC, 
p.434. 

*)  Es  schltefat  mit  den  Worten:  Tjjf  tpiTv)  ^l¥0)nog  (Aata-lw) 
irpoc  ^ttXviv  aviBavtv.  Dafs  der  Monat  zu  den  yoUen  gehörte, 
also  die  Tpmi  ^^Ivomog  der  28ste  war,  erhellet  daraus,  dais  in 
dem  Bruchstück  auch  die  hxan]  fd/yoyroc  genannt  wird. 

»)    Ebcnd.  €.75. 

*OXv|i«ia^(,   M  'B^Wtfv  apx^i^o^  *Adi|n)«'ii^.    A.  ft.  O. 


408  Technische  Chronologte. 

Tod  des  Königs  an  den  Seh  Inf  s  des  ersten  Jahrs  der 
ll4ten  Olympiade  setzen.  Mur  die  franiSsischen  Chro* 
ttologea  mit  Petavius  an  ihrer  Spitze  können  sich 
nicht  überzeugen,  dafs  zu  Alexander's  Zeiten  eine  solche 
Aenderung  mit  den  macedonischen  Monaten  YOi^egan- 
gen  sein  sollte,  wodurch  der  Lous  aus  der  Stelle  des 
Boedromion  in  die  des  Hekatombäon  geschoben  wurde. 
Sie  wollen  daher  den  Tod  des  Königs  lieber  in  den 
Hekatomlwon,  dem  damals  noch  der  Diisius  entsprochen 
haben  soll,  also  in  den  Anfang  des  Olympiaden jahrs 
setzen,  und  so  würde  diese  Epoche  um  ganze  zehn 
Monat  bis  zum  Sommer  324  v.Chr.  zurückweichen. 

Man  sollte  es  nicht  für  möglich  halten,  dafs  über 
die  Zeitbestimmung  eines  so  folgenreichen  Ereignisses 
eine  solche  Verschiedenheit  der  Meinungen  Statt  finden 
könne.  Es  lassen  sich  jedoch  wii*klich  mehrere  Gründe 
für  beide  Ansichten  aufstellen,  wie  idi  in  der  gedach- 
ten Vorlesung  gezeigt  habe.  Wer  aber  dieselben  ohne 
Vomrtheil  prüft,  wird  mit  mir  diejenigen  gewifs  iiir 
überzeugender  hallen,  die  auf« den  Thargelion  führen. 
Unter  diesen  hat  für  mich  besonders  der  ein  grofses 
Gewicht,  der  von  dem  Regen tenkanon  enüebnt,  und 
bereits  oben  (120)  entwickelt  worden  ist. 

Neueitllngs  hat  Hr.  Champollion-Figeac 
den  Tod  des  Königs  gar  in  den  Thargelion  des  Jahrs 
Ol.  1 13,4  setzen  wollen.  Allein  seine  Meinung  ist  zu  we- 
nig begründet,  als  dafs  sie  bei  irgend  einem  Gelehrten, 
der  sie  zu  würdigen  weifs,  Eingang  finden  könnte. 

Was  den  Schaltcyclus  der  Macedonier  beü-ifft, 
so  läfst  sich  über  das  Verhältnis  desselben  zum  at- 
tischen aus  den  wenigen  macedonischen  DaUs  im  AI- 
magest  und  der  Inschrift  von  Rosette,    den 


MACBDomiER  lind  Streb.  409 

einzigen  Anhaltipnnkten ,  die'  vrir  in  dieser  Beziehnng 
haben,  nichts  sicheres,  ja  nur  iivahrscheinh'cbes  folgern. 
Hr.  Saint- Martin  gßht  darüber  in  Vermuthungen 
ein  *)y  denen  die  Hypothese  zum  Grunde  liegt,  da(s 
die  Maoedonier  zuerst  den  metonschien  Cyclus  und  nach- 
mals die  callippische  Periode  gebraucht  haben.  Allein 
er  legt  offenbar  zu  viel  Gewicht  auf  eine  den  Fix* 
Sternerscheinungen  d<es,Ptolemäus  von  spä- 
terer Hand  beigefügte  Notiz,  nach  welcher  Meton  die 
Beobachtungen,  die  seinem  Kalender  zur  Grundlage 
dienten,  zu  Athen,  auf  den  Cycladen,  in  Macedonien 
(wovon  der  Rüstenstrich  damals  unter  der  Herrschaft 
Athens  stand)  und  in  Thracien  angestellt  haben  soll. 

Schwerlich  sind  die  maoedonischen  Monate,  so 
lange  sie  noch  nach  dem  Monde  abgemessen  wuiden, 
von  Macedonien  bis  Babylon  'auf  übereinstimmige  Weise 
gebraucht  worden ,  da  die  zahlrdchen  yölker ,  die  sich 
ihrer  bedienten,  unter  sehr  verschiedenen  Regierungen 
und  in  geringem  wechselseitigen  Verkehr  lebten.  So 
viel  ist  aber  gewifs,  dafs  sie  unter  der  römischen  Herr- 
schaft, wo  sie  in  Sonnenmonale  umgeprägt  erscheinen, 
bei  den  Schrifutellern  und  auf  Denkmälern  in  dem 
mannigfachsten  Yerhällnifs  zu  den  römischen  gefunden 
weisen,  und  dafs  es  sorgfältiger  Untersuchungen  bedurft 
hat,  um  ihnen  überall  ihre  richtige  Stelle  anzuweisen. 
Sehr  viel'haben  in  dieser  Hinsicht  Usber  und  Noris 
geleistet«  Wenn  'wir  jetzt  über  mehrere  von  ihnen 
zweifelhaft  gelassene  Punkte  zuversichtlicher  urtheilen 


*)  In  seinem  Werke:  Nouvelles  Recherckes  sur  Vipoque 
de  la  mort  d^ Alexandre  ei  sur  la  Chronologie  des  PtoUmäes. 
Paris  1820,  8. 


410  Technische  Clironologie. 

können,  so  haben  wir  dies  dem  merkwötdigen  flo-^ 
rentin  er  Hemerologinm.  £U  danken,  das  ihnen  nn- 
bdiannt  geblieben  ist. 

Diese  für  die  JSeilreohnnng  der  asiatischen  Vol- 
ker wichtige  Urkunde  findet  sich  in  einem  Clodei  der 
mediceischen  Bibliothek ,  der  die  Handtafeln. des 
Ptolemäus  nebst  dem  Cominentar  des  Theon  ent- 
hält *).  Unter  dem  Titel  ^RfJLSpdkQytcy  jühjvwv  iia4>6pu}¥  ^oL 
kswv  gibt  sie  einen  yollsUndigen  römischen  Kalender 
Tom  Janmar  an,  verglichen  mit  den  Kalendern  der 
Aleaandriner,  Griechen,  Tyrier,  Araber,  Si- 
donier,iHeliopoliter,  Lycier,  A&ianer,  Gre^ 
ter,  Cyprier,  Ephesier,  Bithjnier  und  Cappa- 
d  o  ci  er  ')«  Zuerst  hat  dieses  Hemeit)logium  Johann 
Massen  nma  Jahr  1715  auf  acht  und  scwanzig  Folio- 
seilen  ans  Licht  gestellt,  welcher  Abdruck  aber  2U  den 
litterariscben ' Seltenheilen  .gehört^).  ,  Bekannter  wurde 
es,  als  Lami  in  seinen  Nov^eUe  letierarie  die  lateinisch 
geschridsenen  Namen  der. Monate  nebst  den  Tagen  ili- 


^)  S.  Bandini  Catalogus  Codd,  Gmecqrum  Biblioth,  Iaiu^ 
rent,     Tom.  II,  p.  46  ff. 

*)  Die  von  U  s  h  e  r  im  yierten  Kapitel  seiner  oben  {d9i)  er- 
wähnten Dissertatio  aus  einer  savilianiscben  Handschrift  mitge- 
theilte  Tafel,  worin  der  Januanus  der  Römer  mit  den  enlspi-ccbcn- 
den  Monaten  obiger  dreizehn  Städte  und  Y6lker  verglichen  vird, 
ist  offenlMv  aus  unoeitn  Uemerologium  geschopfu 

^)  Er  hatte  die  Absicht  ein  Werk  unter  dm  Titel:  Annus 
solaris  anliquus  a  variis  in  Oriente  populis  et  urhibus  usu  ci' 
vili  olim  usurpatus  herauszugeben,  dessen  Nichlci*scheinung  dem 
Frospectus  nach  zu  urtheilen,  den  er  davon  im  -zweiten  Bande 
dei*  Histoire  criti^ue  de  la  R^ublique  des  lettres  S.  2^  ff. 
gegeben  hat,  zu  bedauern  ist. 


Magedonier  und  Syrer.  411 

res  Anfangs  im  TÖmischen  Kalender  mittheiite^).  Das- 
selbe Yriederhohlte  einige  Jahre  später  Everardo 
Audrichi'),  nur  dafs  er  die  Monatsnamen  griechisch 
gab  und  einige  Erläuterungen  hinzufugte.  Beide  Ge- 
lehrte kannten  noch  nicht  das  Dasein  eines  zweiten  in 
einer  Handschrift  der  leidner  Bibliothek  befindlichen 
Hemerologiums,  das  sich  nur  in  so  fem  von  dem  flo- 
rentiner  unterscheidet,  als  es  statt  der  Kalender  der 
Creter,  Cyprier  undEphesier  die  von  Gaza,  Ascalon 
und  Seteucia  enthält'}.  Im  47sten  Bande  der  Me^ 
moires  de  l'Acad.  des  Inscriptions  hat  nachmals  Sainte- 
Croix  die  siebzehn  Kalender  beider  Handschriften  voll- 
sUndig  zusammengestellt,  ohne  jedoch  für  die  Zeitrech- 
nung der  Völker  und  Städte,  denen  sie  angehören,  al- 
len den  Nutzen  daraus  zu  ziehen,  den  sie  bei  näherer 
Ansicht  gewähren  ^). 

»)    1748,  HO.  1  und  17. 

*)  Institutiones  Aniiquariae,  quibus  praesidia  pro  Graecis 
Latinisque  scriptoribus,  nummis  ei  marmoribus  facilius  iniel* 
ligendis  proponuntur  (Florenz  1756,  4)  P.  I,  €.5. 

^)  S.  VanderHagen  Observationes  in  Theonis  Jastos 
Graecos  priores  p.317,  18. 

*)  Hr.  Champollion-Figcac  hat  im  Jahr  1815  der  Classe 
d'Histoire  et  de  Liitärature  ancienne  des  Instituts  ein  Memoire 
surles  CaUndriers  compar^s  de  plusieurs  peuples  anciemsjOT' 
gelegt,  das  sich  mit  diesem  Hemerologium  beschäftigt,  aber  nicht 
gedruckt  zu  sein  scheint.  Ich  kenne  es  nur  aus  der  kurzen  No- 
tiz, die  Hr.  D  a  u  n  o  u  in  seinem  Exposi  des  travaux  pour  iSii 
eH815  S.  65-67  davon  gibt,  und  aus  dem,  was  er  selbst  in 
seiner  Yertheidigungsschrift  gegen  Hm.  Saint-Martin  (278) 
darüber  sagt.  Er  versichert  untei*  andern  gezeigt  zu  haben,  wie 
sich  sämmtliche  siebzehn  Kalender  für  das  Schaltjahr  modifidrten. 
Es  wäre  zu  wünschen,  dafs  er  wenigstens  diesen  Theil  seinei*  Ai^ 
beit  bekannt  machte. 


412-  Technische  Chronologie. 

ZuTÖrderst  müssen  wir  den  allgemeinen  Charakter 
der  im  eigentlichen  Macedonien  und  in  Kleinasien  (be^ 
den  Römern  Asia  proconsulaiis)  gebrauchlichen  Zeit- 
rechnung kennen  lernen.  Eine  Hauptslelle  darüber  fin- 
det sich  beim  Galen  us,  der  um  die  Mitte  des  zwei* 
ten  Jahrhunderts  n.Chr.  zu  Pergamus  lebte.  ,,Wenn 
,alle  Völker  einerlei  Monate  hätten,  sagt  er'),  so 
,wüi*de  Hippocrates  weder  den  Arktur,  die  Pieja- 
,den,  den  Hund,  noch  die  Nacbtgleichen  undSonnen- 
,  wenden  erwähnen.  Er  würde  sich  begnügt  haben  zu 
, bemerken,  dafs  z.B.  im  Anfange  des  maoedouischen 
,  Monats  Dius  die  Luft  yon  dieser  oder  jener  Beschaf- 
ifenheit  sei.  Da  ihn  indessen  so  nur  die  Maoedonier, 
,  nicht  aber  die  Athener  und  übrigen  Völker  verstau- 
,den  haben  würden,  so  hielt  er  es,  um  allen  nüulich 
,zu  werden  für  rathsamer,  blols  die  Nachtgleicbe  zu 
, nennen,  ohne  des  Monats  zu  gedenken.  Denn  die 
,  Machtgleichen  sind  ein  Weltereignifs,  die  Monate  aber 
,  jedem  Volke  eigen thümlich.  —  Das  Jahr  zerfällt  den 
, Nachtgleichen  und  Sonnenwenden  nach  in  vierTheile. 
,Man  wiixl  also,  wenn  man  von  den  Sternkundigen 
,liört,  welchen  Monaten  diese  vier  Jahi*szeiteu  ent- 
, sprechen,  leicht  die  mit  den  Gestirnen  einti^efTenden 
,'Wechsel  der  Witterung  ve]*folgen  können.  So  z.  B. 
,wenn  man  weifs,  dafs  die  lierbstnachrgleicbe  auf  den 
,  Anfang  des  macedonischen  Monats  Dius  ffillt,  findet 
,man  leicht,  dafs  die  dm  Monate  später  erfolgende 
jWinterwende  sich  im  Anfange  des  Peritius,  femer 
,die  Frühlingsnachtgleiche  im  Anfange  des  Artemisius, 


'}    Comment,  /.  in  Hippocr,  Epidem.  L  L    Opp*  Hippocro'- 
tu  et  Galeni  Vol.  IX ,  P.  2,  p.8. 


Mao£donibr  und  Strer.  413 

),  endlich  die  Sommerwende  im  Anfange  de$  Ixms  er- 
,, eignet;  denn  die  Nachigleicben  und  Sonnenwenden 
,,  treffen  auf  die  Anfange*  dieser  bei  den  Macedoniern  ge- 
,,brtfuchlichen  Monate.  Wer  sich  also  nun  sagen  lafst, 
„dafs  Arktur  etwa  zwölf  Tage  vor  der  Herbstnacht- 
,, gleiche  aufgeht,  und  die  Plejaden  etwa  fünfzig  Tage 
,,nach  derselben  untergehen,  wird  ohne  Schwierigkeit 
,, berechnen,  an  welchen  Monatstagen  sich  diese  Phä«- 
,,nomene  zutragen,  und  in  Ansehung  der  damit  ver* 
„knüpften  Wechsel  des  Zustandes  der  Atmosphäre  leicht 
,,dem  Hippocrates  folgen  können«  Man  mufs  aber 
,,  dabei  offenbar  die  Monate  nicht  nach  dem  Monde, 
„wie  es  gegenwärtig  in  den  meisten  griechischen  Sud- 
,,ten  geschieht,  sondern  nach  der  Sonne  rechnen,  wie 
,,es  bei  allen  asianischen  ')  und  vielen  andei*n  Völkern 
,, üblich  ist."  Weiterhin  heiifst  es  noch:  ,, Diejenigen, 
,,die  ihr  Jahr  nach  dem  Monde  eintheilen,  können  die 
,,Tage  nicht  angeben,  an  welchen  die  Nacht  gleichen, 
,, Sonnenwenden  und  Aufgange  der  Fixstei-ne  erfolgen, 
,,aber  wohl  diejenigen,  die  ihre  Zeit  nach  der  Sonne 
„abmessen,  wie  die  Römer,  Macedonier,  unsere  Asia-* 
,,ner  und  viele  andere  Völker/' 

Man  ersieht  hieraus,  dafs  die  Macedonier  und  Per- 
gamener  zu  Galenus'  Zeiten  ein  Sonnenjahr  hat- 
ten, das  mit  der  Herbstnachtgleiche  anfing,  was  auch 
Simplicius  mit  den  Worten  bestätigt:  „Die  Athe- 
„ner  beginnen  ihr  Jahr  um  die  Sommerwende,  die 
,,  Bewohner  des  jetzt  sogenannten  Asiens  um  die  Herbst- 
,^  nachtgleiche  ,  die  Römer  um  die .  Winter  wende  und 
„die  Araber  und  Damascener  um  die  Frühlingsnacht- 


*)    Statt  tS»  ifxaiiav  lieset  Usher  richtig  tuit  'A»cww. 


414  Technische  Chronologie. 

„gleiche 0*"  Wenn,  wie  aich  nicht  bezweifdin  lüitt« 
das  kleiAasiaiische  Sonnenjahr  nach  dem  röiniachen  ge- 
foxmt  war,  so  müssen  die  yier  von  Galenus  gedaidi- 
ten  Monate ,  Dlus ,  Peritins ,  Artemisius  und  Lous  am 
24.  September,  25.  December,  25.  Mürz  und  24.  Juntos 
oder  doch  in  der  Nähe  angefangen  haben;  denn  dies 
sind  die  Data,  denen  in  Cäsar 's  Kalender  die  Nacht- 
gleichen und  Sonnenwenden  entsprachen  ')• 

In  unserm  Hemerologiuni  finden  sich  drei  hieher 
gehörige  Kalender«    Zuerst  folgender  der  Asianer: 

Namen  der  Monats.  Anfang.      Dauer. 

KAI£APIO£         Cäsarius  2i.  SepU  30  Tage. 

TlB£PIO£  ^         Tiberius  24.  Okt.    31  * 

AÜATOTPIOS     Apaturius  24.  Nov.  31  - 

nO££IAAS2N       Poseidaon         25.Dec.    30  - 

AHKAIOS  Lenäus  24.  Jan.    29  -    . 

I£PO£EBA£.        Hierosebastns  22.  Febr.  30  - 

APT£Mn;iO£      Artemisius        24.  Miirs  31  - 

ET^rrEAIOS       Euangelius        24. April  30  - 

£TPATONIKO£  Stratonicus      24.Mai     31  - 

EKATOMBAIOS  HeLatombftus  24.Jun.    31  - 

AirrEOX  Anteus  25.Jul.     31  - 

AA0AIKI02        Laodikius  25.  Aug.   30  - 


pT0«b>piiri2«,  Je  ol  «ipi  Ti}V  wv  NaXoufAinjv  evVutv  ( l. 'Aa^ ) ,  i|  «tpt 
)^tippiv(2e,  wc*Pwf4aro(,  j  mpl  i«ipiwc(,  «ic'^Appaßte  jcal  Aftpaamiro/. 
CommenU  in  Phjrsica  Arisiot.  1.  V,  p.  205,  a. 

*)  Wir  ersehen  dies  aus  Plinius,  der  sie  auf  die  FJIICal. 
lanuarii,  Jprilis,  lulii  und  OctobHs  setzt  f^.  iV.  XVm,  59, 
66,  67,  74^,  nachdem  er  suTor  gesagt  hat:  nos  sequemur  ob'^ 
seivaiionem  Caesarü. 


Magbdovibji  und  St&ba.  416 

Im  Schdtjalir  ImI  der  Xenäitf  ohne  'Zweifel  drei&ig 
Tage  erbJüBii,  wo  dann  der  Hierosebastüs  am.23.  Fe^ 
hraar  anfing.  Nur  wissen  'wir  nicht',  ob  die  Aiianer 
mit  den  Körnern  in  einerlei  Jahr  einijieadialtet  haben* 
Die  Tagtf  der  einaielnen  Monate  sind  bis  cum  20sten 
hintereinander  fortgezfthlt.  Vom  21sten  an  findet  sich 
die  im  Mondjahr 'der  Grieehea  gebräuchHebe  rückgfin- 
gige  Zählungsweise  der  letiten  Ddiade  gane  elgenthüm^ 
lieh  auf  die  Monate  des  Sonnenjabrs  angewendet.  Der 
21ste  ist  nttmlich  mit  lES  bezeiobnetf  was  nichts  an-; 
ders  als  dsnärrj  t^Lovrog  heifsen  kann,  so  dals  man  fiir 
4>^(vovTog  auch  i^iovro^  gesagt  haben  mufs(281).  Dann 
felgien  O,  fl,  Z..«.  mit  beigesetztem  K,  um  anzudeu- 
ten, dafs  diese  Zahlen  den  dfcdä^g  oder  Tagen  der  let»* 
len  Dekade  angehören  sollen.  Der  29ste  Monatstag  ist 
durch  npOTS  angezeigt,  was  ohne  Zweifel  eine  Ab-*- 
kürzung  fiir  npcrptaxdg  oder  icpo  rptaxd^og  sein  soll,  wenn 
auch  eine  solche  Benennung  nicht  weiter  vorkommen 
möchte.  Der  30ste  ist  mit  A  bezeichnet,  was  rputui; 
ausgesprochen  wurde.  In  den  31tagtgen  Monaten  ist 
der  letzte  Tag  durch  ein  A  angedeutet ,  das  nicht  mit 
dem  unmittelbar  folgenden  A  des  nächsten  Monats  yeri- 
wechselt  werden  mufs,  wie  es  von  Audrichi  geschehen 
ist,  der  daher  die  Anfinge  einiger  Monate  üedsch  ange«> 
>8etzt  hat.  Das  eine  ist  rputxogiq  npwTy\j  das  andere  yov^'r^ 
na  zu  lesen.  Wie  es  mit  dem  Lenäus  gehalten  wurde, 
ist  nicht  ganz  klar.  Yermuthlich  licls  man  nach  lES,  der 
allgemeinen  Bezeichnung  des  2l8ten  MonatsUges,  im  Ge- 
meinjahr sogleich  HK,  ZK,.,  folgen,  und  nannte  den 
letzten  Monatstag  rptoxc^,  den  vorletzten  TFpcrputitdg. 
Durch  ein  Ygnehen  deä  Abschteibers  ist  aber  HK  weg- 


416  ,TechiMche  Chronologie.    . 

gefiillen,  wodurch  sich  das  Uebrige  um  eine  Stelle  Tecscho« 
ben  hat.    Im  Schalljahr  folgte  auf  I£S  regelmäfsig  SIL 

Unter  den  Asianern  — 'Ao-iavoi  — ,  denen  dieser 
Kalender . beigelegt  wird,  sind  Städte  im  Bereich  der 
einst  yon<Attalus  behernchten  Monarchie  au  Tenlehen, 
welche  die  Römer  mit  demWortje  Asia  ia  seiner  eng- 
sten Bedeoliing  bezeichnelen  ^.) ,  und  rwar  ion t ach. e 
Stadief  denn.  den.  Lentton,  oder,  wie  er  hier  heiist, 
Lenäus,  legt  Proclus  in  seinen  Scholien  tu  einer 
Stelle  des  Hesiodus,  wo  desselben  als  eines  Winter- 
nonais. gedacht  wiitl'.),  ausdrücklich  den  loniern  bei, 
su  denen  der  Dichter,  aus  Cuma  stammend,  selbst 
'  gehölte.  Auch  findeu  wir  diesen  Monat  in'  mehrei^n 
ionischen  Stttdten.  In  einem  arundelschen  Marmor 
ist  von  einer  zwischen  den  Smymaem  und  Magneten 
im  Lenfion  abgeschlossenen  Friedensunlerhandlung  die 
Rede  ^).  losephus^)  erwähnt  ein  zum  Besten  der 
Juden  von  Dola))elia,  dem  römischen  Prooonsul  Asiens, 
an  mehrere  dortige  Städte,  namenthch  an  Ephesus,  im 
Lenäon  erlassenes  Decret.  In. einer  cyziceaischen  Stein- 
schrift bei  Caylus  ^)  steht  der  Lenäon  zwischen  dem 
Poseideon  und  Anthesterion  und  beim  Aristldes,  der 
unter  Marens  Aurelius  cu  Smyma  schrieb,  werden  der 
Pofleideon  und  Lenäon  als  zwei  auf  einander  folgende 


')  Li  vi  US  XXVI,  24. 

*)  Opp,  et.  d.  T.504. 

^)  Mann.  Oxon.  (ed.  1629)  p.  17  und  25. 

;)  Antiq.  lud.  XIV.  10.  12. 

*)  Recueü  des  AnÜquMs  R.II,  Taf.  68-70. 


Macbdoribr  und  Strer.  417 

Monate  genannt,  der  erste  als  ein  winterlicher  ^).  Beide, 
so  wie  der  Hekatombäns,  sind  ohne  Zweifel  Ueherresie 
des  alten  ionischen  Kalenders« 

Man  weifs,  dafs  die  Stammväter  der  lonier  unter 
Godms  Söhnen  aus  dem  Prjtaneion  von  Athen  nach 
Kleinasien  ausgewandert  sind.  Es  läfst  sich  daher  veiv 
muthen,  dafs  der  Lenäus,  eben  so  wie  der  Poseideon 
und  HekaUMnhäus,'  ursprünglich  iii  Attica  einheimisch 
war,  wenn  sich  gleich  sonst  nirgends  weiter  eine  Sput 
seines  Gebrauchs  bei  den  Athenern  findet,  es  sei  denn, 
dafs  wir  den  Namen  des  Festes  der  Lenäen  dahin 
ziehen  wollen,  da  die  Namen  fast  aller  attischen  Mo- 
nate mit  Festen  ausammenhängen,  die  in  ihnen  gefeiert 
wurden«  Hr.  Böckh  nimmt  in  seiner  Vorlesung  über 
die  attischen  Lenäen,  Anthesterien  und  länd* 
liehen  Dionysien ')  mit  gro(ser  Wahrscheinlichkeit 
an,  dafs  der  Poseideon  der  lonier  mit  dem  der  Athe» 
ner  parallel  lief,  und  dafs  daher  die  Lenäen  der  leu- 
lern  im  Gamelion  gefeiert  wurden,  statt  dais  man  sie 
sonst  bald  mit  den  ländlichen  Dionysien,  einem  Feste 


*)  Serm,  sacn  I.  p.  274-280  ed.  Jebb.  Unter  mehreren  Ta- 
gen des  ei'stem  Monats,  die  hier  nach  einander  erwähnt  wei-den^ 
ist  die  ^txATi]  vg-ipa^  worunter  dem  Zusammenhange  nach  der  21sto 
SU  ▼ei'stehen  ist,  der  in  unserm  Hemerologium  mit  Utunji  i^tivro^ 
bezeichnet  wird.  Auch  im  Etjrmologicum  magnum  (7.  usupa) 
wird  diesei*  selten  vorkommende  Ausdrfick  durch  tixopj.  ff^Jrvi 
erklärt.  Er  soll,  wie  daselbst  versichert  wird^  besonders  bei  den 
Athenern  im  Gebrauch  gewesen  sein.  Tergk  Gorsini  F.  J. 
VI,  13. 

')  S.  die  Abhandinngen  dier  berii'ner  Akademie  der 
Wissenschaften  aus  den  Jahiwi  1816  'und  1817.  Historifch-' 
philologische  Klasse  S.47  ff. 

I.  [27] 


418  Technkehe  Cluvnohgie^ 

d?h  MoDatft  Poseideon,  bald  mil  cUa  Anthesterioi  für 
identisdi  geliällea  hat*  £•  isl  nur  aoflkUend,  daCt 
I wischen  dem  Poseideon.  und  Hekatombäon  im  asia** 
niqcben  Jaht-  nkhti  wie  im  attischen,  sechs,  sondern 
niur  {liof  Monate  liegen.  Da  wir  den  letztem  Monäl 
ganz  innerhalb  de^  Grenzen  finden,  zwischen  denen 
sich,  der  Anfiing  des  Hekatombäon  ikn  attischen  Mond* 
)alir  bewegte,  ao  mnfii  sich  bei  der  Einrichtung  des 
asiaI^schen  Sonnenjahrs  der  erstere  nm  eine  Stelle  ver- 
sdioben  haben,  wodurch  der  LenSus  in  den  attischen 
^uthesterion  rückte.  Daher  heilst  es  auch  in  der  Tafel 
der  attischen  Monate  bei  Henricus  Stephanus  (276) ; 
tLyii<u,m  0  k9lL  Ilocrudccuy  o  ^tßpavapaog^  wo  der  Poseideon 
für  den  Anthesterion  steht,  dessen  Stelle  er  im  spa- 
tem Sonneniabr  der  Athener  einnahm  (360).  Den  Ar- 
temisius  .  hatten  die  Asianer  und  Maoedonier  gemein. 
Dufe  übrigen  Monatsnamen  scheinen  neuem  Ursprungs 
zu  sein  u^d  nicht  weiter  vorzukommen«  In  Ansehung 
des  Tiberius  bemerke  ich,  dafs  nach  Dio  Cassius.der 
römische  Senat  den  November  mit  diesem  Namen  be- 
legen wollte,  weil  der  Kaiser  Tiberius  in  demselben 
geboren  war,  dais  er  sich  aber  diese  Ehre  mit  der  ver- 
ständigen Frage  verbat,  was  man  denn  einst  thun  w.oUe, 
wenn  der  dreizehnte  Kaiser  regieren  würde  *).  Was 
jedpch  die  Schmeichelei  in  Rom  nicht  bewirkte,  mufs 
in  JUeinasien  geschehen  sein.  Spaterhin  scheinen  die 
Smyrnäer  die  Monsltsnamen  der  Macedonier  angenom- 
men zu  haben;   denn  in  einem  Schreiben  der  Kirche 


*)  Hist.  Born.  1.  LVn,  c.  18.  S  u  e  i  0  n  redet  fTiber.  c.  2S) 
Tom  September.  Allein  Gasaubonus  lieset  dafür  den  Mo- 
Tember ,  der  sich  nun  auch  durch  das  Hennerokgium  beslatigt. 


Macbdokibb  und  Syr^r.  419 

su&njma,  welches Euaebius  anasu^sweise  mittheilt  *y,: 
UiBber  aber  aus  einer  alten  Haudacfarift  roBstftndig  ans 
Licht  gestellt  bat')»  findet  sich  der  Märtytertod  des. 
heiligen  Poljoarpos  auf  den  2.  Xanthicus  gesetzt,  dek 
mit  dem  23*  Februar  yerglichen  irird  ^),  woraus  erbet» 
let,  dais  der  Lenäus  unsers  Hemerologiums  gemeint 
ist.  Man  kann  jedoch  Sagen,  dais  die  Kirche,  ulkn-allt 
genüein  verstanden  zu  werden,  statt  des  aufser  Smyma 
vielleidit  wenig  mehr  genannten  Lenäus  einen  Nameii 
geseut  bat,  der  gewifa  allen  Asianem:  geläufig  war.  . 
Ein  zweiter  hieher  gehöriger  Kalender  in  unsenu' 
Ebmerologium  ist  iblgender  der  Epbesier: 


Namen  der  Monate. 

Anfang. 

244  September  • 

24.  Oktober   , 
..  24.  NoyemKer 

25.  December: 

Dauer. 

Dius 
ApeUtfu^ 
Audynäus 
Peritius 

301^. 
31    - 
31    - 
30    - 

Dystnis 
>Xanthicus 

24.  Jannar 
22.  Febmar   i 

29  - 

30  - 

Artembius 

24.  M«fE 

31     - 

Dasiüs 
Panemus 

24.  April 
24.  Mai 

30  - 

31  . 

Lous 

24.  Junins 

31     - 

Gorpiäus 
Hjperberetäus 

26.  Julius 
24.  Ahgiut 

30  - 

31  - 

*)     Hisi.  eccL  IV,  15. 

')  S.  die  Anmerkungen  desValesius  zu  der  eben  erwähn- 
ten Stelle  der  Kirchengeschichte ,  p.  65  der  amsterdammer 
Ausgabe. 

')  Für  irp^  \mvL  KaXütv^wy  VLeitwv  ist  offenbar  tia^Uv  zu  le- 
sen ,  wie  schon  der  alte  lateinische  Uebei^pet^er  anerkannt  hat 

[27  •] 


420  Technische  Chronologie» 

Dieser  Kalender  unterscheidet  sich  seiner  Consuiidioii 
nach  von  dem  vorigen  blois  durch  die  Epoche  dnes 
einzigen  Monats.  Die  Tage  werden  in  ihm  auf  gleiche 
Weise  gesählt«  nur  dals  sie  im  Apelläus  und  Hyperbe- 
letaus,  vennutUich  durch  ein  Versehen  des  Ahschreibers, 
dben  so  wie  im  nebenstehenden  bithynischen  Kalender 
nach  dem  20sten  mit  KA,  KB,  KT  u.8.  w«  bis  zum 
30sten  hin  bezeichnet  sind.  Der  Schaltmonat  ist  hier 
ohne  Zweifel  der  Dptrus,  der  dem  Lenäus  der  Asianer 
entspricht.  Die  Namen  der  Monate  sind  durchaus  die 
macedonischen  9  daher  sich  nicht  zweifeln  Iftfst,  dais 
dies  eben  der  Kalender  bt«  von  welchem  Galenus  in 
der  oben  (412)  angeführten  Stelle  spricht«  Das  Heme- 
rologium  legt  ihn  vorzugsweise  den  Ephesiern  bei. 
Er  mula  aber  in  Kleinasien  sehr  verbreitet  gewesen 
sein ;  denn  wir  finden  in  den  ersten  Jahrhunderten 
der  Christenheit  nicht  selten  nach  ihm  datirt.  So  setzt 
Epiphanius  *)  Christi  Taufe  auf  den  16.  Apelläua  der 
Maoedonier,  den  er  mit  dem  12.  Alhyr  der  Aegypter 
(Alexandriner)  und  8.  Dius  der  Griechen  (Syrer) ,  d.  i. 
mit  dem  8.  November  vergleicht. 

In-Maffei's  kleiner  Schrift  über  die  Abbrevia- 
turen') kommt  eine  aus  einer  ephesischen  Inschrift  ge- 
nommene Abkürzung  vor,  in  welcher  der  Name  Posei- 
deon unverkennlich  ist,  und  an  der  vorhin  (416)  angeführ- 
ten SteUe  des  losephus  scheint  der  Lenaon  ein  Monat 
der  Ephesier  sein  zu  soUen.  Hieraus  schliefsen  nun 
Corsini')  und  Audrichi^),   dafs  die  Ephesier  als 

*)  An  der  oben  (15!  und 361)  angeführten  Stelle. 

*)  Graecorum  siglae  lapidanae  (Verona  1746,  8)  p.61. 

•)  F.  A,  XIV,  18. 

')  Instit.  AM.  p.23. 


MiLGSBOHifiR   und  St&br.  421 

lonier  früherhm  mit  den  Athenern  einerlei  Monate, 
Jahrfonn  und  Jahranfang  gehabt  haben.  Der  Schlafs 
ist  jedoch  zu  rasch;  denn  in  eben  dem  Kapitel  des 
losephus,  worin  der  Lenaon  erwähnt  wird,  findet 
sich  *)  ein  Dekret  der  Epbesier  zu  Gunsten  der  Juden 
vom  1.  Artemisius  datirt,  und  in  einer  ephesischen  In- 
schrift bei  C handler  ')  wird  der  ephesische  Monat  Art^ 
mision  genannt,  der  dem  Dienst  der  Artemis  geweiht  sei, 
und  bei  den  Maoedoniem  Artemisius  heifse.  Die  Epbesier 
seheinen  daher  von  Alexander  bis  zur  Annahme  des  Son« 
nenjahrs  unter  den  ersten  römischen  Kaisem  weder  die 
rein  ionischen ,  noch  die  rein  macedonischen  Monatsna- 
men, sondern  ein  Gemisch  von  beiden  gehabt  zu  haben. 

Ein    dritter   ganz   ähnlicher   Kalender   in  unserm 
Hemerologium  ist  folgender  bithynischer 


Namen  d« 

!r  Monate. 

Anfang. 

Dauer. 

HPAIOS 

Heraus 

23.  Sept. 

31  Tage. 

EPBL4IOS 

Hjermäus 

24.  Okt. 

30    - 

MUTPQOS 

Metrous 

23.  Nov. 

31     - 

AIONT2IOS 

Dionysius 

24.Dec. 

31     - 

HPAKAEI02 

Herakleitts 

24.  Jan. 

28     - 

AIO£ 

Dius 

21.  Febr. 

31     - 

B£NAIAAI0£ 

Bendidäus 

24.  Man 

30    - 

XTPATEIOS 

Strateius 

23.  April 

31     - 

nEPIEni02 

Periepius 

24.  Mai 

30    - 

APEI02 

Aceins 

23.  Jun. 

31    - 

A4>P0AI2I0S 

Aphrodislus 

24.  Jul. 

30    - 

AHnmiTIOZ 

Demetrins 

23.  Aug. 

31    -  . 

•)    S.25. 

»)    Inserat,  ant. 

F.  I,  DO.  36. 

422  Technische  Chronologie. 

Dieser  Kalender  weicht  seiner  Foim  und  Stellung  iuMsh 
Bur  dadurch  von  dem  vorigen  ab,  dafi  die  MonaUtage 
'VÖm  erMen  bis  znm  letzten  ganzordeatlioh  htnterein- 
ander  fortgezählt  weiden,    und  dais  acht  Monate  nm 
«inen  Toig  früher  im  römisdien  Kalender  anfangen,  s.B. 
der  Metroos,  dessen  Epödie  sidi  ganz  eben  so  aus  dem 
Almagest  ergibt*).    Ptolemäus  berichtet  nftmlicfa, 
Ag^ippa  in  Bithynien  habe  im  cwiflften  Jahr  Donu- 
tian's  öder  im  840sten  der  nabonassarischen  Aere^am 
'Abend  des  7«»  Metrous  oder  2«  Tybi  eine  Bedeckung  der 
Mejaden  vom  Monde  beobachtet.    Das  römisdie  Datum 
4st,  wie  die  Redüetion  des  ägyptischen  aeigt,  der  29  .No* 
yembbr  des  Jahrs  92  niiserer  Zeitiechnang,  so  dals  der 
▲nfiuag  des  Metrdns  dem  23.  November  entsprach.    Der 
Schallmonat   mufi    hier  der  Herakleius   gewesen  sein. 
Die  Namen  der  bithynischen  Monate,    welche  sich  in 
mehreren  alten  Handschriften  finden,   lauten,   bis  auf 
einige  von  Corsini')  zusammengestellte  Varianten,  bei 
Scaliger,'  Henricus  Stephanüs  und  Usher  ganz 
übereltisiimmig,  und  zwar  so,  wie  ich  sie  hier  gegel^en 
habe.     Drei  darunter   haben  in  unserm  Hemerologium 
ein  so  fremdartigies,   ungriechisches  Ansehn,    dals  man 
sich  genölhigt  sieht,  sie  für  falsch'  geschrieben  oder  ge- 
lesen zu  erkläreb ;    för  ^EpaZo;  bämlich ,   TlepiiTno;  und 
'A/jwos  findet  sich  IIPAI2H2,   ItPlKTIOS  und  API^A- 
PI021     Die   beiden  letzten!   habe  ich   jedoch  an   den 
Stellen  gelassen',    di^i   ihnen  das  ^Hemerologium  anwei- 
set;   in  den  audern  Terzeichnisseii  folgt  der  nepiiiriog 
auf  den  'Apeibg.     ■  »    .  >  * ' 


•)    l.Vn,  C.3,  p.22. 
»)    F.  A,  XIV,  7. 


MagsdqitiIeb  uftd  8:%ii^R.  423 

Bai  dieser  grofsem  Yßnscbiedettlieit  der  ia -Kldki*« 
asÄen  gebräüchliclien  Monatsnanien  Dauft  €laS€U>st  firüh- 
seitig  2ur  Erleichtenmg  des .  gegeimeitigeti  Verkehrs«  der 
Städ^  und  Provinzen  der  Gebrauch  aufj^kominen  fleioi^ 
die  Monate  nach  den  Stellen  zu  bezeidinen,  .die  aie  in 
dem  macedoni^ch^ asiatischen  um  dü.Herbstnaehlgleiohb 
anfangenden  Sonnenjahi^  ^nbahmefi«  Auch  scheint  sich 
die  kldne  Abweichung  in  der  Bestimmung  der  Dauer 
.  Ast  Monate  -  allmählig  ausgeglichen  und  folgender  dilU 
gemdmi  gültige  Kalender  ausgebildet  za^haheui 


Aiiifaiig; 

Datier. 

terster    Monat 

24. 

September 

30Tf^e.'  , 

Zweiter 

24. 

Oktober 

30     . 

Dritter        - 

23. 

November 

31   '-    ' 

Vierter 

24. 

December 

30     - 

Fünfter      - 

23. 

Januar 

3Ö    -    •    ■ 

Sechster     - 

22: 

Februar 

M"!'    '" 

Siebenter   - 

25: 

März 

31     .    ''"' 

Achter 

•2s: 

April 

30     '^      * 

Neunter 

2ä. 

Mai  '■      ■         • 

30     .     ^■ 

Zehnter      - 

24. 

Junlus    ' 

31    •-     .  ^ 

Elfler          -• 

2s: 

Julius      ^ 

31.   -'"^ 

Zwölfter     - 

2S. 

*  August 

^*3avi    •' 

Usher^)    und 

Noris« 

)   haben   mehrere   DaW  aus 

Klrghenscribenten 

..gesamme 

It,  die  sich  nur 

durch  einen 

so  geordneten  Kalender  rechtfertigen  lassen 

;    Beide  Ge^ 

lehrten  stinunen  in  den  Ergebnissen  ihrer  Untersuchun- 

')    Ini  zweiten  Kapitel  seinei*  Abhandlung  über  dasmace- 
donisch -asiatische  Sonneujahr  (394).  '      '    '    ' 

^)    Annus  et  Epochae  Syro-Macedomiim'li% 


i24  Technische  Chronologie. 

geä  ilbeieiu,  nur  dais  Usher  die'Epodhe  des  aebiteii 
Monats  aaf  den  25.  Junius  settt.  Im  Schaltjahr  be- 
gannen ihrer  Ansicht  nach  die  Monate  yom  siebenten 
an  nm  einen  Tag  fiiiher  im  römischen  Kalender,  was 
voranssetst,  dafs  die  Kleinasiaten  in  einerlei  Jahr  mit 
den  Römern  einschalteten,  ihren  Schalttag  aber  ans 
Bade  des  swölften  Monats  brachten. 

Um  nnr  eine  jener  Stellen  anzuführen,  so  setat 
dek*  Yer&sser  der  dem  Chrysostomus  uniergescho* 
benen  sieben  Osterreden  in  der  letzten  derselben  ^) 
das  Osterfest  des  Jahrs,  worin  er  schrieb,  auf  den 
zweiten  Tag  des  achten  Monats,  und  die  Osterfeste  der 
drei  folgenden  auf  den  17ten,  9ten  und  29sten  Tag  des 
siebenten*  Usher')  hat  ganz  richtig  bemerkt ,  dals 
hier  nur  von  dei^  Osterfesten  der  Jahre  672  bis  675 
n.Chr.  die  Rede  sein  könne,  die  auf  den  25sten,  lOten, 
2len  und  228ten  April  trafen.  Da  das  erste  dieser  Jahre 
ein  Schakjahr  war,  so  sieht  man,  dals  sich  die  ange- 
gebenen Data  in  obigen  Entwurf  (tigen ,  unter  der  Vor- 
ausseUung,  da(s  es  mit  dem  Schaltwesen  wirUicb  die 
gedachte  Bewandtnils  hatte.  Uebrigens  mufs  diese  Be- 
zeichnungsweise der  kleinasiatischen  Monale  schon  zu 
Aristides  Zeit  in  Smyma  nicht  ungewöhnlich  gewesen 
sein ;  denn  er  gedenkt  einmahl  ^)  des  vierzehnten  Ta- 
ges des  zweiten  Monats,  mit  dem  Beifugen:  cJ^  ifo\ixl^o^ 
pev  ol  Tavnj,  wie  wir  es  hier  zu  Lande  gewohnt 
sind. 


*}     Opera  Chrjrsosiomi  Tom.  Vm  der  pariser  Ausgabe ,  inter 
Sparta  p.  284. 

»)    A.a.O.  C.5. 

'}    Serm.  saer.  11,  p.294. 


Magbdohibr  tmd  Strbb«  426 

Bemerkenswerdi  ist  es,  dafs  in  den  Saimnlungen 
des  Henricus  Stephanus^)  und  in  zwei  von  Usher') 
erwähnten  Handschriften  der  ozforder  Bibliothek  die 
Namen  der  liimmelszeichen  Kpio^  Tav/pog,  AidvfAoiu.s»w. 
geradezu  als  die  Mona te  der  Macedonier  aufge- 
führt sind.  Ungeachtet  sie,  wie  man  sieht,  gar  wohl 
die  Stellvertreter  der  kleinasiatischen  Sonnenmonate  sein 
konnten^),  so  glaube  ich  doch  nicht,  dafs  sie  je  im 
bürgerlichen  Leben  zu  diesem  Zweck  gedient  haben; 
wenigstens  findet  sich  nirgends  ein  an  sie  geknüpftes 
Datum.  Es  ist  aber  bei  der  grofsen  Yerschiedenheit  der 
in  Kleinasien  üblichen  Monatsnamen  sehr  wohl  mög- 
lich, dafs  man  bei  der  Berechnung  des  Osterfestes  in 
den  ersten  Jahrhunderten  der  Christenheit  dei^leichen 
allgemein  gültige  Benennungen  gebraucht  hat,  die  sich 
dann  jeden  Orts  leicht  in  die  volksthiimlichen  umsetzen 
liesen.  Der  Zusatz :  bc  rrjg  2xxXT]o-iafue%  ixdoawog,  nach 
der  kirchlichen  Annahme  oder  Feststellung, 
der  sieh  in  einer  jener  Handschriften  findet,  erhebt 
die  Sache  über  jeden  Zweifel. 

An  das  kleinasiatische  Kalendersystem  haben  sich 
auch  die  Creter  und  Gyprier  angeschlossen.  Die 
Monate  der  erstem  sind  in  unserm  Hemerologium  fol* 
gendermalsen  geschrieben  und  bestimmt: 


*)    Append,  ad  thes,  ling.  Gr.  col.  225. 

*)    A.a.O. 

')  Man  yergleiche,  was  oben  in  der  griecfaisclieii  Zeitrech- 
noDg  (356)  über  die  nach  den  Uimmelszeicfaen  benannlen  astro- 
nomischen Monate  Kptwy,  Tavpc^y,  At^vpnr  u.s.  w.  gesagt  wor- 
den ist. 


426  Technische  Chronologie. 

NamcD  der  Monate.  Anfang.       Dauer. 

eE£MCMK>PlS?NThesiaöph6rion  23.Sept.  311^« 

EPMAIOS  Hermäus  24. Okt.  30  - 

EIAIAK  Eiman  23. Nov.  31  - 

METAPXI02       Metarchius  24.Dec.  31  - 

Amor  Agyius  24. Jan.   28  - 

A102K0TP0X    Dioskurus  21.Fcbr.31  - 

eEÖAOSIOS       Theodoains  24.März30  - 

nOirrOS  Pontus  23.April31  - 

PABIIfeiÖS         Rhabinthins  24.Mai    30  - 

nPIIEPBEPETOS  Hypcrbcrctus  23.  Jun.   31  - 

NEKTTIOS  Nekysius  24.Jiil.    30  - 

BA^IAIOS  Basilins  23.AQe;.   ^^  - 

Wie  dn  idcitte  Monat  eigentlich  gdoutet  haben  mSge, 
iili  schwer  eil  sagen.  Die  Epochen  sind  yoUkommen 
npuft  den  'bithynisehem  ühpurinstimmend ;  auch  iveiden 
die  Monatstage  gleichfilk  in  ümmterhrocbener  Qrdunng 
gezählt.  Sonst  kannte  man  nur  einige  lecstreule^  von 
ohigett  ganx  abweiühende  Namen  orelisoher  Monate  aus 
Inschriften  bei  GhishülP],  dieCorsini  pisammen- 
^steUt  hat')«  Han  ersieht  daxans,  dais  in  froherer 
Zeit,  wo  noch  das  Moadjahr  auf  CSreta  obwaltete, 
selbst  benachbarte  Städte  ganz  verschiedene  Monatsna- 
men hatten. 

Der  Kalender  der  Cyprier  war  folgender: 


')    ^n/*V.^5iW..  (London  1728,  fol)  p.  129  ff.^ 
»)    >.  A.  XIV,  13. 


MACEDoniEa  und  Sthbr.  427 


Niimen  der  Monate. 

Anfang. 

Dauer .^ , 

>A<f>/5cduri05  ■ 

Aplirodisius 

23.  Sept. 

31  Tage. 

^ATToycmtog  ' 

Apogonicus 

24.0kt: 

30    - 

A/vüco'5 

Ainicus 

23.  Nov. 

31     - 

lofvKiog 

Inlins 

24.Dec. 

"31    - 

Kcuaupiog 

Gäsarius 

24,Jto. 

28    - 

Xfßafo; 

Sebastns 

21.  Fei». 

30    - 

AvTOKparopoiog   Antok^ratoricns     23.  Man  31  - 

AT)juiapx€?oT5(no$  Demarchexusius  23.  April  31  - 

irk-riSrvTroLrög       Plethypatns  24.  Mai     30  - 

'Apx^rpgvg    '        Archiereus  23kJan.    31  - 

^aruvg  Hestieus  24*  Jul.    '30  - 

'Pwixcubg  RomiCua  23.Augr  31  - 

Der  Scbaltvionat  -war  ohne  ^  Zweifel  der  Cssi^us.  Di^ 
Namen  lauten  Jbei  Li lius  Gyi^f^ldua^);  Stephanies ') 
und  I  r  i  a  r  t  e  ^) ,  die  sie  aus  alten  Menologien  an^ 
Licht  gezogen  haben,  zum  Theil  ein  wenig  anders,^  als 
in  unserm  Hemerologium.  Ich  habe  die  Lesarten  ge- 
wählt, welche  die  richtigsten  zu  sein  scheinen.  Der 
Aphrodisius  wird  auch  yon"  Pörphyrius  *)  und  der 
Apogonicus  von  Epiphanius ')  ejrwähnt.  .Statt  des 
letztem  hat  das  Hemerologium  das  abgejLJirzjte.  und 
veimuthlich   entstellte  AIIOAAS^.     Für  Aipitfis^   worin 


*)  De  annis  et  mensiBus,     Opera  Vol.  IJ,  col.  7Ö5.' 

')  Appendix  a.  a.  O.    Die  beiden  letzten  Namen  fehlen  hiei*. 

')  Codd.  Graeci  BibL  Reg,  Matritensis  p,  380. 

*)  De  abslinentia  L II,  S.  54,  p.  198,  ei.  Ti^j.  «d  lUien.. 

')  An  der  oben  (151)  und  öfter  dtiiieu  Stelk  der  ffaeres.  Li. 


428  Technische  Chnmelogie. 

die   Menologien   übereinstimmen ,    lieaet   es    ANIIIOS. 
Hr.  Buttmann  glaobtt  da(s  die  richtige  Lesart  Amto^ 
sei.     Den  luliiis  nennt  Epiphanius  'IoSXo$;  die  Meno- 
logien  haben  'louvtog.    Für  das  Koua-apio^  des  Hemerolo- 
giums  findet  sich  in  den  Menologien  Kaurdpsiog.   Das  Au- 
tocratoricus  und  Demarchezusius  der  Menologien  verdie- 
nen den  Vorzug  yor  dem  ATTOKPATOP  und  AHMAP- 
XOS  des  Hemorologiums.    Das  Pletbypatos  als  des  neun- 
ten Monats  erwähnt  audi  Alexander  Monachus  ^). 
Für  das  Arcbiereus  der  Menologien  hat  das  Hemerolo- 
gium  ^kpx^ipio^y  und  für  das  '£ft/o$  des  letztem  schlägt 
Hr.  Buttmann  '£^in}$  oder  *£^ia!b$  yor;  die  Menolo- 
gien lesen. ^Ec-dvos«    Statt  des  'Pwfioiog  der  Menologien 
hat  das  Hemerologium  A00£,  was  entweder  eine  Cor- 
ruption  oder  ein  Ueberbleibsel  aus  dem  filtern  Kalender 
der  Cyprier  ist.     Nach  Corsini  ')  hat  Harduin  die 
Namen    folgendermafsen   in  eine  Art  genetischen  Zu- 
sammenhanges gebracht: 

Veneris  soboles  Aenens  fetj  TuUus  Caesar  Augustus 
Imperator  Trib.  Potestatis  Cos.  saepissime  Poii- 
tifex  Maximus  C^xJ  familia  Romanorum. 

Ein  sinnreicher  Gedanke!  Auf  jeden  Fall  geben  üe 
deutlich  zu  erkennen,  dafs  sie  unter  einem  der  ersten 
römischen  Kaiser,  vielleicht  unter  Augustus,  der  Cypem 
zugleich  mit  Aegypten  zu  einer  römischen  Provinz 
machte,  eingeführt  worden  sind.  Die  Epochen  im  He- 
merologium verdienen  alles  Zutrauen;  denn  ganz  über- 


*)    Laudatio  in  Aposiolum  Bamabam.   Acta  Sanctorum^  Ja- 
nius,  tom.  n,  p.45i. 

»)    P,  A,  XIV,  44. 


Magedorier  und  Stbb.r.  429 

einstimmig  yergleicfat  der  gedachte  Alexander  den 
11.  Jonius  mit  dem  .19.Plethypata8  und  Epiphanina 
den  6.  Januar  mit  dem  H\  Julus  und  den  8.  Novem- 
ber mit  dem  16.  Apogonicus.  Aus  beiden  ersehen  wir, 
dafs  dieser  Kalender  eigentlich  den  Paphiern  ange- 
hörte« Die  Salam inier  dagegen  hatten  die  ägyp- 
tischen M Qnate,  denen  sie  jedoch  etwas  andere  SteUen  im 
julianischen  Jahr  anwiesen,  als  die  Alexandriner;  denn 
Epiphanius,  der  als  ihr  Bischof  von  ihrem  Kalen- 
der genau  unterrichtet  sein  mufste,  setzt  Christi  Taufe 
auf  ihren  6.  Choiak,  der  nach  ihm  dem  12.  Athyr  der 
Alexandriner  oder  8.  November  der  Römer  entsprach. 
Er  macht  diesen  Monat  zu  ihrem  dritten ,  und  den 
6.  Januar,  an  welchem  Christus  geboren  sein  soll,  zum 
fünften  Tage  ihres  fünften  Monats,  dem  er  keinen  be- 
sondem  Namen  gibt.  Hieniach  müssen  die  Salaminier 
ihr  Jahr  am  4.  September  mit  dem  Phaophi  angefan- 
gen haben.  Ganz  übemnstimmig  hiermit  vergleicht 
Alexander  den  11.  Jnnius  mit  dem  Uten  Tage  des 
zehnten  Monats  der  Salaminier;  wenn  er  aber  diesen 
Moiiat  Mesori  nennt,  so  muls,  falls  es  nicht  etwa  Epi- 
phi  heifsen  soll,  auf  Cypem  der  Mesori  dem  Epiphi 
vorangegangen  sein. 

Einen  zweiten  Hauptgebrauch  von  den  macedo* 
nischen  Monaten  finden  wir  in  Syrien  gemacht.  Hier 
war  seit  den  ersten  Jahrhunderten  unserer  Zeitrechnung 
und  ist  bis  zur  Stunde  bei  den  Christen  ein  Jahr  ge- 
brauchlich, dessen  Monate,  von  den  Griechen  mit  ma- 
cedonischen  und  von  den  Syrern  mit  einheimischen  Na- 
men bezeichnet,  den  römischen  ganz  so  parallel  liefen, 
wie  es  folgende  Tafel  zeigt: 


430 


^Technisehe  Chronologie» 


'  Sjromatedoiiiselie  Mo^nale* 
Macedoniscfae  Namen.  Syrische.  Römische. 

Der  erste  Thischri 


Hjperberetäus 

Dius 

Apelläus 

Audynäus 

Peritius 

Dysirus 

Xanthicus 

Artemisius 

Däsius 

Panemus 

Loua 

Gorpiäus 


Oktober. 
Der  zwel^  Thischri  November, 


Der  erste  Kanun 

Der  zweite  Kanun 

Schebat 

Adar 

Nisan 

Ijar 

Hasiran 

Thamus 

Ab 

Elul 


Deoember. 

Januar. 

Februar. 

März. 

April. 

Mai. 

Junius. 

Julius. 

August. 

September. 


Wer  die  syriscben  Namen,  die  groisentheila  die  jüdischen 
8iwl.(402)y  mit  sjriochen  Buchataben  geschrieben  sehen 
will,  Teigleiche  Beyer idge 's  Chronologie  *). 

.  Dafii  4ie  ayromacedoniaehen.  Monate  ihrem  Gehalt 
und  ihrer  'Stellung  nach  mit  den  römiMhen  wirklich 
vollkommen  übereinstiromffln,  so  dais  z.B«  der  Peritius 
oder  Schebat  nur  ein  anderer  Name  für  dea  Februar  war, 
lehren  zahlreiche  Zeitbestimmungen  bei  griechischen,  sy- 
rischen und  arabischen  Scfariftfltdlem.  Um  nur  ein  paar 
anadrückliche  Zeugnisse  dafür  beiaubringen ,  nenne  ich 
zuvörderst  .unser  Hemeiologiiua,  das  die  Ajoiknge  der 


*)  JhtUtutianum  ekronologicarum  libri  duo  (ed.  Traj.  adRk 
1734,  8).  Appendix  p.257.  Bayer  schreibt  sie  in  seiner  JSTf- 
storia  Osrhoena  et  Edessena  p.  17  der  syrischen  Aussprache  ge- 
mfiftabo:  Tleschrin,  Gonttn,  Sthrot,  Ödor,  Nison,  lor, 
Ghsiron,  Tomus,  Oy,  Ilul. 


Magbdonisr  und  SyAer.  431 

Monate  der  Hellenen  dnxicbgiüiigig.  auf  die  GalencUi 
der  xömischen  setzt*  Mit  dem'  Namen  ^EXX^f^  weiden 
hier  nach  einem  bei  den  mpjfegenländischen  SoluiftsleU 
lern  häufig^  voirlLommenden  ISpracfagebraüch  die  sy-* 
rischen^Grieciten  yerstanden,  besond)ers.  die  Eü»^ 
wohner  von  Antipchien,  deii  Hauptstadt  des  aeleuci-^ 
dischen  Reichs  und  spä^thin  der  römischen'  Provinz 
Syrien.  Eptphanius  saj^^),  Christas  sei.  geboren 
nach  den  Römern  am  6.  Januar,  j^ach  den  Syrern 
oder  Griechen  — yctirat  j^vpovg  etr'  dov'^EKKffik^'^  am 
6.  Audynäus,  und  getauft  nach  den  Römern  am  8.  !No*- 
yember,  nach  den.  Griechen  am  8.  Dius«  .       !     . 

Ungeachtet  dieser  Kalendbr ,  wie  wir  gleich  sehen 
werd«:iy  anfangs  keinesweges  allgemein  in  Syrien  galtj 
so  muis. er  doch  zuleUt  jeden  andern  Terdrängit  haben ; 
denn  bei  den  in  Syrien  tebenden  griediischen  ^ifehen^^ 
scribenten,  2^  B.  Euagrius,..  bei  dem  Verfasser  dea 
Chronicon  paschaie^  in  den  Auszügen,  die  Assemani 
in  seiner  BibUodteea  orientaUs  anis  den  zahbeichen  «y>« 
rischen  Handschriften  der  yatäanischen  Bibliothek  gibt^ 
und  bei  den  i  arabischen  ^Gesdiichtschreibem  tmdAstro* 
nomen,  die  sich  häufig*  der  syrischen,  so  wie  der  aleiann 
drinischen ,  Monate  bedienen ,  wenn  sie  Data  des  Son^ 
nenjahrs  angaben  wollen,  ist  nie  Ton  andern  syrischen 
Monaten  als  obigen  die  Rede.>  -      .      -  t 

Ich  habe  den  Hyperberekäus  oder  ersten  Tkischri 
obenan  gestellt,  weil  die  Syrer  ihr  Sonnenjakr,  eben 
so  wie  die  Griedien  Kleitiasicns ,  um  die  Herbstnacht^ 
gleiche  anfingen,  wenn  auch  gerade  nicht" mit  deim 
Tage  derselben.    Dies  geht  theib  aus  dem  Zeugniüs  des 


*)    An  der  ofl  angezogenen  Stelle. 


432  Technische  Chronologie. 

Hieronymus'):  Jpud  orientalespoptJospostaJlectio^ 
nem/rugum  et  torcularia,  quando  dedmae  deferehantur 
in  temphim,  October  erat  primus  mensis,  et  lanuaritu 
quartus,  theils'and  noch  beslimmter  aus  der  mit  den  57- 
romaoedonischen  Monaten  in  Yerbiadung  stebendea  se- 
leucidiflclienAerehenrorf  deren  Jahi«  gewöhnlich  yomHy- 
perberetäus  oder  ersten  Thiachri  an  gerechnet  werden« 

Es  fragt  sich,  woher  es  kam,  daft  der  Hyperbere- 
täus  der.  Syrer  fast  ganz  die  Stelle  einnahm,  in  der  wir 
bei  den  Kleinasialen  den  Dias  finden.  ITsher  glanbt, 
da(s  seit  der  Schlacht  am  Granicas  mehrere  asiaüadie 
Tölker  die  macedonischen  Monate  dem  oben  (405)  er- 
wähnten Machtspruche  Alezander's  gemäfs  gezählt  ha* 
ben,  während  andere  den  ursprünglichen  Gehraucji  der- 
selben beibehielten.  Noris  dagegen  meint,  diese  Yer- 
schiedenheit  sei  erst  beim  Uebergange  des  Mondjahn  in 
das  Sonnen  jähr,  und  zwar  dadurch  enutanden,  dais 
man  in  KJeinasien  die  jblianische  Jahrform  in  einem, 
gemeinen  Mondjahr,  in  Syrien  aber  in  einem  Schalt- 
jahr angenommen  habe,  wo  ein  Monat  doppelt  gezählt 
wui^e«  Letztere  Hypothese  ist  sehr  annehmlich;  doch 
darf  nicht  unerinnert  bleiben,  dals,  nach  dem  Gebrauch 
der  macedonischen  Monate  beim  losephus  (402)  zu 
urlheilen,  die  Divergenz  schon  früher  eingetreten  sein 
mufs,  da  wir  diese  Monate  im  Mondjahr  d^r  Juden 
bereits  ganz  ähnliche  Stellen  einnehmen  sehen,  wie  in 
dem  syromacedonischen  Sonn'enjahr,  z.Bi  den  Hypei^ 
bereUus  die  des  Thischri,  der  um  die  Herbstnacht- 
gleiche,  anfängt. 


*)    Comment.  in  Ezechielem  LI,  c.  1.    Opp.  Tom.  V  (ed.  Ve- 
ron.),  p.6. 


Macedobier  und  Syrer.  433 

So  lange  das  seleucidische  Reich  bestand,  schei- 
nen die  Syrer  einerlei  Zeitrechnung  gebraucht  zu  ha- 
ben, nämlich  ein  gebundenes  Mondjahr,  das  sie  mit 
den  Macedonlem  um  die  Herbstnachtgleiche  anfingen. 
Als  aber  das  Land  unter  römische  Herrschaft  kam  und 
viele  syrische  Städte  die  Autonomie,  d.i.  die  Freiheit 
erhielten,  sich  nach  eigener  Yerfassung  zu  regieren,  eig- 
neten sich  zwar  alle  den  von  lolius  C$sar  verbesserten 
römischen  Kalender  an,  jedoch  mit  mancherlei  Ab- 
weichungen, die  im  gegenseitigen  Yerkehr  eine  grofse 
Terwirrung  zur  Folge  haben  mufsten.  Als  Faden  in 
diesem  Labyrinth  dient  uns  unser  Hemerologium ,  das 
diie  Ergebnisse  der  chronologischen  Forschungen '  eines 
Noris  und  anderer  theils  bestätigt,  theils  berichtigt 
und  erweitert. 

An  das  benachbarte  Antiochien,  wo,  wie  der  eben, 
gedachte  Gelehrte  zeigt  ^),  die  syromaoedonischen  Mo* 
nate  im  Gebrauch  und  ursprünglich  einheimisch  waren, 
schlols  sich  Seleucia  in  Pierien.  Unser  Hemerolo- 
gium gibt  von  dieser  bedeutenden  Stadt  einen  Kalender, 
in  welchem  leider,  ein.  Monat  keinen  Namen  hat  und 
zwei  ganz  fehlen.  Ma|i  ersieht  aber  wenigstens  daraus, 
dafs  die  Monate,  eben  so  wie  die  syi^omacedonischen, 
den  römischen  ganz  patrallel  liefen.  Es.  stimmten  näm- 
lich überein: 

Gorpiäus  Oktober. 

Panemus  November. 

Xanthious   ,  Decembc^*« 

.    Audynäus  Januar. 


^)    Annus  et  epochqe.  ^rßfiiutcedojnufn  m,  2. 
I.  [28] 


434  Technische  Chronologie* 


Dionysius 

März. 

Antbesterins 

April. 

Artemisins 

Mai. 

Adonisius 

August. 

Apelläus 

September. 

Der  Audjnäus  und  Artemisms  sind  mit  den  gleicblan- 
tenden  sjromaccdonischen  Monaten  identisch  ,*  die  übH- 
gen  fuhren  entweder  die  macedoniscben  Kamen  in  an- 
derer Ordnung,  oder  ganz  abweichende.  Es  ist  freilich 
die  Frage ,  in  wie  weit  man  sich  auf  diesen  Kalender 
verlassen  könne,-  da  er  sich  blofs  in  der  leidner  Hand- 
achrift  findet.     Datirt  ist  nach  ihm  nirgends. 

Auch  die  Sidonier  gebrauchten  die  sjromacedo- 
nischen  Monate,  nur  dafs  sie  dieselben  um  zwei  Stellen 
tiefer  ins  Jahr  schoben,  wie  folgende  Yergleicfaung  mit 
den  römiscben  zeigt: 


Lous 

Oktober. 

Gorpiäus 

November. 

Hyperberetäus 

December. 

Dius 

Januar. 

ApellMus 

Februar. 

AudynSus 

März. 

Peritius 

April. 

Dystruaf 

Mai. 

Xanthicus 

Junius. 

Artemisins 

Julius. 

Dttsiuif 

August. 

Panemus 

September 

Eine  eigene  Acre  der  Sidonier  erscheint  auf  Münxen; 
aber  ein  sidonisches  Datum  möchte  sich  achwerlidi  bei 
irgend  einem  Sekriftatelkr  finden.    . 


Magbdonier  und  Staba.  436 

Merk'vvÜTdig  ist  es,  dais  der  Kalender  der  Lycier, 
eines  kleinasiatischen  Yolks,  nach  dem  Hemerologium 
mit  dem  der  Sidonier  übereinstimmte ,  nur  dafs  der 
Audjnäus  am  2.  März  und  der  Artemisius  am  2.  Ju- 
lius begann.  Der  ApeltauS)  der  hiemach  in  der  Regel 
29  Tage  hatte,  mufs  im  Schaltjahr  30  erhalten  haben. 
Sonst  kommt  dieser  Kalender  nii^ends  vreiter  Tor. 

Das    Jahr   der  Tyrier  -¥mr'nad!i  dem  Hemerolo- 
gium  folgendermafsen  geordnet: 
Namen  der  Monate.  Anfang.  Dauer. 

.    Hyperberetäus       19.  Oktober 

Di  US  18.  November 

Apelläus  18.  Deceniber  30  - 

Audynäus  17-  Januar  30  - 

Peritius  16.  Februar  30  - 

Dystrus  18.  März  31  * 

Xanthicus  18.  April  31  - 

Artemisius  19.  Mai  31  - 

Däsius  19.  Junius  31  - 

Panemus  20.  Julius  31  * 

Lous  20.  August  30  - 

Gorpiäus  19.  September  30  ^ 

In  dem  Kalender  von  Tyrtis,  den  Stephanus  aus 
einer  alten  Handschrift  mittheilt  ^),  stimmen  die  rö- 
mischen Data,  mit  denen  die  Monate  angefangen  haben 
sollen,  meistens  nicht  mit  der  ihnen  beigelegten  Dauer 
überan.  Noris  hat  aber  in  der,  wie  man  sieht,  ge- 
ginindeten  Voraussetzung,  dafs  in  demselben  der  Anfang 
des  Hyperberetäus  richtig  auf  den  19.  Oktober  geseut 


*)    Appendix  ad  Thes.  ling.  gr.  col.22(. 

[28*1 


436  Technische  Chronologe. 

aei,  mit  Hälfe  zweier  tjTiwben  Data,   die  sich  in  den 
yerhAndlungen  der  lu  Chaloedon  und  unter  dem  Pa-- 
triarchen  Menna  lu  G>n8tanünopel  gehaltenen  Concilien 
finden^),    diesen  Kalender  wiederhersustellen  gesucht, 
und  die  Anfangstage  .der  Monate  gerade   so  bestimmt, 
wie  sie  vorstehende  Tafel  gibt  ')•    Im  Schaltjahr  scheint 
der  Peritius  31  Tage  erhalten su  haben«   Wenn  \o%e^}kVLS^ 
den  Tod  des-  Vitdlius  auf  den  3.  Apdläiu  setzt  ^)t   so 
glaubt  Noris^),    da(s  er  in    diesem  Fall   von  seiner 
Gewohnheit,  die  hebräischen  Monate  mit  maoedonischen 
Namen  zu  bezeichnen  (400),  abgewichen  sei  und  das  ty- 
rische  Datum  gemeint  habe;   denn  in  dem  Kalender 
der  Tyrier  habe  der  3.  Apelläus  dem  20.  Deoember  ent- 
sprochen, gerade  dem  Tage,   an  welchem,  wie  er  dar- 
thut(119),   Yilellius  im  Jahr  69  unserer  Zeitrechnung 
ermordet  worden,  dahingegen  der  3.KisIev  der  Hebräer 
nie  bis   lum  20.  Deoember  habe  reichen  können.     Es 
lälst  sich  auch  in  der  That  nichts  Erhebliches   gegen 
diese  Hypothese  einwenden,    so  folgewidrig  auch   eine 
solche  Datirungsweise  ei*scheinen  mag.     Uebrigens  wäre 
dies  das  älteste  Beispiel   eines  auf  das  Sonnenjahr  sich 
besiehenden  maoedonischen  Datums. 

Die  Monate  der  Araber  hatten  nach  dem  Heme- 
vologium  ganz  die  Form  der  alexandrinischen,  wie  fol- 
gende Tafel  zeigt: 


')    S.  Mansi  CollecÜo   Conciliorum  Tom. VII,   coL  197. 
Tom.Vm,  col.1083. 

»)    DiM.IV,  C.2,  p.283,  284. 

»)    De  hello  lud.  IV,  il,  4. 

')    Diss.I,  C.3,  p.6i. 


MAGEDOmJBfi  und  Streb.  437 


Namon  der  M<mate. 

Xantliiea« 

Artemisius 

DSsius 

Panemus 

Lous 

Gorpiäus 

Hyperberetäus 

Dius 

Apelläus 

Audynäus 

Peritius 

Dystrus 

Epagomenen 


Anfang. 

22.  Mfin 
21.  Apiil 
21.  Mai 
20.  Janiiis 
20.  Julim 
19.  August 
18.  Septeaiber 
18.  Oktober 
17.  November 
n.  December 
16.  Januar 
15.  Februar 


Dauer. 


30 
30 
30 
30 
30 
30 
30 
30 
30 
30 
5 


17.  März 

Unter  den  Arabern,  die  diesen  Kalender  gebraucht 
haben  sollen,  sind  die  Bewohner  des  peträischen  Ara- 
biens, besonders  die  der  Stadt  Bostra,  zu  yerstehen, 
welche ,  nachdem  das  Land  unter  Trajan  eine  römische 
Provinz  geworden  war,  als  Siu  einer  Legion  zu  be- 
sonderer Wichtigkeit  gelangte.  Es  zeigt  sich  hier  die 
oben  (414)  aus  Simplicius  beigebrachte  Notiz  bestä«. 
tigt,  da(s  die  Araber  ihr  Jahr  mit  der  Fi*ühlingsnacht- 
gleiche  angefangen  haben  ^) ;  denn  diese  traf  im  zwei- 


*)  Die  Damascener,  die  Simplicius  zugleich  nennt,  müs- 
sen, wie  Noris  meint  (Diss.  II,  2,  p.91),  den  Anfang  ihres 
Jbhrs  yota  Herbst  auf  den  Frühling  yericgt  haben,  als  sie  sich, 
der  Schwäche  ihrer  seleucidischen  Regenten  überdrüssig  ,  wie 
losephus  berichtet  CJnt.  XIII,  i5,  2^,  dem  Aretas,  Könige 
der  Araber,  uDterwai*fen.  Untei*  ihren  durchgehend»  mit  Jahren 
der  seleucidischen  Aere  bezeichneten  Münzen  findet  sich  freüidi 
keine ,  die  auf  diesen  in  Syrien  sonst  ungewöhnlichen  Jahranfang 
bestimmt  hindeutete. 


438 


TecJmische  Chronologie. 


ten  Jahrhundert  n.Chr.,    wo  sie  sich  das  Sonnenjahr 
angeeignet  haben  müssen  (üilherhin  halten  sie  milden 
übrigen  Arabern  yermulhlicb  ein  Mondjahr),    auf  den 
22.  Mars«     Auch  im  gegenwärtigen  Fall  bewährt  sich 
unser  Hemerologium  als  zuverlässig;  denn  Epiphanius 
yergleicht  an  der  mehrmals  cilirlen  Stelle  ganz  über- 
einstimmig den  6.  Januar  mit  dem  21.'AXE(oft,   Aleom 
(Audynäus) ,    und  den  8.  November  nul  dem  22.  'A/- 
/oXS-oßocl^,  Angalthabaeith  (Dius)  der  Araber.    Man 
sieht,    sie  haben  neben  den  macedonischen  MonaUna- 
men  zugleich   ihre  einheimischen  gebraucht,   die  aber, 
nach  den  vorliegenden  Proben  zu  urlheilen,  weder  mit 
den  bei  den  jetzigen  Arabern  gewöhnlichen,    noch  mit 
denen,    welche   Hesudi    und  Nuyeiri    als  die   ur- 
sprünglichen arabischen  nennen^  irgend  einige  Aehnlich- 
keit  hatten. 

Die  in  Palttstina  unweit  der  Grenze  Aegjptens  ge- 
legenen Slüdte  Gaza  und  A  s  c  a  1  o  n  ,  die  lange  den 
Plolemliem  unterworfen  waren,  bedienten  sich,  wie 
unser  Hemerologium  lehrt,  ganz  der  alezandrinischeu 
Monate,  nur  unter  macedonischen  Benennungen. 


Monate  Gaza's 

.  Monate  Ascalon^s. 

Anfang. 
28.  Okiober 

Dauer. 

Dius 

Hjperberetäus 

30  Tage 

Apelläus 

Dius 

27»  November 

30    - 

Audynäus 

Apelläus 

27.December 

30     - 

Peritius 

Audjnäus 

26.  Januar 

30     - 

Djstrus 

Peritius 

25.  Februar 

30     - 

Xanthictts 

Dystrus 

27.  März 

30     - 

Artemisius 

Xanthicus 

26.  Aprü 

30     - 

Däsius 

Artemisius 

26.  Mai 

30,- 

Panemus 

Däsius' 

25.  Junius 

30    - 

Macedoniea  und  Syrbb.  '       439 

Lous  Panemus  25.  Julius  30  Tage. 

Epagomenen     Epagaotienta      24,  August  5     - 

Gorpiäus  Lous  29.  August         30    - 

HyperbereUus  Gorpiäus  28.  September    30     - 

In  der  leidoer  Handschrift,  in  der  allein  sich  diese  bei« 
den  Kalender  finden,  fehlen  zwar  zwei  Monate;  allein 
die  Namen  und  AnfangsUge  lassen  sich  leicht  und  sicher 
ergänzen.  Man  solile  glauben,  beide  Städte  mülslea 
das  Jahr,  eben  so  wie  Alexandrien,  mit  den  Ei^gänzung»- 
tagen  geendigt  und  mit  dem  29.  August  angefangen  ha- 
ben; allein  Marcus,  Diaconus  der  Kirabe  von  Gaza, 
6agt  in  dem  Leben  des  heiligen  Porphyrius,  Bi- 
schofs dieser  Stadt*):  Cum  autem  pergeret  Dens  non 
pluere  primo  mense,  qui  ab  eis  uocatur  Dios,  deinde 
etiam  secundo,  qui  dicitur  Epilleos  (Apelläus)  ömnes 
affligebantur»  Sie  hat  also  zwar  die  alexandrinische 
Jahi^onn  angenommen,  aber  die  macedonische  Gewohn- 
heit, das  Jahr  Im  Herbst  anzufangen,  beibehalten,  un- 
geachtet so  die  Ergänzungslage  nicht  am  Schlufs  ihres 
Jahrs  zu  stehen  kamen.  Noris,  der  nach  yei-schiede- 
neu  von  diesem  Marcus  angegebenen  Datis  den  An- 
fang der  zehn  ersten  gazaischen  Monate  richtig  an- 
setzt^), hat  bei  den  letzten  beiden  gefehlt,  weil  er 
glaubte,  die  Epagomenen  ans  Ende  des  Jahrs  bringen 
zu  müssen.  In  Ansehung  der  Einschaltung  stimmten 
beide  Städte  ohne  Zweifel  mit  Alexandria  darin  überein, 
dafs  sie  im  Schaltjahr  sechs  Ergänzungstage  rechneten. 
Wenn  ein  ungenannter  K.ii*chenscribent  des  yierten 
Jahrhunderts   den  Märtjxertod  des  Apostels  Paulus  auf 


*)    0.3.     Acta  Saiictorum,  Febr.  Tom.III,  p.648. 
')    DiM.V,  2,  p.480. 


44» 


Technische  Chronologie. 


den  5.  Panemus  der  Syromaoedonier  setzt  und  dieses 
Datum  mit  dem  S.Epiphi  der  Aleiandriner  und  29.  Ju- 
nius  der  Römer  vergleicht  M,  so  sieht  man,  dais  er  un- 
ter den  S  jromacedoniern  die  Gazäer  und  andere  in 
der  Nähe  Aegyptens  wohnende  Syrer  gemeint  hat« 

Die  beiden  letzten  in  unserm  Hemerologium  be- 
findlichen Kalender  sind  die  der  HeliopoliCer  und 
Gappadocier.  Der  von  Heliopolis  (jetzt Baalbelc^ 
in  Gölesyrien  lautet  also:  , 


Namen  der  Monate. 

Anfang. 

Dauer. 

AB 

Ab 

23.  September 

30  Tage 

lAOTA 

Ilul 

23.  Oktober 

30    - 

Ar 

Ag 

22.  November 

31     - 

eOPIN 

Thorin 

23.DeQember 

30    - 

FEASN 

Gelon 

22.  Januar 

30    - 

XANOT 

Ghana 

21.  Februar 

31    - 

SOBAe 

Sobath 

24.  Mars 

30    - 

AAAA 

Adad 

23.  April 

31     - 

NEI£A]f 

Neisan 

24.  Mai 

31     - 

lAPAP 

larar 

24.  Junius 

30    - 

KZIJH 

Eter 

24.  Julius 

30    - 

6AAnZA 

Thamiza 

23.  August 

31    - 

Die  Ifamen  sind  offenbar  die  syrischen  (430) ,  wenn 
gleich  zum  Theil  entstellt,  nur  dafs  statt  des  l.Thischri 
und  Kanun  hier  die  besondeni  Namen  Ag  und  Gelon. 
stehen.  Mit  welchem  Monat  das  Jahr  angefangen  hat, 
wissen  wir  nicht,  so  wie  wir  überhaupt  diese  Zeitrecfa- 


,  *)  Zacagni  Collectanea  monumentorum  veterum  ecclesiae 
Graecae  ac  Latinae  (Rom.  1698,  4)  p.  535.  Man  vei-gleiche  die 
Vorrede  des  Hei^ausgeber». 


Magedohibr  und  Strbr.  441 

nang  nirgends  welter  erwähnt  finden  ^).  Stellt  man, 
wie  es  hier  geschehen  ist,  den  Ah  voran,  so  erscheint 
der  Kalender  dem  der  Kleinasiaten  ganz  analog  geord« 
net.  Eine  Aere  der  Heli.opoliter  kommt  meines  Wis- 
sens nicht  vor. 

Die  Monate  der  Cappadocier  finden  sich  in  ver- 
schiedenen alten  Menologien,  ans  denen  sie  Lilius 
Gyraldus*),  Henricus  Stephanus^),  Belley*) 
nnd  Iriarte^)  mit  hedeutenden  Abweichungen  ans 
Licht  gezogen  haben.  In  unserm  Hemerologium  lauten 
sie  also:  * 


s. 


y«men  der  Monate.  Anfang.  Dauer. 


ATTAN02  Ly  tanus  12.  Dec.  •)  30  Tage. 

APTHTS  Arteys  11.  Jan.       30     - 

AAPA02TATA  Adraostata       10.  Febr.     30    - 


*}  Nur  eines  Monats  gedenkt  noch  Golius  in  seinen  Noten 
zum  Alfergani(S.  17)  mit  den  Worten :  Pro  Haziran  Helio^ 
politanos  dixisse  '0(^2p,  testis  est  Theo  Jlexandriiius  iibro  tk 

irpo)^i/povc  xavovac. 

•)    An  der  oben  (427)  ciiirten  Stelle. 

')    Jppendix  col.  225. 

^)  ObserveUions  sur  la  moniere  dont  les  hahitans  fie  C^ 
saräe  en  Cappadoce  comptoieni  les  annäes  de  regne  des  Emi- 
pereurs  Romains.  Mim.  de  VAc€ui,  des  Inscriplions  Tom.  XXXY, 
p.  624  ff. 

*)    S.  die  oben  (427)  angeführte  Stelle. 

')  Im  Hemerologium  ist  eine  Verwirrung,  indem  die  Tage 
der  Epagomenen  den  ganzen  December  hindurch  fortgezählt  sind, 
statt  dafs  mit  dem  12.  December  der  Ly  tanus  hätte  anfangen  sol- 
.len,  wie  die  Yergleichung  des  I.Januar  mir  dem  2l.L7tanu8  ca 
erkennen  gibt. 


442  Technische  ChroncJogie. 


Namen  der  Monate. 

Anfang. 

Dauer. 

TEIPEI 

Teirei 

12.  März 

30  Tage 

AMAPliATA 

Amarpala 

11.  April 

30     - 

gAN01KO£ 

Xanthicus 

11.  Hai 

30    - 

MTAP 

Myar 

10.  Jun. 

30    - 

AnOMTAH    ^ 

Apomyle 

10.  ivl. 

30    - 

A0PA 

Athra 

9.  Aug. 

30    - 

AA0OT 

Dathu 

8.  Sept. 

30     - 

02MAN 

Osman 

8.  Okt. 

30    - 

zonAa 

Sonda 

7.  Nov. 

30    - 

Epagomenen 

4 

T.Dec. 

5    - 

Um  nur  von  jedem  Namen  eine  Variante  anzuführen, 
so  findet  sich:  Arunia,  Arlaestin,  Arflolata,  Tirix,  Ma* 
pala,  Xantheriy  Mithri,  A|X)menama,  Arthra,  Daihusa, 
Osmonia,  Sondara.  Weiin  Epiphantus  den  6.  Januar 
mit  dem  13.  'Arofra,  Alarla ,  und  den  8.  November 
mit  dem  IS.'A^ararS,  Aratala,  der  Cappadocier  ver- 
gleicht, so  mufs  er,  wenn  die  Zahlen  richtig  sind,  einen 
ganz  andern  Kalender  meinen,  wie  schon  der  Umstand 
beweiset,  dafs  er  auf  den  Zeitraum  vom  15.  Aralata 
bis  zum  13.  Atarta  nur  59  Tage  rechnet,  die  Epgome- 
neu  also  nicht  von  beiden  Datis  eingeschlossen  sein 
können.  Freret  glaubt,  daf«  er  von  ii'geud  einem 
asianischen  Kalender  mit  cappadocischen  Monatsnamen 
spi^eche,  und  wirklich  fangt  sein  Ataita  am  25.  Decem- 
ber  an,  mit  welchem  der  Peritius  der  Ephesier  be- 
gann (419).  In  dem  weitläufigen  Memoire  dieses  Ge- 
lehrten sur  Vannie  ^vague  Cappadocienne  ^),  das  fiir 
die  Geschichte  und  Alterthümer  von  Cappadooien  wich- 


')    Mifm.  de  VAcad^des  JnscripL  Tom.  XIX,  (».35  ül 


M AOEDoniER  und  Streb.  443 

tig  t    aber   itir  unsem  Zweck    arm  an  Resultaten   ist, 
sucht  er  auszumitteln ,  vrann  die  Cap|mdoc]er  dm  feste 
Sonnenjahr  angjenominen  haben.    Seine  Ciombip^tionen 
sind  sinnmch,    aber   unsicher.     Dafs  die  Cappadocier 
fjoiherhin  ein  bewegliches  Slonnenjahr.  von  365  T^gen 
hatten ,   lätst  die  Form  ihi^r  Monate  kaum  bezweifeln, 
und  dafs  sie  es  TOn  den  Persei*n,   denen  sie  lange  un- 
terworfen waren,  erballen  haben,  lehrt  schon  die  Ana- 
logie.,   die   zwischen  obigen  Monatsnamen,   so  entstellt 
sie  auch   sein  mögen,  und  den  persischen  wahrgenom- 
men wiixl.     So  ist  es  unverkennlich ,   dafs  die  Namen 
des'zweilen,  Tierten,  siebenten,  achten  und  neunten  Mo- 
nats das  Aixlbehescht,  Tir,  Mihr,  Abanmah  und  Adar 
der  Perser. sein  sollen.     Ucbrigens  hat  der  Abt  Belley 
gezeigt,   dafs  die  Regierungsji^hi'e  der  römischen  Impe- 
ratoren, die  auf  den  Münzen  von  Cäsai'ea  in  Cappado- 
cien  erwähnt  weixlen , .  richtig  gezählt  sind ,    wenn  wir 
den  Anfang  des  Jahrs,  wie  in  unserro  Hemei^ologii^m,  auf 
den  12.  December  setzen  und  annehmen,  dals  dabei  das 
ägyptische,  dem  astronomischen  Kanon  zum  Grunde  lio- 
,gende,  Princip(117}  befolgt  ist.     Das  einzige  cappado- 
cische  Datum,'   das  meines  Wissens  noch    vorkommt, 
findet  sich  beim  Gregor  aus  Nazianz,  einer  Stadt  im 
siidli^en  Cappadocien,    der  in  einem  seiner  Briefe*] 
vom   22.  Dathusa   —  rov   x^'    i^ijl£^    fivivog    Aa^cva-a  — 
d.i.   nach  unserm  Hemerologium  vom   29.  September 
spricht. 

Noch  muis  ich  hier  eines  beim,  Epiphanias  ganz 
isolirt  stehenden  Datums  gedenken.     In  seiner  Schrift 


•)    EpisL  90.    Opp.  Tom.  I,  p.844  4k1-  Par.  1630. 


444  Technische  Chronologie. 

De  mensuris  et  ponderibus  *)  8etst  dieser  KircheDvater 
das  PfiDgstfest   des   Jahrs   592    ganz    richtig   auf  den 
21.Pachon  der  Alexandriner  oder  16.  Mai  der  Römer, 
und  vergleicht  diesen  Tag  mit  dem  23.  Artemisius  der 
Hellenen.      Scaliger   und  Petayius   haben    hierbei 
mit  Recht  Anstofs  gefunden,  da  der  16»  Mai  im  Kalen- 
der der  Kleinasialen(4l9)  dem  23.Däsias  und  im  sj- 
romacedonischen  (430)    dem    16.  Artemisius  entspricbt. 
Noris  ')  meint  zwar,    es  könne  Syrer  gegeben  haben, 
die  den  kleinasiatischen  Kalender  auf  diese  Weise  ge- 
brauchten, nämlich  so,  dafii  sie  den  Namen  eines  )eden 
Monats,  z.B.  des  Artemisius,   auf  den  folgenden  über- 
trugen.    Da    indessen  yon    diesem  Gebrauch  nirgends 
weiter  eine  Spur  vorkommt,    selbst  nicht  einmahl  an 
der  andern,  oben  oft  citirlen,  Stelle  des  Epiphanias, 
wo    er  die  Tage,     an  welchen    seiner  Annahme  nach 
Christus  geboren  und  getauft  sein  soll,   nach  so  vielen 
Kalendern  angibt,  auch  in  unserm  Hemerolo^'um  sich 
nichts  findet,  was  auf  denselben  hindeutete,  so  ei-scheint 
er  sehr  zweifelhaft,    und  es  mufs  daher  wol  entweder 
DSsius  für  Artemisius  oder  16  für'  23  gesetzt  werden. 
Wir  haben  dann  im  ersten  Fall  ein  Datum  der  Ephe- 
sier  und  anderer  Kleinasiaten,  im  zweiten  der  Anüochier 
und  anderer  Syrer.     Letzlere  Aendening  ist  dem  Ge- 
brauch des  Wort ''EXX7)V€$  beim  Epiphanius  am  an- 
gemessensten. 

Eben  so  verschieden,  wie  die  Monate,  waren  die 
Epochen,  von  welchen  die  syrischen  Stttdte  ihre  Jahre 

*)    (^p.  Tom.  n,  p.  177. 
»)    Diss.I,  C.3,  p.41. 


MAGB.DONIER   UQcl   St&ER.  445 

zäUten*  Noris  hat  über  diesen  yemrickelten  Gegen- 
stand eben  so  schar feinnige  als  gründliche  Untersuchui^ 
gen  angestellt,  und  ihn  sehr  aufgeklärt,  jedoch  einem 
Belley,  Eckhel,  ^Sanclemente  und  andern  noch 
Manches  zu  erorjteiii  übriggeJassen.  Die  \^ichligste  un- 
ter allen  syrischen  Aeren  ist  die  seleu eidische. 

Dem  Seleucus,  nachmals  Nicator  genannt,  fiel 
bei   der  «zweiten  Yertheilung  der  Satrapicn  des  gix)f5en 
von  Alexander  hinterlassenen  Reichs,  drei  Jahre  nach 
dessen  Tode,  Babylon  zu.     Er  hatte  seine  Stalthalter« 
scbafi   einige   Jfihr^  behauptet,    als  er   sie  aus  Furcht 
vor    dem.   mächtigen   und   herrschsüchtigen   Antigonus, 
der    nach  Besiegung  des  Eumenes  den   gröüsten  Theil 
Asiens   dies-  und  jenseits  des  Taurus  an  sich,  gerissen 
hatte,    yerlieis,    und  sich    zum  Ptolemäus  Lagi   nach 
Aegypten  begab.     Dieser  drang  auf  seine  Veranlassung 
mit  einem  Heer  in  Syrien  ein,   und  setzte  sich  durch 
den  Sieg,  den  er  über  Demetrius  Poliorcetes,  den  Sohn 
des   Antigonus,    bei   Gaza  erfocht,    in  den  Besitz  des 
Landes.     Seleucus  zog  nun  mit  einem  Heer,   das  ihm 
Plolemttus    zu    Hülfe    gegeben    hatte,     nach    Babylon, 
schlug  den  Nicanor,   den  General  des  Antigonus,    und 
unterwarf  sich   in  Folge  dieses  Sieges  Susiana  und  Me- 
dien*    Von  diesem  Zeitpunkt  (OL  117,1,  wie  Diodor 
^S^  *)i  d.i.  zwischen  den  Sommer  312,  und  311)  dar 
tirt  sich  die  seleucidische  Aere,  nicht,  wie  einige  Chro- 
nologen sagen ,. ,  von  der  Gründung  des  seleucidischen 


' )  Auch  Eusebius  stimmt  hiermit  überein ;  denn  in  seiner 
Chronik  nach  d^r  TTeberselzung  des  Hieronjmus  sagt  er 
heim  ersten  Jahr  der  117ten Olympiade:  Primus  Seleucus  Nica- 
tar  Sjrriae  et  B^ihyloniae  regnavii,  Opp,  Hieron.  Tom.  VUI 
p.540. 


446  Technische  Chvnologie. 

Beiohs'  in  Syrien.  Bis  dahin  yerfloMen  nocli  elf  Jahre. 
Attügontis  eilte  nämlich  nach  der  Schlacht  bei  Gaia 
nach  Syrien  und  drängte  den  Plokmiins  nach  Aegypten 
zurück,  worauf  eine  Reibe  Begebenheiten  folgte,  die 
sich  damit  endigte,  dafs  sich  Ptolemäus,  Se]eucns,  Cas- 
sander  und  Lysimachiis  gegen  Anligonus  verbanden, 
und  ihn  bei  I[>sus  in  Phrygien  um  tteich  und  Leben 
bwcht^^n.  Dies  geschah  Ol.  119,4,  v.Chr.  301.  lyie 
Si^r  theilten  sich  in  sein  Reich.  Seleucus,  der  sich 
nach  dem  Beispiel  des  Antigonus,  Ptalemäus,  Gassander 
und  Lysimachus  schon  seit  einigen  Jahren  den  Königs- 
titel beigelegt  hatte,  erhielt  das  obere  Syrien  und  machte 
es  zum  Mittelpunkt  eines  gix>fsen  Reichs,  das  sich  vom 
Indns  bis  an  den  Hellespont  erstreckte.  Colesyrien, 
Phönizien  und  Palästina  verblieben  fiir  jetzt  noch  dem 
Ptolemäus,  fielen  aber  in  der  Folge  den  Seleueiden 
gleichfalls  zu  ^). 

Es  wurde  nun  in  dem  von  Seleacus  beherrsch- 
ten Theile  Syriens  gebniuchlich  und  gesetzlich ,  die 
Jahra  von  der  Schlacht  bei  Gaza  und  von  seiner  Wie- 
dereroherung  Babylons  zu  zählen,  wodurch  er  den  Grund 
zu  seiner  git>fsen  Macht  gelegt  hatte,  ungeachtet  er  da- 
mals noch  nicht  den  Königstitel  führte.  Dies  ist  die 
berühmte  Aerc  der  Seleueiden,  deren  sich  die  Syrer 
und  unter  den  syt*iscbeto  Regenten  die  Hebräer  bedient 
haben.  Man  findet  sib,  wie  Noris  ^)  und  EckheP; 
zeigen,    auf   den  Münzen    mehi*erer   syrischen  Städte, 


* )    Das  Einzelne  dieser  Begebenhei ten  findet  mau  beim  D  i  o  d  o  r 
1.XIX«  C.80  ff.  und  in  vefscbiedenen  Biographien  desPlutarch. 
*)    Annus  et  Mpochae  Sjrromaeedonum  diM.n,>c.2  ubd  3. 
')    Doclr.  Num.  Vol.  HI,  p.  268  ff. 


MAGEDOifiBK  und  Strer.  447 

nainlich  auf  denen  von  Emisa ,  Damascus ,  Laodicta  in 
Cölesyrien,  Caesarea  am  Libanus,  Orlhosia  in  Phöoizien, 
und  unter  andern  Aeren  auf  denen  yon  Anliochia,  Apa- 
niea,  Epipbanea,  Seleucia,  Canatha,  Sidon,  TnpoliS) 
Tyrus,  Cyrrhus  und  Ascalon.  Ferner  auf  den  Marmorn 
yon  Palmjra,  z.B.  einem,  der  folgende  Zeitbeslimmung 
enthält:  ETOTT  ZM«I>  MHWOS  HEPITIOT,  im  Jahr 
547  im  Monat  Peritius  *).  Nach  ihr  werden  in 
den  Büehem  der  Makkabtterdie  Jahre  gezahlt,  welche 
daselbst  die  der  Herrschaft  der  Griechen — ttJ^ 
SaaikEia^  ''EX.Xijvwv  —  heifsen  ').  In  den  Auszügen ,  die 
loseph  Simon  Assemani  in  seiner  Bibliotheca 
Orientalis  aus  den  syrischen  Handschriften  der  vatica- 
nischen  Bibliothek  gibt,  wird  sie  häufig  erwähnt,  mit 
der  Bezeichnung  anno  Graeeorwn  oder  -  anno  regni 
4lexandri.  Auch  gebrauchen  sie  nicht  selten  die  ara- 
bischen Astronomen,  die  sie  die  Acre  Alexander's, 


*)  G  r  u  t  0  r  Thes.  Inscr.  p.  LXXXVI ,  8.  Mus.  Capit, 
Tom.  IV,  lab.  XYIII,  p.  79.  Die  kleinere  Zahl  ist  hier  der 
grÖfsem  vorangeselzt.  So  findet  es  sich  gewöhnlich  auf  den  sy- 
rischen Münzen.  Beim  Aussprüchen  der  Zahlen  machten  die 
Giiechen  bald  mit  der  gröDiten,  wie  die  Römer,  bald  mit  der 
kleinsten  den  Aiüanj;. 

')  i.Makk.  I,  II.  Nachher  ist  immer  nur  von  Jahren  die 
Rede ,  die  nicht  weiter  bezeichnet  wei*den.  losephus  da^e^eii 
spricht  (Ant.lL\Ii,6^6J  von  der  Herrschaft  der  Assyrier. 
Er  yei^teht  darunter  nach  einem  auch  sofost-vorkommenden  Sjsrach- 
gebraudi (216)  die  Syrer,  indem  er  hinzosetzt:  ,, Seit  nämlich 
„Seleucus,  Nicator  genaunt,  Syrien  in  Besitz  nahm.''  An  einer 
andern  Stelle  (XII,  5, 3)  bezeichnet  er  die  seleucidische  Aere  etwas 
befi'emdend  durch:  pta^tou;  aato  SiWxov  ßao-tXtrig,  was  der  latei- 
nische Üebersetzer  yerständlicher  durch  et  quo  regnare  coepe^ 
mni  Seleucidae  gibt. 


448  Technische  Chronologie. 

eijgentUcfa  DsiUkarnain,    des  Zweigehdmten  , 
neiuieD. 

Dafs  diese  Aeie  nicht  früher  oder  später  als  im 
Herbst  des  Jahrs  312  t*  Chr.  angefangen  haben  könne, 
lehi^n  unier  andern  swei  syriaehe  Münzen  mit  den 
Bildnissen  des  Hadrian  und  Caracalla,  weiche  Noris 
anaijsirt  hat.  Auf  der  Räckseite  der  enten  steht :  7T1- 
nOAEITON  HKT ,  TripoUtamm  anno  CCCCXXFIII  ^). 
Hadrian  gelangte  den  11.  August  870  der  Stadt  Rom, 
117  n.Chr.,  zur  Regierung.  Soll  nun  von  der  seleu- 
eidischen  Aexe,  die  hier  gemeint  ist,  schon  das  42&ste 
Jahr  ihm  angehöreu,  so  kann  sie  nicht  vor  dem  Herbst 
442  der  Stadt,  312  v.Chr:,  begonnen  haben.  Auf  der 
andern  licset  man :  EMIXQN  K0AQNIA2  HK!>I>,  Enu- 
senoruun  Coloniae  anno  D XXV III  ').  Caracalla  wurde 
den  8.  April  970  der  Sudt,  217  n.Chr.,  ermoidet. 
Soll  also  von  der  seleucidischen  Acre,  nach  der  hier 
wieder  gerechnet  ist,  das  S28ste  Jahr  rum  Theil  noch 
ihm  angehören,  so  kann  sie  nicht  später  als  mit  dem 
gedachten  Zeitpunkt  augefangen  haben.  Aui  eben  die- 
ses Ergebnis  fühlten  zahlreiche  anderweitige  Combiaa- 
lionen.  So  wird  in  den  Verhandlungen  des  cbalcedo- 
niscben  Conciliums  das  vom  nicSnischen  abgefafiste  Glau- 
bensbekenntnifs  mit  folgender  Zeitbestimmung  eingelei* 
tet'):  ,, Unter  demConsulat-des  Paulinus  und  lulianus 
,,im  Jahr  636  nach  Alexander  am  19.  Dttsius  der 
„Griechen  oder  XIII.  Cal.  lul.  (19  Jun.)  zu  Nicäa,  der 
„Hauptsudt  von  Bithynien."   Das  Gonsuht  des  Paulinus 


')    DiM.II,  c.  1  und  2,  p.  72  und  99. 

')    Ebend.  p.73  und95. 

')    Tom.  VI,  col.  956  der  Sammlung  Mansi^s. 


Magedonibü  und  Streb.  449 

und  lulianus  gehört  ins  Jahr  325  n.  Chr.  Das  sjtch 
maoedonische  Jahr,  auf  welches  sich  das  Datum  bezieht, 
fängt  mit  dein  Hyperberetäus  oder  Oktober  324  an  (430). 
Gehen  wir  nun  von  hier  635  volle  Jahre  zurück,  so 
gelangen  wir  zum  Herbst  312  v.Chr.,  als  der  Epoche 
der  hier  gemeinten  Jahrrechnung,  die  keine  andere  als 
dieseleucidische  sein  kann,  wenn  gleich  die  Bezeich- 
nung nach  Alexander  auf  den  ersten  Blick  befi^em- 
dend  ist.  Sie  ist  aber  bei  den  Orienl^lem  gar  nicht 
ungewöhnlich,  wie  schon  die  vorhin  gedachte  Benen- 
nung Acre  des  Zweigehörnten  lehrt.  „Zwölf  Jahre 
,,nach  Alexander's  Tode,  sagt  Abu  'Ifaradsch  ^), 
,, erhielt  Seleucus  mit  dem  Beinamen  Nicalor  die  Herr- 
,, Schaft  über  Babylon,  ganz  L*ak  und  Chorasan  bis  In- 
,,dien.  Mit  dem  Anfange  seines  Reichs  beginnt  die 
,,von  Alexander  benannte  Acre,  nach  der  die 
y, Syrer  und  Hebräer  ihre  Jahre  zählen."  Mit  den 
iswölf  Jahren  ist  zugleich  der  Unterschied  der  seleu- 
cidischen  und  philippischen  Aeve  ausgesprochen, 
von  denen  letztere  auch  zuweilen' unler  der  Benennung 
Jahre  nach  Alexander's  Tode  vorkommt  (106); 
denn  zwischen  den  Epochen  beider  verfliefsen  beinahe 
zwölf  Jahre ,  hingegen  von  dem  Tode  Alexander's  bis 
zur  Epoche  der  seleucidischen  Aere  nur  elf  Jahre  und 
drei  bis  vier  Monate  (407).  Eusebius  drückt  sich 
daher  ganz  richtig  aus  *) ,  wenn  er  die  Hen*schaft  des 
Seleucus  im  zwölften  Jahr   nach  Alexander's 


*)    Hist.  Dynast.  l.VI,  p.98. 

»)    Demonstr.  evang.  l.Vm,  p.393  (ed.  Paris.  1628,  fol.)- 

I.  [29] 


460  Teehkische  Chronologie. 

Tode   —  hu  iwitxdnp  jünri  t^f  'AXigeWpou  TsXtvnf»  — 
bqfinnen  lä&t. 

Fröret  sagt^),  die  Königswürde  des  Sdencos, 
die  sich  erst  vom  Jabr  305  v.Chr.  datire,  könne  nicht 
Teranlassung  lur  Entstehung  der  seleucidischen  Aere 
gegeben  haben.  Darin  bat  er  Recht.  Wenn  er  aber, 
besonders  nach  einigen  schwankenden  Angaben  des' 
losephus,  eine  Unsicherheit  über  die  ganze  Aere  za 
bringen  sucht,  so  ist  er  in  einem  greisen  Irrüium  be* 
fangen.  Von  keiner  Jahrrechnung  steht  die  Epoche 
fester,  als  von  dieser.  Nichts  berechtigt  uns,  die  Aere 
der  Chaldäer(223)  mit  der  seleucidischen  für  iden* 
tisch  EU  halten,  und  dem  gemäls  ein  Schwanken  ihrer 
Epoche  «wischen  den  Spätjahren  312  und  311  v.Chr. 
voraus  SU  setKu. 

Bisher  ist  nur  immer  vmn  Herbst  des  Jahrs 
313  V.Chr.  als  der  Epoche  der  seleucidischen  Aere  die 
Rede  gewesen.  Es  fragt  sich,  ob  sich  dieselbe  nicht 
genauer  ermitteln  lasse.  Ulug  Beig,  der  um  das  Jahr 
1430  unserer  Zeitrechnung  su  Samarkand  regierte  und 
schrieb,  ssgt  im  vierten  Kapitel  seines  Werks  von  den 
Epochen  *),  die  griechische  (seleuddische)  Aere  fange 


*}  In  seiner  Abhandlung:  De  V£re  des  Grecs  de  &jfrie  nom- 
m^  plus  ordinairement  ire  des  Seleucides,  MAn.  de  l'Jcad. 
des  Inscr.  Tom.  XYI,  p.286  ff.  Oewres  compUtes  Tom.XI, 
p.227  ff. 

')  Epoekae  celehriores  astronomis,  histoHcis,  chronologis 
Chataiarmm,  SrnnGraecomm,  Arabum,  Persarum,  Chorasmio- 
mm  usitatae,  ex  iradUione  Ulug  Beigi  publicavU,  recensuit  et 
eommentariis  UlustravU  Joh.  Gravius  (London  1650,  4,  persisch 
und  lateinisch),  p.3l. 


Magbdo5ibr  und  Streb.  461 

340700  Tage  früher  als  die  arabische,  und  344324  Tagt 
froher  als  die  persische  an  ^).  Vorher  ')  hat  er  scholl 
bemerkt,  dafs  sie  nach  Sonnenjahren  zu  365-|  Tagen 
zfihle.  Gehen  wir  nun  vom  15.  Julius  622  n.Chr.^ 
der  Epoche  der  arabischen  Acre,  340700  Tage,  und  yom 
16.  Junius  632,  der  Epoche  der  persischen,  344324Tage 
zurück,  SD  gelangen  yrir  zum  1.  Oktober  des  Jahrs  312 
v.Chr.  oder  4402  der  julianischen  Periode  als  Epoche 
der  seleucidischen  Aere  ^}. 

Hiernach  erhalten  wir  für  die  Reduction  der  seleu- 
cidischen Jahre  auf  die  unsrigen  folgende  Regel :  ist  die 
gegebene  Jahrzahl  nicht  gröfser  als  312,  so  ziehe  man 
sie  von  313,  ist  sie  aber  gröfser,  so  ziehe  man  von  iht 
312  ab.  Im  ersten  Fall  erhält  man  das  Jahr  vor,  im 
letztem  das  Jahr  nach  Chr.,  auf  dessen  1.  Oktober  der 
Anfang  des  seleucidischen  trifft,  und  dem  noch  der  Hj^ 
perberetäus,  Dins  und  Apelläus  oder  der  erste  Thischri, 
der  zweite  Thischri  und  der  erste  Kanun  angehdren« 
Die  übrigen  Monate  gehen  in  das  folgende  Jahr  unse^ 
rer  Zeitrechnung  hinein  *)•     Wenn  z.B.  in  der  Chro^ 


*)  Alfergani  feiern,  astr.  p.7^  setzt  das  Intervall  zwitdkeil 
der  seleucidischen  und  persischen  Acre  auf  942  julianische  Jahrs 
und  259  Tage,  was  ebenfalls  344324  Tage  gibt. 

»)    C.2,  p.l7. 

')  Das  Chronicon  paschale  irrt  um  zwei  Jahre,  wenn  es 
beim  Consulat  des  Rullianus  urid  Rutilus  Ol.  117,3,  p.  171  sagt: 
„Von  diesen  Consuln  an  werden  die  Jahre  der  Sjromacedonier 
„oder  die  Jahre  in  dei*  Ostertafel  (naa^iTuov)  der  Apameei'  ge-> 
„zäUt."    Die  Aere  fing  01.117,1  an. 

*)  Assemani  subtrahirt  Ton  der  seleucidischen  Jahrzahl 
immei*  311.  Das  Verfahren  ist  lichtig,  wenn  dai  Jahr  unserer 
Aere  gefunden  werden  soll^  das  seinem  gröfsten  Theil  nach  mit 
dem  seleucidischen  übereinstiramt. 

[29*] 


462  Technische  Chronologie. 

nik  von  Edessa,  die  sich  dieser  Aere  bedient,  der 
Tod  des  Kaiser  lulianus,  der  bekannüicli  auf  einer  £i- 
pediüon  gegen  die  Perser  blieb,  in  den  Hasiran  oder 
Janius  des  Jahrs  674  gesetzt  wird  *),  so  findet  sich  ganz 
tibereinstimmig  mit  anderweitigen  Angaben  das  Jahr 
363  unserer  2>eitiechnung,  in  dessen  Herbst  das  674ste 
der  seleucidischen  zu  Ende  ging.  Will  man  ftmgekehrC 
ein  Jahr  unserer  Zeitrechnung  auf  die  seleucidische 
bringen,  so  mufs  man  es  entweder  von  313  subtrahi- 
xen  oder  zu  ihm  312  addiren,  je  nachdem  es  ein  Jahr 
vor  oder  nach  Chr.  ist.  In  beiden  Fällen  erhttlt  man 
das  seleucidische  Jahr,  das  in  dem  voi^legten  christ- 
lichen seinen  Anfang  nimmt.  Aehnliche  Regeln  für  die 
Vergleichung  der  seleucidischen  Jahre  mit  denen  der 
Stadt  Rom  und  umgekehrt,  wozu  die  syrischen  Mün- 
zen häufig  Anlafs  geben,  bildet  man  sich  leicht,  wenn 
man  sich  erinnert,  dafs  die  Epoche  der  seleucidischen 
Aere  nach  der  gewöhnlichen,  sogenannten  var ro- 
nischen, Rechnung  auf  den  Herbst  des  Jahrs  442 
der  Sudt  trifll. 

Die  Ursache,  warum  die  syrischen  und  arabischen 
Schriitsteller  die  Jahre  dieser  Aere  in  der  Regel  so  zah- 
len, als  sei  ihre  Epoche  der  I.Oktober  312  v.Chr., 
liegt  nicht  etwa  in  irgend  einer  merkwürdigen  Bege- 
benheit, die  sich  an  diesem  Tage  zugetragen  hatte  (das 
Datum  der  Schlacht  bei  Gaza  und  der  darauf  folgenden 
Besetzung  Babylons  durch  Seleucus  sind  uns  unbekannt), 
sondern  lediglich  darin,  dafs  die  Syrer  bei  Annahme 
des  julianischen  Kalenders  den  Hyperberetäus  oder  er- 
sten Thischiri,  der  dem  Oktober  entsprach,  zum  ersten 


*)    Bibl  Orient,  Tom.I,  p.397. 


Magedonier  und  Stbsr.  463 

Monat  des  Jahrs  machten,  das  sie  schon  längst  um  die 
Herbstnachtgleiche  anzufangen  gewohnt  waren. 

Ich  sage  in  der  lleg^l;  denn  wir  finden  hin  und 
wieder  den  Gorpiäus,  EIul  oder  September  als  den  er- 
sten Monat  der  Syrer  und  des  seleucidischen  Jahrs  ge- 
nannt. So  steht  in  dem  Yerzeichnifs  der  syromaoedo" 
nischen  Monate,  das  Henricus  Stepfaanus  aus  einem 
alten  Lexicon  gibt  *),  der  Topmotoj  6  'SsTrrifxßpio^  Yoran. 
Noris  beweiset')  aus  der  Kii*chengeschichte  des  im 
sechsten  Jahrhundert  lebenden  Euagrius,  dafs  man- 
zu  Antiochia  so  gerechnet  hat.  Auf  dieselbe  Weise 
zählt  ferner  Albatani,  der  älteste  und  bedeutendste 
arabische  Astronom,  der  zu  Racca  in  Mesopotamien  be* 
obachtete,  die  Jahre  der  seleucidischen  Acre.  £r  nennt 
nicht  nur  den  EIuI  zuerst  unter  den  Monaten  der  Rö- 
mer (Syrer)  ^),  sondern  gedenkt  auch  einer  Beobach- 
tung der  Herbstnachtgleiche  vom  19.  Elul,  die  er,  wie 
seine  Yergleichung  derselben  mit  einer  ähnlichen  des 
Ptolemäus  zeigt,  im  Jahr  882  n.  Chr.  angestellt  ha- 
ben mufs,  und  doch  schon  im  Jahr  1 1 94  Dsi  4kamain 
oder  der  seleucidischen  Acre  angestellt  zu  haben  ver^ 
sichert  ^),  ungeachtet  dieses  nach  gewöhnlicher  Rech- 
nung erst  mit  dem  1.  Oktober  882  anfing.  Abu'l«- 
faradsch  sagt,    dafs  die  Rum   seiner  2^it  das  Jahv 


*)    Appendix  ad  thes,  ling,  Gr.  col.225. 

')    Diss.m,  C.6. 

')  De  Scientia  stellarum  c.  32.  Von  diesem  wichtigen  Werke 
hat  man  bis  jetzt  nur  eine  schlechte,  incorrect  gedinickte  latei^ 
nische  Ueberselzung  (Nüniberg  1537,  Bologna  1645,  4J. 

*)    Ebend.  c.27. 


464  Technische  Chronologie. 

mit   dem  Elol»  die  Syrer  hingegeu  mit  dem  enien 
Thiscbri  anfingen  ^). 

Es  £ragt  sich,  wie  man  den  iwiefachen  in  Syrien 
vorkommenden  Jahranfang  zu  erklären  habe.  Der  ur- 
sprüngliche war  ohne  Zweifel  der  vom  !•  Oktober,  und 
dieser  hat  sich  auch  bei  den  eigentlichen  Syrern  erhal- 
ten. So  geht  aus  der  Chronik  von  Edessa  deutlich 
hervor,  dafii  sie  den  Jahranfang  auf  den  i.  Oktober 
setzt.  Man  vei^eiche  nur  das  Jahr  814,  bei  welchem 
es  heilst '),  Gavades,  König  von  Persien,  habe  Amida 
in  Mesopotamien  am  5.  Oktober  zu  belagern  ange&n- 
gen,  es  nach  97  Tagen  erobert,  und  noch  im  Septem- 
ber desselben  Jahrs  Edessa  belagert.  Der  Jahran- 
fiing  mit  dem  1.  September  schreibt  sich  von  den  In- 
dictionen  her.  So  nennt  man  die  Jahre  eines  fünf- 
zehnjährigen Zeitkreiaes,  nach  welchem  wir  seit  der 
Mitte  des  vierten  Jahrhunderts  n.Qir.  häufig  datirt 
finden.  Diese  Indictionen  fingen,  eben  so  wie  die 
Jahre  der  konstantinopelischen  Weltäre ,  mit  dem  1.  Sep- 
tember an^),  und  müssen,  als  die  im  byzantiniscVien 
Reich  gesetzliche  Jahrrechnung,  in  Syrien  allmählich 
die  alte  Jahrepoche  aus  den  öffentlichen  Akten,  wenn 
auch  nicht  ganz  aus  dem  Yolksgebiauch ,  verdrängt 
haben. 


*)  An  der  oben  (449)  citirten  SleHe.  Unter  f^^  JRäm,  Rö- 
mer, Teratehen  die  Araber  alle  Eum  bjzantinüchen  Reiche  ge- 
hörigen Griechen,  besooderi  die  syrischen.  Die  altem  nennen  sie 
^^Jf^nan,  lonier. 

*)    BihL  Orient,  Tom.I,  p.407. 

')    S.  unten  die  Zeitrechnung  der  Chiisten. 


Mageponiea  und  Stbea.  465 

Beim  Lesen  ayrischer  Schriftsteller  mufi  man 
sich  hüten,  beide  Jahranffinge  mit  einander  zu  Ter- 
wechseln,  und  es  yrird  öfters  soi^ialtiger  Gomhinationen 
bedürfen ,  um  ein  syrisches  Datum  richtig  auf  unsere 
Zeitrechnung  zu  bringen.  Wenn  z.B.  die  ebengenannte 
Chronik  den  Tod  des  Simeon  Stylites  auf  Mittwoch 
den  2.  September  des  Jahrs  771  setzt  ^},  so  würde 
man  irren,  wenn  man  defsbalb  an  den  2.  September 
460 n.Chr.  denken  wollte,  weil  die  Chronik,  wie  tox^ 
hin  bemerkt  worden,  ihre  Jahre  sonst  immer  vom 
1.  Oktober  rechnet.  In  diesem  Fall  fängt  sie  das  Jahr 
offenbar  mit  dem  September  an,  weil  nur  vom  Jahr 
459  die  Rede  sein  kann,  in  welchem  der  2.  September 
ein  Mittwoch  war.  Es  ist  nicht  nöthig,  die  Jahrzahl  771 
für  verdorben  zu  halten;  die  Chronik  hat  diese  Nach- 
richt vermuthlich  von  einem  antiochenischen  Schrift- 
steller entlehnt,  der  das  Jahr  mit  dem  September 
anfing. 

Ein  Jahranfang  mit  dem  Dius  oder  zweiten 
Thischri  hat,  so  viel  wir  wissen,  in  Antiochien  nie  Statt 
gefunden.  Wenn  also  lulian  in  seinem  Misopogon, 
bekanntlich  einer  Satyre  auf  die  Antiochener,  den  Loiüs 
ihren  zehnten  Monat  nennt'),  so  hat  er  sich  durch 
die  in  Kleinasien  gebräuchliche  Zählungsweise  der  Mo- 
nate, die  ihm  wahrscheinlich  geläufiger  war  (er  hatte 
sich  seiner  Studien  wegen  in  mehreren  dortigen  Städ- 


^)    p.^05.    Gosmas,  der  Biograph  dieses  Heiligen,  bestätigt 
Datum  und  Ferie.     Bibl,  Orient.  Tom.I^  p.252. 

')     Atxrry  «ov  pa^l  tAt  wof   upi?y  a^iBfiwfiiinfy  A^fffv  oT}UUtwtw 
vfutq  npoqayoftitru     Opp,  ed.  Lipt.  1696  fol.,  p.361. 


456  Technische  Ctironologie. 

ten  aufgehalten)  irre  leiten  lassen  *}.  Auch  leigen 
seine  Worte,  dafs  er  seiner  Sache  nicht  ganz  gewiis 
war.  Zwar  hat  Sancleihente  in  seinem  Werke  über 
die  christliche  Aere  ')  durch  Zusammenstellung 
zweier  Münzen  der  Antiochener  mit  dem  Bildnisse  Nero's 
und  der  doppellen  Jabrzahl  111  und  10,  112  und  10, 
wovon  sich  die  eine  auf  ihre  mit  dem  Herbst  705  der 
Stadt  Rom  anfangende  Aera  Caesatiatia^  und  6ie  an- 
dere auf  die  mit  dem  13.  Oktober  807  angetretene  Re- 
gierung dieses  Imperators  bezieht,  zu  beweisen  gesucht, 
d^Is  sie  ihr  Jahr  damals  nach  dem  13.  Oktober  begon- 
nen haben.     Allein  es   gibt  zwei   andere  Münzen  der 


')  Einen  Fehler  anderer  Art  begeht  Suidas,  wenn  er  deo 
Hyperbereläiis  der  Macedonier  nicht  mit  dem  September,  dem 
er  gi'öfstentheib  angehört  (419),  sondern  nach  syromaced onischer 
Weise  mit  dem  Oktober  vergleicht.  Auf  eine  ähnliche  Weise 
Terfahrt  er  beim  Artemisius  und  andern  Monaten,  die  er  nennt. 

*)  De  vulgaris  aerae  emendatione  librilV  (Rom  i793,  foL), 
p.  183.  Das  sehr  gelehrte  Werk  mufs  wegen  mancher  darin  ent- 
haltenen chronologischen  Paradox ien  mit  Vo»ichl  gebraucbl  wer- 
den. Wenn  z.B.  mit  Bezug  auf  die  oben  (449)  cilirten  griechi- 
schen Worte  des  Eusebius,  die  inig  durch  post  annum  duo- 
decimum  ab  AUxandri  morie  übersetzt  sind ,  behauptet  wird 
(S.216),  dafs  die  seleucidtschc  Aere  ursprünglich  mit  6er  cfaal- 
dai:ichen  (223)  identisch  gewesen  sei,  und  dafs  die  Antiochener 
ihre  Epoche  vom  Herbst  3H  bis  zum  Herbst  312  zurückgescho- 
ben haben,  weil  Seleucus  erst  im  Frühling  311  zu  seiner  Herr- 
schaft gelangt  sei,  und  die  asiatischen  Völker  und  Städte  eben 
»o,  wie  die  Aegypler,  die  Jahre  ihrer  Regenten  von  dem  voran- 
gehenden Anfange  ihres  bürgerlichen  Jahrs  gezählt  haben,  was 
allerdings  fest  zu  stehen  scheint,  so  begreift  man  nicht,  warum 
gerade  die  fiabjrlonier  eine  Ausnahme  yon  diesem  Princip  ge- 
macht haben  sollten. 


Magbdo5I£r  und  Staer.  457 

Antiocbener  mit  demselben  Bfldnisse  und  der  doppel- 
ten Jahrzahl  lOS  und  S,  108  und  6,  woraus  Noris^) 
und  Eckhel')  gerade  das  Gegen tfaeil  folgern,  nämlich 
dafs  die  Epoche  ihres  Jahrs  yor  den  13.  Oktober  zu 
setzen  sei.  Ob  es  nun  mit  Sanclemente's  in  sei- 
nem spätem  numismatischen  Werke  ^)  aufgestellten  Be- 
hauptung, dafs  bei  der  Münze  mit  den  Jahrzahlen  108 
und  5  ein  Irrthum  obwalte,  seine  Richtigkeit  habe, 
oder  ob  sich  der  Widerspruch,  in  welchem  sie  mit  den 
übrigen  zu  stehen  scheint,  durch  die  Voraussetzung 
heben  lasse,  dafs  unter  Nero  zu  Antiochia  noch  das 
alte  Mondjahr,  dessen  Anfang  im  Sonnen  jähr  durch  ei* 
nen  Zeitraum  Ton  vier  Wochen  hin  und  her  schwankte, 
im  Gebrauch  gewesen  sei,  wollen  wir  hier  nicht  weiter 
untersuchen.  Genug  die  Evidenz  der  von  ihm  analy- 
sirten  Münzen  ist  nicht  so  schlagend,  dafs  wir  uns 
Tcranlafst  sehen  könnten,  etwas  den  bisherigen  Foiv 
schuDgen  zuwider  laufendes  auf  sie  zu  gründen. 

Wie  mannigfaltig  die  Acren  der  Städte  Syriens  wa- 
ren, erhellet  aus  folgender  Stelle  des  Chronicon  des 
Eusebius  nach  der  Uebersetzung  des  Hieronymus  *): 
Secundo  anno  Probi  iuxta  Antioclienos  CCCXXF",  üiocta 
Tjrios  CCCCII ,  iuxta  Laodicenos  CCCXXIV^  iuxta 
Edesscnos  BLXXXVIII,  iuxta  Jscalonitas  CCCLXXX, 
insana  Manichaeorum  haeresis  in  commune  humani  ge-- 
neris  malum  eocorta;    und  bei  weitem  sind  hier  noch 


*)    Diss.V,  C.4,  p.524. 
»)    Vol.m,  p.281. 

')    De  epochis  sive  de  notis  chronologicis  numismaUtm  im^ 
periaUum  (Rom.  1809,  4)  p.84. 

*)    Ad  Ol.  264.     O;»/?. /TiVro/r^mi  Tom.Ym,  p.760. 


458  Technische  Chronologie. 

nicht  alle   Jdunrechmmgen   der   syriachen    Stttdte   ge- 
nannt« 

Wie  Noris  bündig  darthut^),  war  das  sweite 
Jahr  des  Probus  das  1030ste  der  Sudt  Rom  oder  277ste 
der  christlichen  Zeitrechnung.  Man  sieht  also  auch 
hier,  dals  su  Edessa  die  seleucidische  Aere  gebräuchlich 
war  (452),  deren  SSSstes  Jahr  grölstentheils  dem  eben 
gedachten  christlichen  entsprach. 

Die  Epochen  der  meisten  Acren ,  die  wir  in  Syrien 
antreffen «  datiren  sich  yon  den  Zeitpunkten ,  wo  die 
Städte,  die  sich  ihrer  bedienten,  die  Autonomie  erlang- 
ten (433).  Dies  geschah  besonders  in  den  beiden  Perio- 
den, wo  Pompe  ins  undlulius  Cäsar  im  Lande  wa- 
ren. Jener  nöthigte  im  Jahr  690  der  Stadt  Rom,  v.  Chr. 
64,  den  Tigraties,  König  von  Armenien,  Syrien,^  das 
er  einige  Zeit  behauptet  hatte,  zu  räumen,  und  machte 
es  nun,  einzelnen  Städten  die  Freiheit  schenkend,  zu 
einer  römischen  Provinz.  Die  Acren,  die  sich  damals 
bildeten  und  mit  d^m  Herbst  theils  des  gedachten  Jahrs, 
theils  auch  erst  des  folgenden,  ihren  Anfang  nahmen  '), 
werden  von  den  numismatischen  Chronologen  mit  dem 
gemeinschaftlichen  Namen  der  Pompeiana  bezeichnet. 


*)    n.  3,  p.  H5  ff. 

^)  Sanclementeüt  geneigt,  die  Grenzen  noch  weiter  zu 
stecken.  Auch  will  er  den  von  Noris,  Belle j,  Eclchel  und 
andern  aufgestellten  GrundsaU,  dafs,  mit  der  oben  (413)  gedach- 
ten Ausnahme ,  sammtÜche  syrische  Städte  das  Jahr  mit  dem 
Herbst  angefangen  haben,  nicht  ab  durchgchends  gültig  anneh- 
men. Ich  unterfange  mich  nicht,  faierübei*  ein  ürtheil  anszu- 
8|»echen;  nur  so  Tiel  kann  ich  yersichem,  dals  sich  bei  den 
Schriftstellern  nichts  findet,  was  einem  solchen  GrundsaU 
zuwider  liefe. 


Magbdonier  und  Stre«.  459 

Nach  E  c  k  h  e  1  haben  dieselbe  vom  Jahr  690  an  fol- 
gende Städte  der  Decapolis  gebraucht:  Abila  Leucas, 
Antiochia  ad  Hippum,  Canalha,  Dium,  Gadara  und 
Pella  *).  Hemath  am  Oronles,  von  Anüochus  Epi- 
phanes  Epiphanea  benannt,  bediente  sich  zuei*st  der 
seleucidischen  Aere  und  dann  der  pompeianischen,  wie 
Belley  glaubt'),  von  dem  erwähnten  Jahr.  Phila- 
delphia in  der  Decapolb  zählte  nach  Eck  hei  von  690; 
Noris  erklärt  sich  für  691,  weil  das  Chronicon  pa^ 
schale  bei  Ol.  179,2  anmerkt:  „Ton  hier  an  rechnen 
,9 die  Philadelphier  ihre  Jahre  ^)."  Tripolis  hat  fast 
durchgängig  die  seleucidische  Aere  gebraucht;  unter  den 
zahlreichen  daselbst  geprägten  Münzen  kommen  jedoch 
auch  ein  paar  mit  der  pompeianischen  vor.  Es  ist  un* 
gewiis,  ob'  die  Epoche  in  690  oder  691  zu  setzen  ist  % 
Dora  in  Phönizien  zählte  nach  Noris  die  Jahi«  von 
691,  nach  Pellerin  von  690'^). 

Dafs  sich  auch  Antiochia  unier  den  Städten  be- 
fand ,  denen  Pompeius  die  Autonomie  verliehen ,  be- 
weiset Noris  aus  dem  Zeugnisse  des  Porphyrius^); 


*)  YoLUI,  p.345  bis  351.  Von  Antiochia  ad  Hippum  oder 
Hippus  schlechthin  und  Gadara  handelt  auch  Noris  III,  9,  p.297, 
331,  und  von  Abila,  Canalha,  Dium  und  Pella  auch  Belley. 
M^moires  de  VAcad.  des  Inscripi,  Tom.XXYUI^  p.557  ff. 
Von  diesem  schätzbaren  Gelehrten  hat  man  eine  Reihe  Abhasd- 
Inngen  unter  dem  Titel  von  Supplementen  zu  Noris  Werk. 

"J    Mt!m.  de  l'Jcad.  des  Jnscr,  Tom.  XXVI,  p.391  ff. 

')    Noris  S.  308  ff.    Eckhel  S.351. 

*)    Eckhel  S.  377. 

*)  Noris  rV,  5,  S.  453  ff.  Pellerin  Mecueil  de  MddailUs 
Tom  n,  p.  217  ff. 

*)    Noris  m,  3,  S.  157. 


460  Technische  Chronologie. 

ihre  Hriosen  selEen  aber  den  Gebrauch  der  pompeia* 
nischen  Acre  nicht  aufser  Zweifel '},  vielmehr  scheint 
die  Hauptstadt  Syriens  für  jetzt  noch  die  seleucidisdie 
beibehalten  zu  haben.  £];st  vom  Jahr  705  der  Stadt 
Rom,  V'Chr.  49«  datirt  sich  die  ihr  eigen thümliche 
Jahrrechnung,  welche  nächst  der  seleacidischen  unter 
den  syrischen  die  berühmteste  bt. 

Dieses  Epochen  jähr,  für  welches  sich  schon  Petavius 
und  Usher  erklärt  hatten,  ist  zuerst  von  Noris  mit 
völliger  Sicherheit  festgestellt  worden  *).  Er  begründet 
es  theils  durch  zwei  antiochenische  Münzen  mit  den 
Bildnissen  des  Tiberius  und  Galba'),  theils  durch  die 
Jahrzahl  325  in  obiger  Stelle  des  Chronicon  des  £u- 
sebius(457),  theils  durch  noch  eine  andere  Stelle  der- 
selben, wo  es  heilst  *) :  Decimo  nono  anno  Diocletiani, 
mense  Martio,  secundum  Jntiochenos' tuino  CCCLI,  ec- 
clesiae  subversae  sunt.  Das  neunzehnte  Jahr  der  die- 
detianischen  Acre  begann  am  29.  August  302  v.Chr., 
und  mit  dem  Herbste  dieses  Jahrs  unserer  Zeitrechnung 
mufs  das  351ste  der  Antiochener  angefangen  haben, 
wenn  demselben  der  März  unsers  305leu  angehört  ha- 
ben soll,  wo  die  schreckliche  Verfolgung  über  die  Chri- 
sten ausbrach  ^). 


*)    EckhelS.268. 

*)    in,  4,  p.i65  ff. 

')  B  e  1 1  e  y  fügt  noch  eine  then  so  entscheidende  mit  dem 
Bildnisse  des  Olho  hinzu.  Mämoires  de  VAcad.  des  InscHpL 
Tom.  XXX,  p.273. 

*)    Ad  Ol.  270.     Opp.  Hieron.  Tom.  Vm,  p.  772. 

•)    S.  Yalesius  ad  Eusebii  Bist.  ecd.  Y01\  2. 


Magsdonier  und  Strbr.  461 

Auch  dorcli  mehrere  Zeitbestinunungen  der  an- 
tiochenischen  Schriftsteller  Euagrius  und  Johannes 
Malelas,  so  wie  des  Chromeon  paschale ^  bestätigt 
sich  das  gedachte  Epochen  jähr.  So  sagt  der  ei-ste  ^), 
der  Kaiser  Justinus  sei  zur  Regierung  gekommen  am 
9,  Panemus  oder  Julius  xP^M*^*Co^^5  ^i9  'Awtoxw  txrov 
xal  i^rixofoy  xcd  7riyTaxo(rio^oy  Irogy  als  die  Stadt  des 
Antiochus  das  fünfhundert  sechs  und  sech- 
zigste Jahr  zählte.  Das  Chronicon  pasciuäe  be- 
zeichnet diesen  Zeitpunkt  durch  dasselbe  Jahr  —XP^ 
jütari^cyrog  koltoL  tcu^  'Aktiox^o^  iroug  g'^<p\  als  nach  den 
Antiochenern'das  566ste  Jahr  gezählt  wurde ^), 
und  zugleich  durch  das  Consulat  des  Magnus  und  die 
elfte  Indiction.  Letztere  beginnt  mit  dem  1  •  September 
517  n.Chr.,  und  ei*steres  gehört  in  518.  £s  ist  also 
der  9.  Julius  518  gemeint,  und  wenn  diesem  Jahr  das 
566ste  der  Antiochener  entsprochen  haben  soll,  so  mufs 
die  Acre  im  Jahr  705  der  Stadt  Rom  oder  49  v.Chr. 
ihren  Anfang  genommen  haben.  Malelas  berichtet^), 
lulianus  sei  gelödlet  woiden  am  26.  Däsius  oder  Junius 
des  Jahrs  411  der  Antiochener.  Diese  Angabe  stimmt 
mit  der  oben  (452)  aus  der  Chronik  von  Edessa  an- 
geführten überein,  wenn  die  Epoche  der  Acre  das  ge- 
dachte Jahr  ist. 


»)     HisL  eccL  rV,  1. 

^)  8.331.  Ich  babe  die  griechischen  Worte  angeführt,  um 
auf  den  Gebrauch  hinzudeuten,  den  die  spätem  8chnristeller  von 
dem  Yerbum  yj^r^^tit^uv  beim  Datiren  machen.  Man  sieht,  es 
kommt  in  activer  und  neutraler  Bedeutung  yor. 

^)    HisL  chron,  P.II,  p.20  und  22. 


462  Technisehe  Chronologie. 

Diesen  Zeugnissen,  nnter  denen  besonders  du  von 
den  Münzen  entlehnte  Tom  grofsten  Gewicht  ist,  ^ 
dabei  an  keine  Yerfälschung  der  Zahlen  zu  denken  ist, 
stellen  die  Gebrüder  Assemani,  Joseph  Simon*) 
und  Stephanus  Eyodius'),  die  Angaben  zweier 
syrischen  Scribenten  entgegen,  welche  die  Epoche  um 
ein  Jahr  jünger  machen.  Am  Schlüsse  der  j4<^a  Sancü 
Simeonis  StjUtae  von  Cosmas  Presbyter  heiTst  es: 
,, Dieses  Buch  der  Triumphe  des  seligen  Mar  Simeon  ist 
„Mittwochs  den  17.  Nisan  (April)  im  Jahr  521  der  An- 
„tiochener  vollendet  worden."  Es  ist  das  Jahr  474 
n.Chr.  gemeint,  in  welchem  der  17.  April  ein  Mittwoch 
war.  Der  Patriarch  Dionysius  sagt  in  seinem  Chro- 
nicon,  Antiochia  sei  von  einem  Erdbeben  zerstört  wor- 
den Mittwochs,  den  29sten  des  zweiten  Thischri  (No- 
vember) des  Jahrs  840  der  seleucidischen  und  576  der 
antiochenischen  Acre  in  der  siebenten  Indicüon.  Es 
muls  vom  Jahr  S28  n.Chr.  die  Rede  sein,  wo  der 
29.  November  ein  Mittwoch  war,  und  zugleich  das 
840ste  seleucidische  Jahr  und  die  siebente  Indidion 
begannen  ').    So  hätten  wir  also  zwei  ganz  verschiedene 


*)    Bibl.  Orient.  Tom.I,  p.235.  236. 

')    Jcia  Marljrum  (Roinri748,  foL),  Tom.  11,  p. 228,  229. 

')  Euagrius,  der  auch  dieses  Eidbeben  erwähnt (IV« 6), 
sagt,  Antiochia  sei  durch  dasselbe  verwüstet  worden  dreifsig  Mo- 
nate nach  einem  frühem.  Ganz  richtig;  denn  kunt  vorher (I\, 5) 
hat  er  von  einem  andern  gespit>chen ,  das  sich  am  29.  Ariemisius 
oder  Mai  im  siebenten  Jahr  des  Kaiser  luslious  ci^igncl  haben 
soll.  Er  meint  das  Jahr  526  unserer  Zeitrechnung,  weil  das  ge- 
dachte Datum  ein  Freitag  gewesen  sein  soll.  Die  Chronik  ^»^ 
Edessa  nennt  (p.414)  ganz  übereinslimmig  den  29.Mai<*** 
8375ten  Jahn  der  seleucidischen  Aere. 


Macsdonier  nnd  Strbb*  463 

Epochen  von  einerlei  Aere.  Belley  will  diese  Yer- 
schiedenheit  dadurch  erklären,  dals  die  Syrer  in  der 
Umgegend  yon  Antiochia  die  Aere  ein  Jahr  später  an- 
genommen hauen,  als  die  Griechen  in  der  Stadt  selbst  ^). 
Wie  ist  es  aber  denkbar,  dafs  zwei  Jahrrechnungen,  die 
um  eine  Einheit  von  einander  abweichen,  Jahrhunderte 
lang  an  einerlei  Ort  neben  einander  bestanden  ha- 
ben sollten?  Mufsie  dies  nicht  zu  grofsen  Verwirrungen 
Anlafs  geben?  Natürlicher  scheint  die  Voraussetzung, 
dafs  jene  beiden  Syrer,  deren  Autorität  ohnehin  nicht 
sehr  grols  ist,  die  Aere  des  benachbarten  Laodicea,  die 
wie  wir  unten  sehen  werden ,  im  Jahr  48  y.  Chr.  an- 
gefangen hat,  und  nach  Eusebius  (457)  ebenfalls  zu 
den  gangbarsten  Syriens  gehört  haben  mufs ,  mit  der 
antiochenischen  werwechselt  haben.  Wir  wollen  also 
bei  der  Epoche  bleiben ,  die  auf  eine  so  ganz  unzwei- 
deutige Weise  durch  die  Münzen  bestimmt  wird. 

Da  sich  aus  den  Zeilen  v.Chr.  keine  antioche- 
nischen Jahre  erwähnt  finden,  so  kommt  es  nur  dar- 
auf an,  Tur  die  Reduction  der  spätem  eine  einfache 
Regel  zu  geben.  Man  zieht  von  der  vorgelegten  Jahr- 
zahl 49  ab,  und  erhält  so  das  Jahr  unserer  Zeitrech* 
nung,  mit  dessen  Herbst  das  antiochenische  beginnt 
und  zu  welchem  man  noch  die  drei  oder  vier  ersten 
Monate  zählt,  je  nachdem  man  den  Jahranfang  auf 
den  Isten  des  Hyperberetäus  (Oktober)  oder  Gorpiäus 
(September)  setzen  wilL  Dafs  von  Euagrius  das 
Letzere  geschehe,  ist  bereits  oben  (453)  behauptet  wor- 
den, und  kann  nun  durch  eine  seiner  Zeitbestimmun- 


')    An  dem  zuletzt  (460)  aogefülirten  Orte  S.  277. 


464  Technische  Chronologie. 

gen  aufier  Zweifel  gesetxt  werden.  Er  bericbtet  \  im 
zweiten  Jahr  des  Kaiser  Leo  oder  506ten  der  An- 
tiochener  in  der  elften  Indiclion  am  14.  Gorpiäus  oder 
September  in  der  vierten  Nachtstunde  Koplw;  l;r(>£araAa- 
ßctjVi];  riiiifio^  sei  Antiocbia  duix;b  ein  furchtbares  Erd- 
beben heimgesucht  worden.  Es  kommt  hier  zuvörderst 
auf  die  griechischen  Worte  an.  Scaliger,  Petavius 
und  andere  nehmen  sie  ohne  Weiteres  (ur  eine  Be- 
zeichnung des  Sonntags,  und  setzen  dem  geniäfs  das 
Ei'dbeben  in  das  Jahr  458  n.Chr.,  wo  der  14.  Sep- 
tember ein  Sonntag  war.  Allein  Noris  zeigt')  mit 
grofser  fielesenheit  und  feiner  Kritik,  dafs  die  Worte 
nicht  anders  als  durcb  imminente  die  dominica  über- 
setzt und  auf  keinen  Fall  vom  Abend  des  Sonntags, 
an  den  wir  doch  wegen  der  viei*ten  Nachtstunde  den- 
ken müfsten,  genommen  werden  können.  Das  Eivibe- 
beu  mufs  sich  also  am  Sonnabend  (etwa  um  10  Uhr 
Abends)  des  Jahrs  4^7  ei'eignet  haben,  wo  der  14.  Sep- 
tember diesem  Wochentage  entsprach  ^).  Gehört  es 
aber  schon  in  das  506te  Jahr  der  Antiochener,  so  ist 
klar,  dais  dasselbe  mit  dem  September,  nicht  erst  mit 


•)  n,  12. 

»)    in,  6,  p.208. 

'^)  Wollte  man  annehmen ,  dafs  der  bürgerliche  Tag  der  Sy- 
rer nicht,  wie  der  römische,  um  Miltemacht,  sondem  schon  mit 
dem  Torbergehenden  Untergange  der  Sonne  angefangen  habe  (nir- 
gends gibt  es  defsfalb  eine  bestimmte  Angabe;  aber  es  findet  sich 
auch  eben  so  wenig  eine  Spur,  dafs  irgendwo  in  der  Ghiistenheit 
die  Wochentage  andei-s  als  nach  römischer  Weise  von  Millemacht 
an  gerechnet  worden  sind),  so  ändert  dies  in  der  Hauptsache 
nichts.  Das  Eixibeben  mufs  immer  an  dem  WochenUge  Sutt 
gefanden  haben ,  den  wir  Sonnabend  nennen. 


Magedohier  und  Syrer.  465 

dem  Oktober  angefangen  habe.  Hiermit  stimmt  auch 
die  elfle  Indlclion  überain ,  die  mit  dem  1.  September 
457  begann.  Der  Kaiser  Leo  kam  nach  dem  Chroni'- 
con  pciscliale  ^)  am  7.  Februar  der  zehnleu  Indiction 
oder  457  zur  Regierung.  Mau  sieht,  dafs  Euagrius 
fleln  zweites  Jahr  gleich  mit  der  folgenden  Indiction 
anfängt.  Andei*s  rechnet  Cedrenus,  wenn  er  sagt: 
,,Im  ersten  Jahr  des  Leo  ereignete  sich  ein  Ei-dbeben 
,,zu  Antiochia  *)."  Die  Zeilangaben  des  Malel^s  wei- 
chen in  einigen  Punkten  von  denen  des  Euagrius 
ab,  begünstigen  aber  auch  die  Ansicht  derer  nicht, 
die  das  Ereignifs  in  das  Jahr  458  setzen  wollen  ^). 
Dagegen  meint  der  vorhin  (462)  gedachte  syrische  Chix)- 
nist  Dionysius  oiTenbar  das  Jahr  458^  indem  er  <ks 
770ste  der  seleucidlschen  Acre  nennt  und  zugleich  vom 
Sonntage  spricht  *).  Dem  sei  wie  ihm  wolle,  die  elfte 
Lidiction  beim  Euagrius,  wenn  wir  sie  nicht  für 
falsch  angesetzt  erklären  wollen,  erlaubt  nur  an  den 
Herbst  des  Jahi*8  457  zu  denken. 

Die  Frage',   was  die  Antiochener  veranlafst  habe, 
ihre  Acre  mit  dem  Jahr  705  der  Stadt  Rom,   v.Chr. 


*)    S.320. 

^)  Compendium  historiantm  p.347  der  pariser  Ausgabe  der 
Script.  Hut,  Bfz.  Auch  Tlieopbaues  (S.95  seiner  Chnmo^ 
graphia  nach  derselben  Ausgabe)  scheint  das  erste  Jabr  des  Leo 
zu  meinen;  denn  nachdem  er  gesagt  hat,  dais  dieser  Kaiser  im 
Februar  der  zehnten  Indiction  zur  Regierung  gekommen  sei,  be- 
merkt er:  ,,In  demselben  Jahr  wurde  fast  ganz  Anliochien  dnrcfa 
„ein  Erdbeben  zerstört.**  Dafs  er  nicht  an  die  zehnte  Indiction 
gedacht  babcn  könne,  ist  klar. 

»)     P.  II,  p.  75.     Man  vergleiche  N  o  r  i  s  S. 212.  ff. 

•)     i9iR  Ori>A/.  Tom.I,  p.2i2. 

I.  [30] 


466  Techtusche  Chronologie, 

49    ftosnfiuigen,  hat  die  ChronoloBen  «ehr  bescteftigt. 
Nor  18   geht    dtriiber    in    ausfühillche   Erörlemn|ai 
ein«),     Nadidem  er  die  Hypothesen  des  Scaliger, 
Petavius,  Petitus  und  Usserius  widerlegt  hat, 
trägt  er  seine  «gene  Meinung  vor,    die  dahin  gehl, 
aab  Cäsar,  aU  er  nach  beendigtem  Büiigerkriege  »uT 
seinem  Zuge  gegen  Pharnaces,  König  von  Poniu«,  im 
FrühUng  des  Jahrs  707  der  Stadt  Rom  Syrien  besuchte, 
den  Antiochencm,    die  sich  gleich  nach  der  Schlacht 
bei  Pharsalu»  für  ihn  erklärt  hatten,   in  seiner  Eigen- 
schaft aU  Dictalor,    nicht  blofs  die  aufseioidendichen 
Abgaben  erliefe,    die  ihnen  awei  Jahr  luvor  von  dem 
Proconsul  Q.  CäcÜius  Scipio  auferlegt  waren,   sondern 
auch  die  Autonomie  mit  noch  gröfseren  Gerechteamen 
bestätigte,    und  dafe  sie  nun,    um  das  Andenken  an 
diese  Wohlthat  »u  verewigen,  eine  neue  Jalirrechmmg 
einführten,  die  sie  jedoch  nicht  erst  von  707,  sondern 
schon  von  705  datirten,  weü  in  diesem  Jahr  das  vierte 
Lustmm  ihrer  Zinsbarkeit  (seit  690)  begonnen  halte, 
von  der  sie  sich  jeUt  befreit  sahen.    Diese  Hypothese 
ist  etwas  geiwungen,  weil  es  gar  nicht  ausgemacht  ut, 
dafe   in  Syrien   eine   fünfjährige  SchaUung  bestanden 
hat.     Der  Ursprung  der  antiochenischen  Acre  m  Jatt 
705  der  Stadt  scheint  sich  mit  Hülfe  folgender  Stelle 
des  MaUIas  ganz  einfach  erklären   zu  lassen:   „Zu 
j,  Antiochia  wurde  die  von  Inlius  Cäsar  verliehene  Frei- 
„heit  der  Stadt,  als  sie  unter  die  Herrschaft  der  Rö- 
„mer  gekommen  war,  am  20sten  Artemisius  verkündigt. 
„Das  defefalls  ergangene  Edikt  hub  also  an:   Zu  An- 
„tiochia,  der  heiligen,  unverletaUchen ,  sid»  sdb«  re- 

•)    Diss.ni,  C.5. 


Magedonibk  und  Syrer»  467 

, agierenden  Hauptstadt  des  Orients  hat  Giins  lulius 
,,  Cäsar  u.s.w.  Und  der  besagte  DictatCMr  luIius  Cäsar 
„zog  am  23.  Artemisius  in  Antiochia  ein.  —  Daher 
,,  zählt  nun  die  grofse  Antiochia  zur  Verherrlichung 
„dessen  ihr  erstes  Jahr  von  demselben  Caius  lulins 
„Cäsar  ^)."  Das  Edikt  wegen  erneuerter  Autonomie 
wurde  also  am  20.  Artemisius  707  proklamiru  Wollte 
nun  die  Stadt  mit  diesem  für  sie  wichtigen  Ereiguils 
eine  neue  Aere  beginnen,  so  muj&te  sie  eigentlich,  wie 
es  auch  zu  Laodicea  geschah ,  ihr  erstes  Jahr  mit  dem 
Herbst  706  anfangen,  wenn  sie  nicht  etwa  die  in  Syrien 
gebräuchliche  Jahrepoche  ändern  wollte.  Aus  Schmeiche- 
lei aber  — xard  Ti/uijv,  dem  Cäsar  zu  Ehren —  ging 
sie  noch  ein  Jahr  weiter  zurück,  weil  sich  die  Ober- 
gewalt, die  ihr  grolser  Wohlthäter  jetzt  im  römischen 
Reich  behauptete ,  yon  dem  Siege  datirte ,  den  er  im 
Sommer  706  der  Stadt,  also  im  Verlauf  desjenigen  ih- 
rer Jahre ,  das  mit  dem  Herbst  705  begann ,  über  sei- 
nen Gegner  bei  Pharsalus  davon  getragen  hatte  *). 


')  IIposTiÄif)  iv  'AvTio;^tiflt  ij  i\tv^9pU  aimjf,  oxe  iyivno  wro'Pw- 
fialoviy  TT)  tlxa^i  rov  'Aprtixia-tov  }ir\voiy  irfifju^^kto^a  napJt  tov  avrov' 
KftcVapoc'IovXcou.  To  oZv  »j^ixtöw  irpocr«^  7r6ptf;^oy  oii^'*g'  *Ei» 'Ai»- 
Ti^y^iitf.  Tjf  \kr(tpmfi\%i  Up^  xal  aavXtf  xal  avrov^^tif  kolI  ap^ova^  jco^ 
npoKoBi^fiivv^  Ti](  avcnoXTii  'loJXto;  Tai'cg  KaZcap  xai  ri  Xomd,  Kah 
tlffyjikBtv  0  avTOQ  *  louXio;  Kat<rap  o  Aixrarup  iv  'Avrio^^sif  TJ]  x^  tov 
'Aprijuit^iou  firivoQ,  —  "KprifAurl^u  ovv  ij  fityakri  'Aimo;^€ta  xarei  tu 
^  hoq  npSrov  ani  tou  avtQV  Kaiaupog  Tatov  *  IwXiov. ^  Hist.ehron» 
P.I,,p.278  uiid280. 

^)  Das  Datum  des  Sieges  bei  Pbai-salus  ist  nach  dem  damalig 
gen  Tei^^chobencn  römischen  Kalender  der  Y.  Idus  SextiHs  oder 
9.  August.  S.  das  Calendarium  Amitemintanf  und  JtUiatinum 
unter  diesem  Datum  in  F  o  g  g  i  n  i  *  s  Werk  über  die  F  a  s  t  i  des 

[30*] 


468  Technische  Chronologie. 

Im  Chronicon  paschale,  das  sich  fast  mit  deoflel« 
ben  Worlen  wie  Male  las  äufsert  *),  berrscht  einige 
YerwiiTung  in  den  Consuln  und  Zahlen.  Nur  so  viel 
ist  klar,  da(s  der  Verfasser  Casar*s  WellheiTscbaft ,  de- 
len  Dauer  er  ausdiücklich  auf  vier  Jahre  und  sieben 
Monate  seUt,  vom  Anfange  der  antiocheniscben  Aere, 
dem  1.  Gorpiäns  des  Jahrs  703,  rechnet  i  denn  von 
bier  bis  zu  seinem  am  15.  MKrz  710  erfolgten  Tode 
verflielsen  gerade  so  viel  Jahre  und  Blonale.  Es  bedarf 
übrigens  kaum  der  Erinnei*ung,  dafs  die  Honale  Arle- 
misius  und  Gorpiaus ,  die  nach  Annahme  des  julia- 
nischen Kalendei-s  dem  Mai  und  Sepleniber  entsprachen, 
damals  noch  einen  lunarischen  Chai-akter  halten,  dais 
wir  also  das  Julian ische  Datum  des  eigentlichen  Anfan- 
ges der  antiocheniscben  Acre  nicht  mit  Sicherheit  an- 
geben können. 

Noris  nennt  diese  Aere  die  Cacsariana,  Eck  hei 
und  andere  Numismaliker  begreifen  unter  dieser  Be* 
nennung  alle  die  syrischen  JahiTCchnungen,  die  sich  an 
Cäsar 's  Anwesenheit  in  Syrien  knüpfen.  Conimorotos, 
sagt  H  i  r  t  i  u  s  ') ,  Jhrc  in  omnibus  civitaubus  (Sj- 
riae)t  qnae  mcuore  sunt  dlgnitate,  pruetnia  bene  nie- 
litis  et  *üiritim  et  publice  tfibuit.  Aufser  Anliochia 
haben  sich  der  Caesariana  entschieden  Laodicea,  Pu>- 
lemais   und    Gabala   bedient.     Laodicea  am  Meer, 


Yerrius  Flaccus  (t53).  Nach  Noris  Combinationen  ge- 
hört CS  dem  Junitu  des  anticipirten  julianischen  Kalenders  an. 
Vargl.  Eck  her«  Doctr.  numor.  Vol.  IV,  p.400. 

*}    unter  der  4839ten  Olympiade,  die  im  Jahr  706  der  Stadt 
Rom  anfing,  p.  186  ff. 

')    De  btllo  Alexandrino  c.65. 


Macbdonier  und  Streb.  469 

eine  bedeutende  Stadt  Obersyriens,  begann  sie  mit 
dem  Herbst  des  Jahi*s  706  der  Stadt  Rom ,  v.  Chr. 
48.  Diese  Bestimmung  gründet  sich  theils  auf  das 
Zeugnifs  des  Eusebius,  der  das  zweite  Jahr  des 
Probus  das  324ste  der  Laodicener  nennt  (457) ,  theils 
auf  das  Chronicon  paschale,  das  beim  2weilen  Jahr  der 
Begieioing  Cäsar 's  anmerkt  ^):  ^Von  hier  an  zählen  die 
,,  Laodicener  ihre  Jahi'e/'  theils  auf  einen  laodicenischen 
Mai*mor  bei  Ghandler  '),  wo  die  Consuln  Sabinianus 
Gratus  und  Claudius  Seleucus,  die  dem  Jahr  974  der 
Stadt  angehören,  mit  dem  Xanthicus  des  268sten  der 
Acre  verbunden  weiden,  theils  endlich  auf  mehi^ere 
Kaiseimünzen,  die  ein  vollkommen  zuverlässiges  Resul*- 
tat  geben  ^).  Man  sieht,  die  Laodicener  haben  ihre 
Jahre  mit  demjenigen  zu  zählen  angefangen,  wo  Cäsar 
zu  ihnen  kam.  Dasselbe  scheint  von  Ptolemais  in 
Galiläa  zu  gelten  ^).  Die  unweit  Laodicea  gelegene 
Stadt  Gabala  dagegen  hat  zur  Epoche  ihrer  Aere  erst 
den  Herbst  des  Jahrs  707  gewählt,  wie  Noris*)  und 
Eckhel^)  annehmen,  oder  gar  erst  den  Finihling 
708,  wie  Sanclemente  findet^). 

Aufser  der  Pompeiana  und  Caesariana  treffen  wir 
noch  eine  dritte-  römische  Aere  in  Syrien  an,   welche 


«)  'p.i87. 

*)  Inscript.  ant,  p.92,  no.6. 

')  Noiis  diss.m,  8,  $.2-    Eckhel  YoLIII,  p.318. 

*)  Noris  diss.iy,  5,  S.2.     Eckhel  ebend.  p.425. 

•)  Diss.in,  8,  SS. 

•)  p.3i4. 

'J  De  epochis  p.  120.  ff. 


470  Technische  Chronologie. 

die  Ghrooolofea  die  Actiaea  nennen.  Mehreie  syrisdie 
Sudte  nämlich,  su  denen  entschieden  Antiochia  und 
das  benachbarte  Selencia  in  Pierien  gehören'),  fie- 
len nach  erhaltener  Nachricht  von  der  Schlacht  bei 
Actium  von  Antonios  ab  und  erklärten  sich  für  den 
Sieger  Oclavianos,  Sie  begannen  nun  mit  dem  Heibst 
des  Jahrs  723  der  Stadt,  y.Chr.  31,  eine  neue  Aere^ 
die  auf  den  antiochenischen  Münxen  den  Namen  der 
Jahre  äea  Sieges  führt,  und  mrklidi  nimmt  sie 
kurz  nach  dem  Siege,  dessen  Datum  der  2. September 
ist  (153),  ihren  Anfang.  Die  Benennung  Aera  acdaca 
pafst  also  ungleich  besser  auf  diese  neue  syrische  Jahr- 
jwhnung,  als  auf  die  Acre  der  Alexandriner  vmd 
die  annos  JHgustonun  der  Kömer,  von  denen  jene  bei- 
nahe ein  Jahr  und  diese  über  drei  Jahre  nach  dem 
Siege  anhub(lS5).  Ein  seltener  Fall  ist  es,  dafs  sich 
auf  einer  antiochenischen  Münse  mit  dem  Bildnisse 
Augustes  awei  verschiedene  Jahcxahlen  neben  einander 
bemerkt  finden,  nämlich  36  und  54.  Jene  besieht  sich 
auf  die  aktische,  diese  auf  die  cäsari  an  Ische  Aere*). 
Iletztere  war,  wie  man  sieht,  damals  schon  wieder  auf- 
gefiriacht  worden,  und  verdrängte  bald  nachher  die 
erste  völlig;  denn  über  den  Anfang  der  Regierung  des 
Tiberius*  hinaus  kommt  die  aktische  Acre  nicht  weiter 
auf  den  Münzen  vor. 

Nach    dem  Bisherigen    gebrauchte    also  Antiochia 
nach  einander  drei  Jahrrechnungen;  zuerst  die  seleu- 


*)  Nori»  diss.m,  7  und  m,  8,  Sl.  Eckhel  VoMO. 
p.  272  und  327.  Von  Apamea  ist  die  Sache  nicht  ganz  klar. 
Eckhelp.308. 

')    Eckhel  YoLm,  p.272  und  273. 


Magbdonier  und  Strea.  471 

eidische  bis  auf  49  v« Chr.,  dann  die  cäsarianisclte 
bis  auf  31  y. Ghr.f  und  von  hier  an  die  aktische,  die 
jedoch  bald  wieder  der  cäsariauischen  gewichen  ist. 

Aufser  den  bisher  gedachten  gibt  es  noch  eine 
Reihe  eigenthümlicher  syrischen  Acren,  von  denen  wir 
hier  nur  diejenigen  hervorheben  wollen,  die  nicht  bloß 
von  den  Münzen  angedeutet,  sondern  ausdrücklich  von 
Schriftstellern  erwähnt  werden. 

Die  Tyrier  datirten  zuerst  nach  der  Acre  der 
Seleuciden,  wie  Noris  aus  zwei  unter  Antiochus  Epi- 
phanes  und  Demetrius  Soter  geprägten  Münzen  dar- 
thut  *)•  I^achmals  erhielten  sie  eine  eigene  Jahrrech- 
nung, deren  Epoche  dieser  Gelehrte  auf  den  Herbst 
628  der  Stadt  Rom,  v.Chr.  126,  setzt'),  und  durch 
die  Hypothese  zu  rechtfertigen  sucht,  da(s  der  Stadt 
damals  von  Alexander  Zebinas  die  Autonomie  verliehen 
worden  sei.  Dies  mag  dahingestellt  sein ;  aber  mit  der 
Epoche  hat  es  seine  Richtigkeit,  wie  dies  nicht  blofs 
aus  Eusebius  Zusammenstellung  des  Jahrs  402  der 
Tyrier  mit  dem  zweiten  des  Probus  (457),  sondern  noch 
bestimmter  aus  zwei  tyrischen  Datis  hervorgeht,  die  be- 
reits oben  (436)  angedeutet  sind ,  hier  aber  genauer 
nachgewiesen  werden  sollen. 

In  der  Actio  IX  des  chalcedonischen  Gonciliums 
heifst  es:  ,,!Nach  dem  Gonsulate  des  Flavius  Zeno  und 
„Postumianus  im  Jahr  574  am  10.  Peritius  oder  25.  Fe- 
„bruar  in  der  ersten  Indiction  hat  Photius,  Bischof  der 
,, Stadt  Tyrus"  u.s.w.  Flavius  Zeno  und  Postumius 
sind  die  Gonsuln  des  Jahrs  448  n.  Chr. ,  und  defshalb 


*)    Dias.n,  1,  p.74. 

*)    DiM.  IV,  3,  p.389  ff.    Vcrgl.  Eckhel  Vol. HI,  p.382. 


472  Tecknisclie  Chronologie. 

baben  &ca liger  und  andere  geglaubt,  dafii  yon  «liesein 
Jabr  die  Bede  sei.   Allein  N  o  r  i  s  zeigt  ^ ) ,  da(s  die  Bezeich- 
nung prra  m^v  iKariiav^  post  consulatuni,    die  seil  dem 
yierien  Jahrhundert  unserer  Zeiliechnung  nicht    seilen 
yorkommt,  allemal  das  Jahr  zu  erkennen  gibt,  welches 
auf  das   der  genannten  Consuln  folgt,  also  im  vorlie- 
genden Fall  das  Jahr  449.    Er  führt  yon  dieser  JBezeich- 
nungsweise,  die  ihren  Grund  bald  ia  derUnwissenJbe/Cy 
bald  in  der  Schmeichelei   halle,    mehrere  Beispiele  an. 
Auch  bemerkt  er,  dafs  die  Indiclionen  in  den  Urkun- 
den  häufig  yon  späterer  Hand   fehlerhaft  hinzugefügt 
seien,  z.B.  hier  die  erste  Indiction,  wofür  die  zweite 
gelesen  weixlen  müsse.     In  der  Actio  Y  des  konsUnti- 
nopelischen  Gonciliums  unter  dem  Palriai*chen  Mennas 
wiixl  die  vom  Metro|X>lilen  E|)ij>hanius  zu  Tjrus  gehal- 
tene Synode  folgendermafsen  datirl:    ,,Am   2Sslett  des 
„lyrischen  Monats  Lous  oder  16.  September  des  Jahrs 
„643   in  der   zwölflen   Indiction."     Diese  Synode   ge- 
bort, wie  man  anderweitig  weifs,  in  das  Jahr  518  un- 
terer Zeitrechnung.     Das  643ste  Jahr  der  Tyvier   bat 
altfo  517  angefangen,  und  zwar  am  19.  Oktober,  seiner 
gewöhnlichen  £|X>clie  (435) ;    und   geht  man  von   hier 
642  Jahre   zurück,    so  erhält  man  126  v.Chr.  als  das 
Epochen  jähr  der  tyrisi^hen  Acre.       Der   16.  September 
518  gehörte  zwar  noch  zum  Jahr  643  der  Tyrier,  aber 
schon  zur  zwölften  griechischen  Indiction,  die  mit  dem 
1.  September  anfing.     Es  gibt  eine  Menge  Münzen,  auf 
denen  «ich  Jahra  dieser  lyrischen  Aere  bemerkt  finden  *). 
Um  dieselben  zu  reduciren,  mu£i  man  die  Jahrzabl  yon 


•)    p.  404  ff. 

*)    Eckbel  yol.ni,  p.380ff. 


Magedonier  und  Syrer.  473 

127  abziehen,  wenn  sie  kleiner,  oder  von  ihr  126, 
yienn  sie  gröfser  isl;  im  erdten  Fall  erhält  man  das 
Jahr  vor,  und  im  lelzleim  das  Jahr  nach  Christus,  mit 
dessen  19.  Oktober  das  tyinsche  beginnt.  Aus  einer 
Münze  mit  dem  Bildnisse  des  Gallieuus  und  der  Jahr^ 
zahl  53  will  Pellerin  folgern  *),  dafs  Tpus  a.u.  954, 
n.Chr.  201,  eine  neue  Aei-e  erhalten  habe. 

Seleucia  in  Pierien,  von  deren  Kalender 
oben  (433)  die  Bede  gewesen,  gebrauchte,  wie  zahl- 
reiche Münzen  lehren,  zuerst  die  seleucidische  Aei'e; 
dann  eine  eigene  vom  Jahr  645  der  Sladt  Born,  109 
V.Chr.,  wo  sie  autonom  geworden  sein  mufs;  eudlich 
die  ak tische  (470).  Von  der  zweiten  Jahri'echnung  spricht 
das  Chivnicon  paschale  untei*01.  167,4  '),  wo  es  heifst: 
,,Von  hier  an  zahlt  Seledcia  bei  Antiochia  in  Sjnea 
„ihi'e  Jahre."  Die  Jem  PompeianUy  die  Pellerin 
noch  hinzufügen  will,  ist  zweifelhaft  ^). 

Die  Ascaloniten  i^chnelen  zuerst,  wie  ein  paar 

Königsmünzen  zeigen,   nach  der  scleucidischen  Aere"^). 

N    Nachmals  zahlten  sie  vom  Jahr   650    der   Sladt  Bom, 

^  v.Chr.   104,  wo  sie,  wie  Noris  darthut  *),   wähi^end 

des  Krieges  zwischen  Ptolemäus  Lathurus  und  dem  Kö« 

inige  Alexander  der  Juden,  die  Freiheit  en*an gen,   die 

(sie    lange   unter  den   Bömem    zu  behaupten  .wufsiten. 

|Dte  Bichtigkeit  dieser  Epoche   geht   hervor   theils  au4 

dem  Zeugnisse   des  Eusebius,   der  das   380ste  Jahr 


* }    Melange  de  diverses  Mddailles,  Tom.  I,  p.  335.    £  c  k  h  e  i 
p.392. 
')    p.i82. 
»)    Eckhelp.327. 
*)    EckLelp.446. 
')    DiM.V,  4,  Si. 


474  Technische  Chronologie. 

der   Ascdooiten    mit  dem    zweiten    des    Probus  ver* 
gkicbt(457),   tbeils  aus  dem  Chronicon  paschak,  dss 
bei  Ol.  169,1  anmerkt^):    mVoü  hier  an  säblen  die  As- 
yyCalonilen   ihi«  Jahre,"    theils  endlicli  aus  vielen  auf 
uns  gekommenen  Münzen.     Noch  eine  dritte  Aere  As* 
calon*s   findet   sich   nach  Eck  hei')  aof  einer  Münze 
mit  dem  Bildnisse  des  August  und  den  Jahrzsbien  56 
und  102.     Letztere  bezieht  sich  auf  die  eben  erwäbnte 
Aere;    erstere  auf  eine  46  Jahr  früher  mit  dem  Jahr 
5S  V.  Chr.  anfangende.     Im  Verlaufe  dieses  Jthrs  kam 
der  römische  Pixxx>nsul  Gabinius  nach  Jndäa  und  Vieb 
daselbst,   ivie  losephus  berichtet^),  mehrere  verfal- 
lene Städte  wiederherstellen.     Andi  Ascalon  mufs  sich 
seiner  Wohltliaten  zu  erfreuen  gehabt  haben,  was  dann 
Anlafii  zu  einer  neuen  JahnHechnung  gab. 

Die  Epoche  der  Gaaäer  setzen  die  Chronologren 
verschieden  an.  Noris  stimmt  für  das  Jahr  693  der 
Stadt  Rom  ^) ,  weil  das  Chronicon  paschak  beim  vierten 
Jahr  der  1 7 9s ten Olympiade  anmerkt*).*  ^^^on  hier  an 
yyStthlen  die  Gazäer  ihre  Jahre.*'  Allein  Sanclemenle 
leigt  mit  Hülfe  theils  der  Biographie  des  heiligen 
Porphyrius  (459),  theils  einer  zu  Gaza  geprägten 
Münze  mit  dem  Bildnisse  dor  Plautilla,  Gemalinn  des 
Garacalla,  auf  eine  übei*zeugende  Weise,  dafs  die  Epoche 
«uf  den  Heibst  des  Jahrs  692 ,   v.  Chr.  62 ,  zu  fmi'eu 


*)  p.182. 

')  p.447. 

*)  Ant.  lud.  XrV,  5,  3. 

*)  Diss.V,  3. 

•)  p.i85. 


MACBDONiEti  und  Syrer.  476 

sei  ^).  Die  Gazäer  müssen  damals  micb  Besiegung  der 
Juden  durch  Pompeius  die  Autonomie  erlangt  Italien« 
Ihre  Aere  ist  also  zu  denen  zu  zdhien ,  die  mit  dem 
allgemeinen  Namen  der  Pompeiana  beseiobnet  wer-' 
den  (458).  Wegen  einer  spätem  auf  einigen  '  gazäi- 
schen  M änzen  des  Hadrian  Toi4Lommenden ,  jedopH 
bald  wieder  erloschenen,  Aere  ist  Eck  hei  zu  yer- 
gleichen  *). 

Samosata  am  EuphnK,'  die  Hauptstadt  Comma* 
genes,  des  nördlichsten  Theils  Ton  Syrien,  zählte  vom 
Jahr  824  der  Stadt  Rom,  n.Chr.  71,  wie  Noris*) 
aus  dem  Chromeon  pascliale,  das  bei  Ol.  212,3  anmerkt: 
,,yon  hier  an  rechnen  die  Gommagener  und  Samosa- 
,, teuer  ihre  Jahre  ^),"  und  mit  Hülfe  verschiedener 
Münzen  darlhut.  Die  Provinz  kam  damals  unter  die 
Herrschaft  der  Römer,  und  die  Stadt,  die  nun  vom 
Yespasian  die  Rechte  einer  Metropolis  nebst  anderwei- 
tigen Privilegien  erhielt,  machte  diesen  iSeltpunkt  zur 
Epoche  einer  neuen  Jahrrechnung. 

B  o  s  t  r  a  kam  mit  einem  Theil  des  peträischen 
Arabiens  im  Jahr  858  der  Stadt,  n.Chr.  10f>,  in  die 
Gewalt    der  Römer  *).      Yon   dieser  Zeit  an    zählten. 


*)  S.  seine  Erörterungen  hierüber  am  Schluüi  des  zweiten 
Theils  seines  Werks :  Musei  Sanclementiani  numismata  selecta 
imperatorwn  Romanorum  (Rom  1808,  4). 

»)  p.453. 

*)  Diss.n,  4.    Vergl.  Eckhelp.253. 

*)  p.246. 

»)  Dio  Cass.  HisU  Rom.  LXVIII,  14. 


476  Technische  Chronologie. 

wie  das  Chronicon  paschak  versichert  ^ ) ,  die  Petniei 
und  Baslreni  ilire  Jahre,  nämlich  vom  FrahliDge,  der 
Jabrepoche  der  Amber  (437)-  Hienrait  stimmt  aach 
eine  zu  Bostra  geprägte  Münze  mit  dem  Bildnisse  des 
Septimius  Scveiiis  und  der  Jahrzahl  104.  Man  sehe 
Belley's  gelehrte  Abhandlung  über  die  Aere  und 
die  Münzen  dieser  Sladt  '). 

Auch  von  vei*schiedenen  Städten  Kleinasiens  lehren 
uns  die  Münzen  Acren  kennen,  wefshalb  ich  auf  die 
Werke  Eckhers,  Sanclemen te's  und  anderer 
Mumtsmaliker  verweise.  Der  erate  gibt  im  vierten 
Bande  seines  Werks  ')  ein  alphabetisches  Verzeich iiifs 
aller  der  Oerter,  auf  deren  Münzen  Jahrzahlen  vor- 
kommen ,  mit  beigefaglen  Epochen.  Sie  geLöi*en  fast 
ohne  Ausnahme  zu  Asien. 


^     *)    01.221,  l.p.253. 

•)    Mtfm,  de  l'Jiad.  des  Inscr.  Tom. XXX,  p.307  ff.  Vcrgl. 
Sande  in  ente  de  Epochis  p.  128. 

')    S.  377  ff. 


Fünfter  Abschnitt. 
Zeitrechnung  der  Hebräer. 


tt0tft^/w%/%n/w% 


E. 


js  sind  drei  Zustande  der  hebräischen  Zeitrechnung 
zu  unlei'scheiden ; 

1)  Die  Zeitrechnung  der  ältesten  Hebräer 
bis  auf  die  Zerstörung  des  ersten  Tempels  und 
die  babylonische  Gefangenschaft.  Die  Quelle, 
aus  der  wir  dieselbe  zu  schöpfen  haben,  sind  die  vor 
der  Deportation  abgefafsten  Bücher  des  alten  Testa- 
ments, vornehmlich  der  Pen  taten  eh.  Sie  ist  ganz 
in  das  von  Moses  den  Hebräern  gegebene  Cei*emonial- 
gesetz  verflochten,  und  sticht  durah  ihre  Eiufachheit 
sehr  gegen  die  verwickelte  Zeitrechnung  der  neuern 
Juden  ab. 

2)  Die  Zeitrechnung  aus  dem  Zeitraum  von 
der  Rückkehr  aus  der  Gefangenschaft  bis  auf 
die  Zerstörung  Jierusalems  durch  Titus,  oder 
während  des  zweiten  Tempels«  Die  Quellen  sind 
die  nach  der  Deportation  verfafsten  Schriften  des  alten 
Testamenls,  Daniel,  Esra,  Nehemia,.  Esther,  die 
Bücher  der  Makkabäer,  das  neue  Testament, 
die  Werke  des  Philo  und  losephus-  und  der  Thal- 
mud,  der  viele  Ueberliefeioingen  aus  dieser  Periode 
enthält.  In  ihm  hat  sich  der  jetzige  Cultus  und  Ka- 
lender  der  Juden  vollends  ausgebildet ;    xlujr  War  die 


478  Technische  Chronologie^ 

BesUmmtuigsweise  des  Passah-  und  Neujalirsfesles,  von 
denen  die  übrigen  Feste  abhängen ,  noch  immer  mcht 
auf  ganz  feste  Grundsätze  zurückgeführt. 

3)  Die  Zeitrechnung  der  neuern  Juden 
seit  ihrer  Zerstreuung  unter  Titus.  Die  Quel- 
len sind  der  T  h  a  1  m  u  d ,  dessen  Aedaction  um  däs 
sechste  Jahrhundert  n.Chr.  vollendet  worden  ist,  und 
die  Schriften  mehrerer  jüdischen  Gelehrten,  vor  allen 
des  Maimonides.  Da  jetzt  die  Feier  jener  beiden 
Hauptfeste  nicht  mehr  alljährlich  von  einem  MiUelpunkt 
aus  angeoixlnet  werden  konnte,  so  bedurfte  es  einer 
sichern  Berechnungsweiae  derselben ,  die  man  auf  den 
Deunaehn)äbrigen  Cydus  gründete.  Dies  geschah  oach 
der  gewöhnlichen  Annahme  im  vierten  Jahrbuudert 
n.Chr.  Seitdem  haben  die  Juden  eine  feste  Zeilrech- 
nung, der  blois  mehr  Einfiichheit  tu,  wünschen  wäre. 

Erste  Periode  der  hebnüscben  Zeitrechnung. 


Die  erste  Erwtthnung  von  M«naUtagen  findet  sich 
in  der  mosaischen  Geschichte  der  Sündfiuth,  im  sie- 
benten und  achten  Kapitel  der  Genesis.  Iloah  soll 
am  siebzehnten  Tage  des  zweiten  Monats  in  die  Arche 
gegangen  sein,  und  diese  sich,  nachdem  die  Gewässer 
ISOTige  gestiegen,  am  siebzehnten  Tage  des  siebenten 
Monats  auf  dem  Gebirge  Ararat  niedei^lassen  haben. 
Man  setst  gewöhnlich  voraus,  da(s  diese  Tagsnmme 
swischen  beiden  Datis  gerechnet  ist,  dafs  also  die  or- 
sprünglichen  Monate  der  Hebräer  gleich  den  ägyptischen 
und  persischen  durchgangig  aus  dreifsig  Tagen  hesun- 
den  haben»  Es  sind  aber  adion  oben  (70)  Bedenken 
gegen  diese  Meinung  geaofsert  worden.   Mag  sie  indessen 

i 


H  B  B  R  Ä  E  A  •  A79 

immerhia  i'ichug  s^in,  so  wird  sich  doch  die  Jahrform, 
die  diesen  Monaten  zum  Grunde  gelegen,  nicht  mit 
Sicherheit  ausmitteln  kssen.  War  das  Jahr  eia  beweg- 
liches wie  das  der  alten  Aegypter?  Oder  wurde  alle 
120  Jahr  nach  jjersischer  Weise  ein  ganzer  Monat  von 
dreilsig  Tagen  eingeschaltet?  Oder  hatte  das  Jahr  die 
Form  des  alexandrinlschen?  Oder  bestand  es  blofs  aus 
360  Tagen  ohne  alle  Einschaltung,  so  dafs  sein  Anfang 
rasch  die  Jahrszeiten  durchlief?  Jede  diesei*  Ansichten 
hat  ihi^en  'Yertheidiger  geiunden.  Besonders  hat  sich 
Des-Ytgnoles  viel  Mühe  gegeben,  der  letztem  Ein- 
gang zu  verschaffen.  Mit  Hülfe  einer  abweichenden 
Lesart  der  Septuaginta  weifs  er  alles  Chitmologische 
der  Erzählung  in  ein  360tagiges  Jahr  zu  zwängen,  das 
er  bei  fast  allen  alten  Völkern  findet.  Ich  habe  mich 
aber  oben  schon  bei  mehr  als  einer  Gelegenheit  gegen 
ein  solches  Jahr,  das  weder  Sonnen*  noch  Mondjahr 
gewesen  sein  wüi'de,  erklärt,  und  werde  bei  meinem 
Widersprudi  beharivn,  bis  man  entscheidendere  histo- 
rische Gründe  für  dasselbe  beigebrächt  haben  wird. 

Ohne  uns  weiter  bei  der  antidiluvianischen  Jahr- 
form zu  verweilen,  mit  der  man  nie  aufs  Reine  Lom- 
men  wird,  wollen  wir  sogleich  zu  der  Periode  fortgehen, 
aus  der  wir  die  ei*8le  bestimmtere  Kunde  von  der  Zeit* 
rechnung  der  Hebräer  haben,  zu  der  ihi^s  Gesetzge* 
bers  Moses, 

Während  ihres  vieljährigen  Zuges  durch  das  stei- 
nige und  wüste  Arabien  gab  ihnen  ihr  Führer  eine 
Verfassung,  die  erst  ganz  bei  ihrem  Eintritt  in  das  ih- 
nen verheifsene  Kanaan,  den  Ursitz  ihrer  nomadischen 
Vorfahren,  ins  Leben  treten  sollte.  Diese  Verfassung 
war  ganz  darauf  berechnet,   sie  zu  einem  ackarbautrei- 


482  Technmche  Chronologie. 

Mdk  wnr  «ie  nkht  bibis'  •den  Hebraetn^  ^g^n ,  aondbn 
allen  semitischen  Völkern  gemein.  W«nigtteiu  find 
sie  Hnhammed  boreiu  bei  den  Andicm,  m  deaea 
«ie  sehweiiicli*'  efst  durob  die  Juden  und  Ghriittt  ge- 
bngt  ist. 

Worin  der  älteste  Gottesdiensl  an  den  SaUtlhen 
besUnden,  wissen  wur  nicht  mit  Besümmifaeit.  Macli 
d^r  Räekkehr  sms  der  Gefangenschaft  kamen  die  H&- 
brier  in  ihren  Synagogen  zusammen,  lasen  sich  die 
Bibel  vor ,  und  hörten  eine  Erklärung  derselben  oder 
eine  Erbauungsrede'  an.  Zu  M  o  s  e  s  Zeit  und  un- 
mittelbar Aacbher  bedurfte  es  noch  keiner  Erklärung 
de«  Geseues ,  da.  es  in  einer  allgemein  verstäpdKchen 
Sprache  abgefafst  war.  Nur  alle  sieben  Jahre^  nämlich 
am  Laubbüttenfe^  des  Sabbathjahrs ,  sollte  es  eiamahl 
Öffentlich  verkündigt  werden '>•  Blofs  ein  Opfer  fin- 
den wir  am  Sajbbatb  yorg^8Qhri^)en ').  Auch  wuirdeu 
die  Schanbfote  neu  aufgelegt  ^). 

Hier  mtifs  gleich  die  Frage  berührt  werden,  wann 
die' filtesten  Hebräer  ihren  bürgerlichen  Tag  ange- 
fangen haben.  Man  nimmt  gewöhnlich  als  ausgemacht 
an^.da&  es  von  jeher  mit  Sonnenuntergang  gescbe* 
•bea  sei.  Mit  diesem  Zeitpunkt  beginnen  alleidings  alle 
uns  bekapHte  Völker,  die  ihre  Zeit  nach  Mondwechseln 
ordnen  (in  diesem  Fall  befanden  sich  die  Hebräer  un- 
-^'^x'citig  wenigstens. .  seit  Moses)«  ihren  bürgeiüeh^i^  i 
Tag (80)  f  auch  scheint  gleich  anfiings  i»  d^r  Genesis 


')    4.Moi.XXVm,  9-10. 
*)    3.  Mos.  XXIV,  5-8. 


.    .    Heb AÄB A«  483 

der  Abeikl  nicht  olme'Alisichr  vor  den  Morgen  gentkit 
lu  46111.  — da  wavd  aus  Abend  üod  Morgen  der 
erste  Tag.  Aber  nirgendii  ^fVtrdimPentateueh  au4^ 
drücklich  getagt,  diafs  gei^de  der  Untergang  der  Simne 
dielEpoöhe  de^  bürgerlicbeh  Tages  sein  solle.  Vielmehr' 
labt  sich  schliefsdi,  da&  der  Anbruch  der  tiefeik 
Nacht  dafiir  zu  nehmen  sei.  Wenn  es  nämlich  roia, 
YenöhnilngsiBge ,  ddm  .zehnten  dfeft  ^siebenten  Mb'nau, 
heifst  ^)  :*  ,,Ihr  sdlt  an  diesem*  Tage  kein«  Gieschäfte  vin^ 
„riohten,  sondern  er  soll  ein  Sabbath  sein.  Am  Abend 
^des  n<(unlen  HonalBtages  sollt  ihr' diesen  Sabbath  an-^ 
f, fangen,  und  ihn  von  einem*  Abend  fmn'anderÄ(  hal^ 
,,leh/'  so  würde,  ^wenn  der  büi^ei*Hcfae  Tag  bereito* 
mit  Unteiigang  der  '-Sonne'  -^seinen  Anfini^  genommen' 
hätte,  Moses  wol  gesagt  haben,  iKi^  sollt  eure:  Pa^tM 
mit  dem  Abend  des  ziehn  ten  Monatstages,  oder  söhlecht« 
hin  mit  dem  zehnten  Tage  beginnen^  es  sei  denn^  daiCa 
das'  Wort  änv  ereb,  AbenA^  schon'  yon  dem  späushi' 
Theil  unsers  Nachmittags  zu  verstehen  wäre.  Dies 
scheint  auch  wirklich'  der  Ausdruck  üT^yym  ^a  been 
haarbaim'y  zwischen  beiden  Abetiden,  znb^wet-^ 
sen,  wodurch  an  mehneren  Stellen  des  P e  n  t  a  t e nc  h  s ^) 
die  Zeit  der  Passafafeier  und  die  des>  täglichen  Abiend- 
opfen  beioi<Aiiet  wvrd.  Die  Pharisäer  wenigstens,  d;e^> 
nen  die  heutigen  Jij^en  folgen,  yei*standen  darunter 
den  Zeitraum  zwischen  der  neunten  und,  elften  Tages- 
stunde, nach  unsejDer  Weise  zwischen  drei,  und  fünf 
XSkv  Nachmittags.    Anderer  Meinung  waren  die  Ißania- 


*)    S.Mos.XXm,  31.  32. 
')    2.Mos.Xn,  (5.    ,4.  Mos.  IX,  3;  XXVm,  4. 

[31 '1 


4ß6  Techi^ißoh^  Chfimologie. 

keooen  ui4  m  bestunmea  ^'}. 

.  Die  N«cbt  warJbei  «ien  )Ie)>Fs(ern«  wie  »m  ^sm 
Alterthiuni  in  W-acb^en  —  nTW».  ofcA^w^^  —  g«T 
ib^t*.  .Im  alten  Testament  ist' um-  von  djp et 
IlAcbt^apl^n  die  Ee^e?  Die  ecst/e  wird  nirgeaddunlr 
drücklich,  diemittUre  Richti|r¥II,  19,  lud  «fie 
Kachtwacbe.  d,es  M<)irgens  2»  Mos.  XIV,  24  und 
^f  Sam.  Jl^l,  11.  .€!i-wäfcpt.  Njich  imserer  Weise  iwütde 
4i0  el*|^  yon  3ot^i^iiunMsrfa|»g  bi^  .elwa.  10  Ub^  Aben^ 
fljp  .awpite  .bis  9  Ubr  Moi^eos  un^  die  drit|e  bv  Soo«* 
UeqiaiijiJpiig  ztt.|pe<^en.i|ei0»  Im  ueuen  Testament 
kooun^o.yLe'riNaqbtw^chen  vois  ih  vierte  Vattb-XIVt 
25-  /kucV  einigei  Uabbinen  Iftbep  yk^  .Ni^c^bC^W^clm 
aflgeiM>mmw.,:     ... 

,.;    Dafs:  di^  He^ä^t*  jhr  Jabr  lebr  i^b  in  mwqK 
|loinate  getJbeiU  habend  kißet  keinen  Zweifel.    Schon 
in  der,  Qei^b.vchif  der  SuodQutb   weixleo  der  erste, 
^woite,  siebente  und  ^eb.Tite  ffion^l  etwäbnt*    So 
urie  bter  synd  di^  Afoo^te  im  Penlaieucb  di^bsa- 
bep4^  btseiobjpi^t.  .  Nur  ein  dnzigpr  MonaJt  \M)mmt  an« 
tc^.  emer   eigeoea  Benennung   vor*      :^*mK  abib  ^U\ 
44^  A.^hi:c|i  .und  d^b^r  a-^ajci  cnr»  chodesch  haabü, 
d^  AQbrf.n.-m^n,at,  Aa*  der  llqn9i,t,  in  wckheiu  ei 
sHCi^s^.^^fe  Aebran.  gibt-  -lu  diesem  Jtfonat  waren  die 
lM^li|üw,.<His.  A^pieu   gezo^i^n'),   daber    verordnet 
1^^  ^)»  daft  er  dev  «rste  id^i^es.  Jabrs  seiM  «4l<» 


')  Man  Tergleiche  Martin  i's  Abhandlung  Ton  den 
Sonnenuhren  der  Alten  S. 35  ff.,  wo  man  einsehen  kann, 
was  alles  über  diesen  Sonnenzeiger  gesdirieben  ist. 

>)    2.Mos.Xin,4;  XXm.iS;  XXXIV,18.    5.Mos.XVl,l 

')  2.Mos,xn,je. 


HSBRÄ.ISE«..    r.^  481 

it^n  lals  Ejtoüiiige  der.fnile  suni  0^fe£  ^  no9  o/Her r-r 
cbr^racht  wevdetBu!)*  ..Um  also  sein?  Stelk  im.jSoa- 
n^tljabr  beaUmWM  ffU.  iLdm^evt^fn^i  qs  ^icb,  vato  dio 
Gerste  in  Palfistina  reif  wird;  deDn-rdie^e  Getreidehrt- 
ist.  i^St  ^ie  idiUielbsl  .4i9  rfi^haUn  steift  lUhd  aiidi;  von 
loAepJbus  ausdrtickllphaU  diej^i^igQigwaiuitwJiKd,  uron. 
d«B  di?.  Gabe  g^ottimeu  iwurde "). :  .  .■  -^      », 

.  I  Nach  den  ßeiscites^reilf^ni  ^  ,  dfiKil  IR^M^hriehtem 
yon  Jllicbaelis  ^)  ubd  .y^Ualändigei^'Von  «SlUhle  *)r 
geBafnm^t  .sind «  gelangt  die  Gerste  ia  fdev.  Ebene  Je^> 
richp's,  .der  ^firmst^niGegaid  Pidästin«4,,.gewöliiiiich'mt 
den  etilen.  Ta^^ü  ünsevs  Aprils  ibut  Reifoi:  Von  d^ta\ 
Augf^blißK  «an,  wo 'die  erstes  Aeliren>  geopfert  wuren^i 
durfte  .maU  die  Ernt<e  ^ecfilinen  *),  und  diese  daoeit 
in  den  i^rdlichen  ai|i  LibanofI  gel^epen  l^beileti  doif 
liandes  bis  surletaten  HäUto  des  Mais»  Da  äls6  in  Pa- 
läs^i^a  die  GeW/d  etwa  vi^rsebn  Tage  naob  der  Frühr) 


*j  3.Mos.n,  14;'  ixm,  10-il.  Eigentlich  war  es,  wie 
man  aus  diesen  Stellen,  aus  losephuft  (Jnl,  lud^TH.^  iO,  5)' 
nod  aus  Tlialma^  M'näckoth  Bl.dS,  S.4  und  2  ei-sielit,  ein 
Mciafs  jeröftieler  Körner,  wdi^uq  die  Gäbe  bestand.  Dieses  Mss& 
umd  die  gjpifze.  Gabe  .biefs  Omer. 

?)  YergU  Thalmud  ai.  a.  0.  B1.68,  S.2.  Dafs  die  Ernte  mit 
der.  Gerste  begann ,  erhellet  aus  2. Sa m.  XXI,  9.  Die  Weizen-» 
ernte  folgte.   Ruth II,  23. 

')  Commentatio  de  mensibus  Hebraeorum  S.  2.  Es  ist  die 
elfte  seiner  Commeniatfones  in  socielate  regia  sci'entiarum  Got^ 
tütgeiui  praeltfcta  (Bnmea  1774,  4). 

* )     CalendariumPalaestinae  oeconomicum  (Göttingen  i  785»  4). 

')    Thalmud  a.a.O.  B1.7i,S.i. 


Ast  Technische  Chronblogie. 

lingSDiriitgleiöhe' itt  reifen  anftvigtf  Mi  Bifebt 'tnim,'  dafi 
der  Aefareomonat  nach  Moses  Bestimmung  nngefilVir 
mit  diesem  Jahr^nk't  begonnen  (lakien  würde',  wenn 
er  nach'  der  Sotftie  abgemeiSsen  ^i^oFden  wäre.  Es  ist 
mm  aber  die  Frttge,  von*  wektiem  Charakter  die  da- 
maligen Monate -waren. 

Dies  wird  uns  in  den -i) lern  hebriiscben  Ur&unden 
xwar  nh^nds  ausdtÜdlHGh   gesagt.     Da  wir    indessen 
mit  Sicherheit  wissen ,   dafii  die  jüdischen  Monate  we- 
nigstens'  seit  Eignung  des  zweiten  Tempels  mit  dem. 
neuen  Liolite  abfingen,  nhd  es  niüht  wohl  denkbar  ist, 
dirls  die  ^n  Moses  angeordnete  Feier  -der  Feste  nach- 
mals' ganx  veränder ie  Zeilbestimmungen  erliiten  bai>en 
solUe,  so  können  wir  als  sehr  wahrscheinlich  afnnehmen, 
dafs  bereits  seine   Monate  nach'dem  Monde  abge^ 
messen  waren,  was  «chon  das  Wort  «nn  chodeseh,  wo- 
mit der  Monat  bezeichnet  wird,   »i  eikennen  gibt. 
Dem  gi4echiscfaen  vcujun^vik  analog  bedeutet  es  eigentlidi 
den  Neumondstag,  yon  einer  Wurzel,  welebe  neu 
sein  lieifst;  dann  aber  auch  den  Monat,  als  Synonym, 
von  irr^  jerach,   besonders  wenn  tDK-\  roscTi,   Caput , 
davor  steht,  wo  es  dann  den  ersten  Tag  des  Monats 
bezeichnet.    Auch  lassen  sich  hier  mit  Recht  die  Worte 
cmpxh  rrr  rra»  des  gekrönten  Dichters  *)  anfuhren,  die 
nichts  anders  heifsen  können  als:  „er  schuf  den  Mond, 
91  um  nach  ihm  die  Zeiten  ei nzuth eilen,"  was  der  chal- 
däische   Uebersetzer    in    seiner   Umschi^ibung   deuüich 
ausdrückt.     Ob  also  gleich  in  den  kanonischen  Büchern 
des  allen  Testaments  nirgends  von  einem  Schaltmo- 
nat die  Hede  ist,  so  werden  wir  dennoch  einen  solchen 


•)    Psalm  CIV,  i9. 


^  .  H  B  B  B  Ä  ib'  R  .    *    '  '*  489 

a>iistinefaitten''liabeti',''wdrziE  den  ziiÖlf  Sfdnätön  de^ 
Mondjahrs  «b^urid  «u  'rfh  dreizehnter  'ktAnrliten' mufs^* 
lif^h  de'lr  AAfäng  des  Jatir^  nicbt  aUe  Jatii-szeiten  duroh- 
wandera  soll'(68);  "  In  der  That,  beliailpleii  wollen, 
dafs  es  znr'jZtiil  des  ersten  Tempels  noch  keinen  Schält-^ 
mönat  g^ben  habe,  hiefse-  entweder  das  Jahr  zu  ei-' 
nötn'fteifen- Äföndjahr  (67)  maclien,  oder  den  Monaten^ 
ganz  nnabliängig-  von  den  Mondwechseln  einö^  conven* 
tionelle  Dauer  geben.  Erste^es  erlaubt  d*ä  Wesen  des 
Aehrenfndnäts  tiicht,  der  auf  dem  Fi-äbiing* haftet  ^); 
letztere»  iistdefshalb  unwahrscheinlich,  wei)M ose 9  l^ü' 
dem  ersten  Tage  eines  jeden  Monats  —  tJ'ih  ctiodesch, 
vDVjüiTjVÄt  —  ein  Opfer  angeordnet  hat  ^),  dessen  richtigen 
Zeitpnnkt'  seinem  noch  unwissenschafüichen  Volke  nur 
die    wiederkehrende    Mondsichel    zu    erkentten    geben. 


')  Selbst  das  Wort  nvo  schanah  deutet  auf  ein  Jahr  hin, 
das  sich  mit  der^onne  ausglich;  denn  die  gewöhnliche  Annahme 
ist,  dafs  es  eine  Wieder hbhlung  oder  Umkreisung  bedeute. 
Eine  solche  findet  aber  bei  dem'mnen  Mondijahr  nicht  Sutt. 
Es. verdient  hier  Aben  Espa  in  der  Yonede  zu  seinem  Com- 
montar  über  den  Pentateuch  und  in  seinen  Erläuterungen  zu 
2.  Mos.  XII,  2  verglichen  zu  werden,  ysnn  chodesch ,  heifst  es 
hier,  könne  nur  vom  Monde,  und  nv  schanah  nur  von  der 
Sonne  genommen  werden.  Jener  habe  kein  schanah,  diese  kein 
chodesch. 

•)    4.  Mos.  XXVm,  H  ;  XXK,  6. 

')  Die  Stellen  1.  Chron.  XXVH  (nach  einer  andern  Abthei- 
lung XXYIII),  wo  durch  alle  zwölf  Monate  des  Jahrs  die  dienst- 
thuenden  Hauptleute  der  Leibwache  des  Königs  David  genannt 
werden,  und  i.  Kön.IV,  7  ff. ,  wo  die  zwölf  Beamten  erwähnt 
sind,  die  der  Reihe  nach  jeder  einen  Monat  die  Tafel  des  K6* 
nigs  Salomo  zu  versorgen  hatten,   ohne  dafs  an  beiden  rom 


A9Q  Techrmhr  ,C/inntiogie. 

•    Die   EiArk^timg.  4^  vöa  Mo$ss  '  ^ug^vio^eA 

aein:  gegeii  Ende  des  iwalfjiea  ]M<ma^.  der^piler  Adar 
geoanni  iiurde«  bä5ichli|)te  man  ia  den  «wiimeren  Ge* 
geiideD  dea  Landes  die  Saatfelder,  um.  itL'Jbettrlfaeilen, 
ob  die  Gervle  40  weit  gediehen  sei,  dais  man.  mit  Sicher- 
heil  hofien  dttpfie,  um  die  lliite  d<^  tt^gfsnd^^  Aioi^aU 
reife  Aebvea  opfcm  suköfoen/  In  dieasm  Fall  ^«gaiia 
mnu  .mit  'dem  naebsieo  Nennende  den  Aebfenmonat 
und  ivigleieh  d%i  neue  Jahr;  vfidrigeufallf  verlängerte 
maa  das  alle .  «m  einen  dreiwbnlen  Monat«  Hiisrimt 
stimmi  «Hcb  die  Ansieht  Aben  Bsra'Sf  eines  der 
gelehrtesten  hebräischen  Ausleger  des  allen  TesiameaU 
übereia.  ;,MoSes,.sagter*),  erwähnt  nirgendSf  ob  ivir 
,i]|VTÖIf  oder  dreizeho  Itfoiiaüe  zXhlen  sollen.  £r  ver- 
f, ordnet  blofs,  dafii  wir  mit  dem  Monat,  wo  ^'^Q»  abib 
„(die  reife  Aehre)  gefunden  wird,  anfangen  solka; 
,, dieser  Monat  soll  der  erste  sein,  mag  nun  das  Jahr 
„zwölf  oder  dmzebn  Monate  erbalten/' 

Man  sieht  hieraus,  dafs  sich  die  jüdischen  Monate 
nicht  genau  mit  den  unsrigea  vergVeicben  Ittsaen.  T^or 
so  Tiel  ist  gewifs,  dafs  der  Aehi*enmovia:t  zu  Moses 
Zeit  nicht  vor  den  ersten  Tagen  des  jti^ianischen  Api-ils, 


Schaltmonat  die  Rede  wäre ,  beweisen  wol  eben  so  wenig  $^» 
eiucD  solchen  Monat,  wie  so  ^nmiche  Stauen  griecbischer  Autoiea 
oder  Inschriften,  die  sich  blofs  auf  Institutionen  des  Gemeioiahn 
beziehen,  i.ft.  die,  welche  von  der  Dauer  der  PryUnien  spiwhen 
(2B9, 343) ,  gc^yen  das  anderweitig  so  wohl  begründete  Dasein  «s 
griechischen  Schaltmonats. 

^)    InseinQmGommefitarzu2.Mos.Xn,2.   Man  tergleicU 
"[f  halmad  Rosch  haschanah  BL7,  S.i. 


Mif  dk  dübab,  die.  FmhlijBgviMiehlgltiöl^  tri£^  seiaai 
Aülang  feii)(MB«iea']iabeD..köiiue*. :  . 

Mrchiaelis 'l)eiiiübtvaifih.  in  iieiiker  johgedaclitmi 
AlAiaocIiuii^. , jiurxuthuni t •  dafs  . der  •  Aeli r en m ö ua t ^ 
od0x<,  tfvie  er'  i^Mbipate.;i|jeD^BAt  wund^,  d^i^  Ni^sani^ 
d«jc  altern. .Hehrh'er  deinrApriU  vwl.nif^l,  «rie.es  in 
Ba.x.tor.f  St -cihaldiiaackehii  -Ljexioozi  «Jadi^klfen 
ftod^m  Bai3hei'a..bei£»V'dQDi>M'a^2  «enupibcbeit  habei 
Geiviijiiganoinoieii.siinulite.er  mit  dcAnveincutlilonat  so 
Tvenig  üb3l*ie&nv  wi^  luit  dein!  aQdem«  Aber.  nacb. dem 
ScUu6  n  poCzarf' miifir  nian  laUerdlihgafdea  iMiBan , :  wie 
ibo  :M:o.a«s.g6sie)It  .bat,  tberiinii  diean<Apr3f  ^ie  BMt 
dem  Mar» y  vevgkttctien/  löisephas: führt rSiisad  und 
Xaoibims  .als  synonjmticbe  fieneaniingeD  auf  (401^ 
Beide»  sind^xhm  MDndiiianal^t.die.  ^apitterfain  tp  Sjwifio^ 
tu  SctoiieiimoiMkleo  gcatampek- .tviurden.i  /wo.däao  dei 
Xanihidus  .gaaz  .pamllel  u&l  dem.  April '•  zu  ätebeii 
kam  (430).   (  •     .  i...      ..•../      .. 

Gatt  er  er  sagt-^):  ^iSie  fädtschen  Mimale' waren 
^yUx  allen  Zeiten  bUrgerlicbe  Mpndmonate,- /weebsela^ 
yyvm»  zu  39  und  30  Tagen^''  Diese .  Bebanptung  ist 
durcb  niebta  begrüadet*  Wir. 'Wissen  nicht  mit  Sicberr 
beit,  ivie  die  Monate  in  der  ersten  Periode  i  der  b^ 
bräischenZeilrechaunggemcaseti  »würden.  Höofastwabr-r 
scheinliob  geschah  es  durch  uiimillielbare  Bedbaicbuio^ 
der  ersten  Phase.  Auch  findet  sich  nirgends  im  alten 
Testament  die  Dauer  eines  Monats  angegeben. 

Zur  Zeit  des  zweiten  Tempels  iiatlen  die  Juden 
ein  zwiefaches  Jahr,  ein  kirchliches,  das  nrit.  dem 
Nisan  um  die  Früblingsnacbtgteidie,  uhd  ein  bürger- 


*)    Abrifs  der  Chronologie  S.i45. 


493  Technüche  Chronologie. 

Hcliea»  das  sechs 'MöiMle;  spater  initdetü  niisdkri  um 
die   Herbstnachtgleiche-  l>egäna*      Das    erste    vvar  Ton 
Moses  angeordnet;    esr^lle  die  Feste  und  yon  sei- 
nem Anfange  -finden  "wir  Ini   allen  Testament  die  Mo- 
nate gezählt.     Das  andere,  glaubt  man,  bat  nieht  blo6 
neben,  sondern  selbst  schon  vor  jenem  bestanden.    Afen 
schliefst  4ies  theils  aus  allerlei  «ersireulen  Andeutung 
gen ,   E.  B;  dafs  das  Fest'  der  Obst-  und  Weinlese  nicKä 
nson   hezeth  haselumäh,   am  Ausgange  des  Jahrs, 
gefeiert  werden  solP);    dafs  Hiob  einmahl   sagl^y. 
in  den  Tagen  meines  Herbstes,  d.i.  zur  Zeit  mei- 
ner Jugend,  wo  wir  sagen  wurden,  in  den  Tagen  mei- 
nes Lan^ks');   Jais  es  beim  Hieronymus  an  einer 
bereits  oben  (432>  dtirten  Stelle  hei(st :  Jpud  onentahs 
populos  post  coUectionäm.  frugum  et  torcularia  Octoher 
erat  primus  mensis  u.d.m'.,  theils  aus  der  vonüglicben 
Heiligkeit'  des    siebenlen    Neumondes ;    denn   da    nach 
Moses  Verordnung   jeder  Neumond  dorcli   ein  Opfer 
feierlich  bqi;angen  werden' sollte  (489),   so  wird  insbe- 
sondere von  diesem  gesagt^):    ,,Am  ersxj^  Tage  des 
„siebenten  Monats  soll  ein  durch  die  Posaune  verküo- 
,,deler  Sabbath  und  eine  heilige  Versammlung  sein." 
Michaelis  ist  von   dieser  Ansicht  so  überzeugt,  dais 
er  sich  in  seiner  Abhandlung  über  die  Monate  der 
Hebräer  also  ausdruckt*):    „Ehe  die   Israeliten  auf 


•)  2.Mos.XXni,16. 

')  XXIX,  4. 

')  Yergl.  Hrn.  Gesenivs  Wörterbuch  unter  tpri' 

«)  3.Mos.XXni,24. 

*)  S.39. 


HbbIiäbr.        «  493 

,,Mo»e's  Befehl  den  Monate  wo  sie  aus  Aegypten  90- 
9^ gen,,  mm  ersten  machten,.  Bugen  sie  ihr  Jahr«  wie 
^vallg«iiiein  bekannt  is^t,  mit.  dem  ^iebetiien  Mo* 
,,iuite  an,  (80  dafs  uniprünglidir  ihr  ei*ster  Monat  dem 
,,Oktoberv  der  zweite  dem  November  lus.w»  entsprach, 
,,und  von  diesen  Monaten  mnfs  man  annehmen,  dafs 
,,Moses  bei  <>elegettheit  der  Sündffath  spiiieht,  die 
,, demnach  »m  November,  als  dem  zweiten  Monat,  an- 
,,  gefangen 'haben  mnfs."  Ich  furchte  aber,  idafs  man 
aus.  obigen  Andeutungen  ;zu  viel  folgert  und  dafs  das 
hohie  Alier  eines  Jahranfanges  mit  dem  Herbst  bei  den 
Hebräern  nicht 'ganz  so  fest  steht,  ab  man  glaubt. 
Das  bezeth  haschaiyah,  das  noch  am  meisten  zu  be-* 
weisen  scheint,  pafst-  auf  das  Laubhütlenfest ,  -von 
welchem  die  Rede  ist,  ancfa  bei  der  Voransseümng,  dafs 
das  Jahr  mit  dem  Thischri  angefanjjen  .habe,!  schlecht, 
weil  das  Fest  erst  um  die  Mitte  dieses  Monats  gefeiert 
wurde.  In  der  Parallelstelle  2.  Mos.  XXXiV,  22  steht 
dafür  natm  n&ipn  thehiphat  haschamJi,  das:  dem  rö^ 
mischen  'vertente  anno  analog  ist.  Wenn  mtan  indes- 
sen das  bürgerliche  Jahr  auch  gerade,  nicht  als  das  ur- 
sprünglich« ,•  stets  im  Gebrauch  gebliebene,  bcti^chten 
will,  nach  welchem  man  im  gemeinen  lieben  die  Monate, 
und  Jahre  gezählt  hat ,  so  mufs  man '  dem  eben  ge- 
dacblen  Gelehrten  doch  darin  beipflichten  ^)^  dafs  .die 
Zeit  der  Herbstnachtgleiche  üir  die  Hebräer  einen  be^ 
quemen  Einschnitt .  im  Soonenjahr  bildete,  weil  dann 
Ernte,  Obst-  und  Weinlese  in  Palästina  geendigt  sind, 
und  dafs  für  den  bürgerlichen  Verkehr, .  für  Katif^  Pach- 
tung U.S.W,  sich  kein  Zeitpunkt  besser  eignete.    Daraus 


')   S.  sein  Mosaisches  Eecbt  TI1.IV9  S.2P(X. 


494  Technische  Chrouologie. 

UAgL  aber  nicht  aotliweiid^  ein.  Jalmoifan^  tnit  4ieiem 
Zeitpunkt;  pflegen  dock  auch  hei  nne  <lie  Paehuiiigm 
MA  Marun«l»ge  im  spttten  Herhsi  ihren  Anfiing  zu  neh- 
men, ohne  d»(!i  wir  gerade  im  hni^gerlicben  Leben  Fon 
diewr  Epoche  an  die  Monale.aild  Jahre  aaUen. 

Gatlerer  ninunt  heLdenfiebrilejrnsecha  Ja.far«- 
leiten  an  '},  weil  ei  1.  MLoa*  VIU,  22  beiftc:  ,,Xün/- 
,ftig  aolien,  m>  lange  die  Enle  alehi,  shT  lero,  Saat- 
y^ieit  und  *r«skp  hazir,  Ernte»  *ip  hör.  Kälte  und 
,»an  eAe/H'»  Hitse,  yy  ho/iM,  Sommer  und  tm 
nohon^,  Winter,  ar  Jörn,  Tag  und  nV«V  ib'/^, 
^ Nacht,  nicht  auOioeen."  Man  sieht  aber,  dafs  aick 
am  diesen  abMchÜiofa  gewählten  GegeniitaeB  nicht  mebr 
all  zwei  wirUidi:  verschiedaie  Jahmeiien  mit  Sicber- 
heit  iblgeni  ksaen,  der  Sommer,  kafix,  der  sngleicti 
den  Frühling;  oder  die  Ernteseit,  hasir,  uad 
den  Winter,  choref,  der  nigleidb  den  Herbst  oder 
die  Saatzeit,  ^^ra,  in  sieh  faegriflV  Auch  anderswo 
werden  nur  Sommer  und  Winter  unlenchiedbni'). 

Es  ist  schon  oben  bemerkt  worden,  dacfe  im  Pen- 
tat euch  nur  der  erste  Monat  det  Jahrs  unter  einem 
etgentkünilicfaen  Namen  vorkommt  und  die  andern  Hob 
mit.  den  Ordnungsrnkkn  bezesehoiet  sind.  Dasselbe  gilt 
von  allen  vor  der  Deportation  abgefiilsten  Schriften  des 
allen  Testaments:  Nur  irti  Monatsnamen  weiden  nodi 
im  erste}n  Buche  der  JLönige  bei  Gdegenheii  des 
Mkühoniscben  TbnpdbaiQes  erwähnt.    Im  erstien  Vene 


*)•  Abrifi  der  Chronologie  S,i6i\ 

»)  PialmLXXIV,  47.  ZachariasXlV,  8.  Min  ycrglcicbc 
Bredow's  Untersuchungen  über  einzelne  GegenstaDde 
der  Geschichte,  6eogra[ihld  imU  €4ronoiogieS.90£ 


Hbbii&b>iiv  '496 

ieB  secJbsMi;  Kapitels  heätat  es:  yylm  ll«nat  ir'AV^ 
y,  welches  der  EW«eil6  im  JaW  ist.''  Derselbe  Name 
ohne  diesen  Zusatz  wird  iiii  sieben- und. dfeiis^tea 
Yerar  wiederiioUt.  Im  folf^nden  sieht:'  ,) Im 'Monat 
^^^Bui,  d.i.  im  achtelil"  Im  zweite»  Venedes 
webten  Kapitels  endlich  ist  vom  &«3rfM  Asftdmm:,  als 
dem  siebenten  Monat,  die  Rede.  Man  gUnbt,  dafii 
bliese  Namen; chaldäiscben  U»prungs  sind y  und' dafe . 
ider  erste  soi  riel  ab  Glanamonat  (mit  Bemig  adf 
die  Blumen  ui|d  die.  Friaolief  der  Natur) ,  der  zweite 
so  viel  als  Regenmonat-,  und  der  diritle  so  viel  als, 
Monat  der  strömenden  Flüsse  faeifae  ^),  welebb 
Etymologien  zu  den  Stellen,  4ie«  dies^  Monate  im  So»^ 
neD|abr  PaJüstinaV  einnehmen  y  ganz  {gut  passen.  Im 
jetzigen  hebräischen  Kalender  wird  Ijar  liir  Siv, 
Thischri  für  Ethanim.und  Märcheschvan  für 
Bul  gesagt. 

Ein  .wesenUiches  Stück  d«r.  mosaischen  Gesetzger 
l>ung  macht  die  AnoidnUDg  der  Feste  aus,  von  der  hier 
in  chronologischer  Beziehung  das  Nöthige  beigebracht 
werden  mufs.  Die  äaüptstellen  sind  2.  Mos.  XII  und 
XXm,  14-16;  3,Mos.:?i:XIII;  4.Mos,XXVlU,  l&ff. 
und  XXIX,  l'ff;  S.MLos.  XVI,  itt.  . 

Der  Feste,  die  wir  von  Moses  angeordnet  finden, 
sind,  fünf,  das  Passa.h -.Wochen-  Posaunen - 
Yersöhnungs-  und  Laubhüttenfest.  Das  erste 
wm*de  zum  .Andenken  .  des  Auszugs  aios  Aegyptan  ge- 
leiert, anf  den  selbst,  der  Natiie  hindeutet;  denn  m» 
pesach  heiist  eigentlich  das  Lamm,  w^Ich^d  Jiehbväh 
an   diesem   Feste    als    Dankopfer   dai^ebracVt   werden 


^)    S.  Hm. Gesenius  Wörterbuch. 


4d6  Technitehä  Chronologie. 

mnlsie,  vvcil  er,  die  Erstgebun  der  Aegypter  tödlml, 
die  Israditen    verachont  'haue  ^),    von    einer  Wund, 
Ttelche  flichooend  Voriii>ergehen  heifsi  *)•     Dieses 
Lamm  wurde  am   vierae^nien  Tage  des  ersteo  MenaCs 
cu  einer  Tagesseit  gescblachlet,  von  der  schon  6benii%2) 
gehandelt  worden  ist'^)*  -  Von  hier  an  daoerte  das  fest- 
Jidie  Mabl  die  Macht  hindurch  bis  an  den  Morgen  des 
funftebnlen,    wo    die    Israeliten   aus  AegypUn  aufge-- 
brocben  waran  ^).     Zu  Moses  Zeit  wurde,  wie  man 
deutlich  «ieht ')»  blofs  der  Anfang  des  ganzen  dem  An- 
denken des  Auszuges   gewidmeten  Festes  Pesach  oder 
Paaaah,   und  das  Uebrige   vom  fünfzehnten  Morgens 
as   mssm  ^  eliag  hamäzoth,    das  Fest  der  unge- 
sinerien  Brote  ^)  genannt,   weil  von  bäen  haarbam 

•)    2.Mos.Xn,27. 

^)  Die  Benennung  tJ  haßcm/pia,  die  sich  beim  VhWo  (vila 
Mosis  1.  III,  p.686,  und  de  stplenario  et  Jestis  p.  ilS9,  ed. 
Frsncof.^,  beim  E  u  s  e  b  i  u  s  füist,  eccL\U,  32J  und  anderswo 
?«n  diesem  Fest  gcbi-aucbt  findet,  ist,  wie  man  sieht,  eine  Üebei^ 
selzung  von  Pesach»  Die  ScUi-eibart  ftiiry^  geht  tou  der  chal- 
däischen  Form  imofe  aus,  wi^e  auch  Philo  an  der  ersten  Slellc 
beroerVt. 

')  Nach  der  zweiten  der  beiden  'eben  cilirten  Stellen  des  Philo 
geschah  es  zu  seiner  Zeit  zwischen  Jültag  und  Abend. 

')  4.  Mos.  XXXIII»3  steht,  dafs  üe  am  45len  des  ersten  Mo- 
nats noEr  P"raB  mimacharalh  hapesech,  am  Morgen  nach  dem 
Passah,  ausgezogen  sind.  Nach  5. Mos.  XVI,  1  war  es  schon  in 
der  Nacht  geschehen. 

*)  3.  Mos.  XXIII,  5, 6.  Im  alten  TesUment  überhaupt  wird 
noeh  immer  unter  P«Aach  und  Chag  hamazoth  untei^schiedeo. 
yergl.  2.Chron.XXXV,  47. 

*)  ratt mazak  heifst  etwas  ungesäuertes.  ,4. Mos. VI,  19. 
Das  ungesäuerte  Brot*  'sollte  zum  Andenken  dienen ,  dafs  die  Is- 
raeliten beim  Auszuge  aus  Aegyptea  nicht  Zeit  hatten ,  ihr  Brot 
gihren  zn  lassen. 


H  B  B  &  Ä  £  u .  497 

am  14ten  bis  zum  2l8len  einschliefslicfa  kein  gesäuertes 
Brot  gegessen  werden  durfte.  Späterhin  findet  man 
wol  zuweilen  den  Namen  Pas  sah  dem  ganzen  sieben- 
tägigen Feste  beigelegt.  Der  15te  und  2l8te  allein 
waren  Sabbathe  oder  strenggefeierte  Tage.  An  den 
übrigen  durfte  gearbeitet  werden ;  die  Feier  bestand  dann 
blofs  in  Opfern,  Opfermablzeiten  und  Lobgestfngen  auf 
die  Gottheit.  Am  16ten  wurden ,  wie  schon  bemerkt 
worden  (487)  i  die  Erstlinge  der  Gerstenernte  als  Opfer 
dai^bracht. 

Nach  Ablauf  der  sieben  Wochen,  welche  die  Ernte 
in  Palästina  zu  dauern  pflegt,  wurde  das  Wochenfest 
gefeiert*  Die  Zeit  desselben  findet  sich  also  bestimmt  *): 
9, Von  dem  Morgen  nach  dem  Sabbath,  nämlich  von 
,,dem  Tage,  wo  ihr  die  Erstlinge  der  Gerstenernte  op- 
„fert,  sollt  ihr  sieben  volle  Wochen  zählen;  fünfzig 
,,Tage  sollt  ihr  zählen  bis  zu  dem  Morgen  nach  der 
,, siebenten  Woche  ,^  und  dann  dem  Herrn  ein  neues 
„Speisopfer  darbringen."  Man  sieht  es  wird  der  fünf- 
zigste Tag  gemeint,  vom  16ten  des  ersten  Monats  ein- 
schlielslich  an  gerechnet.  Weiterhin  heilst  es  noch: 
,,Ihr  sollt  euch  versammeln  an  diesem  Tage,  eine,  hei-; 
„ lige Versammlung  soll  er  euch  sein,  und  ihr  sollt  an 
,, demselben  keine  Geschäfte  verrichten."  Es  war  das 
Fest,  an  welchem  Gott  fiir  die  Wohlthat  der  Ernte  ge- 
dankt und  die  Erstlinge  von  Früchten  aller  Art  darge- 
bracht wurden  ').   Dies  lehren  schon  die  Namen  n*^n  m 


')    3.Mo8.XXm,15,16. 

^)  2.Mo8.XXin,i9;  XXXIV,  26;  4.Mo8.XYai,13t  vergl. 
mit  5.Mo8.XXVI,l-il,  NehemiaX,  d5aiid37  und  dem  gan« 
zen  Abtfdmitt  Bicurim  im  Thalmud. 

I.  [32] 


MS  Technische  Chronologie. 

chaghakazir,  Erntefest,  und  Q'n'Dan  tf^Jomhabi' 
atran,  Tag  der  Erstlinge«  die  wir  von  diesem  Feste 
gebraucht  finden^).  Dafs  unter  den  Erstlingen 
besonders  die  des  Weizens  zu  yecstehen  sind,  wird 
2.Hos.XXXiy,  22  ausdrücUich  gesagt');  auch  lehrt 
es  die  Natur  der  Sache,  da  bereits  sieben  Wochen  früher 
die  Erstlinge  der  Gerste  geopfert  wurden.  Die  gewöhn- 
lichste Benennung  dieses  Festes  ist  aber  n*Sät»  an  chag 
schabtioth^  das  Fest  der  Wochen  ^),  von  den  sieben 
Wochen ,  welche  man  vom  Passah  bb  zu  diesem  Tage 
zählte«  Jetzt  wird  es  zum  Andenken  der  Gesetzge- 
bung auf  dem  Sinai  gefeiert,  die,  wie  die  Thal- 
mudisten  aus  2.  Mos.  XIX  folgern,  mit  dem  Wochen- 
fest zusammengetroffen  ist  ^). 

Dab  der  Neumond  oder  erste  Tag  des  siebenten 
Ifonats  ein  Sabbath  sein,  also  zu  den  grofsen  Festen 
gehören  solle,  ist  schon  oben  (492)  bemerkt  worden. 
Wegen  der  Posaune,  wodurch  dieser  Taig  verkündigt 
wurde,  heifst  er  nynn  ür*  jomtiruoA,  der  Thruah- 
Tag ,  oder  nrnn  Tt-OT  yarao  schabathon  sichron  ihruak, 
der  Sabbath  der  Anmeldungs-Thruah  ^),  von 
einer  Wurzel,  welche  laut  schreien,  jubeln,  die 
Trompete  blasen,  kurz  Lärm  jeder  Art  machen 
heiist*).    JeUt  ist  es  das  Neujahrsfest,  das  sogleich 


•)  2.Mof.XXin,16:  4.Mof.XXVra,26. 

*)  3.Mos.XXin,  20  ist  ?on  Erstlingen  der  (Weizen)  Brote 
die  Rede. 

•)  5.  Mos.  XVI,  !0. 

^)  S.  Maimonides  More  neboehim  P.III,  c.43,  BI.170. 

»)  4.Mos.XXIX,4;  3.Mos.XXin.  24. 

•)  S.  Hm.  Gesenius  Handwörterbuch  r.rh. 


alft  da*  Tag  gefeiert  wird,  aH  welchem  Gott,  die  Schidi- 
sale  der  MenscheD  für  das  n^h&te  Jabr  benimmt  *)• 

Der  zehnte  Tag*  eben  dieseS' Monats  ßükrl  den  Na^ 
men  cn^dn  DT^^om  hakippürim,  Yerisöhnung'i-  oder 
Auslöaungstagy  weil  an  ihm  die  Sünden  des  fBr. 
sammten  Volks  dunch  den  Hohenjfnester:  ansgesiihnt  oder- 
gkicbsam  ausgelösei  wurden«  3.  Mos.  XYI,  29-31 ; 
XXIIl,  27  ff.  An  beiden  Stellen  wird  verordnet,  dafii  er 
ein  Sabbalb  und  zugleich  ein  Fasttag  isein  soll.  Nach  der 
besondem  Yerpiinung  seiner  Unverktzlichlteit  durch 
Arbeit  und  Speise  war  es  das  heiligste  aUer  von  Moses 
angeordneten  Feste,  wie  auch  Phil6>bemerkt '){  und 
^  solches  wird  es  noch  jetzt  angesehen.  Es. war  bis 
auf  die  babylonische  /Gefangenschaft  der  einaige  Fastlag 
der  Hebräer.  Während  des  Exils  sind  noch  verachle-» 
dene  andere  hinzugekommen,  wovon  lüklen«  -  - 

Noch  ein  drittes  Fest  ist  auf  den  siebenten  Monat 
angeordnet,  nämlich  ein  Dankfest  für  die  nun  be^dtgte 
Obst-  und  Weinlese«,  wie  man  aus  2.  Mos«  XXIII,  16 
und  XXXIY,  22. ersieht,  wo  es  t)'*OMn  »n  chag  haasif. 
Fest  der  Einsammlung,  genannt  wird.  Die  Zeitsei- 
ner  Feier  ist  3.  Mos.  XXllI,  34  ff.  also  angegeben:  i, Am 
„fünfzehnten  Tage  des  siebenten  Monats  ist  das  Latb* 
ivhüttenfest«  Sieben  Tage  dem  Jebovah!  Am  ersten* 
„Tage  ist  heilige  Yersammiung;  ihr  dürft  an  ihm  keine 
„Geschäfte  verrichten«»  Sieben  Tage  soUc  ihr  dem' Herrn 
,, opfern.  Am  achten  ist  wieder  eine  heilige  Yersamm* 
„lung"  u.sw.      Man  sieht  also,    der  fünfzehnte  und 


*)    Thalmud  Jtosch  hascfumahBlA6t  S.2.   iMaimonides 
More  neboehim  a.a.O. 

*}    De  septenurio  etfesiis  p.il94.  .    - 

[32M 


600  '  Technische  Chronologie. 

iwet  nnl  cmmsigBle  Tag  des  nebenlen  Monats  ivneii 
Ssl>lMidie;  die  swiscben  liegenden   gehörten  swsr  auch 
warn  Feste,  doch  war  die  Aiiwit  an  ihnen  nicht  unter- 
sagt«    Während  dieses  Festes  mulsten  die  Hebrier  in 
Hütten  wohnen,  was  in  den  wännern  G^enden  Palä- 
slina's  sehr  wohl  angeht.     „Sieben  Tage,  sagt  der  Ge- 
,^setsgeber  im  Namen  Jehovah's  *) ,  sollt  ihr  in  Laub- 
,,hiitten  wohnen,  damit  eure  Nachkommen  nissen,  dais 
„ich  die  Ismelilen  in  Hätten  habe  wohnen  kuen,  als 
„ich  sie  aus  Aegypten  gefiihrt."      Solche  aus  Pafaa- 
Oel-  und  andern  Zweigen   gefloditene  Hütten  heiben 
rfoo  iiecoth  '),  und  davon  das  Fest  gewöhnlich  nvonsn 
ehag hasüocoth.  Laubhüttenfest.    Mit  dem  siebenten 
Tige  war  das  eigentliche  Fest  sn  Ende.     Am  achten 
soll  nodi  eine  heilige  Versammlung  des  Yolks  sein  '), 
we&halb  auch  diesem  Tage  vcMvugsweise  die  Benennnng 
mo  azeroih,  Versammlung,   mvijyvpi;^  belegt 
worden  ist  ^). 

Die  von  Moshes  angeordneten  Feste  trafen  also  auf 
den  ersten,  dritten  und  siebenten  Mooal  des  JaüiTs,  da. 
in  der  Regel  auf  den  April ,  Junius  und  Oktober.  In 
den  übrigen  Monaten  kamen  nur  die  gewöhnlichen 
Sabbathe  und  Neumondsfeiern  vor.  Doch  war  auch 
im  sweiten  Monat  luweilen  ein  Passahfest,  wenn 
itch  Unreine  fimden,  die  an  dem  eigentlichen  Passah  im 
enten  Monat  keinen  TheQ  hatten  nehmen  können  *). 

*)    3.Moa.XXrav42ff. 
*)    Nehemia  Vni,  16. 
')    3.Mos.XXni.36;  4.Mos.X3IX,35. 
*)    Wegen  dieses  von  Michaelis  nicht  richtig  aufgelaisttB 
Wertet  ist  Hrn.  Gesenius  Wörterbuch  ttaefacusehcn. 
')    4.  Mos.  IX,  10  ff. 


Hebbabr.  601 

Eft  ist  nan  noch  yon  den  in  der  ersten  Periode 
der  jüdischen  Chronologie  gebräuchlichen  Jahrrech- 
nungen zu  handeln. 

Im  fünf  und  zwanzigsten  Kapitel  des  dritten  Buchs 
Moses  heilst  es:  ^^Wenn  ihr  in  das  Land  kommt,  das 
,,ich  euch  gebe,  so  soll  es  dem  Jehovah  einen  Sabbath 
,, feiern.  Sechs  Jahre  lang  sollst  du  dein  Feld  besäen, 
„deinen  Weinstock  beschneiden  und  alle  Früchte  dei- 
,,nes  Landes  einsammeln;  aber  das  siebente  soll  ein 
„Kuhejahr  für  das  Land  sein,  ein  Sabbalh  dem  Jeho- 
„yah;  dein  Feld  sollst  du  nicht  besäen,  deinen  Wein- 
„  stock  nicht  beschneiden  u.s.w.  ^).  Sieben  solcher 
,,Sabbathe  von  Jahren  ')  sollst  du  zahlen,  sieben  Jahre 
„siebenmahl,  und  es  sollen  dir  dieser  Jahrsabbathe 
,,neun  und  vierzig  Jahre  sein.  Dann  sollst  du  am  zehn- 
„ten  Tage  des  siebenten  Monats,  am  Yersöhnungstage, 
„durch  das  ganze  Land  die  Posaune  blasen,  das  Jahr 
„der  fünfzig  Jahre  heiligen,  und  allen  Einwohnern  des 
.„Landes  verkündigen,  dies  ist  das  Jobeljahr,  in 
„welchem  ihr  alle  wieder  jeder  in  sein  Eigen thum  und 
„sein  Geschlecht  eingesetzt  werdet.  Und  dieser  Jobel 
„soll  euch  das  Jahr  der  fünfzig  Jahre  sein.  In  diesem 
,,Jahr  sollt  ihr  nicht  säen,  das  von  selbst  gewachsene 
,, nicht  ernten'-  u.s.w.  So  wie  also  ein  jeder  siebente 
Tag  ein  Ruhetag  für  die  Menschen  war,  so  sollte  jedes 


')    Yei^.  2. Mos.  XXm,  10  ff. 

*)  Im  Text  tn»  mrav  schabbathoth  schanim.  ran  schabbath, 
im  Plural  mit  der  Femininform,  bezeichnet  in  einer  wiederkeh- 
renden Reihe  yon  sieben  Zeiteinheiten,  seien  es  Tage  oder  Jahre, 
die  jedesmalige  siebente,  also  den  sitbenteä  der  Ruhe  gewidmeten 
Wochentag,  und  das  siebente  zum  Ausruhen  des  Erdreichs  be- 
stimmte Jahr. 


602  Technache  Chronologie. 

riebente  Jalir  ein  Ruhejahr  för  den  Adler  sein;  and 
nachdem  sieben  saldier  Ruhe-  oder  Bmchjahre  einander 
gefolgt  waren,   sollte  noch  das  funfaigste  ein  aufseror^ 
deutliches  Rabe-  oder  Brach jahr  sein,  in  welchem  jedes 
terLanfte  nnd  yerpfiUideie  Grandslück  an   seinen  nr- 
spränglichen  Besitzer,  und  die  Freiheit  jedem,  der  sich 
ihrer  enianfsert,  so  wie  den  Getangenen  und  SJJaven 
luruckzngeben  war.     Den  Geist  und  die  wahre  Bedeu- 
tung dieser  merkwürdigen  Verordnung  des  hebr&ischen 
Gesetzgehers  entwickelt  Michaelis  in  seiner  Abband* 
Itwg :  De  paradoxa  lege  Mosaica,  septimo  qucms  anno 
omnium  agrorwn  ferias  indicenie^)^    und   in  seinem 
Mosaischen  Recht*). 

Das  Sabbathjahr  heifst  im  Hebrüischen  nmtsfnrso 
scheniMth  haschmittah  oder  kurz  schmittah  '),  was  Luther 
nnd  Mendelssohn  durch  Erlafsjahr  und  Michaelis 
durch  Aufschubjahr  übersetzen,   weil   in  demse/l>en 
den  Schuldnern  Indult  gestattet  wurde,  und  das  /o2>el- 
oder  Jubeljahr  Va-m  «o  schemuh  hejobel  odet  knra 
fobel,  ohne  Zweifd  ron  dem  gleichnamigen  Blaseinstru- 
ment,  womit  es  verkündet  wurde. 

Die  Jahre  dieser  fünfzigjährigen  Periode  werden, 
wie  im  Pentatench  immer,  vom  Abib  oder  Früh* 
lingsmonat  gerechnet.  Die  ersten  sechs  Jahre  sdl  der 
Acker  im  Herbst  bestellt  wei^n',  aber  im  siebenten 
(eigentlich  von  der  Mitte  des  siebenten  bis  zur  Mitte 
des  achten)  brach  liegen.  Eben  so  vom  Herbst  des 
neun  und  vierzigsten  Jahrs  an,   und  zwar  zwei  Jahre 


*)    Es  ist  die  neonle  leifier  skadanischeD  Yorlssungen  (487). 

>)    Tb.n,  S.24  ff. 

•)    5. Mos.  XV,  2;   XXXI,  10. 


HebaIbr.  503 

lang  bis.  zum  Herbst  des  ersten  Jahrs  der  neuen  Jobdr 
periode  ^).  Die  Worte  des  Gesetzes  erklären  sich  hier- 
über so  bestimmt,  dafs  mau  eine  Mifsdeuftung  nicht  für 
möglich  halten  sollte.  Und  doch  hat  man  das  siebente 
Sabbathjahr  imd  das  Jobeljahr  für  identisch  nehmen, 
der.  Jobelperiode  also  nicht  fünfzig,  sondern  nuA  neun 
und  vierzig  Jahre  beilegen  wollen.  Dies  war,  wie  wir 
au$  dem  Thalmud  ersehen'),  die  Meinung  des  Rabbi 
Jehuda,  der  gegen  die  Mehrzahl  der  Rabbinen  be- 
hauptete, der  Jobel  bestehe  pur  aus  neun  und  vierzig 
Jahren,  indem  das  fünfzigste  des  abgelaufenen  Jobeis 
immer  zugleich  das  erste  des  folgenden  sei.  Seiner 
Meinung  traten  nachmals  die  Gaonim  hei,  gewisse  ge- 
lehrte -Rabbinen,  die. bald  nach  der  Schliefsung  des 
Thalmuds  gelebt  und  ihn  erklärt  haben,  Vorsteher 
jüdischer  Akademien.  Diese  hatten,  wie  Mt^imonides 
berichtet '),  eine  Tradition,  nach  der  seit  der  Zerstörung 
des  ersten  Tempels  nur  Schmittahs  und  kein  Jobel,  also 
nur  .neun  und .  vierzigjährige  Perioden  gezahlt  worden 
seien.  Ihren  chronologischen  Tafeln  zufolge  ist  in  der 
jüdi^en  .Weltäre  jedes  siebente  Jahr  ein  Sabbathjahr, 
a.B.da» zunächst bevontehende  5586ste.    Maimonides 


*)  'Wei-den  die  Jahre  mk  dem  Thisclirf  inr  Herbst  angdaa- 
geft,  wie 'die  Eabbinen  die  Jahi^  des  Schmiitah  uod  Jobel  ge- 
nommen wisaea  wollen  (Thalmud  Rosckhaschanah  Bl.8^  S.%i 
Bl.9,S.  1),  so  stellt  sich  die  Rechnung  einfacher.  Dann  wd 
im'  Anfange  der  Jahre  7,  14,  21,  28,  35,*42,  49  und  50  der  Jo- 
belperiode nicht  gesaet ,  mithin  um  die  Mitte  dieser  Jahre  nicht 
geemtet. 

;')    Erichin  BL 12,  ^.  2 ;  Bl.  IS,  S.  i  ;  Bll  32,  S.^ ;  BI.  33,  S.  i . 

')  Jod  kachasaca  (in  welchem  Werke  d^Tihalmud  in  ein  Sy- 
stem gebracht  ist),  Hilchoi  schnättah  w' iQbef,  c.lO,  fol.i42. 


604  Technüche  Chronologie. 

mShttf  dessen  Antorilit  yom  grS&ten  Gewicht  ist,  tlieflt 
diese  Meiiiimg  nicht;  denn  er  sagt:  ,,Dfts  neun  und 
„viendgsle  Jfthr  ist  Schmittah,  das  fünfzigste  Jobel, 
y,nnd  das  ein  und  fünfzigste  das  erste  des  neuen 
^^SchmittahJ'^  Eben  so  bestimmt  änlsert  sich  schon 
losephus«  „Alle  sieben  Jahre,  sagt  er*),  wird  dem 
„Acker  eine  ivBctg^  Erhohlung,  gegdnnt,  wie  dem 
„Menschen  alle  sieben  Tage.  Dasselbe  gesdiieht  nach 
,,der  siebenten  Jahrhebdomade,  und  dies  gibt  im 
,, Gänsen  fünfzig  Jahre  — ravra  mrr^ovra  [ih  l^v 
,,rn}  Ttt  mhmu  Das  fünfzigste  Jahr  wird  von  den 
„Hebriem  'IwßijXog  genannt." 

So  deutlich  dies  nun  auch  in  dem  Gesetze  li^n 
mag,  so  haben  doch  in  neuem  Zeiten  Gatterer  tmd 
Frank  die  Hjrpothese  der  Gaonim  von  neuem  gel- 
tend zu  machen  gesucht,  letzterer  in  einem  grofsen 
Werke  unter  dem  Titel:  Joh.  Georgii  F rankt i  no^ 
vum  Sjrstema  chronologiae  ßmdamentaks,  ^ua  omnes 
anni  ad  solis  et  haute  curswn  accunUe  describi  et  no^ 
vilwua  a  primonUo  mundi  ad  nostra  usque  tempora  et 
ukerius  ope  epactarum  designari  possunt:  in  Cyclo  Jo^ 
belaeo  biblico  detectae  et  ad  chronologiam  tarn  sacram 
quam  profanam  applicatae,  cum  praefatione  Joh. 
Christ.  Gatterer*).  In  der  Vorrede  wird  die  Jo- 
bdperiode  ein  mjrsterium  S.  Scripturae  genannt,  guod 
Jundamentum  totius  chronologiae  in  se  continet,  et  *ve^ 
ritatem  sacmrum  liiterarum  historicam  earumque  diid- 
no/'^  originem  novo  quodam  argumento  eoque  firmis- 


*)    Ant.  lud,  m,  12,  3.    Blan  Tergleidie  Bernard's  i^ddirte 
Anmerkung  zu  diesei«  Sldle. 
*)    GötUngen  1778,  fol. 


Hebräer.  506 

simo  firmat.  Woher  Mofteft  eihe  so  genaue  Kenntnifs 
vom  Laufe  der  Sonne  und  des  Mondes,  wie  sie  die 
Construction  der  herrlichen  Jobelperiode  yorausseUt,  ge- 
habt habe,  müsse  man  nicht  fragen,  da  Gott  selbst  aus- 
drücklich der  Urheber  derselben  genannt  werde:  ,,Auch 
„sprach  Jehovah  am  Berge  Sinai  zu  Moses,"  mit 
welchen  Worten  das  ganze  Gesetz  eingeleitet  wird  *). 

Das  HaupUfgument,  worauf  Gatterer  und  Frank 
ihre  Meinung  gründen,  ist  folgendes.  Es  heifst  im  wei- 
tem Verfolge'):  „Wenn  ihr  etwa  sagt,  was  sollen  wir 
,,im  siebenten  Jahr  essen?  wir  säen  und  ernten  ja 
,, nicht;  so  yerheifse  ich  euch  meinen  Segen  im  sechsten 
,,Jahr,  dafs  es  so  viel  in  die  Scheuer  bringe,  als  auf 
,,drei  Jahre  genug  ist,  und  ihr,  wenn  ihr  im  achten 
,,Jahr  wieder  stfet,  noch  von  alten  Frachten  essen 
„könnet.  Bis  zur  Ernte  im  neunten  Jahr  sollt  ihr  yon 
„allen  Früchten  essen."  Wära  das  siebente  Sabbathjahr 
vom  Jobeljahr  yerschieden  gewesen ,' sagt  Gatte rer^), 
so  wären  zwei  Brachjahre  aufeinander  gefolgt,  und  der 
GetreidevoiTaih  der  sechsten,  im  Anfange  des  siebenten 
Jahrs  gewonnenen,  Ernte  hätte  bis  zur  Ernte  im  zehn- 
ten Jahr,  nicht  im  neunten  vorhalten  müssen^  da 
doch  letzteres  ausdrücklich  genannt  ist.  Man  könnte 
entgegnen,  dafs  Moses  nur  bestimmen  wollte,  wie  es 
mit  den  gewöhnlichen  Sabbathjahren  gehalten  werden 
solle,  und  nicht  nöthig  hatte,  das  Jobeljahr,  als  ein 
aufseroitlentliches  Brach  jähr,  noch  besonders  hervorzu- 
heben.   Es  liegt  ja  aber  in  den  Worten:  „ials  auf  drei 


*)    3.Mo.i.XrV,  4. 

•)    T.20IL 

')    Abrifs  der  Chronologie  S.I53. 


606  Technisch^  Chronologie. 

„Jahre*  genug  ut,"  deutlich,  dalli  er  auch  auf  die 
Brache  de»  Joheljahrs  Rücksicht  genommen  hat;  dam 
joost  halle  er  nur  von  twei  Jahren  reden  dürfen. 

.Wäi«  das  Institut  der  Sabbalh-  und  Jobeljahre  yon 
den  Hebräern  uuverleulich  im  Gange  erhallen  wordeu, 
so  hätten  sie  mit  aller  Sicherheit  nach  fünfzigjährigen 
Jobelperioden  und  einielnen  Jahi^n  rechnen,  also  jeder 
fortlaufenden  Acre  enthehren  können.  Es  scheint  aher 
dasselbe  unter  den  Königen  nicht  strenge  beachtet  wor- 
den SU  sein«  Nirgends  wird  in  der  fiühern  Geschichte 
des  hebräischen  Volks  die  Feier  eines  Sabbath-  oder 
Jobdjahrs  erwähnt,  nirgends  ia  der  Bibel  nach  Jobel- 
jahren  getähli,  da  sich  doch  diese  Zählungs^veise  bei 
wirklicher  Beachtung  .der  Periode  so  natürlich  darbot. 
Erst  während  des  sweiien  Tempels  wurden  die  dahin 
gehörigen  Verordnungen  der  mosaischen  Gesetagebung 
als  alle  Tradition  wieder  aufgenommen,  und,  wie  Yfir 
aus  dem  ersten. Buche  der  Makkabäer'j,  aus 
Philo')  und  losephua')  ersehen,  such  wirklich 
befolgt.  Zugleich  mufs  sich  nun  der  Jahraufang  mit 
dem  siebenten  Monat  im  büigerlichen  Gebrauch  fiestge- 
•etxt  haben. 

Moses  rechnet,  wie  Herodot,  nach  Geschlech- 
tern ^).    Späteriun  sähllen  die  Hebräer,  wie  das  ganae 


*)    VI.  49  und  53. 

')    S.H87- 

')  Aufaer  der  oben  (504)  angeführten  Stelle  Ter|;leiclie  man 
JnL  lud,  XIV,  10,  6;  XIV,  «6,  2;  XV,  1,  2.  Daa-Sa  bba  th- 
jähr  heifst  hier  o-aßßaruij;  Kiovr^c  und  iß^ojuto^ucoy  rroc. 

*)  S.  Mixhaelis  Abhandlungen  von  der  Ckrohologta  Mo- 
sis  ante  et  post  dtUivium,  Es  sind  die  vierzehnte  und  fünfzehnte 
seiner  in  der  göttinger  Sodetat  gAallcnen  Vorieaungen. 


Hbbräea.  607 

Alterthum,  'nach  Regentenjahren,  woTon:  sich  die 
Beweise  fiist  in  jedem  Kapitel  der  Bücher  der  Kö- 
nige und  der  Chronica  finden.  Ak  fortlaufende  Aere 
hat  man  die  vom  Auszuge  aus  Aegypten  und  vielr 
leicht  auch  die  vou  Erhauung  des  ersten  Tempels 
gebraucht.  Der  erstem  wiiti  2.  Mos.  XIX,  1;  4. Mos. 
XXXm,38  und  l.Kön.VI,  1  gedacht.  Aa  der  leta- 
lem Stelle  heifst  es:  ),Im  vierhundert  upd  achtzigsten 
,9  Jahr  nach  Auszug  der  Kiader  Isilael  auis  Aegypten, 
,,im  vierten  der  Regierung  Salomo*s,  im  Monat  Siv 
,,oder  im  zweiten,  waixl  das  Haus  des  Herrn  erbauet." 
Man  vergleiche  2.Chron.  III,  2.  In  demselben  Buche 
YIII,  1  und  l.Kön.  IX,  10  wird  ein  Zeitpunkt  also 
bestimmt :  „  Zwanzig  Jahre,  nachdem  Salomo  das  Haus 
,,des  Herrn  erbaute;"  aus  welchen  Stellen  jedoch  der 
biü'gerliche  Gebrauch  einer  sploben  Jahri'ecfanung  nicht 
mit  Sicherheit  folgt.  Die  jüdischen  Chronologen  ^)  setzen 
diese  Epochen  einstimmig  in  die  Jahra  2448  und  2928 
ihrer  Weltäi'e,  oder  in  die  Jahre  1314  und  834  v.Chr. ; 
Des-rYignoles  dagegen  (um  unter  den  mannigfaltigen 
Meinungen  der  christlichen  Chronologen  nur  eine  der  am 
besten  begiiindeten  anzuführen)  in  die  Jahre  3069  und 
3716  der  julianischen  Periode  oder  1645  und  998  v.Chr. 
Was  ihn  veranlafst  hat,  das  Intervall  zwischen  beiden 
Zeitpunkten  um  167  Jahr  gräfser  anzunehmen,  als  die 
Bibel  und  die  jüdischen  Chronologen,  sehe  man  bei  ihm 
selbst  nadi'). 


*)    Man  sebe  untei*  andern  Zemach  David  S.  12  und  Seder 
Hadaroth  El.  19  und  23.    . 

^)    Chronologie  de  Vhistoire  sainte  Yol.I,  S.172  ff. 


508  Technische  Cfironologie. 

Noch  mois  erwähnt  weiden,  dafii  Hensler  in 
«einen  Bemerkungen  über  Stellen  in  den  Psal- 
men und  in  der  Genesis  umständlich  die  Hjpotheae 
SU  begründen  sacht,  es  sei  in  der  Genesis  von  ei- 
nem dreifiichen,  stufenweise  wachsenden,  Jahr  ~tdo 
iduandh--  die  Rede,  von  einem  dreimonatlichen 
bis  auf  Abraham,  von  einem  achtmonatlichen 
bis  auf  Joseph  ,  und  weiterhin  ent  von  einem  zwolf- 
monatlichen.  Eine  gründlidie  Widerlegung  derselben 
findet  sich  in  Bredow*s  Untersuchungen  über 
einzelne  Gegenstände  der  Geschichte,  Geo- 
graphie und  Chronologie  *)• 

Zvireite  Periode  der  bebraischen  Zeitrechnung. 

Die  älteste  von  Moses  theüs  eingeführte,  theils 
bestltigte  Zeitrechnung  war,  so  viel  wir  darüber  ui^ 
theilen  können,  sehr  einfach.  Die  erste  Erscfaeinung 
der  Mondsichel  in  der  AbenddämmemDg  bestimmte  den 
Anfang  des  neuen  Monats,  und  wenn  die  Witterung  sie 
XU  beobachten  hinderte,  so  legte  man  dem  abgelaufenen 
als  Maximum  eine  Dauer  von  dreifsig  Tagen  bei.  Ob 
nach  zwölf  Monaten  ein  neues  Jahr  angefangen  oder 
ein  dreisehn ler  Monat  geiählt  werden  sollte,  hing  von 
dem  Umstände  ab,  ob  die  Gerste  so  weit  herangereift 
War,  dafs  um  die  Mitte  des  ersten  Monats  Jehovah  das 
Omer  dargebracht  werden  konnte  (487)*  In  dieser  gan- 
len  Kalendereinrichtung  offenbart  sich  meines  Erachtens 
noch  keine  Spur  von  wissenschaftlichen  Ideen,  und  idi 

«)    S.i8ir. 


Hbbjlävjl«  509 

sehe  daber  nicht,  ims  Gatterer  za  sagen  berechtigt  *), 
daft  ihr  Urheber  mehr  als  gemeine  astronomische  Ein- 
sichten gehabt  haben  müsse. 

In  der  zuveiten  Periode  der  hebräischen  Zeitrech- 
nung bestand  dieselbe  schwankende  Bestimmungsweise 
der  Monate  und  Jahre  noch  immer  (denn  dafs  man  die 
Neumonde  schon  nach  einer  festen  cjclischen  Theorie  be- 
stimmt oder  gar  schon  astronomisch  berechnet  habe,  wie 
sich  einige  Chronologen  überreden,  ist  mir  durch  nichts 
wahrscheinlich  geworden);  nur  die  Monatsnamen,  der 
fahranfang  und  das  Festwesen  haben  sich  in  ihr  ganz 
auf  die  jetzige  Weise  gestaltet. 

Die  gegenwärtigen  Namen  der  jüdischen  Mo- 
nate sind: 


1) 

)b^3 

Nisan. 

2) 

ir^H 

Ijar. 

3) 

^0 

Siy^n. 

4). 

tion 

Thamus. 

ß) 

a« 

Ab. 

6) 

ViVh 

EluL 

7) 

^Tün 

Thischri. 

.  8) 

^TtJrt^o 

Marcheschyan. 

9) 

1^ 

Kisley. 

10) 

hä» 

Tebeth. 

11) 

xa!M  ' 

Schebat. 

13) 

'irm 

Adar«). 

')    Abrifs  der  Chronologie  S..i50. 

*)  Das  s  in  Nisan  nnd  Siyan  ist  hart,  und  das  v  in  letz- 
terem Namen,  so  wie  in  Marcheschyan,  weich  auszusprechen. 
Der  Ton  in  Nisan  liegt  auf  der  zweiten  Sylbe.  Das  ^  in  Ab 
ist  wie  ein  ii^  zu  ksen  nnd  das  0  in  Schebat  fast  gar  nicht  zu 
betonen. 


510  Technische  Chronologie. 

Ibdi  Tbalmail  J^rnsehalmi  ( Bosch  hasebancii 
cAJ,  dem  Aben  Esca  gefolgt  ist.^),  haben  die  He- 
bräer diebc  Monatsnamen  aus  der  babylonUcbeD  Ge£uH 
genfichafl  mitgebracht.  Es  leidet  auch  um  so  weniger 
Zweifel,  da£i  lie  cbaldüiachen  Ursprungs  sind,  da  de 
gröfsientheils  mit  den  naüonalsyrischen  Mouatsnamen 
übereinsümmen  (430)«  Sie  finden  sich  riiersc  in  den 
während  und  nach  der  Deportation  abgeia&ien  Sclurif- 
len  des  allen  Testaments,  Zacharias,  Esra,  Hehe- 
mia,  Esther  und  den  Büchern  der  Makkabäer 
erwähnt. 

Der  Nisan,  welcher  an  die  Sldle  des  mosaischen 
Aehrenmonats  getreten  ist,  kommt  Nehemiall,  1 
und  Esther III,  7  vor.  An  der  leUtern  Stelle  heilist 
er  der  erste  Monat,-  nämlich  mit  Bezug  auf  die  Feste, 
wie  losephus  sagt  (401). 

Des  Ijar  wird  in  der  Bibel  nicht  gedacht.  In 
älterer  Zeit  nannte  man  ihn  Siv  (495). 

Der  Sivan  wird  Esther  VUI,  9  ab  dritter  Mo- 
nat aufgeführt. 

Der  Thamus  und  der  Ab  kommen  in  der  Bibel 
nicht  vor.  *  Das  erste  Woit  findet  ^ich  zwar  Hesekiel 
VIU,  14,  aber  als  Name  eines  Götzen  '). 

Der  E]ul*ist  Nehemia  VI,  15  erwähnt. 

Der  siebente   Monat  wird  dfters  genannt,  z.B. 
Esralll,  1,  Nehemia  Vm,  2,  jedoch  noch  nicht  un- 
ter seinem  jetzigen  Namen,   der  übrigens  schon  beim 
,   losephus  und  andern  Schriftstdlern  ans  dieser  Fe- 


•)    Commentar  zu  2.Mo».Xn,i  (205). 
*)    Em«  Nötis  über  denscibsn  gibt  Maimoniiles.,   Moit 
neboMm  P.m,  c.29,  S.I58. 


Hbbaäer»  511 

riode  vorkonunt.  In  fjrttfaerer -  Zeit  hiels  er  Etha-' 
nim(495>. 

Der  Marcheschvan,  wofiir  die  Thalmudiflten 
nnd  neuem  Juden  häufig  *pOti  Cheschvan  sagen:,  kommt 
in  der  Bibel  nicht  vor.  losephus  nennt  ihn  Mtxpccud^ 
vtj5  (401)*    Früherhin  führte  er  den  Namen  Bul(495). 

Der  Kisley  wird  Zacharias  YII,  1,  Nehemia 
ly  1  und  l.Makk.I,  57  erwähnt,  an  der  ersten  Stelle  als 
neunter  Monat. 

Der  Tebeth  findet  sich  Esther  II,  16  als  der 
zehnte; 

DerSchebat:  ZachariasI,?  ab  der  elfte,  und 

Der  Adar:  Esther  III,  7  und  13,  YIII,  12  und 
IX,  1  und  2.  Makk.  XVy37  als  der  zwölfte  Monat 
aufgeführt.  Letzterer  kommt  auch  Esra  YI,  15  vor, 
in  welchem  Buche  sich,  wie  im  Propheten  Haggai 
und  anderswo,  die  Monate  sonst  immer  noch  nach  alter 
Weise  mit  den  Ordnungszahlen  bezeichnet  finden. 

Der  Schaltmonat  wird  auch  in  dieser  zweiten 
Periode  noch  nirgends  erwähnt  ^) ,  wenn  gleich  nicht 
zu  zweifeln  ist,  dafs  er  längst  vorhanden  war  '). 

Der  Liebhaber  von  Etymoli^ien  findet  reichliche 
Befriedigung    in    dem    Corollarium    des    Christoph 

^)  Selbst  nicht  im  Thargum  Scheni,  wo  sich  (Est her  111,7) 
das  erste  Tolktandige  Verzeichnifs  der  jetzigen  Monatsnamen  findet. 

^)  In  dem  Worte  ü-^tro kej'amim,  etwa  in  den  Tagen,  wo- 
durch Esther  IX,  22  die  Zeit  der  Feier  des  Purimfestes  bezeich- 
net wird,  wollen  mehrere  jiidbche  Commentaloren ,  besonders 
Aben  Esra,  eine  Anspielung  auf  den  Schahmonat  finden,  weil 
es  sonst  ^Brnrabejamim,  in  den  Tag^n,  heifsen  müfste.  Dieses 
Fest  wird  nämlich,  wie  wir  unten  sehen  wei^n,  bald  im  zwölf- 
ten, bald  im  dreizehnten  Monat  gefeiert^  je  nachdem  das  Jahr 
ein  Gemein«-  oder  ein  Schaltjahr  ist. 


613  Teelmisehe  Chronologie. 

Beaedict  Michaelis  über  die  hebräiachen,  du]- 
däiicben,  anbischen,  äthiopischen  und  koptischen  Ho- 
nslsnAmen,  welches  sein  Sohn  Johann  David  seiner 
Abhandlung  über  die  Monate  der  Hebrfter(487) 
beigefu{{t  hat. 

Wie  man  während  des  sweiten  Tempels  die  Ikuer 
der  Monate,  die  nodi  immer  keine  festgesetzte  war, 
bestimmt  habe,  ersehen  wir  aus  dem  ihahnudischen 
Tractst  Rosch  luuchanah  *)  und  ans  des  Maimonides 
Kiddusch  hachodesch*)^  woiaus Nachstehendes  geschöpft 
ist').  So  hinge  der  grolse  Rath  — Sanhedrin  — 
seinen  Sits  lu  Jerusalem  hatte  (bis  lur  Zerstörung  des 
Bweilen  Tempek),  berechnete  man  den  Eintritt  des  Neu* 
mondes  so  gut  man  konnte ;  man  sah  es  ^aber  gern, 
wenn  vor  Bekanntmachung  des  Neumondfestes  wenig- 
itens  swei  {^ubwürdige  Ifinner  vor  dem  Rath  erschie- 
nen und  aussagten:  um  die  und  die  Zeit  haben  wir 
den  Neumond  gesehen.  Wurde  derselbe  am  JOsten 
Monatstage  angemeldet,  so  eiUttrte  der  Rath  den  abge* 
ku&nen  Monat  för  mangelhaft  — ntn  chassar^ 
und  weihte  den  neuen  mit  dem  Ausruf  geheiligt! 
ein,  den  das  Volk  sweimahl  wiederhohlte.  Erfolgte  aber 
am  30sten  Tage  noch  keine  Anzeige,  so  legte  man  den« 
selben   noch  dem  alten  Monat  bei  und  erklärte  diesen 


•)    BLi3  ff. 

*)  />«  consecrations  Calendamm  c.  1  ff  Dieses  Hauptwok 
fiir  die  jüdische  Zeitrechnung  hal  Lud.  de  Gompiegne  deVeil 
augleich  mil  der  Schrift  De  sacrißciis  desselben  Verfassers  in  < 
lateinischen  UebeiwUung  ans  Licht  gestellt.    London  1683,  4. 

')    GrolsentheU«  mit  Hrn.  Bendayid's  Worten.     £ 
schätzbare  Schrift:   Zur  Berechnung  und  Geschichte  des 
jüdischen  Kalenders  (Berlin  1817,  8)  S. 7  und  10. 


Hbbräbr.  513 

fnr  yoll — m^s  rnale  — ,  ohne  den  neueii  Monat^  der 
ohne  weitere  Anmekhmg  mit  dem  fdgendea  Tage  Be- 
gonnen wurde ,  einzNiweihen.  Da  nun  anf  diese  Webe 
bei  trüber  Witterung  leicht  zwei  oder  mehr  dreifsigtä'- 
gige  Monate  auf  einander  folgen  konnten,  wodurch 
sich  der  Kalender  gegen  den  Himmel  Verschoben  haben 
wüixle,  so  setzte  man  fest,  dafs  das  Jahr  nicht  weniger 
als  vier  und  nicht  mehr  als  acht  voUe  Monate  erhalten 
solle  ^).  Am  ersten  H^age  jedes  Monats  mufste  zu  Jeru>* 
salem  ein  Opfer  dargebracht  und  sonst  überall  ein  Ge^ 
bet  verrichtet  werden.  Auch  hing  von  der  Bestimmung 
dieser  Tage  die  Feier  sämmtlicher  Feste  ab.  Es!  kam 
also  darauf  an,  die  Kunde  davon  überallhin  möglichst 
schnell  zu  verbreiten.  Dies  geschah  anfangs  durch  Signal- 
feuer,  die  man  auf  den  Bergen  anzündete,  und  als  Mifs- 
brauch  damit  getrieben  wurde,  durch  ausgesandte  Boten. 
Letzteres  Mittel  war  jedoch  unzulänglich,  da  sich  zur 
Zeit  des  zweiten  Tempels  viele  Juden  auiserhalb  Palä- 
stina, in  Syrien,  Aegypten  und  anderswo,  niedergda»- 
sen  hatten,  zu  denen  die  Kunde  auf  diesem  Wege  nicht 
schnell  genug  gelangen  konnte.  Es  wurde  also  festge- 
setzt, dafs  überall,  wohin  die  Boten  nicht  zu  rechter 
Zeit  kamen,  nach  Ablauf  von  29  Monatstagen  der  fol- 
gende onn  tSHTi  rosch  chodßsch,  Neumond,  heilsen 
solle.  War  nun  der  abgelaufene  Monat  mangelhaft,  'so 
galt  der  Rosch  chodesch  für  den  ersten  Tag  des  neiien 
Monats;  war  er  hingegen  voll,  so  führte  sein  letzter 
Tag  diesen  Namen,  und  es  wurden  dann  zwei  Tage  mit 
demselben  beaeichnet,  der  leUte  Tag  des  abgelaufenen 


')    Thalmud  Erichin  El. 40,  S.2.     Jetzt  können  in  einem 
Jahr  nicht  weniger  als  fünf  Tdle  Monate  sein. 

I.  [331 


514  Technkehe  Chronologie. 

MoDtts  und  der  erste  des  neuen.  Zugleich  wurden  alle 
wichtige  Beste ,  nttmlich  der  erste  und  leUte  Tag  do 
Passah,  das  Wochenfest,  das  Neujahrsfest  und  der  erste 
und  letzte  Tag  des  LauUiüttenfestes  verdoppelt^  damit, 
wenn  in  den  Provinzen  ein  mangelhafter  Monat  für 
ToU  oder  umgekehrt  genommen  worden  war,  das  Fest 
wenigstens  an  einem  von  beiden  Tagen  übeiaU  xugieich 
gefeiert  werden  möchte.  Diese  Einrichtung  besteht  bis 
auf  den  heutigen  Tag,  ungeachtet  die  Dauer  der  Uopate 
jetzt  völlig  bestimmt  ist ,  also  über  den  regten  Tag 
der  Feier  eines  jener  Feste  weiter  kein  Zweifel  obwal- 
ten kann.  Da  sie  aber  blofe  für  die  entferntem  Wohn- 
sitae  der  Juden  getroflen  war,  so  sind  in  Palästina  seihst 
die  Feste,  das  des  Jahranfanges  ausgenommen,  von  je- 
her nur  einen  Tag  gefeiert  und  die  Rosch  chodesck 
nicht  verdoppelt  worden. 

*Wir  wollen  nun  sehen,  wie  sich  die  mosaischen 
Feste,  noch  immer  die  wichtigsten  der  Juden,  in  der 
zweiten  Periode  ihrer  Zeitrechnaog  gestaltet  haben,  und 
welche  neu  hinzugekommen  sind. 

„Im  Xanthicus,  sagt  losephus^),  dem  ersten 
,, Monat  des  Jahrs,  den  wir  den  Nisan  nennen,  und 
„zwar  am  vierzehnten  nach  dem  Monde,  während  sich 
„die  Sonne  im  Widder  befindet,  bringen  wir  das  Opfer 
„dar,  weldies  Pas  sah  genannt  wird."  Man  sieht, 
dafii  hier  das  Wesen  des  gebundenen  Mondjahrs  der  Ja- 
den deutlich  ausgesprochen  ist.  Der  vierzehnte  des 
Mondmonats,  die  quarta  decima  bma,  ist  der  Tag  des 
YoUmondes,  auf  den  Philo  ausdrücklich  das  Passahfe5t 


')    Die  Stelle  ist  idion  oben  einmahl  (401)  angezogea  worden. 


HSBHABR,  616 

seut  *).  99 Am  fiui£Eehnten,  heifit  es  beim  losephus 
,, welter,  folgt  auf  das  Passah  das  Fest  der  unge- 
,, säuerten  Brote  -«-1}  rwv  o^ujutcüv  kopn^ —  an  wekhem 
,f  nichts  gesäuertes  gegessen  werden  darf."  Es  findet 
sich  auch  kurz  rot  al^ofui  genannt,  z*B.  beim  Evange- 
listen Marcus  Xiy,  1.  Seit  der  vorhin  gedachten  Ver- 
doppelung  der  Hauptfeste  wird  es  acht  Tage  lang  gefeiert, 
von  denen  jedoch  nur  der  erste,  zweite,  siebente  und 
achte,  also  der  15,  16,  21  und  22ste  Nisan,  Sabbathe 
oder  eigentliche  Feiertage  sind. 

Dieses  Festes  wird  in  der  Leidensgeschichte  Christi 
öfters  gedacht,  unter  Beziehungen,  die  hier  nicht  no!^ 
berührt  bleiben  dürfen. 

Aus  allen  Umständen  erhellet  auf  das  bestimmteste, 
dafs  Christus  und  seine  Jünger  das  Passah,  wie  es  auch 
die  Kii*che  annimmt,  an  einem  Donnerstage  gegessen 
haben.  Dieser  Tag  wird  beim  Lucas')  durch  i^ixipa 
TcKv  a^vjuttiv,  und  beim  Matthäus^)  und  Marcus*) 
dui*ch  TTpu^  -^iiipoL  Twv  dJ^vfJtüDVy  den  ersten  ^^ag  der 
ungesäuerten  Brote,  bezeichnet.  Aus  dem  Zusatz 
beim  Lucas:  h  ji  Idei  J^ecrB'fiu  to  Truo'XO'y  &n  welchem 
das  Passah  geopfert  werden  mufste,  geht  klar 
hervor,  dafs  der  14.Nisan  gemeint  ist.  Es  war  also 
eigentlich  der  Tag  vor  Anfang  der  a^vjua,  gegen  dessen 
Schlufs  — been  htuirbäim,  wie  wir  oben  (483)  gesehen 
haben  —  ,  das  Osterlamm  gq|;essen  wurde.     Dieser  Tag 


*)     Fita  Mosis  l.m,  p.686. 

»)  xxn,7. 

^)    XXVI,  17. 

*)    XIV,  12. 

[33*1 


616  Technische  Clironidogie. 

kann,  wenn  es  gleich  nicht  gans  gewShnlicli  ist,  tu  den 
äiiyeu;  gerechnet  werden,  weil  sich  die  Juden  schon  ^on 
9  Uhr  Morgens  an  des  gesäuerten  Brotes  sn  enthalten 
pflegen.  Es  leidet  ^lun  aber  hiernach  keinen  Zweifel, 
dafs  die  drei  gedachten  EvangClisien  den  am  folgenden 
Freilage  Sutt  gefundenen  Tod  Christi  auf  den  15.  Ul- 
san oder  den  eigentlichen  An&ng  der  indischen  Ostern 
gesetzt  haben  *).  Dieser  TodesUg  wird  von  allen  Eyan- 
gelislen')  vapaffxvsj^  genannt,  was  Marcus  durch  vpo- 
fftt)3ßaroy,  den  Tag  Tor  dem  Sabbath,  erklärt  und 
Luther  durch  Rüsttag  übersetzt*  Es  ist  das  he- 
bräische n»  W»  ereb  scliobbaih.   Abend  des  Sab- 


^)  Das  alldeutsche  Wort  Ostern,  das  ich  hier  nach  Luther*s 
Bibelübersetzung  (z.B.  Lucas XXII,  1)  vom  jüdischen  Feste  ge- 
brauche, bt  bestrittenen  Ursprungs.  Man  Tergleicfae  nur  Scbil^ 
ter*i  und  Wachter*s  Glossarien.  Die  gewohnh'chste  Meinung 
bt,  dafii  es  von  untan,  das  in  der  äitesien  germanischen  Sprache 
aufstehen  gebeifsen  habe,  abzuleiten  ta.  Beim  B e d a  findet 
«ich  eine  Notiz,  die  mir  gar  nicht  verwerflich  zu  setn  scheint; 
wenigstens  kann  man  ihm  zutrauen,  dafs  er,  im  achten  Jahrhun- 
dert unserer  Zeitrechnung  lebend ,  Ton  dem  Factum ,  das  er  mit 
so  vieler  Bestimmtheit  anluhrt,  genaa  untenichtet  war.  Er  sagt 
nämlich  De  tempontm  ratione  c.  13:  EosturmonatJk,  qui 
nunc  paschalis  mensis  inierpretalur ,  quondam  a  dea  Ulorum 
(veterum Anglorum)  quae  Eostre  vocabalur,  et  cui  in  illo 
Je$ta  ceUshrabatU,  nomen  kabuh;  a  cuius  nomine  nunc  pascfutle 
lemput  c^gnominant,  consuetae  antiquae  observationis  vocu- 
buio  gaudia  novae  solemnilatis  vocantes.  Wer  es  nicht  glaub- 
lich findet,  dafs  die  altdeutschen  Christen  den  Namen  eines  ihrer 
Hauptfeste  Ton  einer  Göttinn  ihrer  heidnischen  Vorfahren  entlehnt 
haben  sollten,  denke  nur  an  die  germanischen  Namen  der  Wochoi- 
Uge,  die  entschieden  Ton  heidnischen  Gottheiten  herstammen. 

»)    Mttth.XXVn,62;   Marc.XY,  42;   LncafXXin,  54; 
Johann.  XIX,  31. 


Heb  A  A£B*  617 

baths,  womit  eigentlich  die  spätere  Tageszeit  des  Frei* 
tags,  auch  wol,  irle  hier,  der  ganze  Freitag,  gemeint 
wird.  Der  Ausdruck  kommt  auch  beim  losephus^) 
vor  in  einem  Edict  des  Kaiser  Augustus,  worin  den  rö- 
mischen Präfecten  im  Orient  Schonung  der  Juden  ge- 
boten und  unter  andern  festgesetzt  wird,  dafs  sie  nicht 

am  Sabbath  oder  an  dem  vorhergehenden  Rüst- 
tage von  9 Uhr  an,  vor  Gericht  gefordert  werden 
sollten.  Es  werden  hier  die  im  ganzen  Allerthum  ge^ 
brftuchlichen  yeränderlichen  Stunden  (84)  gemeint,  die 
durehgehends  im  neuen  Testament  vorkommen,  z.B. 
in  der  Parabel  vom  Säemann,  so  dafs  ihr  Gebrauch 
bei  den  damaligen  Juden  nicht  zu  bezweifeln  ist,  daher 
sie  auch  hin  und  wieder  bei  den  Chronologen  den  Na- 
men der  jüdischen  führen  ').  In  dem  Edict  ist 
also  nach  unserer  Weise  von  3  Uhr  Nachmittags  die 
Rede,  wo  der  eigentliche  Ereb  schabbath  seinen  Anfang 
nahm. 

Christus  verschied ,  wie  Matthäus  berichtet  ^ >, 
um  die  neunte  Stunde;  und  da  es  nun  Abend  ge- 
worden war  — &\fiaji  y^voulvr^i; —  wie  es  bei  eben  die- 


*)    jint.  lud.  XVI,  6, 2. 

')  Z.B.  in  Wolfs  Eiern,  chronol,  s.24.  Noch  Maimo- 
nides  (im  zwölfien  Jahrhundert  n.Chr.)  scheint  sie  anzuerken- 
nen, wenn  er  in  seinem  obgedachten  Kiddusih  havhodesch  c.6, 
S*  2  sagt :  „Tag  und  Nacht  haben  zusammen  24  Stunden,  von  denen 
„12  dem  Tage  und  12  der  Nacht  angchöi*en."  Man  sieht  abei* 
aus  dem  weitem  Verfolge,  dafs  ei*  die  gleichförmigen  Stunden 
meint,  sich  also  hiei*  nicht  ganz  angemessen  ausgedrückt  bat« 

>)    XXVn,46,50. 


618  Technische  Chronologie. 

■em  Efangditten  weiter  heiik  ^),  erbat  sich  Joseph  Ton 
Arimathä«  dea  Leichnam,  nm,  iha  beizuseUen.  Of- 
fenbar ist  hier  yon  den  spätem  Standen  des  Freitags 
die  Rede  (wo  noch  gearbeitet  werden  durfte).  Marcus 
sagt  dies  ausdrücklich  mit  den  Worten  ') :  xeä  f^dy}  o^na^ 
Y^oniyrj^i  imi  r^v  irapoaxitn},  als  es  Abend  geworden 
war,  denn  es  war  Rasttag.  Wenn  Lacas  bin- 
sosetxt'):  xeH  ffdßßarov  lyri^fvaxiy  so  muis  dies,  wie 
Grotius  bemerkt,  für  ejuuXXsv  ivt^oxEty,  der  Sonn- 
abend wollte  so  eben  anbrechen,  genommen 
werden.  Der  jüdische  Tag  fing  mit  Sonnenuntergang 
an,  und  ba^oiama  kann,  wie  dieser  Ausleger  seigt,  eben 
ao  gut  vom  Anbrach  der  Nadit,  wie  von  dem  des  Ta- 
ges, gesagt,  also  auch  vom  Anfange  des  bürgerlichen 
Tages  der  Juden  gebraucht  werden* 

Den  Sabbath  oder  Sonnabend  hindurdi  lag  Ckri^cns 
im  Grabe;  aber  am  ersten  Wochentage,  »m  Sonn- 
tage, mit  der  frühsten  Dämmerang  erstand  er. 
Dieser  Zeitpunkt  wird  bezeichnet  von  Matthäus  durch 
&ß  p-aßßdrxVf  rp  imufHvaxo&rri  ci;  (Aittv  o-oßßaTwv,  von 
Marcus  durch  xpoü  ^pwvfi  a-aßßivoo,  von  Lucas  durch 
7^  lu^  rwf  e-aßßdru»  op^pw  ßa^o^,  von  Johannes 
durqh  Tp)  juif  Twy  a-aßßarwv  irpm  OKortag  in  cvoji^  ^).  Mia 
für  irpwTrj  a-aßßdrw»  ist  ein  Hebraismus,  nach  der  Analo- 
gie von  irwecAa^,  eins,  für  ymn^  nschon,  der  erste  ^). 


')    T.57. 
•)    XV,  42. 


,    XXin,  54. 

*)    Matth.XXVm,  I;   Marc.XVI,9;   LucasXXIV,i; 
Joh.XX,  I. 
■}    i. Mos.  1,5. 


Hbbräba»  619 

Das'ptf/^  außßdrwv'  beim  Afatthäu«  läist  sich  nach 
Grotius  am  ein&chsten  durch  exacta  dierum  hehdo* 
made^  nach  Ablauf  der  Woche,  übersetzen.  Er 
erläutert  diesen  Gebrauch  des  oif/k  durch  Stellen  des 
Flutarch  und  anderer  Autoren.  ' 

Man  sieht,  wie  gut  diese  Zeitbestimmungen  zusam- 
menhangen. Es  iragt  sich  nur,  auf  welchen  Wochentag 
hier  der  15.  Nisan,  der  erste  Ostertag  der  Juden,-  sa 
setzen  sei.  Bekanntlich .  sind  die  Meinungen  der  £xe* 
geten  über  diesen  Punkt  von  jeher  getheilt  gewesen. 
Man  wird  es  einem  Laien  erlauben,  sich  in  Folge  sei- 
ner chronologischen  Untersuchungen  auch  hierüber  alis- 
spi^echen  zu  dürfen. 

Dais  die  drei  ersten  Evangelisten  zum  15«  Nisan 
klar  den  Freitag  machen  >  ist  schon  bemerkt  worden« 
Aber  der  heutige  Kalender  der  Juden  ist  so  geordnet^ 
dafs  der  15.  Nisan  niis  auf  einen. Freitag  tref- 
fen darf.  Man  kann  zwar  sagen,  es  sei  dies  eine  Be- 
stimmung, die  erst  nach  ihrer  Zerstreuung  •  mit  der 
endlichen  Gestaltung  ihres  Kalenderwesens  in  ihr  CCp- 
remonialgesetz  gekommen  sei.  Allein  es  bt  schwer  :za 
glauben ,  daÜs  die  Urheber  der  cyklischen  Rechnung 
in  einem  so  wesentlichen  Punkt,  wie  die'  Festsetzung 
der  Woclientage'  ihrer  Hauptfeste  war,  von  einem  ur- 
alten Herkommen  abgewichen  sind;  vielmehr  gibt  alles 
zu  erkennen,  dafs  gerade  dadurch  die  so  verwickelte 
cyklische  Rechnung  erst  bedingt  worden  ist.  Femer 
wird  im  Thalmud  ausdrücklich  von  den  Feiertagen  ge- 
sagt: p^hV/o  danin,  man  richtet.an  ihnen  nicht^}. 
Dazu  kommt  nun  noch,  dais  Johannes»  Christi  Jünger 


')    Traktat  J^exa  B1.36,  S.9. 


520.  Technische  Chronologie. 


und  Aujpiiitiige  aeiiieft  Todes,  dm  Festsabbatli  auf 
eine,  wie  mich  dankt,  unverkeniiliche  Weise  mit  dem. 
TTochensabbatK  verbindet.  Ersüick  sagt  er*),  die 
Juden  wären  nicht  zu  Pilatus  ins  Richthaus  gelangen, 
damit  sie  nicht  verunreinigt  wurden  und  das  Passah 
essen  könnten  (das  doch  Christus  nadi  den  drei  andern 
Evaagelisten  beieits  am  Abend  vorher  gegessen  hatte). 
Zweitens  nennt  er  ')  die  mipaoiavrjf  an  der  Christus 
gekreuzigt  wurde,  ^opocKfui]  roü  nd^x^^  ^^  nsi'äi  jü- 
dischem Spnchgebrauch  nichts  anders  heilsen  kann,  als 
Ereb  pesach,  der  Tag  vor  dem  Passahfeste  ^). 
Endlich  eraihlt  er*),  die  Juden  hätten  den  Pilatus  um 
Erlaubnifs  gebeten,  den  Gekreuzigten  die  Beine  zu  brechen 
(d«  i#  sie  auf  jeden  Fall  zu  tödten) ,  damit  nicht  während 
des  Sabbaths  ihre  Körper  am  Kreuze  blieben;  denn 
es  *war  Rasttag  und  jener  Sabbath  war  ein  be- 
sanders  heiliger  -^  {tci  mtpcuncsui}  ^v  f^v  yap  f»jeyakr\  7J 
iffit^oaJxcivijTcv^Sßaroo—  was  sidi  ganz  natürliefa  durch 
dieTorausseteung  erklärt,  da(s  der  Festsahbaüi  mit  dem 
Wochensabbath  zusammentraf.  Dies  ist  auch  Grolius 
Ansicht,  der  zu  dieser  Slelk  sagt:  In  sahhatum  üici- 
tlebsU  dUs  maxitne  Jestus  pascliaüs;  ita  festinabant 
fioft  modo  ob  sahhatum,  sed  et  ob  pascha.  Es  scheint 
also  niefau  weiter  übrig  zu  Meiben,  als  anzunehmen, 


•)  xvm,  28. 

')    XIX,  14. 

*)  MerWUrdig  bt  ^,  dafs  auch  der  Thalmud  bestimmt  sagt 
(Sanhedrin  B1.43,  S.l,  nack  der  alten  Tenetianischen  Ausgabe]: 
w^  ima^n  nea  a-m  heereb  pesach  taUtuku  lejiscku,  am  Ereb 
pesack  haben  sie  den  Jesus  gekreuzigt. 

*)    XIX,  31. 


Hbbbäbr.  521 

l)daf5  Christus^  yorheneheadi»  er  werde  in  dar  näch- 
sten Nacht  in  die  Hände  seiner  Feinde  fallen,  das  Oster- 
lamm  um  einen  Tag  früher  gegessen  habe,  als  es  die 
Ceremonialgesetze  der  Juden  mit  sich  brachten,  :nnd 
2)  dafs  sein  Todestag  von  den  drei  ersten  Eyangelusten, 
die  sich  vielleicht  von  dieser  Abnormität  nicht  über- 
zeugen konnten,  auf  den  15.  Nisan  gesetst  sei,  da  er 
doch  eigentlich  auf  den  I4ten  traf. 

Das  am  fünfzigsten  Tage  nach  dem  Feste  der  un- 
gesäuerten Brate  einfallende  Ernte-  oder  Wochen- 
fest (497)  ist  jetzt,,  wo  dieMopate  ihre  bestimmte  Dauer 
haben,  an  den  6ten  und  7*  Siyan  geknüpft.  Die  Feier 
durch  zwei  Tage  mufs  schon  vor  der  Zerstreuung  der 
Juden  aufgekommen  sein.  Philo  übersetzt^)  den.ge^ 
wohnlichsten  hebräischen  Namen  dieses  Festes  durch : 
ioprri  rwy  ißdojuadcoy,  Fes.t  der  Wochen,  wofür  der 
Verfasser  des  Buchs  Tobias  dyia  i;rra  ißio\iaim-^  Fest 
der  sieben  Wochen,  sagt').  Auch  findet  sich  bei 
den  Kiix^henscribenten  häufigieopni  Tq<;  myrrpto^i;^  Fest 
des  fünfzigsten  Tages,  oder  kurz  m:»nf\Ko^^  Pen- 
tecoste,  woraus  unser  Pfingsten  geworden  ist.  Noch 
eine  Benennung  war  nach  losephus  ^)  da-ap^ei  Dies 
kann  nichts  anders  sein,  als  das  hebräische  ima»  aze^ 
reih,  Festversammlung,  welches  vorzugsweise  vom 
aditen  Tage  des  Laubhüttenfestes(500),  aber  auch  S.Mos. 
XVI,  8  vom  letzten  Tage  des  Festes  der  ungesäuerten 
Brote  gebfaui:ht  wird,  und. vielleicht  eine  gemeinschaft- 
liche Benennung  aller  FesisabbaUie  war. 


*)    De  septenario  €t/estis  p.ii74. 

'}    n,  i  und  daselbst  Hin.  II  gen 's  Anmeriiukig. 

')    Ani.  lud.  m,  iO,  6. 


522  Technische  Chronologie* 

Der  An&Dg  des  siebeiiteii  Monau,  des  Thiidiri, 
der  durch  d«s  Posannenfest  — cakmyyunf  iopnjy  ine 
CS  Philo  nennt  *)^  und  durch  mehrere  auf  die  Er- 
hslcung  und  WohlGthrt  des  Gemeinwesens  ahzwedkende 
Einrichtungen  schon  Ittngst  ausgeseichnet  gewesen  war, 
wurde  nach  der  Rückkehr  der  Hebräer  ^ns  der  Gelan- 
gensdiaft  die  Epoche  ihres  bürgerlichen  Jahrs. 
Dieser  Zeitpunkt  scheint  für  sie  dadurch  eine  besondere 
Wichtigkeit  .erlangt  su  haben ^  dals  an  ihm  tum  ersten- 
mahl  wieder  auf  dem  Lokal  des  noch  in  Ruinen  liegen:- 
den  Tempels  ein  Bnindopfer  nach  alter  Weise  darge- 
bracht und  dem  versammelten  Volke  das  Gesets  voige- 
lusen  wurde  ')•  So  erhielten  sie  mit  den  übrigen  'Völ- 
kern Syriens  einen  gleichen  Jahranfang  (431).  Die  al- 
tere Epoche  trat  nun  allmfilig  in  den  Schatten.  Doch 
finden  wir  in  den  Büchern  des  allen  Testaments,  die 
nach  der  Deportation  abgefafst  sind,  die  Jahre  der  He- 
genien  und  die  Monate  der  Feste  noch  immer  vom  Ni* 
san  gesablt,  daher  der  Thalmnd  den  Neumond  des 
Nisan  den  Jabranfang  für  die  Könige  und  Vesle  nennt  ^). 
losephus  ist  der  erste  auf  uns  gekommene  jüdische 
Schriftsteller,  der  die  Monate,  wenn  er  sie  ohne  Beaie- 
hung  auf  die  Feste  erwähnt,  nach  sjromaoedonischer 
Weise  vom  Thischri  oder  HyperberetMus  an  rechnet. 
So  läfst  er  ^)  die  Sündfluth  im  Marcheschvan  oder  Dius 


*}  A.a.O.  S.!I93.  Zagleich  bedieat  er  skh  des  Ausdrucks 
ltpofAi)v/a,  der  offenbar  einen  Neumond  beaeichneii  sott,  der  zu- 
gleich ein  Sabbath  ist. 

*)    Eiram.l  ff.     Nebemiayn,7d  ondYm,i  ff. 

')    Bosch  hasehanah  H.  I . 

')    ArU.  lud.  1,3,3. 


H  B  B  k  A  E  R  .  623 

anfangen ,  weQ  es  in  der  Genesis  heifst  ^} ,  dafs  sie 
im  zweiten  Monat  eingetreten  sei,  anf  welche  Zusaiü- 
menstetlung  vornehmlich  sich  Michaelis  nnd  andere 
gründen,  wenn  sie  den  Neumond  des  Thischri  zur  äl- 
testen Jahrepoche  der  Hebräer  machen  (492).  Die  Neix- 
jahrfeier  wird  durch  zwei  Tage  fortgesetzt. 

Die  hesondere  Heiligkeit  desYersöhnungstages^ 
des  zehnten  im  siebenten  Monat,  bezeugt  auch  Philo  ^). 
Er  nennt  ihn  vrig-^ta^  iof^rq^  das  Fest  des  Fastens, 
sei  es,  dafe  er  ihm  vorzugsweise  diesen  Namen  beilegt, 
oder  da(s  damals  die  andern  Fasttage,  die  wir  gleich 
kennen  lernen  werden,  wenig  oder  gar  noch  nicht  be- 
obachtet wurden. 

Der  fünfzehnte  Tag  des  siebenten  Monats,  wo  es, 
wie  sich  losephus  ausdiückt  ^),  gesetzlich  war,  crxTiyi; 
^yyxxr^ou  xard  oöctav  ?Ka^ov,  dafs  jeder  in  seinem 
Hause  Hütten  oder  Zelte  aufschlage,  wird  von 
hellenistischen  Schriftstellern  ax.y\voitT(/i(u  *),  a^vwfxaTa  *), 
ioprff  rwv  crxrivCSv  oder  kurz  (Tkyivoli  *)  genannt.  Die  erste 
Benennung  kommt  auch  in  einer  zu  Berenicc  in  Cyre- 
naica  gefundenen  Inschrift  bei  M  äff  ei  vor  ^) ,  welche 
also  anfängt:  *Etcv5  ve'  ^aw^  ke'  ItA  avKKoyov  rfjg  ö-ktjvo- 


*)  vn,  11. 

')  A.a.O.  S.  1194. 

0  ^nt.  lud.  m,  10,  4. 

*)  1.  Mtkk.  X,  21.    Et.  Joh.  VH,  2. 

»)  2.Makk.  X,  6. 

^)  Philo.  p.ll95.     PI  Uta  rch  bedient  lieh  in  i^eichem  Sinn 
des  Singulars  cKifvii.    Sjrmp»  IV,  6,  2. 

')  Mus.  reron,  p.CCCXXV. 


b2A  Technisch^  Chronologie. 

inf/(a^,  im  SSsten  Jahr  am  25.  Phaoplii  zur  Zeit 
der  Laabliiittenyerftammlung.  Das  Jahr  scbeinl 
aich  auf  die  akzandrinische  Aere  des  August  zu  bezie- 
hen (155),  und  in  diesem  Fall  gehört  die  Inschrift  in 
das  Jahr  vom  29.  August  25  bis  dahin  26  n.  Chr.  Es 
kann  aber  auch  irgend  eine  Lokaläre  gemeint  sein.  Der 
25.  Phaophi  der  Alexandriner  entspricht  dem  22.  Oktober 
des  julianischen  Kaleoders,  der  dem  jetzigen  19.  Oktober 
analog  ist,  und  hieraach  hat  das  jüdische  Jahr  um  den 
.5.  Oktober  angefangen,  iivelches  Datum  eine  der  bei- 
den Grenzen  bildet ,  zwischen  denen  sich  der  AnCsrng 
des  jüdischen  Jahrs  noch  jetzt  bewegt.  Seitdem  es  ge- 
brttuchlich  ist,  die  jüdischen  Hauptfeste  zu  wiederhohlen, 
wild  das  Laubhütienfest  am  15,  16,  22  und  23.  Thischri 
gefeiert« 

Zu  diesen  Festen  sind  in  der  zweiten  Periode  der 
hebräischen  Zeitrechnung  noch  die  Tempel  weihe, 
.das  Purimfest  und  vier  Fasttage  gekommen. 

Die  Tempelweihe  ist  von  Judas  Makkabäus  am 
25.  Kislev  eingesetzt  worden ,  zum  Andenken ,  daCi  er 
nach  einem  im  Jahr  148  der  seleucidischen  Aere  über 
die  Syrer  erfochtenen  Siege  an  diesem  Tage  den  von 
Antiochus  Epipfaanes  drei  Jahre  zuvor  verwüsteten  und 
verunreinigten  Tempel  wiederhergestellt,  gereinigt  und 
eingeweiht  hatte  *).  Der  hebräische  Name  des  Festes 
ist  rosn  clumikkah,  Einweihung,  von  der  Wurzel 
yif^chanach,  weihen,  und  hiervon  ist  das  iyxeuvui  beim 
Evangelisten  Johannes')    die   UeberseUung.      Noch 


>)    l.Makk.IV,52ff.,  Tergl.  mit  l.Mskk.  1,57  und  62  und 
mit  2. Makk. X,5.    loiephoi  stimmt  hiemiit  übcrain (401). 
»)    X,22. 


Heb  A  ABR.  525 

jetzt  Wild  es ,  wie  ursprünglich  *) ,  aeht  Tage  lang  ge^ 
feiert;  die  ganze  Feier  besteht. jedoch  klofs  in  Absin* 
gang  des  grofsen  Halleluja  —  Vin>n  VVn  haüel  ktkgadol-^ 
und  Einschallung  eines  Dankgebets  In  das  tägliche  Sche^ 
mona  esre.  Am  ersten  Tage  des  Festes  wiixi  ein  Licht, 
und  an  jedem  folgenden  eins  mehr  angezündet,  daher 
es  losephus^)  *wTa,  Fest  der  Lichter,  nennt.  • 
Von  der  Veranlassung  und  Einsetzung  des  Pu- 
rimfes^tes,  jetzt  gewöhnlich  Hamansfest  genannt, 
handelt  das  Buch  Esther.  Haman,  Günstling  und 
Minister  des  Königs  Ahasyeros,  hatte  den  Befehl 
ausgewirkt,  dafs  sämmtliche  Juden  im  persischen  Reich 
am  13.  Adar  ermordet  werden  sollten.  Allein  durch 
Esther 's,  der  Gemalinn  des  Königs,  einer  Jtidinn, 
Einfluis  wendete  sich  das  Blatt;  Haman  wiixl  das  Op* 
fer  und  die  Juden  ihrarseits  erhalten  von  dem  allzu« 
gutigen  Monarchen  die  Erlaubnifs,  nach  Gefallen  ihre 
Feinde  zu  morden.  Sie  thalen  dies  an  demselben  Tage, 
der  zu  ihrem  Yei'derben  ausersehen  war,  und  ergaben  sich 
an  dem  folgenden  14.  Adar  der  Fi^ude.  Es  wurde  nun 
beschlossen,  da(s  dieser  Tag  für  immer  als  ein  Dank- 
und  Fi'eudenfest  gefeiert  werfen  und  den  Namen  o'^n'» 
purim  erhalten  solle,  von  y^pur,  Loos,  weil  Haman 
über  die  Vertilgung  und  Ausrottung  der  Juden  das  Loos 
geworfen  hatte  ^).  Das  Wort  mufs  ein  persisches  sein, 
was  auch  Aben  Esra   ausdrücklich  sagt  ^).      In  der 


*)     l.Makk.IV,59;  2.Makk.X,6. 

»)    Ant.  lud.  Xn,7,.7. 

»)  EsiherIX,26.  Yergl.m,7  und  Hrn.  Gesenius  Wörter- 
buch unter  ^ife. 

*)  In  seinem  Commentar  zur  ersten  der  beiden  eben  cilirten 
Stellen. 


526  Technische  Chronologie. 

jetiigeii  pcgMtrhpn  Sprache  findet  sich  swar  nichts  Ana^ 
loges  weiter,  als  etwa  9j%i  behrcp  pars,  ponio;   aber  ei 
kann  gpur  wohl  in  der  altem,  dem  Pehlevi,   ein  Wort 
gegeben  haben,  das  dem  iia  an  Klang  und  Bedeutung 
nodi  näher  kam.     Der  13.  Adar  führt  jeUt  den  Namen 
<tfM3ai  T^vmUumüh  Esther,  Fasten  Esther,   weil  an 
ihm  gelastet  wird,  welche  Bestimmung  dieser  Tag  jedoch 
erst  spät  erbalten  haben  kann;  denn  imThulmud  ist 
nodi   nicht  die  Rede   davon*).     Der  15,  Adar   heilst 
D^*ft   form  tchuschan  purim,    weil   die  Juden   in  dec 
Hauptstadt  Susa  das  Morden  noch  am  I4ien  fortgeaetit 
und  erst  am  ISten  geruht  haben  sollen  ').     Die  Feier 
hat  sich  )edoch  aufser  Susa  nie  bis  au  -diesem  Tage  er- 
streckt.    Die  Hypothese,  die  sich  Michaelis  in  sei- 
nen Anmerkungen  xn  dem  Buche  Esther   über  die 
Entstehung  des  Purimfestes   bildet,   ist  so  schwach, 
dafii  sie  nicht  angeführt  su  werden  verdien t.^  Wenn  es 
in  den  Büchern  der  Makkabaer  ^)  heilst,  der  Held 
Judas  habe  am  13.  Adar  einen  groisen  5ieg  über  die 
Sjrer  erfochten   und.es  sei  beschlossen  worden,   xum 
Andenken  an  denselben  den  Tag  vor  dem  Hamansfeste  *) 
fisierlich  su  begehen,   so  mag  dies,  so  lange  die  Juden 
selbstündig  blieben«  geschehen  sein;  nur  im  Thalmud 


')  S.  Aben  Esra  zu  Esther  K,  31  und  Kesef  Mbchne*! 
Commentiü*  tu  Maxmonides  Hilchot  tkaniih  c.  5,  S*5. 

*)     EslherIX,  18. 

•)    1.  M.kk.  vn,  43;  2.  Mskk.  XV,  36,  37. 

^)  Oder,  wie  es  «n  der  letztem  Sldle  heüjt,  vor  dem  Mar- 
docha'ifest  ~ Map^o;^aiJci}  i)/Alpa  —  nach  Mardochai,  dem 
Vormunde  «od  Venrandtea  der.  Esther  beoamit ,  der  in  dem 
Drama,  auf  das  sich  dieses  Fest  bezieht,  die  Hauptrolle  spidt. 


HsBRAfiR.  627 

und  in  den  Ceremonien  der  jetzigen  Feier  findet  sich 
keine  Andenüing  davon. 

Zu  dem  einen  von  Moses  angeordneten  Fasttage, 
dem  Yersöknun  gs  f  est,  kamen  nm  die  Zeit  der 
Rückkehr  der  Hebräer  aus  der  babylonischen  Gefan« 
genschaft  noch  vier  andere,  dem  Andenken  eben  so 
vieler  fnr  sie  unglücklicher  Tage  geweiht.  Das  Fasten 
ist  ein  uralter  morgenländisoher  Gebrauch,  dem  wir  im 
allen  Testament  Individuen  und  ganze  Gemeinden  an 
Tagen  der  Ti^übsal  und  Gefahr  freiwillig  oder  auf  obrig- 
keitlichem Befehl  huldigen  sehen  ^).  Mit  dem  Fasten 
—  Dis  zom  oder  n'^ayn  thanith  —  ist  immer  zugleich 
strenge  Bufse,  Kasteiung  und  Gebet  verbunden.  Die 
vier  gedachten  Fastlage  nun  treffen  auf  den  vierten, 
fünften,  siebenten  und  zehnten  Monat,  den  Thamus, 
Ab,  Thischri  und  Tebeth,  und  werden  in  dieser  Ord- 
nung schon  im  Zacharias  erwähnt^).  Die  Begebfsnr 
heilen,  auf  die  sie  sich  beziehen,  sind:  die  Belage- 
rung Jerusalems  unter  Nebucadnezar  im  zehn- 
ten Monat;  die  Eroberung  der  Stadt  im  vierten; 
die  Verbrennung  des  Tempels,  Zerstörong  der 
Mauer  und  Wegfiihrung  eines  grofsen  Theils  des  Volks 
nach  Babylon  im  fünften,  uad  die  Erschlagung  des 
Statthalters  Gedaljah,  auf  den  die  Hebi*äer  ihre 
letzte  Hoffnung  gesetzt  hatten ,  •  im  siebenten.  Die  Be- 
lagerung der  Stadt  nahm  nach  allen  Zeugnissen  ^>  am 


*)  Man  vergleiche  RichterXX,26;  l.Sam.Vn,6;  2.Sain. 
1,12;  l.Kön.  XXI,  12;  1.  Chron.  X,  12;  2.  Chron.XX,  3; 
Ps.XXXV,  13;    Jerem.XXXVt,  9. 

')    Vra,  19.     Vergl.  Vn,  2-6. 

*)    2.Kön.XXV,  i;:Jereji».jm,4;  JHfisek.XX£VriuÄd2. 


528  Technische  Chronologie, 

■ehnieii  Tage  des  »haten  Monats,  des^Tebeüi,  ilien 
Anfang,  und  an  diesem  Tage  ^iid  iKK^h  immer  gefiistet. 
Die  Eroberung  ist  am  nennten  Tage  des  vierten  Mo- 
nats, des  Thamus,  erfolgt*).  Mit  dem  Andenken  an 
dieselbe  verbindet  man  nigleich  das  an  die  Erstürmung 
der  Sudt  unter  Ti  tus,  und  da  letztere  am  !?•  Thamus 
geschehen  sein  soll,  so  löstet  man  jetst  an  diesem  Tage, 
zumal  da  sich  noch  andere  wichtige  Erinuemngen  an 
ihn  knüpfen  *).  Die  Zerstörung  des  Tempels  unter 
Nebucadneiar  scheint  vom  siebenten  bis  zum  zehn- 
ten des  fünften  Monats,  des  Ab,  gedauert  zu  haben; 
das  erste  Datum  ist  2.  Kön.XXV,  8,  das  andere  Jerem. 
LH,  12  genannt.  Es  wird  damit  wieder  das  Andenken 
an  die  zweite  Zerstörung  unter  Titus  verbunden,  und 
da  diese  am  9.  Ab  Statt  gefunden  haben  soll  ^),  so  wird 
jetzt  an  diesem  gefastet.  Von  der  Erschlagung  des  Ge- 
daljah  ist  2.Kön.XXy,  25  und  Jerem.XLI,  1  /T. 
die  Rede;  der  Monat  wird  erwähnt,  aber  nicht  der 
Tag.  Nach  den  Habbinen  *)  war  es  der  3.  Thischri, 
und  auf  diesem  haften  noch  jetzt  die  Fasten Gedaljah 
-^TpVnmtzomGecia^Wiu— .  Bemerkenswerth  ist,  dafs 
blofs  die  Fasten  des  Versöhnungstages  und  die  des  9.  Ab 
schon  Abends,  die  übrigen  aber  erst  mit  dem  Morgen  des 
jedesmaligen  Tages  angefangen  werden. 

Auch  in  der  zweiten  Periode  ihrer  Zeitrechnung 
haben  die  Juden  ihre  Jahre  gewöhnlich  nach  den  Re* 


*)    J«rem.XXXIX,2;  LII,6. 
*)    S.  Thtilmud  Thaniih  B1.27,  S.l. 
')    Wenigttent  nach  dem  Thalmud.    losephus  nennt  dea 
loten  (401). 
*)    Thalmud  Roid^  Aaschwuik  mAS.  S.2. 


.Hebr  äbr.   '  529 

genten  gezählt,  wovon  sich  aus  dea  spatern  Bachern 
dea  alten  Testaments,  Esra,  Nehemia,  Esther  .und 
den  Propheten,  manche  Beweise  beibringen  liefsen.  Als- 
eigentliche  Jahrrechnungen  kommen,;  aufser  einer  eigen« 
thümlicben  falofe. vom. Propheten  Hetse kiel  erwllhnten, 
folgende  drei  vor:  ' 

1)  Die  Aere  .von.  der  Zer.störungidesr  er« 
sten  Tempels  oder  von  deiniAnfange  der  ba«. 
bjplbnisich.eitL.Geia'ngenscbaf'l«  ... 

2)  Dieseleacidisch'e;  *  nf 

<  '3).  Die  von  der. Befrei'ungidei^. Juden  yfi>at 
syrischen. Joch  durch  die  Makkabäer«    " 

DSe  Epochen  der  Zevslpruing  des  ersten  und  des 
TVieden^Muung  des  »weiten  Tempels  kennen  wir  mit 
hmläiiglicher  Bestimnitheit.  Die  '  «rste .  ist v  'der  iehhte 
Tag: des  fünften  Monats  (des Ab)  ijn  neunsehnten  Jahr 
des  Nebueadnezar  ^),  oder,'  wie  ihn  die.  (xrieeheii 
nennen,  Nabokolassar.  Dieses.  Jahr  ist  nadi  dem 
astronomischen  Kanon(lll),.  von  welbhem  .iwit. 
hier  abzugehen  keine  Ursache ,  haben ,  das.  162ate  der 
nabonässarisehen  Aere,-  das  am  17.  Januar. £86  v.'ChrM 
seinen  Anfang  nahm*  Die  Zerstörung .  des  Tempels  ist 
mithin  in  den  Sommer- dieses  Jahrs  \ au  setzen.  -  Die  he^ 
bräisoheh  Chronologen  irren,  sich  um  mehr  als  150.  Jahre,: 
wenn  sk  das  Ereignifs  in  das  Jahr  3338  ihrer  Weitüre 
biiiigeii^  ,<ka  un  Herbst  424v#Chr«t!begaiknf) 


»)    JeremiasLn,12ff.     Vcrgl.  2.  Kon.  XXV,8. 

.  '»).  'S/Jes9od  dant  c.i«,  Si«l.    2:eniack  I>äuidSA%.   Seder 
Hadarotk  B1.2d.  .  ..    / 

.\  .;/  :  ,  .:■:/.  :    ,  \         :!../.'..•. 

I.  '  [34] 


530  Technische  Chronologie. 

Zur  EnriGhtmig  des  sifeiten  Tempels  gsb  ackon 
Cjras  im  ersten  Jahr  seiner  Regierung  *)  oder  538 
t.Chr«  die  Erlaubniis.  Der  Baa  wurde  aber  eist  im 
sedMen  Jahr  des  Darius  am  dritten  Tagie  des  Adar 
beendigt').  Dieser  Darius  ist  ohne  Ziveifel  der  erste 
seines  Namens,  der  Sohn  des  Hystaspes.  Aber  das 
sechste  Jahr  des  Darios  Hjstaspis  fiüigt  nach  dem  astro- 
nomischen Kanon,  an  den  wir  uns  auch  hier  mit  l^es^ 
Yignoles  halten  Wollen,  am  ^.December  517  v.Chr. 
an,  und  lallt  daher  fast  ganz  mit  dem  Jahr  516  zusam- 
men. Die  Vollendung  des  zweiten  Tempels  ist  also  in 
den  Frühling  des  letztem  Jahrs  zu  setzen.  Begrenzen 
wif  die  babylonische  G^ngensohaft  durch  diese  beiden 
Epochen ,  so  sehen  wir,  dafs  sie  70  Jahr  gewichrt  hat, 
und  diese  Dauer  wird  ihr  an  .mehreren  Stellen  des  al- 
te» Testaments  ^)  ausdrücklich  beigelegt.  Nach  Erbauoii^ 
des  zweiten  Tempels  finden  wir  übrigens  nirgends  gerecht 
net,  aber  wohl  nach  Vernichtung  des  ersten  oder  nach 
dem  Exil  —  tinV»V  kgatuth^  wie  es  immer  heilst^). 

Die  seleucidische  Acre,  wekhe  die  Juden  un- 
ter ihren  syrischen  Belierrsdiem  angenommen  haben, 
ist  lange  ihre  einsige  Jahrtechnung  gewesen.  Sie  nen- 
nen sie  nnom  y^  minjan  schiaroih,  Zahl  oder  Zäh- 
lung der  Contracte,  welcher  Name  hinlänglich  von 
ihzem  büigerlichen  Gebrauch  zeugt.  Ihre  Epodie  setzt 
die  Mehrzahl  der  rabbinischen  Gdefarlen  richtig  aiuf  den 


•)    2.Chron.XXXVI,22.23.    Esral.lff. 
»)    EsraYI,  I5. 

•)    2.Chron.XXXVI,2!-    JeremiasXXV,  II;  XXK,  10. 
Daniela,  2. 

«)    Z.B.2.K6n.XXY,27.   Hesek.1,2;  XXXm,21:  XL,i. 


Hebräer.  &31 

Anfang  ies  Jahrs  3450  Uirier  Weltftre  oder  auf  den 
Herbst  des  Jahrs  312  v.Clxr.  *).  "  Nachi  der  geMröhnlidien 
Meinang  soll  Alexander  damals  Jerusalem  besucht  und 
dem  Hohenpriester  Srnteon  dem  Gerechten,  ybn 
losephus  laddua  genannt'),  seine .  Ehrfurcht  be- 
zeigt haben  ^).  Man-  sieht ,  dafs  es  die  Rabbinen  mit 
der  Geschichte  nicht  sehr  genaa  äebtaen ;  denn  Alexan^ 
der  wiar  schon  323  y.Ckr.  gestoiiien  (407) ,  und  seines 
Zuges  nach  Jerusalem,  gedenkt  aiifser  losephita  kein 
alter  Schriftateller  Tveiter.  Doch  gibt  es  unter  ihnen 
auch  besser  Unterrichtete.  So  sagt  :der  Yerfrsser  des 
Buchs  Meor  Eiugim'^):  ^^ Minjan  ischtarotb  begann 
,,n%ch  dem  Tode  des  Alexander  -^h^ma^it— ,  als  9eia 
,,  Reich  unter  seine  vier  Diener  getl^ilt  wusda;" 

Eben  diese  Aexe:ist  es,  welche,  wie  schon  in  der 
maoedonisohen  Zeitrechnung  angedeutet  worden  <447) , 
in  den  Büchern  der  Makkabäer  unter  dem  Namen 
der  Jahre  des  hell'eniscUen  (syrischen)  Reichs  ge* 
braucht  wird ,  •  und  dies  unter  Umsiäilden ,  die  emev 
nähern  Erörterung  bedürfeil. 

i  Zuerst  ist  zu  bemerken ,  dais  di^elbst  die  MomUe, 
wie  überall  im  alten  Testament,  yom  Nisan  gezählt 
werden.  So  heißt  es  l.Makk.  IV,  52:  ,,Am  25sten 
,,Tage  des  neunten  Monats,  welcher  Kislev  genannt 
„wird;"    l.Makk.  X,  21 :    „Im  siebenten  älonat  am 


*)    Sepker  hakabbala  S.33.     Jessod  olam  c.l8,  S.84.     Ze- 
mach  David  S.  44.     Yergl.  oben  (448). 

»)    Ant.  lud,  XI,  8,  ^ 

')    S.  den  Commentar  zam  thalmudischen  Traktat  Rosch  hd^ 
sckanah  in  Surenhusii  Ausgabe  dei*  Misckna  P.II,  p.307.  *' 

«)    P.I,  c.2a. 

[34*1 


532  Teclinische  Chronologie. 

,,Laiibliütteafest;"  2.Makk.Xy|37:  ,,I>en  IStenTa^ 
jiies  zwölften  Monats,  der  bei  den  Syrern  Adar  heilai." 
Aus  dieser  ZäUungsweise  folgt  nub  zwar  gerade  niclit, 
dals  auch  die  Jahre  mit  dem  Nasan  asge&ngen  werden* 
Es  leidet  )edoch  keinen  Zweifel,  dals  sie  wenigstens  im 
ersten  Buche,  wirklieh  Tom  Ntsan  an  gerechnet  sind. 
Dies  lehrt  der  gsnse  Zusammenhang  der  enahllen  Be* 
gebenheiten.  Wenn  es  b.  B.  im  zehnten  RapUel  heifst, 
Alexander  (Balas)  sei  im  160sten  Jahr  gegen  Demetrtus^, 
Kdttig  Ton  Syrien,  aufgetreten ;  letzlerer,  sonst  ein  ab- 
gesagter Feind  der  Juden,  habe  hiemuf  um  die  Gunst 
des  Jonathan  gebuhlt  und  ihm  die  Erlaubnifs  ertheilt, 
Kxiegsvölker  zu  werben ;  Jonathan  hsbe  nun  angefangen, 
die  in  den  vorhei^henden  Kriegen  verheerte  Stadt  Je« 
nisalem  wieder  aufzubauen;  unterdessen  sei  er  von 
Alexander,  der  sich  ebenfalls  um  sieine  Freundschaft 
beworben,  zum  Hohenpriester  ernannt,  und  als  sojcber 
mit  einem  Purpurgewande  beschenkt  worden,  das  er  im. 
flidbenten  Monat  des  Jahrs  160  am  Lauhhütlenfest  an- 
gelegt u.  s.  w. ,  so  läfst  sich  unmdgVidx  glauben ,  da(s 
alles,  was  in  dem  gedachten  Jahr  dem  LsiubhüUenfest 
vbrangegangen,  im  Verlauf  von  vierzehn  Tagen  geschehen 
sei,  wie  Gottlieb  Wetnsdorf  ^),  Sanclemente  ') 
und  andere,  welche  die  Jahre  vom  Thischri  gemhlt  wis- 
sen wollen «   anzunehmen  genöthigt  sind« 

Beim  zweiten  Buch  treten  dergleichen  Rücksichten 
nicht  ein,    und   hier  scheint  nichts  der  Voraussetzung 


*)  Commentatio  histoHcO'-critica  deßde  hisiotica  Ubrorum 
Maccabaicorum^  tfu^  Frolichii  annaUs  Striae  ex  instiUUo  exa- 
mmawiiir  (BTeflau.i;[47, 4)  SVI-X. 

*)    De  vulgaris  aerae  emendatione  I.  II,  c.  6.       . 


HfifiEA^a.  633 

hindeilicli  zu  $mj  dafii  der  YerCiLMr  desselbeii,  der 
€l£Ettibar  ein  gaiiz  anderer  ist,  als  iea^.ieß  enten,  dk 
Jahce,  der  aeleuciciischen  Aere  auf  die  (sohst  ilm.ayriflcken 
Reicb-g^bräuchlicbe  Weise  vom Thischiu:aii  goxäUthaU) 
aumal  da  sich  zwischen  den  dtrosu^logisehen/  Angabeii 
beider  Bäeher  etiie  ABweidiusg  aei'gt,  die. sich  am:  besten 
dtuFch  eine  Yerscbiedenfaeit  des  Jahi^nfep^s  ^klären  läfkk 
Petayius^),  Naris*')  nnd  Frpli'cb^)  sikid  anchwa^*? 
lieb  der  Meinung  V  dals  das'  zwoite  Bück  nach  dc;r*e»* 
wßbnlioben  seleücidischen  Aere.  rechne^  das  erste- itingevi 
geuldieselbe  bia  zum  Frübling»<deft  I  Jahrs -312  ;¥«GkF; 
zvirückdatire»  Aber  epe  Epocheaversi^iddenbeit  yvon  fei- 
nem halben  J.ahT  genügt  •qoicbu  Man  lUrtbiiile  selbst. 
Antiöchus  'Epiphanes-  MÜsb'  auf;  eineir. Expedition. nach 
Persien,  iKrie  das..ers1^  Buch  sagt:^),  im  hhr  149.  Bun 
folgte  sein  neunjährig^  Sohn  AAÜochUs,,Eupator  tmttt 
der  Yortnundscbaft.. seines  Erziehers ^-Lysias.  Hierauf 
braph  der  zwischen  4ßn  Juden  und  Syrcarn;  edbnn  firübeoT 
entsundene  Krieg,  mit.  neuer  HefUc^eit;aUs.t.:uiid.cbl 
derselbe  (lir  die  Jetztef^n.uoglückUcb  ÄUßfidi,  so  botet 
Lysias  und  Eupator  den  ersteirn,'  W  daSrzSvei4Q^Buch 
berichtet  ^  )>  in  Sob^'eiben .  datirX  .¥om  1*24*  Xtioscuiftts ;  üwd 
15..  jCanlbicus  d^  Jahrs  148  d^n  S'riQdi?n..an.     Ißü  nttn 


*)    Doctr,  temp,  IL^  AS.  ...f'  ... 

')    Annus  ei  epochaeSYrofnacedonum  diss.  &,  c.  i.   • 

')  In  seinem  oben  (399)  erwähnten  Werk ,  dessen  Grundsatz 
gegen  Wernsdorfin  folgendem  rertkeidigt  werden :  Auetori" 
tos  uiriusque  libri  MacctUf,  canonieo^hkioinca  atberia.  Wien 
4749,4.  '  •  .    ,  ,   -V    :  :     •   . 

*)    VI,  16. 

•)    XI,  16  ff. 


634  Technische  Chronologe. 

hier  du  leltttnfe  Jahr  das  nach  gewöhnKclier  Weiae  ge- 
vecbacta  aeleneidtMhe,  ao  gehören  die  Friedeii8imierfaaii&- 
hmgen  in  den  Frühling  des  Jahr»  164  v.Chr.,  wo  nach 
dem  ertlen  Bnahe  Epiphanes  so  eben  erst  gestorben  sein 
konnle,  wenn  es' wirklich  die  Aere  nur  um  sechs  Mo- 
nat früher  anfangt.  I^ehnsen  wir  dagegen  eine  Epochen- 
Hefsehicdenheit' von  anderthalb  Jahren  an,  ao  hehl 
sich  diese  Sehwierigheit ,  ohne  dals  daiur,  so  viel  ich 
sehe,  eine  nene  eintritt;  denn  in  den  wenigen  FlslWn, 
1^  das  sweile  Buch  bei  einerlei  Begebenheit  ein  Jahr 
weniger  gibt  ab  das  erste ,  lifst  sich  diese  Abweichung 
sehr*  gut«  dnrch  die  Voraussetzung  erklären,  dab  das 
eMe  Baoh  «in  halbes  Jahr  mehr,  und  das  zweite  -ein 
ganites  Jahr  weniger  aähle,  alsdieeigendidieseleucidische 
Aare,  jenes  vom  fjNisan  512,  dieses  vom  l.Thischri  311. 
Bn-det  groAfo  ii^  Syrien  herrschenden  YerBchiedenbeic 
Vota  Aeren  ist  eine  Abweichung  von  anderthalb  Jahren 
bei  Schriftsicllcrn ,  die  vielleicht  in  sehr  verscbtedenen 
Seilen'  und  Gegenden  schrieben,  um  so  weniger  be- 
ftvmdend,  da  wir  aneh  anderweitig  die  Jahre  der  seleu- 
dUischen  Aere  vom  Herbst  311  v.Chr.  geiählt  finden; 
jknn '  die  oben  <223)  ^wHhnte  chaldüische  Acre  ist 
effenbar  keine  andere  als  die  um  ein  Jahr  sptfter  als 
gewöhnlich  angefangene  seleucidische« 

Im  ersten  Buch  der  Hakkabäer  heiist  es^): 
9 »Im  170sienJahr  (der  seleucldischen  Aere)  ward  Israel 
„frei  vom  Joch  der  Heiden.  Und  das  Volk  fing  nun 
»,an,  in  seinen  Contrsclen  und  Yertiügen  zu  schreiben: 
y^iin  ersten  Jahr  Simon's,  desHohenpriesters, 
„Feldherrn  und  Fürsten  der  Juden" —rrou$9r/9c»- 

•)  xra,  4i. 


Hb  b r  ä  e  r •  536 

TW  hrl  X{fMjüvo^  ipx^ptü^  HBydkm  xol  ^pavt[yeS  k<ä  fiYoüid-- 
vov  *l^0L&MJv.  lotephns  sagt  kiennit  ganz  iJberemstiinr 
nA%')'-  n'Siinoii,  vom  Volke  zum  Hohenpriester  er« 
„'Wählt,  befreite  dasselbe  im  ersten  Jahr  semes  Amts 
, ,  von,  der  Herrschaft  der  Maoedonoer  (Seleuciden),  so  daft 
, ,  es  ihnen  keinen  Tribut  Weiter  zahlte;  Diese  Befreiung 
,,von  der  Zinsbarkeil  fand  Statt  im  170sten  Jahr  des 
„assjiischen  (syrischen)  Könijgteichs ,  seit  Seleucus, 
,,mit  dem  Beinamen  Nicator,  Syrien  in  Besitz  ge* 
„nommen.  Und  so  sehr  ehrte  das  Volk  den  Simon, 
,,dafs  es  nun  in  den  Gontracten  und  Staatsacten  lu 
,, schreiben  anfing:  im  ersten  Jahr  Simon's,  des 
„Wohlthäters  und  Ethnarchen  der  Juden;'' 
Die  Epoche  der  neuen  Jahrrechnung  ist'hiemadi  der 
Anfang  des  l70sten  Jahrs  der'  seleucidisdiea  Aere,  odeir 
der  Herbst  des  Jahrs  143  v.Chr.  Dals  sie  wirkUcfa 
einige  Jähre  gebraucht  ivordeu,  lehrt  eine  Reihe  Mün* 
zen  mit  aamaritanischer  oder  allerer. hebräischer  Schrift, 
die  aus  den  vier  ersten  Jahren  des  Pönttficats  Aes  Simon 
vorhanden  sind  ').  Die  Z^it  pflegt,  auf  denselben  fol* 
gendermafsen  bezeichnet  zu  sein:  ,,In  dem  und  dem 
,,  Jahre  Vk^ct  r^V  legeüllatk  Jeschmel,  der  Loskau^ 
,,fung  Israels."  Einige  sind  ausdkücklidi  unter  dem 
Namen  y»am  Simon  ausgeprügt.  Da  «sein  Pontificat  acht 
Jahre  gedauert  hat,  aber  nur  aus  den  viör  ersten  Jahren 
Münzen  vorkommen  (die  mit  keiner  Jahrzahl  bezeichne« 
ten  ungerechnet),  so  scheint  die  neue  Acre  bald  wieder 
der  seleucidischen  gewichen  zu  sein. 


•)    Ant,  lud.  Xm,  €,6. 

')    S.  Eckhel  Dodtr.  numor.  YoLm,  p.465  f£^ 


636  Techniscke  Chrotäüoffe. 

Der  Prophet  -Hesekiel  beginnt  also:  ,,Iin  diei- 
),fiigslen  Jahr,  am  fünften  Tage  ^  vierten  McmaU, 
),war  ich  untec  den  Geikngenen  am  Wasser  Kehar^ 
y,iiaii  sah  ein  göttliches  Gesidit.  Am  filnflen  dieses 
,^MonaU,  mit  dem  daa  ianfte  Jahr  der  Wq;(iihrang 
,,dea  Königs  Jojaohin  anhub,  erging  das  Wort  Gottes 
,,an  Hesekiel"  u.s.w.  Die  Aeie,  dertn  dreißigstes  Jahr 
hier  •  genannt  wird,  mn(ä  mit  dem  acbtKhnlen  Jahr  des 
Königs  JtMdiijah  ange&ngen  haben.  lAtSKx  lefjttrte 
nachher  noch  vieraehn  Jahr,  «ein.  Sohn  Jeho)alum'.e\f 
Jahr  und  sein  £nkd  Jc^achin  drei  Monat.  Letzterer 
wurde  von  Nehucadnesar  abgeselst  nnd  exilirt*),  und 
seitdem  zählt  Hesekiel  das  fünfte  Jahr.  In  ienem 
aehtaehnien  Jahr  hatten  «ich  xwel. Umstände  ereignet, 
die  dem  Propheten  denkwürdig  genug  schienen,  um 
davon  .die  Zeit  des  .an  ihn  ei^ngeben  göttlichen  Rn6 
■n  datiren,*eimnahl  die  xufidlige  Auffindung  der  Tho« 
rah  oder  des  momischen  Geaetaes  durch  den  Hohen- 
priester Hilki)äh  im  Tempel  xu  JemsiJem ,  wo  e« 
länge  unbeachtet  gelqjen  hatte  ') , .  und  zweitens  die 
Feier  des  Passahs,  die  Josdiijah  mit  grobem  Gepränge 
veranstaltete,!  xmohdem  das  Fest. lange  vernachlässigt 
wonkn  war^)*  Des  exstem  Umatandes  gedenkt  aus- 
dKickli<^  Janathan  in  aeiner  chaUäiscfaen  Ueberset- 
sung  dieserSceUe  des  Propheten,  und  in  gleichem  Sinne 
Kufiiern  sich  der  ThaJmud,   der  Yeriasser  des  Seder 


*)    2.Kön.XXnff.    2.Cbron.XXXIVff. 
')    2.Köii.XXn,  8.    2.Cliroii.XXIIV,  14. 
')    2.Kön.XXm,28.    2.Chron.XXXV,  19. 


HsBa  AER«  537 

oläm  raba^)  und  die  Auslegt- Ki.mohi  und  Jarchi* 
Wenn  Hesekielim  Yreiiern  Yejrfplge.  ypm  ^ecbsteiii 
siebenten  und  neunten  Jahr  spjichi  ^)j  so  meiM  erim^ 
mer  Jojachin's  Wegful^rung  ins  Exil,  Jeriivsalem 
und  der  Tempel  wurden  erst  elf  Jabxe  spälcr  im  elftem 
Regierongsjahr  des  ZedeLias.zerstörjt^), 

Dritte  Periode  der  hebräisclieh  Zeitrecbnüng.  * 


In  dieser  Periode  hat  sich  die  g^eninrärUge  ZeitT 
rechnung  der  Juden  yoUend^  a,usgebilde(.  *  Ich  werde 
mit  einer,  ausführlichen  Erklärung  und  Daxstellung  dei>r 
selben  hier  den  Anfang  machen,  weil  diq  ges$h.icbtU<^eQ 
Notizen,  die  ich  über  sie  zu  geben. hab^^  nur. bei  diiesem 
Gange  ganz  verständlich  ^werd^n  können.  Dankbar  weide 
icb  dabei  B^n.  Bendavid's.oben  (S12)  gedachte  Schrift; 
benutzen.  Er  hat  sich  durch  dieselbe  das  upläugbare 
Verdienst  eirworben,  diesen  etwas  scU^ierigen  Gegen- 
stand zuerst  einem  jeden  wissenschaftlichen  Kopf  zu* 
gänglich  gemacht  zu  haben. 

Jetzt,,  wo  die  Juden  in  der  Zerstreuung  unter  Völ- 
kern leben,  die  nur  gleichförmige  Stunden  haben,  fan- 
gen sie,  ihre  Stunden  hintereinander  bis  24  zählend, 
Jahr  aus  Jahr  eip  den  bürgerlichen  Tag  — D^yoi»  — 
um  6  Uhr  Abends,  sechs  Stunden  früher  als  die  Christen, 
an,  so  dafs  die  Mitlernacht  auf  den  Anfang  der  siebeur- 
ten,  und  der  Mittag  auf  den  Anfang  der  neunzehnten 


;)    C.26,  W.15,  S.2. 

')    Im  Anfange  der  Kapitel  Vm,  XX  und  XXIV. 

')    2.  Kön.  XXIV,  18  ff.    2.  Chron.  XXXVI,  H  ff. 


538  Technische  Chronologie. 

Stunde  triA.  Diese  ZMkliingnfeise  geinniiichen  sie  in- 
desien  nur  bei  ihrer  Festrechnung;  im  gewohnlidieiL 
Leben  richten  sie  sich  *nacb  unsem  Stnnden. 

Die  Stunde  —  me  schaah—  tbeilen  sie  in  iOSO 
o*«pVn  cUakim,  Theile,  deren  18  auf  nnsere  Minnte 
gehen.  Jenes  Wort  ist  chaldäischen  Ursprungs,  iura 
Beweise,  dals  sie  die  Stundeneintheiloiig  aus  Habjlou 
erhalten  haben.  Im  alten  Testament  lädt  sie  sich  noch 
nicht  mit  Sicherheit  nachweisen  (485),  und  im  neuen 
ist  nur  von  den  im  gansen  Alterthum  gebnudilidiea 
ungteidiförmigen  Stunden  die  Rede  (517).  Die  Zahl 
1080  ist  ohne  Zweifd  wegen  der  grofsen  Menge  Fak- 
toren, in  die  sie  sich  serlegen  läfst,  gewShll  worden. 
Der  Chlak,  der  i\  unserer  Sekunden  halt,  wird  wie- 
der in  16tnfx^reg€Ufnt  Augenblicke,  getheik.  Diese 
ZaU  hat  die  Faktoren  4  und  19,  yon  denen  letzterer 
für  den  jüdischen  Kalender  bedeutungsvoll  ist,  wie  wir 
unten  sehen  werden. 

Die  Woche  —ron  schehua-^  beginnt  Sonnabend 
um  6  Uhr  Abends.  Sonntag  ist  den  Juden ,  wie  uns, 
der  erste  Wochentag,  und  wird  mit  n,  1,  bezeichnet, 
so  wie  die  folgenden  Tage  mit  !i,  >,  %  n,  1,  t  d.  i.  2, 3, 
4,  5,  6,  7«  Aufser  den  Ordnungszahlen,  die  schon 
in  der  Schöpfungsgeschichte  vorkommen^),  haben  sie 
keine  Benennungen  weifer  (tir  die  Wochentage,  das 
Wort  TOXO  schabbath  liir  den  Sonnabend  ausge- 
nommen. 

Ihr  Jahr—  naü  schanah  -*  besteht  ans  zwölf  nach 
dem  Monde  abgemessenen  Monaten  und  wird  von  Zeit 
zu  Zeit  durch  einen  dreizehnten  mit  der  Sonne  ausge- 


*)    l.]fos.I,  5,  8,  13,  19,23,31. 


H  E  B  R  1  S  R  •  v539 

glichen,  wie  ^  das  Wesen  eines  gebimdenen  Mond* 
Jahrs  mit  sich  bringt  (68).  Das  Gemeinjahr  heifst 
MaiW  nsü  schanah  peschutak,  eigentlich  einfaches 
Jahr,  das  Schaltjahr  rrDtna  rrsm  schanah  metibe- 
ret,  und  das  Einschalten  niä!^  ibbur.  Dies  mnd  rabbi- 
nisohe  Ausdrücke«  Die  Wurzel  nny  abar,  die  im  Pid 
schwängern  heifst,  hat  späterhin  die  Bedeutung  ein«^ 
schalten  erhalten,  welche 'B  ux  to  r  f  ^.>. durch  prae^ 
gnantem  anniim  i'eddere  erklärt;  annus  enim  intercalaris, 
sagt  er,  gestat  mensem^  ut  mulier  gra^ida  foetwn, 

Neujahr  —  nson  vm  rosch  haschanah  —  haftet 
auf  dem  Anfange  des  Monats  Thisehri,  der  urspriin^ich 
dei*  siebente  im  jüdischen,  Jahr  war,  und  ereignet  sich 
in  den  Jahren  18Ö0  bis  1850  nicht  firüher  als  am  5«  Sep«- 
tember  und  nicht  später  als  am  5.  Oktober,  *  also  um 
4ie  Gegend  der  Herbstqachtgleicbe,  die  wählend  dieses 
Zeitraums  in  der  Regel  auf  den  23.  September,  trifft. 

Die  Namen  der  Monate  sind  bereits  oben (509) 
angeführt  worden.  Sie  haben  sich  in  der  dritten  Periode 
der  Zettrechnung  nicht  weiter  geändert.  Im  Schaltjahr 
folgt  dem  Adar  ein  zweiter '  Monat  dieses  Niimeos,  der 
zum  Untei*schiede  n'wi  Viadar^  noch  ein  Adar,  oder 
^rm  ^M  Adar  scheniy  der  zweite  Adar,  genannt  wird. 
Bedient  man  sich  der  ktztern  Benennung,  so  erhält  der 
vorhergehende  Monat  den  Naräen  liüMn  ^In  Adar  rischon, 
der  erste  Adar,  wenigstens  bei  wissenscbafdichen  Un- 
tersuchungen ,  wo  es  auf  grofse  Bestimmtheit  des  Aus- 
drucks ankommt.  Der  eigentlicbe  Schal tmonat  ist  aber 
nicht,  wie  manche  Chronologen  irrig  glauben,  der  Ve- 
adar,  sondern  der  erste  Adar,  wie  schon  aus  demUm- 


*)    Lexicon  chaldaicum,  ihalmudicum  H  rabbinicum  s.h.v. 


640  Technische  Chronologie. 

sUnde  orhelletf  3a&  das  Purimfest,  welches  anf  den 
Adar  trifft,  im  Scbaltjalir  im  Yeadar '  gefefeü  wiid. 

Die  füdischen  Monate  iwecden  jetzt  nicht  mehr 
durch  nnmitlelbaze  Bec^Mchtung  der  Mondphasen  be- 
siimmtf  aondern  haben  ihre  ein  fiir  allemal  festgeseUie 
Dauer«  Sie  sind  entweder  yoll  oder  mangelhaft, 
d.  h.  sie  haben  entweder  30  oder  29  Tage.  Da/s  im  er- 
sten FaU  Bwei  Tage  den  Namen  Rasch  dwdesck,  An- 
fang des  Monats,  erhalten,  der  dieibigtte  des  abge- 
laufenen  Monats  nnd  der  erste  des  neuen,  im  leUVern 
aber  nur  einer ,  nändich  der  erste  Tag  des  neuen  Mo- 
nalB,  ist 'bereits  obm  (513)  bemerkt  worden.  Die  bei- 
den Sosch  chodesch  werden  durch  erster  und  a  n- 
derer  untersdiieden.  Man  sieht,  dals  «wischen  zwei 
durch  einen  Monat  von  einander  getrennten  Bosch  cho- 
desch allemal  28  volle  Tage  liegen.  Diese  Einrichtung 
b^t  übrigens  auf  die  Zidilungsweiae  der  Monatsti^  kei- 
nen stufenden  Einfluls. 

Die  Juden  haben  jetzt  sechs  Arten  von  Jahren, 
mangelhafte,  regelmftfsige  und  überfällige 
Gemein)ahre;  mangelhafte,  regelmäfsige 
und  überztfhlige  Schaltjahre. 

Wenn  im  Gen^einjahr  die  Monate  abwediselnd 
30  imd  29  Tage  haben,  wie  es  folgendes  Schema  «igt: 
1)    Thischri-  30  Tage. 


2). 

Marchesel 

kvan  29 

3) 

Kisley 

30 

*) 

Tebeth 

29 

5) 

Schebat 

30 

6) 

Adar 

29 

7) 

Nisan 

30 

8) 

Ijar 

29 

HbbbIba,.  541 


9) 

Siran 

30  Tage. 

10) 

Th&iana 

29    - 

11) 

Ab 

30    - 

12) 

Elul 

29    -. 

SO  heifst  es. ein  regelmäfsig'es  •— in^iQd  nsm  schanah 
kesiderah,  ein. Jahr  wie  es  dieüegel  mit  sich 
bringt.  Ein  solches  Gemeinjahr  hslt  354  Tage  oder 
50  Wochen  4  Tage.  

Bleibt  im  Schaltjahr  die  Dauer  der  Monate  die- 
selbe und  kommt  blofs  der  .Schaltmonat  hinzu,  der  al* 
lemahl.  dreifsig  Tage  erhält  (der  ihm  folgende  Veadar 
hat,,  wie  im/  Gemeinjahr  der  Adar,  mit  dem  .er  identisch 
ist,  nyLr.2ftTage),  so  wird  es  ein  regelmäfsigea 
genannt.  Ein  solches  Schalltjahr  haj;  384  Tage  oder 
54  Wochen  6Tage^  i  , 

Wenti  t  sowohl  im  Gemein«*  als  Schaltjahr  denii 
Marcheschvän  ein  Tag  zugelegt  wird ,  so  dafs  das  Jahr 
mit  di^i  vollen  Monaten  anfängt,  so  heilst  es  ein  über- 
zähliges  -^  ns'^Vü  nao  schanah  schelemah  — .  eigentlich 
ein  vollständiges,  weil  dann  die  Monate  Marchesch- 
vän. und  KJsl^V  beide  voll  sind.  Das  überaäUige .  Ge- 
meinjahr hält  35  5  Tage  öder  50  Wochen  und  5  Tage,  das 
übexmhlige  Schaltjahr  385  Tage  oder  gerade  55Wodi^n. 

Wird  dagegen  sowohl  im  Gemein-  als  »Schaltjahr 
dem  Kislev  ein  Tag  genommen,  so  dals  er  gleieh  se^ 
nein  Vorgänger  nur  29  Tage  mhlt,  so  heifst  das  Jahr 
etnmangelhaftes  — ynbnrb6xeA<imzAc/uiAStfm&.  Das 
mangelhaft«  Gemeinjahr  .hält  353. Tage  oder  .50  Wochen 
und  3Tag^^  das  mangelhafte  Schaltjak::  383  Tage,  oder 
54  Wochen  5  Tage. 

Man  sieht  also  Thischri,  Schd)(tt,  Adar  im  Schalt- 
jahr, Nisan,  Sivan  un4  Ab  habep  immer  dreüsig,  Te- 


542  Technische  Chronologie. 

bethy  Adar  im  Gemeinjahr  oder  Yeadar  im  Schaltjahr, 
Ijar,  Thamus  und  EIul  immer  nenn  und  awanzig  Tage. 
Nur  Marcheschyan  und  Kislev  schwanken  zwischen  neim 
und  zwanzig  und  dreifsig  Tagen. 

Die  mitüere  Dauer  des  jüdischen  Monats  setzen  der 
T  h  a  1  m  u  d  *)  und  Maimonides')  auf  29  Tage 
12 Stunden  und  793Chlakim  d.i.  auf  29 Tage  l2Stun- 
den  44'  3j*.  Dies  ist  genau  Hipparch's  Bestimmung 
des  sjnodischen  Monats,  wie  er  sie  auf  die  Vergleiciiung 
der  von  ihm  und  den  Chald&em  beobachteten  Mond- 
finsternisse gegründet  hat  (297).  Zwölf  Monate  yon 
dieser  Dauer  hallen  354  T.  8  St.  876  cbl.  Wenn  daher 
nicht  von  Zeit  zu  Zeit  ein  Monat  eingeschatlet  würde, 
so  wiche  das  jüdische  Neujahr  im  Durchschnitt  jähriidi 
um  10  T.  21  St.  204  chl.  im  julianischen  Jahr  zurück, 
und  die  jüdischen  Feste,  die  sämmtlich  an  bestimmte 
MonaUUge  geknüpft  sind,  würden  sich  rasch  durch  alle 
Jahrszeilen  bewegen.  Um  nun  diesen  Unterschied  a\i9< 
sugleichen,  werden  in  einem  Zeicraum  von  19  Sonnen« 
jähren ,  die  nahe  235  Mondwechsel  ballen  (47) «  sieben 
Monate  eingeschaltet,  nämlich  in  den  Jahren  3,  6,  8, 
11,  14,  17  und  19(330).  Bei  einer  solchen  Venhei- 
lung  der  Schallmonate  können  die  Feste  nie  um  einen 
ganzen  Monat  zurückweichen  und  werden  immer  wieder 
in  ihre  alten  Stellen  geschoben. 

Ob  ein  gegebenes  Jahr  der  Juden  ein  Gemein*  oder 
ein  Sohalijahr  sei^  lehrt  die  Division  der  Jahrzahl  durch 
19«  Ihre  jetzt  gebräuchliche  Weltäre  nämlich  ist  so 
geordnet,  dafs  das  erste  Jahr  derselben  zagkidi  das  erste 


«)    Megmakm.5,SA. 

*)    Kiddiisch  hachodekch  c.  8,  Si,- 


HbBA  ABB^.  543 

des  neunzehniäbrigen  Cydus  kl.  Wenn  man.,  also  b^ 
der  Division  des  jedesmaligen  Jahrs  durch  19  einen 
der  Reste  J,  6,  8^  11, 14, 17  oder  0  erhält,  so  ist  esf  ein 
Schaltjahr,  wo  nicht  ein  Gemeinjahr.  So  ist  das  he- 
yoratehende  Jahr  5586  ein  Schaltjahr,  yreil  es  durch  19 
diyidirt  den  Rest  0  gibt. 

Hier  jsiMg  sogleich  die  Regel  stehen,  nach  der  man 
ein  Jahr  der  jüdischen  Weltare  auf  die  christliche  und 
umgekehrt  aoi.  bringen  hat.  Bas  erste  Jahr  der  erstem 
nimmt  im  Herbst  des  Jahrs  953  der  julianiscben  Pe- 
node seinen  Anfang.  Hieraus  folgt,  dafs  man. zum  jü* 
dischen  Jahr  952  zu  addiren  und  vom  julianischen  952 
2U  subtrahiien  habe,  um  jenes  auf  die  julianische  Fe-» 
riode  und  dieses  auf  die  jüdische  Weltlire  zu  reduciren. 
So  nimmt  das  Jahr  5586  der  Juden  im  Herbst  des 
Jahrs  6538  der  julisoiischen'  Periode  seinen  »Anfang; 
denn  5586  -f*  952  »  6538  und  6538  -  952  »  5586. 
Das  Jahr  der  julianischen  Periode  bringt  maa  dann 
leicht  auf  das  christliche  nach  einer  bereits  oben  (77) 
gegebenen  Regel.  Will  man .  unmittelbar  das  jüdische 
Jahr  auf  die  christliche  Aere.  oder  das  christliche  auf 
die  jüdische  reduciren,  so  müfs  man  von  jenem  3761 
abziehen  oder  zu  diesem  3761  addiren,  weil  das  Jahr 
3762  der  jüdischen  Aere  im  Herbst  des*  Jahrs.  1  der 
unsrigen.  seineü  Anfang  genommen  hat*  So  beginnt 
das  Jahr  5586  der  Juden  im  Heibst  des  Jahrs  5586 
-^  3761  ^  1825  unserer  Zeitrechnung,  -  welches  dem'  Jahr 
6538  der  julianiscben  Periode -entspricht* 

nViza  moled,  Geburt,  ndmlich  des  nenen  Lichts^ 
beifst  der  Neumond,  aber  nicht  gerade  die  Con- 
junotion ,  die;  wir  linter  Nemiiond  tevstehen ;  isondem 
die<  Zeit,  wo  der  Mond^  naek  »der  €k>BJuxicUoa  znerst 


544  IJechmsckef  Chronologie, 

wieder  in  dar  Abenddämmerung  sichÜMur  mid,  was  die 
Griechen  vovfATfpU  nannten.  Die  Rechnung  gibt  nämlidL 
die  Moleds'  so,  dals  in  der  Begel  die  Mondsicfael  an 
dem  Tage  erscheint,  auf  den  der  Moled  trifft.  D^ 
Zeitraum  tob  dem  einen  Moled  zum  andern  ist  die 
vorhin  bemerkte  mittlere  Dauer  des  synodischen  Mo- 
natt  Ton  29  T.  12  St.  793  chl.  Wenn  man  aJao  den- 
selben von  einem  gegebenen  Moled  abzieht  oder  xu 
demselben  addirt,  so  erfattlt  man  den  yoxheigdienden 
oder  Mgenden  Moled. 

.Nennaehn  lahre  xu  235  synodischen  Monaten  Ton 
ebengedachter  Dauer  geben  6939  T.  16  St.  595  chl.,  2  T. 
16  St.  59&  chl.  mehr  als  eine  volle  Wochenzahl.  Die- 
sen Uebefschuis  nennt  man  den  Charakter  des  neun* 
aehn|ährigehCyclas.  Erzeigt,  um  wie  viel  Wochen- 
tage, Stunden  und  Stundentheile  der  erste  Moled  des 
neuen  Cydui  später  eintiiA,  als  der  erste  Moled  des 
abgelaufenen. 

Die  zwölf  synodischen  Monate  des  6cmein)ahTS 
halten  354  T.  8 St.  876 chl.,  und  die  die'uwihn  des  Schalt- 
jahrs 383 T.  21  St.  689 chl.  Zieht  man  aus  diesen  Zeit- 
räumen die  in  ihnen  enthaltenen  ganzen  Wochen,  so 
bleibt  em  Rest  fiir  das  Gemeinjahr  von  4T.  8St.  876 chl. 
und  für  das  Schaltjahr,  von  5T.  21Su  589 chl.  Diese 
Uebersdiiisse  werden  der  Charaktelr  des  Gemein- 
und  Schaltjahrs  genannt  und  gebraucht,  um  aus^dem 
Möled'  Thischri  eines*  Jahro  Wochentag ,' Stunde  und 
Stundentheile  für  den.  Moled  Thischri  des  folgenden 
oder  vorbeigehenden  zu  finden» 

Die  Zahl  von  29  T.  12  St.  793  chl.  übertrim  vier 
volle  Wochen  Um  .1  T».13.St.'793  chl.  .Man  nennt  dies 
den  Gharakü^r  des,M«aa.tsi.uiid  gebiaueht  densd- 


H  B  3  ft  Ä  B  R  •  646 

ben,  um  aus  einem  gegebenen  Moled  Wochentag, 
Stunde  und  Stundentheile  des  folgenden  oder  vorher- 
gehenden zu  finden. 

Nach  der  Rechnung  der  Ordner  des  jüdischen  Kar 
lenders  ist  der  Moled  der  Schöpfung  oder  der 
Moled  Thischri  des  ersten  Jahrs  der  Welläre  an  ei- 
nem' Montage  um  SU.  204  ohl.  eingetroffen^).  Dieser 
Zeitpunkt  wird  durch  2  T.  5  St.  204  cbl.  bezeichnet, 
wo,  wie  man  sieht,  2T.  den  laufenden  zweiten 
Wochentag  andeutet.  Um  nun  den  Moled  Thischri 
eines  gegebenen  Jahrs  zu  erhalten,  diyidire  man  die 
um  i  verminderte  Jahrzahl  durch  19.  Der  Quotient 
gibt  die  ganzen  seit  der  Schöpfung  abgelaufenen  Cykel, 
und  der  Reat  die  Anzahl  der  im  laufenden  Cyclus  ver- 
flossenen  Jahre  zu  erkennen.  Wenn  man  dann  den 
Quotienten  in  den  Charakter  des  Cyclus  und  die  Zahlen 
der  Gemein <-  und  Schaltjahre, -die  noch  in  dem  Rest 
enthalten  sind,  in  den  Charakter  des  Gemein-  und. 
Schaltjahrs  multiplicirt,  sämmtlidie  Produkte  summirt, 
aus  der  Summe  die  ganzen  Wochen  wegläfst,  zu  dem 
Ueberschufs  den  Moled  der  Schöpfung  addirt  und  nö- 
thigenfalls  noch  eine  volle  Woche  abzieht ,  .  so  ei'hält 
man,  was  man  sucht-  Für  das  Jahr  5586,  bis  auf 
welches  292  neunzehnjährige  Cykel  und  18  Jahre  ver- 
flossen sind,  kommt  die  Rechnung  also  zu  stehen: 


^)  Maimonides  Kiddusch  hachödesch  c. 6,  S- 8.  Einigen 
Kabbalbten  zufolge  ist  dieser  Moled  im  nächsten  Jähr  vor  der 
Schöpfung  eingetreten,  als  nach  MosesAusdruck^^G«»;!,  2^  noch 
mal  tnn  thohu  lyebehu  hernctte,  .  Sefshalb  wird  dieser  Moled 
Ton  den  jüdischen  Chronologen  gewöhnlich  irm  'ino  moled  thohu 
genannt. 

I.  [35] 


646  TechrMche  Chronologie. 

(3T.  l6Sc.  59gcM.)  x  293  n*4T.     ISi.  45Sdil. 
(4-     8-    876  -)  X    12-3-     9-    792- 
(5  -    21  -     589   -  )  X      6  «0-      9  -     294   - 
Summe  ^OT.  20 St.  461  chl. 
Moled  der  Schöpfung  «2  »      S  -     204   - 
Moled  Tbucbri  des  Jahrs  5586  »  3  T.     1  St.  665  chl. 
d.  h.  der  gesuchte  Moled  trifft  1  Stunde  665  chj.  nach 
Anfang  des  dritten  Wochentages,   oder,  nach  unserer 
Weise  die  Tage  zu  zählen  und  die  Stunden  zu  Üieilen, 
Montag  um  TU.  37'  Abends  ein. 

Um  diese  Rechnung  zu  erleichtern,  setze  ich  hier  den 
Charakter  eines  jeden  Jahrs  des  Cyclus  her: 
Jahr  des  Cydus.  Charakter  desselben. 


1 

4T, 

8  St. 

876  chl. 

2 

1- 

17  - 

672  - 

3 

0- 

15  - 

181  - 

4 

4- 

33  - 

1057  -  ' 

S 

a- 

8  - 

SSi  - 

6 

i  1- 

6- 

362  - 

7 

5- 

15- 

158  - 

8 

4- 

13  - 

747  - 

9 

1- 

21  - 

543  - 

10 

6- 

6  - 

339  - 

11 

-S- 

3  - 

938  - 

13 

3- 

12  - 

734  - 

13 

6- 

21  - 

520  - 

14 

5- 

19  - 

29  - 

16 

3- 

3  - 

905  - 

16 

0- 

12  - 

701  - 

17 

6- 

10  - 

210  - 

18 

3  -  • 

19  - 

6  - 

19 

2- 

16  - 

595  - 

Hrbkasr.  647 

Hiernadi  kommt  obi^  Becknatig  also  zu  dtjehotis   *. 

GhiiiaklierdesC7clusX293 W.4T.    l:Su4SSdiL 

Charakter  des  Jahrs  18 .•»..  i»3.**    19  -       6-1 

MoledderSdiöpfting ..; «=2-..  S  -   204  -  ' 

Moied  Thischri  des  Jahrs  5586  ....  »  3  T.  1  St.  665 ohl. 
Hiermit  ist  nur  der  Wochentag  deaMolcd' Thischri 
gefunden.  Das  gregorianische  D«ti»m.  desselben:, 
da»  wir  bald  berechnen  lernen  werden-,  ist  der  13.Sepf 
tember  1825,  ein  Dienstag,  der  jedoch  nach  jüdisobev 
Zählungsweise  bereits  Montag  Abend  um  6  Uhr  seifuen 
Anfang  nimmt«  Man  sieht  also,  da(s  der  Moled  Thiichri 
des  Jahrs  5586  wirklich  auf  den  Wochentag  trifft,  d^n 
obige  Rechnung  gibt.  Die  wahre  Conjunction  ereignet 
sieh  Montag  den  .12.>  September  um.  5  U.  53' Abends 
mach  berliner,  oder  um.  5  U.  22' Abends  nach  jerusar 
lemlner  Zeit*),  mithin  im  yorilegenden  Falli  nur  um 
2 St.  15'  früher,  als  nach'  der  CyUiscben  Rechnung* 
Uebrigena  kommt  der  Meridian ,  auf  den  sidai  die  Zeit 
des  Moled,  hier  3  T.  lSt.655chL,  besiekt,  nicht  wei^ 
ter  in  Betrachts  Wenn  Datum  und  Wocheütug  des 
Neujahrfestes  einmal  fi&irt  sind,  so  gelten  beide  für  alle 
in  der  Zerstreuung  lebende  Juden;  nur  versteht  et 
ftch ,  dafs  der  1  •  Thischri  nach  absoluter  Zeit  ,nm  den 
jedesmaligen  Meridiauunterschied  an  dem  westlichen 
Ort  später  eintritt,  als  an.  dem  dsüichem. 

Eigentlich  soll  Neujahr  der  Tag  sein,  auf  den 
der  Moled  Thischri  trifft.  Allein  «s  gibc  der  Avsnah» 
men  so  viele,  dafs  in  dem  ZeitraunL  von  5£30.bis<S606 


*}  Nach  Seetzen's  Beobachiungen  liegt  Jermalem  am  {2St. 
13' 25"  östlich  von  Paris,  odei'  um  iSt.  29*15''  öslVch  tod  Berlin. 
Monatl.  Corresp.  des  Hrn.  ron  Zach  B.XVm,  S.5'44. 


648  TechniBchs  Chrono!^. 

der  WelUre ,  vier  Mondcylbel  hindurch ,  der  Tag  des 
Mofed  nicht  öfter  als  27niahl  suglekh  der  Neujahistag 
ist.  Eben  auf  diesen  Ausnahmen  beruht  die  erwähnte 
Verschiedenheit  der  jüdischen  Jahre.  Es  und  folgende 
fünf'): 

1)  Wenn  der  Moled  Thischrl  über  18  Stunden  jü- 
discher 2Seit  oder  12  Uhr  Mittags  hinaus  eintritt,  so 
wird  das  neue  Jahr  erst  mit  dem  folgenden  Tage  an- 
ge&ngen.  Die  Zahl  18  wird  rp  geschrieben,  und  daher 
dies  die  Ausnahme  wegen  Jach  genannt.  Als  Grund 
wird  angegeben,  daüs  die  Möglichkeit,  am  I^eujahrfeste 
sdion  die  Mondsichel  an  sehen,  nicht  ausgeschlossen 
werden  soll« 

2)  Wenn  der  Moled  Thischri  auf  den  Sonntag  (m), 
Mittwoch  <n)  oder  Freiug  0)  fiült,  so  wird  das  Jahr 
erst  mit  dem  folgenden  Tage  angefangen.  Dies  heifst  die 
Ausnahme  wqpen  Adu.  Der  Grund  davon  wird  aus- 
fuhrlich im  Thalmud  entwickelt,  auf  den  icfc  hier  der 
Küne  wegen  verweisen  muls'). 

3)  Es  kann  sich  ereignen,  dais  die  beiden  erwähn- 
ten Ausnahmen  sugleich  eintreten.  Gibt  nämlich  die 
Rechnung  den  Moled  Thischri  später  als  18  Stunden,  so 
dals  wegen  Jach  eine  Verlegung  auf  den  folgenden  Tag 
vorgenommen  werden  mufs,  und  gehört  dieser  folgende 
Tag  zur  Ausnahme  Adu,  so  kann  Neujahr  auch  an  ihm 
nicht  sein,  sondern  muis  noch  um  einen  Tag,  also  am- 
sammen  um  awei  verschoben  werden.  Dies  nennt  man 
daher  die  Ausnahme  wegen  Jach-Adu. 


•)    S.  Kiddusch  fuuAodesch  c.  7. 

*)    Rosch  haschanah  Bl.  20,  S.  1 ;  Erichin  Bl.  9  und  10;  Stut- 
hedrin  Bl.  11. 


Hebräer..  549 

4)  Fällt  Moled  Thiscliri  in  einem  Gemeinjahr  auf 
Dienslag  zwischen  9St.  204chl.  und  18  St.,  80  fände 
man  den  Moled  Thischri  des  folgenden  Jahrs,  wenn  man 
um  den  Charakter  des  Gemein)ahr8,  nämlich  4  T«  8  St« 
876  chl.,  weiter  rechnete.  Auf  diese  Weise  gelangte 
man  über  18 St.  des  Sonnabends  hinaus,  imd  miUste 
wegen  Jach-Adu  das  Jahr  erst  mit  dem  Montage 
anfangen.  Dann  würde  das  Gemeinjahr,  wollte  man 
es  schon  mit  dem  Dienstage  beginnen,  356  Tage  erhalten. 
Aber  ein  Gemeinjahr  von  dieser  Dauer  gibt  es  nicht.  Es 
ist  daher  festgesetzt  worden,  dals,  wenn  Moled  Thischri 
in  einem  Gemeinjahr  an  einem  Dienstage  innerhalb 
jener  Grenzen  eintritt ,  das  Neujahr  verlegt  wird ,  und 
zwar  wegen  Adu  auf  den  Donnerstag.  Dies  nennt  man 
die  Ausnahme  wegen  Gatrad,  weil  dabei  die  Zahlen 
>  (dritter  Wochentag) ,  D  (9  Stunden)  und  ^  (204  chl.) 
in  Beti*acht  kommen. 

5)  Trifft  Moled  Thischri  in  einem  Gemeinjahr,  daa 
auf  ein  Schaltjahr  folgt,  auf  Montag  zwischen  15 St. 
589  chl.  und  18St. ,  so  ist  der  vorige  Moled  um  den 
Charakter  des  Schaltjahrs,  nämlich  5  T.  21  St.  589  chl., 
früher,  also  Dienstags  nach  18  St.  eingetreten,  wodurch 
wegen  Jach -Adu  eine  Verlegung  auf  den  Donnerstag 
nölhig  ward.  Würde  daher  jenes  Gemeinjahr  bereits 
am  Montage  angefangen,  so  hätte  das  Schaltjahr  nur 
382  Tage  erhalten.  Da  es  nun  zum  mindesten  383  Tage 
haben  mufs,  so  wird  der  Anfang  des  Gemeinjahrs  auf 
den  Dienstag  verlegt.  Es  kommt  hierbei  auf  folgende 
Zahlen  an :  auf  ä  (den  zweiten  Wochentag),  1D  ( 1 5  Stun- 
deu)  und  wpt\  (589  chl.),  und  daher  wird  dies  die  Aus*- 
nähme  wegen  Betuthakpat  genannt.  Sie  tritt  sehr 
selten  ein,  einmahl  weil  sie  nur  in  einem  Gemeinjabr 


660  Technische  Chronologie. 

vorkottmen  kann,  das  auf  ein  Schaltjalur  folgt,  und 
dann,  weil  die  Grensen,  von  denen  der  Moled  Thiadm 
eingescUoMen  tein  nnis,  nur  um  2  St.  491  cht.  von  ein- 
ander entfernt  sind.  In  dem  ganien  vorliingedaditen  Zeit* 
räum  von  76  Jahren  kommt  Betuthakpa  t  nicht  Ainm>M 
Tor;  dagegen 'Gatrad  dreimahl,  Jach-Adu  nennmahl. 
Jach  sehnmahl  und  Adu  sieben  und  xwaozi^mahl. 

Hiernatch  wird  es  nun  leicht  sein,  die  Lange  eines 
gi^ebenen  jüdischen  Jahrs  sn  6nden,  s.B.  die  des  Sehalt* 
Jahrs  5586.  Der  Moled  Thischri  uifft,  wie  wir  gesellen 
haben  (546),  auf  Dienstag  1  St.  665  chl. ,  mit  wdchem 
Tage  auch  das  Jahr  angefangen  wird,  da  hier  keine 
Ausnahme  einlrilt.  Der  Moled  des  folgenden  Jahrs 
5587  wird  erhallen,  wenn  man  sn  dem  des  vorigen 
den  Charakter  des  Schaltjahrs,  5T.  21  St.  589chl.,  addirt. 
Es  findet  sich  SonnUg  23 St.  174 chl.,  und  Neujahr 
mufs  wegen  Jach  auf  den  Montag  vexlegt  werden.  Es 
tritt  also  dieses  Neujahr  um  6  Wochentage  später  als 
das  vorige  ein.  Da  nun  das  Scfaal^lir  entwedei*  54 
Wochen  5  Tage  oder  54  Wochen  6  Tage  oder  SS  Wochen 
hKlt(541),  so  sieht  nuin,  dafs  das  Schalljahr  SSB6  zu  den 
regelmtffsigen  gehört.  Den  Moled  des  Jahrs  55S8  erhält 
man,  wenn  man  au  dem  des  Gemeinjahra  5587  4T.  8St. 
876  chl.  addirt.  Es  findet  sich  Preiug  7 St.  1050 chl., 
und  Neujahr  mnfii  wegen  Adu  auf  den  Sonnabend  ver* 
1^  werden.  Dieses  Neujahr  tritti  also  5  Wochentage 
•pttter  ein,  als  das  vorhergehende.  Aber  das  Gemein- 
jahr hÜt  entweder  50  Wochen  3  Tage  oder  50  Wochen 
4  Tage  oder  SO  Wochen  5  Tage.  Es  erhellet  demnadi, 
dafs  das  Gemeinjehr  5587  ein  übei*zahliges  ist. 

Unter  lunpn  iheku/JuJi,  welches  Wort  im  alten  Te- 
stament vom  Umlauf  der  Sonne  und  Kreiskuf  der  Zeit 


H  B  B  R  Ä  E  R  •      ,  6^1 

^braucht  wird  ^),  versteht  man  in  der  Kalenderspracbe 
die  Jahrpunkte  oder  Anfange  der  vier  Jahrszeit^n. 
Das  Jahr  wird  dabei  zu  365  Tagen  6  Stunden  und  der 
Abstand  der  einen  Tbekuphah  von  der  andern  zu  91  Ta- 
gen 7-5-  Stunden  genommen  *).  Die  einzelnen  Thekupheu 
werden  nach  den  Monaten  benannt^  in  die  sie  gewöhn» 
lieb  fallen,  nämlich 

JFierbst*  Anfang        Tbekuphah  Thischri, 
Winters -Anfang      Tbekuphah  Tebeth, 
Frühlings -Anfang    Tbekuphah  Nisan, 
Sommers -Anfang    Tbekuphah  Thamus. 
Im  Schaltjahr,    wo  zwischen  den  Rosch  chodesch 
Ton  Tebeth   und  Nisan  vier  Monate   liegen,    kann  es 
sich  ereigoen ,  dafs  die  91  Tage  7-|-  Stunden  vom  Win- 
ter- bis  Früblings-Anfang  schon  im  Yeadar  abgelaufen 
sind.     Die  Thekuphe  fällt  dann  freilich  vor  den  Nisan, 
wird  aber  dennoch  nach  diesem  Monate  benannt,  eb«i 
so   wie  die  übrigen  Thekuphen  ibi^  Namen  behalten, 
wenn  sie  auch  aus  den  Monaten  hinausrücken,  denen 
sie  in  der  Regel  angehören. 

Wcifs  man  Monat,  Tag  und  Stunde,  wo  sich  eine 
Tbekuphe  ereignet,  so  kann  man  die  Reihe  der  The- 
kuphen vor-  und  rückwärts,  so  weit  man  will,  durch 
Addition  und  Subtraction  von  91  Tagen  7?  Stunden 
fortsetzen.  Allein  diese  Methode  hat  besonders  bei  der 
Wintertbekuphe  ibi^  Schwierigkeit,  weil  im  Herbst  die 
Monate  selten«  regelmälsig  abwechseln  und  man  daher 


*)  Man  vergleiche  Psalm  XEt,  7 ;  2.  M  o  s.  XXXIV,  22; 
2.  C  b  r  o  n.  XXIY,  23  und  die  Auslegei*  Aben  Etra  und 
K i  m  c hi  zu  diesen  Slellen. 

')    Kiddusck  haekodesch  c.  9. 


653  Technische  Chronologie. 

erst  cUe  jedesmalige  Lunge  der  Monate  besümmen  mufi« 
Nicbu  desto  weniger  haben  sich  die  altem  jüdisdien 
Chronologen  die  Mühe  gegeben ,  auf  diesem  Wege  Us 
ntr  Herbstthekuphe  des  ersten  Jahrs  der  Weltäre  zo- 
nickzarechnen  und  gefunden,  dafs  sich  der  Moied  der 
Schöpfung,  von  welchem  die  ganze  Kalenderrechnung 
ausgeht,  12  Tage  20St.  204chl.  später  als  Theknphah 
Thischri  ereignet  habe.  Nun  hat  sich  aber  aus  der  An- 
zahl der  seit  der  Epoche  der  jüdischen  WelUre  einge- 
tretenen Moleds  und  der  mittleren  Dauer  des  Monats 
zu  29T.  12St.  793chL  ergeben,  dafs  der  Moled  der 
Schöpfung  im  Jahr  953  der  julianischen  Periode  oder 
3761  v.Chr.  unter  dem  Meridian  von  Jerusalem  am 
7  Oktober  um  5  U.  204  chl. ,  oder  nach  unserer  Stnn- 
deneintheilung  am  6.  Oktober  um  11  U.  11'  Abends 
eingetreten  ist.  Ziehen  wir  also  von  diesem  Zeitpunkt 
12 T.  20 St.  204 chl.  ab,  so  tit^ffen  wir  mit  der  The- 
kuphah  Thischri  im  ersten  Jahr  der  Welttfre  auf  den 
24. September  3  U.Morgens  jerusalemmer  Zeit.  Da  das 
Intervall  zwischen  zwei  auf  einander  /bigenden  The- 
kuphen  derselben  Jahrszeit  gerade  die  Dauer  des  ]ulia- 
nischen  Jahrs  ist,  so  mufs  Thekuphah  Thischri  unter 
dem  Meridian  von  Jerusalem  für  immer  auf  dem  248ten 
julianischen  September  haften,  wenn  auch  gerade  nicht 
auf  derselben  Stunde.  Das  Jahr  953  der  julianischeu 
Periode  nämlich,  mit  welchem  die  jüdische  Weltäre  be- 
ginnt, ist,  wie  jedes  andere ,  das  durch  4  dividirt  den 
R«t  1  gibt,  ein  Schaltjahr.  Die  Thekuphah  Thischri 
des  folgenden  Jahrs  954  mu&le  also  auf  9  U.  Morgens, 
die  des  Jahr«  955  auf  3  U.  NachmitUgs ,  die  des  Jahrs 
956  auf  9  U.  Abends ,  und  die  des  Jahrs  957 ,  eines 
Schaltjahrs ,    wieder  auf  3  U.  Mozgens  treffen ,   und  $o 


H  E  B  A  Ä  E  R  .  553 

ohne  Ende.  Hieraus  folgt  eine  selir  einfaclie  Methode, 
die  Thekupbah  Thischri  eines '  gegebenen  Jahrs  zu  fin- 
den, zu  weichem  Behuf  die  )üdischen  Chronologen  eine 
etwas  sehw^rfiilige  Regel  geben,  die  ich  hier  nicht  er- 
läutern mag.  Soll  z.  B.  die  Thekupbah  Thischri  für 
das  Jahr  5586  gefunden  weiden*,  so  suche  man  zuerst 
das  Jahr  unserer  Zeitrechnij^pg,  «in  welchem  das  jüdische 
seinen  An£ing  nimmt«  Es  ist  das  Jahr  1825.  •  Dies  ist 
aber  das  erste  nach  einem  Schalljahr;  mithin  trifft  die 
gesuchte  Thekuphe  auf  9  U.  Morgens  des  24.  Septembers 
alten  oder  6.  Oktobers  neuen  Stils*  Nun  entspricht  der 
1.  Thischri  des  Jahrs  5SS6,  wie  wir  gleich  berechnen 
lernen  werden,  dem  13.  September  1Q25;  es  fällt  mit- 
bin Thekupbah  Thischri  auf  den  24sten  des  gleichna- 
migen Monats.  Verlangte  man  auch  die  übrigen  The- 
kuphen  des  Jahrs  5586,  so  würde  man  am  bequemsten 
dazu  gelangen,  wenn  man  erwägte,  dafs  der  6.  Oktober 
der  27 9s te  Tag  des  Gemein jahrs  ist,  und  nun  zu  278 
(vollen)  Tagen  und  9  Stunden  nach  einander  einmahl, 
zweimahl,  dreimahl  91  T.  77  St.  addirte.  Hat  man  hier- 
bei eine  Tafel  zur  Hand,  welche  die  laufende  Nummer 
eines  jeden  Gemein-  und  Schaltjahrs  anzeigt,  zu  der 
die  oben  (103)  gegebene  kleine  Tafel  leicht  vervollstän- 
digt werden  kann,  so  geht  die  Rechnung  sehr  leicht 
von  Statten.  Es  findet  sich  Thekupbah  Tebeth  am 
S.Januar  1826  um  4-|  U.  Nachmittags,  Thekupbah  Ni- 
aan  um  Mitternacht  des  beginnenden  1.  April,  und  The- 
kuphah  Thamus  am  7.  Julius  um  7 1- U.  Vormittags, 
welche  Data  man  ohne  Schwierigkeit  auf  die  jüdischen 
reducirt,  wenn  man  sich  nur  erinnert,  dais  das  Jahr 
5586  ein  regelinälsiges  Schaltjahr  ist  (550). 


654  Techniicke  Chronologe. 

Du  tich  die  Harbstnaohtgleicke  im  Jalir  1825  am 
23*  September  n.St.  ereignet ^  so  sielit  man,  wie  sehr 
aidi  die  Tliekuplien  verschoben  haben  und  wie  wenig 
•ie  tür  untere  Zeit  den  astronomiscben  Jahrpuniten 
entsprechen.  Sie  werden  indessen  noch  immer  in  den 
jüdischen  Kaleodem  angemit.  Znr  Zeit  des  ineiten 
Tempebf  wo  der  Jahranlafig  noch  nicht  cyUisch  berech- 
net wurde ,  hatte  die-  Beaohlnng  der  Tfaekuphen  ihien 
Nutsen,  weil  sie  bei  der  Ausgleichung  des  Mond-  und 
Sonnenjahrs  veriiinderten,  dals  die  Feste  aUzuweil  von 
den  Stellen  verschoben  wurden,  die  ne  im  Sonnen)ahr 
einnehmen  mufslen.  Jetzt  aber  würden  sie  fiir  die 
Anordnung  des  jüdischen  Kalenders  ohne  Nnuen  sein, 
auch  wenn  sie  wirklieh  mh  dem  Himmel  übereinstimm- 
ten. Diese  Uebei*einstimmung  fand  um  das  dritte  Jahp- 
hundert  unseeer  Zeitrechnung  Sutt«  zum  Zeichen,  dals 
die  Thekuphen- Rechnung  damals  ihre  Ausbildung  er- 
halten hat. 

Wir  haben  oben(54S)  gesehen,  wie  man  den  Wochen- 
tag findet,  dem  das  Neujahrfest  der  Juden  enVspTicht. 
Es  ist  nun  noch  übrig,  das  Datum  desselben  im  Ka- 
lender der  Christen  zu  berechnen.  Man  bedient  aich 
dazu  giewöhnlich  der  Tbekuphen  auf  eine  nicht  ganz 
leicht  zn  übersehende  Weise.  Folgende  Methode  ist 
einfacher  und  bequemer.  ' 

Wie  eben  bemerkt  worden,  ist  der  Moied  der 
Schöpfung  am  7. Oktober  a.St.  um  5U.  204 chl.  jerur 
«demmer  Zeit  im  Jahr  3761  v-Chr.  eingetroffen.  Dieses 
Jahr  ist  ein  Schaltjahr  und  der  7.  Oktober  des  Schalt- 
jahrs der  281  ste  Tag;  es  waren  mithin  im  Augenblick 
jenes  Moleds  vom  julianischen  Jahr  280  Tage  5  St.  204  cU. 


Hbb&abr«  555 

verflossen,  wobei  die  Tage  nach  jüdischer  Weise  um 
6U.  Ab.  angefangen  sind.  Da  19  mittlere  jüdische  Jahre 
6939  T.  16  St.  695 chl.  und  19.  julianische  6939 T.  18 St. 
halten,  so  sind.erstei«  um  ISt.  485 chl.  küi'zer  als  letz- 
tere, so  dafs  nach  Ablauf  des  neanzehnjfihrigen  Cyclus 
der  Moled  Thischri  im  jnlianischeti  Jahr  um  1  St.  485  chL 
früher  als  im  Anfange  desselben  •  eintritt.  Diese  Vorei- 
lung  von  1565  chl.  wollen  wir  mit  a  bezeichnen.  Das 
jüdische  Gemeinjahr  zu  zwölf  synodischen  Mouaien  hält 
354 T.  8 St.  876 chl.,  das  julianiscbe  Jahr  365 T«  6 St. 
und  das  jüdische  Schaltjahr  zu  dreizehn  synodi^en  Mo- 
naten 383  T.  21  St.  589  chl.  Hieraus  ergibt:  «cb  nun 
leicht  folgende  Ta£el,  welche  zeigt,  um  wie  viel  Tage, 
Stunden  und  Stundentheile  der  Mded  Thischri  nacti 
Ablauf  jedes  einzelnen  Jahrs  des  neunzehnjährigen  Cyclus 
im  julianischen  Jahr  früher  als  im  Anfange  des  Cyclus 
erfolgt. 


Jahr  des  Cjclus. 

Voreflni 

a^  des  Mol 

cd  Thischri. 

1 

10  T. 

21  St. 

204  chl. 

2 

21  - 

18  - 

408     - 

3  fr. 

3  - 

2  - 

899    - 

4 

14  - 

0  - 

23    - 

5 

24- 

21  - 

227     - 

6  4. 

6  - 

5  - 

718    - 

7 

17  - 

2  - 

922    - 

8b, 

-1  - 

12- 

747    - 

9 

9- 

8  - 

537    - 

10 

20  - 

5  - 

741    - 

114. 

1  - 

14  - 

152    - 

12 

12  - 

11  - 

356    - 

13 

23  - 

8  - 

560    - 

556  Technische  Chronologie. 


Yoreilung  des  Moied  Thisdiri. 


Wenn  hier  s.  B.  neben  dem  siebenten  Jabr  eine  Yorei-« 
lung  von  17.  T.  2 St.  922 chl.  bemerkt  ist,  so  beitsldas, 
nach  Ablauf  von  7  Jahien  des  19jl(hrigen  Cydus  trifft 
der  Moled  Thischri  utn  so  viel  Tage,  Stunden  und  Stun- 
dentbeile  später  als  anfrngs  ein.  Die  negative  Yorei- 
lung von  IT.  12 St.  747 chl.  neben  dem  achten  Jahr 
ist  eine  Verspätung.  Das  b.  bezeichnet  die  Schaltjahre, 
nadx  deren  Ablauf  die  Yoreilung  sich  allemahl  um  nahe 
18'- Tage  vermindert. 

Yerlangt  man  nun  das  julianische  Datum  des  Moled 
Thischri  irgend  eines  Jahrs  der  jüdischen  We/täre,  so 
kommt  es  darauf  an,  zu  berechnen,  um  yi\^  viel  Tage, 
Stunden  und  Stundenlheile  seil  der  Epoche  derselben 
der  Moled  seiner  oben  bemerkten  ursprünglichen  Zeit 
im  julianischen  Jahr  vorgeeilt  ist.  Soll  z.B.  der  Tag 
des  Moled  Thischri  des  Jahrs  5585  gefunden  werden,  so 
dividire  man  die  um  1  kleinere  Jahrzahl  5584  durch 
19.  Dies*  gibt  zum  Quotienten  293  und  zum  Rest  17, 
zum  Zeichen,  dals  beim  gedachten  Moled  von  der  Welt- 
äre  293  ganze  Cykel  und  17  Jahr  abgelaufen  sind.  Man 
multiplicire  also  293  in  a,  was  17  T.  16.  St.  625  chl. 
gibt,  und  addiie  dazu  7T.  19St.  870chl.,  als  die  Yor- 
eilung des  Moled  nach  17  Jahren.  So  erhält  man  25  T. 
12 St.  415 chl.,    um   welche  der  Moled  Thischii  des 


Hs.BRÄBa«  567 

Jahrs  S585  im  julianischeh  fHiher  eintrifft,  als  .4er.  des 
Jahrs  1.     Die  weitere  Rech^uxlg  steht  nun  ^IßQ* 

Zeit  des  Mded  im  Jahr  1  280T.    5St.  204cU; 

Voreilung in 5584 Jahren 25  ■.  12  -.  4>5.r  , 

ZeitdesMoled  im  Jahr  5585 254T.  16St.869chh 

Der  2558teTag  des  Schaltjahdrs  (ein  solches  ist  unser  Jahr 
1824,  in  welchem  das  gegebene  jüdische  seinen  Anfimg 
nimmt)  ist  der  11.  September  alten  oder  23..  September 
neuen  StilsJ  Es  tritt  mithin  der  in  Rede  stehende 
Moled  am  23.  September  1824  um  16  St.  869  chL  n$ch 
Anfang  des  jüdischen  Tages  ein*.  Dieses  Datum  ist  ein 
Donnerstag,,  und  da  hier  keine  der  obgedachten  Ausnah- 
men Statt  findet,  so  ist  es  sugleich  der  jüdische  Neu- 
jahcstag.  Weifs  man  mit  Leichtigkeit  den.  Wochentag 
eines  christlichen  Datums  su  finden  (eine  Regel  dazu 
wird  unten  im  siebenten  Abschnitt  gegeben  werden),  so 
bedarf  es  für  den  Moled  Thischri  nicht  einmahl  obiger 
besondem  Berechnung  des  Wochentages. 

Die  hier  erklärte  R^l  gilt  aber  ohne  y^ßiust»  Be- 
dingung nnr  für  solche  Jähre  der  jjädischen  Aere^  diQ 
in  christlichen  Schaltjahren  ihren  Anfang  nehmen. 
Sonst  überall  muls  man  von  dem  gefund»ien  Resultat 
noch  18,  12  oder  6 Stunden  abziehen,  je  nachdem  das 
Jahr  der  christlichen  Aere^  auf  welches  der.,  gesuchte 
Moled  triflt,  das  erste,  zweite  oder  dritte  nach. einem 
Schaltjahr  ist;  denn  da  das  julianisehe  Schaltjahr  tun 
16  Stunden  länger  und  das  julianische  Gemein  jähr., um 
6  Stunden  kürzer  ist,  alsjdas  eigentliche,  jvlianisehei  Jahr, 
das  der  ganzen  Rechnung  zum  Grande  liegt,  so  springt 
der  Anlang  des  ersten  Jahrs  nach  einem  Schaltjahr  um 
18,  der  des  zweiten  nm  12  und  der. des  dritten  um 
6  Stunden  yor,  so  daia  atoh  dndurdi.  die  gefnndeinen 


556  Technische  Chronologie. 

Yon^tfBng^  lA  dm  refsdiiedeneii  Idirett  iim  dbea  so 
viele  Stimdeii  ventfindem.  Statt  hier  die  Voreiliuig 
iimRer-ybn  28dT.  6  St.  204<^1.  ahmtiehen  und  dann 
den  Best  ni  berieh  ligeni  kann  man  den  Akiiig  im 
enten  Jahr  nach  dem  Schalijah»  von  270  T.  11  Sc. 
2Ö4chL,  im  tweilen  von  279T.  l7St.  204eU. ,  im 
drillen  von  279  T«  23  St.  204  dil.  nnd  ent  im  ScJialt- 
jahr  wieder  von  280  T«  5  St.  204  cM.  madien  mid  den 
Retit  UBveiündert  lassen.  Man  sieht,  dafs  die  Inta^alle 
twischen  diesen  Zeilpunkten  richtig  565  T.  6  St. «  die 
Dauer  dei  julianiacfaen  Jahrs«  geben.  Soll  also  nun  der 
Moled  Thiachri  des  Jahrs  5^86  gesudit  werden,  das 
1825,  im  ersten  Jahr  n«ch  einem  Schalijakr,  anfängt, 
SD  lieht  man  die  Voi^ung,  die  in  diesem  Fall  36  T. 
96t.  619 ehl.  betrugt,  von  279 T.  11  St.  204 chl.  ab. 
Der  Rest  in  243  T.  1  Su  665  cU.  nnd  der  244sie  Tag 
des  Gemeinjahrs  der  1.  September.  Es  unfFt  mithin  der 
Moled  Thischri  am  1.  September  alten  oder  iJ.Septem- 
her  neuen  Sub  nm  ISc.  665 cU.  ein,  nnd  da  dies  ein 
Dienstag  ist ,  so  hat<  man  in  ihm  nigleich  den  T<ei^ 
jahrstag.         ... 

Man  wird  diese  Methode,  das  christliche  Datum  des 
Anfanges  eines  g^^ebenen  Jahm  der  jüdischen  Aeie  2U 
b^tfeehnen,  bei  einiger  Uebung  sehr  bequem  finden.  Sie 
lafiit  sich. mit  gleicher  Leichtigkeit  auf  vergangene  und 
tnküiiftige  Jahre  towenden ;  nur  mnfs  man  wissen  l)wie 
man  die  Jahre  der  jiidisehbn  Aere  auf  die  christliche  xn 
redociren  hat; .  ^  nm  wie  viel  l^ge  der  neue  erst  «seil 
1582  eingeftthrte  Stil  in  jedem  Jahrhundert  der  christ- 
lichen Aere  von  dem  alten  abweicht.  Von  dem  erstem 
Punkt  ist  schon  die  Rede  ^wesen  (543) ,  Ton  d^em«n- 
dem  wit^d  in  ckr  ckristUAen  Zeiuiechnnng  gehandelt 


Hbbkäsb.«  669 

w^en.  Kennt  man  da»  Datum  des  l.Tbisdiri  und 
die  Dauer  des  jödischett  Jahn,  so  findet  man, leicht  die 
Anfangslage  aller  übrigen  Monate  und  das  einem  Jeden 
yädiMcheA  Datum . entsprechende  christliche^).  .. 

Will  man  umgekehrt  ein  christliches  Datum  auf 
den  jüdischen  Ralehder  reduciren,  z,B«  deä  22.  März 
182ä,  80  suche  man  zuvörderst  das.  laufende  Jahr  der 
jüdischen  Acre.  Es  findet  sich  5585.  Dann  berechne 
man  das  Datum-  seines  1  •  Thisehri,  das,  wie  wir  schon 
gesehen  haben,  der  23.  September  1824,  ein  Donnecstag, 
ist.  Yei^leicht  man  nun  noch  den  folgenden  1.  Thi^chri, 
für  welchen  sich  d^  13.  September  1625,.  ein  Dienstag, 
ergibt,  so  sieht  man,  dafs  das  Jahr  5585  ein  übei'zähh 
liges  Gemeittjahr  ist.  Der  Marcbesclwan  bat  demnaiji 
30  Tage,  und  es  trifll 

der  l.Thisdm.  auf  den  23.  Septeihber. 

"^     1«  Marcheschyan    <-^     -     23«  Okiober» 

-  liKislev  -       •     22.  November, 

-  1^  Tebeth  -       -     22.  December. 
^     IvSchebat  -      -*     20.  Januar. 

-  1,  Adar  ^      *     19.  Februar.      . 
*     l.Nisan  »*       *     20.  März  u. s.w. 

Das  gegebene  Datum  entspricht  mithin  dem  3.  Kisan 
des  Jahrs  5585. 

Hat  man  auf  diese  Weise  die  ohristliohen  Data  und 
Wochentage  zweier  auf  einandekr  folgenden,  jüdischen 


^)  Wer  did  lachte  ICühe  solcher  Rec(^angei>  scheuet^  findet 
in  Hm.  Maier  Kornick's  uulängst  erschieDOnem  System 
der  Zeitrechnung  in  chronologischen  Tabellen 
(Berlin  1825,  fol.)  Ton  S.  102-115  eine  Tafel  der  Anfänge  dci- 
jüdischen  Monate  im  christlichen  Kalender  fdr  afle  Jahk«  derWelt« 
äre  von  4118  bis  6000. 


560  Technische  Chronologie. 

lahre,  i<  B«  von  S5S5  aad  5586,  bestimmt,  nnd  danua 
die  Bescbaflenbeit  da  entern  hergeleitet,  so  kann  man, 
da  alle  jüdische  Fest-  und  Fasttage  unbeweglich  odei 
an  bestimmte  Monalslage  geknüpft  sind,  einen  Kalender 
inr  dasselbe  entwerfen« 

Der  15.Nisan,  an  welchem  dss  Osterfest  der 
Joden  an&ngt,  ist,  wie  man  leicht  sieht,  allemahl  der 
163sie  Tag  vom  Ende  des  Jahrs.  Man  darf  also  nur 
vom  julianischen,  mit  einer  fortlaufenden  Nummer  be- 
aeichneten,  Datum  des  folgenden  Neujahi's  163  abiiehen, 
um  das  Datum  des  jedesmaligen  Osterfestes  zu  erhal- 
ten. Da  B.  B.  der  Neujahrstag  des  Jahrs  5586  auf  den 
13.  September  1825,  den  256sten  Tag  des  Gemeinjahrs, 
trifft,  so  entspricht  der  erste  Oslertag  des  Jahrs  5585 
dem  93sten  Tage  oder  3.  April  1825. 

Hr.  Gauss  hat  in  der  monatlichen  Corres- 
pondena  des  Hm.  von  Zach*)  eine  Formel  xur  Bc" 
rechnung  des  jüdischen  Osterfestes  gegeben,  die  von 
Hrn.  C  jsa  de  Cr^sy  in  der  Correspondance  astrono' 
migue  desselben  Hei'ausgebers  ')  bewiesen  und  erläutert 
woixlen  ist.  Sie  ist,  wie  schon  der  Name  ihres  Urhe- 
bers erwarten  Ififst,  sinnreich  und  elegant,  wurde  aber 
in  dieser  für  gemischte  Leser  bevechneien  Darstellung 
der  jüdischen  Zeitrechnung  keinen  Platz  finden  kön- 
iien,  auch  wenn  sie  tär  die  Ausübung  noch  gröfsere 
Vortheik  gewährte.  Idi  mnfs  mich  .  daher  bqpiügeDf 
diejenigen  meiner  Leser,  welche  an  mathematischen 
Erörterungen  Vergnügen  finden,  auf  sie  aufmerksam  ge- 
macht zu  haben. 


•)    Bd.  V,  ß.  435  ff. 
')    Bd.  I,  S.  556  ff. 


HSBBAER.  561 

Auf  den  Titeln  der  jüdischen  Kalender  pflegen  drd 
Buchstaben  nebeneinander  zu  stehen ,  von  denen  der  zur 
Rechten  den  Wochentag  des  Meujahrfestes,  der  mittlere 
die  Beschaffenheit  des  Jahrs,  und  der  zur  Linken  den* 
Wochentag  des  Osterfestes  angibt.  So  sieht  man  auf 
den  Kalendern  von  5586  die  Buchstaben  td>,  von  de- 
nen >,  3,  bedeutet,  dafs  das  Jahr  mit  einem  Dienstage 
anfängt,  a,  dafs  es  ein  regelmäfsiges  (hesiderah)  ist,  und 
t,  7,  dafs  Ostern  auf  einen  Sonnabend  trifft.  Man  nennt 
dies  die  naün  n'O^äp  kebioth  haschaiiali,  die  Best  im-« 
jnungen  des  Jahrs,  von  der  aramäischen  Wui*zel 
!9äp  kaba,  bestimmen,  festsetzen.  Es  gibt  nichir 
mehr  als  vierzehn  solcher  G>mbinationen,  nfiisklieh: 


1) 

•l- 

u. 

S 

2) 

1 

M. 

7 

3) 

1 

M.» 

5 

4) 

3 

M. 

2 

5) 

3 

U. 

7 

6) 

3 

M.* 

7 

7) 

3 

U.* 

5 

8) 

5 

U. 

2 

9) 

5 

R. 

3 

10) 

S 

M.» 

2 

11) 

5 

U.' 

7 

12) 

7 

R. 

S 

13) 

7 

U.» 

2 

14) 

7 

R.» 

3 

M.  bezeichnet  hier  das  mangelhafte,  R.  das  regelmafsige, 
U.  das  überzählige  Jahr ,  *' das  Schaltjahr.  Die  Ziffern 
rechts  geben  den  Wochentag  des  1.  Thischri  und  die 
links  den  Wochentag  des  15.  Nisan  zu  erkennen.  Man 
I.  [36] 


562  Technische  Chronologie. 

äUit,  dift  leUlanor  aur  ein  SomiU|^,  DieiiiUg,  Don- 
ncnug  oAet  Soimabend  »t  ^). 

Aniser  dem  IQjülirigen  Mondcirkel,  auf  dem  der 
fMne  Kidender  der  Juden  bemht,  reden  ihre  OiroBolo- 
lea  nodi  von  einem  28jälirigen  Sonnencirkel,  nach 
detten  Abkaf  die  Sonne  wieder  an  deaseJhen  Wochen- 
Ulfen  dieselben  Punkte  ihrer  Bahn  eneicbr.  Sie  nen- 
nen diesen  Zeitraum  Vra  TUna  machsor  gaJoly  den 
grofsen  Cyclus,  xom  Unterschiede  von  )enem,  dem 
sie  den  Namen  pp  yrtno  machsor  katan,  kleiner  Gy- 
dlns,  beilegen.  Der  gro&e  ist,  auf  eine  tthnliche  Weise 
wie  der  kleine  (542),  dergeslali  an  die  Weltäre  gereiht, 
da(s  die  Division  der  Jahrcahl  durch  28  xum  Rest  das  laur 
fende  Jahr  desselben  gibt,  das  man  kurz  den  Sonnen- 
cirkel  nennt.  Bleibt  kein  Best,  so  ist  der  Sonnen- 
cirkel  28.  So  ergibt  sich  (tir  das  Jahr  5586  der  Son- 
nencirkel  14,  eben  so  wie  für  das  entsprechende  Jahr 
1825  unserer  Aere.  Die  Juden  haben  diesen  Zeilkreis 
von  den  Christen  entlehnt,  und  gebrauclie/i  iba  auch 
tu  gleichem  Zweck ,  nämlich  um  den  WocVienlag  eines 
christlichen  Datums  zu  finden.  W^ir  wollen  uns  daher 
hier  nicht  bei  einem  Gegenstande  verweilen,  der  an- 
derswo ausfuhrlich  zur  Sprache  kommen  wird  und  blofs 


')  Es  rerdient  bemerkt  zu  werden,  dafs  die  Wochentage  des 
Osterfestes  zugleich  die  der  übrigen  Feiertage  des  Jahrs  geben. 
Der  ei-ste  Ostertng  trtfil  mit  dem  Fasttage  des  9.  Ab ,  der  zweite 
mit  dem  ersten  Pfingsttage,  der  dritte  mit  dem  folgenden  Neu- 
jahrttage  und  dem  erslan  des  Laubhüttenfestes,  der  vierte  mit  dem 
leUten  Tage  des  folgenden  JLaubhiittenfesles ,  der  fiinfle  mit  dem 
iblgenden  Yei^hnungsfest  und  der  sechste  mit  dem  Torhergeben- 
dn»  Purimfaste  auf  einerlei  Woehentag. 


H  E  B  A  Ä  E  R  .  663 

bemerken ,  clafs  die  Juden  nach  Ablauf  dieses  Girkels, 
also  alle  28  Jahr,  beim  Aufgange  der  Sonne  ein  kurzes 
Gebet  vor  ihrer  Synagoge  zu  sprechen  angewiesen  sind, 
das  schon  im  Thalmud  erwähnt  wii-d^),  und  zum 
Beweise  dient,  dafs  iat  Machsor  frühzeitig  für  sie  eine 
besondere  Wichtigkeit  erlangt  haben  müsse. 

Nachdem  wir  nun  alle  Elemente  des  jüdischen  Ka- 
lenders kennen  gelernt  haben,  werden  wir  einen-  solchen 
—  eine  Tafel,  mV  luctch,  wie  die  Juden  sagen—  für 
jedes  gegebene  Jahr  entwerfen  kÖnneti.  Zum  Behuf 
desselben  will  ich  hier  die  unveränderlichen  Dala  ihrer 
Fest-  und  Fasttage,  die  im  Obigen  zerstreut  vorkommen, 
kurz  noch  einmahl  zusammenätellto ,  und  bei  dieser 
Geleg'enheit  noch  -  einige  dabin  gehörige  Bemerkungen 

nachtragen. 

T:hischri. 

nsün  üNn  rosch  haschanah,  Neujahrfest  (498, 
522). 
3.  'üT^'iynuzomgedaljahu,  Fasten  Gedaljah(528), 
wird,  wenii  der  Tag  ein  Sonnabend  ist,  auf 
den  folgenden  Sonnug,  den  4.- Thisötri  $  •  vei> 
legt. 
10.  nnta  Dl*»  jom  kippur,  Versöhnöngsfest  (499, 
523),  ein  strenger,  von  einem  Abend  zum  an- 
dern zu  beobachtender,  Fasttag.  Die  nur  un- 
ter den  Christen  gehörte  fenehiiung  la>hge 
Nacht  ist  ganz  unstatthaft. 

rroü  süccoth,  LaubhüUenfe»t  ^  (ebend.).  Die- 
ses Fest  dauert  acht  Tägie,  vdii  denen  jedoch 
der  dritte  bis  siebente  keine'  Feiertage  sind. 


^ 


in, 

16/ 


')    Brackoth  B1.59;  S.^.     ' 

[36'] 


564  Technische  Chronologie. 

LeUtereFf  also  der  2i.Thischri,  {ubit  den 
Namen  MOr\  ao9on  hosana  rabba,  von  dem 
grofsen  Hosana,  das  an  diesem  Tage  in 
der  Synagoge  abgesungen  wird. 
22.  tvtD  **rso  schemini  azensth,  der  achte  Tag 
der  Yersammlung  (500).  Däs  Schlulsfest 
der  Süccoth. 

33.  trm  rcrap  simchaih  thorahf  das  Freudenfest 
der  Thorah  oder  Gesetzfreude.  An  die- 
sem Feiertage  wird  die  Lesung  der  54  Periko- 
pen  — nTtn&  parschijoth  ^  ^  in  die  der  Pen- 
lateuch  getkeilt  ist,  geendigt  und  von  neuem 
angefangen.  Jeden  Sabbath  wird  eine  davon 
in  der  Synagoge  abgelesen.  Die  Anzahl  ist 
auf  das  Schaltjahr  berechnet.  Im  Gemeinjahr, 
das  nur  50  Sabbathe  enthält,  werden  die  vier 
überzähligen  vertheilt. 

30.  Erster  Rasch  cliodesch  Marchesciwan  (Si3). 

Marcheschvan. 

1.  Rasch  cliodesch. 
30.  Im  überzähligeu  Jahr  (541)  erster  Rasch  chadesch 
Kislev. 

K  i  s  1  e  V. 

1.  RosA  chadesch. 
25.  rean  chanükkah,   Tcmpelweihe{524).     Dieses 

Fest  dauert  acht  Tage,  gehört  jedoch  nicht  zu 

den  stienge  oder  mit  Enthaltung  von  Ajrbeit 

zu  feiernden. 
30.  Im  xegelmäisigen   und    überzähligen  Jahr  (540, 

541)  erster  Rasch  chadesch  TeheA. 


Hebräer.  565 

Tebeth. 
1.  Rosch  chodesch, 
10.  rftdä  m«99  asarah  betebeth,  der  zehnte  imTe« 
beth  ,  Fasten  der  Belagerung  Jerusalems  (ä27)t 
wird,  wenn  der  Tag  ein  Sonnabend  ist»  auf 
Sonntag  den  11.  Tebeth  verschoben. 

S  c  h  eba  t. 
1.  Rosch  chodesch. 
30.  Erster  Rosch  chodesch  Adar. 

A  d  a  r  • 
1.  Rosch  chodesch. 

13.  nratt  t\^Tsr\thamth  Esther,  Fasten  Esther  (526)| 

wird,  wenn  der  Tag  ein  Sonnabend  ist,  auf 
den  Yorhei^henden  Donnerstag,  den  11.  Adar, 
verlegt. 

14.  ü^"^  purim,   Losungsfest  (525),    gehört  nicht 

zu  den  strenggefeierten.  Es  wird  blois  das 
Buch  Esther  in  der  Synagoge  vorgelesen 
und  ein  kurzer  Auszug  daraus  in  das  Ulgliche 
Schemona  esre  eingeschaltet.  Die  Benennung 
Hamansfest  wii*d  unter  den  Juden  nicht 
gehört. 

15.  ü^'^)or^schuschanpurim,  PurimzuSnsa(526). 

Im  Schaltjahr  gehören' diese  drei  Tage  demVea*» 
dar  an  (540).  Im  Adar,  der  dann  der  Schalt- 
monat ist,  wird  der  I4le  iionn  D'n'tt  oder  top 
purim  rischon  oder  hatan,  das  erste  oder 
kleine  Pnrim  genannt ,  aber  nicht  ge- 
feiert. 


des  Pasfah-  oder 


566  Technische  Chronologie. 

Der  30.  Adar  im  Schaltjahr  ist  der  erste  Bosch 
chodesch  Feadar, 

N  i  8  a  n. 
f.  Rosch  chodesch. 

lAnfang  des  n^t  pesach, 
*^J      Osverfestcs(495,514). 

lEnde  des  Passah.     Nur  diese  vier  Tage  sind 
^       Festsabbalhe.    An  den  zwischenliegenden^  vom 
17len  bis  20.Nisan,    ob  sie  gleich  lum  Feste 
gehören,   ist  die  Arbeit  nicht  untersagt.     Der 
•  sweite  und  achte  Tag  sind  vollkommen  eben 
so  heilig  als  der  erste  und  siebente,   nur  mit 
dem  Unterschiede,    dafs  an   ihnen  Handlun- 
gen verrichtet  werden  können,  die  nicht  über 
24  Stunden  aufgeschoben  werden  dürfen,  z.B. 
das  Begraben  der  Todten. 
30.  Erster  Rosch  chodesch  Jjar. 

I  j  a  r. 
1.  Roseh  chodesch. 

18.  *VDm  A  lag  beomer,  der  drei  und  dreifsigste 

Tag   im  Omer,    vom    16.  Nisan   an  gerech- 

nel,    an  welchem  einst  das  Omer  dargebracht 

wuixle  (487).    An  diesen  Tag  knüpft  sich  eine 

alte,  die  Schüler  des  Rabbi  Akiba  betrefifeDde, 

Tradition,  deren  Erwähnung  hier  keine  Stelle 

finden  kann. 

S  i  V  a  n. 
1,  Rosch  chodesch. 
Z'^S.  nVä>^  Ma^  rto'km  schelaschah  jeme  hßgbaliJi,  die 
drei   Begrenzungstage,    mit  Bezug  auf 


Hjsbräek.  567 

2.  Mos.  XIX)  10-12  also  benannt.  Sie  wer- 
den als  Yorbeveitungslage.  ^ur  Empfangnahme 
des  Gesetzes  auf  dem  Sinai  l)etradiiet,  aber 
nicht  ^efeiei^t. 
rmt)  scliabüoth,  das  Wochen^  oder  Pfij&gst- 
fest  (497,  521).  Seide  Tage  gehören  au  den 
Festsabbalhen. 
30.  Erster  jRosch  chodesth  Thomas. 


?} 


Thamus. 
1.  Rosch  citodesch. 
17.  mra  n%)9  9^t9  sclieba  asar  bethamus,  der  sieb- 
zehnte im  Thamus,  Fasten  w^en  Erobe- 
rung Jerusalems  (528),  wird,  wenn  es  ein  Sonn- 
abend ist,  auf  den  folgenden  Sonntag,  den 
18. Thamus,  verlegt. 

A  b. 

1.  Rosch  chodesch» 

9.  äMä  nvDn  tluschah  beab,  der  neunte  Ab,  Fasten 
wegen  Zerstörung  des  Tempels  (528).   Auch  die- 
ser Fasttag  wird,  wenn  er  auf  einen  Sonnabend 
trifft,  auf  den  folgenden  Sonntag  verschoben. 
30.  Erster  Rosch  cliodesch  EkU. 

El  ul. 

1.  Rosch  chodesch» 
Mehrere  Fasttage,    die  blofe  noch  hin  und  wieder  von 
einzelnen  orthodoxen  Juden   beobachtet   werden,    sind 
hier  nicht  erwähnt  worden.    Wer  sie  und  die  Begeben- 
heiten, auf  welche  sie  sich  beziehen,  kennen  zu  lernen 


568  technische  Chronologie. 

wünscht  9   vergleiche   den  ausführlichen  Kalender  auf 
das  Jahr  5435  hei  Bartolocci  *). 

Was  die  Aeren  der  Juden  in  der  dritten  Periode 
ihm- Zeitrechnung  betrifft,  so  haben  sie  die  seleuci- 
dische,  von  ihnen  Minjan  schiarotli  genannt  (530), 
noch  lange  nach  ihrer  ZSei^streuung  fortgebraucht.  Bar- 
tolocci sagt'):  Aera  contractuum  maarime  ßjJl 
in  usu  apud  Hebraeos,  perdarmntque  usque  ad  temporu 
jR.  Mosis  Bar  Alaimonis ,  quo  tempore  iam  pauUuim 
introductus  erat  mos  numerandi  ab  aera  creationis 
mundi  et  seorsün  dimissa  aera  contractuum^  ita  ut  ho- 
die  omnino  cessaverit  in  Sjmagoga,  Hiemach  wäre  also 
diese  Jahrrechnung  gans  allmälig  von  der  jetzigen  Welt- 
äre  verdrängt  und  bis  auf  das  zwölfte  Jahj*hundert 
n. Clir. ,  woMaimonides  lebte,  beibehalten  woixlen  '). 
Dals  dieWeltäre  erst  nach  Vollendung  des  Thalmud, 
der  ihrer  noch  nicht  gedenkt,  in  den  Gang  gekommen 
sei,  ist  die  Meinung  der  gelehrtesten  Rabbinen  und  des 
unterrichteten  Verfassers  des  Meor  Fna/im,  der  sich 
also  ausdrückt*):  „Der  Gebreach,  nacVi  der  Schöpfung 
„SU  zahlen,  hat  unter  unserm  Volke  erst  unter  Rabbi 
„iScherira  vor  etwa  600   Jahren  begonnen."      Dieser 


*)    Bibliotkeca  Rabhinica  P.II,  p.550  E. 

')    Ebend.  8.430. 

*)  Noch  immer  wird  das  Jahr  des  erloschenen  Schtaroth  in 
den  jüdischen  Kniendem  angegeben,  jedoch  auf  eine  sehr  schwan- 
kende Weue.  Um  es  richtig  zu  erhallen ,  mufs  man  yon  dem 
sugehöngen  jüdischen  3449  abziehen.  So  fangt  zugleich  mit  dem 
Jahr  5586  der  V^eltäre  das  2137ste  d68  Schtaroth  im  Heibst  un- 
aers  jetsigen  Jahrs  1825  an. 

♦)    €.25,8.96. 


Hebräer.  669 

Rabbi  starb  im  Jahr  1019 n.Chr.  Weiterhin  helfet  es  *): 
,,Da  das  griechische  Reich  untergegangen  war,  und 
,,wir  keiner  festen  Hen-scbaft  weiter  unterthänig  blie- 
,,ben,  deren  Gewogenheit  uns  zu  erwerben  wir  uns 
,,ausschliefelich  hätten  bemühen  sollen,  sondern  von 
y,der  einen  unter  die  andere  geworfen  wurden,  so  be- 
,,schlofs  man,  die  Jahre  vom  Ursprünge  aller  Dinge  zu 
,, zählen,  wodurch  wir  an  die  Herrschaft  Gottes  erinnert 
,,weixlen,  was  jeder  noch  so  mächtige  Fürst  billigen 
,,wii^."  Poh'tisch- religiöse  Ansichten  hätten  also  die 
ei*ste  Veranlassung  zur  Einführung  derWeltäre  gegeben, 
und  zwar  lange  nach  Zerstöining  des  zweiten  Tempels« 
Es  fragt  sich  hier  aber,  wann  und  duix;h  wen  die  jetzige 
Bercchnungsweise  der  Moleds  eingeführt  worden  ist; 
denn  dafs  derjenige  als  der  eigentliche  Urheber  der 
Weltare  betrachtet  werden  müsse,  der  zuei'st  den  Ge- 
danken gehabt  hat,  diese  Rechnung  an  den  Moled 
Thischri  der  Schöpfung  zu  knüpfen,  und  dafs  die  Welt- 
are ursprünglich  ein  rein  wissenschaftliches,  blofs  zum 
Behuf  des  Kalendercalculs  ersonnenes,  Institut  gewesen 
und  erst  allmälig  in  den  bfirgerlichen  Gebrauch  gekom- 
men sei,  scheint  keinem  Zweifel  zu  unterliegen.  Dies 
führt  mich  auf  eine  Untersuchung  über  die  Entstehung 
des  heutigen  jüdischen  Kalendei-s. 

Kein  Punkt  des  Gebieu  der  Chronologie  ist  in  ein 
tieferes  Dunkel  gehüllt,  als  dieser.  Es  wüixle  mich  zu 
weit  führen,  wenn  ich  alle  dahin  gehörige  Notizen  und 
Hypothesen,  die  sich  bei  jüdischen  und  christlichen 
Scliriflstellem  zerstreut  finden,  sammeln  und  prüfen 
wollte.     Ich  verweise  der  Litteratur  halber  auf  die  ge- 

')    S.ii3. 


570  Technische  Chronologie. 

lehrten  Anmerkan^en,  womil  Hr.  Silvestre  de  Sacj 
ein  Fragment  des  TaLi- Eddin  Makrizi  über  die 
Aeren  und  Feste  der  Jndeu  erläutert,  das  er  in 
seine  Chrestomathie  Arabe  aufgenommen  hat  '), 
und  begnüge  mich ,  eini^B  ThalNichen  hervoi-zuheben, 
auf  deinen  Zusammenstellung  es  hier  yorxügUdii  an- 
kommt« 

Zuerst  wiederhohle  ich  meine  schon  oben  ^509) 
ausgesprochene  Meinung,  dafs  die  Juden  bis  au£  ihre 
Zerstreuung f  und  ich  setze  hinzu,  noch  eine  geraume 
Zeit  nachher,  die  Neumonde  und  Schaltjahre  nicht  nach 
(iesten  astronomischen  Grundsätzen  bestimmt  haben.  Die 
Begel  war  allerdings,  dals  der  Monat  an  dem  Tage  an- 
gefangen wurde,  an  welchem  sich  die  Mondsichel  zuerst 
in  der  Abenddämmerung  zeigte,  und  das  Passah  gefeiert 
werden  sollte,  h  xpu^  tqS  tj^icu  xod^sorwrc^,  wenn  sich 
die  Sonne  im  Widder  befand,  wie  losephus 
aagt  (514),  so  dafs,  wie  Maimonides  hiermit  uber- 
einslimmig  bemerkt ') ,  ein  zweiler  Adsr  e/nsuschaltjen 
war,  wenn  die  Frühlingsnachegleiche  erat  am  IG.Itisan 
oder  später  eintraf;  allein  man  würde  sehr  irren,  wenn 
man  glaubte,  da(s  eine  auf  diese  Principien  gegründete 
unwandelbai^  Bestiramungsweise  der  Neumonde  und 
Schahjahre  im  Gebrauch  gewesen  sei,  die  eine  sichere 
Reduciion  jüdischer  DaU  auf  den  julianischen  Kalender 
gestattete.  Es  soll  hiei-mit  nicht  behauptet  werden, 
dafs  man  noch  gar  keine  Versuche  gemacht  habe,  den 
Kalender  cyklisch  zu  ordnen«  Seil  dem  vierten  Jahi^ 
hundert  v.  Chr.  bestand  die  callippisdie  Periode  (344), 


*)    Vol.  I,  p.  «32  ff.    Vol.  n,  p.  156  ff. 
')    Kiddusch  kackodesch  c.4,  S-2. 


HspRÄ^n*  571 

der^n  Yerbreitupg  vüb^v  d^a  yon  Alexandfir  etoberUa 
und  vpn  Griechen  bewohnten  Theil  Aliens,  oainenLlic)i 
über  Syrien,  niemand  bezweifeln  wii*d;  auch  spricht 
Epiphanias^)  von  einem  84jährigen  Cyclus,  nach 
welchem  die  Juden  um  die  Zeit  von  Christi  Tode  das 
Passah  bestimmt  haben  sollen :  die  Rechnung  war  aber 
so  gut  wie  gar  nicht  vorhanden,  da  lediglich  die  WiU- 
Lühr  des  Sanhedrin  den  Ausschlag  gab.  Wie  der- 
selbe bei  den  Neumonden  verfuhr,  haben  wir  be^^eit^ 
oben  (512)  gesehen,  und  wie  vielfache  Clücksichten  ihn 
bei  der  Wahl  der  Schaltjahre  leiteten,  .sagt  uns  Mai- 
monides  ^).  Der  Thalmud  ^)  hat  uns  ein  merkwür- 
diges an  die  Juden  su  Babylqn  und  in  Medien  gerich- 
tetes Schreiben  des  Rabban  Gamaliel  aufbe- 
wahrt, das  hier  an  seiner  Slielle  stehen  wii-d:  ,,Wir 
,, machen  euch  hiermit  bekannt,  dafs  wir,  da  diis 
,, Tauben  (zum  Opfier)  noch  zU  zart  und  die  Lämmer 
,, (zum  Passah)  npch  zu  jung  sind,  auch  die  Zeit  des 
,,Abib  noch  nicht  herangekommen  ist,  in  Vereinigung 
,,mit  unsem  Collegen  für  nöthig  erachtet  haben,  dem 
'  ,,  Jahr  dreifsig  Tage  zuzulegen."  Dieser  Gamaliel  war 
der  Lehi*er  des  Apostel  Paulus,  und  wii*d  im  neuen 
Testament  wegen  seiner  bei  den  ersten  Yerfolgungen  der 
Christen  bewiesenen  Duldung  rühmlich  ei*wähnt "). 

Des  84jährigen  Cyclus  gedenkt  aufser  Epiphanias 
noch  Cyrillus  in  seinem  Prologus  paschalis,  und  nach 
ihren  Aeufserungen  läist  sich  wol  nicht  zweifeln,   da& 


•)  Haeres,  LI,  c.  26,  p.  448. 

')  Im  vierten  Kapitel  seines  oft  gedachten  Weiiu. 

')  Sanhedrin  Bhii,S,% 

*)  Apostelgesch.V,  34;   XXII,  3. 


672  Technische    Chronologie. 

er  weaigstens  von  einselnen  jüdischen  Sekten  gebnndit 
worden  sei,  wenn  es  gleich  auffallend  ist,  dais  sich 
keine  Spar  von  ihm  weder  im  Thalmud  noch  bei 
sonst  einem  rabbinischen  Schrifuteller  findet.  Von  den 
Joden  scheint  er  ninfichst  su  den  Quartadecimanern, 
einer  christlichen  Sekte,  die  das  Passah  nach  jüdischer 
Weise  an  der  LunaXIV,  dem  YcJlmondscage,  afs,  und 
Ton  diesen  cur  lateinischen  Kirche  übergewogen  zu 
sein,  die  lange  nach  ihm  ihr  Osterfest  geordnet  hat. 
In  der  Zeitrechnung  der  Christen  werden  wir  auf  Vbn 
zurückkommen«  Für  jetzt  nur  noch  die  Bemerkung^ 
dais  er  der  76jMhrigen  Periode,  des  Callippus  an  Ge- 
nauigkeit sehr  nachsteht.  Am  gründlichsten  hat  über 
ihn  Bucherius  commentirt  *)• 

Wenn  das  Weik  Perakim,  das  den  Namen  des 
Rabbi  dieser  Ben  Hyrcanus  an  der  Slim  trägt, 
icht  wäre,  so  wüixle,  den  Auszügen  nach  zu  urtheilen, 
die  Bartolocci  aus  demselben  gibt'),  dieser  berülimte, 
bald  nach  Christi  Tode  lebende,  Lehrer,  den  die  Judeu 
hagadol,  den  Grofsen,  neooen,  schon  die  Hauplele- 
mente  des  jüdischen  Kalenders  gekannt  haben.  Allein 
die  Pirke  Rabbi  Elieser  sind  offenbar  eine  spätere  Com- 
pilalion,  die  wenig  ihrem  angeblichen  Urheber  ange- 
höriges enthalten  mag.  Indessen  rühmen  die  Thal- 
mndisten  diesen  Rabbi  wegen  seiner  mathematischen 
Kenntnisse;  auch  macht  Makriii  in  seinem  obge- 
dachten  Fragment  zum  Urheber  der  cyklischen  Rechnung 


^)    Aegidii  Bueherü  de  doctrina  temporum   commentarius 
\  Fictorium  Aquittumm  (Antwerpen  1634,  Ibl.)  p* 313  ff. 

»)    P.n,  p.543  ff 


Hebräbr.  673 

der  Juden  einen  Elieser,  der  vermuthlich  mit  dem 
Sohn  des  Hyrcanus  Eine  Person  ist. 

Die  ersten  sichern  Nachrichten  von  der  Gestaltung 
des  heutigen  jüdischen  Kalenders  gehen  nicht  über  den 
Schlufs  der  Mi  seh  na  zurück,  der  in  das  .Jahr  .3949 
der  Welt,  n.Chr.  189,  gesetzt  wird*).  In  diesem  zwei- 
ten Gesetz  erhielten  die  Juden  einen  neuen  Yemni- 
gungspunkt,  wie  einst  in  dem  ersten,  der  Thor  ah, 
unter  Moses.  Es  entwickelte  sich  jetzt  unter  ihnen 
ein  reges  geistiges  Leben,  dessen  Früchte  in  der  Ge- 
rn ara  vorliegen,  die  als  Commentar  mit  ihrem  Text, 
der  Mi  seh  na,  vereint  bekAuntlich  die  Basis  des  neuem 
Judenthums,  den  Thalmud,  bildet.  Unter  den  Leh- 
rern, die  an  demselben  gearbeitet  haben,' gab  es  meh- 
rere, die  sich  bemühten,  die  Bestimmungsweise  ihrer 
Feste  über  alle  Willkühr  zu  erheben  und  Regeln  auf- 
zustellen, welche  die  gleichzeitige  Feier  derselben  für 
alle  ihre  in  grofser  Zerstreuung  lebenden  Glaubensge- 
nossen möglich  machte.  Als  solche  weiden  uns  zunächst 
die  Rabbi  nen  Samuel  und  Ad  da  genannt,  denen  eine 
einstimmige  Tradition  die  Bearbeitung  der  Thekuphen 
zuschi'eibt. 

Der  Rabbi  Samuel  war  nach  Bartolocci')  Vor- 
steher der  Akademie  zu  Nahardeah,  einer  Stadt  an^  Ufer 
des  Euphrat  in  der  Nähe  des  alten  Babylons ,  auf  dessen 


^)  Juchasin  Bl.  160,  S.i.  Ich  habe  hier  mit  dehn  jüdischen 
Jahr  das  christliche  zusammengestellt,  das  seinem  gröfsten  Theü 
nach  mit  deijnselben  übereinstimmt,  und  das  sich  findet,  wenn 
man  das  Resultat  obiger  Reducüon  (543)  um  eine  Einheit  Ter- 
grÖfsert. 

»)    P.IV,  p.388. 


574  Technische  Chronologie. 

G«b!et  ä€<r  RabbiüMniiis  in  mehreren  Hocbsd^nlen  Mnhte« 
Er  surb  im  Jahr  4010  der  Welt,  n.Chr.  250.  Es  sollen 
aftCronomiscbe  Tafeln  von  ihm  in  der  Bibliolhek  des  Va- 
tikans aufbewahrt  werden.  Yon  seiner  Beschäftigung 
mit  denselben  erhielt  er  den  Beinamen  Bajarchi,  der 
Mondsüchtige.  Allgemein  wird  ihm  diejenige  The- 
kuphenrechnung  beigelegt,  nach  der  das  Iniei-vajj  zwi- 
schen £wei  auf  einander  folgenden  Thekuphen  91 T.  TfSt. 
betragt.  Man  sieht,  dafs  ihr  die  Daner  des  damals  schon 
dlgemeiR  in  Syrien  eiugefahrlen  julianischen  Jahrs  zum 
Grunde  liegt. 

Diese  Rechnung,  die  ihrer  Einfachheit  wegen  von 
den  Verfertigem  jfidischer  Kalender  gewöhnlich  gc- 
brancht  wird'),  und  auch  oben  (551)  allern  angeführt 
worden  ist ,  g^wtfhrt  wenig  Genauigkeit.  Schon  nach 
128  Jahren  gibt  sie  die  mittleren  Jahrpnnkle,  die  sie 
zu  bestimmen  beabsichtigt,  um  einen  ganzen  Tag  m 
spitt.  Etwas  voUkommnei^es,  wiewohl  noch  immer  nicht 
ganc  genau«»,  lieferte  der  Rabbi  ASdä  Bav  AiYia'ba, 
der  nach  Bartolocci'}im  Jahr  der'WeU  3943,  n.Chr. 
183,  geboi*^  wuiYle,  und  als  Vorsteher  der  Hochschule 
SU  Sora  am  £uphi*at,  in  der  er  die  Astronomie  lehrte, 
in  einem  hohen  Alter  starb«  Er  nahm  jenes  Intervall 
ta  91 T.  7  St.  519 chl.  31  reg.  an*),   und   die   hierauf 


*)  Seit  Gregor *s  XIII  Kalenderrerbesserung  im  Jahr  1582 
finden  sich  in  manchen,  besonders  in  Italien  ei-scfaeinenden  jüdi- 
schen Kalendern,  auch  wo!  die  wahren  Jahrpunkte  —  r^-^n 
jtprwm  tkekiiphöth  haamiihijolh  —  angegeben,  abci'  nur  als  astro- 
nomische NoiizeD,  die  anf  die  Constniction  des  Kalenders  durch- 
aus keinen  Bezug  haben. 

»)     P.I,  p.62ff. 

')    Kiddusch  hachodesch  c.lO. 


H  B  B  R  Ä  B  A  •  675 

gegrüiulete  Tb^kuphenreclinuftg  fuhrt  seinen  Namen.  Sie 
bringt  das  Sannenjahr  auf  36&T.  5  St.  997  clil.  48  reg. 
Dies  ist  genau  ein  Neunzehnte!  der  Dauer  des  jüdischen 
Mondcydus  (544) ,  der  also  schon  damals  fixirt  sein 
mufsie.  Da  dieser  Cyclus  seinerseits  wieder  genau  daa 
235fache  der  mittlem  Dauer  des  synodischen  Moüattf 
nach  Hipparch's  Bestimmung  ist  (542),  so  wird  man 
leicht  erachten,  dafs  der  llabbi  Adda  sein  Sonnen  jähr 
von  diesem  grofsen  vierhundert  Jahr  vor  ihm  lebenden 
Astronomen  entlehnt  hat,  wie  auch  nach  Scaliger  ^} 
ein  jüdischer  Schrifutellet  anerkennt.  Die  997  chl. 
48  reg.  gcb^n  65'  26",  nur  10"  mehr  als  die  304jährig€» 
Periode  des  ebengedachten  GriJEK^hen  (352). 

Da  vom  Rabbi  Adda  so  wenig,  wie  vom  Rabbi 
Samuel,  Schriften  vorhanden  sind,  so  wissen  wir 
nicht,  welchen  Gebrauch  sie  von  den  Thekuphen  bei 
der  Bestimmung  des  Osterfestes  gemacht  haben.  Nur 
so  viel  ist  klar,  dafs  zu  ifai*er  Zeit  noch  nicht  alle  Will- 
kühr  aus  der  Anordnung  der  jüdischen  Zeitrechnung 
beseitigt  sein  konnte ;  denn  sonst  würden  sie  sich  nicht 
so  viel  mit  einer  Rechnung  beschäftigt  haben,  die  nach 
Einführung  des  neunzehnjährigen  Cyclu^  keinen  wesent-* 
lieben  Nutzen  weiter  gewährt. 

Wann  und  durch  wen  ist  aber  dieser  Cyclus  ein*- 
geführt  worden?  Hierüber  beobachten  die  Thalmudisten 
ein  tiefes  Stillschweigen.  Sie  scheinen  verstehen  ge^ 
ben  zu  wollen,  dafs  der  nia»  ibbur,  das  Schalt- 
wesen (539),  von  jeher  vorhanden  gewesen  sei').    Sie 


*)    Emend,  temp.  l.IV,  p.279. 

')    Sie  sprechen  immer,  z.B.  Bosch  haschanah  Bl.  20,  S.  2, 
von  dem  ^laam  ^ne  sodhaibbur,  dem  Geheimnisse  des  Ibbur. 


676  Techni$ch6  Chronologie. 

haben  Redit,  wenn  vom  Einschallen  nberiumpt  die 
Rede  ist;  ohne  ein  sokbes  kann  der  von  Moses  la- 
geoidnele  abib  nicht  gedacht  werden.  Aber  hier  han- 
delt es  sich  nicht  um  eine  rohe  und  schwankende,  son- 
dern um  eine  wissenschafüiche  und  feste  Schaltmethode, 
wie  sie  jetxt  gehrancht  wird.  Von  dieser  kann  man 
mit  fiestimmtheit  behaupten,  dals  sie  erst  en  isla  öden 
ist«  ab  die  Juden  in  ihrer  Zerstreuung  das  Bec/ü'rfmis 
der  Einheit  fühlten,  und  sie  wenigstens  in  ihrem  Ckii- 
tus  SU  envichen  strebten« 

Wenn  wir  uns  nun  bei  der  Ansicht  des  Thalmud 
und  seiner  Commentatoren  nicht  beruhigen  wollen,  so 
wenden  wir  uns  zunächst  an  den  unterrichteten  und 
kritischen  Maimonides.  Allein  wir  finden  bei  ihm 
nichu  weiter,  als  folgende  gel^entliche  Aeufserung^): 
I,  Nicht  eher  haben  die  Juden  angeiangen,  das  Jahr 
9,cyklisch  zu  ordnen,  als  unter  den  letzten  Urhebern 
9,  des  Thalmud,  wo  das  ^inslich  verheerte  Judas  leine 
„feste  Synode  mehr  hatte.  Zur  Zelt  der  MischivL  und 
„des  Thalmud  wtude  die  alte  Methode  ^der  Bestim- 
„  mung  des  Osterfestes)  noch  beibehalten."  Die  Zeit  der 
Entstehung  der  cjklischen  Rechnung  wird  hier  nach 
Wahrscheinlichkeit  angegeben ;  aber  von  einem  Urheber 
derselben  kein  Wort! 

Nun  steht  aber  in  allen  chronologischen  Büchern 
von  Scaliger  her  als  eine  ausgemachte  Sache,  dais 
es  ein  Rabbi  Hillel  war,  der  in  der  ersten  Hälfte 
des  vierten  Jahrhunderts  unserer  Zeitrechnung  (das  Jahr 
wird  verschieden  angegeben)  den  jüdischen  Kalender 
geordnet  habe.      Es  fragt  sich,    worauf  diese  Angak 


*)    Kiddusch  hachodesch  c.5,  S*  3. 


Hbbeäbr.  677 

bemht.  Gleichzeitige  clirisdiclie  ScbriftsteUer  achwei*. 
gen.  Wir  weiden  uns  also  nur  bei  deii  jüdischen  Radis 
erhohlen  können. 

Der  älteste,  der  des  Rabbi  Hillel  als  des  Urhe- 
bers der  cydischen  Recjitiung  gedenkt»  ist  der  Rabbi 
Hai  Gaon,  ein  Sohn  des  oben  ($68)  erwähnten  Rabbi 
Scherira,  uaoh  Bartolocci  ^)  der  letzte  der  Gao-* 
xiim<503).  Auf  seine  Autorität  berichtet  der  Yerfiisser 
dies  Meor  Ena  Jim'),  da(s  der  Rabbi  Hille]  Hanassi  ^ 
Sohn  des  Rabbi  Jehuda,  aus  der  Familie  David's,  die 
seit  hundert  Jahren  ypr  der  Zerstörung  Jerusalems  dem 
Nassiamte  (Patriarchat)  yorgestandeti,'  die  jetzige  Kfr» 
lendervecbnung  eiqgeführt  habe.  Eben  so  unbefriedi- 
gend äufsem  sich  alle  übrigen,  die  des  Rabbi  Hillel 
gedenkeor,  der  Rabbi  Moses  Ben  Nacbman^),  der 
Rabbi  Isaac  Israeli'^),  die  Verfasser  des  Sepher 
Juchasin,  Zemach  David,  Seder  Hadaroth  und 
andere.  Nur  fügen  noch  fast  alle,  am  bestimmtesten 
der  Rabbi  Isaac  Israeli^),  hinzu,  däfs  Hillel  seine 
Reform  in  Vereinigung  mit  einer  Synode  yeranstallet 
habe,  von  der  uns  aber  niemand  etwas  näheres  bertch» 
tat.  Als  Zeit  der  Reform  wird  im  Buche  Juchasin  ^) 
das  Jahr  670  des  Mirpan  tcluaroth  genannt,  dos  im 


*)    P.n,  p.384. 

^)  Th.n,  c.  40,  S.  461.  Zunächst  ist  die  Notiz  aus  dem  sel- 
tenen Budie  Mäfbbur  des  Rabbi  Abraham  Haaassi  gescbdpA. 

')  In  seinen  Anmerkungen  zu  dem  Werke  Hanäwoth  das 
Maimonides  p.  153. 

^)    In  seinem  Jessod  olam  c.  48. 

')    A.  a.  0.  und  auch  c.  9. 

«)    Bl.  66,  S.2. 

I.  [37] 


578  Techfusche  Chronologie. 

Jahr  358  n.Chr.  seinen  Anfang  nahm.  Hiemadi  hxt- 
ten  also  die  Juden  und  Christen  ihre  Festrechnung  si» 
siemlich  um  dieselbe  Zeit  geordnet. 

Bartolocci  nennt*)  zehn  Generationen  hindurch 
die  Yorfiihren  des  Rabbi  H  i  1  1  e  1 ,  die  sich  sämmt- 
lieh  durch  Gelehrsamkeit  und  Frömmigkeit  ausgezeich- 
net,  und  ala  Vorsteher  des  grolsen  Synedriums  von  Pa- 
iHstina  den  Titel  w^wn  Iifmassi,  Pri&sident  oder  Pa- 
triarch, geführt  haben').  Er  weifs  übrigens  ¥ienig 
mehr  von  ihm  cu  berichten,  als  die  aus  Epiphanius 
entkhnte  Legende,  dals  er  sich  auf  seinem  Sterbebette 
unter  demYorwande,  Anenei  zu  nehmen,  habe  taufen 
lassen.  Mit  ihm  erlosch  das  Patriarchat,  dessen  An- 
aehen sdion  langst  gesunken  war,  völlig. 

Wir  wollen  hiemach,  des  Stillschweigens  der  Thal- 
mndisten  ungeachtet,  die  in  sich  sehr  wahrscheinliche 
Nachricht,  dals  der  Rabbi  Hillel  Hanassi  gemein- 
sdiaftlidi  mit  dem  Synedrium,  an  dessen  Spiue  er 
stand,  dem  jüdischen  Kalender  seine  jeuige  Gesult  ge- 
geben habe,  ab  richtig  annehmen,  und  sehen,  welches 
vermuthlich  der  Gang  der  Reform  war. 

Zuerst  machte  Hillel  den  IQjährigen  Mondcyclns 
nur  Grundlage  der  ganzen  Kalenderrechnung.  Dieser 
Gydus  war  seit  Jahrhunderlen  nicht  blofs  bekannt, 
sondern  im  bürgerlichen  Gebrauch.  Im  Jahr  432  v.Chr. 
hatte  ihn  Meton  in  die  Zeitrechnung  der  Athener 
eingeführt  (326).     Im  Jahr  330  v.Chr.  verbesserte  ihn 


*)    P.n,  p.797. 

*)  Unter  ihnen  befinden  sich  Rabban  Simeon,  der  Christas 
auf  dem  Arm  getragen  (Luc.  11, 25  ff.},  und  sein  oben  (571)  ge- 
dachter Sohn  Rabban  Gamaliel. 


Hebräer.  679 

Callippus  (344),  und  seitdem  haben  ihn  sieh  ohne 
Zweifel  die  meisten  Völker  angeeignet,  die  sich  gleich 
den  Griechen  eines  gebundenen  Mondjahrs  bedienten. 
Die  Yerbessemng,  die  er  von  neuem  durch  HipparcK' 
erfuhr  (352) ,  mufs  durch  die  Schriften  dieses  grolsen 
Astronomen  wenigstens  unter  den  Gelehrten  in  Umlauf 
gekommen  sein.  Unmöglich  läfst  sich  nun  glauben, 
dafs  ein  Mann,  der  sich  zum  Reformator  der  Zeitrech- 
nung seines  Yolks  aufwarf,  nicht  gewufst  haben  sollte, 
was  anderswo  seit  Jahrhunderten  in  dieser  Beziehung 
geschehen  war.  Man  kann  daher  nur  lächeln,  wenn 
Bartolocci  behauptet^),  dals  der  neimzehnjährige 
Cyclus  von  Hillel  oonstruirt  und  von  ihm  zu  den 
Christen,  die  ihn  gleichfalls  zur  Bestimmung  ihrer  Oster- 
feier  gebrauchten,  übergegangen  sei.  Modificationen 
mufs  er  allerdings  durch  ihn  erlitten  haben;  denn  die 
Schaltjahre  sind  in  dem  jüdischen  Cyclus  anders  geord- 
net, als  sie  es  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in  dem 
metonschen  waren  (330, 331). 

Die  Dauer  des  mittleren  synodischen  Monats  setzte 
H  i  1 1  el  auf  29  T.  12  St.  793  chL  ,  in  unsem  Stunden- 
theilen  44'  3-^".  Dies  ist,  wie  schon  oben  (542)  bemerkt 
vrorden,  genau  Hipparch's  Bestimmung.  Sie  kommt 
mit  dem  Himmel  sehr  nahe  überein;  denn  Tobias 
Mayer«)  hat  für  das  Jahr  300  v.Chr.  44' 3",  4015, 
und  für  das  Jahr  1700  n.Chr.  44' 2", 8283  gefunden. 
Der  Ginind  dieser  Yerschiedenheit  liegt  in  einer  zuerst  von 
H  a  1 1  e  y  wahrgenommenen  Beschleunigung  der  mittleren 


«)    P.n,  p.545. 

')    S.  Lalande's  Astronomie  Tom.  11,  p.  157. 

P7T 


680  Technische  Chronologie. 

Bewegang  des  Mondes.  Nehmea  wir  die  nuide  ZaU 
von  3%  wie  es  oben  (47)  geschehen  ist,  so  erhalten  wir 
für  235  sjnodische  Monate^  als  die  Dauer  des  neunzehn- 
jihrigen  Cydus,  6939 T.  16 St.  51' 45%  nach  Hipparch*s 
und  Hillers  Bestimmuog  dagegen  33' 3^%  nur  1'  18^* 
mehr«  welcher  geriage  Uniei'schied  erst  nach  Jahrtau- 
senden SU  einem  Tage  anwiichsu  Man  siebt  aJso,  dafi 
mit  Bezog  auf  die  Neumonde  der  jüdische  Kalender 
alks  lebtet,  was  you  einer  wohlgeordneten  Z^liech- 
Bung  nur  irgend  verlangt  weixkn  kann. 

Die  Bedingung,  da(s  der  l.Thischri  oder  das  Neu- 
jahrfest nie  auf  Sonntag,  Mittwoch,  Freitag,  und  der 
IS.Nisau,  der  erste  Tag  des  Passahfestes,  nie  auf  Mon- 
tag, Mittwodi  und  Freiug  £dlen  darf  (561),  welche  das 
Ceivmoniaigesetr  der  Juden  gewiis  längst  festgestellt 
hatte,  gah  dem  Rabbi  Hillel  die  drei  Arten  von  Ge- 
mein« und  Schaltjahren,  die  jetzt  im  Gebrauch  sind  (540). 
Dials  er  das  Schwankende  in  die  Monate  MarcfaescJinia 
imd  Risley  brachte,  mag  eben  so  ein  aiies  Heriommen 
für  sich  gehabt  haben,  wie  die  SleUiing,  die  er  dem 
Schaltmonat  gab. 

Mit  der  Daner  des  sjnodischen  Monats  lie(s  sich 
von  einem  Moied  cum  andern  vor-  und  rückwärts 
rechnen.  Wenn  aber  irgend  ein  Moled  aulser  der  Reihe 
gefunden  werden  sollte,  so  mulste  die  ganze  Rechnung 
an  eine  feste  Epoche  gereiht  werden.  Er  wählte  dazu 
die  Erschaffung  der  Welt,  und  so  ward  er  der 
Urheber  der  jeuigen  Acre  der  Juden. 

Es  kann  hier,  wie  sich  von  selbst  versteht,  nicht 
die  Frage  sein ,  ob  er  die  Epoche  der  Schöpfung  richtig 
bestimmt  habe,  sondern  nur  wie  er  dabei  verfahren 
ist.     Offenbar  ging  er  von  dem  Anfange  der  damals 


Hebe  AB  R*  681 

noch  allgemein  Yon  den  Juden  gebraudbien  sekuci- 
dischen  Aeie,  dem  Herbst  des  Jahrs  312  v.Chr.,  aus« 
Yon  hier  rückwärts  rechnend ,  machte  er  zur  nächsten 
Epoche  die  Zerstörung  des  ersten  Tempels.  Er  nahm 
sie  nur  112  Jahre  früher  an,  um  mehr  als  150  Jahre 
zu  wenig  zählend  (529)9  so  dafs  er  den  Nebucadnezar  in 
die  Zeiten  des  ArtaierzesJ  herabrnckte.  Indem  er  so 
weiter  zur  Erbauung  des  ersten  Tempels,  zum  Auszuge 
der  Israeliten  aus  Aegypten,  zur  Sündfluth  und  zur 
Schöpfung  zurückging,  theils  ausdrücklichen  Zeltanga-; 
ben  der  Bibel ,  theils  seiner  Deutung  derselben  folgend, 
fand  er  als  Epoche  des  Minjan  schtaroth  den  Anfang 
des  Jahrs  3450  der  Welt(53i). 

An  die  Weltäre  mufste  der  neunzehnjährige  Cydus 
geknüpft  werden.  Natürlich  machte  er  den  Anfang  der 
Aere  zugleich  zum  Anfange  des  Qrclus;  denn  so  gab 
eine  blofse  Division  das  jedesmalige  Jahr  desselben  (543)» 
Bemerkenswerth  ist  es  übrigens,  dafs  der  jüdische  Mond- 
cirkel  immer  drei  Jahre  weniger  zählt,  als  der  christ- 
liche; wir  haben  den  unsrigen  mit  dem  Jahr  1824  he^ 
gönnen  (72) ,  und  die  Juden  werden  den  ihrigen  erst 
wieder  mit  dem  Herbst  des  Jahrs  1826  anfartgen. 

Nachdem  nun  die  Weltäre  fixirt  war,  kam  es  dar* 
auf  an,  den  Moled  Thischi-i  ihres  ersten  Jahi's  zu  be- 
atimmen,  an  den  die  ganze  cykliscbe  Rechnung  gereiht 
wei*den  sollte.  Hiebei  scheint  Hillel  folgendermafsen 
verfahren  zu  sein.  Er  ging  von  irgend  einem  Moled 
Thischri  aus,  z.B.  von  dem  des  Jahrs  4105,  v.Chr«  344, 
mit  welchem  ein  neuer  Mondcirkel  an6ng«  Diesen  Moled 
setzte  er  auf  Montag  den  23.  Gorpiäus  oder  September 
um  10 ü.  11 '  23"  Abends,  oder  nach  jüdischer  Rech- 
nung auf  Dienstag  den  24sten  um  4  St.  205  chl.  jeru- 


682  TechiMche  Chronologie. 

salemmer  Zeit«  Sehr  nahe  lutm  hiennit  die  mitllere  Goii- 
)imctioii  überem ;  die  wahre  war  bereits  am  Yormittage 
desselben  Taftes  um  lOU.  30'  w.  Z.  erfolgt.  Nun  trifft 
der  Moied  Thischri  mit  Ablauf  eines  jeden  Mondcydus 
um  1565cbl.  früher  im  julianischen  Jahr  ein  (555).  Es 
kam  also  nur  darauf  an,  diese  1565 cbl.  mit  216  zu 
nultiplicireu,  um  su  find»,  um  wie  yid  Tage,  Stan- 
den und  Stundentheile  der  Moled  Thischri  in  den  von 
der  Weltare  bereits  abgelaufenen  216  Cykeln  vorgeeilt 
sei.  Es  ergaben  sich  13  T.  iSt.,  und  wurde  diese 
Zeit  EU  dem  Moled  Thischri  des  Jahrs  4105  addirt,  so 
kam  der  Moled  Thischri  des  Jahrs  1  auf  Montag  den 
6.  Hyperberetäus  oder  Oktober  des  Jahrs  3761  v.  Chr. 
um  HU.  205  chl.  Abends,  oder  nach  judischer  Rechnung 
auf  Dienstag  den  7ten  um  5  St.  205  chl.  zu  stehen. 

Das  Jahr  344  u.  Chr. ,  das  hier  Bcispielshalber  ge- 
wählt ist,  scheint  nun  wirklich,  wie  auch  Scaliger 
annimmt^),  das  Jahr  ni  sein,  in  welches  wir  die  Ae- 
form  des  jüdischen  Kalenders  zu  seteeo  bäbcD.  Nicht 
blofs  ein  neuer  Cydus  fing  in  ihm  an,  sondern  es  fiel 
auch  der  Moled  Thischri  auf  denselben  Tag,  auf  den 
Hillel  die  Herbstnachtgleiche  gesetzt  haben  muis  (552). 
Zwar  traf  sie  zu  seiner  Zeit  beraits  um  einen  Tag  früher 
ein  (78);  er  ist  aber  vermuthlich  nicht  von  einer  eige- 
nen Beobachtung  derselben,  sondern  von  einer  altem 
Bestimmung  ausgegangen,  die  er  vermittelst  der  von 
ihm  noch  bedeutend  zu  gro(s  angenommenen  Jahrlange 
auf  seine  Zeit  reducirte. 

Neunzehn  tropische  Jahre  su  365  T.  5  St.  48'  48'' 
(35)  geben  6939  T.  14  St.  27'  12%   also  2 St.  5'  Slf" 


*)    Canon.  Isag.  1.  m.  p.  282. 


Hbbräer.  583 

weniger,  als  235  synodische  Monate  zu  29  T.  12  St. 
793  chl.  (544).  Die  Folge  dieses  Unterschiedes  ist,  dafe 
die  Juden  ihr  Osterfest  allmälig  immer  später  im  Son- 
nenjahr feiern  werden.  So  z.B.  wird  der  15.  Nisan 
des  Jahrs  12008  ihrer  Acre,  oder  8248  der  unsrigen, 
erst  am  20.  Mai  n.St.,  um  mehr  als  zwei  Monat  spä- 
ter als  die  Friihlingsnachtgleiche,  eintreffen.  Die  Ver- 
schiebung ihres  Kalenders  beträgt  mehr  als  vier  Tage 
in  1000  Jahren,  die  unsers  gregorianischen  dagegen  erst 
einen  Tag  in  3600.  In  dieser  Beziehung  ist  also  ihre 
Zeitrechnung  minder  genau,  als  in  einer  andern  vor- 
hin (580)  gedachten. 

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Gedruckt  in  der  Druckeret  der  KönigL  Akademie 
dei*  WisteoscIiaAen. 


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